Wettbewerb, Konzentration und wirtschaftliche Macht: Festschrift für Helmut Arndt [1 ed.] 9783428436088, 9783428036080

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Wettbewerb, Konzentration und wirtschaftliche Macht: Festschrift für Helmut Arndt [1 ed.]
 9783428436088, 9783428036080

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Wettbewerb, Konzentration und wirtschaftliche Macht Festschrift für Helmut Arndt zum 65. Geburtstag Herausgegeben von

Fritz Neumark, Karl C. Thalheim, Heinrich Hölzler

Duncker & Humblot . Berlin

Wettbewerb, Konzentration und wirtschaftliche Macht Festschrift für Helmut Arndt

Wettbewerb, Konzentration und wirtschaftliche Macht Festschrift für Helmut Arndt zum 65. Geburtstag

Herausgegeben von

Fritz Neumark, Karl C. Thalheim, Heinrich Hölzler

DUNCKER

& ΗüMBLOT/

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten © 1976 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1976 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany I S B N 3 428 03608 5

Zueignung Helmut Arndt, dessen 65. Geburtstag der Anlaß zu der vorliegenden Festschrift ist, hat i n der deutschen Wirtschaftswissenschaft der Gegenwart einen festen und unverwechselbaren Standort; seine wissenschaftstheoretischen und methodologischen Auffassungen werden, so meinen wir, für die weitere Entwicklung dieser Wissenschaft von großem Gewicht sein. Geboren am 11. Mai 1911 i n Königsberg (Ostpreußen) als Sohn eines an der dortigen Universität wirkenden Ordinarius für Bergrecht, studierte A r n d t zunächst Rechts-, später Wirtschaftswissenschaften und war fast ein Jahrzehnt als Jurist i n der Wirtschaft tätig. 1956 habilitierte er sich für Volkswirtschaftslehre an der Universität Marburg. Eine Gastprofessur i n Syracuse (USA) und eine ordentliche Professur i n Istanbul gaben i h m die Möglichkeit, zwei nach Geschichte, Entwicklungsstand und kultureller Tradition sehr unterschiedliche Länder außerhalb Deutschlands genauer kennenzulernen; mehrere spätere Studienreisen führten i h n wieder nach den USA, aber auch nach Lateinamerika und i n andere Teile der Erde. 1954 wurde er ols ordentlicher Professor an die Technische Hochschule Darmstadt, 1957 an die Freie Universität Berlin berufen; dieser ist er bis heute treugeblieben. Helmut A r n d t ist als Nationalökonom einen sehr eigengeprägten, klaren und ergebnisreichen Weg gegangen. Er repräsentiert eine Methode des Denkens und Forschens, wie sie i n der heutigen nationalökonomischen Theorie nicht allzu häufig anzutreffen ist: Sie ist ebenso weit entfernt von einem wirklichkeitsblinden Formalismus wie von einem theorielosen Empirismus. Die Grundrichtung dieser seiner Auffassung w i r d schon i n seinen frühen Arbeiten sichtbar; sie ist von i h m von Stufe zu Stufe weiterentwickelt, verfeinert und vertieft worden. Nur durch eine Kombination der Methoden, die sowohl die reine wie die anschauliche Theorie anwenden, könne sich i n einer Erfahrungswissenschaft wie der Nationalökonomie die volle Erkenntnis erschließen, schrieb A r n d t i m Jahre 1960; diese Methoden hat er selbst i n vorbildlicher Weise miteinander zu verbinden gewußt. Die Fruchtbarkeit solcher Kombination, des klaren und unverzerrten Blicks für die Wirklichkeit zeigt sich besonders i n der Anwendung auf denjenigen Bereich des Wirtschaftslebens, der i n dem umfangreichen

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wissenschaftlichen Werk Helmut Arndts den ersten Platz einnimmt: das Marktgeschehen und die Kräfte, die dieses bestimmen. „Die Voraussetzungen des Marktautomatismus" behandelt eine seiner frühesten Arbeiten. Als 1966 sein bisheriges Hauptwerk unter dem damaligen Titel „Mikroökonomische Theorie" erschien, gliederte er es i n die beiden Hauptteile „Marktgleichgewicht" und „Marktprozesse". Es ist für die weitere Entwicklung seines Denkens charakteristisch, daß er der zweiten, grundlegend veränderten Auflage dieses Werkes den Titel gab: „ M a r k t und Macht. Gegenwartsfragen der Wirtschaftstheorie". Diese Veränderung des Titels läßt den Weg erkennen, den das A r n d t sche Denken genommen hatte: Bei seinen geistigen Ansatzpunkten mußte er bei der Analyse des Marktgeschehens sehr bald auf das Machtproblem stoßen, und es konnte nicht ausbleiben, daß der damit eng verbundene Konzentrationsprozeß für i h n zu einer entscheidenden Fragestellung wurde. Macht erscheint bei i h m aber nicht einseitig als Machtstellung des Monopolisten (oder Oligopolisten), er spürt allen ihren Erscheinungsformen nach, so besonders auch der Nachfragemacht und der Macht der multinationalen Konzerne. Letzte Wertungen ergeben sich für i h n dabei nicht unter rein ökonomischen Aspekten: Höchstes Ziel ist i h m vielmehr die Erhaltung menschlicher Freiheit „ i n einer Welt, i n der Volkswohlstand, sozial gerechte Verteilung und menschliche Freiheit konkurrierende und erstrebenswerte Ziele sind". Den beiden Fragen der Rolle der Macht i n der Wirtschaft und der Konzentration ist seit fast zwei Jahrzehnten der größte Teil des wissenschaftlichen Werkes von A r n d t gewidmet; er hat ihnen wie auch einigen m i t ihnen zusammenhängenden Einzelproblemen zahlreiche Veröffentlichungen gewidmet. Darunter befinden sich auch solche, die nicht nur für den engeren Kreis der Fachleute, sondern auch für eine breite Öffentlichkeit bestimmt sind, so etwa das 1974 erschienene Buch „ W i r t schaftliche Macht. Tatsachen und Theorien", das i n einer vorbildlich klaren und verständlichen Sprache, wie sie i n der heutigen deutschen Wirtschaftswissenschaft leider nicht mehr sehr häufig anzutreffen ist, auch dem nicht speziell nationalökonomisch Gebildeten das Verständnis für diese so wesentlichen und wichtigen Probleme zu vermitteln weiß. Arndts Wirken auf diesem Gebiete beschränkte sich aber nicht auf seine eigene wissenschaftliche Forschung. Ein imponierendes Beispiel für eine erfolgreiche Organisation der Zusammenarbeit zahlreicher Gelehrter und Praktiker ist das von i h m herausgegebene, 1960 i n erster, 1971 i n völlig neu bearbeiteter zweiter Auflage i n der Reihe der Schriften der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Verein für Socialpolitik) erschienene dreibändige Standardwerk „Die Konzen-

Zueignung tration i n der Wirtschaft". Als 1960 der Bundestag eine KonzentrationsEnqête beschloß, wurde A r n d t zum Mitglied der Beratenden Kommission für diese Enquête berufen; es war für i h n charakteristisch, daß er aus dieser Kommission austrat, als er sich davon überzeugt hatte, daß es für ihre Arbeit keine genügende wissenschaftliche Grundlage gab. I m Jahre 1962 gründete A r n d t an der Freien Universität Berlin das „Institut für Konzentrationsforschung", das er rasch zu internationalem Ansehen entwickelte. Daß er 1970 die Leitung dieses Instituts aus der Hand geben mußte, ist ein schmerzlicher Beweis für Fehlentwicklungen an deutschen Universitäten — schmerzlich auch besonders deshalb, weil damit i n Helmut A r n d t ein Mann schwer getroffen wurde, der m i t großer Toleranz versucht hatte, das Aufbegehren radikaler Studenten i n vernünftige Bahnen zu lenken. Bei der Würdigung des Arndtschen Wirkens darf nicht vergessen werden, daß er zusammen m i t seinem Lehrer Gerhard Albrecht entscheidenden Anteil an der Wiedergründung des traditionsreichen „Vereins für Socialpolitik", der heutigen „Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften", und an seiner weiteren Entwicklung hatte. 1967 bis 1970 war er Vorsitzender dieser Gesellschaft. I m Jahre 1969 gab Helmut A r n d t zum 80. Geburtstag Gerhard A l brechts eine Festschrift heraus; jetzt ist er selbst der Jubilar, dem zu seinem 65. Geburtstag Kollegen, Freunde, Mitarbeiter und Schüler eine solche Festgabe widmen. Daß alle Beiträge sachgerecht unter das Generalthema „Wettbewerb, Konzentration und wirtschaftliche Macht" gestellt werden konnten, beweist die Bedeutung dieser Erscheinungen, deren Erforschung für die Lebensleistung Arndts so bedeutsam war und ist. Die Tatsache, daß nicht wenige der Mitarbeiter Ausländer sind, zeigt den internationalen Rang, den A r n d t sich als Gelehrter und als Persönlichkeit erworben hat. Für die Anordnung der Beiträge wurde die alphabetische Reihenfolge entsprechend den Namen der Autoren gewählt. Jedoch mußte der Beitrag von Prof. Dr. Ronald Müller an den Schluß gesetzt werden, da er für die alphabetische Einordnung nicht mehr rechtzeitig eintraf. Es braucht nicht betont zu werden, daß jeder der Autoren für den Inhalt seines Beitrages die wissenschaftliche Verantwortung trägt. Daß die Auffassungen der Autoren keineswegs i n allen Punkten übereinstimmen — ohne Zweifel w i r d auch der Jubilar selbst nicht alle i n der Festschrift geäußerten Meinungen teilen —, entspricht der menschlichen Toleranz, die bei aller Entschiedenheit i n der Wahrung des eigenen Standpunktes für Helmut A r n d t charakteristisch ist.

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Zueignung

So möge die Festschrift ein Ausdruck des Dankes sein, den die W i r t schaftswissenschaft Helmut A r n d t schuldet, der Hochschätzung, die so viele seiner ehemaligen und heutigen Mitarbeiter und Studenten i h m entgegenbringen. Die Herausgeber Prof. Dr. Drs. h. c. Fritz Neumark Prof. Dr. K a r l C. Thalheim Dr. Heinrich Hölzler

Inhaltsverzeichnis

Antitrust, Laissez-faire, and Economic Power Von Professor Dr. Walter Adams, East Lansing/Michigan

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Capacité Défensive, Dispersion et Pouvoir des Grandes Sociétés Von Professor Dr. Gilles Y. Bertin, Rennes

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Tarifautonomie trotz Mitbestimmung? Von Professor Dr. Gert von Eynern, Berlin

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Multinationale Unternehmen und Wettbewerb Von Professor Dr. Eberhard Günther, Berlin

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Wirtschaftliche Macht als Störfaktor von Wettbewerbsprozessen Von Dr. Heinrich Hölzler und Dipl.-Kfm. Wolfgang Winkler, Berlin ..

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Fördert das Steuerrecht die wirtschaftliche Konzentration? Ein rechtsvergleichender Beitrag Von Professor Dr. J. van Hoorn Jr., Amsterdam

95

Zum Machtaspekt in der Berufsbildungsdebatte Von Professor Dr. Reimut Jochimsen, Bonn-Bad Godesberg

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Die kollektive Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils. Erörtert aufgrund der „Tragik der Allmende", des „Schwarzfahrer-Problems" und des „Dilemmas der Untersuchungsgefangenen" Von Professor Dr. Walter Adolf Jöhr, St.-Gallen

127

Power, Profits and Wastage. A n Economic Analysis of the European Pharmaceutical Industry Von Professor Dr. H. W. de Jong, Breukelen

161

Zur Problematik der Ermittlung optimaler Betriebsgrößen und ihrer Verwendung Von Professor Dr. Hans Otto Lenel, Mainz

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Inhaltsverzeichnis

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Administrative Inflation and Public Policy Vor Professor Dr. Gardiner C. Means, Vienna-Virginia

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Zur Änderung von Marktstrukturen im Wirtschaftsprozeß Von Professor Dr. Günther Ollenburg, Berlin

219

Die transnationalen Einheiten (Τ. Ν . E.) und die Erneuerung der Theorie des allgemeinen (inneren und äußeren) Gleichgewichts Von Professor Dr. François Perroux, Paris

241

Die besonderen Wettbewerbsbedingungen homogener und heterogener Güter Von Dipl.-Kfm. Arno Sölter, Köln

263

Konzentration und wirtschaftliche Macht in einer sozialistischen Ordnung. Untersucht am Beispiel der DDR Von Professor Dr. K a r l C. Thalheim, Berlin

317

Aspekte der ökonomischen Konzentration in den Ländern der Dritten Welt Von Dr. Günter Zenk, Caracas

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Towards a Political Economy of Multinational Corporations and NationStates Von Professor Dr. Ronald Müller, Washington, D C Bibliographie Helmut Arndt

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Antitrust, Laissez-faire, and Economic Power B y Walter Adams Helmut Arndt introduces his recent book on economic power w i t h this oberservation: "Die Geschichte der Wirtschaft ist stets zugleich eine Geschichte wirtschaftlicher Macht. Für alle Wirtschaftssysteme — und nicht nur für das kapitalistische — ist die Bändigung wirtschaftlicher Macht eine wesentliche und immer wieder neu zu lösende Aufgabe 1 ." What a neat statement of the problem! What a welcome antidote to the ideological (and so often irrelevant) debate between the "Right" and the "Left". I n a free enterprise economy, the major challenge of public policy is to design a social control mechanism which can deal effectively w i t h private power, i. e. the concentrated power of giant firms. The essence of this private power is the firm's ability to insulate itself from the discipline imposed by the market or by government or by both. I t consists of the firm's capacity (in the words of W. J. Adams) "to avoid market or political sanctions for poor performance". The basic elements of this power are the ability (1) to exploit mutual interdependence, and (2) to erect barriers against new competition, and thus stifle the emergence of new sources of supply. The structural manifestation of this power may occur i n a horizontal, vertical, or conglomerate context. I n the United States, and probably elsewhere, a major factor i n the creation and maintenance of great concentrations of private power has been the role of government. As Professor Horace Gray and I pointed out i n Monopoly in America : The Government as Promoter 2, the current levels of concentration i n the American economy cannot be explained simply i n terms of technological or economic imperatives. They do not reflect a mystical divine w i l l ; nor do they conform to some inexorable law of nature. Economic concentration, we argued, is i n part the outgrowth of unwise, discriminatory, privilege-creating legislation — the concomitant of unimaginative, short-sighted, or corrupt exercise of administrative and regulatory power. 1

Helmut Arndt, Wirtschaftliche Macht, München 1974, S. 9. Walter Adams and Horace Gray, Monopoly in America: The Government as Promoter, 2nd edition, New York 1957. 2

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Government today is, i n many instances, the promoter of monopoly and frequently puts together the very power concentrations which the antitrust authorities are later called upon to break asunder. The examples are numerous: the long and pervasive list of antitrust exemptions; the procurement practices of executive agencies, especially the Department of Defense; the restrictive, exclusionary, and protectionist policies of the independent regulatory commissions which i n the United States oversee such v i t a l sectors as atomic energy, ground, air, and water transportation, and radio, television, and communications; the insulation of domestic oligopolies from import competition through tariff laws, anti-dumping legislation, import quotas, etc.; the granting of patents to private contractors performing research and development work for the government — at public expense and free of private risk. These are examples — by no means exhaustive — of how the government attenuates and compromises the disciplinary role of the competitive market. They lend force to Thomas Jefferson's warning that the government which governs least, governs best. Some commentators — notably the ideologically inclined economists of the Chicago School and their political epigones — have seized on this notion to support their clamor for unrestricted laissez-faire. They argue that today — just like under 17th century English Common L a w — monopoly can result only from an exertion of sovereign power creating it, and that no express restrictions or prohibitions are necessary to guard against the creation of monopoly by an individual. According to Nathaniel Branden , for example, "there is only one way to forbid entry into a given field of production: by law. Every coercive monopoly that exists or has ever existed — i n the United States, i n Europe, or anywhere else i n the w o r l d — was created and made possible only by an act of government: by special franchises, licenses, subsidies, by legislative actions which granted special privileges (not obtainable on a free market) to a man or a group of men, and forbade all others to enter that particular field". Similarly, according to Ayn Rand , "the concept of free competition enforced by law is a grotesque contradiction i n terms . . . The only actual factor required for the existence of free competition is: the unhampered, unobstructed operation of the mechanism of a free market. The only action which a government can take to protect free competition is: Laissez-FaireV' Antitrust laws, i n this view, are superfluous i n theory and nugatory i n practice. As i n most theories, there is a grain of t r u t h i n this formulation. Nevertheless, i t does not gainsay the need for antitrust laws or the desirability of governmental action to promote competition. Nor does i t lend persuasive support to the policy claims of untrammeled laissez-

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faire. On the contrary, i t underscores the virtue of government interference which is designed to improve the working of the competitive market mechanism as the central regulator of the economy; i t underscores the vice of government interference which has the effect of creating, entrenching, and legitimizing private economic power and thus contributing to the subversion of the regulatory discipline imposed by competition. Unmitigated laissez-faire achieves neither goal. First, i n the "private" sector of the economy which is entrusted to regulation by competition, laissez-faire would quickly result i n the destruction of the very freedom which its advocates ostensibly cherish. Since unfettered freedom presumably includes the right to destroy the freedom of others, i t is incompatible w i t h the maintenance of a free system! One man's freedom to live requires interference w i t h another man's freedom to k i l l him. The liberty of the sheep to coexist w i t h the wolf is meaningless i n the absence of a shepherd. Free enterprise makes sense only w i t h i n a framework of freedom, w i t h i n a system of rights which maximizes the individual freedoms of an entire society. And, since competition is a human artifact rather than a gift of nature, its preservation requires governmental action. I t requires laws, like antitrust to protect the competitive order against subversion by individuals and private groups. Over half a century ago, i n The Control of Trusts (1914), John Bates Clark articulated the meaning of free competition and the guidelines for its preservation as follows: " I n our worship of the survival of the fit under free natural selection we are sometimes i n danger of forgetting that the conditions of the struggle fix the kind of fitness that shall come out of i t ; that survival i n the prize ring means fitness for pugilism, not for bricklaying nor philanthropy; that survival i n predatory competition is likely to mean something else than fitness for good and efficient production; and that only from strife w i t h the right of ^ l e s can the right k i n d of fitness emerge. Competition is a game played under rules fixed by the state to the end that, so far as possible, the prize of victory shall be earned, not by trickery or mere self-seeking adroitness, but by value rendered. I t is not the mere play of unrestrained self-interest; i t is a method of harnessing the w i l d beast of self-interest to serve the common good — a thing of ideals and not of sordidness. I t is not a natural state, but like any other form of liberty, i t is a social achievement, and eternal vigilance is the price of it." Second, i n the "regulated" sector of the economy, which i n the United States is operated by private companies subject to direct economic supervision of government regulatory commissions, and where (for technological and economic reasons) entry cannot be entirely free,

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laissez-faire is also manifestly unworkable. I n broadcasting, for example, the number of radio frequencies and television channels is necessarily limited. How, then, shall the inevitable scarcity problem be solved w i t h i n the parameter of available alternatives? Shall the government sell the airways, as Ayn Rand suggests, on a "first come, first served" basis and then protect the monopoly rights thus acquired against intrusion by present and future contenders (i. e., competitors)? Is such legitimization of monopoly power the real meaning of laissezfaire? Or, should the government recognize fixed natural limitations upon the number of stations that can operate without interfering w i t h one another, and then allocate the spectrum i n such a way as to maximize the dispersion of economic power w i t h i n the limits imposed by technology? Clearly, the policy desideratum here, as elsewhere, is not the sanctioning of some private rights but the maximization of a bundle of rights — not the protection of individual freedom but of a system of freedom. I n short, laissez-faire must be more than a password for government legitimizing of private privilege. As should be evident by now, the foregoing criticisms by laissezfaire extremists reflect a profound misconception of the economic rationale and political philosophy underlying the antitrust laws. They also show — not without some irony — a misunderstanding of the theory and policy implications of classical economics which constitute the historic roots of antitrust. The classicists, i t is w e l l to remember, were no neophytes i n their approach to the economic power problem. Just like the Founding Fathers who drafted the U. S. Constitution tried to devise a political system built around a decentralized power structure, so the old classicists (their 18th century contemporaries) tried to design an economic system replete w i t h safeguards against the abuses which inevitably accompany excessive industrial and financial power concentrations. That is w h y the classicists constantly underscored two central policy objectives i n their system, namely (1) to utilize individual freedom as the central motive force i n a free economy, and (2) to utilize competition as the principal safeguard against the abuse of private economic power. A brief discussion of each of these is now i n order. (1) Individual freedom, according to the classical economists, was the best method of maximizing social welfare. "The statesman, who should attempt to direct private people i n what manner they ought to employ their capitals", wrote Adam Smith, "would not only load h i m self w i t h a most unnecessary attention, but assume an authority which could safely be trusted to no council and senate whatever, and which would nowhere be so dangerous as i n the hands of a man who had folly and presumption enough to fancy himself fit to exercise i t " . Not

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the state, but the free play of market forces should determine the kinds and quantities of goods to be produced, the factors of production to be employed, and the division of distributive shares. Individual economic activity should be coordinated through an autonomous and impartial planning mechanism — one that is external to human control, manipulation, or perversion. The individual appetite for private gain should be harnessed for social ends by an "invisible hand" — the incentives and compulsions of a competitive market. The central notion here is that individual freedom is conducive to social advantage, that a policy of laissez-faire or pas trop gouverner w i l l achieve a harmony between the pursuit of self-interest and the maximization of general welfare. But the classicists were not so naive as to believe that this harmony was natural, spontaneous, or selfgenerating. As Lord Robbins points out, "The invisible hand which guides men to promote ends which were not part of their intention, is not the hand of some god or some natural agency independent of human effort; i t is the hand of the lawgiver, the hand which w i t h draws from the sphere of the pursuit of self-interest those possibilities which do not harmonize w i t h the public good". The invisible hand is the hand of government acting i n the role of rule maker and umpire — creating the framework i n which alone economic freedom can perform its assigned social task. Individual freedom can be meaningful only w i t h i n a pattern of freedoms, and the crucial question therefore revolves around the distribution of freedoms w i t h i n an economic power structure. The crucial problem, says Lord Robbins, is to "distinguish between (government) interventions that destroy the need for intervention and interventions that tend to perpetuate i t " . Or, as Bentham points out, i t is not enough to shout laissez-faire and oppose all government action: "To say that a law is contrary to natural liberty, is simply to say that i t is a law: for every law is established at the expense of liberty — the liberty of Peter at the expense of the liberty of Paul." I f individual rights were absolute and unlimited they would mean license to commit the grossest abuses against society. The classicists were not content, therefore, w i t h an exclusively negative view of government, summed up i n the slogan of laissezfaire. They recognized, w i t h Hobbes, that a state of nature is fraught w i t h "fear and violent death" and that man's life i n nature is for this reason "poor, nasty, brutish, and short"; that good order does not arise from a universal perception of a harmony of interests; that government is not a purely voluntary association; that, on the contrary, good order requires an irreducible element of governmental force, coercion, and

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intervention so as to maintain the framework i n which alone freedom can flourish. Harmony and mutuality of interests being neither automatic nor inevitable, i t becomes the "function of government i n the modern world . . . to provide and enforce a framework of rules for securing freedom, and the conditions necessary for effective freedom, i n economic life" (Frank Knight , Freedom and Reform, 1947). To the classicists, laissez-faire was a policy prescription not so much for individual freedom as for a free economic system. (2) I n the classical system, the invisible hand (i. e., the competitive market) had to serve a dual function. On the one hand, i t was to harness the individual to social ends; on the other, i t was to deprive h i m of power so great that, if abused, i t would result i n harm to his fellows. I n the words of Adam Smith, " I t is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or the baker that we expect our dinner, but from their regard to their self-interest. We address ourselves, not to their humanity, but to their self-love, and never talk to them of our necessities, but of their advantages". Nevertheless, this self-interest is only one side of the coin. I t is the motive force that drives men to action. Something else is needed to keep these private appetites w i t h i n social bounds — to prevent private profiteering at public expense — and that element is competition. Competition is the coordinator of individual activity, the planning mechanism built around private choices, the allocation system guiding the use of society's resources. B u t i t is also the regulatory device for l i m i t i n g and controlling economic power. I t is the social safeguard against the abuse of private discretion. I n this view, competition is a regulatory system. Its objectives are the same as that of any regulatory system, but its techniques are different. I t achieves its social ends, not through direct participation i n the economic game, but through a set of prohibitory rules designed to insure the desired outcome. I t relies not on the visible hand of the central planner, but on an autonomous, objective, and impersonal market process. I t exercises compulsion, not through direct governmental decision making, but through rules which guide, limit, and discipline private decision makers. I n a sense, the regulatory scheme of competition is analogous to the rules of a football game. A team is free to use whatever offensive and defensive strategy i t desires, but i t may exercise discretion only w i t h i n prescribed limits. The field is of specified dimensions; there are rules as to team size, w i t h no mergers allowed; there are prohibitions against off-sides, the use of hands, tripping, and similar competitive methods; above all, there is a referee to enforce these rules, and an athletic association to change the rules whenever necessary to improve the quality of the game.

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I n the final analysis, that is the role of antitrust i n a free economy. I t is a regulatory system which functions through prohibitory rules. I t sets the limits w i t h i n which individuals are free to do as they please. But, like any regulatory system, i t must protect its own integrity. I t must insure that the freedom i t allows to individuals is not used to destroy the freedom of others or to subvert the entire system of freedom. Most important, perhaps, i t must prevent the foxes from ending up as masters of the hen-house. A distribution of economic power compatible w i t h a free society is a Herculean challenge. I t is, to repeat the words of Helmut Arndt, "eine wesentliche und immer wieder neu zu lösende Aufgabe".

2 Festschrift für Helmut Arndt

Capacité Défensive, Dispersion et Pouvoir des Grandes Sociétés Von Gilles Y. Bertin L'évolution économique au cours des dernières années et, en particulier, le recul d'activité observé depuis 1973 ont mis en évidence le pouvoir des grandes sociétés multinationales mais aussi — surtout par comparaison avec la décennie 1960-70 — l'apparition de points de fragilité dans leur croissance jusqu'alors ininterrompue. Certes, le poids qu'elles représentent s'est encore accru à la faveur même des difficultés. Mais de nombreux faits — réduction importante des débouchés, multiplication des attaques des Etats contre des positions abusives, nationalisations des ressources primaires, conditions monétaires peu propices à l'investissement international, etc. — soulignent un changement certain du contexte mondial à leur égard, au reste prévisible devant la montée continue de leur puissance. La transformation de la structure des groupes dans le sens d'une plus grande internationalisation et d'une diversification plus large de leurs activités s'est, elle aussi, notablement accrue au f i l des années. Comme plusieurs travaux le font apparaître 1 , le groupe multinational a, de plus en plus nettement, une structure complexe, sa croissance s'opérant dans un espace matriciel de η pays et m secteurs. Le rapprochement de ces deux séries de faits ouvre des vues intéressantes sur le comportement des grandes sociétés. L'extension « tous azimuths » de leur activité confirme la mise en oeuvre par les groupes d'une politique de puissance fondée notamment sur la dispersion de leurs activités. Certain travaux récents sur les conglomérats (Kumps 2) mettent bien ce point en évidence, et soulignent que cette dispersion a pour premier but d'assurer une régulation des flux de revenus et une élévation de la rentabilité globale des activités des groupes. On peut cependant se demander si l'hypothèse de la poursuite d'une telle politique de dispersion ne répond pas aussi à la mise en oeuvre d'une 1 Notamment ceux du Department of Economics, University of Reading, de 1Έ. R. I l l du C. Ν. R. S. (Rennes). On se référera aussi tout au long de cet article à plusieurs textes dont John H. Dunning , Multinational enterprise, market structure, economic power and industrial policy (Reading papers No 11, janvier 1974, et Helmut Arndt, Markt und Macht, Tübingen 1973. 2 Α. M. Kumps, Le conglomérat, nouvelle forme de concentration, Bruxelles 1974.



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stratégie défensive . Ces deux stratégies se rejoindraient ainsi pour renforcer les positions acquises par les sociétés sur les marchés. Pour le mettre en évidence, on examinera d'abord: (1) les causes et la nature des menaces qui pèsent sur les grandes sociétés, puis les raisons pour lesquelles la dispersion des activités peut constituer une parade efficace (II). L'étude de cette dispersion (III) pour un échantillon de grandes sociétés de la chimie permettra de préciser son importance et de vérifier ses liaisons. Enfin (IV), on vérifiera la compatibilité de ce schéma déf ensif avec la poursuite d'une politique de puissance. I. Les menaces Les menaces sur les groupes internationaux ne doivent pas être confondues avec les simples variations conjoncturelles d'activité. Elles dépendent de la survenance d'événements qui peuvent amener la perte brusque et irréversible de tout un marché ou, du moins, d'une fraction très importante de celui-ci. Elles apparaissent au niveau des trois composantes principales du marché: celui de la demande, de l'offre et de l'environnement économique. — En premier lieu, quel que soit le contrôle qu'elle exerce à court ou à moyen terme sur le marché, la grande entreprise reste exposée à des modifications peu ou non prévisibles des conditions de la demande et notamment de la demande extérieure. Cette dernière joue elle-même un rôle croissant dans l'activité des entreprises et notamment des plus grandes pour lesquelles le volume des ventes hors du marché national atteint ou dépasse fréquemment 50°/o des ventes totales. Or, cette demande s'avère spécialement vulnérable. Deux situations sont ainsi apparues ces dernières années : celle d'une soudaine modification des taux de change fermant l'accès à u n marché d'exportation ou même renversant le courant — l'exemple du renversement des rapports commerciaux entre les Etats-Unis et la C. Ε. E. entre 1971 et 1974 est exemplaire à cet égard — ; celle d'un affaissement important et généralisé de la demande d'un produit — ainsi pour les fibres synthétiques en 1974 —. La soudaineté du changement peut alors se traduire par la perte au moins temporaire d'un volume important d'activité avant que les contremesures puissent produire leurs effets. — Les menaces sur l'offre ont, elles aussi, une double origine. L'une, technique et bien connue, est l'apparition imprévue d'une innovation majeure de produit ou de procédé de fabrication. Elle est cependant renforcée par l'effacement généralisé des barrières tarifaires et la concentration des entreprises nationales qui ont eu pour effet d'accroître le nombre de concurrents effectifs ou potentiels des groupes.

Capacité Défensive, Dispersion et Pouvoir des Grandes Sociétés

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La prévision du comportement des rivaux sur le marché en est devenue plus malaisée, surtout dans des marchés en forte expansion (comme de 1970 à 1973) ou en réduction brusque (comme en 1974 - 75) ; de plus, la part de la grande firme, souvent très importante sur son marché national ou régional d'origine, est plus limitée dans un marché mondialisé. Par suite, le contrôle qu'elle exerce sur l'ensemble des concurrents est celui qui résulte de l'appartenance à un oligopole et non plus celui qui découlait d'une position de monopole. L a défense de la part du marché est beaucoup plus malaisée étant donné l'influence plus réduite de l'entreprise et la multiplicité des mouvements possibles des concurrents qui peuvent jouer non seulement sur les p r i x et les quantités offertes, mais aussi sur le lieu d'implantation 3 . — Quant aux menaces dans Venvironnement, elles tiennent avant tout à la volonté des Etats d'acquérir ou de renforcer la maîtrise sur les ressources primaires ou la production nationale. — Elles aboutissent, dans les cas les plus extrêmes, à les confisquer (par la nationalisation) ou à les limiter de façon autoritaire de diverses façons : condamnation des positions dominantes, soutien aux concurrents nationaux, etc. A u n niveau moindre de pression, l'intervention de certains Etats soit pour faire respecter les textes légaux, soit pour établir des règles strictes et contraignantes dans des domaines divers comme celui de la fiscalité, des transferts de capitaux, des relations commerciales, etc. . . . , apparaît aussi, au niveau de l'entreprise multinationale, comme une menace sérieuse sur les positions acquises. Les exemples ne manquent pas : dans les économies avancées, les actions individuelles de la C. Ε. E. contre la Sté Continental Can, de plusieurs pays membres de la C. E. E. (Grande-Bretagne, Allemagne, France) contre Hoffmann-Laroche, mais surtout ceux des politiques restrictives du Canada ou de l'Australie ; dans les pays en voie de développement, la reprise en mains des ressources primaires (au Moyen-Orient, en Amérique Latine) ou même des établissements industriels fait désormais partie des règles de jeu imposées, même aux plus grandes entreprises. Ces diverses menaces soulignent deux aspects remarquables des conditions d'activité des grands groupes : Tout d'abord, elles sont inhérentes à la dimension même de ces groupes. Plus que leur taille absolue, qui apparaît au contraire comme une source de leur puissance, c'est leur dimension relative par rapport 8 Voir notamment sur ce point Frederick Knickerbocker, Oligopolistic reaction and multinational enterprise. Graduate School of Business Administration. Harvard University, Boston 1973.

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au milieu concurrentiel dans lequel elles opèrent qui est ici en cause. I l suffit que cette taille relative soit trop importante ou au contraire trop restreinte par rapport au marché. En effet, pour u n marché donné, l'entreprise multinationale contrôle souvent, directement ou non, une part trop élevée d'un marché national (ou d'un ensemble de marchés nationaux) : son poids est alors très supérieur à celui de ses concurrents locaux 4 . En revanche, dans u n contexte d'oligopole international, ce poids est relativement limité, voire faible 5 face au danger du comportement de monopoleur sur le marché national. Les Etats répondent en attaquant la position dominante. Mais, dans u n marché international ouvert, cette faible taille relative place les sociétés dans une situation difficile pour résister à la pression d'un bloc de concurrents — par exemple aux concurrents d'un autre pays qui possède u n avantage de p r i x résultant d'une dépréciation de sa monnaie — ou à un changement important du niveau de la demande mondiale. Dans les deux cas, le groupe se place ainsi paradoxalement en position de moindre résistance potentielle à mesure que sa dimension et son influence apparentes augmentent. En second lieu, les conditions imposent à la grande entreprise des contraintes opposées. L'ouverture de l'espace-marché permet mais aussi impose, du fait de la concurrence, la recherche des économies d'échelle au stade de la production, de la recherche, du financement, etc. . . . Celles-ci rendent nécessaire une planification plus précise et anticipée d'investissements qui sont aussi plus lourds et moins divisibles dans le temps. Mais elles se traduisent aussi par une plus grande instabilité des marchés, une obsolescence et une rotation accélérées des produits et des techniques, des changements brusques et profonds dans les conditions de l'échange international. L a puissance même d'information dont dispose la grande firme ne suffit plus ; les orientations planifiées doivent prendre en compte comme probable l'événement aléatoire défavorable et trouver une parade appropriée. L'entreprise, même de grande dimension, dont l'activité est centrée sur un marché sectoriel et spatial unique et très important, se trouve ainsi exposée à un risque sévère de pertes qu'il est difficile de compenser dès lors que le recul du marché touche une part substantielle de son activité totale. Les difficultés rencontrées par certains groupes (les constructeurs d'avions, des groupes chimiques très « centrés » comme AKZO, etc.) ces dernières années en donnent une bonne illustration.

4

I I est très fréquemment de Tordre de 10 à 1. Sauf de rares exceptions, un grand producteur mondial détient rarement plus du quart du marché mondial. 5

Capacité Défensive, Dispersion et Pouvoir des Grandes Sociétés

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Π. La dispersion des activités des grands groupes apparaît de façon logique au cours du processus de leur croissance. Sous ses deux formes, spatiale, par pénétration industrielle permanente du groupe sur d'autres marchés nationaux ou sectorielle, par entrée sur les marchés d'autres produits, elle reste avant tout la conséquence d'une politique d'expansion, donc d'une politique positive de puissance. Comme certains l'ont vu 6 , cette dispersion des activités industrielles rappelle celle de la diversification des portefeuilles. L'analogie est d'autant plus tentante qu'elle est, comme celle-ci, guidée avant tout par un souci de rentabilité à niveau de risque donné. Par contre, comme le soulignent les mêmes études, la minimisation des risques n'est pas le motif premier n i déterminant de cette dispersion. En fait, la recherche d'un certain niveau de protection conduit généralement les grandes entreprises à essayer au moins de réduire la variance des profits sur les divers marchés, selon la formule : =

^ Σ ^ - κ ) * * )

c'est-à-dire qu'elle porte essentiellement sur la réduction des fluctuations que connaissent ceux-ci dans le temps ou l'espace. Une diversification fondée sur ce seul objectif offre une protection insuffisante lorsque le risque a u n caractère exceptionnel dans le temps et/ou le champ d'application et que les événements peuvent avoir pour effet de modifier brusquement, sur un ou plusieurs marchés, les conditions d'activité de la firme ou la possession de ses actifs. Mais la protection souhaitée peut être atteinte si la politique de dispersion porte sur les positions ou les actifs de l'entreprise. En effet, la dispersion des activités semble alors répondre à l'éventualité d'une survenance de semblables risques qui dépassent les conditions « normales » de fonctionnement impliquées dans le modèle de minimisation construit à partir des profits. On peut essayer de le montrer pour chaque forme de dispersion : — La dispersion spatiale suit un processus complexe. Le nombre de pays dans lequel l'entreprise est présente (pour la vente ou la fabriβ D. Paxson, « The Territorial Diversification of Multinational Enterprise ». University of Reading Papers in International Investment. No 6, 1973. Gilles Y. Bertin, L'expansion internationale des grandes entreprises. La Documentation Française (travaux et recherches No 25), Paris 1972. A. M. Kumps, étude citée. 7 Ν étant le nombre de marchés, ri le taux de profit sur le marché, i étant défini comme le niveau des ventes ou celui des actifs correspondant à une ligne de production et à un pays donné, R le taux de profit moyen.

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Gilles Y. Bertin

cation) croît en général avec la taille de l'entreprise 8 . Parallèlement à cette dispersion « en extension » (widening), la dimension des premières implantations réalisées tend à croître en «profondeur» (deepening) et à se rapprocher, voire à dépasser, celle du pays d'origine. Enfin, ce mouvement peut s'accompagner d'une transformation de la forme de présence qui passe, par exemple, de celle de la filiale de vente à la filiale de la production. A u total, la part de la production obtenue globalement hors du pays d'origine tend aussi à croître avec la taille, le processus de dispersion étant plus ou moins poussé selon les caractéristiques du secteur auquel appartient l'entreprise — présence ou non d'économies d'échelles, divisibilité de l'investissement, etc. — et les conditions du cadre économique international. Concrètement, la dispersion spatiale peut se mesurer de deux façons : 1. par la dispersion « totale » (extérieure), hors du pays d'origine qui peut être fournie par le niveau relatif des activités (chiffre d'affaires) ou des actifs à l'étranger (par exemple activité à l'étranger) ; 2. par la dispersion « vraie », c'est-à-dire la distribution — mesurée par la variance — de ces mêmes positions (chiffre d'affaires ou actifs) dans les différents pays. La première n'a qu'un intérêt limité ; elle indique simplement l'indépendance de la firme à l'égard des conditions qui existent dans le pays d'origine. La seconde, en revanche, permet d'apprécier sa situation face à l'éventualité d'un événement soudain qui toucherait l'une quelconque (ou plusieurs) des positions de l'entreprise. En effet la perte éventuelle subie par le groupe dépendra de la taille relative de la position ainsi touchée (par exemple l'activité dans le pays i/l'activité totale). Si la probabilité de survenance d'un tel événement (probabilité de perte pp) était égale quel que soit le pays, la perte maximale encourue par la société serait la plus faible, pour un nombre donné de pays, pour une variance minimale, c'est-à-dirê pour des positions de taille égales dans les divers pays. L'entreprise serait alors d'autant plus protégée que la dimension de ses implantations serait plus égalitaire. En outre, si on suppose donnée la taille des différents marchés, la dispersion serait d'autant meilleure qu'elle se ferait entre des marchés de tailles sensiblement égales. En fait, la probabilité de perte n'est pas égale entre les pays. L'expérience tend à montrer que, pour les multinationales de l'industrie, les dangers de perte croissent pour les marchés les moins importants qui 8 Gilles Y. Bertin, La croissance des grandes entreprises internationales, Revue Economique, Juillet 1972.

Capacité Défensive, Dispersion et Pouvoir des Grandes Sociétés

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sont aussi les moins développés, de sorte qu'on a : pp = g r 1 (ai). Comme par ailleurs, la perte possible est fonction de la taille du marché soit Ρ = f (ai), la perte probable maximale est pp. Ρ = P max = 9 ' 1 ( α 0 / (a*)· dépend donc à la fois de la dispersion des probabilités, de celle de la taille des marchés et de leurs rapports respectifs. Par suite, pour une dispersion de probabalités donnée, la perte probable maximale sera d'autant plus faible que celle des marchés — qui est de sens contraire — s'en rapprochera. Si cette dispersion des probabilités est très élevée, celle des marchés devra l'être aussi pour la diminuer. I l est possible d'avoir une idée de la distribution des probabilités de perte 9 , celle-ci étant couramment plusieurs dizaines de fois plus élevée dans les pays les plus exposés — c'est-à-dire généralement les plus petits marchés — que dans les moins « risqués ». La société multinationale a alors intérêt à concentrer fortement ses positions dans les pays les moins exposés. Mieux, dans la mesure où les probabilités de perte sont à la fois faibles et ont des valeurs proches dans les grands marchés avancés, elle a aussi intérêt à répartir de façon aussi égale que possible ses positions entre ces divers pays. I l est évident qu'en ce qui concerne la stratégie spatiale, ces remarques théoriques semblent aller, dans une certaine mesure, à l'encontre des objectifs de présence mondiale, et même, pour la seconde, d'une prise en compte des économies d'échelle. I l n'en va différemment que si l'entreprise ayant plusieurs fabrications (ou des produits terminaux intégrant plusieurs produits intermédiaires) peut spécialiser chacune de ses activités par pays au sein d'une zone régionale — la C. Ε. E. par exemple 10 —. En définitive, si on peut s'attendre en théorie à ce que, pour une activité donnée, la dispersion spatiale globale des activités des grandes sociétés croisse avec leur taille, on peut aussi admettre que les sociétés les plus conscientes des dangers exceptionnels aient alors une dispersion réelle plus faible de leurs activités, les sociétés ayant les plus grands taux de dispersion étant au contraire les moins sensibles à une orientation défensive. — De son côté, la dispersion sectorielle est, on le sait, liée aux possibilités de croissance et à la dimension relative de la société dans son secteur d'origine. On peut donc logiquement s'attendre à ce que la dispersion totale (externe), mesurée par exemple par le pourcentage d'actvité réalisé hors du secteur principal ou encore par le nombre de « lignes de productions » secondaires différentes, croisse avec la 9 Les banques et les entreprises internationales ont recours à des « classes de risque » selon les pays. 10 C'est le cas pour de nombreuses sociétés comme I. B. M., Philips, etc. en Europe.

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Gilles Y. Bertin

taille de la société pour un secteur et une nationalité donnés. Le danger de perte venant de l'action des concurrents et/ou des Etats croît aussi avec la taille, au moins jusqu' à un certain niveau au-delà duquel on peut admettre que la société, devenue un quasi-monopoleur, est peut être moins vulnérable à ces attaques. Par contre, la dispersion vraie ne peut être très élevée pour un nombre donné — et nécessairement assez limité — de secteurs. En effet, l'efficacité et la rentabilité exigent un niveau de présence minimum dans tout nouveau secteur qui doit absorber une partie des ressources et de l'activité de la société. Le risque de perte sera par ailleurs plus élevé là où la dimension critique, variable selon les données de la technique et de la concurrence, ne serait pas atteinte. En outre, la diversification, surtout lorsqu'elle est conçue comme un moyen de puissance, ne peut guère être limitée à un seul secteur qui pourrait ne pas suffire, à l u i seul, à « équilibrer » les activités de la société. Par suite, pour être sûre, la dispersion sectorielle doit porter sur plusieurs lignes d'activité ayant, chacune, une taille suffisante. Les sociétés les plus prudentes sont alors celles pour lesquelles, à taille donnée, la dispersion vraie est la plus faible. On est ainsi conduit a priori à des conclusions très voisines pour les deux formes de dispersion. Dans les deux cas — mais pour des raisons différentes — le comportement précédent serait marqué, à niveaux de dispersion globale donnés, par la recherche de faibles dispersions des positions spatiales ou sectorielles. On peut remarquer que la protection assurée dans chaque cas par une telle politique de dispersion n'est que partielle et spécifique . Une faible dispersion spatiale réduit les pertes possibles du fait des Etats autres que le pays d'origine. Elle est moins efficace qu'une politique de plus grande dispersion contre les menaces sur l'offre ou la demande. En sens contraire, une faible dispersion sectorielle, si elle est efficace contre ces menaces, ne l'est guère face aux atteintes politiques extérieures dans la mesure où la diversification s'effectue le plus souvent d'abord dans le pays d'origine. I l s'ensuit qu'une politique de protection totale requiert la mise en oeuvre simultanée des deux politiques. Celle ci ne peut être que le fait des plus grandes multinationales, étant donné le coût que représente un déploiement « tous azimuths » de l'activité. Cependant, chacune de ces politiques est indépendante. Une m u l t i nationale peut donc se contenter de mettre en oeuvre celle qui l u i paraît la plus utile, sous forme, par exemple, d'une limitation de la dispersion de ses activités spatiales pour faire face aux menaces politiques avec une dispersion sectorielle faible ou nulle. Une très grande multinationale, doublement dispersée, peut de même avoir une faible

Capacité Défensive, Dispersion et Pouvoir des Grandes Sociétés

27

dispersion sectorielle et laisser une plus forte dispersion spatiale (ou inversement) selon la nature des dangers qu'elle redoute. Le choix de la politique dépend notamment des prévisions de l'entreprise sur la croissance attendue dans les divers marchés et de l'idée qu'elle se fait des probabilités de perte. I l peut donc être très différent pour deux sociétés de même dimension et de caractéristiques voisines, comme on le vérifiera ci-dessous. III. I l est possible de mettre en évidence et de vérifier l'attitude défensive des grandes sociétés à partir d'informations obtenues sur un échantillon de celles-ci. Cette recherche soulève cependant deux séries de difficultés : La première est d'ordre méthodologique. La stratégie de dispersion peut répondre à plusieurs objectifs, opposés en théorie, et autres que la minimisation des risques exceptionnels: maximisation des gains à risque donné ou minimisation des risques (liés aux fluctuations de profit) à rendement donné. Or, en pratique, ces objectifs ne sont jamais suivis de façon pure par les groupes. La dispersion constatée à un moment donné est la résultante des politiques passées des sociétés et de stratégies mixtes. I l faut donc pouvoir isoler dans cette dispersion la tendance qu'a l'entreprise à préserver ses positions des autres tendances. La seconde difficulté tient à la connaissance et à la nature des données. La double dispersion spatiale et sectorielle ne peut être connue de façon homogène — c'est-à-dire en recourant dans les deux cas au même critère — que pour un nombre limité d'entreprises. De plus, i l est préférable que celles-ci appartiennent au même grand secteur d'activité. I l est enfin nécessaire que la dispersion sectorielle ne soit pas trop large et qu'elle n'ait pas notamment un aspect conglomérai trop marqué hors du secteur principal, cette stratégie correspondant alors plus à une recherche des profits qu'à une diminution des risques. I l faut cependant que la diversification apparaisse avec netteté entre les « lignes de production ». Ces diverses raisons ont conduit à retenir un secteur principal : celui de la chimie. Les groupes de taille internationale y sont en nombre suffisant mais limité et ils pratiquent une concurrence ouverte de type oligopolistique. Ils sont en outre largement diversifiés à l'intérieur du secteur et assez peu à l'extérieur, les conditions de croissance et de financement limitant cette forme d'engagement des sociétés. Enfin, la dimension même de ces groupes facilite en général l'accès aux informations nécessaires pour mesurer la dispersion.

Gilles Y. Bertin

28

On a ainsi retenu des groupes pour lesquels on a rassemblé des données de dispersion 11 . Celles-ci ont été établies sur la base du chiffre d'affaires produit (Tableau I). Puis, pour chaque groupe et chaque forme de dispersion, on a recherché la dispersion totale et le nombre de points de dispersion (Annexe) et calculé la dispersion vraie (variance des valeurs données). Les résultats ainsi obtenus (Tableau) permettent de dégager quelques tendances marquantes : DISPERSION PRODUITS-PAYS (1971) Société'

Nat.

Produits ND(I) a? (%)

ND

*

Pays

(%)

RhÎne-Poulenc

F

10

50

F. Hoechst Bayer

D

11

23,5

15

270,2

D

9

3,65

11

327,4

Solvay

Β

6

39,55

8

63,9

AKZO

NI

8

Du Pont

US

Sumitomo

Jap..

Takeda

J

Air Liquide

F

4

352

Dow

US

3

151,1

Pennwalt

US

6

74,9

7

167,4 85,6

14

84,7

13

379,9

2 σρ sans pays d'origine

79,7 57 96,7 57,7

2 3

1903

19

67,7

ND = nombre de points (secteurs ou pays) de dispersion

1 — Les valeurs obtenues pour la dispersion vraie varient très largement d'une société à l'autre, tant pour la dispersion sectorielle (de 3,65 à 352%) que pour la dispersion spatiale (de 63,9 à 1903). Cette situation traduit en partie les différences de comportement face au risque. Cependant ce facteur est loin d'être le seul à jouer : la taille du groupe et l'importance de son expansion peuvent l'expliquer (voir cidessous) mais aussi les conditions techniques de la dispersion qui, compte tenu des dissemblances dans la composition industrielle de l'actif de chaque société, créent des situations différentes. 2 — La dispersion vraie sectorielle tend bien à diminuer avec le nombre de sous-secteurs d'activité (Fig. 1 a), ce qui confirme à la fois la recherche d'un équilibre entre les activités et la nécessité d'atteindre 11 Ces informations proviennent essentiellement des rapports annuels des sociétés, articles dans les publications financières et techniques, annuaires, revues techniques, etc.

Capacité Défensive, Dispersion et Pouvoir des Grandes Sociétés

Graphique 1 a

200

150

100

50

10

15 Nombre de sous-secteurs i

1903 χ Graphique 1 b

300

200

100

0

10





nombre de Pays j



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Gilles Y. Bertin

pour chacune d'elles un niveau minimal. En revanche, la tendance à une réduction de la dispersion vraie spatiale avec le nombre de pays d'implantation n'est pas clairement démontrée (Fig. 1 b), l'attitude à l'égard des choix géographiques hésitant entre regroupement et dispersion. Le trop petit nombre de cas (4) ne permet pas de conclure mais semblerait indiquer une tendance à une dispersion assez égalitaire (σ* 70) en dehors du pays d'origine. 3 — Une certaine opposition de fait entre dispersion sectorielle et géographique paraît également confirmée 12 qui renforcerait l'idée que la double dispersion n'est pas financièrement et techniquement possible pour la plupart des groupes et qu'elle n'est, en fait, pas souhaitable dans la majorité des cas. 4 — Enfin, pour préciser l'influence exacte de l'attraction des marchés sur la dispersion géographique et voir, a contrario dans quelle mesure la dispersion pouvait obéir à d'autres motivations — notamment à celle d'une plus grande recherche de sécurité par moindre dispersion — on a comparé pour 7 firmes la distribution vraie réelle à la distribution vraie théorique obtenue d'après la taille des marchés. Cette comparaison sur la base du χ 2 confirme que la concentration est sensiblement plus forte que celle à laquelle on pourrait s'attendre. Ce point peut simplement s'expliquer par l'ancienneté plus ou moins grande des implantations dans les divers pays, mais n'exclut pas non plus l'incidence d'une politique délibérée de concentration de la part du groupe. IV. L a politique de prudence des grandes sociétés ne peut être isolée des autres aspects de leur comportement — rentabilité ou puissance —. Que la dispersion des activités soit nullement en opposition avec la poursuite d'une politique de puissance apparaît cependant de plusieurs façons : — Tout d'abord, la politique de dispersion n'est pas en contradiction avec cette dernière si elle est appréciée dans le long terme et non à travers la simple recherche d'une stabilisation des profits à court terme . Le renforcement de la dispersion spatiale correspond aux phases d'exploration et de première pénétration des nouveaux marchés. Elle ouvre ainsi, pour chaque produit, les espaces de croissance future de la m u l t i nationale. De la même façon, la dispersion sectorielle permet de prévoir le remplacement des axes actuels de croissance sectorielle par des axes futurs, les secteurs à croissance accélérée se substituant à des sec12 Cf. sur ce point les travaux antérieurs de l'ER 111 du C. N. R. S. qui indiquaient une opposition entre les deux sur la base de la dispersion totale.

Capacité Défensive, Dispersion et Pouvoir des Grandes Sociétés

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teurs à croissance déclinante ou en déclin pour maintenir à terme une croissance sensiblement constante. Si on admet que la répartition des taux de croissance futurs à long terme des divers secteurs de diversification est strictement aléatoire, la perspective d'obtenir un taux de croissance égal ou supérieur au taux actuel est d'autant plus grande que le nombre de secteurs de diversification est lui-même plus élevé. Par ailleurs, la contradiction apparente qui existe entre la dispersion limitée d'une politique anti-menaces telle qu'on l'a définie ci-dessus et la recherche des futurs marchés peut être atténuée par l'élévation de la dispersion totale. Celle-ci permet de concilier une augmentation du nombre des nouveaux marchés et le maintien d'une dispersion limitée des actifs, compatible à la fois avec le souci de sécurité et celui de l'efficacité sur chaque marché. En effet, pour un σ?2 donné, le nombre η de points de dispersion peut être d'autant plus grand que croît Σ α { · I l n'y a donc pas d'exclusion de principe entre les deux politiques. — En second lieu, si la politique de dispersion semble conduire à première vue à un accroissement de la concurrence, donc à une réduction du pouvoir de la grande société, elle n'entraîne cependant pas nécessairement une telle limitation ; elle peut même amener un renforcement de celui-ci. Ce paradoxe apparent découle de la pratique par les groupes d'une concurrence d'oligopole multiple dans les divers secteurs et d'une concurrence globale au niveau des groupes 13 . Soient, en effet, trois sociétés (1), (2) et (3) qui ont respectivement des activités diversifiées dans les secteurs (A, B. C) pour (1), (A, Β, E, F), pour (2), (A, C, D, G, H, I), pour (3). (1), (2) et (3) sont en concurrence sur A ; (1) et (2) sur A, Β ; (1) et (3) sur A, C, D ; (2) et (3) sur A, etc. . . . 1 4 . La diversification de A en D et E accroît le nombre de points de concurrence pour (1) avec (2) et (3) ; elle a augmenté les occasions de risque, mais, dans le même temps, elle diminue le risque de perte totale, puisque am/Σα* diminue quand i croît à probabilité de perte égale et la puissance totale du groupe est augmentée par adjonction de nouvelles activités. Par ailleurs, la position concurrentielle de A s'est améliorée, toutes autres positions étant inchangées. A peut en effet infliger des pertes supplémentaires en E à (2), en D à (3) en cas de conflit. En sens contraire, la perte relative que peut infliger chacune de ces sociétés — et 13 Voir Gilles Y. Bertin in: « La croissance des grandes sociétés multinationales », C. N. R. S. Paris, 1973. 14 De façon plus générale, les secteurs de concurrence sont déterminés par l'intersection des vecteurs sectoriels de chaque firme: (1) (2) (3).

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Gilles Y. Bertin

a fortiori toute autre société — à (1) est réduite, puisque la valeur totale des actifs a plus augmenté que celle des actifs pour lesquels elles sont en concurrence. De plus, globalement, la position des entreprises en concurrence multiple se trouve consolidée. D'un côté, la multiplication des points de concurrence entre celles-ci, si elle multiplie les occasions de conflits partiels et limités, réduit celles d'une guerre généralisée d'oligopole. Elle peut, à l'inverse, augmenter les occasions de rapprochements ou d'association. Par l'imbrication des positions et des stratégies, elle renforce enfin la cohésion de l'ensemble des firmes et des secteurs concernés vis-à-vis de l'Etat, rend plus malaisée l'application d'une politique contre les positions dominantes et plus diffuses — donc moins faciles à repérer — les ententes. Elle facilite ainsi une « minimisation des risques joints » de l'ensemble des grandes entreprises face à l'éventualité d'une attitude hostile de l'environnement. Le tableau I I donne une idée de la concurrence multiple entre groupes chimiques. Sur cet échantillon non-exhaustif, i l apparaît que pour un sous-secteur quelconque, l'ensemble des firmes en concurrence ne dépasse pas 11/17. Le résultat confirme bien la modification profonde de la concurrence qu'introduit la dispersion sectorielle des activités 1 6 et la recherche systématique par les groupes des « créneaux » les plus libres. De même, la dispersion n'amoindrit pas les forces sur lesquelles s'appuie la grande entreprise pour soutenir ou accroître sa puissance. Les ressources stratégiques de l'entreprise — les moyens financiers, le potentiel technique, le management de haut niveau — ne sont pas touchées par la dispersion des activités mais restent massivement concentrées au centre du groupe dans le pays d'origine (ou dans les plus grands points d'exploitation). L a totalité de ces moyens en réserve peut être employée à la périphérie ou sur tel point particulier, si cela s'avère nécessaire et paraît souhaitable. L a dispersion crée des occasions potentielles de croissance sur lesquelles peuvent être dirigées les ressources dont dispose, à u n moment donné, l'ensemble du groupe. Enfin, la nature de la dispersion peut être adaptée aux changements profonds dans les conditions de l'environnement, notamment par une variation de la dispersion globale. En jouant sur la forme de sa présence sur les marchés extérieurs, — investissement, accords techniques ou exportation pure et simple — la grande société peut moduler la dispersion de ses actifs et le niveau des risques qu'elle accepte sans perdre pour autant ses positions et ses accès aux marchés. Telle est notamment 15 Cette situation est moins vraie pour la dispersion spatiale. Elle est toutefois parfois remplacée par la pratique de la firme-leader sur un marché.

Capacité Défensive, Dispersion et Pouvoir des Grandes Sociétés

33

l'attitude adoptée par les multinationales américaines depuis 1971 en Europe, en Amérique Latine ou au Proche-Orient en remplaçant certains investissements par l'une des autres formules de présence. I l apparaît donc bien en définitive que les grandes sociétés disposent avec la dispersion, d'une arme supplémentaire pour se prémunir contre les variations brusques d'un environnement concurrentiel ou économique qu'elles ne peuvent, malgré leur puissance, toujours maîtriser. Néanmoins, la valeur réelle de cette arme soulève au moins deux remarques. La première est celle du rapport entre son efficacité et son coût. Qu'une dispersion trop élevée soit contraire à la poursuite d'une saine gestion semble amplement démontré. En réalité, les diverses formes de dispersion semblent bien obéir aux grandes oscillations de l'activité. Ainsi la dispersion spatiale serait plus grande en phase longue de croissance — comme de 1955 à 1973 — témoignant ainsi de la prééminence du désir de puissance sur celui de la sécurité ; elle se réduirait en phase de déclin relatif — comme de 1929 à 1950 et, peut-être, depuis 1973 —. I l en serait de même, mais selon un rythme plus spécifique à chaque secteur, de la dispersion sectorielle. Dans l'attente d'une confirmation statistique plus poussée, i l semblerait qu'on pût néanmoins conclure provisoirement que la dispersion reflète de façon assez exacte une adaptation profonde et réussie des grandes entreprises aux conditions de leur survie, voire de leur croissance à long terme. Mais la dispersion a aussi pour effet d'émousser singulièrement les moyens de contrôle traditionnels de la puissance des sociétés. Les incertitudes et, au total, les impuissances des législations antitrust montrent bien depuis quelques années qu'une action limitée (sur un secteur ou dans un pays) n'est plus suffisante pour agir de façon décisive contre les plus grands groupes. On est ainsi conduit peu à peu à s'éloigner toujours davantage des modèles classiques de concurrence vers une situation de confrontations globales en termes de puissance dont les limites et les modalités sont loin d'être encore toutes dégagées.

3 Festschrift für Helmut Arndt

Gilles Y. Bertin

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Annexes Tableau I GRANDES SOCIETES-SECTEUR CHIMIE

SOCIETE

Nat.

Dispersion Sous-Secteurs ( S ) , Pays (P) en % du t o t a l de la production

RHONE-POULENC

F

S: 7,1 28,8 18,8 P: 68,3 15,8 5,1

F. HOECHST

D

S: 19 P: 67

BAYER

D

S: 14 13 13 12 11 10 10 9 P: 65,9 8,4 6,8 ' 4 , 0 4,0 2,9

SOLVAY

Β

S: 25 24 17 P: 17,4 28,7

A.K.Z.O.

NE

S: 46 P: 28

SUMITOMO

J

S: 25,7 23,7 P: 95 5

23,4

14,1

TAKEDA

J

S: 52,9 P: 95

11,2 1

10

MONTEDISON *

I

S: 37, 19, 17, 11, 10, 3, 2, 1 P: 90 10

AIR LIQUIDE

F

S: 57 17 17 P: 37,7 12,5

DU PONT

US

P: 74,9

13 13 13 11,9 7,5

5,1

U.C.B. «

Β

P:. 44, 28, 26,

DOW CHEMICAL

US

S: 48,6

PENWALT

US

S: 27

32,9 24

24

7,7 2,8

7,1 1,6

5,5 5,4 5,3 2,6 (10) 1,0 0,3 0,3 (9)

13 10 9 7 5 5 3,6 2,0 2,0 1,7 0,5 0,5

14 28

13,2 9,7 27 18 7

19,7 4

11,7. 4,86

13 7 14,5 14,4

5 4 2 0,9 0,8 0,5 0,4

8 1,6 1,0

9,0

(9) 1,5 1,2 0,9 (11)

2,7

8,3 7,2 6 6 3,6 5 3 2 2 2 2 1

9 9,3 4,4

5,5

3,9

(11) 0,7 (14)

(6) 2,5 1

1

(8) 1

(8) (14)

3,7

(7) (2)

6,1

(5) (3) (8) (2)

6,8 6,2 4,8 3,7 2,3 1,4 1,3 1 1 3,8

2,8

2,5

2,3 0,3

3,1 0,7 1,9 0,2

3,1 0,3 1,4 0,1

(4) 2,5 0,4(13)

2 18,5 10

(3) 9

6

*

Sources : D'Après rapports annuels 1971 ou 1972 des sociétés.

(6)

3*

LEGENDE

J J

C

D

US

9

x

λ λ

l χ

x X

x x χ

x

X

x

x x X

11

x x χ χ

10 x x

12 x x

13 x x χ

14 x

15 x x

16

χ

x

Divers

χ

£ χ χ χ χ χ

χ

χ

χ

χ

χ

χ

χ

χ

χ χ

χ

χ

χ

χ

χ χ (3) χ (2)

χ

χ

λ λ λ χ x x χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ χ κ 5 χ χ χ χ

l

Div. 1 2 3 4 5 6 7 8 9

II

χ

χ

s Nationalité, US: U . S . A . , D: A l l e m a g n e , G . B . : Grande-Bretagne, F: France, B: Belgique, I : Italie, J: Japon C.A. = Chiffre d ' a f f a i r e s , m i l l i o n s de $ 1971 Div. s Nombre de d i v i s i o n s A c t i v i t é s = 1; Pharmacie, 2: Phytosanitaire , 3: Colorants, 4: Plastiques, 5: T o i l e t t e , c o s m é t i q u e s , 6: s u r f a c e s s e n s i b l e s , 7: produits d ' e n t r e t i e n , 8: chimie minérale, 9: composants organiques de b a s e , 10; fibres de synthèse, 11: caoutchouc synthétique,12: adhésifs, 1 3 : e n g r a i s , 14: g a z , 15: é l e c t r o - c h i m i e , 16: e x p l o s i f s , 17: divers et hors chimie

Nat.

US

F

12 13 14 15

Sumitomo Takeda Penwalt Allied Chem.

11 Air Liquide

5 6 7 8 9 10

B

D

Nat.

Poulenc γ Dow US Monsanto US Du Pont US I C I GB Air Product US Montedison I

4 Rh5ne

1 Bayer 2 Hoechst 3 Solvay

Entreprise

TABLEAU

Capacité Défensive, Dispersion et Pouvoir des Grandes Sociétés

Tarifautonomie trotz Mitbestimmung ? Von Gert von Eynern I. Das Problem Als eine Grundlage des deutschen Tarifvertragsystems gilt, bisher, die Autonomie der Tarifparteien. Eine „gelbe" Gewerkschaft, die i r gendwie von Unternehmern beeinflußt wird, kann ebensowenig ein tariffähiger Verband sein wie ein Arbeitgeber oder ein Arbeitgeberverband, dessen Willensbildung von Arbeitnehmern beeinflußt wird. Nach der herrschenden Meinung gehört zur Autonomie der Tarifparteien nicht nur ihre Unabhängigkeit vom Staate, sondern auch ihre Unabhängigkeit vom Vertragspartner. Ist aber diese Gegner-Unabhängigkeit — oft schief als „Gegnerfreiheit" bezeichnet — noch vorhanden, wenn eine paritätische Unternehmensmitbestimmung realisiert wird, wenn also die Willensbildung auf der Arbeitgeberseite stark von Vertretern der Arbeitnehmerinteressen beeinflußt wird 1 ? Eigentlich liegt diese Frage, nach der Logik und der Historie, auf der Hand. Sie wurde auch i n der Literatur mehrfach aufgeworfen. Indessen ist sie erst i m Jahre 1970 als ernstes Problem m i t politischem Gewicht versehen worden: Die Abhandlung von Zöllner und Seiter 2 erregte verständliches Aufsehen, und sie bildete die Basis für die meisten Rechtsgutachten und Diskussionsbeiträge bei dem Bundestag-Hearing 3 i m Dezember 1974, dessen Verlauf die politischen Chancen für die Einführung einer echt-paritätischen Mitbestimmung auf breiterer Basis erheblich reduziert hat. Daß ernste Zweifel an der Vereinbarkeit von paritätischer Mitbestimmung und Tarifautonomie erst spät aktuell geworden sind, ist be1 Zu den Problemen persönlicher und sachlicher Konflikte bei solchen I n teressen-Kollisionen vgl. auch Helmut Arndt, Wirtschaftliche Macht. Tatsachen und Theorien, München 1974. 2 Wolf gang Zöllner und Hugo Seiter, Paritätische Mitbestimmung und Art. 9 Abs. 3 GG, Zeitschrift für Arbeitsrecht, 1970, S. 97 ff. 3 öffentliche Informationssitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, Deutscher Bundestag, 19. Dezember 1974, Anhörung von Sachverständigen zum Thema: Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer mit Art. 9 Abs. 3 und Art. 14 GG. Protokoll Nr. 62.

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sonders auffällig, wenn man bedenkt, daß eine solche Mitbestimmung i n der Montanindustrie seit fast drei Jahrzehnten (1947) realisiert ist. Auch haben Unternehmer, Verbände, Juristen und Politiker seit jeher eine Fülle von mehr oder weniger einleuchtenden Argumenten gegen eine allgemeine paritätische Mitbestimmung vorgetragen, ohne den Widerspruch zur Tarifautonomie eingehend zu untersuchen, während doch ein anderes, aber doch sehr ähnliches Problem der „Überparität": der „übermäßige" Einfluß von Arbeitnehmern i n den Untergesellschaften vertikal-organisierter Montankonzerne, frühzeitig erkannt und durch das Mitbestimmungs-Ergänzungsgesetz vom 7.8.1956 geregelt wurde. Gewiß haben auch einige Praktiker und Wissenschaftler, die den Gewerkschaften nahe stehen, das Problem gesehen; aber sie haben es nicht vertieft. Hier handelt es sich j a u m einen internen Konflikt der Arbeitnehmerschaft, u m die Konkurrenz von zwei Zielen, nämlich eine „Gleichberechtigung" der Gewerkschaften als Tarifparteien auf dem Arbeitsmarkt, und eine Gleichberechtigung i n der Unternehmensleitung. Das erste Ziel, die Parität auf dem Arbeitsmarkt, wurde nach jahrzehntelangen Kämpfen gesellschaftlich durch die Zentralarbeitsgemeinschaft vom 15. November 1918 erreicht, dann i n der Weimarer Verfassung (Art. 159) feierlich, wenn auch i n recht unbestimmter Formulierung, proklamiert, schließlich durch Gesetze fixiert und seitdem i n der Praxis, m i t gewissen Einschränkungen, realisiert. Anders das zweite Ziel, die Mitbestimmung i m Unternehmen. Sie wurde zwar grundsätzlich durch das Hilfsdienstgesetz von 1917 eingeführt und fünf Jahre später allgemein gesetzlich geregelt 4 ; doch geschah dies zunächst nur i n der harmlosen Form von ein bis zwei Arbeitnehmervertretern i m Aufsichtsrat der Aktiengesellschaften. Ein K o n f l i k t m i t der Tarifautonomie tauchte erst auf, als eine Parität bei der M i t bestimmung gefordert und partiell realisiert wurde. W i l l man das Problem der Vereinbarkeit der beiden Gewerkschaftsforderungen: Tarif autonomie und paritätische Mitbestimmung, untersuchen, so muß man soziologisch-politologische Gedanken mit historischen und juristischen Überlegungen verknüpfen. Würde man ein solches Vorgehen als methodisch unzulässig ablehnen 5 , so könnte man der Komplexität des Problems nicht gerecht werden.

4 Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 15. Februar 1922. 5 So Peter Ratsch in seinem Gutachten zu der in Anm. 3 genannten Anhörung von Sachverständigen.

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I I . Zur Legitimität einer Ubermacht der Gewerkschaften Kein Zweifel: Ein „reines", i n sich logisch vollkommen konstruiertes Tarifsystem und eine „reine" paritätische Mitbestimmung widersprechen sich. Sie t u n es nicht etwa wegen ihres unterschiedlichen Charakters: Das Tarif system ist ein System der Konfliktregelung, die Mitbestimmung ein System der Kooperation 6 . Sie widersprechen sich vielmehr, w e i l sie, miteinander kombiniert, zumindest mathematisch eine Machtpotenzierung, eine Übermacht der Arbeitnehmerseite bewirken. So ergeben sich drei Fragen: Erstens: Wäre eine solche Übermacht schlimm, oder erträglich, oder gar berechtigt? Falls sie schlimm ist: Zweitens: Soll die Mitbestimmung weichen, soll man also eine p r i n zipiell paritätische Mitbestimmung so gestalten, daß die Übermacht der Arbeitnehmer reduziert oder gar vermieden wird? Oder, drittens: Soll die Tarif autonomie weichen? Die erste Frage mag provokativ wirken, doch hat sie einen berechtigten Kern. Denn der historische und zugleich theoretische Ausgangspunkt der Arbeitsmarktproblematik ist j a die Differenz der LohnElastizitäten auf einem freien individuellen Arbeitsmarkt: Dem starren Angebot der sogenannten Arbeitnehmer steht eine prinzipiell elastische Nachfrage der „Arbeitgeber" gegenüber; oft verläuft die Angebotskurve sogar anormal, z. B. wenn der Familienvater weniger verdient und die Mutter deshalb Arbeit suchen muß, die Kinder auf Ausbildung verzichten müssen. Die damit gegebene „natürliche" Übermacht der Arbeitgeber ist durch die Bildung von Gewerkschaften und i h r Streikrecht, also durch eine quasi-monopolistische Gegenmacht, tendenziell ausgeglichen w o r den. Aber durch die Bildung der quasi-monopolistischen Arbeitgeberverbände und i h r Aussperrungsrecht ist wieder ein gewisses Ungleichgewicht zugunsten der Arbeitgeber entstanden (nur bei ganz formalistischer Denkweise ist die Aussperrung dem Streik gleich zu ordnen). Zwar ist i n Zeiten der Hochkunjunktur von einer Übermacht der A r beitgeberseite nur wenig zu sehen; aber i n Zeiten von Arbeitslosigkeit ist sie für die Arbeitnehmer bitter spürbar. Zum Ausgleich dieses Übergewichts der Arbeitgeber auf den kollekt i v organisierten Arbeitsmärkten ist also ein gewisses Übergewicht der Gewerkschaften, z. B. durch eine paritätische Mitbestimmung, durchaus diskutabel. Indessen hat man bei einer solchen Diskussion zu bedenken, daß eine unter-paritätische Mitbestimmung noch keine nennenswerte Machtverlagerung zur Folge haben muß, während andererseits eine 6

Vgl. u. a. Thomas Raiser , These 9 seines Gutachtens, vgl. Anm. 3.

