Werner Conze: Ein deutscher Historiker im 20. Jahrhundert 9783666370120, 9783525370124, 9783647370125

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Werner Conze: Ein deutscher Historiker im 20. Jahrhundert
 9783666370120, 9783525370124, 9783647370125

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Jan Eike Dunkhase

Werner Conze Ein deutscher Historiker im 20. Jahrhundert

Vandenhoeck & Ruprecht

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370124 — ISBN E-Book: 9783647370125

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Herausgegeben von Helmut Berding, Dieter Gosewinkel, Jürgen Kocka, Paul Nolte, Hans-Peter Ullmann, Hans-Ulrich Wehler Band 194

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-37012-4 Gedruckt mit Unterstützung der FAZIT-Stiftung, Frankfurt am Main, der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein und des Freundeskreises für Archiv und Museum der Universität Heidelberg e.V. Umschlagabbildung: Werner Conze, ca. 1979; © bpk / Hanns Hubmann.

© 2010 Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehrund Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen

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Inhalt Einleitung

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I.

Soziokulturelle Hintergründe 13 1. Herbst des Bildungsbürgertums 13 2. Jüngling im Männerbund 18

II.

Lehrmeister und Lehrstätten 23 1. Leipziger Soziologie und Volksgeschichte 2. Ostpreußen und Baltikum 27

III.

IV.

V.

VI.

Volkstumskampf und Kriegsdienst 35 1. Ankunft in der Volksgemeinschaft 35 2. Ostforschung 40 3. »Entjudung« 50 4. Karrieresprünge und Vernichtungskrieg

23

54

Westdeutsches Gelehrtendasein 68 1. Standortsuche im Westen 68 2. Heidelberger Ordinarius 78 3. Bundesrepublikanische Bürgerlichkeit 86 4. Im Kampf um Rektorat und Hochschulreform 5. Historicus Magister Vitae 105 Sozialgeschichte der industriellen Welt 115 1. Vom Bauern zum Arbeiter 117 2. Strukturgeschichte in der Formverwandlung 3. Weg zur Begriffsgeschichte 145 4. Ausklang in Kritik 153 Im Bann der Nation

94

128

167

VII. Zwischen West und Ost 186 1. Kalter Krieg 187 2. Neue Ostpolitik 198

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VIII. Erlebte Zeitgeschichte 210 1. »Ataraxie« und Kriegsgeschichten 211 2. Brüning und die Staatskrise von 1930 bis 1933 3. Hitler und die Deutschen 227 IX.

Die Leerstelle

Schluss Dank

235

257 262

Anmerkungen

264

Abkürzungen

328

Quellen- und Literaturverzeichnis Register

330

373

6

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Einleitung Werner Conze (1910–1986) gehörte zu den wichtigsten deutschen Historikern des 20. Jahrhunderts.1 Sein Lebensweg war eingespannt in ein von Absturz in die Barbarei und Neuanfang gekennzeichnetes Zeitalter. Ein Lebensweg, der historisch zu denken gibt. Von den späten fünfziger Jahren bis in die siebziger Jahre prägte Conze die Geschichtswissenschaft in der Bundesrepublik wie nur wenige andere. Seine Bedeutung leitete sich vor allem aus seiner zentralen Rolle bei der Neubegründung der westdeutschen Sozialgeschichte nach 1945 ab. Nicht weniger bedeutsam war sein Beitrag zur Entfaltung der Begriffsgeschichte. Daneben hinterließ er Akzente mit Arbeiten zur deutschen Zeitgeschichte, zur Problematik der Nation und zur Geschichte Ostmitteleuropas. 1957 war die Berufung auf den Heidelberger Lehrstuhl erfolgt, von dem aus Conze bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1979 als einflussreiche Lehrerfigur gewirkt hat. Durch die Gründung des Heidelberger Instituts für Sozialund Wirtschaftsgeschichte und des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte schuf er sich und der Fachwelt darüber hinaus noch andere Wirkungsstätten. 1969/70 amtierte er kurzzeitig als Rektor der Universität Heidelberg, als es darum ging, die Hochschule in eine neue Verfassung zu überführen. Nicht nur in diesem Zusammenhang bezog er – bisweilen kämpferisch – Stellung zu aktuellen Fragen von Politik und Gesellschaft und begleitete die Entwicklung der jungen Bundesrepublik als Historiker und als Bürger. Spätestens mit dem Vorsitz im Verband der Historiker Deutschlands (1972–1976) wurde seine herausragende Stellung innerhalb des Faches offenbar. Alles in allem konnte er vor seinem Tod im Jahre 1986 auf ein erfülltes und über die Grenzen Deutschlands hinweg respektiertes Gelehrtenleben zurückblicken. Doch war auch seiner bundesrepublikanischen Erfolgsgeschichte eine weniger strahlende Vorgeschichte vorangegangen. Die allseits bekannte Tatsache, dass Conze bereits in den dreißiger und vierziger Jahren als junger Historiker tätig war, wurde zu seinen Lebzeiten innerhalb der westdeutschen Historie jedoch nur insofern thematisiert, als man seine Dissertation und Habilitation als frühe Wegmarken sozialhistorischer Innovation würdigte. Dass so einige unangenehme Fragen ungestellt blieben, lassen schon die Grundzüge seines damaligen Werdegangs erahnen. Conzes wissenschaftliche Anfänge vollzogen sich im Rahmen einer ›Volksgeschichte‹, die sich durch die Verwendung neuartiger Methoden, aber auch ei7

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nen völkisch-ideologischen Grundkonsens auszeichnete. Ab Mitte der dreißiger Jahre wirkte er, nachdem er im Mai 1933 in die SA und im darauffolgenden Jahr mit seiner noch bei Hans Rothfels eingereichten Dissertation über die deutsche Sprachinsel Hirschenhof in die Fachwelt eingetreten war, mit kleineren Abhandlungen zu Bevölkerungsfragen in Osteuropa am wissenschaftlichen ›Volkstumskampf‹ seines universitären Umfelds in Königsberg mit. Eine Annäherung an den Nationalsozialismus wird in erster Linie anhand einiger Texte greifbar, die eine völkische, auch antisemitische Stoßrichtung deutlich werden lassen. Als er 1943 einen Ruf auf eine Professur an der Reichsuniversität Posen erhielt, war er als Wehrmachtsoffizier bereits vom Vernichtungskrieg an der Ostfront absorbiert. Aspekte dieses frühen Werdegangs wurden ihm Rahmen der 1998 auf dem Frankfurter Historikertag in Gang gesetzten Debatte über die deutschen Historiker im Nationalsozialismus mit einer Vehemenz diskutiert, die in Anbetracht des jahrzehntelangen Desinteresses an diesem Thema durchaus ihre Berechtigung hatte.2 Immerhin handelte es sich bei Werner Conze – wie bei Theodor Schieder, der mit ihm im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand – um eine Schlüsselfigur der westdeutschen Historie. Die Nähe des jungen Conze und anderer zum Nationalsozialismus nagte am vergangenheitspolitischen Hochsitz der bundesrepublikanischen Geschichtswissenschaft. Eine große Zahl von Historikern, die zum Teil selber seine Schüler oder ihm nahestehende Kollegen waren, sah sich zu Stellungnahmen hinsichtlich der von ihnen »versäumten Fragen« aufgerufen.3 In diesem Kontext wurde auch das Desiderat »ausführliche[r] Biographien« formuliert.4 Die Geschichte der eigenen Disziplin ist seit jeher ein zentraler Bestandteil der Geschichtswissenschaft gewesen.5 Dahinter steht das Wissen um die Historizität der historischen Forschung selbst und damit auch ihre prinzipiell nur begrenzte Haltbarkeit – oder sollte es zumindest. Max Weber hat das konstitutive Überholtwerden in einer heroischen Geste gar als den Sinn von Wissenschaft bezeichnet.6 Letztlich ist geschichtliche Erkenntnis »immer zugleich auch Geschichte der Geschichtswissenschaft«.7 Mehr als andere Herangehensweisen der Historiographiegeschichte hat die Biographie eines Historikers den Vorteil, den Prozess der ständigen Reflexion auf Vergangenheit und Gegenwart, der die Historie vorantreibt, anschaulich vermitteln und an jene »Wirklichkeit jenseits der Geschichte der Geschichtswissenschaft« rückbinden zu können, vor deren Verschwinden bereits gewarnt worden ist.8 Die Rückbindung der Froschperspektive eines Historikers an die ihn umgebende Gesellschaft ist gerade zu einer Zeit, in der sich ein Paradigmenwechsel von der ›Gesellschaft‹ zum ›Gedächtnis‹ abzeichnet,9 von erheblichem Wert für die historische Vogelschau. Das beginnende 21. Jahrhundert ringt mit den Erinnerungen des vorhergegangenen;10 und dessen Historiker sind vor dem Hintergrund ihrer eigenen Biographie an der Kanalisierung 8

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und auch Schaffung kollektiver Erinnerungen in hohem Maße beteiligt gewesen. Das Genre der Biographie hat seit den neunziger Jahren eine gewisse Renaissance erlebt und ist ins Zentrum auch der deutschen Geschichtswissenschaft zurückgekehrt.11 Die einstmals verbreitete, sozialwissenschaftlich motivierte Abwehrhaltung ist weitgehend dahin geschmolzen. Es gilt daher zu vermeiden, offene Türen einzurennen. Grundsätzlich kann sich eine Biographie Conzes auf die methodischen Vorüberlegungen beispielhafter Gelehrtenbiographien berufen. Zu Recht häufig genannt werden die Arbeiten von Friedrich Lenger über den Nationalökonomen Werner Sombart und von Margit Szöllösi-Janze über den Chemiker Fritz Haber.12 Christoph Cornelißen hat für seine ausführliche Studie über den Historiker Gerhard Ritter zu Recht den Anspruch erhoben, »historisches Denken und Handeln mit den Motiven eines Individuums und den bestimmenden Faktoren seiner Lebenswelt in Verbindung zu setzen« sowie den »Wandel einer Wissenschaft zu spiegeln, die seit der Jahrhundertwende von mehreren politischen Umbrüchen erschüttert, aber auch von einer wiederholt aufflammenden Grundlagendiskussion immer wieder eingeholt wurde«.13 Es versteht sich beinahe von selbst, dass auch eine Biographie Conzes dies zu leisten versuchen sollte. Allgemein ist aber mit Szöllösi-Janze zu betonen, dass die »Vorstellung eines einheitlichen und verbindlichen Biographiekonzepts […] obsolet« und der Historiker daher genötigt ist, »nach Darstellungs- und Ausdrucksformen zu suchen, die der spezifischen Problematik seines Untersuchungsgegenstands angemessen sind«.14 Die besondere Problematik einer Biographie Werner Conzes liegt in der Bruchhaftigkeit der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, für die sein akademischer Werdegang in vielerlei Hinsicht symptomatisch ist. Die vorliegende Arbeit nimmt die Zäsur von 1945 als Angelpunkt einer zweigeteilten Darstellung. Die grundsätzliche Frage, die dem intellektuellen Porträt die Feder führt, ist die nach Kontinuität und Wandel zwischen dem Dritten Reich und der Bundesrepublik. Conzes Lebensweg eignet sich hervorragend dazu, den »Zusammenhang von faktischer Elitenkontinuität und innerem Wandel der politischen Überzeugungen und gesellschaftlichen Leitbilder dieser Elite«15 einer individuellen Prüfung zu unterziehen. Bevor dies geschehen kann, sind im ersten Teil – aufgrund der Quellenknappheit notgedrungen kurz – die sozialen Hintergründe, geistigen Einflüsse, wissenschaftlichen Kontexte und politischen Erfahrungen zu skizzieren, die das intellektuelle Profil des jungen Conze konturierten (I und II); dann geht es ausführlicher um die Anfänge seiner akademischen Laufbahn im Dritten Reich, um sein Verhältnis zum Nationalsozialismus und um den Krieg (III). In ihm verabschiedeten sich die Deutschen mit der Vernichtung der Juden nicht nur vorübergehend aus der westlichen Zivilisation, sondern erschütterten nachhal9

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tig deren ideelle und moralische Grundlagen. Diesen ›Zivilisationsbruch‹ muss somit auch die Betrachtung jener Nachkriegsjahrzehnte im Blick behalten, in denen sich der westdeutsche Staat und seine Bürger in Richtung einer ›Zivilgesellschaft‹ zu entwickeln begannen. Schon von daher wäre es – wie Konrad Jarausch und Michael Geyer bei ihrem Plädoyer für die Auflösung der »einen überwölbenden Erzählung der Nation in vielfältige Geschichten« betonen – auch hier kaum angemessen, »die zweite Hälfte des Jahrhunderts einfach der ersten hinzuzuschlagen«.16 So wechselt die Darstellung im zweiten Teil, der mit der Zeit nach 1945 den Schwerpunkt der Arbeit bildet, von einem einzelnen linearen Erzählstrang in die Multiperspektivität mehrerer Geschichten über.17 Conzes Werdegang nach dem Krieg wird unter sechs verschiedenen Perspektiven erzählend analysiert, die jeweils vor dem Hintergrund des politischen und wissenschaftlichen Kontextes die Frage nach dem Wesen seines Neuanfangs und individuellen Lernprozesses aufwerfen. Die Vielfalt der Gesichtspunkte, vor die sich der Biograph durch Leben und Werk Conzes wie generell die Geschichte des deutschen 20. Jahrhunderts gestellt sieht, »macht einen ständigen Wechsel der Blickrichtung nötig, wie der Photograph seine Position verändert, von der aus er sein Objekt zu erfassen versucht«.18 Der multiperspektivische Zugang mag dabei – ähnlich einer mehrdimensionalen Fotocollage19 – nicht nur eine vertikal tiefere und horizontal weitere Aufschließung des historischen Raums ermöglichen als der einmalige Nachvollzug der individuellen Lebensachse, wie er in der Tradition des klassischen Bildungsromans in der heutigen Biographik noch immer weithin Konvention ist; er besitzt angesichts einer modernen Erfahrung der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen auch den Vorzug, dass sich auftuende Ambivalenzen und Unvereinbarkeiten im historischen Urteil weder überdeckt noch eindimensional ›gelöst‹, sondern dort stehen gelassen werden, wo sie sind. Das hier zu entwerfende hexagonale Panorama der intellektuellen Biographie Conzes nach 1945 folgt aber doch insofern einem argumentativen Unterstrom, als die – an und für sich auch in unterschiedlicher Reihenfolge lesbaren – Geschichten jeweils durch offen gebliebene Fragen auf einander bezogen und ineinander übergeleitet werden. Am Anfang steht die Schilderung seines ›äußerlichen‹ Werdegangs als Hochschullehrer und Bürger, die die akademische Karriere mit ihren universitären Kontexten ebenso zum Gegenstand hat wie die politischen Tendenzen einer Hinwendung zum Westen und einer liberalen Restauration der bürgerlichen Lebensform (IV). Hieran schließt sich die Untersuchung des wissenschaftlichen Neuanfangs an, wie er sich in der Umgestaltung der revanchistisch aufgeladenen Volksgeschichte der Vorkriegszeit zu einer pluralistisch ausgerichteten Sozialgeschichte präsentierte, die nicht zuletzt durch ihre begriffsgeschichtliche Ergänzung eine nachhaltige Perspektiverweiterung der 10

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deutschen Geschichtswissenschaft bewirkte, sich in ihrem spezifischen Zuschnitt aber am Ende massiver Kritik ausgesetzt sah (V). Letzteres hing mit der fortwährenden Fixierung Conzes auf den Zusammenhalt der deutschen Nation zusammen, deren wissenschaftlicher und publizistischer Niederschlag den Inhalt der folgenden Perspektive bildet (VI), welche wiederum den Blick auf sein geschichtspolitisches Wirken zwischen West und Ost nach sich ziehen muss. Die Fokussierung auf den Historiker als geschichtspolitischen Akteur sowohl auf dem innerdeutschen Schauplatz des Kalten Krieges als auch in dem von ihm vor 1945 wissenschaftlich und zuletzt militärisch durchdrungenen osteuropäischen Geschichtsraum (VII) führt zur Untersuchung seines Umgangs mit der dieser politischen Gegenwart nicht nur zeitlich vorangegangenen Zeitgeschichte. Schließlich deren apologetische Grundtendenz herauszuarbeiten (VIII) wirft zuletzt die Frage nach dem Verhältnis des Historikers zum Holocaust auf, das sich auf weiten Strecken als Nicht-Verhältnis offenbart (IX). So bleibt die Darstellung, die sich zum größeren Teil mit den Jahren einer in vielerlei Hin- und Zuversicht »geglückten Demokratie«20 beschäftigt, letztlich »von der katastrophischen Jahrhunderthälfte bestimmt«.21 An Biographien deutscher Neuzeithistoriker des 20. Jahrhunderts herrscht mittlerweile kein Mangel mehr. Der Großteil der bisher vorliegenden Arbeiten beschäftigt sich zwar mit Fachvertretern der Conze und seinen Altersgenossen vorangehenden Generation,22 bleibt aber gleichwohl von einigem Wert für die wissenschaftliche Einordnung. Insbesondere gilt dies für Eduard Mühles verdienstvolle Biographie über den Ostforscher Hermann Aubin23 und die wichtige »Längsschnittbetrachtung historiographischer Arbeit«, die Jan Eckel an der Biographie von Hans Rothfels vorgenommen hat.24 Für Conze hingegen stand – leider ebenso wie für den in vielerlei Hinsicht mit ihm vergleichbaren Theodor Schieder25 – eine Biographie noch aus.26 Mit Conzes Wirken als Neubegründer der westdeutschen Sozialgeschichte nach dem Zweiten Weltkrieg, also einem Hauptaspekt seines Schaffens, beschäftigte sich schon die 2001 veröffentlichte Dissertation von Thomas Etzemüller, die sich auf Conzes zentrale Position bei dem strategisch begriffenen »Durchdringungsprozess« dieser Sozialgeschichte konzentriert.27 Der zentrale Vorzug der Arbeit, die theoriegeleitete Betonung des Handlungsaspekts, verweist zugleich auf ein gewichtiges Manko: Die vom Ansatz her originelle Behandlung des »Denkstils« geht auf Kosten einer ideengeschichtlichen Rekonstruktion des eigentlichen Denkens und stützt sich stattdessen hauptsächlich auf generalisierte Positionen eines in seiner Einheitlichkeit überschätzten und geradezu verschwörungstheoretisch überspitzten »Netzwerks«.28 Die biographischen Eigenheiten Conzes werden dabei in hohem Maß ausgeblendet, was man dem Autor freilich kaum zum Vorwurf machen kann, da er es ausdrücklich auf keine Biographie angelegt hat. Der Historiker stellt sich hier eher als sy11

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stemtheoretischer Homunculus dar. Desweiteren vermisst man eine wirkliche Untersuchung seiner Aktivitäten im Dritten Reich, ebenso eine überzeugende Auseinandersetzung mit den eigentlich brisanten Kontinuitätsfragen jenseits von Karrierestrategie und universitärem System. Die vorliegende Arbeit sieht sich nicht nur einer weitaus offeneren und vielschichtigeren Fragestellung, sondern auch einer deutlich erfreulicheren Quellenbasis gegenüber. So kann sie erstmals auf dem zuvor weder bekannten, noch gar erschlossenen, geschweige denn ausgewerteten Nachlass aufbauen, den der Verfasser mit Unterstützung von Conzes inzwischen verstorbener Witwe in seinem Haus in Heidelberg-Ziegelhausen aus den seit seinem Tod unberührten, »angewachsenen und schlecht geordneten Hausarchivalien«29 zusammengestellt hat. Der so entstandene, umfangreiche Nachlass enthält unter anderem unveröffentlichte Vortragstyposkripte, unzählige Konferenz- und Tagungsunterlagen sowie einen reichhaltigen Korrespondenzbestand, der freilich fast ausschließlich die Nachkriegszeit berührt und je später desto mehr an Umfang zunimmt. Darüber hinaus standen erstmals die breiten Aktenbestände des von Conze gegründeten und geleiteten, inzwischen selbst zu Geschichte gewordenen Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Heidelberg zur Verfügung. Außerdem erhielt der Verfasser Einsicht in die Unterlagen des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte. Außer diesem und anderem unveröffentlichtem Material – für die Frühzeit bis 1945 ist vor allem noch auf die im Universitätsarchiv Posen lagernden Personalunterlagen der früheren Reichsuniversität hinzuweisen, die auch die Conze betreffenden Akten aus Königsberg enthalten – bildet das bisher von der Forschung nur in Ansätzen ausgewertete Schrifttum die zentrale Quellengrundlage der Arbeit. Das historische Werk Conzes ist als Gesamtheit in vielerlei Hinsicht von den Brüchen seiner Zeit gezeichnet. So wie der Krieg die Habilitationsarbeit einen Torso bleiben ließ, verhinderte die nachwirkende Kriegswunde die Fertigstellung des Alterswerks. Das Abgebrochen-Unvollendete, das Fehlen großer abgeschlossener Monographien, das wiederholte Steckenbleiben in Ansätzen, aber ebenso die weite Streuung seiner »multiperspektivischen Analysen«30 und die unermüdliche Aktivität auf zahllosen Schauplätzen der Historie – auch dies soll in der vorliegenden Arbeit zur Anschauung gebracht werden. Nicht zuletzt geht es um die besondere Herausforderung, »anhand von Lebensläufen die Diskontinuitäten des 20. Jahrhunderts sowohl scharf hervorheben zu können als auch überbrücken zu müssen«.31 Die zentrale These dieser Arbeit besteht darin, dass sich gerade nicht immer alles überbrücken lässt; es sei denn, man suchte im Angesicht eines vorwiegend katastrophalen Jahrhunderts die Flucht ins »bürgerliche Hinterland«.32

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I. Soziokulturelle Hintergründe 1. Herbst des Bildungsbürgertums »Das Leben ist kurz, schnell, beengt und für die Wurfbahn, in der es sich von Geburt an findet, sind wir nicht verantwortlich.«1 Derjenige, von dessen Wurfbahn hier die Rede sein soll, wurde am 31. Dezember 1910 in Neuhaus an der Elbe geboren und erhielt den Namen Werner Alexander Paul Conze. Als Sohn des Richters Hans Conze und seiner Frau Charlotte stammte er aus einer alten und traditionsreichen Familie des »norddeutsch-protestantischen Bildungsbürgertums«.2 Dieser Herkunft war sich der Historiker zeit seines Lebens bewusst. Das Bildungsbürgertum in seiner Ausformung im 19. Jahrhundert stellte nicht zufällig eines der letzten von ihm initiierten und geleiteten wissenschaftlichen Großprojekte dar.3 Für Reinhart Koselleck rückte sein plötzlicher Tod im Jahre 1986 das Forschungsthema jedenfalls in eine »größere historische Distanz«, der »bildungsbürgerliche Lebensstil, den Conze rundum beherrscht« habe, wurde »Teil der Erinnerung«.4 Als »ständische Vergesellschaftung« (Weber) lässt sich das Bildungsbürgertum positiv durch den hochgeachteten Besitz von Bildungspatenten und negativ durch die häufige Fremdalimentierung von anderen Teilen des Bürgertums, zumal dem Wirtschaftsbürgertum, abgrenzen.5 Die klassischen Berufe (Juristen, Verwaltungsbeamte, evangelische Pfarrer, Lehrer und Professoren, aber auch Ärzte und Apotheker) verweisen bereits auf seine innere Heterogenität.6 Vor allem in Preußen hatten seit dem frühen 19. Jahrhundert »Neuhumanismus, innere Staatsbildung und protestantischer Realismus, Familientradition, Gymnasium und reformierte Universität zusammengewirkt, um den im Staatsdienst oder freiberuflich tätigen Bildungsbürger in nahezu idealtypischer Reinheit hervorzubringen«.7 Im gesamten Reich überstieg dabei die Zahl der Bildungsbürger vor und nach 1914 dabei nie die Ein-Prozent-Marke am Anteil der Gesamtbevölkerung.8 Die Familie Conze lässt sich in diesen skizzenhaften Rahmen durchaus einfügen. Seit dem 17. Jahrhundert im Süden des heutigen Niedersachsens nachweisbar,9 brachten die aus dem freien und gehobenen Bauerntum herauswachsenden und ausschließlich evangelisch-lutherischen Conzes über die Generationen hinweg lokale weltliche und geistige Würdenträger hervor. Besonders auffallend ist der hohe Anteil an Bürgermeistern, Ratsherren und Amtmännern. Von den zurück verfolgbaren 142 männlichen Vorfahren belief 13

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sich deren Zahl immerhin auf 30 Personen. Daneben traten 13 Pfarrer und Kirchenbeamte, 13 Bergleute und Bergbeamte, sieben Juristen (die Amtmänner nicht mitgerechnet), sechs Philologen und Lehrer, fünf Buchhändler, fünf Handwerker, vier Offiziere, vier Kämmereiverwalter und Kammersekretäre, drei Förster, drei Kaufleute und ein Apotheker.10 Der Familienchronist, Werner Conzes Onkel Friedrich, spricht von einem überlieferten »Hang zu einer verwaltenden Tätigkeit im öffentlichen Dienst« und weist ausdrücklich darauf hin, dass unter allen Ahnen nicht ein einziger Arzt oder Techniker und »die Kaufleute nur mit drei Köpfen vertreten« seien.11 Es war der Großvater Alexander Conze (1831–1914), Professor der Archäologie in Halle, Wien und Berlin, der die universitär verankerte Gelehrsamkeit als Tradition in die Familie einführte, an die sein Enkel Werner später anzuknüpfen vermochte.12 Nationale und internationale Anerkennung erlangte er vor allem durch seine Ausgrabungen in Pergamon und die sich daran anschließende Überführung der dort gehobenen Kunstschätze, so auch des berühmten Altarwerks, in das nach Weltgeltung strebende Deutsche Reich.13 Seit 1877 leitete er das Kaiserliche Archäologische Institut in Berlin und war gleichzeitig Mitglied der dortigen Akademie der Wissenschaften. Hiermit begann das »an amtlichen Aufgaben und geselligem Behagen überaus reiche Berliner Leben« für ihn und seine Frau Elise, Tochter des Apothekenbesitzers Adolf Erdmann aus Hannover. Der gesellschaftliche Verkehrskreis umfasste Gelehrte wie den Ägyptologen Karl Richard Lepsius oder die Historiker Heinrich von Sybel und Theodor Mommsen.14 Gerade die freundschaftliche Verbundenheit mit letzterem, in dessen Hause die Conzes gern gesehene Gäste waren,15 unterstreicht die liberale Gesinnung des Archäologen. So favorisierte auch er den als fortschrittlich angesehenen Friedrich III.; dessen Sohn, Wilhelm II., der ihm 1888 nach nur 99 Tagen auf den Thron folgte und damit die Hoffnung auf eine freiheitliche Entwicklung des Kaiserreichs begrub,16 stand er eher distanziert gegenüber.17 Die Erinnerung von Werner Conzes Onkel Friedrich an den Tod seines Vaters wenige Tage vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs liest sich wie ein Abgesang auf eine Lebensform im Zeichen des klassisch-humanistischen Bildungsideals: »Zu Hause am letzten Abend, ehe er entschlief, ließ er sich das ›Eleusische Fest‹ von Schiller vorlesen, diese Verherrlichung auch seiner Welt!«18 Des Altertumsforschers jüngster Sohn Hans wuchs so in den gehobenen bildungsbürgerlichen Kreisen des Berliner Westens heran. Er studierte die Rechtswissenschaften und brachte es bis zum Reserveleutnant des Kaiserlichen 1. Garde-Artillerie-Feldregiments. 1907 schloss er die Ehe mit Charlotte Thoemer, Tochter des Wirklichen Geheimen Oberbaurats Karl Thoemer. Drei Jahre später wurde Werner Conze als erstes Kind und einziger Sohn geboren; es folgten noch drei Töchter.19 Zu dieser Zeit befand sich das Bildungsbürgertum, im frühen 19. Jahrhundert 14

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der ideelle Träger der bürgerlichen Gesellschaft, bereits in jener Krise, die letztlich seinen Zusammenhalt als »akzeptierte norm- und wertsetzende Elite« aufbrach.20 Ob man hierfür vor allem den in der wilhelminischen Zeit überraschend schnellen gesellschaftsstrukturellen Wandel aufgrund von zunehmender Urbanisierung und sozialer Durchlässigkeit verantwortlich macht oder eher die von Professionalisierungs- und Spezialisierungsprozessen verursachte innere Ausdifferenzierung des Bildungsbürgertums21 – offensichtlich fühlte sich dessen »gymnasial-universitär-protestantisch-männliche Einheit« als solche bedroht, wodurch eine allgemeine Abkehr von liberalen Wertvorstellungen eingeleitet wurde.22 Inwieweit diese Tendenzen auch das Elternhaus Werner Conzes ergriffen, lässt sich aufgrund fehlender Quellen schwer feststellen. Die materiellen Begleiterscheinungen der hier umrissenen Krise machten sich aber auf alle Fälle bemerkbar. Hans Conze, dem der Sohn Jahrzehnte später eine »ihn als Richter auszeichnende liberale Gesinnung« attestierte,23 war zwar abgesichert, erlebte aber zugleich auch die für seinen Berufsstand allgemein zu verzeichnenden Einschnitte im bürgerlichen Lebensstil. Schließlich wurden »die materiellen Chancen eines Richterlebens« zu Beginn des 20. Jahrhunderts »schon mit den Möglichkeiten eines Facharbeiters verglichen«.24 Zeuge von Glanz und Üppigkeit ist der Historiker in seiner Kindheit auch vor dem Krieg kaum geworden. Gisela Conze zufolge war der Geist, der im Elternhaus ihres Mannes geweht habe, »bescheiden und christlich«.25 Insgesamt kann man mit Koselleck davon ausgehen, dass der junge Conze »trotz Krieg und Inflation noch jenes Minimum an geistiger und ökonomischer Sekurität, in dem allein Bildung und Bürgerlichkeit gedeihen konnten«, erlebt und »die soziale Präformation, generationentief abgesichert«, ihn geprägt hat: »Geistige Arbeit als Pflicht zu betrachten, ja als Dienst, der zur Freude wird – das wird nicht jedem Menschen in die Wiege gelegt.«26 Eine humanistische Schulbildung war da selbstverständlich. Der Karriereweg des Vaters zwang den Schüler schon früh zur Mobilität: Nachdem er seit 1917 die Vorschule in Halberstadt, Naumburg an der Saale und Berlin-Grunewald besucht hatte, trat er Ostern 1920 in das Grunewald-Gymnasium ein, eine für ihre Reformorientierung berühmte Lehranstalt, die aufgrund des hohen Anteils jüdischer Schüler auch als »Judenschule« bekannt war.27 Bereits vier Jahre später zog die Familie nach Leipzig, wo Hans Conze, der zuvor Ministerialrat im Preußischen Justizministerium gewesen war, zum Reichsgerichtsrat aufstieg. Das Abitur legte Werner Conze 1929 an der Leipziger Nikolaischule ab,28 die genau ein Jahrhundert vor ihm bereits Richard Wagner besucht hatte.29 Die Kindheit Conzes wurde überschattet vom Ersten Weltkrieg. Dies konnte auch eine noch so geschützte Lebenswelt im Elternhause nicht verhindern. Die Erfahrung einer allgemeinen, durch die Kriegspropaganda geförder15

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ten »Militarisierung der Kindheit«, teilte er, wie ausgeprägt sie im Einzelfall auch immer sein mochte, grundsätzlich mit den Kindern aller sozialen Schichten.30 Der Zusammenschluss der Nation im Angesicht des Feindes schien vorübergehend bereits so etwas wie eine »Volksgemeinschaft« hervor zu treiben.31 Der Eindruck von ›mit klingendem Spiel‹ in den Krieg marschierenden Soldaten entging wohl kaum einem Kind im Deutschen Reich. Besonders müssen allerdings die Sprösslinge des Bildungsbürgertums von der um sich greifenden Militarisierung erfasst worden sein; schließlich gingen ihnen ihre Eltern traditionell mit einem besonderen Beispiel an Staatsfreudigkeit und Kaisertreue voran, wobei sich mitunter »ungeahnte Exzesse nationalen Überschwangs« entfalteten.32 Von eigenen Erfahrungen ausgehend betont etwa Sebastian Haffner (Jahrgang 1907) als Spross aus bildungsbürgerlichem Elternhaus die umfassende generationelle Prägung durch das Kriegserlebnis während der Kindheit. So sei der Krieg als »ein großes aufregend-begeisterndes Spiel der Nationen« erfahren worden, das »tiefere Unterhaltung und lustvollere Emotionen beschert[e] als irgendetwas, was der Frieden zu bieten« hatte. Bereits 1939 traf er die bemerkenswerte Feststellung, dass die eigentliche Generation des Nazismus eben die in der Dekade zwischen 1900 und 1910 Geborenen gewesen seien, »die den Krieg, ganz ungestört von seiner Tatsächlichkeit, als großes Spiel erlebt haben«.33 Auf der anderen Seite waren die konkreten sozialen Missstände, die der die Volkswirtschaft aufreibende Materialkrieg mit sich brachte, keineswegs ein Kinderspiel. Die Kluft zwischen Arm und Reich wurde nach dem anfänglichen Rausch von Burgfrieden und Siegeszuversicht gerade in den Augen der Arbeiter und kleinen Angestellten eklatant. Nicht von ungefähr gehörten die sich verschärfenden Klassengegensätze zu den »wichtigsten Bestimmungsfaktoren der deutschen Revolution von 1918/19«.34 Die materiellen Engpässe bekamen auch die Jüngsten zu spüren, »der Krieg machte deutsche Kinder kleiner«.35 Die Familie Hans Conzes gehörte nicht zu den unterprivilegierten Schichten des ausgehenden Kaiserreichs. Dennoch gewährleistete der höhere Beamtenstatus des Richters die ausreichende Versorgung des Nachwuchses nur unter Schwierigkeiten. Der Hunger blieb der Haupteindruck des Krieges für die Kinder, die sich noch lange mit Unbehagen an die schlecht schmeckende Milch erinnerten, die man einer 1917 eigens dafür angeschafften Ziege abtrotzte.36 Überhaupt wäre es ein Irrtum, anzunehmen, die Bildungsbürger seien von der sozialen Notlage während des Krieges verschont geblieben. Gerade Richter und Professoren litten, so Roger Chickering, »relativ gesehen am meisten unter der Verschlechterung der materiellen Lebensverhältnisse«.37 Diese sozialgeschichtliche Diagnose untermauert den Befund, dass Werner Conze schon früh ein hohes und zunehmendes Maß an Sparsamkeit und lebensweltlicher Bescheidenheit vermittelt bekam; umso mehr, als zwei seiner jüngeren Schwestern erst 16

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1914 und 1915 zur Welt kamen und damit vermutlich besonders viel Aufmerksamkeit der Eltern beanspruchten.38 Wie war es um die politische Generation bestellt, in die der Knabe hineinwuchs? Als 1910 Geborener lässt Conze sich noch gerade der jüngsten Ebene jener »Kriegsjugendgeneration« der Jahrgänge 1900 bis 1910 zurechnen, die zwischen der »jungen Frontgeneration« und der »Nachkriegsgeneration« angesiedelt werden kann.39 Dieser Alterskohorte fehlte das unmittelbare Fronterlebnis der um einige Jahre älteren mit all seinen möglichen psychologischen und weltanschaulichen Folgen, doch bildeten die Auswirkungen des Krieges in der Heimat die prägende Kindheits- bzw. Jugenderfahrung. Als konkrete Charakteristika sind nach Günther Gründel die »frühe Erschließung der Kinderseele für das große Ganze«, also gerade für das Volk als übergeordnete Totalität, und die »Sachlichkeit« anzusehen; letztere mit ihrem »ausgesprochenen Sinn für rationelle Methoden und das Ökonomieprinzip überhaupt«.40 Dieses generationelle Phänomen lässt sich für die Zeit der Weimarer Republik mit dem Rückgriff jüngerer Intellektueller auf ein Menschenbild im Sinne der ›kalten persona‹ in Beziehung setzen. Gemeinsam war den verschiedenartigen »Verhaltenslehren der Kälte«, die Helmut Lethen in den Schriften zeitgenössischer Philosophen und Literaten wie Helmuth Plessner, Carl Schmitt und Ernst Jünger entdeckt hat, der anthropologisch gewendete Pessimismus angesichts der erfahrenen Gewalt im Krieg und der sich anschließenden sozialen Desorganisation in Deutschland sowie die als Konsequenz daraus gezogene neusachliche Tendenz, »den Menschen als Bewegungsmaschine, seine Gefühle als motorische Gebaren und die Charaktere als Masken« wahrzunehmen.41 An die Stelle der Direktheit des fühlenden Einzelmenschen trat die Indirektheit einer »Kultur der Unpersönlichkeit«.42 Die Annahme einer »Generation der Sachlichkeit« (Herbert) wird von der Entwicklung Werner Conzes untermauert, der selbst nach dem Zweiten Weltkrieg von einer »allgemein vorherrschenden Bewegung zur Nüchternheit« sprach, welche »die junge Generation der zwanziger Jahre gegenüber der Vorkriegsjugend ausgezeichnet« habe.43 Jahrzehnte später konstatierte der Historiker, die »unter dem Erlebnisdruck von 1918/19 groß gewordene Generation«, der er sich ausdrücklich selbst zurechnete, habe »nach neuen politischen Leitbildern, oft links oder rechts von der Plattform republikanischer Trägerschaft oder monarchisch-konstitutioneller Restauration« gesucht.44 Bald zeigte sich, dass der junge Conze dabei eher ins rechte als ins linke Lager tendierte. Dabei war er gewarnt: Als Elfjähriger hörte er am 24. Juni 1922 im Klassenzimmer des Grunewald-Gymnasiums die Schüsse, die nur einige wenige hundert Schritte entfernt den liberaldemokratischen Außenminister Walther Rathenau gewaltsam aus dem Leben rissen.45 Die rechtsradikalen Attentäter aus dem Freikorps-Milieu vollzogen damit aus heutiger Sicht den »Auftakt zur deutschen Gegenrevolution«.46 Der Staatsgerichtshof machte für 17

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den Mordanschlag in seinem damaligen Urteil vor allem einen »blindwütigen Judenhass« verantwortlich.47

2. Jüngling im Männerbund Im Frühjahr 1929 hatte der angehende Abiturient Werner Conze die schwierige Entscheidung für einen Studiengang zu treffen. Dem Vater, der selbst immerhin dem höchsten Gericht des Deutschen Reiches angehörte, wäre es mehr als recht gewesen, wenn sein Sohn gleich ihm den Weg des Juristen eingeschlagen hätte. Als dieser nun jedoch seinen Neigungen zur Kunstgeschichte den Vorzug zu geben trachtete, ließ er es geschehen, »dass die Jura verworfen wurden und die Tradition des Großvaters offenbar wieder lebendig werden sollte«. Die klassisch-bildungsbürgerliche Wertschätzung historischen Kunstinteresses scheint sich im Hause von Hans und Charlotte Conze erhalten zu haben. In diesem Sinne begann Werner Conze nach dem Abitur an der Leipziger Nicolaitana noch im Sommersemester 1929 sein Studium. Als Studienort wählte er – »wegen der dort lebhaft entwickelten Kunstgeschichte unter Richard Hamann« – Marburg. Hier hielt es den jungen Studenten jedoch nicht lange. Den baldigen Abbruch seines dortigen Studiums begründete er Jahrzehnte später folgendermaßen: »Rasch zeigte es sich […], dass ich von den schönen Künsten nicht stark genug ergriffen wurde und dass ich mich aus Neigungen zu politischen Studien fast bis zur Rechtswissenschaft zurückgewendet hätte. Doch blieb ich bei dieser Wendung, wie ich gelegentlich später meinte, auf halbem Wege stehen, nämlich bei der Geschichtswissenschaft. Ich begründete meine Richtungsänderung mit der These, dass ein Kunsthistoriker, wenn er urteilsfähig sein sollte, auch irgendwie ausübender Künstler sein müsse […].«48 Vor allem war es aber die »politische Erregung jener Jahre um 1930«,49 die ihn veranlasste, das Studium der Geschichte zu wählen. Am Anfang des historischen Interesses Conzes stand also der Bezug zur politischen Gegenwart. Diese war seit seiner Kindheit von Instabilität und Ungewissheit über die Zukunft geprägt. Finanzielle Gesichtspunkte mögen mit eine Rolle gespielt haben, dass mit dem Fachwechsel der vorläufige Rückzug nach Leipzig, dem damaligen Wohnort seiner Eltern, verbunden war. Der Herbst des Jahres 1929, da Conze sein Geschichtsstudium begann, signalisierte nach Jahren einer gewissen innenpolitischen Konsolidierung den »Anfang vom Ende« der Weimarer Republik.50 Mit dem wirtschaftlichen Niedergang vertieften sich die innerhalb der Gesellschaft bestehenden Gräben zusätzlich, politischer Extremismus und sozialer Radikalismus schienen den Ausnahmezustand zur Norm zu machen. Auch an den Hochschulen des Deutschen Reiches gärte es. Der soziale 18

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Strukturwandel der Universität erzeugte bei ihren traditionell überwiegend bildungs- und besitzbürgerlichen Angehörigen ein »Überfüllungskrisenbewusstsein«.51 Von wissenschaftlicher Bildung als »geistesaristokratische Angelegenheit«, wie sie Max Weber noch 1919 beschworen hatte,52 war immer weniger zu spüren. Verschärft wurden die Ängste der herkömmlichen Bildungseliten durch die zunehmende Verengung des akademischen Arbeitsmarktes. In politischer Hinsicht schlug sich dies in einem deutlichen Rechtsruck der Studentenschaft nieder.53 Der Frust entlud sich wiederum gegen jüdische Studenten, ungeachtet der Tatsache, dass sich ihre – aus antisemitischem Vorurteil heraus als schädlich empfundene – ›Überrepräsentation‹ sogar verringert hatte.54 Bereits im Juli 1931 gewann ein Nationalsozialist die Wahl zum Vorsitzenden der Deutschen Studentenschaft.55 Conze betonte rückblikkend: »Mein Universitätsstudium (1929–1934) fiel genau in die Krisenjahre höchster politischer Hitze. Das war eine schlechte Voraussetzung für Muße und Konzentration, aber ein fortgesetzter Anreiz zu politischem Fragen. Da ich mich nicht von der Welt abschloss, blieben mir die Forderungen nach ›Einsatzbereitschaft‹, die mir von links und rechts, aber auch von der republikanischen und volkskonservativen Mitte nahe gebracht wurden, nicht fremd. Zwar gab ich ihnen nicht nach, aber sie trugen doch nicht unerheblich zu Krisen im Studium bei, das gegen die Frage abgeschirmt werden musste, wieweit ›Einsamkeit und Freiheit‹ des Studierens und damit der Verzicht auf ›Aktion‹ inmitten einer ›Entscheidungssituation‹ noch zu verantworten waren.«56 Gänzlich in ›Einsamkeit und Freiheit‹ verharrte Conze während seines Studiums dann auch keineswegs, wenn er sich auch der ›Aktion‹ enthalten zu haben scheint. Mit seinem Eintritt in die bündische Jugendbewegung im Sommer 1929 ordnete er sich – ob ursprünglich gewollt oder ungewollt – innerhalb des breiten weltanschaulichen Spektrums der ausgehenden Weimarer Republik ein.57 Er beschritt dabei einen Weg, den vor ihm bereits viele andere Söhne des spätwilhelminischen Bildungsbürgertums eingeschlagen hatten. Die bündische Jugend bildete in der Geschichte der deutschen Jugendbewegung die dritte und gleichzeitig letzte Phase.58 Sie unterschied sich von ihren Vorläufern vor allem durch eine zunehmende Politisierung ihrer Mitglieder und die erhöhte Wertschätzung soldatischer Tugenden wie Disziplin und persönliche Unterordnung.59 Die verschiedenartigen bündischen Gruppierungen entstanden zwischen 1919 und 1923 »auf den Trümmern der Freideutschen Bewegung«, der die Ära des »Wandervogels« vorangegangen war.60 Dem aufkommenden Nationalsozialismus standen die Bünde bis zu ihrer Auflösung nach dessen Machtübernahme trotz vorhandener ideologischer Überschneidungen eher abweisend gegenüber.61 Dennoch waren auch sie das Erzeugnis einer Generation, die sich um 1930 »mit all ihren Wertvorstellungen schlichtweg am Ende befand und sich schließlich« – so Conzes späterer Schüler Michael 19

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Kater – »als das Schlussprodukt eines schon stark deformierten bürgerlichen Liberalismus unter der Ägide des vermeintlichen Heilbringers Adolf Hitler neu zu konstituieren« versuchte.62 Die »quasireligiöse Erwartung«, die den geschichtlichen Grundbegriff »Bund« durchströmt,63 lässt ihn von vornherein in Gegensatz zu dem der »Gesellschaft« treten. In der Tradition patriarchalischer Ordnungsvorstellungen des wilhelminischen Deutschlands verweist seine Verwendung in der Weimarer Zeit darüber hinaus auf eine »spezifisch männergemäße, männerbezogene, exklusiv von Männern geprägte Form der Gesellung«.64 Eine solche Gemeinschaftsform, der Männerbund, wurde nun gerade von den Söhnen des Bürgertums, die durch den Krieg eine zusätzliche Aufwertung männlicher Ideale, aber auch deren praktische Niederlage erlebt hatten, als eine geeignete Alternative zur parlamentarischen Demokratie empfunden. Ehemalige Mitglieder betonen neben dem gemeinschaftsstiftenden den ideellen Aspekt einer Lebens- und Geisteshaltung, die sich »im Geiste innerer Wahrhaftigkeit und Bereitschaft […] um eine Erfassung und Verbindung aller Lebensbereiche mühte, sie auf ein überpersönliches Ideal hinordnete und durch die verantwortliche Mitarbeit im Bund zu einer gesellschaftlichen und politischen Neuordnung in Volk und Staat beitragen wollte«. Für die Beteiligten stellten oftmals die gemeinsamen Fahrten und Wanderungen in der Natur die wichtigsten Anreize und dauerhaftesten Erlebnisse dar.65 Bei einer Mitgliederzahl von etwa 60000 Jugendlichen blieb die in unzählige kleine Bünde aufgesplitterte Jugendbewegung der späten zwanziger Jahre eine heterogene Erscheinung.66 Die Deutsch-Akademische Gildenschaft (DAG), der Conze sich anschloss, 1919 gegründet und 1935 aufgelöst, fungierte als eine Art Dachverband für eine Vielzahl kleinerer über das Deutsche Reich verteilter ›Gilden‹.67 Laut Gisela Conze wurde ihr Mann noch in Marburg von seinem Vetter, dem Theologiestudenten Hans Dombois, zum Beitritt bewegt. Angezogen habe ihn damals in erster Linie das gemeinsame Wandern in den Ferien.68 Auch war der einzige Knabe unter drei Schwestern dem Männlichkeitsideal, das ihm von seiner Umwelt entgegengetragenen wurde, bisher als eine eher ätherische Erscheinung kaum gerecht geworden. Die Gilde bot in dieser Hinsicht Hoffnung auf Abhilfe.69 Die Suche des ortsunkundigen Studienanfängers nach gesellschaftlichem Anschluss mag zusätzlich eine Rolle gespielt haben. Doch auch wenn man nicht von einem ursprünglich politisch motivierten Schritt ausgeht, kann die ideologisch-weltanschauliche Ausrichtung der Gilde kaum spurlos an ihm vorüber gegangen sein. Unter den zahlreichen Jugend- und Studentenbünden der Weimarer Zeit stach die DAG von Anfang an durch eine elitäre Grundeinstellung hervor. Man kann gar vom Selbstverständnis als »Avantgarde einer neuen, völkischen Gemeinschaft« sprechen.70 Eine solche Geisteshaltung brachte der Gründer Al20

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brecht Meyen in seiner programmatischen Schrift »Der Gedankenkreis der Deutsch-Akademischen Gildenschaft« aus dem Jahre 1925 zum Ausdruck: »Wir Studenten sind zum Führeramt des Volkes berufen.« Sah er die Gilde als eine »ausgesprochene Deutschvölkische Gemeinschaft« zwar im Gegensatz zu »jenen ›völkischen‹ Kreisen […], deren Aufgaben sich in politisch-reaktionären Gefühlsäußerungen und antisemitischen Kundgebungen erschöpfen«, so bemerkte er doch an gleicher Stelle: »Trotz des Rassengemischs in Deutschland ist das nordische Blut, bei im ganzen noch gesunder Blutzufuhr immer noch für uns ausschlaggebend. Indem wir dieses nordische Element hüten und vor weiteren Vermischungen bewahren, glauben wir, die beste Rassepflege zu betreiben. Darum werden als Mitglieder der Gilde nur Menschen aufgenommen, die sich durch Gleichartigkeit ihrer Sprache und Geschichte, wie des Blutes und der Erziehung verbunden fühlen, denen dasselbe Volkstum im Blute wallt und die nicht anders können als Söhne ihres deutschen Volkes sein. […] Dieser besonderen Einschätzung des eigenen Volkstums entspringt auch unsere Ablehnung des Judentums. Mit Besorgnis sehen wir täglich, wie sich jüdischer Geist unter der äußeren Form deutscher Sprache und deutschen Gebarens immer weiter verbreitet und in unsere deutsche Kultur zersetzend eindringt. Darum lehnen wir das Judentum ab: nicht aus religiösen oder politischen Gründen, sondern um der deutschen Seele willen.«71 Der Frage, inwieweit der Antisemitismus der jungen Männer auch etwas mit ihrer Jungmännlichkeit zu tun hatte, lässt sich hier nicht weiter nachgehen.72 Zumal in seiner bei Meyen deutlich zum Ausdruck kommenden Bezogenheit auf den Rassebegriff bildete er ohne Zweifel einen wichtigen, wenn auch meist wohl nur latenten Berührungspunkt der Gilde zum Nationalsozialismus. Daher liegt die Vermutung nahe, dass ein DAG-Mitglied, das die Ansichten des Gildengründers auch nur halbwegs zu teilen vermochte, später dem nationalsozialistischen Rassenwahn nicht völlig immun gegenübertrat. Allgemein ist wohl Jürgen Reulecke in dem Punkt zu folgen, dass nicht die konkrete gesellschaftspolitische Wirksamkeit in ihrer Epoche das Entscheidende der Jugendbewegung gewesen sei, sondern ihre »individualgeschichtliche Prägekraft für die Biographien der von ihr sozialisierten Menschen«.73 Auch Werner Conze bekannte sich zeit seines Lebens zur bündischen Jugend.74 Bereits im Herbst 1929 lernte er auf einer Tagung der DAG in der Sächsischen Schweiz Theodor Schieder kennen, der den um drei Jahre Jüngeren schnell in seinen Bann zog.75 Schieder war damals ›Gildenmeister‹ der Münchener Hochschulgilde »Greif«, zu deren Mitgliedern ehemalige Teilnehmer am Hitlerputsch 1923, darunter Theodor Oberländer, zählten.76 Zur geistigen Grundstimmung in diesem Milieu bemerkte Conze 1985 in seiner Gedenkrede an den verstorbenen Weggefährten: »Sie kann, ungeachtet recht verschiedener Vorstellungen im einzelnen, als großdeutsch, volksdeutsch oder mitteleuropäisch bezeichnet werden. Gemein21

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sam war allen solchen Äußerungen, dass der auf die Entscheidungen von 1866 und 1871 zurückgehende Nationalstaat, sei es in seiner Hohenzollern-Tradition, sei es als Republik, nicht mehr als Modell künftiger Gestaltung Deutschlands und Mitteleuropas angesehen wurde und dass über das feststehende großdeutsche Ziel hinaus mitteleuropäische Ideen im Schwange waren, in denen die absolute Geltung des Nationalstaatsprinzips in Frage gestellt wurde. Um diese Problematik der ungelösten deutschen Frage inmitten der Europa Irredenta von 1919 wurde in den Bünden der Jugendbewegung, so auch im Studentenbund der Deutsch-akademischen Gildenschaft lebhaft gestritten, meist mit leidenschaftlich jugendlicher Irrationalität. Ältere Leitbilder waren verblasst, die Republik hatte kaum Ausstrahlungskraft besessen, zog aber in ihrer Endkrise einen großen Teil der ›bündischen Jugend‹, soweit sie dem Irrationalen zu widerstehen vermochte, auf neue Weise, d.h. unter reformerisch-korporativen Leitbildern, an. Der Versuchung des Nationalsozialismus wurde in diesen Kreisen meist widerstanden.«77 Die Unzufriedenheit mit der durch die Nachkriegsordnung »ungelösten deutschen Frage« wurde vom Bildungsbürgertum der Weimarer Zeit weitgehend geteilt. Das keineswegs neue Ressentiment gegenüber dem Westen und seiner Ideenwelt erhielt dadurch zusätzlich Nahrung, dass das man sich »von den Klassengenossen des Westens erbarmungslos an die Wand gedrückt und als aussätziger Paria aus der Gemeinschaft der Wohlhabenden und Zivilisierten ausgestoßen« fühlte.78 Zu dem verletzten nationalen Stolz gesellte sich das Unbehagen über den sich rasch vollziehenden Strukturwandel des Sozial- und Bildungssystems, in dem man das Ergebnis einer »seelenlosen, materialistischen, klassenzerrissenen, besitzegoistischen, industrie-kapitalistischen Gesellschaft« zu erkennen glaubte. In dieser Gemengelage galt vielen Bildungsbürgern die Schaffung einer standesähnlich formierten und sozialharmonisch konzipierten ›Volksgemeinschaft‹ als das Gebot der Stunde.79 Als neue innenpolitische Ordnungskonzeption hatte sich diese schon im Ersten Weltkrieg unter vielen Intellektuellen durchgesetzt und dann rasch einen ethnisch-exklusiven Charakter angenommen.80 Als Ausdruck der »Sehnsucht einer extrem fragmentierten Gesellschaft nach einem Abbau von Unterschieden und Zerklüftungen« war sie allerdings keineswegs ein rein (bildungs-)bürgerliches Ideal, sondern geisterte gleichermaßen durch die Programme der Zentrumspartei, der SPD und nicht zuletzt der NSDAP.81

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II. Lehrmeister und Lehrstätten 1. Leipziger Soziologie und Volksgeschichte Über die drei Semester dauernde Studienzeit Werner Conzes in Leipzig (1930/31) ist wenig überliefert. Der Wohnort der Eltern vermochte es nicht, dem jungen Geschichtsstudenten eine universitäre Heimat zu werden. Nach dem Marburger Experiment war der Rückzug nach Leipzig und damit ins Elternhaus ohnehin eher materiellen als intellektuellen Gründen geschuldet; konnte man doch so »die Bude sparen«.1 Die allgemeine, auch an der Haushaltskasse von Bildungsbürgern nagende wirtschaftliche Not empfahl es, zusammenzurücken; die offenkundige Orientierungslosigkeit des Sohnes mag dies zusätzlich nahegelegt haben. Schließlich war Conze noch von Zweifeln an dem von ihm eingeschlagenen Weg geplagt und wäre, »gequält durch die Frage nach dem Sinn der historischen Wissenschaft, fast auch noch der Geschichte davon gelaufen«. Die Wende brachte dann erst der Wechsel nach Königsberg,2 zu der ihn in Leipzig u.a. einer seiner ›Gildenbrüder‹, der spätere Tübinger Osteuropahistoriker Werner Markert, motivierte.3 Direkte geschichtswissenschaftliche Impulse im engeren Sinne erhielt Conze in Leipzig also kaum. Inwieweit die dort in der Tradition des frühen Kulturhistorikers Karl Lamprecht interdisziplinär betriebene Landesgeschichte im Umkreis der Stiftung für deutsche Volks- und Kulturbodenforschung zumindest indirekt auf den künftigen Sozialhistoriker ausstrahlten, lässt sich nicht klar feststellen.4 Als von auch auf längere Sicht nicht zu unterschätzender Bedeutung sollte sich allerdings die vor Ort vertretene Richtung der Soziologie erweisen, die sich vor allem mit dem Namen Hans Freyers, wiederum einem Schüler Lamprechts, verband. Schon damals offensichtlich über den Tellerrand des eigenen Faches hinausblickend und sich seines Studiengangs ohnedies noch nicht sicher, gehörte auch der junge Conze zu seinen Hörern. Hans Freyer (1887–1969) residierte als erster Inhaber eines deutschen Lehrstuhls für Soziologie seit 1925 im Gebäude des Instituts für Kultur- und Universalgeschichte, was schon in rein lokaler Hinsicht eine Nähe zur Geschichtswissenschaft andeutete. Doch war es wohl weniger dies, als vielmehr sein aus der Jugendbewegung gespeister Gemeinschaftsgeist und seine persönlich ungezwungene Art, die bündisch ausgerichtete und akademisch noch eher heimatlose Studenten anzogen und in seine Lehrveranstaltungen lockten.5 Hier stellten sich früh die Weichen für Conzes spätere Beschäftigung mit den historischen Strukturen der industriellen Welt. 23

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Der Inhalt von Freyers Einführungsvorlesung in das soziologische Denken aus dem Sommersemester 1930 lag ein Jahr später gedruckt vor. Er wandte sich hier gegen die »positivistische und amerikanische These von einer auf Soziologie zu begründenden Gesellschaftstechnik«, die nur solange Berechtigung habe, als »das Gesamtgefüge der gesellschaftlichen Ordnung als auf absehbare Zeit feststehend vorausgesetzt werden« könne. Weiter hieß es: »Dagegen fällt die ganze Auffassung in sich zusammen, wenn die gesellschaftliche Wirklichkeit selbst geschichtlich bewegt ist und auf ihre Veränderung hindrängt. Dass dieser Fall in der Klassengesellschaft der Gegenwart gegeben ist, fanden wir als die gemeinsame Überzeugung aller großen Systeme der Soziologie und geradezu als den wesentlichen Gehalt ihrer Theorien. Jede realistische Analyse der industriellen Gesellschaft der Gegenwart muss, glaube ich, diese Überzeugung bestätigen. Wir haben es hier mit einem gesellschaftlichen System zu tun, das mit den stärksten Widersprüchen geladen und in einer Umbildung begriffen ist, die an die Fundamente greift.«6 In gelehrten Kreisen der damaligen Zeit genoss Freyer den »Ruf einer akademischen Koryphäe«,7 gerade aufgrund seiner historisch ausgerichteten »Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft« – so der Titel seines wohl bedeutendsten Werkes der Weimarer Zeit. Schon hier bezeichnete er die »Frage nach der Struktur des Volkes« als das »letzte Problem der Soziologie«.8 Seit 1930 arbeitete er daran, die Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft durch die ›Volksgemeinschaft‹ anzubahnen. So bezeichnete er das Volk 1931 in seinem Traktat »Revolution von rechts« als den »Gegenspieler der industriellen Gesellschaft«, den einzigen, »den die Geschichte für sie bereit hat«; das Volk werde zu einer »Auslese und zu einem kategorischen Imperativ«, zur »Front aller wahrhaft revolutionären Kräfte, zur Front gegen das Prinzip der industriellen Gesellschaft«.9 Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten konnte er dann vorerst triumphierend der »französischen These der Nation […] die These vom Volk als eigengesetzlicher politischer Wirklichkeit« entgegensetzen,10 um es noch im selben Jahr 1933 als »Substanz der politischen Geschichte« zur Grundlage eines »politischen Semesters« an den Universitäten auszurufen.11 Wie viele andere Vertreter der »Konservativen Revolution« begann er sich ab 1936 innerlich vom Nationalsozialismus abzusetzen, wählte aber als Präsident des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts in Budapest statt der wirklichen Opposition die bequemere Lösung der ›inneren Emigration‹.12 Zusammen mit Gunther Ipsen und seinen Schülern Werner Markert und Hans Linde, die sich bald zusammen mit Conze in Königsberg einfinden sollten, trat Freyer noch in Leipzig für eine ethnozentrierte Verschmelzung von Geschichte und Soziologie ein – Conze sprach Jahrzehnte später von der »Leipziger historisch-soziologischen Schule«.13 Damit fungierte man gewissermaßen als soziologischer Arm einer multidisziplinären Volksforschung, die seit 24

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den frühen zwanziger Jahren in der deutschen Wissenschaftslandschaft zunehmend an Boden gewann.14 Im Bereich der Geschichtswissenschaft trat sie als ›Volksgeschichte‹ in Erscheinung.15 Ihre deutsche Spielart ist dabei im Kontext einer allgemeinen Tendenz von Volksgeschichten im Europa der Zwischenkriegszeit zu sehen.16 Die Entstehung der Volksgeschichte geht auf den Ersten Weltkrieg und seinen Ausgang zurück, wenngleich die Anfänge einer »intellektuellen Aufwertung des Volkstumsgedankens« bereits im 18. Jahrhundert zu suchen sind.17 Erst die Niederlage des Deutschen Reiches im Krieg und der damit einhergehende Zusammenbruch der alten staatlichen Ordnung bewirkten die Perspektivveränderung innerhalb von Teilen der historischen Zunft. So kam es im Zuge einer »Krise des Historismus« mit seiner den deutschen Nationalstaat bejahenden Grundtendenz gerade unter jüngeren Historikern zu einem Paradigmawechsel von Staat zu Volk.18 In den Worten des Volkstheoretikers Max Hildebert Boehm erwachte »das volkliche Prinzip […] im Widerstand gegen das staatliche zu seinem geschichtlichen Selbstbewusstsein«.19 Die damalige Stimmung wird im Rückblick des Historikers Hermann Aubin aus dem Jahre 1963 recht deutlich: »Durch den Ausgang des Weltkrieges waren die Deutschen des Reichs in erschreckendem Erwachen aus der Geborgenheit des Nationalstaats herausgerissen worden, den sie im Umfange der Reichsgründung von 1871 verwirklicht geglaubt hatten. Angesichts ihres zusammengebrochenen Staatssystems stieg zu vermehrter Kraft das Bewusstsein von der Gemeinschaft im Volkstum auf.«20 Koselleck verweist auf den außerstaatlichen Kontext von »Volk«, wie er in der spezifisch deutschen Begrifflichkeit bereits seit dem 19. Jahrhundert hervortrat. Hiernach wurde das Volk einerseits als vorstaatliches, gegen die Bürgernation gerichtetes und somit in Gegensatz zum individualistischen Vertragsgedanken westlicher Demokratiemodelle tretendes und andererseits als außerstaatliches, über nationale Grenzen hinausgehendes erfahren, und zwar im Sinne einer »Volksgemeinschaft, die zugleich ihre staatlichen Grenzen überschreitet«.21 Die Kategorie des Volkes war dabei »keine Maßgröße, sondern wertdezisionistische Zielprojektion«.22 Nach der folgenreichen Niederlage im Ersten Weltkrieg erlangten derartige Vorstellungen in Deutschland verstärkte Popularität. Eine antirepublikanische Einstellung und Revisionsbestrebungen hinsichtlich der aus den Pariser Vorortverträgen hervorgegangenen Grenzverschiebungen gehörten dabei von Anfang an zum ideologischen Grundkonsens der aufkommenden Volksgeschichte, der überdies im allgemeinen Kontext des antidemokratischen Denkens in der Weimarer Republik gesehen werden muss.23 Außer der völkischen Ideologie, die – im Rückgriff auf Denker wie Wilhelm Heinrich Riehl – eine generelle Verklärung des Bauerntums als vorindustrieller Lebensform mit sich brachte, verdient in diesem Zusammenhang ein zweites 25

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Grundcharakteristikum der Volksgeschichte Beachtung: ihr methodischer Neuansatz. Musste die Abkehr von der Orientierung am Staat und ihn bestimmenden Einzelpersonen geradezu zwangsläufig auch eine Abkehr von den primär individualisierend-hermeneutischen Methoden der »auf Politikgeschichte eingeengten […] Allgemeingeschichte« mit sich bringen,24 so ergab sich auch schon durch die im Zitat Aubins angedeutete defensive Situation, in die sich Teile der deutschen Geschichtswissenschaft nach 1918 versetzt sahen, die Notwendigkeit neuer Methoden. Willi Oberkrome zufolge »gerieten die »rechtsrheinischen Obermeister der historischen Zunft ins Straucheln«, »als die alliierten Unterhändler vor den Verhandlungsdelegationen der Mittelmächte historische Kartenwerke, Quelleneditionen und Denkschriften ausbreiteten« und »die Sieger ihren Anspruch auf deutsche Grenzgebiete mit komplexen historischen Indizien für deren ethnisch und kulturell angeblich nicht deutsche Herkunft geltend machten«.25 Das Gefühl des fachlichen Unvorbereitetseins auf die aktuellen tagespolitischen Anforderungen löste zumal bei jüngeren Historikern, die ihrerseits an den »Bewegungen und Beziehungen des täglichen Lebens in den Massen des Volkes«26 interessiert waren, ein wissenschaftsinternes Umdenken aus, eine Bereitschaft zur Erweiterung des methodischen Horizonts. Dies drückte sich in verstärkter interdisziplinärer Öffnung der Geschichtswissenschaft gegenüber Fächern wie Soziologie, Volkskunde oder Geographie sowie in der Verwendung statistischer und kartographischer Darstellungen und komparativer Vorgehensweisen aus. In gewisser Hinsicht lässt sich dabei so etwas wie ein spatial turn beobachten, von dem in jüngerer Zeit wieder die Rede gewesen ist.27 In der Debatte um die Volkgeschichte ist die Frage ihrer methodischen Neuerungen kontrovers geblieben. So bezeichnete es etwa Jürgen Kocka als »spannend«, zu sehen, »wie in diesem Dunstkreis, und zwar kausal mit ihm verbunden, interessante wissenschaftliche Innovationen gelangen, die man als erkenntnisförderlich und als langfristige Stärkung geschichtswissenschaftlicher Analysefähigkeit begreifen« müsse; schließlich sei »die Erweiterung des herkömmlicherweise politikgeschichtlich beschränkten Blickwinkels, die Entdeckung der sozialen Welt als Gegenstand des Historikers, wenn auch in völkischer Terminologie« erreicht worden.28 Dagegen steht die Auffassung, dass das »fortschrittliche Potential in den entsprechenden Texten eigentlich nie konkret nachgewiesen, sondern ihnen aufgrund formaler Kriterien lediglich zugeschrieben« worden sei.29 Und eine »patentwürdige sozialgeschichtliche Brauchbarkeit« möchte man dem volkgeschichtlichen Ansatz auch nach der Entdeckung »mehr oder weniger exakte[r] Einzelergebnisse« nicht zubilligen.30 Aufstieg und Machtübernahme der Nationalsozialisten wirkten sich auf die Entwicklung der Disziplin förderlich aus und wurden insgesamt von ihren Ver26

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tretern begrüßt,31 die sich bald im »Dienst praktischer Volkstumspolitik« sehen wollten.32 In ideologischer Hinsicht war die Volksgeschichte von vornherein durch jenen »heroisch-völkischen Realismus’« gekennzeichnet, den Herbert Marcuse bereits 1934 entlarvte: »Niemals ist Geschichte weniger ernst genommen worden als jetzt, wo sie primär auf die Erhaltung und Pflege des Erbes ausgerichtet wird, wo Revolutionen als ›Nebengeräusche‹, als ›Störungen‹ der Naturgesetze gelten und wo naturhaften Kräften des ›Blutes‹ und des ›Bodens‹ die Entscheidung über Menschenglück und Menschenwürde ausgeliefert wird.«33

2. Ostpreußen und Baltikum Im Jahre 1931 wechselte Werner Conze nach Königsberg, um hier sein Studium fortzusetzen. Zusätzlich zum Fach Geschichte begann er nun auch Slawistik zu studieren und sich verstärkt der osteuropäischen Geschichte zuzuwenden.34 In Königsberg erfolgte mit der Promotion 1934 auch sein Studienabschluss. Trotz beruflich und später vom Kriege her bedingter Ortswechsel sollte die Stadt am Pregel auch die gesamte NS-Zeit hindurch die neue Heimat des jungen Historikers darstellen. Seine spätere Frau lernte er ebenfalls hier kennen. Gisela Pohlmann, 1914 als Tochter eines Studiendirektors in Hannover geboren, besuchte nach einem kurzen Studienaufenthalt in Göttingen gemeinsam mit einer Schwester Conzes eine landwirtschaftlich orientierte Frauenschule nahe Königsberg. Nachdem die anfängliche Skepsis ihres Vaters ob des jungen Alters des Bräutigams mithilfe der Fürsprache Hans Conzes überwunden war, wurde 1936 in der Heimatstadt der Braut die Ehe geschlossen.35 Ein Jahr später kam die Tochter Reingart zur Welt, gefolgt von Jürgen (1939) und Ortrun (1944).36 Bis Juli 1944 wohnte die junge Familie im dörflichen Metgethen, das nordöstlich des Stadtzentrums in der Kaphorner Heide lag und damals bereits eingemeindet worden war.37 Die Albertus-Universität zu Königsberg konnte sich auf eine reiche Tradition berufen, für die nicht zuletzt der Name Immanuel Kants bürgt. Bereits 1544 im Zuge der Reformation gegründet, endete ihre Geschichte 1945 mit der Übergabe der weitgehend zerstörten Stadt an die Sowjetunion und der Vertreibung der noch verbliebenen Zivilbevölkerung in den Westen unwiderruflich.38 Zur Zeit der Weimarer Republik erfreute sich die Albertina wegen der durch ›Versailles‹ herbeigeführten neuen Lage Ostpreußens »der besonderen Fürsorge des Staates« und konnte eine große Zunahme der Studentenzahl verbuchen.39 Bald begann sich der Wissenschaftsstandort Königsberg zu einem »Kristallisationskern des völkisch-akademischen Milieus« zu entwickeln.40 Schon aufgrund seiner geographischen Lage am nordöstlichen Rand des Deutschen 27

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Reiches, seit den Pariser Vorortverträgen zudem von diesem durch den ›polnischen Korridor‹ abgeschnitten, bot sich die Stadt als Ausgangspunkt einer Ostforschung geradezu an. Noch zu Kriegszeiten, im Jahre 1916, wurde mit interdisziplinärem Anspruch das Institut für ostdeutsche Wirtschaft eröffnet, im Mai 1918 wurde es dann zu einem regulären Bestandteil der Universität. Seit 1931 war der Agrarökonom und spätere Bundesvertriebenenminister Theodor Oberländer (1905–1998), ein zukünftiger Förderer Conzes, hier Assistent; 1934 wurde er der Direktor.41 Mit dem Selbstverständnis einer »Festung deutschen Geistes in Ostpreußen« umwarb man die angehenden Studenten mit dem Lockruf des »Kampfes um den Erhalt des Deutschtums im Osten«.42 Auch innerhalb der Königsberger Geschichtswissenschaft tat sich in dieser Hinsicht einiges. Institutionell schlug sich dies an der späteren Integration des Historischen Seminars in die Arbeit der Nordostdeutschen Forschungsgemeinschaft – seit 1936 Nord- und Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft (NOFG) – nieder. Die NOFG wurde im Dezember 1933 von Hans Steinacher, dem Vorsitzenden des Vereins für das Deutschtum im Ausland (VDA), und Albert Brackmann, dem Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive, in enger Zusammenarbeit mit den neuen Machthabern in Berlin gegründet.43 Ziel des Großforschungsverbunds war es, Vertreter der volks- und landesgeschichtlichen Osteuropa-Forschung zum Zwecke einer »geheimen Ressortforschung« in Projekte einzubinden, die die revisionistischen Bestrebungen des neuen Regimes wissenschaftlich untermauern sollten.44 Dass das Anliegen der NOFGInitiatoren, Königsberg als geschichtswissenschaftlichen Standort für ihre gen Osten gerichtete Volkstumsagitation zu nutzen, vor Ort auf fruchtbaren Boden fiel, ist nicht zuletzt einer charismatischen Lehrerfigur zu verdanken. Mit Hans Rothfels (1891–1976) kam im Jahre 1926 einer der bedeutendsten und einflussreichen deutschen Historiker des 20. Jahrhunderts nach Königsberg. In den acht Jahren seiner Lehrtätigkeit an der Albertina prägte er den Geist am dortigen Historischen Seminar nachhaltig.45 Nationalkonservativ und in jungen Jahren vom Judentum zum Protestantismus konvertiert, hatte er als Kavallerist gleich zu Beginn des Ersten Weltkriegs durch ein wenig heroisches Missgeschick mit seinem Pferd ein Bein verloren und war dadurch vom weiteren Fronterlebnis seiner Generation ausgeschlossen worden. Diesen für ihn tragischen Umstand galt es nun als Historiker zu kompensieren.46 Er stand dabei durchaus noch in der politikgeschichtlichen Tradition deutscher Geschichtsschreibung, vertrat als Streiter für das Deutschtum im Osten aber auch schon den Gedanken des Volkstums innerhalb der Geschichtswissenschaft.47 Abgesehen davon, dass der noch mit der Unterstützung seines Lehrers Friedrich Meinecke erfolgte Ruf nach Königsberg die erste Chance auf einen Lehrstuhl bot, scheint ihn von vornherein die exponierte Lage von Stadt und Universität gereizt zu haben. In seinem dortigen Wirken sah er nicht nur einen akademischen, sondern auch einen patriotischen Beitrag.48 28

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Eine derartige Attraktion stellte die Region auch für manche seiner Studenten und Assistenten dar, die ihr wie Rothfels selber nicht entstammten. Es waren dies unter anderem Erich Maschke, Werner Markert, Rudolf Craemer, Hans Linde, Theodor Schieder (seit 1933) und eben auch Werner Conze.49 Dieser bemerkte im Rückblick aus dem Jahre 1985: »Die Stadt und die Universität Königsberg übten […] allgemein eine starke Anziehungskraft auf die Studenten aus, die, wie man in Ostpreußen sagte, vom ›Reich‹ kamen, um die abgeschnittene Provinz kennenzulernen.«50 Gemeinsam waren der jungen Generation Königsberger Nachwuchshistoriker die Zugehörigkeit zur Deutsch-Akademischen Gildenschaft (DAG) und die Suche nach der Möglichkeit, »wissenschaftliche Qualifikation mit ostpolitischem Engagement zu verbinden«. In jugendbewegter Tradition unternahm man Expeditionen in die angrenzenden Nachbarländer, vor allem ins Baltikum, um das Leben der deutschen Minderheit in bäuerlichen Kleingemeinden direkt in Augenschein nehmen zu können. Seit 1929 betreute Hans Rothfels persönlich diese Gildefahrten.51 Derartige Fahrten vermochten an die lebensweltlichen Stimmungen der Jugendbewegung direkt anzuknüpfen und die universitären Hierarchien durch die Betonung der Kameradschaftlichkeit in den Augen der jungen Studenten aufzuweichen, wenn auch nicht aufzuheben. Auch das Charisma Hans Freyers in Leipzig erklärt sich zu einem Teil aus einem solchen Einsickern des auf treuer Gefolgschaft beruhenden Männerbundprinzips in den akademischen Bereich. Was Rothfels angeht, beschränkte sich die Nähe des Professors zu seinen Studenten nicht auf die Wanderfahrten im Baltikum. In seiner 1983 veröffentlichten Hommage an den sieben Jahre zuvor verstorbenen Lehrer erinnerte sich Conze auch mit Wohlbehagen an nachmittägliche Teestunden oder Arbeitskreise zur deutsch-baltischen Geschichte im Rothfelsschen Hause. Überhaupt habe »Rothfels’ Schwungkraft der Jahre um 1930 […] im hohen Maße von dem fortgesetzten An- und Rückruf zwischen ihm und seinen Schülern« abgehangen.52 Sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs klang der Rückblick auf die »Königsberger Schule« so: »Wir jungen Historiker, die wir uns unter der geistigen Führung unseres Meisters eng verbunden fühlten […], wurden in jenen Jahren in neuer Weise an die Fragen des Ostens herangeführt.«53 Die Ausstrahlung einer starken Persönlichkeit und eines in vielerlei Hinsicht neuartigen Raumgefühls in den kargen Weiten Ostpreußens und der umliegenden Region wirkten zusammen, um eine aus der Enge des bürgerlichen Mitteldeutschlands hinaus strebende Generation junger männlicher Historiker auf eine gemeinsame politische Grundstimmung hinzuführen. Der Einfluss von Rothfels auf den jungen Conze kann kaum hoch genug veranschlagt werden; er scheint sogar ausschlaggebend für die Fortsetzung des Geschichtsstudiums gewesen zu sein. Endlich hatte Conze einen Lehrer gefunden, der ihn »durch die Kraft seiner Persönlichkeit und das Ethos seiner wis29

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senschaftlichen Verantwortung in der Spannung zwischen politischem SichStellen und historisch-kritischer Unbedingtheit vom Wert und von den großen Möglichkeiten seines Faches überzeugte«.54 Der Soziologe Gunther Ipsen (1899–1984) war der zweite Mentor im Bunde. Wenn er wohl auch hinsichtlich seiner persönlichen Prägekraft hinter Rothfels zurücktritt, ist sein fachlich-methodischer Einfluss um so höher zu veranschlagen. Vor seinem Wechsel an die Königsberger Albertina im Jahre 1933 hatte der gebürtige Österreicher an der Universität Leipzig gelehrt, wo er mit Freyer zu einem der führenden Vertreter der Leipziger Schule geworden war und sich als Bevölkerungswissenschaftler einen Namen gemacht hatte. Davon ausgehend trat er in Königsberg als Verfechter einer soziologischen Volksgeschichtsforschung hervor.55 Während Ipsen, dessen Assistent Conze 1935 wurde,56 in wesentlichen Punkten mit der ›Volkwerdungssoziologie‹ Freyers übereinstimmte, spielten bei seiner agrarsoziologisch verankerten Bevölkerungslehre des »Landvolks« das Problem des Lebensraums und das von ihm geradezu verherrlichte Bauerntum eine weitaus größere Rolle.57 Sein Interesse galt nahezu ausschließlich den im osteuropäischen Raum lebenden Deutschen. Die soziologischen Grundannahmen Ipsens werden in zwei seiner Schriften deutlich: In seinem 1933 erschienenen »Programm einer Soziologie des deutschen Volkstums«, das auf seine bereits 1931 gehaltene Leipziger Antrittsvorlesung zurückging, verabschiedete er die »geschichtliche Epoche, die durch die Bildung der industriellen Gesellschaft bestimmt war«, und stellte der Klassengesellschaft die übermächtige Nation entgegen. Unter dieser verstand er »eine eigentümliche Verjochung von Staat und Volk«, die »gleichsam hinter dem Rücken der industriellen Gesellschaft vollzogen wurde und die sich nun, umgreifend und bestimmend, als Band um die Sprengkräfte der industriellen Gesellschaft legt«. Daneben seien es die ländliche Gesellschaft und der »Zustand des deutschen Ostens«, an der der »Anspruch der industriellen Gesellschaft, das Ganze zu sein und den sozialen Prozeß allein zu bestimmen«, zerbreche. Daher forderte er eine Abkehr vom Marxschen Soziologie-Verständnis mit dem Subjekt der kämpfenden Klassen hin zu einer Soziologie des Volkstums mit dem Subjekt des Volkes »in der Mannigfaltigkeit seiner bodenständigen Besonderungen und seiner natürlichen Ständeordnung«, wie sie bereits Wilhelm Heinrich Riehl im 19. Jahrhundert initiiert habe. In methodischer Hinsicht propagierte er die Verknüpfung mit der Geschichtswissenschaft, denn nur in seiner Geschichtlichkeit sei das Volk »uns unmittelbar faßlich«. »Damit wird die Geschichte gewissermaßen zum methodischen Umweg, das Gefüge des Volkstums als gegenwärtige Wirklichkeit zu erkennen.«58 Die schon in diesem Text erfolgte Aufwertung des Bauerntums wird in Ipsens ebenfalls 1933 publizierten soziologischen Versuch über das »Landvolk« noch sichtbarer. Das Bauerntum war ihm »der schöpferische Grund aller weiteren 30

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weltgeschichtlichen Entwicklung«.59 Wiederum wurden »geschichtliche Besinnung« und damit implizit auch historische Forschung gefordert, um die »wesentlichen Züge des bäuerlichen Daseins« erkennen zu können.60 Darüber hinaus vertrat er die Ansicht, die Zukunft der ostdeutschen Agrargesellschaft werde gleichzeitig über die deutsche Zukunft im Allgemeinen entscheiden. Die industrielle Revolution des Westens und die Agrarrevolution des Ostens seien die »Mühlsteine, die das Gefüge des deutschen Ostens zu zerreiben drohen«. Vor allem die Agrarrevolution stellte für Ipsen eine akute Gefahr für Ostdeutschland dar, sei doch durch sie eine »Überschußbevölkerung« entstanden, die in die deutschen Dörfer hineinzuwachsen drohe. In diesem Zusammenhang tauchte auch die dem damaligen Zeitgeist entsprechende Frage nach dem »Lebensraum« auf.61 Wenn Ipsens wissenschaftliche Vorgehensweise auch durchaus modern in dem Sinne anmuten mag, dass sie statistisch-kartographische Verfahren mit sozialwissenschaftlich präzisierter Analyse und Typisierung unterschiedlicher Dorfformen verband, war sie doch in der Tat häufig von einem ideologisch bedingten, »dumpfen Obskurantismus« überschattet.62 So betont auch Wolfgang Schieder, dass Ipsen sich »letzten Endes in einer problematischen Lebensraumideologie verlor, in der der an ›Blut und Boden gebundene Bauer‹ zur Gegenkraft gegen die ›Entfremdung‹ und ›Zersetzung‹ der industriellen Gesellschaft stilisiert wurde«.63 Gunther Ipsen erlangte für Werner Conze, der ihn im Vorwort seiner Habilitationsschrift seinen »verehrten Lehrer« nannte, während der gesamten NSZeit größte Bedeutung – sowohl in institutionell-beruflicher als auch in fachlich-methodischer Hinsicht. Freilich muss man das erzwungene Ausscheiden Rothfels’ aus der Lehrtätigkeit in Rechnung stellen; doch entsprachen die »stets historisch ausgerichteten bevölkerungs- und agrarsoziologischen Studien« Ipsens den Interessen des jungen Conze nach eigener Aussage ohnehin.64 Als 1934 seine Doktorarbeit »Hirschenhof. Die Geschichte einer deutschen Sprachinsel in Livland« erschien, hatten die Nationalsozialisten bereits ein Jahr die Macht in Deutschland inne. Die Wahl des Themas entsprang den Baltikumsfahrten der DAG unter der Ägide von Hans Rothfels und speziell einem in diesem Zusammenhang veranstalteten ›Arbeitslager‹ in der 1766 von deutschen Kolonisten auf Einladung der russischen Krone gegründeten Siedlung Hirschenhof in Livland.65 Im Zuge seiner Forschungen absolvierte Conze u.a. einen Forschungsaufenthalt am Herder-Institut in der lettischen Hauptstadt Riga,66 wo er dem deutschbaltischen Historiker Reinhard Wittram (1902–1973) begegnete. Er schien bei all dem zu so etwas wie einem Wahl-Deutschbalten zu werden. Da er aufgrund der Mobilität des richterlichen Elternhauses offensichtlich kein Heimatgefühl in den Landschaften zwischen dem heutigen Ostniedersachsen, Berlin und Leipzig zu entwickeln vermocht hatte, fiel es ihm umso leichter, 31

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eine landsmannschaftliche Solidarität mit den Deutschbalten an den Tag zu legen.67 Letztere waren nach dem Zusammenbruch des Zarenreiches und der Unabhängigkeit der sich neu konstituierenden baltischen Staaten nach dem Ersten Weltkrieg mit dem »Übergang von einer jahrhundertelang führenden Schicht zur nationalen Minderheit« konfrontiert. Gerade aufgrund der radikalen Agrarreformen sahen sich die Deutschbalten in einen »subjektiv als epochal empfundenen Existenzkampf« gestellt.68 Tendenzen eines großdeutschen Nationalismus’ erhielten dadurch einen nicht zu unterschätzenden Auftrieb. Die Betreuung der Promotion übernahm noch Rothfels; Conze war sein letzter Königsberger Doktorand und betonte im Vorwort seiner Arbeit, seinem »hochverehrten Lehrer« »stets zu tiefer Dankbarkeit verpflichtet« zu sein.69 Zu dieser Zeit deutete sich bereits die Zwangsentlassung seines Doktorvaters aus der Albertus-Universität an. Wie schmerzhaft das Ausscheiden Rothfels’ für Conze in persönlicher Hinsicht auch immer gewesen sein mag, tat es seinen wissenschaftlichen Ambitionen und Entfaltungsmöglichkeiten keinen Abbruch; schließlich stützte er sich in dieser Hinsicht auf zwei andere Lehrmeister: neben Ipsen vor allem auf den Sprachwissenschaftler Walter Kuhn mit seiner »Sprachinselforschung«. Diese umriss Kuhn selbst wie folgt: »Echte Sprachinseln sind Siedlungen, die durch geschlossene Kolonisation eines Volkes auf Neuland inmitten fremden Volksgebietes entstanden sind. Die deutsche Sprachinselforschung hat zum Gegenstande die gesamtheitliche Erforschung und Darstellung der deutschen Sprachinseln als geschlossener, wohlabgegrenzter Lebenseinheiten und als Teile des deutschen Volkskörpers mit besonderer Eigenart.«70 Conze ging bei seiner Sprachinselkunde, die für ihn vor allem auf der Verbindung von »historischer, soziologischer, volkskundlicher und statistischer Methode« beruhte, durchaus eigene Wege, wenn er im bewussten Gegensatz zu Kuhn eine stärker »historisch-politisch ausgerichtete Darstellung« ankündigte. Daneben betonte er in einer Fußnote zudem seine persönliche Bevorzugung des weniger sprachwissenschaftlichen und dafür »umfassenderen« Ausdrucks »Volksinsel«.71 Von Ipsen entlieh er das grundsätzliche Interesse für die strukturellen Rahmenbedingungen des bäuerlichen Deutschtums in den östlichen Anrainergebieten des Reiches. Er teilte dessen Auffassung, »dass die Frage nach der ›völkischen‹ Persistenzkraft ethnisch-autonomer Gebiete nur durch eine Untersuchung ihrer sozialen und demographischen Entwicklungen im Zusammenhang mit den jeweiligen agrarökonomischen Strukturen, vorrangig den Erbrechtstraditionen, zu beantworten sei«.72 Dass er allgemein in mancher Hinsicht mit der gängigen, primär politikgeschichtlich ausgerichteten historiographischen Tradition zu brechen bereit war, ohne einer rein agrarsoziologisch orientierten Vorgehensweise im Sinne Ipsens zu verfallen, belegt die folgende 32

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Programmatik: »[Es kann] nicht die Aufgabe sein, eine volks- und landwirtschaftliche Monographie hier vorzulegen. Doch liegt es notwendig in dem Versuch der Darstellung des Werdes [sic] einer deutschen Sprachinsel begründet, nicht allein die im eigentlichen Sinne historisch politischen Geschehnisse zu behandeln – die sind abgesehen vom Ansiedlungswerk verhältnismäßig spärlich – als vielmehr die Lebensgesetze aufzuweisen, die in der Entwicklung einer deutschen Inselsiedlung des Nordostens deutlich werden. Somit muss die historische Behandlung oft in eine Darstellung des Zuständlichen übergehen, in dem das vergängliche kleine Einzelgeschehen auf das Gesetz- und Wesensmäßige hinweist.«73 Diese Bevorzugung des Dauerhaften gegenüber dem Dynamischen und die Hervorhebung der dem Individuellen übergeordneten Strukturen war ein Leitmotiv von Conzes historischem Gesamtwerk – und gleichsam eine Teilabkehr vom Historismus. Seine Studie über die deutsche Bauernsiedlung in Livland vom Zeitpunkt ihrer Entstehung unter Katharina II. im 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, die nahezu alle Lebensbereiche der Kolonisten von der Verfassung über Erbrecht, soziale Entwicklung, Handwerk, Landwirtschaft bis hin zu Kirche und Schule umfasst, kann durchaus als ein Idealbeispiel der Volksgeschichte angesehen werden. Denn sie verkörpert auf der einen Seite – erkennbar an der auf Demographie, Agrarsoziologie, ja sogar Oral History aufbauenden Vorgehensweise – den methodischen Innovationsschub dieser Richtung, sichtbar auch in der Verwendung von Karten und Tabellen; auf der anderen Seite jedoch auch eine völkisch-ideologische Voreingenommenheit für das deutsche Volkstum. So sah Conze das Ziel der neueren Entwicklung in Lettland in der »Einschmelzung der Hirschenhöfer Sprachinsel in die deutsche Volksgemeinschaft des Landes«, wobei es sich am Bauerntum entscheiden werde, »ob das Land auch in Zukunft für die deutsche und lettische Kultur gehalten werden kann oder ob es dem Osten verfallen wird«.74 Die Abgrenzung nach Osten, ein wichtiges Element dessen, was man wissenssoziologisch als »Denkstil« der im Königsberger Umfeld von Rothfels und Ipsen akademisch sozialisierten Nachwuchshistoriker bezeichnen kann,75 zeugt von der weltanschaulichen Grundtendenz, die nicht nur das Erkenntnisinteresse des Doktoranden leitete, sondern mitunter auch seine Argumentation.76 Die Feststellung, Conze habe sich von Ipsens »ideologischer Bedenklichkeit« freigehalten und mit »erstaunlich sicherem Instinkt nur die wissenschaftlich kontrollierbare Kernsubstanz der Ipsenschen Soziologie« übernommen,77 ist in dieser Entschiedenheit kaum zu halten. Allerdings: Auch wenn das Werk auf Anleihen aus dem völkisch-sozialdarwinistischen Jargon der damaligen Zeit keineswegs verzichtet,78 muss betont werden, dass es keinerlei rassistische oder antisemitische Äußerungen aufweist und weder am Anfang noch am Ende einen Bezug zur ›nationalen Erhebung‹ des Jahres 1933 33

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herstellt. Mit der »Übervölkerung« und dem Landmangel waren freilich bereits jene Themen berührt, die in den Jahren des Nationalsozialismus den Schwerpunkt seines Forschens bildeten.

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III. Volkstumskampf und Kriegsdienst 1. Ankunft in der Volksgemeinschaft Nach der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 wurden umgehend die Weichen für die zwölfjährige Herrschaft des Nationalsozialismus gestellt: das knapp drei Wochen nach den letzten halbfreien Wahlen erlassene Ermächtigungsgesetz vom 24. März, die seit Mai einsetzende Liquidation und Auflösung von Parteien und Gewerkschaften, sowie der den Beginn der Diskriminierungs- und Ausgrenzungspolitik gegen die deutschen Juden signalisierende antijüdische Boykott vom 1. April – drastische, gleichwohl von der Mehrheitsbevölkerung klaglos hingenommene Maßnahmen.1 Folgt man der Erinnerung Werner Conzes, stellte die Zäsur des Januar 1933 zunächst keinen entscheidenden Einschnitt für sein damaliges Leben und Schaffen dar. Im Rückblick von 1985 schrieb er über sich und die Königsberger Weggefährten: »Wir [waren] meist noch weit von der Vorstellung entfernt, dass die Herrschaft, wie auch immer sie beendet oder verwandelt werden mochte, konsequent nach ihren Prinzipien und unter dem Richtmaß ihrer nicht vorstellbaren Endziele bis zum bitteren Ende würde aufrechterhalten werden können. Es war uns damals weit überwiegend eine Zeit des Abwartens, der vagen Hoffnungen und Illussionen [sic], in der viele Indizien, die auf das Verhängnis vorauswiesen, nicht ernst oder nicht einmal wahrgenommen wurden. Das Lebensgefühl, als ob das Leben über den Einschnitt des 30. Jänner 1933 hinaus annähernd ›normal‹ weitergeführt werden und dass es eigentlich nicht so kommen könne, wie es geschrieben stand und wie es viele damals schon persönlich erfuhren – dieses Lebensgefühl war vorherrschend, wenn wir von denen absehen, die auf der einen Seite sich als begeisterte Aktivisten zu bewähren suchten oder die auf der anderen Seite leibhaftig betroffen waren.«2 Ließ ihn die nationale Aufbruchsstimmung mit ihrer revisionistischen Stoßrichtung gegen ›Versailles‹ wirklich unberührt? Seine Zugehörigkeit zur völkischen Studentengilde und die weltanschauliche Sozialisierung im akademischen Umfeld Königsbergs legen eine Anfälligkeit für die propagandistisch eingepeitschte Selbstbehauptungsrhetorik der neuen Herren im Staat nahe. Für eine Einbindung in die von den Nationalsozialisten propagierte Volksgemeinschaft waren die Ausgangsbedingungen insofern günstig. Der erste Schritt, mit dem Conze dann auch recht bald eine solche Einbindung in das neue System zum Ausdruck brachte und der zugleich Zweifel an einer langen Indifferenz ge35

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genüber dem braunen Machtwechsel aufkommen lässt, war sein Eintritt in die SA am 10. Mai 1933, dem Tag der Bücherverbrennung.3 Koselleck spricht in diesem Zusammenhang von der »Studenten-SA«,4 deren Abgrenzung von der regulären »Sturmabteilung« jedoch nicht genau gezogen werden kann.5 Mit der Studentenrechtsverordnung vom 12. April wurden in Preußen zwar Arbeitsdienst und SA-Dienst für alle männlichen Studenten obligatorisch;6 eine formelle Mitgliedschaft war hierin aber keineswegs eingeschlossen.7 Auch bezog sich diese Regelung, die im Zuge des Gesetzes über die Bildung von Studentenschaften an den wissenschaftlichen Hochschulen vom 22. April über das gesamte Reich ausgedehnt wurde, in erster Linie auf die Anfangssemester.8 Über die genaueren Umstände von Conzes SA-Beitritt ist nichts überliefert, ebensowenig wie über seine Beweggründe; ein klares Urteil fällt daher schwer. Abgesehen von Karrieregründen ist ein von der Fakultät forcierter Beitritt nicht ganz auszuschließen.9 Gisela Conze zufolge wurde der SA-Beitritt ihres Mannes gar im Rahmen eines verpflichtenden Sammeleintritts der gesamten Universität vollzogen; so habe er im Frühjahr auf die verwunderte Reaktion seiner Schwester und seiner späteren Frau hin verkündet: »Universität Königsberg tritt geschlossen in die SA.«10 Auf Grundlage der einschlägigen Literatur lässt sich ein solcher Schritt allerdings weder in Bezug auf Königsberg noch auf irgendeine andere deutsche Universität belegen. Immerhin betont Michael Grüttner die zu jener Zeit massiven Versuche der SA, sich die Studentenschaft umfassend einzuverleiben.11 Bracher verweist darauf, dass Assistenten und jüngere Dozenten »zum größten Teil in die SA oder SS eingegliedert worden« seien.12 Verstand sich die »Sturmabteilung« der NSDAP, die um 1920 als Ordnertruppe der Partei entstanden war und sich in den folgenden Jahren zunehmend zu einem Wehrverband entwickelt hatte,13 zwar in den Jahren 1933/34 als »eine – wenn nicht die – neue Machtelite des Dritten Reiches«, geriet dieser Anspruch doch bald mit der politischen Wirklichkeit in Konflikt.14 Von dem drohenden Machtverlust der SA, der am 30. Juni 1934 mit der Ausschaltung ihrer gesamten Spitze einschließlich von Stabschef Ernst Röhm besiegelt wurde, konnte der junge Conze zur Zeit seines Beitritts aber noch nichts ahnen. Neuaufgenommene mussten nach einer offiziellen Eingabe während einer dreimonatigen Anwärterzeit politisch überprüft werden,15 und Conze bestand die ideologische Bewährungsprobe. In den Folgejahren blieb er der SA als Mitglied des »Sturms« in Metgethen erhalten, tat dort, wenn man einem Empfehlungsschreiben des Gaudozentenbundführers und Rektors der AlbertusUniversität Glauben schenkt, »regelmäßig Dienst« und arbeitete an »volkspolitischen Aufgaben mit«.16 Seine nach Aufhebung der Mitgliedersperre vom 1. Mai 1933 erfolgte Aufnahme in die NSDAP am 1. Mai 1937 geht wohl auf eine Beantragung der SA zurück, die theoretisch von vornherein den in der Praxis eben nicht mehr möglichen Parteibeitritt von ihren Mitgliedern erwartete.17 36

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Als öffentliche Person stand Conze also mit beiden Beinen in der von den Nationalsozialisten errichteten Volksgemeinschaft. Eben diese beschrieb er noch drei Jahre vor seinem Tod als »erzwungene, jedoch weithin bejahte und, wo verneint, in der Lebenspraxis doch vollzogene Solidargemeinschaft«: »Die NS-Volksgemeinschaft ist mehr gewesen als nur befohlene Scheinwirklichkeit. Allein durch Zwang ist die lange Zeit im Sinne des Nationalsozialismus erfolgreich gewesene Kraftanstrengung des deutschen Volkes (auch außerhalb der Reichsgrenzen) bis 1945 nicht zu erklären.«18 Das Ideal der Volksgemeinschaft kann als Faktor für die Integration des Bildungsbürgertums in das neue Regime kaum hoch genug veranschlagt werden.19 Selbst ein so ausgewiesener Historiker der älteren Generation wie Gerhard Ritter, der gegenüber dem Nationalsozialismus insgesamt ein beachtliches Maß an Resistenz zeigte und sich später sogar im Widerstand engagierte, geriet dadurch in eine seiner »eigenen ›Wahrnehmungsfallen‹«.20 Umso mehr musste dies für die junge Generation gelten, die ihre politischen Anschauungen parallel zum Aufschwung der nationalsozialistischen Bewegung entwikkelt hatte. Laut Conze hatte sich angesichts der »sichtbaren Erfolge der Jahre 1933 bis 1938« zu jener Zeit die Frage aufgedrängt, »ob denn der Nationalsozialismus nicht endlich die nationale, soziale und ›weltanschauliche‹ Integration – übrigens eine alte Idealvorstellung im nationalen Bürgertum – bewirkt hätte, die sowohl das alte Kaiserreich wie mehr noch die Republik nicht hatten zustande bringen können«.21 Von Zweifeln Conzes an der Autorität der Machthaber findet sich für die gesamte Dauer des Dritten Reiches keinerlei Spur. Praktizierte Loyalität und Dienstbereitschaft gegenüber der staatlichen Obrigkeit hatten in der preußischen Beamtenfamilie Conze ohnehin Tradition. Dazu gehörte im Kaiserreich wie selbstverständlich die Laufbahn des Reserveoffiziers, die nicht nur Vater Hans Conze, sondern auch zwei seiner drei Brüder beim 1. Garde-Feldartillerie-Regiment absolviert hatten.22 Werner Conze knüpfte hieran bruchlos – wenn auch unter politisch ganz anderen Bedingungen – an, indem er sich nach Abschluss seiner Promotion ebenfalls freiwillig zum Militärdienst bei der Artillerie meldete. Diesen leistete er zwischen dem 1. Oktober 1934 und dem 12. Oktober des darauffolgenden Jahres beim Artillerie-Regiment 21 in Königsberg und Preußisch Eylau ab.23 Mit dem Antritt des militärischen Dienstjahres endete Conzes Zeit am Königsberger Historischen Seminar. Hier hatten sich die Verhältnisse inzwischen stark verändert. Im Frühjahr 1934 hatte Hans Rothfels aufgrund § 5 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums als ›Nichtarier‹ seinen Lehrstuhl verloren. Der Zeit der ungehinderten wechselseitigen Befruchtung zwischen ihm und seinen Studenten wurde damit ein jähes Ende gesetzt. Die Fürsprache des Kurators der Universität und anderer Honoratioren konnten dies nicht verhindern. Die Oberste Parteileitung der NSDAP in München 37

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wollte den akademischen Nachwuchs im »Kampf um eine ›neue deutsche Zukunft‹ im Osten« um keinen Preis von einem Juden betreut wissen.24 Immerhin 39 Studenten – das war für die damalige Zeit nicht wenig – stellten sich mit einer Solidaritätsbekundung, der sich auch die Assistenten Erich Maschke und Rudolf Craemer in einem kurzen Schreiben angeschlossen hatten,25 hinter den beliebten Professor. So ritterlich die Aktion an sich auch ohne Frage war, stand doch außer Zweifel, dass man den Nationalsozialismus im Allgemeinen durchaus guthieß. Das hatte womöglich auch für Rothfels selbst gegolten, dem die Studenten nun versicherten: »Wir haben mit Ihnen in den letzten Wochen den Anfang eines neuen Deutschland erlebt und den erhofften Umschwung begrüßt. Wenn wir dazu die innerliche Vorbereitung an der Universität in der Hinarbeit auf unseren Beruf, in der Erkenntnis unserer Aufgaben an Volk und Reich fanden, so haben wir das Ihnen zu verdanken. Sie haben uns in einer Zeit, wo andere ratlos waren, den Weg gezeigt zu einer Wissenschaft, die ihre Bindung an Volk und Staat findet. Unter Ihrer Leitung hat uns die Einsicht in nationale und soziale Fragen den Blick erweitert für das Werden und Wesen des neuen Reiches.«26 Das Schreiben an die »Deutsche Studentenschaft« der Albertus-Universität, dem der Brief an Rothfels »als Bekenntnis« beigefügt war, war selbst wiederum ein Bekenntnis zum Dritten Reich. Lediglich den eigenen Lehrer wollte man von den notwendigen »Reformen« ausnehmen; seien doch dessen »gesamte Forschungs- und Lehrtätigkeit […], seine Angriffe gegen die erwähnten destruktiven Tendenzen und einen zersetzenden Individualismus und sein positives Wirken seit den ersten Jahren nach der Umwälzung von 1918 […] ein Beweis dafür, dass er niemals der nun vergangenen Epoche, wohl aber den besten Wegbereitern eines wissenschaftlichen neuen Geistes zuzurechnen« sei.27 Dass Conze die rassistisch begründete Amtsenthebung seines Lehrers ebenso wenig gutgeheißen haben kann, versteht sich von selbst. Im Gegensatz zu anderen vermochte er sich aber nicht zu öffentlicher Kritik durchzuringen. Durch das erzwungene Ausscheiden von Rothfels aus dem Lehr- und Wissenschaftsbetrieb vor Ort galt es für ihn wohl erst einmal die Auswirkungen auf den eigenen Werdegang abzuwägen. Auch der Gang in die Kaserne mag insofern der Unschlüssigkeit darüber geschuldet gewesen sein, wie es nun in beruflicher Hinsicht weiter gehen sollte; genau kann man dies freilich nicht wissen.28 Die Entscheidung für eine wissenschaftliche Laufbahn war längst gefällt. Letztlich erleichterten ihm die mit der Vertreibung seines Mentors von der Universität einhergegangenen, »wechselhaften und unerfreulichen Zustände« nach eigener Auskunft den Entschluss, nach dem Jahr beim Heer Assistent bei Gunther Ipsen zu werden und sich »damit scheinbar von der Historie ab- und der Soziologie zuzuwenden«. Dies bedeutete jedoch keinen Bruch in seinem Planen: »Ich beabsichtigte, endgültig bei der Geschichtswissenschaft zu blei38

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ben, nahm aber das Angebot Ipsens, der mich durch meine Dissertation kennen gelernt hatte, gern an in der richtigen Erwartung, bei ihm auf den mich reizenden Grenzgebieten zwischen Geschichte und Soziologie viel lernen zu können.«29 Betrachtet man die Geschichtswissenschaft im Dritten Reich als ganze, sticht zuerst einmal die deutliche Kontinuität zu der Zeit vor 1933 ins Auge.30 Rein institutionell erfuhr das Wissenschaftssystem keine wesentlichen Änderungen: Die hierarchische Gliederung der Hochschulen mit dem ihr eigenen Ordinarienprinzip blieb ebenso unangetastet wie die Habilitation als primäre Zugangsvoraussetzung. Daneben sicherte die Beibehaltung des Listenvorschlagsrechts bei Berufungen den Fakultäten eine noch immer auffallend starke Autonomie zu.31 Der personelle Aderlass infolge der ›Säuberung‹ der Universitäten von Juden und politisch Mißliebigen wirkte sich im Bereich der Historie allgemein betrachtet nicht in der einschneidenden Art und Weise aus wie in anderen Fachrichtungen; war doch die große Mehrzahl ihrer Vertreter auf den Lehrstühlen ohnehin von protestantisch-bildungsbürgerlicher Herkunft und national-konservativem Zuschnitt. Zu erinnern ist aber an diejenigen – meist jüdischen – Historiker, die anders als der Mainstream ihres Faches ins Exil gingen.32 Außer der Ausnahmefigur Hans Rothfels, der 1938 über England in die USA emigrierte, seien hier nur die folgenden Namen genannt: Hans Baron, Fritz Epstein, Dietrich Gerhard, Felix Gilbert, George W. F. Hallgarten, Hajo Holborn, Ernst Kantorowicz, Paul Oskar Kristeller, Gerhard Masur, Gustav Meyer, Theodor Ernst Mommsen, Arthur Rosenberg, Hans Rosenberg, Alfred Vagts, Veit Valentin.33 Auffällig ist hierbei die große Anzahl von Schülern Friedrich Meineckes, der als einer der wenigen Repräsentanten seines Fachs zu den ›Vernunftrepublikanern‹ der Weimarer Zeit gehörte.34 Einige Aufmerksamkeit wurde in jüngerer Zeit der Historikerin Hedwig Hintze zuteil, die als Jüdin und engagierte Demokratin Deutschland noch 1933 verlassen musste und 1942 – zwei Jahre nachdem ihr akademischer Lehrer und Ehemann Otto Hintze gestorben war – der Deportation im niederländischen Exil durch Freitod entging.35 Insgesamt ging der Übergang der deutschen Historiker in den Nationalsozialismus jedoch fließend vonstatten. Waren alte Nazis zwar eher eine Seltenheit, kam die Geschichtswissenschaft – um hier ein Diktum von Karl Alexander von Müller, der Meinecke 1935 vom Posten des Herausgebers der Historischen Zeitschrift verdrängte, zu zitieren – doch »nicht mit leeren Händen zum neuen deutschen Staat und seiner Jugend«36: Das Ziel einer Revision der Grenzziehungen von ›Versailles‹ und die Distanz gegenüber der parlamentarischen Verfassung der Weimarer Republik gehörten zum Grundkonsens der ›Zunft‹ schon lange vor 1933. Dieser Kontinuitätsaspekt darf freilich nicht die Tendenzen verdecken, die in wissenschaftspraktischer Hinsicht doch einen Wandel signalisierten. Die 39

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Eingriffe des Regimes, etwa durch die sich seit 1935 durchsetzende Leitkompetenz des Reichswissenschaftsministeriums oder die politische Instrumentalisierung universitärer Strukturen mittels der NSD-Dozentenschaften vor Ort,37 waren in diesem Zusammenhang womöglich weniger wirkungsmächtig als die positive Förderung von geschichtswissenschaftlichen Teilbereichen und Forschungsvorhaben. Dabei war es vorerst gar nicht einmal ausschlaggebend, ob eine Förderung tatsächlich erfolgte oder von den betreffenden Historikern nur in vorauseilendem Gehorsam angenommen wurde. Das für weite Teile der Gesellschaft des Dritten Reiches herausgearbeitete Verhaltensmuster des »dem Führer Entgegenarbeitens«38 ist auch auf die Geschichtswissenschaft anwendbar. Mangels einer einheitlichen Wissenschaftspolitik innerhalb des in vieler Hinsicht eben doch polykratischen Verwaltungssystems war man zur Eigeninitiative aufgerufen. Besonders galt dies für jene Nachwuchswissenschaftler, die die nationalsozialistische Machtübernahme mit ihrem Einstieg ins Berufsleben zu vereinbaren hatten und ohnehin mit so manchem Anliegen der Nazis übereinstimmten. Es war dies eine Sternstunde für »aufbruchsbereite, zupakkende Ehrgeizlinge«39. Auf dem Gebiet der volkshistorisch arbeitenden Ostforschung, in das der junge Conze allmählich hineingewachsen war, gab es derer nicht wenige.40

2. Ostforschung Die im Mittelpunkt der Debatte über die deutschen Historiker im Nationalsozialismus stehende Ostforschung gehörte zu den Teilbereichen der Geschichtswissenschaft, die sich vom Nationalsozialismus eine fachliche Aufwertung und Förderung erhofften und bis zu einem gewissen Maße auch erhielten. Inhaltlich war sie durch die Motivation gekennzeichnet, mit revisionistischer Zielsetzung die als traditionell kulturtragend empfundene Dominanz der Deutschen in Osteuropa historisch herauszuarbeiten, während sie in methodologischer Hinsicht dem interdisziplinären Ansatz der Volksgeschichte verpflichtet war.41 Werner Conze hatte sich inzwischen ein Habilitationsthema vorgenommen, das sich in diesen Rahmen geschmeidig einfügte. Bereits im Spätsommer 1935 konnte er recht genau schildern, worum es gehen sollte: »In der geplanten Arbeit […] soll die Entwicklung der alten litauisch-weissrussischen Gebiete, deren Zentrum etwa mit dem heutigen Wilna-Gebiet zusammenfällt, dargestellt werden. Die grosse Agrarreform des 16. Jahrhunderts unter Sigismund August, in der zweifellos, wenn nicht direkte deutsche Entlehnung, so doch deutsch bestimmte Formen deutlich werden, soll dabei vor allem eingehend untersucht werden. Diese Agrarreform bestimmt bis heute weitgehend das Siedlungsbild und hat anscheinend wesentlich die soziale Zusammensetzung des Landvolks und die Bevölkerungsentwicklung des Gebietes beeinflusst. Der Zusammen40

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hang von Agrarverfassung, sozialem Aufbau und Wachstum der Bevölkerung soll aufgewiesen werden.«42 Erst einmal wurde Conze am 1. November 1935 als Nachfolger des Rockefeller-Stipendiaten Helmut Haufe außerplanmäßiger Assistent bei Ipsen an der Psychologisch-Pädagogischen Abteilung des Philosophischen Seminars der Königsberger Universität.43 Sein neuer Förderer begründete den Antrag auf Einstellung Conzes auch unter Hinweis auf dessen Habilitationsprojekt: »Dr. Conze hat durch seine Doktorarbeit über die deutsche Sprachinsel Hirschenhof in Livland bewiesen, dass er charakterlich und wissenschaftlich geeignet ist, im völkischen Grenzkampf erfolgreich zu arbeiten. Er soll im nächsten Jahr mit Unterstützung der Forschungsgemeinschaften über die Bevölkerungs- und Agrarverhältnisse Nordostpolens arbeiten. Die zeitweise Übertragung der Assistentenstelle an ihn ist somit zugleich als weitere und eingehende Schulungsmöglichkeit für ihn im Sinne späterer Aufträge gemeint.«44 Obwohl der Arbeitsvertrag auf zwei Jahre angelegt war, musste Conze bereits nach knapp fünf Monaten um vorzeitige Entlassung bitten. In seinen eigenen Worten war der Grund »das unerwartete Angebot einer neu geschaffenen Stelle beim Generaldirektor der preussischen Staatsarchive, deren Besetzung aus vordringlichen Gründen keinen Aufschub« dulde.45 Es handelte sich um einen Stipendiatenposten bei der Publikationsstelle Dahlem (PuSte) in Berlin. Als dem Preußischen Geheimen Staatsarchiv angegliederte Einrichtung bereits 1931 unter der Bezeichnung »Publikationsfonds« gegründet und dann 1933 umbenannt, fungierte sie als administrative Zentrale der Nordostdeutschen Forschungsgemeinschaft.46 Bei ihrem Leiter, Archivdirektor Albert Brackmann (1871–1952), und seinem Adlatus und – ab 1936 – Nachfolger in der Geschäftsführung Johannes Papritz (1900–1993) liefen die Fäden der gesamten Ostforschung der dreißiger und vierziger Jahre zusammen.47 Die Gründung der PuSte war von vornherein eher politischen als wissenschaftlichen Interessen geschuldet; der Feind, gegen den man anzutreten sich anschickte, waren die polnischen Historiker. In einem Gründungsdokument aus dem Jahre 1931 wurde das deutlich zum Ausdruck gebracht: »In den letzten Jahren wurde die Preussische Archivverwaltung durch eine steigende Flut polnischer Benutzungsversuche in Verlegenheit gesetzt. Nicht wenige der Gesuchssteller waren trotz ihres hohen akademischen Ranges dafür bekannt, dass ihre Wahrheitsliebe und ihr Gewissen als Historiker von nationalistisch-antideutschen Stimmungen getrübt wurde. […] Um sich diesen Andranges erwehren zu können, ohne sich in der gelehrten Welt den begründeten Vorwurf der Illiberalität zuzuziehen, fand die Preuss. Archivverwaltung im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt den Ausweg, eigene Publikationspläne vorzuschützen, wodurch nach allgemeinem Brauch der Wissenschaft die betreffenden Bestände für Benutzung von anderer Seite gesperrt wurden.«48 41

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Dabei war man sich bewusst, »welche Rolle die historischen Argumente der Polen bei den Grenzziehungen 1919/20« gespielt hatten und wollte daher der »Verunglimpfung der preußischen Verwaltung und Verkleinerung ihrer Leistungen in den Provinzen« entgegenwirken.49 Bei der zwei Jahre später ebenfalls unter der Ägide von Brackmann erfolgten Gründung der Nordostdeutschen Forschungsgemeinschaft formulierte man noch drastischer und betonte ausdrücklich die Übereinstimmung mit der politischen Ausrichtung der neuen Machthaber: »Das Ziel ist die angesichts der überaus regen, bedrohlichen Aktivität der slawischen Wissenschaftler dringend gebotene stosskräftige Zusammenfassung aller in der Deutschtumsarbeit des Nordostens stehenden Kräfte der Wissenschaft zu einheitlich ausgerichteter, wirklich fruchtbarer Tätigkeit. Der Verwirklichung dieses an sich schon alten und gerade neuerdings wieder von vielen Seiten nachdrücklich vertretenen Gedankens stehen, seitdem der Führer Adolf Hitler die Richtlinien einer klaren, zielbewussten Ostpolitik des neuen Deutschland vorgezeichnet hat, keine Bedenken mehr entgegen.«50 Werner Conze hatte sich mit Unterstützung Theodor Oberländers, der dem Vorstand der NOFG angehörte, seit dem Sommer 1935 um ein Stipendium der Forschungsgemeinschaft bemüht. Oberländer nahm in seinem Empfehlungsschreiben an Brackmann Bezug auf Conzes Forschungsvorhaben im »WilnaGebiet«: »Da die polnisch-litauischen Beziehungen für uns eine immer grössere Bedeutung erlangen, besteht ein besonders grosses Interesse dafür, dort einige sehr zuverlässige Beobachter der Dinge und gleichzeitig spätere Kenner dieser ganzen Fragen heranzuziehen.«51 Nachdem ihm zuerst ein einfaches Jahresstipendium bewilligt wurde, verschaffte Brackmann ihm dann einige Monate später eine Stelle bei der PuSte, die Conze dann im April 1936 antrat. Er selbst sah seine Mitarbeit zum Leidwesen seines neuen Vorgesetzten dort von vornherein auf maximal anderthalb Jahre befristet, sein primäres Ziel war die Habilitation in Königsberg.52 Zu dieser Zeit war man in der PuSte unter anderem damit beschäftigt, eine Kartei anzulegen, mit der die Tätigkeiten von polnischen Forschungsinstituten und Forschern beobachtet werden sollten.53 Conzes Sachgebiet erstreckte sich dabei seinen Erfahrungen und Neigungen gemäß auf das Baltikum und Ostpreußen, ausdrücklich vermerkt wurden seine »Ost-Sprachkenntnisse«.54 Doch waren die Stellen vor Ort so ausgerichtet, dass noch immer Zeit blieb für die eigenen Forschungen der Nachwuchswissenschaftler. Auch Conze brachte die Arbeit an seiner Habilitation ein gutes Stück voran: Außer einer mehrwöchigen Reise nach Nordostpolen, im Rahmen derer er sich der »literarischen Vorbereitung« in Wilna55 und der »Anschauung des Landes, vor allem der durch die Realteilung verfälschten alten Flurverfassung« in den umliegenden Regionen widmete, konnte er auf die Klärung von Aufbau und Inhalt seiner Untersuchung verweisen.56 42

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Nach Ablauf des Jahres in Berlin trat Conze am 1. April 1937 wieder seine außerplanmäßige Assistentenstelle bei Ipsen in Königsberg an.57 Ipsen vertiefte inzwischen wie ehedem Hans Rothfels durch Studienfahrten in das weitere Umland die Beziehung zu seinen Schülern. Conze erinnerte sich an eine Exkursion in das südliche Ostpreußen: »Hauptziel der Fahrt war das masurische Dorf Piassutten im Kreis Ortelsburg. Ich sehe noch heute die aus Holz gebauten Höfe und Hütten an das Ufer des Sees geschmiegt vor mir. Ipsen lehrte uns, die Geschichte des Dorfes sehend zu begreifen.«58 In dieser Absicht begab Conze sich auch auf eine wiederum von der NOFG finanzierte Reise nach Wilna und Umgebung, wo ihn vor allem die Siedlung Papróc als ein »schönes, spätes Beispiel deutscher Rodung und Kolonisation« beeindruckte.59 Vor Ort in Königsberg rechnete man ihn ausdrücklich zum Universitätslehrernachwuchs;60 die planmäßige Assistentenstelle, die ihm von Oktober 1938 an zugesichert wurde, diente – wie zuvor schon die außerplanmäßige – in erster Linie der finanziellen Unterstützung seines Habilitationsvorhabens.61 Inzwischen verheiratet und in der Hoffnung auf Nachwuchs war er hierauf auch dringend angewiesen; für die »notwendigen häuslichen Anschaffungen« in Anbetracht der erwarteten Entbindung seiner Frau reichten das monatliche Einkommen von 204 RM und die Ersparnisse von 50 RM im Juli 1937 schon nicht mehr aus, so dass er den »unangenehmen Antrag« auf einen Vergütungsvorschuss zu stellen gezwungen war. An der trotz institutioneller Absicherung desolaten materiellen Lage des promovierten Junghistorikers hatten auch die »gelegentlichen geringen Einnahmen aus Zeitschriftenaufsätzen« nicht viel zu ändern vermocht.62 Die ersten kleineren Veröffentlichungen seit seiner Doktorarbeit entstanden noch während der zwölf Monate, da Conze an der Publikationsstelle in BerlinDahlem beschäftigt war. Sie boten ihm die Möglichkeit, die Leitmotive seines Habilitationsprojektes feilzubieten und für die Bedeutung seiner Forschung zu werben. Das deutete sich schon in seinem Referat »Dringende Fragen des polnischen Bauerntums« an, das im Sommer 1936 in der Zeitschrift »Osteuropa« erschien. In diesem Bericht über eine im selben Jahr von der polnischen Regierung veranstaltete Konferenz zu Fragen der »Kultur des Dorfes«, einem Thema, das für ihn auf die »wohl ernsteste Sorge des heutigen Polens« hinführte, arbeitete der Stipendiat das Hauptproblem der dortigen Agrargesellschaft heraus: die aus der ländlichen Verfassung hervorgegangene »Übervölkerung«.63 Seinem Interesse an dem Zusammenhang zwischen Agrarstrukturen und Bevölkerungsentwicklungen verlieh Conze auch in einem im Februar 1937 in derselben Zeitschrift erschienenen Literaturbericht über die »Bevölkerungsentwicklung des Ostens« Ausdruck. Dabei stimmte er dem von ihm rezensierten Helmut Haufe, seinem Vorgänger auf der Königsberger Assistentenstelle, 43

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darin zu, dass in Osteuropa »die fehlenden industriellen Voraussetzungen zum Aufsaugen der Bevölkerung und das Unvermögen der liberalen Reformen, an Stelle der überwundenen Agrarverfassungen eine neue Ordnung zu setzen«, die Hauptursachen einer durch den Bevölkerungszuwachs sich noch verstärkenden »latenten revolutionären Spannung« seien. Im Kern ist hiermit umrissen, was Conze zu jener Zeit umtrieb: ein desolates, ›übervölkertes‹ und daher revolutionsschwangeres Osteuropa vor den Toren des Deutschen Reiches. In dieses Problemfeld wollte er selbst mit seiner Arbeit hineinstechen: »In diesem großen Zusammenhange ist Haufes Arbeit wohl wert, Ausgangspunkt und Grundlage zu weiterer Erforschung der soziologischen Grundlagen des Verhältnisses Deutschlands zu Osteuropa zu bilden.«64 Während sein aus einem Forschungsaufenthalt vor Ort hervorgegangener Beitrag zur »Agrarforschung in Wilna«, sowie sein erster längerer Aufsatz, eine agrarhistorische Darstellung des dörflichen Strukturwandels in Neuostpreußen zwischen 1795 und 1807, jeglicher Anzeichen nationalsozialistischer Weltanschauung entbehrten,65 deutete sich noch im selben Jahr 1937 eine Tendenzverschiebung an. Zum Vorschein kommt sie in dem Artikel, in dem Conze den Inhalt seiner Dissertation resümierte. Schon dort hatte er die »Einschmelzung der Hirschenhöfer Sprachinsel in die deutsche Volksgemeinschaft des Landes« als Ziel der Entwicklung nach Weltkrieg und Revolution angesehen und von der Notwendigkeit der »Erneuerung zu einer durchgegliederten deutschen Volksgruppe« gesprochen. Drei Jahre später formulierte er ungleich schärfer: »Die Kernfrage war und ist dabei, aus geistiger und sozialer Zerrissenheit, biologischer Zerrüttung heraus zur Bildung einer lebenskräftigen deutschen Volkstumsgruppe zu kommen, die das baltische Deutschtum nie gewesen ist.«66 Die baltische Geschichte müsse neu geschrieben werden, »bestimmt durch die Lebensgrundlagen von Rasse und Raum, Volk und Heimat.« Daneben schlug sich der antiindividualistische Wesenszug der Volksgeschichte noch ausdrücklicher nieder als in der Dissertation. Waren dort trotz des auf die Kolonistengemeinschaft gerichteten Erkenntnisinteresses die Siedler noch namentlich aufgeführt und ihre anfänglichen Schwierigkeiten empathisch mit verfolgt worden, so fungierte nun das Individuum lediglich als ein für sich allein bedeutungsloses Glied im Körper der Gemeinschaft, die aus einem »Haufe von völlig zusammenhanglosen, in der Heimat überflüssig gewordenen Einzelmenschen aus den verschiedensten Gegenden Deutschlands« entstanden sei. Zeigten sich also bereits in der Charakterisierung der deutschen Kolonisten deutliche sozialdarwinistische Schwingungen, verwundert es kaum, dass Conze abermals deren »instinktiven Selbsterhaltungstrieb« und »strenge Abschließung nach Außen« würdigte. In diesem Zusammenhang ging er auch auf die Frage des Einflusses von Juden ein, der in der Doktorarbeit noch über44

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haupt nicht thematisiert worden war, unter den aktuellen Zeitumständen aber offensichtlich einer Erwähnung bedurfte. Conze stufte ihn gering ein und bemerkte lapidar: »Die jüdischen Zwischenhändler werden möglichst gemieden. Der Kolonist tut sich etwas darauf zugute, dass er es mit dem Juden aufnehmen kann und läßt ihn so wenig wie möglich in die Kolonie hinein. Eine vor einigen Jahren in Hirschenhof errichtete Verkaufsbude eines Juden konnte sich nur kurze Zeit halten. Alle Handlungen sind in den Händen von Kolonisten.«67 In der Folgezeit häuften sich auch in seinen zahlreichen Buchbesprechungen Aussagen, die eine affirmative Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus zum Ausdruck brachten: So sprach er etwa von der »Auseinandersetzung zwischen Germanen- und Asiatentum in Osteuropa«,68 der »Befreiung [der Stadt Tilsit] durch die nationalsozialistische Revolution«,69 der »Neubildung des Bauerntums im Dritten Reich«,70 dem »neuen deutschen Lebenswillen« angesichts des »biologischen Verfalls der europäischen Völker«71 oder der »echten« deutsch-polnischen Verständigung »im Geiste des Nationalsozialismus«, der »an die grundlegende Rede Adolf Hitlers vom 17. Mai 1933« anknüpfend einen neuen Weg für das Zusammenleben der Völker gewiesen habe.72 An einer anderen Stelle war er sich noch nicht einmal zu schade, der »nationalsozialistische[n] Revolution« die »Idee eines völkerverbindenden Nationalismus« zuzuschreiben.73 In seinem Buchreferat »Bismarck und Polen« betonte Conze, der (polnischjüdische) Autor Josef Feldmann stehe »in seiner demokratisch-liberalen Grundhaltung und nach seiner Rassezugehörigkeit der Welt Bismarcks durchaus fern« und rechtfertigte seine trotz dieser grundlegenden Mängel verfasste Besprechung damit, dass das Werk »von der polnischen Wissenschaft in Anspruch genommen« werde.74 Überhaupt blieb er ein aufmerksamer und meist kritischer Beobachter der polnischen ›Kollegen‹;75 einem von diesen bescheinigte er gönnerhaft einen »für einen Polen […] verhältnismäßig hohen Grad des Verständnisses für oberschlesische Fragen«.76 Doch nahm er einstweilen den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt aus dem Jahre 1934 offensichtlich noch beim Wort. In einer längeren Rezension über den »Mythos vom Deutschen in der polnischen Volksüberlieferung und Literatur« schrieb er, dass der »Weg gegenseitiger Achtung und besseren Verstehens« weitergegangen werden müsse, »weil Deutsche und Polen durch enge Nachbarschaft und beiderseitige Durchdringung darauf angewiesen sind«. Was das polnische Bild von den Deutschen anging, bedauerte er das »Unverständnis« der wenigen Romane, die sich mit der »nationalsozialistischen Bewegung« befassten; hier zeige sich »der jüdische Einfluß und die Vormacht der Linken im polnischen Literaturbetrieb der Nachkriegszeit«.77 Dass im übrigen der Großteil seiner damaligen Rezensionen von Arbeiten über das Deutschtum im Osten weitgehend frei blieb von positiver Bezug45

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nahme auf den Nationalsozialismus und antisemitischen Anklängen, ist an sich noch kein Zeichen für Distanz zum Regime. Neben thematischen Bedingtheiten muss man auch die Kürze der Artikel von oft nur wenigen Zeilen in Rechnung stellen.78 Seine vier Beiträge für die Zeitschrift »Jomsburg«,79 dem Hausorgan der Berliner Publikationsstelle, waren zudem der strategischen Forderung von Seiten der NOFG unterworfen, gegenüber einem internationalen Zielpublikum auf offene Revisionsforderungen zu verzichten und klar zwischen Wissenschaft und Propaganda zu trennen.80 Conzes Forschungstätigkeit seit Mitte der dreißiger Jahre kulminierte in seiner Habilitationsarbeit. 1940 unter dem Titel »Agrarverfassung und Bevölkerung in Litauen und Weißrußland. I. Teil: Die Hufenverfassung im ehemaligen Großfürstentum Litauen« veröffentlicht, lag sie schon vor Ausbruch des Krieges fertig vor. Zu einem zweiten Teil kam es nicht mehr. Beispielhaft für die Anerkennung, die der Arbeit in der Fachwelt noch bis in die neunziger Jahre hinein zuteil wurde, ist das Urteil, dass »das Buch des erst Dreißigjährigen […] sich bis zum heutigen Tag als tragfähig und von der ersten bis zur letzten Seite überzeugend in seiner Sachlichkeit« erwiesen habe.81 Und in der Tat lieferte Conze hier eine Untersuchung, der im Gegensatz zu vielem anderen zu dieser Zeit Publiziertem nicht der üble Geruch brauner Propaganda entströmte. Doch verbirgt sich hinter der trockenen Expertise seiner detailreichen Agrargeschichte doch mehr an ideologischer Fracht, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Wie er einleitend betonte, behandelte Conze in seiner Arbeit den »Zusammenhang von Agrarverfassung und Bevölkerung im Gebiete des ehemaligen Großfürstentums Litauen«. Als Untertitel und Leitmotiv gleichermaßen fungierte dabei die Hufenverfassung. Die hier genannten Termini gilt es in ihrer Verwendung durch Conze zu begreifen, bevor Argumentation und Sinnzusammenhang der Untersuchung nachvollzogen werden können. »Agrarverfassung wird verstanden als das Ganze der bäuerlichen Lebensordnung, als die Verfassung des Landvolks innerhalb eines Volkes und Staates überhaupt. In den Verhältnissen der rein oder vorwiegend ländlichen Gesellschaft Ostmitteleuropas wird sie daher zur Volksordnung schlechthin. Bevölkerung heißt im Anschluß an G. Ipsens Bevölkerungslehre nicht bloßer Querschnitt einer ›ausgezählten Summe von Individuen‹, sondern stellt sich uns dar als ständiger Vorgang, der sich im Lebensraum eines Volkes vollzieht.«82 Ipsen selbst, der seine bevölkerungswissenschaftliche Konzeption 1935 in seinem hier von Conze zitierten Beitrag zum »Handwörterbuch des Grenz- und Auslanddeutschtums« auf beinahe achtzig engbedruckten Spalten erschöpfend dargelegt hatte, wandte sich deutlicher als sein Schüler gegen die »Entartung des Bevölkerungsbegriffs« im Anschluss an eine den »liberale[n] Gesellschaftsbegriff« vorwegnehmende rein mathematische Bevölkerungsanalyse und definierte die Bevölkerung als »Drang […], womit eine Rasse ihren Herrschafts46

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raum lebendig erfüllt«; Bevölkerung sei demnach »das immerwährende Geschehen, wodurch die Rasse ihren Bestand erhält«.83 Conze schlug da sanftere Töne an; dennoch wird klar, dass es auch ihm in seiner Arbeit nicht um rein landwirtschaftliche Fragen ging, wie es der Titel auf den ersten Blick vermuten lassen könnte, sondern vielmehr um die gesamte soziale Struktur des behandelten Gebietes.84 An diese ging der junge Volkshistoriker mit Vokabeln heran, deren Tauglichkeit, zumal in ihrer an dieser Stelle zu beobachtenden Verwendungsweise, aus heutiger Sicht nicht mehr für selbstverständlich genommen werden kann: »[Der] Lebensraum ist mehr als eine bloße Fläche, eine natürliche Begebenheit, sondern bildet sich, dehnt sich aus oder geht zurück je nach der Fähigkeit und dem Willen eines Volkes, natürlich gegebene Landschaften durch Arbeit und Kampf sich anzueignen, zu ordnen, zu erfüllen und zu behaupten. […] Der Beschränkung des Lebensraums steht […] ein ständiger Druck des natürlichen Gattungsvorgangs entgegen, der sich in den Grenzen staut und über die hinausdrängt. Dieses dauernde Spannungsverhältnis zwischen Lebensraum und Bevölkerung kann sich auf sehr verschiedene Weise ausdrücken, kann durch Erweiterung entspannt, durch Übervölkerung verschärft werden.«85 Dieses Lebensraum-Verständnis, das durchaus dem einen Grundpfeiler der Hitlerschen Weltanschauung ähnelt, steht im Hintergrund des gesamten Werks;86 wollte es doch das »Wirkungsverhältnis eines Lebensraums mit bestimmter Verfassung und seiner Bevölkerung […] an einem großen Beispiel« darstellen. Warum aber Litauen? Die Antwort lieferte Conze unverzüglich: Dieses sei seit dem 16. Jahrhundert einheitlich von der Hufenverfassung nach deutschem Vorbild erfasst worden und damit »im Gegensatz zum russischen Osten in die deutsch-mitteleuropäisch bestimmte Ordnung« eingetreten.87 Die bereits auf den frühmittelalterlichen fränkischen Staat in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts zurückgehende Hufenverfassung bezeichnet die Einordnung von Hufen – bäuerlichen Betriebseinheiten, die, ursprünglich als Familienbetrieb angelegt, zunehmend von mehreren Inhabern gemeinsam bewirtschaftet wurden – in die Grundherrschaft. Seit dem Spätmittelalter hatte sich das System der Flureinteilung in Hufen gerade auch in der Ostkolonisation durchgesetzt.88 Die Bedeutung der Hufenverfassung hatte schon Ipsen in seiner Ontologie des »Landvolks« hervorgehoben: »[Die] Hufe ist in ihrer Zielung vom Dorf auf den Bauern ein ständischer Begriff. Sie meint nicht das jeweilige Dasein und Sosein dieser und jener Bauernwirtschaft; sie meint auch nicht die tatsächliche Gleichheit aller: sondern setzt eine Norm, die dem individuellen Träger gegenüber eigenmächtig und objektiv gültig ist.«89 Für Conze stellten die Auswirkungen dieser »fremden, nach deutschen Maßstäben ausgebildeten Verfassung« auf die Bevölkerungsentwicklung der litauischen und slawischen Bauern und deren Auseinandersetzung mit ihr nun 47

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»die eigentliche Frage« dar.90 Der Beispielcharakter der Situation in Litauen bezog sich somit auf die Leistungen und Möglichkeiten deutscher ›Kulturarbeit‹ in der Vielvölkerzone Nordosteuropas angesichts des Einflusses der konkurrierenden Großmacht im Osten und der slawischen Bevölkerungsgruppe; daher auch die Gegenüberstellung von (nichtslawischen) Litauern und (slawischen) Weißrussen. Jene hätten sich von diesen in ihrer Annahme der neuen Ordnung nun grundlegend unterschieden: »Es erwies sich aber, dass die Litauer fähig waren, die Hufenordnung zunächst einigermaßen rein zu übernehmen. […] Durchaus entgegengesetzt war das Verhalten der ostslawischen Bauern zur neuen Verfassung. Dort traf die Reform auf eine bäuerliche Bevölkerung, die nach ihren Maßstäben als Übervölkerung gelten musste. […] So zeichnet sich schon während der Einführung der Hufe im Großfürstentum die beginnende Auseinandersetzung slawischen Kleinbauerntums mit dem aufgezwungenen Maß deutscher Agrarverfassung ab, wovon im Folgenden die Rede sein soll.«91 Während in der Folgezeit bei den Litauern »reine Hufenverfassung und litauische Neusiedlung […] in einem inneren Zusammenhang« gestanden hätten, habe sich bei den Weißrussen letztlich das »slawische Kleinbauerntum […] gegenüber der neuen Ordnung weitgehend durchgesetzt«.92 Kern und Endpunkt seiner Untersuchung war die Frage nach der Bevölkerungsentwicklung bis zum Ende polnischer und litauischer Staatlichkeit infolge der polnischen Teilungen zwischen 1792 und 1795, deren Beantwortung gleichzeitig das Ergebnis des vorliegenden ersten Teils der Gesamtuntersuchung bildete: »Während bei den Litauern im allgemeinen die Zahl der Stellen nicht wesentlich über die Zahl der Hufen hinausgegangen war, waren die slawischen Stellen annähernd um das Doppelte über die Zahl der Hufen angestiegen. […] Die spätere Übervölkerung des Dorfes in Weißrußland wird schon in dieser früheren Entwicklung spürbar vorbereitet.«93 Was den Gegenwartsbezug des Ganzen anbelangte, wies Conze in seiner Einleitung immerhin die Richtung, in die die geplante Fortsetzung gehen sollte. Vorausgreifend raunte er von einer durch Bauernbefreiung und liberale Reform bewirkten »Bevölkerungsfreisetzung und -bewegung, die unmittelbar an die heute brennende Frage der Übervölkerung« heranführe.94 Vorerst ging es ihm aber vor allem darum, die Vorzüge deutschrechtlich geprägter Strukturen in Osteuropa und gleichzeitig deren unterschiedliche Resonanz bei Balten (Litauern) und Slawen (Weißrussen) zu manifestieren. Die Slawen zogen bei diesem Vergleich eindeutig den Kürzeren. Bei all dem hatte Conze sich hier eines interdisziplinären Ansatzes bedient, der Geschichte, Agrarsoziologie und Demographie miteinander verband. Noch stärker als seine Dissertation war die Arbeit von Karten, Tabellen und Statistiken durchzogen, was den Eindruck ›harter Wissenschaft‹ untermauerte. Sie als die »imposanteste Leistung der Volksgeschichte in den vierziger 48

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Jahren« zu bezeichnen,95 mag insofern berechtigt sein. Ob man damit der Volksgeschichte insgesamt ein gutes Zeugnis ausstellt, ist fraglich.96 Schließlich sollte man nicht die wissenschaftspolitische Stoßrichtung außer Acht lassen, die hinter der Analyse des Habilitanden stand. Mit der Gegenüberstellung des Segens deutscher Ordnung und des Versagens slawischen Landlebens bewegte er sich – wenn auch auf recht ›gepflegte‹ Art und Weise – wie selbstverständlich auf dem Terrain des Volkstumskampfes seines Königsberger Umfelds. Dort begrüßte man Conzes Habilitation dann auch »aus wissenschaftlichen wie aus politischen Erwägungen heraus«. Habe doch das Vorwiegen der nichtdeutschen Forschung auf diesem Gebiet dazu geführt, dass »die Rolle und Bedeutung des deutschen Volkselements in der wirtschaftsgeschichtlichen Entwicklung Osteuropas ungebührlich« verkleinert und die »aus politischen Ressentiments des Augenblicks entstammenden Theorien einer ›autochthonen‹ slawisch-baltischen Wirtschaftsverfassung« vertreten worden seien.97 Der gutachtende Gunther Ipsen überbot sich wieder einmal selbst: »Inhaltlich ist der Gegenstand der Untersuchung nicht nur neu, sondern besonders lehrreich und ergiebig. Seit langem ist gesehen worden, dass die große deutsche Ostbewegung sich nicht in der Wirkung, dem Dasein und den Leistungen deutscher Menschen erschöpft, sondern dass darüberhinaus deutsche Lebensformen umbildend und schaffend in das Dasein und die Ordnungen benachbarter Völker eingegriffen haben. […] In der Einführung und Umbildung [der Hufenverfassung, d. Verf.] […] wirken sich so unverkennbar verschiedene Anlagen und Richtungen rassisch verschiedener Art aus, dass die sozialgeschichtliche Nachzeichnung dieser Auseinandersetzung des Litauer- und Weißrussentums mit deutscher Art zu den reizvollsten und lehrreichsten Ergebnissen der vorliegenden Arbeit gehört. Hierzu zählt auch die Einnistung des Judentums in die Risse und Hohlräume eines aus rassischen Gründen unstimmig gewordenen Gefüges.«98 Man muss allerdings betonen, dass Conze selbst in seiner Untersuchung nicht rassistisch argumentierte. Ebensowenig spiegelte sich im Text der antisemitische Eifer seines Lehrers wider. Auf die Rolle der Juden ging er nur ganz kurz an einer Stelle ein, wo er die Auswirkungen des »jüdischen Wuchers« auf den litauischen Bauernstand angesichts der 1529 gesetzlich vollzogenen Umwandlung von Natural- in Geldabgaben beschrieb: »Diese Notlage nutzten die Juden aus, die in dieser Zeit der beginnenden Gutswirtschaft, steigenden Handels und Kreditbedürfnisses bei Adel und Bauern ihre Stellung in der Wirtschaft und der Agrarverfassung ausbauten, die sie dann jahrhundertelang behauptet haben. ›Viele Leute verkommen wegen des sündhaften Borgens durch die Schlauheit der Juden.‹«99 Die pejorative Aussage des von ihm selbst aus einer russischen Quelle übersetzten Zitats am Ende der Passage machte sich Conze durch die kommentar49

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lose Einfügung in seine Argumentation zu Eigen. Doch war dies noch harmlos im Vergleich zu antisemitischen Äußerungen im Rahmen einiger kleinerer Aufsätze, die er unterdessen in den Jahren 1938/39 zur Veröffentlichung freigegeben hatte.