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Machtverschiebung durch eine paritätische Mitbestimmung unter dem hier behandelten Gesichtspunkt wohl zu groß wäre: Mathematisch würde sie der erwähnten Machtverlagerung i n Montan-Vertikalkonzernen gleichkommen. Eine A n t w o r t auf unsere erste Frage — ob eine Übermacht der A r beitnehmer vielleicht berechtigt wäre — hat u. a. zwei Voraussetzungen: erstens gesellschaftspolitische Vorstellungen über soziale Gerechtigkeit, z.B. über die wünschenswerte Entwicklung einer pro-Kopf-errechneten „Lohnquote"; und zweitens Einsichten i n die Wirkung von Lohnerhöhungen auf Preise. Eine Erörterung dieser Voraussetzungen würde den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen. Hingewiesen sei lediglich auf die Tatsache, daß die „trabende" Inflation und gar die „Stagflation", soweit sie überhaupt Folgen von Lohnsteigerungen sind, eine oligopolistische Struktur der Produktionsmärkte voraussetzen; die Wirtschaftspolitiker müssen deshalb bei ihren Bemühungen u m Preisniveau-Stabilität versuchen, die Inflation — zumindest: auch — durch eine Marktstrukturpolitik zu bekämpfen. I I I . Edite und unechte Paritäten bei der Mitbestimmung Der K o n f l i k t zwischen Mitbestimmung und Tarifautonomie t r i t t am deutlichsten bei dem reinen Modell einer paritätischen Mitbestimmung hervor. Hier besteht der Aufsichtsrat aus zwei gleich starken Blöcken; i n vielen Fragen stimmen die Blöcke jeweils geschlossen gegeneinander. Das bedeutet zugleich, daß sich die Parität i m Aufsichtsrat auf die Zusammensetzung oder zumindest auf die Entscheidungen i m Vorstand überträgt, daß also die Macht der Arbeitnehmer nicht nur i m A u f sichtsrat, sondern auch i m Vorstand zum Ausdruck kommt. Zumindest gilt das für die sozial so wichtigen Tariffragen, d. h. die Festlegung, wer das Unternehmen bei Haustarifverhandlungen und i m Arbeitgeberverband vertritt. Bisher liegt die Kompetenz für diese Festlegung i n aller Regel beim Vorstand; sollte aber der Vorstand auch bei einer rein paritätischen Mitbestimmung nicht paritätisch zusammengesetzt sein, so w i r d sie, zusammen m i t anderen Zuständigkeitsgebieten, i m reinen Modell auf den Aufsichtsrat übergehen. I n diesem reinen Modell besteht das Problem des Patts. Zwar braucht eine Patt-Situation nicht unbedingt schlecht zu sein; sie gibt j a A n stöße zu einer „vernünftigen" Verständigung der beiden Parteien — wäre es anders, so hätte man ζ. B. i m Eherecht den Wegfall des Stimmentscheids des Ehemanns 7 nicht riskieren können. Aber das Aktienrecht ist aus guten Gründen derart exakt ausgeformt, daß eine 7

Auf Grund GG Art. 3 (2).

Tarifautonomie trotz Mitbestimmung?

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offene Situation, wie beim Eherecht, völlig system w i d r i g wäre; sie w i r d deshalb hier nicht weiter erörtert. Nun gibt es durchaus Methoden, das Patt zu überwinden, ohne die Parität i m Prinzip anzutasten: z. B. den Entscheid durch das Los, oder die parlamentsübliche Regel, daß ein Antrag bei Stimmengleichheit als abgelehnt gilt, oder eine Bestimmung, daß die Unternehmensvertreter für Tarifverhandlungen durch eine neutrale Instanz, z. B. den Präsidenten des Arbeitsgerichts, bestimmt werden. Aber diese Methoden sind für Unternehmensleitungen schwerlich praktikabel, ja i n gewissem Sinne unwürdig. Würde man der vereinstypischen Regel folgen, nach der bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden entscheidet, oder der bisherigen Montan-Mitbestimmungsregelung des „elften Mannes", so würde sofort die Frage auftreten, wer letzten Endes über die Einsetzung des Vorsitzenden bzw. des elften Mannes entscheidet. Das PattProblem wäre damit nur verschoben, ja es wäre aufgehoben, wenn i n letzter Instanz die Vertreter der Anteilseigner entscheiden würden 8 . Den einzigen systemgerechten „sauberen" Ausweg aus diesem Dilemma bildet eine Regelung, nach der die Arbeitnehmervertreter i n den zuständigen Gremien kein Stimmrecht haben, soweit es sich u m die Vertretung des Unternehmens als Arbeitgeber handelt 9 . Dieser Weg ist ernsthaft zu erwägen, falls die Mitbestimmung konsequent paritätisch ist. Nun gibt es jedoch eine Fülle von Einzelregelungen, die eine Parität zur bloßen Schein-Parität verfälschen können. Das betrifft vor allem die Wahlverfahren: direkte oder indirekte Wahlen, Vorschlagsrechte, Wahlrechte von Betriebsfremden, einheitliche oder Gruppenwahlen, Entscheidungen „höherer" Organisationsstufen, auch das Depotstimmrecht der Banken (die vielleicht i h rerseits paritätisch konstruiert sind) usw. Wenn die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, also die Vertretung der Kapitalseite, letzte Entscheidungsbefugnisse hat, oder wenn sogenannte „leitende Angestellte" als angebliche Vertreter von Arbeitnehmerinteressen i m Aufsichtsrat sitzen 10 , so liegt nicht mehr eine bloße „kosmetische Reparatur" der Parität, sondern eine „Parität minus" vor. Dann ist es nicht mehr eine Frage der Logik, sondern der Macht und der Taktik, ob der „saubere" Weg eines Stimmentzugs der Arbeitnehmer begangen w i r d oder nicht. 8

Vgl. Montan-Mitbestimmungsgesetz, § 8. Vgl. Gutachten zu dem in Anm. 3 genannten Ausschuß, u. a. Thomas Raiser, Ziff. 18 f., Rupert Scholz, Pt. V I . 7. Zum ganzen Problem s. auch Rupert Scholz, Paritätische Mitbestimmung und Grundgesetz, Berlin 1974. Einen kursorischen Überblick über die Hauptpositionen enthält Udo Mayer und Norbert Reich (Hrsg.), Luchterhand-Band SL 197, Darmstadt und Neuwied 1975. 10 Das Manuskript dieses Beitrags wurde im Januar 1976 abgeschlossen. 9

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Die ganze Schärfe dieses Problems w i r d übrigens dann deutlich, wenn man es auf das von Kunze, Nell-Breuning und anderen entwickelte Modell einer besonderen „Unternehmensverfassung" anwendet. I n diesem Modell werden die sozialen Gegensätze innerhalb des Unternehmens überwunden. Eine Mitbestimmung gibt es nur auf der untersten Stufe, der Unternehmens Versammlung; auf der Stufe des Unternehmensrates sind die Sozialpartner bereits weitgehend integriert; seine Mitglieder handeln nicht interessenmonistisch, sondern pluralistisch. A u f der Stufe der Unternehmensleitung ist die Integration bei diesem Modell so vollkommen erreicht, daß die Arbeitnehmer, konsequent weiter gedacht, eines kollektiven Schutzes durch Tarifverträge vielleicht überhaupt nicht bedürfen 11 . Chancen zur Realisierung hat das Modell der „Unternehmensverfassung" w o h l nicht. IV. Tarifparteien: Autonomie gegenüber dem Staat Wie bei der Betrachtung der Mitbestimmung geht man auch bei einer Analyse der Tarifautonomie am besten von dem „reinen" Modell einer formalen und inhaltlichen Gleichheit und Unabhängigkeit der Tarifpartner aus. Der Kurzausdruck „Tarifautonomie" bedeutet hiernach, daß die Tarifparteien voneinander, vom Staate, von den K i r chen und anderen Mächten unabhängig sind und daß sie außerdem einigermaßen gleich stark sind. Das Tarifvertragssystem ist ein wichtiger Bestandteil unserer demokratischen Grundordnung. Da nämlich eine Zentralgewalt „Staat" — auch wenn sie ganz demokratisch zustande gekommen und verantwortlich ist — immer dazu neigt, ihre Macht zu mißbrauchen, werden i n einem freien Staat viele politische Entscheidungen außerhalb des „Staates" 1 2 von freien gesellschaftlichen Gruppen getroffen (Prinzipien des Pluralismus, besonders der Subsidiarität). Damit sind zwar keineswegs alle Mißbrauchsgefahren beseitigt, i m Gegenteil: Der Einfluß politisch mächtiger Gruppen kann sich gerade über starke Interessenverbände einseitig, zu Lasten Dritter, geltend machen. Aber i n vielen Fäl11 Vgl. den Bericht, erstattet von Erik Boettcher, Unternehmensverfassung als gesellschaftspolitische Forderung, Berlin 1968; sowie die beiden Aufsätze in der Festgabe für Heinrich Kronstein, Das Unternehmen in der Rechtsordnung, Karlsruhe 1967, Oswald v. Nell-Breuning, Unternehmensverfassung; und Kurt H. Biedenkopf, Auswirkungen der Unternehmensverfassung auf die Grenzen der Tarifautonomie. Ferner den Beitrag von Otto Kunze, Die Verfassung großer Unternehmen als gesellschaftspolitisches Problem, in der Festgabe für Gert von Eynern, Interdependenzen von Politik und Wirtschaft, Berlin 1967, herausgegeben von Carl Bohret und Dieter Grosser. S. ferner Oswald v. Nell-Breuning, Mitbestimmung, Frankfurt a. M. 1968. 12 Auf das Problem, wer den „Staat" repräsentiert, kann im Rahmen dieses Aufsatzes nicht näher eingegangen werden. Praktisch spielt die Exekutive meistens die entscheidende Rolle.

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len ist doch eine Auflockerung der zentralen Staatsgewalt nützlich, zumindest beabsichtigt. Einen wichtigen Fall solcher Machtverteilung bildet das Recht der Tarifparteien, verbindliche, für einen großen Personenkreis geltende Normen zu schaffen, also Gesetze i n materiellem Sinne zu beschließen. Historisch gesehen ist dieses Recht, besonders das i h m zugrunde liegende Koalitionsrecht der Arbeitnehmer, i n jahrzehntelangen sozialen und politischen Kämpfen von der Arbeiterschaft dem (konstitutionellen) Staate abgetrotzt worden. Aber bei einer Betrachtung seines Wesens w i r d es — wenigstens von denjenigen Staatstheoretikern, die nicht von einer hegelianisch-preußischen Staatsauffassung ausgehen — als ein vorstaatliches Recht betrachtet: Der Staat „gewährt" dieses Recht nicht, sondern „gewährleistet" es. Koalitionsrecht und Tarifvertragsrecht sind darnach Rechte vorstaatlicher Vertragsfreiheit 1 3 . Zur Gewährleistung dieser Rechte gehört — neben der Festlegung gewisser Bedingungen für öffentliche Arbeitskämpfe — die Entscheidung über die Tariffähigkeit der Verbände; und als eines der hier maßgeblichen Kriterien gilt die Gegner-Unabhängigkeit. I n früheren Zeiten spielte die Unabhängigkeit der Gewerkschaften von Arbeitgeber-Einflüssen eine große Rolle (Ablehnung der „gelben" Gewerkschaften). M i t unserem Mitbestimmungsproblem ist die Unabhängigkeit der anderen Seite, der Arbeitgeber, akut geworden, sei es die Autonomie eines Arbeitgeberverbandes, sei es, beim Haustarif, die Autonomie eines Unternehmens. Außerdem war und ist das Problem der Unabhängigkeit beider Parteien vom „Staat" ständig aktuell. Zum Funktionieren eines Kollektivvertragssystems bedarf es aber offensichtlich durchaus nicht einer strikten Autonomie. So konnte z. B. i n der arbeitsrechtlich doch vorbildlichen Weimarer Zeit von einer echten Staatsunabhängigkeit der Tarifparteien keine Rede sein. Denn der Staat stellte bei Arbeitsstreitigkeiten nicht etwa nur einen Schlichter zur Verfügung, sondern er praktizierte auch sein Recht, von den Schlichtern gefällte Schiedssprüche für verbindlich zu erklären, also den Parteien aufzuzwingen 14 . Juristisch ersetzte ein verbindlicher Schiedsspruch die Zustimmung der ablehnenden Partei (oder Parteien). Formal war das Ergebnis also kein staatlicher Lohn, sondern ein Tariflohn; faktisch aber war an die Stelle der Vertragsnorm die Staatsnorm getreten. Die historische Bedeutung dieser Regelung bestand darin, daß sie i n einer Zeit, i n der die Arbeitgeber und ihre Verbände keineswegs „ta13 Vgl. Helmut Duvernell (Hrsg.), Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie als Probleme der modernen Demokratie. Bericht über eine Tagung der Sozialakademie Dortmund, Berlin 1968. 14 Verordnung über das Schlichtungswesen vom 30. Okt. 1923, I § 6.

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riffreundlich" waren, die Zahl der Arbeitskämpfe wesentlich verringerte und das Tarifsystem als solches festigte 15 . Heute sind diese Ziele erreicht — und dennoch ist der Staat dauernd bemüht, seinen Einfluß auf die Tarifverträge zu stärken, und zwar aus einem Grunde, der i n der Weimarer Zeit, zumindest bis zur Weltwirtschaftskrise und zu Brünings Deflationspolitik, nur sekundär war, nämlich wegen der Bedeutung der Löhne für die Stabilität des Geldes. Regierungen und Zentralbanken bemühen sich heute — ob m i t Recht, bleibe hier unerörtert — um eine nur geringe Steigerung der Löhne. Da zur Niedrighaltung der Löhne eine künstliche Erzeugung von Arbeitslosigkeit ein sehr radikales M i t t e l darstellt, und da eine bloß verbale Seelenmassage unzureichend ist, schuf man das Instrument der „Konzertierten A k t i o n " 1 6 , wo Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden, von Unternehmerverbänden und Gewerkschaften sowie Sachverständige von Zeit zu Zeit darüber beraten, wie sie ihr „Verhalten" aufeinander „abstimmen" könnten oder sollten, und zwar gemäß den von der Bundesregierung angestrebten Zielen. Hierbei ist die Stellung des Bundes schon dadurch stark, daß den Diskussionen prinzipiell ein von der Regierung aufgestellter Bericht zugrunde liegt, i n dem i n der Form einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung die angestrebte Entwicklung der wichtigsten Größen niedergelegt ist. Z u diesen Größen gehört vor allem die Lohn- und Gehaltsumme: ein „Orientierungsdat u m " für die Politik aller Beteiligten. M i t diesen Angaben über die Entwicklung der Effektivlöhne ist ungefähr auch die der Tariflöhne vorgezeichnet. Zwar haben sich die Gewerkschaften gegen eine offizielle Konkretisierung des „Orientierungsdatums" Lohnsumme zu einer „Lohnleitlinie" für die Tariflöhne m i t Erfolg gewehrt; denn dadurch werde ihre Tarifautonomie verletzt. Aber faktisch ist diese Verletzung bereits m i t den „Orientierungsdaten" erfolgt. Durch den Staat w i r d die Kräftekonstellation zwischen den beiden „Sozialpartnern" i n der Regel zu Lasten der Arbeitnehmer verschoben. Gewiß müssen die Regierungsvertreter auf die Interessen der Wählermassen Rücksicht nehmen; auch sind sie, zumindest nach ihrer eigenen Überzeugung, ebenso wie die Vertreter der Zentralbank u m Objektivität und Neutralität i n den Lohnfragen bemüht. Aber es über15 Vgl. Hans-Hermann Hartwich, Arbeitsmarkt, Verbände und Staat 1918 1933, Berlin 1967, insbesondere S. 193 ff. 16 Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (Stabilitätsgesetz); übrigens sieht § 3 dieses Gesetzes ein bestimmtes Gremium dieser Art nicht ausdrücklich vor. Vgl. auch u. a. Gerhard Himmelmann, Lohnbildung durch Kollektivverhandlungen, Berlin 1970, S. 64 ff.

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wiegen bei ihnen jene volkswirtschaftlichen Erwägungen, nach denen bei der Struktur der kapitalistischen Märkte jede Lohnerhöhung entweder die Inflation oder die Stagnation oder beides verstärkt, so daß sie letzten Endes zu Lasten auch der Arbeitnehmerschaft gehe. Daß sich die Gewerkschaften trotzdem m i t der Konzertierten A k t i o n abgefunden haben, beruht auf zwei Erwägungen. Erstens kann mit ihr ein Ansatzpunkt für eine überbetriebliche Mitbestimmung gegeben sein, d. h. für einen Einfluß auf die konjunkturelle und die strukturelle Wirtschaftspolitik, ζ. B. auf die Vermögensverteilung. Zweitens sind die Beratungen und Ergebnisse der Konzertierten Aktion, falls es überhaupt zu „Ergebnissen" kommt, unverbindlich. Und da die Gewerkschaftsspitze, der DGB, die noch am ehesten volkswirtschaftliche Zusammenhänge wie Preisüberwälzungen beachten kann, recht schwach ist gegenüber den Einzelgewerkschaften, also den Akteuren der Tarifverhandlungen, so kann diese Unverbindlichkeit von den Einzelgewerkschaften ausgenutzt werden. Trotz dieser Unverbindlichkeit ist die Einengung der Tarifautonomie durch die Konzertierte A k t i o n von praktischer Bedeutung. Die Regierung hat schon mit der Möglichkeit, ihren Wirtschaftsbericht pessimistisch zu färben, einen beträchtlichen Einfluß. Die Bosse der größeren Einzelgewerkschaften sind, da sie an den Beratungen teilnehmen, auch unmittelbar berührt. I n der Öffentlichkeit werden die Berichte über die Beratungen der Konzertierten Aktion, so unbestimmt sie auch meistens formuliert sind, durchaus beachtet, und der Prozentsatz für die durchschnittliche Veränderung der Löhne w i r d dabei, wenn auch zu Unrecht, i n der Regel als Maximalsatz aufgefaßt. Zumindest ist zu sagen, daß das Konfliktfeld für Tarifverhandlungen eingegrenzt wird. V. Gegner-Unabhängigkeit der Tarifparteien Daß die Autonomie der Tarifparteien gegenüber dem Staat begrenzt ist, gibt indessen nicht das Recht, die Autonomie-Forderung schlechth i n abzulehnen, also auf eine Gegner-Unabhängigkeit der Tarifparteien zu verzichten. Denn während der Staatseinfluß noch als dem „Gemeinw o h l " 1 7 entsprechend aufgefaßt werden mag, würde eine Gegner-Abhängigkeit eines Tarifpartners eine Grundvoraussetzung des gegenwärtigen Tarif systems: das annähernde Gleichgewicht der beiden Seiten, die Symmetrie der Gruppen, gefährden. Theoretisch sind die hier lauernden Gefahren, wie oben dargelegt wurde, groß. Aber praktische Erfahrungen zeigen, daß die Fälle, i n denen die Arbeitgeberseite nicht ganz gegner-unabhängig war und ist, 17

A u f die Gemeinwohl-Problematik kann hier nicht eingegangen werden.

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recht häufig und wichtig sind, ohne daß ernste Mißstände aufgetreten wären. Solche Fälle betreffen vor allem 1. die Montanindustrie m i t ihrer paritätischen Mitbestimmung, 2. die Unternehmen i m Besitz von Gewerkschaften, und 3. öffentliche Unternehmen. 1. I n der Montanindustrie w i r d die paritätische Mitbestimmung seit 194718 praktiziert; doch sind dort die Löhne keineswegs „übermäßig", d. h. stärker als i n der übrigen Wirtschaft, gestiegen. Die „BiedenkopfKommission" hat festgestellt, „daß tarif politische Probleme i n den Aufsichtsräten der Montan-Unternehmen zwar gelegentlich angesprochen worden sind, aber nie m i t dem Ziel behandelt wurden, für die Unternehmensleitung verbindliche Richtlinien zu beschließen oder tarifpolitische Empfehlungen auszusprechen. . . . Die klare Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Aufsichtsrat und Tarifvertragsparteien bedeutet jedoch . . . nicht, daß die Mitbestimmung der Arbeitnehmer ohne jede Folge für den Prozeß der Tarif Verhandlungen . . . geblieben ist. Übereinstimmend wurde der Kommission vielmehr erklärt, daß die M i t w i r k u n g der Arbeitnehmer i m Aufsichtsrat zu einer wesentlichen Verbesserung der Information der Gewerkschaften als Tarifvertragsparteien über die wirtschaftliche Lage der Unternehmungen und ihre Leistungsfähigkeit geführt habe. Dies hat sich nach Angabe der Befragten jedoch nicht nur i m Sinne einer Erhöhung der gewerkschaftlichen Forderungen, sondern auch dahin ausgewirkt, daß die Gewerkschaften i n angespannten wirtschaftlichen Situationen eher zur Berücksichtigung der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage der Unternehmen bereit gewesen sind" 1 9 . Tarifverhandlungen werden i n der Montanindustrie mit annähernd der gleichen Härte geführt wie anderswo, obwohl i n der Stahlindustrie auf der Arbeitgeberseite auch Arbeitsdirektoren bei den Tarifverhandlungen m i t w i r k e n — weshalb übrigens die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände dem Arbeitgeberverband der Metall-erzeugenden Industrie die Mitgliedschaft verweigert, ohne daß das praktisch eine große Bedeutung hätte. Die Erfolge der „wilden" Streiks i m September 1969 zeigten sogar, daß die Gewerkschaften bei den vorangegangenen Tarifverhandlungen keineswegs alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatten 2 0 . 18 Paritätischer Aufsichtsrat und Arbeitsdirektor. Vgl. den Bericht der Stahltreuhändervereinigung „Die Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland", München und Berlin 1954, u. a. S. 43, 61, 82, 661. 19 Mitbestimmung i m Unternehmen. Bericht der Sachverständigenkommission zur Auswertung der bisherigen Erfahrungen bei der Mitbestimmung (Mitbestimmungskommission), Stuttgart u. a. 1970, Zf. 51. 20 Vgl. u. a. Hermann Adam, Zur Problematik der Konzertierten Aktion. Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament",

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Indessen liefern diese Erfahrungen i n der Montanindustrie noch keinen schlüssigen Beweis für eine allgemeine Verträglichkeit paritätischer Mitbestimmung und Tarifautonomie. Denn wenn eine solche Kombination von zwei antagonistischen Institutionen sich i n einem speziellen Wirtschaftszweig bewährt, während i n der ganzen Umwelt nur eine Drittelparität gilt, so kann dies darauf beruhen, daß die Arbeitnehmerseite aus psychologischen und organisatorischen- Gründen Hemmungen hat, ihr Übergewicht auszunutzen — Hemmungen, die bei einer weiter verbreiteten Kombination der beiden Institutionen vielleicht nicht bestehen würden. 2. Bei Unternehmen, die den Gewerkschaften gehören, ist unser Problem noch komplizierter. Hier besteht j a die ganze Kapitalseite aus Vertretern der Arbeitnehmer; die Machthäufung ist also vollkommen. Aber auch unter solchen Bedingungen kann eine institutionalisierte Mitbestimmung eine große Bedeutung haben. Bei der Bank für Gemeinwirtschaft ζ. B. wurde die paritätische Mitbestimmung, obwohl sie eine alte Forderung des DGB für alle Großunternehmen ist, erst i m Jahre 1971 eingeführt. Hier spielt die Wahl der Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat eine Rolle. Sieben der zehn Arbeitnehmervertreter sind Betriebsangehörige i m 21-köpfigen Aufsichtsrat; für die Wahl der drei anderen hat die Fachgewerkschaft „Handel, Banken und Versicherungen" ein Vorschlagsrecht — aber sie selber ist i m Aufsichtsrat nicht vertreten. Eine solche differenzierende Regelung bietet eine Basis für die Trennung der Rollen bei den Lohnverhandlungen. Die Bank für Gemeinwirtschaft ist einerseits i m Felde oligopolistischer Konkurrenz tätig und muß deshalb auf eine Minimierung ihrer Kosten bedacht sein. A n dererseits ist sie ein gemeinwirtschaftliches Unternehmen, das auch als sozialer Schrittmacher wirken soll. Wenn die Haustarife dieser Bank — weitergehend oder früher als die allgemeinen Bankentarifverträge und als gesetzliche Regelungen — gewisse soziale Fortschritte realisiert haben, so ist das weniger eine Folge der Mitbestimmung als eine Verwirklichung des besonderen inneren „Sinns" dieses Unternehmens. Deshalb lassen sich aus ihrem Verhalten keine gültigen Schlüsse für Unternehmen m i t kapitalistischem Erwerbsstreben ziehen. 3. Bei den „öffentlichen Unternehmen", also den Betrieben, die ganz oder überwiegend dem Staat oder einer Gemeinde gehören, bestehen Probleme der Tarifautonomie i n mannigfachen Formen 2 1 . Wichtig ist vom 29. September 1973 (Die großen Arbeitskonflikte fanden nicht in der Metallerzeugenden Industrie, sondern im Bereich der Metallverarbeitung statt, wo die Drittelparität des Betriebsverfassungsgesetzes gilt). 21 Hier sind nicht die Fragen zu erörtern, die sich zuweilen durch die besondere Struktur der Arbeitnehmerseite ergeben: die Spezialgewerkschaf ten

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vor allem die Abhängigkeit von der Eigentümer- und Arbeitgeberseite, vom „Staat". Der Einfluß des Staates ist hier nach Richtung und Intensität verschieden, je nachdem wie die Zuständigkeiten und damit die sozialen „Rollen" verteilt sind: ob Beamte mit oder ohne Weisungsbindung oder Vertreter des Finanzministers/Kämmerers oder des Fachressorts, ob Parlamentarier m i t oder ohne Parteienproporz und Fraktionsbindung i n den zuständigen Gremien des Unternehmens sitzen, und ob solche Vertreter faktisch an Gewerkschaften gebunden sind oder nicht. Außerdem ist wichtig, ob der „Sinn" des betreffenden Unternehmens primär darin besteht, dem Staate Einnahmen zu verschaffen, oder gute Leistungen für die Allgemeinheit zu erbringen, oder Vorbild für sozialen Fortschritt zu sein. Generell läßt sich nur sagen, daß größere Mißstände bei Tarifverhandlungen Ausnahmen waren. Offenbar hat die Rollenverteilung auch hier i m wesentlichen funktioniert: Selbst „linke" Unternehmensmanager verhalten sich so, wie es ihre Rolle als Arbeitgeber erfordert. 4. Übrigens gibt es auch andere Fälle, i n denen die sozialen Partner nicht perfekt voneinander getrennt sind, obwohl sie es nach ihren Grundprinzipien eigentlich sein müßten. Ein interessantes Beispiel hierfür ist die Internationale Arbeitsorganisation, die IAO. Sie wurde 1919 auf dem Grundsatz der Dreigliedrigkeit aufgebaut, d. h. sie fungierte als Zusammenarbeit von drei voneinander unabhängigen Gruppen eines jeden Mitgliedstaates, nämlich Vertretern der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Regierung. Diese Regelung wurde aber problematisch, als auch kommunistische Staaten Mitglieder der I A O wurden. Denn i n diesen Ländern sind weder die Gewerkschaften noch die Betriebe unabhängig vom Staate, und alle drei hängen weitgehend von der betreffenden Kommunistischen Partei ab. So stand die I A O vor der Frage, ob sie ihr Prinzip der Dreigliedrigkeit oder i h r Prinzip der Universalität aufgeben solle. Nach langen Auseinandersetzungen gab sie schließlich die Dreigliedrigkeit, die Autonomie der Sozialparteien, auf; und i n der politischen Praxis funktioniert das recht gut 2 2 . 5. Aus alledem ergibt sich, daß die Autonomie der Tarifparteien vielfach eingeschränkt war und ist, ohne daß sich daraus ernsthafte für die Bundespost und die Bundesbahn, die paritätische Mitbestimmung bei manchen kommunalen Eigenbetrieben usw. 22 Die politischen Schwierigkeiten der I A O im Herbst 1975 beruhen auf anderen Umständen. Vgl. Fritz Münch und Gert von Eynern, Internationale Organisationen und Regionalpakte, Köln u. a. 1962, S. 39 ff.

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Schwierigkeiten ergeben hätten. Dennoch ist damit noch nicht schlüssig bewiesen, daß auch nach der Einführung einer allgemeinen paritätischen Mitbestimmung, zumindest für Großunternehmen, keine Machtverschiebungen m i t strukturellen Veränderungen des Tarifsystems zu erwarten wären. Es ist eine Frage der politischen Sicht und des Temperaments, ob der Gesetzgeber i n einem solchen Fall erst praktische Erfahrungen abwarten oder den möglichen Schwierigkeiten durch eine gesetzliche Regelung vorbeugen w i l l . Eine vorbeugende Regelung könnte darin bestehen, den Arbeitnehmervertretern i n Mitbestimmungsorganen das Stimmrecht zu versagen, soweit es sich u m Tarifvertragsangelegenheiten dreht. Eine solche Bestimmung wäre jedoch, wie oben ausgeführt 23 , nur dann sinnvoll und zweckmäßig, wenn eine volle Parität der Mitbestimmung, nicht eine „Parität minus" verwirklicht wird. Eine Stimmrechtsbeschränkung würde klare Verhältnisse schaffen; die Polarität der Tarifvertragsparteien würde deutlich sichtbar und fühlbar. A n einer solchen Konfrontierung sind prinzipiell auch die Gewerkschaften interessiert; es sei daran erinnert, daß sich die Gewerkschaften nach 1945 durchaus für die Bildung von Arbeitgeberverbänden eingesetzt haben, u m nämlich echte Vertragspartner für Tarifverhandlungen zu haben. Allerdings kann eine auch nur partielle Beschränkung des Stimmrechts der Arbeitnehmer bei der Mitbestimmung als eine prinzipielle Schmälerung der ganzen Mitbestimmungseinrichtung aufgefaßt werden. Der Gedanke liegt nahe, daß entsprechende Beschränkungen eines Tages womöglich auch für andere Sachfragen eingeführt werden könnten. Indessen wäre einer solchen Besorgnis der Gewerkschaften entgegenzuhalten, daß — allerdings auf einer anderen Ebene — eine vergleichbare Beschränkung bereits existiert, nämlich das Verbot des Betriebsrats, sich an Arbeitskämpfen zu beteiligen 24 . Politisch ist allerdings zu bedenken, daß eine solche Regelung eine sozialpolitische Erstarrung bewirken kann. Soziale Fortschritte werden j a vielfach durch Tarifverträge — die keineswegs nur Lohnfragen zu regeln pflegen — realisiert und erprobt, bevor der Gesetzgeber sie mit allgemeiner Geltung einführt 2 5 . Wenn der Sondereinfluß der Arbeitnehmer bei Tarifverhandlungen durch eine Stimmrechtsbeschränkung i n den Fällen einer paritätischen Mitbestimmung beseitigt würde, so 23

Vgl. Abschnitt I I I . Vgl. Betriebsverfassungsgesetz vom 15. Januar 1972, § 74 Abs. 2. 25 Däubler und andere sind sogar der Meinung, daß die paritätische Mitbestimmung durch Tarifverträge eingeführt werden kann; vgl. Wolf gang Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, Frankfurt 1973. 24

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würden dadurch wahrscheinlich die Tendenzen zu einer Verfestigung des status quo i n der Bundesrepublik Deutschland 26 verstärkt werden. Gewiß: Das Argumentieren an Hand „reiner", einfacher Modelle — volle Parität bei der Mitbestimmung, strikte Autonomie der Tarifparteien — ist zwar nützlich für ein sauberes Denken; aber für die Beurteilung des faktisch-Möglichen, Wahrscheinlichen, Wünschenswerten kann es nur ein Hilfsmittel sein. I n der Wirklichkeit sind viele Unvollkommenheiten der Parität und der Autonomie üblich und praktikabel. Wie i m privaten Leben, so sind Rollenkonflikte auch bei gesellschaftlichen Institutionen i n weitem Umfang lösbar. Wer ζ. B. als Mandatsträger oder Vertreter einer Institution i n verschiedene Interessensphären eingespannt ist, spielt seine Rolle i n der Regel sachgemäß, ohne seelischen Schaden zu nehmen und ohne seine Institutionen i n eine Katastrophe zu stürzen. V I . Das Schweigen des Grundgesetzes 1. Soll eine an Parität orientierte Mitbestimmung gleichzeitig m i t einem an der Verbandsautonomie orientierten Tarifvertragssystem verwirklicht werden? Die A n t w o r t auf diese Frage liegt jeweils i n der Verantwortung der Politiker, besonders der Gesetzgeber; sie liegt nicht i n der Zuständigkeit der Juristen, weder der Gelehrten noch der Richter. Wohl können und sollen die Juristen den „Argumentationshaushalt" über diese Fragen sinnvoll abstecken und erweitern; sie werden dadurch wesentlich zur Objektivierung und Rationalisierung der Diskussion beitragen 2 7 ; sie können und sollen den Politikern Ratschläge für eine rechtlich korrekte Ausformung des politisch Gewollten geben; sie müssen prüfen, ob eine Regelung verfassungsrechtlich möglich ist, wobei sie, über den bloßen Wortlaut mancher Grundgesetzartikel hinausgehend, den Sinnzusammenhang der betreffenden Bestimmung zu untersuchen haben. Aber sie dürfen nicht der Versuchung erliegen, die Grundgesetzartikel allzu extensiv zu interpretieren, Gedanken hineinzulegen oder herauszulesen, die faktisch schlechterdings nicht drin stehen. Just dieses aber ist geschehen, von Gelehrten wie von Richtern, von Arbeitsrechtlern, Verfassungsrechtlern, Gesellschaftsrechtlern. Es ge26

Vgl. Hans-Hermann Hartwich, Sozialstaatspostulat und gesellschaftlicher status quo, Köln u. a. 1970. 27 Vgl. u. a. Peter Pernthaler in der Podiumsdiskussion der Wissenschaftlichen DGB-Konferenz „Mitbestimmung, Wirtschaft, Grundgesetz" am 3. Okt. 1975 in Frankfurt/Main.

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schah und geschieht häufig i n einer Intensität, die kaum noch von einer der anerkannten Interpretationsmethoden gedeckt ist. 2. Gerade i n der hier behandelten Frage müßten die Juristen schlicht „passen". Denn das Grundgesetz schweigt. Es legt keine bestimmte Wirtschaftsordnung und schon gar nicht eine bestimmte Arbeitsordnung fest. Für die Wirtschaftsordnung gilt die zutreffende Feststellung des Bundesverfassungsgerichts i m Investitionshilfe-Urteil vom 20. J u l i 1954 (BVerfGE 4, 17 ff.): „Die gegenwärtige Wirtschafts- und Sozialordnung ist zwar eine nach dem Grundgesetz mögliche Ordnung, keineswegs aber die allein mögliche. Sie beruht auf einer vom Willen des Gesetzgebers getragenen wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidung, die durch eine andere Entscheidung ersetzt oder durchbrochen werden kann." Die Behauptung, das Grundgesetz schreibe die „soziale M a r k t w i r t schaft" vor, beruht nicht nur auf einer ungeklärten Vorstellung darüber, was „soziale Marktwirtschaft" eigentlich sei, sondern auch auf einer bedenklichen Konkretisierung der einschlägigen Grundrechtsartikel 2 8 . Lediglich die durchgängige Formulierung der Grundrechtsartikel gibt gewisse Anhaltspunkte für die Wirtschaftsordnung: Die Freiheitsrechte nämlich stehen überall vorneweg, die Einschränkungen folgen hinterher 2 9 . Für die Arbeitsordnung gilt nicht einmal das. 3. Die von übereifrigen Interpreten hauptsächlich strapazierte Stelle des Grundgesetzes ist A r t . 9 Abs. 3 Satz 1 und 2: „Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig." Diese Formulierung eines subjektiven Rechts, des „Koalitionsrechts", hat ihre besondere Bedeutung durch fünf Umstände — übrigens unabhängig davon, ob man dieses Recht, wie oben auf S. 43 behauptet, als ein vorstaatliches oder als ein vom Staate delegiertes Recht ansieht: Erstens heben sich diese Bestimmungen, vor allem die i m zweiten Satz enthaltene Drittwirkung, von dem i n A r t . 9 Abs. 1 festgelegten einfachen Vereinsrecht ab. Es handelt sich u m mehr als einen Fall der allgemeinen Vertragsfreiheit. 28 Vgl. u. a. Roman Herzog in „Die Zeit" vom 29. März 1974, mit Erwiderung durch Hans Schueler an derselben Stelle. 29 Die Frage, ob eine paritätische Mitbestimmung mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG vereinbar ist, wird hier nicht behandelt. Sie ist m. E. zu bejahen, auch ohne daß man den Sozialisierungsartikel 15 GG mit seiner begrenzten (!) Entschädigungsregelung heranzieht.



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Zweitens werden die Vereinigungen selbst grundrechtlich geschützt, nicht nur „jedermann". Der Staat kann sie nicht — ohne weiteres 30 — auflösen. Drittens w i r d durch den später (1968) hinzugefügten dritten Satz festgelegt, daß sich gegen „Arbeitskämpfe" nicht einmal Notstandsmaßnahmen des Staates richten dürfen. Damit ist indirekt das Streikrecht auch für normale Zeiten grundgesetzlich anerkannt. Viertens schließt sich die Formulierung der ersten beiden Sätze fast wörtlich dem A r t i k e l 159 der Weimarer Verfassung von 1919 an; dieser A r t i k e l galt damals, unter der Überschrift „Koalitionsrecht", als Basis des Tarifvertragswesens 30a . Schließlich und hauptsächlich: Die Bundesrepublik „ist" ein „Sozialstaat" (GG, A r t . 20 (1)). Zur Konkretisierung dieses unbestimmten Begriffes ist eine Faustregel dienlich, die allerdings nirgends formuliert wurde: Die sozialen Verhältnisse dürfen, i m Ganzen gesehen, mindestens nicht schlechter sein, als sie zur Weimarer Zeit waren. Aber m i t alledem ist nur ein „Kernbereich" des kollektiven Arbeitsrechts festgelegt; keineswegs müssen alle Sozialordnungsbestimmungen der Weimarer Zeit nachgebildet werden. Zum Kernbereich gehört die Möglichkeit, daß bestimmte Verbände „Tarifverträge" m i t normsetzender K r a f t schließen können; ob diese Verbände ein Monopol für (ζ. B.) die Lohnbildung haben, ob eine Zwangsschlichtung nach Weimarer Muster rechtens wäre, bleibt offen. Zum Kernbereich gehören Arbeitskämpfe; doch ist nicht gesagt, welche Voraussetzungen — beim Streik: Urabstimmung? — und welche Ziele — „Wirtschaftsbedingungen", auch Mitbestimmung? — sie haben. Ob Gewerkschaften und Streiks einerseits, Arbeitgeber(verbände) und Aussperrungen andererseits gleichartig sind und deshalb gleich behandelt werden müssen, ist nicht gesagt — vieles spricht dagegen. Dem unbefangenen Laien erscheint es bedenklich, daß die Arbeits- und Verfassungsgerichte und manche Gelehrte zahlreiche Einschränkungen des kollektiven Arbeitsrechts festgelegt haben, ζ. B. das Verbot von Differenzierungsklauseln zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern oder eine enge Fassung des Begriffs Tarifautonomie. 4. Daß der Grundgesetzgeber viele Fragen offen gelassen hat, ist kein Zufall. Bei der Beratung und Beschließung des Grundgesetzes blieb 30 Vgl. die differenzierenden Darlegungen von Werner Weber in seiner Schrift „Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie als Verfassungsproblem", geschrieben zur Zeit der Beratungen über die Notstandsgesetze, Berlin 1965. 30a Die andere Grundlage des Tarifvertragswesens in der Weimarer Verfassung war Art. 165 Abs. 1; er wurde nicht in das GG übernommen. — Zum ganzen Problem s. auch Rupert Scholz, Koalitionsfreiheit als Verfassungsproblem, Münchener Universitätsschriften, Jur. Fak. Band 18, München 1971.

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der Bereich der Arbeits- und Sozialordnung offen, weil die Vorstellungen darüber bei den Parteien allzu unterschiedlich waren und weil die meisten Beteiligten wußten, daß ihre eigenen Vorstellungen darüber sich wandeln könnten (Ahlener Programm der CDU; Sozialisierungsprogramme der SPD, usw.). Nur so bestand eine Chance, daß das Grundgesetz allgemein akzeptiert werde. So übernahm man, aus Verlegenheit, die unbestimmten und mangelhaften 31 Aussagen der Weimarer Verfassung und überließ alles weitere dem Gesetzgeber und den Verbänden selbst. Das Schweigen des Grundgesetzes bedeutet auch nicht eine objektive „Lücke", die von Gerichten geschlossen werden sollte. Eine „Lücke" setzt voraus, daß der betreffende Tatbestand eigentlich i n der Verfassung hätte geregelt werden müssen. Wenn es sich aber u m Vorgänge handelt, die sich außerhalb der Staatsmaschinerie vollziehen sollen — sei es kraft vorstaatlichen Rechts, sei es durch staatliche Delegation —, so brauchen die Einzelheiten nicht i n der Verfassung fixiert zu werden — auch nicht i m „Verfassungsstaat" 32 . Man muß zwar anerkennen, daß sich die Gerichte oft bemüht haben, ihre Kompetenzen i n diesen Fragen nicht zu überschreiten und sich keine Gesetzgebungsbefugnisse anzumaßen. Doch häufig sind sie der Versuchung, möglichst i n jedem Fall klare Rechtsverhältnisse zu schaffen — „Richterrecht" — erlegen. Dabei ist es ein Charakteristikum der Nachkriegszeit, daß die politische Tendenz ihrer Urteile überwiegend i n die Richtung des status quo, einer Erschwerung des sozialen Fortschritts ging. 5. Was die Gerichte und die Gelehrten häufig zu einer extensiven Interpretation des GG Art. 9 (3) veranlaßt, ist das Schweigen des Grundgesetzes. I n der Tat können die Gerichte nicht untätig sein, wenn z. B. eine „Gewerkschaft" die Tariffähigkeit beantragt. Für die Beurteilung solcher Fälle gelten heute i m allgemeinen die Kriterien der freiwilligen Mitgliedschaft, der Unabhängigkeit vom Gegner und vom Staat, der Bildung auf überbetrieblicher Ebene, die Bereitschaft zur Anerkennung des geltenden Tarifrechts sowie, häufig, auch die Kampfwilligkeit und die womöglich annähernd gleichen Verhandlungsoder Kampfchancen. Diese Kriterien mögen unter den gegenwärtigen Verhältnissen zweckmäßig sein; aber sie sind nicht aus dem Grundge31 Ein Beispiel: Nach dem Wortlaut müßten industrielle Kartelle eigentlich denselben Schutz genießen wie Gewerkschaften. Es waren einige Konstruktionen nötig, um das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen trotzdem als verfassungskonform gelten zu lassen. 32 Eher kann man es als eine Lücke betrachten, daß das GG ein so wichtiges Faktum wie das Wirken der Interessenverbände (Einflußgruppen) nicht einmal erwähnt.

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setz A r t . 9 (3) abzuleiten, sondern stehen zur Disposition des Gesetzgebers. Wenn dieser schweigt — was er meistens t u t 8 3 —, so kann eine Entscheidung evtl. auf Grund anderer Grundgesetzartikel (z.B. Art. 1 - 3 ) oder Gesetzesparagraphen gefällt werden — wenn nicht, so ist die Situation rechtlich offen. Das bedeutet zugleich: Wenn eine Landesverfassung oder ein einfaches Landesgesetz eine konkrete Regelung trifft, so ist sie gültig, bis etwa ein Bundesgesetz den betreffenden Tatbestand regelt. Vom Grundgesetz aus läßt sich ζ. B. nicht ableiten, die i n Bayern und i n Bremen zulässige Zwangsschlichtung 34 sei verfassungswidrig. Gewiß ist es für einen Rechtsstaat unbefriedigend, daß auf diesem wichtigen Gebiet Unklarheiten und regionale Ungleichheiten bestehen können. Diese zu vermeiden, ist der Gesetzgeber berufen. Wenn auch er, wie die Verfassung, schweigt, so ist deswegen nicht ohne weiteres der Vorwurf einer Saumseligkeit zu erheben. Denn es kann durchaus sein, daß der Gesetzgeber, wie die Verfassung, jene Erstarrung, die mit jeder Kodifizierung verbunden ist, vermeiden w i l l . Es soll Raum bleiben für Fortschritte 85 . So wie der einfache Gesetzgeber — nach der einen Seite h i n — den Gewerkschaften das Recht beläßt, Streikreglements i n eigener Verantwortung aufzustellen, so hat er — nach der anderen Seite h i n — das Recht, die Kriterien für die Tarifvertragsfähigkeit der Verbände frei festzulegen.

33 Wichtigste Ausnahmen: das Tarifvertragsgesetz vom 9.4.1949, das sich aber im wesentlichen auf einige Grundtatbestände beschränkt, z. B. § 2 (1) : „TarifVertragsparteien sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern." Ferner das ebenso formale Arbeitsgerichtsgesetz vom 3. Sept. 1953, § 2 (1) Ziff. 5, § 97. 34 Verfassung Bayern Art. 177 (2); Bremen Art. 51 (2). 35 Vgl. die Probleme einer Unternehmens Verfassung, Anm. 11.

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Vorbemerkungen

Multinationale Unternehmen, unter denen hier — unter Verzicht auf weitere quantitative und qualitative Kriterien 1 — solche Unternehmen verstanden werden sollen, die i n mehr als einem Staat tätig sind und deren Unternehmensteile einem Mindestmaß an gemeinsamer Kontrolle unterliegen, sind i n den letzten Jahren zunehmend Gegenstand einer außerordentlich scharf und teilweise auch polemisch geführten Diskussion geworden. Diese Ideologisierung der Diskussion muß als eines der Haupthindernisse für eine sachgerechte und objektive Problembeurteilung und Problemlösung bei der Entwicklung von Ansätzen betrachtet werden. Es erübrigt sich, an dieser Stelle erneut auf die hinreichend belegte, bislang ständig an Bedeutung gewinnende Rolle dieses Unternehmenstyps i n der Weltwirtschaft und auf die Motive für die Internationalisierung der Produktion i m weitesten Sinne einzugehen 2 . Aufgabe dieses Beitrages ist es vielmehr, sich m i t den wettbewerbspolitischen Problemen und vor allem m i t den für die Lösung dieser Probleme i n Betracht kommenden nationalen und internationalen Instrumenten auseinanderzusetzen, die bislang i n der allgemeinen Diskussion über multinationale Unternehmen eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben. Die geringe Zahl von Hinweisen auf pragmatische Lösungsansätze mag angesichts der Fülle von Literaturbeiträgen und wissenschaftlichen Diskussionen zur Wettbewerbsthematik überraschen. Die wettbewerbspolitische Betrachtung multinationaler Unternehmen ist — wenn überhaupt — bisher meist theoretisch vorgenommen worden, was i n erster 1 Eine Übersicht über einige weitere der außerordentlich zahlreichen Definitionsvorschläge findet sich in dem U. N. Dokument: Multinational Corporations in World Development, U. N. Department of Economic and Social Affairs, New York 1973, Annex I I . 2 Vgl. ebenda, S. 13 f. Z u den Motiven für die Internationalisierung der Produktion vgl. u.a. U.S. Senate, Committee on Finance: Implications of Multinational Firms for World Trade and Investment and for U. S. Trade and Labor, 93d Cong., 1st Sess., Washington D. C. 1973, S. 108 ff.

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Linie wohl auf das Fehlen oder zumindest auf die bislang nicht erfolgte systematische Erfassung von Einzelinformationen zurückzuführen sein dürfte. Eine Reihe von Umständen, die für die wettbewerbspolitische Bedeutung und Beurteilung multinationaler Unternehmen maßgeblich ist, läßt sich jedoch schon jetzt zusammenstellen. I. Wettbewerbspolitische Beurteilung Ein wesentlicher dieser Faktoren ist die dem rein nationalen Unternehmen überlegene durchschnittliche absolute Größe multinationaler Unternehmen. Dieser Aspekt ist empirisch umfassend belegt, so daß hier ein kurzer Hinweis genügen mag. So verdeutlicht bereits die Feststellung, daß von den 650 nach Umsatz und Kapital stärksten Industrieunternehmen der marktwirtschaftlich orientierten Länder nahezu alle i m Sinne der hier zugrunde gelegten Definition multinational waren, die überragende Rolle der Großunternehmen bei der Internationalisierung der Produktion 3 . Die generell überdurchschnittliche Größe m u l t i nationaler Unternehmen lassen darüber hinaus die Statistiken über die Direktinvestitionstätigkeit erkennen. So stellte ζ. B. eine Studie des U. S. Handelsministeriums i m Jahre 1960 fest, daß 80 °/o der amerikanischen direkten Auslandsinvestitionen auf nur 6 °/o der U. S. Unternehmen entfielen 4 . I n der Bundesrepublik Deutschland tätigten i m M i t t e l der letzten Jahre nur 2 °/o der investierenden Unternehmen rund 70 °/o der deutschen Direktinvestitionen i m Ausland 5 . Etwa 37 °/o der deutschen Direktinvestitionen werden allein von den neun größten Auslandsinvestoren kontrolliert 6 . I n Großbritannien entfielen auf 165 Unternehmen rund 80 °/o der britischen Auslandsinvestitionen 7 . Wettbewerbspolitisch von Bedeutung ist ferner der Umstand, daß die einzelnen Tochtergesellschaften bzw. Niederlassungen multinationaler Unternehmen auch bei isolierter Betrachtungsweise i n der Regel selbst entscheidende Wettbewerbspositionen innehaben. Besonders deutlich zeigt sich dies i n Kanada, wo 75 der 100 größten Unternehmen Tochtergesellschaften ausländischer multinationaler Unternehmen sind 8 . I n der Bundesrepublik Deutschland entfällt etwa die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen auf Unternehmen m i t einem Nominalkapital von 3

Vgl. Multinational Corporations in World Development, S. 127 ff. Vgl. Business in Foreign Countries, U. S. Department of Commerce, Washington D. C. 1960, S. 144. 5 Vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Deutsche Bundesbank (Hrsg.), Jg. 17 - 24. 6 Vgl. Multinational Corporations in World Development, S. 7. 7 Vgl. Multinational Corporations in World Development, S. 7. 8 Vgl. John H. Dunning: The Multinational Enterprise: The Background, in: John H. Dunning (Hrsg.), The Multinational Enterprise, London 1971, S. 20. 4

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100 M i l l . D M oder mehr 9 . I n Italien sind die Tochterunternehmen ausländischer Mütter i m Durchschnitt etwa viermal so groß wie rein nationale Unternehmen 10 . Ein ähnliches B i l d zeigt sich i n Belgien, Großbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten 11 . Ein weiterer wettbewerbspolitisch relevanter Gesichtspunkt ergibt sich schließlich aus der Struktur der Märkte, auf denen multinationale Unternehmen vorzugsweise anzutreffen sind 1 2 . Diese Märkte zeichnen sich i n der Regel durch einen fortgeschrittenen Konzentrationsgrad, einen hohen technologischen Entwicklungsstand sowie überdurchschnittliche Kapitalintensität und Wachstumsraten aus. Ein zusätzliches, häufig anzutreffendes Merkmal ist darüber hinaus ein hoher Grad an Produktdifferenzierung. Generalisierend läßt sich demnach feststellen, daß multinationale Unternehmen typischerweise auf oligopolistisch strukturierten Märkten m i t tendenziell hohen Eintrittsbarrieren tätig sind, wobei diese Charakterisierung sowohl für die Heimatmärkte wie auch für die Märkte der Auslandsniederlassungen gilt. Als Beispiele dafür seien vor allem Automobile, Elektroerzeugnisse (insbes. elektronische Datenverarbeitungsanlagen, Waschmaschinen, Aufzüge, photographische Vervielfältigungsgeräte, Fernmeldeeinrichtungen), Erzeugnisse der chemischen Industrie, Mineralölverarbeitung, Reinigungsmittel sowie Nahrungs- und Genußmittel genannt 13 . Die Frage der Beeinflussung des Wettbewerbs durch multinationale Unternehmen w i r d unterschiedlich beurteilt. Während ihnen einerseits eine überwiegend wettbewerbsfördernde Rolle zugeschrieben w i r d 1 4 , betonen andere ihren negativen, konzentrationsfördernden Einfluß 1 5 . 9 Ausländische Beteiligung an Unternehmen in der Bundesrepublik, Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Jg. 24 (1972), Nr. 1, S. 44. 10 Vgl. Die Multinationalen Unternehmen im Rahmen der Gemeinschaftsvorschriften, Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat, übermittelt am 8. November 1973, Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 15/73, S. 26. 11 Vgl. ebenda, S. 25 f. Ferner: The Impact of Foreign Direct Investment in the United Kingdom, Department of Trade and Industry, by Max E. Steuer e. a., London 1973, S. 91 f.; U.S. Department of Commerce: Foreign Business Investments in the United States. A Supplement to the Survey of Current Business, Washington D. C. 1962, S. 5 ff.; Gilles Y. Bertin: Les investissements des firmes étrangères en France, Paris 1962, S. 246. 12 Vgl. Richard E. Caves : International Corporations: The Industrial Economics of Foreign Investment, Economica, Vol. 38 (1971), S. 1 ff. 13 Vgl. u. a. John H. Dunning : Multinational Enterprises, Market Structure, Economic Power and Industrial Policy, Journal of World Trade Law, Vol. 8 (1974), S. 588 f. 14 Vgl. vor allem Charles P. Kindleberger: American Business Abroad, New Haven and London 1969, S. 32. 15 Vgl. Stephen Hymer: The Efficiency (Contradictions) of Multinational Corporations, The American Economic Review, Papers and Proceedings, Vol. L X (1970), S. 443.

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Das gegenwärtig vorliegende empirische Material verbietet jedoch alle Verallgemeinerungen dieser Art, die den multinationalen Unternehmen eine insgesamt positive oder negative wettbewerbspolitische B i lanz attestieren. Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Charakteristika multinationaler Unternehmen läßt sich jedoch eine Reihe von Schlüssen ziehen, die ein differenzierteres B i l d i m Hinblick auf die verschiedenartigen Wettbewerbseffekte ergeben und die sich, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, auch empirisch belegen lassen. Ein wettbewerbspolitisch positiv zu beurteilender Aspekt multinationaler Unternehmen ist i n ihrer — verglichen mit rein nationalen Unternehmen — besonderen Fähigkeit und/oder Neigung zu sehen, i n konzentrierte und unter dem Schutz hoher Markteintrittsbarrieren erstarrte Märkte einzudringen. Dieser Aspekt gewinnt i n denjenigen Fällen zusätzliches Gewicht, i n denen die sonst wettbewerbsintensivierenden Impulse des internationalen Handels infolge tarifärer und/oder nicht tarifärer Hemmnisse oder infolge des Erfordernisses marktnaher Produktion nicht wirksam werden können. Die spezifische Fähigkeit multinationaler Unternehmen, Marktzutrittsbarrieren zu überwinden, gilt sowohl i m Hinblick auf Zugangsschranken, die auf den betriebswirtschaftlichen Vorteilen der Massenproduktion basieren, als auch auf diejenigen, die durch Produktdifferenzierung sowie durch absolute Kostenvorteile der bereits auf dem Markt etablierten Unternehmen verursacht werden 1 6 . Vorteile der Massenproduktion stellen für multinationale Unternehmen immer dann keine Zutrittsschranken dar, wenn sie sich auf einzelnen Produktionsstufen auswirken. I n diesen Fällen sind multinationale Unternehmen i n der Lage, den jeweiligen Produktions Vorgang lokal zu konzentrieren und von diesem Standort aus die auf verschiedenen Märkten tätigen Unternehmensteile zu beliefern mit der Folge, daß der Preiseffekt, der den Zugang neuer, lediglich i m nationalen Rahmen operierender heimischer Unternehmen verhindert, nicht zur Wirkung kommt 1 7 . A u f Produktdifferenzierung beruhende Eintrittsschranken, die nationale „newcomer" zwingen, kostspielige und risikoreiche Werbekampagnen zu führen oder aber Preise zu fordern, die weit unter denjenigen der etablierten Anbieter liegen und damit eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals nicht gewährleisten, stellen für multinationale Unternehmen insofern keine Zugangshemmnisse dar, als gerade die Nutzung eines spezifischen know-how auf diesem Gebiet als einer der wichtigsten Gründe für die Internationali10 Vgl. Richard E. Caves : International Corporations. The Industrial Economics of Foreign Investment, S. 12 ff. 17 Vgl. Richard E. Caves: International Corporations. The Industrial Economics of Foreign Investment, S. 13 mit weiteren Nachweisen.

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sierung der Produktion angesehen w i r d 1 8 . Als Beispiele hierfür kommen insbesondere die Nahrungs- und Genußmittel- sowie die Reinigungsmittelindustrie infrage. Markteintrittsbarrieren i n Gestalt von absoluten Kostenvorteilen 1 9 der bereits am Markt tätigen Unternehmen schließlich wirken sich gegenüber multinationalen Unternehmen deswegen nicht aus, weil sie i n aller Regel über quantitativ und qualitativ überlegene Ressourcen, über ein überdurchschnittliches technologisches und organisatorisches know-how sowie nicht zuletzt auch über umfangreiche Möglichkeiten der konzerninternen, aber grenzüberschreitenden „cross subsidization" verfügen. Dringen multinationale Unternehmen unter Überwindung dieser den Z u t r i t t nationaler Unternehmen ausschließenden oder sehr erschwerenden Schranken i n einen konzentrierten M a r k t ein, indem sie dort neue Produktionsstätten errichten, so können aus der dadurch eintretenden Senkung des Konzentrationsgrades eine Intensivierung des Wettbewerbs und, daraus resultierend, bessere Marktergebnisse folgen. Aber auch i n denjenigen Fällen, i n denen der Konzentrationsgrad sich nicht vermindert, weil der E i n t r i t t durch Übernahme eines schon i m M a r k t tätigen Unternehmens erfolgte, kann sich u. U. eine Verbesserung der Wettbewerbssituation ergeben. Dies ist i n erster Linie dann zu erwarten, wenn das erworbene Unternehmen ohne die Übernahme aus dem Markt hätte ausscheiden müssen, d. h. daß sich ohne die Übernahme der Konzentrationsgrad erhöht hätte. Paßt sich allerdings das i n den konzentrierten M a r k t eindringende multinationale Unternehmen dem vorgefundenen oligopolistischen Marktverhalten der gegenseitigen Rücksichtnahme, Gruppendisziplin u. ä. wettbewerbbeschränkenden Verhaltenskoordinierungen der bereits auf diesem Markt tätigen Unternehmen an, anstatt sich wettbewerbsaktiv zu zeigen, so ist ungeachtet der strukturellen Auflockerung für den Wettbewerb insgesamt wenig gewonnen 20 . Eine Reihe von Beispielen belegt, daß die theoretisch möglichen positiven Wettbewerbswirkungen multinationaler Unternehmen bisweilen tatsächlich eintreten. So stellte Dunning ζ. Β. fest, daß das A u f treten amerikanischer Unternehmen i n Großbritannien zum Aufbrechen monopolistischer Strukturen auf einer Reihe von Märkten führte, u. a. denen für Autoreifen, Seifen und Waschmittel 21 . Ähnliche positive 18

Vgl. ebenda, S. 1 ff. Vgl. hierzu im einzelnen Joe S. Bain: Industrial Organization, 2. Aufl., New York u. a. 1968, S. 260 ff. 20 Vgl. Richard E. Caves: International Corporations. The Industrial Economics of Foreign Investment, S. 15. 21 Vgl. John H. Dunning : American Investment in British Manufacturing Industry, London 1958, S. 159 f. 19

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Erfahrungen wurden auf dem Autoreifenmarkt i n Frankreich gewonnen, als dort 1962 erstmals „Firestone" und „Good-year" auftraten und die französischen Produzenten zu nicht unbeträchtlichen Preissenkungen zwangen 22 . Auch i n Australien w i r k t e sich das Auftreten multinationaler Unternehmen auf lokalen Märkten für Tabak und Waschmittel stimulierend auf den Wettbewerb aus 23 . Neben den wettbewerbsfördernden Wirkungen können von multinationalen Unternehmen auch erhebliche wettbewerbsschädigende W i r kungen ausgehen. Das besondere Gewicht dieser Wirkungen beruht i n erster Linie auf den Faktoren, die die wirtschaftliche Macht dieser Unternehmen 2 4 begründen, sowie auf der Eigenart der Märkte, i n denen sie überdurchschnittlich häufig anzutreffen sind. Z u den unmittelbaren negativen Wirkungen, die von den multinationalen Unternehmen auf den Wettbewerb ausgehen können, zählt vor allem ihre Beteiligung an Konzentrationsvorgängen. Die Feststellung, daß häufig bereits konzentrierte und gesamtwirtschaftlich bedeutende Märkte von derartigen strukturverändernden Maßnahmen betroffen sind, gibt Anlaß zu besonderer Besorgnis. Eine zweite Gruppe unmittelbar konzentrationsfördernder Maßnahmen bilden ruinöse Verdrängungspraktiken. Die Gefahr ruinösen Verdrängungswettbewerbs durch multinationale Unternehmen ist i m Vergleich zu rein nationalen Unternehmen aus verschiedenen Gründen größer: So verfügen multinationale Unternehmen über die Größenvorteile und die Möglichkeit der „cross subsidization" hinaus, die sie grundsätzlich nicht von nationalen diversifizierten Großunternehmen unterscheiden, über eine Reihe weiterer, sich aus ihrer transnationalen Struktur heraus ergebender, nicht leistungsbedingter Wettbewerbsvorteile. Hierzu zählt insbesondere ihre Stellung auf den Faktormärkten. So sind multinationale Unternehmen aufgrund der Möglichkeit, mehr oder weniger autonom konzerninterne Verrechnungspreise sowie Zahlungsbedingungen („leads and lags") 2 5 festzusetzen, weitgehend immun gegenüber einer restriktiven nationalen Geld- und Kreditpolitik. Eine zusätzliche Erhöhung des Eigenfinanzierungsanteils w i r d — ebenfalls 22 Vgl. Jack N. Behrmann: National Interests and the Multinational Enterprise, London 1970, S. 21. 23 Vgl. Donald T. Brash : American Investment in Australian Industry, Cambridge/Mass. 1966, S. 128 f. 24 Es ist das besondere Verdienst von Helmut Arndt, in großer Klarheit auf den Machtaspekt dieser Faktoren hingewiesen zu haben. Vgl. vor allem Helmut Arndt: Wirtschaftliche Macht. Tatsachen und Theorien, Beck'sche Schwarze Reihe, Bd. 119, München 1974, S. 47 ff. 25 Zu einer empirischen Untersuchung derartiger Praktiken vgl. insbes. U.S. Senate, Committee on Foreign Relations: Multinational Corporations in the Dollar Devaluation Crisis: Report on a Questionnaire, 94d Congress, 1st Sess., Washington D. C. 1975.

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i m Wege der Transferpreispolitik — durch entsprechende Ausnutzung von Unterschieden i n den nationalen Besteuerungssystemen ermöglicht. Ein weiterer Wettbewerbsvorteil ergibt sich durch die besondere Stellung multinationaler Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt. Die i m Vergleich zu rein nationalen Unternehmen stärkere Verhandlungsposition beruht vor allem auf der größeren Flexibilität multinationaler Unternehmen bei der grenzüberschreitenden Verlagerung der Produktion. Die Neigung zu ruinösem Wettbewerb w i r d darüber hinaus dadurch erhöht, daß insbesondere aufgrund der transnationalen Struktur der multinationalen Unternehmen ein Nachweis derartiger Praktiken durch die nationalen Wettbewerbsbehörden auf große, wenn nicht i n vielen Fällen sogar unüberwindbare Schwierigkeiten stößt 26 . Weiterhin können mittelbare wettbewerbsschädliche Wirkungen eintreten, ohne daß sich zunächst die bestehende Marktstruktur verschlechtert. So kann sich beispielsweise die Tätigkeit multinationaler Unternehmen negativ auf die Funktionsfähigkeit des wettbewerblichen Ausleseprozesses auswirken, indem i n Zeiten eines konjunkturell oder strukturell bedingten Nachfragerückgangs nicht die ineffizientesten Unternehmen ausscheiden, sondern diejenigen Marktteilnehmer, die an sich gesamtwirtschaftlich leistungsfähig sind, jedoch nicht die den Großunternehmen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der konzerninternen „cross subsidization" besitzen 27 . Weiterhin kann sich der Umstand, daß multinationale Unternehmen eine überdurchschnittliche Größe aufweisen, die von den Unternehmen i n den Anlageländern als Bedrohung empfunden wird, i n den Märkten der Gastländer überproportional verschlechternd auf die Struktur auswirken, indem der Markteintritt multinationaler Unternehmen eine mit „Verteidigungszwecken" motivierte Konzentrationswelle auslöst. So ist zu vermuten, daß die Mitte der sechziger Jahre i n Westeuropa beobachtete Welle von Zusammenschlüssen wenigstens teilweise auf das verstärkte Eindringen amerikanischer Unternehmen i n die europäischen Märkte zurückzuführen ist 2 8 . Neben der direkten oder indirekten Erhöhung des Konzentrationsgrades können multinationale Unternehmen auch i n anderer Weise die Marktstrukturen negativ beeinflussen. Vor allem kann ihr Eindringen dazu führen, die Eintrittsschranken weiter zu erhöhen und damit 26 Zu den verfahrensrechtlichen und -technischen Problemen im allgemeinen vgl. S. 66 ff. 27 Vgl. Harald Schumacher: Die ökonomische Macht multinationaler Unternehmen, Wirtschaft und Wettbewerb, Jg. 23 (1973), S. 8. 28 Vgl. Stephen Hymer und Robert Rowthorn: Multinational Corporation and International Oligopoly: The International Challenge, in: Charles P. Kindleberger (Hrsg.), The International Corporation, Cambridge/Mass, und London 1970, S. 57 ff.

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— wenn es sich schon u m einen oligopolistisch strukturierten M a r k t handelt — die Möglichkeiten für die Wiedergewinnung eines funktionsfähigen Wettbewerbs weiter zu verringern. Ebenso wie für die wettbewerbsfördernden, lassen sich auch für die wettbewerbsschädlichen Wirkungen multinationaler Unternehmen empirische Belege finden. Diese negativen Wirkungen, die sich wettbewerbsrechtlich nicht von denen unterscheiden, die auch von rein nationalen Unternehmen ausgehen, erhalten wettbewerbspolitisch aus materiellen und prozessualen Gründen ein stärkeres Gewicht. Materiell beruht ihre Bedeutung auf den Eigenschaften, die das multinationale Unternehmen von dem durchschnittlichen rein nationalen Unternehmen unterscheiden: überlegene absolute Größe, besserer Zugang zu den Faktormärkten, überlegenes technologisches und unternehmerisches know-how sowie die zitierten, nicht leistungsbedingten Vorteile. Eine wettbewerbbeschränkende Praktik, die von einem oder mehreren m u l tinationalen Unternehmen ausgeht, w i r d i m allgemeinen größere w i r t schaftliche Auswirkungen nach sich ziehen, als eine von einem rein nationalen Unternehmen ergriffene gleichartige Maßnahme. Prozessual sind wettbewerbbeschränkende Praktiken multinationaler Unternehmen deshalb problematischer, w e i l sie häufiger als bei rein nationalen Unternehmen Auslandsbezüge aufweisen, die m i t nationalen Rechtsmitteln allein nicht angemessen zu behandeln sind. Man w i r d i m Licht der bisherigen praktischen Erfahrungen vier Hauptkategorien von Wettbewerbsbeschränkungen identifizieren können, die zwar, wie angemerkt, nicht i n dem Sinne spezifisch für m u l t i nationale Unternehmen sind, daß sie nach den verschiedenen Kartellrechten nicht auch i n gleicher Qualität von rein nationalen Unternehmen ausgehen können, und die auch nicht i n dem Sinne exklusiv sind, daß multinationale Unternehmen nicht auch i n anderer Weise den Wettbewerb beschränken können. Gleichwohl handelt es sich u m Kategorien, für die hinreichendes empirisches Material den Schluß zuläßt, daß sie als schwerwiegende wettbewerbspolitische Problembereiche anzusehen sind. Es handelt sich hierbei u m internationale Produkt- und Marktaufteilungen, um internationale Mißbräuche wirtschaftlicher Macht, namentlich i n bezug auf Preise, u m internationale Fusionsvorgänge und schließlich u m internationale Mißbräuche i m Zusammenhang m i t gewerblichen Schutzrechten, vor allem m i t Patenten. Diese Praktiken, sieht man von den Zusammenschlüssen ab, die begrifflich eine Beteiligung mehrerer Unternehmen voraussetzen, können sowohl individuell wie kollektiv betrieben werden, d. h. von einem einzelnen oder einer Mehrzahl multinationaler Unternehmen ausgehen. Einige Beispiele

Multinationale Unternehmen und Wettbewerb mögen die hier aufgezeigten Kategorien Praktiken verdeutlichen.

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wettbewerbbeschränkender

Unter dem Gesichtspunkt der Aufteilung internationaler Märkte m i t dem Ziel der Wettbewerbsbeschränkung („hunting ground agreements") sind die Ende der fünfziger Jahre zwischen sämtlichen internationalen Chininherstellern (mit der einzigen Ausnahme eines staatlichen indonesischen Unternehmens) geschlossenen Vereinbarungen zu beurteilen 2 9 . Diese sahen neben Absprachen über Lagerbestandsveränderungen, Preisfixierungen und Produktionsbeschränkungen auch eine Verteilung der Absatzquoten chininhaltiger Produkte und eine Aufteilung der Weltmärkte zwischen den Herstellern vor. Entsprechend einem „Gentlemen's Agreement" wurde vereinbart, den jeweiligen Produzenten ihre Heimatmärkte als ausschließlich von ihnen belieferte Absatzmärkte zu reservieren; i n einem „Export-Vertrag" wurden die übrigen A b satzgebiete verteilt: Die holländischen Überseegebiete durften ζ. B. nicht durch deutsche, französische oder englische Anbieter beliefert werden, die französischen Überseegebiete blieben der französischen Anbietergruppe vorbehalten, u. ä. 80 . Unter dem Gesichtspunkt der Nichtweitergabe von Preisvorteilen gewinnt ein i n Kanada 1969 vorgelegter Bericht über mißbräuchliche Preispolitik multinationaler Unternehmen bei internationalen Traktorenlieferungen besonderes Interesse 31 . Der Bericht weist nach, daß 1966 allein drei multinationale Unternehmen, Massey-Ferguson, International Harvester und Ford, etwa die Hälfte der (nicht-sozialistischen) Weltproduktion an Traktoren auf sich vereinigten. Mehr als ein Viertel dieser Produktion vollzog sich i n Tochtergesellschaften i n Großbritannien. Die Kommission stellte dabei fest, daß trotz fehlender Zölle, Steuern u. ä. ein nicht unbeträchtliches Preisgefälle zwischen Europa und Nordamerika bestand und daß die Abwertung des britischen Pfundes i m November 1967 u m mehr als 14 % nicht den geringsten Preiseffekt i n Kanada bewirkte. Nach dieser Abwertung ergaben sich für Traktoren bis zu 75 PS Motorleistung i n Großbritannien Händlerpreisdifferenzen zwischen 45 und 90 % gegenüber den i n Kanada geforderten Preisen. Durch spezielle Händlerverträge stellten die Produzenten sicher, daß Transfers von Traktoren durch die Händler unterblieben. 29 Vgl. The Quinine „Convention" of 1959-62: A Case Study of an International Cartel, U. S. Senate, 90th Congress, 1st Session, Hearings before the Subcommittee on Antitrust and Monopoly of the Committee on the Judiciary, Prices of Quinine and Quinidine, Part 2, March 1967 (Statement of John M. Blair), in: Hecht, Macht und Wirtschaft, Helmut Arndt (Hrsg.), Schriftenreihe des Instituts für Konzentrationsforschung an der Freien Universität Berlin, Bd. 2, Berlin 1968, S. 123 ff. 30 Vgl. ebenda, S. 150 ff. 81 Vgl. Special Report on Prices of Tractors and Combines in Canada and Other Countries, Ottawa 1969.

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Ein Beispiel für einen internationalen Unternehmenszusammenschluß, dessen wettbewerbbeschränkende Wirkung vor allem i n der Erhöhung der Marktzutrittsbarrieren zu sehen ist, ist der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an der Dr. Carl Hahn GmbH, Düsseldorf, durch das multinationale Unternehmen Johnson & Johnson, USA, i m Jahre 197332. M i t einem Marktanteil von 80 °/o beherrschte bereits das deutsche Unternehmen den Markt für Tampons. Durch den Zusammenschluß, der vom Bundeskartellamt i m Rahmen der Fusionskontrolle untersagt wurde, wäre die marktbeherrschende Stellung der Dr. Carl Hahn GmbH dadurch verstärkt worden, daß ihr wettbewerbsstrategischer Verhaltensspielraum insbesondere durch den Zuwachs der Forschungsund Finanzierungskapazitäten von Johnson & Johnson erheblich ausgeweitet worden wäre. Hierzu heißt es i n dem Beschluß des Bundeskartellamtes zur Untersagung eines Zusammenschlusses wegen Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung 3 3 : „Die marktbeherrschende Stellung von Hahn auf dem Tamponmarkt gewinnt durch den Zusammenschluß mit dem multinationalen Konzern Johnson & Johnson eine neue Q u a l i t ä t . . . Die dem Unternehmen durch den Zusammenschluß zugeflossenen zusätzlichen Ressourcen erlauben eine langfristige Absicherung der marktbeherrschenden Stellung. Sie führen zu einer beträchtlichen Ausweitung des Verhaltensspielraums von Hahn und erhöhen gleichzeitig die Marktzutrittsschranken für andere Unternehmen . . . Die Tatsache, daß Johnson & Johnson bei dem vom Materialeinsatz her gesehenen ähnlichen Produkt Monatsbinden Materialforschung betreibt und ein neues Material erfolgreich entwickeln konnte, zeigt, daß sich Hahn durch den Zusammenschluß zusätzliches Forschungs- und Entwicklungspotential erschlossen hat, das auf dem Tamponsektor eingesetzt werden kann 34 ."