3. »Entjudung« Inzwischen hatte sich das NS-System in einer kaum zu überbietenden Art und Weise konsolidiert und der weitgehenden Zustimmung der Bevölkerung versichert. Im Großen und Ganzen bedurfte es »des Terrors nicht, um die Mehrheit – oder auch signifikante Minderheiten – in Reih und Glied zu zwingen«.100 Dies betraf auch die unerbittliche Ausgrenzung und Verfolgung der deutschen Juden, die nach einer trügerischen Latenzphase im Windschatten der Olympischen Spiele 1936 in Berlin erneut an Schärfe zunahm und mit der »Reichskristallnacht« im November 1938 jede Illusion hinsichtlich einer Zukunft jüdischen Lebens im Deutschen Reich endgültig zerstörte.101 Der »Krieg gegen die Juden« (Lucy Dawidowicz) tobte vor den Augen und mit dem – wenngleich eher teilnahmslosen – Einverständnis der meisten nichtjüdischen Deutschen.102 So problematisch die monokausale Überhöhung einer spezifisch deutschen Tradition eines »eliminatorischen Antisemitismus« auch sein mag,103 bleiben doch auch strukturalistische und modernitätskritische Ansätze unbefriedigend, wenn man nicht nur die Täter, sondern auch die Opfer, die Juden, berücksichtigen will.104 Es ist von einer weiten Verbreitung des Antisemitismus als einem »kulturellen Code« auszugehen, der seit dem 19. Jahrhundert Ressentiments gegen den Liberalismus und die emanzipatorischen Begleiterscheinungen der Moderne bündelte.105 Auf dieser Grundlage wurden die Deutschen nach 1933 unter dem utopischen Versprechen einer homogenen Volksgemeinschaft und den Bedingungen des totalitären Staates für den rassistisch-apokalyptischen »Erlösungsantisemitismus« Hitlers und seines engeren Umkreises empfänglich gemacht.106 Selbst dort, wo die Ideologie nicht verinnerlicht wurde, war der antisemitische Code doch meist stark genug, um deren praktische Konsequenzen mit mitleidsloser Ignoranz hinnehmen zu können. Damit gingen die Isolierung der Juden und ihr graduelles Verschwinden aus der Gesellschaft einher. In den Köpfen der Deutschen wurden sie immer mehr zu einer Abstraktion.107 Wenn dies schon für die Juden im eigenen Lande, also (ehemalige) Bekannte, Nachbarn, Kollegen, Mitbürger galt, musste dies für die Juden in den angrenzenden osteuropäischen Staaten noch mehr gelten, die seit Mitte der dreißiger Jahre einen Gegenstand der bevölkerungswissenschaftlichen Ostforschung darstellten und dabei als »nicht bodenständig« mitunter schon buchstäblich von volksgeschichtlichen Landkarten gestrichen wurden.108 50

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Es waren wiederum Königsberger Wissenschaftler, die sich dabei im Bereich der Bevölkerungslehre besonders hervor taten. Mehr noch als Gunther Ipsen hatte sich hier Theodor Oberländer 1935 mit seinem Werk über die »agrarische Überbevölkerung Polens« als exemplarischer Repräsentant eines »sozialtechnokratischen Expertentums« erwiesen, das in vieler Hinsicht den charakteristischen Typus innerhalb der Beziehung von Humanwissenschaften und totalitärem Staat im Dritten Reich darstellte.109 Sein für die Polen-Abteilung zuständiger Mitarbeiter am Institut für osteuropäische Wirtschaft, Peter-Heinz Seraphim, sorgte 1938 mit seinem Buch »Das Judentum im osteuropäischen Raum« für die Verquickung der »Bevölkerungsfrage« mit der »Judenfrage«.110 Ein Jahr später schrieb er vom »Massenproblem der Juden in Osteuropa«, das »neue, die bisherigen Siedlungsziele sehr weit übertreffende Auswanderungsmöglichkeiten für die Juden« erforderlich mache, »wenn eine Entleerung des osteuropäischen Raums von den Juden und damit eine Lösung des bevölkerungspolitischen Teils der osteuropäischen Judenfrage als möglich angenommen werden soll«.111 Auch Werner Conze trug in den Jahren 1938 und 1939 seinen Teil dazu bei, die aufgrund von nationalistisch aufgeladenem Antisemitismus und wirtschaftlicher Stagnation ohnehin bedrohte Existenz jüdischen Lebens in Ostmitteleuropa112 in Frage zu stellen. Im Deutschen Reich waren zu dieser Zeit jene Juden, die sich noch nicht zur Auswanderung hatten durchringen können, bereits den »bürgerlichen Tod« gestorben.113 So konnte auch das in Conzes damaligen Wohnort Metgethen ansässige Judenreferat des SD für den Oberabschnitt Nord-Ost im Januar 1939 triumphierend berichten, dass das vorangegangene Jahr »auf dem Gebiet Judentum die Entscheidung« gebracht habe. Die »bereits bestehenden Gesetze und Verfügungen« seien zu einem »lückenlosen Ring« geschlossen worden, »die [sic] dem Judentum keinen Ausweg mehr boten«.114 Im Juli 1938 erschien in der Zeitschrift »Osteuropa« Conzes Bevölkerungsstudie »Wilna und der Nordosten Polens«. Seine Sympathien lagen dabei eindeutig bei der polnischen Volksgruppe; Wilna sei, »mehr als oft verbreitet wird, eine polnische Stadt«, man habe ein »bodenständiges Polentum« vor sich. Über die dort ansässigen Juden, die die »Erbschaft« der einstigen deutschen Bürger der Stadt angetreten hätten, äußerte er sich hingegen abfällig: »Wilna ist heute ein Zentrum des Weltjudentums. Dort wird der Talmud gedruckt. Dort steht seit 1925 das ›Jiddische Wissenschaftliche Institut‹ mit einem riesigen wissenschaftlichen Apparat und einer großen Zahl von Hilfskräften im Dienst der jüdischen Sache. Ein knappes Drittel der Bevölkerung ist jüdisch. Wenn auch die beherrschende Stellung in Handel und Handwerk zurückgeht, so ist die Macht dieses Fremdkörpers immer noch unerträglich genug.«115 Schon mit den Ausdrücken »jüdische Sache« und »Weltjudentum« lehnte Conze sich an die nationalsozialistische Gedanken- und Begriffswelt an,116 die 51

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sich für ihren Teil überkommenen antijudaistischen Traditionen, wie der hier anklingenden Ablehnung des Talmuds, verpflichtet sah. Besitzt schon die Metapher des »Fremdkörpers« einen biologistischen Beiklang, begrüßte Conze den von ihm als »biologische Unterlegenheit« charakterisierten Rückgang des jüdischen Bevölkerungsanteils dann als »Beginn einer fortschreitenden Entjudung«.117 Mit diesem Begriff, der mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom April 1933 zu einem Schlüsselbegriff der NS-Judenpolitik geworden war, und seinem Gegenbegriff der »Verjudung«, den er in einem anderen Aufsatz zur Charakterisierung litauischer Städte benutzte,118 hatte er sich vollends die »Sprachformen aus dem Kampf gegen das Judentum« der Nationalsozialisten angeeignet.119 Auch in seinem Schulungsbrief »Die weißrussische Frage in Polen«, den er für den von Theodor Oberländer geleiteten »Bund Deutscher Osten« (BDO) verfasste, kam Conze auf die Juden zu sprechen. Hinsichtlich ihrer Rolle innerhalb der ländlichen Verfassung vor der Bauernbefreiung 1861/64 entwarf er ein gleichermaßen düsteres Szenario: »Die Bauern lebten in völliger Abhängigkeit von ihrem Herrn und ihrem Dorfjuden. Fast jedes Dorf besaß einen Krug, der dem Gutsherrn gehörte und in fast allen Fällen an Juden verpachtet war. Was der Gutsherr dem Bauern ließ, zog ihm der Jude aus der Tasche. Wir müssen uns von allen deutschen Vorstellungen über den Bauern freimachen, wenn wir einigermaßen ermessen wollen, wie dumpf und elend diese Bauern dahinvegetierten in ihren Holzhütten, auf ihren schlechten Feldern, mit ihrem dürftigen Vieh, bei der Arbeit auf dem Gutsacker und beim Schnaps des Dorfjuden.«120 Seien schon die deutsche Besatzungszeit im Ersten Weltkrieg und die den Deutschen zugewiesenen Eigenschaften der »überlegenen Macht, Ordnung und Gerechtigkeit […] beim einfachen weißrussischen Volk in guter Erinnerung« geblieben,121 verwundert es kaum, dass Conze dieses in sein Lob des NSRegimes und der Judenpolitik Hitlers mit einstimmen ließ: »Die nationalsozialistische Revolution hat auch bei den Weißrussen einen großen Eindruck hinterlassen. Der Name des Führers ist in die entlegensten Dörfer gedrungen, vor allem wegen seiner klaren Politik in der Judenfrage, die der arme weißrussische Bauer ja selbst jeden Tag zu spüren bekommt.«122 Hiermit hatte er seine Übereinstimmung mit der nationalsozialistischen Judenverfolgung der Vorkriegsjahre deutlich zum Ausdruck gebracht. Nach fünf Jahren der Diktatur bejahte er öffentlich nicht nur die inklusiven, sondern auch die exklusiven Aspekte der Volksgemeinschaft. Das wird durch seinen letzten Aufsatz der Vorkriegszeit bestätigt. Für den XIV. Internationalen Soziologen-Kongress, der eigentlich Ende August 1939 in Bukarest stattfinden sollte, allerdings dann wegen des herannahenden Kriegsausbruchs abgesagt wurde, lieferte Conze auf Anregung Ipsens, seines Zeichens Leiter der deutschen Delegation, einen Beitrag über 52

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die »ländliche Übervölkerung Polens«.123 Er ging hier abermals von der organizistischen Bevölkerungslehre des letzteren aus und berief sich auf das Modell des »Stufengangs«, das den untrennbaren Zusammenhang von »Ausweitung des Lebensraumes und Verstärkung des Gattungsvorganges« bezeichne. »Übervölkerung« entstehe demzufolge dadurch, dass »eine eintretende Spannung eines drängenden Gattungsvorgangs und eines zu eng werdenden Lebensraumes […] nicht durch einen solchen ›Stufengang‹, durch eine dem Wachstum entsprechende Erweiterung der Lebensmöglichkeiten«, überwunden werde.124 In Polen sei dieses Problem deswegen aufgetreten – und nun kam die idée fixe des Habilitanden zur Sprache –, weil durch die Bauernbefreiung von 1864 die von deutschen Kolonisten eingeführte und auf Teilungsverbot beruhende Hufenverfassung endgültig abgeschafft worden sei und so der »Gattungsvorgang ungehemmt« habe hervorbrechen können. War die »Übervölkerung« für Conze demgemäß im Prinzip nur durch die Rückkehr zu einer geordneten Agrarverfassung zu bewältigen, stand er doch auch anderen Arten der Problemlösung nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber: »Alle Mittel zur Bekämpfung der Notlage wie Parzellierung, Separation, Intensivierung der Wirtschaft, Industrialisierung, Entjudung der Städte und Marktflecken zur Aufnahme bäuerlichen Nachwuchses in Handel und Handwerk sind im einzelnen u.U. äusserst wirksam und lindernd.«125 Alle diese Maßnahmen, »die teils angewandt, teils bisher nur propagiert« worden seien, würden aber »für sich allein nicht zur Lösung führen«.126 So rechnete Conze hier auch die »Entjudung« zu den wirksamen Mitteln der Problembehebung. Dazu, wie eine solche vor sich gehen könnte und wo die Juden, die dem »bäuerlichen Nachwuchs« Platz zum Nachrücken schaffen sollten, verbleiben sollten, äußerte er sich nicht. Auch die wohl nicht abwegige Frage, ob die von ihm propagierte »Rückkehr zu einer geordneten Agrarverfassung« eine »Entjudung« voraussetzte, ließ er offen. An dieser Stelle besitzt der Begriff der »Entjudung« zudem – im Gegensatz zu der vorherigen Verwendung hinsichtlich des Rückgangs der jüdischen Bevölkerung Wilnas – einen eindeutig aktiven Charakter, der auf eine Maßnahme und nicht auf einen natürlichen Vorgang hinweist. Hatte Conze zu diesem Zeitpunkt zwar noch nicht den später einsetzenden physischen Vernichtungsprozess vor Augen, konnte ihm doch nicht entgangen sein, was die Juden in Deutschland bisher schon hatten erleiden müssen. Offensichtlich hatten sich selbst diese für Conze aber inzwischen so zum Abstrakten hin entmaterialisiert, dass die Juden in Osteuropa für ihn nur noch ein bloßes Handlungsobjekt darstellten, das allein als Störfaktor in Bezug auf das ›gute Leben‹ anderer begriffen wurde, ohne selbst einen Anspruch auf ein solches zu haben. Wenngleich die Angaben, Conze habe hier die »Entjudung« »empfohlen«, »gefordert« bzw. für sie »plädiert«,127 dem Textzusammenhang nicht gerecht werden, erschreckt doch die beinahe beiläufige 53

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Einbeziehung der Entfernung von Juden in eine ›sachliche‹ Aneinanderreihung möglicher Maßnahmen. Conze deswegen als einen »Vordenker der Vernichtung« zu bezeichnen, führt aber zu weit.128 Schließlich würde es eine starke Überschätzung der Reichweite sowohl des siebenundzwanzigjährigen Historikers als auch der »Bevölkerungsökonomie« überhaupt bedeuten, zwischen seinen entlegenen Aufsätzen und der Judenvernichtung einen Kausalzusammenhang herzustellen.129 Die Ostforscher waren »in Wirklichkeit nur kleine Rädchen im Getriebe«.130 Zudem bestätige Conze lediglich judenfeindliche Gemeinplätze des ihn umgebenden Meinungsklimas, ohne darüber hinaus weiter reichende Maßnahmen anzumahnen. Insofern zeugen die untersuchten Textstellen eher von dem »Sickerprozeß nationalsozialistischer Weltanschauung«, als dass sie einen »Nachweis der Ursprünge und der direkten Verantwortlichkeiten für die ›Endlösung‹« würden.131 Dennoch sollte man sich hüten, die schwer messbaren Auswirkungen einer inflationären Verbreitung von Begriffen wie dem der »Entjudung« zu unterschätzen.132 Als einer der »Schildknappen des NS-Regimes« innerhalb der Geschichtswissenschaft leistete Conze zumindest einen Beitrag zur »inneren Mobilisierung und Legitimierung des nationalsozialistischen Systems«;133 und damit letztlich auch dazu, das Undenkbare denkbarer zu machen. Dass er sich damit in ›bester‹ Königsberger Gesellschaft befand, belegt auch das Engagement seines Kollegen Theodor Schieder. Als dieser in seiner berüchtigten Polendenkschrift vom 7. Oktober 1939 die Notwendigkeit der »Herauslösung des Judentums aus den polnischen Städten«, ja der »Entjudung Restpolens«134 protokollierte, waren entsprechende Schritte durch die deutsche Besetzung Polens bereits in den Bereich des Möglichen gerückt und von Hitler und seinem engeren Umkreis entschieden worden.135

4. Karrieresprünge und Vernichtungskrieg Als am Morgen des 1. September 1939 mit dem Überfall der Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg begann, trug Werner Conze bereits die Uniform. Als Unteroffizier der Reserve und Reserveoffiziersanwärter war er zu Beginn der Mobilmachung eine Woche zuvor aus dem universitären Leben in Königsberg gerissen und zum 1. Offiziersanwärterlehrgang der Waffenschule der Artillerie nach Jüterbog, unweit der Reichshauptstadt, einberufen worden, wo er bis Ende Oktober blieb. Danach war er bis Ende März des darauffolgenden Jahres als Ausbilder bei der 1. Artillerie-Ersatzabteilung im westpreußischen Elbing tätig.136 Seiner akademischen Karriere konnte all das nicht förderlich sein. Ohnehin waren ihm, was das anging, bereits einige Umorientierungen abverlangt worden. 54

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Der Wechsel Gunther Ipsens an die Universität Wien im April 1939 hatte es mit sich gebracht, dass Conze sich nun nicht mehr im vertrauten Königsberger Umfeld habilitieren konnte.137 Das von ihm bereits im Mai des Jahres beantragte Habilitationsverfahren war auch eher schleppend in Gang gekommen. Nachdem dann im September klar war, dass die Habilitation »auf unbestimmte Zeit verschoben werden« müsste, wurde ihm vom Wissenschaftsministerium immerhin die Genehmigung zum vorzeitigen Druck der Arbeit erteilt.138 Die alten Kollegen von der Dahlemer Publikationsstelle sorgten für die Aufnahme in die hauseigene Reihe »Deutschland und der Osten«. Auf die besorgte Frage des betagten Albert Brackmann, inwieweit das Thema der Arbeit »durch das gegenwärtige neue Verhältnis zu Russland berührt würde«, entgegnete Conze im Februar 1940 zuversichtlich: »Ich habe die Arbeit nach dem polnischen Zusammenbruch noch einmal überprüft. Außer einigen Formulierungen war nichts zu ändern.« Ein »besonderes Vorwort« habe er vermieden, »da ein Dank an polnische Stellen oder Personen augenblicklich wohl kaum möglich« sei. Schon einige Wochen zuvor stand für den zeitgeistorientieren Jungakademiker außer Frage, dass die polnischen Namen im Text »natürlich restlos verschwinden müssen«.139 Außerhalb des Textes war inzwischen der polnische Staat verschwunden und zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion aufgeteilt worden.140 Die implizit gegen die Großmacht im Osten gerichtete antislawische Volte, die Conze in seiner Habilitationsschrift zum Ausdruck gebracht hatte, war vorerst tagespolitisch wenig brauchbar; hatte man doch ausgerechnet das zuvor als deutsches Interessengebiet ausgewiesene Litauen aus realpolitischem Kalkül den Russen zugeschlagen. Während der ersten Kriegsmonate war es Conze noch möglich, einige Rezensionen für die von Theodor Schieder mit herausgegebenen Altpreußischen Forschungen zu verfassen.141 Ein besprochenes Werk bot ihm da »lehrreiche Beispiele für das Versagen des polnischen Staats gegenüber dem notwendigen inneren Aufbau seiner Volksordnung« und behielt so »auch für die Beurteilung der heutigen Lage einen gewissen Wert«.142 Hinsichtlich eines Buches Wilhelm Zochs mit dem klingenden Titel »Neuordnung im Osten. Bauernpolitik als Aufgabe«, das im »engen Anschluß an die grundlegenden Werke Darrés, Günthers und Rosenbergs« entstanden sei, enthielt er sich zwar einer Bewertung, unterstrich aber in eigenen Worten die Intention des Verfassers: die »Begründung der Notwendigkeit, ein erbgesundes, wertvolles Bauerntum als Blutsquell des deutschen Volkes vor allem im Osten zu stärken und neu zu schaffen«.143 Zu der mit dem Staatsarchiv Königsberg vereinbarten Abfassung einer »Geschichte Masowiens«, deren Zweck die »Darlegung der Selbstständigkeit Masowiens innerhalb des polnischen Staats und des verhältnismäßig starken deutschen Einflusses in Masowien« sein sollte, ist es – bedingt durch den Krieg – nicht mehr gekommen.144 55

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Im April 1940 wurde Conze, dem zu seinem Leidwesen durch den langen Aufenthalt bei der Ersatzabteilung die ersehnte Beförderung zum Leutnant verwehrt geblieben war, der 291. Infanterie-Division zugeteilt.145 Ihr gehörte er bis Kriegsende an; acht Jahre später widmete er ihr ein empathisches, im Veteranenjargon verfasstes Erinnerungsbuch.146 Die Aussicht auf baldige Kriegsteilnahme schien ihn einstweilen keineswegs zu bekümmern – im Gegenteil: »Persönlich geht es mir sehr gut. Ich bin zufrieden, endlich bei der Feldtruppe gelandet zu sein […].« Stand man nach dem deutschen Angriff auf Holland und Belgien am 10. Mai vorerst noch »weit ab vom Feind in der dem Westen entgegengesetzten Himmelsrichtung«,147 näherte man sich dann zwei Wochen später auf dem Vormarsch in Richtung Frankreich dem ersten Fronteinsatz. Wie Conze schreibt, sollte es für »viele junge Soldaten, die noch nicht in Polen dabeigewesen waren, […] die erste Feuertaufe werden«.148 Bereits am 5. Juni wurde er als Artillerie-Verbindungsoffizier bei einem Infanterie-Bataillon am Oise-Aisne-Kanal durch einen Granatsplitterdurchschuss verwundet.149 Im Rückblick konstatierte er: »Die Franzosen hatten ein letztes Mal unerwartet hartnäckig ihre Widerstandskraft bewiesen.«150 Die Sommermonate im deutschen Lazarett – erst in Bad Neuenahr und bald darauf im heimatlichen Königsberg – konnte er für die letzten Korrekturen der Druckfahnen seiner Habilitationsschrift nutzen,151 die dann im Herbst erschien. Seine Division war inzwischen in den »von Truppen entblößten Osten« zurückverlegt worden und harrte vorerst in Ruhe der Dinge, die noch kommen sollten.152 Daher war es ihm nach der Ausheilung seiner Verwundung auch möglich, das Habilitationsverfahren wieder aufzunehmen.153 Nachdem ihm im Dezember 1940 von der Philosophischen Fakultät der Universität Wien nach der offensichtlich nicht ohne Schwierigkeiten überstandenen wissenschaftlichen Aussprache der Grad des Dr. phil. habil. verliehen worden war,154 sah er sich jedoch einem wichtigen Problem gegenüber: Seinem Antrag auf Zulassung zur öffentlichen Lehrprobe zwecks Erlangung der Lehrbefugnis für Geschichte mit dem Schwerpunkt osteuropäische Geschichte wurde vom zuständigen Dekan, der in Bezug auf den letzten Punkt von einer ihm »völlig unerwarteten Eröffnung« sprach, nicht stattgegeben.155 Verantwortlich dafür waren nicht die von Conze vorgeschlagenen Vorlesungsthemen – obwohl das erste über »Preussens deutsche[n] Beruf nach der Julirevolution« für ein Wiener Publikum womöglich ohnehin etwas unpassend war –,156 sondern grundlegende Bedenken an seiner Qualifikation zum Historiker. Es ist davon auszugehen, dass dabei auch eine antiquierte Soziologiefeindlichkeit und damit zusammenhängende persönliche Vorbehalte gegen den fachfremden ›Habilvater‹ aus dem Altreich eine Rolle spielten.157 Das Protokoll einer eigens einberufenen Fakultätssitzung fasste die Ansicht des OsteuropaHistorikers Hans Koch wie folgt zusammen: »Thema der habil. Schrift soziologisch mit Verwertung geschichtlicher Osteuropaquellen. Damit ist aber noch 56

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nicht der Nachweis für Befähigung für osteurop. Geschichte gegeben.« Dieser Ansicht schloss sich außer den übrigen Teilnehmern kurioserweise auch Conzes späterer sozial- und begriffsgeschichtlicher Mitstreiter Otto Brunner an, der Ipsen für das unwillkommene soziologische »Nebengeleise« verantwortlich machte. Letzten Endes wurde Conze daher lediglich die Lehrbefugnis für das Fach »Volkslehre« in Aussicht gestellt. Er behielt sich in seiner Antwort vom März 1941 die Entscheidung darüber, ob er von diesem alles in allem doch ernüchternden Angebot Gebrauch machen sollte, unter Hinweis auf militärische Unabkömmlichkeit fürs erste vor.158 Inzwischen deutete sich in der Tat ein neuer Fronteinsatz für Conzes im nördlichen Grenzgebiet Ostpreußens untergebrachte Division an. Nicht ohne Grund begann sich unter den Soldaten »ein dumpfes, oft ausgesprochenes Gefühl zu verbreiten, dass der große Feldzug gegen Sowjetrußland nicht mehr fern sei«.159 Dieser war von Anfang an als weltanschaulich begründeter Vernichtungskrieg gegen den ›jüdischen Bolschewismus‹ und damit als der »eigentliche Krieg« Hitlers konzipiert, der in der Wehrmacht eine im Großen und Ganzen bereitwillige Erfüllungsgehilfin fand.160 Auch am äußersten linken Flügel der Heeresgruppe Nord stellte sich dies gleich nach Beginn des deutschen Angriffs am 22. Juni heraus. Die 291. Infanterie-Division wurde vor der lettischen Stadt Libau von sowjetischen Truppen gestoppt und musste nach vier Kampftagen erkennen, dass »der russische Gegner ein harter Kämpfer war, der nicht ›weich‹ wurde, wie man es gegenüber dem französischen Gegner […] immer wieder erlebt hatte« (Conze).161 Doch auch die deutschen Soldaten gingen bei der nun folgenden Besetzung der Stadt ›härter‹ vor, als es im Westfeldzug der Fall gewesen war. Als der Bevölkerung gleich nach der Kapitulation per Lautsprecher in abwechselnd russischer und lettischer Sprache verkündet wurde »Wir tun euch nichts. Wir vernichten nur Juden und Kommunisten«, war dies keine leere Drohung, sondern grauenvolle Wirklichkeit. Sofort kam es zu spontanen Mordaktionen und Plünderungen, an denen Angehörige der Division sich in hohem Maße beteiligten. Am 4. Juli begannen dann die systematischen Massenerschießungen durch SS und SD, stets vor den Augen Hunderter Wehrmachtssoldaten. Als die Militärverwaltung die Stadt am 15. September dem neu ernannten SS- und Polizeistandortführer übergab, belief sich die Zahl der Opfer bereits auf 3000, darunter mindestens 2500 der insgesamt 9000 Libauer Juden.162 Conzes Truppe war zu dieser Zeit bereits weiter gen Norden, in Richtung der Hauptstadt Riga vorgerückt. Zeuge der Massenerschießungen kann er also nicht mehr gewesen sein. Es ist aber anzunehmen, dass er zumindest einen Teil der mörderischen Ausschreitungen der Anfangstage miterlebt hat. In seinem Erinnerungsbuch ist vom Schicksal der lettischen Juden freilich nicht die Rede, nur davon, dass am Tag nach der Einnahme Libaus »Hafen und Stadt gesäubert« worden seien. Erwähnung finden hingegen der »Jubel und [die] Freude 57

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unter den Letten der befreiten Hauptstadt, deren altes deutsches Stadtbild durch die bolschewistischen Zerstörungen kurz vor dem Abzug schwer entstellt worden war«.163 Während des weiteren Vormarsches durch Estland über die Narwa verband Conze den Kriegsdienst vor Ort mit seinen volkshistorischen Interessen und ließ sich von der Dahlemer Publikationsstelle neue Veröffentlichungen zu Volkstumsfragen in der Region zusenden, denen er sich im Stellungskrieg vor Leningrad widmen zu können hoffte. In seinem Dankesschreiben an Johannes Papritz setzte er aber klare Prioritäten, was sein persönliches Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft, anderen beruflichen Ambitionen und Soldatentum anging: »Ich bin entgegen anfänglichen anderen Plänen (Fertigstellung des 2. Bandes meiner Litauen-Arbeit oder Verwaltungsarbeit im Ostland) bei der Truppe geblieben. Ich habe wahrhaftig im Sommer, als ich solche Pläne machte, nicht ahnen können, dass wir noch jetzt im ernsthaften Kampfe stehen würden. Und in solcher Lage kommt ein Weggang von meiner Abteilung natürlich nicht in Frage. Ich bin Führer unserer Stabsbatterie und habe damit eine lohnende und arbeitsreiche Aufgabe. Wer weiß, wann der Krieg uns entläßt! Vorläufig steht alles andere weit im Hintergrund.«164 Inzwischen war der russische Winter eingebrochen und damit das offensichtlich geworden, was Omer Bartov als »Entmodernisierung der Front« charakterisiert hat. Kennzeichnend für diese Entwicklung waren die immer primitiveren Bedingungen in Bezug auf die Kampfmittel, die Ernährung und den gesundheitlichen Zustand der Soldaten. Damit einher ging insgesamt auch eine »geistige Entfernung vom modernen Leben«, eine zunehmende innere Verrohung und Brutalisierung.165 Dass der mit Fachliteratur versorgte Conze im Dezember 1941 offensichtlich die seelische und körperliche ›Haltung‹ bewahrte und noch von einem »eigentümlich« »friedliche[n] Dasein« hinter der Front berichten konnte,166 darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch seine Division rapide von diesem Entmodernisierungsprozess ergriffen wurde. Im November waren die »Elche« – so die Selbstbezeichnung der Division – in das Wolchow-Gebiet, eine dünn besiedelte Moor- und Waldlandschaft südlich von Leningrad, verlegt worden, wo sie ein ganzes Jahr lang den Belagerungsring um die Stadt verstärkten. Die Blockade Leningrads hielt zum größten Teil bis zum Sommer 1944 an und verursachte den Tod von etwa einer Million Einwohnern durch Verhungern, Erfrierung und Artillerieangriffe.167 Die zahlreichen Fotos des Bildberichterstatters der 291. Infanteriedivision machen das Elend deutlich, das den Stellungskrieg im Wolchow-Kessel begleitete: Statt der zuvor abgebildeten, fidel die Deutschen begrüßenden Letten sieht man nun hungernde, in Erdlöchern hausende russische Frauen und Kinder mit ausgemergelten Gesichtern und ausgehöhlten Körpern, die vor den Kampfhandlungen in das Sumpfgebiet geflüchtet waren, sowie in Schlammpfützen verendende russische Soldaten.168 58

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Die deutschen Soldaten waren in ihrem ersten russischen Winter in das ›Herz der Finsternis‹ geraten und hausten in den selbst mit Pferden nur noch schwer passierbaren Wäldern wie Tiere. Nicht von ungefähr hatte sich unter den einst so stolzen »Elchen« bald auch noch die Selbstbezeichnung »Wolchowsäue« eingebürgert.169 Das technische und numerische Überlegenheit suggerierende Bild des modernen Blitzkriegs war endgültig verblasst.170 Conze beschönigte dies in seinem Erinnerungsbuch nicht: »In wenigen beheizbaren Häusern oder Bunkern preßten sich die Männer zusammen, während draußen im Kampf, Wach- und Aufklärungsdienst nur Schneelöcher Schutz boten. Die Ausfälle durch Erfrierungen, Erkrankung und Erschöpfung überstiegen die nicht geringen blutigen Verluste. Der Nachschub war gefährdet durch feindliche Jagdkommandos auf Skiern, die die Wege sperrten oder Minen legten: die Versorgung im ganzen stand vor endlosen Schwierigkeiten angesichts des starken Pferdeausfalls und Versagens der Kraftfahrzeuge. Die Artillerie verlor weitgehend ihre Bewegungsfreiheit. […] Ihre Kaltblutpferde waren vor Erschöpfung nicht mehr zum Zug fähig und starben dahin. […] Trotzdem hat die Artillerie gerade in jenen Tagen um Weihnachten furchtbar gewirkt. Grausig waren die Bilder der durch das Abwehrfeuer in den Schneewäldern liegen gebliebenen toten Russen.«171 Erst im November 1942 verließ die Division den Wolchow-Raum, um nach einem »zeitraubenden Eisenbahntransport durch partisanenverseuchtes Gebiet«172 weiter südlich im mittleren Frontbereich nahe der Stadt Welikije Luki eingesetzt zu werden. Nachdem sich auch hier das Nachlassen der militärischen Schwungkraft gezeigt hatte und nach verlustreichen Kämpfen nur der Status Quo erhalten werden konnte,173 war es erneut ein »düsteres Weihnachtsfest, das die Kämpfer der Elchdivision in ihren Löchern und Bunkern begingen«. Wie Conze rückblickend bemerkt, hinterließ dieses »›Stalingrad‹ im kleineren Umfang […] trotz des noch meist ungebrochenen Vertrauens zum ›Führer‹« einen »bittere[n] Nachgeschmack bei den Kämpfern der Front«, die aber nach wie vor den »Sinn des Kampfes bejahten, weil sie den Gegner und seine Absichten kannten«. Der »verhältnismäßig ruhigen Zeit an der Stellungsfront von Februar bis September 1943« war es zu verdanken,174 dass Conze sich nun wieder um seine außermilitärische Karriere kümmern konnte, die immerhin seit Monaten buchstäblich im Schlamm stecken geblieben war. Hinter den Kulissen der Ostforschung hatte man ihn unterdessen nicht vergessen. So war es kein geringerer als Hermann Aubin, inzwischen Professor in Breslau, der einen Ruf Conzes auf ein Extraordinariat an seinem Seminar erwog. In einem Brief vom Juni 1942 bat er Brackmann um ein Urteil über die Qualifikation Conzes, der ihm selbst als ein »wissenschaftlich vollkommen ausgewiesener, daneben aber doch auch regsamer und im praktischen Leben zu brauchender Mann« erschien. Dabei vergaß er nicht, auf die nur halb geglückte Habilitation in Wien einzugehen und den dort erhobenen Soziologie-Verdacht 59

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abzuwehren; sah er selbst Conze »trotz der Wendung zur Soziologie« doch »immer noch als einen Historiker an«, der bei der Geschichte begonnen und […] trotz der starken Einwirkung von Günther [sic] Ipsen sich auch in seinem letzten Buch«, dem das »eigentlich Soziologische« sogar fehle, »wieder als voller Historiker bewiesen« habe.175 Beinahe gleichzeitig traf in Dahlem eine weitere Anfrage in Sachen Conze ein, die sich im Endeffekt als fruchtbarer herausstellen sollte als das noch auf tönernen Füßen stehende Angebot Aubins. Diesmal handelte es sich um Reinhard Wittram, der Conze seit dessen Forschungsaufenthalt am Herder-Institut in Riga zugetan war und bis zu seinem Tode in enger Verbindung mit ihm stand. Im Rahmen der nach dem Hitler-Stalin-Pakt durchgeführten Umsiedlung der Deutschbalten in das heutige Westpolen,176 das bis 1918 als Provinz Posen zu Preußen gehört hatte und von den Nationalsozialisten nach dem Überfall auf Polen als »Wartheland« – später »Warthegau« – wieder dem Reich einverleibt worden war, hatte Wittram seine Institutsprofessur am aufgelösten Herder-Institut verloren. Zwei Jahre später wurde er mit einer ordentlichen Professur an einer neugegründeten Hochschule in seiner ›neuen Heimat‹ entschädigt, an die er nun auch Conze zu holen gedachte.177 Die Reichsuniversität Posen war am 27. April 1941 unter dem Beisein aller deutschen Hochschulrektoren und Reichswissenschaftsministers Rust feierlich eröffnet worden. Dem Gründungsakt ging eine anderthalb Jahre lange Vorbereitungszeit voran, die gleich nach der Besetzung der polnischen Stadt durch die Wehrmacht in Gang gesetzt wurde.178 Durch die erwähnte Bevölkerungsverschiebung, die den »Charakter einer wahren Völkerwanderung angenommen«179 hatte, waren in der Region innerhalb nur eines Jahres über 300000 ›volksdeutsche‹ Umsiedler vor allem aus dem Baltikum, aber auch aus anderen Gegenden Osteuropas wie Wolhynien oder der Bukowina, untergebracht worden. Es waren vor allem Juden, die den Neuankömmlingen weichen mussten.180 Um letztere auch in weltanschaulicher Hinsicht dem Reich assimilieren zu können, sah man in den höheren Rängen des Regimes die Notwendigkeit, im Wartheland ein »geistiges Zentrum des Deutschtums« zu errichten. Dafür bot sich die von den Besatzern umgehend geschlossene polnische Universität in Posen an, die 1919 auf dem Gelände der ehemals Königlichen Akademie Posen gegründet worden war. Die hier arbeitenden polnischen Wissenschaftler wurden ihrer Existenzgrundlage beraubt und vielfach in Konzentrationslager gesperrt.181 85 Universitätsangehörige kamen dabei gewaltsam zu Tode.182 Wie auch die anderen Reichsuniversitäten in Prag (gegr. 1939), Straßburg (gegr. 1941) und im estnischen Dorpat (gegr. 1942/43 als sog. ›Ostland-Universität‹) verstand sich die Reichsuniversität Posen als nationalsozialistische Musterhochschule, die den traditionsbehafteten Lehrstätten im Altreich ein neuartiges Hochschulmodell im Sinne einer völkischen Kaderanstalt entgegen60

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setzen wollte.183 Gauleiter Arthur Greiser sprach bei seiner Eröffnungsrede von einem »epochemachenden Markstein in der Weiterentwicklung der kulturellen Eroberung und Durchdringung dieses alten deutschen Lebensraumes«,184 Rektor Peter Johann Carstens betonte 1942 ihre Bedeutung für »den aktiven Volkstumskampf und eine lebendige Volkstumsarbeit«.185 So verwundert es nicht, dass ein Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit in Posen auf dem Gebiet der Sozial- und Bevölkerungsplanung lag.186 Mussten sich schon die Studenten einem rigorosen politischen Auswahlverfahren unterziehen, achtete man selbstverständlich auch bei den Dozenten neben der spezifischen fachlichen Qualifikation auf unbedingte Regimetreue und bewiesenes Engagement im ›Volkstumskampf‹; schließlich ging es hier um die Heranbildung eines »neuen Typ[s] des Wissenschaftlers«.187 Die Berufung Werner Conzes, der diesem »Typ« den äußerlichen Kriterien nach ohne Zweifel entsprach, wurde von Reinhard Wittram offensichtlich gleich nach der Gründung der Universität in die Wege geleitet. Dabei galt es, Widerstände der SS zu überwinden, die einen Königsberger Kollegen Conzes, SS-Hauptsturmführer Walter Eckert, der »seit Jahren systematisch in der politischen praktischen Siedlungsarbeit gestanden« habe, für den Lehrstuhl für Agrar- und Wirtschaftsgeschichte vorgesehen hatte.188 Wittram hatte aber »die Zuweisung des Dr. phil. habil. Werner Conze als Dozent für Agrar- und Wirtschaftsgeschichte mit besonderer Berücksichtigung Osteuropas« beantragt. Dem stand außer dem Vorschlag der SS, der aus unerfindlichen Gründen nicht durchgesetzt wurde, anfänglich auch die Annahme des Ministeriums entgegen, dass Conze sich für eine fünfjährige Tätigkeit im Reichskommissariat Ost in Wilna verpflichtet habe.189 Damit war offensichtlich die »Verwaltungsarbeit im Ostland« gemeint, die Conze gegenüber Johannes Papritz erwähnt hatte. In der Tat hatten also konkrete Pläne in dieser Richtung bestanden: Der Historiker gedachte, in seinem eigenen Interessengebiet als eine Art Kolonialbeamter praktisch tätig zu werden – angesichts seiner 1938 niedergeschriebenen Auslassungen in Bezug auf die Juden Wilnas, von denen zwischen dem Beginn der deutschen Besatzung und der Errichtung des Ghettos im September 1941 bereits 20 000 ermordet worden waren,190 eine schaurige Vorstellung. Wie sich die Verwaltungsarbeit eines Historikers im Reichskommissariat Ostland gestaltete, zeigt das Beispiel des späteren Bundesarchivars Wolfgang A. Mommsen, eines Enkels von Theodor und Cousins von Wilhelm Mommsen. Dieser war als ehemaliger Mitarbeiter der Publikationsstelle Dahlem seit dem Herbst 1941 im Baltikum tätig, um erbeutete Archivalien und Kulturgüter sicherzustellen und in deutsche Hände weiterzuleiten, darunter gerade auch die Hinterlassenschaften ermordeter Juden.191 Wittram, der den Hinweis auf eine Verwaltungstätigkeit seines Protegés als »nicht zutreffend bzw. überholt« bezeichnete, unterstrich und konkretisierte in 61

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einem erneuten Antrag vom Januar 1942 sein Interesse an Conze: »[Ich] möchte […] hervorheben, dass ich in Dr. Conze die Persönlichkeit sehe, die berufen wäre, in Zukunft den Lehrstuhl für Agrar- und Siedlungsgeschichte in Posen zu bekleiden. Nach meinem Dafürhalten steht Dr. Conze unter allen in Frage kommenden Nachwuchskräften weitaus an erster Stelle. […] Wenn ich vorgeschlagen habe, Dr. Conze zunächst in der Eigenschaft eines Dozenten in Posen einzusetzen, so geschah es lediglich deshalb, weil Dr. C., der sich zwar habilitiert hat, aber noch nicht zum Dozenten ernannt ist, noch nicht den formalen Bedingungen genügt, die bei der Berufung auf einen planmäßigen Lehrstuhl gestellt werden müssen.«192 Nachdem einen Monat später die schriftliche Bestätigung Conzes vorlag, dass er »gegenüber dem Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete keine Verpflichtung eingegangen« sei,193 wurde dem Berufungsantrag offensichtlich stattgegeben. Womöglich hatte abermals die gutachterliche Hilfe Albert Brackmanns den Ausschlag dafür gegeben.194 Im Oktober konnte Wittram Conze die Zulassung zur Lehrprobe aussprechen. Dass diese noch bis zum Frühjahr des darauffolgenden Jahres auf sich warten ließ, erklärt sich aus der misslichen Lage seiner Division, die einstweilen keine Beurlaubung zuließ.195 Im Mai 1943 bestand Conze dann seine öffentliche Lehrprobe mit einer insgesamt dreistündigen Vorlesung über die »Umwälzung der Volksordnung Mitteleuropas durch die liberalen Agrarreformen«.196 Das Manuskript des Vortrags überlebte den Krieg nicht. Die Grundgedanken veröffentlichte Conze 1949 jedoch in der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte unter dem leicht veränderten, aber inhaltlich nicht abweichenden Titel »Die Wirkungen der liberalen Agrarreformen auf die Volksordnung in Mitteleuropa im 19. Jahrhundert«.197 Die Neubearbeitung kann nur unter Vorbehalt auf die Antrittsvorlesung in Posen bezogen werden. Thematisch bewegte sich Conze mit der Übervölkerungsproblematik in gewohntem Fahrwasser, volksgeschichtliche Grundbegriffe wie »Volksordnung« und »Lebensraum« überstanden den Krieg dabei ebenso unbeschadet wie die Anlehnung an die Anschauungen Gunther Ipsens.198 Für die aufgrund der nachträglichen Überarbeitung des Vortrags ohnehin kaum zu beantwortende Gretchenfrage in Bezug auf den »faustischen Pakt der Ostforschung mit dem Nationalsozialismus« (Hans Mommsen) ist damit freilich noch nicht viel gewonnen. Immerhin kann als sicher gelten, dass Conze 1943 in Posen aufs Neue die Stellung der Juden problematisierte. Denn selbst sechs Jahre später, nach dem millionenfachen Mord, sprach er von ihnen in einem Ton von eindeutiger Antipathie: »Die Funktionen des Bürgertums aber lagen vorwiegend in der Hand eines deutschen oder ursprünglich deutschen Stadtbürgertums oder des Judentums, das in die Städte eingedrungen war und die für den Osten typischen Marktflecken beherrschte.«199 Die Frage, wie sich Conze 1943, also ein 62

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Jahr nach der Wannsee-Konferenz, auf der die seitdem unaufhörlich betriebene ›Endlösung‹ gesamtorganisatorisch beschlossen worden war, zur Rolle der Juden äußerte, muss offen bleiben. Auch Wittrams Gutachten über die Lehrprobe ist in dieser Hinsicht nichts zu entnehmen. Zum Inhalt der Vorlesung bemerkte er lediglich, dass auf dem »immer deutlich erkennbaren Hintergrund der allgemeinen Geschichte […] in großer Klarheit die agrargeschichtlichen Vorgänge in Altdeutschland, Ostdeutschland und Ostmitteleuropa« erschienen seien, wobei der »volksgeschichtliche Gesichtspunkt der unbedingt leitende und herrschende war«. Außer dem unverkennbaren »Streben nach ganzheitlicher Anschauung der Geschichte« lobte er die Stilsicherheit Conzes. Die »strenge Zurückhaltung in der Form« entspreche dem »Wesen des Mannes, der über seine Jahre hinaus gereift« sei. Von ihm seien als akademischem Lehrer »starke wissenschaftliche und sittliche Wirkungen« zu erwarten. In einem gesonderten Schreiben an den Reichsminister betonte Wittram, dass Conze »sowohl in wissenschaftlicher als auch charakterlicher Hinsicht einer Berufung würdig« sei.200 Das Fach, für das er gegenüber dem Rektor die Erteilung der Lehrbefugnis »auf das wärmste« befürwortete, bezeichnete er nun als »Agrar- und Siedlungsgeschichte sowie Geschichte der völkischen Sozialentwicklung«. Warum aus der »besonderen Berücksichtigung der osteuropäischen Geschichte« nun der fragwürdige Zusatz der »Geschichte der völkischen Sozialentwicklung« geworden war, lässt sich nicht feststellen. Jedenfalls verwendete auch das Ministerium in seiner Berufung Conzes im September 1943 die neuere Formulierung.201 Als er ein gutes halbes Jahr später – für die Partei-Kanzlei der NSDAP bestanden »in politischer Hinsicht keine Bedenken«202 – zum außerordentlichen Professor und Beamten auf Lebenszeit ernannt wurde, hatte sich die Fachbezeichnung erneut geändert. Nun lautete sie »Agrar- und Siedlungsgeschichte, einschl. Bauern- und Wirtschaftsgeschichte«.203 Mit der bestandenen Lehrprobe im Mai 1943 war die Zeit Conzes in Posen so gut wie zu Ende. Trotz des unermüdlichen Einsatzes von Dekan Wittram erhielt er erst im Mai des darauffolgenden Jahres einen – wiederum nur dreieinhalb Wochen währenden – Urlaub zur Aufnahme einer kurzen Lehrtätigkeit an der Reichsuniversität.204 Leider sind über deren Inhalt und Verlauf keinerlei Informationen überliefert. Gerade in Anbetracht der Begründung Wittrams für den Antrag auf Beurlaubung Conzes vom Heer, die noch einmal die Geisteshaltung vor Ort widerspiegelt, wäre es interessant zu wissen, was der »Siedlungs- und Sozialhistoriker« Conze den Studenten zur Zeit des unaufhörlichen Niedergangs des Dritten Reiches historisch zu vermitteln versuchte. Wittram meinte (mit praktischem Anliegen im Kopf): »Die Reichsuniversität Posen hat in besonderem Maße die Aufgabe, das Studium der osteuropäischen Verhältnisse zu fördern. Sie kann diese Aufgabe nur erfüllen, wenn sie in der Lage ist, die Verbindungen zu den Erfahrungen des Ostkrieges 63

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herzustellen. Nur wer den Osten kennengelernt hat, wird die Behandlung osteuropäischer Fragen an den deutschen Universitäten davor bewahren können, in Stubengelehrsamkeit stecken zu bleiben. Nur die Ostwissenschaftler, die im Osten persönliche Erfahrungen und konkrete Anschauungen gewonnen haben, werden den Studierenden auf ihren Fachgebieten richtige Eindrücke vermitteln.«205 Die »persönlichen Erfahrungen und konkreten Anschauungen«, die Conze seit seiner Rückkehr an die Front machte, wurden indes immer niederschmetternder; hatte sich doch »die Gesamtlage an der Ostfront endgültig zugunsten der Sowjets gewendet«.206 Im Gegensatz zu den früheren »Eroberungen«, »Durchbrüchen« und »Säuberungen«, die seine Divisionschronik verzeichnet, ging es mittlerweile nur noch um »Abwehrschlachten«.207 Zudem mussten er und die anderen Soldaten seiner Truppe nun in Kiew mit ansehen, wie sich die »Kriegsschmarotzer« in Richtung Westen absetzten; man ahnte »den Zusammenhang dieser Erscheinungen mit der Tatsache, daß das Gebiet zwischen Front und Heimat weithin partisanenverseucht war und die hoffnungsfrohe Zuneigung der vom Bolschewismus befreiten Menschen längst in stumpfe Gleichgültigkeit oder gar in Haß umgeschlagen war«.208 Auch der Erkenntnis über die monströse Totalität der Judenvernichtung in den von den Deutschen besetzten Gebieten war kaum noch auszuweichen. Seit 1942 wurde in den Todesfabriken von Beł˙zec, Sobibor, Chelmno, Treblinka, Majdanek und Auschwitz die industrielle Massentötung der aus allen Teilen Europas herbei transportierten Juden unermüdlich betrieben.209 Gleichzeitig waren weiter östlich die systematischen Mordexzesse der SSEinsatzgruppen mit Unterstützung von Teilen der Wehrmacht fortgesetzt worden. Zumindest hiervon hatte Conze, dem schon die zu jener Zeit noch spontan wirkenden Gewaltaktionen gegen die Juden im Baltikum unmittelbar nach dem deutschen Einmarsch nicht entgangen sein konnten, erfahren – spätestens 1943. Seinem Sohn erzählte er Jahrzehnte später, »wie tief ihn ein Erlebnis im Jahre 1943 erschüttert« habe. Auf der Durchreise an die Front – war es auf der Rückfahrt von Posen, wo er gerade seine Lehrprobe bestanden hatte? – habe ihm »der Bahnvorsteher von Brest-Litowsk von der Auslöschung des Ghettos und den Massengräbern hinter der Stadt« berichtet. Dies sei das erste Mal gewesen, dass er, Conze, von dem Völkermord erfahren habe;210 ausgeschlossen ist das nicht.211 Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des inzwischen zum Hauptmann beförderten Historikers stand zu jener Zeit aber das unaufhörliche Vorrücken der Roten Armee, dem auch seine Division immer weniger entgegensetzen konnte. Trotz der sich im Winter 1943/44 zunehmend ausbreitenden »dunkle[n] Ahnung, dass es dem bitteren Ende entgegenginge«, sahen jedoch Conze und die anderen »Elche« keine andere Möglichkeit als die weiterzukämpfen: »Die Soldaten konnten und wollten es nicht wahrhaben. Vor allem 64

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kannten sie den Gegner und wussten, dass er kein Erbarmen kannte.«212 Auch die Loyalität zum ›Führer‹ blieb trotz der aussichtslosen militärischen Lage und dem Zusammenbruch des deutschen Ostens213 grundsätzlich unangetastet. Sein zeitweiliger Vorgesetzter, Oberst Wilhelm von Roeder, habe, so Conze 1955 in einer Art Ehrenerklärung, das für die Offiziere »preußischer Tradition« »weithin typische Verhalten gegenüber dem Nationalsozialismus« gezeigt: »Er gehörte ihm innerlich nicht an und konnte gelegentlich im kleinen Kreis abfällige Bemerkungen fallen lassen. Doch ließ er nach außen nichts davon merken und verhielt sich loyal wie die Offiziere an der Front durchweg. Politische Gespräche wurden vermieden, es sei denn, sie wurden von außen in unsern Kreis hereingetragen.«214 Den vor allem von hochrangigen konservativen Militärs geplanten Attentatsversuch auf Hitler am 20. Juli 1944 empfand Conze, wie er später selbstkritisch in einer Heidelberger Vorlesung einräumte, zu jener Zeit als Verrat am deutschen Volk.215 Währenddessen – die ungenaue Datierung »etwa am 20. Juli« im Erinnerungsbuch war gewiss nicht zufällig gewählt – hing der Bestand der 291. Infanteriedivision »am seidenen Faden«.216 Ende August wurde Conze bei Rückzugskämpfen im Weichsel-Bogen erneut schwer verwundet.217 Der eigentliche Krieg im Sinne von Kampfeinsatz war für ihn damit beendet, seine Division, die die Stellung an der Weichsel noch ein knappes halbes Jahr hielt und am 23. Januar, dem »Todestag der Elchdivision«,218 endgültig von der Roten Armee zerschlagen wurde, sah er nie wieder. Aufgrund seiner Beinverletzung verbrachte Conze das folgende halbe Jahr im Lazarett in Bad Warmbrunn im niederschlesischen Riesengebirge. Hier traf er seine Frau, die mit den drei kleinen Kindern im Juli 1944 wegen der nun drohenden Luftangriffe Königsberg verlassen hatte und bei ihrer Schwägerin, deren Mann ein Rittergut im Kreis Hirschberg besaß, untergekommen war.219 So desolat die Lage auch war, ließ der Historiker sich doch scheinbar nach wie vor nicht aus der Ruhe bringen. Aus Posen ließ er sich Bücher ins Lazarett schicken und machte sich »an die Arbeit«, um »zu einer Vorlesung über die Geschichte des deutschen Bauerntums den Grund [zu] legen«. Dabei hoffte er, »im Januar aus dem Lazarett entlassen zu werden und auf dem Wege zu unserem Ersatz-Bataillon, das in Ostpreußen liegt, kurz in Posen unterbrechen zu können«.220 Das war im November 1944. Noch zwei Monate später, am 11. Januar 1945, schrieb er Wittram, dass er abermals Bücherwünsche angemeldet habe. Angesichts der apokalyptischen Zustände, die in Mitteleuropa zu dieser Zeit herrschten, bleibt man – trotz der äußeren und inneren Zensur, der die Feldpostbriefe gerade seit dem 20. Juli 1944 unterworfen waren221 – fassungslos ob der gemächlichen, ja optimistischen Schreibe Conzes: »Ich muss für diese ruhige Zeit ungestörter Arbeit fast dankbar sein. Konnten doch manche 65

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durch jahrelanges Außenstehen entstandenen Lücken geschlossen werden. In solchen Tagen wächst die Vorfreude auf hoffentlich nicht mehr allzu fernliegende, fruchtbare Posener Zusammenarbeit außerordentlich. Es geht mir recht gut und ich rechne damit, etwa Mitte Februar aus dem Lazarett entlassen zu werden. Ich hoffe dann, über Posen fahren und einen Tag dort bleiben zu können.«222 Der Brief, der mit der »Bitte um eine Empfehlung an Ihre verehrte Frau Gemahlin« und dem von Conze während des Dritten Reiches stets verwendeten »Heil Hitler!« endete,223 erreichte Wittram noch gerade rechtzeitig. Am 20. Januar wurde die Reichsuniversität Posen geräumt,224 eine Woche später nahmen sowjetische Truppen die Stadt ein. Von dieser Zeit an verwischen sich für die letzten Kriegsmonate die Spuren Werner Conzes, den es offensichtlich im Februar 1945 wieder in Richtung Front trieb. In physischer Hinsicht zwar nicht mehr wehrtauglich, hoffte er, mit seinen Russisch-Kenntnissen bei der Vernehmung von Gefangenen weiter seine Pflicht als Soldat erfüllen zu können.225 Der General der Gebirgstruppe, der er sich noch im Mai angeschlossen hatte, fand seinen Einsatz jedoch bald nicht mehr vertretbar: »Hauptmann d.R. Conze, am 1. 5. 45 zum XXXXIX. (Geb.) A.K. versetzt, ist infolge seiner Beinverwundung, die sich neuerdings verschlimmert hat, so stark behindert, dass ich seinen Verbleib bei der derzeitigen Lage nicht verantworten kann. Hauptmann d.R. Conze ist daher von mir zum Panzer-AOK.1 in Marsch gesetzt worden.«226 Bei Kriegsende geriet er dann kurzzeitig – »noch unausgeheilt« – in russische Gefangenschaft, aus der er aber »als ›Invalide‹« bald wieder entlassen wurde.227 Im Juli 1945 erreichte er körperlich zerrüttet und völlig mittellos das heutige Niedersachsen und fand dort seine Familie.228 Der Zusammenbruch des Dritten Reiches, dem Conze zuerst mit der Feder legitimierend entgegengeschrieben und dann bis zuletzt mit der Waffe treu gedient hatte, war auch für ihn ein Ende. Zwar hatten er und seine Angehörigen den Krieg überlebt, doch war nicht nur das familiäre Heim im fernen Königsberg mit beinahe allem, was dazu gehörte, verloren gegangen, sondern auch die universitäre Basis des aufstrebenden Wissenschaftlers. Die Berufung nach Posen war insofern trotz des dort erworbenen Professorentitels im Rückblick nicht nur ein Karrieresprung, sondern auch – im anderen Wortsinne – ein Sprung in seiner Karriere. Diese hatte mit der verweigerten Lehrbefugnis in Wien zwar zuvor bereits einen Kratzer erlitten, sich aber doch alles in allem auch während des Krieges als vielversprechend dargestellt. Nun stand der 35jährige Familienvater beruflich erst einmal vor dem Nichts. Doch war das Kriegsende 1945 für Conze und die ihn umgebende Gesellschaft auch ein neuer Anfang. Diese Chance der Besiegten auf einen Neubeginn wurde Millionen von Opfern des Nationalsozialismus nicht zuteil. Endgültig verschwanden nun auch im deutschen Kernland die »Sichtblenden, die bislang 66

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die geordnete Welt der Volksgemeinschaft von der Unterwelt der Lager getrennt hatten«.229 Das »Stigma der Gewalt« (Geyer), das die deutsche Geschichte seither trägt, lastet auch auf der Biographie Werner Conzes.

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IV. Westdeutsches Gelehrtendasein 1. Standortsuche im Westen »Die Bürger und Politiker des westlichen deutschen Staates«, schrieb Werner Conze nach über dreißigjährigem Bestehen der Bundesrepublik, »stellten sich nach 1949 schnell auf die veränderte politische Lage ein und ergriffen mit Eifer die Chancen, die ihnen durch die Einfügung in das westliche System geboten wurden.«1 Diese Feststellung ist wahr – und angesichts des Verhaltens der Deutschen während der zwölf Jahre des Nationalsozialismus bemerkenswert. Tatsächlich manifestierten sich nicht nur auf staatlicher Ebene, sondern auch an den Schnittstellen von individueller Lebensführung und Öffentlichkeit bald »deutsche Wandlungen«, Prozesse einer umfassenden Liberalisierung. Die Hinwendung des neuen Staates und seiner Bürger zum Westen war dabei essentiell. Ohne sie würde einer zivilgesellschaftlichen Zielprojektion im deutschen Kontext das historische Stativ fehlen.2 Unmittelbar nach Kriegsende verwies die Frage nach der Westlichkeit für den einzelnen Deutschen jedoch erst einmal auf ganz konkrete Existenzbedingungen. Zwar hatten nicht nur die Truppen der USA, Großbritanniens und zuletzt auch Frankreichs das Dritte Reich in die Knie gezwungen, sondern ebenso die Rote Armee; doch wurde schnell deutlich, dass ein Leben in Freiheit auf längere Sicht nur in den drei westlichen Besatzungszonen verwirklicht werden konnte. Insofern war es ein Glücksfall, dass es der unter britischer Besatzung stehende Nordwesten war, wo die aus dem fernen Nordosten geflohene Familie Conze Unterschlupf gefunden hatte. Eine »Flüchtlingswohnung« im Hause der Tante seiner Frau in dem kleinen Ort Bad Essen im Kreis Osnabrück bildete nun die Basis, von der aus Werner Conze vom August 1945 an versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.3 Vorerst war er »aber so kaputt, dass er vier Wochen nur von Wasserreis leben musste«.4 Nachdem er sich körperlich halbwegs erholt hatte, galt es, beruflich wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen; schließlich musste die Familie fortan von irgendetwas leben. Auch war die Zeit gekommen, die Verbindung zu Freunden und Kollegen wieder aufzunehmen – nicht nur aus professionellen Gründen. Die alten Bekannten aus dem ehemaligen Osten des Reichs waren freilich weit verstreut und die damaligen kommunikationstechnischen Verhältnisse erschwerten den Kontakt zusätzlich. Gegenüber Theodor Schieder, der in Bayrisch-Schwaben gestrandet war und ähnlich orientierungslos, aber auch zielstrebig wie er selber der Zukunft entgegensah, schilderte Conze im November 1945 seine aktuelle Lebenslage: »So 68

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haben wir zunächst in Bad Essen bei Osnabrück gute Unterkunft bei Verwandten gefunden und werden zunächst einmal auch dort bleiben. Die Kinder (8, 6 und 2 Jahre) sind gesund und munter. Die beiden Ältesten gehen in die Dorfschule. Mit Hilfe von Eltern und Verwandten haben wir das Notwendigste an Kleidung usw. wieder bekommen. Daß wir alles verloren haben, ist ja kein Wunder und auch nichts besonders Bemerkenswertes bei aller Not der aus dem Osten Geflohenen oder Ausgewiesenen. Der größte und bleibende Schmerz dabei ist natürlich die verlorene und nicht wieder zu ersetzende Bibliothek. Ich habe mich inzwischen ein wenig erholt, wenn auch die Folgen der Verwundung und anderer Belastungen noch nicht überwunden sind. Mein beruflicher Weg ist noch nicht entschieden. Ich werde wohl im alten Beruf bleiben können. Die Schwierigkeiten hierbei liegen nicht im Politischen, sondern in der Überfüllung und bei den Finanzen. Solange da noch nichts gewonnen ist – Fäden sind mehrfach geknüpft – verdiene ich den Lebensunterhalt durch russischen Sprachunterricht.«5 Die »geknüpften Fäden« wiesen in Richtung der Universität Göttingen. Dem dortigen Neuzeithistoriker Siegfried A. Kaehler (1885–1963), einem Meinekke-Schüler altkonservativen Schlages, bei dem schon Reinhard Wittram nach seiner Flucht aus Posen untergekommen war, hatte Conze im Oktober einen Besuch abgestattet.6 Einige Monate später konnte er Schieder erfreut mitteilen, dass er Mitte März nach Göttingen zu seiner Mutter übersiedeln werde, da sich für ihn »dort Einiges ergeben« habe, vor allem die Zusage, im Sommersemester lesen zu können.7 Und in der Tat wurde er – nachdem er im April vorerst doch noch eine Absage erhalten und somit bei seiner Ankunft »das ganze Kartenhaus zusammengestürzt« vorgefunden hatte8 – einen Monat später beauftragt, »vom Sommersemester 1946 ab in der Philosophischen Fakultät das Lehrgebiet mittelalterliche und neuere Geschichte in Vorlesungen und, soweit nötig, in Übungen zu vertreten«. Der Lehrauftrag war allerdings unbesoldet, mehr als das »aufkommende Unterrichtsgeld« war vorerst nicht zu erwarten.9 Die Göttinger Georgia Augusta hatte bereits im Wintersemester 1945/46 unter Förderung der britischen Militärbehörden wieder den Lehrbetrieb aufgenommen und verkörperte die Verflechtung von Neubeginn und Kontinuität in der Wissenschaftskultur der Nachkriegszeit in anschaulicher Weise.10 Parallel zu einem gerade unter den Studenten starken Bedürfnis nach einem Aufbruch zu neuen universitären Ufern, der durch die umerzieherischen Impulse der Besatzungsmacht gefördert wurde, ging es der Professorenschaft nicht zuletzt um die Sicherung alter Besitzstände und die Bewahrung ihres gesellschaftlichen Ranges.11 Durch die offizielle Patenschaft für die Königsberger Universität war hier zudem eine Anlaufstelle für Wissenschaftler der untergegangenen Albertina geschaffen worden, die allerdings auch Angehörige anderer Universitäten der verlorenen Ostgebiete anzog. Das Historische Seminar wurde dadurch zu einem Sammelbecken für Ostforscher.12 69

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Siegfried Kaehler berichtete im Juli 1946 seinem alten, inzwischen in Chicago lehrenden Freund Hans Rothfels nicht nur von Hermann Aubin, der allerdings nur kurze Zeit geblieben war, und Reinhard Wittram, sondern auch von Werner Conze, der die »Siedlungsgeschichte des Ostens« vertrete und »ein tüchtiger Arbeiter« zu sein scheine.13 Die Stimmung am Seminar war der Tendenz nach nationalkonservativ, und in der einen oder anderen Weise hatte sich in den Jahren zuvor jeder der Anwesenden zum Nationalsozialismus bekannt.14 Conze ging nach »siebenjähriger geistiger Aushungerung« mit Freude an seine neue Tätigkeit heran, bei der er sich – wie er Schieder gegenüber ironisch anmerkte – »als ›Soziologe‹ schrankenlos durch die Zeiten«, also die mittelalterliche und neuere Geschichte, bewegen konnte.15 Seinen über den Krieg hinübergeretteten Interessen gemäß hielt er in seinem ersten Göttinger Semester eine Vorlesung zur deutschen Agrar- und Siedlungsgeschichte, eine agrarsoziologische Übung zur Hannoverschen Bauernbefreiung, dazu noch eine weitere Übung über Helmolds Slawenchronik.16 Bald begann er den »geistigen Reichtum« der Stadt Göttingen zu genießen und sich auch mit seiner neuen Arbeitsstätte zu identifizieren.17 In einem frühen Rückblick auf die Georg-AugustUniversität in den Nachkriegsjahren betonte er den »fruchtbare[n] Augenblick« der »geistigen Besinnung und Orientierung nach einem scheinbar totalen Zusammenbruch«, der »trotz aller äußeren Bedrängnis auch der Forschung neue Antriebe verleihen mußte«.18 Auch seine eigene Rolle ließ er implizit in den Bericht einfließen, wobei er auf die materielle Notlage hinwies, der er und andere ausgesetzt waren: »Alsbald nach Eröffnung der Universität [wurde] der Lehrbetrieb auch durch eine besonders große Zahl von Lehrbeauftragten bereichert, die nach Verlust ihrer Stellung in verlorenen Universitäten, besonders des Ostens, in Göttingen verständnisvolle Aufnahme fanden. Freilich verbindet sich das Problem ihrer mangelhaften oder fehlenden Besoldung mit der allgemeinen Erscheinung der viel zu schmalen Basis für den akademischen Nachwuchs der Dozenten und Assistenten zu einem Gesamtkomplex, der zu schweren Sorgen Anlaß geben muß. Denn die sozialen Voraussetzungen für ein Privatdozententum alter Art sind nicht mehr gegeben, und der ständige Kampf dieser Lehrbeauftragten und jüngeren Lehrkräfte um die bloße Existenz ihrer Familien entzieht sie sowohl der wissenschaftlichen Forschung wie dem notwendigen Kontakt mit den Studenten, der meist zu kurz kommt, – ein Zwang zum Rückzug ins Private, der der Aufgabe eines akademischen Lehrers heute weniger denn je angemessen sein sollte.«19 Die finanzielle Situation Conzes, dessen Familie im März 1949 mit der Geburt des Sohnes Hans noch weiteren Zuwachs erhalten hatte,20 verbesserte sich auch wirklich nur sehr schleppend. Zwar erhielt er seit dem Sommer 1948 zusätzlich zum kargen Hörergeld noch eine monatliche Beihilfe von 200 Mark aus den Mitteln der Klosterkammer zur Förderung des Hochschullehrernachwuch70

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ses, zu denen seit dem Sommersemester 1950 noch eine Vergütung von weiteren 100 Mark hinzukam, die ihm Kurse zur Agrargeschichte in der Landwirtschaftlichen Abteilung der Universität einbrachten.21 Doch war damit – wie Conze klagte – weiterhin noch nicht mehr gedeckt als »etwas über die Hälfte des monatlichen Verbrauchs meiner großen Familie, der bei den heutigen Preisen und insbesondere infolge der dringend notwendigen Ausgaben für Textilien hoch ist, obgleich ich mir selbst nach dem Kriege noch keinen Anzug gekauft habe und mit geschenkten Anzügen ausgekommen bin«.22 Für das Selbstverständnis eines bürgerlichen Gelehrten, der in der eigenen Familie die Tradition des deutschen »Mandarins« in Gestalt seines Großvaters verkörpert vorgefunden hatte, musste dies, vom rein Materiellen abgesehen, sozial degradierend wirken.23 Ein Übriges tat die nebenberufliche Beschaffung von Honoraren, die Zeit kostete und »nur zum kleineren Teil der eigentlich wissenschaftlichen Arbeit zugute« kam: »Volkshochschulvorträge, Zeitungsaufsätze, Konversationslexika, Geschichtstabellen u.dgl. mehr«.24 Ein Gesamtbild der diesbezüglichen Tätigkeiten Conzes lässt sich nicht erstellen; vereinzelte Spuren bringen jedoch immerhin Umrisse zum Vorschein. Von den Mühen der (nordwestdeutschen Tief-) Ebene zeugt dabei weniger ein Vortrag über Ranke, den er 1946 im Historischen Verein Osnabrücks hielt,25 als vielmehr seine Teilnahme an den »Lehrherrentagungen« der Landwirtschaftskammer Weser-Ems, zu der ihn noch 1952 die finanzielle Not trieb: An einem Tag sowohl in Oldenburger als auch Osnabrücker Gaststätten vor Landwirten über die »Probleme der Landflucht« vorzutragen,26 konnte für den Historiker kaum befriedigend sein. Ähnliches gilt für die intellektuell wenig fordernden Beiträge Conzes in der Deutschen Bauernzeitung und ähnlichen Organen zwischen 1947 und 1949.27 Doch spiegelte dies in vielerlei Hinsicht eben auch den Stand von Conzes wissenschaftlichem Dasein wider, wie er vor dem Krieg gewesen war: In die agrargeschichtliche Ecke hatte er sich selbst hineinmanövriert, und auch das Genre der Auftragsarbeit war für ihn nicht neu; man denke nur an die politische Tendenzschrift über die »weißrussische Frage in Polen«, die 1938 als Schulungsheft des »Bundes Deutscher Osten« erschienen war. Eine politische Auftragsarbeit im neuen Kontext stellte eine etwas über zwanzig Seiten starke Denkschrift mit dem Titel »Die atlantische Expansionsrichtung der SU und die skandinavischen Staaten« dar, die Conze 1948 offensichtlich für die CIA verfasste.28 Sie liefert – wenn auch unter dem Vorbehalt, den jede Auftragsarbeit dem späteren Leser auferlegt – Hinweise über seinen damaligen politischen Standpunkt. Vor dem Hintergrund der jahrhundertealten »Linie russischer Expansion nach Westen« behandelte er hier die Frage der aktuellen politischen Ausrichtung vor allem Schwedens, Norwegens und Dänemarks im Spannungsfeld der beiden neuen »Weltmachtblöcke«. Dabei sprach er sich gegen die gerade in Schweden tief verwurzelte Neutralitätspoli71

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tik aus und plädierte für einen »Anschluss an das westliche System«. Voraussetzung hierfür wären jedoch »Garantien für die skandinavische Sicherheit, die nur durch Zusagen der USA und eine durch die USA unterstützte, wesentlich erhöhte Verteidigungsbereitschaft aller europäischen Länder realisiert werden könnte, die außerhalb des augenblicklichen sovetischen [sic] Machtbereichs« stünden.29 So hatte Conze – wie es scheint – bereits 1948 begonnen, sich politisch zum Westen hin zu orientieren. Zwei Jahre später wurde es ihm im Rahmen einer Delegation der Göttinger Universität ermöglicht, nach England zu reisen und dadurch wissenschaftliche Kontakte zur westlichen Welt aufzunehmen, die im Gegensatz zu seiner Tätigkeit für den amerikanischen Geheimdienst nicht sicherheitspolitischer Art waren und ihn positiv beeindruckten. So kam es im Anschluss an seinen Besuch in Liverpool und London etwa zu einem freundschaftlich-kollegialen Schriftverkehr mit dem englischen Historiker Geoffrey Barraclough. Dieser machte sich nicht nur Sorgen um die Gesundheit Conzes, der immer wieder an Spätfolgen seiner Kriegsverwundung litt, sondern hielt ihn auch über seine aktuellen Forschungstätigkeiten auf dem Laufenden.30 Dabei ließ er auch die heftige Kontroverse mit Gerhard Ritter nicht außer Acht, die sich an seiner liberalen Kritik gegenüber den antidemokratischen Momenten des Ritterschen Geschichtsbildes entzündet hatte:31 »Meanwhile I have had a painful time with Ritter, which has left a dirty taste in my mouth; but I hope a gentle push at an idol with feet of clay may anyhow weaken its foundation.«32 Dass Barraclough ihm gegenüber solch deutliche Worte in Bezug auf einen der damaligen Meinungsführer der deutschen Historikerschaft äußerte, zeigt, dass Conze in England offensichtlich einen aufgeschlosseneren Eindruck hinterlassen hatte als sein älterer Kollege. Ritter ließ sich in der Folgezeit dann auch zu abfälligen Äußerungen über den »merkwürdige[n] Insularismus« der Engländer und die »gefährliche Menschenklasse« der »britischen Intellektuellen« hinreißen.33 Conze entwickelte hingegen eine bleibende Anglophilie.34 Zu jener Zeit bezeichnete er die »von Semester zu Semester erhöhte Verbindung mit dem Ausland«, die sich auf die »meisten Länder der westlichen Welt« erstreckt hätte, als Indiz dafür, dass von dem »viel beklagten Zustand der geistigen Isolierung« der Universität nicht mehr gesprochen werden könne.35 Mit dieser Ansicht stand er unter den westdeutschen Kollegen seiner Generation nicht allein. Wie er knapp dreißig Jahre später feststellte, hatte zu jener Zeit »eine westlich-liberaldemokratische Welle […] die Universitäten und den größten Teil der dort lehrenden Historiker« ergriffen.36 Dass die Deutschen, kurz zuvor noch Feinde in einem Krieg, den sie selbst entfesselt und auf barbarische Weise geführt hatten, in den frühen fünfziger Jahren im westlichen Ausland mit unerwarteter Offenheit empfangen wurden, übte eine integrative Funktion aus, die noch nicht ausreichend erforscht ist. Gerade die USA erwarben sich auf diese Weise große Sympathie. Conze wagte 72

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den Sprung über den Atlantik – trotz zeitweiliger Pläne – zwar vorerst nicht,37 doch brachte ihn seine England-Reise wohl dem Westen ein Stück näher. Eine ähnliche Wirkung ging von Hans Rothfels aus, der auf seine Weise zu jenen »transatlantischen Mittlern« unter den Remigranten gehörte, die mit ihrem persönlichen Erfahrungshintergrund einen Beitrag zur Annäherung an die amerikanische Lebenswelt und damit indirekt auch zur kulturellen Verankerung westlicher Demokratiekonzeptionen in der frühen Bundesrepublik leisteten.38 Rothfels lebte und arbeitete nach einem Jahr in England seit 1940 in den USA, wo er zuerst mit einer jährlich verlängerten Gastprofessur an der Brown University in Providence/Rhode Island ein Übergangsdasein gefristet hatte. 1946 war er an die Universität Chicago berufen worden, wo er sich zunehmend heimisch fühlte.39 Im selben Jahr begannen die alten Schüler und Kollegen in Deutschland, wieder verstärkt mit ihm in Kontakt zu treten. Als einen der ersten drängte es Werner Conze im Juni 1946, »nach allem, was hinter uns liegt, mich wieder bei Ihnen zu melden und die Verbindung wieder aufzunehmen«.40 Rothfels reagierte mit »große[r] Freude« auf die lebensgeschichtlichen Ausführungen seines letzten Königsberger Doktoranden, machte sich Gedanken um den Verbleib früherer Weggefährten (»Menschliche Beziehungen sind das Beste, das bleibt.«) und berichtete von seiner neuen Tätigkeit in Chicago und der dort vorhandenen »Bereitschaft, intellektuelle Beziehungen aufzunehmen«.41 1949 traf man sich dann in Göttingen, wo Rothfels für einen Monat lehrte.42 Über die Jahre intensivierte sich der Kontakt mit dem früheren Mentor, der – ganz der gute ›Onkel aus Amerika‹ – »Weihnachtspäckchen für die Kinder« an die darbende Nachkriegsfamilie Conze schickte,43 immer mehr. Trotz seiner sich allmählich aufbauenden Brückenfunktion innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft, die sich mit seinem Projekt der Zeitgeschichte verband, blieb Rothfels lange skeptisch hinsichtlich einer Rückkehr nach Deutschland. Auch als er 1951 aus vorwiegend finanziellen Gründen den Ruf nach Tübingen annahm, behielt er seine Professur in Chicago (bis 1956) sowie die amerikanische Staatsbürgerschaft weiter und trennte sich nur langsam und zögerlich von seiner neuen Heimat.44 Noch 1955 schwärmte er gegenüber Conze von einer »sehr befriedigenden Familienreise mit herrlichen Natureindrücken«, die ihn unter anderem in die »Colorado Berge« geführt hatte.45 Conzes Horizont hingegen blieb einstweilen nicht zuletzt wegen seiner wenig einträglichen Randposition am Historischen Seminar in Göttingen weiterhin eingeengt. Daran änderte weder die Tatsache etwas, dass sich inzwischen einige Doktoranden um ihn scharten, noch die, dass er sich mit seiner vielbeachteten Studie über »Leibniz als Historiker« erstmals auf ideen- und historiographiegeschichtliches Terrain vorgewagt hatte. Göttingen blieb eine Zwischenlösung, die alsbald überwunden werden musste. Da war es ein – jedenfalls für Conze – glücklicher Zufall, dass in der Zwischenzeit der Münsteraner Neuzeit-Ordinarius Kurt von Raumer erkrankt war 73

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und sich in Heidelberg einem längeren Krankenhausaufenthalt unterziehen musste.46 Dass man sich wegen der Lehrstuhlvertretung an Conze wandte, war hingegen nicht dem Zufall geschuldet. Sowohl von Raumer als auch sein Kollege auf der Mittelalter-Professur in Münster, Herbert Grundmann, teilten mit ihm eine Königsberger Vergangenheit. Zwar waren beide erst 1939 dorthin berufen worden und hatten ihn, der ja bereits vor Kriegsausbruch eingezogen worden war, von daher kaum wirklich kennenlernen können;47 doch bestand vor allem zu von Raumer, der Conze womöglich bereits im Rahmen seines Ordinariats am Herder-Institut in Riga (ab 1935) begegnet war, eine personelle Brücke, die nun zum Tragen kommen sollte – Theodor Schieder, der 1939 unter der Ägide von Raumers habilitiert worden war und drei Jahre später dessen Königsberger Lehrstuhl übernommen hatte. Dieser war es dann auch, der Conze für die Vertretung in Münster empfahl.48 Der berichtete seinem alten Freund, der auch versuchte, ihn an der Universität Köln unterzubringen,49 wo er selber seit 1948 eine ordentliche Professur innehatte, im März 1951 erleichtert: »Die Angelegenheit Münster hat geklappt. Ich bin Dir sehr dankbar dafür. Zwar habe ich noch nicht die endgültige offizielle Anfrage. Aber mit Grundmann und Raumer ist alles klar.«50 Obwohl sich die Lage nun auch in finanzieller Hinsicht deutlich verbesserte, konnte von einer nachhaltigen Existenzsicherung doch nach wie vor nicht die Rede sein; schließlich war Conze vorerst nur Vertreter Kurt von Raumers. Diesem gegenüber beteuerte er nicht von ungefähr: »Ich sehe den Sinn meines Einspringens im Sommer darin, dass Sie auf keinen Fall irgendwie sich zu einem schnellen Wiedereinstieg in die Lehrtätigkeit, auch wenn es nur eingeschränkt sein sollte, gedrängt wissen sollen. Je ruhiger und unbeschwerter Sie allmählich von der Erholung zur Arbeit übergehen werden, umso besser.«51 Es gelang Conze nun aber offensichtlich schnell, sich in Münster unentbehrlich zu machen, so dass er auch nach der pünktlichen Rückkehr von Raumers im Herbst 1951 als Diätendozent weiter dort bleiben konnte. Ein Jahr später wurde er erneut verbeamtet und auch die Familie war inzwischen nach Münster nachgezogen.52 Die Münsteraner Jahre waren fruchtbare Jahre für Werner Conze. Vor allem wegen der zunehmenden Konkretisierung seiner sozialgeschichtlichen Anliegen kann man geradezu von einer ›Sattelzeit‹ seiner intellektuellen Biographie sprechen. Was zu jener Zeit seine Stellung vor Ort begründete, waren allerdings weniger seine historiographischen Innovationen, als vielmehr das ihm zugewiesene Arbeitsgebiet der »Neuesten Geschichte«,53 das – am Historischen Seminar einzig von ihm vertreten – zu seiner Popularität bei den Studenten beitrug.54 Mit der neuesten Geschichte war dabei vor allem die zurückliegende Epoche seit dem Ersten Weltkrieg gemeint, also die gerade im fachlichen Entstehen begriffene Zeitgeschichte. Agrargeschichtliche Fragestellungen traten angesichts dessen in seinen Lehrveranstaltungen ebenso in den Hinter74

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grund wie die »Ostwissenschaft«, die Grundmann allerdings immer noch als eine wichtige Qualifikation Conzes gegenüber dem Ministerium ins Feld zu führen trachtete.55 Dafür blickte Conze vom Katheder aus zunehmend in westliche Richtung. So bot er Vorlesungen zur Geschichte der USA und eine Übung über Franklin Delano Roosevelt an.56 An Wittram schrieb er im Dezember 1953: »Die Vorlesung über amerikanische Geschichte im 19./20. Jh. fordert die meiste Zeit, bringt mir aber reichen Gewinn, Ausweitung und Anregung.«57 Anregend war die Tätigkeit in Münster für ihn auch in vielerlei anderer Hinsicht. Nicht nur bot ihm die an die Universität angebundene »Sozialforschungsstelle« in Dortmund einen institutionellen Anschluss für die Entfaltung seiner Sozialgeschichte, auch das akademische Milieu vor Ort sorgte für geistige Impulse verschiedenster Natur. So lehrte seit 1953 Hans Freyer als emeritierter Professor für Soziologie in Münster und verfasste hier seine »Theorie des gegenwärtigen Zeitalters«.58 Wie schon in den frühen Leipziger Semestern übte er einen nicht geringen Einfluss auf das historische Denken Conzes aus. Ebensowenig sollte man die intellektuellen Schwingungen unterschätzen, die von dem Philosophen Joachim Ritter (1903–1974) ausgingen,59 der seit 1946 in Münster als wesentlicher Erneuerer einer historisch ausgerichteten praktischen Philosophie wirkte und eine rege Schulbildung betrieb.60 Selbst den katholischen Einschlag der westfälischen Universität bewertete der protestantische Conze in dieser Gemengelage als positiv: »Hier in Münster über Luther zu sprechen, […] ist viel reizvoller, ja anregender als in Göttingen. Man spürt die gespannte Atmosphäre im Hörsaal, und hinterher gibt es dann Gespräche mit Patres in einem erfreulichen Geiste.«61 So ist es nicht verwunderlich, dass Conze zunächst wenig Ambitionen hatte, erneut an eine andere Universität zu wechseln; zumal er auch seiner Frau und den Kindern etwas Ruhe gönnen wollte. Ohnehin hatte die »Umgewöhnung der Familie« Schwierigkeiten gemacht, »da der Übergang von der Freiheit des Göttinger Hauses mit Garten, Terrasse und Wald in eine Etagenwohnung ohne all das nicht beflügelnd wirkt[e]«.62 1954 kam dann der jüngste Sohn Albrecht zur Welt, benannt nach dem Gründer der Königsberger Universität und vom Vater dazu bestimmt, die juristische Familientradition fortzusetzen.63 Als ein Jahr später der zweitjüngste Sohn Hans an Leukämie erkrankte64 und bald darauf verstarb, kaufte sich das Ehepaar Conze ein Familiengrab auf dem Münsteraner Waldfriedhof Lauheide, wo sie beide selber später begraben werden sollten; auch dies ein Zeichen dafür, dass man sich zu jener Zeit am Ort angekommen wähnte. Doch war Conze karrieretechnisch und finanziell trotz allem noch nicht am Ziel angelangt. Denn der eigene Lehrstuhl als klassischer Abschluss der akademischen Laufbahn ließ weiter auf sich warten. Unterdessen war sein Name aber bei Berufungsfragen immer häufiger im Spiel.65 Akut wurde die Situation erstmals, als ihm 1953 der »historische Lehrstuhl« an der Technischen Universität 75