Mißbräuche i m Zusammenhang mit gewerblichen Schutzrechten sind Anfang der Fünfziger Jahre durch gemeinsame Absprachen zwischen der „Imperial Chemical Industries" (I. C. I.) und „ D u Pont de Nemours" (Du Pont) zu Tage getreten 35 . A u f dem Wege eines gegenseitigen Lizenz-Abkommens zwischen beiden Unternehmen wurde für wesentliche Bereiche chemischer Produkte sichergestellt, daß Exporte von I. C. I. nicht nach den USA und umgekehrt Exporte von D u Pont nicht nach Großbritannien erfolgten. Als diese Beschränkungen aufgehoben wurden, vervielfachte sich i m Jahre 1950 der Export chemischer Pro32 Vgl. Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit im Jahre 1974, BT-Drucksache 7/3791, S. 32 f. 33 Beschluß des Bundeskartellamtes vom 18. November 1974, WuW/E 5/ 1975, S. 343 ff. (nicht rechtskräftig). 34 Ebenda, S. 348 ff. 35 Vgl. zum I.C.I.-Fall die Entscheidung des Southern District Court of New York, Civ. 24 - 12 vom 30. Juli 1952.

Multinationale Unternehmen und Wettbewerb

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dukte durch I. C. I. i n die USA (1949 etwa 500 000 $) und überstieg allein i n den ersten neun Monaten des Jahres 1951 bereits die 4 M i l l Grenze. Aus diesen Umsatzveränderungen kann der negative Effekt, der durch die Ausschaltung des Wettbewerbs für einen eng umgrenzten Bereich chemischer Produkte eingetreten ist, sehr deutlich abgelesen werden. Verfahrensrechtliche Probleme haben sich bei der Durchsetzung nationaler Kartellrechte gegenüber multinationalen Unternehmen vor allem auf drei Gebieten ergeben: bei der Zustellung von Dokumenten, bei Ermittlungen und bei der Vollstreckung von Entscheidungen. Während sich die Probleme der Zustellung weitgehend und die der V o l l streckung bis zu einem gewissen Grade m i t nationalen M i t t e l n lösen lassen, sind Ermittlungen i m grenzüberschreitenden Bereich m i t solchen Instrumenten allein nicht zu bewältigen. Dies gilt vor allem bei der Durchsetzung von Bestimmungen gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht. Belege für Schwierigkeiten dieser A r t sind zahlreich; ein Hinweis auf die i n einer Vielzahl von Ländern durchgeführten Verfahren gegen Unternehmen der Mineralölindustrie und der Pharmazeutischen Industrie mag i n diesem Zusammenhang genügen 36 . II. Wettbewerbspolitische Maßnahmen 1. Hinsichtlich der positiven ebenso wie der negativen Aspekte m u l tinationaler Unternehmen i n wettbewerbspolitischer Betrachtungsweise stellt sich die Frage nach den auf nationaler und internationaler Ebene gebotenen Maßnahmen. Die Diskussion u m etwaige wettbewerbsfördernde Maßnahmen ist allerdings bislang kaum geführt worden: Einmal ließ die Überlegenheit der multinationalen Unternehmen den Gedanken an spezifische wettbewerbsfördernde Maßnahmen aus der Erwägung heraus nicht aufkommen, daß diese Unternehmen durchaus zu einem aktiven Wettbewerbsverhalten fähig seien; zum anderen aber werden die einem wettbewerbsaktiven Verhalten der multinationalen Unternehmen i n erster Linie entgegenstehenden Umstände i n den hoheitlichen, die internationale Investitionstätigkeit und den internationalen Handel behindernden Schranken gesehen. Die Diskussion könnte sich jedoch i n dieser Hinsicht intensivieren, wenn es gelingen sollte, die hoheitlichen Handels- und Investitionsschranken weiter abzubauen und wenn die internationale Investitionstätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen i n Zukunft zunehmen sollte, wofür etwa die 36 Vgl. z.B.: Report Concerning the Manufacture, Distribution and Sale of Drugs, Restrictive Trade Practices Commission, Ottawa 1963; Bericht des Bundeskartellamtes über seine Tätigkeit im Jahre 1974, BT-Drucksache 7/ 3791, S. 42 ff. und S. 63 ff.; Report of the British Monopolies Commission on the Supply of Chlordiazepoxide and Diazepam, 1973.

5 Festschrift für Helmut Arndt

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empirischen Untersuchungen der Koblenz und Trier sprechen 37 .

Industrie-

und

Handelskammern

I n der Diskussion über wettbewerbspolitische Maßnahmen gegen die von multinationalen Unternehmen potentiell oder aktuell ausgehenden Wettbewerbsbeschränkungen reichen die Vorschläge, sieht man von der Auffassung ab, daß überhaupt keine besonderen Maßnahmen angezeigt sind, von dem Vorschlag eines unverbindlichen, von den beteiligten Unternehmen selbst aufgestellten Kodex des Wohlverhaltens 3 8 bis zur Schaffung eines internationalen Kartellrechts, dessen Durchsetzung einer m i t entsprechenden Befugnissen ausgestatteten internationalen Kartellbehörde anzuvertrauen wäre. Eine derartige Behörde könnte entweder an eine bereits tätige internationale Organisation, wie ζ. B. das GATT, die UNCTAD oder den ECOSOC, angeschlossen oder aber als völlig selbständige Institution neu eingerichtet werden. Die folgenden Bemerkungen beschränken sich auf einige wesentliche aus der großen Zahl der i n Betracht kommenden Maßnahmen. 2. Der Vorschlag eines für multinationale Unternehmen geltenden unverbindlichen Kodex des Wohlverhaltens, der neben wettbewerbsrelevanten Hegeln auch solche über andere Bereiche enthalten soll, w i r d von verschiedenen Seiten und i n verschiedenen Varianten propagiert. Von seiten der Wirtschaft selbst stammen die Richtlinien für internationale Investitionen der Internationalen Handelskammer, die auch einige wettbewerbsrelevante „Vorschriften" enthalten 3 9 . Gegen Lösungen dieser A r t , zu deren Gunsten ihre Flexibilität, ihre mögliche Selbstbindungswirkung und ein moralischer, sich auf ihre Beachtung richtender Druck seitens der Öffentlichkeit angeführt werden, sprechen — soweit es u m wettbewerbspolitische Belange geht — schwerwiegende Bedenken. Sieht man das Problem als das der notwendigen Kontrolle wirtschaftlicher Macht, so sollte die Kontrolle nicht den zu Kontrollierenden selbst übertragen sein. Verhaltensregeln dieser A r t werden vielfach so unbestimmt gehalten, daß sie ein eindeutiges und voraussehbares Urteil über ihre Einhaltung oder Verletzung nahezu ausschließen. Sind die Regeln jedoch selbst so unbestimmt, dann kann auch kein moralischer Druck ihre Beachtung bewirken. Auch Kodices des Wohlverhaltens, die von nationalen Institutionen aufgestellt wer37 Vgl. Auslandsinvestitionen und Mittelstand, Eine Untersuchung der Industrie- und Handelskammern Koblenz und Trier, o. O., 1975. 38 Vgl. ζ. B. den von Bundeskanzler Helmut Schmidt im Rahmen des Gesprächskreises „Politik und Wirtschaft" der Friedrich-Ebert-Stiftung angeregten Kodex des guten Verhaltens für Multinationale Unternehmen. Vgl. „Politiker sprechen mit den ,Multis"', Süddeutsche Zeitung vom 28. November 1974. 39 Guidelines for International Investment, International Chamber of Commerce, Paris 1972.

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den könnten, bieten keine sehr viel überzeugendere Lösung. Regelmäßig w i r d ein Staat, der eine Maßnahme auf einem speziellen Gebiet für notwendig erachtet, verbindlichere Formen zur Realisierung seiner Ziele wählen. Zum anderen besitzen nationale Kodices die Nachteile, die auch sonstige nur nationale Maßnahmen gegenüber multinationalen Unternehmen auszeichnen, nämlich die räumliche Begrenztheit ihres Wirkungskreises. Attraktiver als die beiden vorgenannten Kategorien unverbindlicher Richtlinien sind Regelungen, die von internationalen Organisationen aufgestellt werden könnten. Zum einen treffen sie nicht von vornherein auf das Mißtrauen, dem Regeln begegnen müssen, die von den Regelungsadressaten selbst stammen; zum anderen ist ihr Regelungsbereich nicht auf die einem einzelnen Staat gesetzten Grenzen beschränkt. Lösungen dieser A r t können auf (nahezu) globaler Basis gefunden werden, etwa i m Rahmen der UN, einer ihrer Tochterorganisationen oder auf regionaler Basis, wie ζ. B. i m Rahmen der Europäischen Gemeinschaften oder des Andenpaktes, und schließlich auf nicht nach regionalen Gesichtspunkten, sondern nach sonstigen Kriterien i n ihrer M i t gliedschaft beschränkten Organisationen, wie etwa der OECD. Ein Argument, das für Verhaltensrichtlinien bzw. für einen Kodex des Wohlverhaltens auf globaler Ebene spricht, wie es etwa i n einem für den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen erstellten „Bericht Hervorragender Persönlichkeiten" vorgeschlagen w i r d 4 0 , ergibt sich aus dem ebenfalls globalen Regelungsgegenstand. A u f der anderen Seite ist nicht zu verkennen, daß sich die als Autoren einer solchen weltweiten Lösung i n Betracht kommenden Organisationen gegenwärtig i n einer politischen Krisensituation befinden, die eine p r i mär problembezogene objektive Behandlung multinationaler Unternehmen sehr schwierig erscheinen läßt. Die Gefahr, daß sich i n diesem Rahmen entweder inhaltlich sehr unbestimmte Kompromißlösungen durchsetzen oder aber die Annahme von weitreichenden Richtlinien durch eine Mehrheit von Mitgliedstaaten zustande kommt, die dann von der überstimmten Minderheit boykottiert werden würden, ist außerordentlich groß. Wie weit bereits die Ausgangspositionen der Entwicklungsländer und der industrialisierten Länder i n diesen Fragen voneinander abweichen, illustrieren z.B. die anläßlich der ersten Sitzung der UN-Kommission für Transnationale Unternehmen vorgelegten Problemkataloge 41 . Gleichwohl bestehen gewisse Aussichten, i m 40

The Impact of Multinational Corporations on the Development Process and on International Relations, Report of the Group of Eminent Persons, United Nations Economic and Social Council, New York 1974. 41 Vgl. die Anlagen zum Bericht der Kommission für Transnationale Gesellschaften beim UN-Wirtschafts- und Sozialrat über ihre erste Sitzung, UN-Dokument E/C. 10/L 1 vom März 1975.

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Rahmen der ECOSOC-Kommission für Transnationale Unternehmen zu einem zugleich sinnvollen und akzeptablen Kompromiß zu gelangen. Ob dies auch i m materiell zu regelnden Bereich gelingen kann oder ausschließlich i m prozessualen, ist allerdings ungewiß. Die Aussichten, zu einem sinnvollen Katalog von Regeln zu kommen, die i m gegebenen Rahmen allgemein akzeptabel sind, müssen i m Hinblick auf die größere Homogenität der Mitgliedstaaten und ihrer Interessen i n regional oder sachlich i n der Mitgliedschaft begrenzten Organisationen, wie etwa den Europäischen Gemeinschaften, dem A n denpakt oder der OECD, höher eingeschätzt werden. Es ist nicht auszuschließen, daß sich auf der Grundlage unverbindlicher, i n diesem Rahmen gesetzter Verhaltensregeln bestimmte Verhaltensweisen nach einer gewissen Zeit tatsächlich einbürgern und schließlich zu einer entsprechenden „opinio juris" und damit zu den Voraussetzungen für die Entstehung von „Völkergewohnheitsrechten" führen. Außer an die multinationalen Unternehmen selbst können sich K o dices des Wohlverhaltens auch oder auch nur an die Regierungen der Länder richten, indem sie für die Behandlung bestimmter, i m Zusammenhang mit der Tätigkeit multinationaler Unternehmen auftauchender Fragen bestimmte Normen für die Voraussetzungen staatlichen Handelns aufstellen. So enthalten die bereits zitierten Richtlinien der Internationalen Handelskammer wettbewerbspolitisch relevante Vorschläge, die sich an die Regierungen richten. Die von der OECD an die Mitgliedsstaaten gerichteten Empfehlungen über deren Zusammenarbeit auf dem Gebiet internationaler wettbewerbbeschränkender Praktiken vom 5. Oktober 196742 und über ein Konsultations- und Schlichtungsverfahren auf demselben Gebiet vom 3. J u l i 197343 beziehen sich zwar nicht speziell auf die Tätigkeit multinationaler Unternehmen, können aber und haben auch schon, soweit es sich u m die erste, bereits i n der Praxis bewährte Empfehlung handelt, gerade i n diesem Bereich einige besonders i n bezug auf behördliche Ermittlungen sich ergebende Probleme mildern helfen. 3. Über den Bereich der unverbindlichen Richtlinien, Empfehlungen und Kodices des Wohlverhaltens hinaus ist zunächst an die den einzelnen Staaten zur Verfügung stehenden legislativen Möglichkeiten zu denken. Gewiß läßt sich eine nicht unwesentliche Zahl von Problemen, die i n wettbewerbspolitischer Hinsicht von den multinationalen Unternehmen ausgehen, m i t diesen Mitteln lösen. So ist i m Hinblick auf die 42 Deutsche Übersetzung abgedruckt in Wirtschaft und Wettbewerb, Jg. 19 (1969), S. 29 ff. 43 Deutsche Übersetzung abgedruckt in Wirtschaft und Wettbewerb, Jg. 24 (1974), S. 251.

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oben skizzierten potentiell und aktuell von multinationalen Unternehmen ausgehenden Wettbewerbsbeschränkungen vor allem an die Einführung umfassender, bzw. die entsprechende Ergänzung bestehender und von einer funktionsfähigen Wettbewerbsbehörde überwachter K a r tellrechte zu denken. Auch prozessual ließen sich Zustellungs- und Vollstreckungsprobleme auf dieser Ebene weitgehend lösen. Entsprechende Probleme i m Bereich der Ermittlungen werden sich allerdings auf diesem Niveau nicht lösen lassen. 4. Der Stufe rein nationaler Maßnahmen folgt die der bilateralen zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Insbesondere auf prozessualem Gebiet könnten Verträge dieser A r t , die die Möglichkeit der gegenseitigen Unterstützung vor allem hinsichtlich der erforderlichen E r m i t t lungen vorsehen, Hilfestellung leisten. I m Idealfalle könnte ein solcher Vertrag die Staatsgrenze zwischen den beteiligten Staaten i n Bezug auf Kartellverfahren praktisch aufheben. Die Behörden eines Staates könnten so die ihnen zur Verfügung stehenden Ermittlungsinstrumente zugunsten eines i n einem anderen Staat anhängigen Verfahrens einsetzen. I n Anbetracht der noch stark voneinander abweichenden Wettbewerbspolitiken und Wettbewerbsrechte erscheinen die Aussichten auf den Abschluß derartig weitreichender Verträge jedoch gegenwärtig noch nicht sehr groß. Wünschenswert wären daher auch weniger weitreichende Verträge, die die Grenzen zwischen den beteiligten Staaten für die hier interessierenden Ziele zwar nicht beseitigen, wohl aber durchlässiger machen. Verläuft die Zusammenarbeit i m Rahmen solcher Verträge erfolgreich, könnten von ihnen i n zweierlei Hinsicht positive Wirkungen ausgehen: Einmal könnten andere Staaten zum Beitritt bewogen werden, wodurch multilaterale Abkommen entstehen würden; zum anderen könnte die Zusammenarbeit i m Rahmen solcher Verträge Tendenzen zur Harmonisierung des verfahrensrechtlichen und gegebenenfalls auch des materiellen Wettbewerbsrechts der beteiligten Staaten fördern. 5. Die höheren Stufen, auf denen an die Schaffung verbindlicher Verfahren zur Regelung von Wettbewerbsproblemen internationaler Art, namentlich solcher, die sich aus der Tätigkeit multinationaler Unternehmen ergeben, und schließlich auch an die Schaffung übernationaler und verbindlicher materiell-rechtlicher Normen zu denken ist, lassen sich angesichts der geschilderten Schwierigkeiten i n absehbarer Zeit auf globaler Ebene ebensowenig wie i m Rahmen von Organisationen m i t begrenzter Mitgliedschaft, wie der OECD, realisieren. Die größten Erfolgschancen auf dieser Ebene besitzen regionale Zusammenschlüsse, die auf eine relativ weitreichende Integration der beteiligten Staaten abzielen. Ein Beispiel hierfür darf i n dem entwickelten Kartellrecht der Europäischen Gemeinschaften gesehen werden, das

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— wenn es erst über eine allgemeine Fusionskontrolle verfügt — eines der umfassendsten der Welt ist. Die Vorteile solcher Lösungen für die beteiligten Staaten und die i n der Gemeinschaft tätigen Unternehmen liegen auf der Hand. Der Raum etwa, i n dem de jure imperii ermittelt werden kann, umfaßt die Territorien aller Mitgliedsstaaten, was zu vollständigeren, genaueren und zudem schneller erzielbaren Ermittlungsergebnissen i n Fällen m i t internationalen Implikationen führt. Sind multinationale Unternehmen ausschließlich i n mehreren Gemeinschaftsstaaten tätig, entfällt die spezifische verfahrensrechtliche Problematik internationaler Fälle; praktisch entspricht die Problematik dann der eines rein innerstaatlichen Vorgangs. Für die multinationalen Unternehmen zeigt sich dabei der Vorteil einer für einen großen Wirkungskreis einheitlichen Wettbewerbsordnung 44 , wenn Unterschiede i n den Wettbewerbsrechten der Mitgliedsländer an Bedeutung verlieren, da dieses Recht m i t dem Gemeinschaftsrecht so harmonieren muß, wie die Einzelstaatenrechte i n einem Bundesstaat m i t dem Bundesrecht. 6. Eine Entwicklung entsprechend der der Europäischen Gemeinschaften wäre auf weltweiter Basis i m Rahmen der marktwirtschaftlich orientierten Staaten sicherlich wünschenswert, da sie die für die multinationalen Unternehmen spezifischen materiellen und prozessualen Probleme weitgehend lösen und diese i n ihrer wettbewerbspolitischen Bedeutung rein nationalen Unternehmen angleichen würde. Gegenwärtig muß eine Entwicklung i n dieser Richtung jedoch als utopisch angesehen werden. Was bleibt, ist die Notwendigkeit, i m Rahmen der den Regierungen zur Verfügung stehenden realisierbaren Möglichkeiten allein und gemeinsam auf bi- und multilateraler Basis auf eine langfristige Lösung der spezifischen Probleme hinzuwirken. Die Rolle der multinationalen Unternehmen w i r d i n Zukunft wachsen, zumal wenn sich auch kleine und mittlere Unternehmen i n stärkerem Umfang auch multinational orientieren und sich der weltweite Konzentrationsprozeß weiter fortsetzt. Die Welt kann auf diesen modernsten und leistungsfähigsten Unternehmenstyp nicht verzichten. Worauf es ankommt, ist, i h n der angemessenen Kontrolle zu unterwerfen, deren dieser wie jeder nicht direkt demokratisch legitimierte Träger von Macht bedarf.

44 Vgl. John Copp, Practical Aspects of Differing Attitudes to Anti-Trust, in: John. B. Heath (Hrsg.), International Conference on Monopolies, Mergers, and Restrictive Practices, Papers and Reports, Cambridge 1969, S. 221 ff.

Wirtschaftliche Macht als Störfaktor von Wettbewerbsprozessen Von Heinrich Hölzler und Wolf gang Winkler Vorbemerkung Helmut Arndt hat i n seinem 1952 erschienenen Buch „Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft" 1 nicht nur ausführlicher und anschaulicher als je zuvor die sich gegenseitig ablösenden Phasen des innovatorischen und imitatorischen Wettbewerbsprozesses beschrieben, sondern gleichzeitig auf Gefahren aufmerksam gemacht, die entstehen, wenn die wechselseitige Ergänzung der konträr verlaufenden Prozesse aussetzt, d. h. wenn die gegenseitige Aufhebung der prozessualen W i r kungen i m Zeitablauf, aus welchen Gründen auch immer, nicht eintritt. Arndt hat insbesondere darauf hingewiesen, daß die klassischen und neoklassischen Erklärungsversuche ebenso wie die marxistische Theorie kaum dazu beigetragen haben, und auch nicht dazu beitragen konnten, i n einer sich entwickelnden Volkswirtschaft die spezifischen Phänomene ökonomischer Macht realitätsnah zu erfassen und ihre Wirkungen auf den Marktmechanismus aufzuzeigen. Dies liegt nicht zuletzt darin begründet, daß infolge sozialer Machtbeziehungen zwischen Anbietern untereinander ebenso wie zwischen Anbietern und Nachfragern „Daten" zu Variablen werden (und umgekehrt) 2 und je nach Kombination der Grundbedingungen für diese Variablen sich ergänzende, aber auch sich widersprechende Aussagen möglich werden. Das Auftreten von Antinomien i n wirtschaftstheoretischen Erklärungsversuchen, d. h. die Möglichkeit widersprüchlicher Aussagen, bei der jede für sich Gültigkeit beanspruchen kann, erschwert nicht nur die Analyse der Zusammenhänge u. a. zwischen ökonomischer Macht und Wirtschaftsprozessen, sondern beschwört zugleich die permanente Gefahr des ideologischen Mißbrauchs. „Ökonomen sind somit mächtig und ohnmächtig zugleich. Sie mißbrauchen ihre Macht, wenn sie Ergebnisse, die sie aus irrealen Hypothesen gewinnen, 1 Helmut Arndt, Schöpferischer Wettbewerb und klassenlose Gesellschaft, zugleich ein Beitrag zur Preis- und Beschäftigungslehre, Volkswirtschaftliche Schriften, Heft 2, Berlin 1952. Vgl. zu dieser Thematik auch das bereits 1947 erschienene Buch von Arndt, Über die Voraussetzungen des Marktautomatismus, Heidelberg 1947. 2 Vgl. ausführlich Helmut Arndt, ökonomische Theorie der Macht, in: Helmut Arndt (Hrsg.), Die Konzentration in der Wirtschaft, Schr.VfSp., NF, Bd. 1, 2. Aufl., Berlin 1971, S. 99 ff.

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auf die realen Verhältnisse übertragen. Dieser Mißbrauch ist gefährlich, wenn durch die Aufstellung scheinbarer »Gesetze' die Naturnotwendigkeit w i r t schaftlicher Macht oder auch umgekehrt ihr Nichtvorhandensein ,bewiesen4 wird. Erst wenn die wirtschaftliche Macht in ihrer vollen Bedeutung erkannt wird und erst wenn der Glaube an ,ökonomische Gesetze' und ,naturgesetzliche Entwicklungen 4 in der Wirtschaft, die es nicht gibt, preisgegeben wird, entfällt der Schutz, den klassische, neoklassische und marxistische Ökonomen dem Machtmißbrauch bisher gewährt haben 8 ."

I. Der störungsfreie Ablauf von Wettbewerbsprozessen Für die Wirtschaftsordnung marktwirtschaftlicher Systeme werden i. d. R. drei Voraussetzungen als unverzichtbar angesehen, wobei die Merkmalsausprägungen i n differenzierter und abgestufter Form auftreten können. Diese Voraussetzungen sind: 1. das Privateigentum an den Produktionsmitteln, 2. das System dezentralisierter Wirtschaftsentscheidungen, 3. das Prinzip des Wettbewerbs. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln beinhaltet das Recht auf Einbehaltung der Gewinne und deren Verwendung zur Akkumulation weiterer Vermögensteile. I n erster Linie das Gewinnstreben veranlaßt den privaten Unternehmer, Investitionen zu tätigen und dabei als schöpferischer Unternehmer quasi als Nebenprodukt gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Jedoch ist die Kopplung von Eigentum und Verfügungsmacht i m modernen Kapitalismus keine zwingende Notwendigkeit. Ein großer Teil der Unternehmen, insbesondere die Kapitalgesellschaften, werden heute von Managern geleitet, die nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Gewinnbeteiligung i m Unternehmen wie private Eigentümer u. a. nach Profitmaximierung streben. Die Entscheidung darüber, welche Güter oder Dienstleistungen i n welcher Menge und i n welcher Qualität produziert werden sollen, ist der individuellen Dispositionsfreiheit eines jeden Entscheidungsträgers überlassen, wobei der Markt als Koordinationsmechanismus auf die individuellen Planungsentscheidungen einwirkt. I n diesem Zusammenhang w i r d gelegentlich von der „vikarischen Funktion" des Unternehmers (Schumpeter) als Wahrer der Konsumenteninteressen gesprochen. Der Konsument w i r d als Souverän angesehen, der durch seine Kaufentscheidungen die Dispositionen der Unternehmer beeinflußt, wenn nicht gar lenkt. 3

Helmut Arndt, Wirtschaftliche Macht. Tatsachen und Theorien, München 1974, S. 156.

Wirtschaftliche Macht als Störfaktor von Wettbewerbsprozessen

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Das Prinzip des Wettbewerbs garantiert, daß gleichzeitig die Erreichung bestimmter Mikroziele der Wirtschaftssubjekte, wie Gewinnmaximierung und individuelle Bedürfnisbefriedigung ebenso wie die Erreichung von Makrozielen der Gesellschaft wie gesellschaftliche Bedarfsdeckung gewährleistet sind. Der Wettbewerb führt dazu, daß die Anbieter sich i n den Preisen unterbieten und i n den Qualitäten überbieten. Erst die Chance, den eigenen Besitz zu mehren, treibt den A n bieter i n die Konkurrenz. Abweichend von der Meinung der Klassiker, die die Aktivitäten des Staates lediglich auf die Setzung formaler Normen (Garantie des Privateigentums, Vertragsfreiheit usw.) beschränkten und i h n damit zum „Nachtwächterstaat" degradierten, überwacht der Staat i n m a r k t w i r t schaftlichen Systemen heute nicht nur die Einhaltung der Spielregeln, sondern nimmt selbst Einfluß auf das Wirtschaftsgeschehen (Abkehr von der Neutralität des Staates). Der Wettbewerb selbst ist zum Gegenstand gesetzlicher Regelungen geworden, weil das Gewinnstreben der privaten Unternehmer zu unerwünschten ökonomischen Machtpositionen geführt hat, die ohne Kontrollmaßnahmen mißbräuchliche Verhaltensweisen nicht ausschließen. M i t der Verabschiedung des „Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" ist ein entscheidender Schritt für die Wirtschaftsverfassung der Bundesrepublik getan worden. War bis zu diesem Zeitpunkt nach § 109 GG die Bundesrepublik auf kein bestimmtes Wirtschaftssystem festgelegt, so w i r d i n § 1 StabG die marktwirtschaftliche Ordnung als Rahmenbedingung für alle wirtschaftsund finanzpolitischen Maßnahmen angesehen. Das für die Bundesrepublik Deutschland bestimmende Wirtschaftssystem der „Sozialen Marktwirtschaft" beruht auf der Grundlage der Wettbewerbswirtschaft, worunter eine Kombination von freier Initiative und sozialem Fortschritt verstanden wird. Wirtschaftsfreiheit und Privateigentum sind zwar durch das Grundgesetz geschützt, unterliegen aber sozialen Bindungen. Der Staat greift — soweit möglich — m i t marktkonformen M i t t e l n dann ein, wenn bestimmte, sozial unerwünschte Ergebnisse zu Tage treten resp. sozial erwünschte Ergebnisse nicht eintreten. Die Berücksichtigung dieser Komponenten ist wiederum Gegenstand einer Reihe gesetzlicher Bestimmungen (Betriebsverfassungsgesetz, Gesetz über die Mitbestimmung i n der Montanindustrie, Mutterschutzgesetz, Kündigungsschutzgesetz usw.). Der Wettbewerb vollzieht sich i n einem Prozeß, der keineswegs durch das Gleichgewichtsmodell der „vollkommenen Konkurrenz" hinreichend beschrieben wird. Vollkommen ist der Wettbewerb nach A u f fassung klassischer und neoliberaler Ökonomen, wenn der Preis ein

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Datum ist. Diese Form von Wettbewerb ähnelt jedoch der „Ruhe eines Friedhofs", i n der es keine wirtschaftliche Entwicklung gibt. Gerade die Flexibilität der Preise ist eine Voraussetzung für den Wettbewerb. Der Wettbewerb, verstanden als ein „Bündel von Prozessen, genauer gesagt von Wettbewerbsprozessen" 4 läßt sich nach Arndt unterteilen in: „1. die Anpassungsprozesse, i n denen Mangel oder Überangebot am M a r k t beseitigt werden, 2. die Entwicklungsprozesse, i n denen neue oder bessere Waren und billigere Produktionsverfahren entwickelt werden 5 ." Als Voraussetzungen für funktionierende, d. h. störungsfrei verlaufende Wettbewerbsprozesse nennt Arndt i m wesentlichen vier Bedingungen: „1. Machtunterschiede, soweit sie nicht auf Leistung beruhen und demgemäß vorübergehender Natur sind, müssen beseitigt oder neutralisiert werden; 2. Wettbewerber müssen an jedem M a r k t vorhanden und damit Monopole ausgeschlossen sein; 3. Die konkurrierenden Wirtschafter müssen selbständig sein; 4. Die Incentives müssen so gesetzt sein, daß sich die Anbieter den Wünschen der Nachfrager anpassen, und die Unternehmer müssen bereit sein, sich nach den Incentives zu richten 6 ." Wettbewerb i. S. von Anpassungswettbewerb liegt demnach vor, wenn bei einem bestehenden Mangel oder Überangebot (Verkäuferresp. Käufermarkt) diese mengen- oder qualitätsmäßigen Diskrepanzen von Angebot und Nachfrage über das Regulativ des Preismechanismus überwunden werden. Bei einem funktionsfähigen Anpassungswettbewerb w i r d eine Mangellage dadurch beseitigt, daß die bestehenden hohen Knappheitspreise und die damit verbundenen Gewinnchancen die am Markt vorhandenen Anbieter veranlassen, ihre Kapazitäten stärker auszulasten bzw. zu erweitern. Zusätzlich werden diesem M a r k t „Newcomers" zuwandern, u m an den entstandenen Gewinnchancen zu partizipieren. Die Ausweitung des gesamtwirtschaftlichen Angebots führt zu einer A n gleichung an die gestiegene Nachfrage. Die Konkurrenz der Anbieter, 4 Helmut Arndt, Markt und Macht, 2. grundlegend veränderte Auflage von Mikroökonomische Theorie, Band I, Tübingen 1973, S. 93. 5 Ebenda, S. 93. 6 Ebenda, S. 96 f.

Wirtschaftliche Macht als Störfaktor von Wettbewerbsprozessen

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resultierend aus dem Gewinnstreben des einzelnen Unternehmers, führt demgegenüber über die Beseitigung der Mangellage wiederum zu einem Sinken der Preise. I m umgekehrten Falle des Verkäufermarktes veranlassen die entstandenen Verluste die Unternehmer zu Desinvestitionen und sollten bei einem funktionierenden Anpassungsprozeß zum Ausscheiden der leistungsschwachen und kostenungünstigen Anbieter führen. Ein Entwicklungsprozeß verläuft nach Arndt ten- oder als Produktivitätsprozeß.

entweder als Novitä-

Ein Novitätenprozeß entsteht, wenn ein Anbieter m i t einem neuen oder gänzlich verbesserten Produkt an den M a r k t tritt. Motor für die Innovationsfreudigkeit des privaten Unternehmers ist dabei die Möglichkeit einer prozessualen, d. h. vorübergehenden Monopolstellung, die zunächst überproportionale Gewinne als Entschädigung für das übernommene Risiko erlaubt. Die aufkommende Konkurrenz der Nachahmer baut den Wettbewerbsvorsprung des schöpferischen Unternehmers wieder ab, bewirkt damit ein Sinken des Preises und eine Sozialisierung des technischen Fortschritts. I m Produktivitätsprozeß hingegen erringt derjenige Unternehmer, der m i t einem neuen oder verbesserten Produktions- bzw. Absatzverfahren am Markt auftritt, lediglich einen Kostenvorsprung gegenüber seinen Konkurrenten. Auch hier bewirkt die Konkurrenz eine Übernahme des technischen Fortschritts durch die Nachahmer. Den störungsfreien Ablauf von Anpassungs- und Entwicklungsprozessen zu garantieren und zu einer optimalen Bedarfsdeckung der Konsumenten sowohl i n quantitativer als auch i n qualitativer Hinsicht beizutragen, ist somit eine der wesentlichsten Aufgaben einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung. I I . Arten und Ursachen der Entstehung und des Einsatzes wirtschaftlicher Macht Nach der bekannten Definition von Max Weber beinhaltet Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht" 7 . Die Übertragung dieser Definition auf den ökonomischen Bereich darf allerdings nicht zu der Schlußfolgerung führen, daß w i r t schaftliche Macht a priori m i t negativen Konsequenzen für den Prozeß des Leistungswettbewerbs verbunden ist. Denn nicht die Macht als 7 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriß der Sozialökonomik, I I I . Abt., Tübingen 1922, S. 28.

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solche birgt i n der Regel Gefahren für den störungsfreien Ablauf von Wettbewerbsprozessen i n sich, sondern vielmehr ihr mißbräuchlicher Einsatz. Für die Funktionsfähigkeit einer hierarchisch aufgebauten Unternehmensorganisation ist die Konzentration wirtschaftlicher Macht i n den Händen der jeweiligen Entscheidungsträger sogar lebensnotwendig. Entscheidend für die Analyse wirtschaftlicher Machtphänomene ist nicht nur die Kenntnis des Umfangs der nach einer wie auch immer gearteten Bemessungsgrundlage festgestellten Macht (wie ζ. B. das Ausmaß personeller Verflechtungen i m Unternehmensbereich oder die Verteilung der Marktanteile von Anbietern an einem Bedarfsmarkt), sondern darüber hinaus auch die Kenntnis über A r t und Ausmaß der von den jeweiligen Entscheidungsträgern verwerteten Machtkompetenzen. Erst eine derartige Analyse kann zeigen, ob und i n welchem Maße mißbräuchliche Verhaltensweisen (gemessen an der Wirtschafts- und Rechtsordnung) aus dem vorhandenen Machtpotential fließen. Die Schwierigkeiten der empirischen Erfassung realer Verhaltensweisen erfordern zwar i n der praktischen Ausgestaltung einer Wettbewerbsordnung die Anwendung der Methode deduktiver Schlußfolgerungen, d. h. die Aufstellung von Vermutungstatbeständen für Wettbewerbswirkungen aufgrund mehr oder weniger w i l l k ü r l i c h festgelegter A u f greifs- und Eingriffskriterien (ζ. B. die Vermutung der Marktbeherrschung bei Überschreiten bestimmter Marktanteile), doch darf dessen ungeachtet nicht grundsätzlich — wie es vielfach geschieht — Machtpotential m i t Machtmißbrauch verwechselt werden. Störungen des Wettbewerbsprozesses als Folge machtstrategischer Verhaltensweisen sind i m wesentlichen zurückzuführen auf — überproportionales internes Unternehmenswachstum; — externes Unternehmens Wachstum; — gleichgerichtete Verhaltenskoordinierung; — Bildung faktischer oder vertraglicher Beherrschungs-Abhängigkeitsverhältnisse; — Behinderungswettbewerb und Ausbeutungsstrategien. Machtkonzentration infolge internen Unternehmenswachstums vollzieht sich, wenn ein unternehmerischer Entscheidungsträger relativ zu den Mitbewerbern durch Ausdehnung seiner eigenen Kapazität und seines eigenen Absatzes seinen Marktanteil erhöht. Kapazitätserweiterungen führen i n der Regel gleichzeitig zu einem Anwachsen der Konzentration von Verfügungsmacht. Dabei ist es prinzipiell gleichgültig, ob es sich bei notwendigen Kapitalzuflüssen u m selbstfinanziertes Eigenkapital durch einbehaltene Gewinne, u m eigenfinanziertes Eigenkapital durch Kapitalerhöhungen oder u m fremdfinanzierte M i t t e l

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durch Kredite, Obligationen oder Darlehen handelt. Letztlich hängt jedoch das interne Unternehmenswachstum von der A r t und dem Ausmaß der Umsetzung der i m Unternehmen erstellten Güter und Dienstleistungen an den jeweiligen Bedarfsmärkten ab. Bei diesem Umsetzungsprozeß zeigt sich eine unmittelbare Verknüpfung zwischen unternehmerischer Leistungsfähigkeit und Markterfolg. Letzterer w i r d gegenüber den am M a r k t auftretenden Konkurrenten umso höher sein, je mehr es einem Anbieter gelingt, seine Konkurrenzfähigkeit durch Kostensenkungen, durch Qualitätsverbesserungen oder durch Einführung neuartiger Produkte, Produktionsverfahren oder Absatzmethoden zu erhöhen. Die durch Markterfolge realisierten und i m Unternehmen einbehaltenen Erträge können dazu eingesetzt werden, das Unternehmen finanziell abzusichern und als Folge zusätzlicher Nettoinvestitionen weitere prozessuale Differentialgewinne gegenüber den Konkurrenten zu erzielen. Dabei kann auch aus dem Schutz, den die Rechtsordnung einem Unternehmen gewährt, ein Einfrieren des Wettbewerbsprozesses resultieren, wenn z.B. durch die Patentgesetzgebung der Abbau leistungsbezogener Differentialgewinne aufgrund eines prozessualen Monopols durch nachahmende Unternehmen wegen des Fehlens von Umgehungspatenten über einen längeren Zeitraum hinweg verhindert und damit der Grundstein für eine später nicht mehr zu beseitigende marktbeherrschende Position gelegt wird. Das besondere Phänomen des wirtschaftlichen Machtzuwachses durch internes Wachst u m beruht somit auf der Tatsache, daß sich der Wettbewerb i n einem Prozeß vollzieht, i n dem ceteris paribus (ohne Auslese) die Zahl der unabhängigen Entscheidungsträger an den relevanten Märkten unverändert bestehen bleiben kann, das „Marktgewicht" sich jedoch nach und nach zugunsten eines Unternehmens oder einer Gruppe von Unternehmen verschiebt. A u f diese Weise können Großunternehmen mit dominierendem Markteinfluß entstehen, ohne daß die erlangte Unternehmensgröße per se eine Wettbewerbsverletzung darstellt. Denn eine ökonomische Machtposition, die auf unternehmerische Leistung gegründet ist und nicht auf Mißbrauch wirtschaftlicher Macht beruht oder nicht m i t der Absicht der Monopolisierung mißbraucht wird, gilt i n marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften (weitgehend) als unantastbar. Allerdings stoßen — i n erster Linie i n den USA — die i n einigen Industriezweigen erreichten Unternehmensgrößen i n zunehmendem Maße sowohl i n der öffentlichen Meinung wie auch i n der wettbewerbspolitischen Diskussion auf Unbehagen und Mißtrauen, da Unternehmensgrößen, die bestimmte psychologische Schwellenwerte überschritten haben, bereits wegen der potentiellen Einflußmöglichkeiten auf den Wettbewerbsprozeß als wettbewerbsfeindlich empfunden werden. Dennoch muß auch i n diesen Fällen das zur Verfügung

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stehende antitrustrechtliche Instrumentarium zur Beseitigung dieser „Marktunvollkommenheiten" zwangsläufig versagen, weil die jeweils dominierenden Positionen auf legalem Wege erlangt worden sind. So liegt bereits seit Jahren dem amerikanischen Kongreß zur Diskussion ein von Senator Hart (Michigan) eingebrachtes Reformgesetz zur Beseitigung von Monopolmacht, d. h. zur Aufspaltung der größten amerikanischen Unternehmenseinheiten vor, das sich seit 1973 i m Stadium der öffentlichen Hearings befindet 8 . Machtkonzentration infolge externen Unternehmenswachstums vollzieht sich, wenn mindestens zwei bisher unabhängige Entscheidungsträger (mindestens zwei Gesellschaften) sich vereinigen resp. von einem Entscheidungsträger ein Teil oder die Gesamtheit seiner Entscheidungskompetenzen an einen anderen Entscheidungsträger übergeht. Die Beurteilung des externen Unternehmenswachstums nach den Kriterien der Konzentration wirtschaftlicher Macht anstelle der Orientierung am Tatbestand der juristischen Selbständigkeit von Unternehmen erscheint notwendig, w e i l für die Analyse von Konzentrationsvorgängen nicht die formale Unternehmensstruktur, sondern vielmehr die Zahl der wirtschaftlich unabhängigen Entscheidungsträger und der Umfang ökonomischer Aktionsparameter i n deren Händen von ausschlaggebender Bedeutung ist. Für das externe Wachstum maßgebliche Konzentrationsformen umfassen somit nicht nur die Tatbestände der Unternehmensverschmelzung (Fusion), sondern auch vielfältige Möglichkeiten von Unternehmensverbindungen. Dabei sind unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten auch wesentliche personelle Verflechtungen in den Katalog der Unternehmensverbindungen aufzunehmen, w e i l dadurch das Machtpotential der Entscheidungsträger unmittelbar zu beeinflussen ist. Für die Analyse der Wettbewerbswirkungen dieser Unternehmenszusammenschlüsse (als Oberbegriff für Verschmelzungen und Verbindungen) ist zwischen Konzentrationsvorgängen zu differenzieren, die unmittelbar die Marktstruktur berühren, und solchen, die sich primär auf die unternehmensexterne Machtstruktur auswirken und nur mittelbare (mehr vermutete als konkret nachweisbare) Rückschlüsse auf die Wettbewerbsverhältnisse zulassen. Unmittelbare Wettbewerbswirkungen können sich i n Anlehnung an die wettbewerbsrechtliche Terminologie bei Zusammenschlüssen von Unternehmen der gleichen Produktionsstufe (horizontale Konzentration), hintereinandergelagerter Produktionsstufen (vertikale Konzentration) sowie nicht verwandter Produktionsstufen (diagonale oder konglomerate Konzentration) erge8 Vgl. The Industrial Reorganization Act. Hearings Before the Subcommittee on Antitrust and Monopoly of the Committee on the Judiciary, United States Senate, Pt. 1 - 9 , Washington D. C. 1973/75.

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ben 9 . Mittelbare Wettbewerbswirkungen können unabhängig von der Richtung der Konzentration bei Vorliegen eines Beherrschungs-Abhängigkeitsverhältnisses, z. B. infolge einer Schachtelbeteiligung, auftreten. Die Beeinflussung der Marktstruktur vollzieht sich hierbei i n direkt über den Weg der Konzentration von Verfügungsmacht i n der Hand des beherrschenden Anteilseigners (wobei selbst Beteiligungen, die unter der Schachtelbeteiligung liegen, zur Beherrschung einer Hauptversammlung und damit auch der betreffenden Entscheidungsträger ausreichen können) 10 . Unter Wettbewerbsgesichtspunkten sind die Zusammenschlußmotive teils auf die spezielle Richtung der Konzentration bezogen, teils sind sie davon unabhängig. Insbesondere die durch den Zusammenschluß mehrerer Unternehmen zu einer Einheit verstärkte Finanzmacht (einer Unternehmenseinheit oder eines Konzernkreises) gewährt einen leichteren Zugang zu den Finanzmärkten und schafft damit die Basis für erforderliche Investitionen, woraus sich allerdings noch nicht automatisch eine die Wettbewerbsintensität beeinflussende Marktrelevanz ableiten läßt. Unter dem Blickwinkel der horizontalen Konzentration wiegt das Argument der Synergie, d. h. der „economies of scale" am stärksten, wobei als Vorteil des Zusammenschlusses i n der Regel genannt werden: — effizientere Kapazitätsauslastung vorhandener Produktionsanlagen und damit Stückkostendegression (Gesetz der Massenproduktion); — optimale Produktionslenkung durch Verteilung der Produktion verschiedener Güter nach Kostengesichtspunkten auf geeignete Betriebe; — Stillegung kostenungünstiger Produktionsanlagen oder Abbau von Produktionskapazitäten bei gleichzeitiger Erhaltung des Produktions- und Absatzvolumens; — rationelle Verwaltungsorganisation, z. B. durch Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen ; — Kostenersparnisse bei wesentlichen betriebswirtschaftlichen Funktionen, wie z. B. der Lagerhaltung, der Beschaffungs- und Transportkosten, der Werbung, Marketing u. ä.; 9 Da die hinsichtlich der Richtung der Konzentration behandelten Wettbewerbsprobleme im externen Unternehmensbereich prinzipiell auch bei D i versifikationen infolge internen Unternehmenswachstums auftreten können, sind die dargestellten Wirkungen analog zu übertragen. 10 Zum Problem der Stimmrechtsabhängigkeiten vgl. Helmut Arndt, Die Konzentration der westdeutschen Wirtschaft, Politik in unserer Zeit, Bd. 4, Pfullingen 1966, S. 44 ff.

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— beschaffungs- und absatzbezogene Kostenersparnisse aufgrund zusammengefaßter Umsatzvolumina durch Skonti- und Rabattgewährung; — wirksamere Forschungs- und Entwicklungstätigkeit, deren Grundlagen bei Zusammenschluß kleinerer Unternehmen erst durch die Konzentration geschaffen werden. Diesen für den Wettbewerbsprozeß positiv zu beurteilenden Effekten stehen eine Reihe potentiell negativer Einflüsse gegenüber, i n erster Linie, wenn durch einen Zusammenschluß eine marktbeherrschende Position erlangt wird. Denn je weniger und je stärkere Entscheidungsträger einen Bedarfsmarkt bilden und kontrollieren, desto größer werden (neben den ggf. tendenziell monopolistischen Preis- und Mengeneffekten) auch die Gefahren der Herabsetzung der Heterogenität und Qualität der angebotenen Wirtschaftsgüter sein. Wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen können sich i n erster Linie auf Märkten entfalten, auf denen die Zahl der Anbieter so gering ist, daß die Datenänderung eines einzigen Wettbewerbers zwangsläufig marktstrategische Reaktionen der übrigen Marktteilnehmer auslöst. Unter solchen Wettbewerbsbedingungen zeigt die Praxis anstelle der wettbewerbsorientierten strategischen Reaktion vielfach die Tendenz zur Verständigung i n Richtung konzertierter Preis- und Absatzgestaltung resp. gemeinsamer Verdrängungsstrategie oder der Bildung von Marktzutrittsbeschränkungen gegenüber potentiellen Konkurrenten. I n seiner Begründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beruft sich der Gesetzgeber u. a. auf derartige Verhaltensweisen: „Auf vorstoßenden Wettbewerb wird oft verzichtet, weil die anderen Oligopolisten doch sofort nachziehen und damit den Erfolg zunichte machen würden; stattdessen wird die Verständigung gesucht. Sie zeigt sich regelmäßig darin, daß die Unternehmen sich über einen längeren Zeitraum hinweg gleichförmig verhalten, vor allem ihre Preise in gleichem Rhythmus und in gleichem Ausmaß erhöhen 11 ."

Die hiermit angesprochene Verhaltenskoordinierung äußert sich i n Form vertragsfreien, jedoch bewußten Parallelverhaltens, dessen wettbewerbsbeschränkender Einfluß wegen der subjektiven Verhaltenselemente empirisch schwer oder gar nicht nachweisbar ist. Werden durch horizontale Unternehmenszusammenschlüsse bisherige Konkurrenten vereint, verstärken sich die Gefahren der gänzlichen Einfrierung des Wettbewerbsprozesses. Einerseits kann ein marktbe11 Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Deutscher Bundestag, Drucksache VI/2520, Bonn 1971, S. 23.

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herrschender Unternehmensverbund Innovationen oder die Produktivität fördernde Investitionen unterlassen, u m die vorhandenen Produktionsanlagen resp. Vertriebseinrichtungen nicht vorzeitig abschreiben zu müssen; i n diesem Falle vermindern sich sowohl die Chancen der optimalen Allokation betriebswirtschaftlicher Ressourcen als auch die höchsterreichbare Marktversorgung i n quantitativer und/oder qualitativer Hinsicht. I m anderen Falle können bei Realisierung der Innovationen oder bei produktivitätssteigernden Investitionen die leistungsbedingten Gewinne über einen unangemessen langen Zeitraum hinweg erzielt werden, wenn der Anpassungsprozeß an den Wettbewerbspreis aufgrund vorhandener Marktzutrittsbeschränkungen außer K r a f t gesetzt resp. die Anpassungsgeschwindigkeit stark verlangsamt ist. I n diesem Fall w i r d ebenfalls die optimale Allokation betriebswirtschaftlicher Ressourcen (sowohl bei dem marktbeherrschenden Unternehmen als auch bei den potentiellen Nachahmern) ausgeschlossen oder erheblich vermindert und das Angebot zwar nicht hinsichtlich der Quantität oder Qualität, jedoch hinsichtlich des Preisniveaus verschlechtert. Unter welchen konkreten Voraussetzungen der Angebots- und/oder Nachfragestrukturen eine Beeinträchtigung des Marktmechanismus einsetzen wird, ist empirisch nicht exakt bestimmbar, doch ist die Annahme einer tendenziell abnehmenden Anpassungsflexibilität bei zunehmender Angebotskonzentration nicht unbegründet 12 . I m Falle des verstetigten Monopols dürfte die Wahrscheinlichkeit des gänzlichen Aussetzens der Angebotsanpassung an eine veränderte Nachfragestruktur ihr Maximum erreichen. Arndt gelangt bei dieser Konstellation unter wirtschaftstheoretischen Gesichtspunkten zu der Schlußfolgerung: „Der Monopolist verringert die Anpassung des Angebots an die Nachfrage, u m seinen Gleichgewichtsgewinn zu maximieren. Der Anbieter wählt hier nicht nur, wie i m Fall der Cournotschen Gleichgewichtsanalyse, auf einer gegebenen K u r v e den Punkt, bei dem er ceteris paribus seinen Gewinn maximieren kann (relatives Gewinnmaximum), sondern er wählt auch diejenige Angebotskurve, die i h m nach Abschluß des Prozesses den größtmöglichen Gewinn erlaubt (absolutes Gewinnmaximum) 1 3 ." 12 Vgl. die empirischen Untersuchungen von Joe S. Bain , Barriers to New Competition, Cambridge/Mass. 1956, S. 195 ff. und Michael H. Mann, Seller Concentration, Barriers to Entry, and Rates of Return in Thirty Industries 1950 - 60, Review of Economics and Statistics, Vol. 48 (1966), S. 296 ff. Beide Autoren gelangen zu dem Ergebnis, daß von einem Konzentrationsgrad des Marktanteils der jeweils acht größten Anbieter von etwa 70 v. H. an, die Preise der jeweils angebotenen Güter und die Gewinne der jeweiligen Anbieter sprunghaft von einem niedrigen Wettbewerbsniveau auf ein hohes monopolartiges Niveau heraufgeschleust werden. 13 Helmut Arndt, Mikroökonomische Theorie, Bd. 2, Marktprozesse, Tübingen 1966, S. 172.

6 Festschrift für Helmut Arndt

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Neben den durch alle Arten von Unternehmenszusammenschlüssen möglicherweise eintretenden Wettbewerbswirkungen (infolge der absoluten Unternehmensgröße, der relevanten Marktanteile und der Verminderung der Zahl der Wettbewerber an den Bedarfsmärkten), lassen sich speziell durch vertikale Unternehmenszusammenschlüsse folgende, den Wettbewerbsprozeß unmittelbar beeinflussende Effekte erzielen 14 : (1) Unter betriebstechnischen resp. technologischen Gesichtspunkten können Produktionskosten gesenkt und Konkurrenten unterboten werden, wenn hintereinandergelagerte Arbeitsgänge i n einem Unternehmen rationell zusammengefaßt sind. (2) Rationalisierungseffekte treten auch auf, wenn Planung und Organisation eines mehrstufigen Produktionsprozesses zentralisiert sind. (3) Bei teilweise oder völlig oligopolistischen Marktstrukturen sichert der Erwerb nachgelagerter Produktionsstufen den Absatz und der Erwerb vorgelagerter Produktionsstufen oder Rohstoffquellen den Bezug von Halbfertigfabrikaten oder Rohstoffen, ohne daß ein Preiseffekt befürchtet werden muß. (4) Der Erwerb vor- oder nachgelagerter Stufen durch ein bereits bestehendes Marktmonopol kann u. U. die Monopolmacht perpetuieren, wenn durch die Konzentration auch auf den vor- und nachgelagerten Märkten eine marktbeherrschende Stellung erlangt und Marktzutrittsschranken für dritte Unternehmen aufgebaut werden. (5) Umgekehrt partizipiert ein Unternehmen an Monopolgewinnen, wenn es bereits bestehende vor- oder nachgelagerte Marktmonopole erwirbt. (6) Auch staatliche Rahmenbedingungen, wie ζ. B. die i n der Bundesrepublik Deutschland durch die Mehrwertsteuer ersetzte BruttoAllphasen-Umsatzsteuer, können dazu beitragen, Produktionskosten bei zusammengefaßten Produktionsstufen zu senken. Beurteilungsgrundlagen für einen Strukturtest sind — wie bei horizontalen Zusammenschlüssen — die erlangte Marktmacht (mit den daraus abgeleiteten Preis-, Mengen- und Qualitätseffekten) sowie die errichteten Marktzutrittsbeschränkungen für potentielle Wettbewerber. Verschmelzungen ebenso wie vertragliche oder faktische Bindungen zwischen Unternehmen vor- und/oder nachgelagerter Produktionsstufen bewirken jeweils entsprechend ihrer gesamtwirtschaftlichen und marktmäßigeii Bedeutung tendenziell eine Isolierung gegenüber den 14 Vgl. Willard F. Mueller, Public Policy Toward Vertical Mergers, in: Fred Weston und Sam Peltzman (Hrsg.), Public Policy Toward Mergers, Pacific Palisades/Cal. 1969, S. 150 ff.

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sich parallel vollziehenden Wettbewerbsprozessen. Aus ihnen resultiert eine (partielle) Zementierung der Wettbewerbsstrukturen m i t den bereits dargestellten Konsequenzen sowohl bezüglich des autonomen Freiheitsgrades aller an den jeweiligen Bedarfsmärkten auftretenden Unternehmen, als auch bezüglich der durch den Wettbewerbsmechanismus gesteuerten Leistungserfolge sowie der Anpassungsflexibilität bei sich verändernden Wettbewerbsbedingungen. Da sich jedoch vertikale Konzentrationsprozesse i n der Praxis unter den Bedingungen der verschiedenen realisierten Marktformen vollziehen, ist die Analyse der konkreten Wettbewerbswirkungen vertikaler Integrationen eher eine Frage der Empirie als der Wettbewerbstheorie. Und die empirischen, hauptsächlich amerikanischen Untersuchungen auf diesem Feld beweisen m i t signifikanter Wahrscheinlichkeit, daß sich m i t zunehmenden Marktanteilen der an vertikalen Konzentrationen beteiligten Unternehmen die Wettbewerbswirkungen auf potentielle oder tatsächliche Konkurrenten sowie auf abhängige Unternehmen i n eine negative Richtung entwickeln. Die Kriterien, die sich i n den USA (gemäß der Rechtsprechung zu See. 7 Clayton Act) zur Beurteilung von Wettbewerbsbeeinträchtigungen infolge vertikaler Unternehmenszusammenschlüsse herausgebildet haben, beziehen sich daher speziell auf die jeweilige Analyse der potentiellen Einschränkung des Freiheitsgrades für dritte Unternehmen i n Hinblick auf Bezugsquellen oder Absatzmöglichkeiten, der Bildung von Preis-Kostenscheren für nicht vertikal integrierte (unabhängige) Gesellschaften sowie der Gefahren für weitere, durch eine vertikale Integration induzierte Zusammenschlüsse 15 . Unter wettbewerbstheoretischen Gesichtspunkten w i r f t die Frage der Wettbewerbswirkungen konglomerater Unternehmenszusammenschlüsse die größten Schwierigkeiten auf, wenn zwischen den zusammengeschlossenen Unternehmen weder auf den Produktionsebenen noch auf den Ebenen der Beschaffungs- oder Absatzmärkte ökonomische Verbindungen oder Gemeinsamkeiten bestehen („pure" conglomerate) 16 . Da auch empirische Untersuchungen bislang keine signifikanten Erkenntnisse bezüglich der ökonomischen Konsequenzen diagonaler Zusammenschlüsse hervorbringen konnten, ist der hypothetische Charakter der Aussagen zwangsläufig unvermeidbar. Je nach dem Standpunkt des Betrachters ist zwischen hypothetisch positiven und negativen Wettbewerbswirkungen durch konglomerate Konzen15 Vgl. ausführlich Ingo Schmidt, US-amerikanische und deutsche Wettbewerbspolitik gegenüber Marktmacht, Quaestiones Oeconomicae, Hans Besters (Hrsg.), Bd. 6, Berlin 1973, S. 134 ff. 18 Vgl. insbesondere Corwin D. Edwards , Conglomerate Bigness as a Source of Power, in: Business Concentration and Price Policy, Universities-National Bureau Committee for Economic Research, Princeton/N. J. 1955.

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trationsvorgänge zu unterscheiden. Negative Aspekte werden gesehen 17 (1) i n der Möglichkeit der Ausschaltung potentieller Konkurrenten; (2) i n dem Einsatz der Mischkalkulation i m Marktverdrängungswettbewerb; (3) i n der Tendenz zu Verhaltenskoordinationen m i t anderen konglomeraten Unternehmen; (4) i n der Tendenz zu Ausschließlichkeitsbindungen m i t anderen konglomeraten Unternehmen bei gegenseitigen Lieferungen und Leistungen; (5) i n der sog. „deep pocket"-These. ad (1) Zusammenschlüsse m i t Unternehmen ungleicher Produktionsstruktur und/oder voneinander unabhängiger Beschaffungs- und Absatzmärkte vermindern zwar unmittelbar die Zahl der unabhängigen w i r t schaftlichen Entscheidungsträger (zunehmende Konzentrationsrate); negative Wettbewerbswirkungen sind jedoch i n diesem Fall nur mittelbar durch die Tatsache ableitbar, daß mit dem Zusammenschluß die potentielle Gefahr des Marktzutritts des einen Unternehmens i n die Märkte des anderen durch internes Unternehmenswachstum beseitigt ist. Dieser Umstand hat z.B. den amerikanischen Supreme Court in der Entscheidung FTC v. The Procter & Gamble Co. (386 U. S. 568 (1967)) veranlaßt, den Zusammenschluß zwischen Procter & Gamble und Clorox Chemical Co. u. a. m i t dem Argument zu untersagen, daß durch die Fusion Procter & Gamble Co. für den durch Clorox beherrschten M a r k t für flüssige Wäschebleiche als „the most likely prospective entrant" 1 8 ausscheiden würde. ad (2) Der Einsatz der Mischkalkulation bezieht sich auf die Verhaltensweise diversifizierter Unternehmen hinsichtlich der Marktpreisgestaltung i m Verdrängungswettbewerb. Hierbei w i r d argumentiert, daß ein Konglomerat über einen längeren Zeitraum hinweg Güter und Dienstleistungen auf einzelnen Märkten unter Selbstkosten anbieten und dabei Einproduktunternehmen aus dem M a r k t drängen könne, w e i l letzteres nicht wie das Konglomerat die auftretenden Verluste mit Erträgen aus anderen Unternehmensbereichen zu kompensieren i n der Lage sei. Empirisch konnten bislang derartige Verhaltensweisen nicht signifi17

Vgl. Federal Trade Commission (Hrsg.), Staff Report to the FTC, Economic Report. Conglomerate Merger Performance: A n Empirical Analysis of Nine Corporations, Washington D. C. 1972, S. 3 ff. 18 Urteil des „Supreme Court", 386 U. S. 568 (1967), auf S. 575.

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kant nachgewiesen werden, und es sprechen auch einige Argumente gegen diese These: Sie beruht nämlich auf der Annahme, daß nach erfolgreichem Verdrängungswettbewerb das Konglomerat eine quasi monopolistische Stellung erlangt, die es i h m ermöglicht, die erlittenen Verluste durch entsprechende verstetigte Monopolgewinne überzukompensieren. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn trotz gestiegener M a r k t preise der Marktmechanismus durch Nachahmer völlig aussetzt, w e i l inzwischen unüberwindbare Marktzutrittsbeschränkungen aufgebaut werden konnten. ad (3) Diversifizierte Unternehmen stehen auf einer Vielzahl von Märkten m i t anderen diversifizierten Unternehmen i n Konkurrenzbeziehungen. Je mehr nun diese Märkte von diversifizierten Unternehmen beherrscht werden, desto mehr steigt die Tendenz, sich nicht gegenseitig i m Wettbewerb zu bekämpfen, sondern die Verständigung zur Verhaltenskoordinierung zu suchen. Diese Verständigung muß nicht auf Verträgen beruhen, sie kann sich ζ. B. auch i m bewußten Parallelverhalten widerspiegeln, wobei Marktschwächen und Marktstärken gegenseitig respektiert werden. ad (4) Gegenseitige Lieferungen und Leistungen zwischen diversifizierten Unternehmen können — soweit diese jeweils wesentliche Marktanteile umfassen — spürbare Marktzutrittsbeschränkungen für dritte Unternehmen bedeuten. Hierbei sind dritte Konkurrenzunternehmen de facto vom Marktgeschehen bezüglich der zwischen den Konglomeraten getätigten Umsätze ausgeschlossen. Inwieweit eine derartige Vorgehensweise reziproker Ausschließlichkeitsgeschäfte gegenüber den unter Wettbewerbsbedingungen herrschenden Angebotssituationen ökonomische Vorteile bietet, ist theoretisch nicht ableitbar, sondern muß i m Einzelfall entschieden werden. ad (5) Die „deep pocket"-These bringt zum Ausdruck, daß konglomerierte Unternehmen auch dann, wenn sie auf keinem M a r k t eine marktbeherrschende Position innehaben, gegenüber Einproduktunternehmen infolge ihrer finanziellen Absicherung bei den Banken, ihres freien Zugangs zu den Kapitalmärkten, des weiten bezugs- und absatzpolitischen Instrumentariums sowie des Sicherheitselementes der Mischkalkulation einen marktstrategischen Vorteil besitzen. Hieraus können sich auch ohne unmittelbare Konzentrationseffekte wettbewerbsschädliche Verhaltensweisen (wie ζ. B. freiwilliges Parallelverhalten der Konkurrenten) entwickeln.

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Diesen wettbewerbspolitischen Hypothesen stehen Argumente gegenüber, die den wettbewerbsfördernden Charakter konglomerater Unternehmenszusammenschlüsse betonen, deren empirische Verifizierung i n der Praxis jedoch ebenfalls problematisch ist, w e i l i n der Regel nach einer Verschmelzung die Spuren der absorbierten Gesellschaft innerhalb des Gesamtunternehmens nicht mehr isoliert zu verfolgen sind. Als derartige Argumente werden häufig vorgebracht: (1) Während auf oligopolistischen Märkten die Marktzutrittschancen für neu auftretende Einproduktunternehmen vielfach unüberwindlich sind, besitzen Konglomerate ausreichende Ressourcen, einen M a r k t zutritt zu erzwingen und damit einen eingefrorenen Wettbewerbsprozeß wieder i n Gang zu setzen. (2) I n einem Konglomerat können durch Zentralisierung betriebswirtschaftlicher Funktionen (Organisation, Verwaltung etc.) Kostenersparnisse erzielt werden. (3) Die Vielfalt von Spezialisten und spezialisierten Abteilungen i n diversifizierten Unternehmen garantiert die Basis für effiziente Forschungs- und Entwicklungstätigkeit. (4) Die zentralisierte Kapitallenkung zwischen einer Vielzahl von Unternehmensteilen auf nicht verbundenen Märkten zieht eine optimale Allokation der Ressourcen i m Sinne der Erhöhung der Anpassungsflexibilität i m Marktprozeß und damit eine Verbesserung der Marktstruktur nach sich. (5) Diversifizierung bedeutet Risikoausgleich und bewirkt gegenüber Einproduktunternehmen vergleichsweise höhere Krisensicherheit. Die Schwierigkeiten der empirischen Erfassung positiver oder negativer Wettbewerbswirkungen beruhen nicht zuletzt auf dem Umstand, daß i n der Wirtschaftspraxis nicht ausschließlich „reine" diagonale Zusammenschlüsse anzutreffen sind. Vielfach w i r d es sich bei Zusammenschlüssen m i t Beteiligung eines Konglomerates u m Vorgänge handeln, bei denen gleichzeitig und unabhängig voneinander horizontale, vertikale und diagonale Konzentrationserscheinungen vorliegen. So ist es beispielsweise nicht ausgeschlossen, daß anläßlich der Verschmelzung zweier diversifizierter Unternehmen wettbewerbsfördernde Effekte auf einem Bedarfsmarkt aufgrund einer partiell vertikalen Zusammenfassung von Ressourcen wettbewerbsbeschränkenden Effekten auf einem anderen M a r k t aufgrund partiell horizontaler Konzentration gegenüberstehen. Die wettbewerbspolitische Beurteilung muß deshalb auch hier unter Berücksichtigung des jeweils konkreten Einzelfalles erfolgen und nicht anhand genereller Aussagen.

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Die Notwendigkeit der breiten Auslegung des Begriffs „Unternehmenskonzentration" als Machtzuwachs unternehmerischer Entscheidungszentren w i r d bei der Analyse faktischer oder vertraglicher B i n dungen zwischen Unternehmen außerhalb der auf Verschmelzung bzw. auf Anteilserwerb beruhenden Konzentrationsvorgänge offensichtlich. Hier zeigt sich eine Vielzahl von Bindungsmöglichkeiten, deren potentielle, den Wettbewerbsprozeß hemmende Wirkungen zwar i n der Theorie erkennbar sind, deren Nachweis i n der Praxis jedoch die Wettbewerbsbehörden vielfach vor unüberwindbare Probleme stellt. Zunächst einmal ist zwischen Bindungen zu differenzieren, die die Beteiligten auf freiwilliger Basis (vertraglich abgesichert oder faktisch) mit dem Ziel der Einfrierung des Wettbewerbsprozesses eingegangen sind und solchen Bindungen, die auf unfreiwilliger Basis den Willen eines Entscheidungsträgers (ebenso vertraglich abgesichert oder faktisch) einem anderen unterordnen und damit den Wettbewerbsmechanismus außer K r a f t setzen können. Das auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhende gleichgerichtete Verhalten ohne Vertragsbindung erweist sich entweder als bewußtes Parallelverhalten zwischen bislang konkurrierenden Unternehmen oder als Einhaltung von „Empfehlungen" (sog. „gentlemen's agreements") i n Hinblick auf die Preisgestaltung, das Absatzvolumen, die Absatzgebiete, die Qualitätsmerkmale der produzierten Güter und Dienstleistungen etc. Selbst eine Analyse des Ergebnisses derartiger Verhaltensweisen reicht trotz des äußerlich erkennbaren Tatbestandes (z.B. parallele Preisentwicklung) nicht ohne weiteres aus, dieses Verhalten als „abgestimmt" zu klassifizieren, w e i l nicht zuletzt bei inflatorischen Marktbedingungen gleichförmiges Verhalten auch eine Konsequenz schärfsten Wettbewerbs sein kann. Hier ist stets eine stärker ökonomisch als juristisch orientierte Marktanalyse erforderlich, u m über einen Indizienbeweis dem gegebenenfalls abgestimmten Verhalten auf die Spur zu kommen. Unter dem Gesichtspunkt der Marktbeeinflussung umfassen freiwillige vertragliche Bindungen zwischen Unternehmen resp. Unternehmern i m wesentlichen die Tatbestände von Kartellen oder Kooperationsabkommen. Vereinbarungen dieser A r t zeigen sich i n der Praxis i n sämtlichen Bereichen, die von der Angebots- oder Nachfrageseite her auf den jeweiligen Märkten wirksam werden können: — Produktionsbereich: Vereinbarungen über produzierte Mengen und Qualitäten, Produktionsverfahren, Re- und Nettoinvestitionen, Spezialisierungsabsprachen, Submissionsabsprachen etc. — Absatzbereich: Preisvereinbarungen (direkte oder verdeckte), regionale Marktaufteilungen (sog. „hunting ground agreements"), Kondi-

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tionen- und Rabattabsprachen, funktionale Aufteilung der Exportmärkte etc. — Beschaffungsbereich: Vereinbarungen für zentral gesteuerten Einkauf von Rohstoffen, Halbfertigwaren etc. Kartellabsprachen, -Verträge oder -beschlüsse dienen hierbei nicht nur der Kostensenkung oder Erzielung nicht leistungsbedingter „Übergewinne", sondern sollen gleichzeitig Marktzutrittsschranken für dritte Unternehmen errichten. „Werden Horizontalkonzerne oder Kartelle zur Marktbeherrschung eingesetzt, so ist das (einzige) Resultat die Ausschaltung der Konkurrenz. Es wird kein neuer Markt begründet, der kurzfristig eine qualitative und zumindest langfristig auch eine quantitative Verbesserung der gesellschaftlichen Bedarfsdeckung zur Folge hat. Auch sind die beteiligten Unternehmen in der Lage, die gewonnene Monopolstellung gegen Außenseiter erfolgreich zu verteidigen. Ihnen geht es darum, auf einem bestehenden Markt eine permanente Monopolstellung zu errichten. I n ihrem Interesse liegt — zumindest prinzipiell — nicht die Verbesserung, sondern die Verschlechterung der gesellschaftlichen Bedarfsdeckung 19 ."

I m deutschen Kartellgesetz w i r d allerdings der Grundsatz der Unwirksamkeit der geschilderten Kartellverträge i n § 1 GWB durch § 5 b GWB (eingefügt durch die Zweite Kartellgesetznovelle) 20 durchbrochen. Unter dem Gesichtspunkt der Gegenmachtbildung, d. h. des Ausgleichs struktureller Nachteile wettbewerbsschwacher Unternehmen gegenüber marktmächtigen Konkurrenten eröffnet § 5 b GWB die Möglichkeiten tendenziell wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen, soweit dadurch „der Wettbewerb auf dem M a r k t nicht wesentlich beeinträchtigt w i r d und der Vertrag oder Beschluß dazu dient, die Leistungsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu fördern". (§ 5 b Abs. 1 GWB.) „Unfreiwillige Bindungen" eines Unternehmens oder Unternehmers an einen Dritten beinhalten faktische oder vertraglich abgesicherte Beherrschungs-Abhängigkeitsverhältnisse, bei denen mangels eines freiwilligen Konsensus der beteiligten Entscheidungsträger zwar die Aufdeckungsgefahr diskriminierender Strategien oder wettbewerbsbeschränkender Vorgehensweisen der beherrschenden Person oder Gruppe tendenziell höher liegt als bei freiwilligen Vereinbarungen, jedoch kann der Nachweis durch die Wettbewerbsbehörde an der „ U m wertung" des beherrschten Wirtschafters scheitern. Dies gilt sowohl i n den Fällen der sog. „Nachfrage- und Angebotsmacht", den eng damit zusammenhängenden Absatz- und Bezugsabhängigkeiten, den Händ19

Helmut Arndt, Wirtschaftliche Macht, S. 64. Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 3. August 1973, BGBl. I S. 917, Neufassung in BGBl. 1974 I S. 869. 20

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lerabhängigkeiten, den personellen oder finanziellen Abhängigkeiten, als auch i n den Fällen vertraglicher Knebelungen (wie ζ. B. Preisbindungsverträge, Lieferungs- und Leistungsverträge, Koppelungs- und Ausschließlichkeitsverträge, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge bei Konzernunternehmen, Pacht und Betriebsüberlassungsverträge etc.) 21 . I n derartigen Fällen ist es möglich, daß selbst bei objektiv feststellbaren Manipulationen oder sogar betrügerischen Handlungen die abhängigen Personen (und Unternehmen) die Diskriminierungen dulden, um ihre Existenzgrundlage nicht zu gefährden: „Wer bereit ist, sich — in gewissem Umfang oder auch vollständig — dem Willen eines anderen unterzuordnen, ist damit zugleich bereit, seine ökonomischen Wertvorstellungen den Vorstellungen dessen, der mächtiger ist, anzupassen. Das beherrschende Unternehmen besitzt damit die Möglichkeit, die von ihm abhängig gewordene Firma zu ,Umwertungen' zu zwingen. Es kann sie ζ. B. veranlassen, ihre Produkte billiger als zuvor zu liefern oder, wenn das beherrschende Unternehmen ein Lieferant ist, seine Produkte höher als bisher zu bewerten u. dgl. mehr. Es besitzt also einen Umwertungs- oder, wie man auch sagen kann, einen Ausbeutungsaktionsparameter. Derartige Aktionsparameter können sowohl Anbieter wie Nachfrager, Kreditgeber und in Ausnahmefällen sogar Kreditnehmer besitzen 22 ."

I I I . Ansatzpunkte zur Kontrolle von Marktmacht I n einer auf Privateigentum basierenden, marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft soll der Wettbewerbsmechanismus als Regulativ für die Verhinderung der mißbräuchlichen Ausnutzung einer wirtschaftlichen Machtposition fungieren. Setzt jedoch dieser Mechanismus aus, entweder weil die Anpassungsfähigkeit der Marktteilnehmer blockiert ist (ζ. B. bei Bestehen von Abhängigkeiten, Absprachen, K a r tellen etc.) oder aber weil bereits bei der Ausgangssituation i m Wettbewerb die M a r k t - und Machtchancen ungleich verteilt waren, sind zwei Wege denkbar, eine als unbefriedigend empfundene einseitige Machtposition zu beseitigen: (1) durch Bildung gegengewichtiger Marktmacht; (2) durch staatliche Korrekturmaßnahmen. Das von Galbraith vorgeschlagene Gegenmachtprinzip stellt zwar i n der Alternative „staatlicher Eingriff" oder „marktkonforme Selbstregulierung" den systemgerechteren Weg dar, birgt jedoch Gefahren 21 Konzernverträge resultieren nicht generell aus unfreiwilligen Bindungen, dürften jedoch in der Regel auf einem Beherrschungs-Abhängigkeitsverhältnis via Stimmrecht beruhen. 22 Helmut Arndt, Macht, Konkurrenz und Demokratie, in: Dieter Grosser (Hrsg.), Konzentration ohne Kontrolle, Kritik 2, 3. Aufl., Köln und Opladen 1974, S. 44.

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i n sich, die allzu leicht übersehen werden. Zunächst ist unbestreitbar, daß die beherrschende Stellung eines Anbieters an einem Markt relat i v geschwächt wird, wenn die übrigen Anbieter oder die Nachfrager an dem entsprechenden M a r k t sich zusammenschließen, u m die Machtposition des „Gegners" durch Aufbau einer eigenen Machtposition zu neutralisieren. Wenn auch nicht a priori die wettbewerbsfördernde Wirkung einer derartigen gegengewichtigen Marktmacht geleugnet werden darf, impliziert dieser Vorgang doch folgende Konsequenz: das Konzept führt tendenziell zwangsläufig i n Richtung stärkerer Oligopolisierung der Märkte, wobei Marktmachtneutralisierung nicht m i t Wiederherstellung kompetitiver Marktstrukturen gleichgesetzt werden darf. I n diesem Sinne hat auch der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums i n seinem Gutachten zur Reform des GWB das Gegenmachtprinzip kritisch gewürdigt: „Die Meinung, eine Politik des Laisser faire führe über spontan sich bildende gegengewichtige Marktmacht zu einem Ausgleich der Monopolisierungsgrade, bei dem sich die Verzerrungen i m Preissystem und i n der Produktionsstruktur gegenseitig aufheben, überzeugt schon darum nicht, w e i l ein solcher Zustand zwar denkmöglich ist, aber kaum jemals Aussicht hat, sich zu verwirklichen. Wo sich gegengewichtige Marktmacht bildet, pflegen die Partner nach aller Erfahrung sich auf Kosten Dritter zu verständigen, die nicht i n der Lage sind, ihrerseits wieder Gegenmacht gleicher oder ähnlicher Stärke aufzubauen; das sind neben schwer kartellierbaren Gruppen von Anbietern vor allem die Verbraucher 23 ." Auch unabhängig von der Diskussion der optimalen Marktform und der dabei jeweils beobachteten Verhaltensweisen muß das Prinzip der Gegenmachtbildung — wie ζ. B. durch den bereits erwähnten § 5 b GWB — auf grundsätzliche Bedenken stoßen, weil m i t diesem Prinzip versucht wird, die Unzulänglichkeit einer Marktsituation mit der Inkaufnahme zusätzlicher Unzulänglichkeiten abzubauen. Insofern bildet § 5 b GWB einen Fremdkörper i n einem „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen", der bestenfalls als „second best"-Lösung i n einem System anzusehen ist, i n dem sonst kaum Möglichkeiten gegeben sind, bereits erlangte marktbeherrschende Positionen durch Entflechtungsmaßnahmen aufzulösen. Während das Instrument der Entflechtung bereits aufgebauter marktbeherrschender Strukturen bislang allein i n den USA durch Section 2 Sherman Act i m Falle monopolistischer Verhaltensweisen für die Praxis Bedeutung erlangt hat, bieten sich generell verschiedene Möglichkeiten der Mißbrauchsaufsieht über marktbeherrschende Unternehmen an, u m nachträglich die negativen Konsequenzen mißbräuchlicher Ver23

Deutscher Bundestag, Drucksache IV/617, S. 90, Zi. 15.

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haltensweisen zu korrigieren. Doch auch hierbei muß Klarheit darüber bestehen, daß die Mißbrauchsaufsicht nicht hinreichend ein Instrument zur Wiederherstellung einer verlorengegangenen Wettbewerbssituation sein kann. Dies gilt u m so mehr, als die bisherigen Schwierigkeiten bei der rechtlichen Auslegung von Begriffen wie ζ. B. „Marktbeherrschung", „Machtmißbrauch", „relevanter M a r k t " oder des i m deutschen Kartellgesetz neu eingeführten Begriffs „überragende Marktstellung" die Schlagkraft der Wettbewerbsbehörde mangels eindeutiger und abschließender Konkretisierbarkeit zwangsläufig i n Schranken halten. Auch die i n der BRD m i t der Kartellgesetznovelle neu eingeführte Zusammenschlußkontrolle (§§ 24 und 24 a GWB) kann die Verhinderung der Entstehung marktbeherrschender Unternehmen nicht garantieren, denn sie unterwirft lediglich Zusammenschlüsse einer Kontrolle, bei denen der jährliche Gesamtumsatz der beteiligten Gesellschaften mindestens 500 M i l l . D M beträgt. N u r wenn zwei Umsatzmilliardäre am Zusammenschluß beteiligt sind, ist die vorherige A n meldung des Vorhabens erforderlich. Sind demgegenüber Unternehmen mit nicht mehr als 50 M i l l . D M Gesamtumsatz an einem Zusammenschluß beteiligt, entfallen die Möglichkeiten des Fusionsverbots. Aber auch selbst wenn ein Zusammenschluß nach Prüfung der Kriterien (Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung) durch das Bundeskartellamt untersagt worden ist, kann der Bundesminister für Wirtschaft (wie ζ. B. i m Fall „Veba - Gelsenberg") nachträglich den Zusammenschluß durch Erlaubniserteilung sanktionieren, soweit das Ausmaß der Wettbewerbsbeschränkung die marktwirtschaftliche Ordnung nicht gefährdet. Auch auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft hat die Kommission der EG i m J u l i 1973 m i t der Begründung der Unwirksamkeit des bisherigen wettbewerbspolitischen Instrumentariums für die Erhaltung eines funktionsfähigen Wettbewerbs innerhalb der EG einen Vorschlag einer Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen vorgelegt 24 . Zwar zeigen die Vorschläge eine gewisse Parallelität m i t der i n der Bundesrepublik Deutschland eingeführten Zusammenschlußkontrolle, doch handelt es sich nicht u m ein geschlossenes System, das regelmäßig die vorherige Genehmigungspflicht fixiert bzw. ein Verbot für bestimmte Arten oder Formen von Zusammenschlüssen ausspricht. Entscheidendes Beurteilungskriterium ist vielmehr „die Eignung eines Zusammenschlusses, einen wirksamen Wettbewerb i m Gemeinsamen Markt zu verhindern" 2 5 . Diese Eignung ist 24

EG-Kommission, Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, K O M (73) 1210 endg., Brüssel, den 18. 7.1973. 23 Ebenda, S. 8.

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nach der Auffassung der Kommission insbesondere dann gegeben, wenn durch den Zusammenschluß der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird. Ebenso wie bei der entsprechenden Regelung i n der Bundesrepublik Deutschland ist auch hierbei m i t den Schwierigkeiten der Bewertung und Bemessung der entscheidenden Kriterien, wie z.B. Marktanteile eines Unternehmens, Verfügungsmacht über marktstrategisch wichtige Güter (Rohstoffe), Finanzmacht, absolute und relative Unternehmensgröße, Verbindungen m i t Kunden und Lieferanten etc. zu rechnen. Wegen der besonderen Problematik des Nachweises bestimmter Sachverhalte i m internationalen Bereich und des hoch angesetzten Aufgreifskriteriums sollten an die Effizienz einer i n diesem Sinne verabschiedeten Verordnung zunächst nicht allzu hohe Erwartungen geknüpft werden. Auch die viel diskutierte Überführung marktbeherrschender Unternehmen i n Staatsbesitz (wie es z.B. die britische „Labour Party" langfristig vorsieht) kann nicht Wettbewerb wiederherstellen, weil das Grundelement, die Kontrolle ökonomischer Verfügungsgewalt, sich nicht strukturell verändert, sondern lediglich der Inhaber der Kontrolle wechselt. Entsprechendes gilt m i t Einschränkungen auch für Fälle des staatlichen Aufkaufs resp. der wesentlichen Beteiligung an p r i v a t w i r t schaftlichen Unternehmen. Z u erwähnen sind schließlich noch flankierende Maßnahmen, wie ζ. B. die Mitbestimmung der Arbeitnehmer i m Rahmen unternehmenspolitischer Entscheidungen sowie die „öffentliche Meinung", die durch öffentliche Hearings zu bestimmten Sachverhalten geweckt werden kann und deren Resonanz die Unternehmensleitungen marktbeherrschender Unternehmen zum (in der Regel jedoch nur vorübergehendem) Nachgeben zwingen kann. M i t der Internationalisierung der Wirtschaftsprozesse und der Entstehung multinationaler Machtzentren, der keine gleichgewichtigen Kontrollinstanzen gegenüberstehen, haben sich die Konzentration w i r t schaftlicher Macht und die daraus resultierenden Gefahren für den Wettbewerbsprozeß verstärkt. So gelten heute mehr denn je die Schlußfolgerungen, die Helmut Arndt aus dem Ergebnis seiner Untersuchung über die Konzentration der westdeutschen Wirtschaft zog: „Ein Gesetzgeber, der die private wirtschaftliche Macht neutralisieren w i l l , steht heute vor einer Aufgabe, vor die weder das Römische noch das Germanische Recht je gestellt waren. Zwar gab es stets neben der staatlichen auch private Macht. Aber erst die allgemeine Anerkennung juristischer Personen — wie der Aktiengesellschaft oder der GmbH — und die Zulassung der Verflechtung haben die Eigenart der heute zu lösenden Aufgaben bestimmt. Dank der verschiedenen Formen der Verschachtelung und des Konzernaufbaus ist das Unsichtbarwerden wirtschaftlicher Tatbestände möglich geworden. Ein Zurück gibt es nicht mehr.

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Man kann die juristischen Personen nicht beseitigen und die Konzerne nicht auflösen. U m so wichtiger ist es, trotzdem eine für die Gesellschaft ausreichende Durchsichtigkeit des privatwirtschaftlichen Geschehens zurückzugewinnen und damit zugleich den Mißbrauch privater Macht zu verhindern. Die Zukunft der freien Welt hängt von der Lösung dieser Aufgabe ab 2 6 ."

2( 5

Helmut S. 87 f.

Arndt, Die Konzentration der westdeutschen Wirtschaft, a.a.O.,

Fördert das Steuerrecht die wirtschaftliche Konzentration? Ein rechtsvergleichender Beitrag Von J. van Hoorn Jr. I. Einführung und Begriffsbestimmungen Die Hauptfrage des gewählten Themas kann erst beantwortet werden, nachdem zwei Grundsatzfragen geklärt worden sind: Erstens, was ist unter „wirtschaftlicher Konzentration" zu verstehen? Zweitens, i n welchen Fällen kann überhaupt von einer Förderung durch das Steuerrecht gesprochen werden? Da i m Rahmen dieses Aufsatzes nicht tief auf diese beiden Fragen eingegangen werden kann, enthält die folgende kurze Darstellung zugleich auch Beschränkungen, die der Verfasser sich bei seinen weiteren Ausführungen auferlegt hat. Der Begriff „wirtschaftliche Konzentration" w i r d i m folgenden nicht nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben entwickelt, sondern soll so verstanden sein, wie es für die Analyse unter steuerlichen Aspekten am sinnvollsten erscheint. Dazu ist es erforderlich, zwischen dem Geschäftsbetrieb selbst und der Person oder Personengruppe, denen dieser Betrieb als Eigentümer zuzurechnen ist, zu differenzieren. W i r d dieser Unterschied als Ausgangspunkt für die Behandlung des vorliegenden Themas genommen, zeigt sich, daß bereits der Begriff „Konzentration" nicht eindeutig ist. Man kann nämlich einerseits zwei oder mehrere Betriebsvermögen zusammenführen, ohne daß sich das Eigentum i n einer Hand konzentriert; man kann andererseits auch die Eigentümer als Ausgangspunkt der Betrachtung nehmen. Das wirtschaftliche Endergebnis ist i n beiden Fällen das gleiche, denn die unternehmerische Tätigkeit w i r d „konzentriert", d. h. von einem zentralen Punkt aus koordiniert und geleitet. Bleiben andererseits dieselben Personen als Eigentümer bestehen, ist zwar ebenfalls eine wirtschaftliche Einheit entstanden, jedoch verbleibt die Verfügungsmacht über diese Einheit nach wie vor bei den ursprünglichen Personen. Diese Macht kann direkt oder indirekt ausgeübt werden, jeweils abhängig davon, wer als Eigentümer zu betrachten ist. Eine Gesellschaft 1 , die einen Geschäftsbetrieb unterhält, hat darüber die direkte 1 Der Einfachheit halber wird in diesem Beitrag von „Gesellschaften" gesprochen. Darunter ist jede Kapitalgesellschaft zu verstehen, die nach dem

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Verfügungsmacht; die Aktionäre dieser Gesellschaft sind dann als diejenigen zu betrachten, die die indirekte Macht, d. h. das indirekte Eigentum an dem Geschäftsbetrieb besitzen. Nun können auf der Ebene der indirekten Eigentümer, nämlich der Aktionäre, unterschiedliche Machtverhältnisse vorhanden sein: Es kann einen Aktionär oder eine Gruppe von Aktionären geben, dessen (deren) Aktienbesitz so groß ist, daß sich daraus eine besondere Machtposition ergibt. Darauf kann i m Rahmen dieses Aufsatzes nicht eingegangen werden; vielmehr muß es genügen, die Aktionäre i n ihrer Gesamtheit als dritte Ebene zu betrachten. Es lassen sich also für Zwecke dieser Untersuchung drei Formen der Konzentration unterscheiden: Erstens, das Zusammenbringen einiger Geschäftsbetriebe, ohne daß i m Gesamteigentum eine Änderung eint r i t t ; zweitens, das Zusammenbringen des direkten Eigentums, wobei die indirekten Eigentümer dieselben bleiben; drittens der Fall, i n dem die Macht über die unternehmerische Tätigkeit auch indirekt von einer kleineren Gruppe von Personen ausgeübt wird. Dieser Unterschied w i r d i n den nachfolgenden Abschnitten verdeutlicht. Zunächst seien hier einige Fälle aufgezeigt, die i n der Praxis am häufigsten anzutreffen sind: (a) Zwei (oder mehr) Gesellschaften beschließen, unter Beibehaltung ihrer Rechtspersönlichkeit, ihre unternehmerischen Tätigkeiten zusammenzubringen, so daß wirtschaftlich zwar mehr oder weniger eine Einheit entsteht, juristisch jedoch keine Änderungen eintreten. (b) Eine Gesellschaft kann den Geschäftsbetrieb einer anderen Gesellschaft i n der Form übernehmen, daß sie allein über das direkte Eigentum des übernommenen Geschäftsbetriebes verfügt. Wirtschaftlich entsteht auch hier eine Einheit wie i m Falle (a), juristisch ist jedoch eine Änderung eingetreten. Als Gegenleistung für die Übernahme muß ein Preis gezahlt werden, entweder i n A k t i e n oder i n Geld. Wenn i n Aktien geleistet wird, w i r d die übertragende Gesellschaft Aktionärin der übernehmenden Gesellschaft und hat damit das direkte Eigentum i n ein indirektes umgewandelt. W i r d demgegenüber i n Geld geleistet, so verliert die übertragende Gesellschaft sämtliche Rechte an den übertragenen Aktiva. I n beiden Fällen ist eine wirtschaftliche Einheit jeweiligen Recht der Staaten eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt. Konzentrationsvorgänge auf den Ebenen der Personengesellschaften und der Einzelunternehmung bleiben daher außer Betracht.

Fördert das Steuerrecht die wirtschaftliche K o n z e n t r a t i o n ? 9 7 entstanden, hat also ein Konzentrationsvorgang stattgefunden, jedoch ist i m letzteren Falle auch die Gesamtheit der Verfügungsmacht i n einer Person (der übernehmenden Gesellschaft) konzentriert. (c) Zwei (oder mehr) Gesellschaften können ihre Verschmelzung beschließen, wobei entweder die eine auf die andere übertragen w i r d und aufhört zu existieren (Verschmelzung durch Aufnahme), oder eine neue Gesellschaft gegründet wird, auf die beide Gesellschaften übergehen (Verschmelzung durch Neubildung). Auch hier entsteht i n beiden Fällen eine wirtschaftliche Einheit. Wie ist nun die juristische Lage eines derartigen Vorgangs zu beurteilen? Wenn eine Gesellschaft „verschwindet", müssen ihre Aktionäre eine Gegenleistung erhalten, die i n A k t i e n oder Geld bestehen kann. Wenn diese Aktionäre A k t i e n an der übernehmenden Gesellschaft erhalten, bleiben sie indirekt Eigentümer der bei der Transaktion übergehenden Vermögensgegenstände; bei Barzahlung verlieren sie jedoch sämtliche Rechte an den übertragenen Vermögensgegenständen. So zeigt sich folgendes Bild: Neben der Konzentration der Gesellschaftsvermögen kann sich eine völlige juristische Konzentration vollziehen (bei einer Barzahlung) oder (bei Zahlung i n Aktien) eine juristische „Teilkonzentration", w e i l zwar die überlebende Gesellschaft über das direkte Eigentum an der wirtschaftlichen Einheit verfügt, die Gesamtheit der Aktionäre jedoch unverändert bestehen geblieben ist; die Aktionäre der aufgelösten Gesellschaft(en) behalten som i t das indirekte Eigentum an dem Vermögen, das durch die Verschmelzung übergegangen ist. (d) Sind die drei erwähnten Fälle Beispiele dafür, daß zwei (oder mehr) Geschäftsbetriebe konzentriert werden können, wobei eine juristische Konzentration ganz, teilweise oder gar nicht erfolgen kann, gibt es auch Fälle, i n denen die juristische Konzentration i m Vordergrund steht. Eine Gesellschaft kann nämlich sämtliche, die Mehrzahl oder einen wesentlichen Teil der Aktien einer anderen Gesellschaft übernehmen, wobei der Geschäftsbetrieb der letzteren wirtschaftlich als eine separate Einheit weiter betrieben wird. Hier ist der endgültige Effekt allerdings auch wirtschaftlicher Natur, da die übernehmende Gesellschaft als Muttergesellschaft die Tätigkeiten der anderen Gesellschaft beherrscht oder je nach Beteiligungsumfang darauf einen signifikanten feinfluß ausüben kann. Deshalb muß auch hier von w i r t schaftlicher Konzentration gesprochen werden, die aber aus einer mehr oder weniger weitgehenden Machtkonzentration resultiert. 7 Festschrift für Helmut Arndt

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Tatsächlich ist bei den dargestellten Fällen das endgültige w i r t schaftliche Ergebnis das gleiche, doch sind die Wege, die zu diesem Ergebnis führen, verschieden. I n den ersten drei Fällen werden die Gesellschaftsvermögen zusammengeführt; es vollzieht sich somit eine direkte Konzentration der Vermögen, während der juristische Effekt i m Hintergrund steht. I m letzten Fall w i r d demgegenüber i n erster Linie von den Eigentümern ausgegangen und die Verfügungsmacht über mehrere Unternehmen unmittelbar i n einer Person konzentriert. Anders ausgedrückt, zieht eine Konzentration der Gesellschaftsvermögen nicht notwendigerweise eine Konzentration der gesellschaftsrechtlichen Verfügungsmacht nach sich, doch führt andererseits letztere stets zu ersterer. I n den folgenden Ausführungen w i r d der unter (a) erwähnte Fall nicht besprochen, zum einen, weil er i n sehr vielen Varianten vorkommt und daher eine eingehende Behandlung zu weit führen würde, zum anderen, weil hierbei die steuerlichen Aspekte i m Rahmen des vorliegenden Themas weniger problematisch sind (was übrigens nicht bedeutet, daß sie nicht auch kompliziert sein können) 2 . Die Fälle unter (b) und (c) werden zusammen unter dem Stichwort Fusionen besprochen, und zwar als wirtschaftliche Fusion oder als juristische Fusion 8. Die letzte Form der Konzentration (d) w i r d als Beteiligung separat behandelt. I m Steuerrecht einiger Staaten hat der Ausdruck Beteiligung eine bestimmte Bedeutung, aus der sich spezifische Folgen ergeben. I n diesem Sinne führt z.B. der deutsche Begriff „Schachtelbeteiligung" zum steuerlichen Schachtelprivileg. I n einigen Staaten kann eine Gesellschaft an einer anderen beteiligt sein, ohne daß irgendeine steuerliche Wirkung eintritt; i n anderen Staaten wiederum führt jede Beteiligung zu derselben steuerlichen Wirkung, die ζ. B. i n der Bundesrepublik erst bei einer Mindest- ( = Schachtel-)Beteiligung eintritt. I m vorliegenden Beitrag umfaßt der Ausdruck „Beteiligung" sämtliche Fälle, i n denen eine Gesellschaft A k t i e n einer anderen Gesellschaft besitzt, wobei der Umfang dieses Aktienbesitzes keine Rolle spielt. Allerdings gibt es Situationen, i n denen der Aktienbesitz nichts anderes als eine bloße Kapitalanlage darstellt. Es ist zweckmäßig, zwischen einer solchen Anlage und einer „Beteiligung" zu unterscheiden, 2 Der erste Fall bezieht sich ζ. B. auf solche unterschiedlichen Formen wie Pool- und Kartell-Verträge, Arbeitsgemeinschaften, Groupements d'intérêt économique usw. 3 Siehe für den Begriff Fusion den Generalbericht von Karl Beusch und Jürgen Thomas zum Thema „Die mit der Fusion von Unternehmen verbundenen steuerlichen Probleme im nationalen und insbesondere im internationalen Bereich", X X I V . Kongress der International Fiscal Association (IFA), Brüssel 1970, Cahiers de Droit Fiscal International, Vol. LVb, S. 1/2, Amsterdam 1970.

Fördert das Steuerrecht die wirtschaftliche K o n z e n t r a t i o n ? 9 9 und zwar i n dem Sinne, daß von einer „Beteiligung" erst dann die Rede sein soll, wenn der Aktienbesitz darauf abzielt, eine wirtschaftliche Betätigung, d. h. unternehmerische Verbindung zwischen beiden Gesellschaften zustande zu bringen. Wann kann man von einer Förderung durch das Steuerrecht sprechen? Es handelt sich hierbei u m die Kernfrage des vorliegenden Themas. I n einem modernen Staat gibt es kaum noch Aspekte des täglichen Lebens, die nicht i n der einen oder anderen Form von Steuern beherrscht oder jedenfalls beeinflußt werden. Das gesamte Steuersystem bildet i m Rahmen der Volkswirtschaft ein gewisses Gleichgewicht. Wenn i n der Volkswirtschaft irgendetwas „schief geht", kann dieses Gleichgewicht leicht zerstört werden, vor allem dann, wenn die öffentliche Hand mittels steuerlicher Maßnahmen eingreift. Die Frage stellt sich, ob ein solches Eingreifen als eine Förderungsmaßnahme betrachtet werden soll. Es ist hier zu unterscheiden zwischen den Fällen, i n denen eine Ungleichheit i n der steuerlichen Belastung beseitigt wird, und denjenigen, i n denen gerade eine steuerliche Ungleichheit geschaffen wird, u m dadurch ein bestimmtes wirtschaftspolitisches Ziel zu erreichen. I n beiden Gruppen von Fällen ist das Ergebnis eine Steuererleichterung; nur i n der zweiten Gruppe ist jedoch von einer Steuervergünstigung die Rede, und nur eine Vergünstigung soll wie eine reine Förderungsmaßnahme betrachtet werden. So kommt man zur Frage des Themas: W i r d die wirtschaftliche Konzentration (im o. a. Sinne) durch das Steuerrecht „gefördert"? Die Beantwortung dieser Frage hängt davon ab, ob etwaige Steuererleichterungen bei der Konzentration lediglich eine Ungleichheit wegnehmen oder ob es sich grundsätzlich u m Vergünstigungen handelt, deren Zweck es ist, bestimmte Folgen hervorzurufen, die bei der normalen — und als normal zu betrachtenden — Besteuerung nicht auftreten w ü r den, die dennoch i m Rahmen der Wirtschafts- und Steuerpolitik eines Landes wünschenswert sind und die deshalb „gefördert" werden sollen. Nun kann es sein, daß gewisse Steuererleichterungen auf etwas abzielen, das m i t Konzentration nichts zu t u n hat, daß aber dadurch dennoch der Nebeneffekt der Konzentration, vielleicht nicht einmal gewollt, auftritt. Ein solcher nicht gewollter Nebeneffekt könnte i n denjenigen Staaten entstehen, i n denen eine „Anti-trust" Gesetzgebung dazu dient, unerwünschte Konzentrationen zu vermeiden, i n denen aber gleichzeitig das Steuerrecht Elemente enthält, die Konzentrationsvorgänge induzieren. Dem Wort "fördern" w i r d damit eine Bedeutung gegeben, die nicht nur günstig oder positiv ist, sondern auch negativ Ί*

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sein kann. I m folgenden soll „fördern" daher i m neutralen Sinne Verwendung finden. Es ist nunmehr zu untersuchen, ob sich i m Steuerrecht Elemente zeigen, die nicht auf die Konzentration als solche abzielen, aber dennoch als Nebeneffekt zu einer Konzentration führen oder führen können. Ob dieser Nebeneffekt nun gewollt ist oder nicht, soll dahingestellt bleiben und der Beurteilung derjenigen Personen überlassen bleiben, die nicht zuletzt für die sozialwirtschaftliche Politik ihres Landes verantwortlich sind. I I . Fusionen Angesichts des Bedürfnisses, i n Handel und Industrie größere betriebswirtschaftliche Einheiten zu bilden, können sich steuerliche Hindernisse ergeben, die eine solche Konzentration zu kostspielig werden lassen und die deshalb prohibitiv wirken. I n mehreren Industriestaaten werden derartige steuerliche Hindernisse beseitigt und juristische oder wirtschaftliche Fusionen steuerlich erleichtert. I n der Regel w i r k t die Erleichterung erst dann, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei spielt die Form der Fusionen kaum eine Rolle; es handelt sich immer darum, daß wirtschaftlich eine größere Einheit entsteht, obgleich juristisch mehrere Wege i n Frage kommen. So ist ζ. B. i n den Niederlanden die juristische Verschmelzung noch unbekannt, während sie sich i n Belgien nach der Rechtsprechung des Kassationsgerichts 4 automatisch ergibt, weil eine Kapitalgesellschaft dann aufgelöst wird, wenn alle Aktien i n eine Hand gelangen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Alleinaktionär eine natürliche oder eine juristische Person ist. Bei der wirtschaftlichen Konzentration überträgt eine Gesellschaft ihren gesamten Geschäftsbetrieb oder einen selbständigen Teil davon an eine andere Gesellschaft. Nach den allgemeinen Regeln handelt es sich dabei u m eine Veräußerung oder sogar, wenn die übertragende Gesellschaft sich auflöst, u m eine Liquidation. Normalerweise unterliegen Veräußerungs- oder Liquidationsgewinne einer Besteuerung nach normalen oder ermäßigten Sätzen. Wenn jedoch das Unternehmen ganz oder teilweise i m Rahmen einer Fusion übertragen wird, kann der übertragenden Gesellschaft für den entstandenen Veräußerungsgewinn eine Steuerbefreiung oder eine Steuerermäßigung gewährt werden. Nach den i n vielen Staaten geltenden Bestimmungen unterliegt diese Erleichterung jedoch der Voraussetzung, daß die übernehmende Gesellschaft die Anteilseigner der übertragenden Gesellschaft i n Aktien und nicht i n Bargeld abfindet. 4

Cour de Cassation, Urteil vom 31. 5.1951, Pasicrisie 51. I, 665.

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Diese Voraussetzung w i r d u. a. i n Belgien, der Bundesrepublik, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz, den USA gefordert. A l l e r dings müssen bei der übertragenden Gesellschaft, von Staat zu Staat unterschiedlich, weitere Voraussetzungen erfüllt sein 5 . I m allgemeinen ist darüber hinaus die übernehmende Gesellschaft verpflichtet, die Buchwerte der übertragenen Wirtschaftsgüter weiterzuführen und nach Maßgabe dieser Buchwerte abzuschreiben. Man kann sich fragen, warum die Steuererleichterung nur dann gewährt wird, wenn die Gegenleistung i n A k t i e n der übernehmenden Gesellschaft besteht, und auch, warum diese Voraussetzung ζ. B. nicht auch i n Großbritannien und Italien gilt. Die A n t w o r t muß sein, daß der Gesetzgeber vermeiden w i l l , daß mittels der Fiktion (oder der „Scheinhandlung") einer Fusion Gewinne realisiert werden, die unter normalen Umständen der Besteuerung unterliegen würden. Zwar geschieht von der Gesellschaft aus betrachtet i n beiden Fällen dasselbe, nämlich die Übernahme, die dazu führt, daß entweder der übergehende Geschäftsbetrieb selbständig weiter besteht oder i n einen anderen Betrieb integriert wird, aber i m allgemeinwirtschaftlichen Sinne zeigt sich bei Barzahlungen folgender Unterschied: Die übernehmende Gesellschaft muß für eine zusätzliche Finanzierung sorgen, die bei einer Zahlung i n Aktien nicht nötig ist, und die übertragende Gesellschaft oder ihre A k tionäre können die empfangenen Barleistungen irgendwo anders anlegen. Anders ausgedrückt: I n beiden Fällen ändert sich auf der Ebene des Geschäftsbetriebes nichts oder nichts anderes als eine Betriebsvergrößerung oder -integration, während bei einer Barzahlung Änderungen bei den endgültigen Eigentümern auftreten und sich dadurch eine Machtkonzentration ergibt. Dagegen hat der Steuergesetzgeber an sich keine Bedenken, aber er hat gewollt, daß i m letzteren Fall bestimmte steuerliche Folgen eintreten, nämlich die Besteuerung der realisierten Vermögenszuwächse. Obgleich nicht vollkommen konsequent, hat der Gesetzgeber i n Großbritannien und Italien einen „Mißbrauch" der Fusion auf dem Wege anderer Maßnahmen vermieden und deshalb unter gewissen Voraussetzungen auch Barzahlungen zugelassen. Betrachtet man nun den Vorgang so, wie er steuerlich erleichtert wird, dann ist das Ergebnis folgendes: Die übertragende Gesellschaft 3 Siehe für Einzelheiten u. a. J. van Hoorn jr., The Effects of Taxation on Industrial Concentration in Belgium, France, Great Britain, Italy, the Netherlands, Austria, Switzerland and the United States, Abschnitt D der jeweiligen Länderkapitel, in: Helmut Arndt (Hrsg.), Die Konzentration in der Wirtschaft, Schr.VfSp. NF, 2. Aufl. Bd. I, Berlin 1971, S. 855 ff. Siehe auch die Länderberichte in den in Fußnote 3 erwähnten „Cahiers de Droit Fiscal International".

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Β w i r d Aktionär der übernehmenden Gesellschaft A oder, wenn sie gesetzlich verpflichtet ist, die empfangenen A k t i e n an ihre eigenen Aktionäre auszuschütten (ζ. B. i n Großbritannien), werden diese A k tionäre Anteilseigner der übernehmenden Gesellschaft. Obwohl die Beteiligungsquote sich ändern kann — ein Aktionär der Gesellschaft B, der daran ζ. B. m i t 10 v. H. beteiligt war, w i r d nach der Fusion direkt oder indirekt Aktionär der Gesellschaft A m i t ζ. B. nur 2 v. H. —, kann man sagen, daß die Konzentration sich auf den Betriebszusammenschluß beschränkt und daß sich bei den Personen der Aktionäre i m Grunde genommen nichts ändert; die Aktionäre der früheren (kleinen) Gesellschaft A bleiben Aktionäre der (größeren) Gesellschaft A, und die Aktionäre der Gesellschaft Β werden direkt (bei Ausschüttung der Aktien) oder indirekt (wenn Β die empfangenen Aktien behält) A k t i o näre der (größeren) Gesellschaft A. Zusammen bleiben alle Beteiligten Eigentümer der beiden Geschäftsbetriebe. Sollte die Gesellschaft A mit Bargeld für den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft Β bezahlen, dann wären nur sie und indirekt ihre Aktionäre Eigentümer des größeren Geschäftsbetriebes. Somit würde das integrierte Vermögen von einer kleineren Gruppe beherrscht werden, als es vor der Transaktion der Fall war. Eine Steuererleichterung für den letzteren Fall würde damit mehr bedeuten als das Wegnehmen eines Hindernisses zu einer rein wirtschaftlichen Konzentration, denn sie würde zu einer Machtkonzentration führen. I n einem derartigen Fall würde das Steuerrecht die letztere Form der Konzentration fördern, während es bei der Integration der beiden Betriebe ohne Konzentration auf der Ebene der A n teilseigner lediglich ein Hindernis zur Konzentration beseitigt. Das Hindernis besteht darin, daß ohne die Steuererleichterungsmaßnahmen die geltenden steuerrechtlichen Bestimmungen die Fiktion einer Gewinnrealisierung annehmen würden, während i n der wirtschaftlichen Realität tatsächlich nichts realisiert wird. Kurz zusammengefaßt: stets dann, wenn eine Fusion nur steuerlich erleichtert wird, wenn die Übernahme gegen A k t i e n erfolgt, fördert das Steuerrecht die Konzentration i m hier gebrauchten Sinne nicht. Wenn jedoch die Vergünstigung auch für Barzahlungen gilt, fördert das Steuerrecht die Konzentration wirtschaftlicher Macht. Für die juristische Konzentration gelten die bisherigen Ausführungen a fortiori. I n denjenigen Staaten, i n denen nach dem Handelsrecht die Verschmelzung zweier oder mehrerer Gesellschaften automatisch zur Auflösung der übernommenen Gesellschaft(en) führt, schließt sich das Steuerrecht diesen Bestimmungen mittels Sondermaßnahmen an. Fast überall hat nämlich die Auflösung einer Gesellschaft zur Folge, daß stille Reserven, die dabei realisiert werden, entweder den norma-

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len Steuersätzen unterliegen oder nach einem ermäßigten Tarif besteuert werden können. Die o. a. Sondermaßnahmen bestehen nun darin, daß die Auflösung bei einer Verschmelzung nicht oder nur zu einer geringen Besteuerung führt. Diese völlige oder partielle Steuerbefreiung w i r d jedoch erst dann gewährt, wenn einige Voraussetzungen erfüllt sind, darunter vor allem die des Austausches von Aktien. M i t anderen Worten: Wenn eine Gesellschaft ein Übernahmeangebot auf sämtliche Aktien einer anderen Gesellschaft unterbreitet, gilt die Steuererleichterung nur dann, wenn die Gegenleistung i n A k t i e n der übernehmenden Gesellschaft besteht. Es sind also die Aktionäre der auflösenden Gesellschaft, die ihre Aktien gegen Aktien der übernehmenden Gesellschaft tauschen und damit indirekt Eigentümer des übertragenen Betriebsvermögens bleiben. Hier gilt entsprechend das gleiche, was für die bereits dargestellte Fusion gilt: Die Gesamtheit der Aktionäre bleibt die gleiche, wenn auch jede einzelne Beteiligung an der vergrößerten Gesellschaft prozentual geringer wird. Die steuerlichen Hindernisse, die die Schaffung einer größeren betriebswirtschaftlichen Einheit erschweren oder unmöglich machen, werden beseitigt, doch gibt es keine steuerliche Vergünstigung, die zur Machtkonzentration führt. Anders wäre es allerdings dann, wenn die Steuervorteile auch bei einer Barzahlung an die Aktionäre der auflösenden Gesellschaft gewährt werden würden.

I I I . Beteiligungen W i l l sich eine Gesellschaft an einer anderen Gesellschaft beteiligen, geschieht dies i m allgemeinen mittels Erwerb von A k t i e n gegen Barzahlung. Handelt es sich u m ein umfangreiches Aktienpaket, kann der Erwerb i n Form eines Austausches von Aktien stattfinden. Das Hauptmerkmal, das für die folgenden Ausführungen interessiert, ist, daß eine Gesellschaft direkt das Eigentum (eines Teils) des Aktienkapitals der anderen Gesellschaft erwirbt, daß also direkt eine Konzentration von Verfügungsmacht bei natürlichen oder juristischen Personen entsteht oder entstehen kann. I m Falle einer Barzahlung für die erworbenen Aktien ist diese Konzentration endgültig und entspricht unmittelbar einer Machtkonzentration. Ob i m konkreten Einzelfall von einer Konzentration der Macht die Rede sein kann, hängt von der Beteiligungsquote ab. Ob das Steuerrecht eine Machtkonzentration fördert, w i r d ebenfalls dadurch bestimmt, bei welcher Beteiligungsquote eine Steuererleichterung schon resp. erst gewährt wird, und welches der Zweck einer solchen Erleichterung ist.

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Es kann i m Interesse einer Gesellschaft liegen, an einer anderen Gesellschaft eine Beteiligung zu erwerben, um dadurch Lieferungen an sie oder von ihr sicher zu stellen. I n vielen Fällen w i r d ein signifikanter Einfluß genügen, so daß eine vollständige Beherrschung nicht notwendig erscheint. Nach den i n den meisten Industriestaaten bestehenden Körperschaftsteuersystemen würde eine Beteiligung zu einer mehrfachen Besteuerung Anlaß geben: Die erste Gesellschaft erzielt einen (steuerbaren) Gewinn und schüttet einen Teil davon i n Form von Dividenden aus; die zweite Gesellschaft müßte diese Dividenden versteuern; bei einer weiteren Ausschüttung müßten die Aktionäre der zweiten Gesellschaft nochmals Einkommensteuer auf diese Dividenden entrichten. Handelt es sich um eine Kette von Beteiligungen, so addiert sich die mehrfache Steuerbelastung entsprechend. I n der Regel w i r d eine derartige Mehrfachbesteuerung durch die verschiedenartigen Körperschaftsteuersysteme ganz oder zum größten Teil vermieden, jedoch nicht unter denselben Voraussetzungen. Gerade diese Voraussetzungen sind es, die u. U. die Frage aufwerfen, ob die steuerliche Erleichterung eine Konzentration durch Beteiligungserwerb i m Sinne einer Machtkonzentration fördert. Es gibt Staaten, i n denen bei jeder Beteiligung keine oder nur eine geringe mehrfache Steuerbelastung entsteht. I n Großbritannien ζ. B. führt die Regelung des „franked investment income" zu einer völligen Steuerbefreiung der Dividenden bei der empfangenden Gesellschaft 6 . Eine Mindestbeteiligung w i r d nicht gefordert. Belgien hat immer das Prinzip „non bis i n idem" angewendet und bei der Steuerreform 1962 hat es dieses Prinzip für Beteiligungen grundsätzlich beibehalten. Jede Beteiligung führt zu einer Steuerbefreiung bei der D i v i denden empfangenden Gesellschaft, und sei es nur i n Höhe von 95 v. H. (in einigen Fällen 90 v. H.) der Ausschüttungsbeträge 7 . Auch i n den USA ist keine Mindestbeteiligung vorgeschrieben; dort sind Dividendenzahlungen zu 85 v. H. nach der Regelung der „dividend received 6 Finance Act, 1972 sec. 88. Es sei hier bemerkt, daß seit der Einführung (1973) des neuen Körperschaftsteuersystems nach dem Anrechnungsverfahren diese „völlige Steuerbefreiung" erst umfassend wird, wenn die empfangende Gesellschaft ihrerseits Gewinne ausschüttet. Jede britische Gesellschaft muß nämlich schon bei der Ausschüttung einen Teil der Körperschaftsteuer vorauszahlen (Advanced Corporation Tax = ACT) in Höhe von 35 v. H. Der Aktionär kann diese A C T auf seine Einkommensteuer anrechnen. Weil die empfangende Gesellschaft für diese Dividenden keine Körperschaftsteuer schuldet, kann sie die A C T erst auf ihre eigene A C T bei Ausschüttung ihrer eigenen Dividenden anrechnen. Da nun die Dividendenausschüttung den Regelfall darstellt, wird hier vereinfacht von einer „völligen Steuerbefreiung" gesprochen. 7 Code des Impôts sur le Revenu (C. I. R.), Art. 111 und 113.

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deduction" steuerfrei 8 . Die niederländische Steuergesetzgebung 9 ist derjenigen der bereits erwähnten Staaten sehr ähnlich: Völlig steuerbefreit sind Dividenden bei einer Beteiligung von 5 v. H. (oder mehr), doch kann der Minister der Finanzen diese Steuerbefreiung auch dann gewähren, wenn die Beteiligung geringer ist und den geschäftlichen Interessen der beteiligten Gesellschaft dient. Ist jedoch der Aktienbesitz als eine Kapitalanlage zu betrachten, bestehen i n den Niederlanden Bestimmungen, die diese Steuerbefreiung direkt oder indirekt vermeiden. I n der Praxis w i r d allerdings für jede Dauerbeteiligung die Steuerbefreiung gewährt. I n diesen Staaten folgt die steuerliche Behandlung den Erfordernissen der Wirtschaft, die darin bestehen, daß keine zusätzliche Steuerbelastung auftritt, wenn eine Gesellschaft einen wenn auch geringen Einfluß auf eine andere Gesellschaft mittels einer Beteiligung erwirbt. I n anderen Staaten bleibt eine Beteiligung erst dann ohne steuerliche Konsequenzen, wenn sie einen bestimmten Umfang erreicht hat. Von diesen Staaten kommt Frankreich den oben erwähnten Regelungen am nächsten: Das Steuergesetz fordert, daß der Umfang der Beteiligung mindestens 10 v. H. betragen muß oder weniger betragen kann, wenn der Anschaffungspreis des Aktienbesitzes mindestens 10 Mill. Franken betragen hat. Allerdings bleibt die Steuerbefreiung auf 95 v. H. der Dividenden beschränkt, soweit die auf die Beteiligung entfallenden zuzurechnenden Verwaltungskosten 5 v. H. oder mehr betragen; sind sie geringer, so erhöht sich der steuerbefreite Betrag um den Unterschied 10 . I n der Schweiz hängt die Steuererleichterung m i t dem progressiv ausgestalteten Tarif der eidgenössischen Wehrsteuer für Körperschaften zusammen. Sie hat nicht die Form einer Befreiung, sondern vielmehr die einer anteilsmäßigen Anrechnung. Diese gilt jedoch erst bei einer Beteiligung von mindestens 20 v. H. 1 1 . Noch weniger großzügig sind die Bundesrepublik, Dänemark, Luxemburg, Österreich und Schweden. I n diesen Staaten werden Schachteldividenden nur dann ganz von der Körperschaftsteuer befreit, wenn die Beteiligung mindestens 25 v. H. beträgt. Es ist interessant festzustellen, daß vielfach Doppelbesteuerungsabkommen ebenfalls an dem 25 v. H.-Kriterium für eine Ermäßigung resp. eine Nicht-Erhebung ihrer Steuern anknüpfen. Dort, wo das Schachtelprivileg gemäß der nationalen Gesetzgebung nicht über die Grenze w i r k t , führen die Doppelbesteuerungsabkommen zu einer der8

Internal Revenue Code (I. R. C.), 1954, sec. 243. Wet op de vennootschapsbelasting (Körperschaftsteuergesetz), Art. 13. 10 Code Général des Impôts (C. G. I.), Art. 216 und 145. 11 Wehrsteuerbeschluß, Art. 59.

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artigen Wirkung; m i t verhältnismäßig wenigen Ausnahmen enthalten diese Abkommen auch Bestimmungen, nach denen Quellensteuern auf Dividenden bei einer Mindestbeteiligung von 25 v. H. (weiter) ermäßigt oder überhaupt nicht erhoben werden 1 2 . I n diesem Sinne ist auch das OECD-Musterabkommen von 196313 formuliert. I m Entwurf einer Richtlinie der europäischen Kommission über die steuerliche Behandlung von Mutter- und Tochtergesellschaften 14 w i r d für eine Befreiung von den Körperschaft- und Kapitalertragsteuern bei Schachteldividenden von einer Beteiligung von 20 ν Η. ausgegangen. Damit hat die Kommission den Vorschlag des „Neumark-Komitees" nicht übernommen, der diese Befreiungen an eine Beteiligung i n Höhe von mindestens 25 v. H. anknüpfen wollte 1 5 . Es erübrigt sich die Diskussion der Frage, warum i n den i m vorangehenden Abschnitt erwähnten Staaten erst ab einer relativ hohen Beteiligungsquote eine Steuerbefreiung gewährt wird. Vielmehr interessiert die Frage, die i m Rahmen des hier angeschnittenen Themas gestellt werden kann, nämlich: Was ist das Ergebnis dieser Beschränkung der Steuererleichterung für die Problematik der wirtschaftlichen Konzentration? Auch auf internationaler Ebene kann dieselbe Beschränkung Konsequenzen für den Konzentrationsprozeß haben. Soweit keine oder nur geringe Erfordernisse für die Steuerbefreiung von Dividendenausschüttungen zwischen Gesellschaften bestehen, ist die Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung kein Anlaß für eine Konzentration. Denn wenn es einer Gesellschaft aus geschäftlichen Gründen genügt, sich m i t einem geringen Betrag an einer anderen Gesellschaft zu beteiligen, erlangt sie die steuerliche Erleichterung ohne weitere konzentrationspolitische Relevanz. Es läßt sich denken, daß auch i n anderen Ländern eine derartige geringe Beteiligung für geschäftliche Zwecke genügen würde. Doch würde dann das Ergebnis eine zusätzliche, mehrfache Steuerbelastung sein. Die an einer geringen Beteiligung interessierte Gesellschaft könnte beschließen, von der Beteiligung abzusehen, weil diese aus steuerlichen Gründen zu kostspielig wird. Von der allgemeinen Wirtschaftsoptik aus betrachtet, könnte dies ein Nachteil sein, vor allem dann, wenn ein ausländischer Konkurrent ohne 12 Vgl. für eine systematische Übersicht: Guides to European Taxation, Vol. I : The Taxation of Dividends, Interest, Royalties in Europe, Amsterdam (Loseblatt-Ausgabe). 18 Art. 10, Abs. 2 a. 14 Vorschlag einer Richtlinie des Rates über das gemeinsame Steuersystem für Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, Deutscher Bundestag, Drucksache V/3774, 31. Januar 1969, Art. 3, Abs. 1, und 5, Abs. 1. 15 EWG-Kommission, Bericht des Steuer- und Finanzausschusses, deutsche Fassung, Brüssel 1962, S. 69, auch S. 73/74.

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steuerliche Konsequenzen seine Marktposition m i t Beteiligungen dieser A r t verstärken kann. Andererseits könnte die Gesellschaft aus betriebswirtschaftlichen Gründen gezwungen sein, sich i n jedem Fall an einer anderen Gesellschaft zu beteiligen, selbst wenn diese Beteiligung größer sein müßte, um i n den Genuß der Steuerbefreiung zu gelangen. Zwar wäre dann die notwendige Investition größer, doch würde nachher keine steuerliche Mehrbelastung auftreten. Bei einer Beteiligung, deren Quote aus geschäftlichen Gründen nicht groß zu sein braucht, die jedoch aus steuerlichen Erwägungen größer ist, zeigt sich eine Situation, i n der das Steuerrecht die Konzentration fördert. Denn wenn eine Steuerbefreiung ζ. B. erst bei einer 25-prozentigen Beteiligung gewährt wird, kann der Einfluß der sich beteiligenden Gesellschaft so groß werden, daß sie die andere Gesellschaft de facto völlig beherrscht. I m internationalen Bereich können unterschiedliche nationale Regelungen zu ungewöhnlichen Lösungen führen. Wenn sich ζ. B. eine niederländische Gesellschaft an einer schweizerischen Gesellschaft zu 5 v. H. beteiligt, sind nach niederländischem Recht die schweizerischen Dividendenausschüttungen von der niederländischen Körperschaftsteuer befreit; sie unterliegen aber der schweizerischen Quellenbesteuerung nach dem (ermäßigten) Satz von 15 v. H. 1 6 . Diese schweizerische Quellensteuer entfällt jedoch gänzlich bei einer Mindestbeteiligung von 25 v. H. 1 7 . Eine ähnliche Regelung zeigt sich bei mehreren von den Niederlanden abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen. Eine derartige Befreiung von der ausländischen Quellenbesteuerung erst bei größeren Beteiligungen ist per se eine Anregung zu Konzentrationen über die Grenze. Einige niederländische Abkommen wirken sogar noch stärker i n dieser Hinsicht. Dividenden, die ζ. B. eine italienische Gesellschaft an eine niederländische ausschüttet, unterliegen der normalen italienischen Quellensteuer, m i t Ausnahme des Falles, i n dem die Beteiligung 75 v. H. oder mehr beträgt 1 8 . Gemäß dem Abkommen m i t Kanada 1 9 w i r d ζ Β. keine Quellensteuer erhoben, wenn es sich um eine Beteiligung von mindestens 95 v. H. handelt. Umgekehrt kann eine Abkommensregelung zu Entflechtungen führen. Wegen des gespaltenen Körperschaftsteuertarifes ermäßigt die Bundesrepublik Deutschland die Kapitalertragsteuer i n der Regel nicht, wenn sich eine ausländische Gesellschaft zu 25 v. H. oder mehr an einer 16 Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Schweiz / Niederlande, Abs. 2, a, ii. 17 Ebenda, Abs. 2, a, i. 18 D B A Italien / Niederlande, Art. V I I § 2, Abs. 2. 19 DBA Kanada / Niederlande, Art. V I I , Abs. 3, a.

Art. 9,

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deutschen Gesellschaft beteiligt. I n der Praxis ist ein Fall bekannt, in dem eine ausländische Muttergesellschaft eine 100-prozentige Beteiligung an einer anderen Gesellschaft unter ihren Tochtergesellschaften aufgeteilt hat, so daß jede nur mehr eine Beteiligung von weniger als 25 v. H. besaß und somit vom ermäßigten Steuersatz der Kapitalertragsteuer profitieren konnte. Allerdings handelt es sich hier nicht um die Förderung einer Konzentration, doch zeigt dieser Fall, daß steuerliche Unterschiede zu Ergebnissen führen können, die mit wirtschaftlicher Notwendigkeit nicht zu begründen sind. Eine besondere A r t von Beteiligungen liegt bei Organverhältnissen vor. Der Begriff „Organschaft" w i r d allein i n der Bundesrepublik Deutschland und i n Österreich verwendet, aber ähnliche Termini bestehen auch i n anderen Staaten, wenn von „consolidated balance sheets" oder von „steuerlichen Einheiten" gesprochen wird. Das gemeinsame Merkmal, das solche Beteiligungen kennzeichnet, ist, daß zwei (oder mehr) Gesellschaften zwar juristisch selbständig bleiben, steuerlich aber insofern als eine Einheit behandelt werden, als die Gewinne und Verluste der jeweiligen Gesellschaften addiert bzw. saldiert werden. Die Voraussetzungen sind i n den einzelnen Ländern verschieden ausgestaltet, doch i n allen Fällen muß von einer „Beherrschung" der einen Gesellschaft über die anderen die Rede sein. I n der Bundesrepublik muß u. a eine Beteiligung vorliegen, der die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen an der Organgesellschaft zusteht 20 ; i n den Niederlanden muß es sich u m eine 100-prozentige Tochtergesellschaft handeln; i n Großbritannien gelten Beteiligungsquoten von 50, 75 oder 90 v. H. m i t jeweils unterschiedlichen steuerlichen Konsequenzen. Man könnte nun den Standpunkt vertreten, daß i n derartigen Fällen das Steuerrecht lediglich wirtschaftliche Gegebenheiten anerkennt. Wenn tatsächlich nur ein einziges Betriebsvermögen besteht, das j u r i stisch aufgespalten ist, w i r d die juristische Struktur nicht oder nicht ganz berücksichtigt. Unter diesem Blickwinkel ist die steuerliche A n passung an die wirtschaftliche Realität natürlich richtig. Die Frage kann jedoch gestellt werden, ob eine derartige Regelung nicht umgekehrt dazu führen kann, daß Organschaften oder ähnliche Strukturen nur aus steuerlichen Gründen geschaffen werden, ohne daß dafür eine wirtschaftliche Notwendigkeit vorliegt. Sollte diese Frage zu bejahen sein, so liegt ein Fall vor, i n dem das Steuerrechte diese Form der Konzentration realiter fördert.

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§ 7 a Körperschaftsteuergesetz 1975.

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IV. Zusammenfassung Die Erkenntnis der Vielfalt unterschiedlicher Ebenen, auf denen eine Konzentration sich vollziehen kann, und der mehrfachen Phasen, durch die sich Konzentrationsvorgänge realisieren lassen, führt zu dem Ergebnis, daß das vorliegende Thema außerordentlich komplex ist. Eine Analyse der steuerlichen Behandlungen, die von Staat zu Staat sehr verschieden sind, zeigt, daß die jeweiligen Steuergesetzgeber sich zwar mit den Problemen beschäftigt haben, jedoch dabei nicht immer scharf gesehen haben, zu welchem Endergebnis ihre Maßnahmen führen können. Die hier angeschnittenen Fragen können nicht eindeutig beantwortet werden. Es ist aber der Versuch unternommen worden, das Problem der Konzentration unter steuerlichen Gesichtspunkten kurz zu analysieren, d. h. Unterschiede zwischen den einzelnen Phasen nach den steuerlichen Wirkungen hin anzudeuten. Dabei ist dem Ausdruck „Steuervergünstigung" eine Bedeutung gegeben worden, die ihn als eine besondere A r t des neutralen Begriffs „Steuererleichterung" bezeichnet. Der Leser w i r d vielleicht der Meinung sein, daß dieser Unterschied zu theoretisch und für die Praxis ohne Interesse ist. Dazu sei jedoch bemerkt, daß mit einer Vergünstigung einem Zweck gedient wird, der von der „normalen" Situation i n positivem oder vielleicht auch negativem Sinne abweicht, und daß eine Ermäßigung gewährt w i r d oder werden soll, um ein Hindernis i n Richtung zum „normalen" Zustand zu beseitigen. Dieser Unterschied erscheint dem Verfasser dieses Beitrages als sinnvoll. Ähnliches gilt auch für die Unterschiede, die er zur Definition des Begriffs „Konzentration" angeführt hat. Hierbei hat sich — zu seiner eigenen Überraschung — herausgestellt, daß eine Konzentration auf der Ebene des Geschäftsbetriebes und der unternehmerischen Tätigkeiten nicht automatisch zu einer Konzentration des juristischen Eigentums und damit der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zu führen braucht. Es hat sich i n der Praxis gezeigt, daß gewisse Verbindungen zwischen Geschäftsbetrieben oder juristischen Personen, die einen Geschäftsbetrieb besitzen, für die Wirtschaft erwünscht sind, ohne daß hierzu eine „Konzentration" notwendig ist. Besteht nun infolge steuerlicher Vorteile eine Neigung, größere betriebswirtschaftliche Einheiten, größere Gesellschaften oder Konzerne zu bilden, wodurch auch die Macht über die Ausübung unternehmerischer Tätigkeiten „konzentriert" wird, kann gefolgert werden, daß das Steuerrecht eine solche „Konzentration" fördert. Unabhängig davon, ob dies gewollt oder nicht gewollt ist, bleibt das Ergebnis dasselbe.

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So betrachtet hätte das Thema vielleicht anders lauten sollen. Denn alle hier erwähnten Formen führen zu einer mehr oder weniger umfangreichen wirtschaftlichen „Konzentration" i m Sinne einer Verbindung mehrerer Geschäftsbetriebe oder unternehmerischer Tätigkeiten. I n bestimmten Fällen w i r d jedoch die Macht über diese Vermögen i n einer Hand konzentriert, und hierfür spielt das Steuerrecht eine maßgebliche Rolle. Fördert das Steuerrecht die Konzentration der Macht i n der Wirtschaft? So wäre vielleicht die Frage besser formuliert. Die A n t w o r t kann dann lauten: Die Bestimmungen der Steuergesetzgebungen einiger Staaten und auch die Mehrzahl der bestehenden oder vorgeschlagenen internationalen Regelungen führen dazu, daß tatsächlich die Konzentration der juristischen und damit der wirtschaftlichen Macht durch das Steuerrecht gefördert wird. Diese Bestimmungen und Regelungen führen (von Staat zu Staat) zu unterschiedlichen Machtverhältnissen, was insbesondere i m Hinblick auf den Gemeinsamen Markt unerwünscht erscheint. Aus den von der EG-Kommission i n dieser Hinsicht vorgeschlagenen Regelungen w i r d sich kaum eine einheitliche Lösung ergeben können, weil diese sowohl eine die Machtkonzentration fördernde Wirkung besitzen als auch den einzelnen Staaten die Freiheit lassen, ihre jeweiligen günstigeren, d. h. nichtkonzentrationsfördernden, Regelungen beizubehalten. Wenn i n einigen M i t gliedstaaten das Steuerrecht der Konzentration neutral gegenübersteht, während es i n anderen Staaten die Konzentration fördert, kann darüber hinaus allzu leicht innerhalb des Gemeinsamen Marktes ein wirtschaftliches Ungleichgewicht entstehen. Dies aber ist ein ganz anderes Problem, das hier abschließend nur erwähnt sei.

Zum Machtaspekt in der Berufsbildungsdebatte* Von Rexmut Jochimsen 1. Macht, Schichtung und Chancengleichheit im Bildungswesen Bildungspolitik und vor allem der Bereich der beruflichen Bildung ist i n der Bundesrepublik Deutschland i m vergangenen Jahrzehnt zunehmend i n den Blickpunkt der öifentlichkeit und i n das Zentrum der Reformbemühungen der Bundesregierung gerückt. Einen ersten Schritt zur Reform bildete das Berufsbildungsgesetz vom 14. August 19691, das u. a. beeinflußt durch einen Bericht der Bundesregierung über den Stand der Maßnahmen auf dem Gebiet der Bildungsplanung 2 noch von der Großen Koalition verabschiedet wurde. Damit jedoch war die Diskussion nicht beendet: Das Gesetz weist entscheidende Mängel und Fehlanzeigen auf, die die Bundesregierung zur Vorlage der Neufassung des Berufsbildungsgesetzes 3 veranlaßten. Auch die Opposition i m Deutschen Bundestag hat jüngst eine Novellierung zum geltenden Berufsbildungsgesetz vorgelegt. Wie kaum ein anderes innenpolitisches Reformprojekt steht dieser Bereich gegenwärtig i m Mittelpunkt des Interesses der Öffentlichkeit. Meinungsumfragen haben gezeigt, daß mehr als die Hälfte der Bürger wünscht, daß 1976 Entscheidendes zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung getan wird. Berufsbildungsreform kann durchaus als „Fallstudie" zum W i r k samwerden von Macht i n Wirtschaft und Politik aufgefaßt werden 4 . * Für Mitarbeit und kritische Anregungen danke ich Dipl.-Volkswirt Klaus-Jürgen Luther. 1 BGBl. I S. 1112. 2 Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Drucksache V/2166, vom 13. Oktober 1967. Vgl. im einzelnen Claus Offe , Berufsbildungsreform. Eine Fallstudie über Reformpolitik, Frankfurt a. M. 1975, S. 51 ff. 3 Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, Drucksache 7/3714, vom 2. Juni 1975. 4 Vgl. dazu auch Claus Offe , Berufsbildungsreform. Eine Fallstudie über Reformpolitik, a.a.O., insbesondere S. 101 ff., S. 201 ff.; Peter Binkelmann t Fritz Böhle, Irmtraut Schneller, Industrielle Ausbildung und Berufsbildungsrecht. Betriebliche Interessen und öffentliche Einflußnahme in der beruflichen Grundbildung (Arbeiten des Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung München), Frankfurt a. M., Köln 1975; Adolf Kell, Die Vorstellungen der Verbände zur Berufsausbildung (Institut für Bildungsforschung in der Max-Planck-Gesellschaft, Studien und Berichte, Nr. 20), Berlin 1970, 2 Bde.;

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Denn es kann kein Zweifel daran bestehen, daß es bei dieser Reform auch um Macht, Machtverteilung und Machtkontrolle geht. Macht sei hier verstanden als „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht" 5 . Die Definition ist für den Zweck einer Analyse realer Vorgänge zu operationalisieren, u m Zugang für Ursachen und Wirkung von Macht und damit anwendbare Konzepte einer Kontrolle von Macht zu gewinnen: „Wer die wirtschaftliche (oder politische) Macht hat, setzt die Wertungen der von i h m Abhängigen als Aktionsparameter i n seinem Interesse ein. Anders gesagt: Ökonomische Macht ist insofern die Fähigkeit, andere W i r t schafter zu einer Änderung ihrer ökonomisch relevanten Bedürfnisse zu zwingen." 6 Und: „Wirtschaftliche Macht ist die Fähigkeit, . . . die eigene Information gegen die Unwissenheit anderer Wirtschafter auszuspielen und die vom Staat gesetzten Rahmenbedingungen des W i r t schaftens zu beeinflussen . . ." 7 . Der Zugang zu beruflicher Qualifikation, sozialer Kompetenz und persönlicher Entfaltung w i r d i n hochindustrialisierten Ländern weithin und zunehmend durch die individuellen Chancen zur allgemeinen und beruflichen Bildung und Ausbildung bestimmt. Chancengleichheit herrscht weder bei der individuellen Förderung bzw. der Selektion oder Auslese i m Verteilerkreis zwischen der Primärstufe des B i l dungswesens und der Mittelstufe (besonders i n seiner herkömmlichen, auf die Bundesrepublik und die Schweiz beschränkten vertikalen Dreigliedrigkeit von Gymnasium, Realschule und Hauptschule) noch i n dem zwischen Mittelstufe und Oberstufe. Andererseits legen eben diese Verteilerkreise i m Bildungswesen teilweise uneinholbar die Lebenswege junger Menschen fest, und zwar Martin Baethge, Ausbildung und Herrschaft. Unternehmerinteressen in der Bildungspolitik (Studienreihe des Soziologischen Forschungsinstituts Göttingen SOFI), Frankfurt a. M. o. J. (1970); Reinhard Crusius, Wolf gang Lempert, Manfred Wilke (Hrsg.), Berufsbildung — Reformpolitik in der Sackgasse? Alternativprogramm für eine Strukturreform, Reinbek b. Hamburg 1974. 5 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, Bd. 1, 4., neu hrsg. Aufl. von J. Winckelmann, Tübingen 1956, S. 28. 6 Helmut Arndt, Markt und Macht, 2., grundlegend veränd. Aufl. von „Mikroökonomische Theorie", Bd. 1, Tübingen 1973, S. 5 (dort z.T. hervorgehoben). 7 Ebenda, S. 101.—Helmut Arndt gebührt das Verdienst, im deutschsprachigen Raum nach Max Weber jahrzehntelang fast allein auf die Unzulänglichkeit der herrschenden sozialwissenschaftlichen Theorien hingewiesen zu haben, in denen Macht hinter Elastizitäts- und Grenzproduktivitätsbegriffen „versteckt" wurde. Er hat in zahlreichen Veröffentlichungen diesen entscheidenden Mangel mit abgebaut und kraft seiner Persönlichkeit den Verein für Socialpolitik aus der gesellschaftlichen und praktischen Irrelevanz, ja selbstgewählter Isolation und Neutralität akademischer Sozial- und Wirtschaftswissenschaft herauszuführen gesucht.

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nach wie vor weithin abhängig von ihrer Gruppenzugehörigkeit i n der sozioökonomischen Schichtung. Dies gilt auch für die berufliche Bildung. So haben nur 2 °/o aller Berufsschüler, aber 36 % aller Studenten einen Vater m i t Abitur, und 34 %> der 16- bis unter 25jährigen ungelernten Arbeiter haben einen Ungelernten zum Vater 8 . Soziale Herkunft (hier: Beruf und Schulbildung des Vaters) nach Bildungssituationen, 1972 v. H. der Lernenden Vater hat Abitur Vater ist Arbeiter

Schulart Grundschule Hauptschule Realschule Gymnasium Fachhochschule Universität

10 3 5 30 23 36

47 60 41 17 24 12

Quelle: Statistisches Bundesamt (Mikrozensus 1972) und Berechnungen des Bundes* ministeriums für Bildung und Wissenschaft.

Während bei den Studierenden an den wissenschaftlichen Hochschulen 1972 der Anteil der Arbeiterkinder immerhin auf 12 °/o gestiegen ist, sieht die Lage bei den Auszubildenden i m System der dualen Berufsausbildung nach wie vor so aus, daß hier einem weit überproportionalen Anteil der Jugendlichen aus Arbeiterfamilien ein verschwindend kleiner Anteil der Kinder von Selbständigen, von leitenden A n gestellten, höheren Beamten und Akademikern gegenübersteht. Schichtenspezifische Reproduktionsprozesse zeigen sich i n der beruflichen Bildung am deutlichsten; sie genießt nach wie vor geringeres Prestige, ihre Gleichwertigkeit, die zu einem guten Teil nur aufgrund einer gesellschaftspolitischen Setzung erfolgen kann, steht noch aus. Die Reform der beruflichen Bildung ist gesellschaftspolitisch, d. h. auch: machtpolitisch, umstritten. Den damit aufgeworfenen Fragen soll i m weiteren nachgegangen werden. 2. Rahmenbedingungen der beruflichen Bildung 2.1 Entwicklung des „Marktes" für berufliche Bildung in der Bundesrepublik Deutschland

Seit der Mitte der 60er Jahre ist der prozentuale Anteil der Jugendlichen, für die traditionell wegen ihrer Vorbildung vor allem eine Berufsausbildung, insbesondere i n gewerblich-technischen Berufen, infrage kam, erheblich zurückgegangen. Noch 1965 verließen rund 8 Vgl. hierzu und zur folgenden Tabelle: Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.), Bildungspolitische Zwischenbilanz, Bonn 1976, Abschnitt 3.3.

8 Festschrift für Helmut Arndt

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80 °/o aller Schulentlassenen Hauptschulen und Sonderschulen, etwa 7 °/o erreichten das A b i t u r und die übrigen einen mittleren Abschluß. Inzwischen beträgt der Anteil der mittleren und höheren Abschlüsse rund ein Drittel aller Schulentlassenen, und das 9. Schuljahr (in einigen Bundesländern auch das 10. Schuljahr) wurde sowohl i n allgemeinbildenden wie i n berufsbildenden Schulen eingeführt. — Die Ausbildungssituation hat sich für Betriebe, Berufsschulen und Jugendliche also erheblich gewandelt. Dennoch blieb die Gesamtzahl der Auszubildenden von dieser Entwicklung nahezu unberührt: Sie betrug 1950 knapp unter 1 Mill., stieg bis 1955 auf 1,4 Mill, und ist seitdem fast konstant. I n der voraussehbaren Zukunft werden nun für zehn Jahre geburtenstarke Jahrgänge das System der allgemeinbildenden Schulen verlassen und eine Berufsausbildung nachfragen: Während 1973/74 rund 630 000 Schüler die allgemeinbildenden Schulen der Mittelstufe absolviert haben, werden es mittelfristig (1977/78) voraussichtlich mindestens 700 000 sein; langfristig w i r d diese Zahl wieder abnehmen. Die Zahl der 16- bis unter 17-jährigen betrug 1970 815 000 und 1975 887 000; sie w i r d bis 1980 auf 1,024 M i l l , steigen und 1985 (1990) auf 945 000 (655 000) sinken. 1980 w i r d mit ca. 860 000 die höchste Zahl an Schulabgängern ohne Hochschulreife erreicht werden, u m dann bis 1985 wieder auf das Niveau von 1974 zurückzugehen und ggf. noch weiter abzusinken. Die absehbare Nachfrage nach Ausbildungsplätzen w i r d zudem regional nicht gleichmäßig (ζ. B. gemessen an der Gesamtbevölkerung) auftreten. Zugleich ist darauf hinzuweisen, daß sich i n der Vergangenheit innerhalb der Ausbildungsberufe starke Veränderungen vollzogen haben und auch weiterhin der Anteil der einzelnen Sektoren bzw. Branchen variieren wird. Bauberufe, Tischler und Modellbauer etwa sind seit 1950 von nahezu 20 °/o Anteil an den Auszubildenden bis zu ihrem heutigen Tiefstand (etwa 3 °/o) reduziert, während kaufmännischadministrative Berufe, aber auch viele technische Berufe stark expandiert haben. Die gesamte berufliche Ausbildung vollzieht sich ζ. Z. i n nur 16 - 20 °/o aller Betriebe; die Gesamtzahl hat sich i m Bereich der Industrie- und Handelskammern i n den 50er Jahren u m etwa 25 °/o, i m Bereich der Handwerkskammern u m 40 % verringert; jedoch sind immer noch die Klein- und Mittelbetriebe überproportional an der Ausbildung — ja auch für die nicht beteiligten 80 °/o der Betriebe — beteiligt. 2.2 Veränderungen gesellschaftlidier Rahmenbedingungen als Ausgangspunkt einer Reform der beruflichen Bildung

Haben w i r uns bisher mehr den quantitativen als den qualitativen Aspekten des Marktes der Ausbildungsstellen und der darin bestim-

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menden Machtfragen zugewendet, so sollen i n diesem Abschnitt einige Strukturwandlungen skizziert werden, die Grundlage sein können für die Ableitung von Zielen und M i t t e l n i m Hinblick auf zu erwartende zukünftige Veränderungen bzw. notwendige Beeinflussungen zukünftiger Veränderungen der Struktur der Inhalte und der Qualität der beruflichen Bildung. Zunächst steht nur fest, daß die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht stationär sind. Welche Rahmenbedingungen und Veränderungen von Rahmenbedingungen i n der Vergangenheit werden jedoch i m Bildungssystem allgemein und besonders i m System der beruflichen Bildung wirksam (Inputaspekt), welche weiteren Veränderungen sind zu erwarten, innerhalb deren die Auszubildenden tätig werden sollen (Outputaspekt)? Damit w i r d die problemadäquate Beschreibung von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Strukturwandlungen zum Problem: Wie soll der Strukturwandel von Wirtschaft und Gesellschaft etwa ab 1950 beschrieben werden, so daß hieraus konkrete A n sätze zur Diagnose und zu Veränderungen i m System der beruflichen Bildung abgeleitet werden können? Ferner: Wie werden sich diese Rahmenbedingungen bis zum Ende eines geeigneten Zeithorizonts verändern, und welche alternativen Bildungsformen sind vorstellbar i m Hinblick auf eine festzulegende Rolle der Auszubildenden i n diesem permanenten Wandlungsprozeß? Es gibt nun weder eine abgesicherte (quantitative) Beschreibung des für das Bildungssystem relevanten Strukturwandels der Gesellschaft, noch kann es sie geben; dies gilt auch für Prognosen des Strukturwandels. Analysen sind nicht unabhängig vom Erkenntnisinteresse und vom Interesse an politischen Veränderungen. Die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ist seit dem Wiederaufbau von einem anhaltenden sektoralen und regionalen Strukturwandel gekennzeichnet. Anteil an der Gesamtzahl sowie Qualifikationsstruktur der Beschäftigten und Wachstum des Beitrags zum gesamten Bruttosozialprodukt verlagern sich vom industriell-gewerblichen und landwirtschaftlichen zum Dienstleistungssektor und i n einige Verdichtungsräume als Dienstleistungszentren. Der industriell-gewerbliche Sektor befindet sich i n einem nachhaltigen Prozeß der Unternehmenskonzentration, über den Helmut Arndt vielfältig und grundsätzlich gearbeitet hat und zu dessen Analyse er Fundamentales beigetragen hat. Jedoch ist weder der Dienstleistungssektor noch werden die Verdichtungsräume insgesamt begünstigt; auch innerhalb der Verdichtungsräume scheint sich die frühere Konzentration auf die Kerngebiete aufgrund negativer externer Effekte auf die Produktion und die Bevölkerung i n Randzonen zu verlagern, und einige Verdichtungs8*

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räume verlieren absolut und gemessen an der Qualifikation an Bevölkerung bzw. an Beschäftigung und Entwicklungspotential. Für die Ausbildungsplätze haben praktisch alle diese Tendenzen zur Folge, daß ihre Zahl insgesamt und besonders i n strukturschwachen Gebieten sowie i n den konzentrierten Wirtschaftszweigen seit langem zurückgeht. Zugleich zeigt die Analyse, daß aus der Wirtschaft heraus kaum neue Ausbildungsgänge hervorgegangen sind (einzige Ausnahmen: EDV-Personal und erst jüngst: der Kunststoff-Facharbeiter), während die Neuordnung der Ausbildungsordnungen sich praktisch auf Rationalisierung, Modernisierung und Zusammenfassung konzentriert. Nach stürmischem Wachstum des Bruttosozialprodukts bis zur Mitte der 60er Jahre scheinen die durchschnittlichen Wachstumsraten i m Zyklus tendenziell abzunehmen, und nach dem Nullwachstum von 1967 erlebte die Bundesrepublik 1975 erstmals einen scharfen absoluten Rückgang der Produktion. Die Gründe hierfür sind vielleicht kontrovers, nicht jedoch die negativen Wirkungen auf das Beschäftigungssystem und mittelbar wie unmittelbar auf das Bildungssystem, speziell auf das System der beruflichen Bildung. Während i n vergangenen Konjunkturzyklen das Beschäftigungs- und das Bildungssystem von konjunkturellen Einflüssen relativ unbeeinflußt blieb, die Absorption freier Arbeitskräfte ziemlich unabhängig von ihrer Qualifikation weitgehend problemlos fortschritt, so sind jetzt auch langfristig Elemente „struktureller" Arbeitslosigkeit nicht auszuschließen. Eine solche Knappheit an Arbeitsplätzen w i r k t sich vor allem auf Jugendliche, auf Arbeitskräfte m i t niedriger Qualifikation, i n ländlichen Räumen, i n „veralteten Industrien" sowie i n Branchen m i t sehr hohen Ausbildungskosten aus. Auch aus der zunehmenden weltweiten ökonomischen und gesellschaftlichen Verflechtung und dem regionalen und sektoralen Strukturwandel i m internationalen Maßstab, ζ. T. ausgelöst durch eine Neubewertung von Rohstoff- und Fertigproduktpreisen nach der „Ölkrise" von 1973, resultieren veränderte Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitskräfte. Diese Veränderungen sind durch technischen Fortschritt, veränderte Bedürfnisstrukturen der Bevölkerung und veränderte Standortfaktoren (Umweltschutz, Verschiebung der Bedarfsstrukturen, Veränderung des Transportkostenanteils an den gesamten privaten Kosten u. a.) mitbedingt. Steigender allgemeiner Lebensstandard, Verschärfung der ökonomischen Situation von Randgruppen der Gesellschaft, veränderter Altersaufbau der Bevölkerung, zunehmendes Bewußtsein für Freizeit, „Qualität des Lebens" kennzeichnen weitere veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die m i t einem seit 1950 nahezu unveränderten beruflichen Bildungswesen konfrontiert werden müssen.