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Berlin angeboten wurde.66 Conze stand der Aussicht auf eine als zweitklassig empfundene Stelle67 an einer Technischen Hochschule allerdings mit gemischten Gefühlen gegenüber und gestand Alfred Herrmann, der ihn zu seinem Nachfolger auserkoren hatte: »Ich muß gestehen, dass ich mich manchmal ein wenig erschöpft fühle und nichts überstürze, mich auch nicht drängen lasse. Denn es werden sich in der nächsten Zeit auch noch andere Möglichkeiten ergeben. Vielleicht klingt das zu egoistisch, aber die dauernde Überspannung des Arbeitslebens war reichlich, und ich will jetzt nichts überhasten.«68 Schließlich machte er sich Hoffnung auf eine »schon so lange in Aussicht gestellte Planstelle« in Münster.69 Letztlich wollte man ihn dort auch nicht verlieren und sicherte ihm eine solche zu, so dass Conze nach intensivem Briefwechsel mit Berlin beruhigt absagen konnte.70 Ein gutes Jahr später wurde er zum außerordentlichen Professor für Neuere Geschichte und Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Münster ernannt,71 ein weiteres Jahr später erkannte ihm das Ministerium als persönlichem Ordinarius die Fakultätsrechte, wenn auch nicht das Gehalt eines ordentlichen Professors zu.72 In der Zwischenzeit hatte aber die Universität Heidelberg begonnen, sich um Conze zu bemühen. Am dortigen Historischen Seminar sah der Neuzeitordinarius Johannes Kühn, seit 1948 Nachfolger von Willy Andreas, der als ehemaliger Rektor der Universität in den ersten Monaten des Dritten Reiches die Entnazifizierung nicht überstanden hatte, der Emeritierung entgegen. Kühn selbst hatte Conze in einem weit ausholenden Memorandum, in dem er in fragwürdiger Weise die emigrierten, aber rückkehrwilligen Historiker im gleichen Atemzuge wie die durch ihren Nationalsozialismus weithin Diskreditierten aussonderte, in die nähere Auswahl einbezogen.73 Letztendlich einigte man sich auf zwei Favoriten: den in Frankfurt lehrenden Otto Vossler, der nicht nur ein Sohn des berühmten Heidelberger Romanisten Karl Vossler war, sondern auch seit langem ein »guter Freund« des Philosophen Hans-Georg Gadamer,74 sowie an zweiter Stelle Conze. Was letzteren auf den aussichtsreichen Listenplatz hinter Vossler brachte, den in den Augen der Fakultätsangehörigen immerhin eine »intensive geistige Tradition deutscher Prägung« in Verbindung mit einer »großen Weltkenntnis« auszeichnete, lässt sich nur vermuten. Der Antrag an das Kultusministerium fiel – im Vergleich zum Lob des »Gelehrten« Vossler – recht nüchtern aus.75 Immerhin hatte Conze mit dem Althistoriker Hans Schäfer einen persönlichen Fürsprecher auf seiner Seite. Schäfer, der ihm gegenüber bekannte, von keinem Historiker der Neuzeit seit seiner Studienzeit so viel gelernt zu haben »wie von Ihrem Lehrer Rothfels« und mit niemandem in Leipzig so »fruchtbar diskutiert« zu haben wie mit Herbert Grundmann,76 verteidigte seinen Favoriten auch im Senat gegen Bedenken hinsichtlich seiner pädagogisch-rhetorischen Fähigkeiten.77 Persönliche Neigungen und Verbindungen mögen also wiederum eine Rolle gespielt haben. Als Vossler im Juni 1956 endgültig den 76

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Ruf nach Heidelberg ablehnte, war jedenfalls die Bahn frei für Berufungsverhandlungen mit Werner Conze.78 »Ich bin grundsätzlich rebus sic stantibus gewillt, den Ruf anzunehmen«, war die erste Reaktion des Erwählten auf die offizielle Mitteilung des badenwürttembergischen Kultusministeriums im Juli.79 Doch war dies nur der Startschuss zu einem über die folgenden drei Monate sich hinstreckenden Verhandlungspoker, an dessen Ende die Stuttgarter Ministerialbürokratie und die Heidelberger Fakultät zu beinahe allem bereit waren. In Münster nämlich wollte man Conze um jeden Preis behalten. Umgehend wurde ihm nun das lang ersehnte Ordinariat mit satter Gehaltserhöhung in Aussicht gestellt und darüber hinaus die Leitung einer neu einzurichtenden sozialgeschichtlichen Abteilung an der Dortmunder Sozialforschungsstelle. Der so Hofierte meldete infolgedessen im August nach Stuttgart, dass die »Waage […] zugunsten von Münster sich neigt«;80 gegenüber Hans Schäfer, der in Vertretung des Dekans Gadamer vorübergehend die Geschäfte der Fakultät führte, meinte er bedauern zu müssen, dass sein »Kommen nach Heidelberg nicht nur nicht sicher, sondern sogar nicht einmal wahrscheinlich« sei.81 Nun war es an Schäfer, den drohenden Prestigeverlust einer zweiten gescheiterten Berufung abzuwehren und dem Ministerium die Dringlichkeit des Falles klar zu machen.82 Hier erklärte man sich dann auch bereit, Conze ein »Äquivalent für Ihr Sozialgeschichtliches Forschungsinstitut zu schaffen«.83 Er reagierte auf die »neue Lage« mit einem Sechs-Punkte-Katalog seiner »Mindestwünsche«: Außer der »Zusicherung eines Instituts für moderne Sozialgeschichte (oder: Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters)« stand dabei die materielle Beantwortung der »mehr persönlich-familiären Fragen« im Mittelpunkt. Vor allem beim Hausbau hoffte der Historiker auf die Hilfe der öffentlichen Hand. Selbst auf die fehlenden Gardinen und Teppiche des bisherigen Haushaltes hinzuweisen, versagte er sich im Rausch des Umworbenseins nicht; gleichzeitig betonte er aber, dass ihm jedes »›Schachern‹ in solcher Lage zuwider« sei und er und seine Familie sich »von den heute so erschreckend selbstverständlich gewordenen Ansprüchen an den steigenden Lebensstandard frei« wüssten.84 Während man im Düsseldorfer Ministerium mit einem »Sondergehalt« nachlegte,85 versuchte Gadamer, den Historiker mit den Mitteln des abendländischen Gesprächs an den Neckar zu ziehen: »Ich darf hinzufügen, dass ich mich persönlich sehr freuen würde, zumal ich öfters schon von Herrn Rassow über Sie gehört habe. Herr Schäfer sagte mir, dass Sie sogar einmal mein Hörer waren. Das gehört freilich zu den Verdiensten, von denen man nichts weiß. Nun habe ich die Bitte, mich wissen zu lassen, welche Ihrer Wünsche noch unerfüllt sind, damit ich gegebenenfalls noch einmal mit dem Ministerium darüber Fühlung nehmen kann.«86 Kein Zweifel, dass all das Conze schmeicheln musste. In Stuttgart hatte man 77

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sich indes bereit erklärt, seine Forderungen sämtlich zu erfüllen. Die Entscheidung wurde für ihn, dem es anfangs wohl in erster Linie um die Verbesserung seiner Stellung in Münster gegangen war, somit immer schwieriger. Noch Mitte Oktober schrieb er an Gadamer, dass er noch immer nicht wisse, wie er sich entschließen werde; seien doch die Vorzüge und Nachteile »auf beide Seiten so merkwürdig verteilt, dass gewissermassen ein Gleichgewicht besteht«, bei dem er sich scheue, »rein äusserliche Gewichte wie z.B. finanzielle Vorteile, die deutlich für Münster sprechen würden, auf die Waagschale zu legen«.87 In seiner Not wandte er sich an einen Außenstehenden, den in Hamburg lehrenden Soziologen Carl Jantke, den er seit den Königsberger Jahren kannte und der als ehemaliger Mitarbeiter der Sozialforschungsstelle auch über die Verhältnisse in Dortmund gut im Bilde war. Es ist gut möglich, dass die Entscheidung Conzes, die unmittelbar nach dem Antwortbrief Jantkes fiel, in der Tat auf dessen Rat zurückging. Denn dieser lautete: »Heidelberg. Dortmund ist und bleibt für Sie Gefälligkeitssache. Heidelberg hingegen bedeutet für Sie echte Autonomie, und die wünsche ich Ihnen und wünsche ich mir für Sie. Zum andern: das historisch-soziologische Heidelberg ist nur zu retten durch einen völlig von ›außen‹ Kommenden, den die ganzen verfilzten Traditionalismen nichts anzugehen brauchen. Daß es ›gerettet‹ werden sollte, darüber sind wir uns ja einig. Der notwendige Durchbruch zu etwas Neuem kann nur bei Ihrer Person und bei Ihrem Lehrstuhl ansetzen.«88 Und so sollte es sein.89

2. Heidelberger Ordinarius Das Jahr 1957 markiert in vielerlei Hinsicht eine kleine Zeitenwende in der Geschichte der Bundesrepublik. Während in der Politik »einerseits Adenauers CDU die absolute Mehrheit errang und die Kanzlerdemokratie den Zenit durchlief, […] andererseits sich die SPD für Godesberg zu rüsten begann«, bezeichnen etwa die Einführung des arbeitsfreien Samstags oder auch die Tatsache, dass es erstmals mehr Fernsehapparate gab als Kinositze, einen sozial- und kulturgeschichtlichen Wandel.90 Während die hier angedeuteten gesamtgesellschaftlichen Tendenzen des Umbruchs in der historischen Rückschau offenbar werden, befand sich Werner Conze, der im Frühjahr 1957 nach Heidelberg umzog, um dort seine neue Stelle anzutreten, schon damals in einer regelrechten Aufbruchsstimmung. Kurz nach seiner Ankunft im provisorischen Domizil am Nordufer des Neckars schrieb er an Reinhard Wittram: »Als ich den Brief begann, da leuchtete das Schloß rot in der Abendsonne. Ich sehe es von meinem Schreibtisch aus liegen. Die neue Umwelt wirkt noch stark ein, und sie wird es noch im Lauf der Zeit immer stärker tun. Ich bin glücklich, daß ich hier sein kann.«91 78

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Die akademische Odyssee des Historikers, die über zwei Jahrzehnte zuvor im Nordosten Deutschlands begonnen hatte, hatte im Südwesten ihr gutes Ende genommen. Die Distanz zwischen Königsberg und Heidelberg findet ihre Entsprechung im Schicksal, das beiden Städten seit Kriegsende widerfahren war. Während die dem Untergang geweihte »Weltbürgerrepublik« (Jürgen Manthey) von den sowjetischen Besatzern fürchterlich dafür bestraft wurde, das ihr humanistisch-aufklärerischer Geist schon in der Zwischenkriegszeit einem im Ergebnis mörderischen Nationalismus gewichen war,92 erfreute sich das die älteste Universität Deutschlands beherbergende »Weltdorf« (Camilla Jellinek) der mitunter geradezu liebevollen Zuwendung der Amerikaner. Diese waren, nachdem sie die unversehrte Stadt am 30. März 1945 eingenommen und zu ihrem Hauptquartier gemacht hatten, unverzüglich daran gegangen, vor Ort für die Etablierung einer demokratischen Kultur zu sorgen.93 So erlebte Heidelberg in den Nachkriegsjahren »so etwas wie eine kulturelle Blüte«. Geschuldet war dies womöglich in der Tat auch einem spezifisch »amerikanischen HeidelbergMythos«, der »generösen Vorstellung, die sich Amerikaner von einem geistigen, einem besseren, von dem ›wahren‹ Deutschland« gemacht hatten.94 Von dieser profitierte auch die Universität, die bereits zwischen August 1945 und Januar 1946 nach und nach wiedereröffnet wurde.95 Dabei hatte sich die Ruperto Carola im Dritten Reich in keiner Weise positiv von den anderen deutschen Universitäten abgehoben, sich vielmehr wie diese vorbehaltlos in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt.96 Dass auch in Heidelberg intellektueller Aderlass und moralisches Versagen Hand in Hand gingen, zeigt das Schweigen, mit dem die nichtjüdischen Hochschullehrer auf die Vertreibung ihrer jüdischen Kollegen reagierten. Zwischen 1933 und 1938 fiel beinahe ein Drittel des Lehrkörpers der Universität dem ›Arierparagraphen‹ zum Opfer.97 Eine gezielte Anstrengung, die Ausgestoßenen nach 1945 zur Rückkehr an ihre alte Wirkungsstätte zu bewegen, wurde nicht unternommen. Stattdessen setzte man nun alles daran, die kollektive Schuld, die die Universität durch ihre Komplizenschaft mit dem Nationalsozialismus auf sich geladen hatte, durch die Konstruktion eines neuartigen »Heidelberg-Mythos« zu verdecken, den der amerikanische Historiker Steven P. Remy überzeugend herausgearbeitet hat. Diesem Mythos zufolge sei die Universität erstens vor 1933 eine Hochburg der Demokratie und Toleranz gewesen, deren akademische Freiheit zweitens lediglich durch einige von Außen kommende Fanatiker in Frage gestellt worden wäre, während drittens die große Mehrheit der Professoren ihre Opposition gegenüber dem NS-Regime durch das Aufrechterhalten ›objektiver‹ Forschung und Lehre bewiesen hätte.98 Allein die erste Komponente war hierbei nicht völlig aus der Luft gegriffen. Denn in der Tat galt die Universität in den zwanziger Jahren trotz des sich seit 1914 zunehmend entliberalisierenden politischen Klimas unter Professoren und vor allem Studenten noch als eine der republikfreundlicheren Lehrstätten des Deutschen Reiches.99 Neben 79

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den rechtspositivistischen Juristen Gustav Radbruch und Walter Jellinek sticht insbesondere der sozialwissenschaftliche Bereich ins Auge. Im Umkreis von Alfred Weber, dem jüngeren Bruder von Max Weber, und dem von ihm 1924 gegründeten Institut für Sozial- und Staatswissenschaften hatte sich eine heterogene Schar innovativer Gelehrter, wie z.B. Emil Lederer, Karl Mannheim oder Norbert Elias, zusammengefunden.100 Nach 1945 war es dann von unschätzbarem legitimierenden Wert, dass die invention of tradition einer in ihrem Kern ›sauber‹ gebliebenen Universität auch von wirklichen Gegnern und Opfern des Nationalsozialismus mitgetragen wurde, denen ihre guten Absichten nicht abgesprochen werden konnten und können. Neben Alfred Weber und Gustav Radbruch galt dies für den Philosophen Karl Jaspers, der sich allerdings bald wegen seiner Auseinandersetzung mit der »Schuldfrage« viele Feinde machte.101 Doch kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass von den prägenden Elementen des vielbeschworenen ›Heidelberger Geistes‹ insgesamt wenig mehr als das zeitlos schöne Ensemble von Stadt und Landschaft übrig geblieben war.102 Das Historische Seminar der Universität war schon gegen Ende der Weimarer Republik nicht gerade ein bevorzugter Tummelplatz des ›lebendigen Geistes‹ gewesen.103 Immerhin hatte hier aber mit dem Mediävisten Karl Hampe, der 1933 auf eigenen Wunsch emeritiert worden war, ein weithin anerkannter Vertreter seines Faches gelehrt.104 Die Neuere Geschichte wurde seit 1923 in erster Linie von Willy Andreas repräsentiert, von dem allerdings wenig eigenständige historiographische Impulse ausgingen. Trotz der weitgehenden Anpassungsbereitschaft, die er – nicht nur als Rektor bis Juli 1933 – gegenüber den Nationalsozialisten gezeigt hatte, wurde er von ihnen als »früherer Demokrat« nie voll akzeptiert.105 Johannes Kühn, der, aus Dresden kommend, 1948 seinen Lehrstuhl übernahm, hatte mit Andreas offensichtlich nicht nur die eher geringe wissenschaftliche Ausstrahlung gemein, sondern auch die Anbiederung an den Nationalsozialismus.106 Ähnliches galt unter Einschränkungen für Fritz Ernst, »in merkwürdiger Kombination Mediävist und Kolonialhistoriker«, der seit 1937 in Heidelberg lehrte und damit – neben dem unscheinbaren Privatdozenten Walther Peter Fuchs – die Kontinuität zwischen den Jahren des Dritten Reiches und der frühen Bundesrepublik vor Ort verkörperte.107 Dabei muss man Ernst jedoch zugestehen, dass er die unmittelbare Vergangenheit nicht wie manch anderer auf die leichte Schulter nahm, sondern sich öffentlich – so in einer Vorlesungsreihe im Rahmen des Studium Generale 1961/62 – mit den Verwerfungen der jüngsten deutschen Geschichte auseinandersetzte.108 Seine Variante jener »protestantischen Bußfertigkeit«, die Nicolas Berg zufolge »eine notwendige erste Etappe auf dem Weg zum Sprechen über den Völkermord« darstellte,109 war der Ausfluss einer ihm schwer zusetzenden inneren Krise. Seit Jahren tief depressiv nahm er sich 1963 das Leben.110 80

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Kein Wunder, dass ein zupackender und ambitionierter Neuzugang wie Conze in dieser Gemengelage wie eine frische Brise wirken musste. In diesem Sinne schrieb ihm Ernst, nachdem der Wechsel von Münster nach Heidelberg im Herbst 1956 entschieden war, wie er sich freue, dass »nun mit Ihnen ein neuer Wille und eine neue Hoffnung in unser Haus hier kommt«; er selber sei »unter den Eindrücken der letzten zwanzig oder fünfundzwanzig Jahre etwas skeptisch gegen Historie und Historiker geworden«.111 Ehrlich bewegt von Conzes Kommen war auch sein alter Königsberger Kollege Erich Maschke, der ein Jahr vor ihm zum außerordentlichen Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Heidelberg ernannt worden war und ihm zuvor dringend zur Annahme des Rufes geraten hatte.112 Maschke, der sich allem Anschein nach noch stärker als Conze mit dem Nationalsozialismus eingelassen,113 dafür aber mit seiner achtjährigen Kriegsgefangenschaft in Rußland auch einen weit höheren Preis zu entrichten hatte,114 teilte mit Fritz Ernst den Hang zur Depression. Auch er schied, nachdem er durch den Tod seiner Frau seiner wichtigsten Stütze beraubt worden war, 1982 freiwillig aus dem Leben.115 Einstweilen gestand er dem um zehn Jahre jüngeren Conze neidlos zu, dass sich an der Heidelberger Universität »mit Ihrem Kommen eine sehr spürbare Lücke schließen wird«, und machte sich – gemeinsam mit seiner Frau – Sorgen um das Wohlergehen von dessen dem Umzug entgegensehender Familie. Selbst dies bot ihm einen Anlass zu grüblerischem Selbstzweifel: »Was wir dazu tun können, Ihnen das Einleben zu erleichtern, wollen wir gern tun. Freilich – wie viel wird es sein? Vielleicht muß man dazu älter werden, vielleicht selbst einiges durchgemacht haben, um die volle Einsicht in unsere Schwachheit und gerade in die Grenzen unseres Bemühens um den anderen Menschen zu sehen.«116 Während Conze von Seiten der Professoren des Historischen Seminars also bei aller kollegialen Gesinnung auch eine deutlich spürbare Resignation entgegenschlug, konnte bei den Nachwuchshistorikern vor Ort davon keine Rede sein. So wie Maschke eine Vergegenwärtigung der Vergangenheit darstellte, stellte der damals dreiunddreißigjährige Reinhart Koselleck (1923–2006) ihm über die kommenden Jahre hinweg eine Brücke in die vergangene Zukunft dar, und dabei eine nie versiegende Quelle der wissenschaftlichen Inspiration. Koselleck, der einer bildungsbürgerlichen Familie aus Schlesien entstammte, hatte nach sechs Jahren Krieg und Gefangenschaft ein fächerübergreifendes Studium in Heidelberg zur Befriedigung seines intellektuellen Nachholbedarfs genutzt, um dann 1954 von seinem Onkel Johannes Kühn mit der inzwischen legendären Arbeit »Kritik und Krise. Eine Pathogenese der bürgerlichen Welt« promoviert zu werden.117 Ein Jahr darauf wurde er der Assistent Kühns, als den ihn dann Conze übernahm. Diesem gegenüber brachte er im November 1956 seine Freude darüber zum Ausdruck, dass nun »wieder eine kontinuierliche Semi81

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nararbeit in Gang kommen« werde. Dabei war er sich sicher, »dass die Hilfe, die ich Ihnen bei Ihrer Arbeit zu leisten hoffe, bei weitem durch Ihre Anregung und Anleitung aufgewogen wird«.118 Neben Reinhart Koselleck ›erbte‹ Conze von Johannes Kühn auch noch den vitalen Dieter Groh, der als weiterer Assistent (seit 1960) sowohl im Bereich der Geschichte der Arbeiterbewegung als auch als Kontaktmann nach Frankreich zu einer seiner Hauptstützen während der frühen Heidelberger Jahre wurde.119 Conzes über lange Zeit hinweg engster Mitarbeiter war aber zweifellos sein Münsteraner Schüler Horst Stuke, der die Assistentenstelle an seinem neuen sozialgeschichtlichen Institut bekam und von Anfang an als Geschäftsführer des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte fungierte. Schon in Münster hatte Conze begonnen, sich des elternlosen jungen Studenten anzunehmen, der für ihn geradezu das Ideal des wissenschaftlichen Nachwuchses verkörperte. So hob er 1952 in einem Gutachten hervor, dass Stuke, »obwohl er materiell elend dran ist, nicht sich dem verbreiteten stupid verbissenen Existenzkampf-Typus mit dem Blick aufs Examen« angeschlossen, »sondern in einem erstaunlichen und erfreulichen Ausmaß die innere Spannkraft zu geistigem Anspruch sich bewahrt« habe.120 Dass aus dem »ehemaligen Lehrer-SchülerVerhältnis« bald eine »wissenschaftlich und menschlich enge Beziehung der Gegenseitigkeit im Geben und Nehmen«121 wurde, belegen die zahlreichen Berichte und Arbeitsanweisungen in launig-herzlichem Ton, die Conze zwischen 1958 und 1962 von Auslandsaufenthalten an Stuke nach Heidelberg schickte.122 Über den Kreis seiner anfänglichen Mitarbeiter hinaus wurde Conze schnell zum Mittelpunkt eines rasant anschwellenden Schülerkreises. Dass er eine bevorzugte Adresse für ambitionierte junge Historiker wurde, die zum Teil allein seinetwegen den Weg nach Heidelberg fanden, lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass er auch zwei Söhne berühmter Kollegen unter seine Fittiche nahm, die später selber Historiker von internationalem Rang werden sollten. So begleitete ihn noch von Münster her Wolfgang Schieder, der Sohn seines alten Freundes »Theo«, um von ihm promoviert zu werden,123 während Hans Mommsen nach der Promotion bei Hans Rothfels in Tübingen zu Conze fand und 1962 Assistent wurde. Letzterer bezeichnete Conzes Bereitschaft, ihn auf dem Weg der Habilitation zu begleiten, damals höflich als »die Erfüllung lang, aber vorsichtig gehegter Wünsche«.124 Sein Vater, der zwangspensionierte Marburger Neuzeithistoriker Wilhelm Mommsen, dankte Conze 1964 »für die freundlichen Worte über meinen Sohn und für alles, was Sie für Ihn tun«: »Vor allen Dingen freut es mich sehr, dass Sie der Auffassung sind, dass er sich relativ schnell an seine Habilitationsarbeit machen soll. Es wäre sehr schön, wenn er sich neben anderen Verpflichtungen ausserhalb der Universität, 82

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die er vielleicht einschränken könnte, auf seine eigentliche Arbeit konzentrieren würde. Ich freue mich sehr, wenn Sie das unterstützen würden, zumal ja Söhne heute auf Ihre Väter nicht immer zu hören pflegen.«125 Ein Jahr vor seiner Emeritierung im Jahre 1979 konnte Conze als beliebter ›Doktorvater‹ auf ganze 46 bei ihm in Heidelberg abgeschlossene Dissertationen zurückblicken; etwa zehn weitere sollten noch folgen.126 Darüber hinaus begleitete er insgesamt elf Historiker auf dem Weg zur Habilitation.127 Dass sich »Personen sehr verschiedener wissenschaftlicher, politischer, weltanschaulicher Ausrichtung von Conze angezogen fühlten und von ihm gefördert wurden«, kann als »Beweis für seine Toleranz und Offenheit gerade gegenüber Jüngeren« angesehen werden.128 Nicht nur Dieter Groh erinnert sich an seine »außerordentliche Liberalität« im Umgang mit Studenten und Mitarbeitern, die »damals in der Bundesrepublik alles andere als selbstverständlich war«, und seine Aufgeschlossenheit in Diskussionen, in denen eben »niemand runtergebügelt« wurde.129 Von einer regelrechten Schulbildung kann aber über einen mittleren Wirkungskreis hinaus kaum die Rede sein.130 Einsetzend mit den frühen sechziger Jahren sah Conze sich der mittlerweile dritten Generation von Studenten gegenüber. Während er sich, wie er in seiner Abschiedsvorlesung bemerkte, in der Göttinger Nachkriegszeit mit den Studenten noch »durch ein und dasselbe Generationserlebnis verbunden« gefühlt und in den darauffolgenden fünfziger Jahren »noch in der Entbehrung aufgewachsene, Abstand nehmende, kritisch zugewandte Studenten« unterrichtet hatte, traf er nun in Heidelberg auf die Generation, die ihm im Rückblick am meisten ans Herz gewachsen war: »Es war die Zeit der zunehmend kritischen, vielfältig bewegten, sowohl die deutsche Tradition wie die deutsche Gegenwartsentwicklung skeptischer beurteilenden Studenten. In dieser Zeit gab es Vorlesungen und Seminare, die nicht nur stark besucht, sondern von fruchtbarer geistiger Unruhe erfüllt waren. […] Der Bezug von Wissenschaft und Leben […] war damals lebendig, ohne dass viel darüber geredet zu werden brauchte. […] Es war eine anregende Zeit, übrigens auch der Feste. Was hat sich alles in den Festen des Historischen Seminars abgespielt!«131 Die Etablierung Conzes als attraktive Lehrerfigur spielte sich vor dem Hintergrund des Ausbaus des Historischen Seminars und der Erweiterung der Heidelberger Geschichtswissenschaft ab, die maßgeblich von ihm mit in Gang gesetzt wurden. Er war es, der der Forschung vor Ort »neue Anstöße und dem Seminar eine weitausstrahlende und unverwechselbare Bedeutung unter den deutschen Universitätsinstituten« verlieh.132 War bereits die Gründung des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte ein direktes Ergebnis seiner Berufungsverhandlungen, so waren diese auch für die beschleunigte Schaffung eines zweiten Lehrstuhls für neuere Geschichte mit verantwortlich, die er bei seiner Berufung zur Steigerung der »Entlastung und Kommunikation zugleich« gefordert hatte.133 Nachdem sein ursprünglicher Wunschkandidat 83

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Heinz Gollwitzer den für ihn selbst in Münster geschaffenen Lehrstuhl bevorzugt hatte, wurde das neue Extraordinariat wesentlich auf Conzes Betreiben hin bereits im Wintersemester 1957/58 mit dem Schweizer Rudolf von Albertini besetzt.134 Albertini, der 1967 von Reinhart Koselleck abgelöst wurde, ergänzte das Lehrangebot durch die frühe Neuzeit und vor allem die Kolonialgeschichte.135 Conze überließ die Perspektiverweiterung über den nationalgeschichtlichen Tellerrand hinaus allerdings nicht allein seinem jüngeren Kollegen. Seit 1960 arbeitete er etwa in der Senatskommission zur Errichtung des interdisziplinär ausgerichteten Südasien-Instituts an der Universität mit, dessen Anliegen die engere »Zusammenführung und auch Zusammenarbeit von deutschen und ausländischen Wissenschaftlern und Studenten in der Erforschung der Probleme der Entwicklungsländer« war.136 Einem indischen Religionswissenschaftler gegenüber schrieb er von der Absicht, »die leider abgebrochene Tradition der Indologie und darüberhinausgehend auch der Studien über das moderne Indien aufzunehmen«.137 Nach der feierlichen Eröffnung des Instituts im Jahre 1962 in Anwesenheit des damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kurt Georg Kiesinger wurde Conze gemeinsam mit dem Theologen und späteren Kultusminister Wilhelm Hahn Geschäftsführender Direktor. Als 1968 einer seiner Schüler, Dietmar Rothermund, Professor an der neu eingerichteten Abteilung für Geschichte wurde, war die Verbindung des Instituts zur Heidelberger Geschichtswissenschaft gesichert.138 Conzes Engagement für das Südasien-Institut bot auch den Anlass für eine knapp dreiwöchige Vortragsreise durch Indien im Herbst 1964, der durch ein Treffen mit Präsident Sarvepalli Radhakrishnan der Nimbus eines Staatsbesuches verliehen wurde. Dieser wurde noch verstärkt durch ein breit angelegtes Porträt des »eminent German historian« in der indischen Tageszeitung The Statesman, das Conze als einen der wenigen Deutschen darstellte, »who are capable of looking back on their recent past […] without blinkers and selfpity«.139 Noch ferner gen Osten führte Conze die 4. Generalversammlung der internationalen Association des Universités (AJU) in Tokio, die er knapp ein Jahr darauf als Stellvertreter des Rektors der Heidelberger Universität besuchte. Bei seiner Heimkehr konnte sich Conze, der ohnehin bereits zu einigen Vorträgen in Japan eingeladen war und den akademischen Anlass gemeinsam mit seiner Frau zu einem einmonatigen Aufenthalt nutzte,140 nicht nur des Dankes des Rektors »für diese zeitraubende und mühevolle Reise« im »Interesse der Universität« sicher sein,141 sondern auch einer über die Jahre anwachsenden Schar von Verehrern aus den Reihen der japanischen Geschichtswissenschaft.142 Angesichts der vielfältigen universitären Aktivitäten Conzes und seines weiter steigenden wissenschaftlichen Renommees nimmt es nicht Wunder, dass er schnell zu einem der nur schwer ersetzbaren Aushängeschilder der gesamten 84

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Hochschule wurde. Doch auch andernorts war das Interesse an seiner Person inzwischen gewachsen. Als Conze 1961 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Verfassungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bonn erhielt,143 klingelten sowohl in Heidelberg als auch im Stuttgarter Ministerium erstmals die Alarmglocken. Sein Kollege Fritz Ernst zeigte sich nach einem sich daran anschließenden Gespräch mit Conze »zuerst noch so überrascht«, dass er »nicht viel sagen konnte«. In einem umgehend verfassten Brief betonte er an erster Stelle die Vorteile einer nicht wie in Bonn spezifizierten »allgemeinen Professur«, auf der allein Conze »das Sozialgeschichtliche im Gesamtgeschichtlichen darstellen« könne. Was das Persönliche anging, versicherte er ihm, »dass wir beiden Seminardirektoren uns nicht nur gut verstehen, sondern auch gut ergänzen«.144 Auch der Kultusminister ließ verlauten, dass der Universität wie auch ihm selbst »sehr daran gelegen« sei, dass Conze seine Tätigkeit in Heidelberg fortsetze.145 Obwohl die Annahme des Rufes eindeutig einen finanziellen Vorteil erbracht hätte, entschied er sich, nachdem ihm in Heidelberg eine vierte Assistentenstelle und eine erhöhte Anzahl an Freisemestern zugesichert worden waren, letztlich zur Ablehnung.146 Er begründete dies vor allem damit, dass es ihm »schwer fallen würde, die hier so besonders freudige und fruchtbare Arbeit sowohl bei den Studenten im Seminar sowie in der Forschung des Instituts aufzugeben«. Seine Vermutung, dass damit »eine Entscheidung auf lange Zeit gefallen« sei,147 bestätigte sich knapp vier Jahre später, als ihn aus München der Ruf auf den renommierten Lehrstuhl für Neuere Geschichte erreichte, den bisher Franz Schnabel innegehabt hatte. Zwar kam man in Baden-Württemberg an die finanzielle Meßlatte aus Bayern diesmal noch weniger heran als zuvor an die aus Nordrhein-Westfalen;148 doch ließen sich die Gründe, die Conze erneut zum Bleiben bewegten, für ihn nun »im Grunde in einem einzigen Kernproblem zusammenfassen«: nämlich dem, »wie sich bei zunehmender Überlastung und Überbeanspruchung durch die Verpflichtungen gegenüber der Lehre, der Verwaltung und der Wissenschaftsorganisation ein Rest dessen noch retten ließ, worauf es mir wesentlich ankommt, Muße für produktive Forschung zu bewahren oder wiederzugewinnen. Hierfür habe ich mir nach vielen Jahren der Zersplitterung und durch viele ehrenamtliche Tätigkeiten in Heidelberg gerade jetzt wenigstens halbwegs die Bedingungen geschaffen«. Alles in allem erkannte er hier »angesichts der heutigen Überlastung in einem sogenannten Massenfach« eben noch »relativ günstigere Bedingungen« als in München.149 In der Tat hatte sich währenddessen auch in Heidelberg mit dem rapiden Anstieg der Studentenzahlen jener Prozess abzuzeichnen begonnen, der langsam, aber unaufhörlich das Fundament der Ordinarien-Universität untergraben sollte, in deren sicherem Hafen Conze sich nach all den Jahren der Irrfahrt nun 85

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endlich dem hingeben zu können hoffte, was er später einmal mit dem »ständigen Wechsel zwischen Muße und tätigem Hineingehen in die akademische Gemeinschaft« als das Ideal eines Professorenlebens bezeichnete.150 Zwischen dem Wintersemester 1951/52 und dem Wintersemester 1960/61 hatte sich die Zahl der Geschichtsstudenten am Historischen Seminar bereits verdreifacht.151 Und ein Ende war nicht abzusehen. Der steigende Arbeitsaufwand für Conze schlug sich etwa darin nieder, dass er allein im Herbst 1965 33 Magister- und Staatsexamenskandidaten zu betreuen hatte.152 Allgemein erwuchs aus dem wachsenden Missverhältnis von Professoren und Studenten in zahlenmäßiger Hinsicht und der damit verbundenen persönlichen Distanz ein latentes Konfliktpotential, das sich nur wenige Jahre später in der offenen Hochschulkrise entzünden sollte. Einstweilen erschien die universitäre Welt Conze allerdings noch weitgehend in Ordnung. Der Heidelberger Lehrstuhl hatte ihn endlich in die Lage versetzt, aus der heraus er mit seiner Familie einer von ihm als angemessen empfundenen bürgerlichen Lebensform Gestalt geben konnte. Zeit war ihm wichtiger geworden als Geld.

3. Bundesrepublikanische Bürgerlichkeit Drei Jahre vor seinem Tod bezeichnete Werner Conze »Bürgertum« als einen »historischen Begriff«, der »trotz gewisser Nachklänge in der Umgangssprache« der Wirklichkeit des ausgehenden 20. Jahrhunderts nicht mehr entspreche.153 Hierbei schöpfte er aus einem – nicht unwesentlich von ihm selbst mit gestifteten – Forschungszusammenhang, dem es vor allem um die klassische bürgerliche Sozialformation des 19. Jahrhunderts zu tun war.154 Doch scheint dieser Befund im Anschluss an die neuere Forschung, aus heutiger Sicht kaum mehr überzeugend.155 Es ist dabei eine der »bleibenden Einsichten Hegels«, dass »der Bürgerbegriff nicht losgelöst werden kann von der geschichtlichen Bewegung, in die er jeweils verschränkt ist«.156 In der Tat waren nach dem Zweiten Weltkrieg innerhalb der Bundesrepublik mit dem Adel und dem Proletariat die wesentlichen klassenspezifischen Abgrenzungsfaktoren weitgehend obsolet geworden. Der Begriff des Bürgers konnte daher nun auch im Deutschen seine sozial und ideell aufgeladene Zwitterstellung zwischen »citoyen« und »bourgeois« allmählich in Richtung des Staatsbürgers verlassen.157 Wenngleich der traditionelle »bürgerliche Wertehimmel« durch den Nationalsozialismus seiner irdischen Adepten in dunkle Nacht gehüllt wurde, erwiesen sich letztlich auch im Bereich der sozialen Schichtung die Kontinuitäten über 1945 hinweg als stärker als die Diskontinuitäten. Mit der Konsolidierung der Bundesrepublik scheint sogar eine »Renaissance des Bürgertums« einhergegangen zu sein.158 Nicht nur im Zuge des Diskurses der »Zivilgesellschaft«,159 dem die Abgren86

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zung des von ihm verwendeten Neologismus’ vom älteren deutschen Allgemeinbegriff der »bürgerlichen Gesellschaft« immer wieder streitig gemacht wird,160 hat in jüngerer Zeit eine erhebliche Aufwertung des Attributes ›bürgerlich‹ eingesetzt.161 Gerade da, wo es um die zeitgeschichtliche Einordnung der gesellschaftlichen Entwicklung der frühen Bundesrepublik geht, wird für eine Verallgemeinerung der Kategorie der »Bürgerlichkeit« in Ablösung von der Sozialformation des Bürgertums plädiert, um die »soziopolitische und soziokulturelle Liberalisierung« in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten begreifbar zu machen.162 Ein solcher Wandlungsprozess lässt sich aber nicht ohne die »fortdauernden Fragmente vergangener Bürgerlichkeit«163 erklären, wie sie eben doch wiederum die im langen bürgerlichen 19. Jahrhundert wurzelnde Sozialformation vorgelebt hatte, welche sich auch nach dem Krieg vorerst weitgehend aus sich selbst heraus generierte.164 Eine Schlüsselfunktion als Träger des ambivalenten bürgerlichen Erbes kam den Akademikern zu, jenen materiellen und ideellen Nachkommen der einstmaligen Bildungsbürger. Das Sozialmodell dieser kleinen Minderheit, das ein »Leistungs- und Verantwortungsbewusstsein mit Elementen eines bürgerlichen Individualismus, Vorstellungen über eine bestimmte selbständige oder freiberufliche Erwerbs- und Lebensweise und gewissen beamtenhaften Zügen (Uneigennützigkeit, Dienstethos)« verband,165 war in der Adenauer-Ära als Leitbild auferstanden. Joachim Ritter, dem neuerdings eine Schlüsselrolle bei der »liberalkonservativen Begründung der Bundesrepublik« zugewiesen wird,166 verlieh dem Ideal des bürgerlichen Lebens in seinem Rückgriff auf die aristotelische Theorie des Glücks die passende philosophische Grundierung: »Das bürgerliche Leben im Stand der Gesellschaft ist die konkrete Wirklichkeit der menschlichen Praxis und so auch des Seins der Natur des Menschen. Im bürgerlichen Leben wird das Seinkönnen des Menschen wirklich. Was der Subjektivität als das ihr Äußerliche erscheint, ist in Wahrheit der Stand, in dem das Selbst zu seinem Sein kommt.«167 Ist es eine gewisse Seinsverlorenheit, die in der ›Berliner Republik‹ wieder so manch einen auf die »Suche nach der Bürgerlichkeit« getrieben hat?168 Im universitären Heidelberg der sechziger Jahre brauchte man da jedenfalls nicht lange zu suchen. Die Lebenswelt Werner Conzes mag veranschaulichen, was sich für die frühe Bundesrepublik realhistorisch mit dem Rubrum der Bürgerlichkeit verbinden lässt. Vor allem anderen bildete der Beruf die »große Resultante, in die alle wesentlichen Elemente der bürgerlichen Synthese« einflossen: »ethischer Sinn und materieller Nutzen, rationales Kalkül und Tatendrang, Selbstzucht und Streben nach Erfolg«.169 Conze selber wies einmal mit Nachdruck auf die »begriffliche Richtung im sozialethischen Sinne« hin, »wie sie dem deutschen Wort ›Beruf‹ durch alle Wandlungen und Brechungen hindurch z.T. noch bis zur Gegenwart eigentümlich gewesen« sei.170 Er verstand seinen Beruf nie allein als Vehikel in87

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dividueller Selbsterschaffung, sondern vielmehr als Dienst an der Allgemeinheit. Der Beruf stand im Mittelpunkt seines Lebens, wobei ihm die Arbeit nicht als Mittel zum Zwecke der Freizeit galt. Sowohl zeitlich als auch örtlich überwölbte die Wissenschaft das private Leben. An Aufsätzen und Büchern schrieb er zu Hause, oft noch zu später Stunde; der ›Feierabend‹ war ihm kein Ideal.171 Daneben stellte die Familie als primäre Kleingruppe die große Konstante der bürgerlichen Existenz dar. Nachdem Krieg und Vertreibung im großen Stil für die Zerschlagung familiärer Bindungen in Deutschland gesorgt hatten,172 wurde in den Nachkriegsjahren der Zusammenhalt innerhalb der Familien umso höher veranschlagt, die die Katastrophe als Einheit heil überstanden hatten. Dies galt auch für die Conzes, die sich, wenngleich der frühe Krebstod des zweitgeborenen Sohnes zwei Jahre zuvor noch schwere Schatten warf, bei ihrer Ankunft in Heidelberg im Jahre 1957 als eine intakte bürgerliche Familie präsentierten. Ein Jahr darauf wurde mit dem neugebauten Eigenheim im idyllisch gelegenen Vorort Ziegelhausen ein zwar der Ausstattung nach bescheidener, doch ausreichend großer Rahmen geschaffen, der sowohl Raum für das Familienleben als auch für akademische Geselligkeit bot. Großzügig war in erster Linie das Arbeitszimmer des Historikers mit angeschlossenem Bibliotheksraum, dessen antikes Mobiliar aus dem Familienerbe dem ansonsten funktionalen Ambiente des Hauses die Aura alter Gelehrsamkeit zur Seite stellte. Über die Jahre gaben sich hier Schüler und Kollegen aus dem In- und Ausland die Klinke in die Hand und konnten den Blick über das Neckartal würdigen, das Conze von seinem Schreibtisch aus vor sich liegen sah. Freilich, etwas steif scheint die Atmosphäre gerade in den Augen von Jüngeren immer gewesen zu sein. Schuld daran war nicht zuletzt das rigide Regiment Frau Conzes, die der Kulturdroge Alkohol als ansonsten auch in universitären Kreisen gern eingesetztem Entkrampfungsmittel ablehnend gegenüberstand; anders als ihr Mann, der sich außer Hauses – u.a. bei Exkursionen mit Studenten und Mitarbeitern – gelegentlich Abhilfe schaffen konnte.173 Bei den häuslichen Einladungen gehörte auch die Familie zur öffentlichen Sphäre – wie es eine repräsentable bürgerliche Lebenshaltung schon seit jeher verlangt hatte.174 Zur Auflockerung der Atmosphäre trugen nicht selten die Kinder bei, in der Heidelberger Zeit in erster Linie die beiden jüngeren, die dem Haushalt noch nicht entwachsen waren. Der große französische Historiker Fernand Braudel, kein seltener Gast im Hause Conze, war da nicht der Einzige, der die Besuche am Waldrand über Ziegelhausen in angenehmer Erinnerung behielt. Besonderen Gefallen hatte er am jüngsten Spross der Familie und dessen frühen geistigen Interessen gefunden.175 Die zentrale Position kam aber natürlich der Frau des Hauses zu. Gisela Conze fügte sich als klassische Professorengattin in die traditionell-patriarchalische Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern bewusst und konsequent 88

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ein. Ihr Anteil am beruflichen Erfolgsweg ihres Mannes bestand vor allem darin, ihm während ihrer fünfzigjährigen Ehe in unbedingter Solidarität zur Seite zu stehen und in allem, was den Haushalt und die Erziehung der vier Kinder anging, den ›Rücken freizuhalten‹. Dass der Historiker seit den siebziger Jahren selber den Müll an die Straße brachte, galt da schon als große Errungenschaft.176 Als Conze in der Mitte jenes »roten Jahrzehnts« (Koenen) ein großes Forschungsprojekt über die Sozialgeschichte der Familie in Gang brachte, stand auch sein persönlicher Familiensinn im Hintergrund. Es war die Zeit, in der die Attraktivität des traditionellen Familienmodells immer mehr zu schwinden begonnen hatte und sich neue Formen menschlichen Zusammen- bzw. Nichtzusammenlebens herausbildeten. Da drängte es ihn, sein eigenes Ideal zu betonen: »Vorläufig bietet sich die Familie […] immer noch oder vielleicht verstärkt wieder als Hilfe für ein Leben an, das nicht allein als technisch bedingt und zweckdienlich aufgefaßt werden kann, sondern das […] Bindung, Wärme, Geborgenheit und Hingebung, das heißt letztlich Liebe verlangt – vornehmlich im frühkindlichen Alter, aber darüberhinaus auch in der weiteren Kindheit und nicht zuletzt während des Berufslebens, zu dem die Familie lange Zeit den erwünschten Ausgleich für ein bescheidenes Lebensglück geboten hat.«177 Doch bestand das bürgerliche Dasein auch für Conze nicht nur im Wechselspiel zwischen beruflich-akademischer und familiär-häuslicher Sphäre, sondern verlangte zusätzlich nach Engagement auf staatlicher und gesellschaftlicher Ebene. Dass die Universität als Institution ihren Beitrag jenseits des regulären Betriebs von Forschung und Lehre forderte, wurde bereits deutlich und wird im Folgenden noch deutlicher werden. Doch darüber hinaus wurde auch die ansässige Bevölkerung der Stadt Heidelberg immer wieder in den akademischen Wirkungskreis Conzes einbezogen. Im Sommer 1964 berichtete etwa die Rhein-Neckar-Zeitung von seinem Vortrag bei der örtlichen Feierstunde zum 20. Juli 1944, der »trotz drückender Hitze« so viele Zuhörer anzog, »dass der große Saal der Stadthalle nicht ausreichte und die Emporen freigegeben werden mußten. Männer und Frauen aus allen Bevölkerungsschichten, viele Schüler und Studenten, lauschten einer eindrucksvollen Gedenkansprache«.178 Auch diesseits solcher Publikumsmagneten war der Historiker ein regelmäßiger Gast auf den Seiten der Lokalzeitungen. Dies begann bereits mit seiner Heidelberger Antrittsvorlesung über »Emanzipation und Staat im frührevolutionären Deutschland«. Hier hatte Conze unter anderem die nicht genutzten Chancen der preußischen Reformer um Stein und Hardenberg behandelt,179 deren Revolution von oben jenen gesellschaftlichen Grundtendenzen keinen Einhalt mehr habe gebieten können, die er als Dekorporierung, Disproportionierung und Entsittlichung bezeichnete.180 89

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Besonders aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang seine Festrede zum 50-jährigen Jubiläum des Deutschen Landkreistages in Bad Godesberg (1966), die von seiner theoretischen Bereitschaft zum Einsatz für das Kommunale zeugt – umso mehr als der Ordinarius auf etwaige Honorare inzwischen, anders als früher, nicht mehr angewiesen war. Die Würdigung des »in zeitgemäßer Weise lebendig[en]« Staatsbewusstseins, wie es den Landkreistag auszeichne, gab ihm dabei einen Anlass, seinem Selbstverständnis als Staatsbürger Ausdruck zu verleihen: »[H]ier wird die Erkenntnis ernst genommen, dass der demokratische Staat unserer Zeit von der tätigen und freien Verantwortung seiner Bürger lebt – nicht allein von den angeblich politisch mediatisierten Stimmzettelbürgern im Vierjahresturnus, sondern von den praktisch handelnden Trägern des gemeinen Wesens [sic], den Beamten sowohl wie den Politikern, den Ratenden, Forschenden und Arbeitenden, die in ihrer Arbeit nicht ausschließlich nur Gelderwerb und Eigeninteressen sehen.«181 Seinen historischen Ausgangspunkt nahm er wiederum bei den preußischen Reformern, in diesem Fall deren gescheiterten Bemühungen um die Heranführung der »Nation an den Staat« durch eine einheitliche Kreisverfassung. Dabei mahnte er sein Publikum, die »Kreisverwaltung in der zur Demokratie fortentwickelten Tradition Steins und Hardenbergs« nicht für selbstverständlich zu nehmen. Bedürfe diese doch nicht nur »stets von neuem des staatlichen und heute sogar überstaatlichen Schutzes«, sondern gerade auch der »steten persönlichen Bewährung«.182 Konkreter »den Menschen verpflichtet« wähnte sich der deutsche Dachverband von Rotary International, jener großen, 1905 in Chicago gegründeten, seit 1927 auch in Deutschland Fuß fassenden Wohltätigkeitsorganisation. Nach der Selbstauflösung im Dritten Reich hatten sich in Westdeutschland seit den frühen fünfziger Jahren wieder zahlreiche männliche Honoratioren (und solche, die es werden wollten) in örtlichen Clubs zusammengeschlossen. Unter der Devise »Selbstloses Dienen« verband man das Anliegen humanitärer Hilfe auf lokaler und internationaler Ebene mit dem Wunsch nach gepflegter Geselligkeit und standesgemäßen Bekanntschaften.183 Werner Conze war bereits 1955 Mitglied des Rotary Clubs Münster geworden und trat dann auch in Heidelberg umgehend in den örtlichen Club ein, als dessen Präsident er 1963/64 fungierte. 1970 gehörte er zu den 25 Gründungsmitgliedern des neuen Clubs Heidelberg-Schloß, den er bis zu seinem Tod alljährlich mit einem Vortrag bereicherte. Dabei behandelte er auch Themen, die über seine engeren wissenschaftlichen Tätigkeitsfelder hinausgingen, wie etwa die »Manipulation der Sprache« (1972), die »Erwerbstätigkeit der Frau und ihre Folgen« (1978) oder die »Allgemeinbildung« (1979).184 In seinem Festvortrag anlässlich der Distriktfeier im Jahre 1980 über »Dienst – Geschichte und Aktualität eines alten Begriffs«, der wenig später in der nationalen Club-Zeitung erschien, vertrat er die Ansicht, dass »Dienen und Dienstbereitschaft nicht humanitäre Arabesken 90

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sind, die man beliebig schmücken oder beseitigen kann, sondern dass sie mit der menschlichen Existenz unabtrennbar verbunden sind.« Schließlich werde die Welt, »in der Interesse und Macht allein zu wirken scheinen, […] durch Liebe und Hingabe, d.h. durch Dienst, allgemein ethisch oder auch christlich, zusammengehalten«.185 Als bewusster Staatsbürger fühlte sich der dienstbereite Historiker aber auch immer wieder zum Engagement im Bereich der ›hohen‹ Politik aufgerufen. Nicht von ungefähr hatte einer seiner ersten größeren Aufsätze der Nachkriegszeit das Spannungsfeld von Bürgertum und Demokratisierung in der jüngeren deutschen Geschichte berührt. Mit Friedrich Naumann und dessen »Politik in der nationalsozialen Zeit (1895 bis 1903)« hatte Conze 1949 nämlich einen »der Wegbereiter einer deutschen Demokratie« als Untersuchungsgegenstand gefunden, an dem zugleich auch das politische Versagen des Bürgertums im ausgehenden Kaiserreich deutlich geworden war.186 Und zeugte nicht auch sein eigener bisheriger Lebensweg bis zu einem gewissen Grade von den Folgen bzw. zeitlich verschobenen Analogien eben dieses Versagens? Das Wirken des eminenten Nationalsozialliberalen um die Jahrhundertwende bewies für ihn jedenfalls, »wie weit sich der aus seiner harmlos unpolitischen Überlieferung erwachte liberale Bürger versteigen konnte, nachdem er theoretisch eine imperial-expansive Machtpolitik als notwendig entdeckt und gefordert hatte«. Mit Blick auf die Gegenwart schloss er mit der Frage nach dem »Problem der Politisierung des deutschen Volkes, im besonderen seiner Bildungsschicht, […] zu später Stunde, inmitten einer entbundenen Massenwelt, die bis heute ihre Form nicht gefunden« habe. Staats- und gesellschaftspolitisch zu denken und zu handeln, betrachtete Conze also als Gebot der Stunde für sich und seine Standesgenossen, denen spätestens seit Thomas Manns vielzitierten »Betrachtungen« aus dem Ersten Weltkrieg das Stigma des »Unpoltischen« anhaftete. Dass ein übergroßer Teil des Bürgertums in den beiden Jahrzehnten zuvor einer radikal unmenschlichen Variante der Politisierung verfallen war, umschrieb er so: »In solcher [entbundenen Massen-] Welt fand die neue Politisierung nur ungenügende Grundlagen in einer etwa noch festgefügten Tradition älterer Volksordnung und trug einen Zug der Wurzellosigkeit und Verantwortungsferne in sich.« Ein positives Gegenbild bot sich ihm in der Person Max Webers, der im Gegensatz zu Naumann vermocht habe, »den Inhalt dessen, was er politisch wollte, von dem, was politische Wirklichkeit war, zu trennen«. Wenn Conze Naumanns »unpraktische ›Gesinnungsethik‹« geißelte, stand dabei ausdrücklich Max Webers klassische Unterscheidung zwischen der gesinnungsethischen und der verantwortungsethischen Handlungsmaxime als politischer Leitfaden im Hintergrund.187 Als 1952 aus Bonn die Einladung an ihn erging, an der zwei Jahre zuvor gegründeten ›Kommission zur Erforschung des Parlamentarismus und der politischen Parteien in Deutschland‹ mitzuwirken, zeigte er sich wohl nicht nur aus karrieretaktischen Gründen, sondern 91

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auch als politischer Bürger der jungen Republik »lebhaft an dieser Arbeit interessiert«.188 Den weitaus größten Teil seiner politischen Aktivitäten widmete Conze allerdings weniger der Konsolidierung des parlamentarischen Systems, die ohnehin erstaunlich reibungslos verlief, als vielmehr dem Streben nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. In diesen Zusammenhang fiel der Höhepunkt seines Erscheinens als politischer Gelehrter in der Öffentlichkeit: die Rede zum Nationalfeiertag am 17. Juni 1959 im Bundestag. Doch blieb er auch sonst stets ein aufmerksamer Beobachter und Kommentator der inneren Entwicklung der Bundesrepublik. Einige Breitenwirkung erzielte ein Vortrag auf der Bundestagung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU 1968 in Stuttgart. Dass Conze eher dem bürgerlichen Lager innerhalb der Parteienlandschaft zuneigte, kann in diesem Kapitel kaum verwundern. Es wäre jedoch verfehlt, daraus eine engere parteipolitische Bindung an die CDU ableiten zu wollen.189 So hatte er auch gegenüber der SPD, mit der er schon allein aufgrund seiner arbeitergeschichtlichen Interessen wiederholt in Kontakt kam, keine Berührungsängste.190 Nicht zuletzt die gesamtdeutsche Problematik hielt den preußisch geprägten Protestanten immer ein wenig in Distanz zum katholischen Rheinländer Konrad Adenauer.191 Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er bereits 1956 auf dem CDU-Bundesparteitag in Stuttgart eine Rede über die »Grundlagen und Ziele der sowjetischen Politik« gehalten hatte.192 Der Kontakt zum Evangelischen Arbeitskreis war aller Wahrscheinlichkeit nach weniger aufgrund seiner eigenen konfessionellen Bindung,193 als vielmehr durch seinen Nachbarn, Kultusminister Wilhelm Hahn, zustande gekommen, mit dem Conze nicht erst seit der Gründung des Südasien-Instituts in engem Kontakt stand.194 Der aus dem Baltikum stammende Theologe und ehemalige Angehörige der Bekennenden Kirche im Dritten Reich war zu dieser Zeit stellvertretender Bundesvorsitzender jenes innerparteilichen Zusammenschlusses, der 1952 ursprünglich dazu gegründet worden war, um die nach außen weitgehend katholisch erscheinende Partei auch für protestantische Wähler attraktiver zu machen. Über die folgenden Jahre hinweg hatte sich der Arbeitskreis dann von einer Repräsentationsplattform des evangelischen Teils der Union zu einer Hausmacht von Bundesminister Gerhard Schröder (CDU), einem der wichtigsten Rivalen Adenauers und später auch Kiesingers, entwikkelt, der zwischen 1950 und 1978 den Vorsitz innehatte.195 Die Jahrestagung des Evangelischen Arbeitskreises im März 1968 in Stuttgart fiel nicht nur ins Vorfeld der Landtagswahlen,196 sondern überhaupt in eine Zeit, in der sich die politischen und gesellschaftlichen Koordinaten der Bundesrepublik rasant zu verschieben begonnen hatten.197 Seit zwei Jahren teilten sich die Unionsparteien die Regierungsverantwortung mit der SPD innerhalb der Großen Koalition. Während diese im Rückblick als ein durchaus kreatives 92

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und reformorientiertes Bündnis erscheint, in dem eine »Reihe von formativen politischen Entscheidungen« gefällt wurden,198 empfanden viele Zeitgenossen sie als Zeichen bleierner Bewegungslosigkeit. Gerade an den Rändern des politischen Spektrums setzte ein merklicher Radikalisierungsschub ein. Auf längere Sicht wirkungsvoller als das vorübergehende Wiedererstarken des Rechtsradikalismus war dabei der Aufschwung der linksgerichteten, vor allem von Studenten getragenen Außerparlamentarischen Opposition (APO). Obwohl das Leitthema der Arbeitskreis-Tagung mit dem Titel »Unsere Demokratie zwischen gestern und morgen« vor diesem Hintergrund recht vage formuliert war und auch das Grußwort Gerhard Schröders einigermaßen blass blieb, hatte man doch die aktuellen politischen Entwicklungen fest im Blick.199 Gerade Conze, der in Heidelberg bislang nur zarte Anfänge der Studentenbewegung erlebt hatte, setzte sich in seinem Vortrag über die »Kritik an der Bundesrepublik« explizit mit ihnen auseinander. Nicht wenige unter den Zuhörern waren da wohl überrascht, dass auch der Historiker nicht mit Kritik am westdeutschen Staat sparte. Ausgehend von den politischen Versäumnissen seiner Landsleute angesichts der deutschen Teilung und des Kalten Krieges, bemängelte er die Saturiertheit im westlichen Bündnissystem, die eine weitgehende Konvergenz der Meinungen zwischen den Parteien mit sich gebracht habe. Vor diesem Hintergrund beurteilte er auch die Bildung der Großen Koalition äußerst negativ. In einem »erschreckenden Schwächemoment der Staatsführung das geringste der möglichen Übel«, seien ihre Vorteile doch »mit dem schwerwiegenden Mangel des Verlusts wirksamer Opposition erkauft« worden.200 Mit seiner ablehnenden Haltung gegenüber einem Fortbestand der Großen Koalition nach 1969 befand er sich im Einklang mit der von Schröder zum Ausdruck gebrachten Grundtendenz der Tagung.201 Anders sah es bei der Bewertung der studentischen Protestbewegung aus, der Conze – im Gegensatz zu Schröder und seinen Gefolgsleuten – zu jener Zeit noch aufgeschlossen gegenüberstand. Nicht ohne Verständnis lokalisierte er den »Jugendeindruck« der 20–30jährigen in der »konfliktlose[n] Selbstzufriedenheit der westdeutschen Wohlstandsgesellschaft um 1960« und mahnte die Anwesenden, »den Inhalt der studentischen Kritik nicht mit der Unklarheit ihrer revolutionären Zielsetzung abzutun und das Problem keinesfalls dadurch abzuschieben«, dass man »es vorwiegend unter dem Gesichtspunkt einer Gefährdung der Ordnung und der staatlichen Autorität« beurteile. Vielmehr würde es nun »von der lebendigen Argumentation und überzeugungskräftigem Handeln der dazu Berufenen abhängen, ob es gelingen wird, die der jugendlichen Intelligenz gegenüber brüchig gewordene Plattform unserer parlamentarischen Demokratie wiederherzustellen«. Eine zentrale Rolle wies er den Universitäten zu, da sich »in ihnen das Problem des Verhältnisses von Staatsgesellschaft und kritischer Intelligenz« verdichte. In diesem Zusammenhang redete der Professor einer Hochschulreform im Sinne des Übergangs »der 93

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Universität von einer Korporation der Ordinarien zu einer Korporation aller an Forschung und Lehre beteiligten Gruppen einschließlich der Studenten« das Wort; als »soziale Reform« sei sie »beispielhaft auch für andere Bereiche und Institutionen unseres Bundesstaates gemeint […], denen eine Durchlüftung not tut.«202 Mit diesen Worten hatte sich Conze gegenüber jenem konservativen Publikum, das seine Zuhörerschaft bildete, erstaunlich weit aus dem Fenster gelehnt. Dies war auch einem so scharfsinnigen politischen Kommentator wie Rolf Zundel nicht entgangen, der seinen Gastauftritt als Zeichen einer neuen Offenheit der CDU bewertete, allerdings feststellen musste, dass über den Vortrag dann doch »nicht ernsthaft diskutiert« wurde.203 Conze selbst notierte zu seinem anschließenden Gespräch mit Gerhard Schröder ernüchtert: »Er monologisierte, ließ mich im Eifer kaum zu Wort kommen.«204 Der Berichterstatter eines rechtslastigen Blattes, der in Conzes »trockene[m], im Elfenbeinturm erarbeitete[m] Konzept […] fast nur Halbwahrheiten« erkennen wollte, gab missmutig zu, dass sich »besonders jugendliche Teilnehmer« von seinen »Ausführungen bestätigt« sahen.205 Zurück in Heidelberg musste Conze jedoch bald erfahren, dass seine Liberalität bei dem Teil der jungen Generation, der zu jener Zeit das Klima an der Universität zu prägen begann, immer weniger Anklang fand. Die gesellschaftliche »Durchlüftung«, der er in Stuttgart noch recht optimistisch entgegensehen hatte, schlug ihm am Ende als kalter Wind ins Gesicht.

4. Im Kampf um Rektorat und Hochschulreform Die mit der Jahreszahl 1968 verbundene Studentenbewegung, die zwischen 1967 und der Mitte der siebziger Jahre nicht nur die universitäre Öffentlichkeit in Atem hielt, erscheint im historischen Rückblick als Ausdruck eines vielschichtigen politischen und sozialen Wandels innerhalb der westlichen Welt.206 Sein globaler Horizont hat in der Forschung ein Abrücken von der nationalen Perspektive hin zum internationalen Vergleich mit sich gebracht.207 Dennoch, ja umso mehr bildet ›1968‹ auch im engeren Kontext der westdeutschen Geschichte nach wie vor einen zentralen zeitgeschichtlichen Fixpunkt, nicht zuletzt in Hinblick auf die Prozesse von Liberalisierung, Westernisierung und Zivilisierung innerhalb der bundesrepublikanischen Gesellschaft.208 Haben die Protagonisten der Bewegung die Herausbildung zivilgesellschaftlicher Ansätze nachhaltig befördert oder vielmehr diese gebremst und mit bleibenden Hypotheken belastet? Die Universität Heidelberg begann sich erst mit einiger Verspätung im Wintersemester 1968/69 zu einem Zentrum der Studentenrevolte in Westdeutschland zu entwickeln.209 Zwar waren schon zuvor internationale politische Kon94

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flikte wie der Vietnamkrieg ebensowenig wie die von der Großen Koalition in Bonn verabschiedeten Notstandsgesetze spurlos am Alltag der Studenten vorübergegangen; ihr Protest hatte sich aber bislang noch kaum gegen die Professoren und die Universität als Institution gerichtet. Am Schweigemarsch zu Ehren des am 2. Juni 1967 in Berlin von der Polizei getöteten Studenten Benno Ohnesorg nahm bezeichnenderweise auch noch die damalige Rektorin Margot Becke teil.210 Die unter der jungen Generation verbreitete Unzufriedenheit mit der als restaurativ empfundenen bürgerlichen Lebenswelt in Westdeutschland traf jedoch auch hier mit der Entwicklung der Universität zum Massenbetrieb zusammen. Sie hatte schon seit einigen Jahren die Entfremdung des einzelnen Studenten gegenüber dem genossenschaftlichen Charakter der Ordinarienuniversität gefördert. Die Missstände des Bildungswesens waren dabei spätestens seit 1964, als der Heidelberger Pädagoge Georg Picht sein alarmierendes Buch über die »deutsche Bildungskatastrophe« veröffentlichte, zum Gemeingut der kulturpolitischen Diskussion geworden. Im geistigen Haushalt der Studenten floss die Universitätskritik immer mehr mit der Gesellschaftskritik zusammen, »die Studienreform erschien als Teil einer vielfach radikal gedachten Gesellschaftsreform«.211 Das von einer großen Koalition von CDU und SPD verabschiedete baden-württembergische Hochschulgesetz vom März 1968, das mit der Forderung an die Universitäten, sich neue Grundordnungen zu geben, dem Ziel einer abgestuften Mitbestimmung aller Universitätsangehörigen – einschließlich der Studenten – an den Entscheidungen der Hochschule gerecht zu werden versuchte, kam da in vielerlei Hinsicht schon zu spät. Das Heidelberger Studentenparlament beschloss zwei Monate später, die Wahlen zur Grundordnungsversammlung zu boykottieren.212 Mit der Universitätsverfassung war ein Zankapfel geschaffen, der für die kommenden Jahre ein Medium für Auseinandersetzungen bot, die weit über Fragen der Hochschulreform hinauswiesen. Werner Conze geriet als Mitglied der Kommission zur Vorbereitung der neuen Grundordnung frühzeitig in das Zentrum dieses gesellschaftlichen Stellvertreterkonfliktes zwischen Studenten und Professoren. Dabei war er zu Beginn des Konflikts der letzte, der sich der Forderung nach einer Veränderung des Hochschulbetriebs verweigert hätte. Seine zuvor erwähnte Rede auf der Tagung des Evangelischen Arbeitskreises der CDU im März 1968 war nur ein prominenter Anlass, an dem er seine Kooperationsbereitschaft gegenüber den Studenten zum Ausdruck bringen konnte. Die Nähe zu ihnen hatte er – in jugendbewegter Tradition – bisher stets als persönlichen Gewinn betrachtet. Seine launig notierten Tagebuch-Aufzeichnungen über den Verlauf einer »Vollversammlung« von Studenten des Historischen Seminars im Januar zeigen, dass er sich zu jener Zeit auch noch in gutem Kontakt mit zweien seiner späteren Hauptkontrahenten befand: »Drollige Anfängerdemokratieübung mit X 95

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Anträgen. Danach noch mit Braunbehrens u[nd] Schmierer beim Biere. Sie wollen student[ische] Selbsttätigkeit in Arbeitsgruppen u[nd] im Unterricht. Gut so, wenn nicht Gefährdung durch törichte Radikalforderungen […]«. Als er kurz darauf für sich festhielt: »Man darf die in Heidelberg noch (?) keineswegs radikalisierten Studenten nicht allein lassen!«, stellte er sich gleichzeitig gegen die »konservat[iven] Professoren«.213 Das war in der Zwischenzeit auch diesen nicht entgangen. Als Conze sich anschickte, als Kandidat der liberalen Fraktion der Professorenschaft, zu der u.a. der Theologe Rolf Rendtorff und der Philosoph Ernst Tugendhat gehörten, bei der im Februar anstehenden Rektoratswahl gegen den Romanisten Kurt Baldinger anzutreten, wurde er bereits in der Vorwahl innerhalb der Philosophischen Fakultät auf den zweiten Platz verwiesen. Zuvor hatte man eine vermeintliche »psychophysische Labilität« und die »Neigung, zu stark engagiert zu sein«, als Argumente ins Feld geführt, um ihn auszuhebeln.214 Dennoch entschied sich Conze dazu, entgegen aller Konvention seine Kandidatur aufrechtzuerhalten. Indes begannen ausgerechnet seine rechten Gegner, hinter vorgehaltener Hand auf seine NS-Vergangenheit hinzuweisen.215 Letztlich war außer dem althergebrachten Kollegialitätsprinzip wohl seine aufgeschlossene Haltung gegenüber den Studenten der Grund für seine haushohe Niederlage im Senat.216 Damit stand er gemeinsam mit keinem geringeren als Georg Picht im Gegensatz zu der auf Beharrung setzenden Mehrheit der Heidelberger Professorenschaft. Der klagte ihm gegenüber nach der Wahl, »dass heute ein Professor sich in den Augen seiner Kollegen disqualifiziert, wenn sichtbar wird, dass er das Vertrauen seiner Studenten besitzt. Mit der studentischen Unruhe können wir fertig werden. […] Unlösbar ist hingegen das Problem des Verhaltens unserer Kollegen, wenn sie als Kollektiv auftreten und reagieren.« Dabei war Picht sich sicher, dass Conze »wohl vor allen anderen der Mensch« sei, dem gegenüber er »all dieses einmal offen aussprechen« dürfe.217 Dieser zeigte sich von seinem einstweilen gescheiterten Anlauf auf das Rektorat unerschüttert und nahm weiterhin regen Anteil an den hochschulpolitischen Debatten. Dabei versuchte er etwa im Mai 1968 mit einem Vortrag im Historischen Seminar den Studenten klar zu machen, dass die Realisierung des zwei Monate zuvor erlassenen Hochschulgesetzes für sie »ein großer Schritt« wäre, und sah sich weiterhin in seiner Gesprächsbereitschaft bestärkt: »Diskussion hinterher lebhaft, aber außer einer SDS-Demagogie Schmierers nicht aggressiv. Meine These bestätigt: Präveniren, nicht immer abwarten.« Insgesamt empfand er das Semester bis zu diesem Zeitpunkt zwar als »turbulent«; doch sei es »noch verhältnismäßig ungestört« zugegangen.218 Dies änderte sich für ihn erst im folgenden Wintersemester 1968/69, als die Grundordnungsversammlung, in die er noch im Juli gewählt worden war, ihre Arbeit zur Vorbereitung der neuen Universitätsverfassung aufnahm. 96

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Da half es Conze auch nichts, dass er mit seinem Reformansatz in gewisser Weise einen Mittelweg einschlug zwischen den rigiden Forderungen der Studenten nach absoluter Mitbestimmung und dem nicht weniger rigiden Abblokken jeglicher Tendenzen in diese Richtung von Seiten einer breiten deutschlandweiten Koalition konservativer Hochschullehrer, die im Sommer des Jahres mit dem »Marburger Manifest« an die Öffentlichkeit getreten war.219 Die Aktivisten unter den Heidelberger Studenten stießen sich nicht zuletzt an dem Gesichtspunkt der »Arbeitsökonomie und Leistungseffizienz«, den Conze schon in seiner Rede auf der Tagung des Evangelischen Arbeitskreises im März betont hatte. Dort hatte er Demokratisierung »ihrem ursprünglichen Wortsinn gemäß […] als Verbindung von sozialer Gleichheit und Leistungssteigerung« verstanden und den Begriff somit »in einem tatsächlich nur auf die Universität anwendbaren Sinne« gebraucht.220 In einem Flugblatt der »Basisgruppe Geschichte« vom Dezember 1968 schlachtete man das nicht ohne Scharfsinn aus: »Da ist Prof. Conze, Nicht-Unterzeichner des [Marburger] Manifests, schon aus anderem Holz geschnitzt. Er akzeptiert ›Demokratisierung‹ der Universität und gibt ihr zugleich, unter dem Anschein historisch-begrifflicher Unterscheidungen, schlau einen Sinn, der die studentische Forderung zu einem Bumerang machen soll, indem er die Demokratisierungsforderung zur Ideologie der Faulen und Unbegabten macht. […] Der Witz der Conzeschen Argumentation liegt darin, dass er aus den bestehenden ›Demokratien‹ einen Gemeintypus präpariert, dessen gesellschaftliches Prinzip die Leistung ist, diesen Typus stillschweigend als allgemeingültig setzt und damit die Möglichkeit der Kritik eskamotiert.«221 Die Entfremdung zwischen dem Professor und den Studenten begann sich währenddessen auch im direkten persönlichen Umgang abzuzeichnen. Mit schierem Unverständnis reagierte Conze noch im November 1968 auf den ihm durch die Seminarvertretung übermittelten Vorwurf eines Teilnehmers seines Kolloquiums, aus eben diesem entlassen worden zu sein, da der Student einer gleichzeitig stattfindenden studentischen Vollversammlung den Vorzug gegeben hätte. Der private Brief, mit dem Conze sich nach dem offiziellen Telefonanruf an den betreffenden Studenten wandte, spiegelt anschaulich seinen Wahrnehmungsrückstand hinsichtlich des sich rasant ändernden akademischen Klimas vor Ort wieder. Nach einer sorgfältigen Klärung dessen, was in seinen Augen ein Missverständnis war, schloss er hier: »Wichtiger freilich als diese Kleinigkeit scheint mir zu sein, dass wir uns, wie wir es ja längst beabsichtigten, über Ihre weiteren Pläne unterhalten.«222 Die universitären Rahmenbedingungen für derlei Gesten der Versöhnung im Geiste gemeinsamer Produktivität wurden in besagtem Wintersemester immer ungünstiger. Die hitzigen Diskussionen um die neue Grundordnung gingen einher mit eher harmlosen Angriffen von Studenten auf das behäbige Heidelberger Kleinstadtleben und einer unverhältnismäßig rigorosen Reaktion der lo97

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kalen Ordnungsbehörden. Im Mittelpunkt stand dabei der Strafprozess wegen Landfriedensbruchs gegen einige SDS-Mitglieder, die im Januar 1969 eine Festveranstaltung des Akademischen Auslandsamtes in der Stadthalle gestört hatten. Nachdem sich etwa 800 Studenten im Rahmen eines teach-in mit den Angeklagten solidarisiert hatten und diese kurzzeitig untergetaucht waren, brach die Polizei gewaltsam in die AStA-Räume in der Universität ein und verhaftete die fünf Gesuchten samt sieben weiteren Studenten. Zu diesen gehörte auch der hier bereits zweimal erwähnte, damals sechsundzwanzigjährige Hans-Gerhart (Joscha) Schmierer, der zu jener Zeit an einer von Conze betreuten Promotion arbeitete und am Anfang einer langen Karriere als Berufsrevolutionär stand (die ihn bis ins Auswärtige Amt führte).223 Das Vorgehen der Polizei wird als brutal beschrieben. Schmierer erinnert sich, »wie wir […] im Asta-Gebäude zu gut dreißig einer nach dem anderen über zwei Stockwerke die Treppe hinuntergestoßen wurden und auf jeder Stufe ein Polizist sich prügelnd austobte«.224 Von einer Solidarisierungswelle getragene Demonstrationen sorgten in den darauffolgenden Wochen in den engen Gassen der Altstadt für ein Klima allgemeiner Unruhe. Innerhalb der Universität machte sich der Unmut der Studenten vor allem in Störungen des Lehrbetriebs Luft. Conze nahm sich die von ihm empfundene Bedrohung der Universität als Wissenschaftler und Bürger zu Herzen. So scheute er auch nicht das studentische Medium des Flugblattes, um an die »doppelte […] Verantwortung gegenüber einer freien Wissenschaft, die nicht wieder in die Zwangsjacke einer Politisierung gepreßt werden darf, sowie gegenüber der Staatsbürgergesellschaft, zu der wir gehören«, zu appellieren. Dabei sei es unangemessen zu triumphieren, »weil eine radikale Kerngruppe ihre Ohnmacht erlebt hat und der Praxisbezug ihrer Ideologie in einem Fiasko endete«. Vielmehr solle man »Miteinander Handeln anstelle vergiftenden Mißtrauens« setzen. Appelle an das Handeln »als akademische und politische Bürger« konnten dabei angesichts des antibürgerlichen Habitus’ der 68er freilich nur kontraproduktiv wirken, zumal der Professor einstweilen kaum Mitgefühl für die von der Polizei drangsalierten Studenten zeigte.225 In einem zu jener Zeit vielbeachteten Rundfunkbeitrag sprach er hinsichtlich der Verhaftungen im AStA-Büro zwar von einer »wegen ihrer Härte weithin erschreckenden Polizeiaktion«, begrüßte grundsätzlich aber die Inanspruchnahme »staatlicher Ordnungskräfte« durch Rektor Baldinger in den vorangegangenen Wochen: »Es gibt keine Freiheit ohne Schutz, und wo Freiheit ernstlich bedroht ist, muß der Schutz des Staates eintreten. Dass die Macht des Staates einige Tage lang in Heidelberg sichtlich gegenwärtig war und allein durch diese Präsenz schweren Ausschreitungen vorgebeugt worden ist, das kam einer Art von politischem Elementarunterricht für die Bürger der Stadt und der Universität gleich […].«226 Zwischen solchen Stellungnahmen gingen seine hochschulpolitischen Positionen, die sich keineswegs an einer Stärkung des staatlichen Einflusses, son98