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3. Reformpolitik und Machtfragen in der beruflichen Bildung 3.1 Grundfragen einer Reform der beruflichen Bildung

Was bedeuten diese Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Reform des beruflichen Bildungswesens? Welche Folgerungen sind aus den Hinweisen auf die Wandlungsprozesse i n der Gesellschaft, i n W i r t schaft und Bildungswesen und aus den Positionen der Beteiligten und Betroffenen zu ziehen? (1) Berufliche Bildung muß i n Zukunft ein den übrigen Bereichen gleichrangiger, wenn nicht der wichtigste Bildungsbereich werden. Hieran müssen sich Überlegungen zum notwendigen Ressourceneinsatz i n diesem Bereich orientieren. (2) Das Bildungswesen insgesamt ist auf die Anforderungen auszurichten, die i n der Gegenwart bestehen, aber auch auf jene, die i n Zukunft entstehen. Obwohl Anforderungen der Zukunft i n der Gegenwart wenigstens ζ. T. bereits absehbar sind, ist A r t , zeitliches, räumliches und sektorales Auftreten und Bewertung von Wandlungsprozessen i n ihren Wirkungen auf das Bildungssystem nicht abschließend feststellbar. Quantitative und qualitative Zielvorstellungen lassen sich nur schwer eindeutig formulieren, weder für den quantitativen Bedarf an Auszubildenden i m Beschäftigungssystem i m einzelnen noch für die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen i n bestimmten Wirtschaftsbereichen und Regionen oder für die Qualifikationsanforderungen, die an die berufliche Bildung gestellt werden sollen. (3) Niveau und Qualität der Ausbildung i m Betrieb haben sich an den Interessen aller Betroffenen auszurichten. Diese Interessen sind nicht von vornherein oder selbstverständlich identisch m i t den Interessen einer Gruppe der Gesellschaft, ζ. B. der Jugendlichen, der Arbeitnehmer oder der Unternehmen. Aus diesen Überlegungen folgt, daß es nicht hinreicht, Zielvorstellungen über Lehrinhalte und den Bedarf an Auszubildenden einer Stufe des Bildungssystems auf die Frage zu reduzieren, ob Bildungsund Beschäftigungssystem zu koppeln seien oder nicht 9 . Eine einfache Makrosteuerung scheidet wegen der Komplexität der Bezüge zwischen gesellschaftlichen und ökonomischen Determinanten des Strukturwandels als Referenzsystem für die Gestaltung der beruflichen Bildung aus. Die Verwirklichung sozialer Zielsetzungen wie Chancengleichheit und Mitbestimmung, die aus dem Anspruch des einzelnen auf V e r w i r k lichung seines Rechts auf Bildung und Selbstentfaltung abgeleitet wer9 Vgl. zu den Beziehungen zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem ζ. B. Deutscher Bildungsrat (Hrsg.), Bildungskommission, Bericht 75. Entwicklungen im Bildungswesen, Bonn 1975, S. 28 ff.

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den, setzt voraus, daß Bildungsinhalte sich außer an betrieblichen, ζ. T. kurzfristigen, Gewinnmaximierungsinteressen an gesellschaftlichen Zielsetzungen orientieren, wie dies auch für andere Bereiche des Bildungssystems gefordert werden muß. Die einzelnen Bereiche des Bildungssystems sind zudem nicht unabhängig voneinander planbar. — A u f der anderen Seite ist eine staatliche MikroSteuerung der Berufsbildung i m Betrieb m i t dem Wirtschaftssystem nicht vereinbar und weder vom notwendigen Informationsstand noch von der Problemverarbeitungskapazität her durch private oder staatliche Institutionen möglich oder verantwortbar; sie würde auch wichtigen gesellschaftspolitischen Zielsetzungen widersprechen. Eine gesetzliche Regelung der beruflichen Bildung hat all diesem Rechnung zu tragen durch Schaffung mittelfristig wirksamer Steuerungselemente. Die Setzung eines solchen Bezugsrahmens muß die organisatorischen wie finanziellen Voraussetzungen dafür schaffen, daß Zielfindung, Durchführung des beruflichen und schulischen Bildungsauftrags und Erfolgskontrolle unter Mitbestimmung aller Betroffenen stattfinden kann 1 0 . 3.2 Zur Reformdiskussion der beruflichen Bildung

Schwächen der ersten umfassend angelegten, durch Kompromiß i n der Großen Koalition bescheiden ausgefallenen gesetzlichen Regelung der beruflichen Bildung waren bereits bei der Verabschiedung des Berufsbildungsgesetzes 1969 sichtbar und verschärften sich i n den vergangenen Jahren ständig. Hierzu zählen: Regionale und sektorale Jugendarbeitslosigkeit werden durch das Gesetz weder verhindert noch beseitigt; es fehlte eine Finanzierungsregelung zur Schaffung neuer Ausbildungsplätze i n den Betrieben und überbetrieblicher Ausbildungsstätten sowie zum Kostenausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben bzw. Unternehmen. Die Untersuchung der Qualität der Ausbildung i n zahlreichen Betrieben zeigte, daß i n ihnen rechtswidrig weder ein Ausbildungsberufsbild noch ein betrieblicher Ausbildungsplan vorliegt 1 1 ; Ausbildung der Ausbilder ist i m Gesetz unzureichend berücksichtigt. Die M i t w i r k u n g gesellschaftlicher Gruppen an der Erarbeitung von Ausbildungsinhalten, die Abstimmung zwischén 10

Vgl. Reimut Jochimsen, Aktive Strukturpolitik — Ansatzpunkte zur Modernisierung unserer Volkswirtschaft, in: Peter von Oertzen, Horst Ehmke, Herbert Ehrenberg (Hrsg.), Thema: Wirtschaftspolitik — Materialien zum Orientierungsrahmen 1985 — (Theorie und Praxis der deutschen Sozialdemokratie), Bonn-Bad Godesberg 1974, S. 29 ff. 11 Vgl. hierzu z.B.: Laszó Alex, Heinrich Heuser, Helga Reinhardt, Das Berufsbildungsgesetz in der Praxis. Eine Repräsentativbefragung von Auszubildenden, (Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Schriftenreihe Berufliche Bildung, 1), Bonn 1973, S. 144 ff.

Zum Machtaspekt in der Berufsbildungsdebatte

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Schule und Betrieb, zwischen Ausbildungsordnung und Rahmenlehrplan, die Kontrolle des Ausbildungsvollzugs und die Qualität der Ausbildung sind nicht zureichend. Nicht zuletzt fehlen ausreichende gesetzliche Grundlagen zu einer umfassenden Berufsbildungsstatistik. — Naturgemäß gewichten Parteien, Verbände und Betroffene (Jugendliche, Ausbilder, Betriebe) diese Mängel unterschiedlich, obwohl i m wesentlichen Einigkeit über die neu zu regelnden Tatbestände bestehen dürfte. Die Bundesregierung räumte der beruflichen Bildung i n allen Regierungserklärungen (28. Oktober 1969, 18. Januar 1973, 17. Mai 1974) höchste Priorität ein und hat danach ihre Vorstellungen kontinuierlich präzisiert: I m Aktionsprogramm 1970, i n den Markierungspunkten 1973 und i m Gesetzentwurf 197512. Bund und Länder haben ferner i m B i l dungsgesamtplan weitreichende Obereinstimmung über die Ziele erzielt. Nach der ersten Lesung des Gesetzentwurfs (sowie eines InitiativAntrages der Opposition) liegt der Entwurf ζ. Z. i n den zuständigen Bundestagsausschüssen und soll 1976 vom Deutschen Bundestag beschlossen werden. Die i m Bundestag vertretenen Parteien haben sich am Meinungsbildungsprozeß i n der Öffentlichkeit und i n den parlamentarischen Gremien intensiv beteiligt. Hier seien nur genannt: Diskussionspapiere und Beschlüsse des Parteivorstands 13 und Beschlüsse zur beruflichen Bildung auf dem Mannheimer Parteitag der SPD 1 4 , ein längerfristiges Programm der F.D.P. 15 , Vorschläge der Kommission „Berufliche Bildung" der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages und der CDU-Bundespartei 18 . Die Haltung der Unternehmerverbände (Zentralverband des Deutschen Handwerks, Deutscher Industrie- und Handelstag, Bundesver12

Der Bundesminister für Arbeit (Hrsg.), Aktionsprogramm: Berufliche Bildung, Bonn 1970; Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.), Grundsätze zur Neuordnung der beruflichen Bildung (Markierungspunkte), Bonn, 15. November 1973; Entwurf eines Berufsbildungsgesetzes vom 2. Juni 1975, a.a.O. — Vgl. auch den Bildungsbericht 1970 und die verschiedenen Sozialberichte zwischen 1969 und 1975. 13 Diskussionspapier des Parteivorstandes „Berufsbildung, Ziele und Maßnahmen" vom 16. März 1973; Entschließung des Parteivorstandes vom 5. Oktober 1973. 14 Vgl. insbesondere SPD-Sozialdemokraten, Dokumente: ökonomisch-politischer Orientierungsrahmen für die Jahre 1975 - 1985 in der vom Mannheimer Parteitag der SPD am 14. November 1975 beschlossenen Fassung (Bonn 1975), S. 72 ff. is Programm „Berufliche Bildung im Baukastensystem" des Parteivorstandes der F.D.P., Bonn, Oktober 1973. 16 Vorschläge der Kommission „Berufliche Bildung" der CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages und der CDU-Bundespartei, in: UiD-Information 22/73 und in: Reform der Berufsbildung, Berlin 1974.

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einigung der Deutschen Arbeitgeberverbände) ist durch Beharren auf dem status quo gekennzeichnet. Die jeweiligen Jahresberichte, Stellungnahmen und Redebeiträge 17 lassen an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Die Gewerkschaften haben demgegenüber i m Einsatz ihrer Mittel Zurückhaltung geübt. So traten — genehmigte — Streiks und Demonstrationen hinter Stellungnahmen und anderen Formen der Bekundung ihrer Interessen zurück 1 8 ; das entsprach sowohl ihrer Prioritätensetzung für die paritätische Mitbestimmung als auch ihrer konjunkturell schwierigen Situation auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt. 3.3 Quantität und Qualität beruflicher Ausbildungsplätze als Erfolgskriterien der Berufsbildungsreform

Gemeinsam setzen sich also alle politischen Parteien und alle gesellschaftlichen Gruppen für eine ausreichende Zahl und eine weiter verbesserte Qualität der betrieblichen Ausbildungsplätze ein. Aber Parteien und Gruppen unterscheiden sich i n den M i t t e l n und Wegen, mit denen sie dieses Ziel erreichen wollen. Sie unterscheiden sich auch i n dem Grad, i n dem sie sich — obwohl „Volksparteien" — den gesellschaftlichen Gruppen verpflichtet wissen. Die Macht der Unternehmen als Anbieter von Ausbildungsplätzen, quantitativ und qualitativ, bestimmt den Ausbildungsstellenmarkt. Wenn nicht sichergestellt wird, daß die Gesamtbilanz der Ausbildungsplätze stimmt, die regionale Verteilung akzeptabel ist und die Verbesserung und Gleichwertigkeit der beruflichen Bildung erreicht wird, müssen staatliche Bildungsangebote vollzeitschulischer Form an die Stelle fehlender betrieblicher Ausbildungsplätze treten. Der Hinweis auf die Parteien ist hier notwendig, denn sie tragen die politischen Institutionen i n einem Rechtsstaat und füllen deren Kompetenzen aus: Hinsichtlich des Angebots werden i m staatlichen Bildungswesen die Bildungschancen von den politischen Institutionen als Ergebnis eines parlamentarisch-politischen Prozesses festgelegt, in dem die Nachfrage nach solchen Bildungsgängen sich artikulieren kann. Demgegenüber hängt das Angebot der privaten und öffentlichen Unternehmen an betrieblichen Ausbildungsplätzen von deren Planung ab, die sich vor allem an erwerbswirtschaftlichen Kriterien orientiert, nicht 17

Vgl. z.B. Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (Hrsg.), Kundgebung der Wirtschaft zur Berufsbildung. 3. Juni 1975, BonnBad Godesberg: Für bessere Berufsausbildung — gegen schlechtes Gesetz, Reden der Präsidenten Otto Wolff von Amerongen, D I H T und Paul Schnitker, ZDH, Bonn (1975). 18 Vgl. insbesondere Deutscher Gewerkschaftsbund, Forderungen des DGB zur beruflichen Bildung, April 1972; Reform der Berufsbildung, Berlin 1974; Stellungnahme der I G Metall zum Entwurf eines neuen Berufsbildungsgesetzes, Frankfurt am Main 1975.

Zum Machtaspekt in der Berufsbildungsdebatte

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aber unmittelbar durch die Nachfrage nach solchen Ausbildungsplätzen bestimmt wird. Auch wenn ein Unternehmen selbst nicht ausbildet, kann es sich dennoch über den Arbeitsmarkt m i t qualifizierten Arbeitskräften versorgen, zumeist ohne dafür auch nur mehr Lohn aufwenden zu müssen als die selbst ausbildenden Unternehmen. Die Summe des einzelbetrieblichen Bedarfs braucht sich weder regional noch berufsbezogen oder zeitlich m i t der Summe der individuellen Nachfragen zu decken. Aber auch hier gilt die öffentliche Verantwortung. Auch hier ist es Aufgabe des Staates, sich i n der Bildungspolitik und dabei die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher B i l dung durchzusetzen. Wie der Arbeitsmarkt, so ist auch der Markt für betriebliche Ausbildungsplätze durch seine Unvollkommenheit und wegen der Nichtinternalisierbarkeit externer Erträge als Konkurrenzmarkt m i t Angebotsvorherrschaft gekennzeichnet. So wie die Stellung des einzelnen Arbeitnehmers auf dem Arbeitsmarkt durch die Herausbildung der Gewerkschaftsmacht entscheidend stabilisiert und dadurch zugunsten der Arbeitnehmer verändert wurde, so ist auch der Markt der Ausbildungsstellen zu stabilisieren und organisatorisch zugunsten der Ausbildungsplätze suchenden jungen Menschen umzugestalten. Die Befriedigung der Nachfrage nach qualifizierten Ausbildungsstellen w i r d heute von allen politischen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen als eine Herausforderung vergleichbar nur mit der nach Vollbeschäftigung begriffen. Dafür müssen die erforderlichen Handlungsinstrumente geschaffen werden, d. h. die Nachfrage nach qualifizierten Ausbildungsstellen und ihre Befriedigung müssen als gesamtgesellschaftliches Problem verstanden und gelöst werden. Das bedeutet, daß die Arbeitnehmer — und damit ihre Vertreter, die Gewerkschaften — ihre Rolle wahrnehmen müssen. Die solidarische Haltung m i t den jungen, noch nicht ausgebildeten Menschen, die noch nicht direkt am Arbeitsmarkt antreten sollen, steht auf dem Prüf stand: i n der Frage des Chancenausgleichs zwischen den Generationen, d. h. der Abwägung zwischen den Beschäftigungschancen nach Alter, Familienstellung usw., die sich i n der innerbetrieblichen Willensbildung, M i t w i r k u n g und Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Unternehmensführung i n bezug auf das Ausbildungsplatzangebot so wie auch i n der Gesellschaft insgesamt zeigen muß. Dies ist eine Frage ebenso des Verhaltens der Gewerkschaften wie ihrer gesetzlich gesicherten Einflußmöglichkeiten. Das bedeutet weiter, daß die Wirtschaftsverbände — und damit die Vertreter der privaten Arbeitgeber — ebenfalls eine gesellschaftspolitisch verantwortete Rolle übernehmen müssen. Sie befinden sich i m

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Betrieb und Unternehmen nicht außerhalb der Gesellschaft, wenn sie etwa, wie es der Öffentlichkeit erscheint, nicht ohne W i l l k ü r über die Qualität und Quantität der Ausbildung allein nach ihren partikularen Interessen entscheiden zu können meinen. Auch Verbandspolitik hat Grenzen politischer Einflußnahme auf das Parlament, die Regierung und die interessierte Öffentlichkeit zu beachten 19 . Dabei soll das Interesse des einzelnen wie der Gesellschaft daran, daß jeder eine qualifizierte, fundierte Ausbildung erhält, auf der berufliche Qualifizierung und Aufstieg, aber auch Weiterbildung und Mobilität aufbauen kann, höher gewichtet werden, als dies bei einem bloß an den legitimerweise kurzfristigen Gewinn-, d. h. Rekrutierungsinteressen des einzelnen Unternehmens ausgerichteten Angebot wäre, und zwar, ohne daß die Eigenverantwortlichkeit des Unternehmens aufgehoben w i r d : Dies setzt voraus, daß zentrale Instanzen die Gesamtbilanz ziehen und daß Instrumente geschaffen werden, die geeignet sind, das Angebot auch i m Falle des Rückgangs der Ausbildungsplätze zu stützen, damit die Nachfrage der Jugendlichen befriedigt werden kann. Dies Erfordernis gilt jetzt insbesondere wegen des seit 15 Jahren kontinuierlich abnehmenden Angebots einerseits und der bevorstehenden geburtenstarken Jahrgänge andererseits, die ab 1977 auf den Ausbildungsmarkt drängen. Dazu ist die Finanzierung von Ausbildungsplätzen i m Regierungsentwurf des Berufsbildungsgesetzes vorgesehen, wenn das Ausbildungsstellenangebot die insgesamt nachgefragten Ausbildungsplätze um weniger als 12,5 °/o übersteigt und zu erwarten ist, daß während des Kalenderjahres nach der Feststellung der Bundesregierung keine wesentliche Verbesserung der Situation eintreten w i r d (§ 86 Abs. 1). I n diesem Fall kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung eine Berufsbildungsabgabe erheben und Zuschüsse an ausbildende Betriebe gewähren. Die Abgabe darf 0,25 °/o der Bruttolohn- und Bruttogehaltssumme der Unternehmen abzüglich eines Freibetrags von 0,4 Mill. D M nicht übersteigen (§ 87 Abs. 1). Wie die Sachverständigenkommission „Kosten und Finanzierung der beruflichen B i l d u n g " 2 0 ermittelt hat, verursacht die betriebliche Be19 Damit wird die Überreaktion der Unternehmerverbände auf die Grundsätze zur Neuordnung der beruflichen Bildung (Markierungspunkte) vom 15. November 1973 und der „Brief der Wirtschaft" an Bundeskanzler Helmut Schmidt vom 13. Januar 1975 angesprochen. Zu den Einzelheiten vgl. Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung (Hrsg.), Aktuelles zur Bildungspolitik und Berufsbildung, Nr. 23, vom 30. Oktober 1973; Hans-Joachim Stelzl, Zur Reform der beruflichen Bildung (Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Materialien, Nr. 39), Bonn 1975, S. 16 ff. 20 Vgl. Abschlußbericht der Sachverständigenkommission „Kosten und Finanzierung der beruflichen Bildung", Kosten und Finanzierung der außer-

Zum Machtaspekt in der Berufsbildungsdebatte

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rufsausbildung i n der Regel Netto-Kosten für den einzelnen Ausbildungsbetrieb. Da sich außerdem nur eine Minderheit von Betrieben an der Ausbildung beteiligt, können Wettbewerbsverzerrungen zu ihren Ungunsten dann entstehen, wenn sie i m Vergleich m i t ihren nichtausbildenden Konkurrenten die Nettoausbildungskosten nicht oder nur zu einem Teil über die Preise abwälzen können. Von den Gegnern einer überbetrieblichen Finanzierung der Berufsausbildung werden diese Wettbewerbsverzerrung wie auch andere wichtige Schlußfolgerungen der Sachverständigen-Kommission geleugnet. Die Fluktuation der Arbeitskräfte verhindert überdies, daß die nach abgeschlossener betrieblicher Berufsausbildung entstehenden B i l dungserträge (zu einem wesentlichen Teil) nur den Ausbildungsbetrieben zugute kommen. Es entstehen dann externe Erträge zugunsten von Betrieben, die nicht oder nur i n begrenztem Umfang bildungsaktiv sind. Wie bekannt ist, gibt es kein Unternehmen, dessen Personalplanung konkret über 3 - 5 Jahre hinausreicht. Gleichwohl bestimmen die jetzt i n weiterführende allgemeine und berufliche Bildungen drängenden geburtenstarken Jahrgänge die Arbeitsmarktsituation, die Berufstätigkeit und damit die Qualifikation des „menschlichen Kapitals" bis weit über die Schwelle dieses Jahrhunderts i n entscheidender Weise, zumal ab Anfang/Mitte der 80er Jahre geburtenschwache Jahrgänge die Situation bestimmen werden. I n der Konjunkturschwäche sollte man nicht von der Wahrscheinlichkeit struktureller Arbeitslosigkeit, sondern von den Erfordernissen der rasch sich wandelnden internationalen A r beitsteilung ausgehen. Sie verweist die Bundesrepublik Deutschland wie i m übrigen die Europäische Gemeinschaft insgesamt darauf, daß es nicht natürlicher Reichtum an Rohstoffen ist, sondern qualifizierte menschliche Arbeit, auf der ihr Wohlstand beruht. Gegenüber der Kurzfristigkeit wirksamer Unternehmensplanung und der schwachen Stellung der Ausbildungsplatzsuchenden auf dem immer stärker konzentrierten Markt der Ausbildungsstellen kommt es also darauf an, die Interessen der jungen Menschen durchzusetzen, deren qualifizierte Ausbildung nicht aus der Reproduktionsautomatik begüterter Gruppen hervorgeht, sondern davon abhängt, daß sie i n gesellschaftlich relevanter Weise organisiert und gestaltet wird, denn die Reform beruflicher Bildung ist Ausdruck einer Auseinandersetzung von Macht und Gegenmacht für die Chancen ihres Lebensweges.

schulischen beruflichen Bildung, Deutscher Bundestag, 7. Wahlperiode, Drucksache 7/1811, vom 14. 3.1974, S. 26 ff.

Reimut Jochimsen

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4. Kritische Anmerkungen zum Problemkreis Macht und berufliche Bildung Macht, sei sie wirtschaftlich oder politisch i n ihren Ursachen und Wirkungen, ist nicht von vornherein „schlecht". Sie ist jedoch i n einen geeigneten Bezugsrahmen zu stellen, der den Mißbrauch wirtschaftlicher zu politischer Macht und umgekehrt verhindert. Hierbei entstehen eine Reihe von Problemen, die m i t der begrenzten Problemverarbeitungskapazität der politischen Handlungsträger und der am Beispiel der beruflichen Bildung aufgezeigten Unmöglichkeit, die Probleme einfach i n die existierenden, dezentralen Problemlösungsmuster bzw. Bezugsrahmen einzuordnen, konfrontiert werden müssen. Als Lösung bietet sich an, das staatliche Handeln an konkreten gesamtgesellschaftlichen Maximen auszurichten 21 . Diese Maximen müssen es zugleich erlauben, die besondere Aufmerksamkeit auf die kritischen Entwicklungsprobleme zu lenken. Z u diesen zählen auch und gerade die hauptsächlichen Widersprüche zwischen Produktion und Aneignung bzw. Verfügung über die Produktionsergebnisse, die hocharbeitsteilige Gesellschaften i n allen Lebensbereichen insgesamt und Wirtschaftsordnungen auf der Grundlage des Privateigentums i n besonderer Weise kennzeichnen. Auch das duale System, nämlich Struktur, Quantität und Qualität beruflicher Bildung i n Betrieb und Schule, ist durch diesen Widerspruch gekennzeichnet. Bei der Diskussion der Machtproblematik fällt auf, daß n u r sekundäre Gruppen als Protagonisten i n Erscheinung treten. Dies ist zumindest dann bedenklich, wenn die Gruppensprecher nicht ausreichend durch innerverbandliche Demokratie Bezug zur Basis haben bzw. ständig aufrechterhalten müssen. Die Gefahr, daß gewählte Vertreter — m i t Blick auf ihre Wiederwahl — zur eigenen Profilierung nur kurzfristige Interessen äußern und dabei die problemrelevanten langfristigen I n teressen ihrer Mitglieder aus dem Blick verlieren, ist groß. Dies gilt selbstverständlich auch für politische Mandatsträger und staatliche Institutionen: Der „Staat" als monolithischer Felsblock ist eine Fiktion; auch zwischen den Organen und innerhalb der Organe kommt es zu Auseinandersetzungen, die als Machtfragen begriffen werden müssen, und die tatsächliche Regierungsarbeit i m Rahmen der parlamentarischen Demokratie muß belegen, ob ein Reformvorhaben die Zustimmung der Mehrheit der Wähler findet. Dies schließt die Überlegung ein, daß eine Regierung auch von Maximen geleitet wird, die sich auf die Verteilung von wirtschaftlicher und politischer Macht zwischen den Gruppen der Gesellschaft beziehen. Gerade am Beispiel der Berufsbildung läßt sich 21

Vgl. hierzu ausführlich Reimut

a.a.O., S. 48 f.

Jochimsen, Aktive

Strukturpolitik,

Zum Machtaspekt in der Berufsbildungsdebatte

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zeigen, daß i n dieser Gesellschaft die Freiheiten, Macht auszuüben, ungleich verteilt sind: Die Freiheit von Unternehmen, unterstützt durch die politische Macht ihrer öffentlich-rechtlichen Zwangskörperschaften wie ihrer sonstigen Verbände, keine Ausbildungsplätze anzubieten, ist kurzfristig für jedes von ihnen stets durchaus hinnehmbar. Mittel- und langfristig kann es dabei aber mit seinen eigenen Interessen (Gewinnaussichten, Wettbewerbsfähigkeit) und den Interessen der Gesamtheit i n Kollision geraten. Die Gefahr ist nicht auszuschließen, daß es die lange Frist als eine Aneinanderreihung von kurzen Fristen begreift. Dies kann den sozialen Frieden gefährden, i n dem die gesellschaftliche Integration der jungen Menschen nicht ausreichend gelingt. Das heißt, ohne Verzicht auf Ausübung an sich vorhandener w i r t schaftlicher Machtmöglichkeiten kann i n der beruflichen Bildung die betriebliche Komponente nicht erhalten werden. Ein Jugendlicher dagegen hat nur die Freiheit, auf eine Berufsausbildung zu verzichten und so für seinen weiteren Lebensweg negative Chancen und Unsicherheiten zu kumulieren. Deshalb steht außer Frage, — daß ein Anspruch auf Ausbildung unabhängig von der Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt befriedigt werden muß; — daß die Reform der beruflichen Bildung nicht ohne Mitbestimmung aller Betroffenen realisiert werden kann. Hier trägt der Staat besondere Verantwortung.

Die kollektive Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils erörtert aufgrund der „ T r a g i k der Allmende", des „Schwarzfahrer-Problems" und des „Dilemmas der Untersuchungsgefangenen"

Von Walter Adolf JÖhr Ein Geistlicher hatte sich um ein Dorf von Rebbauern sehr verdient gemacht. Die Rebbauern beschlossen deshalb, ihm zu einem festlichen A n laß ein Faß Wein zu schenken. Jeder Bauer solle zu diesem Zweck zwei Liter vom besten Wein, den er im Keller habe, beisteuern. Jeder Bauer goß hierauf in das bereitgestellte Faß die vereinbarten zwei Liter. A m betreffenden Anlaß wurde das Faß nach einer festlichen Ansprache angestochen und dem Geistlichen das erste Glas kredenzt. Aber das Glas enthielt reines Wasser, und die festliche Stimmung verwandelte sich in allgemeine Beschämung1.

Seit der Zeit, da Adam Smith i n seinem „Wealth of Nations" die These entwickelt hatte, daß dank der Wirksamkeit einer unsichtbaren Hand die Verfolgung des individuellen Interesses durch die einzelnen Wirtschafts-Subjekte zur Verwirklichung des Gemeininteresses führe, ist das Problem „Privatinteresse und Allgemeinwohl" immer wieder diskutiert worden. Selbst von den Anhängern der neoliberalen Richtung und der neoklassischen Orientierung w i r d heute fast durchweg anerkannt, daß auch unter den Bedingungen reiner Konkurrenz das Gesamtinteresse durch eine ergänzende wirtschaftspolitische Steuerung besser verwirklicht werden kann. Die Frage nach der Lenkungsbedürftigkeit der Marktwirtschaft steht i m Zentrum dieser Abhandlung. W i r wollen sie von einer Seite her anpacken, die eigentlich erst seit der Entstehung der Umweltökonomik größere Aufmerksamkeit gefunden hat, obwohl einzelne Ansätze zu 1

Diese Anekdote verdanke ich Goetz Briefs. Ob ihr eine wahre Geschichte zugrunde liegt, kann ich leider nicht mehr feststellen.

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Walter Adolf Jöhr

dieser Betrachtungsweise schon i n der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt wurden. Der älteste uns bekannt gewordene Ansatz, i n dem die neue Perspektive i n präziser Weise formuliert wurde, stammt aus den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts und wurde vor acht Jahren von einem Biologen wieder ans Tageslicht gebracht. Von diesem Ansatz soll zunächst die Rede sein. A n zweiter Stelle folgt ein Modell, das i m Rahmen der Lehre von den Kollektivgütern ausgearbeitet wurde. A n dritter Stelle behandeln w i r eine Parabel, die zu einem Schulbeispiel der Spieltheorie geworden ist. I . D r e i Standardfälle aus der sozialwissenschaftlichen L i t e r a t u r

Für alle drei Ansätze, die i m folgenden wiedergegeben werden, ist charakteristisch, daß die Verfolgung des eigenen Interesses für die beteiligten Subjekte zu einer Lösung führt, die schlechter ist, als sie wäre, wenn die einzelnen sich von einer solidarischen Einstellung leiten ließen. 1. Die „Tragik der Allmende"

Der amerikanische Biologe Garrett Hardin hat vor einigen Jahren aus einer Schrift eines unbekannten mathematischen Amateurs des 19. Jahrhunderts, W i l l i a m Forster Lloyd, die folgende gleichnishafte Geschichte wiedergegeben 2 : Eine Bauerngemeinde verfügt über eine große Viehweide, die allen Bürgern der Gemeinde zur freien Nutzung zur Verfügung steht. Es kann vorausgesetzt werden, daß jeder Bauer versuchen wird, soviel Vieh wie möglich auf der Allmende zu halten. Dies kann so lange befriedigend funktionieren, als die Anzahl der Menschen und Tiere durch Stammeskriege, Raubzüge und Krankheiten immer wieder dezimiert wird, so daß die Grenze der Nutzungskapazität der gemeinsamen Viehweide nicht überschritten wird. Vermindert sich aber die Einwirkung der genannten Faktoren, so beginnt eine kritische Phase. Der einzelne Viehhalter w i r d sich sagen, daß er durch die Erweiterung seiner Herde u m ein Stück Vieh einen zusätzlichen Nutzen erzielt, der durch die dadurch bedingte zusätzliche Abgrasung der gemeinsamen Viehweide nur zu einem kleinen Bruchteil kompensiert wird. Der einzelne Viehhalter, der nur sein eigenes Interesse i m Auge hat, w i r d somit zum Schluß 2 Garret Hardin , Die Tragik der Allmende, in: Gefährdete Zukunft — Prognosen anglo-amerikanischer Wissenschafter, ed. Michael Lohmann, München 1973, S. 29 ff. und 34 f. (Die ursprüngliche Fassung des Aufsatzes von Garret Hardin erschien in „Science" in der Nr. vom 13. Dez. 1968, S. 1243 ff., unter dem Titel „The Tragedy of the Commons") — vgl. dazu Th. Ginsburg, Oie Tragik der Allmende. Die Wahl zwischen Wirtschaftswachstum und lebenswerter Umwelt, in: Neue Zürcher Zeitung vom 24. Nov. 1971 (Mittagsausgabe).

Kollektive Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils

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kommen, es sei für i h n vernünftig, seiner Herde ein weiteres Tier hinzuzufügen. Hat er das getan, so w i r d er wiederum dieselbe Überlegung anstellen und noch ein Tier beifügen . . . usw. Der Verfasser dieser gleichnishaften Geschichte schließt m i t folgenden Worten: „Der einzelne ist i n ein System eingeschlossen, das ihn nötigt, seine Herde i n einer begrenzten Welt unbegrenzt zu vergrößern, bis das Land überfordert ist und zugrunde geht. Keine »unsichtbare Hand' lenkt das Geschehen zum Besten der Allgemeinheit — indem die Individuen einer Gesellschaft, die an die freie Nutzung der Gemeingüter glaubt, ihre eigenen Interessen verfolgen, bewegen sie sich i n Richtung auf den Ruin aller." 2. Das „Schwarzfahrer-Problem"

Das Schwarzfahrer-Problem figuriert i n der angelsächsischen Literat u r unter der Bezeichnung „The Free Rider Problem". Der Ausdruck „Free Rider" stammt aus der Sprache der Gewerkschaften, die m i t i h m jenen Arbeiter kennzeichnet, der von den gewerkschaftlichen Anstrengungen zur Verbesserung der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen Nutzen zieht, ohne selbst der Gewerkschaft anzugehören und damit an den Lasten für die entsprechenden Anstrengungen der Gewerkschaftsvertreter zu partizipieren. I n seinem Buch über die Kollektivgüter hat Buchanan das Problem des Schwarzfahrers i m Hinblick auf ein öffentliches Werk einer Gemeinde wie folgt charakterisiert 3 : Eine Gemeinde von 1000 Einwohnern steht vor der Frage, ob sie ein öffentliches Werk von eindeutig bestimmter Größe errichten wolle, das i n vollem Umfange den Charakter eines Kollektivgutes habe. Der N u t zen, den die Bewohner der Gemeinde daraus ziehen, ist also derart, daß es nicht möglich ist, die einzelnen Einwohner zur Bezahlung einer entsprechenden Benutzungsgebühr zu verpflichten. Buchanan nimmt an, daß das entsprechende Werk für 5000 Dollar geschaffen werden könne, und daß es jedem Einwohner einen Nutzen i n der Höhe von 10 Dollar stifte. Dem einzelnen Einwohner sei es freigestellt, ob er seinen Anteil an den Gesamtkosten i m Betrag von 5 Dollar entrichten oder ob er darauf verzichten wolle. Wie w i r d sich der einzelne Einwohner verhalten? Dies w i r d davon abhängen, was er bezüglich des Verhaltens der übrigen Einwohner erwartet. Angesichts der großen Zahl der Einwohner kann er jedoch nicht annehmen, daß sein eigenes Verhalten das der übrigen beeinflußt. 3

James M. Buchanan, The Demand and Supply of Public Goods, Chicago 1968, S. 86 ff. 9 Festschrift für Helmut Arndt

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Erwartet er, daß die andern ihren Beitrag leisten, so kann er gewinnen, indem er darauf verzichtet, sich an den Kosten zu beteiligen. Wenn er erwartet, daß die andern keinen Beitrag leisten würden, würde er verlieren, wenn er selbst seinen Obolus beisteuern würde. Infolgedessen w i r d der einzelne, wenn er sich nur von seinem eigenen Interesse leiten läßt, unabhängig davon, wie er das Verhalten der andern einschätzt, die Schwarzfahrer-Alternative wählen. U n d da unter der V o r aussetzung der ausschließlichen Orientierung am Privatinteresse dies alle t u n werden, w i r d der Bau des Werkes nicht zustande kommen, obw o h l die Gesamtkosten nur 5000 Dollar, der aggregierte Nutzen jedoch 10 000 Dollar betragen würde. Buchanan hat den Gedankengang dann insofern verfeinert, als er Wahrscheinlichkeits-Koeffizienten hinsichtlich des Verhaltens der ü b r i gen Wirtschaftssubjekte eingeführt hat und damit den einzelnen Einwohner i n die Lage versetzt, seinen Entscheid aufgrund von E r w a r tungswerten zu treffen. Dabei n i m m t er an, daß für das einzelne Subj e k t die Wahrscheinlichkeit, daß die übrigen Subjekte beitragen oder nicht beitragen, sich auf je 50 °/o belaufe. Er gelangt so zu der M a t r i x von Tabelle 1. Tabelle 1 Schwarzfahrer-Problem mit k l e i n e r Zahl der B e t e i l i g t e n Verhalten der Ny

Leisten Beitrag

Verhal-^NsSubjekte ten des

Leisten keinen Beitrag

übrigen

Erwartungswert

(a)

(b)

(c)»(a) + (b).

5 % · (0,5)

-5 % · (0,5)

0

10 % • (0,5)

0 - (0,5)

^s.

Subjektes A Leistet

Beitrag

L e i s t e t keinen Bei trag

5 %

Legende: Eingeklammerte Zahlenwerte = Wahrscheinlichkeit des Verhaltens der übrigen Subjekte.

U m die Tabelle richtig beurteilen zu können, muß man sich daran erinnern, daß der Beitrag, den das Subjekt A leistet, 5 Dollar beträgt, daß es aus dem realisierten Werk einen Nutzen von 10 Dollar zieht, infolgedessen einen Nettonutzen von 5 Dollar erreicht. Da aber die Wahrscheinlichkeit, daß die andern einen Beitrag leisten und damit das Werk zustandekommt, nur 50 °/o beträgt, kann der F a l l der ersten Zeile und der Spalte (a) nur auf 5 $ · 0,5 = 2,5 $ veranschlagt werden.

Kollektive Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils

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Leisten die übrigen keinen Beitrag, so kommt das Werk nicht zustande, und der einzelne erzielt einen Nettoverlust in der Höhe seines Beitrages von 5 Dollar. Die Wahrscheinlichkeit, daß dies geschehe, beträgt 50 o/o, infolgedessen ist diese Alternative auf — 5 $ · 0,5 = — 2,5 $ zu veranschlagen. Der Erwartungswert ergibt sich aus der Summe der beiden errechneten Werte: er beträgt Null. Leistet A keinen Beitrag, so fällt i h m der Nutzen i m Werte von 10 Dollar ohne Abzug zu. Daß dies der Fall sei, hat eine Wahrscheinlichkeit von 50 %, was bedeutet, daß diese Alternative einen Wert von 5 Dollar repräsentiert. Wenn die andern keinen Beitrag leisten, so entsteht für A auch kein Nutzen; die Multiplikation ergibt einen Wert von Null. Der Erwartungswert beträgt i n diesem Falle 5 Dollar. Für das Subjekt A ist somit der Erwartungswert größer, wenn er keinen Beitrag leistet, als wenn er sich an den Kosten beteiligt. Da jedes andere Subjekt sich auch i n der Rolle von A befinden kann, folgt, daß die andern Subjekte ebenfalls den Erwartungswert einer Nichtbeteiligung an den Kosten für höher erachten und infolgedessen ebenfalls auf einen Beitrag verzichten. Es zeigt sich somit, daß auch dann, wenn die einzelnen Subjekte sich des obigen probabilistischen Ansatzes bedienen, das i n Aussicht gestellte Werk, das für jeden einzelnen einen Nettonutzen von 5 Dollar ergäbe, nicht zustandekommt. 3. Das „Dilemma der Untersuchungsgefangenen"

Dieses ursprünglich von A. W. Tucker entwickelte „Prisoners' D i lemma" ist zu einem klassischen Lehrstück der Spieltheorie geworden 4 . Zwei Männer haben zusammen ein schweres Verbrechen begangen. Sie werden von der Polizei verhaftet und i n zwei verschiedene Zellen eingesperrt, wobei der Kontakt zwischen ihnen völlig unterbunden wird. Obwohl einiges gegen die beiden spricht, genügen die Indizien nicht, u m sie zu überführen. Jeder der beiden hat zwei Möglichkeiten des Handelns: (1) er kann schweigen (2) er kann gestehen I m weiteren w i r d angenommen, daß die Gefangenen die Konsequenzen ihres Handelns genau kennen: 4

Morton D. Davis, Spieltheorie für Nichtmathematiker (Vorwort von O. Morgenstern), München 1972, S. 104 ff. Duncan R. Luce u. Howard Raiffa, Games and Decisions, New York 1957, S. 94 ff. 9*

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(1) Wenn der eine gesteht und sein Partner nicht, so w i r d der, der gestanden hat, als Zeuge der Anklage freigelassen, und der andere kommt für 20 Jahre ins Gefängnis. (2) Wenn beide gestehen, kommen beide für fünf Jahre ins Gefängnis. (3) Wenn beide schweigen, kommen beide wegen unerlaubten Waffenbesitzes — eines weniger schwerwiegenden Anklagepunktes — für ein Jahr ins Gefängnis. Diese Konsequenzen klingen für europäische Ohren etwas fremd, entsprechen jedoch i m Kern der amerikanischen Strafrechtsauffassung. Auch dieses Problem können w i r i n Matrix-Form darstellen. Tabelle 2 Die Folgen des Handelns der Untersuchungsgefangenen A und Β

V e r h a l t e n des Gefangenen Verhalten

gestehen

nicht

gestehen

^s.

des Gefangenen A ^ V .

Α gestehen

n i c h t gestehen

5 Jahre

Α 20 Jahre

Β 5 Jahre

Β Freilassung

Α Freilassung

Α 1 Jahr

Β 20 Jahre

Β 1 Jahr

Obwohl der einzelne Gefangene sich sagen muß, daß er, wenn er gesteht, nicht nur die Chance hat, frei zu kommen, sondern auch zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt zu werden, vermeidet er damit auf alle Fälle die Möglichkeit, zwanzig Jahre Gefängnis zu erhalten, was dann eintreten würde, wenn er schweigt, der andere aber gesteht. Davis kommentiert das Ergebnis wie folgt: „Das Paradoxe an der Sache ist folgendes: zwei naive Gefangene, die diesem Gedanken nicht folgen können, sind beide still und bekommen nur ein Jahr Gefängnis. Zwei gescheite Gefangene, die von spieltheoretischen Überlegungen nur so strotzen, gestehen und bekommen fünf Jahre Gefängnis, i n denen sie dann ihre Gescheitheit bewundern können."

Kollektive Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils

133

Man muß aber diese Formulierung noch durch folgende Feststellung ergänzen, die man als zweites Paradoxon betrachten könnte: Wären beide Gefangenen gescheit und spieltheoretisch bewandert und hätten sie die volle Kenntnis dieser Fähigkeiten des andern und würden sie überdies i n Rechnung stellen können, daß der andere zu einem solidarischen und nicht zu einem egoistischen Verhalten tendiert, dann würden sie beide schweigen und würden für ihre Solidarität und ihr Vertrauen dadurch belohnt, daß sie beide nur ein Jahr Gefängnis wegen verbotenen Waffentragens erhalten würden. 4. Gemeinsame Merkmale der drei Standardfälle

I n allen drei Fällen liegt das vor, was w i r i n den Titel dieser A b handlung gesetzt haben: nämlich eine kollektive Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils. I n allen drei Fällen erweist sich der verfolgte Vorteil als ein vermeintlicher Vorteil — oder anders formuliert: als ein Vorteil i m subjektiven Sinne —, der sich aufgrund des gleichen Verhaltens der übrigen beteiligten Subjekte als ein Nachteil entpuppt. W i r können jedoch den Ausdruck „vermeintlich" bei der Kennzeichnung dieses Vorganges weglassen, w e i l es bereits aus dem Terminus „Selbstschädigung" hervorgeht, daß es kein effektiver Vorteil sein kann. Unterschiede bestehen zwischen den drei Beispielen insofern, (1) als i m ersten und zweiten Fall die Zahl der Beteiligten groß, i m dritten Fall dagegen sehr klein ist, (2) als i m zweiten und dritten Fall es sich u m einen einmaligen Entscheid des einzelnen handelt, während i m ersten Fall die Selbstschädigung einen längerfristigen Prozeß darstellt, der durch immer neue Entscheide der Beteiligten genährt wird, und (3) als i m ersten und zweiten Fall ein wirtschaftlicher Vorteil erstrebt wird, i m dritten Fall dagegen der Vorteil i n der Vermeidung einer länger jährigen Gefängnisstrafe und i n der Hoffnung auf einen Freispruch besteht. Die drei Standardfälle haben aber die folgenden Gemeinsamkeiten: (1) Diese A r t der Selbstschädigung kann nur erfolgen, wenn sie sich innerhalb eines Kollektivs von mindestens zwei Personen vollzieht. W i r ziehen also den Fall einer individuellen Selbstschädigung durch Verfolgung eines kurzfristigen Vorteils nicht i n Betracht. (2) Die Verfolgung des individuellen Vorteils i m Vergleich zu einem Verhalten, das die Lage für alle Beteiligten vorteilhafter zu gestalten versucht und das man als „solidarisch" kennzeichnen könnte, verschlechtert die Lage für jeden einzelnen. Insofern unterscheidet sich der Fall der kollektiven Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils von andern Verhaltensmustern, wie zum Beispiel vom

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134

Hamstern, bei dem jene Subjekte, die als erste die knapp gewordenen Waren i m Übermaß erwerben, durch die Hamsterwelle, die den später Kommenden den Bezug der Ware verunmöglicht, nicht benachteiligt werden. Welcher A r t wäre nun das Verhalten der einzelnen, wenn diese sich solidarisch verhalten würden? Dies würde bei den drei Standardfällen folgendes besagen: (1) Die gemeinsame Weide würde nicht i m Übermaß abgegrast, wenn die einzelnen Viehbesitzer ihren Viehbestand nur i n dem Maße erweitern würden, wie es alle tun könnten, ohne daß eine schädliche Überbeanspruchung des Weidelandes einträte. (2) Die einzelnen Bürger würden zu dem freiwillig zu finanzierenden öffentlichen Werke ihren Beitrag entrichten, wobei der für den einzelnen resultierende Nutzen, falls alle Bürger (oder wenigstens ein großer Teil derselben) sich so verhalten, größer wäre als der sich aus seiner Beitragsleistung ergebende Nutzentgang. (3) Jeder der beiden Untersuchungsgefangenen würde zur Schonung seines Kollegen und weil er eine gleiche Einstellung auch bei seinem Kollegen voraussetzen würde, schweigen, was für beide zu einer Strafe von nur einem Jahr statt von fünf Jahren führen würde. Was bedeuten die drei Standardfälle, insbesondere die beiden an erster Stelle genannten Fälle — die sich, wie w i r noch sehen werden, durch zahlreiche gleich gelagerte Beispiele ergänzen ließen — für die Lehre, daß die Verfolgung des eigenen Interesses zu einer Erhöhung des allgemeinen Wohlstandes führe? W i r sind noch nicht so weit, u m diese Frage beantworten zu können. W i r müssen vorerst die Voraussetzungen dieser Fälle klarlegen und auch die Ansätze zu ihrer Differenzierung studieren. I I . M o d i f i k a t i o n der Standardfälle durch E i n f ü h r u n g der Beeinflußbarkeit der Schicksalsgefährten

So verschieden die drei Fälle liegen, so ist ihnen doch gemeinsam, daß das einzelne Subjekt, das entscheidet, nicht i n der Lage ist, die Schicksalsgefährten — seien es viele oder wie beim Prisoners' Dilemma nur einer — zu beeinflussen. Aber es ist für das einzelne Subjekt i n der Regel doch kein bloßes Spiel gegen die Natur oder die Umwelt 5 , denn es w i r d sich i n der Mehrzahl der Fälle davon Rechenschaft geben, daß 5 Wilhelm Krelle, S. 120 u. 121 ff.

Präferenz-

und Entscheidungstheorie, Tübingen 1968,

Kollektive Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils

135

auch die anderen i n analoger Weise überlegen. So können w i r sagen, daß i n der Mehrzahl der Fälle das sich aus der Situation ergebende Verhalten des einzelnen als das eines Spielers gegen bewußt handelnde Gegenspieler betrachtet werden kann, obwohl diese von dem einzelnen nicht beeinflußt werden können. Die Möglichkeit der Beeinflussung besteht bei den beiden ersten Fällen „Tragik der Allmende" und „Schwarzfahrer-Problem" (in der vorher wiedergegebenen Version) deshalb nicht, w e i l die Zahl der Gegenspieler sehr groß ist, i m dritten Fall („Dilemma der Untersuchungsgefangenen"), weil zwischen den beiden Gefangenen keine Kommunikationsmöglichkeit zugelassen ist. Wenn w i r nun i m folgenden die Beeinflussungsmöglichkeit durch den einzelnen i n Rechnung stellen, so können w i r uns auf entsprechende A n sätze i n der ökonomischen Literatur stützen. Dabei erweist es sich als zweckmäßig, die Reihenfolge, i n der w i r die Probleme behandeln, zu ändern. I n bezug auf die A r t der Beeinflussung besteht insofern ein Unterschied, als beim ersten Fall (dem Dilemma der Untersuchungsgefangenen) das einzelne Subjekt das andere m i t Worten, nicht aber durch sein Verhalten vor dem Untersuchungsrichter beeinflussen kann, während bei den beiden andern Fällen (Schwarzfahrer-Problem und umweltökonomisches Problem) für das einzelne Subjekt nur die Möglichkeit besteht, durch sein Handeln, nicht aber m i t irgendwelchen Argumenten, auf die andern einzuwirken. 1. Modifikation des Dilemmas der Untersuchungsgefangenen

Die Situation für die beiden Untersuchungsgefangenen verwandelt sich grundlegend, wenn sie die Möglichkeit haben, miteinander zu sprechen. I n diesem Falle können sie sich gegenseitig die Zusicherung geben, daß sie darauf verzichten, durch ein Geständnis den Versuch zu unternehmen, selbst freizukommen, und dafür den andern i n eine Situation zu bringen, die zu einer Gefängnisstrafe von zwanzig Jahren führt. Sie vereinbaren also, nicht zu gestehen, und damit zugleich weder den andern noch sich selbst der Tat zu bezichtigen. Die Vereinbarung, sich solidarisch zu verhalten, w i r d belohnt durch eine Bestrafung mit nur einem Jahr wegen unerlaubtem Waffentragen. I n einem solchen Falle erinnert das Verhalten der beiden Verbrecher an eine Episode aus der Bettler-Oper 6 . Es handelt sich u m ein Gespräch zwischen dem A n w a l t Peachum, dem Beherrscher der Unterwelt 6 John Gay, The Beggar's Opera, in: The Poetical Works of John Gay, ed. C. C. Faber, London 1926, S. 511 (zweiter Akt, zehnter Auftritt), deutsche Fassung von W. Zörner, Direktor des Stadt-Theaters St. Gallen.

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Londons, und dem i n dessen Machenschaften verwickelten Gefängnisdirektor Lockit: Peachum: Bruder, Bruder, wir sind beide im Unrecht. Wir beide können bei diesem Streiten nur verlieren, denn D u weißt, jeder von uns hat es in der Hand, den andern hängen zu lassen. D u solltest nicht so aufgeregt sein. Lockit:

Und D u nicht so aufreizend.

Peachum: Es ist in unserem beiderseitigen Interesse, Bruder, und im I n teresse der Welt, daß wir einig bleiben, Bruder. Wenn ich irgend etwas gesagt habe, Bruder, was Deinen Charakter herabsetzt, so bitte ich um Entschuldigung, Bruder. Lockit:

Ich kann vergeben, Bruder. Deine Hand.

Davis berichtet über eine Experiment-Serie, bei der m i t 22 Spielerpaaren ein dem Gefangenendilemma ähnliches Spiel i n konsekutiver Weise fünfzig M a l durchgeführt wurde 7 . Die Spieler waren während sämtlicher Runden voneinander getrennt, hingegen hatten sie jeweils Kenntnis vom Verhalten des Spielpartners i n allen vorangehenden Runden. Dabei zeigte sich, daß von den 22 Paaren deren 20 eine A n zahl von nicht-kooperativen Resultaten aufwies, die größer war als die der andern Kombinationen 8 . Aus diesen experimentellen Spielen dürfen aber keine falschen Schlüsse gezogen werden. Angesichts der relat i v kleinen Einsätze, die bei dieser experimentellen Anordnung jeweils auf dem Spiel standen, fehlte der Ernst, der beim Dilemma der Untersuchungsgefangenen m i t Kommunikationsmöglichkeit das kooperative Verhalten als notwendig erscheinen ließe. 2. Modifikation des Schwarzfahrer-Problems

Buchanan behandelt eine zweite Variante des Schwarzfahrer-Problems aufgrund der Annahme, daß das Individuum der Auffassung ist, daß sein eigenes Verhalten das Verhalten der andern beeinflusse 9 . Er setzt zu diesem Zweck voraus, daß die Zahl der betroffenen Subjekte lediglich 10 betrage. Der Gesamtnutzen beträgt wiederum 10 000 Dollar und die Gesamtkosten 5000 Dollar. Für das einzelne Subjekt er7

Morton D. Davis, S. 120 ff. Zur Erläuterung sei verwiesen auf Tabelle 2. Gestehen bedeutet ein nichtkooperatives, Nicht-Gestehen dagegen ein kooperatives Verhalten. Ein kooperatives Spielresultat erfordert somit, daß beide Untersuchungsgefangenen ein Geständnis verweigern, wofür sie mit der Strafe von nur einem Jahr Gefängnis belohnt werden. I n dem Spiel, das dem Dilemma der Untersuchungsgefangenen nachgebildet wurde, hat nun die große Mehrheit sich so verhalten, daß ein nicht-kooperatives Resultat entstand, was in Tabelle 2 dem Ergebnis von je fünf Jahren Gefängnis für beide Gefangenen entspricht. 9 James M. Buchanan, S. 89 f. 8

Kollektive Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils

137

gibt sich damit ein Nutzen von 1000 Dollar und ein Kostenbeitrag von 500 Dollar. Wiederum hat der einzelne die Möglichkeit, einen Beitrag zu entrichten oder darauf zu verzichten. Angesichts der kleinen Zahl der Beteiligten w i r d er sich aber sagen, daß er, indem er einen Beitrag leistet, einen Einfluß auf die andern Subjekte ausübt, und diese m i t einer erheblichen Wahrscheinlichkeit, die er auf 80 °/o ansetzt, ebenfalls zu einem Beitrag veranlaßt. So ergibt sich die M a t r i x der Tabelle 3, die eine Modifikation der Tabelle 1 darstellt:

Tabelle 3 Schwarzfahrer-Problem mit k l e i n e r Zahl der

Verhalten der Nv

Leisten

Beitrag,

übrigen

Beteiligten

L e i s t e n keinen

Erwartungs-

Beitrag

wert

Subjekte Verhal-^v ten des

(a)

(b)

(c)=(a)+(b)

Subjektes A_

Leistet Beitrag Leistet

500 $ · ( 0 , 8 )

-500 2 · ( 0 , 2 )

300 %

keinen

Bei t r a g

Legende: siehe T a b e l l e

1000

(0,2)

0

»

(0,8)

200 %

1.

Aufgrund dieser Konstellation zeigt sich, daß für das Subjekt A der Erwartungswert größer ist, wenn es sich kooperativ, als wenn es sich nicht-kooperativ verhält. Buchanan behandelt noch einen weiteren Fall, bei dem der Einfluß, der von A ausgeübt wird, i n der entgegengesetzten Richtung verläuft. Leistet A keinen Beitrag, so sind die andern erst recht zu einer entsprechenden Leistung bereit, u m den negativen Einfluß von A zu kompensieren. Wenn A dies weiß, so ist der Verzicht auf eine Beitragsleistung für i h n die vorteilhafteste Lösung. Dieser zweite Fall ist jedoch von geringerer praktischer Bedeutung, obwohl sich für i h n zum Beispiel i m familiären Bereich Parallelen finden lassen.

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3. Modifikation des umweit-ökonomischen Falles

I n seinem Aufsatz „Umweltschutz und Umweltmoral" 1 0 hat Bruno Frey das Problem des umweit-ökonomischen Verhaltens, das w i r mit dem als „Tragik der Allmende" überschriebenen Fall zur Darstellung gebracht haben, i n allgemeiner Weise formuliert und hierbei auch die Möglichkeit, andere Subjekte zu beeinflussen, eingeführt. Dabei geht es i h m vor allem darum, die These, daß die Aufforderung zu einem umweltmoralischen Verhalten der wichtigste Beitrag zum Schutze der Umwelt sei, kritisch zu überprüfen. a) Der Ansatz von Bruno Frey Frey packt das Problem i n ähnlicher Weise wie Buchanan an. Für das einzelne Individuum besteht die Möglichkeit, entweder umweltmoralisch oder eigennützig zu handeln. Wenn w i r diese Alternative am Beispiel der eine Allmende gemeinsam nutzenden Viehbesitzer erläutern würden, so würde das eigennützige Verhalten sich i n einer Vergrößerung der Herde, und das umweltmoralische Verhalten i n einer Beschränkung der Herde auf ihren bisherigen Stand äußern. I m Modell von Frey bestehen dagegen vom Blickwinkel des Individuums A aus für die übrigen Mitglieder der Gesellschaft drei Möglichkeiten: (1) alle handeln eigennützig, (2) die Hälfte handelt umweltmoralisch, die andere Hälfte eigennützig, (3) alle handeln umweltmoralisch. So ergibt sich die Matrix von Tabelle 4. Tabelle 4 Präferenzordnung des Individuums A

übrige Mit^ s ^ g l i e d e r der ^ v ^ e s e l 1 schaft Indivi^N^handeln duum Α Ν. handeTt

alle eigennützig

zur Hälfte umweltmoralisch

a l l e umweltmoralisch

a

b

c

umweltmoralisch

1 d

eigennützig

e 2

8

4 f 6

12

Die sechs Möglichkeiten, die sich so aus der Perspektive des Individuums A ergeben, wurden mit Buchstaben gekennzeichnet. Frey hat 10

Bruno S. Frey, Umweltschutz und Umweltmoral — einige kritische Bemerkungen, in: Wirtschaft und Recht, 1973, Heft 4, S. 253 ff.

Kollektive Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils

139

nun insofern einen interessanten Beitrag geleistet, als er diese sechs Möglichkeiten je nach dem Wert, den sie für das Individuum A haben, i n eine Reihenfolge bringt. Den Wert, den die sechs Möglichkeiten für das Individuum A besitzen, veranschaulicht Frey durch Zahlenwerte zwischen 1 und 12, die er i n die sechs Felder dieser Matrix einsetzt. A m vorteilhaftesten ist für A der Fall, daß alle umweltmoralisch handeln, A dagegen sich eigennützig verhält (Feld f). A n 2. Stelle folgt die Möglichkeit, daß alle, einschließlich A, sich umweltmoralisch verhalten (Feld c). A n 3. Stelle kommt der Fall, bei dem sich nur die Hälfte umweltmoralisch, das Individuum A dagegen eigennützig verhält (Feld e). A n 4. Stelle steht der Fall, bei dem sowohl die Hälfte wie auch A umweltmoralisch entscheiden (Feld b). A n 5. Stelle folgt der Fall, bei dem sich alle einschließlich A eigennützig verhalten (Feld d). A n 6. Stelle schließlich w i r d die Möglichkeit gesetzt, daß alle eigennützig, aber nur das Individuum A umweltmoralisch handelt (Feld a). Die dieser Matrix zugrundeliegenden Annahmen werden von Frey wie folgt zusammengefaßt. Annahme 1 : Eine schöne Umwelt wird hoch bewertet. Sie wird um so eher erreicht, je größer der Anteil der Bevölkerung ist, der sich umweltmoralisch verhält. Annahme 2 : Eigennütziges — d. h. den privaten Nutzen maximierendes — Verhalten wird bei sonst gleichen Verhältnissen (cet. par.) immer einem umweltmoralischen Handeln vorgezogen. Annahme 3: Je größer der Anteil der Bevölkerung, der sich an die Gebote der Umweltmoral hält, desto höher ist der durch eigennütziges Verhalten zu erlangende private Vorteil.

b) Das Verhalten innerhalb

einer großen Gruppe

Nun untersucht Frey zunächst, wie sich eine Gesellschaft mit einer großen Zahl von Mitgliedern verhält 1 1 . Er läßt das Individuum A „gemäß der Regel von Laplace" (die manchmal auch Bernoulli zugeschrieben wird) jede der drei i n der Matrix verzeichneten Möglichkeiten als gleich wahrscheinlich schätzen, was für jede einen Koeffizienten von 33 °/o ergibt. Gestützt auf diese Annahme konstruiert er nun die Matrix der Tabelle 5. 11

Bruno S. Frey, S. 257 f.

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Tabelle. 5 Verhalten des Individuums Ä irf einer'Großgruppe

Obrige handel η Individuum A handelt

alle eigennützig

(a)

50 % umweltmoralisch (b)

alle umweltmora1 isch (c)

Erwartungswert

(d)=(a)+(b)+(c)

umweltmoralisch

1 · (0,33)

4 · (0,33)

8 · (0,33)

4,33

eigennützig

2 · (0,33)

6 · (0,33)

12 . (0,33)

6,67

Frey kommentiert das gewonnene Ergebnis wie folgt: „Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, liegt der Erwartungswert für das eigennützige Verhalten (mit 6,67) höher als für das umweltmoralische Verhalten (mit 4,33)12. Gemäß unseren Annahmen w i r d sich das Individuum daher eigennützig verhalten. Da aber die gleichen Überlegungen für jedes Individuum gelten, werden i m Ergebnis alle Mitglieder der Gruppe eigennützig handeln." c) Das Verhalten innerhalb

einer kleinen Gruppe

Anschließend behandelt Frey m i t demselben Ansatz die Situation, wie sie sich für das Individuum A ergibt, wenn es seine Entscheidung als Mitglied einer kleinen Gruppe t r i f f t 1 3 . Er unterscheidet dabei drei verschiedene Möglichkeiten: (1) Es ist möglich, daß die andern Subjekte nach der Auffassung von A die Tendenz haben, sein Verhalten nachzuahmen. Er konstruiert eine Tabelle, bei der die Wahrscheinlichkeit eines imitativen Verhaltens 60 % erreicht. Er gelangt damit zu der M a t r i x der Tabelle 6. Unter dieser Voraussetzung erweist sich, wie der Vergleich der Erwartungswerte erkennen läßt, das umweltmoralische Verhalten als das für das Individuum A — und damit für jedes einzelne I n d i v i duum, und damit für alle — vorteilhaftere Verhalten. 12 Die Erwartungswerte in Tabelle 5 liegen etwas höher als diejenigen in der ursprünglichen Matrix von Frey, weil wir den drei Möglichkeiten für das Verhalten der andern eine Wahrscheinlichkeit von 1/3 ( = 0,33333...) und nicht nur von 0,33 zugeordnet haben. 13 Bruno S. Frey, S. 258 ff.

Kollektive Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils

141

Tabelle 6 Verhalten in einer Kleingruppe:' Fall 'des imitativen Verhaltens

übrige handel η Individuum A han-Ν. del t

alle

50 % umweltmoralisch

eigennützig (b)

alle umweltmoralisch (c)

Erwartungswert

(d)=(a)+(b)+(c)

(a)

umweltmorali sch

1 · (0,1)

4 · (0,3)

8 ·(0,6)

6,1

eigennützig

2 · (0,6)

6 · (0,3)

1 2 · (0,1)

4,2

(2) Nimmt das Individuum A dagegen an, daß die andern Mitglieder der Kleingruppe m i t einer höheren Wahrscheinlichkeit (60 °/o) i n einer A r t von Trotzreaktion genau das Gegenteil von dem tun, was es selbst unternimmt, so erweist sich, daß die eigennützige Strategie i m Vergleich zur umweltmoralischen als bedeutend vorteilhafter erscheint. (3) Schließlich behandelt Frey noch einen weiteren Fall, für den charakteristisch ist, daß das Individuum A erwartet, daß die übrigen es zur Umweltmoral bekehren wollen, indem sie vor allem dann i n großer Zahl die Umwelt schützen, wenn A sich i m umweltschädlichen Sinne verhält. Auch i n diesem Falle besteht die beste Strategie für den einzelnen darin, sich eigennützig zu verhalten. d) Die Schlußfolgerungen

von Bruno Frey

Frey faßt die Ergebnisse seiner Überlegungen wie folgt zusammen: „Das entwickelte Modell zeigt, daß — m i t einer Ausnahme — i n allen betrachteten Fällen ein Gegensatz zwischen dem rationalen, d. h. nutzenmaximierenden, Verhalten der Individuen und der gesellschaftlichen Wohlfahrt besteht. Solange Individuen eigene Vorteile wahrnehmen, kann — außer i n einem speziellen Fall — nicht erwartet werden, daß sich i m Bereich der Umwelt ein Optimum für die Gesellschaft ergibt." Er zieht daraus den Schluß, daß „vom umweltmoralischen Verhalten unter den allermeisten und quantitativ wichtigsten Fällen keine Lösung der bestehenden Umweltprobleme erwartet werden" könne 1 4 . 1

Bruno S. Frey, S. 2 .

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Der aufgezeigte Gegensatz zwischen „der individuellen Rationalität und dem Optimum für die Gesellschaft" könne durch Einschaltung des politischen Mechanismus überwunden werden. Dieser könne dem Individuum die Gewißheit geben, daß auch die andern sich gleich verhalten, und es damit zu einem umweltmoralischen Verhalten veranlassen. I I I . D i e T r a g w e i t e der L e h r e v o n der k o l l e k t i v e n Selbstschädigung

W i r haben die kollektive Selbstschädigung zunächst an drei Beispielen aus der ökonomischen Literatur aufgezeigt. Handelt es sich bei diesen Beispielen u m Sonderfälle oder ist die Lehre von der Selbstschädigung von allgemeiner Tragweite? U m diese Frage zu beantworten, wollen w i r den Versuch unternehmen, uns eine Vorstellung von den wichtigsten Gebieten, i n denen sich entsprechende Vorgänge finden, zu bilden. 1. Umweltökonomie

Die Umweltökonomie ist zweifellos der wichtigste Anwendungsbereich. Prozesse der kollektiven Selbstschädigung können sich vor allem aus zwei Gründen ergeben. I n der Lehre von der „Tragik der Allmende" ist die Tatsache, daß das zur Verfügung stehende Weideland begrenzt ist, die entscheidende Voraussetzung für den Prozeß der Selbstschädigung. Genau dieselbe Situation haben w i r aber, auf längere Sicht betrachtet, hinsichtlich der wichtigsten Rohstoffe. Vielfach sind allerdings die Vorräte noch so groß, daß eine Schädigung der heute lebenden Generation noch nicht zu befürchten ist. Das bedeutet, daß man den Begriff der Selbstschädigung i n einem weiteren Sinne interpretieren muß und i n das „Selbst" auch spätere Generationen einbeziehen muß. Anläßlich des dritten Umwelt-Symposiums 1 5 wurde die Frage aufgeworfen, ob für die Unternehmung ein Wachstumszwang bestehe. René Frey wies zur Beantwortung dieser Frage schon damals auf das „Schwarzfahrer-Problem" und das „Dilemma der Untersuchungsgefangenen" hin. I n meiner eigenen A n t w o r t versuchte ich zu zeigen, daß für die einzelne Unternehmung die Möglichkeit, auf das Wachstum zu verzichten, selbst wenn ihr das umweltökonomisch als richtig erschiene, nicht bestehe, solange konkurrierende Unternehmungen sich ausweiten 1 6 . 15 Hans-Christoph Binswanger, René L. Frey, Walter Adolf Jöhr u. a., Wirtschaftspolitik in der Umweltkrise. Strategien der Wachstumsbegrenzung und Wachstumsumlenkung, ed. J. Wolff (Referate und Seminarergebnisse des 3. Symposiums für wirtschaftliche und rechtliche Fragen des Umweltschutzes an der Hochschule St. Gallen, 20. - 22. Nov. 1973), Stuttgart 1974.

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143

Genau die analoge Situation ergibt sich auch insofern, als die A b sorptionskraft der Umwelt für die mannigfaltigen festen, flüssigen und gasförmigen Abfälle der Produktion und des menschlichen Lebens begrenzt ist. I n vielen Fällen, wie zum Beispiel bei der Verunreinigung der Gewässer und der L u f t i m Gebiet großer Agglomerationen, sind die Schädigungen sehr deutlich zu Tage getreten. I n andern Fällen, wie zum Beispiel bei der Verunreinigung des Meeres, werden sie vor allem spätere Generationen treffen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß der Fall der Fremdschädigung und nicht der kollektiven Selbstschädigung vorliegt. Ein entsprechendes Beispiel ist die Verunreinigung eines Flusses, die nur für die unterhalb des Ortes der Verunreinigung lebenden Anwohner Nachteile bringt. I n diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage, ob eine weltweite kollektive Selbstschädigung durch das Wachstum drohe. Diese Frage ist i n sehr eindrücklicher Weise von den Verfassern der berühmten Studie „Die Grenzen des Wachstums" 17 bejaht worden. Ohne zu ihren Voraussagen i m einzelnen Stellung zu nehmen, sei festgehalten, daß trotz aller Bemühungen, die Geburtenrate zu senken, m i t der Gefahr einer solchen globalen Umweltkrise gerechnet werden muß, falls es nicht möglich ist, die Grenzen, die dem Wachstum gesetzt sind, durch technologische Neuerungen immer weiter hinauszuschieben. 2. Kriegswirtschaft und verwandte Situationen

Unter den Bedingungen einer Kriegswirtschaft kann sich kurzfristig eine Verknappung wichtiger Versorgungsgüter zeigen. Eine ähnliche Situation ergab sich i n den Jahren 1973/74 aus dem Verhalten der ölexportierenden Länder. Angesichts dieser Verknappung hätte eine solidarische Einstellung sich in einer Einschränkung des Verbrauchs der betreffenden Güter äußern müssen. Wer jedoch aufgrund der Voraussicht einer solchen Situation Güter i m Übermaß aufkauft, schädigt sicher die übrigen Wirtschaftssubjekte. Führt aber eine solche Hamsterwelle zu einer Situation, die der Staat nicht mehr meistern kann, so kann auch er ein Opfer von Plünderungen und Unruhen werden. I n diesem Fall w i r d aus der durch die Verfolgung des eigenen Interesses 16 Walter Adolf Jöhr, Instrumente der Wachstumsbegrenzung und der Wachstumsumlenkung. Eine systematische Übersicht, in: Wirtschaftspolitik in der Umweltkrise, ed. J. Wolff , 1974, S. 12 f. 17 Dennis Meadows, Donella Meadows, E. Zahn, P. Milling, Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972. Vgl. dazu Walter Adolf Jöhr, Die Grenzen des Wachstums, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium (WiSt) 1973. Heft 6 und 7.

144

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bedingten kollektiven Fremdschädigung eine kollektive Selbstschädigung. 3. Verhalten gegenüber dem Staat

Auch bei den Staatsbürgern kann sich der Prozeß der kollektiven Selbstschädigung vollziehen. Dies kann i n verschiedener A r t und Weise geschehen. Innerhalb der Demokratie besteht die Möglichkeit dieser Selbstschädigung i n der Abstinenz von einer aktiven Teilnahme am politischen Geschehen. Der Verzicht auf die Ausübung des Stimmrechtes ist nur eine Erscheinungsform dieser Abstinenz. Sie äußert sich auch i n einem mangelnden Interesse für die politischen Fragen. Zunächst scheint diese Abstinenz dem sich so verhaltenden Bürger nur Vorteile zu bringen, aber auf längere Sicht besteht die große Gefahr — die Geschichte mancher Hochschule zeigt dies während der letzten zehn Jahre i n eindrücklicher Weise —, daß das Gemeinwesen unter die Herrschaft einer radikalen Minderheit gerät. I n ähnlichem Sinne kann eine laxe Gesetzeshandhabung durch Beamte und Bürger zunächst den Beteiligten und Betroffenen einige Vorteile bringen, aber die Gefahr ist groß, daß dadurch das Staatswesen und m i t i h m alle seine Bürger einen erheblichen Schaden erleiden. Auch eine Verstärkung des Einflusses auf Regierung und Parlament seitens eines Interessenverbandes scheint diesem Vorteile zu bringen. Aber indem dadurch die anderen Wirtschaftsverbände zu einem analogen Vorgehen veranlaßt werden, w i r d das Handeln des Staates immer mehr zu einer Resultante der von den Pressure Groups ausgehenden Kräfte. Dies bedeutet zugleich eine Verschlechterung der Funktionsweise der Demokratie und stellt damit einen gewichtigen Nachteil für die Angehörigen der verschiedenen Verbände i n ihrer Eigenschaft als Staatsbürger dar. I n seinem Buche „Wirtschaftliche Macht" schreibt Helmut A r n d t i n dem Abschnitt über „Lobbyismus" m i t Recht: „Einseitige Einflußnahmen, von welcher Seite sie auch immer kommen, verhindern nicht nur gesellschaftlich notwendige Gesetzesreformen, sondern auch die Untersuchungen, deren Ergebnisse zu ihrer Vorbereitung notwendig sind. Je stärker sich die Interessen einzelner Gruppen durchsetzen, um so weniger wird ein Gesetz dem Allgemeininteresse dienen. Das Sonderinteresse setzt sich dann bereits in der Gesetzgebung gegenüber dem A l l gemeininteresse durch 18 ."