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dern vielmehr an der Bewahrung universitärer Autonomie orientierten,227 für das Verständnis der Studenten leicht verloren. In einem Flugblatt der »Basisgruppe Geschichte« bezeichnete man Conze in Reaktion auf seine Ausführungen als »exemplarischen Fall« eines Ordinarius, der seinen Lehrstuhl verteidige, »als wärs ein Thron«, und verkündete: »Conze, der sich zielstrebig als Uni-Metternich entlarvt, sollte durch die Basisgruppe nicht länger allein gelassen werden.«228 Was das bedeutete, sollte der so zum Wiedergänger der Restauration stigmatisierte Historiker, der sich selbst mit seiner Reformlinie wohl eher in die Tradition eines Stein oder Hardenberg gestellt hätte, schnell zu spüren bekommen. Immer häufiger fühlte er sich fortab in seinen Lehrveranstaltungen von lautstark vorgebrachten Forderungen nach Diskussion behindert. Dabei trat zunehmend Joscha Schmierer in den Vordergrund, der den Absetzungsprozess von seinem akademischen Förderer nun lautstark und öffentlich betrieb. Vorerst ging es freilich nur um ein fehlendes Gutachten, das Conze angeblich wegen politischer Vorbehalte nicht geschrieben hätte. Unter Hinweis darauf, dass er nie um das betreffende Gutachten gebeten worden sei, bemerkte dieser dazu in einem eigens erstellten Flugblatt: »Besonders weise ich die Unterstellung zurück, dass ich politische Gesinnung, die von der meinen abweicht, zum Kriterium personeller Beurteilung mache. Es geht nicht um Gesinnung, Meinung oder Ideologie, welcher Richtung auch immer, sondern es geht um den menschlichen Umgang mit Menschen.«229 Mit der Verabschiedung der Universitätsgrundordnung am 31. März nahm der Konflikt Conzes mit einzelnen Studentengruppen im Sommer 1969 erneut an Schärfe zu. In seiner Vorlesung kam es zu einem humoristisch anmutenden Höhepunkt. Seine Erklärung hierzu gegenüber dem Rektorat bringt die angespannte Atmosphäre im Hörsaal gut zum Ausdruck: »Ich versuchte, die Bewegung im Hörsaal soweit wie möglich zu ignorieren und unterbrach meinen Vortrag nicht. Das gelang allerdings nicht lange, da eine der bekanntesten Studentinnen des SDS mir eine Pickelhaube, Jahrgang etwa 1910, aufzusetzen versuchte. Dies mißlang, da ich im letzten Augenblick zuschlug und die Pickelhaube auf die Erde fiel. Diese Pickelhauben-Aktion bezog sich auf eine Wendung meinerseits, die in einer scharfen Auseinandersetzung auf einer sogenannten ›Vollversammlung‹ der Historiker zwei Tage vorher stattgefunden hatte. Ich hatte dort den SDS-Agitatoren – ebenfalls agitatorisch und nicht rational argumentierend – zugerufen, dass Gesetze gehalten werden müßten.«230 Einige Wochen zuvor hatte Conze in seinem zeitgeschichtlichen Rückblick zum zwanzigsten Jahrestag der Verabschiedung des Grundgesetzes noch einmal öffentlich Verständnis für die sich allmählich abzeichnenden geschichtspolitischen Impulse der 68er demonstriert, sich aber gleichzeitig auch deutlich gegen den Gedanken einer außerparlamentarischen Opposition ausgesprochen; hielt er diese doch schon ihrem Begriff nach für ebenso frag99

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würdig, »wie es die ›nationale Opposition‹ unseligen Angedenkens in der Weimarer Republik« gewesen sei.231 Dabei konnte der Historiker mit seiner einstmaligen jugendbewegten Nähe zur Republikfeindlichkeit der frühen dreißiger Jahre aus eigenen Erfahrungen schöpfen. Viele ordnungspolitische Stellungnahmen Conzes zu dieser Zeit rührten auch von diesem biographischen Hintergrund her. Theodor Schieder warnte ihn zu jener Zeit nicht von ungefähr, sich »nicht durch die Analogie zur Jugendbewegung täuschen« zu lassen, die »ein harmloser Protest gegen alles das gewesen ist, was sich jetzt abspielt«.232 Was dem heutigen Betrachter als anachronistischer Alarmismus erscheinen mag, beruhte zum damaligen Zeitpunkt auf realen Bedrohungsängsten, die durch steigende Gewaltsamkeit zusätzlich angeheizt wurden. Dass dabei auch ein ansonsten milde reagierender Professor wie Conze aus der Rolle fallen konnte, belegt ein Augenzeugenbericht, den er Anfang Juli 1969 verfasste: »Ich selber wurde nur kurz in die tätlichen Auseinandersetzungen hineingezogen, als ich Herrn Sendler aufforderte, davon abzulassen, einen Polizeibeamten, der einen anderen mir unbekannten Studenten festnehmen wollte, von hinten tätlich anzugreifen. Darauf sprang Herr Sendler auf mich zu und begann zu schlagen. Ich gab ihm darauf eine starke Ohrfeige und erklärte unwidersprochen: ›Das war Notwehr‹.«233 Durch seine beim zweiten Anlauf nun doch noch geglückte Wahl zum neuen Rektor der Universität am 12. Juli 1969 geriet Conze endgültig in die Rolle des zentralen Feindbilds der rebellierenden Studenten. Mit seinem drei Wochen später erfolgten Amtsantritt stand er vor der auf ein halbes Jahr befristeten Aufgabe, die Hochschule in ihre neue Verfassung zu überführen. Er selbst sah sich als »›Übergangsrektor‹, der sich in den Dienst der Grundordnung stellen und damit den Weg zu einer Periode aufgabengerechter Form unter Abwehr der drohenden Politisierungsgefahr ebnen« wollte.234 Der SDS als Wortführer der aktivistischen Studentenschaft übergoss den »senil gewordenen Professor« im Rektorenamt mit Hohn: »In Conze glauben die Ordinarien den Konterstrategen gefunden zu haben, den sie jetzt brauchen. Aber Conze ist bloß ein Historienmaler und die Pickelhaube war ein Scherz. Die Ordinarien nahmen ihn ernst. Längst lachen über den ›Uni-Metternich‹ alle Studenten – aber die Ordinarien nehmen auch mit einer Karikatur vorlieb.«235 Obwohl das Hochschulgesetz für die Zukunft die Erhaltung einer verfassten studentischen Teilkörperschaft überhaupt in Abrede stellte, war dem neuen Rektor nach wie vor an einer Beteiligung der Vertreter des AStA am Übergang in die neue Universitätsordnung gelegen. Dieser lassen sich aus der historischen Rückschau »überaus liberale Mitbestimmungsregelungen namentlich auf der Ebene der Fachgruppen und Fakultäten« auch gegenüber der Studentenschaft attestieren;236 sie wurden freilich das folgende Jahrzehnt über schrittweise wieder zurückgenommen. Dass dafür auch die Studenten selber mit verantwortlich waren, zeigt sich schon an ihrer Kooperationsverweigerung 100

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während der Amtszeit Conzes. Als Rektor machte der die Anwesenheit der beiden betreffenden Studenten im Senat im Herbst 1969 von einer öffentlichen Distanzierung von Plänen zum »aktiven Streik« abhängig, was von ihnen abgelehnt wurde.237 Dass Conzes Appelle an den »Mut zum gegenseitigen Vertrauen« und das »Interesse am funktionell begriffenen Zusammenhang des Ganzen«238 inzwischen noch weniger fruchten konnten als zuvor, wurde in drastischer Weise deutlich, als er im Rahmen der Vorbereitungen zu den Universitätswahlen die Studentenschaft für den 13. November 1969 zu einer Diskussion in die Neue Aula einlud. In seinem Redemanuskript hierzu hatte er eingangs notiert, dass er nicht in erster Linie »belehren«, sondern »hören« und nicht »als Patriarch vor den Studenten« erscheinen wolle. Die »Aktualisierung polit[isch]-soz[ialer] Verantwortlichkeit«, um die es später gehen sollte, verortete er zwischen den Extremen des »›Elfenbeinturms‹ polit[ischer] Abstinenz« und der »Flucht in das eigene Fach« und der »Politisierung, d.h. der Unter- oder Einordnung der Wiss[enschaft] […] unter exogene polit[ische] Doktrinen u[nd] Ziele«. Dabei nannte er die »›Politische Univ[ersität]‹ ›1933‹ als hist[orisches] Beispiel«.239 Doch zu diesem Punkt kam es letztlich gar nicht. Denn nach etwa zwanzig Minuten sah sich Conze, von einem Dauerbeschuss mit Eiern und Tomaten und von Sprechchören wie »Halt’s Maul, halt’s Maul!« am Reden gehindert, zum Rückzug gezwungen.240 Der AStA manifestierte am Folgetag den endgültigen Bruch auf einem Flugblatt: »Conze wollte die Studenten in die Pfanne hauen. Er wollte dort eine gemeinsame Basis vortäuschen, wo es keine gemeinsame Basis mehr gibt: denn der Rektor steht auf dem Boden des Polizeistaates und diskutiert bloß auf diesem Boden. Die linken Studenten haben ihm diesen Boden unter den Füßen weggezogen. Der Rektor kann sich vor den Studenten nicht mehr zeigen.«241 An gleicher Stelle stand die Ankündigung, »Conzes politische und wissenschaftliche Herkunft« genauer zu untersuchen; schließlich wisse man, »dass z.B. die Weimarer Republik nicht an linken Eiern, sondern an rechten Ordnungsparolen zugrundegegangen ist«242 Conze versuchte dem bald darauf indirekt im Rahmen einer weiteren Rundfunkansprache zu begegnen, wobei allerdings die Stimme des Historikers die des geforderten Zeitgenossen überlagerte: »Es ist […] historisch erwiesen, dass Hitler seine Schreckensherrschaft u.a. deswegen hat aufrichten können, weil er die Rolle des Retters der Ordnung gegen die Demokratie demagogisch zu spielen wusste. Er hatte freilich nur deswegen damit Erfolg, weil es die angegriffene Demokratie an Selbstsicherheit fehlen ließ und nur zur Defensive fähig war.«243 Das konnte die Studenten nicht davon abhalten, seiner Vergangenheit unter dem Nationalsozialismus nachzuspüren, was bald darauf eine Verbreitung von Zitaten aus seiner Divisionsgeschichte und einem seiner antisemitisch gefärbten Texte der Vorkriegszeit zum Ergebnis hatte. Zwar sind die Vorgänge erst in 101

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einem späteren Kontext zu untersuchen; bereits an dieser Stelle sei aber auf zweierlei hingewiesen: Die historische Spurensuche in Sachen Conze war nicht von langer Dauer und stand bei den weiteren Auseinandersetzungen zwischen ihm und den Studenten auch nicht mehr im Zentrum. Ebensowenig war eine verständliche Empörung über die NS-Vergangenheit des Geschichtsprofessors der Auslöser für die Angriffe auf seine Person, die vielmehr in direkter Verbindung zu der eben beschriebenen ›Eier-Aktion‹ gesehen werden müssen. Schmierer erinnert sich: »Natürlich warfen wir die Eier auf die Institution, die Veranstaltungen verbieten wollte. Aber sie trafen und bekleckerten das Individuum, zu dem ich als Doktorvater überdies ein gutes Verhältnis gehabt hatte. Wir mußten böse Zitate aus seinem Wirken im Dritten Reich finden, um uns vor uns selber zu rechtfertigen. Wir fanden sie, aber das schlechte Gefühl bleibt bis heute.«244 Conzes Kandidatur zum ersten Rektor nach der neuen Grundordnung schadete all dies gleichwohl. Bei der Wahl am 31. Januar 1970 unterlag er seinem früheren hochschulpolitischen Mitstreiter Rolf Rendtorff.245 Dass dessen Amtszeit mit wenig mehr Glück als die seines geschlagenen Gegenkandidaten gesegnet sein sollte, lag nicht zuletzt daran, dass der reformorientierte Sozialdemokrat ähnlich wie sein Vorgänger zwischen den Extremen von radikalen Studentengruppen und reaktionären Professoren aufgerieben wurde, wobei diesmal freilich die Feindseligkeit der letzteren überwog. Der Mediävist Ahasver von Brandt raunte Conze gleich nach dessen »ehrenvolle[r] Nicht-Wahl« zu: »Von Herrn R. erwarte ich, dass sein Regiment eher zum Ende mit Schrekken führt, als dass es den Schrecken ohne Ende perpetuiert. Er ist weder ein Danton noch ein Robespierre, sondern allenfalls ein Desmoulins, und er verdient dieses Schicksal – natürlich mutatis mutandis, denn bis zur Guillotine wird es ja wohl nicht kommen, so wenig auch diese Lösung völlig ausgeschlossen werden kann.«246 Mit seinem Ausscheiden aus dem Rektorat war der hochschulpolitisch weiterhin engagierte Conze allerdings nicht aus der Schusslinie studentischer Proteste geraten. Eine inzwischen weit verbreitete Vorgehensweise der 68er war die systematische Störung von Lehrveranstaltungen mit dem Versuch, sie in politischer Weise zu instrumentalisieren – nicht nur in Heidelberg. Ein prominentes Opfer derartiger Bestrebungen war bereits im Frühjahr 1969 ausgerechnet Theodor W. Adorno geworden, der als Mitbegründer der Kritischen Theorie angeblich zuvor auf die »kognitive Orientierung der studentischen Neuen Linken« eingewirkt hatte,247 sich nun aber gegen die Beschränktheit derjenigen wandte, »die krampfhaft die objektive Verzweiflung durch den Hurra-Optimismus der unmittelbaren Aktion überschreien, um es sich selbst psychologisch leichter zu machen«. Die Studenten hätten gar nicht versucht, mit ihm zu diskutieren; der »Vorrang der Taktik« erschwere den Umgang.248 Ähnliche Erfahrungen machte neben Historikern wie Andreas Hillgruber in Köln und Thomas 102

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Nipperdey in Berlin249 nun auch der – ebenso wie die letztgenannten – ansonsten kaum mit Adorno vergleichbare Werner Conze; seine Bedrängnis im Sommersemester 1971 durch einige organisiert vorgehende Studenten fand nationale wie internationale Beachtung.250 Es begann damit, dass Mitglieder der der »Kommunistischen Hochschulgruppe« zugehörigen »Institutsgruppe Geschichte« (I.G.) Conze im Rahmen seiner Vorlesung und seines Proseminars so lange aus dem Konzept brachten bzw. nicht zu Wort kommen ließen, bis er sich nach achtwöchigem Gerangel zum endgültigen Abbruch seiner Lehrveranstaltungen veranlasst sah. Die Tatsache, dass der inzwischen enervierte Professor sich bald in die Rolle des Opfers einfand, erleichterte den Studenten dabei ihren zweifelhaften Erfolg; so verließ Conze bereits in der zweiten Vorlesungsstunde den Hörsaal, nachdem ein Wortführer der I.G. ihn lauthals als »Lügner« beschimpft hatte. In der nächsten Stunde fand er das Katheder bereits besetzt und wurde aufgefordert, sich auf die Rednerliste setzen zu lassen.251 Die Einstellung des Lehrbetriebs, der sich aus Solidarität die anderen Dozenten des Historischen Seminars anschlossen, zog eine längere Auseinandersetzung innerhalb der Fakultät nach sich, deren philosophische Fachvertreter sich gemeinsam mit Rektor Rendtorff gemäß dem Prinzip der Deeskalation gegen den von den Historikern eingeschlagenen Weg aussprachen.252 Die studentischen Widersacher Conzes sahen sich nun erst recht herausgefordert. So fühlte sich etwa der »Marxistische Studentenbund Spartakus« zu einer Stellungnahme gegen ihn als »eine(n) der herausragendsten Handlanger des westdeutschen Imperialismus auf dem Gebiete der Geschichtsschreibung«, der »einmal mehr die berechtigte Forderung der demokratischen und sozialistischen Studenten nach Diskussionsfreiheit innerhalb seiner Lehrveranstaltungen« abzuwürgen versuche, berufen.253 Die I.G. reagierte mit einer »Resolution des Conze-Proseminars«: »Die Teilnehmer des PS Conze verurteilen den völlig unbegründeten Abbruch seiner Lehrveranstaltungen durch Herrn Conze. Sie sehen darin einen widerrechtlichen Anschlag auf das Recht auf Lernfreiheit der Studenten.«254 Der Betonung des Rechts auf Lernfreiheit von Seiten der betreffenden Studenten stand das von Conze wiederholt angerufene Recht auf Lehrfreiheit gegenüber.255 Abgesehen davon empfanden andere Studenten gerade die Aktionen der I.G. als Angriff auf ihre Lernfreiheit.256 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein früherer Punktekatalog der Wortführer aus dem Proseminar, in dem unter anderem die Fortsetzung der Veranstaltung durch Conze nach einem von den Teilnehmern ausgearbeiteten Arbeitsprogramm gefordert wurde.257 Die Rolle des Professors sollte sich sozusagen auf die eines ausführenden Arms der inhaltlichen Vorgaben von Proseminaristen – also größtenteils Studienanfängern – beschränken; für einen über sechzigjährigen Ordinarius konnte das keine attraktive Vorstellung sein. Die Übertragung des 103

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politischen Postulats der Neuen Linken nach einer Identität von Regierenden und Regierten258 auf den Bereich der Bildung musste – als Identität von Lehrenden und Lernenden zu Ende gedacht – den Begriff des Lernens ad absurdum führen. Der schon recht verwirrten I.G. schienen die sich inzwischen entfaltenden Auseinandersetzungen über die Grundfragen des Lehrbetriebes auch bald nicht mehr wünschenswert, da »mit all diesem Gehabe die direkte Auseinandersetzung mit der bürgerlichen Wissenschaft in den Lehrveranstaltungen quasi in das Vorfeld einer allgemeinen Diskussion über Lernfreiheit abgedrängt werden« solle. »Die Frage der Lehrfreiheit und deren Relation zur Lernfreiheit als dem Punkt, von dem aus das Postulat der Einheit von Wissenschaft und Politik konkretisiert werden konnte«, müsse »nunmehr so notwendig unter den Tisch fallen. Das Ganze ist nichts als schlicht Augenwischerei.«259 Hier zeigt sich die Sackgasse, in die der universitäre Konflikt in hochschulpolitischer Sicht gelangt war. Wie der damalige verantwortliche Redakteur der Kommunistischen Hochschulzeitung selbst rückblickend feststellte, hatte man zunehmend »Diskussion in der Vorlesung um des Rechts auf Diskussion willen« verlangt, weswegen es an der Universität kein »Erfolgskriterium« mehr geben konnte.260 Mit dem Sommersemester 1971 waren die Grabenkämpfe in Heidelberg zwischen sich in starrer Abwehrhaltung einigelnden Professoren und Gruppierungen aktivistischer Studenten, deren Aktionen im Vergleich zu dem originären Aufbruchsgeist der frühen 68er-Bewegung inzwischen unverkennbar epigonenhafte Züge angenommen hatten, nicht beendet. Auch Conze geriet erst allmählich aus dem Fadenkreuz der andauernden Revolte heraus. Doch machte sich zunehmend eine allgemeine Ernüchterung breit, die aus der Erkenntnis resultierte, dass weder die eine noch die andere Seite gewonnen hatte. Jenes »ironische Zusammenspiel von Technokraten des verselbständigten Protestes mit jenen Kräften, die eine technokratische Hochschulreform gegen Humboldtschen Traditionalismus immer schon durchsetzen wollten«, vor dem Jürgen Habermas schon 1969 gewarnt hatte,261 fuhr nun auch in Baden-Württemberg nach und nach seine Ernte ein. Über die folgenden Jahre hinweg wurden die neu geschaffenen Ansätze universitärer Mitbestimmung ebenso zurückgedrängt wie die Autonomie der Hochschulen weiter eingeschränkt wurde.262 Als eigentlicher Gewinner ging aus dem Ringen um Hochschulverfassung und Studienreform am Ende die Ministerialbürokratie hervor.263 Am Beispiel Werner Conze lässt sich erkennen, dass eigentlich schon von Anfang an eine grundsätzliche Asymmetrie der kommunikativen Ausgangslage, ja ein diskursiver Bruch, eine konstruktive Annäherung beider Seiten verhinderte. Während es Conze um eine gemeinsame Arbeit an der notwendigen Reform der Hochschule im Rahmen des demokratischen Rechtsstaats ging, sahen die diesem ablehnend gegenüberstehenden Studenten die Universität in 104

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erster Linie als Vehikel für weiter reichende gesellschaftliche und politische Umwälzungen. Dass durch die 68er-Bewegung allgemein eine gewisse Auflockerung der bundesrepublikanischen Lebenswelt zum Ausdruck gebracht und teilweise auch erzeugt worden ist, wird selbst von ihren schärfsten Kritikern kaum mehr ernsthaft bestritten. Doch stellten diejenigen, die die Chance der Stunde zu Bewusstseinserweiterung oder sonstiger Entkrampfung nutzten, unter den Verfechtern des Seminarmarxismus wohl nur die Minderheit dar. Das Politikverständnis der 68er erinnert trotz aller transnationalen Aspekte nicht von ungefähr an die nationale Tradition der Gesinnungsethik, die bereits den frühen burschenschaftlichen Radikalismus ausgezeichnet hatte und später im RAF-Terrorismus einen grausamen Höhepunkt erreichte.264 Nicht zuletzt auch vor diesem Hintergrund lässt sich die tiefe Verbitterung nachvollziehen, mit der der einstige »Uni-Metternich« alias Werner Conze 1979 in seiner Abschiedsvorlesung von den Einflüssen der 68er-Bewegung auf das akademische Klima an der Heidelberger Universität sprach. Dabei betonte der angehende Emeritus abermals seine anfängliche Gesprächsbereitschaft; habe doch, bevor der »Reformeifer der Umbruchjahre 1968/9« durch den »Terror fortgesetzter Störungen oder Sprengungen von Sitzungen und Lehrveranstaltungen« durch Skepsis gedämpft worden sei, manches dafür gesprochen, »die Studenten in den Auseinandersetzungen nicht allein zu lassen«. Später, da »draußen« die »große Welle utopischer Verneinung« »flutete«, hätten dann »Verbissenheit und Lustlosigkeit […] allem Humor ein Ende gemacht«.265

5. Historicus Magister Vitae Unumstritten blieb unterdes Werner Conzes Renommee als Historiker. In den siebziger Jahren war er endgültig in die Rolle eines Doyens der westdeutschen Geschichtswissenschaft hineingewachsen, dessen Stimme über die Fachgrenzen hinaus Gehör fand. An persönlicher Reichweite konnte sich von den Kollegen nur noch Theodor Schieder mit ihm messen. Im Dezember des Jahres 1970 hatte er die siebte Dekade seines Lebens erreicht. Die zahlreichen Glückwünsche, die ihn zu dem runden Geburtstag von nah und fern erreichten,266 bestärkten ihn in dem Willen, sich von dem Sympathieverlust unter den Studenten nicht entmutigen zu lassen. Nicht von ungefähr äußerte einer seiner damaligen Assistenten dabei auch den »gewissermaßen kritischen Wunsch«, dass nun wieder mehr als zuvor »Gelegenheit zu intensiverer Auseinandersetzung über wissenschaftliche Probleme bestehe«.267 Reinhart Koselleck sprach ihm nicht nur seinen Dank für »die zahlreichen Anregungen und Hilfen« aus, sondern mahnte ihn auch zu »sorgfältiger Haushaltung der Kräfte, um im siebenten Jahrzehnt des Lebens die ›Jugendlichkeit‹ 105

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richtig zu transponieren«.268 Einen philosophischen Ritterschlag erhielt der nun sechzigjährige Historiker von seinem emeritierten Fakultätskollegen Hans-Georg Gadamer: »Seit Sie in Heidelberg tätig sind, spürt gerade auch der Philosoph die Nähe der historischen Wissenschaft, und wenn heute die Philosophie mit der Historie im gleichen Fachbereich angesiedelt ist, so drückt sich darin, meine ich, eine nicht selbstverständliche Wechselbeziehung aus, die auf Ihr Wirken zurückgeht.«269 Doch auch außerhalb der Universität zollte man Conze Respekt. Während die Lokalzeitungen ihm als »Mann der Mitte und des Ausgleichs« die Beibehaltung seines »gelassenen Optimismus« wünschten,270 lobte kein Geringerer als Bundespräsident Gustav Heinemann seine Bereitschaft zur »Verantwortung für die politische Entwicklung der Gegenwart«.271 Derlei Charakterisierungen entsprachen voll und ganz der sozialen Rolle, die der Jubilar aus seinem bürgerlichen Selbstverständnis ableitete. Außer der Reform des Hochschulwesens und deutschlandpolitischen Belangen rückte für ihn nun immer mehr die gesellschaftliche Stellung der Geschichte in den Mittelpunkt. Das »Goldene Zeitalter«, in das die westliche Welt und mit ihr die Bundesrepublik Deutschland nach Kriegsende in ökonomischer Hinsicht eingetreten war, hatte unterdes allmählich seinen »Goldglanz verloren«.272 Spätestens mit der Ölkrise von 1973 sahen sich viele Zeitgenossen am Ende des Wachstums angelangt.273 Von den damit zusammenhängenden Kürzungen der staatlichen Mittel für das Bildungswesen war auch die Geschichtswissenschaft hart getroffen. In Schule und Universität schien sie zusehend an Boden zu verlieren.274 Die steigende Spezialisierung und Verwissenschaftlichung, die mit einem sozialwissenschaftlich orientierten Theorieschub einherging, machte es dem Fach zusätzlich schwer, sich in der öffentlichen Aufmerksamkeit als eigenständig zu behaupten. Gleichzeitig bahnte sich um 1970 herum ein Generationswechsel unter den westdeutschen Historikern an. Die »Nachkriegsgeneration« der um 1930 Geborenen, zu der etwa Hans-Ulrich Wehler, die Brüder Hans und Wolfgang J. Mommsen, Gerhard A. Ritter, aber auch um rund ein Jahrzehnt Jüngere wie Heinrich August Winkler und Jürgen Kocka gehörten, wollte die Alterskohorte der Conzes und Schieders allmählich auf das Altenteil verweisen.275 Für die siebziger Jahre sollte die bleibende Bedeutung der letzteren allerdings keinesfalls unterschätzt werden. Denn noch immer waren sie es, die das Bindeglied zu einer breiteren Öffentlichkeit darstellten und die Schlüsselpositionen des Faches besetzten – so auch den Vorsitz des Historikerverbandes, auf dem Conze 1972 Schieder nachfolgte. Der Verband der Historiker Deutschlands (VHD) war 1948 in München neu gegründet worden. Federführend waren neben anderen Gerhard Ritter und Hermann Aubin gewesen, die nacheinander bis 1958 als Vorsitzende fungierten. Im selben Jahr, da die Historiker aus der DDR den Verband nach einem 106

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Eklat verließen, übernahm Hans Rothfels den Vorsitz. Ihm folgten der Kieler Neuzeithistoriker Karl Dietrich Erdmann und zuletzt eben Schieder.276 Angesichts dieser Personalkette war die Wahl Conzes auf dem Regensburger Historikertag im Oktober 1972 nur folgerichtig, zumal er sich als der liberale Mittler zwischen den Generationen, als der er im Kreise der Kollegen nach wie vor geschätzt wurde, angesichts der die Fachwelt beunruhigenden Tendenzen geradezu dafür anbot. Einstweilen setzte er auf Kontinuität und empfahl den Kollegen, dem neuen Jahr »trotz aller Gefährdung unseres Faches mit Zuversicht entgegen[zu]sehen«.277 Natürlich war das Ziel, Optimismus zu verbreiten, nur die eine Seite der Medaille, die Conze über die vier Jahre seiner Amtszeit um den Hals trug. Wenn etwa der Braunschweiger Historikertag 1974 einen kundigen Beobachter ganz in diesem Sinne »mit einem neuen Selbstbewusstsein der Historiker bekannt« machte, konnte dies nur mühsam verdecken, dass die »Konsolidierung des Faches […] vorderhand nur das Innere der Ruine« betraf und der Eindruck nach außen »nach wie vor ziemlich desolat« war.278 Insofern musste auch der Verbandsvorsitzende, der in seinem Eröffnungsvortrag zwar geradezu beschwörend dem »Aufkommen eines neuen historischen Sinns« in der nun anbrechenden »Inkubationszeit« einer »moderne[n] Historik« das Wort redete, an gleicher Stelle vor einer Verkürzung der Geschichte zu einer sozialökonomisch verabsolutierten und politisch instrumentalisierten »Vorgeschichte der Gegenwart« warnen, wie sie sich vor allem im didaktischen Bereich abzeichne.279 Noch deutlichere Worte fand Conze anlässlich einer Podiumsdiskussion des deutschen Stifterverbandes in München zwei Jahre später.280 Hier berief er sich auf die »Unverwüstlichkeit des dem Menschen eingeborenen geschichtlichen Interesses« und bezeichnete es als die Aufgabe des Historikerverbandes, dem »barbarischen Trend zur Geschichtslosigkeit entgegenzutreten«.281 Zu jener Zeit sorgten vor allem die in der Tat geschichtsfeindlichen hessischen »Rahmenrichtlinien für die Gesellschaftslehre in der Sekundärstufe I« von 1973 für Empörung;282 andere Bundesländer bewegten sich mit ihrer Bildungspolitik aber in einem ähnlichen Fahrwasser. FAZ-Kommentator Günther Gillessen bezeichnete den »Rahmenrichtlinien-Staat« im Wahljahr gar als »eine Form des totalitären Gesinnungsstaates«.283 Conze mochte ähnlich denken, gab sich in seinen Urteilen allgemein jedoch zurückhaltender. Seine im Jargon des ›Sogenannten‹ abgefasste Münchener Philippika zeigt indes, wie überdrüssig auch er der damaligen Reformrhetorik inzwischen geworden war: »Es wird bei unseren herabgedrückten Maßstäben oft schon als Erfolg angesehen, dass auf der Mittelstufe der Schulen […] der sog. chronologische Durchgang […] über die Geschichte Europas und der eigenen Nation vermittelt wird. Dafür tritt aber in der Oberstufe die Geschichte zurück und wird zunehmend, besonders in Gesamtschulen, durch sog. Integration in politisch-soziologische Lehrinhalte eingeschmolzen oder ganz verdrängt, wenn genügend Lehrer für das sog. 107

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›gesellschaftswissenschaftliche Aufgabenfeld‹ bereitstehen, die geschichtlich kenntnislos und ungebildet sind.«284 Einige Monate zuvor hatte eine vom Historikerverband verabschiedete Erklärung, die eine Kommission unter dem Vorsitz von Konrad Repgen erarbeitet hatte, bereits derartige Tendenzen verurteilt und gleichzeitig versucht, zumindest das Geschichtsstudium an der Universität durch einige inhaltliche »Mindestforderungen« an die Lehre gegenüber den finanziell verheerenden Sturmböen der Konjunktur und den Wellen des Zeitgeistes in einem eher traditionellen Sinne wetterfest zu machen.285 Der konservierende Impetus konnte sich jedoch auf keinen Konsens innerhalb des Faches mehr stützen. So sprachen sich bald darauf mit Jürgen Kocka, Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schieder und Hans-Ulrich Wehler einige Vertreter der nachfolgenden Generation gegen die von Conze abgezeichnete Erklärung aus. Um dem hier entstandenen Eindruck entgegenzuwirken, dass »die Geschichtswissenschaft heute immer noch weitgehend historische Philologie und nicht auch historische Sozialwissenschaft wäre«, forderten die Verfasser der Kritik vor allem die verstärkte »Vermittlung systematischer Zugriffe unter Anwendung sozialwissenschaftlicher Theorien und Methoden«.286 Die schwierige Aufgabe, vor die sich Conze angesichts der repräsentativen Erfordernisse des 31. Deutschen Historikertages in Mannheim im September 1976 gestellt sah, bestand somit darin, einer von außen wie von innen lauernden Zerreißprobe standzuhalten. Der Rahmen stellte sich für ihn und sein harmonisierendes Anliegen günstig dar. So war es dem Verband gelungen, mit Walter Scheel zum ersten Mal in seiner Geschichte ein deutsches Staatsoberhaupt für die Eröffnungsfeierlichkeiten zu gewinnen.287 Gleich im Anschluss bekam der nun am Ende seiner Amtszeit stehende Verbandsvorsitzende von seinem alten kulturpolitischen Mitstreiter Wilhelm Hahn das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik überreicht.288 Für Conze markierte der gemeinsame Einzug mit den beiden Politikern in das Auditorium Maximum des Mannheimer Schlosses, in dem sich über Tausend Kongressteilnehmer versammelt hatten, ohne Zweifel einen Gipfelpunkt seiner Karriere. Doch änderte der persönliche Achtungserfolg nichts an der Tatsache, dass die dreitägige Veranstaltung am Ende einen eher ambivalenten Gesamteindruck hinterließ. Der Korrespondent der Süddeutschen Zeitung bemerkte zu Recht, dass der »Wandel in der Einschätzung der Geschichte […] noch kein konkreter Gewinn für dieses Fach« sei.289 Für Hermann Rudolph, der schon vom Braunschweiger Treffen zwei Jahre zuvor berichtet hatte, bot sich »ein Bild, das kaum jemanden von kaum etwas recht überzeugte«: »Das, was weitgehend fehlte, war der Mut zur Problematisierung, war die Diskussion, war die Spannung, die aus Kritik und Herausforderung kommt.«290 Daran, dass ein klärendes Gewitter scheinbar gezielt abgewendet worden war, trug Conze als Veranstalter des Kongresses durchaus eine Mitschuld. So hinderten im Vorfeld 108

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etwa starr gehandhabte formale Vorgaben des Verbandes Jörn Rüsen daran, die von ihm zu leitende Theoriesektion nach seinen Vorstellungen zu organisieren, was letztlich zu deren Scheitern führte. Hatte sich Conze in diesem Fall persönlich noch kompromissbereit gezeigt,291 lehnte er im Namen des Vorstands unter Berufung auf termintechnische Vorgaben eine von Hans-Ulrich Wehler verspätet angebotene Arbeitsgruppe zur »vergleichenden Sozialgeschichte« freundlich, aber strikt ab.292 Der Historiker Alf Lüdtke sprach mit seinem scharfen Urteil insofern für die sich bei der Organisation benachteiligt fühlende historisch-sozialwissenschaftliche Forschungsrichtung: »Der bisherige Vorsitzende des Historikerverbandes Werner Conze (Heidelberg) und die Mehrheit des Vorstandes hatten sich in einem mühsamen Gerangel gegen die durchgesetzt, die sich seit 1970 angeblich ›vorgedrängt‹ hätten. Unter dem zunächst ehrenwerten Etikett der notwendigen ›Fairneß‹ gegen alle Forschungsrichtungen präsentierten sich in Mannheim freilich in erschreckend hohem Maße methodischer und inhaltlicher Provinzialismus.«293 Sah er sich in der Planungsphase noch über den »Jahrmarkt der Eitelkeiten« erhaben,294 musste Conze auf dem Historikertag offensichtlich scharfe Angriffe über sich ergehen lassen. Doch erfuhr er auch Zuspruch. Der remigrierte Historiker Helmut Hirsch zeigte sich etwa darüber entrüstet, dass ein Teilnehmer »dem scheidenden Verbandsvorsitzenden in einem Ton öffentliche Vorwürfe machen zu sollen geglaubt« habe, der sich mit seinem Empfinden nicht vertrüge. Infolge seiner Erfahrungen auf dem Historikertag erklärte Hirsch gar seinen Austritt aus dem deutschen Historikerverband. Als Grund dafür nannte er den um sich greifenden »Mangel an menschlicher Wärme«.295 Es war eine nur den ersten Blick paradoxe Situation, dass Conze in Mannheim auf der einen Seite das Bundesverdienstkreuz gerade dafür verliehen wurde, dass er der deutschen Geschichtswissenschaft die »Dimension der Sozialgeschichte hinzugewonnen habe«,296 ihn auf der anderen Seite aber ausgerechnet jüngere Sozialhistoriker attackierten. Sein großangelegter Schlussvortrag über Bedingungen und Ergebnisse der geteilten deutschen Geschichtswissenschaft seit 1945 sicherte ihm in Mannheim einstweilen noch einen glänzenden Abgang. Er vertrat hier in ungebrochener Zuversicht die Auffassung, dass »eine Gefolgschaft heischende EntwederOder-Haltung nicht zum Stil der Mehrheit der neuen Historiker-Generation gehört und dass der gelegentlich bewusst erweckte Eindruck nicht zutrifft, als ob junge Progressive einer angeblich verständnislosen ›reaktionären‹ ›Zunft‹ gegenüberstünden«.297 Ein gemeinsames Symposium über »Concepts of Freedom: 1776–1976« der Heidelberger Universität mit der University of Maryland zur 200-Jahr-Feier der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung bot Conze im Oktober 1976 die Gelegenheit zu einer dreiwöchigen Nordamerika-Reise, auf der er sich in Begleitung seiner Frau von den Mannheimer Missstimmungen erholen 109

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konnte. Besonders freute er sich auf den Besuch bei einem seiner Schüler, dem deutsch-kanadischen Historiker Michael Kater in Toronto, dem er trocken mitteilte, dass der Historikertag »recht gut« verlaufen sei.298 Daneben standen Vorträge und privatere Besuche in Boston, New York und Chicago auf dem Programm, bei denen er mit Fritz Stern und Charles Maier auch zwei führende amerikanische Historiker der deutschen Geschichte zu treffen gedachte.299 Letzterem schrieb er, dass er sich auf die »Spuren Emersons« freue.300 Anlass und erste Station der also bei allem Transatlantischen auch transzendental angehauchten Reise war aber sein Vortrag über den Begriff der Freiheit in der deutschen Geschichte an der University of Maryland. Darin versicherte Conze seinen Gastgebern, dass die Westdeutschen sich inzwischen »with virtual unanimity« den liberal-demokratischen Freiheitsbegriff zu Eigen gemacht hätten: »In this respect there is therefore no longer any gap between the ›West‹ and the German people, to the extent that it has the right to freedom of expression.«301 Einige Jahre später, im Frühjahr 1982, konnte er auf Einladung des Japanischen Kulturinstituts ein zweites Mal den östlichsten Zipfel der westlichen Welt bereisen und dort an verschiedenen Universitäten sowohl alte Kontakte auffrischen als auch neue Horizonte entdecken.302 Besonders beeindruckte ihn dabei die transnationale Orientierung der japanischen Geschichtswissenschaft, die er nach seiner Rückkehr nach Deutschland zum Anlass nahm, auch hier eine derartige Perspektiverweiterung anzumahnen. Schließlich sei, wie er in einer eigens erstellten Denkschrift betonte, »besonders die neuere und neueste Geschichte Außereuropas in Deutschland noch immer unterentwickelt«. Dies sei »als anachronistisch zu bezeichnen, wie ein auch nur oberflächlicher Blick auf die heutige Weltsituation zeigen könnte.«303 Lebensmittelpunkt blieb bei aller Globalisierung die Heidelberger Universität. Hier war seit Mitte der siebziger Jahre allmählich wieder Ruhe in den Seminarbetrieb eingekehrt, der nach wie vor den größten Teil seiner Zeit beanspruchte. Als 1979 die Schwelle der Emeritierung erreicht war, konnte Conze immerhin auf eine zweiundzwanzigjährige Lehrtätigkeit vor Ort zurückblikken. Anders als der Münsteraner Soziologe Helmut Schelsky, der ihn dazu beglückwünschte, mit dem Ruhestand »›endlich das Ziel der Habilitation erreicht‹« zu haben, hatte er sich aber nicht »im frühestmöglichen Moment davongemacht«,304 sondern erst, als die Altersgrenze ihm keine andere Wahl mehr ließ. Drei Jahre zuvor hatte er noch an Theodor Schieder geschrieben, dass der »68. Geburtstag ein weit schärferer Lebenseinschnitt [ist] als der 65., den wir beide nicht zum Anlaß der Emeritierung haben nehmen wollen«, und ihm gewünscht, »daß Dir die einzelnen Stunden dieses [letzten aktiven] Semesters kostbar sein werden und Du noch einmal etwas von der Freude verspürst, die Dir wie mir das Lehren trotz manchmal aufkommenden Überdrusses doch immer wieder bereitet hat«.305 Wie zahlreiche Briefe aus den späten siebziger 110

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und frühen achtziger Jahren belegen, wurde Conze weiterhin als die zentrale Lehrerfigur am Historischen Seminar geschätzt, mitunter gar verehrt. Zu seinem 65. Geburtstag bedachte man ihn mit einer voluminösen Festschrift.306 In seiner Abschiedsvorlesung im Februar 1979, in der er einen persönlich angelegten Rückblick auf die Entwicklung der (west-)deutschen Universität während der vergangenen Jahrzehnte bot, bedankte er sich bei den Studenten, die ihm seit 1946 begegnet waren. Wo von studentischer Seite der Antrieb bestünde, »Lebenshilfe durch Wissenschaft« zu gewinnen, könne – betonte er im Geiste klassischer Akademieideale – ein Wechselverhältnis der Art entstehen, »dass der Lehrer nicht weniger vom Schüler lernt als der Schüler vom Lehrer«. »Je häufiger und je stärker sich solche Wechselbeziehungen ergeben, um so besser für den akademischen Lehrer, der dadurch im Alterungsvorgang zwischen 30 und 70 Jahren ständig neue Erfahrungen sammelt und dadurch sich im Altern verjüngt – ein immerwährender Student, amoris sciendi cupidus.«307 Am Ende seines ansonsten wenig idealistischen Parforceritts durch die zeithistorische Gemengelage von universitärem Strukturwandel, Studentenrevolte und Hochschulreform gab der Geschichtsprofessor seinen Hörern den Rat mit auf den Weg, sich »in den gegebenen Verhältnissen je individuell selbst zu reformieren«, was mehr verspreche, »als auf Reformwunder der Zukunft zu warten.«308 Die Emeritierung brachte für ihn nicht nur die zeitliche Entlastung durch den Wegfall der Lehrtätigkeit mit sich. Auch von vielen außeruniversitären Tätigkeiten, wie beispielsweise der Parlamentarismus-Kommission,309 zog er sich nun nach und nach zurück; »freilich« – wie er einmal schrieb – »um nur desto intensiver arbeiten zu können«.310 Natürlich hatte er hierbei zuerst seine wissenschaftliche Arbeit im Auge. Doch sah er sich nach dem Ausscheiden aus dem Hochschuldienst auch weiterhin im Dienst an der Allgemeinheit. Das altbürgerliche Pflichtethos galt für ihn unbedingt. Gegenüber Bundespräsident Richard von Weizsäcker bemerkte er noch einige Monate vor seinem Tod, dass er sich in seiner Arbeit stets darum bemüht habe, »nicht nur in engeren Forschungskreisen zu bleiben, sondern, soweit die Kräfte reichten, ein wenig der res publica zu dienen«.311 Wenn Conze gegenüber den Studenten in seiner Abschiedsvorlesung von der »Wissenschaft als Lebenshilfe« gesprochen hatte, meinte er natürlich nicht zuletzt sein eigenes Fach. In diesem Sinne bezeichnete er bald darauf in einem programmatischen Referat vor dem Bundeselternrat die Geschichte als »Weg zur eigenen Orientierung u[nd] Selbstidentifikation, als praktische Lebenshilfe«.312 Was dahinter stand, zeigen einige universalhistorische Betrachtungen aus den frühen achtziger Jahren, mit denen der Emeritus dem alten von Cicero geprägten Topos »Historia Magistra Vitae« neue gesellschaftliche Wirkungskraft zu verleihen suchte. Ausdrücklich gestellt war dieses Thema schon in dem großen Festvortrag, 111

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den er im Juni 1980 auf einer Rotarier-Konferenz in Bad Nauheim hielt. Hier arbeitete er in freier Anlehnung an Reinhart Koselleck den Bruch zwischen dem antiken und jüdisch-christlichen auf der einen und dem modernen Geschichtsverständnis seit Ende des 18. Jahrhunderts auf der anderen Seite heraus, der zu dem gängigen Gemeinplatz geführt habe, dass die Geschichte eine Lehrmeisterin für das Leben weder sein könne noch solle. Noch mehr als gegen einen relativistischen Historismus wandte Conze sich dabei gegen die teleologischen Geschichtsauffassungen im Sinne von Hegel, Marx und ihren Nachfolgern: »Solcherart war die Geschichte von einer Lehrmeisterin zu einer Magd derer geworden, die sich ihrer bedienten, um ihre innerweltlichen Heilsvorstellungen durchzusetzen.« Im Gegenzug plädierte er in explizit antiutopischer Absicht für eine Rückbesinnung auf die pragmatische Dimension der Historie, den »erforderlichen Vermittlungsdienst« der Geschichtswissenschaft angesichts des dem Menschen von Natur aus eigenen »Bedürfnis[ses] zu geschichtlicher Nutzanwendung«. Auf dem Boden des »freiheitlich politische[n] System[s], wie es im westlichen Teil Deutschlands durch das Grundgesetz garantiert und in der Verfassungswirklichkeit in hohem Maße entwickelt« sei, warnte er vor »Wertrelativismus« und »unduldsamer Parteilichkeit«: »Um diesen Gefahren zu entgehen, bedarf es stetiger Bemühung, und dazu können Geschichtskenntnis und Geschichtsbewusstsein einen erheblichen Beitrag leisten. So gesehen ist die Geschichte auch heute, in voller Kenntnis alles dessen, was wir in der modernen Welt geschichtlich erlitten haben, eine magistra vitae.«313 Die selben Kerngedanken finden sich in einer Vorlesung über die »Zukunft der Geschichte«, mit der er im November 1980 später die Wiederaufnahme des Studium Generale an der Heidelberger Universität eröffnete; diesmal ging er noch weiter als bis zu Cicero, nämlich bis zur Entstehung der Großhirnrinde, zurück. Dabei war es ihm vor allem darum zu tun, die Beschäftigung mit Geschichte als wesentlichen Bestandteil der conditio humana darzustellen und für die von endgültiger Zerstörung bedrohte Existenz des Menschen als unabdingbar zu verankern.314 Die mit dem Toleranzgebot der Lessingschen Ringparabel ansetzende Festrede zum »Umgang mit der Geschichte« bei der 125-Jahr-Feier der Heidelberger Freimaurerloge »Ruprecht zu den fünf Rosen« in der Heidelberger Stadthalle ein Jahr darauf liest sich wie das Vermächtnis eines Bildungsbürgers, der nach den Irrungen und Wirrungen des 20. Jahrhunderts wieder bei sich selbst angekommen war. Abermals redete der Historiker hier der Geschichte als »Lehrmeisterin des Lebens« das Wort und schloss dabei mit den folgenden Sätzen: »Vor allem ist das Geschöpf oder Evolutionsprodukt Mensch sich gleichgeblieben, und fast könnten wir noch einmal Thukydides zitieren: zwar wird es nicht, wie er meinte, in der Zukunft immer wieder so oder ähnlich geschehen, aber ihrer Natur gemäß werden die Menschen sich so oder so ähnlich immer 112

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verhalten, sofern ihre Veranlagung sich nicht grundlegend ändert. Und da sie, wie Aristoteles festgestellt hat, vernunftbegabt sind, gibt es für sie die Möglichkeit, wenn auch keineswegs die Sicherheit, die drohenden Gefahren, die uns bewusst geworden sind, abzuwenden und den Kampf um das Überleben und das Besserleben der Menschheit zu bestehen. Dazu kann geschichtliche Einsicht helfen.«315 Nachdem er zuvor auf das »Janusgesicht« der Aufklärung verwiesen hatte, zollte er den Freimaurern des 18. Jahrhunderts Tribut, die sich »des Diabolischen bewusst« gewesen seien, »das in der modernen Emanzipation steckte«. Ihre »politisch-moralische Kunst« bestand darin, den »gefesselten Menschen zu entfesseln, die Entfesselung aber durch alte oder neu organisierte Bindungen zu entdämonisieren und praktikabel zu machen.« In diesem Sinne vertrat der mittlerweile Siebzigjährige einen christlich-antik fundierten Humanismus. Grundlegend geblieben seien »die Aussagen des Evangeliums zum Menschen als Person gegenüber dem Nächsten und gegenüber Gott sowie der griechischen Klassiker zur Einbindung des Menschen in den Kosmos und die Polis, das politische Gemeinwesen«. Dabei sah er »unter dem Eindruck der gegenwärtigen Krise der Welt« diese metaphysischen Prägungen aus der »Frühzeit unserer Hochkultur« freilich historisch als nur eine der sich stellenden Hauptfragen zwischen den evolutionären Ausgangsbedingungen des Menschen und der Last eines »Jahrtausend[s] der Geschichte Europas« sowie der deutschen Frage als »Teil des offenen europäischen Problems«.316 Von der Geschichte getrieben blieb Werner Conze bis zuletzt. Auch diesseits von Kolloquien, Kongressen, Akademiesitzungen und Tagungen des weiterhin von ihm geleiteten Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte zog sich der noch immer jugendlich wirkende Mann nie aus dem öffentlichen Leben zurück. Für den um Gutachten bittenden Nachwuchs, Rat und Zuspruch suchende Kollegen und geschichtlich interessierte Mitbürger blieb er ein hilfsbereiter Ansprechpartner. Als ausgesprochener Familienmensch genoss er neben alldem die Besuche der Kinder und Enkelkinder und den Ruhestand an der Seite seiner Frau, mit der ihn eine fast ein halbes Jahrhundert währende Ehe verband. Über all seine sozialen Einbindungen hinweg hatte sich für ihn immer die Familie als der primäre Bezugspunkt erhoben. Symptomatisch hierfür ist die tief empfundene Frage, die er in seiner Rede vor den Heidelberger Freimaurern aufwarf: »Wie erträgt der Mensch, der in Jahrmillionen und auch in den letzten Jahrtausenden der Hochkulturen stets in institutionell, sozial und wirtschaftlich bestimmten Gemeinschaftsformen gelebt hat, der nach Aristoteles ein nur in Gesellschaftsbindung lebensfähiges Wesen ist, die Vereinzelung oder gar das bewusst propagierte Dasein als sog. Single?«317 Am Ende holten ihn die Verwerfungen des 20. Jahrhunderts in Form seiner Kriegsverletzung am eigenen Leibe ein. Aufgrund der Beinverwundung waren 113

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immer wieder Probleme mit der Blutzirkulation aufgetreten. Am Morgen des 28. April 1986 brach er bei der Gymnastik, die er auf Anordnung des Arztes jeden Tag verrichtete, infolge einer Lungenembolie plötzlich zusammen. Wenig später starb er in einem Heidelberger Krankenhaus. Als die Feuilleton-Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zwei Tage darauf ihren Nachruf mit dem Titel »Lehren der Geschichte« überschrieb,318 entsprach dies voll und ganz dem Selbstverständnis des Verstorbenen. Denn die Auffassung, dass aus der Geschichte Lehren gezogen werden können, hatte Werner Conze als Historiker bewusst vertreten und als Bürger der westlich orientierten Bundesrepublik mit Leben erfüllt. Als offene Frage bleibt nun bestehen, wie sich dies in seiner wissenschaftlichen Arbeit niederschlug. Dabei ist das Augenmerk vor allem anderen auf die Forschungsrichtung zu lenken, deren Etablierung seine genuine Leistung und gleichzeitig der Hintergrund seiner beeindruckenden Laufbahn als Historiker war: die Sozialgeschichte.

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V. Sozialgeschichte der industriellen Welt Wie dem Begriff der Geschichte überhaupt wohnt auch dem der Sozialgeschichte die »Kontamination von Gegenstands- und Untersuchungsebene« inne.1 Geschichte im gegenständlichen und Historie im darstellenden Sinne sind in diesem Fall durch das Adjektiv »sozial« klar auf die Gesellschaft bezogen. Dennoch, oder gerade deswegen schillert der Begriff nach wie vor »wie ein Chamäleon«.2 Schließlich hat sich das, was Historiker sich unter der ›Gesellschaft‹ vorgestellt haben, stets im Fluss befunden; nicht minder gilt das für die jeweiligen historischen Herangehensweisen. Innerhalb der deutschen Geistestradition, um die es hier vornehmlich gehen soll, war es Hegel gewesen, der den Begriff der Gesellschaft vor dem Hintergrund des Zerfalls der traditionellen ständischen Sozialordnung im Zuge der neuzeitlichen Revolutionen in das moderne Bewusstsein gehoben hatte. Als »System allseitiger Abhängigkeit« schob sich da die »bürgerliche Gesellschaft« zwischen die Ebenen von Familie und Staat.3 Die Synthese des dialektisch begriffenen sozialen Ganzen bildete bei Hegel jedoch der Staat, in dem sich seiner idealistischen Geschichtsphilosophie gemäß das Bewusstsein der Freiheit verwirklichte. Es blieb zweien seiner geistigen Nachfahren, dem Rechtshegelianer Lorenz von Stein und dem Linkshegelianer Karl Marx, überlassen, die Gesellschaft als die zentrale Dimension der Geschichte im historischen Denken ihrer Zeit zu verankern. Bei aller weltanschaulichen Diskrepanz lassen sich ihre Geschichtsauffassungen doch auf einen gemeinsamen Nenner bringen: »Geschichte erschließt sich voll überhaupt erst durch die gesellschaftshistorische Brille mit ihrer Blickschärfung speziell für sozioökonomische Faktoren und soziale Konflikte.«4 Damit war im Prinzip bereits Mitte des 19. Jahrhunderts der gedankliche Weg für die Entstehung der Sozialhistorie geebnet. Solchen Ansätzen wurde es aber in einer auf den Nationalstaat fixierten Geschichtswissenschaft, wie sie sich in Deutschland parallel zum Historismus geistig und institutionell etabliert hatte, bis weit in das 20. Jahrhundert hinein nicht leicht gemacht.5 Der überwältigenden Mehrheit der deutschen Historiker war es weiterhin primär um die politischen Haupt- und Staatsaktionen zu tun, um Ereignisse, die es in ihrem Flusse zu packen, um große Individuen, die es in ihrem Denken und Handeln zu verstehen galt. Das historische Interesse an der »Gesellschaft« schien da etwas dem Staat gegenüber Oppositionelles mit sich zu führen; es roch nach Sozialismus. Schon hatten sich mit der Soziologie und der Nationalökonomie neue Disziplinen herauszubilden begonnen, die ihrerseits in be115

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wusster Abgrenzung zur herkömmlichen ›Allgemeinhistorie‹ eine auf Gesetzmäßigkeiten abhebende Untersuchung sozialer Prozesse, Strukturen und Typen in der Geschichte für sich in Anspruch nahmen.6 Während die Massen immer mehr zu einem aktiven Faktor der Geschichte geworden waren, steckten die Historiker vor der sozialen Frage den Kopf in den Sand. So war Ende des 19. Jahrhunderts unter der Begriffskombination »Sozial- und Wirtschaftsgeschichte« lediglich das karge »Nebengleis einer mehr oder weniger beargwöhnten Aspekt- oder Sektorwissenschaft« eröffnet worden.7 Als 1903 das erste Heft der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte erschien, war das der etablierten Historischen Zeitschrift nicht einmal eine Erwähnung wert.8 Nachdem sich die Soziologie als Lehre von der Gesellschaft durchgesetzt hatte, konnte eine sozialhistorische Betrachtungsweise der Geschichte sich fortan nurmehr in disziplinärer Verbindung mit ihr entwickeln.9 Zu einer Überwindung der Methodenspaltung kam es in Deutschland nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, als die auf Staat und Individuum bezogenen Perspektiven auf die Geschichte in den Augen vieler Zeitgenossen keinen Halt mehr boten. Von wenigen Ausnahmen wie Otto Hintze oder Eckart Kehr abgesehen, wurde eine Annäherung von Historikern an soziologische Paradigmen und Vorgehensweisen dabei vor allem im Rahmen der volksgeschichtlichen Strömung unternommen, wobei kaum von »Gesellschaft«, sondern vielmehr von »Volk« in bewusster Absetzung vom Gesellschaftsbegriff die Rede war. Dahinter stand oft ein zivilisatorisches Unbehagen an der Industrialisierung und der industriellen Gesellschaft westlicher Prägung als Auswuchs der Moderne. Dem suchten zumal jüngere Historiker seit den zwanziger Jahren mit einer wissenschaftlichen Spielart jener Agrarromantik zu begegnen, deren historischer Kontext »schließlich mit den Taten rassistischer Agrarmonomane[n] wie Darré und Himmler endete«.10 Auf diesem historiographischen Terrain hatte sich während des Dritten Reiches auch Werner Conze seine akademischen Sporen verdient. Nach 1945 nahm er dann eine Schlüsselposition bei der Durchsetzung sozialhistorischer Ansätze ein. Daran, dass »kein einzelner […] die Sozialgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland stärker geprägt« hatte als er, zweifelte nach seinem Tod vorerst niemand.11 Vor dem Hintergrund der deutschen Nachkriegsgeschichte besitzt die Frage nach der Rolle des von der Volksgeschichte herstammenden Conze als Gründervater der westdeutschen Sozialhistorie eine besondere Dimension. Schließlich hat diese – zumindest in den Augen ihrer Befürworter – seit den sechziger Jahren für alles gestanden, »was in der Geschichtswissenschaft der Bundesrepublik als wünschenswert und fortschrittlich« galt.12 Sie war der Bereich, »wo die Musik spielte und auf das man als Jüngerer drängte, weil es die Zukunft zu enthalten schien«.13 Die theoretischen Grundsatzüberlegungen, die Conze seit den fünfziger Jah116

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ren für die Untersuchungsebene von Sozialgeschichte formulierte, korrespondierten mit einer Neuorientierung auf der Gegenstandsebene. Hatte sein Interesse bisher dem bäuerlichen Volkstum als antimoderner Beharrungskraft gegolten, rückte nach Kriegsende die industrielle Gesellschaft als Kennzeichen der Moderne in den Mittelpunkt. Der Lohnarbeiter verdrängte den schollengebundenen Bauern von der historischen Agenda.

1. Vom Bauern zum Arbeiter Die Lebenslage, in die Werner Conze bei Kriegsende geraten war, setzte seiner wissenschaftlichen Kreativität vorerst enge Grenzen. Nachdem seine Familie und er den Greueln im Osten des untergegangenen deutschen Reiches durch glückliche Fügung lebend entronnen waren, standen nun praktische Fragen im Vordergrund. Da blieb kaum Zeit für theoretische Neuorientierungen. Zu jener Zeit war die Forderung nach einer »Revision des deutschen Geschichtsbildes« ein verbreiteter Topos unter deutschen Historikern.14 Allen voran hatte Friedrich Meinecke in seinem diskursiven Meilenstein zur »deutschen Katastrophe« aus dem Jahre 1946 eine solche angemahnt.15 Mit Gerhard Ritter hatte sich auch die zweite große, vom Dritten Reich alles in allem unbelastete Repräsentationsfigur des Faches in ähnlicher Weise geäußert. Zwar blieben die Vorschläge für ein historischen Umdenken in mancher Hinsicht problematisch und widersprüchlich, doch ist anzuerkennen, dass dem Revisionsbegriff, der nach dem Ersten Weltkrieg noch allein auf »machtpolitische Realitäten« gezielt hatte, nach 1945 »die Einsicht in die notwendige Veränderung eines falschen Bildes von der Wirklichkeit zugrunde[lag]«.16 Galt dies auch für Conze? Es fällt schwer, darauf eine eindeutige Antwort zu geben. Dass die gerade durchgestandene Katastrophe an überlieferten historischen Paradigmen rüttelte, war auch ihm klar. Andererseits konnte er für seine Person in Anspruch nehmen, sich schon zuvor aus der kontinuierlichen »Tradition des deutschen Historismus, mit Bevorzugung der ›politischen‹ und daneben auch der Geistesgeschichte«, gelöst zu haben.17 Wenn er kurz nach dem Krieg von der »Notwendigkeit eines neuen Geschichtsbildes« raunte,18 zielte dies nicht automatisch auf die Revision des eigenen. Zu einem radikalen Kurswechsel seiner Geschichtsschreibung sah er sich persönlich nie veranlasst. In einem Brief an Theodor Schieder aus dem Jahre 1950 schrieb er gar von der »scheußlich mißgestaltete[n] Frage einer ›Revision des deutschen Geschichtsbildes‹« und meinte dazu: »Sollte da nicht einer von uns Jüngeren einmal das Wort ergreifen, damit es nicht bei Meinecke und Ritter bleibt?«19 Dabei spielte es keine Rolle für ihn, dass gerade die altmodischen Meineckes und Ritters dem Dritten Reich gegenüber deutlich mehr Resistenz an den Tag gelegt hatten als die jungen Innovativen der Volksgeschichte. 117

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Auch im Rückblick von beinahe vier Jahrzehnten bemerkte er, dass er im Gegensatz zu denjenigen, »die sich dem ›Verhängnis‹ oder den ›Irrwegen‹ deutscher Geschichte zuwandten«, die Beteiligung an »solchen Diskussionen nicht für ergiebig« gehalten habe. Was seine eigene damalige historiographische Ausrichtung anging, betonte er ausdrücklich mehr die Kontinuität als den Bruch.20 Und in der Tat hatte er nach dem Krieg den fachlichen Faden dort wieder aufgenommen, wo er zuvor abgerissen war. Wissenschaftlich gesehen gab es kaum eine Zäsur. Wenn Conze noch im November 1944 an Reinhard Wittram von seiner Arbeit an einer »Vorlesung über die Geschichte des deutschen Bauerntums« geschrieben hatte, war damit auch die thematische Linie für die ersten Nachkriegsjahre vorgegeben. Auf dem Forschungsfeld von Agrargeschichte und Agrarsoziologie war er durch seine beiden Monographien und zahlreichen Rezensionen als Fachmann ausgewiesen, und hiervon galt es für ihn erst einmal auszugehen. An sich war die historisch-soziologische Agrarwissenschaft keineswegs ein schlechter Ausweis. Schließlich hatte sich fast genau ein halbes Jahrhundert vor Conze auch schon Max Weber mit seiner römischen Agrargeschichte auf diesem Gebiet habilitiert. Dieser teilte mit ihm – bei vielen Unterschieden im Übrigen – nicht nur die mitunter verklärende Anschauung vom genossenschaftlichen Hufensystem als vermeintlich ursprünglich ›germanischer‹ Agrarverfassung,21 sondern auch ein »lebenslanges Interesse an der Bodenbasis der menschlichen Kultur«.22 Eben jene drängte sich den Deutschen in der Zusammenbruchgesellschaft nun voll ins Bewusstsein; waren doch die notwendigen Lebensmittel meist nicht als abstrakte Ware im Laden erhältlich, sondern oft nur direkt beim Bauern. Nicht von ungefähr war in der Spalte neben Conzes erster Nachkriegspublikation in der Hannoverschen Land- und Forstwissenschaftlichen Zeitung vom Januar 1947 ein Grußwort des britischen Kommandeurs des Niedersachsen Regional Food Team abgedruckt, in dem dieser an die »Verantwortlichkeit der landwirtschaftlichen Bevölkerung für ihre Mitmenschen« appellierte. Conze, dem nach eigenen Angaben zu jener Zeit oft »infolge des Hungers die Arbeitskraft nicht mehr ausreicht[e]«,23 behandelte in seinem kurzen Artikel die Frage nach der Entstehung der modernen Agrarwissenschaft in Deutschland ohne direkten Gegenwartsbezug.24 Insgesamt stand bis Ende der vierziger Jahre das deutsche Bauerntum weiter im Zentrum von Conzes Veröffentlichungstätigkeit, die sich in erster Linie auf kleinere Beiträge in der Deutschen Bauernzeitung beschränkte. Sie bot ihm eine Möglichkeit, etwas Geld zu verdienen. Was dies anging, konnte er es sich auch nicht leisten, wählerisch zu sein. So versuchte er nun etwa dem historisch interessierten Landwirt den »Vater deutscher Bauerngeschichte«, Justus Möser (1720–1794), näherzubringen, der »gleichsam den Bauernstand neu entdeckt« 118

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habe: »Kein Staat ohne einen gesunden Bauernstand und kein in rechter Ordnung lebendes Bauerntum ohne den Staat – das war sein Grundsatz.«25 Sprach da der Autor nicht auch für sich selbst? Ansonsten transportierten seine Artikel mit der genossenschaftlichen Dorfgemeinde, der ländlichen »Übervölkerung und Entvölkerung« u.ä. die Leitthemen und das Ideengut der ihm gewohnten Volksgeschichte ungebrochen weiter.26 Für die überarbeitete Fassung seiner verlorengegangenen Posener Antrittsvorlesung über die »Wirkungen der liberalen Agrarreformen auf die Volksordnung in Mitteleuropa im 19. Jahrhundert«, die als seine erste eigentlich fachwissenschaftliche Publikation nach dem Krieg 1949/50 in der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte erschien, galt dies nicht minder. Hierbei berief er sich noch wiederholt auf den konservativen Volkskundler Wilhelm Heinrich Riehl. Andererseits waren ihm bereits die Grenzen von dessen antimoderner Bauernstandideologie bewusst geworden. So bemerkte er in seinem vorletzten Artikel für die Bauernzeitung, der eigens Riehl gewidmet war: »Er blieb im Grunde rückwärtsgewandt und verstand nicht das zwingende Gesetz einer neuen technisch-industriell bestimmten Welt.«27 Es würde zu weit führen, in diese Zeilen Selbstkritik hineinlesen zu wollen; eine biographische Bedeutung enthält sein damaliges Urteil über den von ihm im Übrigen weiterhin hochgeschätzten Riehl aber allemal. Denn just zu dieser Zeit begann Conze sich allmählich der industriellen Gesellschaft zuzuwenden. Das deutete sich bereits in Göttingen an, wo er seit 1946 unterrichtete. Die von ihm angebotene Lehre gibt darüber allerdings nur begrenzt Auskunft. Erst einmal sticht die Agrarlastigkeit seiner Kurse der Anfangsjahre ins Auge, die auch seiner Einbindung in den Lehrbetrieb am Agrarwissenschaftlichen Seminar geschuldet war. Hier besetzte schon der Agrarhistoriker Wilhelm Abel (1904–1985) eine Professur. Daneben überrascht die starke geistesgeschichtliche Ausrichtung, die nicht nur Leibniz »als Politiker und Historiker«, sondern auch politische Theoretiker wie Machiavelli, Bodin, Pufendorf und Locke einschloss. Doch hielt er 1947/48 auch Vorlesungen zur »deutschen Sozialund Verfassungsgeschichte« vom Ausgang des Mittelalters bis 1933, deren Inhalt nicht überliefert ist.28 Von »Sozialgeschichte« hatte Conze bisher nie geschrieben. Nun bot sich ihm aber eine begriffliche Rückbindung an das Bindestrich-Fach der »Sozialund Wirtschaftsgeschichte« an, wie sie von Wirtschaftshistorikern wie Friedrich Lütge (1901–1968) vertreten wurde.29 Dieser redete 1952 am Ende seiner umfassenden Überblicksdarstellung der »Deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte« von den Germanen bis zum Zweiten Weltkrieg einer »neue[n] Lebensordnung einschließlich der Gestaltung des sozialen und wirtschaftlichen Daseins […], die sowohl die liberale wie die sozialistische Ausdeutung der Aufklärungstheorien überwindet«, das Wort.30 Der dem Ordnungsdenken des ordentlichen Professors aus München seinerzeit nicht fernstehende Conze hatte 119

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ein Jahr zuvor die Gelegenheit genutzt, im englischen Economic History Review auch seine eigene Habilitationsarbeit gemeinsam mit anderen volksgeschichtlichen Veröffentlichungen der Kriegsjahre als »Writings on Social and Economic History in Germany« disziplinär auszuweisen.31 Konkrete Ausformungen einer dergestalt reklamierten Forschung ergaben sich bei ihm in Göttingen auf dem Gebiet der soziologisch angelegten Stadtgeschichte, zu der er einige Doktoranden animierte. Damit vollzog er eine historiographische Landflucht, deren Bedeutung keineswegs gering zu veranschlagen ist, wenn man sich vor Augen führt, dass auch in seiner volksgeschichtlichen Ziehstube »die Skepsis gegenüber der industrialisierten Lebensund Sozialordnung oft mir Vorbehalten gegenüber der Stadt, besonders der modernen Großstadt« einhergegangen war.32 Sein herausragender Schüler war dabei der junge Wolfgang Köllmann (1925–1997), der sich später als der führende Bevölkerungshistoriker der Bundesrepublik einen Namen machte. Für ihn war Conze »damals in Göttingen einer der wenigen Historiker, die sozialgeschichtliche Probleme in ihre Arbeiten einbezogen«.33 Köllmann wurde 1950 von Conze über die Entwicklung der Stadt Barmen zwischen 1808 und 1870 promoviert.34 Sucht man nach dem frühesten nachweisbaren Angelpunkt des thematischen Wechsels Conzes von der ländlichen zur industriellen Gesellschaft, findet man ihn in der Arbeit Köllmanns. Hatte sich dieser doch, so Conze in seinem Gutachten, auf seine Anregung hin »die Aufgabe gestellt, die Bildung und Eigenart der Industriegesellschaft in einer der ältesten und großen Industriesiedlungen im 19. Jahrhundert zu erforschen und darzustellen«. Dabei sei es dem Verfasser gelungen, »sein Thema im Sinne wirklich umfassender Sozialgeschichte zu bewältigen« und »mit sauberer sozialwissenschaftlicher Begriffsbildung, die historisch einwandfrei dem Gegenstand gemäß angewandt worden ist, den Lebenszusammenhang der sich bildenden Industriestadt in seiner Verfechtung [sic] zu erfassen«.35 Conze selbst flocht die Impulse Köllmanns bald darauf auch in seinen eigenen wissenschaftlichen Lebenszusammenhang ein und verfocht die »deutsche Stadt im Industriesystem als historisches Forschungsproblem«. So lautet der Titel eines Vortrages, den er im März 1951 an der Sozialforschungsstelle Dortmund hielt.36 Diese war 1946 auf der Grundlage bereits vor dem Krieg bestehender Einrichtungen zur Erforschung des Ruhrgebiets gegründet worden. Institutionell an die Universität Münster angebunden und zudem unterstützt vom Deutschen Gewerkschaftsbund, örtlichen Industriellen und der Rockefeller Foundation, bildete sie bald ein Kontaktzentrum, mitunter auch ein berufliches Auffangbecken der ehemals »Deutschen Soziologie«. Hier trafen sich über die Jahre u.a. Carl Jantke, Hans Linde, Helmut Schelsky, Arnold Gehlen und Hans Freyer. Kein Wunder, dass das Institut auch für Conze ein wichtiger Anlaufpunkt war.37 120

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Der erste Teil seines knapp zwanzig Seiten langes Vortragsmanuskripts stellt gewissermaßen den Nukleus seines strukturgeschichtlichen Ansatzes dar, den er erst einige Jahre später als reife Programmatik einer breiteren Fachöffentlichkeit präsentieren sollte; davon wird noch die Rede sein. An dieser Stelle interessiert vor allem der zweite Teil, in dem er auf den »Vorgang nicht nur der Großstadtbildung, sondern der Verstädterung im Industriesystem allgemein« als erstes »großes Beispiel aus dem größeren Zusammenhang« einer von ihm schon hier geforderten »Zusammenarbeit von Soziologie und Geschichtswissenschaft« einging, zu dem bisher »sozialgeschichtlich nur wenig bruchstückhaft geleistet worden« sei. Neben den stadtgeschichtlichen Bruchstücken seiner eigenen Doktoranden konnte er dabei auf die 1948 entstandene Arbeit Wilhelm Brepohls zum »Aufbau des Ruhrvolkes« verweisen, dessen »feinem Sinn für die Physiognomik moderner Groß- und Industriestädte« er hier Respekt zollte.38 Brepohl hatte bereits Mitte der dreißiger Jahre als Leiter der Gelsenkirchener Forschungsstelle für das Volkstum des Ruhrgebiets mit seiner urwüchsigen Betrachtung der »Entstehung und Verwandlung des Ruhrvolkes von der Seite des deutschen Stammestums her«39 begonnen. Nach dem Krieg verkörperte er als Abteilungsleiter der Sozialforschungsstelle insofern beispielhaft die »Brückenfunktion« der Volkstumssoziologie bei der »Überwindung der Städtefeindschaft und Agrarromantik in den Sozialwissenschaften«,40 als sie sich zuvor auch in der ländlich ausgerichteten Themenwahl niedergeschlagen hatten. An der Sozialforschungsstelle kam 1951 auch der aus politischen Gründen universitär nicht mehr einsetzbare Gunther Ipsen unter, dessen Bevölkerungslehre Conze nun wiederum in seine Forschungsprogrammatik zur Industriestadt als wegweisend integrierte.41 Schon hieran wird deutlich, dass sie sich an seine bisherige wissenschaftliche Arbeit geradezu bruchlos anschließen ließ. Neu war an ihr neben der Einbeziehung der Schichtungsanalyse Theodor Geigers vor allem der Gegenstand der spezifisch industriellen Bevölkerung. Aus diesem leitete Conze auch die zentrale Fragestellung seiner Ausführungen her: »Wie weit waren die ›proletarischen‹ Massen, auch wenn sie sozialdemokratisch wählten, praktisch relativ zufrieden mit der im 19. Jahrhundert gewandelten Trägerschaft einer städtischen ›Obrigkeit‹?« Konnte er diese Frage an einem Fallbeispiel noch mit dem Hinweis auf den innerstädtischen sozialen Frieden »im Sinne alten Bürgergeistes« positiv beantworten, stellte sich für ihn jedoch das folgende Grundproblem: »Trotz solcher sicher in Deutschland nicht vereinzelten, sondern weithin typischen Mentalität mussten jedoch die Bedingungen der neuen industriellen Gesellschaft zunehmend sprengend wirken, und so mündet die Erforschung dieser Zusammenhänge in den deutschen Städten in das allgemeine Problem der Demokratisierung und Politisierung unseres Lebens im 19. und 20. Jahrhundert ein.«42 Daran, dass Sozialgeschichte für ihn immer auch politische Geschichte war, 121