I n diesem Zusammenhang sei auch auf die Steuerhinterziehung hingewiesen. Sie bringt einerseits natürlich für den Steuerzahler, der 18 Helmut Arndt, Wirtschaftliche Macht. Tatsachen und Theorien, München 1974, S. 102.

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145

Steuern hinterzieht, beträchtliche Vorteile, andererseits aber zwingt sie den Staat zu einer Erhöhung des Steuersatzes, u m die durch die Hinterziehung bewirkten Ausfälle wettzumachen 19 . Sind die pekuniären Vorteile einzelner Steuerzahler größer als die durch die Gesamtheit der Steuerhinterziehungen bedingte Erhöhung ihrer Steuerleistung, so handelt es sich für die genannten Steuerzahler u m eine Fremdschädigung, nicht aber u m eine kollektive Selbstschädigung. Eine solche kann jedoch auch für die entsprechende Gruppe sich einstellen, falls der Umfang der Steuerhinterziehung progressiv zunimmt und zu einer Zerrüttung des Steuerwesens und damit auch der staatlichen Autorität führt. 4. Verhalten i m Depressionsfall

I m Falle des konjunkturellen Rückganges, nehme dieser nun nur die Form einer Rezession oder einer eigentlichen Depression an, muß der Unternehmer u m seine Existenz kämpfen. Angesichts der sinkenden Nachfrage muß er seine Produktion drosseln, seine Investitionen auf später verschieben und bei allen Ausgaben größte Sparsamkeit an den Tag legen. Indem er sich so verhält, verfolgt er seinen eigenen Vorteil, schafft aber zugleich die Voraussetzungen für eine weitere Schrumpfung der Nachfrage und damit für eine Verschärfung des konjunkturellen Rückganges. Helmut A r n d t charakterisiert die resultierende Situation wie folgt: „In der Volkswirtschaft werden Faktoreinheiten, die bisher beschäftigt waren, aus der Produktion ausgegliedert. Maschinen werden stillgelegt, Rohstoffe werden unabsetzbar, und Arbeitskräfte werden arbeitslos. Der Marktmechanismus kann an diesem Sachverhalt nichts ändern 20 ."

W i r begegnen damit, wie man übrigens schon zur Zeit der W e l t w i r t schaftsdepression erkannt hat, einem typischen Prozeß der kollektiven Selbstschädigung durch das Bemühen der Unternehmung, die eigene Existenz zu sichern. Es liegt auf der Hand, daß dieses Verhalten gegenwärtig wieder i n wesentlichem Maße dazu beiträgt, die Rezession zu verschärfen. Eine gewisse Analogie zum Verhalten der Unternehmer i m Falle konjunkturellen Niedergangs zeigt sich auch i m Aufschwung und i n Hochkonjunktur, indem der einzelne Unternehmer (wie schon bei Behandlung der Umweltökonomie ausgeführt wurde) angesichts

des der der des

19 Vgl. zum Problemkreis der Steuerhinterziehung Walter Adolf Jöhr, Probleme der Steueramnestie mit besonderer Berücksichtigung der Lehren von der Grenzmoral und der Antinomie der Werte, in: Soziale Verantwortung (Festschrift für Goetz Briefs), Berlin 1968, S. 493 ff. 20 Helmut Arndt, Mikroökonomische Theorie, Bd. 2: Marktprozesse, Tübingen 1966, S. 120.

10 Festschrift für Helmut Arndt

146

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effektiven oder potentiellen Verhaltens seiner Konkurrenten sich gezwungen sieht, seinen Betrieb auszuweiten und zu diesem Zweck zusätzliche Kredite nachzufragen. Dadurch w i r d der Geldstrom vergrößert und die Inflation verstärkt. Nun besteht aber insofern keine vollständige Symmetrie zum Depressionsfall, als der Unternehmer nur i n geringem Maße von der Inflation betroffen w i r d und das Verhalten der Unternehmer i n Aufschwung und Hochkonjunktur mehr positive als negative Wirkungen ausübt. Infolgedessen kann das Verhalten der Unternehmer i m Aufschwung und i n der Hochkonjunktur, insoweit es nicht dem entspricht, was i m Abschnitt über die Umweltökonomie ausgeführt wurde, nicht als Anwendungsfall des kollektiven Selbstschädigungsprozesses bezeichnet werden. 5. Verhalten im monetären Bereich

Typische Prozesse der kollektiven Selbstschädigung zeigen sich auch, wenn eine Bank aufgrund irgendwelcher unbegründeten Gerüchte i n den Ruf kommt, ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr v o l l nachkommen zu können. Nun reagieren einzelne Einleger m i t dem Rückzug ihrer Gelder, u m einer Illiquidität zuvorzukommen. Indem sie das tun, lösen sie aber eine Kettenreaktion aus, die zu einem Run auf die Bank führt und gerade diese Illiquidität bewirkt. Die ersten, die ihr Geld abhoben, waren noch erfolgreich, die späteren, die ohne Erfolg dasselbe versuchten, haben mit ihrem Verhalten zur Illiquidität der Bank beigetragen und damit sich selbst geschädigt. Ein umgekehrter Prozeß hat sich auf dem Währungssektor zur Zeit der fixierten Wechselkurse vollzogen. Schien eine Währung unterbewertet und damit aufwertungsverdächtig, so haben Banken und Unternehmungen Kapitalien i n das betreffende Land verlegt und dieses dam i t zur Aufwertung veranlaßt. Durch Bewegungen dieser A r t ist schließlich das System von Bretton Woods, das grundsätzlich auf festen, wenn auch korrigierbaren Wechselkursen beruhte, zerstört worden, was gerade für die exportorientierten Unternehmungen große Nachteile m i t sich bringt. 6. Verhalten von Angehörigen einer kleinen Gruppe

Bei den i n diesem Abschnitt I I I behandelten Fällen waren immer die Angehörigen des Gemeinwesens die Leidtragenden der kollektiven Selbstschädigung, wobei dieses Gemeinwesen wie i m Falle der Selbstschädigung der Besitzer der Allmende auch sehr klein sein konnte. Nun muß man sich aber darüber i m klaren sein, daß sich solche Prozesse auch i n einzelnen Gruppen innerhalb des Gemeinwesens abspielen können.

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Ein klassisches Beispiel, das i n der Literatur schon große Aufmerksamkeit gefunden hat, ist das Oligopol. Nehmen w i r an, daß sich der Preis auf dem Cournotschen Punkt befinde. Versucht nun ein einzelner Oligopolist, seinen Gewinn durch Preissenkung zu erhöhen, so w i r d i h m das vielleicht zunächst gelingen, aber nach kurzer Zeit werden die andern nachfolgen. Der Preis, und m i t i h m die Gewinne aller Oligopolisten, werden sinken. W i r haben also den typischen Fall einer kollektiven Selbstschädigung. Bei einem Oligopolspiel, das ich aufgrund einer Anregung von Heinz Sauermann 21 entwickelt habe, hat sich diese Tendenz zur Selbstschädigung sehr deutlich manifestiert. Aber es ist eine Selbstschädigung, die auf die Gruppe der betreffenden Oligopolisten beschränkt ist. Die A l l gemeinheit w i r d nämlich aus dieser Preissenkung Nutzen ziehen, indem sie das entsprechende Gut zu einem billigeren Preise erwerben kann. Die kollektive Selbstschädigung einer Gruppe ist somit zugleich eine Begünstigung der Gesamtheit. Je größer nun die Zahl der Oligopolisten ist, desto mehr nähern w i r uns dem Fall der reinen Konkurrenz, und für i h n gilt, daß dieser Prozeß dazu tendiert, den Preis auf das Niveau der Durchschnittskosten zu senken. Was also für die Produzenten der einzelnen Branchen als kollektive Selbstschädigung erscheint, ist wiederum i n der Hegel für die Gesamtheit ein Beitrag zur Erhöhung des Wohlstandes. IV. Versuch einer systematischen Gliederung der Möglichkeiten kollektiver Selbstschädigung Nachdem w i r uns von der großen Tragweite der Lehre von der kollektiven Selbstschädigung durch Verfolgung des eigenen Vorteils Rechenschaft gegeben haben, wollen w i r i m folgenden die vielfältigen Möglichkeiten dieser Selbstschädigung i n systematischer Weise gliedern. I n Klammern sollen jeweils sprechende Beispiele der einzelnen Möglichkeiten aufgeführt werden. 1. Gliederung in zeitlicher Hinsicht

Gliederung (a) — Einmaliger Entscheid (Dilemma der Untersuchungsgefangenen, Buchanans Beispiel des Schwarzfahrer-Problems, umfassender Atomschlag seitens einer Großmacht). — Mehrfacher Entscheid, was besagt, daß die kollektive Selbstschädigung den Charakter eines sich über eine Mehrzahl von Perioden er21 Heinz Sauermann, Die experimentelle Wirtschaftsforschung an der Universität Frankfurt am Main, Wiesbaden 1968.

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streckenden Entscheidungsprozesses annimmt (Tragik der Allmende sowie die meisten von der Umweltökonomik hervorgehobenen Fälle). Gliederung (b) — Verfolgung des kurzfristigen Vorteils (Benutzung des Autos statt der Straßenbahn für Einkäufe i m Stadtzentrum). — Verfolgung des langfristigen Vorteils (Errichtung thermischer K r a f t werke trotz bevorstehender ölknappheit). Gliederung (c) — Selbstschädigung der lebenden Generation (Luftverschmutzung, Gewässerverschmutzung) . — Schädigung der künftigen Generationen (Aktivitäten, die zur Gefährdung des menschlichen Erbgutes durch erhöhte Strahlung führen). 2. Gliederung nach der Zahl der beteiligten Subjekte

— Kleine Zahl der Beteiligten (Dilemma der Untersuchungsgefangenen, Oligopol, Mitglieder einer Familie, die unabhängig voneinander Entscheide treffen, welche das ersparte Familienvermögen aufzuzehren drohen). — Große Zahl der Beteiligten (Schiffe und Unternehmungen, die das Meer verschmutzen, Haushalte, die für die Erwärmung ihrer Wohnräume das immer knapper werdende Erdöl verbrauchen). 3. Gliederung nach der Stellung der Subjekte

Gliederung (a) — Einzelne (als Konsumenten, Staatsbürger, Zeitungsleser). — Organisierte Gruppen (Unternehmungen, Interessenverbände, Staaten). Gliederung (b) — Produzenten (Betriebe, die an einem See gelegen sind und diesem ihre Abwässer zuführen). — Konsumenten (Automobilisten, die wesentlich zur Verunreinigung der L u f t i n den großen Agglomerationen beitragen). Gliederung (c) — Bürger (Stimmberechtigte, die durch politische Abstinenz die Demokratie gefährden). — Behördemitglieder (Vertreter der Regierung und der Verwaltung, die durch laxe Gesetzesanwendung den Rechtsstaat unterminieren).

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4. Gliederung nach der Art der Beziehung zwischen den Subjekten

— Keine Kommunikation (Dilemma der Untersuchungsgefangenen, Steuerzahler, die einen Teil ihres Vermögens und ihres Einkommens verheimlichen, Automobilisten einer Großstadt). — Geringe Kommunikation (Betriebe, die ihre Abwässer i n dasselbe Gewässer einfließen lassen). — Intensive Kommunikation (Gläubiger einer als gefährdet erscheinenden Bank während des Runs auf die Bank). 5. Gliederung nach der Art des vorausgesetzten Handelns der andern

Gliederung (a) — Beeinflußbar (Unternehmer einer Branche i n der Rezession). — Nicht beeinflußbar (Konsumenten als Verbraucher von Heizöl). Gliederung (b) Für den Fall der Beeinflußbarkeit: — Imitatives Verhalten (Unternehmer einer Branche i n der Rezession, aber nur i m Falle einer Einschränkung der Ausgaben). — Kompensierendes Verhalten (Eltern gegenüber Verschwendungstendenz der erwachsenen Kinder, was möglicherweise die Selbstschädigung aufheben kann). Gliederung (c) Für den Fall der Beeinflußbarkeit: — Nur durch die Tat (Kapitalverschiebungen i n Länder m i t aufwertungsverdächtigen Währungen). — Durch die Tat und durch andere Einwirkung wie insbesondere Wort und Schrift (Rückzug der Gelder von einer gefährdet erscheinenden Bank). 6. Gliederung nach der Art der Einstellung zu den anderen beteiligten Subjekten

Gliederung (a) — Bloße Verfolgung des eigenen Vorteils (Aufschub von Investitionsplänen durch die Unternehmung i n der Rezession). — Verfolgung des eigenen Vorteils unter Inkaufnahme schädigender Wirkungen für die andern (Steuerhinterziehung). — Verfolgung des eigenen Vorteils durch bewußte Schädigung des andern (Atomschlag einer Großmacht, Cut-throat competition durch Oligopolisten). Gliederung (b) — Bestreben, den eigenen Vorteil dadurch wahrzunehmen, daß man den andern zuvorkommt (Hamsterkäufe, Run auf die Bank, Ver-

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Schiebung von Kapitalien i n ein Land m i t aufwertungsverdächtiger Währung). — Verfolgung des eigenen Vorteils ohne Bestreben, den andern zuvorzukommen (gegenwärtig noch fast alle umweltökonomischen Prozesse der kollektiven Selbstschädigung). 7. Gliederung nach der Art der Schädigung

Gliederung (a) — Entgangener Gewinn („lucrum cessans") (Buchanans Schwarzfahrer-Beispiel, bei dem ein öffentliches Werk nicht zustande kommt). — Entstehender Schaden („damnum emergens") (die meisten Fälle der kollektiven Selbstschädigung umweltökonomischer Art). Gliederung (b) — Unkorrigierbare Schädigung (Ausrottung von Tierarten durch übermäßige Jagd und Fischerei, Schädigung des menschlichen Erbgutes durch Pestizide). — Korrigierbare Schädigung (Gewässerverschmutzung, schaftsbild beeinträchtigende Besiedelung).

das

Land-

Gliederung (c) — Schädigung der Beteiligten ohne wohltätige Effekte für die Unbeteiligten (alle Fälle umweltökonomischer kollektiver Selbstschädigung). — Schädigung der Beteiligten mit wohltätigen Effekten für die Unbeteiligten (Preissenkung innerhalb von Oligopolen oder oligopolähnlichen Branchen). 8. Gliederung nach den Voraussetzungen der Schädigungsmöglichkeit

— Erschöpfbarkeit des Bestandes an Ressourcen (übermäßige Verwendung von knappen Rohstoffen). — Möglichkeit der Überbeanspruchung der Umwelt i n ihrer Fähigkeit, Abfälle zu absorbieren (Verschmutzung der Gewässer und der Luft). — Möglichkeit des Absinkens von Nachfrage und Beschäftigung (Verhalten der Unternehmer i m konjunkturellen Rückgang). — Grenzen der Liquidität von Kreditinstituten (Run auf Banken). — Möglichkeit des Schwundes des Vertrauens i n die Stabilität von Währungen (Kapitalverschiebungen aus Ländern m i t abwertungsverdächtiger Währung i n Länder m i t aufwertungsverdächtiger Währung). — Möglichkeit eines Absinkens des Standards der Ehrlichkeit (Zunahme der Fälle von Steuerhinterziehung).

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— Möglichkeit eines Absinkens der moralischen Grundlagen Rechtsstaates (laxe Gesetzesanwendung durch die Behörden).

des

V. Schlußfolgerungen Nun wollen w i r auf die am Anfang gestellte Frage nach der Bedeutung der Lehre von der kollektiven Selbstschädigung für die These der Förderung des Gemeinwohls durch die Verfolgung des Privatinteresses zurückkommen, u m nachher zu prüfen, was für praktische Konsequenzen aus den Ergebnissen unserer Untersuchung gezogen werden können. 1. Konfrontation der Ergebnisse mit der Lehre von der Förderung des Gemeinwohls durch die Verfolgung des Privatinteresses

Zunächst wollen w i r festhalten, daß die Prozesse der kollektiven Selbstschädigung nicht i n jedem Falle das Gemeinwohl beeinträchtigen. Das zeigt sich schon beim „Dilemma der Untersuchungsgefangenen". Indem die beiden Angehörigen der Zweiergruppe ihren persönlichen Vorteil suchen und gestehen, verscherzen sie die weit vorteilhaftere Lösung, die sich aus dem solidarischen Verhalten der Geständnisverweigerung ergäbe. Für das Gemeinwesen ist aber die getroffene Lösung von Vorteil: die Öffentlichkeit w i r d es m i t Erleichterung zur Kenntnis nehmen, daß die Urheberschaft eines schweren Verbrechens durch ein Geständnis der beiden Täter geklärt werden konnte. I n ähnlicher Weise begünstigt, wie w i r schon festgestellt haben, der Prozeß der Preissenkung innerhalb eines Oligopois oder auch einer größeren Gruppe von Produzenten einer Branche i n gewissem Maße die Allgemeinheit. Aber es handelt sich hierbei doch eher u m Ausnahmefälle. I n der großen Mehrzahl der Fälle führen die Prozesse der kollektiven Selbstschädigung durch Verfolgung des individuellen Vorteils zu einer Schädigung der Allgemeinheit und damit zu einer Beeinträchtigung des durchschnittlichen Wohlstandes. Insofern würden sie die Lehre widerlegen, daß das Verfolgen des Privatinteresses i n jedem Fall das Gemeinwohl erhöht. I n dieser Form ist die genannte Lehre allerdings nur von wenigen extremen Liberalen vertreten worden, etwa von Bastiat, dessen Auffassung Gide und Rist wie folgt charakterisieren: „Ainsi toutes les lois économiques, celle de la concurrence, de la valeur, etc., contraignent le producteur, qui voudrait bien être égoiste, à être altruiste malgré lui: elles le dupent pour le bien de tous. I l croyait travailler pour gagner le plus possible, en réalité i l travaille pour satisfaire le plus économiquement possible aux besoins d'autrui. Voilà l'harmonie 22 ." 22 Charles Gide und Charles Rist , Histoire des Doctrines économiques depuis les Physiocrates jusqu'à nos jours, Paris 1929, S. 402; Frédéric Bastiat , Harmonies Economiques 3. Aufl. Paris 1855, S. 14 ff., 106 ff., 314 ff.

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Auch Mises äußert sich i m gleichen Sinne: „Für die gesellschaftliche Kooperation der Menschen gibt es nur eine wirkungsfähige Ordnung: die auf dem Sondereigentum an den Produktionsmitteln beruhende Marktwirtschaft. Wenn man diese Ordnung nicht vernichten und die Kultur nicht zerstören will, darf man nicht Maßnahmen und Verhaltensweisen fordern, die ihr Wirken unmöglich machen. — Das Getriebe der Marktwirtschaft wird durch die Faktoren in Gang erhalten, die der Moralist als Profitsucht, Eigennutz und Mammonismus verdammen will. Weil jeder Einzelne sein Unbefriedigtsein so weit abstellen will, als er es kann, weil jeder Einzelne auf seinen Vorteil bedacht ist und gewinnen und nicht verlieren will, arbeitet das Getriebe 23 ."

Aber schon der Begründer der Lehre von der wohlstandserhöhenden Wirkung der Verfolgung des Privatinteresses, Adam Smith, betont, daß neben der Kriegführung und der Rechtspflege die „dritte und letzte Aufgabe des Staates" darin bestehe, „solche öffentlichen Anlagen und Einrichtungen aufzubauen und zu unterhalten, die, obwohl sie für ein großes Gemeinwesen höchst nützlich sind, ihrer ganzen Natur nach niemals einen Ertrag abwerfen, der hoch genug für eine oder mehrere Privatpersonen sein könnte, um die anfallenden Kosten zu decken, weshalb man von ihnen nicht erwarten kann, daß sie diese Aufgabe übernehmen 24 ."

I m übrigen hat die Position des harmonistischen Liberalismus von Adam Smith auch insofern eine Schwächung erfahren, als die geistige Entwicklung i m 19. und 20. Jahrhundert sie der metaphysischen Verankerung beraubte, die sie i n Gestalt der Lehre des Deismus besaß 25 . Zunächst wurde aufbauend auf Gedanken von Quesnay und Smith bestätigt, daß die durch das Privatinteresse motivierte Konkurrenz nicht nur eine selbstregulierende, sondern auch eine wohlstandssteigernde K r a f t besitzt. Eine genauere Analyse ließ jedoch erkennen, daß die der freien Konkurrenz zugeschriebenen Leistungen, wie Gleichgewicht, größtmöglicher Wohlstand auf der Grundlage einer bestimmten Vermögens· und Einkommensverteilung, leistungsgerechte Einkommensverteilung, Vollauslastung der Produktionsfaktoren, insbesondere V o l l beschäftigung der Arbeitskräfte, sich nur unter den Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz ergibt, wobei allerdings insofern eine Ein23 Ludwig von Mises, Nationalökonomie. Theorie des Handelns und W i r t schaftens, Genf 1940, S. 704. Vgl. auch S. 8 f. u. 748. 24 Adam SmAth, Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, übersetzt von H. C. Recktenwald, München 1974, S. 612. Vgl. auch die dem Kommentar Recktenwalds vorangestellte „Würdigung des Werkes" S. L X V f f . 25 Vgl. dazu Walter Adolf Jöhr, Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik, Bd. I. Die Organisation der Wirtschaftsfreiheit. Das Modell der vollkommenen Konkurrenz und seine Annäherungen an die Wirklichkeit, St. Gallen 1943, sowie Bd. I I , Die Konjunkturschwankungen, Tübingen und Zürich 1952.

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schränkung anzubringen ist, als die Individualisierung der Leistungen, die zwangsläufig zur Form der monopolistischen Konkurrenz führt, den Wohlstand i m Verhältnis zur vollkommenen Konkurrenz zu steigern vermag 2 6 . Aber selbst wenn die Voraussetzungen des Modells der vollkommenen Konkurrenz (mit der soeben formulierten Einschränkung) verwirklicht wären, blieben gewisse allgemein anerkannte Ziele, wie etwa die Erhaltung der Existenz der beschränkt Arbeitsfähigen, der Schutz der Familie, die Entwicklung benachteiligter Regionen, die Erstellung der Verteidigungsbereitschaft des Landes, unberücksichtigt, so daß entsprechende Eingriffe des Staates unerläßlich wären. Diese Interventionsbedürftigkeit der Wirtschaft folgt aber auch daraus, daß die Voraussetzungen des Modells der vollkommenen Konkurrenz i n der Wirklichkeit nicht erfüllt sind. Daraus ergibt sich auch eine Prädisposition der Wirtschaft für sich selbst steigernde Aufschwungs- und Niedergangsprozesse, woran die gegenwärtige Rezession viele Ökonomen, die diese Prozesse für ein überwundenes Kapitel der W i r t schaftsgeschichte hielten, i n eindrücklicher Weise erinnert. Die Lehre von der kollektiven Selbstschädigung durch Verfolgung des individuellen Vorteils stellt somit nicht einen grundsätzlich neuen Ansatz dar, sondern reiht sich an die Seite der unabhängig von ihr schon vorher entwickelten Lehre von der Interventionsbedürftigkeit der Marktwirtschaft. I n einzelnen Fällen, wie zum Beispiel hinsichtlich der Prädisposition für kumulative Kontraktionsbewegungen, wurde diese Lehre durch die Erkenntnis von den Prozessen der kollektiven Selbstschädigung lediglich i n eine neue Perspektive gerückt. Die Lehre von der kollektiven Selbstschädigung weist auf eine weitere schwache Stelle i m Aufbau von Wirtschaft und Gesellschaft und bestätigt damit die These von der Interventionsbedürftigkeit der Marktwirtschaft. Sie darf aber nicht dazu veranlassen, das zu verkennen, was der auf der Verfolgung des eigenen Interesses basierende marktwirtschaftliche Mechanismus i m Sinne der Selbstregulierung und der Wohlstandssteigerung effektiv leistet. Und das Ausmaß dieser Leistung t r i t t noch deutlicher vor Augen, wenn man an die Alternativen denkt: an das System der zentralen Leitung und an das System des I n teressenausgleiches durch Vereinbarung.

26 Walter Adolf Jöhr, Zur Diskussion über die Rolle der Konkurrenz in der modernen Wirtschaft, in: Zeitschrift für Nationalökonomie 1966, Heft 1 - 3 , insbesondere S. 94 f.

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Walter Adolf Jöhr 2. Bekämpfung der kollektiven Selbstschädigung durch Appell an die Moral?

Man kann die kollektive Selbstschädigung durch Verfolgung des individuellen Vorteils als eine Mißachtung des kategorischen Imperativs von Kant betrachten: „Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne 27 ."

Man kann die kollektive Selbstschädigung aber auch m i t den Augen von Goetz Briefs sehen. Die „bürgerliche Verkehrsgesellschaft" ist für i h n vielleicht der erste, sicher aber der ausgeprägteste Typ „einer Gesellschaft, deren maßgebendes Organ der Markt ist und in der dementsprechend ausschließlich Fremdmoral die Beziehungen der Kontrahenten des Tauschverkehrs regelt. Gemeinschaftsmoral ist hier nicht ,systemkongruent', weil sie den nach ihr sich Richtenden aus dem Verkehrszusammenhang auszuscheiden die Tendenz hat." Die Prämie des Erfolges winkt jenen, die das „jeweils mögliche Geringstmaß an Verkehrsmoral besitzen". Das nötigt die übrigen, sich „bei Strafe von Verlusten oder geschäftlichem Untergang, ihre Verkehrsmoral dem Spiegel der jeweils möglichen, in der Marktsituation durchschlagenden, hemmungslosesten Verkehrsmoral anzupassen28."

Briefs zieht daraus den Schluß, daß sich aus der bürgerlichen Verkehrsgesellschaft die „Tendenz zur Grenzmoral" ergebe. Wenn es auch zweifellos nicht richtig wäre anzunehmen, daß der Marktwirtschaft notwendig diese Tendenz zur Grenzmoral eigentümlich wäre — Briefs selbst räumt die Möglichkeit ein, daß die durch die marktwirtschaftliche Konstellation geförderte Senkung des Niveaus der Moral Gegentendenzen hervorrufen könnte —, so muß doch anerkannt werden, daß Tendenzen dieser A r t sich zeigen können. Und wo dies der Fall ist, besteht die Möglichkeit, daß diese Senkung der Moral sich i n dieser oder jener Weise gegen jene wendet, die sie freiwillig oder gezwungenermaßen praktizieren, wie das für die Anwendbarkeit unserer Lehre von der kollektiven Selbstschädigung erforderlich ist. Betrachtet man die Ursache der kollektiven Selbstschädigung i n der Mißachtung von Kants kategorischem Imperativ oder i n der von Briefs 27

Immanuel Kants Werke, E. Cassirer (Hrsg.), Bd. V, Kritik der praktischen Vernunft, Berlin 1922, S. 35. 28 Goetz Briefs, Sozialform und Sozialgeist der Gegenwart, in: Handwörterbuch der Soziologie, Hrsg. A. Vierkandt, Stuttgart 1931, S. 162, vgl. ferner Goetz Briefs, Grenzmoral in der pluralistischen Gesellschaft, in: Wirtschaftsfragen der freien Welt, Hrsg. E. von Beckerath, F. W. Meyer, A. MüllerArmack, Frankfurt a. M. 1957, S. 97 ff.; sowie Goetz Briefs, Laissez-fairePluralismus. Demokratie und Wirtschaft des gegenwärtigen Zeitalters, Berlin 1966, S. 31 ; sowie ferner Walter Adolf Jöhr, Probleme der Steueramnestie S. 497 ff. und 501 ff.

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festgestellten Senkung der allgemeinen Moral auf das absinkende N i veau der Grenzmoral, so liegt der Schluß nahe, das Problem der kollektiven Selbstschädigung als ein moralisches Problem zu behandeln und die Abhilfe auch i n erster Linie auf der moralischen Ebene zu suchen. Wäre es nicht möglich, diesen Mangel an Solidarität durch moralische Appelle oder, u m den englischen Ausdruck zu gebrauchen, durch „Moral suasion" wirksam zu bekämpfen? Einwände gegenüber dieser A r t der Bekämpfung könnten vom Heerlager der Neuen Politischen Ökonomie erhoben werden, das sich zur Aufgabe setzt, die Konzeption des Nutzenmaximierers der Ökonomie auf die politischen Prozesse anzuwenden 29 . Der Einspruch könnte vor allem darin bestehen, daß die Realität, oder wenigstens die Relevanz, des Motives der Solidarität i n Frage gestellt wird. So vertritt Downs, einer der Begründer der Neuen Politischen Ökonomie, folgende Auffassung: „Jeder ist um seine eigene Sicherheit und sein eigenes Glück mehr besorgt als um die Sicherheit oder das Glück anderer; und wo diese in Gegensatz treten, ist er bereit, die Interessen anderer seinen eigenen zu opfern 30 ."

Aber wenn auch Downs diese Auffassung nur i m Sinne einer A n nahme für sein Demokratie-Modell verficht, so muß man i h m doch entgegnen, daß er der Solidarität und der Opferbereitschaft i n seinem Modell ebenfalls den diesen Haltungen gebührenden Platz einräumen sollte, w i l l er, gestützt auf sein Modell, Aussagen über die Wirklichkeit oder Vorschläge für die Wirklichkeit machen. Die politische Geschichte wie auch die Geschichte der Sozialpolitik und der Bildungspolitik zeigt eine Fülle von Beispielen solidarischer und opferbereiter Haltung. Das zu leugnen hieße, einen wesentlichen Zug der Wirklichkeit zu verkennen 3 1 . Augustins These „Anima naturaliter Christiana" ist sicher nicht die ganze Wahrheit, aber sie ist eine wichtige Teilwahrheit. 29 Vgl. dazu Bruno S. Frey, Die Renaissance der Politischen Ökonomie, in: Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 1974, Heft 3, S. 357, insbesondere S. 361 und 390 ff. — Bruno S. Frey, Neue Politische Ökonomie, in: Das Wirtschaftsstudium ( W I S U 1974, Heft 1 u. 2) — wie i m folgenden dargelegt wird, anerkennt jedoch Frey die Möglichkeit, daß der einzelne sich von einer solidarischen Einstellung leiten lassen kann. 30 Anthony Downs, ökonomische Theorie der Demokratie, Tübingen 1968, S. 26 — Das Zitat stammt von John C. Calhoun, Disquisition on Government, The Works of John C. Calhoun, Band 1, New York 1854, S. 4. — Calhoun hat aus dieser Natur des Menschen die Notwendigkeit der Regierung abgeleitet. 31 Natürlich könnte man jedes menschliche Handeln auf Eigennutz zurückführen, so etwa die Tat des schweizerischen Nationalhelden Winkelried, der die Spieße einer Gruppe von Gegnern in seiner Brust vereinigte, um den Seinen eine Gasse zu bahnen, oder das Leben von Franziskus. Joachim Starbatty analysiert diese Auffassung in Anlehnung an H. Albert mit treffenden Worten: „Downs sagt sogar selbst: ,Obwohl wir alle menschlichen Handlungen so auf Egoismus zurückführen, beschränken wir uns dabei nicht auf den

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Frey stellt, wie w i r schon früher festgehalten haben, die Frage, ob vom umweltmoralischen Verhalten eine Lösung der bestehenden U m weltprobleme erwartet werden könne. Er ist der Auffassung, daß umweltmoralische Appelle hier nur wenig ausrichten können. Der Hauptgrund für seine diesbezügliche Skepsis besteht i n der Tatsache, daß meistens die Zahl der beteiligten Subjekte so groß ist, daß ein imitatives Verhalten — wie etwa i n Familien — nicht erwartet werden kann. Man w i r d Frey insofern zweifellos recht geben, als effektiv jene Prozesse der kollektiven Selbstschädigung, die für die Gesellschaft bedrohlich sind, sich innerhalb von Großgruppen vollziehen. Und dies w i r d i n Zukunft noch i n vermehrtem Maße der Fall sein. A u f der anderen Seite darf aber nicht übersehen werden, daß auch innerhalb von Großgruppen sich echte Solidarität als Massenerscheinung zeigen kann. Wäre das nicht der Fall, so würde sich die i m Motto zu diesem Beitrag wiedergegebene Geschichte von den Rebbauern i n tausendfacher Form wiederholen: Es würden die Sammelbüchsen der kirchlichen Kollekten m i t Hosenknöpfen und Kupfer- und kleinen Nickelmünzen gefüllt sein. Es würden die zahlreichen Heime, gemeinnützigen Vereine, Missionen und Hilfswerke für Katastrophengebiete, die zu einem wesentlichen Teil sich aus gesammelten Geldern finanzieren, umsonst die Bevölkerung zur Leistung eines Beitrages aufrufen, denn diejenigen, die sich bei diesen Kollekten oder Sammlungen zu einem Beitrag entschließen, können sich davon keinen unmittelbaren oder mittelbaren Nutzen versprechen. I n der Schweiz hat sich auch bei einer Reihe von Volksabstimmungen gezeigt, daß eine Mehrheit von Stimmbürgern Vorlagen m i t finanziellen Konsequenzen bewilligt hat, obwohl nur eine kleine Minderheit davon Nutzen zieht. Als Amden, eine kleine Berggemeinde des Kantons St. Gallen, i n jüngster Zeit durch akute Felssturzgefahr von der U m welt abgeschnitten war, bekundete der Kanton die Bereitschaft, falls die Bergsturzgefahr trotz der inzwischen erfolgten Sprengungen weiterh i n andauern sollte, an einen (zum Preisstand von 1974) rund 16,5 Millionen Franken kostenden Tunnel einen Staatsbeitrag von gegen Dreiviertel der Baukosten zu leisten, u m Amden eine sichere Verbindung m i t der Außenwelt zu gewährleisten 32 . Der Kanton erklärte sich engen Sinn des Wortes. Wir denken auch an einen erweiterten Sinn, in dem Egoismus unter Umständen große Selbstaufopferung verlangen kann 4 . Damit ist das Eigennutz-Axiom zur Leerformel geworden: Es umschließt sogar seine Negation. Es ist unwiderlegbar, aber auch inhaltsleer geworden." (Joachim Starbatty, Zum Ricardianischen Denkstil der ökonomischen Theorie der Politik: der Downs'sche Ansatz, in: Wirtschaftspolitische Chronik, ed. I n stitut für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln, 1974, Heft 3, S. 62). 32 Vgl. Botschaft des Regierungsrates des Kantons St. Gallen über das achte Straßenbauprogramm (1976 - 1980) vom 28. Oktober 1974, S. 26 f. u. 30.

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hierzu bereit, obwohl nur ein sehr kleiner Teil seiner Einwohner an der Zufahrt nach Amden persönlich interessiert ist. Auch wenn w i r somit anerkennen müssen, daß auch innerhalb von Großgruppen das Motiv der Solidarität eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, müssen w i r doch Bruno Frey insofern Recht geben, als das Interesse an der Verfolgung des eigenen Vorteils i n den genannten Konstellationen meistens so stark ist, daß der einzelne i n der Regel nicht durch moralische Appelle zu einem solidarischen Verhalten veranlaßt werden kann. Dies ist nicht zuletzt deshalb der Fall, w e i l der einzelne keine Gewißheit hat, daß die andern dem moralischen Appell jetzt und später Folge leisten werden. Die Befürchtung, allein der „Dumme" zu sein, ist für viele ein starkes Motiv. Nur der Staat kann dem einzelnen die Gewißheit geben, daß die andern auch m i t t u n werden. 3. Bekämpfung durch staatliche Maßnahmen

Der Schluß liegt nahe: Wenn moralische Appelle nicht zum Ziele führen, so muß eben der Staat die Bürger zu einem Verhalten zwingen, das die Gefahr kollektiver Selbstschädigung ausschließt. Tut er das, so fällt es dem einzelnen i n der Regel leicht zu gehorchen, denn er weiß, daß auch er besser fährt, als wenn ein jeder frei seinen individuellen Vorteil verfolgen würde. Dennoch ist dieser Schluß nicht richtig. Wie ich i m Hinblick auf das Problem der Wachstumsbegrenzimg und Wachstumsumlenkung näher ausgeführt habe 33 , bestehen verschiedene Möglichkeiten staatlicher Einflußnahme, wobei der Begriff des Staates i n einem weiteren Sinne verstanden werden und auch andere öffentlich-rechtliche Körperschaften wie Gemeinden einschließen soll. Der staatliche Zwang ist, wie die anschließende Übersicht erkennen läßt, nur eine von verschiedenen Möglichkeiten staatlicher Einflußnahme neben der Moral Suasion. (1) Der Staat erläßt Gebote, i n denen er zum Beispiel den Produzenten ein umweltkonformes Verhalten vorschreibt. (2) Der Staat erläßt Verbote, i n denen er zum Beispiel den Produzenten ein umweltschädliches Verhalten verbietet. (3) Der Staat interessiert die Wirtschaftssubjekte materiell an einem Verhalten, das den Prozeß der kollektiven Selbstschädigung durch Verfolgung des individuellen Vorteils ausschließt oder doch wenigstens mildert. Er kann dies tun, indem er ein solidarisches Verhalten der einzelnen durch Zuschüsse veranlaßt oder ein nicht 33 Walter Adolf Jöhr, Instrumente der Wachstumsbegrenzung und der Wachstumsumlenkung. Eine systematische Ubersicht, S. 19 ff.

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Walter Adolf Jöhr solidarisches Verhalten durch Steuern bestraft. Gerade i m Umweltbereich kann der Staat die Wirtschaftssubjekte aber auch dadurch an einem umweltschädlichen und damit unsolidarischen Verhalten hindern, daß er die Haftungsbestimmungen für die Schädigung anderer verschärft.

(4) Der Staat kann durch eigene Vorkehrungen — wie zum Beispiel den Bau von Kläranlagen zur Bekämpfung der Gewässerverschmutzung — die durch die einzelnen Wirtschaftssubjekte vorgenommene Umweltschädigung wieder beheben. (5) Der Staat kann aber auch darüber hinaus durch kompensierende Maßnahmen das Ergebnis des Verhaltens der einzelnen neutralisieren und damit die Situation beseitigen, aus der heraus sich das Wirtschaftssubjekt zu einem Verhalten entschlossen hat, das zu einer kollektiven Selbstschädigung führt. Ziffer (5) gilt zum Beispiel für die Keynessche Beschäftigungspolitik, welche die Kontraktionsbewegung durch eine Erweiterung der w i r k samen Nachfrage bekämpft. Sie schafft eine Lage, die es den Unternehmungen nicht mehr als erforderlich erscheinen läßt, ihre Produktion weiter zu drosseln. Damit w i r d der Prozeß der kollektiven Selbstschädigung aufgehalten. Gelingt es, durch solche Maßnahmen bei den Unternehmern das Vertrauen i n eine Wiederbelebung der Wirtschaft zu wecken, so t r i t t an die Stelle des Prozesses der kollektiven Selbstschädigung der Vorgang der kollektiven Selbstförderung. Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß i n der gegenwärtigen Situation, i n der sich einerseits bei den realen Größen der Wirtschaft eine kontraktive Entwicklung abzeichnet, aber andererseits der inflatorische Prozeß, wenn auch i n abgeschwächter Form seinen Fortgang nimmt, das Konzept der Keynesschen Beschäftigungspolitik nicht i n der früheren Weise zum Ziele führt. I n der heutigen Situation besteht nämlich die Gefahr, daß eine Ausweitung des Geldkreislaufs zum Zwecke einer Erhöhung der Beschäftigung zu einer bloßen Bestätigung der Inflationserwartungen führen könnte, ohne eine nennenswerte Mehrbeschäftigung von Produktionsfaktoren zu bewirken 3 4 . Aufgrund des Zieles einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung verdienen jene Maßnahmen den Vorzug, bei denen auf Zwang verzichtet wird. Insbesondere spricht zum Beispiel i m Bereich des Umweltschutzes einiges dafür, durch Internalisierung der externen Kosten die schädigenden Einflüsse durch die Produktion und allenfalls den Konsum zu verringern. Aber es darf daraus keine Doktrin gemacht 84 Walter Adolf Jöhr, Wenn Keynes' Waffen stumpf geworden s i n d . . . Zur Keynesianischen Beschäftigungspolitik in der Welt der siebziger Jahre, in: Schweizerische Handelszeitung, 18. 9.1975.

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werden. I n vielen Fällen ist der staatliche Zwang, sei es nun das Verbot oder gar das Gebot, das einzig sichere Mittel, u m eine wesentliche Einschränkung der Umweltschädigung zu erreichen. Hinsichtlich der Maßnahmen ergibt sich allerdings insofern i n verschiedener Hinsicht ein ernsthaftes Problem, als das betroffene Kollekt i v sich nicht auf eine Nation, sondern auf mehrere, viele oder allenfalls gar sämtliche Nationen erstreckt. Daß eine entsprechende Politik auf Schwierigkeiten stößt, solange keine starke übernationale Autorität besteht, bedarf keiner weiteren Erklärung. I m weiteren können die staatlichen Maßnahmen nur dann zum Ziele führen, wenn Behörden und Bevölkerung von ihrer Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überzeugt sind. Damit stellt sich das Problem der I n formation. Noch i n keiner Periode der menschlichen Geschichte standen dem Staat so viele Informationsmöglichkeiten wie heute zur Verfügung. Und doch existiert ein eigentliches Informationsproblem. Dieses ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß der einzelne von einer Fülle von Informationen aller A r t überschwemmt wird. Damit w i r d es für den Staat schwierig, für bestimmte Informationen, die er zum Beispiel i m Interesse der Bekämpfung kollektiver Selbstschädigungsprozesse ausstreuen möchte, die erforderliche Beachtung zu erlangen. Aber die Information allein genügt nicht. Sollen die Maßnahmen gegen die kollektive Selbstschädigung wirksam sein, so müssen sie auch von der großen Mehrzahl befolgt werden. Das wiederum setzt voraus, daß eine entsprechende moralische Einstellung i n der Bevölkerung verwurzelt ist. Wenn w i r i m Abschnitt V/2 erkannt haben, daß moralische Appelle die Probleme der kollektiven Selbstschädigung nicht aufzuhalten vermögen, so müssen w i r uns i n diesem Zusammenhang aber auch davon Rechenschaft geben, daß ohne eine entsprechende moralische Haltung eine anschwellende Bewegung der Nichtbeachtung der staatlichen Vorschriften Platz greifen wird. Diese moralische Grundhaltung, die i n erster Linie am Ziel der Solidarität orientiert sein muß, zu schaffen, ist vor allem Sache der Erziehung, die eine sehr langfristige Aufgabe darstellt. Daß w i r aber i n dieser Hinsicht durchaus nicht beim Stande N u l l beginnen müssen, zeigt der Umstand, daß w i r den Ausgang der als Motto wiedergegebenen Geschichte von der vereinbarten Weinspende für den Pfarrer als überraschend und nicht als selbstverständlich empfinden.

Power, Profits and Wastage An Economic Analysis of the European Pharmaceutical Industry By H. W. de Jong*

1. Introduction The pharmaceutical industry has acquired a reputation for fast growth and progressiveness also i n a wider sense. Many new drugs have been invented and developed during the post-war period, and the solutions thereby brought to many formerly incurable illnesses have benefitted millions of people. Not many people would like to disagree w i t h the conclusion reached i n two recent studies of the Anglo-Saxon part of the pharmaceutical industry, that, i n terms of prevention of disease, the mitigation of physical mental suffering, and the extension of life itself: " . . . the ethical pharmaceutical industry has made a magnificent contribution to human welfare 1 ." Even though the benefits may be difficult to evaluate economically, because i t proves to be impossible to isolate the contribution of pharmaceutical products to improved health, the statement that the industry has made a colossal contribution to society 2 , may go indisputed and can even be acclaimed. Diseases such as pneumonia, influenza, tuberculosis, diphteria, measles, polyomelitis, mental illnesses or allergy sufferings have dramatically reduced the death rate of children and grown-ups, or brought about a much improved condition of the patients. Life has been made more comfortable through drugs, as was the case w i t h oral antidiabetic products, or unwanted consequences habe been prevented (oral contraceptives). Nothwithstandig such and other generally recognized contributions to human welfare i t is the task of the industrial economist to analyse the performance and structure of an industry from an objective point of view. * The author ist grateful for the assistance given by Miss R. Brouwer, M. Econ. 1 W. Measday , The Pharmaceutical Industry, in Walter Adams (Ed.): The Structure of American Industry, Fourth Edition, New York, 1971, p. 183. 2 Duncan Reekie , The Economics of the Pharmaceutical Industry, London, 1975, p. 15. 11 Festschrift für Helmut Arndt

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Not only can similar welfare effects of a lesser or greater magnitude be discovered from the operation of many other branches of industry, but some negative aspects of the balance could w e l l be lost out of view if a general and undiscriminate euphoria about some industry's performance characteristics would get hold of society. I n particular, the structural traits of an industry might be such that economic analysis has to consider whether such an industry continues to function optimally or whether its firms may not because of those traits be driven into a behaviour that is to be qualified as wasteful. U n t i l quite recently, there was hardly a possibility to analyze the economic aspects of the European pharmaceutical industry, because of an enormous gap i n our knowledge about the industry's ways of operating. The joint publication of a number of studies i n several European countries concerning the industry as a whole as w e l l as some recent reports concerning the behaviour of the leading European drug manufacturezs have provided us w i t h materials to draw some provisional conclusions 3 . To be sure, several information gaps persist, and several areas of controversy w i l l remain; but at least a reasonably coherent picture of the industry's structure and behaviour can be drawn up. This article w i l l be devoted to such a general sketch, focussing i n particular on the roles competition and economic power have played and continue to play i n this industry. (For the purposes of this article the term "European" is synonymous w i t h the countries belonging to the EEC.) 2. Industry structure a) Internationalization

The first thing to be noted about the European pharmaceutical i n dustry is that i t is an international industry. Imports, exports or both take up an important share of production or sales of drugs i n all the national European markets, though the percentage shares obviously vary. Naturally enough, the shares are higher i n the smaller countries, such as Denmark, where about half of all sales by pharmacies are supplied from abroad, or the Netherlands, which imports some 48 °/o of sales on the domestic market. But, whereas imports i n the larger European countries such as W. Germany, Great B r i t a i n and France are confined to the range of 10 - 20 % of national sales, the export θ EEC reports on concentration in the pharmaceutical industry of the Netherlands (1972 -1975), W. Germany (1973), France (1976), Italy (1975), Belgium (1973), Denmark (1975), United Kingdom (1976). U. K. Monopolies Commission — A report on the supply of chlordiazepoxide and diazepam, London, 1973. Bundeskartellamt, Beschluß und Gründe in der Verwaltungssache Hoffmann / La Roche, 1974 (B 6 - 432190).

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shares of W. Germany and the United Kingdom run up to one-third and 40 °/o of total national output. Moreover, the figures do indicate that the interchange of pharmaceutical products among the European countries as well as exports to t h i r d countries increased continuously during the sixties and seventies, w i t h the exception of Denmark. The internationalization of the industry is also visible from the international spread of the main companies. Such companies comprise not only those of European origin, but also the multinational firms, having a Swiss or U. S. base. I n Great Britain 60 °/o of sales on the domestic market and 50°/o of exports are made by the subsidiaries of foreign multinational companies; i n Holland, the four leading sellers (though not producers) on the market are multinationals, i n Italy, 27 foreign firms secured 55 % of total domestic turnover i n 1973, via their established subsidiaries, a great many of which were small domestic companies, taken over by U. S. firms during the period 1956 -1966. The share of these foreign-based firms i n the industry's sales rises from 18.8 °/o to 63.3 °/o w i t h an increase of the size classes of sellers concerned. W. Germany traditionally has had a large pharmaceutical sector and i t should not astonish that the leading firms on the national market are German (and some Swiss) ones. The top six or seven firms are all important multinationals w i t h an extensive geographical spreading. Again i n Denmark, half the turnover of pharmaceutical specialities is due to the multinational companies, selling through subsidiaries or (sometimes) special drug importers. A noteworthy general feature is that the majority of the m u l t i national companies do not produce, but only sell i n the smaller European markets. Moreover, even i n a medium-sized market such as the Italian, the accelerated rise of the foreign controlled market share (from some 25 °/o i n 1952 to 55 °/o i n 1973) taking place via an absorption of many small enterprises, was often accompanied by the cessation of manufacturing i n the country itself. Thus, basic materials such as vitamins, antisthamines, hormons, sulfonamides and basic steriods are practically no longer produced i n Italy. Similar tendencies apply to W. Germany. Imports, consisting for 60 °/o of pharmaceutical materials, have risen much faster (4V2 times during the sixties) than exports which, i n the German case, were made up of 60 °/o speciality products (3 times). Apparently, the multinational firms have a habit of concentrating both research and development, but also the manufacturing of many pharmaceutical materials at some of their main centers, often i n the bigger countries, leaving the final preparation, packaging, labelling and selling activities to their local subsidiaries 4 . Why is this the case? 4 This remark may hold fairly well for European countries, though not necessarily for areas in the rest of the world. Duncan Reekie, o. c. p. 27 and

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Economies of scale i n manufacturing cannot be held responsible for they are practically nonexistent i n the pharmaceutical industry. Moreover, manufacturing costs are usually rather low as a share of the total ex-company price, so that even the presence of scale advantages would hardly count. I t is more understandable that managements t r y to centralize research and development i n order to benefit from unit cost degression w i t h growing size. Whereas no economies of scale i n innovative output related to input have been observed so far from the available statistics 4a , managerial decisions probably give prime consideration to the money costs involved, and only secondary to what comes out, which is difficult to measure and to compare. Also, the information we have points towards a reduction of research and development productiveness since the late fifties, so that a lesser output of new pharmaceutical materials was visible everywhere. Whereas close to a hundred new materials were found i n the world i n the early sixties, the number fell to 70 i n 1969 and 60 i n 1970s. Thus, we have to square the following facts: — an absence of economies of scale, but a rising cost-consiousness — a quick rise i n imports and exports of pharmaceuticals, but at a much faster rate for imports than for exports — a high and probably growing content of base materials i n total imports coupled w i t h a higher share of specialities i n exports (with the exception of Italy, where base materials have risen eightfold between 1962 and 1972, and represent 66 % of exports) — a decrease i n new substances coming on the market during the past fifteen years — a fast internationalization of at least the larger companies, establishing mainly sales and packaging subsidiaries abroad. This combination of tendencies seems to be mainly due to a parallel rise of national government controls (sometimes verging on semiprotectionism) fed a. o. by some spectacular errors commited by the pharmaceutical industry i n 1930's and 1960's (the sulfanilamide elixer and thalidomide) and the discovery by the industry that transfer pricing may be rewarding. The existence of the latter phenomenon — i. e. transfer pricing — is conceded by the industry's leading firms®, as not only being true for the German report (p. 28-32) both note producing activities in far-off countries. 4a See note 19. 6 EEC report on German pharmaceutical industry, p. 3 3 - 3 5 ; Duncan Reekie , o. c. p. 62.

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individual firms but for the industry as a whole. I t opens the possibility for multinational pharmaceutical firms to shift their operations i n accordance w i t h national circumstances (taxes, regulations, etc.) and differing national price levels. b) Concentration

I t is often suggested that concentration i n the national pharmaceutical industries is not high and sometimes declining. This might be due to the great number of products sold and to the large number of firms operative i n the industry as w e l l as to the relatively fast growth which characterized the pharmaceutical markets. While the arguments used to support the above conclusion cannot be disputed, the conclusion is nevertheless erroneous. The tables showing concentration on an overall industry basis are presented i n the EEC reports and summarized i n Table 1. There, concentration ratios are given on the basis of employment. For most countries they are also available on the basis of sales and then would seem to be equal to, or somewhat higher than the figures given for the four or eight leading companies here. The table suggests that both concentration ratios are not high for the larger European countries and Belgium, although ratios for Denmark, the U. K. and the Netherlands seem quite stiff. Table 1 Concentration ratios of the 4 (8) largest firms (employment) 1962 France W. Germany The Netherlands Belgium Italy Denmark United Kingdom



26 73 34 24

1966 —

(43) (87) (52) (31)

25 69 47 22









(41) (83) (65) (30)

1972

1969 13 25 74 43 28 64 61

(20) (43) (-) (64) (37) (85) (76)

13 (20) —

63 ( - ) —

28 (36) 66 (88) 59 (74)

Source = EEC country studies.

The levels reached for some larger countries are, moreover, comparable to those prevailing i n the United States, where likewise not much change has occurred i n the post-war period 7 . However, some criticisms should be voiced. The overall concentration ratios for the smaller countries, i n so far as they are based on 6 See the statement by H o f f m a n n / L a Roche in Monopolies Commission Report, p. 39 and the Roche Position, p. 13 - 15. 7 W. Measday , o. c. p. 166 (table 2), who gives levels of 24 °/o and 40 °/o of shipments for the four resp. eight largest firms in 1967.

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employment data, hide the fact mentioned before that the largest multinationals may not be producing, but only selling, which would reduce their weight i n the calculation 8 . The impact of this phenomenon is rather severe as a recalculation of the concentration ratios for sales i n the Netherlands demonstrates. The market shares of the four largest sellers of prescribed drugs i n comparison w i t h those of the four largest domestic producers i n the total of pharmaceutical sales were as follows i n recent years: Table 2

1969 1971 1973

Four largest sellers

Four largest domestic producers

29.7 31.2 36.9

66.5 (1970) 69.2 73.5

I f a similar operation were applied to Denmark's pharmaceutical industry, the resulting picture would not be different from that shown for the Netherlands. The conclusion, based on the EEC studies for smaller European countries, that overall concentration is much higher than for the larger countries is therefore wrong. Moreover, some calculations do not seem to take into account the group character of many pharmaceutical companies, which gives rise to shifts i n calculated results, in so far as the firms transfer particular tasks — for example research or administrative tasks — to the group's parent company. More importantly, the real decision centers are the groups, and, as the German report makes clear, this would have reduced the number of concentration decision units from 50 to 18 i n that country 9 ! However, still another criticism should be levelled, namely at the ignorance " . . . of the fact that the overall drug market is fragmented into a number of separate, non competing therapeutic markets: antibiotics are not substitutes for anti-diabetic drugs, and tranquillizers are not substitutes for vitamins 1 0 ." 8 This applies particularly to the data relating to the Netherlands, which have been calculated — according to EEC procedure — for producing firms only. But see the 1975 report. 9 EEC report on the W. German pharmaceutical industry, o. c. p. 9. The remark, that "this procedure would have distorted the reality of market operations" is debatable and raises the question how market decisions in group-like constituted firms are made. 10 W. Measday, o. c. p. 167. I n the same sense Duncan Reekie , o. c. p. 21, who states: "Within the total market, however, there are a number of sub-markets, the medicines produced to satisfy the demand in any one sub-market being of little or no value to satisfy the demand in others".

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The absence or insufficient substitutability of the products i n these therapeutic sub-markets severely limits the usefulness of the overall industry concentration ratios for the evaluation of competitive development i n both the larger and smaller countries. Unfortunately, the European studies concerning these larger countries have — w i t h the exception of the study relating to the United Kingdom — neglected this aspect. They therefore certainly underrate the degrees of concentration i n the relevant markets. We thus have to confine our evaluation of sub-market or therapeutic market concentration to the results brought out for two smaller countries, viz. Denmark and the Netherlands. The Danish survey analyses 8 product markets, the Dutch report gives 12 therapeutic markets. The results are summarized below (table 3). Table 3 Sub-market concentration ratios (1972/1973) Denmark (1972)

The Netherlands (1973)

Therapeutic or product market

Concentrât, ratios four largest firms

Therapeutic or product market

Concentrât, ratios four largest firms

Psychopharmaca Tranquillizers Antibiotics Analgesics Vitamins Contraceptive pills Oral diabetics Sulphonamides

62 98 65 80 89

Psychopharmaca 'Tranquillizers . Antibiotics Cardiovasculars Anti-rheumatics Diuretics Contraceptives/ Oral Diabetics Insulines Hormones Sedatives and hypnotics Spasmolitics

62 95 65 44 79 79

(28) (53) (22) (57) (36)

85 (30) 63* (33) 66 (31)

(40) (70) (35) (17) (48) (35)

79 (34) 73 (38) 39 (19) 69 (45) 57 (20)

• = two firms. Source = EEC reports. Note = I n brackets share of the leading supplier.

I t w i l l be seen that concentration levels on sub-markets are sometimes much higher than on an overall industry basis, especially i n those submarkets where growth has declined i n recent years (tranquillizers, antirheumatics i n the Netherlands, vitamins, tranquillizers and anticonceptives i n Denmark). But no general connection between growth and concentration can be established as some fast growing sub-markets also have high and rising concentration ratios (sulphonamides i n Denmark, diuretics i n the Netherlands). Both surveys were limited to

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the specialities markets for ethical drugs (thus excluding bulk products) and calculated concentration at the wholesale level (excluding pharmacies' profits). There was a tendency of concentration to decrease i n the Netherlands i n 9 out of 11 product markets, whereas i n Denmark 4 out of 7 product markets showed an increase i n concentration i n the four years preceding the surveys. As to levels, there seems to be agreement w i t h Anglo-Saxon findings: even for the broad (non realistic therapeutic) sub-markets which are taken by W. Measday for the United States, the concentration ratios were between 44 °/o and 53 % during the sixties 11 , and the U. K. findings brought out that "the proportion of any one sub-market held by its leading company ranges from 18.9 percent to 100 percent w i t h a mode of around 36 °/o and a mean of 42.5 percent" 1 2 . The typical feature of concentration i n the relevant pharmaceutical product markets is therefore that a high degree of market dominance prevails, at least for the four largest sellers, and sometimes even for the largest single supplier. c) Entry Barriers

The foregoing conclusion seems at first sight astonishing. W i t h a fast growth of pharmaceutical production i t is to be supposed that new firms w i l l enter the various national sub-markets, so that concentration w i l l show a tendency to decline. Such a tendency should be the more i n evidence as profit levels i n the pharmaceutical industry are (to say the least) very satisfactory (see below). However, i n most countries, the number of competitors has been receding, sometimes very fast (table 4). I n the British case, the development of the number of firms is not clear. Although there are said to be 120 firms i n the ethical drug industry, and that there has been "a continuous and fairly even flow of firms into the industry since 1950" 13 , the data relate only to 1966. I n the EEC report on Britain, the number of firms i n the top 14 therapeutic categories as per 1973 is given at 145: an 18 per cent rise over 196814. 11

W. Measday, o. c. p. 167. Duncan Reekie, o. c. p. 21. Also, see the EEC report relating to the U. K. where similar high concentration ratios for the leading producer in submarkets are found (table 4.4). 13 Duncan Reekie, o. c. p. 29/30 and p. 45/46. 14 See Monopolies Commission Report, p. 5. 12

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Table 4 Number of pharmaceutical firms

France Italy Belgium The Netherlands Denmark

1962

1969

1972/1973

526 653 87 26

392 539 75 25 25

357 459 24* 27**

• Only firms with more than 50 employees. The number of firms with more than 10 employees fell from 35 in 1969 to 29 in 1974 and included in the latter year 3 marginal firms not counted earlier. ** The small rise was due to the incorporation in 1971 of one large firm the Danish report notes: "The number of enterprises is almost unchanged, and it is also to a wide extent the same enterprises which existed in 1968 that are in the trade to-day. Furthermore, the enterprises have almost the same relative sizes to-day as in 1968" (Report, P. 10).

I n the United States, where a similar fast growth occurred as i n Europe, the number of companies likewise fell appreciably, namely from 1123 i n 1947 to 791 i n 1967. I t is true that i n all countries for which we have evidence there exists a large t a i l of small companies, reflecting the fact that economies of scale at the manufacturing level are largely unimportant as a deterrent to entry. Also, the medium-sized companies seem to be growing somewhat faster than the industry leaders. Nevertheless, the high degree of concentration together w i t h the fast decline i n number of companies points towards the existence of high entry barriers although i t also permits the inference (to be discussed below, see 3 c) that market fluidity i n the ranking of the position of the leading companies could be high. I f this latter phenomenon would be i n evidence, competition i n the industry might still be fierce, as is maintained by industry spokesmen and others, notwithstanding the facts related above. The basic fact about entry barriers is that patents and product differentiation act as a stiff deterrent to any would-be new penetrants who want to enter on a large scale. A n d both types of barriers are founded i n the very inelastic final demand w i t h respect to price, which characterizes the pharmaceutical market. Final demand is composed of drugs prescribed by doctors, and physicians have a habit of prescribing those drugs which they know to be effective, reliable and available. Their knowledge of price is limited and industrial firms do nothing to l i f t this ignorance, i. e. they hardly include prices i n their advertisements. Medicines are, given the circumstances under which they are applied, a necessity, and moreover, do not cost a fortune i n the majority of cases. Costs are also spread out over some more or less

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prolonged period, so that the conditions are given for a pronounced insensitivity of demand to price level variations. This is reinforced strongly, i f medicines, under systems of social health care regulations, are provided free of charge or at a charge unrelated and low i n comparison to cost. I n addition, most countries know the provision that pharmacies (exclusively competent to distribute ethical drugs) are not allowed to sell other brands than the ones prescribed by doctors, so that no substitution can take place at the retail level. Finally, the increasingly strict requirement standards set by almost all national authorities w i t h respect to the admittance of new drugs to the market, provide a reinforcement to entry barriers, i n so far as parallel imports of the same or similar types of drugs are prohibited or hampered 15 . The result of the aforementioned factors spread divergencies i n prices of comparable same therapeutic effects) both w i t h i n and between such closely related markets as exist

is the existence of wideproducts (i. e. having the between countries, even i n North Western Europe.

Such price differences, demonstrating the prevalence of important entry barriers, would exist and persist even if the industry did not pursue a policy of capitalizing on the factors mentioned — which surely is the case as we w i l l see i n a moment — leading up to a big wastage of resources. d) Research and Development, Patents, and Product Differentiations

One of the most important entry barriers is Research and Development, which, i f a new process or product is found, may lead up to the acquisition of a patent (except i n Italy, where medicines cannot be patented, a situation existing i n B r i t a i n before 1949 and i n the USA before 1940). I t is well-known that the pharmaceutical industry is one of the most research-intensive industries. Between European countries, spendings on R and D as a percentage of industry sales nevertheless vary appreciably. Whereas U. S. expenditure, financed by the companies themselves, ran up to 16.1 °/o of the sales i n 1968 (but has declined since), the comparable shares of European countries were lower: W. Germany 10 - 12 % (1969), The Netherlands 12 °/o (1973), Denmark 8.8 °/o (1972), while Britain and I t a l y were i n the neighbourhood of 5 - 6 °/o (1971/1972). 15

See for example on these factors, the Italian report (p. 4/5), the Danish report (p. 24/25), and Duncan Reekie , o. c. p. 38/39, where it is argued, on the basis of evidence supplied by the Sainsbury enquiry of 1966, that a majority of doctors could not give a correct assessment of prescription cost of the antibiotic product most likely to be prescribed with a case of common disease, acute bronchitis.

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The differences may be mainly due to the distribution of size of i n digeneous companies i n the home market and, to some extent, to the protection of patents. The small companies hardly spend on R and D, because of the costliness of the efforts involved. This may be explained as follows: there is a lack of basic scientific knowledge concerning the relationship between the structure of chemical matter and biological (human or animal) activity. Thus, no specific synthesis of chemicals can be deductively or rationally applied to particular diseases. Prediction of effects of new drugs (efficacy, toxicity, side-effects, etc.) is difficult, and extensive testings are needed. I n reverse, the finding of new drugs requires a costly "random" approach of the research effort, which necessitates a multitude of empirical syntheses. I t is said some 5000 to 6000 substances have to be synthesized and developed for a new drug, costing millions of D. M. and requiring several years 16 . I n Britain's largest companies, the screening process rejects all but one compound out of 10 000 tested before a new drug emerges after clinical trials 1 7 . The whole R and D process i n the pharmaceutical industry may therefore be likened to the game of shooting w i t h cannons on sparrows, a very wasteful affair. The empirical, trial-and-error methods used by this industry do not promote basic scientific knowledge i n the various medical sub-disciplines and — the other side of the coin — they do not tend to attract highly qualified academic researchers to the field. The whole situation is neatly summarized i n two sentences: „We know a great deal about what a large number of drugs w i l l do i n the treatment of illness and very l i t t l e about how these drugs accomplish their results. W i t h a weak theoretical foundation on which to build, there can be little alternative to mass screenings as a means of developing new products 18 ." There could hardly be a more telling case illustrating the proposition that i t is not so much science and technology but their absence which promote bigness i n business. Also, many of the breakthrough inventions i n pharmaceuticals, which later on led to expanding sub-markets were achieved by independent researchers, Koch, Ehrlich, Domagk i n Germany, Flemming, Chain and Florey i n M The German report estimates the annual cost of a researcher at between D . M . 200 000 and 300 000 and the development time of a new drug at 10 years; the Danish report says a new drug costs D. Kr. 1 5 - 2 0 million to develop during a 5 to 7 years development period. The Italian report states that real research in Italy is very limited and firms confine themselves to the finding of new varieties. 17 Duncan Reekie, o. c. p. 53. 18 W. Measday, o. c. p. 174.

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Great Britain, the research teams at Rutger's, Columbia and Yale Universities i n the United States 19 . I t was only i n the 1950's and 1960's that research and development, patents and the costly sales promotion methods came to occupy the predominant place they now have. The question may w e l l be asked w h y this was so. Several answers have been suggested. Naturally, i t is sometimes pointed out that the rather pronounced inelasticity of demand referred to earlier, is the real culprit. For i n an industry which has an imperfectly competitive marketform, the possibility to realize monopoly profits is to be rated better if new products or product varieties are brought forward, than i f lower production costs are achieved. I f then, as was the case i n Britain, the USA and some other countries, patents can be acquired on new products and product differentiation can be successfully applied, such monopolies w i l l tend to be exploited through the stabilisation of prices, which could otherwise w e l l be reduced (the price stability of once introduced pharmaceutical products is a noteworthy feature as we w i l l see and is often rationalized by referring to the desire of manufacturers to create an image of stability w i t h their customers = the doctors who are normally not informed about prices by the industry, however). I n support of this explanation the well-known facts of big price reductions on non-patented products, like penicillin, streptomvcin and some other broadspectrum antibiotics i n the U. S. are cited. Thus, penicillin fell from $ 6000 per billion units i n May 1945 to $ 115 i n 1952 and $ 21 i n 1960. For streptomycin the decline (from $ 16 000 per B. U. i n 1946 to $ 36 i n 1960) was still more pronounced. The theory is also supported by the pronounced decline i n processpatents taken out, from a level of 200 to 300 i n the early fifties to around 50 i n the second half of the sixties, whereas product patents continued to grow — albeit slowly 2 0 . Furthermore, the widespread proliferation of "me-too" preparations fits i n w e l l w i t h this explanation. Just to cite one example which can be multiplied: i n Belgium, a country w i t h many small firms, 300 companies market 4600 specialities i n 8400 presentations 21 . 19 On the problem of defining and measuring innovative output in this industry see A. A. Angilley, Returns to Scale in Research in the Ethical Pharmaceutical Industry: some further empirical evidence, in Journal of Industrial Economics, December 1973. This article leaves the impression (Table I I I ) that the largest 4 companies contribute less than in proportion to their R and D spendings towards the development of therapeutically new products. 20 Duncan Reekie, o. c. giving numbers for Britain. 21 EEC report on the Belgian pharmaceutical industry, p. 31, I n Belgium, the share of domestically produced pharmaceutical products in home consumption fell from 62 °/o in 1958 to 45 «/ in 1969.

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The theoretical implication of the above mentioned explanation would be that the withdrawal of patent protection would not lead to a rationalization of the industry, producing the goods at competitive prices based on reduced costs, but — given the downward sloping demand curve — to a proliferation of product differentiation wastage, the introduction of still more varieties and — if possible — to a splitting up of markets into sub-markets w i t h highly diverse prices. This can be verified by observing events in: a) the Italian market, b) those sub-markets where patent protection has ended. I n the Italian market, the non-patentability of drugs is said to have as a consequence 1. the keeping into the business of numerous small firms; of the 879 enterprises, 246 had less than 5 employees, 2. the excessive number and frequency of change of product (fancy) names, 3. the excessive number of promotionary agents and free samples of drugs provided to doctors, 4. the excessive distribution costs w i t h pharmacies and wholesalers (average discounts of 35.6 % of the price) and 5. the price discrimination practised between large and small buyers 22 . Now, one w i l l recognize the existence of the above charges also i n countries w i t h patent protection, and i t is difficult to decide whether the Italian complaints are weighing heavier than elsewhere. But at the least, they prove that the absence of patent protection does not end the wastage. Another aspect is that prices of products the patents of which have elapsed very often do not decline. B y that time, the brand name has so widely gained currency among prescribers and users, that people continue to demand the product, unless a new, higher rated product becomes available. B u t producers eshew price competition. This tendency is sometimes reinforced if cartels exist (e. g. i n the Netherlands where the Pharmaceutische Handels Conventie, the branch organisation of producers, importers and wholesalers operates a legally acknowledged cartel, fixing margins, delivery- and paymentconditions), or if maximum prices are prescribed (Italy) or have to be notified (Denmark), or if the insurance companies and the Government exert a downward pressure on prices (Belgium). The imperfect competition thesis, reinforced w i t h patent monopolies, therefore needs an elaboration to throw more light on the complicated price formation developments i n this industry. 22

EEC report on the Italian pharmaceutical industry, p. 1 - 1 0 .

174

H. W. de Jong 3. T h e N a t u r e of Costs, Competition and Prices a) The Cost structure and Pricing behaviour

I t is very difficult to lay hand on an accurate breakdown of the unit sales value of pharmaceutical products, sold to pharmacies or wholesalers. Partly, this is a matter on which companies are very secretive, partly, i t reflects the complicated matter on hand; companies are multi-product, multinational firms nowadays, as we have seen, which makes i t not easy to allocate costs to the right places and to the right products. Also, the notions of research and development, promotion, advertisement and general overhead are fluid and those costs w i l l be different between firms and sub-sectors. For our purposes, i t is sufficient to assume crudely, that the large corporations devote about 30 % of the unit sales to materials and other variable costs, some 40 °/o to general overhead, promotional and R and D expenditure and that profits and taxes take up the other 30 °/o23. The important thing to note is the relatively high share of constant costs and taxes. These latter costs have to be incurred fairly independently of the amount of sales, at least i n the short-run, as sales promotion, R and D and general overhead costs have to be paid irrespective of current and short-run prospective sales. I t is then understandable that, even i n the absence of patent protection, i n a developed market manufacturers have no great urge to reduce prices because the contribution to reduced cost per unit of value by means of lower variable costs is rather small. As a result, a profit — maximizing pharmaceutical producer w i l l behave according to figure 1: he w i l l t r y to introduce an improved product or a new version (or package) of an old drug (very often at a higher price, as we w i l l see) i n order to widen demand and raise his margin. Assuming flat marginal and average cost curves i n such a stabilising or moderately growing market, the f i r m w i l l not t r y to achieve a (very limited) reduction of costs (ac to ac') and prices (ρ 1 to ρ 2) i n order to raise profits, but w i l l make an effort to increase its market share by means of a shift of the demand curve from D 1 to D 2. Thereby i t w i l l add more to its profits — i n comparison w i t h a price reduction policy — namely the difference between the diagonally and vertically shaded areas. 28 The average expenditure of 7 large German pharmaceutical companies on manufacturing and control costs was 22.3 °/o of sales. The seven companies spent on research and promotion 34.7 °/o on the average. The remaining 43 °/o were spent on distribution and administration costs, taxes and profits. The figures refer to 1973.

Power, Profits and Wastage

175

I n contrast, i n fastly expanding drugmarkets, such as are characteristic of breakthrough inventions and innovations solving important diseases (figure 2), behaviour w i l l be different. I f no patent protection is afforded or if patents can be circumvented, average unit costs w i l l decline from the level ac to ac' w i t h expanding demand (D 1 to D 2), even w i t h an unchanged level of variable marginal cost. This is so because overhead expenditure (R and D, promotional and advertising costs) can be divided over much larger volumes (q2) to be sold at reduced prices (p2). But i t is not lower prices which bring about increased volume, but rather the reverse. The conclusion is that the joint characteristics of demand and structure of costs condition the profit-maximizing behaviour of drug firms. I f patent protection is afforded i n newly opened "breakthrough" markets, monopolistic producers would sell at fixed unit prices, leaving a greater or smaller profit margin depending on costs.

ρ

ρ

The monopolistic f i r m would then only very gradually lower its price (if at all) and let the expansion of demand assure a growing volume of profits out of which i t can recoup its research expenditure. b) Empirical evidence

Empirical evidence indicates that this is indeed the way firms behave i n the various types of markets. But we have to distinguish not only the growing and (relatively) stagnating markets, but also the ethical drugs, proprietary drugs and bulkgoods. Basically, prices i n the last mentioned market seem to have risen most as is demonstrated i n fi-

H. W. de Jong

176

gure 3 below. Pharmaceutical materials (bulkgoods) have risen much more during the past ten years than ethical drugs or proprietary drugs. The Dutch Central Bureau of Statistics which composed this figure figured out a price-index for an unchanged package of ethical drugs (composition 1964) and found that the general price increase was modest. Only since 1971 has there been something of a rise. This does not mean that there are no price increases for individual ethical or proprietary drugs. According to the theoretical prediction of figure 1, these w i l l be effected at the introduction of new drug varieties or w i t h product differentiations. This tendency can be empirically illustrated for the Dutch market, w i t h some examples from different therapeutic markets (table 5).