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ließ Conze selbst nie einen Zweifel aufkommen. Seine Arbeitergeschichte, deren Beginn sich hier in Dortmund ankündigte, war da keine Ausnahme. Kaum geringer sind allerdings die rein forschungspragmatischen Gründe zu veranschlagen: Solange die akademische Karriere und mit ihr die Finanzen weitgehend stagnierten, galt ihm als Gebot der Stunde, neue wissenschaftliche Themengebiete zu besetzen, die den Konjunkturen des Zeitgeistes entsprachen. Das bäuerliche Landleben verlor seinen historischen Reiz so immer mehr, die Agrargeschichte bot über einen Kreis etablierter Fachvertreter hinaus kaum noch Aussicht auf Breitenwirkung. Ganz praktische Bedeutung hatte das etwa in Veröffentlichungslisten, mit denen Conze im Rennen um einen Lehrstuhl zu bestehen hatte. An seinen Vertrauensmann Schieder schrieb er im Dezember des Jahres: »Anliegend die versprochene Liste. […] Das agrarische Übergewicht wird von Jahr zu Jahr geringer! Auch die nächsten drei Vorhaben […] betreffen nicht mehr die Agrargeschichte, deren Vorwiegen in der Liste also ein nichtzutreffendes Bild vermittelt.«43 Die Geschichte der Arbeiterbewegung bot Conze ein Forschungsfeld, das innerhalb der bundesrepublikanischen Historie noch weitgehend unbeackert war. Außerdem konnte er hiermit direkt an seine bisherigen Untersuchungen zur Auflösung der »ländlichen Lebensordnung« anknüpfen. Schließlich waren im Gefolge der von ihm so ausgiebig problematisierten Bauernbefreiung vielerorts ja überhaupt erst die »Vorbedingungen für den Menschenbedarf der Industrialisierung« geliefert worden.44 Der Frage, wie im Deutschland des 19. Jahrhunderts aus dieser quasi passiven »überschüssige[n] Bevölkerung«45 ein aktiver Faktor der politischen Geschichte wurde, ging Conze in einem Vortrag nach, den er 1953 in Bonn und Kiel hielt. Was ein Jahr darauf in überarbeiteter Fassung in der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte erschien,46 trug den Titel »Vom ›Pöbel‹ zum ›Proletariat‹. Sozialgeschichtliche Voraussetzungen für den Sozialismus in Deutschland« und wurde ein durchschlagender Erfolg. Für Wolfgang Schieder war es »der erste Schritt zu einer Sozialgeschichte der Arbeiterschaft« und dabei Conzes »wohl überhaupt bekanntester und am weitesten ausstrahlender Aufsatz«.47 Zweimal wurde er 1966 und 1967 in sozialgeschichtlichen Sammelbänden abgedruckt, noch 1985 erschien eine englische Übersetzung des »klassisch gewordenen« Textes.48 Was Conze zu jener Zeit als »Anregung und Entwurf« einer Untersuchung von »Entstehung, Ausmaß und Eigenart der Unterschicht vor der Jahrhundertmitte« verstanden wissen wollte, setzte mit einem gewichtigen Befund ein: Eine regelrechte »industrielle Revolution« wie in Großbritannien habe es in Deutschland bis zur Gründerzeit der 1870er Jahre – und auch dann nur in begrenzter Form – eigentlich nie gegeben; es fehlte die »schonungslose Radikalität des Vorgangs«. Und »als um 1850 eine stärkere Industrialisierung einsetzte, da brach sie nicht schlagartig herein, sondern da war dies eine Folge lang vor122

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bereiteter ökonomischer und sozialer Bedingungen«. Wie schon so oft betonte Conze nun wieder einmal die liberalen Agrarreformen und die durch sie verstärkte ländliche »Übervölkerung« seit dem frühen 19. Jahrhundert als zentralen Faktor. Nicht ein Zuviel, sondern ein Zuwenig an Industrialisierung war das Problem, das in die Massenarmut, den »Pauperismus«, mündete. Der Wandel der Begrifflichkeit, mit der die Zeitgenossen die von diesem neuen Phänomen betroffenen Menschen zusammenfassten – eben vom »Pöbel« zum »Proletariat« –, bestimmte den ersten Teil seiner Ausführungen.49 Methodisch innovativ war dabei in der Tat, dass Conze die Schlagwortverschiebung »nicht bloß als einen Indikator für die Ausbildung der industriewirtschaftlichen Klassenscheidung« betrachtete, sondern darüber hinaus »als eine Art Dietrich, der geschichtswissenschaftlichen Zugang zu den darin umgriffenen gesellschaftlichen Umwälzungsvorgängen allererst eröffnen sollte«.50 Lag darin nicht schon ein Hauptmoment der sich erst Jahre später formierenden Begriffsgeschichte?51 Nun diagnostizierte Conze für das Jahr 1848 einen semantischen Gegensatz zwischen den prominenten Vorstellungen von »Proletariat« bei Karl Marx, für den es »als höchste Steigerung der menschlichen Selbstentfremdung […] dazu berufen sein [sollte], […] diese Entfremdung revolutionär zu überwinden und die Versöhnung in der sozialistischen Gesellschaft herbeizuführen«, und dem seinerzeit gesellschaftspublizistisch weite Kreise ziehenden Unternehmer Friedrich Harkort, der in volkstümlicher Weise den Willen und die Fähigkeit des Proletariats zur Integration in die Gesellschaft hervorhob. Hieran schloss er eine historische »Sozialanalyse« an, die in ihrer wiederum originellen Vorgehensweise zum einen »sozialstatistisch« und zum andern »bewusstseinssoziologisch« angelegt war. Im Ergebnis sah er die materielle Existenz der Arbeiter bereits durch die ökonomische Wende nach 1848 »relativ« gesichert und zudem die sozialharmonische Sichtweise Harkorts auf das »Proletariat« bestätigt. So habe sich auch innerhalb der Geschichte der seit den sechziger Jahren aufsteigenden Sozialdemokratie »zum Wohle des Arbeiters […] das Ziel der Eingliederung in die bestehende Ordnung sowie der Durchdringung und Wandlung der bestehenden Gesellschaft stärker« erwiesen »als die radikalen Forderungen aus der Theorie der Revolution«.52 Insofern ist der Untertitel des Aufsatzes etwas missverständlich. Denn »sozialgeschichtliche Voraussetzungen« waren für den »Sozialismus in Deutschland« nach Conzes Ausführungen ja zumindest kein hinreichender Grund.53 Doch ließ sich so recht bruchlos die Brücke zur Gegenwart der »industriellen Gesellschaft« schlagen. Der »Politisierung mit dem Glauben an politische Heilslehren« sei der Mensch »heute – ein Jahrhundert nach dem Kommunistischen Manifest – […] müde geworden«, beteuerte der Historiker in den Schlusszeilen. Und dass die »Bereitschaft des ehemaligen Proletariers […], sich – wenn auch kämpfend – einzufügen und das ›Proletariat‹ hinter sich zu lassen«, eigentlich schon immer dagewesen war, belegten die vorangegangenen Seiten allemal.54 123

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Man sollte wissenschaftliche Leistungen nicht auf diskursstrategische Gesichtspunkte reduzieren. Mit seinem Aufsatz war Conze, was das anging, dennoch zumindest dreierlei gelungen: Mit dem thematischen Übergang vom »Landvolk« zur urbanen Arbeiterschaft hatte er erstens die soziale Frage des ausgehenden 19. Jahrhunderts in die Geschichtswissenschaft seiner Zeit eingeführt und als eigenen Schwerpunkt besetzt. Damit war der äußerliche Sprung von der Volksgeschichte zur Sozialgeschichte vollzogen. Dabei konnte er sich zweitens den so oft beschworenen oppositionellen Charme der letzteren zu eigen machen – schon der bloße Forschungsgegenstand des Proletariats hatte im Kontext der bundesrepublikanischen Historie zu jener Zeit etwas Unerhörtes –,55 um ihn gleichzeitig wieder zu unterlaufen. Denn drittens zielte der Text der Tendenz nach ja gerade auf die Auflösung jener Klassenantagonismen, die unterdessen jenseits der innerdeutschen Grenze als zentrales historisches Paradigma ins Extrem getrieben wurden. Immerhin war damit eine eindeutige politische Öffnung von Seiten Conzes zu erkennen, die man als Sozialdemokratisierung bezeichnen kann. Hier hatte ein bürgerlicher Historiker die Scheu vor linken Themen abgelegt und kümmerte sich um die Arbeiter. Dies machte ihn für viele jüngere Nachwuchshistoriker attraktiv. Die Saat seiner Arbeitergeschichte, die Conze also noch in Münster gelegt hatte, sollte vollends erst in Heidelberg aufgehen, wo er 1957 seine Professur antrat. Dabei hätte das attraktive Angebot der Leitung einer eigens einzurichtenden sozialgeschichtlichen Abteilung an der Sozialforschungsstelle in Dortmund den Wechsel an den Neckar beinahe verhindert. In den Berufungsverhandlungen sprach er von einer für seine Forschungspläne »so fruchtbaren Stelle, wie sie durch die reizvolle Kombination des traditionsreichen Münster mit dem modern großindustriellen Dortmund gegeben« sei.56 Unter dem »große[n] Rahmenthema« einer »Geschichte der Emanzipierten [sic] und sodann im Industrialismus gewandelten Gesellschaft (18.–20. Jahrhundert)« avisierte er erneut das »Problem des Proletariats und die ›Soziale Frage‹ in ihren verschiedenen Phasen«.57 Eben dieses »Unternehmen«, das er später als »Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung im europäischen Zusammenhang« bezeichnen sollte, gedachte er dann in Heidelberg umzusetzen,58 wo ihm das für ihn geschaffene Institut für moderne Sozialgeschichte (seit 1958 Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte) eine noch günstigere Basis als der Direktorenposten in Dortmund versprach. Vielversprechend war auch der Mitarbeiter- und Schülerkreis, der sich bald um ihn herum bildete und seine wissenschaftlichen Anstöße zur Geschichte der Arbeiterbewegung dankbar aufnahm. Den Anfang machten dabei mit Ursula Hüllbüsch, die 1958 über die Geschichte der Gewerkschaften in der Weimarer Republik promovierte wurde, und Frolinde Balser, deren Untersuchung zu der ersten deutschen Arbeiterorganisation nach 1848 drei Jahre später erschien, zwei junge Wissenschaftlerinnen, die Conze aus Münster nach Heidel124

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berg gefolgt waren.59 Einen weiteren europäischen Kontext bezogen bald die Dissertationen von Wolfgang Schieder (über die Auslandsvereine zur Anfangszeit der deutschen Arbeiterbewegung nach der Julirevolution von 1930) und Hartmut Soell (über die sozialdemokratische Arbeiterbewegung im Reichsland Elsaß-Lothringen) ein.60 Die Reihe der arbeitergeschichtlichen Qualifikationsarbeiten, die Conze in Heidelberg betreute, ließe sich noch fortführen. Die über viele Jahre hinweg zentrale Bezugsperson Conzes war bei all dem Dieter Groh, in dem er einen kongenialen Mitarbeiter für seine Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung gefunden hatte. Groh lieferte 1963 in einem längeren Literaturbericht eine grundlegende Bestandsaufnahme, die die bis dahin vorliegenden Heidelberger Ergebnisse ebenso behandelte wie die zur gleichen Zeit erschienenen Arbeiten auf diesem Gebiet von Gerhard A. Ritter und HansUlrich Wehler.61 Einleitend betonte er dabei die »wichtige politische Funktion«, die die Geschichtswissenschaft angesichts der Gefahr einer Ideologisierung der historischen Begriffe von Integration und Emanzipation besitze: »Sie muß der deutschen Sozialdemokratie das gute Gewissen vor ihrer eigenen Vergangenheit geben und sie so von einer von ihr selbst verfälschten Tradition befreien.«62 Darum ging es auch in dem im Wesentlichen von ihm allein, wenn auch offiziell gemeinsam mit Conze als Koautor verfasstem Buch über die sozialdemokratische »Arbeiterbewegung in der nationalen Bewegung«, das 1966 erschien.63 Hier wurde, gewissermaßen im Anschluss an Conzes frühere bewusstseinssoziologische Diagnose zum Integrationswillen des deutschen Arbeiters, der Verdrängungsprozess des »nationaldemokratischen Erbe[s]« der deutschen Arbeiterbewegung als »Geschichte einer Frustration« dargestellt, im Rahmen derer sich jene »um 1870 verbittert aus der nationalen Bewegung zurückgezogen und die internationale Klassensolidarität als Ersatz für die nationale Gemeinschaft angenommen hatte«.64 Als Groh die hier angeschnittene Problematik einige Jahre später in seiner Habilitationsschrift über die »deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkriegs« unter dem Begriffspaar »Negative Integration und revolutionärer Attentismus« vertiefte,65 hatte Conze sich schon weitgehend von der Thematik zurückgezogen. Sein Projekt zur Arbeiterbewegung hatte sich bereits Anfang der sechziger Jahre als »ein Beispiel nicht erfüllter Forschungsplanung« entpuppt. Als Grund für den frühzeitigen Abbruch nannte er rückblikkend außer den Anforderungen seines »wachsenden ›Massenfachs‹« an ihn selbst die »angesichts der sich nach dem Stellenstillstand der fünfziger Jahre erstmals eröffnenden Aussichten auf schnelle und sichere Karriere« geringe »Bereitschaft junger Forscher, sich in eine Forschergruppe einzufügen«.66 Desungeachtet hatte Conze sich inzwischen einen Namen als Historiker der Arbeiterbewegung gemacht, der über die Grenzen des Faches Gehör fand. So lieferte er etwa 1962 zum 1. Mai, dem Tag der Arbeit, einen Radiobeitrag für 125

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den Südwestfunk (SWF) über »Ursprung und Weg der deutschen Arbeiterbewegung«.67 Hier betonte er noch einmal ausdrücklich die Grundantriebe für die von ihm eingeschlagene Forschung: »So ist die Beschäftigung mit der Geschichte der Arbeiterbewegung in Deutschland notwendig, einmal um dem massenhaft herauskommenden Schrifttum in deutscher Sprache, das von der SED gesteuert wird, historische Untersuchungen bewusster Unparteilichkeit entgegenzusetzen, vor allem aber um, unbekümmert um die Beflissenheit der SED-Historiker, das eigene Geschichtsbewusstsein in Ordnung zu bringen und den großen Vorgang der sozialen Bewegung im Zeitalter der Industrialisierung in seiner vollen Bedeutung in das Bild einzufügen, das wir von unserer Geschichte haben.«68 Dabei verlieh er, obgleich »die Arbeiterbewegung neben der Frauenbewegung wohl der geschichtlich größte und folgenschwerste Vorgang des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts gewesen« sei, erneut seiner Überzeugung Ausdruck, dass »heute […] fast alle Ziele der ersten Maifeier von 1890 erreicht sind und dementsprechend offensichtlich kein Bedürfnis mehr für Arbeiterbewegung im eigentlichen Wortsinn vorhanden ist (wohl aber für Organisation sozialer Gruppeninteressen)«.69 Diese Ansicht wurde zu jener Zeit freilich nicht von jedem uneingeschränkt geteilt. Zwar wollte der Leiter der Kulturabteilung des SWF Conzes Ausführungen in der Weise verstanden wissen, dass »die SPD unserer Tage zwar eine Tradition hat, aber eine, die infolge Selbsterfüllung ans Ende gekommen ist«70, doch war die Stimmung unter vielen potentiellen Zuhörern des sich über den Äther verbreitenden Historikers eine gänzlich andere: Kurz zuvor war es der baden-württembergischen Landesregierung gerade noch gelungen, im Streit zwischen der IG Metall unter Führung des legendären Arbeiterführers Willi Bleicher und den von Hanns Martin Schleyer repräsentierten Metallarbeitgebern zu schlichten. Ein Jahr später mündete die andauernde Tarifbewegung dann in den »ersten großen Streik im Südwesten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs«.71 Conze setzte indes unbeirrt seine Bemühungen fort, die Arbeiterbewegung zumindest historisch vom Sozialismus zu befreien. Die letzte Frucht seines geplanten Forschungsprojekts war sein Heidelberger Akademievortrag aus dem Jahre 1965 über die »Möglichkeiten und Grenzen der liberalen Arbeiterbewegung in Deutschland« am Beispiel des Sozialpolitikers Hermann Schulze-Delitzsch (1808–1883). Ihn reihte er mit viel Sympathie vor allem deswegen in die »Tragödie des deutschen Liberalismus« ein, da er »kein Verhältnis zur Bedeutung des modernen Staates« habe gewinnen können und »die Gewalt des nun einmal bestehenden, ja sich steigernden Klassenkampfes seiner Zeit, geblendet durch seine Harmoniegläubigkeit«, unterschätzt habe. Dennoch hielt er Schulze-Delitzsch zugute, dass sich »seine Auffassung der Arbeiteremanzipation durch Bildungsdrang, organisierte wirtschaftliche Selbsthilfe und ge126

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werkschaftlichen Kampf auf der Grundlage wachsender Produktivität und Tragfähigkeit freier Wirtschaft in einem die Koalitionsfreiheit und das allgemeine, gleiche Wahlrecht gewährenden Staat« aus gegenwärtiger Perspektive »in den wesentlichen Grundzügen als richtig erwiesen« habe.72 In Anlehnung an einen zu jener Zeit einflußreichen Topos des Soziologen Helmut Schelsky (1912–1984), mit dem Conze eine ähnliche (akademische) Sozialisierung und Weltanschauung verband, betrachtete er seinen Protagonisten gar als Vordenker der »Mittelstandsgesellschaft«.73 Mit seinen Ausführungen zu Schulze-Delitzsch verabschiedete Conze sich für längere Zeit von der Arbeiterbewegung. Da diese in den sechziger Jahren ohnehin »zu einem der bevorzugten Arbeitsgebiete der jüngeren Historikergeneration« geworden war, hielt er es »nicht mehr für nötig, weiterhin selbst in eine nicht mehr vorhandene Bresche zu springen«.74 Neben seinen eigenen Schülern verhalfen nun vor allem die Vertreter der sich allmählich herausbildenden Historischen Sozialwissenschaft der Geschichte der Arbeiterbewegung zu einem regelrechten Boom,75 in den Conze erst Mitte der siebziger Jahre wieder mit einer »Kurskorrektur«76 eingriff: Mit dem Heidelberger »WürttembergProjekt«77 und zwei Sondertagungen des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte78 versuchte er, die für seinen Geschmack zu stark auf die Aspekte von Bewegung, Organisation und Ideologie ausgerichtete Forschung durch die Untersuchung der »›Lage‹« der Arbeiter zu ergänzen.79 Die Betonung der konkreten Existenzbedingungen der Arbeiterschaft gegenüber ihrer ideologischen Politisierung traf sich zu jener Zeit mit den Bemühungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), seine reformistische Tradition gegen virulente »sowjetmarxistische« Tendenzen in den eigenen Reihen in Schutz zu nehmen. Nicht zuletzt zu diesem Zweck veranstaltete er im Oktober 1979 in München zum 30. Jahrestag seiner Gründung eine wissenschaftliche Konferenz zur Gewerkschaftsgeschichte seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.80 In der zentralen Podiumsdiskussion, an der sich u.a. Hans Mommsen, Gerhard A. Ritter und Hans-Ulrich Wehler beteiligten, übernahm Conze die einleitenden Bemerkungen zur Frühphase der Gewerkschaftsbewegungen, wobei er sich auf das zwei Jahre zuvor erschienene Grundlagenwerk seines Schülers Ulrich Engelhardt zum Thema stützte.81 Dabei war es ihm – durchaus im Geiste der Veranstaltung – wichtig zu betonen, dass die Gewerkschaften »von Anfang an bestrebt oder auch genötigt gewesen« seien, »aufgrund der Aufgabe, der sie sich gewidmet haben, prinzipielle Gegensätze, die bei solchen, die Prinzipien lieben, unvereinbar sind, in der Praxis vereinbar zu machen«.82 Wenn Conze ein Vierteljahrhundert nach seiner arbeitergeschichtlichen Pionierarbeit spätestens mit seiner Teilnahme an dieser Konferenz bewies, dass »ideologisch-lebensgeschichtliche Nähe zum Untersuchungsgegenstand keine Voraussetzung für die erfolgreiche wissenschaftliche Annäherung an ihn ist«,83 127

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konnte er gleichzeitig für sich in Anspruch nehmen, maßgeblich an der Herausbildung einer Forschungsrichtung mitgewirkt zu haben, an der sich der Aufschwung der Sozialgeschichte nach 1945 zuallererst praktisch manifestiert hatte.84 Schließlich wurde, wie er selbst 1979 feststellte, »bis in die 60er hinein ›Sozialgeschichte‹ weithin noch mit ›Geschichte der Arbeiterbewegung‹ gleichgesetzt«.85 Dass die Besetzung dieses neuen Interessengebiets allein noch keine Sozialgeschichte ausmachte, war ihm dabei nicht erst zu jener Zeit bewusst. Der theoretische Ansatz, den er parallel zu dem thematischen Wechsel vom Bauern zum Arbeiter formulierte, stand jedoch mit diesem in einer unauflöslichen inneren Beziehung.

2. Strukturgeschichte in der Formverwandlung Während die Wogen der Arbeitergeschichtsschreibung über die Zeit die Spuren ihres frühen Initiators Werner Conze verwischt haben,86 bleibt die Konzeption der Strukturgeschichte in den Annalen der bundesrepublikanischen Historie auf lange Dauer untrennbar mit seinem Namen verbunden. Sie war das geschichtstheoretische Programm, mit dem er neue Akzente in seinem Fach setzte.87 In ihrer Genese und Ausformung war die Strukturgeschichte einer kritischambivalenten Konfrontation mit der Moderne geschuldet, die zu jener Zeit auch andere eher konservativ orientierte Historiker im Rahmen einer Methodendiskussion riskierten.88 Selbst Gerhard Ritter hatte 1949 in seinem Eröffnungsvortrag des ersten deutschen Historikertages in München eingeräumt, dass der »schöpferische Wille des Menschen auf natürliche Begebenheiten, auf ganz bestimmte Zwangslagen und Zwangsläufigkeiten trifft, an denen er sich abarbeiten« müsse. Um diese in »ihrem inneren Zusammenhang zu erschließen«, bedürfe es »technischer Methoden, die aus dem herkömmlichen Geleise politischer Geschichtsschreibung […] recht weit hinausführen«.89 Die »Erfolgskarriere« der Strukturgeschichte lässt sich nicht zuletzt folgendermaßen erklären: »Sie beruhte zum großen Teil darauf, dass in der zeitgenössischen Geschichtswissenschaft die Einsicht unterschwellig bereits verbreitet war, man habe selber in den Jahrzehnten zwischen 1930 und 1950 die gewaltige Macht anonymer Prozesse und Organisationen, den verselbständigten Einfluß übermächtiger ›Strukturen‹ erfahren.«90 Anders als die meisten seiner Kollegen stand Conze diesem Meinungsklima methodisch nicht unvorbereitet gegenüber. Man denke nur an seine Doktorarbeit über die deutsche Sprachinsel Hirschenhof. Hier hatte er ja bereits 1934 den »Lebensgesetzen« jenseits der üblicherweise untersuchten »historisch-politischen Geschehnisse« einen historiographischen Stellenwert zuerkannt und die »engere historische Methode« durch die »Darstellung des Zuständlichen« 128

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ergänzt.91 Nach dem Krieg schickte er sich nun an, unter spezifischer Bezugnahme auf das gleichsam neu entdeckte »technisch-industrielle Zeitalter« die über zehn Jahre zuvor begonnene Herangehensweise an die Geschichte weiterzuentwickeln. Diese sollte zugleich historisch konkreter bestimmt und offener sein, als es die Sozialgeschichte in ihrer bis dahin überlieferten Form in seinen Augen zu sein vermochte. So wie sich die Lage in der westdeutschen Geschichtswissenschaft der Nachkriegszeit darstellte, musste der Sozialgeschichte jedoch überhaupt erst zu ihrem Recht verholfen werden, um sie dann inhaltlich und begrifflich transzendieren zu können. Bereits in dem zuvor erwähnten Vortrag an der Dortmunder Sozialforschungsstelle im März 1951 über die »deutsche Stadt im Industriesystem« legte Conze seine diesbezügliche Geschichtsauffassung in Grundzügen dar. Im Zeichen der Industrialisierung sei es zu einer »großen Strukturwandlung« gekommen, Aufgabe der Geschichtswissenschaft sei es demzufolge, »diesen Gesamtvorgang […] aufzuhellen«, wofür »methodisch und begrifflich Neuland gewonnen werden« müsse. Wie später so häufig plädierte er dabei, da es sich schließlich »nicht lediglich um einen Spezialauftrag an die übliche ›Sozial- und Wirtschaftsgeschichte‹« handele, für ein Zusammengehen von politischer Geschichte und Sozialgeschichte. Dies begründete er folgendermaßen: »Der Gegenstand der nicht mehr spezialistisch abzuspaltenden Sozialgeschichte [wird] dadurch bestimmt, dass es sich dabei um eine historische Betrachtung der Gesellschaft handelt, die ›ein Ganzes ist und als eine Struktur begriffen werden muß, die aber aus heterogenen Teilgruppen besteht, welche durch eine Herrschaftsbeziehung zusammengehalten werden‹.«92 Das Zitat im Zitat stammt aus Hans Freyers 1930 erschienener »Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft«, mit der Conze schon als junger Student in Berührung gekommen war. Neben Freyer waren es vor allem Otto Brunner und Fernand Braudel, die als geistige Paten fungierten. Das zeigt sich auch in seinem 1952 in der Zeitschrift »Geschichte in Wissenschaft und Unterricht« erschienenen Aufsatz über die »Stellung der Sozialgeschichte in Forschung und Unterricht«, der aus einem Vortrag auf der Tagung westfälischer Geschichtslehrer in Münster im April des Jahres hervorgegangen war und ihm den Ruf eines Verfechters der im Titel genannten Forschungsrichtung verschaffte.93 Es ist heuristisch sinnvoll, statt einer chronologisch angelegten Textexegese die jeweilige Rezeption seiner drei intellektuellen Stichwortgeber in den Blick zu nehmen, um die Genese von Conzes strukturgeschichtlichem Konzept innerhalb des damaligen Meinungsklimas nachvollziehen zu können. Dabei eröffnen sich mit Hans Freyer allgemeinere Tendenzen des zeitgenössischen konservativen Denkens, mit Otto Brunner Kontinuitätslinien der jüngeren deutschen Geschichtstradition und mit Fernand Braudel transnationale Aspekte der damaligen Sozialgeschichtsschreibung. Hans Freyer war ohne Zweifel der zeitgenössische Denker, der Conze in den 129

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Jahren nach dem Kriege am meisten beeindruckt hat. Und sein weiter sozialphilosophischer Horizont, seine umfassende historische Bildung und sein souverän-betörender Stil waren wahrhaftig dazu angetan, dem Historiker nach der Katastrophe eine intellektuelle Orientierung zu bieten. Sie versprach umso mehr Halt, als sie einen Anknüpfungspunkt an die eigenen akademischen Anfänge darstellte, der von vornherein eine geistige Vertrautheit schuf. Vor allem aber bildete die historisch-soziologische Weltanschauung, die Freyers Oeuvre der vierziger und fünfziger Jahre zugrundelag, eine den geistigen Bedürfnissen der Zeit angemessene Identifikationsfläche – nicht nur für Conze. Der »entradikalisierte Konservativismus«, den der Soziologe nach 1945 verkörperte,94 entsprach der damaligen Stimmung vieler Geistes- und Sozialwissenschaftler – zumindest jener, die wie er dem Nationalsozialismus anfangs optimistisch begegnet, letztlich aber desillusioniert aus ihm hervorgegangen waren und nun aus den Trümmern der kollektiven Niederlage diejenigen Reste ihres Weltbildes zu einer Form zusammenzufügen hatten, die auch in der neuen politischen Gegenwart Bestand haben konnte. Freyers wegweisender Beitrag in diesem Zusammenhang war dabei seine monumentale »Weltgeschichte Europas« aus dem Jahre 1949. Eine »Geschichtsphilosophie inhaltlicher Art, eine Geschichtsphilosophie nach Ereignissen, eine Geschichtsphilosophie mit Jahreszahlen«95 war da bereits 1939 noch in Budapest begonnen und dann im Frühsommer 1945 zurück in Leipzig vollendet worden.96 Früher als manch anderer hatte er hiermit den herrschenden Germanozentrismus überwunden und das Abendland in seinem globalen Ausgreifen, Europa als Ganzes in den Blick genommen. Jerry Muller hat die Metamorphose Freyers als typischen Trend eines sich wandelnden deutschen Konservativismus prägnant formuliert: »He retained his belief in the failure of universalistic rationalism and of modern technology to create meaning and purpose. He still looked to the collective past to provide that meaning and identity. But now the past that was to be conserved was not that of Germany but of ›Europe‹; it was not the values of the Volk that were to be preserved but those of classical humanism and Christianity.«97 So historisch konkret sein philosophischer Gang durch zwei Jahrtausende abendländischer Geschichte sich insgesamt gestaltete, so vage, ja tastend blieben Freyers abschließende Bemerkungen zur »Geschichte der letzten fünfzehn Jahre«. Ließen sich, so der Autor, zwar bereits »viele einzelne Schuldanteile […] aus dem allgemeinen Unheil« herausgreifen und »viele verhängnisvolle Entschlüsse« in ihren Auswirkungen verfolgen, räumte er doch ein, dass das »moralische Urteil […] nicht nur geneigt« sei, sondern auch »berechtigt, schneller zum Zuge zu kommen als das historische. Die Historie wird sich noch geraume Zeit gedulden müssen, und es ist für sie durchaus keine Schande, zu gestehen, dass sie noch nicht allerwegs begreift, wie es geschah.« Bei aller Bezugnahme auf gesamteuropäische Zusammenhänge forderte er von sich und 130

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seinen Landsleuten, bei der existentiell notwendigen »Selbstbesinnung« »als Deutsche zu sprechen«.98 Nicht zuletzt die angemahnte »Selbstbesinnung« war es auch, in der Werner Conze den »ganz unmittelbare[n] Lebensbezug, den das Freyersche Geschichtsbild für uns hat«, erkannte. In seiner noch im Erscheinungsjahr 1949 erfolgten Besprechung des Buches mit dem aufschlussreichen Titel »Verstehende Geschichtswissenschaft«, die mehr den Charakter einer vom Drang nach Selbstidentifikation beseelten Würdigung als einer kritischen Rezension trug, attestierte er Freyer den Ansatz zu einer »Bewältigung der Geschichte selbst«. Das Werk stelle insgesamt »in seiner begrifflichen Schärfe, in seinem anschaulichen Erfassen der individuellen Vielfalt alles Geschichtlichen und in seiner künstlerischen Form einen Höhepunkt dessen dar […], was in Deutschland nach dem Kriege aus einem neuen historischen Bewusstsein gesagt worden ist«. Letzteres äußerte sich für den sichtlich beeindruckten Historiker vor allem darin, dass es über das »Sehen von historischen Gestalten, die in Entwicklung gebildet werden«, hinausgehe und stattdessen zu »Kategorien geschichtlicher Bewegung vor[dringt], die sich als ungemein fruchtbar für unsere historische Wissenschaft erweisen werden«.99 Die zentralen Kategorien, die Freyers »denkende Betrachtung« der jüngeren europäischen Geschichte ins Feld führte und von Conze in der Folgezeit als theorieleitend angewandt wurden, waren die »industrielle Gesellschaft«, die seit dem 19. Jahrhundert den »Aufbruch zu einer neuen Gestalt der europäischen Völker« gekennzeichnet habe, und die »Technik« als das ihr zugrundeliegende Prinzip. Anders ausgedrückt: Das Signum des »technischen Zeitalters« war jenes »neue Gemisch aus Masse und Organisation, die industrielle Gesellschaft«.100 Zwei Jahre nach Erscheinen der »Weltgeschichte Europas«, im selben Jahr 1951, da Conze in Dortmund seine ersten programmatischen Gehversuche in Richtung Sozialgeschichte machte, hielt Freyer auf dem Historikertag in Marburg seinen grundlegenden Vortrag über die »Rolle der Soziologie in der westeuropäischen Geschichtswissenschaft«.101 Hier bezeichnete er die »bürgerliche Gesellschaft in ihrer Bewegung zum industriellen System« als den »bestimmten historischen Ort« und zugleich das »spezifische Objekt« der Soziologie. Doch auch die Geschichtswissenschaft treffe »in der geschichtlichen Wirklichkeit solcher Zeitalter auf Sachzusammenhänge«, die sie nicht ignorieren könne. Er schloss daher mit der folgenden Mahnung an die ihm lauschenden Historiker: »Ich kann mir kaum denken, dass die Geschichtswissenschaft in bezug auf das 19. Jahrhundert, geschweige denn in bezug auf noch gegenwärtigere Zeiträume zu voll befriedigenden Resultaten kommen könnte, wenn sie nicht ausgiebig soziologische Kategorien als Vorspann benützt.«102 Die historische Semantik des Begriffs »Vorspann« wäre ein Thema für sich. Es lässt sich aber vermuten, dass ein so bezeichneter Stellenwert den soziolo131

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gischen Kategorien selbst von soziologiefeindlichen Historikern entspannt zugestanden werden konnte. Begrüßt wurden Freyers Marburger Ausführungen von seinem dortigen Diskussionspartner Theodor Schieder, der den Nutzen einer Annäherung der beiden Disziplinen mit Weitsicht vor allem darin erkannte, sich gegenseitig vor Verabsolutierungen bewahren zu können. Dem »Vorspann« stellte er die Gefahr der »Überspannung« zur Seite.103 Conze, der dem Vortrag in seinem ein Jahr darauf erschienenen Plädoyer für die Sozialgeschichte in der GWU die erste Fußnote widmete,104 leuchtete die Forderung Freyers nach einer Verschmelzung von Geschichte und Soziologie unmittelbarer ein. Für seinen strukturgeschichtlichen Ansatz letztlich noch wichtiger waren aber wohl die Koordinaten der »Technik« und der »Industrie«, mit denen Freyer in der »Weltgeschichte Europas« hervorgetreten war. Sie bildeten auch die Leitmotive für Freyers Oeuvre der kommenden Jahre, das mit der brillant geschriebenen »Theorie des gegenwärtigen Zeitalters« im Jahre 1955 den nächsten Höhepunkt erreichte. Hier entfaltete er sein berühmt gewordenes Modell der »sekundären Systeme«, jener anonymen Funktionszusammenhänge, denen der einzelne, zunehmend bindungslose Mensch in der technisch-verwalteten Welt ausgeliefert sei.105 Auch wenn man Freyer nicht einen »publikumswirksamen Fürsprecher einer ›industriellen Gesellschaft‹« nennen möchte,106 lässt sich doch festhalten, dass er die Tendenzen von Industrialisierung und Technisierung in einer ambivalenten Mischung aus gelassener Akzeptanz und Kulturpessimismus als gegenwärtiges »Schicksal« im gesellschaftstheoretischen Denken seiner Zeit mit verankert hatte.107 Für Conze, der ihm 1956 bei einem erneuten Vortrag auf einem deutschen Historikertag (diesmal in Ulm) als Diskussionspartner zur Seite gestellt wurde,108 bildete er die intellektuelle Brücke zu einem Trend, der sich in höchst unterschiedlicher Weise äußerte: Während sich etwa der französische Soziologe Raymond Aron 1955 in seinen Pariser Vorlesungen zur industriellen Gesellschaft um die »Unterscheidung gewisser Typen« bemühte,109 hatte Martin Heidegger schon einige Jahre zuvor die »Frage nach der Technik« als einer »Weise des Entbergens« aufgeworfen.110 Dabei bereicherte er nicht nur den ›Jargon der Eigentlichkeit‹ (Adorno) um die Ausdrücke des »Gestells« und der »Kehre«, sondern rührte gleichzeitig an die »gar nicht mehr so geheimen Ängste der Zeit«.111 Der neben Freyer und Heidegger dritte große rechtskonservative Meisterdenker der frühen Bundesrepublik, Carl Schmitt, hatte noch im Kriegsjahr 1942 eine Kehre eigener Art in Richtung der industriellen Gesellschaft vollzogen. Seine »weltgeschichtliche Betrachtung« über den Dualismus von »Land und Meer« signalisierte nicht nur eine Abkehr vom kontinental-territorialen Machtstaatsdenken, sondern gleichzeitig eine Hinwendung zu den das »elementare Verhältnis des Menschen zum Meer« betreffenden »gewaltigen Veränderungen der Maße und Maßstäbe, die mit der industriellen Entwicklung un132

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weigerlich« eingetreten seien.112 1955 verkündete er in seinem Beitrag zur Festschrift für Ernst Jünger, in dem er den Land-Meer-Gegensatz auf den OstWest-Konflikt übertrug: »Technisierung und Industrialisierung sind heute das Schicksal unserer Erde.«113 Ebenso wie Hans Freyer war Conze auch dem österreichischen Historiker Otto Brunner (1898–1982) bereits in seinem früheren Leben vor 1945 begegnet.114 Anders als jener, der ihn als noch recht orientierungslosen jungen Studenten beeindruckt hatte, dürfte dieser als Person bei ihm aber nicht von vornherein nur positive Assoziationen auf sich gezogen haben: Schließlich gehörte er zu jenen Mitgliedern der Philosophischen Fakultät in Wien, die ihm als Habilitanden aufgrund seiner zu stark soziologischen Ausrichtung die historische Lehrbefugnis versagt hatten. Und dennoch wurde ausgerechnet Brunner seit den fünfziger Jahren nicht nur einer der großen Inspiratoren, sondern auch einer der großen Mitstreiter seiner sozialgeschichtlichen Konzeptionen. Die Frage, was Brunners frühe Bedeutung für die deutsche Geschichtswissenschaft begründete, lässt sich mit zwei Worten beantworten: »Land und Herrschaft« – so der Titel seines Hauptwerks, das 1939 in erster Auflage erschienen war und im Untertitel die Behandlung von »Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Südostdeutschlands im Mittelalter« versprach. Unter Bezugnahme auf das »konkrete Ordnungsdenken« Schmitts stellte das Buch in weiten Teilen einen Generalangriff auf die bis 1933 vorherrschende Tradition der Rechts- und Verfassungsgeschichte dar. An ihr bemängelte Brunner nicht nur das »Auseinandertreten von Recht und Macht im historischen und theoretischen Denken«, sondern vor allem auch den »Schlendrian«, der sich in der Anwendung »scheinbar allgemeingültiger Begriffe« auf das Mittelalter äußere. Seien diese doch »in Wirklichkeit von der geschichtlichen Lage der Neuzeit oder gar nur des 19. Jahrhunderts abgeleitet«.115 Schon aus diesen Zitaten lässt sich erahnen, dass Brunner hier eine Pionierschrift der zwei Jahrzehnte später disziplinär in Gang gesetzten Begriffsgeschichte vorgelegt hatte. Allerdings ist die als »peinigend« bezeichnete Tatsache zu betonen, dass Brunner seine anregende methodische Grundsatzkritik »in der scharfen Konfrontation des liberalen und bürgerlichen Rechtsstaats mit den damals neuen politischen Überzeugungen des Nationalsozialismus« entwickelte.116 Diesem zollte er auch in den Schlusszeilen des Buches seinen Tribut: »Die politischen Grundbegriffe des Dritten Reiches, Führung und Volksgemeinschaft, sind letztlich nur aus germanischen Grundlagen zu verstehen. In diesem Zusammenhang mag auch einem zeitlich und räumlich beschränkten Stück der Verfassungsgeschichte des deutschen Mittelalters, wie wir es hier vorlegten, seine Bedeutung zukommen.«117 Diese Zeilen fehlten in der ersten Neuauflage nach dem Krieg von 1959, die auch an anderen Textstellen bezeichnende Änderungen aufwies. Wo 1939 stand: »Volksgeschichte heißt das Gebot der Stunde«,118 war zwanzig Jahre 133

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später zu lesen: »Eine auf das Verständnis des politischen Handelns ausgerichtete ›Strukturgeschichte‹ muß erstrebt werden«. Zu dieser Zeit lehnte sich Brunner dabei ausdrücklich an das inzwischen von Conze etablierte Etikett an.119 Ein Etikettenschwindel gewiss – doch nur ein halber. Denn von der »Struktur« und ihrer Geschichte war auch schon in Brunners Erstauflage an vielen, entscheidenden Stellen die Rede. So hieß es im richtungsweisenden Anfangskapitel: »Vor allem aber fehlt es an einer zulänglichen Darstellung der Struktur der politischen Gebilde, aus deren Kenntnis erst das Handeln verstanden werden kann. Denn jene Arbeit an der Geschichte der politischen Ideen und der geistigen Voraussetzungen der mittelalterlichen Politik bleibt letztlich unfruchtbar, wenn sie nicht auf den handelnden Menschen in seiner sozialen Verbundenheit bezogen wird.«120 Diese sozialgeschichtliche Absichtserklärung legt den Gedanken nahe, dass Brunner letztlich in der Tat mit »Land und Herrschaft« schon 1939 im Ansatz eine Strukturgeschichte vorgelegt hatte,121 wenn diese auch ihrer Ausrichtung und ihrem Ergebnis nach eine völkische gewesen sein mag und die Bezeichnung »Volksgeschichte« insofern zurecht trug. Methodisch ließ sich an eine solche auch nach der Diskreditierung des Volksgedankens gut anknüpfen. Dabei steht das Brunnersche Opus als besonders eindrückliches Beispiel für das Wandlungsvermögen vieler volksgeschichtlicher Positionen der Zeit vor 1945 auf dem Weg zur Sozialgeschichte nach 1945.122 Insbesondere bei Werner Conze und seiner fachlichen Berührung mit Brunner wird dies deutlich. Wann Conze »Land und Herrschaft« in den Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit erstmals eingehend rezipiert hat, lässt sich nicht feststellen.123 In seinem Nachruf auf Brunner schüttete er jedenfalls ein Füllhorn lobender Adjektive über das Buch aus: reif, berühmt, faszinierend, befreiend, bahnbrechend.124 Wenngleich es bei der Entwicklung der Strukturgeschichte Conzes noch keinen nachweisbaren Niederschlag fand, spielte sein Autor doch mit anderen Texten eine entscheidende Rolle dabei. Sowohl in seinem Dortmunder Vortrag vom Frühjahr 1951 als auch in seinem von der GWU gedruckten Aufruf zur Sozialgeschichte, schrieb Conze sich letztere nachgerade unter Berufung auf einen österreichischen Akademievortrag Brunners aus dem Jahre 1948 auf die Fahnen,125 und zwar als – so ein Zitat desselben – »Darstellung der inneren Struktur historischer Gebilde«.126 Direkt mit Brunner in Berührung kam er 1953 auf dem Historikertag in Bremen. Hier hielt Brunner seinen Grundsatzvortrag zum »Problem einer europäischen Sozialgeschichte«. Während er sich mit dem Bezug auf ›Europa‹ dabei dem schon bei Freyer erkennbaren allgemeinen Trend einer perspektivischen Neuorientierung über die nationalen Grenzen hinweg anschloss, ließ er hinsichtlich des sozialgeschichtlichen Aspektes von vornherein keinen Zweifel daran, dass er damit an eine bereits vorhandene deutsche Tradition anknüpfte: »Von Volksgeschichte, Geschichte der Volksordnung hat man auch bei uns 134

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schon gesprochen und damit wohl auf dasselbe gezielt, was hier unter Sozialgeschichte verstanden wird, die Geschichte des inneren Gefüges menschlicher Gruppen, nicht zuletzt von ›Völkern‹.«127 Conze, der auch an der Podiumsdiskussion teilnahm, hielt die Ausführungen Brunners für so bedeutend, dass er seine Gedanken dazu im Anschluss maschinenschriftlich festhielt. Er schrieb dort von seinem Eindruck, dass »hier allgemein eine Begriffsbestimmung erreicht worden ist, wie sie vor den Grundbegriffen der Soziologie und der Wissenschaft von der Politik bestehen kann und hinter die wir nicht mehr zurück können, wenn wir als Historiker Sozialgeschichte treiben oder ihren Begriff anwenden«. Was diesen anging, betonte er: »Wenn hier soeben gesagt wurde, dass die Sozialgeschichte eine Betrachtungsweise sei, die es mit dem inneren Bau, der Struktur der menschl[ichen] Verbände zu tun habe, während die politische Geschichte im üblichen Sprachgebrauch eine Betrachtungsweise sei, in der das politische Handeln, die Selbstbehauptung dieser menschl[ichen] Verbände im Mittelpunkt stehe, so wurde damit abgewehrt, dass es sich bei der Sozialgeschichte um ein abgesondertes Fach mit einem abgesonderten Gegenstand handele.«128 Vor allem dieser letzte Punkt war ihm wichtig. Dies zeigt sich im Manuskript des Textes, das Brunner ihm im Vorfeld der ein Jahr später erfolgenden Veröffentlichung in der Historischen Zeitschrift zur Lektüre überließ. Wo es bei Brunner hieß: »Ich sehe in der Sozialgeschichte im Unterschied zur politischen Geschichte eine Betrachtungsweise …«, machte Conze eine seiner wenigen kritischen Randbemerkungen: »Ist kein Unterschied!«129 Brunner nahm sich dies zu Herzen – wenn auch verspätet. Das Wort »Unterschied« verschwand erst in der leicht überarbeiteten Neufassung von 1956.130 Letzten Endes waren die Unterschiede zwischen ihren Standpunkten kaum mehr als nomineller Natur. Der Sonderdruck von 1954, den Brunner Conze zusandte, trug die Widmung »Mit nochm[als] herzl[ichem] Dank für Ihre fr[eund]l[iche] Mitwirkung Ihr O.B.«;131 Conze würdigte den Vortrag später als »große[n] Entwurf«.132 Insofern lässt sich festhalten, dass Otto Brunner gegenüber Conze zwar gedanklich und begrifflich meist einen gewissen Vorsprung besaß, im Endeffekt aber beide am gleichen Strang zogen und sich gegenseitig befruchteten. Dabei mag der zwölf Jahre Jüngere davon profitiert haben, dass der namhafte Kollege, während er selbst »noch nicht viel Gehör fand, einer neuen Sozialgeschichte vor der Historikeröffentlichkeit die Lanze brechen« konnte.133 Vereint wussten sie sich nicht zuletzt in jener deutschen volksgeschichtlichen Tradition der Jahre bis 1945, aus der sie kamen und die über sie nach 1945 auf die Fachwelt wirkte. Ganz andere, neue Horizonte boten sich für Conze durch die Bekanntschaft mit dem Werk und auch der Person des französischen Historikers Fernand Braudel (1902–1986). Braudel gehörte nach dem Krieg bis in die siebziger 135

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Jahre zu den einflussreichsten Vertretern seines Fachs in Frankreich. Er war ein Mann, der sich nicht nur durch fachliche Autorität auszeichnete, sondern auch durch Humor und Charme. Vor allem aber repräsentierte er als Schüler und wissenschaftlicher Erbe Lucien Febvres, der 1929 in Straßburg gemeinsam mit Marc Bloch die Zeitschrift Annales gegründet hatte, über Jahrzehnte hinweg die legendär gewordene Forschungsströmung, die sich im Umfeld eben jener Zeitschrift formierte und zurecht als das bisher »längste Beispiel einer fruchtbaren Zusammenarbeit von Geschichte und Sozialwissenschaften« bezeichnet worden ist.134 Ähnlich wie Conze hatte Braudel das Thema seiner Dissertation aus der Perspektive der geographischen Randlage heraus entwickelt. So wie jener in Königsberg, am Ostrand des Deutschen Reiches, seine bleibende Faszination für den ostmitteleuropäischen Raum entwickelte und dabei das nationalstaatliche Paradigma der Geschichtswissenschaft überwinden lernte, ergriff diesen in Algier, am Südrand der Französischen Republik, wo er ein Jahrzehnt lang als Lehrer arbeitete, »das Erlebnis des Mittelmeers vom jenseitigen Ufer aus, also verkehrt herum«.135 Anders als Conze, der in seiner kleinen siedlungsgeschichtlichen Studie zwar methodische Grenzen überwand, aber doch dem deutschen Volkstum verhaftet blieb, manifestierte Braudel seine fachliche Grenzüberschreitung auf der Untersuchungs- wie auf der Gegenstandsebene in weit umfassenderem Maße und bar jeglicher ethnischer Voreingenommenheit in einem monumentalen Werk, das einen Meilenstein der modernen Geschichtsschreibung darstellt: »La Méditerranée et le Monde méditerranéen à l’époque de Philippe II«. Nachdem er die Arbeit ursprünglich eher konventionell als diplomatiegeschichtliche Untersuchung der Regierungszeit des spanischen Königs Philipp II. (1556–1598) angelegt hatte, merkte Braudel bald, dass »jener unselige« Sohn Kaiser Karls V. ihn immer weniger fesselte, dafür aber »der Mittelmeerraum um so mehr«. Gerade als er die jahrelangen Archivrecherchen abgeschlossen hatte und zurück in Frankreich mit der Niederschrift des Textes beginnen wollte, wurde sein Land von Deutschland überfallen, das er Jahre zuvor während seines Militärdienstes »kennen und schließlich lieben« gelernt hatte. Erstaunlicherweise wurde seine grundsätzliche Sympathie gegenüber dem Erbfeind auch durch den Krieg und die Gefangenschaft, während der er »diese gewaltige Arbeit zu Papier gebracht und Schulheft um Schulheft an Lucien Febvre geschickt« hatte, kaum getrübt. Vielmehr verstand er es, in einem scheinbar unerschütterlichen Optimismus die fünfjährige Lagerhaft zu einem Bildungsaufenthalt umzufunktionieren.136 Infolgedessen fanden nicht nur unzählige Werke deutscher Geographen und Nationalökonomen, sondern auch Produkte der zeitgenössischen Volksgeschichte Eingang in seine Arbeit.137 Doch auch in noch elementarerer Weise hatten sich die Kriegsjahre in Deutschland auf sein Werk ausgewirkt. Die folgenden Sätze, die er freilich erst 136

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dreißig Jahre später niederschrieb, besitzen einen historiographiegeschichtlichen Erklärungsgehalt über seine Person hinaus: »All die Ereignisse, die aus dem Rundfunk und der Presse unserer Feinde auf uns niederprasselten – und selbst die Nachrichten aus London, die uns unsere geheimen Empfänger übermittelten –, sie alle musste ich von mir fernhalten, verdrängen, verleugnen. Nieder mit den Ereignissen, besonders den quälenden! Mir blieb nur der Glaube, dass Schicksal und Geschichte in viel tieferen Schichten geschrieben wurden.«138 Im Mittelmeer-Buch, das 1949 in erster Auflage erschien, standen die Ereignisse des untersuchten Zeit-Raums dann auch nicht im Vordergrund. Als »éclairs successifs«, die kaum aufblitzen und schon von der Nacht verschlungen würden, als »réalités pour journalistes«139 verwies Braudel sie in den letzten der drei Teile, in die sich sein völlig neuartiges Gesamtkonzept gliederte. Diesem lag die Unterscheidung von drei Zeitebenen zugrunde, nämlich einer geographischen, einer sozialen und einer individuellen. Im ersten Teil behandelte der Autor die »histoire quasi-immobile, celle de l’homme dans ses rapports avec le milieu qui l’entoure; une histoire lente à couler et à se transformer […]«. Hier standen die geographischen, dabei auch klimatischen Bedingungen des Mittelmeerraums im Mittelpunkt. Daran schloss sich der zweite Teil an, »une histoire lentement rythmée: l’histoire structurale de Gaston Roupnel, on dirait volontiers si l’expression n’avait été détournée des son sens plein, une histoire sociale, celle des groupes et des groupements.« Hier versammelte der Autor die Geschichte von Wirtschaften, Großreichen und Staaten sowie von Gesellschaften und Kulturen. Erst dann handelte er, wie gesagt, »de l’histoire traditionelle, si l’on veut de l’histoire à la dimension non de l’homme, mais de l’individu, l’histoire événementielle de François Simiand: une agitation de surface, les vagues que les marées soulèvent sur leur puissant mouvement.« Dabei komme den Ereignissen an sich kein großer Erklärungswert zu; vielmehr seien sie »manifestations de ces larges destins et ne s’expliquent que par eux«.140 Ohne Frage hatte Braudel hiermit einen wuchtigen, ja – wie er selbst meinte – »revolutionären« Entwurf vorgelegt,141 den er auf 1200 Seiten mit erzählerischem Können und Liebe zum Detail auch in beeindruckender Weise in die Tat umsetzte. Peter Burke hat die vor allem auf den Determinismus abhebende Kritik am Werk Braudels auf den Punkt gebracht, wenn er schreibt, dass der Preis für dessen »olympische Sicht auf die menschliche Existenz« die Tendenz sei, »den Menschen zu verkleinern«. Aber dennoch habe er mehr getan, »unsere Begriffe von Raum und Zeit zu verändern, als jeder andere Historiker unseres Jahrhunderts«.142 Ein halbes Jahrhundert vor Burke hatte bereits Werner Conze den Rang dieser »ungewöhnlich bedeutenden Veröffentlichung« erkannt. Seine »Anzeige auf knappem Raum« in der Historischen Zeitschrift war dabei mehr als ein 137

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»andeutender Hinweis«143. Vielmehr gehört seine immerhin fünfseitige Rezension angesichts der jahrzehntelang nur schleppend in Gang kommenden Rezeption der Annales-Historie in der Bundesrepublik zu den »bleibenden Verdiensten« des Historikers, der hier frühzeitig seine fachliche Aufgeschlossenheit über Ländergrenzen hinweg unter Beweis stellte.144 Dabei ging es ihm – bei rühmenden Buchbesprechungen unter Fachkollegen keineswegs ein unüblicher Impuls – nicht zuletzt darum, auch den von ihm selber eingeschlagenen Pfad weiter zu ebnen. Für einen »Landtreter«145 wie ihn bot die Wendung zum Mittelmeer da gute Möglichkeiten. Die »angewandte Methode« war es für Conze dann auch, mit der Braudel »ein grundsätzliches und dringendes Problem der Geschichtswissenschaft angeschnitten« habe, und zwar wiederum ohne in das »Spezialgebiet einer ›Sozial- und Wirtschaftsgeschichte‹ abzuschwenken: »Er sucht die politische Wirklichkeit des geschichtlichen Ablaufs in drei großen Begriffen zu fassen: in der ›Histoire des espaces‹ (Géohistoire), der ›Histoire des structures‹ (Sozialgeschichte im weiten Sinne, ähnlich wie es von Otto Brunner vertreten wird […]) und der ›Histoire événementielle‹ […]«.146 Hier war er also nun endlich formuliert, der »große« Begriff der ›Strukturgeschichte‹, wenn auch in französischer Sprache. In seinem GWU-Aufsatz ein Jahr darauf schrieb Conze erleichtert, dass »in Braudels ›Geschichte der Strukturen‹ […] eine glückliche Wendung gefunden worden« sei: »Im Begriff der ›Strukturgeschichte‹ steckt die Erweiterung und die schärfere Präzisierung zugleich für die durch allzu enge Abgrenzung stets gefährdete Sozialgeschichte.«147 So weit, so gut, möchte man auf den ersten Blick meinen: Bei Fernand Braudel findet die Conzesche Strukturgeschichte ihre begriffliche Genese und Explikation.148 Doch eben hier gilt es einzuhaken. Denn Braudel, der, wie oben zitiert, zumindest in der ersten, hier relevanten Auflage von der »l’histoire structurale de Gaston Roupnel«149 geschrieben hatte, präzisierte den Begriff keineswegs und schon gar nicht scharf.150 Vielmehr stellte er ihn als eine von mehreren Alternativumschreibungen (und nicht als leitendes Konzept) in den Raum. Auf den mehr als tausend Seiten des Mittelmeer-Buches taucht er ebenso wie die ihn tragenden ›structures‹ überhaupt an fast keiner Stelle auf.151 Conze hätte von Braudel mit ähnlicher Berechtigung die Begriffe ›Sozialgeschichte‹, ›Gruppengeschichte‹, ›Bewegungsgeschichte‹ oder gar ›Kollektivschicksalsgeschichte‹ übernehmen können. Das heißt freilich nicht, dass der Eindruck, den Fernand Braudel mit seinem Werk bei ihm hinterließ, ohne weitere Folgen geblieben wäre. Vielmehr musste das imposante Buch aus dem westlichen Nachbarland gerade dadurch, dass es eigene, durch die missliche Situation der akademischen Nachkriegsjahre etwas stockende Gedanken aufzugreifen schien, geistig auflockernd und befreiend wirken. Dabei war Conze sich im Klaren darüber, dass der »revolutionäre« Ge138

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stus des Franzosen manch traditionsbewussterem Leser der Historischen Zeitschrift nicht geheuer sein würde: »Man wird den Anspruch der Neuartigkeit teilweise einschränken können, und der Stil solchen Selbstbewusstseins gegenüber der Geschichtswissenschaft Europas im letzten Jahrhundert mag verschieden beurteilt werden. Ich habe diesen Anspruch des Vfs. nicht als unangenehm empfinden können, weil hier wirklich ein heute vordringliches Problem unserer Geschichtswissenschaft ausgesprochen worden ist […]«.152 Durch diese Geisteshaltung war Conze schlechthin dazu prädestiniert, einen historiographischen Brückenkopf über den Rhein hinweg zu bilden. Kein Geringerer als Gerhard Ritter, den als Vorsitzenden des Historikerverbandes für seinen Teil die »Gefahr einer Verseuchung der französischen Historie durch materialistische Anschauungen« bedrückte,153 wandte sich im November 1952 an ihn, als es um die Benennung eines deutschen Vertreters für eine in Frankreich geplante sozialgeschichtliche Kommission des Comité International des Sciences Historiques ging.154 Nur zu gern nahm Conze die Chance der internationalen Einbindung wahr, die ihm das Angebot vor allem in Bezug auf die französische Geschichtswissenschaft in Aussicht stellte. Dass er über die folgenden Jahrzehnte in der 1953 in Paris ins Leben gerufenen Commission Internationale d’Histoire des Mouvements Sociaux et Structures Sociales aktiv wurde,155 mag langfristig zu seinem Renommée als Sozialhistoriker beigetragen haben. Das erste Projekt der Kommission, eine breitangelegte Quellenedition zur Geschichte der sozialen Bewegungen in Europa, führte ihm allerdings einstweilen die begrenzten institutionellen Kapazitäten in seinem Heimatland vor Augen. Andererseits lagen wiederum gerade hierin Möglichkeiten für seine eigene Karriere. Hermann Aubin, der Ritter inzwischen im Verbandsvorsitz nachgefolgt war, bestätigte ihm den sozialgeschichtlichen Rückstand der deutschen Geschichtswissenschaft und wies dabei auch auf die geringe »Zahl der für Sozialgeschichte interessierten akademischen Lehrer« hin. Er beglückwünschte Conze dazu, »dass Sie so interessante Begegnungen und Forschungsreisen erleben«.156 Die wohl interessanteste Begegnung, die aus Conzes verstärkter Orientierung nach Frankreich resultierte, war die mit Fernand Braudel, zu dem er über die kommenden Jahrzehnte eine freundschaftliche Beziehung aufbauen sollte.157 Doch konnte er sich angesichts seiner damaligen akademischen Lebenssituation mit derlei erfreulichen Kontakten freilich ebensowenig begnügen wie mit der aufwendigen Kleinarbeit an einer Quellenedition. So hatte er schon zuvor gegenüber Denise Fauvel-Rouif, der Generalsekretärin der Kommission, zu bedenken gegeben, ob nicht »eine gewisse Gefahr« darin liege, »wenn wir in unserer Kommission allzu stark und vordringlich mit Fragen der Inventarisierung, der Bibliographien u.dgl. beschäftigt sind«. Er selbst sah die »geistige Aufgabe« der Kommission vielmehr im »Gedankenaustausch über 139

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die Hauptprobleme der Sozialgeschichte der industriellen Gesellschaft«, »die Strukturgeschichte der technisch-industriellen Welt.« Gleichzeitig verlieh er seinem Bedauern darüber Ausdruck, dass er selbst als Basis für seine Arbeiten »kein sozialgeschichtliches Forschungsinstitut zur Verfügung habe und dass ein solches im eigentlichen Sinn im westlichen Deutschland überhaupt nicht« bestünde.158 An wohl keinem anderen Ort als in diesem Brief war bis zu jenem Zeitpunkt derart deutlich geworden, dass Conzes theoretisches Anliegen auch mit praktischen Bestrebungen hinsichtlich seiner eigenen Universitätslaufbahn verbunden war. Auf alle Fälle war er innerlich bereits im Juni 1954 reif für die grundlegende Formulierung seines Forschungsprogramms, das er gut zwei Jahre darauf in einem Akademievortrag vor der Düsseldorfer Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen präsentierte: die »Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters als Aufgabe für Forschung und Unterricht«.159 Wer nach all dem nun ein klar bestimmtes geschichtswissenschaftliches Patentrezept erwartet hätte, wäre freilich enttäuscht worden. Vielmehr zeichnet sich der Text des frisch auf den Heidelberger Lehrstuhl berufenen Historikers, der inzwischen nicht mehr mit vollmundigen theoretischen Versprechen zu reüssieren brauchte,160 insgesamt durch Offenheit und Vorsicht aus. Nicht aus Fortschrittsoptimismus, sondern einer eher pessimistischen Grundstimmung heraus entwickelte Conze hier die für ihn zeitgemäßen Anforderungen an seine Disziplin. Von dem niederländischen Kulturhistoriker Johan Huizinga (1872–1945) und dessen 15 Jahre zuvor, »mitten in der europäischen Katastrophe unserer Tage«161 gehaltenen Vortrag über eine »Formveränderung der Geschichte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts« ließ er sich den Ton für seine eigenen Ausführungen vorgeben.162 Das Vermächtnis Huizingas, der in seinem berühmten Hauptwerk »Herbst des Mittelalters« bereits den Übergang vom Mittelalter zur Renaissance als Epoche des Verfalls beschrieben hatte, erkannte er in der Diagnose vom »Herbst der traditionellen Geschichte«. Damit sei die »allgemeine Bewegung« bezeichnet, »in der die geschichtliche Größe, die personale Würde und die bildhafte Form im Unpersönlichen, Kollektiven und Wirtschaftsbestimmten aufzugehen im Begriff seien«. Diese – von ihm wiederum mit Hans Freyer und Otto Brunner bestätigte – »Formverwandlung« der Geschichte im Gefolge der Zeit der Revolutionen seit dem späten 18. Jahrhundert wollte Conze anders als Huizinga jedoch »nicht nur im Negativ«163 sehen. Vielmehr ging es für ihn darum, die neue Form auf der Gegenstandsebene historisch zu erfassen, wofür es eine gleichermaßen neue Form auf der Untersuchungsebene herauszubilden galt. Als ersten Schritt mahnte er eine neue universalhistorische Periodisierung an, wobei er in freier Anknüpfung an Arnold Toynbee von »drei großen Stadien 140

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der Menschheitsgeschichte« ausging: der vorgeschichtlichen Zeit bis zum Neolithikum, den rund sechs Jahrtausenden der Hochkulturen und schließlich eben dem gegenwärtigen »technisch-industriellen Zeitalter«. Dies könne trotz räumlicher Differenzierung als »das Endziel der ›Weltgeschichte Europas‹ im Sinne Hans Freyers« aufgefasst werden und verdiene eine »von der sog. Neuzeit abgehobene Behandlung«.164 Die strukturgeschichtliche Methode, die er als zweiten Schritt für die Behandlung dieser letzteren Epoche unter begrifflicher Berufung auf Fernand Braudels »Méditerranée« einführte,165 nahm er von vornherein vor dem Vorwurf der Einseitigkeit in Schutz. Schließlich läge die Gefahr nahe, »aus der Erfahrung der Ohnmächtigkeit inmitten technischer Funktionszusammenhänge ›sekundärer Systeme‹ (Freyer) nur noch den sogar in den Spitzen instrumental verstandenen ›reduzierten Menschen‹ zu sehen und gegenüber der Erscheinung anonymer, personell verborgener, womöglich ihrer selbst nicht mächtiger Fernsteuerung zu kapitulieren«. Dennoch sei in »einer solchen Sicht nur die grausige Grunderfahrung eines Trends unserer Epoche mit ihrer Gefährdung des Menschen angedeutet, nicht aber die volle Wirklichkeit des in seinen Grunderscheinungen noch offenen technisch-industriellen Zeitalters ausgedrückt«. Ein historiographischer Mittelweg war gefragt; und ihn versuchte Conze hier zu ebnen, wenn er abermals von der notwendigen, obgleich »praktisch nicht leicht zu bewältigende[n] Konsequenz« sprach, »überkommene Trennungskategorien wie ›politische Geschichte‹ und ›Geistesgeschichte‹ einerseits, ›Sozial- und Wirtschaftsgeschichte‹ andererseits, ebenso die angebliche Unvereinbarkeit von typologisierender und individualisierender Methode zu überprüfen und zu überwinden«. Und weiter: »Die Sozialgeschichte hat es mit der sozialen Struktur zu tun. Diese ist aber stets politisch bestimmt und wandelbar, da es keine Gesellschaft gibt, die sich nicht in Verfassung befindet. Sozialgeschichte kann daher von einer ›politischen Geschichte‹ nicht begrifflich getrennt werden; sie ist vielmehr selbst politische Geschichte, nur dass sie nicht in erster Linie die res gestae, sondern die Strukturen in ihrer Kontinuität und Veränderung ins Auge faßt.«166 Mit diesem Impuls zu einer »integralen Sozialgeschichte«167 ist der Kern dessen bezeichnet, worauf Conze mit seiner Strukturgeschichte hinauswollte. Zu Recht ist bemerkt worden, dass es ihrem Begriff »sehr an Präzision und Klarheit« gemangelt und der Autor sich überhaupt programmatisch nur sehr zurückhaltend geäußert habe.168 Andererseits lag gerade in der Schwammigkeit der Conzeschen Konzeption ihr integratives Moment. Außerdem war sich der Autor zu jener Zeit im Klaren darüber, dass er im Kontext der damaligen deutschen Geschichtswissenschaft schon recht weit gegangen war. Gegen allzu harsche Kritik war er freilich schon durch die konservative Grundierung seines Textes gefeit, die in seinen Warnungen vor dem Verlust der »geschichtliche[n] 141

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Dimension« sowie vor »Grenzüberschreitungen« und »Methodensynkretismus« zum Vorschein kommt.169 Die Reaktionen auf den Vortrag fielen weitgehend positiv aus.170 In der sich unmittelbar anschließenden Diskussion in Düsseldorf wurden keine grundsätzlichen Gegenpositionen vertreten. Als wohl bedeutendster Teilnehmer wies der Philosoph Joachim Ritter immerhin auf »gewisse Gefahren« hin, die sich mit der Bereitschaft verbinden würden, »die gesellschaftliche ›Weltrevolution‹ zum zentralen Thema auch der historischen Forschung zu machen«. So könnte die Historie bei ihrem Versuch, »sich der Eigentümlichkeit der gesellschaftlichen Probleme anzupassen, deren Abstraktheit erliegen und so schließlich durch sie von der Aufgabe abgezogen werden, die sie als Historie und als die Wissenschaft zu erfüllen« habe, nämlich »das Geschichtliche des menschlichen Daseins und seiner Einrichtungen zu erkennen und den Sinn für die Geschichte und das geschichtliche Werden lebendig zu halten«.171 Darüber hinaus begegneten Conzes Ausführungen in der Folgezeit einem gewissen kulturellen Unbehagen, dem in Düsseldorf bereits der Althistoriker Hans Erich Stier mit seinem Hinweis auf die Stellung des Menschen als das »jenseits aller Zugehörigkeit zu Gesellschaftsschichten u. dgl. […] eigenartige primär moralisch bestimmte Geschöpf« die Richtung gewiesen hatte.172 Später äußerte auch Conzes – nun ehemaliger – Münsteraner Kollege Herbert Grundmann in einem langen Brief an ihn die Sorge, dass man durch die Betrachtung der Struktur »verblendet werden [könnte] gegen die Geschichte, gegen den Fortgang der Geschichte und ihre lebendigen Kräfte, die von dieser Struktur werden ausgehen, aber nicht in ihr aufgehen müssen«.173 Reinhard Wittram, der sich von dem »schönen Vortrag« gleichermaßen »getroffen und gefesselt« zeigte, mahnte: »In keinem Fall geht es an, dass wir unser personales Interesse erlöschen lassen, seit die geschichtliche Verantwortung sich von den Geburts- und Bildungseliten auf breitere Schichten verlagert hat.«174 Conze stimmte ihm darin zwar zu, rechtfertige aber dennoch den »Trieb zur Strukturgeschichte« – »nicht weil die Geschichte im eigentlichen Sinne als sittliche Welt verkleinert werden soll, sondern weil die Kraft des Menschen als Person nur dann wirklich gewogen und gewertet werden kann, wenn die ihn zwingenden und bedrängenden ›Kräfte‹ so weit wie möglich untersucht werden«.175 Es war Conze auch weniger um die Errichtung eines in sich abgeschlossenen Theoriegebäudes gegangen, sondern in erster Linie um einen Anstoß »zu praktischen Folgerungen für unsere Forschung und Lehre«. Und als ein solcher schuf die strukturgeschichtliche Programmatik allemal einen anregenden epistemischen Ausgangspunkt, der dabei niemanden auf einen vorgezeichneten Weg festlegte. Die hierfür notwendige »Basis eines Forschungsinstituts«,176 die Conze in seinem Vortrag gefordert hatte, stand ihm seit dem April 1957 zur Verfügung. 142

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Das Institut für Sozialgeschichte der Gegenwart, das anderthalb Jahre später mit dem Eintreten Erich Maschkes als Mitdirektor in Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (ISWG) umbenannt wurde,177 bildete über die nächsten beiden Jahrzehnte ein primäres Zentrum der westdeutschen Sozialgeschichtsschreibung.178 Man begann, wie konnte es anders sein, klein: mit einem Assistenten (Horst Stuke), einer wissenschaftlichen Hilfskraft und einer Halbtagsschreibkraft.179 Doch über die Jahre expandierte das Institut mitsamt seiner Bibliothek unaufhörlich.180 Während der reguläre Lehr- und Studienbetrieb am Historischen Seminar vonstatten ging, konnte Conze das ISWG zu verschiedenen Zwecken nutzen, die über seine unmittelbaren Pflichten als Hochschullehrer hinausgingen. Dazu gehörten neben zahlreichen Exkursionen, v.a. zur Besichtigung von Wirtschaftsunternehmen, etwa die systematische Rezensionstätigkeit über das deutschsprachige Schrifttum zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, die er inzwischen als fester Korrespondent des Economic History Review teils selbst übernahm, teils an andere (etwa seine Mitarbeiter) delegierte, und die Abwicklung der Arbeiten und Aufträge, die ihm als deutscher Vertreter der Commission Internationale d’Histoire des Mouvements Sociaux et Structures Sociales zufielen.181 Die internationale Ausrichtung des Instituts schlug sich auch in zahlreichen Gastvorträgen ausländischer Wissenschaftler nieder.182 Nicht zuletzt ging es aber um die institutionelle Konzentration von Forschungsvorhaben in Form von Dissertationen und Habilitationen. Da über die Mitarbeiterstellen hinaus allerdings kein eigener Etat für die »Durchführung größerer Forschungsunternehmen mit und ohne Arbeitsgruppen« bestand,183 bot sich die Verflechtung mit der zweiten Einrichtung an, die 1957 auf Initiative Conzes ins Leben gerufen worden war. Die Gründung des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte rührte von den gleichen theoretischen Beweggründen her wie die des Forschungsinstituts.184 Praktisch verlief sie aber im Planungsumfeld einer mittlerweile an Gewicht zunehmenden außeruniversitären Wissenschaftsförderung durch den Bund. Conze kam dabei die Bekanntschaft mit dem Münsteraner Mediävisten Paul Egon Hübinger zugute, der von 1954 bis 1959 als Abteilungsleiter für Kulturpolitik im Bundesinnenministerium tätig war und sich zu jener Zeit mit dem Projekt einer »Historischen Bundeskommission« befasste. Früh zeigte er sich gegenüber dem Conzeschen Plädoyer für die »Bildung eines Instituts zur Strukturgeschichte der industriellen Gesellschaft« in der Bundesrepublik aufgeschlossen. Mit beratender Unterstützung des Hamburger Soziologen Carl Jantke erwirkte Conze einige Wochen nach seinem Akademievortrag im Herbst 1956 von Hübinger die Zusage von Bundesmitteln zur Förderung seiner Forschungsanliegen. Der Historiker, dem kurz zuvor ja bereits vom baden-württembergischen Kultusministerium die Errichtung des späteren ISWG in Heidelberg zugesichert worden war, sprach angesichts dessen selbst von einer »fast 143

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etwas schwindelerregenden Aussicht, die über alle möglichen Träume hinausgeht«.185 Bald darauf einigte man sich auf den organisatorischen Zuschnitt eines professoralen Arbeitskreises und eine Gründungskommission.186 Ende April des darauffolgenden Jahres wurde der Arbeitskreis auf der ersten Sitzung in Bad Ems offiziell ins Leben gerufen, 1963 erhielt er den Rechtsstatus eines eingetragenen Vereins. Satzungsgemäß hatte er den Zweck, »auf jährlich mindestens zwei wissenschaftlichen Tagungen Hauptprobleme der modernen Sozialgeschichte […] zu diskutieren, durchzuführen und zu veröffentlichen.187 Über die Jahre etablierte er sich als das für lange Zeit beinahe einzig richtungsweisende Diskussionsforum für sozialhistorisch orientierte Wissenschaftler in der Bundesrepublik.188 Hans-Ulrich Wehler schreibt von den »optimalen Voraussetzungen«, die der dortige Gedankenaustausch für die »Erörterung mancher Fragen« geboten habe, »zumal als dort noch Rainer Lepsius und Knut Borchardt, Reinhart Koselleck und Thomas Nipperdey ihr Feuerwerk abschossen«.189 Der Arbeitskreis war ein entscheidendes Mittel für Conze, seinen Einfluss als Historiker auszuüben, zu modifizieren und dauerhaft zu machen. Er zeigte ihn als umtriebigen Organisator, der einerseits seinen eigenen wissenschaftlichen Vorstellungen zur Realisierung verhelfen wollte, andererseits aber flexibel und aufnahmebereit für Anstöße von (jüngeren) Kollegen war. Conze leitete die Runde bis zu seinem Tode. Von vornherein arbeiteten das ISWG und der Arbeitskreis Hand in Hand. Bereits 1964 konnte man berichten, dass der letztere »seit 1957 ausschließlich die größeren Forschungsunternehmen des Instituts trägt, bzw. seine Forschungsvorhaben im Rahmen des Instituts durchführt«.190 Neben den Finanzspritzen in Form von Stipendien und dem theoretischen Überbau, wie sie vom Arbeitskreis geboten wurden, konnten Nachwuchswissenschaftler bald auch von der hauseigenen Schriftenreihe profitieren, die seit 1961 im Klett-Verlag unter dem Titel »Industrielle Welt« erschien.191 Als früher Höhepunkt der Reihe sei hier nur Reinhart Kosellecks Habilitationsschrift, sein großes Preußen-Buch aus dem Jahre 1966, hervorgehoben.192 Koselleck, der hier die Geschichte Preußens zwischen 1791 und 1848 im »Übergang aus einer ständisch gerade noch eingebundenen in eine wirtschaftlich sich frei entfaltende Gesellschaft« untersuchte, bezeichnete seine Methode dabei in dem Sinne als »sozialgeschichtlich«, als sie sich zwar in herkömmlich historisch-philologischer Weise der überlieferten Texte bediene, diese aber, »mehr als die biographische oder politische Geschichtsschreibung, auf überindividuelle Zusammenhänge« transzendiere.193 Es ist wohl nicht übertrieben, zu behaupten, dass die Arbeit seines damaligen Assistenten für Conze genau das einlöste, was er sich unter einer guten Strukturgeschichte vorgestellt hatte. Noch knapp zehn Jahre später bezeichnete er sie als einen »Gipfel historischer Forschung, Deutung und Darstellung«.194 144

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Koselleck war es auch, der auf den Punkt brachte, was mit der Rede von den Strukturen »im Hinblick auf ihre Zeitlichkeit« eigentlich gemeint war – nämlich solche Zusammenhänge, »die nicht in der strikten Abfolge von einmal erfahrenen Ereignissen aufgehen« – und gleichzeitig den semantischen Wert des Wortes »Strukturgeschichte« erkannte: »Der räumliche, zum Statischen tendierende Bedeutungsstreifen ›Schichtung‹ im Wort ›Geschichte‹ wird […] durch die Verdoppelung zur ›Strukturgeschichte‹ metaphorisch in Erinnerung gerufen.«195 Und lebt nicht die Historie »im Unterschied zu anderen Wissenschaften nur von der Metaphorik«?196 Als »historisch-gesamtgesellschaftliche Betrachtungsweise« erfüllte die strukturgeschichtliche Programmatik in der westdeutschen Geschichtswissenschaft der fünfziger und sechziger Jahre zumindest drei wichtige Funktionen: In ihrer Propagierung durch Conze verschaffte sie der lange Zeit marginalisierten sozialgeschichtlichen Perspektive eine breite fachliche Achtbarkeit und bot gleichzeitig in ihrer Offenheit ein Dach, unter dem sich verschiedene Ansätze zur historischen Erforschung der Moderne erproben ließen.197 Nicht zuletzt lag ihre Bedeutung in dem, worin sie letztlich aufging: der Schaffung von Einrichtungen und Mitteln zur theoretischen Anregung und praktischen Förderung sozialhistorischer Forschungen. Die vom Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte initiierte Begriffsgeschichte war dabei das fruchtbarste und langlebigste Produkt dieser Institutionalisierung. Da spielte es auch keine große Rolle mehr, dass der Begriff der Strukturgeschichte sich kaum durchzusetzen vermochte. Conze selbst distanzierte sich bald von ihm und sprach fortan meist nur noch von »Sozialgeschichte«.198 Ursprünglich ausgezogen, die Formverwandlung der neuzeitlichen Geschichte in ihrer Komplexität zu erfassen, war die Strukturgeschichte als Konzept – ähnlich dem sprichwörtlichen Pudding, der sich nicht an die Wand nageln lässt – am Ende ihrer eigenen Formverwandlung erlegen.