Table 5 Price increases at the introduction of "new" products Therapeutic market: Psychotropics Sub-market: Antidepressives Name of product

Toframil Anafronil Ludiomil

Producer

Social Health Fund prices (in D. Fl.)

Year of introduction

Ciba-Geigy Ciba-Geigy Ciba-Geigy

0.43 (10 pieces) 1.83 (10 pieces) 4.65 (10 pieces)

1958 1970 1975

Therapeutic market: Antibiotics Sub-market: Penicillins and derivates Name of product Amfipen Clamoxil

Producer

Social Health Fund prices (in D. Fl.)

Year of introduction

Mycofarm Beecham

9.94 (10 pieces) 11.41 (10 pieces)

1969 1973

Therapeutic market: Hormones Sub-market: Oestrogenes Lynoral Synapause

Akzo-Pharma Akzo-Pharma

1.00 (30 tablets) 8.50 (30 tablets)

Note: There is a small qualitative advantage for Synapause.

1948 1971

Power, Profits and Wastage Figure 3 Index figures of the course of producers prices (off factory) of pharmaceutical products, based on the same basket of products. price 240- Source: CBS, department of prices index 2 3 0

220 210

200 190 180 170 160 150 140 130 120 110 100

- « — i s ethical drugs is proprietaries is farmaceutical materials

64 65 66 67 68

70 71 72 73 74 .75 year

Figure 4 The Relationship between Concentration and Prices.year 1973

12 Festschrift für Helmut Arndt

177

178

H. W. de Jong

Every point represents a double aspect: the concentration ratio and the price multiple. The concentration ratio is composed of the sum of the market shares of the (1, 2 or 3) leading products i n a given sub-market (of a therapeutical market). The price multiple is the number of times the price of a leading product, mentioned above, is the price of a loco-product (except for the cases indicated by asterisks, which mark the price multiple i n relation to the cheapest brand-product). A is a newly introduced brand-product w i t h a sales volume, which grew t i l l over 1 mio. Dutch florins i n 2 years. Another aspect of price formation is the, sometimes, very pronounced disparity between the brand name and the chemically or therapeutically equivalent nameless or generic products. This is a well-known phenomenon, stressed before i n other studies too 2 4 . For the Dutch market similar differences have been found for most therapeutic markets 2 5 ; on the basis of this evidence, figure 4 has been constructed which gives the relationship between market shares of the leading producers and the price multiple of the branded article i n comparison w i t h the generic product. I f the relationship is not perfect, this is also a consequence of the previously mentioned fact that newly introduced product varieties are higher priced than old ones. I t w i l l be seen that increasing concentration 26 is accompanied by a rising discrepancy.

24 W. Measday , o. c. p. 179. U. K. report, p. 67 - 68. John M. Blair , Economic Concentration, New York 1972, p. 510 - 515. 25 See second EEC report on the Dutch pharmaceutical industry 1975, Part. I I I . 28 Concentration is measured for the whole of established producers of the sub-market under consideration. The I M S (International Medical Statistics) collects data about products and market shares and distributes this information among the associated companies. This leads to the conclusion that concerted behaviour is possible. From this point of view it is right to take the sub-market as the relevant market, for if producers do inform each other promptly about their market behaviour and performance (and insist on secrecy towards non-competing third parties) it is the therapeutic sub-market which counts and not individual brands or even prescriptions. Measurement of the relevant market on the basis of the latter is beset with difficulties, moreover (sample choice, repeated purchases with the same prescription, purchases without prescription, monetary values involved, etc.).

Power, Profits and Wastage

179

The upshot of the foregoing discussion is that the large pharmaceutical producers, marketing branded products, have — given the inelastic, nongrowing demand i n their therapeutic markets — an appreciable amount of marketpower which is exploited i n two ways: first, by pricing their branded products at a multiple of the price of the generic product, and second, by introducing new brands at higher prices than existing comparable brands. The sales promotion and advertising activity for these latter products is then stopped and all efforts are directed towards the promotion of the new varieties. A similar tendency to exploit marketpower positions has been demonstrated for the leading companies operating on the U. S. market 2 7 . Thus, marketpower i n this industry is defined i n terms of differential prices charged for a given class of therapeutically similar drugs sold by different firms. c) Profits and Risks

There is a general agreement that profit levels i n the pharmaceutical industry are very high. During the sixties the profitability of drug firms fluctuated around a high level i n the U. S. and Belgium, declined i n the U. K., but rose i n Italy. Though there are only limited materials available to compare the operation of the industry i n various countries, some rough idea nevertheless can be gained: 1. For the U. S. and Belgium a direct comparison can be made i n terms of profit rates for the largest 12 companies and for the industry as a whole between 1962 and 1969. The decline of the profit level i n Belgium u n t i l 1966 may have been due to large-scale expansion of the leading companies, which increased their share of sales from 64 °/o i n 1962 to 73.5 % i n 1966, after which the share was stabilised; also, the effect of the opening of the EEC market, which led to both an increase of imports and to new establishments of foreign firms, made itself felt. After 1966, profit levels recovered, however, partly as a result of a cyclical upturn, and partly because of rising levels of concentration (table 1), and the falling number of firms (table 4). 2. Italian evidence shows a similar development, though i t is noteworthy that Italian profit rate levels seem to be lower than the rates cited above for the U. S. and Belgium, and are low also i n comparison w i t h British and German evidence. The non-patentability of Italian drugs may w e l l be of influence here. I n the following table (7), the 27 See Hugh D. Walker , Market Power and Price Levels in the Ethical Drug Industry, Indiana University Press, 1971, Chapter I I I .

12*

180

H. W. de Jong Table 6 Rates of return on net worth U.S.A.

1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969

Belgium

A

Β

A

Β

17.1 17.8 18.9 21.0 21.1 19.0 18.8

16.8 16.8 18.2 20.3 20.3 18.7 18.3

21.2 17.1 14.3 14.3 13.0 22.3 15.2 19.3

20.0 16.5 13.0 14.9 13.0 19.9 15.5 21.8

A = 12 largest companies Β = drug industry as a whole Source: W. Measday, o. c. p. 181. EEC report on Belgian drug industry (p. 47, 51, 57, 58)

number of companies is not exactly the same i n both columns, but the distorting effect (which is to understate the rate of profitability) should be very small as the shares i n all variables of the companies ranked number 40 and over is restricted (the sample was 48 firms i n 1972, having 77.29 % of sales, whereas the 40 largest firms accounted for 74.79 °/o). Table 7 Italian Profit Rates as a percentage of owned means Ν** 1962 1969 1970 1971 1972

38 44 41 40 45

Net Revenue (billion lires) 6.200 16.800 17.100 16.900 21.900

Ν * * Owned Means (billion lires) 47 45 47 48 48

74.500 145.100 173.200 183.400 200.100*

Rate of Return 8.5 11.6 9.9 9.2

11.0*

* Estimations. ** Number of firms.

3. The West German Cartel Office Report indicated that for 1970, the average profit rate level of the six leading West German pharmaceutical sellers was 15 % of sales, w i t h a variation of between 8 °/o and 20%. The average profit rate on pharmaceutical specialities was higher: 17.4 % for the six leading companies (and w i t h a maximum of 23 % ; for Roche, the accused company, i t was 22.4 %). I n the U. K. the rate of return on pharmaceuticals i n the industry as a whole was said to be on top of all other industries i n 1965, namely

Power, Profits and Wastage

181

19.5 % on capital employed 28 , whereas the NEDO survey of 197329 gave the following summary of average profitability for 110 drug firms (table 8). The discrepancy between the two rate levels may have been due to the different assessments of capital employed. Table 8 Profitability of 110 British drug firms

1960 -1962 1967 -1969

Rate of return on sales (before tax)

Rate of return on capital

19.7 13.9

29.8 25.6

Thus, the German and U. K . rates would seem to be roughly comparable to those quoted above for Belgium and the United States, though much above the Italian level as w e l l as much above the levels achieved i n other industries. Can these high rates of profits be attributed to a high degree of risk as has been maintained? I t is of course too easy to call some unspecified factor risk and then explain away whatever high rates of return may have been found i n empirical research. So, both the causes and the measure of risk should be made clear. There is a general agreement i n the studies made on behalf of the EEC (and others) that, i n accordance w i t h the theoretical predictions based on figures 1 and 3, price competition i n the ethical and proprietary drug industry is strikingly absent. Fierce price competition sporadically occurs when a basic pharmaceutical material is discovered and marketed without patent protection (figure 2). Even after patents have elapsed, prices often do not decline but stick to a former level because of the importance of brand names. Similarly, the social health fund may advise against a drug (often because i t is too expensive), but doctors continue to prescribe i t i n the Netherlands, w i t h the result that such companies may have 30 °/o and over of the sub-market concerned. So, price fluctuations or declines are not to be counted among the risks which plague the pharmaceutical industry. I t is argued that the risks are connected w i t h new product innovation, one brand being quickly substituted by another. This confuses the matter, however. I f products are new, they can be patented and the risks w i l l be small. But if products are simply varieties under new names and packages, w i t h (may be) some minor formula changes, or i f 28 29

Duncan Reekie , o. c. p. 120. Innovative Activity in the Pharmaceutical Industry, 1973.

182

H. W. de Jong

products penetrate new indication areas, w h y should they be rated more risky than any other product i n whatever other branch of industry, being entitled to high risk compensation? The real test here is whether the leading firms, who earn the bulk of the industry's profits (see the Linda-curves i n the European reports) and who are backed up by high concentration ratios i n their submarkets, show (a) profits and losses throughout the years, or at least very big variations i n profitability on an overall basis 30 , or (b) are wont to shift places frequently i n the ranking of firms selling to submarkets (i. e. there is market fluidity). But, at least since the middle sixties, this is no longer the case. The leading firms do not make losses, but earn consistently at least average industry profits, both i n the USA and i n Europe, as the preceding tables have shown. Moreover, the argument on this count is not wholly verifiable, because multinational companies refuse to specify divisional or submarket profits per country, so that the referral to risk is really an empty gesture. As to market position fluidity, the evidence we have so far does not seem to point towards a high degree. I n fact, the Dutch report mentions that of the eleven therapeutic markets discussed, none saw a change of f i r m as the market leader during the five years studied (1970 - 1974)31. I t is true that i n some branches, the lower-ranking firms sometimes changed places and (occasionally) dropped out of the group of the leading four firms. B u t then, such firms also were among the leaders of some other therapeutic market, and mostly regained their position w i t h some other product variety. The Danish report, cited already (see note ** i n table 4), pointed out the unchanged composition of the industry's structure during the past seven years. I n the U. S. and W. Germany, the same appears to be the case, i n contrast to developments twenty years ago 32 . Normally, i n a maturing industry as pharmaceuticals increasingly are, market fluidity is low. Thus, the reference to risk as a causal factor explaining high profitab i l i t y is weak; i t can, moreover, not be measured, as Reekie does, following two industry-related sources, by the difference i n rates 30 The consideration of profitability on individual products in a diversified firm is obviously no measure of riskiness, if the firm earns consistently very high profits, because of the apparent "risklessness" with which the "risky" products can be compensated. 31 Report on the Netherlands, part I I . 32 W. Measday, o. c. p. 182.

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183

between the most and the least profitable firms 8 3 . He argues that if the spread i n profitability of firms around the average is appreciable, an entrant into the industry would be less certain of what return he would be likely to earn than if all firms achieved more or less the same level. Again, this confuses the issue. One does not measure risk but the effect of height of entry barriers or the degree of monopoly as reflected i n relative profit margins. Variations around an average are only indicative of risk i f the players i n the game have about equal chances to w i n or loose, which i n the drug industry is clearly not the case. The high and persistent degrees of sub-market concentration and the low degrees of market fluidity i n those sub-markets among the leading firms confirm this. 4. Public Policy: some final remarks

I t would seem to be premature, on the basis of the evidence available so far, to say what public policy vis-à-vis the pharmaceutical industry should be i n Europe. On the one hand, factual information is scant, on the other, discussion i n the Anglo-Saxon countries, where much more research into the structure, behaviour and performance of the industry has been undertaken, has not yet led to broadly similar views. Some people advocate a hands-off policy, which, given the fact that the leading firms, because of the peculiarities of the market, occupy dominant positions and t r y to exploit these, is — at least to the present author — inadequate. Others, inclined to recognize that the drug industry's performance is far from optimal, are voicing different methods of treatment. Abolishment of patents, compulsory licensing, the prohibition of the use of brand names, Government prescribed price policies, the increased wielding of the weapon of countervailing power by social health funds and other large institutions, more publicity, etc., have been mentioned as possible remedies. This is not the place to discuss such proposals, but i t has to be recognized that the problem is becoming more pressing now that official national and international authorities are increasingly inclined to interfere w i t h the pharmaceutical industry's ways of doing and are demanding guidelines 84 . Moreover, a declining rate of growth of the industry i n future years w i l l increase, instead of lessen the problem because the proportion of real innovations w i l l then decrease and dissatisfaction w i t h high-priced and superfluous product variations may w e l l rise. 33

Duncan Reekie, o. c. p. 121. I n Britain, W. Germany, The Netherlands and other countries, investigations have been undertaken in the Hoffmann / La Roche case. Likewise, the EEC in Brussels is looking into the affair. Much broader industry-oriented investigations took place in the Anglo-Saxon countries (the so-called Kefauver, Sainsbury, Nedo, and other reports). 34

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H. W. de Jong

I f the foregoing analysis is right, the conclusion would be that the real problem is not confined to individual firms, but pertains to the whole industry, or at least to the group of leading firms i n several submarkets. Ways would have to be found to reduce entry barriers and to make demand more elastic. Thus, by way of conclusion, some topics for further study may be mentioned: a) A critical review of the patent system for drugs, and i n particular the consideration of a tightening up of conditions under which patents are granted, as w e l l as the duration of the patent. b) A critical review of the product differentiation barriers which might be lowered b y the dissemination of objective information concerning product varieties and applications by some independent agency, coupled w i t h increasing restrictions upon industry information. c) A more active role to be played by social health funds and insurance companies, insisting upon publicity w i t h regard to prices and the choice of cheapest drug available for given purposes by prescribing doctors. d) A promotion of university research into basic pharmacological problems connected w i t h unsolved diseases, and the free licensing of results achieved. e) A sharper look into the behaviour of multinational transfer pricing and the laying down of some uniform standards of behaviour i n this respect. I t would befit the EEC Commission to coordinate any national activities; but care individual companies the scapegoat for industry problem, related to some deep industry's structural characteristics.

take initatives here and to should be taken not to make what is, i n effect, a total seated peculiarities of the

Zur Problematik der Ermittlung optimaler Betriebsgrößen und ihrer Verwendung* Von Hans Otto Lenel I . Vorbemerkungen

I n der heutigen wissenschaftlichen Diskussion dürfte es nicht mehr strittig sein, daß Einflüsse der Technik zur Erklärung des Konzentrationsprozesses nicht ausreichen 1. Einer der wichtigsten Belege dafür ist die Tatsache, daß zu den größten Unternehmen i n der Regel nicht ein Riesenbetrieb, sondern mehrere, zum Teil sehr viele Betriebe gehören. Darauf wollen w i r noch zurückkommen. Andererseits ist es aber auch nicht strittig, daß die technischen Einflußgrößen wichtig sind. Ihre Bedeutung war und ist jedoch i n den verschiedenen Wirtschaftszweigen unterschiedlich. U m diese Bedeutung festzustellen, gilt es, für die einzelnen Produktionen die sogenannten optimalen Betriebsgrößen zu ermitteln, die Größen, bei deren Verwirklichung die niedrigsten Einheitskosten anfallen 2 . Spätestens durch das Buch von Joe S. Bain „Barriers to New Competition" 3 weiß man, daß dieses Optimum i n der Regel nicht nur bei einer bestimmten Größe der Produktion, sondern i n einer mehr oder weniger breiten Größengruppe verwirklicht werden kann. Das besondere Interesse gilt seitdem der Untergrenze dieser Größengruppe, i n der angelsächsischen Literatur „ m i n i m u m optimal scale" genannt 4 . Wenn ich i m folgenden kurz von Optimalgröße spreche, meine ich damit diese Untergrenze. U m sie für die einzelnen Wirtschaftszweige festzustellen, sind empirische Untersuchungen nötig, die bisher vor allem i n England und i n den Vereinigten Staaten vorgenommen wurden. I n den letzten Jahren ist jedoch der Rückstand für die Bundesrepublik vermindert worden. Außer auf die Arbeit von Jürgensen und Berg über die Automobilin* Jürgen Müller verdanke ich wertvolle kritische Bemerkungen zum ersten Entwurf dieser Arbeit. 1 Zur früheren Diskussion darüber vgl. u. a. John M. Blair, Economic Concentration, New York u. a. 1972, S. 107 ff. 2 Vgl. hierzu u. a. Josef Molsberger, Zwang zur Größe?, Köln und Opladen 1967, S. 38 ff. und Walther Busse von Cölbe, Die Planung der Betriebsgröße, Wiesbaden 1962. 3 Joe S. Bain, Barriers to New Competition, Cambridge (Mass.) 1956. 4 Vgl. ebenda, S. 53 ff.

186

Hans Otto Lenel

dustrie 5 ist das vor allem auf die von F. M. Scherer eingeleiteten Bemühungen des International Institute of Management zurückzuführen. Diese Untersuchungen haben unser Wissen erheblich bereichert. Die Arbeit von Scherer über zwölf Industriezweige 6 , die auch die Bundesrepublik berücksichtigt, liefert nachahmenswerte Beispiele für das Verfahren bei der Untersuchung mehrerer Zweige und die dabei anzuwendende Sorgfalt. Diese und andere Veröffentlichungen haben aber zugleich auch die Problematik solcher Untersuchungen deutlicher erkennen lassen. Es scheint m i r angesichts der Bedeutung dieser Problematik erlaubt zu sein, Verfahren und Ergebnisse zu diskutieren, obwohl ein erheblicher Teil der Arbeiten bisher leider nur i n hektographierter Form vorliegt. Es ist nicht auszuschließen, daß die Autoren vor der Drucklegung noch ändern; das scheint m i r aber kein hinreichender Grund zu sein, die wichtige Diskussion nicht schon jetzt einzuleiten. I I . Z u den V e r f a h r e n u n d ihrer Problematik

Für die Feststellung der Optimalgrößen sind mehrere Verfahren vorgeschlagen worden, nämlich der von George Stigler 7 entwickelte survivor test , der Vergleich von Kosten- bzw. Erfolgsrechnungen von Betrieben und Unternehmen verschiedener Größenklassen und Schätzungen m i t Hilfe technischer (für Unternehmen aber auch wirtschaftlicher) Sachverständiger 8 . Stigler geht bei seinem survivor test davon aus, daß diejenigen Unternehmensgrößen die optimalen sind, die sich i n einer Branche i m Wettbewerb behaupten 9 . Aus späteren Ausführungen geht hervor, daß er seinen Test auch für Betriebsgrößen verwenden w i l l . 6 Harald Jürgensen und Hartmut Berg, Konzentration und Wettbewerb im Gemeinsamen Markt. Das Beispiel der Automobilindustrie, Göttingen 1968. β Frederic M. Scherer, The Technological Bases of Plant Scale Economies in Twelve Manufacturing Industries, hektographierte Vorveröffentlichung, Februar 1974. Diese Arbeit ist 1975 in dem Buch von Scherer „Economics of Scale at the Plant and Multi-Plant Levels: Detailed Evidence" veröffentlicht worden, das ich nicht rechtzeitig beschaffen konnte. Seitenangaben ohne weitere Hinweise beziehen sich auf jene Vorveröffentlichung. 7 Vgl. George Stigler, The Economies of Scale, The Journal of Law and Economics, Band 1 (1958), S. 54 ff., und Joe S. Bain, Survival-Ability as a Test of Efficiency. Wiederabgedruckt in Ders., Essays on Price Theory and Industrial Organization, Boston 1972, S. 158 ff. 8 Stigler nennt a.a.O., S. 55 noch ein viertes Verfahren: Vergleich der Rentabilität der Investitionen. Er unterscheidet es von dem Vergleich der Kosten verschiedener Betriebsgrößen. Ein Unterschied besteht hier nach meiner Meinung nur in der Art der Auswertung. I n beiden Fällen müssen Kosten- und Erfolgsrechnungen verglichen werden. Ich fasse deshalb diese beiden Verfahren zusammen. 9 Stigler schreibt S. 55: „ . . . the competition of different sizes of firms sifts out the more efficient enterprises." Später (S. 56) fährt er fort: „If the share of a given (size, d. V.) class falls, it is relatively inefficient, and in general is more inefficient the more rapidly the share falls."

Zur Problematik der Ermittlung optimaler Betriebsgrößen

187

Neben der praktischen Schwierigkeit der Verwendung dieses Ansatzes, die aus dem Mangel geeigneter (vor allem zweckmäßig abgegrenzter) Statistiken herrührt 1 0 , sind drei grundsätzliche Schwächen dieses A n satzes zu vermerken. Erstens können sich Unternehmen und Betriebe nicht nur behaupten, weil ihre Größe eine besonders günstige Kostenstruktur m i t sich bringt. Vielmehr kann auch die starke Stellung der Unternehmen ihr Überleben und das Überleben der zu ihnen gehörigen Betriebe sichern und vielleicht auch den Untergang von Unternehmen und Betrieben anderer, ebenso effizienter oder gar effizienterer Größenklassen herbeiführen, deren Marktstellung schwächer und (oder) deren finanzielle Reserven geringer sind 1 1 . Zweitens muß die Zahl der beobachteten Unternehmen und Betriebe hinreichend groß sein, u m andere Einflüsse als die Größe möglichst auszuschalten. Beispielsweise wirken auf die unterschiedliche Effizienz von Betrieben und Unternehmen verschiedener Größenklassen u . U . Abweichungen der Qualität ihrer Leitung. Betriebe ungünstiger Größenklassen können sich halten, weil sie besser geleitet sind 1 2 . Drittens können Kostenvor- und -nachteile dann erst nach längerer Zeit (nämlich nach Ablauf der Lebensdauer früherer Investitionen) zu Verschiebungen der Anteile der verschiedenen Größenklassen führen, wenn es für die Verwendung dieser Investitionen keine brauchbaren Alternativen gibt. Die Tatsache, daß die unter Einrechnung der „historischen" Anschaffungskosten der I n vestitionen ermittelten gesamten Stückkosten von Betrieben und Unternehmen einer bestimmten Größenklasse zu hoch bzw. niedriger sind, bewirkt das Ausscheiden bzw. die Zunahme des Gewichts dieser Betriebs- bzw. Unternehmensgrößen u. U. erst nach langer Zeit. Der survivor test kann deshalb nur mit großer Vorsicht und für lange Zeiträume verwandt werden. Auch bei Erfüllung der bisher genannten Bedingungen sind brauchbare Ergebnisse m i t diesem Verfahren nur dann zu erwarten, wenn die Kostenunterschiede der verschiedenen 10 I n der Bundesrepublik sind die amtlichen Statistiken schon deshalb nicht ohne weiteres verwendbar, weil als Betriebe alle Erzeugungsstätten eines Unternehmens an einem Ort zusammengefaßt und — soweit sie Verschiedenes produzieren — dem Produktionsschwerpunkt zugeordnet werden. 11 ιStigler übersieht das natürlich nicht. Er meint (S. 56), für die Ermittlung der „socially optimum size" eines Unternehmens sei die survivor-Technik nicht unmittelbar anwendbar („not directly applicable"). M i t dieser A r t Größe will er sich jedoch nicht befassen. Sie ist nach seiner Auffassung eine ethische Konzeption („an ethical concept"); einen Grund dafür nennt er nicht. Ich meine, daß Machteinflüsse für eine Beurteilung der Effizienz im volkswirtschaftlichen Sinn ausgeschaltet werden müssen, auch wenn diese Ausschaltung schwierig und problematisch ist. Zur Kritik an Stigler vgl. auch William G. Shepherd, What Does the Survivor Technique Show About Economies of Scale, South.Ec.J., Vol. X X X I V (1967), S. 113 ff. 12 Das berücksichtigt Stigler bei seinem Beispiel aus der amerikanischen Automobilindustrie (S. 60 ff.) wohl nicht.

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Größenklassen sehr bedeutend sind. Sonst ist nämlich ein Überleben beispielsweise auch dadurch möglich, daß man sich m i t einer geringeren Gewinnspanne begnügt, solange man nicht i n der Lage ist, einen größeren Betrieb oder ein größeres Unternehmen zu finanzieren 13 . Vergleiche von Kosten- und Erfolgsrechnungen einer hinreichend großen Zahl von Betrieben oder Unternehmen verschiedener Größenklassen scheitern meist schon daran, daß die dafür nötigen Zahlen A u ßenstehenden nicht zur Verfügung gestellt werden. Veröffentlichungen darüber sind selten 14 . Lägen sie vor, müßten sie vor einer Beurteilung sorgfältig analysiert werden, w e i l niedrige Kosten und günstige Ergebnisse, wie oben schon vermerkt, nicht auf höhere Effizienz zurückzuführen sein müssen 15 . Feststellungen mit Hilfe technischer Sachverständiger sind das bisher meist verwandte Verfahren, auf das ich mich i m Folgenden deshalb weitgehend beschränken w i l l . Dem Thema entsprechend gehe ich auf die Feststellung optimaler Unternehmensgrößen nicht ein. Ein wichtiges Vorbild für die anzuwendenden Verfahren ist das bereits erwähnte Buch „Barriers to New Competition" von Joe S. Bain. Bain hat Fragebögen verwandt, von denen er Beispiele seinem Buch als Appendix A beigefügt hat. Aus diesen Fragebögen geht hervor, daß den Sachverständigen die Methode für ihre Schätzungen (z. B. Vergleich von Vorkalkulationen) nicht vorgeschrieben worden ist. Das ist auch bei Scherer der Fall und dürfte auch bei anderen Feststellungen m i t Hilfe technischer Sachverständiger die Regel sein, da beispielsweise die m i t V o r kalkulationen verbundene Mühe häufig nicht zumutbar ist. Es hat aber zur Folge, daß oft w o h l nur ganz grobe Schätzungen geliefert werden, und daß dabei das Einfließen subjektiver Elemente w o h l kaum vermieden werden kann 1 6 . Das gilt desto mehr, je ungenauer gerechnet 13

Vgl. Joe S. Bain, Survival-Ability ..., S. 160 ff. Vgl. die einschlägigen Bemerkungen bei Joe S. Bain, Barriers ..., Appendix Β. 15 Vgl. außerdem die Kritik bei Stigler, S. 55. Nichtsdestoweniger wäre es ein großer Fortschritt, wenn der „Annual Line of Business Report" der Federal Trade Commission für die Vereinigten Staaten fortgeführt und für andere Länder durch ähnliche Veröffentlichungen ergänzt werden würde. Vgl. hierzu Müller und Hochreiter, Stand, Entwicklungstendenzen und mögliche Konsequenzen der Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik, Gutachten für die Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel, Entwurf März 1975, S. 173. le Nur für bereits verwirklichte Größen liegen Erfahrungswerte vor. Ob diese Größen aber wirklich die optimalen sind, kann auch von denen, welche die Erfahrungswerte kennen, nur mit Hilfe von Schätzungen über die Kosten anderer Größen festgestellt werden, wenn — wie es die Regel sein dürfte — nicht alle relevanten Größen verwirklicht sind. Eine gewisse Kontrolle des subjektiven Ermessens der Befragten ist gegeben, wenn mehrere befragt werden, und wenn ihr Urteil über das Optimum im wesentlichen überein14

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w i r d und (oder) je weniger zuverlässig die Grundlagen der Rechnung sind. Ferner kann ein Urteil technischer Sachverständiger nur auf Errechnungen oder Schätzungen von Kostenunterschieden verschiedener Größen aufbauen; w i r werden jedoch noch sehen, daß die Kostengesichtspunkte für ein ökonomisches Urteil nicht ausreichen. Bei der Vorliebe vieler Techniker für das Große sind zu hohe Schätzungen nicht ausgeschlossen, vielleicht sogar eher wahrscheinlich. Fortschrittsbegeisterte Ingenieure unterstellen bisweilen bei ihren Berechnungen ideale Bedingungen, die sich nicht verwirklichen lassen 17 . Es scheint m i r eine Eigenart mancher technischer Sachverständigen zu sein, die Vorteile der Techniken zu überschätzen, die sie bevorzugen oder für die sie sich gar begeistert haben, also etwa die Vorteile der größeren Fabrik oder der stärkeren Mechanisierung. Technische Sachverständige neigen manchmal auch zu einer Überbetonung des Quantifizierbaren. Das kann dazu führen, die Größennachteile (diseconomies of scale) zu unterschätzen, die weitgehend i n den Schwächen der Menschen und ihrer Institutionen ihre Ursache haben und kaum zu quantifizieren sind. I m Anschluß an Nevins und Hill berichtet John M. Blair 19 von Fords Riesenfabrik i n River Rouge, sie habe zur Zerstörung des Kontakts zwischen Leitung und Ausführenden durch ihre Größe und Komplexität geführt. Hermann Schenck betont 1 9 die Bedeutung der Qualität des Managements, das einen zügigen Produktionsfluß sicherstellen und Vergeudung von Material, Zeit und Energie verhindern müsse. W i r d die vom technischen Sachverständigen — oft stillschweigend — unterstellte Qualität jeweils zur Verfügung stehen? Hat er hinreichend berücksichtigt, daß m i t dem Wachsen der Betriebsgröße i n der Regel die Qualität zunehmen muß? Scherer berichtet bei mehreren von i h m untersuchten Industriezweigen von Meinungsverschiedenheiten unter den Sachverständigen über die Größe, von der ab bei weiterem Wachstum Kostennachteile durch unzureichende Lösung von Leitungsproblemen zu erwarten sind 2 0 , oder er stimmt, wie das Scherer von seinen Befragungen berichtet (vgl. Scherer u. a., The Economics of Multi-Plant Operation, Cambridge (Mass.) 1975, S. 81). Sicher ist diese Kontrolle freilich auch dann nur bei einer großen, zweckmäßig ausgewählten Zahl von Befragten. Von der eben erwähnten Arbeit Scherers u. a. lernte ich vor Fertigstellung dieses Aufsatzes nur einen Teil kennen. 17 Vgl. hierzu die Ausführungen über chemische Großanlagen bei John M. Blair, S. 93 f. 18 Vgl. ebenda, S. 92. 19 Vgl. Hermann Schenck , The Steel Industry as a Model Case for the Relationship between Capacities and Investment and Production Costs, in: Seminar Proceedings The First I I M Conference on Economics of Industrial Structure, hektographiert, S. 29. 20 Frederic M. Scherer, The Technological Bases..., ζ. B. bei Brauereien, vgl. S. 4.

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setzt bei seinen Schätzungen der Optimalgrößen voraus, daß solche Kostennachteile nicht eintreten 2 1 . Eine ähnliche Voraussetzung erwähnt Schenck für die Eisen- und Stahlindustrie (S. 32), ohne näher darauf einzugehen. Von einem Unternehmen der Industrie der Farben und Lacke wurde andererseits Scherer mitgeteilt, die Leiter kleiner Betriebe müßten besonders beweglich sein; die Tätigkeit i n diesen Betrieben werde deshalb als eine hervorragende Schulung angesehen 22 . Von der Schuhindustrie berichtet Scherer, die Grenze, von der ab die oben erwähnten Kostennachteile beginnen, hänge außer von der Qualität der Leitung vom Produktionsprogramm ab. Bei modischen Schuhen werde wegen der Notwendigkeit genauerer Überwachung das Opt i m u m bei kleineren Mengen überschritten als bei einfacheren Modellen (S. 21). Bei Überschreitung einer Zahl von 14 Glasblasmaschinen werde die Kontrolle immer schwieriger; deshalb werden Qualität und Erträge beeinträchtigt (S. 23). Die befragten Sachverständigen teilten Scherer übereinstimmend mit, daß die Leitung von Kugel- und Wälzlagerfabriken m i t einer Belegschaft von mehr als 1500 Köpfen wegen der Arbeitsplanung, der Sicherstellung einer guten Arbeitsmoral und der Problematik des unübersichtlichen Materialflusses sehr viel schwieriger sei (S. 35). Ähnliches berichtet Scherer von Webereien m i t mehr als 360 automatischen Webstühlen (S. 10) und von sehr großen K ü h l schrankfertigungen (S. 37). Große Akkumulatorenfabriken müssen zusätzliche Angestellte haben, u m die Leitungs- und Kontrollprobleme zu meistern (S. 42). Sachverständige, welche dem „ K u l t des Kolossalen" (Wilhelm Röpke) huldigen, vernachlässigen möglicherweise solche Gesichtspunkte. Erich Gutenberg hat die These aufgestellt, nur „an der Grenze der praktisch i n Frage kommenden Betriebserweiterungen oder Betriebsgrößen" seien wegen der Leitungsprobleme steigende Grenzkosten zu erwarten 2 8 . M i t den Ergebnissen der bisher vorliegenden empirischen Untersuchungen stimmt diese These nur überein, wenn man „praktisch i n Frage kommende Betriebsgrößen" und „Optimalgrößen bis zu ihrer Obergrenze" gleichsetzt 24 . Trotz seiner Schwäche gegenüber dem nicht oder schwer Quantifizierbaren und seinem breiten Ermessensspielraum ist es ein grund21

Z. B. bei Zigaretten, vgl. ebenda, S. 9. Frederic M. Scherer, S. 13. 28 Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 1. Bd., Die Produktion, 19. Auflage, Berlin u. a. 1972, S. 436. Vgl. dazu auch meine Bemerkungen darüber in: Ursachen der Konzentration, 2. Auflage, Tübingen 1968, S. 59 ff. 24 Scherer u. a. bemerken, nach ihren Feststellungen sei die u-förmige langfristige Kostenkurve mehr als eine „bequeme Fiktion für Lehrbuchautoren" (The Economics . . . , S. 84). 22

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sätzlicher Vorteil des Verfahrens, Schätzungen technischer Sachverständiger zu verwenden, daß alle Einflüsse außer der Größe gedanklich ausgeschaltet werden können. Das erlaubt aber nicht den von Anthony Cockerill 25 gezogenen Schluß, diejenigen Betriebe seien sehr effizient, bei denen die von den technischen Sachverständigen geschätzten Optimalgrößen verwirklicht sind. Eine bestimmte Größe kann zwar eine notwendige Bedingung von Effizienz sein. Sie ist aber keinesfalls eine hinreichende Bedingung dafür. Bisher haben w i r uns nur m i t Kostenaspekten befaßt. Das genügt nur, wenn man sich auf die Kostenseite beschränken w i l l und kann. Sonst ist eine Kombination mit den beiden anderen Verfahren, wie sie Bain versucht hat, anzustreben. Bevor w i r uns den relevanten Aspekten der Nachfrage nach den Produkten zuwenden, wollen w i r kurz die Frage erörtern, ob und inwieweit die bereits behandelten Mängel der Schätzungen technischer Sachverständiger dadurch behoben werden können, daß man die faktischen, international verwirklichten Betriebsgrößen zum Vergleich heranzieht. Dieser Vergleich ist aufschlußreich nur dann, wenn es gelingt, die Gründe für Abweichungen hinreichend zu analysieren. Beispielsweise können — wie w i r noch sehen werden — Lohnunterschiede über ihren Einfluß auf den Mechanisierungsgrad zu Unterschieden der Optimalgrößen führen, die nicht ohne weiteres einen Schluß von Größen i n einem Land auf Größen i n einem anderen Land erlauben 26 . Wenn die Zahl der Betriebe eines Zweiges i n einem Land zurückgeht, kann daraus noch nicht geschlossen werden, die Optimalgrößen seien dort oder gar i n vielen Ländern gestiegen. Ineffiziente Betriebe gibt es häufig i n mehreren Größenklassen. Stagniert i n einem Land die Nachfrage oder geht sie zurück oder n i m m t die Wettbewerbsintensität zu, können sich u. U. die weniger effizienten Betriebe unabhängig von ihrer Größenklasse nicht mehr halten. Scheiden nur oder vorwiegend Betriebe einer Größenklasse aus, sind nichtsdestoweniger Schlüsse nur m i t den beim „survivor test" behandelten Vorbehalten möglich. M i t den i m vorigen Absatz erwähnten Kontrollverfahren kann wenig gegen eine weitere Schwäche rein technischer Schätzungen ausgerichtet werden, die aus der Bedeutung der Nachfrage und ihrer Strukt u r herrührt. Häufig werden Güter verschiedener Qualität nachgefragt, 25

Anthony Cockerill, Market Structure, Economies of Scale and Technical Efficiency: International Perspectives of the Brewing Industry, in: International Institute of Management (Herausgeber), Seminar Proceedings, The Second Conference on Economics of Industrial Structure, Vol. I, S. 130. 28 Allerdings haben die Untersuchungen von Scherer u. a. keinen wesentlichen Einfluß von Unterschieden der Preisrelationen in mehreren Ländern auf die Wahl der Optimalgrößen in diesen Ländern ergeben. Gründe dafür werden vorgetragen (vgl. Scherer u. a., The Economics . . . , S. 130 f.).

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von den Technikern aber so behandelt, als seien sie homogen. Cockerill stellt m i t Recht die Frage nach der Maßgröße für das Optimum und weist auf die Problematik der Verwendung der Beschäftigtenzahl wegen der unterschiedlichen Kapitalintensität hin. Er w i l l statt dessen die Produktionsmengen als Maßgröße verwenden 2 7 . Aber diese sind häufig der unterschiedlichen Qualitäten wegen für Größenschätzungen nicht ohne weiteres verwendbar. Das deuteten w i r für die Schuhindustrie schon an. Für die Brauereien, m i t denen sich Cockerill befaßt, dürfte es, wenn auch vielleicht i n geringerem Maße, ebenfalls gelten. Ein Sachverständiger erklärte mir, von Scherer und Cockerill abweichend, bei Qualitätsbier seien — anders als bei anderen Sorten — schon Kapazitäten mit einem Ausstoß von 100 000 Hektolitern konkurrenzfähig 2 8 . Diese Mitteilung war nicht die A n t w o r t auf Fragen, wie sie etwa Bain zur Ermittlung von Optimalgrößen gestellt hat. Sie dürfte aber wesentliche Kosteneinsparungen bis zu der von Scherer ermittelten Optimalgröße (vgl. unten) jedenfalls für Qualitätsbier ausschließen. Noch wichtiger erscheint mir, daß auch bei einheitlichen Qualitäten die Optimalgröße aus ökonomischer Sicht nicht nach rein technischen und Kosten-Gesichtspunkten bemessen werden kann, wenn die Nachfrage — wegen ihrer Vielfalt oder ihrer Größe schlechthin — Grenzen setzt. Das Problem des Billigbiers, dessen Qualität häufig nicht geringer ist als die des unter der „offiziellen" Marke vertriebenen Biers, dürfte auch dadurch hervorgerufen worden sein, daß Brauereien nach dem Wachstum ihrer Kapazitäten zu den bisherigen Preisen nicht mehr den nötigen Absatz für deren Ausnutzung fanden. Optimalgrößenschätzungen, welche die m i t dem Preisnachlaß verbundenen Ergebnisminderungen nicht berücksichtigen, führen nicht zu ökonomisch ohne weiteres verwertbaren Ergebnissen. Was nutzen — volks- wie einzelwirtschaftlich gesehen — Kapazitätserweiterungen, die zu einer Ermäßigung der Einheitskosten, aber zu einer darüber hinausgehenden Ermäßigung der durchschnittlichen Verkaufserlöse führen? Es sind deshalb von den technischen, nur nach Kostenaspekten bemessenen die wirtschaftlichen Optimalgrößen zu unterscheiden. Wenn es einen Weltmarkt ohne wesentliche Handelshemmnisse gäbe, und soweit die noch zu behandelnden Transportkosten nur eine geringe Rolle spielen, könnte man den Unterschied vernachlässigen. Doch diese Bedingungen sind i n der Regel nicht erfüllt. Gibt es mehrere Qualitäten oder i n dem re2

~ V g l . Anthony Cockerill, S. 118. Scherer u. a. berichten (The Economics..., S. 83), wo Unterschiede des Produktionsprogramms die Größenschätzung erheblich beeinflussen, hätten sie das „orthodoxe" Produktionsprogramm unterstellt, bei Webereien z.B. ein kleines Programm von Standardartikeln mit hohen nachgefragten Mengen. Solche Annahmen lassen sich wohl nicht vermeiden, beschränken aber die Verwendungsmöglichkeit der Feststellungen. 28

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levanten Raum nur eine begrenzte Nachfrage, hört die Frage nach der Bemessung der Optimalgrößen jedenfalls auf, eine rein technische zu sein. Vor Ermittlung wirtschaftlicher Optimalgrößen muß auch die Frage nach der Breite des Produktionsprogramms gestellt werden. Die A n t wort darauf hängt entscheidend von der Marktstruktur ab. Gibt es einen funktionsfähigen Handel und können auf dem Markt Produkte, die das zu untersuchende Unternehmen nicht selbst produzieren, aber anbieten kann oder w i l l , ohne Nachteile von anderen erworben werden, gewinnen die Vorteile der Spezialisierung ein besonderes Gewicht. Ist andererseits aus marktpolitischen Gründen eine Spezialisierung nicht ratsam, so kann die m i t der Vergrößerung des Produktionsprogramms verbundene Erhöhung der Betriebsgrößen nicht zur Begründung eines technischen Einflusses auf die Größenstruktur und die Konzentration herangezogen werden. Hält man es der Eigenart der Märkte wegen für nötig, Optimalgrößen nicht für ein Produkt, sondern für eine mehr oder weniger große Gruppe von Produkten zu veranschlagen, so kommt damit ein weiteres subjektives Element i n die Größenschätzung herein, das i n der Regel zu Abweichungen mehrerer Schätzungen voneinander führen muß. So berichtet Scherer (S. 4), dem neben eigenen Schätzungen auch Vergleiche m i t anderen zu verdanken sind, daß die Abweichung seiner Schätzung der Optimalgrößen von Brauereien u m mehr als 100 °/o von der Cockerills unter anderem darauf zurückzuführen ist, daß dieser ein kleineres Produktionsprogramm unterstellte. Z u seiner hohen Optimalgröße kam Scherer auch deshalb, w e i l er die Abfüllung des Biers i n mehrere Flaschen- und Dosengrößen für nötig hält und die Umstellungskosten der Abfüllanlagen vermeiden oder vermindern w i l l . Die Optimalgröße von Stahl- und Walzwerken hängt nach seiner Meinung außer von den gewählten Produktionsverfahren entscheidend vom Produktionsprogramm ab (S. 27). W i r wissen, daß sich i n der Bundesrepublik ζ. B. Korf auf wenige Produkte spezialisiert hat, während die großen Unternehmen ein breites Programm für erforderlich halten. Die Optimalgröße für die Kühlschrankfertigung hat Scherer (S. 37) unter der Voraussetzung geschätzt, daß zwei Typen i n großen Mengen auf je einer weitgehend mechanisierten Straße und weitere Typen auf einer dritten, weniger mechanisierten und deshalb leichter umstellungsfähigen Straße montiert werden. Andere Annahmen hätten — wie Scherer selbst bemerkt — zu erheblich abweichenden Größen geführt. Das Programm einer Farbenfabrik optimaler Größe muß nach Scherers Meinung alle Handelsfarben (vor allem für den Anstrich) und überdies noch eine Anzahl von Farben für die Verwendung i n der I n dustrie umfassen (S. 12). De facto gibt es aber i n der Bundesrepublik 13 Festschrift für Helmut Arndt

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eine ganze Reihe spezialisierter Hersteller (ζ. Β. für Schiffsfarben), deren Größe wohl vor allem wegen ihrer Spezialisierung weit unter der von Scherer veranschlagten liegt. Auch die Frage, ob für den Fall einer zeitweiligen Stillegung von Kapazitäten durch zusätzliche Anlagen vorgesorgt werden soll, kann nicht nach technischen Gesichtspunkten unabhängig von der M a r k t struktur beantwortet werden. Ein Größenwachstum durch Aufbau zusätzlicher Kapazitäten für den Stillegungsfall ist deshalb m i t dem Hinweis auf den Stand der Technik nicht zureichend zu erklären. Für die Verwendung der Schererschen Schätzungen außerhalb des Rahmens seiner Untersuchung spielt diese Frage eine große Rolle. Scherer w i l l für das Risiko des Ausfalls einer Rohöldestillationsanlage nicht dadurch Vorsorge treffen, daß er bei der Bemessung der Optimalgröße eine Ersatzanlage einschließt. Er begründet das (S. 16) mit dem H i n weis, dieses Risiko sei privater Natur, und man könne i h m durch das Betreiben räumlich voneinander entfernter Anlagen oder durch Transaktionen auf dem Markt entgehen. Überdies seien viele Firmen faktisch bereit, sich auf eine einzige Destillationsanlage zu beschränken. Über die Zementherstellung berichtet er zunächst (S. 25), man könne dem Risiko der Stillegung der Öfen durch Lagerhaltung entgehen. Dennoch unterstellt er aber bei seiner Schätzung der Optimalgrößen zwei Öfen. Zur Begründung führt er nicht quantifizierte Kostenersparnisse i n den Kalksteinmühlen (S. 25) und bessere Ausnutzung einzelner technischer Angestellter (S. 26) an. Von der Rohöldestillation unterscheiden sich die Zementherstellung wie auch die Reduktion des Roheisens i m Hochofen und die Stahlherstellung m i t dem Sauerstoffblasverfahren dadurch, daß i n diesen drei Fällen die zeitweilige Stillegung wegen der Notwendigkeit der Neuzustellung der Öfen sicher ist, i n dem zuerst genannten Fall nicht. Bei einem Konverter für das Sauerstoffblasverfahren ist die Neuzustellung nach den Feststellungen von Scherer (S. 30) nach 25 bis 40 Tagen nötig; mit zwei Öfen w i r d man deshalb rechnen müssen. Scherer veranschlagt jedoch die Optimalgröße unter der Annahme von drei Öfen. Ein Hochofen muß nach Scherer (S. 31) ungefähr alle drei Jahre neu zugestellt werden und fällt dann für zwei bis drei Monate aus. Hier könnte man sich durch Roheisenvorräte und Roheisenzukauf helfen. S eher er berücksichtigt jedoch bei seiner Schätzung der Optimalgrößen drei Hochöfen und kommt so zu einer Kapazität von rd. 2,7 Millionen Tonnen Roheisen 29 . Ebenso wie die Breite des Programms hängen auch die Beschäftigungsschwankungen m i t der Nachfragestruktur zusammen. Die Eisenund Stahlindustrie gehört zu den Zweigen, die von ihnen i n der Ver29

3 Millionen Shorttons, S. 32.

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gangenheit besonders stark betroffen worden sind. Es hat sich hier gezeigt, daß durch die Erhöhung der Betriebsgrößen erwartete Kosteneinsparungen nicht verwirklicht werden konnten, weil dafür die V o l l beschäftigung der Anlagen erforderlich gewesen wäre, die jedoch die gegebene Nachfrage nur zeitweise erlaubte 30 . Wie ist dem i n der letzten Zeit bei der Veranschlagung der Optimalgrößen Rechnung getragen worden? Schenck macht 3 1 darauf aufmerksam, daß die von i h m dargestellte Kostendegression m i t zunehmender Größe nur bei Vollbeschäftigung gilt. Die Erklärungen zu den unter Annahme verschiedener Fixkostenanteile und Beschäftigungsgrade von i h m gezeichneten K u r ven habe ich nicht v o l l verstanden. Jedenfalls aber zeigen diese Kurven, wie die Kostenvorteile höherer Betriebsgrößen bei Unterbeschäftigung verloren gehen. Scherer geht bei seinen Schätzungen offenbar entweder von dauernder Vollbeschäftigung oder geringen Auswirkungen der Unterbeschäftigung aus; beides halte ich nach den bisherigen Erfahrungen jedenfalls bei der Zement- und Eisen- und Stahlindustrie für unwahrscheinlich. Ähnlich wie die nicht vom Raum abhängigen Eigenheiten der Nachfragestruktur und ihrer Veränderungen i m Konjunktur verlauf lassen auch die Transportkosten Vorsicht bei der Verwendung technischer Schätzungen angezeigt erscheinen. Man kann zwar bei einem ersten Schritt die Transportkosten zum Zweck der Ermittlung technisch optimaler Größen vernachlässigen, wie es z.B. Scherer t u t 3 2 . Vor einer wettbewerbspolitischen Verwertung der so gefundenen Zahlen müssen sie aber herangezogen werden, soweit sie wesentlich sind. A u f die Unterlassung einer entsprechenden (im Rahmen des Themas u. U. nicht nötigen) Berichtigung dürfte ζ. B. ein Teil der erheblichen Abweichungen bei der Schätzung der Optimalgrößen von Brauereien zurückzuführen sein, deren Transportkosten für das Bier teilweise sehr erheblich sind 3 3 . Müller und Hochreiter haben festgestellt 34 , daß die Vorteile der Spezialisierung mehrerer Betriebe eines Brauereiunternehmens, die örtlich voneinander getrennt sind, weitgehend durch zusätzliche Transportkosten ausgeglichen werden. Jürgen Müller meint 3 5 , die aus der 80

Vgl. hierzu u. a. Hans Otto Lenel, S. 65 f. Vgl. Hermann Schenck, S. 30. 32 Scherer begründet dies damit, daß die von ihm so genannten „physical distribution costs" von den verfügbaren Transportmitteln, der Dichte der Nachfrage und den Marktanteilen der Betriebe abhängen, und daß es deshalb eine Optimalgröße bei Einschluß dieser Kosten nicht gibt (vgl. Frederic M. Scherer, The Determinants of Industrial Plant Sizes in Six Nations, R.Ec.Stat., Bd. L V (1973), S. 136. 33 Vgl. Frederic M. Scherer, The Technological Bases, S. 9. 34 Vgl. Müller und Hochreiter, S. 95. 35 Jürgen Müller, The Impact of Mergers on Concentration, hektographierte Vorveröffentlichung, S. 20. 31

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Vernachlässigung der Transportkosten herrührende Ungenauigkeit sei nicht wesentlich („a small price to pay"), da die Marktdichte i n der Bundesrepublik nicht stark variiere. Ich halte das nicht für zutreffend. Die regionale Verteilung der Brauereien und die Zahl der Bierverbraucher je Flächeneinheit sind unterschiedlich. Nur große Brauereien i n Ballungsgebieten können den nötigen Absatz ohne Aufwendung hoher Transportkosten finden 8 6 . Dort sind sie aber unter Umständen durch Konkurrenten am nötigen Absatz gehindert, welche über eine mehr oder weniger treue Kundschaft verfügen. Deshalb müssen auch sie auf entfernteren Regionalmärkten Absatz suchen. Ein Sachverständiger hat i n einem nicht veröffentlichten Gutachten berichtet, es sei einer Brauerei gelungen, durch Produktionseinschränkung ihr Ergebnis zu verbessern, weil sie dadurch auf ihre „Fernkundschaft" nicht mehr angewiesen w a r 8 7 . Scherer erklärt 8 8 die Tatsache, daß er die Optimalgröße der Zementherstellung ungefähr dreimal höher schätzt als Bain, außer m i t technischen Veränderungen seit der Schätzung von Bain damit, daß dieser die von Scherer vernachlässigten Ausgangsfrachten einbezog. Nur Bains Verfahren führt nach meiner Meinung zu Ergebnissen, die wettbewerbspolitisch verwertbar sind. Aus einer anderen Veröffentlichung von Scherer 89 ist zu schließen, daß von den von i h m untersuchten zwölf Industrien außerdem die Erdölraffination und die Glasflaschenherstellung als transportkostenempfindlich anzusehen sind. Allgemeingültige 36 Ähnliches gilt für die Zementindustrie. Die These von S. Mängel in seinem Vortrag „Konzentration in der deutschen Zementindustrie", in: Seminar Proceedings The First U M . Conference..., S. 54, die Standorte der Zementwerke seien fast gleichmäßig über Deutschland verteilt, ist zumindest ungenau. Die Kapazitäten sind ungleichmäßig verteilt. 37 Nach einem Bericht „Hopfen und Malz verloren" in Heft 8/1975 der Zeitschrift „Manager Magazin", S. 27, bemerkte ein Brauereichef, es gehe seiner Brauerei besser, nachdem er auf etwa ein Zehntel des Absatzes verzichtet habe, das zu hohe Vertriebs- und Transportkosten verursachte. Vgl. hierzu auch Frederic M. Scherer, The Determinants . . . , S. 138. 38 Frederic M. Scherer, The Technological Bases, S. 26. 39 Vgl. ders., The Determinants of Multi-Plant Operation in Six Nations and Twelve Industries, Kyklos Vol. X X V I I (1974), S. 128. I n diesem Aufsatz (S. 129) wird die Betrachtungsweise klar, die Scherer dazu führt, den Einfluß der (technisch) optimalen Betriebsgröße von dem der Transportkosten zu trennen: „While high transport costs pull toward decentralization and (all else equal) multi-plant operation, economies of scale at the plant level pull in the opposite direction. To reflect this force, we began by developing through interviews estimates of the minimum optimal scale..." (Hervorhebung von mir). Wenn alles übrige nicht gleich, insbesondere die Nachfrage in dem relevanten Raum zu gering ist, kann der Einfluß der Transportkosten auch dazu führen, daß eine geringere als die technisch optimale Größe gewählt wird. Scherer übersieht das nicht (vgl. den Abschnitt „Outbound Transportation Costs" des Kapitels 2 der Arbeit von Scherer u. a., The Economics . . ., S. 21 ff.).

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wirtschaftliche Optimalgrößen für solche Güter gibt es nicht 4 0 . Ähnliches wie für die Transportkosten gilt übrigens u. U. für die übrigen Kosten des Absatzes. B a i n 4 1 macht m i t Recht auf Unternehmen aufmerksam, die trotz höherer Produktionskosten konkurrenzfähig sind, w e i l sie für ihren kleineren Absatz m i t geringeren Kosten für die Absatzförderung (sales promotion) auskommen. Die ungünstigen Wirkungen der Nachfragestruktur können über verminderte Durchschnitts-Nettoerlöse oder Transportkostenerhöhungen Vorteile bei den Produktionskosten mehr als ausgleichen. Andererseits kann aber die starke Stellung des zu untersuchenden Anbieters auf seinen Beschaffungsmärkten i h m erlauben, einen Druck auf seine Einkaufspreise nach unten auszuüben und damit zu volkswirtschaftlich nicht relevanten Kosteneinsparungen bei der Produktion zu kommen, welche nichtsdestoweniger seine Größe rentabel (oder rentabler) machen. Schaltet der technische Sachverständige oder der seine Schätzungen benutzende Nationalökonom diese Einsparungen nicht aus, kommt er unter Umständen zu einer Überschätzung der wettbewerbspolitisch relevanten Optimalgrößen. Cockerill berichtet (S. 125) von Mengenrabatten, die dazu führen, daß eine Brauerei m i t einem Ausstoß von 2,5 Millionen Hektolitern jährlich ihre Rohstoffe u m ungefähr 9 % b i l l i ger einkauft als ihre Konkurrenten m i t „ n u r " einer M i l l i o n Hektoliter Ausstoß. Bei Verpackungsmaterial seien ähnliche Ersparnisse möglich. Soweit sie auf Marktmacht beruhen, sind sie meines Erachtens vor volkswirtschaftlich relevanten Folgerungen auszuschalten. Cockerill hat das offenbar nicht getan. Scherer berichtet (S. 14) von Vorteilen aus der Beschaffung größerer Rohstoffmengen für die Herstellung von Farben und Lacken, die wahrscheinlich bedeutsamer seien als die möglichen Ersparnisse bei den eigentlichen Produktionskosten. Er hat jene Vorteile ganz ausgeschaltet. Von der Höhe und Behandlung der Mengenrabatte bei Brauereien berichtet er nicht. Ein anderer Sachverständiger verneinte das Vorhandensein wesentlicher Vorteile größerer Unternehmen beim Einkauf von Brauereirohstoffen. Bisher haben w i r stillschweigend unterstellt, Optimalgrößen seien aufgrund von Daten der jüngsten Vergangenheit oder der Gegenwart festzustellen. Ihre Verwendung ist jedoch i n der Regel zukunftsorientiert Das gilt sowohl einzelwirtschaftlich — wenn es ζ. B. darum geht, die Größe eines neuen Betriebs zu bemessen — als auch volkswirtschaftlich — wenn beispielsweise entsprechend der problematischen Konzeption des § 24 Abs. 3 des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbs40 Vgl. hierzu auch Müller und Hochreiter, S. 89 f. sowie Anmerkung 32 dieses Beitrags. 41 Joe S. Bain , Survival-Ability ..., S. 161. Ähnlich Frederic M. Scherer u. a., The Economics . . . , S. 85.

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beschränkungen entschieden werden soll, ob ein externes Unternehmenswachstum wegen gesamtwirtschaftlicher Vorteile zugelassen werden soll. Größen, die heute als optimal anzusehen sind, können morgen wegen der Entwicklung des technischen Wissens oder wegen Veränderungen der Nachfrage nicht mehr optimal sein. Das Schulbeispiel hierfür ist noch immer die Verminderung der Bedeutung der Größendegression der Dampfmaschine durch die Erfindung von Benzin-, Diesel- und Elektromotor 4 2 . Scherer macht 4 3 darauf aufmerksam, daß Fortschritte bei der gegenwärtig noch zu teuren Direktreduktion des Eisenerzes die Optimalgrößen für die Eisen- und Stahlgewinnung i n Zukunft erheblich vermindern könnten. Da der Wettbewerb auch ein Entdeckungsverfahren ist 4 4 , wissen w i r nicht, ob, wann und i n welcher Richtung für heute festgestellte Optimalgrößen sich stark verändern werden. Das sollte zur Vorsicht bei ihrer Verwendung für einzel- und volkswirtschaftliche Entscheidungen auch deshalb veranlassen, w e i l diese Entscheidungen die Richtung des technischen Fortschritts beeinflussen können. Große Unternehmen interessieren sich i n der Regel nicht für Produkte und Verfahren, die für mittlere und kleinere Unternehmen vorteilhaft sind. Ich habe mich z. B. bei der Lektüre des Berichts von Schenck über die Entwicklung der Technik i n der eisenschaffenden I n dustrie (a.a.O.) gefragt, ob es wirklich angebracht war, die Anstrengungen vor allem darauf zu konzentrieren, noch größere Hochöfen und Stahlwerke betriebsfähig zu machen — m i t der, wie m i r scheint, einzigen Begründung, daß die Investitionskosten je Erzeugungseinheit bei ihnen geringer sind, weil die Oberfläche solcher Aggregate weniger zunimmt als ihr Rauminhalt (vgl. unten). Hätten sich bei einer anderen Ausrichtung der Forschung ebenso hohe Optimalgrößen ergeben? Das führt mich zu den Beziehungen zwischen der Höhe der Optimalgrößen und dem Wettbewerb. Eine Zunahme der verwirklichten Betriebs- und Unternehmensgrößen muß früher oder später tendenziell wettbewerbsmindernd wirken, wenn die Nachfrage nicht entsprechend zunimmt. M i t der Wettbewerbsminderung schwächt sich tendenziell auch der Anreiz ab, neue Güter und Verfahren einzuführen. Belege dafür sind nicht nur die verzögerte Einführung des Sauerstoffblasverfahrens durch die größten Unternehmen der amerikanischen eisenschaffenden Industrie 4 5 , sondern auch die — allerdings weniger deutlichen — Feststellungen über die Investitionspolitik der größten deut42

Vgl. hierzu John M. Blair, S. 87 f., 95 ff. Frederic M. Scherer, The Technological Bases . . . , S. 32. 44 Vgl. Friedrich A. Hayek , Der Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, Kieler Vorträge, N. F. 56, Kiel 1968. 45 Vgl. hierzu u. a. Egon Sohmen, Konzentration und Wettbewerb, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7.1.1967. 43

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sehen Zementhersteller bei Mängel 4e. Wettbewerbsbeschränkungen zur Verwirklichung und Ausnutzung hoher Optimalgrößen, wie sie z.B. Schenck empfiehlt 4 7 , sind deshalb ein zweifelhaftes Rezept. Entgegen seiner Meinung sollte i n einer Marktwirtschaft kein Wirtschaftszweig langfristige Sicherheit und Stabilität genießen können. ΙΠ. Zu den Ergebnissen neuerer Schätzungen von Optimalgrößen Die Ergebnisse der bisher vorliegenden neueren Größenschätzungen sind aus mehreren Gründen interessant: Wegen ihrer — zum Teil starken — Abweichungen, und wegen der Einblicke, die sie i n die Ursachen des Wachstums der Betriebsgrößen, aber auch bezüglich des Zeitpunkts dieser Veränderungen sowie ihrer Vorteile geben. Einige Abweichungen und einige mögliche Ursachen dafür haben w i r schon kennengelernt. Bei Stahl- und Walzwerken schwanken die Schätzungen zwischen 1 bis 2,5 Millionen ingot tons 4 8 und ungefähr dem Vierfachen davon 49 . Scherers Schätzung liegt etwa i n der Mitte der beiden Extreme; dagegen hat er das Optimum der Kühlschrankfertigung wesentlich höher geschätzt als alle anderen Sachverständigen, von denen er berichtet 6 0 . Cockerill veranschlagt (S. 126) die minimale Optimalgröße von Brauereien auf 3 Millionen Hektoliter Ausstoß jährlich, läßt aber durch seine Kostenstatistik (S. 143) erkennen, daß bei einer Überschreitung dieser Größe auf bis zu 5 Millionen Hektoliter noch geringe Kostenersparnisse zu erwarten sind. Scherer ermittelte rd. 5,3 Millionen Hektoliter 5 1 . Dagegen erklärte 1975 ein Sachverständiger und unabhängig von i h m ungefähr zur selben Zeit ein anderer Sachverständiger anläßlich einer noch nicht veröffentlichten Befragung, schon Kapazitäten über 500 000 Hektoliter Ausstoß je Jahr seien konkurrenzfähig 5 2 . Was die Ursachen für das Wachstum der Betriebsgrößen anlangt, scheint m i r die Bedeutung bemerkenswert, welche mehrere Sachverständige der schon seit langem bekannten Tatsache beilegen, daß der Rauminhalt von Gebäuden, Maschinen und Apparaten stärker als ihre Oberfläche wächst (sogenannte zwei Drittel-Regel) und schon deshalb die Investitionskosten je Raumeinheit oder je Einheit der von der Raumeinheit abhängigen Produktionsmenge m i t Zunahme des Raums 46

Vgl. Mängel, S. 57, 63. Vgl. Hermann Schenck, S. 32 f. 48 Joe S. Bain , Barriers . . . , S. 236, Mitte der fünfziger Jahre. 49 Pratten, 1971. Vgl. Frederic M. Scherer, The Technological Bases . . ., S. 33. 50 Vgl. ders., S. 38 f. und die Übersicht über die Ergebnisse von Scherer, S. 204 dieses Beitrags. 51 Vgl. ders., S. 2; 4,5 Millionen Barrels zu 31 Gallonen. 52 Wegen der Bedeutung des Wortes „konkurrenzfähig" vgl. oben. 47

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sinken. Cockerill (S. 123) und Scherer 53 stellen dies als eine der Ursachen heraus, derentwegen die Investitionskosten von Brauereien mit größerem Ausstoß relativ geringer werden. Ähnliches berichtet Scherer von der Erdöldestillation und -raffination 5 4 , von der Zementherstellung (S. 24), allerdings i n Grenzen (vgl. S. 25), und von der Reduktion des Erzes i n Hochöfen (S. 31). Der Umfang der damit je Produktionseinheit erzielbaren Kostenersparnis ist nach meiner Kenntnis bisher nicht bekanntgegeben worden. Dafür müßten nicht nur die unterschiedlichen Investitionskosten, sondern gegebenenfalls auch Unterschiede i n der wirtschaftlichen Lebensdauer der verschiedenen Größen und die m i t ihnen verbundenen Veränderungen der Anlaufs-, Betriebs- und Stillstandskosten bekannt sein. Aus Bemerkungen von Schenck (S. 26) schließe ich, daß bei der Roheisen- und Stahlerzeugung die Lebensdauer m i t der Größe variiert. Später werden aber von Schenck bei seinen Kostenschätzungen Unterschiede der Lebensdauer nicht berücksichtigt 55 . Sehr häufig werden Vorteile der Arbeitsteilung als Ursachen hoher Optimalgrößen genannt. Nach der Meinung von Scherer ist die Spezialisierung der Arbeiter, beispielsweise auf das Nähen bestimmter Teile oder m i t einer bestimmten A r t Garn, der wichtigste Größenvorteil bei der Schuhfabrikation 56 . Freilich kommt er hier zu den niedrigsten Größenvorteilen der 12 von i h m betrachteten Zweige 5 7 . Ersparnisse durch die Spezialisierung von Maschinen und Apparaten werden manchmal zu den Vorteilen der Arbeitsteilung gerechnet. Beispielsweise berichtet Scherer von Kostenvorteilen, die durch ausschließliche Benutzung bestimmter Tanks für bestimmte Farben zu erreichen sind (S. 23), und von den Vorteilen des Hintereinanderschaltens verschiedener Walzen, deren Umstellung nicht mehr nötig ist, beim kontinuierlichen Walzen von Stahl (S. 28). Er hält bei der Montage von Kühlschränken am Fließband Kosteneinsparungen durch stärkere Arbeitsteilung bis zu einer Jahreskapazität des Bandes von 400 000 bis 500 000 Stück für möglich (S. 36). 53

Vgl. Frederic M. Scherer, The Technological Bases, S. 4. Vgl. ebenda, S. 15. 55 Vgl. Hermann Schenck, S. 28. Für eine skeptische Beurteilung der Bedeutung der Größendegression der Investitionskosten in Hochofenwerken sprechen die Ergebnisse der Arbeit von Bo Carlsson, Economies of Scale and Technological Change: A n International Comparison of Blast Furnace Technology (In: Seminar Proceedings, The Second Conference..., Vol. I, S. 85 ff.). Danach haben grundsätzlich größenunabhängige Verbesserungen, vor allem beim Rohstoffeinsatz, ein viel größeres Gewicht als jene Größenvorteile, die überdies in starkem Maße von hinreichender Kapazitätsausnutzung abhängig sind (vgl. ebenda, S. 109 f.). 56 Frederic M. Scherer, The Technological Bases, S. 20. 54

7

V g l . ebenda, S. .

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Die Einflüsse des Einsatzes von Spezialmaschinen auf die Größendegression kann man auch zu den Unteilbarkeiten rechnen. Sie äußern sich bekanntlich zwar manchmal auch darin, daß es Maschinen und Apparate unter bestimmten hohen Größen überhaupt nicht gibt, i n der Regel aber i n Kostenersparnissen durch Einsatz größerer Einheiten. Von Scherer w i r d mehrfach der Einfluß des Wachstums der Transportgefäße erwähnt. So meint er, die Zunahme der Tankergrößen rege über die Möglichkeit der besseren Ausnutzung der für sie nötigen Löschkapazitäten den Bau größerer Erdölraffinerien i n Seehafenplätzen an (S. 17). Wie problematisch solche Feststellungen sind, zeigt sich durch die gegenwärtigen Beschäftigungsschwierigkeiten gerade der Großtanker. Werden sie wieder zu einer Ermäßigung der Größen führen? Ganz ähnliche Folgerungen wie für Erdölraffinerien w i l l Scherer für i n Seehäfen gelegene Hüttenwerke ziehen (S. 27). Einen ähnlichen Einfluß wie die Transportgefäße seitens des Rohstoffeinsatzes üben die Verpackungsmaschinen von der Absatzseite her aus. So betont Scherer (S. 5) bei den Brauereien die Vorteile von Dosenfüllmaschinen mit größeren Kapazitäten. Eine Abfüllstraße optimaler Größe könne bei Vollbeschäftigung 1 bis 1,3 Millionen barreis jährlich i n Dosen füllen. Die Halbierung der Abfüllgeschwindigkeit soll die Kosten des Verpackens i n Dosen u m 12 cents je barrel erhöhen (S. 5 f.). Es ist jedoch nicht sicher, ob die von S eher er befragten Sachverständigen die höheren Anforderungen solcher Abfüllanlagen an das Bedienungspersonal bei ihrer Kostenschätzung hinreichend berücksichtigt haben. Nach einer Mitteilung von Jürgen Müller hat i h m ein Sachverständiger erklärt, für die Bedienung der schnelleren Maschinen bedürfe es einer Anlernzeit von einem Vierteljahr. Wenn die Bedienung das Personal erheblich stärker beansprucht, könnten höhere Lohnforderungen und (oder) gesundheitliche Schäden die Folge sein. Die größensteigernde Wirkung mancher Arbeitsmaschinen kommt häufig bei der Behandlung von Mechanisierungsproblemen zur Sprache. Daß Lohnerhöhungen tendenziell die Mechanisierung und über sie Zunahmen der Optimalgrößen anregen, ist bekannt. Scherer erwähnt es beispielsweise bei der Farbenherstellung (S. 14). Die Lohnsteigerungen i n den 60er Jahren haben zu einer stärkeren Automatisierung der Montagebänder i n Akkumulatorenfabriken geführt 5 8 . Die Kehrseite ist eine Abnahme der Flexibilität der Produktion (S. 41). Automatisierte Brauhäuser arbeiten nach den Feststellungen von Scherer bei einer Vervierfachung ihrer Kapazität (auf 4 Millionen barreis) und bei dem Lohnniveau der Vereinigten Staaten von 1970 u m 6 Cent je barrel b i l l i ger (S. 5). 68

Vgl. ebenda, S. 41.

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Nicht nur bei Maschinen und Apparaten, auch bei leitenden und Spezial-Angestellten spielen Unteilbarkeiten eine Rolle. Von den Brauereien berichtet Scherer (S. 4), die Kosten der Leitung, der Laboratorien und der Überwachung erhöhten sich bis zu einer Kapazität von 4 M i l lionen barreis schwächer als der Ausstoß. Hier möchte ich auf meine früheren Bemerkungen über die Schwierigkeiten des Erfassens des für die „diseconomies of scale" so wichtigen Qualitativen verweisen. Ein glänzender Braumeister mag beispielsweise für Brauhäuser jeder heute technisch möglichen Größe ausreichen. Was w i r d aber aus den Kosteneinsparungen, wenn man einen solchen Braumeister nicht findet und deshalb „Sand ins Getriebe" kommt? Ähnliches gilt für relative Ersparnisse an Gemeinkosten bei größeren Zigarettenfabriken durch Verteilung auf eine größere Produktionsmenge 59 , für die Bemerkungen über die Bezüge eines „typischen" Betriebsleiters einer Schuhfabrik, die sich nach Scherers Bericht nicht mit der gefertigten Zahl an Schuhen erhöhen (S. 21), oder die bessere Ausnutzung der Spezialisten von Zementfabriken 60 . Solche Einsparungen kann man nicht nur den Unteilbarkeiten, sondern auch dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Vielfachen zurechnen, das übrigens Müller und Hochreiter (S. 71) auch als einen Aspekt der Arbeitsteilung erörtern, was m. E. nur für manche Erscheinungen dieses Prinzips richtig ist. Vor allem durch Scherer sind uns i n jüngster Zeit wichtige Beispiele für Bedeutung und Wirkungsweise jenes Prinzips bekannt geworden. Er schreibt, Unteilbarkeiten bei der Leitung von Schuhfabriken setzten ein kleinstes gemeinsames Vielfaches (S. 21). Für Produktionsprozesse nach der Destillation des Rohöls wie das Cracken spiele dieses Prinzip eine Rolle (S. 16 f.). Ähnliches stellte er für verschiedene Stufen der Schuh- sowie der Kugel- und Wälzlagerfabrikation und für Baumwoll- und Kunstfaserwebereien fest (S. 20, 35, 9 f.). Bei der Untersuchung der Größe von Akkumulatorenfabriken t r i t t die Bedeutung des Bestehens funktionsfähiger Märkte zu Tage (S. 39): Für viele Teile gibt es solche Märkte; dann kann man ungehindert zwischen „make and buy" entscheiden und braucht sich, wenn man sich für das Kaufen entschließt, u m die Koordination der Optimalgrößen der Fertigung der einzelnen Teile und dieser Teile m i t der Montage nicht zu kümmern. Über die Bedeutung des Vorteils zentralisierter Reserven haben die neueren empirischen Untersuchungen, soweit ich sehe, wenig ergeben 61 . Dagegen ist eine neue, bisher kaum beachtete Einflußgröße zu Tage getreten: der Umweltschutz. Er hat nach Meinung von Scherer (S. 14) die 59 60 61

Vgl. ebenda, S. 8. Vgl. ebenda, S. 26. Vgl. hierzu Hans Otto Lenel, S. 69.