3. Weg zur Begriffsgeschichte Die Begriffsgeschichte, wie sie als eigenständige historiographische Konzeption seit Ende der fünfziger Jahre in Heidelberg theoretisch entwickelt und im lexikalischen Großunternehmen der »Geschichtlichen Grundbegriffe« praktisch umgesetzt wurde, ist vor allem das Vermächtnis Reinhart Kosellecks.199 Er war es auch, der von ihr aus mit seiner Theorie historischer Zeiten zu tieferen Schichten der Geschichte vordrang, als es ein bloß »verdienter Historiker« vermocht hätte.200 Angesichts dessen ließen sich leicht die Verdienste übersehen, die Werner Conze bei der Entstehung und Entfaltung der Begriffsgeschichte für sich in Anspruch nehmen konnte. Sie stellte einen wesentlichen Aspekt seines Wirkens als Sozialhistoriker dar. Dabei war es wiederum Kosel145

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leck, der das grundsätzliche Verhältnis von Begriffsgeschichte und Sozialgeschichte prägnant formuliert hat: »Ohne gemeinsame Begriffe gibt es keine Gesellschaft, vor allem keine politische Handlungseinheit. Umgekehrt gründen unsere Begriffe in politisch-gesellschaftlichen Systemen, die weit komplexer sind, als dass sie sich bloß als Sprachgemeinschaften unter bestimmten Leitbegriffen erfassen ließen. Eine ›Gesellschaft‹ und ihre ›Begriffe‹ stehen in einem Spannungsverhältnis, das auch die ihnen zugeordneten wissenschaftlichen Disziplinen der Historie kennzeichnet.«201 Diesen Zusammenhang hatte lange vor Koselleck und Conze schon ein anderer Historiker erkannt und in seinem Werk zu berücksichtigen begonnen. Normalerweise ändern sich die Menschen schneller als die Begriffe. Im Falle Otto Brunners war es umgekehrt. Wie sich dies in seiner Arbeit als Historiker niederschlug, zeigten bereits die begrifflichen Häutungen in den Neuauflagen seines erstmals 1939 erschienenen Hauptwerks »Land und Herrschaft«.202 Lag schon diesem als theoretisches Leitmotiv die Historizität von Begriffen zugrunde, muss man Brunner doch die schwerwiegende Inkonsequenz vorwerfen, dieses Leitmotiv nicht auf die »politischen Grundbegriffe des Dritten Reiches, Führung und Volksgemeinschaft«, angewandt zu haben, die er seiner Arbeit im Geiste der »konkreten Ordnung« ursprünglich zugrunde gelegt hatte.203 Immerhin sah er dies später selbst ein, wenn er schrieb, dass nichts gefährlicher sei als die Annahme, »mit der Kritik an der Begriffssprache einer älteren Generation sei das Problem erledigt und man könne über die eigene Gebundenheit an die Alltagssprache unserer Zeit hinwegsehen«. Dies werde jedem Historiker deutlich, »der älter geworden ist und etwa vor der Aufgabe steht, eine neue Auflage eines vor Jahrzehnten geschriebenen Buches zu veranstalten«.204 So verkörperte Brunner auch nach seiner Abkehr vom nationalsozialistisch gefärbten Dezisionismus in der Nachkriegszeit den sein Werk kennzeichnenden »Perspektivismus und Relationismus, der sich von der Gegenwart her konstituiert«.205 Dieses relativistische Grundgefühl äußerte sich nicht zuletzt in seinen zahlreichen Abwägungen zum Begriff »Sozialgeschichte«. Ob es der späteren Begriffsgeschichte, die Koselleck einmal als einen »reflektierten Historismus« bezeichnete,206 eher zum Nutzen oder zum Nachteil gereichte, sei hier als reine Ansichtssache betrachtet. Jedenfalls vermochte Brunner mit kleineren begriffsgeschichtlichen Abhandlungen nach 1945 erneut Akzente zu setzen, und zwar in Bezug auf den »Sprachwandel« als »Niederschlag« jenes »sozialen Strukturwandels«, den er im »Abbau älterer Herrschaftsformen« seit dem späten 18. Jahrhundert erkannte.207 Ohnedies wirkte auch »Land und Herrschaft« weiterhin »befreiend für die sich ihrer methodisch-semantischen Voraussetzungen wenig bewusste deutsche Geschichtswissenschaft«. So sah es zumindest Conze im Rückblick von 1982. Den Erfolg des fünfmal aufgelegten Buches begründete er mit der 146

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»faszinierenden Konsequenz, mit der Brunner die Darstellung spätmittelalterlicher Verfassungen von der üblichen modernen Begriffssprache löste, sie durch quellennahe Begriffe konkret zu erfassen suchte und damit gewissermaßen zum Leben erweckte«.208 Conze selbst hatte bereits 1953 die Fruchtbarkeit begriffsgeschichtlicher Herangehensweisen zur historischen Erfassung des Übergangs von der altständischen zur industriellen Gesellschaft erprobt. Sein berühmter Vortrag über die sozialgeschichtlichen Voraussetzungen für den Sozialismus in Deutschland bestand zu einem Drittel in der Untersuchung des im Titel angegebenen Begriffswandels »vom ›Pöbel‹ zum ›Proletariat‹«: »In diesen beiden Worten liegt im Grunde alles beschlossen, wodurch die Entwicklung zum Pauperismus erklärt werden kann«,209 lautete seine kühne methodologische Prognose. Wenn er im Anschluss seine semantischen Befunde mit soziographischen und bewusstseinssoziologischen Analysen konfrontierte, war da die Vermittlungsfunktion der Begriffsgeschichte »zwischen einer Sozialgeschichte und einer Bewusstseinsgeschichte«210 schon im Ansatz enthalten. Zu einer theoretisch fundierten und konzeptuell elaborierten Begriffsgeschichte war der Weg von hier freilich noch weit. Doch auch in seinem drei Jahre darauf gehaltenen Plädoyer für die Strukturgeschichte verfocht Conze ihre Notwendigkeit im Hinblick auf die »angeblich ›diffuse‹ Unfaßbarkeit der geschichtlichen Struktur- und Wirkungszusammenhänge« der Moderne.211 Im selben Jahr trat er seine Professur in Heidelberg an. Die raumzeitliche Koinzidenz war mit der persönlichen Begegnung verbunden, ohne die die Verankerung der Begriffsgeschichte innerhalb der westdeutschen Geschichtswissenschaft wahrscheinlich nie vonstatten gegangen wäre. Die fruchtbare akademische Beziehung mit seinem neuen Assistenten Reinhart Koselleck sollte sich vor allem anderen in diesem Zusammenhang über die Jahre für beide Seiten als kaum zu überschätzender Gewinn erweisen. Koselleck war zu jener Zeit bereits mit begriffsgeschichtlichen Momenten in Berührung gekommen – nicht nur durch das Werk und die Person Carl Schmitts, sondern als philosophisch geschulter Historiker auch durch die deutsche philosophiegeschichtliche Tradition, die in Heidelberg von seinem Lehrer Hans-Georg Gadamer repräsentiert wurde.212 Aus dieser Tradition heraus war unter der Ägide Erich Rothackers bereits seit 1955 begonnen worden, mit dem Archiv für Begriffsgeschichte »›Bausteine‹ für ein künftiges Wörterbuch zusammenzutragen«.213 Das Projekt eines Wörterbuchs schweißte Koselleck bald mit Conze zusammen, der ihn nach seiner Ankunft in Heidelberg nach seinen weiteren Plänen fragte und als Antwort den Vorschlag eines Lexikons für die »Geschichte der zentralen Begriffe« erhielt.214 Dass dieser auf fruchtbaren Boden fiel, kann hier nicht mehr verwundern; und die institutionellen Rahmenbedingungen waren günstig für derlei weitreichende Vorhaben. Bereits im Juni 1958 schrieb Conze 147

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in seinem Arbeitsbericht über das Institut für Sozialgeschichte der Gegenwart: »Die Beschäftigung mit den Fragen des Vormärz, insbesondere mit dem Verhältnis von Staat und Gesellschaft erhielt durch ein im Wintersemester 1957/58 durchgeführtes Colloquium gute Anregungen, die u.a. zu wort- und begriffsgeschichtlichen Untersuchungen führten, in denen dem Bedeutungswandel bzw. dem Aufkommen von Begriffen wie bürgerliche Gesellschaft, sozial, sozialistisch, Proletarier, Klasse usw. nachgegangen wurde. Letztere ließen den Plan eines ›Historischen Wörterbuchs der sozialen Welt (1750–1850)‹ entstehen, das noch in diesem Jahr im Rahmen des obengenannten Arbeitskreises in Angriff genommen werden soll.«215 Mit dem »oben genannten Arbeitskreis« war selbstverständlich der für moderne Sozialgeschichte gemeint, in dessen Rahmen dann auch bald mit den Planungen begonnen wurde. Von Anfang an eingebunden wurde wiederum Otto Brunner, der nicht nur Mitglied des Arbeitskreises war, sondern aufgrund seiner Vorarbeiten auch so etwas wie eine begriffsgeschichtliche Galionsfigur. Die Last des Unternehmens schulterten über die Jahre aber einzig Conze und Koselleck. Der Anteil Brunners beschränkte sich letztlich, von einem einzigen Artikel über den von ihm schon einmal bearbeiteten Begriff »Feudalismus« abgesehen, auf den nominellen Bereich: Außer seinem Namen als Mitherausgeber verlieh er dem Wörterbuch auch dessen zukünftigen Titel »Geschichtliche Grundbegriffe« – eine späte Reminiszenz an »Land und Herrschaft«.216 Der offizielle Startschuss für die »Vorbereitung eines ›Historischen deutschen Wörterbuches politisch-sozialer Begriffe‹« – so der etwas hölzerne Arbeitstitel – fiel »Ende 1962« unter der Leitung von Conze und Brunner sowie Koselleck als »hauptamtlichem Redaktor mit gegenwärtig 20 freien Mitarbeitern (Autoren)«.217 Schnell stellte sich heraus, dass die Verantwortlichen sich in vielerlei Hinsicht verschätzt hatten – nicht nur finanziell.218 War man anfangs von nur einem Band ausgegangen, sah Conze sich 1964 gezwungen, dem unterdes für das Vorhaben gewonnenen Klett Verlag mitzuteilen, »dass wir drei Bände planen sollten«. Aus der Rückschau betrachtet wirkt dies ebenso naiv wie sein gleichzeitiger Hinweis auf den Terminplan, »nach dem der erste Band (A-G) […] am 1. Mai 1966 druckfertig abgeliefert werden« sollte.219 Anderthalb Jahre nach dem verstrichenen Termin schrieb Conze dann schon leicht zwanghaft: »Herr Koselleck und ich bemühen uns mit allen Kräften, alles für den ersten Band des Lexikons fertigzuzwingen«.220 Am Ende erschienen zwischen 1972 und 1997 acht Bände in neun Teilen.221 Während des Jahrzehnts, das zwischen dem Beginn der Redaktionsarbeit und der Herausgabe des ersten Bandes lag, formulierte Koselleck die konzeptuellen Grundlagen des Wörterbuchs. 1967 konnte er im Archiv für Begriffsgeschichte die »Richtlinien für das Lexikon politisch-sozialer Begriffe der Neuzeit« präsentieren, die sich im Wesentlichen auch in der ebenfalls von ihm 148

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verfassten Einleitung fünf Jahre später wiederfanden. Die Untersuchung der »Auflösung der alten« und der »Entstehung der modernen Welt […] in der Geschichte ihrer begrifflichen Erfassung« proklamierte er hier als den eigentlichen »Zweck des Vorhabens«. Dem lag wiederum das »heuristische Prinzip« zugrunde, »dass ein solcher Begriffswandel sich vornehmlich zwischen 1750 und 1850 vollzogen« habe. Zur Kennzeichnung dieser Epoche führte Koselleck den Terminus der »Sattel-Zeit« ein, der inzwischen weite Verbreitung gefunden hat.222 Dabei war er zu jener Zeit, wie sein Schöpfer später freimütig einräumte, »ein spontaner Begriff, um die Schwelle um 1800 klarzumachen«, die ihm aufgrund seiner eigenen Vorarbeiten und »aufgrund von Conzes Arbeiten ganz geläufig« gewesen sei.223 Conzes Einfluss beschränkte sich nun nicht nur auf den historischen Zeitraum,224 auf den sich die Wörterbuch-Artikel vornehmlich konzentrieren sollten, sondern erstreckte sich auch auf die grundsätzliche Verbindung des begriffsgeschichtlichen Unternehmens zur Sozialgeschichte. Dass der »Schwerpunkt« des Lexikons »im Bereich der sozialen Strukturgeschichte« verbleibe,225 betonte Koselleck in der Einleitung von 1972 weit deutlicher als noch in seinen Ausführungen für die philosophische Leserschaft des Archivs für Begriffsgeschichte. Während es ihm wohl schon damals vorwiegend um die Entwicklung seiner Theorie der historischen Zeiten gegangen war und er insofern das »Argument der Dienerfunktion der Begriffsgeschichte« gegenüber der Sozialgeschichte vor allem deswegen ins Feld führte, um »den Wert begriffsgeschichtlicher Verfahren einer skeptischen, wenn nicht ignoranten Fachwelt nahezubringen«,226 blieb Conze seiner sozialhistorischen Ausrichtung treu. Wie Wolfgang Schieder bemerkt hat, sah er für seinen Teil in der Begriffsgeschichte »ganz offensichtlich eine Art Kontrollfunktion, die mit Hilfe der Hermeneutik die sozialwissenschaftliche Analyse historisch fundieren sollte«. Daher habe er »fast ausnahmslos nur solche Begriffe bearbeitet […], bei denen ein solcher doppelter Zugriff möglich ist«.227 Das zeigt sich schon im ersten Band von 1972, dessen knapp 1000 Seiten zu einem guten Fünftel von Conze stammten. Er hatte sich hier neben den für sein Selbstverständnis so wichtigen Begriffen von »Arbeit« und »Beruf« vorwiegend solcher zur Kennzeichnung von sozialen Gruppen angenommen: »Adel«, »Arbeiter«, »Bauer«.228 In späteren Bänden sollten mit »Mittelstand« (1978), »Proletariat« (1984) und »Stand, Klasse« (1990) weitere Grundbegriffe der Sozialgeschichte folgen.229 Aus ihrem engeren Rahmen fielen neben dem Artikel »Sicherheit« (1984) lediglich die gemeinsam mit Helga Reinhart bzw. Antje Sommer verfassten über »Fanatismus« (1975) und »Rasse« (1984) heraus. Rechnet man noch die zahlreichen kleineren Teilabschnitte hinzu, die er zu so unterschiedlichen Begriffen wie »Freiheit« (1975), »Militarismus«, »Monarchie« (beide 1978), »Reich«, »Säkularisation« (beide 1984) sowie »Staat und Souveränität« (1990) im Zuge »redaktioneller Nothilfe« beisteuerte,230 ergibt 149

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sich eine beeindruckende Spannweite, die den persönlichen Begriffshaushalt des Historikers nachhaltig relativieren musste. Oftmals waren davon auch eigene geschichtswissenschaftliche Standpunkte der Vergangenheit ganz unmittelbar betroffen. Symptomatisch hierfür sind etwa seine Ausführungen zur »letzten Übersteigerung«, die der Begriff des Bauerntums im Dritten Reich erfahren habe.231 Dass er selbst als Historiker von dieser semantischen Entwicklung betroffen gewesen war, musste ihm inzwischen klar geworden sein. Als weiteres Beispiel aufschlussreich ist sein Hinweis auf die »Fragwürdigkeit der Verwendungsfähigkeit des Mittelstandsbegriffs« nach 1945.232 Letzteren hatte er noch 1965 im Anschluss an Helmut Schelsky ins Feld geführt, um die gesellschaftliche Entwicklung der Nachkriegszeit zu kennzeichnen.233 Nach einem fast fünfzigseitigen Durchmarsch durch die Geschichte des Begriffs hatte sich seiner nun aber eine historisch fundierte Skepsis bemächtigt, die auch vor einem an sich geschätzten Kollegen nicht Halt machte: »Es erinnert an die sozial-liberalen Prognosen von der ›Hebung‹ der ›unteren Volksklassen‹ in den ›Mittelstand‹, wenn Helmut Schelsky 1953 den Begriff einer unsere Gesellschaft charakterisierenden nivellierten Mittelstandsgesellschaft prägte. […] Der Mittelstandsbegriff erfüllt zur Selbstbestätigung der sich ihm zugehörig fühlenden Menschen oder Gruppen offenbar noch immer ein Bedürfnis. Er ist zudem institutionell und organisatorisch festgelegt und daher nicht einfach aufzugeben. Wie weit er der gesellschaftlichen Analyse noch angemessen verwendet werden kann, ist umstritten.«234 Christof Dipper hat darauf hingewiesen, dass es »angesichts seiner ›volksgeschichtlichen‹ Anfänge […] auch kein Wunder« gewesen sei, dass Conze »sich die Untersuchung sozialer Gesamtheiten – ›Rasse‹, ›Volk/Nation‹ – reserviert« habe. Die Verfertigung des Artikels zu letzterem Begriffspaar wurde allerdings durch seinen Tod verhindert.235 Desungeachtet lässt sich festhalten, dass Conze die »semantologische Kontrolle«, die Koselleck der Begriffsgeschichte für den jeweils »gegenwärtigen Sprachgebrauch« funktional zugewiesen hatte,236 auch auf sich selbst anwandte. Die geistigen Früchte einer begriffsgeschichtlichen Selbstüberholung in Ruhe auszukosten war Conze nicht vergönnt. Durch sein universitätspolitisches Wirken während der Hochschulkrise ohnehin in seiner wissenschaftlichen Schaffenskraft stark eingeschränkt, begann ihm das Wörterbuch bald über den Kopf zu wachsen. Die Koordination der einzelnen Beiträge versetzte ihn und Koselleck unter einen permanenten Termindruck, der dadurch verstärkt wurde, dass die beiden aktiven Herausgeber zahlreiche Artikel nicht nur redigieren, sondern mitunter auch ergänzen und umschreiben mussten. Hinzu kam noch der Wechsel Kosellecks an die im Aufbau begriffene Universität Bielefeld im Jahre 1974.237 Zwischenzeitlich schien es gar, als würde am Ende noch der theoretische Kopf und zuverlässigste Mitarbeiter des Unternehmens das Handtuch werfen. 150

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In einem langen Brief vom August 1974 schrieb Koselleck, dessen Artikel zum Begriff »Fortschritt« lange nicht fortschritt, in Reaktion auf die »freundschaftlich-eindeutigen Worte«, die Conze zuvor an ihn gerichtet hatte, dass die nicht eingehaltenen Termine ihn noch mehr belasten würden, »als es Ihr begreiflicher, wenn auch schon gedämpfter Zorn zum Ausdruck bringen kann«. Dabei gestand er in bedrohlicher Zuspitzung, dass sich seine »innere Einstellung zum Lexikon […] über die lange Zeit hinweg natürlich geändert« habe: »Die Spontaneität ist erlahmt, die methodischen Skrupel sind gewachsen, so dass mir in der Tat die Feder nur langsam fließt. Der Hiatus zwischen geschichtlichen Strukturen und ihren sprachlichen Artikulationen ist methodisch eben nur schwer zu überbrücken. Die Gefahr der Ideengeschichte in bloßer Abstraktion lauert hinter jeder Begriffsgeschichte. Meine Ansprüche sind gestiegen, die Skrupel sind demgemäß gewachsen. […] Insofern sind die äußeren und inneren Bedingungen zusammengekommen, um die wirkliche Lexikon-Krise in mir zu erzeugen. Auf der einen Seite ist mir der nötige Schuß Naivität abhandengekommen, der für ein solches Unternehmen eben auch erforderlich ist, – auf der anderen Seite drückt die Zeitknappheit […] Manchmal habe ich mich gefragt, ob das ›Scheitern‹, von dem Sie sprechen, nicht die sauberste Lösung der Krise sei. Aber Ihr Brief hat mich, nachdem ich ihn oft gelesen habe, vom Gegenteil überzeugt. Ich darf nicht unser gemeinsames Opus schließen, d.h. fallen lassen.«238 Auf die Krise folgte die Kritik. Dabei dauerte es bis 1976 – der zweite Band des Wörterbuchs (E-G) war ein Jahr zuvor erschienen –, dass sich mit Helmut Berding der erste Kollege zu einer ausführlichen Besprechung in einer Fachzeitschrift durchrang. Dieser betonte ausdrücklich, dass das Lexikon »eine wissenschaftsorganisatorische und redaktionelle Leistung ersten Ranges« darstelle, äußerte jedoch gleichzeitig auch den »sich sehr rasch aufdrängende[n] Eindruck von der Unterschiedlichkeit der Beiträge«, der »sich auch auf den durchaus nicht einheitlichen Zugriff der Autoren« erstrecke.239 Vor allem bemängelte Berding aber das unklare Verhältnis von Begriffsgeschichte und Sozialgeschichte, das er nicht zuletzt auf den »ubiquitär-formalen Charakter« zurückführte, in dem er die »Hauptschwächen des strukturgeschichtlichen Ansatzes« erkannte.240 Hiervon musste sich natürlich gerade Conze ganz persönlich angesprochen fühlen, der sich bei Berding höflich für die »lohnende Rezension« bedankte, sich im übrigen aber kurz hielt, da er vor seiner Amerikareise nur »wenig Ruhe zu einer ausführlichen Antwort« fände. Hintersinnig räumte er seinem Kritiker gegenüber ein, dass er dessen folgenden Satz »unterstreiche«241: »Sofern man Begriffsgeschichte als nur einen Zweig von vielen in der Geschichtswissenschaft auffaßt, sofern man von der Unvermeidbarkeit der Arbeitsteilung ausgeht und damit auch die Notwendigkeit der Pluralität von theoretisch-methodischen Ansätzen akzeptiert, ist gegen diesen Einbahnverkehr nichts einzuwenden.«242 151

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Als ein Historiker, der diese drei Bedingungen seinerseits voll erfüllte, kommentierte er, sehr viel mehr könne »bei dem heutigen Stand m.E. die Begriffsgeschichte nicht leisten, wenn man weniger auf theoretische Abstraktion als auf praktische Verwirklichung geht«. Die sei »leider sehr begrenzt, wie immer aufs neue durch die Begegnung mit den Autoren der Artikel deutlich wird.«243 Ausführlicher setzte Conze sich mit der Vorabversion einer Rezension auseinander, die ihm der amerikanische Historiker James Sheehan ein Jahr darauf zusandte. In vielen Punkten – so etwa dem Respekt vor der Leistung der Herausgeber und dem Befund der Heterogenität der versammelten Artikel – mit Berding übereinstimmend, hob Sheehan weniger auf den sozialgeschichtlichen Komplex ab und dafür mehr auf die begriffstheoretischen Unebenheiten, die grundsätzliche Fragwürdigkeit der »historical integrity of the Begriff and the possibility of tracing its development over an extended period of time«. Er resümierte aber dennoch positiv: »Although the methods of Begriffsgeschichte may work for some concepts, I suspect that its chief contribution will be as a source of stimulation for other kinds of historical analysis. And this is, in my opinion, as it should be.«244 Das entsprach ganz den Ansichten Conzes, der die Sheehans Kritik »nicht nur für gerecht, sondern auch für begründet« hielt und ihm darin zustimmte, »dass wir nicht anstreben sollten, eine besondere Disziplin ›Begriffsgeschichte‹ in die Welt zu setzen«. Schließlich sei »schon viel getan, wenn wir und andere, die an begriffsgeschichtlicher Forschung interessiert sind, die Historiker und Sozialwissenschaftler dazu animieren, ein schärferes Bewusstsein gegenüber ihrer eigenen Terminologie zu gewinnen«.245 Hier wird deutlich, dass Conzes theoretischer Anspruch an die Begriffsgeschichte insgesamt niedriger war als der von Koselleck. Während dieser noch über zwei Jahrzehnte über ihren methodischen Prämissen brütete, sie im Zuge seiner historischen Zeitentheorie fortentwickelte und sich bis kurz vor seinem Tode den »Herausforderungen an die Begriffsgeschichte« stellte,246 fasste Conze sie – ähnlich wie Sheehan – von vornherein eher pragmatisch auf und überließ die letzten Fragen seinem jüngeren Kollegen. Mehr als diese bewegte ihn nach wie vor die Unzuverlässigkeit einzelner Autoren. An Michael Stürmer, der eine weitgehend positive Besprechung für die Zeitschrift »Der Staat« verfasst hatte,247 schrieb er im März 1978: »Wenn ich indiskret oder bösartig sein würde, so könnte ich einen zusätzlichen Artikel schreiben, der auf dem Hintergrundwissen der arcana editiones aufbauen könnte. Doch darf ich dies selbstverständlich nicht tun. […] So erfreulich die Arbeit mit der Mehrzahl der Autoren ist, so fürchterlich ist die Last mit einer sehr ärgerlichen Minderheit.«248 Dass im noch ausstehenden vierten Band mit »Plan« und »Pflicht« zwei Artikel, auf die er bezeichnenderweise »besonders großen Wert gelegt« habe, 152

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fortgefallen seien, bedauerte er dabei »ebenso wie das verlorene ›Glück‹«.249 Trotz allem trieb er das Wörterbuch weiterhin energisch mit voran. Die Bände drei bis fünf erschienen noch zu seinen Lebzeiten, im Vorwort des sechsten Bandes war es dann die »traurige Pflicht« Kosellecks, als nunmehr einzig lebender Herausgeber Conzes Tod vier Jahre zuvor zu gedenken.250 Als 1992 der letzte reguläre Band herauskam, beteuerte Koselleck abermals, dass das Lexikon »ohne Werner Conzes unermüdliche Energie und ohne seine zahlreichen, breitgefächerten Beiträge […] nicht zustande gekommen« wäre.251 Die »Geschichtlichen Grundbegriffe«, »wahrscheinlich das Beste und Originellste«, was die deutsche Geschichtswissenschaft »als Kollektiv nach dem Krieg hervorgebracht hat«,252 standen über zwei Jahrzehnte mit im Zentrum von Conzes wissenschaftlicher Tätigkeit. Dabei betrachtete er die Begriffe für seinen Teil vor allem als »Indikatoren für soziale und schichtenspezifische Lebensgemeinschaften und für politische Handlungseinheiten«.253 Wies das Unternehmen insgesamt zwar weit über die Sozialgeschichte hinaus, führte sein persönlicher Weg zur Begriffsgeschichte also keineswegs weg von der Sozialgeschichte. Doch hatte sich auf diesem Forschungsfeld, während Conze seine relativierenden Furchen auf dem Acker der historischen Semantik zog, inzwischen eine neue Historikergeneration zu etablieren begonnen, deren Verständnis von Sozialgeschichte sich von dem seinigen wesentlich unterschied.

4. Ausklang in Kritik 1974 begann Werner Conze eine Sammelrezension über neuere sozialhistorische Veröffentlichungen mit dem denkwürdigen Satz: »›Sozialgeschichte‹ erfreut sich heute oft mehr, als ihrer Qualität gut tut, einer weit verbreiteten Beliebtheit.« Kurz dahinter hieß es gar: »Ereiferung gegenüber einer traditionellen Historie von einer Position aus, die sich schon deswegen ›progressiv‹ gebärdet, weil sie mit ›Sozialgeschichte‹ firmiert, kommt heute bereits weithin einem Schattenboxen gleich.«254 Kaum zu glauben, dass diese Zeilen von demselben Historiker stammten, der sich noch weniger als zwanzig Jahre zuvor bei seinem Ruf nach mehr Sozialgeschichte in Westdeutschland in der Rolle des »›Einzelkämpfers‹«255 gesehen hatte. Was war geschehen? Wenn man davon ausgeht, dass die Geschichtswissenschaft sich in »Konjunkturen« voranbewegt,256 dann waren die siebziger Jahre die Zeit der sozialgeschichtlichen Hochkonjunktur. Der von allgemeinen Demokratisierungstendenzen, wirtschaftlichem Boom und dem damit zusammenhängenden Ausbau des Hochschulwesens getragene Aufschwung der Fachrichtung war 153

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dabei nicht lediglich ein bundesrepublikanisches Phänomen. Eric Hobsbawm schrieb bereits 1970: »It is a good moment to be a social historian. Even those of us who never set out to call ourselves by this name will not want to disclaim it today.«257 Für Conze musste diese Entwicklung wie eine grundlegende Bestätigung der eigenen Forschungsanliegen wirken, und seine Pionierfunktion innerhalb der westdeutschen Historie wurde im In- und Ausland auch kaum in Zweifel gezogen. Doch sah er sich als Sozialhistoriker nun nicht nur immer häufiger zur Kritik an den neuen Tendenzen aufgerufen; er geriet als solcher auch selbst zunehmend in die Kritik. Radikale Vorboten waren schon seine Kritiker unter den Heidelberger Geschichtsstudenten, die seine Spielart von Sozialgeschichte als Mittel der »bürgerlichen Uminterpretierung des Faschismus und der Diffamierung der Arbeiterbewegung«258 oder »als ideologische Unterstützung der Rekonstruktion des deutschen Imperialismus« anprangerten.259 Intellektuell herausfordernder und auf lange Sicht für die Geschichtswissenschaft ungleich bedeutsamer als derlei irrlichternde Attacken war jedoch der Aufstieg jener Gruppierung jüngerer Historiker, die seit Beginn der siebziger Jahre unter dem Signum der »Historischen Sozialwissenschaft« die bundesrepublikanische Sozialgeschichte auf neuen Kurs brachten. Dahinter stand ein neuer Generationszusammenhang von vorwiegend sozialdemokratisch orientierten Historikern, deren Erwartungshorizont von einem gleichermaßen modernisierungsfreudigen wie gesellschaftskritischen Fortschrittsdenken konstituiert wurde.260 Mit dem Begriff »Historische Sozialwissenschaft« lassen sich sowohl »ein Überschneidungsgebiet von Geschichtswissenschaft und systematischen Sozialwissenschaften« als auch ein bestimmter »Typus der in Kooperation zwischen beiden entwickelten Zugriffe auf die Geschichte« kennzeichnen.261 Die Abgrenzung des Begriffs zu denen der »kritischen Sozialgeschichte« und der »Gesellschaftsgeschichte«, die zur selben Zeit in Gebrauch kamen, ist dabei nicht immer klar zu vollziehen.262 Befragt man ihn nach der mit ihm verbundenen Wirklichkeit als dem, »was wirkt«,263 lässt er sich umso klarer an das Wirken von zwei Historikern koppeln: Hans-Ulrich Wehler und Jürgen Kocka. Sie waren es, die die Grundsätze der Historischen Sozialwissenschaft formulierten, ihr – auf je eigene Weise – Gestalt gaben und es dabei schafften, zum Mittelpunkt eines weiten Kreises von fachlich und politisch ähnlich orientierten Kollegen zu werden. Hans-Ulrich Wehlers (geb. 1931) Weg zur Sozialgeschichte führte über den Atlantik. In den USA hatte er sein Studium begonnen, bevor er nach einem kurzem Bonner Zwischenstopp an der Kölner Universität in Theodor Schieder seinen akademischen Lehrer fand. Zwar schätzte er diesen als souveräne und loyale Lehrerfigur, doch waren allein schon politische Differenzen der Grund 154

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für ein alles in allem »emotional gemischtes Verhältnis«. Überdies schrieb Schieder – obwohl er häufig in einem Atemzug mit Conze genannt wird – »keinen einzigen Satz Sozialgeschichte«. Bezugspersonen in dieser Hinsicht fand Wehler eher unter deutschen Historikern und Sozialwissenschaftlern, die in den dreißiger Jahren in die Vereinigten Staaten emigriert waren. Vor allem Hans Rosenberg (1904–1988), ein Schüler Friedrich Meineckes, der 1949/50 an der neugegründeten FU Berlin lehrte und dann immer wieder nach Deutschland kam, beeinflusste ihn frühzeitig.264 Seine auf mehreren Vorstudien aufbauende, 1967 erschienene Arbeit »Große Depression und Bismarckzeit« – ein wichtiger »Ausgangspunkt der Entwicklung einer stärker theoretisch interessierten Sozialgeschichte« –265 hatte Rosenberg auf Anregung Wehlers hin neu erstellt.266 Dessen persönlicher Einstand in die sozialgeschichtliche Theoriediskussion lässt sich mit seiner Edition der gesammelten Aufsätze eines anderen Meinekke-Schülers, Eckart Kehrs, auf das Jahr 1965 datieren. In seiner Charakterisierung Kehrs, der 1933 kurz nach der Emigration in die USA noch nicht einmal dreißigjährig verstorben war, findet man in gewisser Weise sein eigenes fachliches Selbstverständnis objektiviert. Habe jener doch mit seiner »kritischen Theorie« gezeigt, »wie ein genialer Kopf durch die Berührung mit der ursprünglichen Antriebskraft des Marxismus die hemmenden Schranken eines eng orthodoxen Dogmengebäudes transzendierte«, und sich eben dabei das »Rüstzeug seiner sozialhistorischen Theorie« erworben, »deren gelegentlich vorschnelle Gewißheit man genau so wenig wird übersehen wollen wie die weit wichtigeren Einsichten, zu denen sie ihn befähigt hat«. Nicht zuletzt sei es Kehr darauf angekommen, »den Teufelskreis von machtvollem Status quo und seiner Bestätigung durch eine allein verstehende historische Betrachtung endlich durchbrechen zu können«.267 Dass auch er selbst es genau darauf anlegte, betonte Wehler von Anfang an – nicht erst in seiner 1969 erschienenen Habilitationsschrift über Bismarcks »Sozialimperialismus«,268 sondern schon in seiner Einleitung zu der Textsammlung über die »moderne deutsche Sozialgeschichte«, die er drei Jahre zuvor herausgegeben hatte.269 Diese präsentierte sich wie ein Stelldichein dessen, was zu jener Zeit sozialhistorisches Gewicht auf die Waagschale der Fachwelt zu legen vermochte. Von der Autorität, die der junge Wehler dabei Conze zuerkannte, zeugt nicht nur die Tatsache, dass dieser – wie sonst nur noch Rosenberg – mit gleich zwei Beiträgen vertreten war, sondern auch die, dass ihm die primäre, »freundlicherweise eigens für den vorliegenden Band geschrieben[e]« Begriffsklärung und Standortbestimmung von Sozialgeschichte überlassen wurde. Conze formulierte hier, sich selbst zitierend: »Sozialgeschichte meint ›Geschichte der Gesellschaft, genauer der sozialen Strukturen, Abläufe, Bewegungen‹. Sie ist daher ›sowohl der Geschichtswissenschaft wie der Soziologie verbunden‹.«270 Auf diesem Minimalkonsens der Fachrichtung beruhend blieb das Verhältnis 155

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zwischen Conze und Wehler über die darauffolgenden Jahre trotz vieler Spannungen immer auch von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Conze war für seinen Teil tolerant genug, sein Urteil über Wehlers wissenschaftliche Kompetenz nicht von der ihm streckenweise womöglich zu ›links‹ anmutenden Diktion desselben überschatten zu lassen. Und die Forderung nach sozialtheoretischer Untermauerung, die Wehler u.a. in seinem Bismarck-Buch mit vehementer Entschiedenheit vertrat,271 war Conze zu diesem Zeitpunkt zumindest nicht mehr fremd. 1968 hatte er an den Mannheimer Sozialwissenschaftler Hans Albert geschrieben: »Ich habe noch nie den Eindruck gehabt, dass es mit einer ›Logik der Sozialwissenschaften‹ der Geschichte an den Kragen gehen könnte. Allerdings halte ich es auch nicht mehr für erträglich, dass Historiker sich von den neuen Anforderungen theoretischer Sozialwissenschaft in edler Einfalt traditionellen Weitermachens dispensieren.«272 Da konnte ein Nachwuchshistoriker vom Schlage Wehlers nur inspirierend wirken. Als sich der Heidelberger Ordinarius in der Aussicht auf ein Forschungsfreisemester im Winter 1970/71 an den Kölner Privatdozenten wegen der Vertretung seines Lehrstuhls wandte, war zumindest die Vorfreude auf beiden Seiten groß. So schrieb Wehler an Conze: »Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn wir in Heidelberg ein Semester lang zusammen wären, denn ich schmore hier im eigenen Fett und kann mich nur selten über die Fragen unterhalten, die mich beschäftigen. Und das wäre bei Ihnen wirklich anders.«273 Conze freute sich auf den Winter »in doppelter Hinsicht: einmal deswegen, weil Sie mich vertreten werden, zum anderen deswegen, weil wir dann hoffentlich manchen fruchtbaren Austausch haben werden. Denn meine Arbeiten im Wintersemester liegen erheblich in Ihrem Streifen.«274 Letztlich musste Wehler das Angebot dann ausschlagen, weil er einen Ruf auf eine Professur für amerikanische Geschichte an der FU Berlin erhielt.275 Bereits ein Jahr später übernahm er einen Lehrstuhl an der Universität Bielefeld. Die 1966 offiziell gegründete Universität in Ostwestfalen ist aus den Annalen der westdeutschen Geschichtswissenschaft nicht wegzudenken. Entstanden unter starker Förderung des ortsansässigen Unternehmer-Titanen Rudolf August Oetker, dessen Namen man ihr im Planungsstadium sogar zeitweise zudachte,276 wurde sie noch mehr als andere Reformuniversitäten wie Bochum oder Konstanz zu einem Zentrum der Sozialhistorie.277 Mit Helmut Schelsky hatte ein zu jener Zeit bedeutender, wenn auch bald umstrittener Soziologe und Bildungstheoretiker federführend ihre Ziele und Grundsätze entworfen,278 wozu neben der Interdisziplinarität das »betriebsförmig organisierte Forschungsinstitut« gehörte, auch im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften.279 Auch Werner Conze war aktiv im Gründungsausschuss der Hochschule beteiligt. Kurzzeitig spielte er gar mit dem Gedanken »an einen Wechsel in ostwestfälische Richtung«, da ihm das Projekt, »wie es bisher gedacht ist, als etwas Außerordentliches, in seiner Bedeutung über alle anderen Universitäts156

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neugründungen Hinausgehendes« erschien.280 Letztlich blieb es aber der jüngeren Generation überlassen, hier bleibende sozialgeschichtliche Akzente zu setzen, und zwar zunehmend in kritischer Absetzung zu Conze in Heidelberg. Zum Kern der »Bielefelder Schule«, wie sie »oft fälschlich vereinfachend« genannt wird,281 gehörte neben Wehler vor allem Jürgen Kocka, der 1973 ebenfalls nach Bielefeld berufen wurde. Der 1941 in Böhmen geborene Kocka betrat und verließ die Bielefelder Sozialgeschichte auf dem ›Berliner Weg‹. An der Freien Universität, an die er 1988 als Professor (für die »Geschichte der Industriellen Welt«) zurückkehrte, hatte er nach Stationen in Marburg und Wien eine akademische Heimat gefunden, die seinen frühen gesellschaftspolitischen Interessen entsprach.282 Hier lehrte Gerhard A. Ritter (geb. 1929), der von Hans Herzfeld – wiederum einem Meinecke-Schüler – über die »Arbeiterbewegung im Wilhelminischen Reich« promoviert worden war. Am politologischen Otto-Suhr-Institut der FU wurde Ritter zum Mittelpunkt eines Kreises von sozialgeschichtlich interessierten Doktoranden und Habilitanden.283 Für Kocka versprach Sozialgeschichte damals eine »Revision des Geschichtsbildes in kritischer Absicht«, eine »ideologiekritische Fragestellung«. Über Ritter lernte er die Schriften Hans Rosenbergs kennen, der ihn bei einem Besuch 1965 in Berkeley wiederum auf Wehler aufmerksam machte. Mit Rosenberg verband sich dabei die Orientierung an einer »angloamerikanischen Weiterentwicklung bestimmter deutscher Traditionen, zu denen auf jeden Fall Weber, teilweise Marx, aber auch Otto Hintze« gehörten. Demgegenüber stellten die sozialgeschichtlichen Artikel Conzes nur »einen Einfluß unter vielen anderen dar«. Desungeachtet – erinnert sich Kocka – entwickelte sich bald »so etwas wie eine ungleich-kollegiale Beziehung« zwischen ihm »als dem Jüngeren und Conze, dem Älteren und Etablierten«.284 Sie begann spätestens mit seiner Dissertation über das »Verhältnis von Kapitalismus und Bürokratie in der deutschen Industrialisierung« am Beispiel der Firma Siemens,285 deren publizierte Fassung bald als »paradigmatisch für eine moderne deutsche Sozialgeschichte« galt.286 Conze hatte sich schon zuvor bei der Lektüre des Manuskripts ein positives Urteil bilden können und für die Aufnahme der Studie in die Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte gesorgt, wo sie 1969 erschien.287 Auch in den Jahren danach begleitete er die Entwicklung des jungen Mannes mit wohlwollendem Interesse und Respekt vor dessen großer »Arbeitsintensität«.288 Als er Kocka bald nach seiner Habilitation im Frühjahr 1973 die Mitgliedschaft im Heidelberger Arbeitskreis, dem bereits seit 1970 auch Wehler angehörte, anbot, betonte er: »Ihre Mitgliedschaft im Arbeitskreis würde das enge Verhältnis, das uns seit einiger Zeit verbindet, auch äußerlich sichtbar bekräftigen.«289 Kocka dankte »für diesen Ausdruck der wissenschaftlichen Anerkennung« und beteuerte: »Es war für mich von Bedeutung, dass ich schon als Student an einigen Sitzungen des Arbeitskreises teilnehmen konnte, und rück157

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blickend ist mir deutlich, dass diese Tagungen […] zu den interessantesten gehören, die ich überhaupt mitgemacht habe.«290 So sehr diese Zitate ein freundliches Verhältnis zwischen Conze und Kocka erkennen lassen, so wenig dürfen sie die theoretische Diskrepanz verdecken, die sich schon damals in ihrem jeweiligen Verständnis von Sozialgeschichte andeutete. Ein Jahr zuvor hatte Kocka seinen Aufsatz über die »Theorieprobleme der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte« veröffentlicht, in welchem er sich recht deutlich von den methodologischen Standpunkten Conzes distanzierte. Gemeinsam mit Otto Brunner und Fernand Braudel wurde ihm dort als Vertreter einer »Sozialgeschichte als integraler Aspektwissenschaft« die »Abwendung von einem materialen Begriff des Sozialen bzw. der Gesellschaft« attestiert. Damit gehe die Verwendung von »äußerst formale[n] Struktur- und Prozeßbegriffe[n]« einher, »die als solche die inhaltliche Bestimmung der historisch-gesellschaftlichen Prozesse nicht hinreichend leisten« könnten. Dem setzte Kocka die »sozialökonomische Interpretation der allgemeinen Geschichte« entgegen, die sich von jener sozialhistorischen Variante dadurch unterscheide, dass ihr eine »inhaltliche Vorstellung vom zu untersuchenden Gesellschaftsprozeß eigen« sei, »nämlich die Einsicht in die Wirkungsmächtigkeit, Maßgeblichkeit oder Dominanz sozialökonomischer Faktoren im gesamtgeschichtlichen Prozeß«. Er schloss mit dem Ausblick auf die »allmähliche […] Neubestimmung der Historie als einer historisch-kritischen Sozialwissenschaft«.291 Conze war sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz im Klaren darüber, was er von der angekündigten »Neubestimmung der Historie« halten sollte. Im selben Brief, in dem er Kocka die Mitgliedschaft im Arbeitskreis antrug, bezeichnete er den Artikel als eine »bedeutende Leistung«, der zeige, »welch weiten Horizont« der Autor gewonnen habe, und zog sich auf eine etwas zweideutige Defensivposition zurück: »Was meine Einordnung betrifft, so ist sie vermutlich zutreffend, sofern man sich, was ja nicht anders möglich ist, auf Interpretationen dessen beschränken muß, was ich vor 10 bis 15 Jahren zu der Frage geschrieben habe. Inzwischen bin ich erheblich weiter gekommen, habe aber keine Zeit gehabt, eigene Wandlungen fortgesetzt zu reflektieren und Neues zur Theorie und Methode zu schreiben.«292 Bislang hatte er sowohl Kocka als auch Wehler in erster Linie als anregenden Nachwuchs auf einem von ihm selbst angemahnten Forschungsgebiet betrachtet. Ihre alles in allem noch zurückhaltende Kritik an seinen eigenen Standpunkten ließ sich leicht wegstecken, und für seinen Teil blieb er auch dort wohlwollend, wo er – wie etwa in Kockas 1973 erschienenem Buch »Klassengesellschaft im Krieg« – Schwächen erkannte.293 Nachdem sich die beiden gemeinsam als Lehrstuhlinhaber in Bielefeld eingefunden und im Verbund die von ihnen ersehnte Neuausrichtung des Faches mit neuer Diskursmacht zu betreiben begonnen hatten, verhärteten sich die Fronten. Einen ersten Anlass bot die Festschrift zum 70. Geburtstag Hans Rosenbergs 158

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aus dem Jahre 1974. Wehler, der bereits ein Jahr zuvor einige seiner methodologischen Aufsätze in dem Band »Geschichte als Historische Sozialwissenschaft« vereint hatte, verband als Herausgeber mit ihrem Titel »Sozialgeschichte heute« einen »unübersehbaren Anspruch«: Nachdem die bis in die frühen sechziger Jahre »als moderne Lösung angebotene sog. Strukturgeschichte […] sich doch als recht blaß erwiesen« habe und »eher im Programmatischen steckengeblieben« sei, hätten erst Rosenbergs sozialgeschichtliche Arbeiten »dank der Verbindung mit entschiedenem politischen Engagement und Mut zum Werturteil einen ›Demonstrationseffekt‹ ausgelöst«, der auch in Zukunft für »eine der historischen Komplexität angemessene kritische Gesellschaftsgeschichte« werben werde.294 Der sich so zum alten Eisen geworfen sehende Conze reagierte mit einer Rezension in der FAZ, in der er nicht den Wert der einzelnen Beiträge leugnete und schon gar nicht die Bedeutung Rosenbergs.295 Letzteren ordnete er aber in eine breiter zu verortende »Wirklichkeitserweiterung der Historie durch zunehmende Einbeziehung sozial- und (weniger zulänglich) auch wirtschaftsgeschichtlicher Fragestellungen« nach 1945 ein. Was den Wehlerschen Anspruch anging, fragte er rhetorisch, ob dieser nicht nur »einer unter den vielen anderen« sei, »die bescheidener angemeldet, ihrerseits Bausteine zur Vielfalt des geschichtswissenschaftlichen Pluralismus unserer Gegenwart« lieferten. In diesem Sinne schloss er: »Sozialgeschichte ist ein wichtiger, lange vernachlässigter, nun in erfreulicher Entwicklung begriffener Aspekt der Geschichte im ganzen. Diese aber ist in ihrem Begriff mehr als ›historische Sozialwissenschaft‹. Daran zu erinnern ist heute nicht mehr ganz überflüssig.«296 Zu diesem Zeitpunkt war Conze bereits von Kocka über das Projekt informiert worden,297 das die von ihm zunehmend skeptisch beäugte sozialhistorische Neuformierung auf lange Dauer in der deutschen Geschichtswissenschaft verankern sollte: die »Zeitschrift für historische Sozialwissenschaft« mit dem Obertitel »Geschichte und Gesellschaft«. Wesentlich initiiert von Wehler und Kocka, gehörten zu ihrem anfänglichen Herausgeberkreis noch 14 andere Historiker und Sozialwissenschaftler, darunter neben dem Politologen Klaus von Beyme etwa Wolfgang J. Mommsen und Heinrich August Winkler. Mit Reinhart Koselleck und Wolfgang Schieder waren auch zwei ehemalige Heidelberger Mitarbeiter Conzes dabei. Flankiert wurde das Organ von einer Phalanx namhafter Gelehrter aus dem Ausland wie François Furet, Eric Hobsbawm, James J. Sheehan und wiederum Hans Rosenberg. Wie im Vorwort der Herausgeber nachzulesen, war der Name der Zeitschrift Programm: Hier ging es um eine »Geschichtswissenschaft, die sich als Historische Sozialwissenschaft« verstand. Denn »die historische Wirklichkeit« könne »nur dann angemessen erforscht werden, wenn Theorien, Fragestellungen und Methoden aus den Sozialwissenschaften in geschichtswissenschaftliche Arbeit einbezogen und zur Grundlage einer eigenen kritisch-reflektierten Begrifflich159

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keit und Theoriebildung gemacht« würden.298 Im Hintergrund stand dabei, wie Kocka in seinem Einleitungsaufsatz betonte, »Traditionskritik […], vor allem Historismuskritik und damit die Kritik an dem konservatismus-verdächtigen Postulat, historische Phänomene soweit wie möglich in den Kategorien ihrer Zeit und in der Sprache der Quellen nachzuvollziehen«.299 Wie reagierte nun Conze auf diese Herausforderung seines eigenen Verständnisses von Sozialgeschichte, die solche Aussagen in sich trugen? Vorerst versicherte er Kocka, nachdem der ihm im Juni 1975 das erste Heft zugeschickt hatte, dass er es »für sehr gelungen« halte und ihm dazu »gratuliere«.300 Doch wollte er es dabei nicht belassen, zumal der junge Kollege im selben Jahr erneut in einem methodologischen Aufsatz Schwächen seiner strukturgeschichtlichen Sichtweise anprangerte und die Vorteile eines »gesellschaftsgeschichtlichen Grundansatzes« propagierte. Conze fasste die Ausführungen für sich schlicht als »Hist[orischen] Mat[erialismus] ohne Dogma u[nd] Kontrolle« zusammen.301 Jenseits von fachlichen Differenzen spielte wohl auch eine Rolle, dass Conze sich als bekannter Förderer der Sozialgeschichte bei den Vorbereitungen zu der neuen Zeitschrift persönlich übergangen fühlte.302 1976 erschien Conzes Rezension der ersten drei Hefte von »Geschichte und Gesellschaft« im Archiv für Sozialgeschichte. Seinen gewichtigsten Kritikpunkt, dass nämlich mit dem sozialwissenschaftlich justierten Totalitätsanspruch der Frage ausgewichen werde, »ob es etwa auch eine umfassendere oder spezifischere Bedeutung von ›Geschichte‹ geben könne«, versäumte er dabei klar zur Entfaltung zu bringen. Stattdessen erging er sich in einer hintergründigen Melange aus Ressentiment, Ironie und einem Schuss Respekt. So hieß es dort etwa, dass »dem in den letzten eineinhalb Jahrzehnten sprunghaft angestiegenen Autorenangebot […] eine ähnlich vermehrte Leserschaft entsprechen [dürfte], um so mehr, als sich die Herausgeber im Untertitel der Zeitschrift als Vertreter einer ›Historischen Sozialwissenschaft‹ vorstellen, die für die Grund- und Leistungskurse im ›Gesellschaftlichen Aufgabenfeld‹ der Sekundärstufe II an den Gymnasien der Beachtung wert sein könnte«. Desweiteren solle man das Vorwort »mit seiner schillernden Begrifflichkeit und seinem Mangel an Klarheit nicht auf die Goldwaage legen«; schließlich werde es im Laufe der Jahre »weniger auf Einleitungsworte, über deren Qualität sich streiten läßt, denn auf gute und forschungsfördernde Beiträge ankommen«. Den von Kocka verfochtenen pädagogisch-emanzipatorischen Anspruch beurteilte er aber doch recht scharf als eine »hinter Max Weber zurückgehen[de]« »Vermengung wissenschaftlicher Theorie- und Methodendiskussion mit einer bestimmten politischen Position und einer auf geschichtsphilosophischen Derivaten beruhenden Erziehungsabsicht«. Dennoch ließen sich »wichtige Impulse für die Geschichtswissenschaft, aber auch die Soziologie und Politologie« erwarten, »sowohl im Sinne fruchtbarer Forschungsförderung als auch durch belebendes Anstoßerregen«.303 160

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Nach solch schneidiger Kritik musste man natürlich gespannt sein auf das, was der Rezensent im Gegenzug selber präsentieren würde; zumal Conze seit langem kaum mehr eigene sozialhistorische Akzente gesetzt hatte. Als 1976 der zweite und letzte Band des groß angelegten »Handbuchs der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte« erschien, waren die Erwartungen an die von ihm beigesteuerten Abschnitte zur Sozialgeschichte zwischen 1800 und 1918 dementsprechend hoch. Für Conze stand das ganze Unternehmen allerdings von Anfang an unter keinem guten Stern. Während er sich gemeinsam mit Koselleck auf dem Weg in die permanente »Lexikon-Krise« befand, zeichnete sich in seinen Verhandlungen mit Wolfgang Zorn, der nach dem Tod Hermann Aubins seit 1969 als Alleinherausgeber jenes ersten Handbuchs seiner Art in Deutschland fungierte, ein weiterer Krisenherd ab. Bereits im Sommer 1968 teilte er Zorn angesichts der Arbeitsüberlastung und den gerade erst aufflammenden Unruhen an der Heidelberger Universität seine Sorge mit, dass er »durch Mahnungen nervös und krank gemacht werde« und bot seinen Rückzug von den anstehenden Beiträgen an.304 Doch gab es, nachdem schon Otto Brunner und Erich Maschke den Absprung aus dem ersten Band gemacht hatten, trotz seines verstärkten hochschulpolitischen Engagements für ihn kein Zurück mehr.305 Als er dann seine ersten Manuskriptproben ablieferte, fürchtete er, dass bei der »festgelegten Umfangsbegrenzung […] der Gesamtbeitrag der Riesenthematik ›Deutsche Sozialgeschichte in der modernen Welt‹ dürftig und unbefriedigend ausfallen« werde.306 Das letztlich auf 150 Seiten zusammengedrängte Textkonvolut Conzes bot schließlich eine gekonnte mehrdimensionale und informationsdichte Gesamtschau, der aber, was die großen Linien anging, etwas Kurzatmiges anhaftete.307 Nachteilig wirkte sich aus, dass die ursprünglich geplante »kurze Einleitung mit Vorschau und methodologischen Andeutungen« weggefallen war.308 Der »Versuchung, mit dem ›aktuelleren‹ zweiten Band im Sinne der Ausrichtung auf diese oder jene gerade vorherrschende Gesamttheorie oder auf einheitliche Modelle zu experimentieren«,309 war er jedenfalls nicht erlegen. Darüber hinaus stand Conze dadurch, dass viele sozialgeschichtliche Aspekte (Landwirtschaft, Industrie u.a.) bereits in anderen Beiträgen behandelt wurden, nur ein schwer abzugrenzender thematischer Rumpf zur Verfügung.310 So war er sich selbst im Klaren darüber, dass dies »keine Sozialgeschichte im vollständigen Sinn« werden konnte.311 In Bielefeld fühlten sich die Vertreter der Historischen Sozialwissenschaft in ihrer Stoßrichtung bestätigt. Wehler veröffentlichte im März 1977 in der FAZ eine Besprechung, die bereits im Titel den von Conze zuvor in Richtung »Geschichte und Gesellschaft« geworfenen Fehdehandschuh auffing: »Der Ruf nach mehr Gesellschaftsgeschichte – Und eine Antwort«. Das Urteil Wehlers über die Conze in Form seiner Ausführungen zugeschriebene Antwort fiel hart 161

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aus: »Die Darstellung der Zeit nach 1800 beginnt unvermittelt mit dem ›nationalen System‹. Das gab es, wenn der Systembegriff sinnvoll bleiben soll, damals in Deutschland noch nicht. Also kann, ein schwacher Auftakt, nur seine Abwesenheit konstatiert werden. Wieviel mehr wäre dem Benutzer mit einer klaren Übersicht über die ständische Schichtung im Übergang zur Marktgesellschaft gedient gewesen! Jetzt weiß er nicht einmal, in welcher Gesellschaft er sich bewegt, er wird es auch nie erfahren.«312 Der »Rückzug auf die Tatsachenvermittlung« könne jedenfalls, resümierte Wehler, die »Fragen nach der Interpretation, nach der systematischen Einordnung, nach dem expliziten theoretischen Zugriff nicht zum Schweigen bringen«.313 Dabei schien man sich zu diesem Zeitpunkt hinter den Kulissen bereits auf einen Modus Vivendi geeinigt zu haben. Nachdem es noch auf dem Mannheimer Historikertag im Herbst 1976 Reibereien mit Conze in seiner Funktion als Verbandsvorsitzendem gegeben hatte,314 betrachtete Wehler ein anschließendes Gespräch »als eine Art Waffenstillstand«315 und lud ihn gemeinsam mit Kocka für das Sommersemester 1977 zu einem Kolloquium nach Bielefeld ein, in dem er über »Gedanken zu einer Gesamtkonzeption deutscher Sozialgeschichte seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert« referieren sollte.316 Die Handbuch-Rezension hatte Conze noch vor Erscheinen von ihrem Autor erhalten und leicht resigniert kommentiert: »Ihre vernichtende Kritik trifft zur Hälfte die Herausgeber […], teils die beiden Autoren der sozialgeschichtlichen Kapitel. Soweit Ihre Kritik die Planung und Gliederung betrifft, fühle ich mich nicht getroffen, da auch ich diese für unglücklich gehalten habe. Ich hatte darauf keinen Einfluß und habe mich eingefügt. Soweit Ihre Kritik mich als Autor betrifft, muß ich das zu ertragen wissen und finde es umsomehr sinnvoll, dass ich alsbald nach Bielefeld zu der von uns mit Herrn Kocka zusammen geplanten Aussprache komme.«317 Die erwähnte Aussprache verlief offensichtlich harmonisch; jedenfalls habe die Diskussion – so Wehler – allen »sehr viel Spaß gemacht«; Conze schrieb, er denke »gern daran zurück«.318 Als Kocka zwei Jahre darauf noch einmal mit einer Handbuch-Rezension nachlegte, die im Großen und Ganzen ähnlich der des älteren Bielefelders gehalten war,319 sprach Conze vom Einrennen »offene[r] Türen« und beteuerte erneut: »Das, was ich hier fabrizieren musste, war von vornherein in ein Prokrustesbett gespannt.«320 Indes schien sich die Frontstellung innerhalb der Diskussion über den richtigen Weg zur Sozialgeschichte allmählich durch die pragmatische Einsicht zu entschärfen, dass man bei konkreten Forschungsprojekten auch mit unterschiedlichen Grundauffassungen produktiv zusammenarbeiten konnte. Der Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte, von Conze »mit großem Geschick und anerkannter Autorität, meist zurückhaltend und tolerant geleitet«,321 bot dafür immer wieder ein Dach. Die zu Beginn der achtziger Jahre abgehaltenen 162

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und in voluminöse Sammelbände mündenden Tagungen zur Erforschung des Bildungsbürgertums im 19. Jahrhundert, die dem umfassenderen Bielefelder Sonderforschungsbereich zur Sozialgeschichte des neuzeitlichen Bürgertums vorangingen, sprechen für sich.322 Und dennoch – grundsätzliche Differenzen im Geschichtsbild bestanden hinfort. Das zeigt vor allem die zentrale Kontroverse um die geschichtliche Einordnung des Kaiserreichs und den deutschen »Sonderweg«, an der sich in den siebziger Jahren die Geister schieden.323 Erneut war es Wehler gewesen, der den diskursiven Stein ins Rollen gebracht hatte. Mit seiner knappen Gesamtinterpretation über das deutsche Kaiserreich von 1871 bis 1918, die 1973 erstmals erschienen war und dann zahlreiche Neuauflagen und Übersetzungen erlebte, war es ihm gelungen, die »generelle Kritik an der Richtung der neuen ›kritischen‹ Sozialgeschichte« auf sich zu konzentrieren.324 Gleich zu Beginn seiner »problemorientierten historischen Strukturanalyse«, die er im Sinne einer »kritische[n] Gesellschaftswissenschaft« gegen die »überkommene historische Darstellung: de[n] chronologische[n] Bericht über die Ereignisgeschichte« ins Feld führte, versprach er die »Erklärung des verhängnisvollen Sonderwegs der Deutschen« mit Blick auf den »Weg in die Katastrophe des deutschen Faschismus«. Der Kern dieses kontinuierlich begriffenen »Sonderwegs« lag für ihn darin, dass im Kaiserreich eine »ökonomisch erfolgreiche Modernisierung ohne die Ausbildung einer freiheitlichen Sozial- und Staatsverfassung« erfolgt sei.325 Letzterer Befund, dem schon die Soziologen Thorstein Veblen und Ralf Dahrendorf vorgearbeitet hatten, ist historisch nach wie vor kaum bestreitbar. Auch Conze hatte zu jener Zeit von der »Eigentümlichkeit einer auf halbem Wege stehengebliebenen Modernisierung des politischen Systems« geschrieben, die das deutsche 19. Jahrhundert geprägt habe.326 Was bald die Gemüter von traditioneller orientierten Historikern erregte, war nun aber, dass Wehler aus dieser »Mischung von Traditionalismus und partieller Modernisierung«327 ein epistemisches Korsett für seine Darstellung des Kaiserreichs geschnürt hatte, dessen modernisierungstheoretischer Zuschnitt kaum Platz für abweichende Tendenzen innerhalb der behandelten Epoche ließ. Der erkenntnisleitende Impetus Wehlers, Kontinuitätslinien aufzuzeigen, die zum Nationalsozialismus führten, reduzierte das Zweite Reich zum »Vorhof des Dritten Reiches«.328 So sah es nicht nur Hans-Günther Zmarzlik, einer der »engsten Schüler« des 1968 verstorbenen Gerhard Ritter.329 Bald schwang sich der Münchener Historiker Thomas Nipperdey (1927–1992) zum sprachgewaltigen Wortführer der historiographischen Gegenreformation auf.330 Dazu gehörten neben anderen auch noch Vertreter einer »modernen Politikgeschichte« wie Klaus Hildebrand, die sich von dem sozialgeschichtlichen Furor vom Ostrand des Teutoburger Waldes auf ihren klassisch gebundenen diplomatiegeschichtlichen Schlips getreten fühlten.331 163

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Auch Conze wollte zu all dem nicht schweigen. Als er 1976 Wehlers »Kaiserreich« einer heftigen Kritik unterzog, schloss er sich den »entschiedenen Bedenken« Zmarzliks und Nipperdeys »in allen wesentlichen Punkten« an und resümierte sein eigenes Urteil über die »durchweg provozierende, alle historische Behutsamkeit hinter sich lassende« Darstellung wie folgt: »Der eindimensionalen Strukturanalyse hätten Konstellationsanalysen hinzugefügt werden sollen, in denen die Geschichte offener erschienen wäre und die handelnden Potenzen unbeschadet ihrer Einstufung nach Wehlerschen Wertmaßstäben zulänglicher ›verstanden‹ werden können. Doch zum ›Verstehen‹ wollte der Verfasser den Leser eben nicht führen.«332 Letzteres wollte Wehler, dem die Conzeschen Ausführungen, da sie ja »nirgendwo prinzipiell über Nipperdey und Zmarzlik« hinausgingen, in seiner breit angelegten Antwort auf seine Kritiker aus dem Jahr 1977 nur eine Fußnote Wert waren, auch nicht bestreiten. Wenn er schrieb, dass es ein »vernünftiges, inhaltlich jedoch keineswegs eindeutiges methodisches Postulat« sei, »dass der Vergangenheit Gerechtigkeit widerfahren solle«, und die »NS-Diktatur […] weiterhin ein möglicher, legitimierbarer Fluchtpunkt« bleiben würde, war dem so nicht zu widersprechen.333 Der von Conze erhobene Vorwurf der Eindimensionalität war damit zwar nicht vom Tisch, traf jedoch nurmehr den Anspruch auf eine unvoreingenommen-ausgewogene Gesamtdarstellung, den Wehler selbst so gar nicht erhoben hatte. Frischer Wind kam noch einmal in die Diskussion, als eine Gruppe jüngerer englischer Historiker die von Wehler und ihm ähnlich Gesinnten betriebene Deutung des Kaiserreichs von einer anderen Richtung her in die Zange nahmen. So bemängelte etwa Geoff Eley 1977 in der Zeitschrift »Geschichte und Gesellschaft« die »funktionalistische Neigung« der – wie er sie nannte – »Kehrschen Schule«. In Wehlers Buch stelle sich das Kaiserreich »als eine sich selbst erhaltende Struktur dar, deren einzelne Teile durch einen komplizierten Mechanismus im Gleichgewicht gehalten werden«. Würde dieses »Bild der deutschen Gesellschaft, das einer imposanten Hypertrophie manipulierender bürokratischer Macht – einer Struktur, in der tatsächlich jeder Bestandteil eine Funktion zu erfüllen« habe, – stimmen, wäre eine Erkenntnis von politischem Wandel unmöglich.334 Auch Richard Evans wandte sich gegen die »neue Orthodoxie« innerhalb der westdeutschen Historie und das von ihr im Sinne einer Sozialgeschichte »von oben« entworfene Marionettentheater, »with Junkers and industrialists pulling the strings, and middle and lower classes dancing jerkily across the stage of history towards the final curtain of the Third Reich«.335 Die fundamentale Kritik am »deutschen Sonderweg« fand ihren Höhepunkt in dem von David Blackbourn und Geoff Eley verfassten Band über die ›Mythen deutscher Geschichtsschreibung‹ aus dem Jahre 1980.336 Werner Conze hatte die kritischen Stimmen der englischen Kollegen von Be164

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ginn an mit großem Wohlwollen aufgenommen.337 Schließlich brachten ihre Forschungen neue Facetten (wie etwa die Frauenbewegung) zum Vorschein, die bisher unterbelichtet geblieben waren. Außerdem ließen sie sich im bundesrepublikanischen Kontext – obwohl politisch nicht weniger, sondern mehr links orientiert als ihre deutschen Gegenspieler338 – mit ihrer Kritik am Sonderweg bequem vor den Karren einer konservativeren Herangehensweise an das Kaiserreich spannen. Eben dies tat Conze, als er in seinem 1979 erschienenen Festschriftbeitrag für Walter Bußmann über das »Kaiserreich von 1871 als gegenwärtige Vergangenheit im Generationswandel der deutschen Geschichtsschreibung« noch einmal zu einer Generalabrechnung mit der Historischen Sozialwissenschaft à la Wehler und Kocka ausholte.339 Deren »ins Bekenntnis gehobene und angewandte Parteilichkeit« sei zwar dazu geeignet gewesen, »›Krisenherde des Kaiserreichs‹ aufzudecken, die vorher, z.T. wegen anders gerichteter, einst zeitgemäßer historischer ›Pädagogik‹, nicht gesehen oder unterbewertet worden« seien. »Dass sie aber den Blick wirklich frei gemacht hätte«, könne »nicht behauptet werden«. Der »›unbefangene […] Blick auf die Geschichte‹«, den er im Gegenzug dazu, in Ernst Jüngers »Eumeswil« Zuflucht suchend, als Ideal vertrat,340 ist ein »edler Traum«.341 Gleichwohl möchte man Conze nicht darin widersprechen, dass »›Strukturgeschichte‹ oder ›Gesellschaftsgeschichte‹ nur notwendige Stützpfeiler« seien, »doch nicht der Weisheit oder der Historie letzter Schluß«.342 Conzes Pluralismus stieß jedoch da an seine Grenzen, wo er seinerseits die interessegeleiteten Erkenntnisse der Bielefelder ihrer politischen Bedingtheit wegen kritisierte. Eben hier wurde deutlich, dass auch seine eigene Sicht auf die Geschichte alles andere als politisch »unbefangen« war. Noch 1982 bemängelte er in Japan den »Negativ-Nationalismus« als mit der Sonderwegthese einhergehende Tendenz der zeitgenössischen westdeutschen Geschichtswissenschaft.343 Wie hielt aber er selbst es mit der »Nation«, die er seit langem als zentrale Ordnungsidee der Moderne erkannt und im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte immer wieder zum Thema historischer Untersuchung gemacht hatte? Dies ist die Frage, die am Ende dieses Abschnitts offen bleibt. Abschließend mag es so scheinen, als ob das sozialhistorische Vermächtnis des späten Conze paradoxerweise vor allem darin läge, vor einer Überhöhung der Sozialgeschichte gewarnt zu haben. Und ganz falsch ist das nicht. Die Geschichtswissenschaft ganz »auf Sozialgeschichte umzustellen«,344 war nie sein Ziel gewesen. Dennoch sah er sich nun – fast wie ein Zauberlehrling – in der Situation, dass die von ihm einst herbeigerufene Sozialgeschichte sich in einer Weise entfaltete, die er selbst so nicht intendiert hatte und auch nicht mehr aufzuhalten vermochte. Wollte man insofern von einem »Untergang im Sieg« sprechen,345 müsste man freilich hinzufügen, dass auch Conze ein Mensch war, »der im Untergang 165

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aktiv sein Wesen erfüllte«.346 Bis zum Ende wirkte er weiterhin auch außerhalb seines Arbeitskreises, in dessen Rahmen er Mitte der siebziger Jahre mit der Sozialgeschichte der Familie ein »noch weithin unbeachtetes Forschungsfeld« eröffnete,347 als unermüdlicher sozialhistorischer Initiator. Dazu gehörte nach wie vor die Offenheit gegenüber fachübergreifenden Themengebieten. Dem Verhältnis von Anthropologie und Geschichtswissenschaft widmete er bereits 1980 ein Forschungskolloquium und dann sechs Jahre später seinen letzten großen Aufsatz »Evolution und Geschichte«.348 Sein plötzlicher Tod im April 1986 ließ ihn die verspätete Festschrift zu seinem 75. Geburtstag, in der Schüler und Kollegen über alte Streitfronten hinweg einen Rück- und Ausblick über die Sozialgeschichte in Deutschland unternahmen, nicht mehr erleben.349 Unvollendet blieb auch sein Alterswerk über die Geschichte Ostmitteleuropas, in dem er noch einmal erzählerisch gekonnt die vermeintliche Grenze von Sozial- und Ereignisgeschichte übersprang. Wenn er dabei zu seinen siedlungsgeschichtlichen Anfängen zurückkehrte, hieß das für ihn, »die politisch-sozialen Strukturen zu entdecken und solcherart sich schließlich doch auch wieder den Entscheidungen und Wandlungen der politischen Geschichte zuzuwenden«.350 Hiermit schloss sich der Kreis zu seinen volkshistorischen Anfängen. Dazwischen lag ein halbes Jahrhundert, in dem die Sozialgeschichte in Deutschland sich nicht nur erheblich weiterentwickelt, sondern überhaupt erst einen zentralen Platz in der Geschichtswissenschaft errungen hatte. Dass dies zwar nicht nur, aber doch sehr stark auf Conzes Wirken zurückzuführen ist, sollte hier hinreichend deutlich geworden sein. Hatte sich aber sein Verständnis von Sozialgeschichte dabei während all der Jahre überhaupt nicht geändert? Das wäre trotz der klaren Kontinuitätslinien ein Trugschluss. Früh hatte er die agrarromantische Abwehrhaltung der Volksgeschichte gegenüber der Moderne überwunden und maßgeblich dazu beigetragen, mit der Geschichte der Arbeiterbewegung ein Themengebiet zu eröffnen, das für die deutsche Geschichtswissenschaft zuvor diskursiv nicht zu vermitteln gewesen war. Mit seinem Plädoyer für die Strukturgeschichte bahnte er gleichzeitig behutsam einer methodischen Erneuerung seines Fachs den Weg, die in ihrer Ausformulierung vielleicht unvollkommen war, dafür aber auch keine neuen historiographischen Dogmen in sich trug. Durch sein unermüdliches Engagement für die Begriffsgeschichte, das für ihn immer auch sozialgeschichtlich motiviert war, wurde er zusätzlich sensibilisiert für die sprachlich und historisch bedingte Relativität menschlicher Erkenntnis. Dies mochte auch eine Rolle dabei gespielt haben, wenn er im fortgeschrittenen Alter scharf sozialgeschichtlichen Deutungsansprüchen entgegentrat, die am Ende so total gar nicht waren, wie sie sich ihm im Eifer des Gefechts oft darstellten.