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Optimalgrößen von Farbenfabriken Ende der 60er Jahre erheblich erhöht und möglicherweise den Vorsprung der kleineren Hersteller bei den Gemeinkosten mehr als ausgeglichen. Ähnliches berichtet er (S. 42) von den Akkumulatorenfabriken, hier allerdings auf die Zukunft bezogen. Man darf hier wohl nicht nur an die Kosten des Umweltschutzes für einen Betrieb bestimmter A r t bei irgendeinem Industriebesatz des Raums, i n dem er sich befindet, denken. Man muß vielmehr auch berücksichtigen, daß eine Erhöhung eines schon bedeutenden Industriebesatzes i n einem Ballungsraum durch einen neuen Großbetrieb u . U . trotz der Bereitschaft dieses Betriebs, die üblichen Umweltschutzkosten auf sich zu nehmen, nicht mehr tragbar ist, w e i l die verbleibenden Immissionen zu hoch werden. Das könnte nicht nur auf eine größere räumliche Streuung, sondern auch auf eine Verminderung der Größe der Betriebe wirken. Wie schon gelegentlich angedeutet, bleibt die Stärke der Wirkung der einzelnen Einflußgrößen i n der Regel offen. Nur über die Entwicklung der Optimalgrößen im Zeitablauf, also über die Wirkung aller Einflußgrößen zusammen i n bestimmten Zeiträumen, wissen w i r einiges. So berichtet Blair, daß sich durch die Einführung des kontinuierlichen Walzens von Stahl 1927 die Kapazität einer Walzenstraße auf ungefähr das Fünfzigfache erhöht hat 6 2 . Die zweckmäßigen Jahreskapazitäten von Hochöfen betrugen nach Scherer* 3 i n den 20er Jahren etwa 400 000 Tonnen. 1950 produzierten die modernsten Hochöfen 1 M i l l i o n Tonnen jährlich. Anfang der 70er Jahre wurden schon Hochöfen m i t über 4 Millionen Tonnen Jahreskapazität errichtet. Giesel zitiert 6 4 einen Aufsatz der Zeitschrift „Der Volkswirt" aus dem Jahre 1968, wonach sich die Kapazitäten von Äthylen-Anlagen i n den 10 Jahren nach 1957/ 58 ungefähr verzehnfacht haben. Blair erwähnt allerdings 65 , daß ein Versicherungsingenieur schon 1967 Zweifel geäußert habe, ob nicht bei dieser wie auch bei anderen petrochemischen Produktionen die Optimalgrößen i m volkswirtschaftlichen Sinn wegen der hohen Ausfallsund Explosionsrisiken schon überschritten seien. Mängel trägt vor (S. 56), für das bei größeren Produktionsmengen zweckmäßige Trockenverfahren seien die Investitionskosten je Tonne jährliche Zementproduktion von 1950 bis 1970 auf die Hälfte gesunken. Nach Scherers Feststellungen (S. 3) sind die heutigen Größenvorteile für Brauereien erst seit Anfang der 60er Jahre eingetreten. Er hält diese Vorteile für sehr bedeutsam. 62

Vgl. Blair, S. 90. Dort S. 89 f. weitere Beispiele. Vgl. Frederic M. Scherer, The Technological Bases..., S. 31. 64 Vgl. Harald B. Giesel, Unternehmenswachstum und Wettbewerb, BadenBaden 1975, S. 60. 65 Vgl. John M. Blair, S. 93. 63

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Aber Ergebnisse von empirischen Untersuchungen i n einzelnen Zweigen oder gar Thesen außerhalb der wissenschaftlichen Diskussion sollten nicht zu der Meinung verleiten, die Optimalgrößen hätten sich in den letzten Jahren einheitlich stark erhöht. Das war vielmehr nur i n manchen Zweigen der Fall. Von anderen Zweigen wissen wir, daß die Optimalgrößen abgenommen haben 66 . Die Tatsache, daß i n den letzten Jahren oder früher i n bestimmten Zweigen Kostenvorteile durch Größenwachstum zu verzeichnen waren, genügt für ein Urteil noch nicht. Dafür muß man auch wissen, wie groß diese Vorteile und wie der Kostenverlauf vor Erreichen der Untergrenze der Optimalgrößen sind. Dafür hat nach meiner Kenntnis erstmals Bain 67 das Verfahren angewandt, festzustellen, um wieviel die Kosten je Einheit steigen, wenn statt Kapazitäten an der Untergrenze der Optimalgrößen nur kleinere zur Verfügung stehen. Dieses Verfahren haben auch Scherer sowie — auf der Grundlage der Arbeit von Scherer — Müller und Hochreiter 68 angewandt. Scherer ermittelte für die 12 von i h m untersuchten Zweige jeweils, u m welchen Prozentsatz die Kosten je Einheit sich erhöhen, wenn statt der Untergrenze der Optimalgrößen nur eine Kapazität von einem D r i t t e l dieser Untergrenze (kurz „Drittelkapazität") besteht. Er kam zu folgenden Ergebnissen 60 : Erzeugnisse Bier Zigaretten Stoffe aus Baumwolle und Kunstfasern Farben und Lacke Rohölderivate (Benzin, Heizöl u. dgl.) Lederschuhe Glasflaschen Zement Walzstahl Kugel- und Wälzlager Kühlschränke Autobatterien

Mehrkosten Untergrenze der Optimalgröße (mit einer Ausnahme angegeben als der „DrittelJahreskapazität) kapazität" (%) 5,3 Millionen Hektoliter 36 Milliarden Stück

5,0 2,2

31 Millionen Quadratmeter 38 Millionen Liter

7,6 4,4

10 Millionen Tonnen Rohöleinsatz 1 Million Paar 120 000 Tonnen 1,2 Millionen Tonnen 3,6 Millionen Tonnen 800 Beschäftigte 800 000 Stück 1 Million Stück

4,8 1,5 11,0 26,0 11,0 8,0 6,5 4,6

ββ Vgl. hierzu die Feststellungen von A. D. H. Kaplan in seinem Buch „Big Enterprise in a Competitive System", Washington D. C. 1954, S. 77, und meinen kurzen Bericht hierüber in „Ursachen der Konzentration", S. 87 sowie den Abschnitt „New Decentralising Technologies" bei Blair, S. 114 ff. 67 Vgl. Joe S. Bain, Barriers . . . , Appendix Β. 68 Vgl. Müller u. Hochreiter, S. 88 und Tabelle 44. 89 Jürgen Müller hat Scherers Ergebnisse auf metrische Maße umgerechnet. Die deutsche Bezeichnung der Erzeugnisse stammt von mir. Bei Scherer (The Technological Bases) befindet sich die entsprechende Tabelle auf Seite 2.

Zur Problematik der Ermittlung optimaler Betriebsgrößen

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Scherers Verfahren und seine Ergebnisse sind sehr wertvoll und zeigen von einer anderen Seite her erneut die Problematik der E r m i t t lung und insbesondere der Verwendung von Optimalgrößen. Nur i n einem der 12 von Scherer untersuchten Zweige sind die Kosten der „Drittelkapazität" u m mehr als 11 °/o höher, nämlich bei der Zementherstellung. Deren Mehrkosten (26 %>) sind jedoch aus zwei Gründen problematisch. Erstens blieben, wie schon erwähnt, bei der Ermittlung der Optimalgrößen die Transportkosten außer Acht. Ihre Berücksichtigung dürfte zu wesentlich geringeren Abweichungen der „Drittelkapazität" von den wirtschaftlichen Optimalgrößen führen. Zweitens dürfte die Kostenerhöhung nach den Ausführungen von Scherer i m wesentlichen erst nach Unterschreitung der Hälfte der Untergrenze der Optimalgrößen eintreten. Denn w i r erinnern uns, daß diese Untergrenze unter der Annahme ermittelt wurde, es seien zwei Öfen optimaler Größe erforderlich 70 . Durch die Hinzunahme eines zweiten Ofens dürften aber nur relativ geringe Ersparnisse möglich sein. Ein ähnliches Problem taucht bei der Kostenabweichung zwischen „Drittelkapazität" und Optimalgrößen von Stahl- und Walzwerken auf, eines der beiden Zweige, bei denen diese Kostenabweichung 11 % ausmacht. Bei der Ermittlung der Optimalgrößen unterstellt Scherer drei Hochöfen, ein Stahlwerk nach dem Sauerstoffblasverfahren mit drei Konvertern und ein Warmwalzwerk m i t einer Kapazität von 3,6 M i l lionen Tonnen jährlich (S. 32). Kleinste gemeinsame Vielfache dürften eine erhebliche Rolle spielen. Welche Ausstattung m i t Hochöfen, Konvertern und Walzstraßen ist für das Werk m i t Drittelkapazität angenommen worden? Findet auch hier der Kostensprung nach oben vielleicht erst lange nach Unterschreitung der Untergrenze der Optimalgrößen und kurz vor der „Drittelkapazität" statt? M i r scheint es für solche Fälle ratsam zu sein, auch anzugeben, von wann an entscheidende Kostennachteile eintreten. Auch bei dem zweiten Zweig m i t einer Kostenerhöhung von 11 %, der Glasflaschenherstellung, könnte die Verwendung von gerade einem Drittel der Optimalgrößen zu einem unrichtigen Eindruck von der Überlegenheit der herausgestellten Optimalgrößen führen. Auch diese Größen sind unter bestimmten, nicht eindeutigen Annahmen (hier drei Glasschmelzöfen und zwölf Glasblasmaschinen) zustande gekommen. Die Verwendung mehrerer Glasschmelzöfen bringt Kostenvorteile nur, wenn Flaschen m i t verschiedenen Farben hergestellt werden sollen. Ich schließe aus Scherers Schilderung (S. 22 f.), daß die bedeutsamsten Kostenersparnisse dann deshalb eintreten, w e i l ein Farbwechsel zur Stillegung des Ofens für mehrere Tage zwingt. Wie würde eine Spezia70 v g l Frederic

M. Scherer, The Technological Bases . . . , S. 25 f.

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lisierung auf eine Farbe auf die Kostenzunahme wirken? Die Notwendigkeit, mehrere Farben anzubieten, ist nach meiner Kenntnis mit Gegebenheiten der Technik nicht zu begründen. Für vier Zweige (Kugel- und Wälzlager- und Kühlschrankfertigung, Baumwoll- und Kunstfaserwebereien, Brauereien) hat Scherer Kostenzunahmen von 5 bis 8 % festgestellt. Die ungünstigste Kostenveränderung (8 °/o) ist bei Kugel- und Wälzlagern zu verzeichnen. Aber für diesen Zweig teilt Scherer (S. 35) mit, er habe nicht verstanden, warum die Optimalgröße bei der angegebenen und nicht bei einer höheren oder geringeren Menge liegt, und es seien keine klaren Informationen über die Kostenerhöhungen bei Unterschreitung der Optimalgrößen zu erlangen gewesen. Die Schätzung sei deshalb besonders unsicher. Aus den Ausführungen von Scherer über die Optimalgrößen von Baumw o l l - und Kunstfaserwebereien schließe ich, daß auch hier wegen der Bedeutung des Prinzips des kleinsten gemeinsamen Vielfachen bei Größenminderungen unter die angenommene Optimalgröße Kostensprünge eintreten müssen. I n der Stufe des Webens sind 144 automatische Sulzer-Webstühle nach den Feststellungen von S eher er (S. 10) das kleinste gemeinsame Vielfache. Er hat für seine Optimalgröße offenbar 288 Webstühle angenommen. Dann muß aber ein Betrieb von der Hälfte der Optimalgröße wesentlich günstigere Kosten ausweisen als ein Betrieb m i t „Drittelkapäzität", für den er von einem Kostenanstieg u m 7,6 % berichtet. Ähnliches gilt für die Kühlschrankfertigung (6,5% Mehrkosten der „Drittelkapazität"), bei der Scherer für seine Optimalgröße — wie schon erwähnt — zwei stark mechanisierte Montagestraßen und eine weitere Straße unterstellt (S. 37), und für die Brauereien ( 5 % Mehrkosten der „Drittelkapazität"), bei denen schon wegen der Annahmen über die Zahl der Dosengrößen und die dafür nötigen Abfüllstraßen eine Brauerei von der Hälfte der angenommenen Optimalkapazität wesentlich günstiger arbeiten muß als die m i t der „Drittelkapazität" 7 1 . Das verstärkt die Bedeutung der Feststellung, daß i n fünf der von Scherer untersuchten zwölf Zweige der Kostennachteil der „Drittelkapazität" nur zwischen 1,5 und 4,8 % liegt. Es sind dies drei Zweige mit Kostennachteilen zwischen 4,4 und 4,8 °/o (Farbenherstellung, A k k u m u latorenfabriken und Erdölräffinatioii), die Zigarettenherstellung mit 2,2 % und die Schuhfabrikation m i t 1,5 °/o Kostennachteil. Bei den Ungenauigkeiten solcher Schätzungen w i r d man i n den letzten beiden Fällen von einem Nachteil kaum noch m i t hinreichender Sicherheit sprechen können; denn welcher Sachverständige ist i n der Lage, Kostenunterschiede verschiedener Größen m i t Fehlergrenzen von unge71

Vgl. ebenda, S. 6.

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fähr 2 °/o oder gar weniger zu schätzen? Bei Zigaretten kommt hinzu, daß Scherer selbst (S. 7) auf die aus verschiedenen Gründen besonders große Unsicherheitsmarge und auf die Geringfügigkeit der Größenvorteile i n den wichtigsten Produktionsstufen (Herstellung und Verpakkung) hinweist. Die multiple Betriebsgrößenvariation i m Sinne von Erich Gutenberg 72 spielt hier eine sehr große Rolle. Bei der Akkumulatorenfertigung, die i n dieser Gruppe nach der Erdölraffination die ungünstigste Kostenerhöhung (4,6 %) aufweist, ist der Kostenverlauf atypisch. Es gibt nach Scherers Feststellungen nicht nur zwei Optima bei ganz verschiedenen Produktionsgrößen, sondern dazwischen auch zunächst erhebliche Kostenerhöhungen m i t der Größenminderung, gefolgt von einer Kostenermäßigung bei einer weiteren Abnahme der Größe. Ein Optimum liegt bei 50 000, das andere bei einer M i l l i o n Batterien jährlich 7 3 . Ursache hierfür ist, daß eine zweckmäßige Mechanisierung der Fertigung hohe jährliche Produktionsmengen i m ganzen, wegen ihrer geringen Flexibilität aber auch hohe Losgrößen erfordert. Die arbeitsintensivere Fertigung ist flexibler und deshalb m i t der mechanisierten offenbar konkurrenzfähig. Multiple Betriebsgrößenvariationen scheinen jedoch den aus der größeren Beweglichkeit herrührenden Vorteil des arbeitsintensiveren Verfahrens erheblich zu mindern 7 4 . Scherer dürfte bei der Veranschlagung der K o sten der „Drittelkapazität" automatisierte Fertigung unterstellt haben. Ich habe Zweifel, ob die multiple Betriebsgrößenvariation m i t arbeitsintensiverem Verfahren zu einem ebenso starken Kostenanstieg führen würde. Überdies könnte sich das Prinzip des kleinsten gemeinsamen Vielfachen ungünstig auswirken. Für die Optimalgröße hat Scherer eine mechanisierte Straße m i t 750 000 Stück jährlichem Ausstoß zusammen m i t einer zweiten, flexibleren Produktionseinheit für die Produktion von Batterien m i t kleineren Losgrößen (Kapazität 200 000 Stück jährlich) unterstellt (S. 42). Welche Folge hat hier die Drittelung? Bei solch geringen und (oder) unsicheren Kostennachteilen ist es — von der Kostenseite her gesehen — kein Wunder, wenn sich Betriebe halten können, deren Kapazitäten unter den geschätzten Optimalgrößen liegen. Was aber haben die empirischen Untersuchungen an weiteren Gründen für die Möglichkeit der Unterschreitung der Optimalgrößen ergeben, die ja auch für die Beurteilung des survivor-test von Bedeutung sind? Ich w i l l mich hier auf die Brauereien beschränken, w e i l dafür relativ viel Informationen vorliegen. Nach Cockerill (S. 120) sind 72 73 74

Vgl. Erich Gutenberg, Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. Vgl. Frederic M. Scherer, The Technological Bases..., S; 39. Vgl. ebenda, S.42.

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die englischen Brauereien stark m i t Gaststätten, dem sonstigen Großund Einzelhandel mit Bier und m i t Vergnügungslokalen verflochten. Ähnlich wie i n Kontinentaleuropa spielt außerdem die Bindung von Gaststätten durch Brauereidarlehen m i t Ausschließlichkeitsbindung eine große Rolle. I m ganzen sind die vertikalen Bindungen i n England nach dem Urteil von Cockerill stärker als i n Kontinentaleuropa. Sie schützen tendenziell auch die durch sie begünstigten Betriebe m i t zu geringen Größen, indem sie ihre effizienteren Konkurrenten von A b satzquellen fernhalten, und können deshalb u. U. eine Unterschreitung der Optimalgrößen erklären. Nichtsdestoweniger ist die Zahl der englischen Braustätten i n den 6 Jahren seit 1964 relativ weitaus am stärksten, nämlich u m 4 0 % zurückgegangen. Das mag jedoch m i t den Zusammenschlüssen zusammenhängen, die i n England eine besonders große Rolle gespielt haben und derentwegen die Vertikalbindungen zu Gunsten der einzelnen Beteiligten das Vordringen effizienterer Betriebsgrößen innerhalb des extern gewachsenen Unternehmens nicht mehr hemmen. Ob aber die Beseitigung dieses Hemmnisses wirklich zu einer Annäherung an die Optimalgrößen geführt hat, geht aus den von Cockerill veröffentlichten Zahlen nicht klar hervor. Seine Äußerungen lassen wohl eher auf das Gegenteil schließen. Ähnliches gilt für die Bundesrepublik, wo die Zahl der Braustätten absolut noch stärker, relativ aber wesentlich schwächer zurückgegangen ist 7 5 . Jürgen Müller weist darauf h i n (S. 23), daß i m deutschen Brauereigewerbe (wie auch i n anderen deutschen Zweigen) zwar viele der bei Zusammenschlüssen übernommenen Betriebe Kapazitäten unter der Optimalgröße hatten, daß aber andererseits selbständige Firmen gleicher Größe bequem weiterleben. Als Gründe hierfür erwähnt er (S. 23) Markentreue, geringere Transport- und Werbungskosten auf nahen Märkten und stark abgeschriebene Einrichtungen. Könnte es nicht auch auf die Ausschließlichkeitsbindung von Gaststätten und — nicht zuletzt — darauf zurückzuführen sein, daß man die Vorteile der Optimalgrößen überschätzt hat? Beim Zusammenschluß der beiden „Bierelefanten" SchultheissPatzenhofer und Dortmunder Union meinte man zwar, Bier könne i n derart „großen Töpfen" billiger hergestellt werden. Die bisherige Ertragsentwicklung des aus der „Elefantenhochzeit" hervorgegangenen Brauerei-Ehepaars rechtfertigt diese Vorhersage (noch?) nicht 7 6 . Die eben schon angesprochenen Überlegungen über die einschlägige Rolle der Zusammenschlüsse werden durch Mängel für die Zementin75

Vgl. Anthony Cockerill, Tabelle 2, S. 137. Vgl. hierzu die Notiz „Tönerner Riese", Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. 6.1975. Man hat nach dem Bericht „Hopfen und Malz verloren" (a.a.O., S. 28) in diesem Unternehmen für die Bereitstellung „großer Töpfe" bisher noch wenig getan. Noch 1975 betrieb es 28 Braustätten, davon zehn mit einem Ausstoß von weniger als 200 000 Hektoliter jährlich. 76

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dustrie ergänzt. Nach seiner Meinung müssen i n der nächsten Zeit viele Zementunternehmen ausscheiden, weil ihre Größe nicht mehr wettbewerbsfähig ist (S. 59 f.). Soweit das richtig ist, werden diese Unternehmen auch bereit sein, ihre Selbständigkeit durch Verkauf aufzugeben, wenn ein Kaufpreis gezahlt wird, der nicht unter dem erwarteten L i quidationsnettoerlös liegt. Mängel meint, andererseits sei ihr Ankauf notwendige Voraussetzung für die Schaffung wettbewerbsfähiger Unternehmen, wenn erst dadurch die nötigen Rohstoffvorräte und (oder) Absatzmärkte gesichert werden können. Sicherung seiner Rohstoffvorräte scheint m i r ein überzeugender Grund für den Erwerb eines Unternehmens zu dem von Mängel genannten Zweck nur dann zu sein, wenn diese Vorräte i n hinreichender Nähe des bestehenden oder geplanten Werks optimaler Größe liegen. Denn sonst geht ein zu großer Teil der Ersparnis an Produktionskosten durch erhöhte Transportkosten verloren, deren Bedeutung w i r hier von der Beschaffungsseite her bemerken. Für die m i t dem Erwerb eines Unternehmens verbundenen zusätzlichen Absatzchancen w i r d ein zum Zweck der Realisierung eines Werks optimaler Größe Kaufender nur zu zahlen bereit sein, wenn dieser Absatz mit tragbaren Transportkosten verbunden ist und wenn sonst noch m i t einem längeren Leben des Aufzukaufenden und damit m i t einer Beeinträchtigung der Absatzchancen des potentiellen Käufers zu rechnen ist. Ich halte die Verwirklichung dieser Bedingungen für wenig wahrscheinlich und für viel wahrscheinlicher einen anderen von Mängel (S. 60) genannten Grund für den Aufkauf: Man w i l l die Märkte „beruhigen" und hofft, dadurch höhere Preise zu erreichen. M i t dem Wunsch, optimale Größen m i t wesentlichem Kostenvorsprung zu verwirklichen, hat das i m Grunde nichts zu tun. Denn Betriebe m i t optimaler Größe können sich auch auf „unruhigen" Märkten gegenüber ihren kleineren Konkurrenten durchsetzen, wenn deren Kosten wesentlich höher sind. Noch ein anderer Grund für die Aufkaufpolitik ist möglich: Unternehmen der Zementindustrie kaufen ändere Unternehmen auf, u m die Ansiedlung von Konkurrenten i n ihrem Absatzgebiet zu verhindern. Daß das zu beobachtende Unternehmenswachstum m i t dem Hinweis auf die Zunahme der Optimalgrößen der Betriebe nicht hinreichend erklärt werden kann, zeigen — wie schon angedeutet — die Abweichungen zwischen den beiden Wachstumsvorgängen (bei den Betrieben und bei den Unternehmen). Scherer hat seinem Aufsatz „The Determinants of Multi-Plant Operation" 7 7 eine Tabelle beigegeben, i n der für die von i h m untersuchten 12 Industriezweige i n 6 Ländern angege77 Vgl. Frederic M. Scherer, The Determinants of Multi-Plant Operation, S. 126.

14 Festschrift für Helmut Arndt

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ben ist, wieviel örtliche Erzeugungsstätten jeweils die drei größten Unternehmen Ende Juni 1970 i m Durchschnitt betrieben. Nur i n 5 Fällen war es eine, dagegen i n 15 Fällen über 10 und i n zwei Fällen sogar über 20. Nach den Feststellungen von Cockerill ist i n der Hälfte der von i h m untersuchten Volkswirtschaften, nämlich i n Japan, England, Frankreich und i n den Vereinigten Staaten, die Durchschnittsgröße der Brauereiunternehmen mehr als viermal so groß wie die durchschnittliche Größe der einzelnen Braustätten. Müller und Hochreiter haben errechnet, daß die vier größten Unternehmensgruppen 1971 an den Biermärkten der Bundesrepublik einen Anteil von 33,86 °/o hatten 7 8 . Hätten sie sich darauf beschränkt, die von Scherer (m. E. sehr hoch, vgl. oben) geschätzten Optimalgrößen zu verwirklichen, wäre nur ein Marktanteil von 23,8 %> nötig gewesen. Müller und Hochreiter haben (S. 87) ermittelt, daß der A n t e i l am Markt, der für die Beschäftigung eines Betriebes an der von Scherer festgestellten Untergrenze der Optimalgrößen nötig ist, i n der Bundesrepublik i n allen von ihnen untersuchten Branchen m i t Ausnahme der Zementfabrikation und der Stahlund Walzwerke von 1958 bis 1971 gesunken ist. Dagegen ist durch Konzentrationsvorgänge die Differenz zwischen dem tatsächlichen Konzentrationsgrad der Branche und dem Konzentrationsgrad, der nötig wäre, wenn jedes Unternehmen einen Betrieb m i t Optimalgröße betriebe, erheblich größer geworden 79 . IV. Lehren für die Wettbewerbspölitik Schon aus unseren letzten Überlegungen ergibt sich, daß große Skepsis gegenüber der These geboten ist, Zusammenschlüsse seien nötig, u m optimale Betriebsgrößen zu verwirklichen 8 0 . Cockerill folgert (S. 134 f.) ganz i m Gegenteil, daß eine Annäherung an optimale Betriebsgrößen nach den amerikanischen Erfahrungen am wahrscheinlichsten ist, wenn große Zusammenschlüsse verboten sind. I m Widerspruch dazu steht allerdings seine Empfehlung, i n Italien, der Bundesrepublik und mög78 Vgl. Müller u. Hochreiter, Tabelle 44. Bei dieser Rechnung wurden die Brauereien, an welchen die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank beteiligt ist, als eine Gruppe betrachtet. I n dem schon erwähnten Bericht „Hopfen und Malz verloren" (S. 26) wird die größte „Untergruppe" davon, die Dortmunder Union-Schultheiss Brauerei AG, gesondert erfaßt. Sie hatte im Brauwirtschaftsjahr 1973/74 einen Marktanteil von 8,1 °/o, die beiden nächstgroßen Gruppen (Oetker und Reemtsma) einen Marktanteil von 7,6 bzw. 7,5 °/o und die großen Drei zusammen mit den der Größe nach folgenden sieben Unternehmen, von denen keines einen Marktanteil über 2,5 °/o hatte, einen Marktanteil von 35,3 */o. 79 Vgl. ebenda, Tabelle 44. 80 Vgl. hierzu auch Hans Otto Lenel, Externes Unternehmenswachstum als Problem der Wettbewerbspolitik, in: Ernst-Joachim Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerb als Aufgabe, Bad Homburg 1968, S. 491 ff.

Zur Problematik der Ermittlung optimaler Betriebsgrößen

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licherweise auch i n Belgien und Luxemburg zunächst für größere Unternehmen zu sorgen, deren Schaffung dann der Bau neuer Betriebe folgen soll (S. 131). Die Erfahrungen i n England und Frankreich veranlassen Cockerill jedoch, den zweiten Schritt erst nach Ablauf eines langen Zeitraums zu erwarten (S. 131). Was w i r d die Zusammengeschlossenen veranlassen, ihre alten Betriebe zu dem volkswirtschaftlich richtigen Zeitpunkt stillzulegen, nachdem es ihnen durch den Zusammenschluß gelungen ist, den Wettbewerb hinreichend zu beschränken? Daß der Wettbewerb durch Zusammenschlüsse i m Sinne Cockerills empfindlich beeinträchtigt werden kann, ergibt sich beispielsweise für das Braugewerbe daraus, daß nach Cockerill (S. 133) auf dem italienischen Markt nicht einmal vier Brauereien optimaler Größe Absatz finden. Dabei blieben die Transportkosten außer Betracht. Müller und Hochreiter machen (S. 90) m i t Recht auf deren Bedeutung für die Abgrenzung des relevanten Markts aufmerksam. Sind sie hoch, können räumlich erheblich voneinander entfernte Anbieter nur noch bedingt als Konkurrenten betrachtet werden. Die bisherigen Überlegungen dürften zeigen, daß man zur Begründung von Ausnahmen nach § 24, Abs. 3 GWB bei dem derzeitigen Stand unserer Kenntnisse Optimalgrößenschätzungen nicht oder jedenfalls nur m i t größter Vorsicht verwenden sollte. Wäre es beispielsweise gut, einen Zusammenschluß zuzulassen, weil ein Sachverständiger auf Grund einer groben Schätzung ermittelt hat, daß 4 °/o Kosten eingespart werden, wenn später einmal von den Zusammengeschlossenen ein neues Werk höherer Größe errichtet wird, was i n der Regel gar nicht sicher ist? Soll man trotz der Ungewißheit der Zukunft und über das, was der Wettbewerb auch i n Gestalt anderer Verfahren schaffen würde, und trotz der Gefahr einer Verminderung der Flexibilität als Preis für eine derart unsichere Hoffnung eine sichere, bedeutsame Wettbewerbsbeschränkung i n Kauf nehmen oder gar die Beseitigung des Wettbewerbs? Ich verneine diese Frage. Sollte man stattdessen, solange die Optimalgrößen noch nicht erreicht sind, das interne Wachstum begünstigen, beispielsweise durch Investitionszulagen und Zulassung von Sonderabschreibungen? Ich habe dagegen aus zwei Gründen erhebliche Bedenken. Erstens haben die besprochenen Untersuchungen nach meiner Meinung deutlich ergeben, auf welch unsicherem Boden bisher die Ermittlung optimaler Betriebsgrößen steht — so wichtig sie ist. Wer soll ex ante entscheiden, welche Größe jeweils optimal ist? Soll der Wirtschaftsminister verfügen, wie breit das Produktionsprogramm sein und welche Differenzierung der Nachfrage berücksichtigt werden soll? Oder soll er sich gar unbesehen auf das Urteil eines Sachverständigen darüber verlassen? Ich plädiere für außerordentliche Zurückhaltung der wirtschaftspoliu*

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Hans Otto Lenel

tischen Instanzen bei der Anwendung des Hilfsmittels „optimale Betriebsgröße" (zweitens) auch deshalb, w e i l w i r nicht wissen, wie sich Bedürfnisse und technisches Wissen i n Zukunft entwickeln werden. Haben höhere Betriebsgrößen wesentliche Vorteile, werden sie sich wegen des damit zusammenhängenden Rentabilitätszuwachses auch dann durchsetzen, wenn sie von den wirtschaftspolitischen Instanzen nicht gefördert, sondern — besser — argwöhnisch betrachtet werden, soweit durch sie Wettbewerbsbeschränkungen entstehen können.

Administrative Inflation and Public Policy 1 Von Gardiner C. Means Over the past two decades a new type of inflation has developed which presents a major challenge to public policy. Sometimes called cost-push inflation, i t w i l l be called here administrative inflation because i t arises from the administrative power of enterprises i n concentrated industries to set, hold or revise prices i n a fashion not positively controlled by market forces. I t can occur when there is no excess i n aggregate demand such as would produce the traditional demand i n flation. I t can occur under stagnation conditions. I t can even occur i n a recession giving us simultaneous inflation and recession such as we have experienced i n the U. S. i n 1974 - 5, a combination which classical theory would have to say was impossible. I. The Non-classical Behavior of Industrial Prices I n the United States this new type of inflation appeared first i n the middle and late 1950's. Then industrial prices rose even though aggregate demand was not sufficient to support f u l l employment or f u l l use of industrial capacity. I n the early 1960's, administrative inflation was held i n check by the Price and Wage Guideposts established by the Kennedy administration but was i n clear evidence i n the 1969 - 70 recession when prices rose i n spite of declining demand. I t was largely controlled between the price freeze of August 1971 and early 1973, but i t reappeared as most controls were relaxed or removed during 1973 and the first part of 1974 while stagnation continued. I t played a substantial part i n the inflation-in-recession of 1974 - 5, though other factors obscured its importance and diverted attention from the need to develop public policy for dealing w i t h it. I t is w e l l known that the U. S. inflation of 1974 - 75 was a highly complex affair. I t is easy to point to the oil cartel and its inflationary effect as higher fuel prices worked their way through the economy. I t is easy to point to the increased cost of imported raw materials as a small 1

This article is based on a statement to a Conference on Concentration , Administered Prices and Inflation held by the Council on Wage and Price Stability of the U. S. Government, April 14, 1975.

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Gardiner C. Means

contributor. But we cannot point to demand inflation because demand was declining. We cannot point to a wage-push inflation because real wage rates went down during this period. A n d while farm prices rose sharply i n the two years prior to 1974, they fell during 1974 and 1975. This leaves us w i t h the oil cartel and administrative inflation as the most obvious sources. How significant a factor was administrative inflation? The following chart throws light on this question. I t shows four indexes drawn from the U. S. Bureau of Labor Statistics Wholesale Price Index: 1. farm products, 2. fuel and related products, 3. a weighted index for six concentrated industry groups and 4. a weighted index of two competitive ί η ά μ ε ΐ ^ groups. Together these four indexes include nearly 70 percent of the total weight of the BLS wholesale price index. Excluded are foods, chemicals, furniture and household durables, and miscellaneous which tend to be mixtures of competitive and concentrated industries and not dominated by either. The index for lumber and wood products is also omitted because i t reflects special problems of the housing industry. The data have been combined into quarterly averages except for 1967 and 1968. The chart shows the burst of farm prices as a result of foreign crop failures and contractions i n supply beginning i n the early summer of 1972 and the burst of fuel prices beginning w i t h the embargo i n October 1973. More important for the question of administrative inflation i n 1974 - 75, the chart shows the difference i n the behavior of the concentrated and the competitive indexes. W i t h the onset of recession i n 1974 the concentrated group index forged ahead, rising 25 percent from early 1974 to mid 1975 while the competitive industry index rose for two quarters and then fell for four quarters ending below the level at the beginning of 1974. Thus i n 1974 and 1975 inflation arose primarily from the oil cartel and from the rise i n the concentrated industry prices, but a net decline i n the prices of competitive industries including agriculture. I believe that an intensive study of the inflation i n recession during these eighteen months while i t would show that something like a half of the wholesale price rise should be attributed to the direct and indirect effects of the oil cartel and most of the rest must be attributed to administrative inflation. Thus the forces making for the new type of inflation still appear strong. I t is also clear that this new type of inflation cannot be controlled through a tight money policy. This was tried i n the United States i n 1956 - 57, i n 1969 - 70, and again i n 1974 - 75. I n each case i t failed to halt inflation and instead produced recession and unemployment. Thus, i n the absence of direct restraint over prices i n the concentrated industries we

Administrative Inflation and Public Policy

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are likely to have continued strong inflation i n a large part of industry whether we have a continued stagnation, a deepening depression or a recovery.

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Gardiner C. Means I I . The Implication for Policy

To understand the implications for policy of this non-classical price behaviour i n the concentrated industries i t is necessary to re-examine the guidelines laid down by classical theory. The theory drew a sharp distinction between competition and monopoly and i n each case provided guidelines for business and government. I n the case of classical competition where no producer has any significant market power, the guideline for business was: " T r y to make as much money as you can; the unseen hand of the market w i l l guide you to serve the society." A n d the government, the guideline was: "Leave business alone; the unseen hand of market forces w i l l regulate business i n the public interest." I n the case of classical monopoly where the single producer could have great market power to use at the expense of the public, the guideline to business was: "Don't t r y to monopolize" and to government: "Break up monopolies". I f monopoly was essential to efficiency, the government guideline was: "Regulate prices to allow a fair return on a fair value" and the guideline to business was: "Make as much money as you can at the regulated prices." But classical theory provided no guidelines for either business or government where competition was among the few and therefore fell between classical competition and classical monopoly. During the Great Depression, a new awareness developed of the large part of modern industry which lies i n this intermediate area. On the theoretical side, Edward Chamberlin i n the U. S. and Joan Robinson i n England delineated the intermediate area 2 . On the empirical side my own work established its magnitude 3 . Whether we call i t imperfect competition or monopolistic competition or competition among the few or administrative competition, enterprises i n this intermediate area can have a significant degree of market power. The unseen hand of corporate management i n some degree displaces the unseen hand of the market. A n d the exercise of this power can produce non-classical price behavior and administrative inflation even i n the presence of recession. But curiously, i n the forty years since the great extent of this intermediate area has been known, theory has provided no guidelines to 2 Edward H. Chamberlin, The Theory of Monopolistic Competition, Cambridge, Mass., 1933; Joan Robinson, The Economics of Imperfect Competition, London, 1933. 3 Adolf A. Berle, Jr. and Gardiner C. Means, The Modern Corporation and Private Property, New York, 1932; Gardiner C. Means and Staff, The Structure of the American Economy, Washington, 1939.

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either business or government i n dealing w i t h the market power which the small number of competitors and product differentiation allow. The classical guidelines were not designed to deal w i t h the administrative inflation which can arise i n this intermediate area. A laissez-faire policy cannot l i m i t administrative inflation. A break-up of big business or the type of regulation of prices applied to public utilities i n the U. S. may be much more extreme than is needed to l i m i t administrative inflation. What is needed immediately, as a first step, is the development of a new set of guidelines for both business and government which w i l l keep administrative inflation to a minimum. I t may help to clarify thinking on the current problem to go back to the traffic on the King's Highway i n the early 19th century. A t the beginning of the century, the traffic guideline i n Great Britain was laissez-faire. A driver could drive on the left side or the right side or i n the middle of the road and at any speed he could muster from his horses or oxen. Then i n 1835 Parliament ruled that driving on the King's Highway should be only on the left. I n time other rules of the road were added. W i t h the proliferation of the auto a white line was drawn down the middle wherever passing was dangerous. These were restrictions on the freedom of the individual driver to drive as he pleased but they worked to increase the driver's gain from the use of the highway. Some policing was necessary to assure the gain to those who adhered to the rules of the road. I believe that the same approach can be applied to l i m i t administrative inflation. A set of guidelines could be developed to distinguish between appropriate uses of market power and abuses of such power. For example, i t may be legitimate for an enterprise to raise a price to the extent of an increased cost or to conform to the decline i n the real value of the dollar but an increase i n price simply to get ahead of expected inflation automatically contributes to administrative inflation and should be classed as equivalent to driving on the wrong side of the highway. Or another example: A technique of pricing which divides overhead costs by current production rather than by a standard rate of operation w i l l automatically contribute to administrative inflation i n a recession. There are other pricing practices which contribute to administrative inflation and should be made contrary to the rules of the road. On the other hand, the longer-run method of pricing known as target pricing which was developed by an official of DuPont and uses overhead costs at a standard rate of operation w i l l not produce administrative inflation when strictly adhered to. There are a great many responsible business leaders i n the concentrated industries whe would see the advantage of adhering to a fair set

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Gardiner C. Means

of guidelines aimed at l i m i t i n g administrative inflation, provided the rest of concentrated industry also adhered. What amount of policing would be required, what form i t should take and when i t should be applied would remain to be developed once "rules of the road" for the exercise of pricing power were determined. What companies have significant market power? Under what circumstances should they be required to show that price increases conform w i t h the rules of the road? Under what circumstances should prereporting of price increases be required? A n d should the government have the power i n certain circumstances to veto planned increases? Such policy would l i m i t i n some degree the freedom of action now exercised by corporations having substantial market power. But the market power of corporations derives i n important part from the stategranted power to operate as a corporation. I t is not a natural right of persons. Some kind of monitoring of price behavior i n the more concentrated industries seems essential if administrative inflation is to be kept to a minimum.

Zur Änderung von Marktstrukturen im Wirtschaftsprozeß Von Günter

Ollenburg

Einführung Aufgabe der folgenden Ausführungen kann es nicht sein, eine neue Theorie einer Dynamik der Marktformen aufzustellen. Vielmehr geht es an dieser Stelle u m eine Besinnung darüber, zu welchen Konsequenzen die Entwicklung der Preistheorie geführt hat, und welche Implikationen die Forderung nach einer Theorie der Marktprozesse enthält. Dabei scheinen sich die Probleme u m die relativen Handlungsspielräume, die Beziehung zwischen Gewinndifferenzen und Marktform sowie das Auftreten von Dilemma-Situationen bei den am Markt agierenden Wirtschaftssubjekten zu gruppieren, an denen sich die Veränderungen von der Preis- zur Wettbewerbstheorie demonstrieren lassen. Helmut Arndt hat diesem Bereich seit jeher einen großen Teil seiner Arbeit gewidmet und wesentlich dazu beigetragen, die Bedeutung dieses Schnittpunktes zwischen Wirtschaftssystem, Preistheorie und der Theorie der ökonomischen Macht bewußt zu machen. I. Notwendigkeit und Grenzen des Marktkonzepts Die Schemata der Marktformen bilden trotz der erkannten Mängel einen festen Bestandteil der Preis- und Markttheorie, m i t denen die „Strukturen" der Angebots- und Nachfrageseite eines Marktes einzufangen versucht werden 1 . Aber bereits die Frage, ob bestimmte Marktstrukturen zwangsläufig m i t bestimmten Verhaltensweisen gekoppelt sind, wie sie von E. Schneider und Ott aufgeworfen worden ist, relativiert die Tragfähigkeit dieses Ansatzes. Dabei haben sich Inhalt und Aufgliederung dieser M a r k t formenschemata dadurch entscheidend gewandelt, daß die Prämisse aufgegeben worden ist, ein M a r k t werde durch homogene Güter konstituiert und zugleich gegen andere Märkte abgegrenzt. Die heterogenen Marktmodelle, wie sie von Robinson und Chamberlin entwickelt worden sind, gingen als Modelle heterogener Konkurrenzformen i n diese Schemata ein. Sie werden als „monopolistische Konkurrenz" be1 Heinrich v. Stackelberg, Walter bieten Beispiele hierfür.

Eucken, Erich Schneider, Alfred

E. Ott

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Günter Ollenburg

zeichnet, weil die Anbieter auf diesen Märkten einen Aktionsbereich besitzen, innerhalb dessen sie eigenständige Preispolitik treiben können, ohne sämtliche Nachfrager zu verlieren oder von den Konkurrenten abziehen zu können. Diese Begriffsbildung stellt auf die formal analoge Behandlung dieser Phänomene zur Lösung des Gleichgewichtsproblems i m Cournot'schen Monopolfall ab. Wie unglücklich dieser Begriff gewählt ist, hat Arndt 2 verschiedentlich gezeigt. Die Aufnahme der heterogenen Märkte i n das Gleichgewichtskonzept hat mehrere, ζ. T. bis heute nicht befriedigend gelöste Probleme für eine empirisch bedeutsame Marktanalyse geschaffen; vor allem ging die — zumindest logisch stringente — Abgrenzung der Märkte gegeneinander verloren. U m durch Isolierung überschaubarer Bereiche aus der Gesamtheit der Phänomene einer Gesellschaftswirtschaft zu konkreten Aussagen kommen zu können, behalten z.B. J. Robinson und bedingt auch Chamberlin die produktionstechnische Gestaltung des Gutes als Abgrenzungskriterium für den Markt und damit das Konzept der „industry" bei, während z. B. Arndt mit dem Konzept des „Bedarfsmarktes" 3 die Eignung von Gütern zur Befriedigung spezifischer Bedürfnisse oder Bedürfnisbündel und damit die Nachfrageseite bei der Marktabgrenzung betont. I m Rahmen des GWB bleibt das Problem insofern weiter latent, als bis heute die Abgrenzung des sog. „relevanten Marktes" 4 ein wesentlicher, der Strategie der Parteien i n Wettbewerbsverfahren zugänglicher Streitpunkt ist. Für die Entwicklung der M a r k t - und Preistheorie ist vielleicht noch bedeutsamer, daß damit die Verteilung der Nachfrager auf die einzelnen Anbieter nicht mehr als Zufallsverteilung interpretiert werden kann, die allenfalls von der gegebenen technologischen Ausrüstung der Anbieter und der räumlichen Verteilung von Anbietern und Nachfragern mitbestimmt w i r d 6 , sondern daß diese Verteilung der Nachfrager auf die Anbieter zunächst eine Frage der Nachfragepräferenzen für Unternehmen und deren Produkte ist. Diese Präferenzen stellen i m Marktprozeß einerseits einen Stabilisierungsfaktor dar. M i t dieser zu2 Vgl. z. B. Helmut Arndt, Mikroökonomische Theorie, 1. Band, Marktgleichgewicht, Tübingen 1966, S. 166 ff. 3 Vgl. Helmut Arndt, Anpassung und Gleichgewicht am Markt, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 170 (1958), S. 222 ff. 4 Vgl. Knut Borchardt und Wolfgang Fikentscher, Wettbewerb, Wettbewerbsbeschränkung, Marktbeherrschung, Stuttgart 1957, insbes. 3. Teil, II., Der Marktbegriff, S. 51 ff. sowie Eberhard Günther, Relevanter Markt im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Schriftenreihe Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe, Heft 47, Karlsruhe 1960. 5 Die bei vollkommener Information sich tendenziell angleichen müßte, so daß Unterschiede allenfalls als längerfristig aufrechterhaltbare Lagerenten in Frage kämen.

Zur Änderung von Marktstrukturen im W i r t s c h a f t s p r o z e ß 2 2 1 mindest temporär risikomindernden Funktion ist die Gefahr verbunden, daß diese Präferenzen direkt der Absatzstrategie zugänglich sind, indem die technologische und aufmachungsmäßige Ausstattung der Produkte sowie die Einstellung der Nachfrager zu bestimmten Firmen und Produkten von den Anbietern selbst mitbestimmt werden können. Das von Arndt für den Bedarfsmarkt hervorgehobene Kundengleichgewicht 6 stellt sich als eine Situation dar, die zwar grundsätzlich auf Käuferpräferenzen beruht, aber erst durch außermarktliche Beeinflussungstrategien zwischen Anbietern und Nachfragern und durch konkrete Marktmachtverhältnisse festgelegt wird. Außerdem enthalten die statischen Lösungsdarstellungen der heterogenen Märkte stets ein zeitliches Moment. Die Preis-Absatz-Kurve stellt eine Kombination von Absatzmengenänderungen infolge von Preisänderungen auf Grund der Nutzen- bzw. Ertragsvorstellungen der Nachfrager mit Wanderungen von Nachfragern zwischen den Anbietern dar, wobei eine präferenzbedingte endliche Substitutionselastizität der angebotenen Produkte seitens der Nachfrager unterstellt wird. Ging die klassische Ökonomie von der Autonomie des Einzelnen bei völliger Abhängigkeit von den Marktgesetzen (zumindest auf dem Markt der vollkommenen Konkurrenz und dem Monopol) aus, so ist diese These der Auffassung einer bedingten Autonomie des Wirtschaftssubjektes bei nur noch bedingter Abhängigkeit von Marktgesetzen gewichen. Damit sind i m Prinzip die Voraussetzungen für eine dynamische Markttheorie oder eine Theorie der Marktprozesse über Stabilitätsuntersuchungen i m Sinne Samuelsons anerkannt. Es ist nicht mehr allein entscheidend, was nach Ablauf einer Störung idealerweise für eine neue Situation erreicht wird, sondern der Weg dorthin t r i t t selbst als Untersuchungsgegenstand i n den Vordergrund. Die Handlungsspielräume der Wirtschafter i m Verhältnis zueinander bestimmen nunmehr nicht nur die Richtung des Ablaufs am Markt, sondern innerhalb welcher Grenzen der Preise, der mengenmäßigen Versorgung, der qualitativen Differenzierung und nicht zuletzt der möglichen Änderung der Handlungsspielräume dieser Prozeß stattfindet. I n diesem Sinne ist das Ausmaß der Abhängigkeit von den Marktgesetzen auf dem heterogenen Markt einmal von der Geschwindigkeit der Drehung der Preis-Absatz-Kurve u m die Marktanteilskurve, d. h. die Preis-AbsatzKurve bei konstanten Preisrelationen zwischen den Anbietern, und zum anderen von der erreichten Ruhelage abhängig, u m i m PreisMengen-Schema zu bleiben.

6

Vgl. Helmut Arndt, Mikroökonomische Theorie, 1. Band, a.a.O., S. 169 ff.

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Die Drehung erfolgt u m die Ausgangssituation (pio, £10). Zur ceteris-paribus-Bedingung zählt, daß die anderen Anbieter weder Preise noch Qualitäten ihrer Güter ändern. Der oberhalb von pio durch Kunden-Abwanderung verlorene Handlungsspielraum könnte ζ. B. durch Qualitätsänderungen wieder wettgemacht werden, so daß die Marktanteilskurve nach rechts wandert. Entscheidend ist dann der Netto-Effekt 7 , der zeitlich gesehen für den Anbieter übrig bleibt, wenn die Konkurrenten auf seine Aktionen reagieren. Noch einen Schritt weiter führt die Oligopolproblematik, die i m Rahmen des statischen Ansatzes bisher zu keinen befriedigenden Lösungen führen konnte, w e i l der Handlungsspielraum des einzelnen Oligopolisten i n der statischen Analyse durch die technologischen Gegebenheiten und prädeterminiertes Verhalten der Nachfrager, sowie durch Beschränkung auf Preis- und Mengenvariationen eingeengt wird. Die klassischen Lösungen, ζ. B. von Cournot, Launhardt, v. Stackelberg und Bowley, u m nur die wichtigsten bei heterogener Preiskonkurrenz zu nennen, unterscheiden sich von den modernen Lösungen, wie sie Krelle und Ott entwickelt haben, vor allem dadurch, daß sog. Irrtumslösungen vermieden worden sind. Das Endresultat ist mit den A u f 7 Grundlage der Fig. 1 sind ferner konstante durchschnittliche variable Kosten, ein bestimmtes Niveau ausbringungsunabhängiger Kosten (fixe Kosten) und eine darauf aufbauende Kurvenschar mit unterschiedlichem Gewinn-Niveau. Die Kapazitätsgrenze wird nicht überschritten.

Zur Änderung von Marktstrukturen im Wirtschaftsprozeß

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fassungen der Anbieter über ihre eigene Stellung i m Markt, insbesondere gegenüber ihren Konkurrenten, verträglich. Entscheidend für unseren Zusammenhang ist, daß hier m i t Strategien gearbeitet wird, die die anderen Konkurrenten zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen zwingen. Eine derartige Situation hat Sweezy 8 gezeigt, wenn er annimmt, daß (in Fig. 1) oberhalb von G die Kurve PAo und unterhalb die Kurve MKo gilt. Die implizite Voraussetzung ist, daß i n jeder Periode die Produktion aller Anbieter auch vollständig abgesetzt werden muß. U m auch Fälle m i t i n die Analyse einbeziehen zu können, i n denen das nicht der Fall ist, werden dann zusätzlich wirtschaftsfriedliche und aggressive Marktstrategien unterschieden. Damit kommt ein Faktor i n diese Untersuchungen hinein, der nicht bloß durch eine periodenbezogene Gewinnmaximierung determiniert gedacht werden kann; denn eine aggressive Strategie erfordert für ihren Erfolg stets ein bestimmtes Durchhaltevermögen, m i t h i n eine zeitliche Dimension des Handlungsspielraumes. Die Änderung von Marktstrukturen läßt sich unter diesen Gesichtspunkten nur bedingt m i t einer statischen Analyse erfassen. Die Unterschiede i n den Positionen der einzelnen Marktteilnehmer und die daraus folgenden unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten werden bei einer Anwendung des Machtbegriffs von Max Weber i m wesentlichen durch die Folgen charakterisiert. A u f der gleichen Ebene steht der Versuch Gäfgens 9, das machtmäßige Überwiegen der Nachfrage- oder Angebotsseite auf einem Markt m i t Hilfe der Beziehung zwischen Nachfragerrente und Angebotsintensität zu erfassen. Dieser Tatbestand w i r d noch deutlicher bei den älteren Versuchen, die Macht der Anbieter — i m Sinne des Monopolgrades — durch ein Abweichen der Preise von der Konkurrenzsituation zu messen. A u f die umfangreiche Diskussion, den Tatbestand der wirtschaftlichen Macht durch Messung operational zu machen, kann i n diesem Zusammenhang nicht eingegangen werden. Für unseren Gedankengang erscheint erheblich, daß diese Versuche nur Hilfsvorstellungen sind, die aus bestimmten Ergebnissen Rückschlüsse auf unterschiedliche Ausgangspositionen ziehen. Eine Theorie der Änderung von Marktstrukturen müßte demgegenüber gerade aus unterschiedlichen Ausgangspositionen der Marktteilnehmer deren A k tionen ableiten und aus dem Zusammenspiel dieser Aktionen dann die Änderung oder gegebenenfalls die Konstanz von Marktstrukturen erweisen. 8 Paul M. Sweezy, Demand under Conditions of Oligopoly, in: J of Pol Ec, Vol. X L V I I (1939), S. 568-573; vgl. auch die deutsche Übersetzung in: Alfred E. Ott (Hrsg.), Preistheorie (NWB 1), Köln / Berlin 1965, S. 320 ff. 9 Vgl. Gérard Gäfgen, Quasimonopole und Pseudomonopole, in: Theoretische und institutionelle Grundlagen der Wirtschaftspolitik, Theodor Wessels zum 65. Geburtstag, Berlin 1967, S. 107 - 144, insbes. S. 116 ff.

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Der Versuch Triffins, die Abgrenzung der Märkte m i t Hilfe von Kreuzpreiselastizitäten auszudrücken, ist unter diesen Aspekten die letzte Konsequenz des komparativ statischen Ansatzes, u m angesichts von Machtpositionen das Marktkonzept zu retten. Es hat aber zu einer Auflösung des Konzeptes streng trennbarer Einzelmärkte geführt. Dabei ist auch die innere Struktureinheit des Marktes verloren gegangen. Jevons „law of indifference" gilt nicht mehr. Daß das Marktkonzept dennoch nicht überholt ist, zeigt — trotz aller Schwierigkeiten der A b grenzung i m einzelnen — die Notwendigkeit der Bestimmung des „relevanten Marktes" zur Festlegung der Machtposition von Unternehmen. Daß für die Ermittlung solcher Machtpositionen auch andere Kriterien herangezogen werden müssen, wie ζ. B. seine Anbieterstellung auf anderen Märkten, seine Nachfragerposition auf vorgelagerten Märkten, seine „Finanzkraft", ist insofern kein Gegenargument, als ohne Konkretisierung von Marktpositionen sowohl eine judikable als auch eine operational weiterführende Ermittlung von Machtpositionen von Unternehmen i n wesentlichen Punkten offen bleiben muß. Das bedeutet auch, daß die den Unternehmen möglichen Strategien ohne das M a r k t konzept nicht hinreichend konkretisiert werden können. II. Differentialgewinne, Lerngewinne und Marktkonsistenz Die Analyse von heterogenen Märkten und von Oligopolmärkten hat zunächst die Zweifel an der allgemeinen Tragfähigkeit der Marktstrukturschemata und der Fruchtbarkeit ihrer Anwendung genährt. Bis heute scheint aber die K r i t i k zu dominieren, wenn w i r von einigen entscheidungs- und spieltheoretischen Ansätzen, Shubik 10 sei hier stellvertretend genannt, absehen. Die dynamische Preistheorie brachte nur insoweit eine Weiterentwicklung, als sie unter den bekannten statischen Rahmenbedingungen und festgelegten Handlungsalternativen bei gegebener Handlungsmaxime trial-and-error-Verläufe i m Hinblick auf die Handlungsmaxime darzustellen i n der Lage w a r 1 1 . Zimmerman 12 und O t t 1 3 haben die Möglichkeiten der Änderung von Marktformen bei bestimmten Elastizitätskonstellationen der Angebots- und Nachfragefunktionen am Markt untersucht und somit ebenfalls eine dynamische 10 Vgl. z.B. Martin Shubik, Strategy and Market Structure, New Y o r k / London 1969. 11 Als Beispiel sei hier nur genannt: Wilhelm Krelle, Preistheorie, Tübingen / Zürich 1961, insbes. 14. Kapitel. Dynamische Preistheorie, S. 536 ff. 12 L. J. Zimmerman , The Propensity to Monopolize, Amsterdam 1952, aber auch schon ders., Die Bedeutung der Nachfrage- und Angebotselastizität für die Marktform. Versuch einer dynamischen Theorie der Marktformen, in: Zeitschr. f. Ökonometrie, 1. Jg. (1950), S. 63 - 84. 18 Alfred E. Ott, Zur dynamischen Theorie der Marktformen, in: JfNSt., Bd. 167 (1955), S. 1 - 32.

Zur Änderung von Marktstrukturen im W i r t s c h a f t s p r o z e ß 2 2 5 Form der Marktanalyse durchgeführt. Die „propensity to monopolize" als absoluter Wert des Quotienten zwischen Elastizität des (kurzfristigen) Angebots und der Elastizität der Nachfrage enthält i n der Argumentation auch wieder ein zeitliches Moment; denn Zimmermans These könnte auch so ausgedrückt werden, daß i n dem Augenblick, i n dem die kurzfristige Angebotselastizität niedrig ist, auch die Monopolisierungstendenz gering ist, weil eine Ausnutzung eines Vorteils für einen Anbieter, ζ. B. durch eine geringe Preissenkung, nicht möglich ist. A n dererseits dauert die Zeit der Anpassung etwa der Kapazität zu lange und ist mit dem Risiko belastet, daß auch die übrigen Anbieter i n derselben Zeit sich ähnlich verhalten und so die Gewinnaussichteri konterkarieren, das Risiko also zu groß ist. Je geringer andererseits die Nachfrageelastizität ist, u m so größer w i r d der Anreiz zur Monopolbildung, weil dem Vorteil der Gewinne über Preiserhöhungen nicht ein gleich großes Risiko des Abbaus der nachgefragten Mengen gegenübersteht. Bemerkenswert ist, daß i n der Argumentation wieder Trif/insche Gedanken auftreten, obwohl gerade Zimmerman m i t zu den stärksten K r i t i k e r n dieses Konzeptes zählt. Die Schwächen beider Konzepte scheinen i n dem Versuch zu liegen, Abläufe am Markt, die nur über die Geschwindigkeit der Anpassung an oder Durchkreuzung von Aktionen zu erfassen sind, mit Hilfe eines auf simultane Vorgänge bezogenen Funktionssystems zu erfassen. Unter diesem Gesichtspunkt stellt die Wettbewerbstheorie dann außer dem Versuch, den Wettbewerbsprozeß i m Gegensatz zu einem statisch erfaßten stationären Ergebnis der Aktionen bei gegebener M a r k t form zu analysieren, zugleich den Versuch dar, aus der schematischen Erfassung ausgewählter Daten für die Marktstruktur zu einer dynamischen Preistheorie zu kommen, die die Bedingungen der Veränderung oder der Konsistenz von Marktstrukturen aufzeigen kann. Ansätze zu einer dynamischen Marktanalyse, die auch eine mögliche Änderung der „Marktform" m i t umfaßt, sind außer von Schumpeter auch von Marx ausgegangen. Die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung Schumpeters durch den „dynamischen Unternehmer" ist bekannt und w i r d in den heutigen Ansätzen der Wettbewerbstheorie (z. B. bei Heuss, Arndt u. a.) auch weiterentwickelt. Weniger bekannt ist, daß i m Rahmen der Konzentrationstheorie Marx 14 m i t der Theorie der Zentralisation bereits Ansätze einer Veränderung von Marktformen auf Grund von unterschiedlichen marktstrategischen Positionen der 14 Karl Marx, Das Kapital, Buch 1, zitiert nach der Ausgabe: (Dietz Verlag) Berlin 1951, aus dem 23. Kapitel: Das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation, 2. Relative Abnahme des variablen Kapitalteils i m Fortgang der Akkumulation und der sie begleitenden Konzentration, S. 653 ff.

Helmut Arndt

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Unternehmen angedeutet hat. So kann υ. Arnim 15 folgern: „Gerade bei seiner Konzentrationsthese hat er (Marx, d. V.) ,Punkte sammeln* können." Als Zentralisation bezeichnet Marx die „Konzentration bereits gebildeter Kapitale, Aufhebung ihrer individuellen Selbständigkeit, Expropriation von Kapitalist durch Kapitalist . . . " . Die von i h m i m ersten Band des „ K a p i t a l " gegebene Kurzbeschreibung dieses Prozesses sei wegen der einzelnen verwendeten Elemente, die zum Gedanken des Gesetzes der Zentralisation geführt haben, wörtlich angeführt: „Der Konkurrenzkampf w i r d durch Verwohlfeilerung der Waren geführt. Die Wohlfeilheit der Waren hängt, caeteris paribus, von der Produktivität der Arbeit, diese aber von der Stufenleiter der Produktion ab. Die größeren Kapitale schlagen daher die kleineren. Man erinnert sich ferner, daß m i t der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise der Minimalumfang des individuellen Kapitals wächst, das erheischt ist, u m ein Geschäft unter seinen normalen Bedingungen zu betreiben; Die kleineren Kapitale drängen sich daher i n Produktionssphären, deren sich die große Industrie nur noch sporadisch oder unvollkommen bemächtigt hat. Die Konkurrenz rast hier i n direktem Verhältnis zur Anzahl und i m umgekehrten Verhältnis zur Größe der rivalisierenden Kapitale 1 6 ." Schließlich w i r d von i h m die Beschleunigung des technischen Fortschritts i n Gesellschaften, die eine von i h m nicht näher bestimmte Stufe der Kapitalbildung erreicht haben, auf diese Entwicklung zur Zentralisation des Kapitals zurückgeführt. Hierin sind nun verschiedene Elemente späterer Theorien vorgezeichnet, vor allem das Argument der höheren Arbeitsproduktivität — m i t h i n geringerer Kosten — infolge der economies of scale bei den Großbetrieben. Auch die sich erhöhenden Schwierigkeiten des M a r k t eintritts durch eine Erhöhung der unteren Schwelle der Betriebsgröße i m Verlauf des technischen Fortschritts sind hier vorgezeichnet. Es w i r d aber bereits von einer unterschiedlichen Größe der Unternehmen ausgegangen, deren Bildung erst zu erklären wäre. Einmal könnte sie darauf zurückzuführen sein, daß sich neue und technisch besser ausgerüstete Unternehmen infolge ihrer Kostenvorteile i n Konkurrenzmärkten etablieren und die „Grenzanbieter" hinausdrängen. Nach neoklassischer Version könnte diese Entwicklung auch auf nicht technisch bedingte Differentialgewinne zurückzuführen sein, die sich entweder nicht schnell genug oder unter bestimmten Bedingungen überhaupt nicht fortkonkurrieren lassen. I n der Realität kann es durchaus derartige Differentialrenten geben, weil nicht beliebig oder zumindest nicht i n kürzerer Frist beliebig vermehrbare Faktoren eingesetzt werden 15 Hans Herbert v. Arnim, S. 101. 16 Karl Marx, a.a.O., S. 659.

Volkswirtschaftspolitik, Frankfurt/Main 1974,

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müssen, wie ζ. B. Boden (nicht nur zum Rohstoffabbau und als Anbaufläche, sondern auch als Standortfaktor) und geschultes Fachpersonal (das i m Rahmen der fortschreitenden Automation wegen seines knowhow eine besondere Schlüsselposition erhält, auch wenn andererseits alte Berufssparten absterben). Die statische und komparativ-statische Analyse — sofern nicht von einer völligen Kostenstruktur- und Nachfrageverteilungsgleichheit ausgegangen w i r d — bezieht die Verwendung der Differentialgewinne nicht i n die Analyse m i t ein. Es gibt nun zwei Möglichkeiten: entweder muß unterstellt werden, daß diese Differentialgewinne i n anderen Märkten angelegt werden, dann läßt sich die These der ceteris-paribusKlausel für die übrige Wirtschaft nicht mehr halten; denn wenn auf allen Märkten Differentialgewinne entstehen, muß dies zwangsläufig zu erkennbaren Wirkungen auf irgendeinem M a r k t führen. Oder es w i r d unterstellt, daß diese Differentialgewinne auf demselben Markt angelegt werden, dann führt dies zur Verdrängung der kostenmäßig schlechter stehenden Konkurrenten und damit zu einer potentiellen Änderung der Marktform i m Zeitablauf. Dies gilt selbst dann, wenn unterstellt wird, daß die Nachfrage am Bedarfsmarkt steigt. Die Annahme der Erhaltung einer bestimmten Marktstruktur kann unter diesen Umständen nur dann aufrechterhalten bleiben, wenn unterstellt wird, daß die Rolle zwischen marginalen und intramarginalen Unternehmen i m Zeitablauf ständig so wechselt, daß sich die Gewinnmargen i m Zeitablauf völlig ausgleichen. Ob diese Situation aber wahrscheinlich ist, kann einmal auf Grund der Beobachtungen kaum angenommen werden. Zum anderen ist zu berücksichtigen, daß selbst relativ kurzfristig bezogene Differentialgewinne die relative Entwicklung der Unternehmen zueinander irreversibel beeinflussen. Gehen w i r von der Einheit von Unternehmer und Eigentümer als dem einfachsten Fall aus, so t r i t t eine unterschiedliche Geldvermögensbildung ein, die zumindest zu einer unterschiedlichen finanziellen Unabhängigkeit der Unternehmen führt. Die daraus resultierende unterschiedliche Finanzkraft bietet dann die Möglichkeit einer unterschiedlichen Ausnutzung der economies of scale, die wieder Grund für eine noch ungleichere Verteilung der Gewinne ist. Da Gewinne nicht nur der Selbstfinanzierung dienen, sondern zugleich Ausdruck der Bonität eines Unternehmens und damit Basis für Fremdfinanzierung sind, werden derartige Verschiebungen i n den Größenverhältnissen der Unternehmen zueinander und damit potentiell Änderungen der Marktform auch ohne eine gesamtwirtschaftliche Leistung ζ. B. i n der A r t der Einführung des technischen Fortschritts möglich. 15•

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Die zeitliche Konsistenz einer Marktform bei unterschiedlichen Gewinnraten der am Markt auftretenden Unternehmen kann nur unterstellt werden, wenn von der Gewinnverwendung abstrahiert wird. Eine Untersuchung der Konsistenz der Marktstruktur (hier bezogen auf die Angebotsseite) kann dagegen nur durchgeführt werden, wenn die Verwendung der den einzelnen Unternehmen zur Verfügung stehenden Aktionsparameter — wozu eben auch die Gewinnverwendung gehört — i m Zeitablauf betrachtet wird. Die lediglich als logisches Konstrukt anzusehende Prämisse der „unendlich großen Reaktionsgeschwindigkeit" muß allerdings dann aufgehoben werden. Denn für den Erfolg des Einsatzes eines jeden Aktionsparameters eines Anbieters ist es entscheidend, daß er die von i h m gesetzten Bedingungen länger durchhalten kann als die übrigen Marktteilnehmer. Dies ist wiederum eine Funktion seiner Finanzierungsbasis. Damit sind Lösungen dieser Probleme nur dann möglich, wenn bestimmte Aussagen über die Macht der einzelnen zugrunde gelegt werden. Denn eine Situation i n einer Geldwirtschaft länger durchhalten heißt, einen größeren Finanzierungsspielraum zu haben als die anderen. Die Annahme der Konstanz der Marktform i n der herkömmlichen dynamischen Preistheorie ist ebenfalls nicht zwingend. Die Konstanz der Marktstruktur ζ. B. i m Rahmen eines „cobweb-Prozesses" beruht letzten Endes darauf, daß alle Anbieter die gleiche Erwartungsstruktur besitzen und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen für ihre Produktions- und Angebotsplanung nicht ändern, obwohl sie ständig die Realisierung positiver oder negativer Abweichungen von ihren Erwartungswerten — hier i n der Regel der marktklärenden Preise — hinnehmen müssen. Kein Unternehmen darf aus seinen Fehlern i n der Disposition über das Produktionsvolumen lernen. Gesetzt den Fall, daß ein Anbieter aus den Erfahrungen der zyklischen Anpassung des Gesamtangebots an Nachfrageänderungen lernt. Dann wäre es für dieses Unternehmen am günstigsten, sich antizyklisch zu verhalten. Wäre i n der vergangenen Periode der Preis hoch gewesen, so w i r d von diesem einen Unternehmen für die gegenwärtige Periode m i t einem i m Verhältnis zur Nachfrage am gesamten Markt zu hohen Angebot gerechnet. Für das Unternehmen wäre es dann geboten, seine Produktion allenfalls bis zum Betriebsoptimum (bei klassischer Kostenfunktion) durchzuführen. Da sich i n diesem Falle der Markt bei einem niedrigen Preis klärt, kann das Unternehmen i n der Regel zumindest seine Verluste minimieren. Wenn es dann i n der nächsten Periode, i n der die übrigen Anbieter infolge des Schocks i n der gegenwärtigen Periode ihr Angebot drosseln, zu einer Klärung des Marktes bei einem relativ hohen Preis kommt, würde das Unternehmen, das aus dem Gesamtablauf des Zyklus lernt, m i t einem großen Angebot auf dem M a r k t er-

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scheinen und dieses zu einem über dem statischen Gleichgewichtspreis liegenden aktuellen Ausgleichspreis absetzen und dementsprechend einen i m Verhältnis zu den Konkurrenten überdurchschnittlichen Gew i n n machen. I n diesem Falle kommt es nicht darauf an, ob der „Gleichgewichtspreis" zu einer stabilen oder labilen Situation gehört 1 7 . Er dient hier nur als Vergleichsmaßstab. Entscheidend ist hierbei, daß das Unternehmen auf Grund seines Lernprozesses gegenüber den Konkurrenten einen „Lern-Gewinn" erzielen kann, der es i h m ermöglicht, ζ. B. von finanziellen Bindungen frei zu kommen oder seine Kapazitäten i n der Absicht einer aggressiven Angebotsstrategie zu erweitern. Die Entstehung eines derartigen „Lern-Gewinns" läßt sich nicht ohne weiteres rückgängig machen. Damit wäre der erste Schritt zur Änderung der Marktform getan, die beim „cobweb-Theorem" i n der Ausgangsposition i m allgemeinen als freie Konkurrenz begriffen wird. Je nach der Schnelligkeit und der Verbreitung des Lernprozesses unter den Anbietern werden sich bei jeder neuen „Störung" des Marktes über das Ausmaß der „Lern-Gewinne" auch die Größenverhältnisse der Unternehmen gegenseitig verschieben. Es könnte eingewendet werden, daß die angebotenen Güter ζ. B. lagerfähig seien, so daß zyklische Anpassungsprozesse ohnehin kaum i n Frage kämen. Für eine Analyse, die den neoklassischen Wegen folgt, sticht dieses Argument deshalb nicht, weil nicht nur mangelnde Lagerfähigkeit der angebotenen Güter zum Zwang einer Klärung des Marktes bei welchem Preis auch immer führt, sondern auch die allen M a r k t modellen implizit zugrunde liegende Annahme, daß sich die Unternehmen — u m alle Gewinnaussichten wahrzunehmen — derart finanzieren, daß sie auf einen reibungslosen Rückfluß der M i t t e l angewiesen sind. Ein weiteres Problem der Änderung von Marktstrukturen i m W i r t schaftsprozeß stellt die Einbettung der Märkte i n die gesamte Volkswirtschaft dar. Bis h i n zu Triffin dominiert die Auffassung, daß die Märkte vor allem über Nachfragebeziehungen miteinander verbunden sind. Wenn w i r es aber m i t Unternehmen zu t u n haben, die verschiedenartige Güter anbieten, kommt zu der Verbindung der Märkte über die Nachfragereaktionen noch eine Verbindung über die Angebotsstrategie hinzu. Damit sind nicht nur konstante oder variable Kuppelpro17 Die Fülle der möglichen Fälle wird grundsätzlich skizziert von John F. Muth, Rational Expectations and the Theory of Price Movements, in: Econometrica, Vol. 29 (1961), S. 315 - 335. M i t der Interpretation des cobwebPhänomens als Folge von Verschiebungen kurzfristiger Angebotsfunktionen impliziert Helmut Arndt ebenfalls Erwartungssituationen, die den zyklischen Ablauf relativieren, vgl. seinen Artikel: Gleichgewichtstheorie und Prozeßtheorie: Das Beispiel des cobweb-Theorems, in: JfNSt., Bd. 174 (1962), S. 106 129.

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duktverhältnisse gemeint, sondern explizit die A k t i v i t ä t von Unternehmen auf verschiedenen, u. U. — was den Gebrauchswert der Produkte anbetrifft — gar nicht miteinander i n Verbindung stehenden Märkten. Soll das Ziel des Risikoausgleichs, nämlich eine so große Rentabilität mindestens eines Unternehmensbereichs, daß andere Unternehmensbereiche wenigstens zeitweilig aus dessen Ergebnis m i t getragen werden können, erreicht werden, treten die Preiselastizitäten als Kriterien zurück gegenüber der Abhängigkeit der Nachfrage vom Niveau der gesamtwirtschaftlichen A k t i v i t ä t , von Änderungen i n der Nachfragestruktur (hier i m Sinne einer Änderung der Präferenzsysteme der Nachfrager zu interpretieren), von Änderungen i n der Einkommensverteilung und von Änderungen i n der Produktionstechnik. Daß sich insbesondere Großunternehmen nach Extrapolationen gesamtwirtschaftlicher Daten ausrichten, ist verbürgt 1 8 . Zumindest müßten sich die negativen Effekte auf den einen Märkten durch positive Effekte auf den anderen Märkten kompensieren, damit die Stabilität des Unternehmens z.B. i m Sinne kontinuierlicher Leistungs- und Zahlungsbereitschaft gewährleistet ist. Fügen w i r zu der mangelnden Beweglichkeit der Nachfrage, die zumindest i n zeitlichen Verzögerungen von Substitutionsprozessen zum Ausdruck kommt, den marktstrategischen Spielraum der Miehrproduktunternehmen, so kann dies zur Perpetuierung von Differentialgewinnen führen. Dabei bleibt zunächst offen, inwieweit ζ. B. durch den Eint r i t t neuer Konkurrenten i n lukrative Märkte derartige Handlungsspielräume gefährdet werden können. ΠΙ. Dilëmma-Thesen und Wettbewerbsprozeß Während die komparativ-statische Methode und die Verlaufsanalyse (dynamische Analyse i m Sinne von Frisch) mit festgelegten Handlungsschemata arbeiten, ist i n den vorangegangenen Abschnitten versucht worden zu zeigen, daß m i t Hilfe dieser Methoden nur sehr begrenzte Ergebnisse für das Problem der Änderung von Marktstrukturen erzielt werden können. Wesentlich erscheint vielmehr, von einer Anfangssituation ausgehend A r t und Effizienz der verschiedenen Aktionsparameter eines Unternehmens und damit seinen Handlungsspielraum unter Berücksichtigung der Erfolgschancen insbesondere bei unter18

Als Beispiel für eine Beziehungskette zwischen gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten, Absatz der gesamten Industrie, Absatz des Unternehmens innerhalb dieser Branche und Gewinnperspektive dieses Unternehmens sei auf die Ausführungen von Robert St Weinberg, Multiple Factor Break-Even Analysis: The Application of Operations-Research Techniques to a Basic Problem of Management and Control, in: Operations Research, Vol.4