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VI. Im Bann der Nation »Nation« ist ein großes Wort, das man nach all dem Unheil, für das es gestanden hat, kaum mehr gelassen aussprechen kann. Vor allem seine willentliche Übersteigerung in Form des »Nationalismus« hat katastrophale Folgen mit sich gebracht.1 Sie prägen das Vorverständnis des Historikers, der einen Blick in den »Irrgarten der Begriffe von Nation, Nationalität, Volk« wirft,2 um jene für die Moderne so zentrale »gedachte Ordnung« zu erfassen.3 Insofern kann es nicht verwundern, dass innerhalb der Geschichtswissenschaft der vergangenen Jahrzehnte immer wieder versucht wurde, sich der Nation auf die eine oder andere Weise zu entledigen: sei es, indem man sie ideologiekritisch als manipulatives »Produkt von Herrschaft« entlarvte,4 sei es, indem man sie konstruktivistisch als bloße Erfindung verstand.5 Über diese zweifellos elementaren Aspekte der Nation hinaus ist jedoch zu bedenken, dass auch sie »als Wirklichkeitskonstruktion stets objektive Faktizität und subjektiv gemeinter Sinn zugleich ist«. Die Nation ist eine »kollektive Konstruktion im historischen Zwangsgehäuse«.6 Um einen Ausweg aus diesem zu bahnen, hat man sich in jüngster Zeit vor allem für die transnationale Geschichte stark gemacht.7 Diese sieht sich prompt dem Vorwurf einer »systematische[n] Unterschätzung des Nationalstaats als lebensgeschichtlichem Bezugsrahmen und Loyalitätspol« ausgesetzt.8 Und in der Tat erscheint die »postnationale Konstellation« (Habermas) einstweilen noch als ein europäischer Wunschtraum, über den geteilte Meinungen bestehen. Allen genannten Ansätzen kommt jedoch das große Verdienst zu, jene dominante Meistererzählung aufgebrochen zu haben, nach der die sukzessive Bildung von Nation und Nationalstaat als eigentliches Ziel der Geschichte zu verstehen sei. Gerade die deutschen Historiker hatten über ein Jahrhundert lang diese nationale Teleologie bedient, ja überhaupt erst mit geschaffen.9 »Erst die harte Diskreditierung des Nationalen durch die nationalsozialistische Diktatur, die Hybris, dann das Scheitern des deutschen Nationalstaats im Zweiten Weltkrieg und die Epoche der deutschen Teilung danach« erschütterten nachhaltig die »Tradition der nationalen Selbstgewißheit«.10 Dabei stand am Anfang dieses Prozesses weniger Selbstgewissheit, als vielmehr fundamentale Unsicherheit. Denn dem fundamentalen Modernisierungsschub, den Europa am Ausgang des 18. Jahrhunderts politisch durch die Französische Revolution und sozial durch den Übergang von der agrarischen zur industriellen Gesellschaft erfuhr, standen die Bewohner des (seit 1806 ehemaligen) Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation in ihrer zerfaserten Ver167

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fassung weitgehend unvorbereitet gegenüber. Eben diese Doppelrevolution war es, die die Nation als schlechthin zwingend anmutendes Ordnungskonzept auf die Bühne der europäischen Geschichte gezerrt hatte.11 Innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft nach 1945 war es vor allem Werner Conze, der diesen Zusammenhang frühzeitig erkannte und hervorhob. Im »Interesse an der Kompatibilität von nationaler und sozialer Bewegung wird man einen, vielleicht den wichtigsten Angelpunkt in Conzes Bild über die neuere europäische Geschichte sehen dürfen«.12 Während er sich als Sozialhistoriker einen Namen machte, war er immer auch einer der einflussreichen Nationalhistoriker. Wohl kaum eine andere Ordnungsidee der Neuzeit beschäftigte ihn über die Jahre so sehr wie die der Nation. Als nach der Kapitulation der Wehrmacht vor den alliierten Siegermächten im Mai 1945 das Deutsche Reich zerschlagen und in Besatzungszonen aufgeteilt wurde, begann für die Bevölkerung – oft noch überdeckt von der lebensweltlichen Notsituation – eine Phase der staatspolitischen Orientierungslosigkeit. Die Mehrzahl der Historiker hielt angesichts dessen am althergebrachten nationalen Paradigma fest. So ist gezeigt worden, dass in Westdeutschland trotz einer nach außen hin »dezidierten Abwendung von nationalen Perspektiven […] eine intensive Beschäftigung mit der Nation das Kennzeichen der Geschichtsschreibung« blieb.13 Für die politikgeschichtlich ausgerichteten Vertreter des Faches, die als nach wie vor »mächtigste Fraktion in der Zunft« von Gerhard Ritter repräsentiert wurden, trifft dies in besonderem Maß zu.14 Ein wohl typisches Zeugnis der Einstellung, die man in diesem Umfeld der Nation entgegenbrachte, bietet eine Rede Ritters 1954 auf einer Tagung evangelischer Studentengemeinden in Heidelberg. Dort hieß es einerseits: »Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Nation als solche nicht ›heilig‹ ist, ja, dass eine Nation ehrlos werden kann. Eine furchtbare Erfahrung!« Nur einige Seiten später folgte jedoch in etwas schiefer Logik die Warnung vor einem Abbruch der nationalgeschichtlichen Fortdauer: »Wenn aber nun die Nation in ihrer Eigenart geprägt wird von der Geschichte, dann ist klar, dass geschichtliche Kontinuität niemals aufhören darf, soll überhaupt geprägte Gestalt entstehen an Stelle eines gestaltlosen Chaos.«15 Ein gestaltloses Chaos mag auch Werner Conze unmittelbar nach 1945 vor Augen gestanden haben. Doch stellte sich die Ausgangssituation für ihn anders dar. Schließlich hatte er sich – anders als Historiker wie Ritter – vor dem Krieg kaum an der Kategorie »Nation« orientiert; die metahistorische Projektionsfläche, die seinem Werk der dreißiger und vierziger Jahre die Richtung wies, war das »Volk« gewesen. Und ähnlich anderen Vertretern der Volksgeschichte diente ihm als dementsprechende soziale Ordnungsvorstellung eben nicht der Nationalstaat, sondern die überstaatliche »Volksgemeinschaft«. Die geschichtswissenschaftliche »Suche nach der verlorenen Nation« (Conrad), der auch Conze sich seit den fünfziger Jahren anschloss, musste für ihn von dieser Basis ihren Ausgang nehmen. 168

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Als »überzeugungsstiftende Beschwörungsformel«16 hatte die »Volksgemeinschaft« während des Nationalsozialismus eine starke suggestive Kraft besessen, die für viele Zeitgenossen auch ein Stück Lebenswirklichkeit enthielt.17 Für die von ihr Ausgeschlossenen traf dies freilich nicht zu. Hingegen stärkte gerade das geraubte Eigentum der vertriebenen und ermordeten europäischen Juden in Form von Sozialleistungen in mancher Hinsicht sogar den sozialen Zusammenhalt von »Hitlers Volksstaat«.18 Doch auch unabhängig davon bestand in der »Verbreitung des Gefühls sozialer Gleichheit« einer der »bemerkenswertesten Erfolge nationalsozialistischer Sozial- und Gesellschaftspolitik«.19 Nach Kriegsende rettete die »Verwandlung der NS-Volksgemeinschaft in eine Schicksalsgemeinschaft […] ein gewisses Identitätsgefühl über die Niederlage hinweg«.20 In Werner Conzes agrargeschichtlichen Veröffentlichungen der unmittelbaren Nachkriegszeit lässt sich das Nachwirken volksgemeinschaftlicher Momente deutlich erkennen. Im politischen Vakuum der Zeit suchte der kriegsversehrte Historiker hier Halt in einem anachronistisch anmutenden bäuerlichen Volkstum. Wenn er da einer Politisierung des Bauernstandes das Wort redete, berief er sich auf die klassischen Agrarreformer des 19. Jahrhunderts, denen es zwar »stets in besonderem Maße um das Bauerntum gegangen« sei, jedoch »freilich nicht um die bloße Bewahrung ›seiner‹ Interessen, sondern um seine soziale und politische Aufgabe im Ganzen des Volkes«.21 Bei seiner Erörterung der »historische[n] Grundlagen genossenschaftlicher Lebensform« im Mai 1948 kam es ihm in diesem Sinne »entscheidend darauf an, dass gemeinschaftlicher Geist in allen Bereichen unseres politischen, wirtschaftlichen und religiösen Lebens sich neu bewähren muß«. Werde diese Aufgabe »trotz aller Ausweglosigkeit und Abgestumpftheit der Menschen« gesehen, müsse gleichzeitig erkannt werden, dass das »soziale Problem in das der Menschenbildung für alle Lebenskreise unseres Volkes« münde. Vorbild waren ihm dabei – man staune – »jene Bauern und Bürger des Mittelalters«, die in »lebendigen, noch nicht erstarrten genossenschaftlichen Formen« lebten: »Die Ordnung ihres Lebens, in der sie standen, und das Lebensgefühl, das Bewusstsein und der Glaube, aus dem heraus sie lebten, ließen für sie gar nichts anderes möglich erscheinen als genossenschaftliche Lebensformen und herrschaftliche Ordnung. So kann es heute vielleicht in einem anderen, aber grundsätzlich ähnlichen Sinne wieder sein.«22 Bereits einen Monat zuvor hatte er im Spannungsfeld von »Bindung und Freiheit«, innerhalb dessen sich die Geschichte der deutschen Landwirtschaft über die Jahrhunderte hinweg bewegt habe, einen »Ausschnitt […] aus der allgemeinen Verwirrung« entdeckt, »die unser Leben auf allen Gebieten ergriffen hat«. Die Zeiten, in denen sich ein »ausgewogenes Verhältnis« jener beiden Pole einer »Urwüchsigkeit« verdankte, wie sie im Mittelalter »dem jugendli169

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chen Volkskörper« entsprochen habe, waren vorbei – trotz des Versuchs der liberalen Reformer, »Landwirtschaft und Agrarverfassung aufs neue in ein angemessenes Verhältnis zur Volkswirtschaft und Volksordnung zu bringen«. Dabei blickte er voll Sorge auf die Gegenwart, in der sich die »ständige Krisenmöglichkeit [der Landwirtschaft] durch den Krieg, die Abtrennung Ostdeutschlands und die Austreibung der Ostdeutschen in das verstümmelte Restdeutschland heute zu einer Katastrophe entwickelt hat, deren Ende noch nicht abzusehen ist«.23 Die hier beschriebene Notsituation wurde im Westen Deutschlands durch die Währungsreform, die Einführung der sozialen Marktwirtschaft und das sich daran anschließende Wirtschaftswunder letztlich überraschend schnell überwunden. Mit der Bildung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1949 hatte zudem die politische Interimslösung der Besatzungszeit ein Ende gefunden. Die staatliche Teilung setzte nun seit etwa 1951 »eine lebhafte innenpolitische Diskussion über die deutsche Frage« in Gang.24 Die historische Auseinandersetzung mit nationaler Identität wurde in den Reihen der bundesrepublikanischen Geschichtswissenschaft auch schon von daher als eine zentrale Aufgabe empfunden. Unterdes hatte die Lage seit Kriegsende für die seit den späten zwanziger Jahren akademisch sozialisierte Historikergeneration »die große Infragestellung ihres auf das Volkstum hin orientierten nationalpolitischen Denkens« bedeutet. Brachte sie auch für Werner Conze eine ähnlich »tiefe Krise seiner historisch-politischen Orientierung« mit sich, wie sie im Falle seines Freundes Theodor Schieder diagnostiziert worden ist?25 Jedenfalls war es nun an der Zeit, sich an den eigenen Vorstellungen der jüngsten Vergangenheit abzuarbeiten – und sei es nur, um nicht in ein diskursives Hintertreffen zu geraten. Als Conze im Sommer 1950 die Festschrift zum sechzigsten Geburtstag von Hans Rothfels vorbereitete, teilte er Schieder seinen Wunsch mit, dass »auch zu solchen historischen Fragen Stellung genommen würde, die heute dringend« seien. Dabei nahm er Bezug auf ein von den französischen Besatzungsbehörden veranstaltetes Historikertreffen in Speyer,26 wo sich ein knappes Jahr zuvor »deutsche und französische Historiker merkwürdig weitgehend auf den französischen Nationsbegriff geeinigt zu haben« schienen: »Wäre das nicht ein lohender Anlaß, zur Frage Volk und Nation, die ja Rothfels in besonderem Maße angeht, neu Stellung zu nehmen? Wäre das etwa ein Thema […] für Dich?«27 Es war ein Thema für Schieder, wenn auch nicht in der Rothfels-Festschrift, sondern in der Zeitschrift für Ostforschung. Dabei war er sich bewusst, dass man selbst nicht unbeteiligt an jenem Prozess gewesen war, der mit der »Erneuerung der europäischen Welt durch das Nationalitätsprinzip angehoben« und in der »Krise wenigstens des europäischen Nationalismus« sein »katastrophales Ende« gefunden hatte: »Wir selbst sind, wie der Chor der antiken Tra170

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gödie, zugleich Zuschauer und Mitspieler in diesem Spiel.«28 Überhaupt war das Tragische für Schieder ein Leitmotiv, gerade da, wo von Entwicklungen die Rede war, an denen er und andere auf ihre Weise teilgehabt hatten. Einen »tragischen Zusammenhang« erkannte er etwa in der Tatsache, dass die »Aktivierung der deutschen Volksgruppen« im Ostmitteleuropa der Zwischenkriegszeit nicht zu lösen sei »von einer Wendung zum Volksgedanken in Kerndeutschland«. Hierbei erschien es als ein »kühner, wenn auch letztlich utopischer Gedanke, einen überstaatlichen Volkskörper neben Staat und Staatengemeinschaft zu stellen und durch die Koordination nationaler Körperschaften einer übernationalen Reichsbildung den Weg zu bahnen«. Desgleichen schrieb er von den »tragischen Verhängnissen«, in die »erhebliche Teile der volkspolitisch aufgeschlossenen Volksgruppenführungen durch die Begegnung mit dem Nationalsozialismus geraten« seien. Hatte es sich mit den Volkshistorikern aber nicht ähnlich verhalten wie mit den »Volksgruppen« und deren »Führungen«? Zog die Tragik da womöglich einer implizierten Selbstkritik den giftigen Stachel? Mittlerweile gab Schieder jedenfalls zu bedenken, ob nicht die Erfahrungen der »ostmitteleuropäischen Nationalitätenbewegung […] eines Tages von höchster Aktualität für die Ordnung der Völkerbeziehungen in einem politisch verbundenen Europa« sein könnten.29 Auf dem gleichen Terrain bewegte sich zu jener Zeit auch Conze. In seinem Artikel zu Ehren von Rothfels, den er ausdrücklich auf autobiographischem Hintergrund verfasst hatte, behandelte er die über das Nationalstaatsprinzip hinausweisenden »Mitteleuropa«-Konzeptionen, wie sie während des Ersten Weltkrieges in Deutschland für die ostmitteleuropäische Vielvölkerzone entwickelt worden waren. Dabei bezog er sich neben Friedrich Naumann, Max Hildebert Boehm, Alfred Weber und Georg Cleinow auf den späteren Vater der Weimarer Verfassung, Hugo Preuß. Vor allem in dessen Vorstellungen einer »mitteleuropäischen Gemeinschaft« fand er »einen in jenen Jahren wenig gesehenen Kernpunkt berührt«, der freilich historisch nicht mehr zum Tragen kommen konnte. Zentral war für ihn dabei die Aussage von Preuß, dass der Nationalstaat »das ethnische Moment durch das politische als Ferment des Gemeinwesens überbieten und so als Substrat seiner Gesamtpersönlichkeit die organische Willenseinheit eines übernationalen Staatsvolks entwickeln« müsse.30 Conzes eigener Standpunkt war das vor 1945 kaum gewesen. Jedoch bot sich hier ein Ansatzpunkt für eine zeitgemäße Umdeutung der »Königsberger Schule«31 und damit auch seines eigenen Schaffens der vergangenen Jahre. Mehr als angedeutet war diese Umdeutung allerdings nicht. Deutlicher veranschaulicht ein Blick auf den Standpunkt, den Rothfels als das geistige Oberhaupt jener »Königsberger Schule« nun in Bezug auf das ostmitteleuropäische Nationalitätenproblem einnahm, die Übertragung der alten Konzeptionen in die neue Zeit. Er setzte sich 1952 in der Historischen Zeitschrift erneut damit auseinander, wie der primär auf der Staatsbürgerlichkeit 171

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beruhende, ›subjektive‹ westliche Nationsbegriff, den er inzwischen im englischen und amerikanischen Exil kennen und auch schätzen gelernt hatte, in Ost- und Mitteleuropas an die Grenzen seiner Realisierbarkeit gestoßen war. Waren die Staaten doch hier »so umfassende und so lose organisierte ›Reiche‹, dass sie […] eine Staatsnation als Überwölbung der verschiedenen ethnischen und sprachlichen Blöcke nicht ausbilden konnten. […] Und nicht nur Volkstümer, sondern das objektive und das subjektive Prinzip der Nationalität selbst lagen über ganz Mitteleuropa hin in unvermeidlichem Widerspruch und überkreuzten sich.«32 Wie sein Biograph bemerkt hat, bestand die Funktion dieser und anderer Analysen »nun aber nicht mehr wie in den Königsberger Arbeiten […] darin, territoriale Zugehörigkeiten nachzuweisen und Gebiets- beziehungsweise Hegemonieansprüche zu legitimieren, sondern darin, retrospektiv und in einer stärker theoretischen Form die politischen Probleme der zwanziger und dreißiger Jahre zu klären.« Dabei ließen sich die »positiven übernationalen Staatsmodelle, die der Historiker in seinem ›Neuordnungs‹-Programm der Königsberger Zeit als Organisationsform eines deutsch-dominierten ›Mitteleuropa‹ gedacht hatte«, »auch in die Vorstellung einer ›Europa-Union‹ überführen«.33 Und in der Tat stellte Rothfels in seinen Überlegungen zur ostmitteleuropäischen Krise der Nationsidee aus dem Jahre 1956 die ins Globale schweifende Frage in den Raum, ob nicht, »wenn eine Lösung dieser Krisis, die standfest zu sein verspricht, am ehesten in einem ›gemeinsamen Europa‹ als denkbar« erscheine, »dann aber nicht umgekehrt auch die gedankliche und praktische Bemühung um sie eine wichtige Vorstufe zu einer europäischen gemeinten Ordnung der Völkerbeziehungen überhaupt« sei.34 So war der wissenschaftliche Volkstumskampf der zwanziger und dreißiger Jahre am Ende zum akademischen Vorspiel einer europäischen Friedensmission mutiert. Reinhard Wittram ging da offener mit jener wissenschaftlichen Vergangenheit ins Gericht, die ihn mit Schieder, Conze und Rothfels verband. Als 1954 sein Sammelband »Das Nationale als europäisches Problem« erschien, fand sich darin auch ein Vortrag über »Maßstäbe und Urteile in der Geschichtsschreibung Ostmitteleuropas«. Hier bekannte der Historiker: »Deutsche Forschung – der Verfasser schließt sich selbst nicht aus – deutete die Spuren deutschen Wirkens im ganzen Osten als Zeichen einer geschichtlichen Verheißung, deren Erfüllung erst mit der Wiedergewinnung einer machtpolitisch gestützten Verantwortung des Reiches gegeben sein werde.«35 Conze, auf den dieses Diktum ebenso zutraf, wollte es mit der öffentlichen Selbstreflexion so weit nicht treiben; doch empfand er wohl ähnlich. In seiner rühmenden Rezension mit dem bezeichnenden Titel »Abstand zum Nationalen« lobte er gerade jenen Vortrag als »grundlegende[n] Beitrag« und resümierte dabei: »Die Zweidimensionalität der geschichtlichen Schuld (christlichübermoralisch und in der sittlichen Dimension) wird zur Frage der nationalen 172

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Bewegung in Beziehung gesetzt und zwingt den Historiker, der sich ihr stellt, zur Bescheidung.«36 Zuvor hatte er den Text in einem Brief an den befreundeten Verfasser bereits als »Basis für einen neuen Weg, wissenschaftlich und auch politisch«, gepriesen.37 Wie er sich selbst einen solchen vorstellte, drückte er 1957 in einem Vortrag über »Ostmitteleuropa im deutschen Geschichtsbild« so aus: »Die stürmische Zeit der Nationalisierung dieses Geschichtsbildes ist vorübergegangen. Wir können und müssen heute auf jene Epoche nationaler Leidenschaft zurückblicken mit dem Willen, sie in ihren Bedingungen und in ihrer Eigenart zu erkennen, Abstand von ihr und Zugang zu einer Lagebeurteilung der Gegenwart mit ihren Aufgaben gewinnen.«38 In einem anderen Zusammenhang hatte er bereits jeglicher »Volksromantik« eine Absage erteilt. Das »betonte Festhalten am deutschen Volksbegriff im Gegensatz zur französischen Nation« sei »heute nur noch im geschichtlichen Verstande, zur Aussage über gegenwärtige Wirklichkeit aber kaum noch angängig«.39 In der Zwischenzeit hatte Conze begonnen, sich wissenschaftlich – letztlich für über zwei Jahrzehnte – von Ostmitteleuropa abzuwenden.40 Im Frühjahr 1954 schrieb er an Schieder, dass er »langfristig und allgemein« Pläne habe, die »mehr in der Richtung meiner Münsteraner Tätigkeit als einer Osteuropa-Professur liegen«.41 Und die Münsteraner Tätigkeit stand für ihn vor allem im Zeichen der Sozialgeschichte. Auch hierbei verlor er jedoch die Nation keineswegs aus dem Auge. Anders als in ihrer politischen Ausrichtung bedurfte seine Herangehensweise an die Frage der Nation in ihrem Bezug zur Sozialgeschichte nun kaum einer Revision. Ein, wenn nicht das zentrale Moment seiner Ostforschung war schließlich immer gewesen, dass die nationalen Konflikte Ostmitteleuropas in ihrer Genese nicht zu trennen waren von den sozial-strukturellen Problemen der Region.42 Die in diesem Zusammenhang erarbeiteten Einsichten ließen sich nun unter anderen, auch grundsätzlicheren Fragestellungen weiterentwikkeln. Dabei kam ihm wiederum die begriffsgeschichtliche Sensibilisierung zu Hilfe, die er seit den fünfziger Jahren zu entwickeln begonnen hatte. Sie erst ermöglichte es ihm, jenes Auseinanderbrechen der altständischen Strukturen seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, dessen Folgen den historischen Fluchtpunkt seiner Plädoyers für die Sozialgeschichte gebildet hatten, mit der nationalen Frage klar in Verbindung zu setzen. Wenn er in seiner Heidelberger Antrittsvorlesung betonte, dass »offenbar die Ausprägung der modernen Nationen in einem Wirkungszusammenhang mit der Aufspaltung von Staat und Gesellschaft« stehe,43 war damit bereits die Richtung angedeutet, in die er sich in der Folgezeit – unter stiller Abkehr von der zunehmend problematisch erscheinenden Frontstellung von Staat vs. Gesellschaft44 – bewegen sollte. Einen Höhepunkt historischer Reflexion erreichte Conze hierbei 1962 auf dem Duisburger Historikertag, wo er in einem Hauptvortrag »Nation« und 173

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»Gesellschaft« als die beiden primären »Grundbegriffe der revolutionären Epoche« in ihrer engen Zusammengehörigkeit und Wechselwirkung nebeneinanderstellte. Sie bezeichneten für ihn überhaupt »das Substrat, an dem typische politische Formalbegriffe dieser Epoche, wie Revolution, Emanzipation, Erziehung, Solidarität, Fortschritt u.a.« vor dem Hintergrund des zu jener Zeit säkularisierten Geschichtsverständnisses verwirklicht worden seien.45 Während sich dies für den zentralen Begriff der Sozialgeschichte, die Gesellschaft, geradezu von selbst verstand, lag der gedankliche Sprung Conzes darin, diesen Befund auch auf den Begriff der Nation, der bislang vorwiegend von politik- und ideengeschichtlicher Perspektive aus betrachtet worden war, auszuweiten. Denn ebenso wie die moderne Gesellschaft sich über die Trümmer der ständisch verstandenen societas civilis erhoben hatte, hatte sich auch die Nation als ehemals antiker Traditionsbegriff, der im vorrevolutionären Europa »stets ständisch verstanden worden« sei, in ihrem modernen Verständnis – das schlagende Beispiel war die Französische Revolution – »zur revolutionären Forderung gegen die Herrschaftsordnung der alten Gesellschaft und der alten Nation« entwickelt. Also war, schloss der Historiker, »nationale Bewegung in ihrer Wurzel auch soziale Bewegung und umgekehrt«. Damit war er zu einem Ergebnis gekommen, dass zwar als solches auch schon zum damaligen Zeitpunkt nicht völlig neu, jedoch bisher kaum so prägnant vor einer breiteren Historikeröffentlichkeit formuliert worden war. Für die Forschung folgte für ihn daraus – abgesehen von der notwendigen »Relativierung historisch wandelbarer Begriffe« – zweierlei: »einmal die Unbefriedigung durch bloße Nationalgeschichte oder durch national interpretierte Weltgeschichte, und zum anderen die Mangelhaftigkeit soziologistischer Reduktion der Geschichte, die ein Mißverständnis gerade der sozialgeschichtlichen Sicht […] wäre«.46 Die fachlichen Konsequenzen, die er selbst aus dieser Forderung nach Integration national- und sozialgeschichtlicher Momente zog, schlugen sich vor allem in der von ihm in Gang gesetzten Arbeitergeschichte nieder. Die gemeinsam mit Dieter Groh verfasste Studie zur deutschen Sozialdemokratie vor und nach der Reichsgründung von 1971 ist als primäre Einlösung der hier angedeuteten Programmatik zu betrachten. Sichtbar wird dies bereits in ihrer zentralen Arbeitshypothese: »Arbeiterbewegung war also in ihren Wurzeln prinzipiell nicht allein ›sozial-demokratisch‹, sondern auch ›national-demokratisch‹, weil sich die soziale Demokratie eben nur in der (Staats-)Nation verwirklichen ließ.«47 Womöglich war hierbei der Wunsch nach einer quasi rückwirkenden Heimholung der Arbeiterbewegung in die Nation etwas zu sehr der Vater des historischen Gedankens gewesen. Wolfgang Schieder – selbst durch seine Doktorarbeit als Experte auf dem Gebiet ausgewiesen –48 äußerte sich ihm gegenüber bereits zu jener Zeit recht skeptisch: »Die von Ihnen vertretene These ist sehr 174

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diskutabel, nachdem die überspitzte Behauptung von der Vorrangigkeit der nationalen Frage für die deutsche Arbeiterbewegung zurückgenommen ist. Allerdings gestehe ich, noch immer nicht ganz überzeugt zu sein.«49 Was die Analyse des allgemeinen Zusammenhangs von Nationsbildung und Gesellschaftsbildung im Deutschland des 19. Jahrhunderts anging, begnügte Conze sich in der Folgezeit weitgehend mit den grundsätzlichen Ausführungen seines Duisburger Vortrags, der 1964 als Aufsatz in der Historischen Zeitschrift erschien. Intensiver sollte die Problematik dann erst über ein Jahrzehnt später von Otto Dann untersucht werden, dem wiederum »wesentliche Anregungen« von Conze zugute kamen.50 Dieser hatte für seinen Teil bereits in Duisburg nicht lediglich historiographische Neuausrichtungen im Sinn gehabt. So war es ihm dort gerade auch darum gegangen, zu zeigen, dass die Nation trotz ihrer katastrophalen politischen Übersteigerung zumal in Deutschland »als politische Erscheinungsform der modernen Welt ebensowenig abgetan« sei, »wie die moderne Gesellschaft etwa dadurch erledigt worden wäre, dass in ihrem Namen unermeßlicher Terror und unmenschliche Grausamkeiten verübt worden sind und noch immer verübt werden«: »Das Faktum der Nation in der modernen Welt«, betonte er entschieden, »ist historisch gegeben und unrevidierbar.«51 Der Nachweis, dass dies auch im Speziellen für die deutsche Nation zutraf, hatte sich zu jener Zeit bereits als eine wesentliche Triebkraft von Conzes Wirken als Historiker abgezeichnet. Dabei war es ihm meist wichtiger, einer breiteren Öffentlichkeit ein ihm angemessen erscheinendes nationalgeschichtliches Bewusstsein zu vermitteln, als die Fachwelt mit theoretischen Impulsen zu bereichern, wie er es mit seinem Vortrag auf dem Duisburger Historikertag unzweifelhaft getan hatte. Seit jeher sind die modernen Nationsbildungsprozesse von einem sozialpsychologischen Integrationseffekt begleitet und überhaupt erst mit bedingt worden. Ohne ihre identitätsstiftende Funktion, ihre kompensatorische Wirkung angesichts der Auflösung traditioneller Bindungen, der sich der Mensch in der »entzauberten Welt« (Weber) ausgesetzt sieht, ist die Nation als soziales Phänomen nicht zu verstehen.52 Conzes inneres Verlangen nach makrosozialer Bindung wurde hier bereits im Nachwirken seines volksgemeinschaftlichen Ideals nachgewiesen. Auch sein Verhältnis zur deutschen Nation bewegte sich in diesem Sinne nie allein auf der rationalen Ebene, sondern war immer auch stark beeinflusst von jenem emotionalen Untergrund, den man gemeinhin als Nationalgefühl bezeichnet. Nationale Belange gingen ihm in einer Weise nahe, wie dies mehr wohl nur noch für das unmittelbare persönliche Umfeld, vor allem natürlich die Familie, zutraf.53 So war auch sein geschichtspolitisches Engagement für die Wiedervereinigung nie auf abstrakter Staatsräson gegründet, sondern auf einem tatsächlich empfundenen Solidaritätsgefühl. Die Rede zum Tag der deutschen Einheit 175

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am 17. Juni 1959 im Bundestag, die er in der ersten Person Plural abgefasst hatte, begann er mit der Anrede: »Herr Bundespräsident, Herr Bundeskanzler, Exzellenzen, meine Damen und Herren, liebe Deutsche in ganz Deutschland!«54 In seinem Bemühen um die Vermittlung eines deutschen Nationalbewusstseins war er sich über die Bedeutung im Klaren, die Symbole hierbei zu besitzen vermochten. Dies erläuterte er in einem aufschlussreichen Vortrag über die drei Symbole der Bundeswehr, den er etwa 1960 in Koblenz vor Soldaten der 1955 neu gegründeten westdeutschen Streitkräfte hielt. Wenn er in Symbolen dabei allgemein ein »Zeichen für etwas Wesenhaftes, Tiefliegendes, das den Menschen mehr bedeutet, als in einer Definition rational ausgedrückt werden« könne, erkannte,55 hätte er sich auf Ernst Cassirers Bestimmung des Menschen als animal symbolicum berufen können.56 Doch ging es ihm hier nicht um Grundsätzliches zur Kulturtheorie, sondern um die Notwendigkeit »des Sinnes für nationale Symbole«. In einem Überblick über die Geschichte der drei Symbole arbeitete er sodann die in ihnen verwahrten Traditionen der Rechtsstaatlichkeit (Adler), der christlich inspirierten Vaterlandsliebe (Eisernes Kreuz) sowie vor allem der Freiheit und nationalen Einheit (Schwarz-Rot-Gold) heraus. Dabei bezeichnete er es abschließend als den »verbindenden Sinn aller drei Symbole«, »die in den hinter uns liegenden Jahrzehnten weithin verlorengegangenen Proportionen wieder neu zu finden, sowohl im Verhältnis von Heer und Staat, wie Heer und Nation, wie von Nation zu Nation, wie in der inneren Ausgewogenheit der Nation selbst«.57 Bald darauf wurde durch den Bau der Berliner Mauer im August 1961 die Trennung der beiden deutschen Staaten im wahrsten Sinne des Wortes zementiert. Die innere Ausgewogenheit der Nation schien in weitere Ferne denn je gerückt. Conze reagierte hierauf gemeinsam mit anderen Mitgliedern des 1954 gegründeten parteiübergreifenden Kuratoriums Unteilbares Deutschland mit der Herausgabe der Schriftenreihe »Die deutsche Frage in der Welt«. Er selbst sorgte 1963 für den Auftakt in Form einer Gesamtinterpretation der deutschen Nationalgeschichte, die sich laut Klappentext dem Bemühen um ein »modernes nationales Selbstverständnis« verpflichtet fühlte und dem Anspruch der Reihe gemäß »der Information einer breiteren Öffentlichkeit« Rechnung tragen sollte.58 Was dies anging, bestand zur damaligen Zeit noch eine regelrechte Marktlücke. In seinem gut 150 Seiten starken, »einstmals recht weit verbreiteten Büchlein«,59 das neben einer Neuauflage (1965) auch noch eine späte Übersetzung ins Englische (1979) erfuhr, schrieb der Heidelberger Historiker sein nationalgeschichtliches Credo nieder. Gleich einleitend erteilte er dabei einem durch Bluts- und Sprachgemeinschaft bestimmten, gleichsam naturgewachsenen Nationsverständnis eine Absage und stellte fest, dass »als Maß der Zugehörigkeit schließlich nur das subjektive Bekenntnis der Einzelnen übrig« bleibe.60 Die Herauskristallisierung dieses Bekenntnisses als »Ergebnis der Geschichte« – so 176

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auch der programmatische Untertitel des Buches –, ließ er nun bereits im Mittelalter beginnen. Das spezifisch Neue der »modernen deutschen Nation« seit dem 19. Jahrhundert verkannte er zwar nicht;61 de facto ebnete er es jedoch in einer recht geradlinig erscheinenden Kontinuität ein. In diesem Zusammenhang ist auffallend, dass er sich hier »merkwürdig weit« von jener sozialgeschichtlichen Sichtweise entfernte, um die er sich zur gleichen Zeit andernorts so bemühte.62 Wichtiger war ihm an dieser Stelle zweifellos die leserfreundliche Vermittlung der politischen Ereignisgeschichte, die er für ihren Teil in durchaus fesselnder Art und Weise, zwischen den Polen kritischen Urteils und empathischer Teilnahme lavierend, bis in die Gegenwart führte. Dabei lenkte er sein Augenmerk auch immer auf die kollektive Gemütslage der Deutschen in nationalpolitischer Hinsicht. In seinen Schlussbemerkungen mahnte er gleichermaßen zur Einbindung ins westliche Bündnissystem und zur Völkerverständigung, vor allem mit Russen und Polen. Ohnehin wäre in Hinsicht auf die deutsche Teilung »ein auf Dauer organisierter, nationaler Wirbel wahrlich unangemessen, töricht und nutzlos«. Und das »Pathos des Nationalismus«, konstatierte der Historiker, sei »den Deutschen mehr als den meisten anderen Völkern der Erde gründlich vergangen.« Dennoch war es ihm wichtig zu betonen, dass zwar »die Wirklichkeit des politisch und militärisch selbstherrlichen Nationalstaats zu Ende gegangen«, dennoch »die Nation unter Nationen« geblieben sei.63 Um dieses Bewusstsein im westdeutschen Teilstaat weiter aufrecht zu erhalten, bot sich nun neben dem neuen Tag der deutschen Einheit auch die Rückbesinnung auf jene Schlüsselereignisse an, die einstmals die Wegmarken auf dem Weg zum ersten deutschen Nationalstaat dargestellt hatten und sich nun zum einhundertsten Mal jährten. Etwas Derartiges hatte es zuvor in der Geschichte nicht gegeben: Eine zur staatlichen Einheit strebende Nation konstituierte sich dadurch, dass sie einen bedeutenden Teil ihres Gebietes und ihrer Bevölkerung gewaltsam aus sich herausdrängte. Eben dieser Vorgang war in Deutschland am 3. Juli des Jahres 1866 mit dem Sieg Preußens über Österreich in der Schlacht bei Königgrätz endgültig besiegelt worden. Wie sollte man dies hundert Jahre später in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit vergegenwärtigen? Eine Haupt- und Staatsaktion wurde daraus nicht gemacht. Doch wies man dem historischen Datum immerhin in den größeren Zeitungen einige Bedeutung zu. Während sich die FAZ mit einer literarischen Ortsbegehung des ostböhmischen Schlachtfeldes begnügte und der »Spiegel« mit einer für seine Verhältnisse erstaunlich unkritischen Kriegsberichtserstattung,64 räumte die »Zeit« dem »deutschen Bruderkrieg« mit gleich zwei Beiträgen einen größeren Stellenwert ein. So lieferte hier Golo Mann einen eher wehmütigen Rückblick über die »erste Teilung«, ohne die es die »zweite ›deutsche Frage‹« nicht gegeben hätte.65 Der Publizist Paul Sethe frönte in seiner breit angelegten Darstellung 177

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hingegen einer kaum verhohlenen Verehrung Bismarcks, »der das Notwendige tat – auch wenn es schmerzlich war«.66 Ähnlich wie Sethe beurteilte auch Conze, der auf einer Sonderveranstaltung der Heidelberger Universität über dieses für ihn »wichtigste Ereignis der deutschen Geschichte zwischen 1815 und 1914« sprach, den machtpolitischen Durchgriff des »genialen Staatsmannes« als historisch »unvermeidlich«.67 Allerdings bemühte er sich um eine stärkere Abgewogenheit in der Wertung jenes historischen Scheidepunktes, um auch seinen negativen Folgewirkungen Rechnung zu tragen. So habe die Schlacht von Königgrätz »unter den eingeengten Deutsch-Österreichern ein Trauma hinterlassen«, das »gefährlich« war. Letztlich sei »Hitlers Weg zur Politik […] ohne dies Trauma nicht zu verstehen«. Was die Gegenwart anbelangte, betrachtete er die »deutsch-österreichische Frage« als »geschichtlich überholt, insofern sie großdeutsch-staatlich-national verstanden worden« sei. Anstelle einer »Belebung von überholten Wünschen der Vergangenheit« bestand für ihn das Ziel einmal mehr in einer auch diesen Problemkomplex aufhebenden »Vereinigung Europas«.68 Derlei Absagen gegenüber nationalistischen Tendenzen hatten unterdes ein neues Maß an Bedeutung in der Bundesrepublik gewonnen. Zwischen 1966 und 1969 gelang der rechtsextremen NPD mit dem Einzug in insgesamt sieben Landtage ein vorübergehender Aufstieg, der längst Totgeglaubtes wieder an die Oberfläche brachte. Unter anderem dies war der Anlass für eine nationalgeschichtliche Artikelserie, die Conze 1967 auf eine Anfrage des Handelsblattes hin verfasste.69 Umso mehr überrascht es, dass er darin dem aktuellem Wiedererstarken des Rechtsradikalismus keine besondere Aufmerksamkeit schenkte, sondern lediglich bemerkte, dass vor der »ersten Aufgabe der deutschen Politik«, nämlich der Wiedervereinigung, »alle Reliktfragen der Vergangenheit« verblassen würden, »so auch die gespenstisch erscheinenden kleinen Organisationen und fortgesetzten Umgruppierungen eines noch immer umgehenden Nationalismus im veralteten Stil«.70 Irritierend ist zudem, dass Conze zuvor die »beiden Extreme«, nämlich den neuen Nationalismus einerseits und die »Herabsetzung oder gar Leugnung der Nation oder des Vaterlandes« andererseits, als »Randerscheinungen in unserem politischen Leben« implizit auf eine Stufe gestellt hatte.71 Schließlich musste er wissen, dass ein Zuwenig an Nationalgefühl eben nicht das primäre Problem der deutschen Geschichte darstellte. Die Gelegenheit, seine eigene nationaldemokratische Mission von jener Partei semantisch abzugrenzen, die das »Nationaldemokratische« des verfassungstreuen Scheines wegen in ihrem Namen führte, nutzte er nur unzureichend.72 Und dann noch der Reichsgründungstag! Der Zeitraum zwischen 1966 und 1971 gestaltete sich kaum weniger ereignisreich als die knapp fünf Jahre, die ein Jahrhundert zuvor die Schlacht von Königgrätz von der Proklamation des zweiten deutschen Kaiserreichs im Spiegelsaal von Versailles am 18. Januar 1871 getrennt hatten. Die Bildung der Großen Koalition zwischen Unionspar178

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teien und SPD, dann der Amtsantritt Willy Brandts als Kanzler der ersten sozialdemokratisch geführten deutschen Regierung seit vierzig Jahren waren der politische Ausdruck eines allgemeineren Wandels in Westdeutschland, von dem auch die nationale Frage nicht unberührt bleiben konnte. Während die an den Universitäten wogende Studentenbewegung sich durch einen expliziten Antinationalismus von der älteren Generation zu distanzieren suchte, kündigte sich auf staatlicher Ebene das »Ende der Gesprächsverweigerung mit der DDR« an.73 Das neue Interesse an innerdeutscher Annäherung wurde personell noch durch die Wahl Gustav Heinemanns zum Bundespräsidenten unterstrichen. Der ehemalige Mitbegründer und Vorsitzende der Gesamtdeutschen Volkspartei (1952–1957) war es nun auch, der sich von Amts wegen vor die schwierige Aufgabe gestellt sah, der Gründung des ersten deutschen Nationalstaats zu gedenken, dessen Nachfolge die Bundesrepublik angetreten hatte. Dabei war es kein anderer als Werner Conze gewesen, durch den das westdeutsche Staatsoberhaupt im Februar 1970 auf das herannahende historische Datum aufmerksam gemacht wurde. Im Anschluss an einen Besuch in Bonn, der vor allem Heinemanns Interesse an seinen Studien zur gesamtdeutschen Politik Jakob Kaisers sowie der hochschulpolitischen Lage geschuldet war,74 hatte sich der Historiker notiert: »Ich frage: da wir ›historisch‹ warm: wie das Jubiläum ›1871‹? Das hatte er noch nicht bedacht.« Und bezüglich einer von ihm vorgeschlagenen »Bundestagsgedenkstunde« zeigte sich der Präsident – so Conze – »noch zurückhaltend«.75 Auch über die kommenden Monate riss der Kontakt zwischen dem Politiker und dem Historiker nicht ab. So kam es zu erneuten Treffen in Hambach und Rastatt, wo Heinemann die Möglichkeiten einer nationalen Gedenkstätte erkundete. Wenn diese Besuche an den Schauplätzen der ersten politischen Massenkundgebung im Zeichen von Schwarz-Rot-Gold (1832) bzw. des badischpfälzischen Aufstandes (1849) das Interesse des Bundespräsidenten an den freiheitlich-demokratischen Tendenzen der deutschen Geschichte des 19. Jahrhunderts deutlich machten, konnte er sich dabei auf Conzes Anteilnahme stützen.76 Dieser versäumte es jedoch auch nicht, sich im gleichen Zuge weiter für das öffentliche Gedenken an den Reichsgründungstag einzusetzen. Nach der Begegnung in Rastatt schickte er Heinemann eine zehnseitige Denkschrift mit dem Titel »Thesen zum 18. Januar 1871/1971«, die ihm bei einer noch nicht näher geplanten Ansprache als Orientierungshilfe dienen sollten.77 Unter der einleitenden Prämisse, dass niemand »seiner eigenen Tradition ausweichen oder sie ungeschehen machen« könne, betonte Conze hier vor allem die Kontinuität zwischen dem Kaiserreich und der Bundesrepublik, wie sie auch in der Präambel des Grundgesetztes verankert war. Zuvor habe ein »fast zwangsläufiger Weg« vom »Scheitern der deutschen Nationalrevolution 1848/49« zur Reichsgründung von 1871 geführt. Letztere war für ihn somit ein »mächtiger Pfeiler« der »demokratischen ›Brücke‹ von 1848 bis 1919«. 179

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»Fremdbestimmung« und Teilung der Nation hätten dann nach 1945 die »naheliegende Möglichkeit« verhindert, »dass die deutsche Nation und die deutsche Demokratie aus Verstrickung und Katastrophe, geläutert und durch Selbstauseinandersetzung von Schlacke befreit, hätte herauskommen und damit den Weg in eine der angestrebten Welt vereinter Nationen angemessene Lebensform hätte [sic] finden können«.78 Ob die Deutschen wirklich von sich aus so demokratisch geläutert aus dem Krieg hervorgegangen wären, wie Conze es sehen wollte, ist zu bezweifeln. Auch Heinemann hatte da seine Bedenken. In seiner am Vorabend des 18. Januar 1971 gehaltenen Fernseh- und Rundfunkansprache machte er sich zwar große Teile des Entwurfs zu Eigen, betonte aber mehr als sein Autor die negativen Kontinuitätslinien. Insgesamt lieferte er eine »öffentliche Abrechnung mit dem ›Reich‹, die bewußt Wunden aufriß«.79 Entgegen dem Anliegen des Heidelberger Historikers verzichtete er dabei auch auf ein eindeutiges Bekenntnis zur Wiedervereinigung.80 Schon rein optisch wirkte der Bundespräsident bei der Fernsehübertragung vor dem Hintergrund von Anton von Werners berühmtem Gemälde der Versailler Kaiserproklamation etwas deplaziert. Zudem war er von vornherein darauf bedacht, so etwas wie Feierstimmung gar nicht erst aufkommen zu lassen. Bereits sein erster Satz lautete »Gedenktage kommen ungerufen«, etwas weiter unten hieß es: »Uns ist aber heute nicht nach einer Hundertjahrfeier zumute.«81 Während Conze, der seine Ansichten am selben Abend auf einer Feierstunde von Burschenschaftlern in Landau vortrug,82 mit der Rede Heinemanns also kaum zufrieden sein konnte,83 schien das westdeutsche Staatsoberhaupt doch einen Nerv seiner Zeit getroffen zu haben. Von kleineren Auseinandersetzungen zwischen NPD-Anhängern und Gegendemonstranten unweit der Bismarck-Gedenkstätte im schleswig-holsteinischen Sachsenwald abgesehen,84 weckte der 18. Januar in der Bevölkerung nämlich im allgemeinen wenig Anteilnahme, geschweige denn Pathos. Daran vermochte auch der »Sturm der Entrüstung«, der im Anschluss an die Ansprache des Präsidenten in den Reihen der Opposition losbrach,85 kaum etwas zu ändern. Im Verlauf der siebziger Jahre verlor die Problematik der Nation in der öffentlichen Aufmerksamkeit Westdeutschlands immer mehr an Resonanz. Im Anschluss an den Grundlagenvertrag zwischen Bundesrepublik und DDR, der im Mai 1973 vom Bundestag ratifiziert und nach einer Beschwerde der Unionsparteien auch vom Bundesverfassungsgericht abgesegnet worden war, wurde die deutsche Zweistaatlichkeit sowohl innerdeutsch als auch international faktisch bestätigt.86 Die staatspolitische Weichenstellung war letztlich mehr Ausdruck als Anlass dafür, dass das Nationalbewusstsein der Deutschen, vor allem der jüngeren Generation, im kontinuierlichen Schwinden begriffen war. Dies machte sich auch in der Geschichtswissenschaft bemerkbar. Ein einzelnes, wenngleich prominentes Beispiel möge genügen, um zu zeigen, wie die 180

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Nation ihre Rolle als interpretatorischer Leitfaden verlor. Als 1973 mit HansUlrich Wehlers »Kaiserreich« eine neue Taschenbuchreihe zur deutschen Geschichte eröffnet wurde, beteuerte bereits der Herausgeber, dass letztere »nicht mehr als Nationalgeschichte geschrieben werden« könne; schwänden doch »mit den Nationalstaaten […] Nationen und nationales Bewusstsein«.87 Wehler selbst räumte dem nationalen Komplex dann auch nur einige wenige Seiten ein, und zwar unter dem Signum von »Nationalismus und Feindstereotypen«.88 Conze fiel in der Folgezeit nicht viel Neues zur Nationalgeschichte ein. Als 1977 die Planungen für die englische Übersetzung seines Buches »Die deutsche Nation« in Gang kamen, beschränkte er sich auf eine kurze Ergänzung in Bezug auf die innerdeutschen Entwicklungen seit den frühen sechziger Jahren. Insgesamt war seine Sicht auf die Dinge seit Erscheinen des Buches gleich geblieben. Seinem englischen Verlag schrieb er: »Ich habe absichtlich wenig verbessert, neu geschrieben oder auch gestrichen, denn das Buch bedarf keiner Veränderung.«89 Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass es ihm während des goldenen Jahrzehnts der Sozialgeschichte nur bedingt gelang, diese gemäß seinem früher formulierten Anliegen mit der Nationalgeschichte zu verflechten.90 In seinen 1976 veröffentlichten Handbuchartikeln zur deutschen Sozialgeschichte zwischen 1800 und 1918 stand der Komplex von Nation und Nationsbildung eher unvermittelt neben den anderen Abschnitten, die sozialgeschichtliche Strukturen im engeren Sinn behandelten.91 Und auch sein Rück- und Ausblick zur deutschen Staats- und Nationalpolitik, der 1983 als Schlussaufsatz eines aus Kolloquien des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte hervorgegangenen Bandes zur Sozialgeschichte der Bundesrepublik erschien, bot mehr eine nationalhistorische Ergänzung als eine Integration der dort versammelten sozialhistorischen Beiträge unter nationaler Perspektive.92 Wenn er hier neuere Tendenzen der Forschung, vor allem im Gefolge der Sonderwegthese, dahingehend kritisierte, dass sie dazu beigetragen hätten, »die Sicherheit der nationalen Identität zu schwächen und die Diskussion um die ›deutsche Frage‹ in eine verwirrende Dauerreflexion einmünden zu lassen«, ging es ihm erneut darum, den »schroffen Kontinuitätsbruch« in Erinnerung zu rufen, den Deutschland durch die Teilung in zwei Staaten in nationalpolitischer Hinsicht erlitten habe.93 Im selben Jahr nutzte er die Teilnahme an einer groß angelegten internationalen Konferenz über die »Rolle der Nation in der Deutschen Geschichte und Gegenwart« in Berlin, um dieses Phänomen auch begriffsgeschichtlich als »Traditionsbruch« nachzuweisen.94 Die Bedeutung, die man ihm inzwischen als Nationalhistoriker über die Grenzen Deutschlands hinaus zuerkannte, wird aus dem Einladungsschreiben ersichtlich, in dem ihm der Stanforder Historiker James Sheehan, der die Veranstaltung gemeinsam mit dem Berliner Otto Büsch organisierte, den Eröffnungsvortrag über Begriff und Wirklichkeit der 181

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deutschen Nation antrug: »I can think of no one who would bring to this matter the same blend of experience and expertise.«95 Conzes These von der historisch-gewachsenen Verankerung der Nation in Deutschland sah sich inzwischen allerdings einer neuen diskursiven Herausforderung gegenüber. Das Jahr 1983 war das »annus mirabilis« der neueren Nationalismusforschung.96 Ernest Gellner, Benedict Anderson und Eric Hobsbawm verschafften nun mit ihren inzwischen klassischen Forschungsbeiträgen auf je eigene Weise dem konstruktivistischen Aspekt der Nationsbildung einen bleibenden Platz in der wissenschaftlichen Diskussion. Die im Juni 1983 stattfindende Konferenz kam da noch zu früh, als dass die entsprechenden Werke hätten rezipiert werden können. Mit Sheehan hatte jedoch bereits zumindest ein Teilnehmer die Zeichen der Zeit erkannt: In seinem Vortrag thematisierte er den Aspekt der »invention of the nation« am Beispiel der deutschen Historiographie, v.a. des 19. Jahrhunderts.97 Conze vermochte dieser Sichtweise zwar im Grundsatz nicht zu widersprechen, erkannte in ihr jedoch, »begriffsgeschichtlich gesehen, nur die halbe Wahrheit«; denn nichts könne »erfunden werden, was nicht in irgendeiner Weise als Gegebenheit vorhanden ist und dadurch erst – gewissermaßen in begrifflicher Rückkoppelung – ›Erfindung‹, das heißt einprägsame Begriffsbildung ermöglicht«.98 Beunruhigender noch als die Entwicklung der internationalen Nationalismusforschung war für den inzwischen emeritierten Geschichtsprofessor die zu jener Zeit in Bewegung geratende Debatte um ein bundesrepublikanisches Selbstverständnis, das sich ohne den Anspruch auf gesamtdeutsche Nationalstaatlichkeit definierte. Nach beinahe vier Jahrzehnten des Bestehens der Bundesrepublik hatte ein Großteil der Westdeutschen begonnen, sich politisch mit ihrem Staat – und sei es auch in kritischer Weise – zu identifizieren. Die DDR war den meisten Bürgern seit dem Mauerbau »immer fremder geworden«,99 und zumal die seit den fünfziger Jahren Geborenen empfanden den offiziellen Appell an die deutsche Einheit oftmals als überkommene Pflichtübung ohne großen Realitätsbezug. Irgendwie war man auch froh, dass man von der historischen Altlast befreit war, als die einem der deutsche Nationalstaat zunehmend erschien. Dolf Sternbergers berühmtes Wort von einem auf das Grundgesetz orientierten »Verfassungspatriotismus« war in Anbetracht dessen noch ein gemäßigter Ausdruck einer weitverbreiteten Stimmung. Denn der namhafte Politologe wollte damit »zwar den Provisoriumsvorbehalt des Parlamentarischen Rats von 1949 überwinden, nicht aber einer Ausweitung des Geltungsbereichs des Grundgesetzes auf das Territorium der DDR einen Riegel vorschieben«.100 Noch einen großen Schritt weiter ging der langjährige Ständige Vertreter Bonns in Ost-Berlin, Günter Gaus, der, erstmals im Januar 1981 in der »Zeit«, eine quasi-endgültige Anerkennung der deutschen Zweistaatlichkeit und dabei eine Abkehr vom Begriff der Nation überhaupt forderte, der höchstens 182

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noch im Sinne von »Kulturnation« eine Berechtigung habe. Selbstverständlich war hiermit ein Thema berührt, zu dem die westdeutschen Historiker nicht schweigen konnten. So redete etwa Hans Mommsen in Anlehnung an Gaus einer »Bi-Nationalisierung beider Teile Deutschlands« das Wort und bemerkte, dass die Bundesrepublik »sich auf die Dauer den Luxus nicht leisten« könne, »die nationale Solidarität ihrer Bürger mit gesamtdeutschen Zielsetzungen zu belasten, die in den Augen der übergroßen Mehrheit nicht aktuell sind«. Dagegen drohte für Heinrich August Winkler in der möglichen Aufkündigung der Solidarität mit der DDR »ein Triumph des bundesdeutschen Egoismus«.101 Conze fühlte ähnlich wie Winkler und zeigte sich von den hier angedeuteten Tendenzen regelrecht alarmiert. In einem Vortrag auf der 1982er Jahrestagung des Kuratoriums Unteilbares Deutschland mit dem Titel »Deutsches Selbstbewusstsein heute« nahm er Stellung zur nationalen Stimmungslage seiner Landsleute. Dabei betonte er, dass man sich davor hüten solle, »die Bedeutung des fortgesetzten Streits über die Nation und ihr Selbstverständnis zu hoch zu bewerten, das nationale Selbstbewusstsein der Mehrheit des Volkes aber zu unterschätzen«.102 Gleichwohl war auch ihm klar, dass »selbst, wenn es gelingt, geschichtlich zu verstehen, und sich nicht verbreiteten Aussagen des heute gängigen Negativnationalismus zu unterwerfen«, der Abstand deutlich werde, »der uns heute von der deutschen Nationalbewegung mit ihren emphatischen Äußerungen über deutsche Nation und deutsches Selbstbewusstsein trennt«. Dennoch glaubte er nach einem ausgedehnten historischen Rückblick und einem Vergleich mit der Dauerhaftigkeit des polnischen Nationalgefühls durch alle Teilungen hinweg, »die sichere Fortdauer der deutschen Nation in ihrem Selbstbewusstsein als unbestreitbar festgestellt [zu] haben«. Den Fall Gaus behandelte er dann als ein Beispiel für die »negativnationalistisch« motivierte Tendenz, das deutsche Selbstbewusstsein unsicher zu machen und mit zeitgeschichtlichen Argumenten als überholt oder gefährlich darzustellen«. Dem hielt er entgegen, dass das nationale Bewusstsein in beiden Teilen Deutschlands »nicht von Trendvorstellungen oder einem Status-quo-Denken abhängig gemacht werden« könne, sondern »dem Willen der Deutschen zur nationalen Einheit und zu den politisch-ethischen Werten« entspringe, »die alle in dem obersten Begriff politisch-menschlicher Freiheit vereinigt sind«. Dass es ihm praktisch Hinsicht auf »Information und Erziehung, zuerst und vor allem im Hinblick auf bessere Kenntnisse über die DDR[,] und auf Zuwendung zu den dort lebenden Menschen« ankam,103 verdeutlicht abermals, dass seine Mahnungen an ein gesamtdeutsches Nationalbewusstsein immer auch auf einem Solidaritätsgefühl gegenüber den politisch glücklosen Ostdeutschen beruhten. Von einem chauvinistisch-revanchistischen Machtdenken unter großdeutschen Vorzeichen findet sich – trotz seines über weite Strecken traditionalistisch anmutenden Festhaltens an der Nation – keine Spur. 183

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Davon frei waren auch die Arbeiten, die aus seinem in späten Jahren wiedererwachten Interesse an der Geschichte Ostmitteleuropas und den dortigen Nationsbildungen hervorgingen.104 Bezeichnend dafür ist die folgende Aussage des von einer humanistisch fundierten Altersreligiosität beseelten Historikers aus einem Aufsatz über den Deutsch-Protestantismus in Südosteuropa, der 1985, also etwa ein Jahr vor seinem Tod, erschien: »Die Nation kann kein oberster Wert sein. Die Nationszugehörigkeit und das Nationalbewusstsein können, wenn christlich gewertet wird, nicht zum Nationalismus gesteigert werden. Solche Steigerung erfolgt immer nur dann, wenn die christlichen Grundlagen für die Bewertung des eigenen Volkes abgelehnt, verkannt oder mißachtet werden und wenn der Begriff des ›Volkes Gottes‹ unbekannt, unwirksam oder unerwünscht ist.«105 Von einem Nationalismus, der ein politisches Verhalten bezeichnet, »das nicht von der Überzeugung der Gleichwertigkeit aller Menschen und Nationen getragen ist, sondern andere Völker und Nationen als minderwertig oder als Feinde einschätzt und behandelt«,106 war die Nationalhistorie Conzes nach 1945 insgesamt weit entfernt. Vor einer Übersteigerung des Nationalgefühls zu warnen, vergaß der Historiker auch dort nie, wo es ihm gerade wie so oft auf die Stärkung eines solchen ankam. Im Hinblick auf das ethnozentristische Meinungsklima, das zuvor sein wissenschaftliches Umfeld und auch seine eigenen frühen Arbeiten geprägt hatte, kann man darin durchaus einen politischen Läuterungsprozess erkennen. Dieser führte ihn vom nationalsozialistisch gefärbten Volksgemeinschaftsideal zu einem westlichen Verständnis der Nation als einer sich durch demokratische Willensbildung bestimmenden politischen Solidargemeinschaft. Fragt man nach Conzes wissenschaftlichen Errungenschaften als Nationalhistoriker, fällt die Bilanz zwiespältig aus. Zwar hatte er in den sechziger Jahren der Forschung mit der Forderung, soziale und nationale Bewegung als miteinander verflochtene, ja sich einander bedingende Phänomene der Moderne zu begreifen, einen durchaus wichtigen Impuls gegeben. Ihm selbst war es über begriffsgeschichtliche Vorüberlegungen hinaus aber nie gelungen, die sich daraus ergebene Programmatik einer Verbindung von Sozial- und Nationalgeschichte überzeugend einzulösen. Dabei hatte er in gewisser Weise manche der heute allgemein anerkannten Einsichten zu der historischen Verflochtenheit von Industrialisierung und Nationalisierung, wie sie Ernest Gellner 1983 in seiner vielbeachteten Studie »Nations and Nationalism« so glänzend formulierte, bereits implizit angedacht. Im Vergleich zu einem Kosmopoliten wie Gellner konnte Conze freilich weit weniger kritische Distanz zum historischen Gegenstand der Nation sein Eigen nennen. Alles in allem stand bei ihm nicht der Nationalismus als zu überwindendes historisches Problem im Mittelpunkt des Interesses, sondern die Legitimation eines geeinten deutschen Nationalstaats. Wenn seine Nationalgeschichte dabei 184

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auch Züge einer Meistererzählung aufwies, war diese doch eine gebrochene, deren Ende offen war. Die saturierte historische Rückschau, aus der heraus manche Historiker nur wenige Jahre nach seinem Tod auf die deutsche Geschichte nach 1945 als eine von der Wiedervereinigung gekrönte Erfolgsgeschichte zurückblickten, war für Conze zeit seines Lebens keine Option. Während sich Vertreter der jüngeren Historikergeneration seit den siebziger Jahren vom nationalen Paradigma zu verabschieden begannen, sah er seine Aufgabe darin, die Wunde der geteilten Nation offenzuhalten.107 Aus der Einsicht, dass die ›deutsche Frage‹ als Teil des internationalen OstWest-Konflikts ein Problem darstellte, dem durch nationale Geschichtsschreibung oder nationales Gedenken allein nur bedingt beizukommen war, hatte der Historiker bei alldem früh praktische Konsequenzen gezogen. Die Nationalhistorie Conzes muss im Kontext seiner Beziehungen zur DDR und dem sowjetisch beherrschten Ostblock gesehen werden.

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VII. Zwischen West und Ost Die Zweistaatlichkeit war über vier Jahrzehnte hinweg das zentrale Signum der deutschen Nachkriegsgeschichte.1 Diese hatte sich bereits in zwei getrennte, wenn auch nicht voneinander isolierte Geschichten aufgespalten, als es 1990 zu dem für die Zeitgenossen überraschenden und schnellen Zusammenschluss der beiden Staaten kam. Von der in vieler Hinsicht bis heute andauernden »Vereinigungskrise« (Kocka) wurde auch die Geschichtswissenschaft ergriffen. Plötzlich musste da zusammenwachsen, was nicht mehr zusammengehörte. Schließlich war die staatliche Teilung sowohl im Osten wie im Westen insgesamt »mit verblüffender Selbstverständlichkeit« vollzogen worden;2 auch im Bereich der Historiographie. Nach 1990 fand die »relativ umstandslose Überstülpung der bundesrepublikanischen Ordnung auf das beitretende Gebiet mit seinen so andersartigen Prägungen und Kräften« hier ihre Entsprechung. Die Abwicklung der DDR-Geschichtswissenschaft verlief für die meisten ostdeutschen Historiker schmerzhaft.3 Auf lange Sicht schwerwiegender ist aber die Frage, welchen Platz man der Geschichte der DDR im Geschichtsbild der Bundesrepublik zuweisen soll.4 Sieht man von der fragwürdigen Radikallösung ab, aus den zwei getrennten Geschichten eine gemeinsame Geschichte und so mit Gewalt eine ›gesamtdeutsche‹ Identität zu konstruieren, bietet sich außer dem vergleichenden Ansatz die Möglichkeit an, »nach Beziehungen und Wechselwirkungen, Verflechtungen und Abgrenzungen zwischen den beiden deutschen Entwicklungen zu fragen«.5 Dies empfiehlt sich auch im Hinblick auf die Geschichtswissenschaft, wo die Existenz der ›Kollegen‹ östlich der innerdeutschen Grenze eine stete Herausforderung darstellen musste. Werner Conze ist hierfür ein gutes Beispiel. Wenn nun das Augenmerk auf die west-östlichen Momente seines Werdegangs als bundesrepublikanischer Historiker gelenkt wird, soll es jedoch nicht allein um seine Beziehungen mit der DDR und ihrer Geschichtswissenschaft gehen, sondern gleichzeitig um sein Verhältnis zum Ostblock überhaupt. Letzteres ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund seiner persönlichen Vergangenheit als junger Historiker im Dritten Reich von besonderem Interesse. Schließlich war er damals dem osteuropäischen Raum mit einer Grundhaltung von zivilisatorischer Überlegenheit und Geringschätzung gegenübergetreten, die streckenweise Züge eines ethnopolitischen Kolonialismus angenommen hatte (vom Krieg ganz zu schweigen). Aufmerksamkeit verdient daher, wie sich seine Sichtweisen nach 1945 durch die Etappen von Kaltem Krieg und neuer Ostpolitik hindurch fortentwickelten. 186

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Sein zentrales politisches Anliegen in diesem Zusammenhang war die Überwindung der deutschen Teilung. Ihr arbeitete er auch im westdeutschen Kontext geschichtspolitisch entgegen. Insofern ist das folgende Streiflicht auf Conze im Spannungsfeld zwischen West und Ost auf die Vermengung seiner drei hierbei nicht voneinander zu trennenden regionalen Bezugsgrößen – Bundesrepublik, DDR und Osteuropa – und damit seiner deutschland- und ostpolitischen Aktivitäten angelegt.

1. Kalter Krieg »Der Blick weitete sich im Mai 1945 erst allmählich von den Erfordernissen persönlichen Überlebens zu Teilausblicken in die neue politische Umwelt.«6 Was Conze hier Ende der sechziger Jahre über Jakob Kaiser (1888–1961) schrieb, ließe sich auch auf ihn selbst anwenden. Ansonsten sind der Analogie zwischen dem Historiker und dem um gut zwanzig Jahre älteren Gewerkschafter und Politiker enge Grenzen gesetzt. Schließlich hatte sich der aus der christlichen Gewerkschaftsbewegung stammende Kaiser im Dritten Reich – anders als Conze – nicht systemkonform verhalten und stattdessen den Widerstand gewählt. Nach der Befreiung durch russische Soldaten gehörte er zu den Mitbegründern der CDU in der sowjetisch besetzten Zone und entwickelte sich als Vertreter des linken, sozialkatholischen Flügels der Partei von Berlin aus zum »beharrlichsten innerparteilichen Gegner« Konrad Adenauers. Im Widerspruch zu dessen erfolgreicher Politik der Westintegration und Abgrenzung nach Osten entwickelte er sein letztlich gescheitertes ›Brücke-Konzept‹. Demnach sollte das ungeteilte und blockfreie Deutschland die ideologischen Gegensätze zwischen Ost und West überbrücken. Als Minister für gesamtdeutsche Fragen (von 1949 bis 1957) wurde er von Adenauer auf ein Feld gelenkt, »wo in der schärfsten Spannungsphase des Kalten Krieges wenig Gestaltungsmöglichkeiten gegeben waren«.7 Was hat all das mit Werner Conze zu tun? Dieser fand in Jakob Kaiser eine zentrale politische Identifikationsfigur. 1969 widmete ihm der Historiker, der sich im Zuge seiner sozialgeschichtlichen Ausrichtung selten historischen Einzelpersonen zuwandte, eine empathische Teilbiographie. Der Untertitel des Buches, »Politiker zwischen Ost und West«, deutet die Richtung an, in die auch Conze sich bewegte. So bemühte auch er sich über die Jahre immer wieder, eine Brücke zwischen West und Ost zu bauen. In der unmittelbaren Nachkriegszeit stellten sich jedoch die Bedingungen für einen Brückenbau über die politischen Hemisphären hinweg auch für ihn als äußerst ungünstig dar. Wo schon für den vom Osten Berlins aus agierenden Kaiser 1948 »keine andere Möglichkeit mehr übrig [blieb], als sich für den Westen zu entscheiden, da es im Osten nur Unterwerfung und mit dem Osten 187

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keine Partnerschaft mehr geben konnte«,8 galt dies für seinen Biographen, der im britisch verwalteten Niedersachsen untergekommen war, um so mehr. Conzes im Dezember 1948, also vier Monate vor der Gründung der NATO verfasstes CIA-Memorandum über die »atlantische Expansionsrichtung der SU und die skandinavische Politik« liest sich als klares Bekenntnis zum Westen. Nach einer historischen Rückschau auf den »400–500 Jahre alt[en]« »russische[n] Druck auf Skandinavien« warnte er hier vor der »seit dem 15. Jahrhundert immer wieder und immer gleich bewiesenen Zähigkeit und Starrheit der Zielsetzung in der expansiven russischen Außenpolitik, die sich im Bolschewismus nur durch verschärfte und teilweise veränderte Taktik, nicht aber grundsätzlich verändert« habe. Der in der Ostforschung geschulte Historiker, der es sich an dieser Stelle auch nicht versagte, den »lang anhaltenden Widerstand, den die deutsche und finnische Wehrmacht den Bolschewiken« geleistet hätten,9 zu würdigen, befand sich also in der Metamorphose vom Volkstumskämpfer zum kalten Krieger. In der Geschichte seiner Infanteriedivision schlug er fünf Jahre später aus der Sicht des Wehrmachtsveteranen den Bogen in die politische Gegenwart: »Die alten Soldaten wissen, dass Hitler sie mißbraucht hat; sie wissen aber auch, dass sie im Osten gegen einen Gegner gestanden haben, der heute wieder auf der Lauer liegt, um neue Sklaven zu gewinnen.«10 Im April 1956 hielt er auf dem 6. Bundesparteitag der CDU in Stuttgart einen Vortrag über die »Grundlagen und Ziele der sowjetischen Politik«. An kaum einer anderen Stelle sollte er sich so konkret als politischer Berater im Kalten Krieg betätigen wie hier. Für die Einladung des Historikers hatte sich der mittlerweile achtzigjährige Adenauer aus einem für ihn typischen füchsischen Kalkül heraus persönlich stark gemacht.11 Wenn Conze nun zur führenden Regierungspartei zwar ausdrücklich als »nicht parteigebundener Historiker« sprach, ließ er doch gleichzeitig keinen Zweifel daran, dass »kein Kreis […] dazu besser geeignet« wäre, »als der zehnjährige Parteitag der großen deutschen Partei, die den Aufstieg des Provisoriums der Bundesrepublik als Vorbereitung für ein wiedervereinigtes Deutschland so wesentlich bestimmt« habe. Bei seiner streckenweise recht drastischen, der Sache nach aber ja gerechtfertigten ideologiekritischen Generalabrechnung mit dem großen »Feind« im Osten,12 kam es ihm vor allem darauf an, die Kontinuität der »sowjetrussischen Geschichte von Lenin über Stalin zu Chruˇscˇ ov und seinem Führungskollektiv stärker zu betonen, als die Wandlungen, die sich seit Stalins Tod vollzogen« hatten. Es war ihm wichtig, auf die menschlichen Gemeinsamkeiten mit dem russischen »Volk« zu verweisen. Dieses sei für seinen Teil »der dauernden Überforderung abhold, die sich aus dem weltpolitischen Anspruch Moskaus« ergebe. Daraus resultierende Tendenzen der Entideologisierung gelte es von westlicher Seite nicht zuletzt dadurch zu fördern, dass »ausdrücklich allen Resten einer Kreuzzugsideologie gegen den Bolschewismus abgesagt« werde. In einem »wirklichen Zusammenleben gegenseitiger Achtung ohne Hinterge188

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danken« sah er auch die Voraussetzung für die »deutsche Wiedervereinigung« als dem »wesentliche[n] Teilstück einer allgemeinen Entspannung«. Die in diesen Ausführungen anklingende Zuversicht zog er aus der Vorbildfunktion der »alten Industrieländer« wie der Bundesrepublik, wo der »Proletarier von einst […] längst in die Gesellschaft eingebürgert und damit verschwunden« sei. Wenn er insofern die »bolschewistische Analyse des angeblichen kapitalistischen Systems« als »falsch« beurteilte,13 konnte er sich auf Ergebnisse der Arbeiterbewegungsgeschichte stützen, mit der er selbst zu jener Zeit die westdeutsche Sozialgeschichte in Fahrt brachte. Der ihr zugrundeliegende erkenntnisleitende Impetus – und hier kommt der »umgekehrte Kausalzusammenhang«14 ins Spiel – formte sich aber wiederum gerade auch in der Konfrontation mit der sozialistischen Geschichtsauffassung. Und um diese kennenzulernen, brauchte Conzes Blick nun nicht bis nach Moskau zu schweifen. Der wissenschaftspolitische Konflikt zwischen den Historikern der Bundesrepublik und der DDR war schließlich bereits zu vollem Ausbruch gekommen, als er 1956 vor Delegierten des CDU-Parteitags sprach. Während die DDR-Geschichtswissenschaft ihre »eigentliche raison d’être« in der »erfolgreichen Abgrenzung von der westdeutschen Konkurrenzhistorie« fand,15 galt das umgekehrt nicht. Dennoch war die Existenz einer spezifisch ostdeutschen Historie über die Jahrzehnte hinweg ein Stachel im Fleisch der westdeutschen Historiker. Die Geschichte der deutsch-deutschen Teilung in der historischen Disziplin ist »als Prozeß der wechselseitigen Abstoßung und Annäherung« zu begreifen.16 Dabei hinkte die institutionelle Spaltung der deutschen Geschichtswissenschaft der staatspolitischen Teilung hinterher. Zwar war in der SBZ schon seit 1945 damit begonnen worden, Forschung und Lehre durch personelle und strukturelle Eingriffe in marxistisch-leninistischem Sinne hegemonial umzugestalten,17 doch galt der 1948 neugegründete Verband der Historiker Deutschlands (VHD) auch nach den beiden Staatsgründungen vorerst weiterhin als gesamtdeutsche Repräsentation des Faches. Der nun stetig voranschreitende »Zerfall der historischen Ökumene« (Sabrow) lässt sich an den Historikertagen der folgenden Jahre erkennen.18 Während schon auf der ersten Nachkriegstagung im September 1949 in München von den über 200 Teilnehmern nur neun aus dem Osten kamen, waren es zwei Jahre später in Marburg gerade noch zwei, die zudem als bürgerliche Relikte einen repräsentativen Status weder beanspruchen konnten noch wollten.19 Insofern kam dem Bremer Historikertag von 1953, zu dem bei einer Gesamtteilnehmerzahl von 700 immerhin 63 DDR-Historiker angereist waren, besondere Bedeutung zu. Wie der Tagungsbericht vermerkt, hatte Gerhard Ritter sie als scheidender Verbandsvorsitzender »unter Betonung der gesamtdeutschen Aufgabe des VHD« als »›Kollegen und Freunde, Brüder und Schwestern aus der DDR‹« begrüßt und »bei aller Freude und tiefen Befriedigung über ihre Anwesenheit« hervorgehoben, »dass der Historikertag keine politische Kundge189

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bung, auch keine Festtagung, sondern eine wissenschaftliche Arbeitstagung sein solle«.20 Als solche verlief die Veranstaltung insgesamt im Großen und Ganzen auch ohne größere Reibereien. Lediglich bei Otto Brunners Vortrag über das »Problem einer europäischen Sozialgeschichte« stießen die Positionen deutlich aufeinander. So trat nach Auskunft der FAZ der an der Ostberliner HumboldtUniversität lehrende Heinz Kamnitzer »für eine sozialgeschichtliche Betrachtungsweise im Sinn des dialektischen Materialismus ein, die von Professor Brunner unter dem Beifall der Zuhörer mit aller Entschiedenheit abgelehnt wurde«.21 In diesem Zusammenhang musste sich auch Conze als Diskussionsteilnehmer Kritik gefallen lassen. Ausgerechnet seine »Absonderung der russischen Agrarverfassung« vom westeuropäischen Modell nahm der Jenaer Historiker Felix-Heinrich Gentzen als Beispiel für die »bedenklichen Schlußfolgerungen«, zu denen die »falsche Trennung von ost- und westeuropäischer Sozialgeschichte« verleite.22 Der so kritisierte Conze schrieb einen Monat später an Hans Rothfels, dass »die Art und Weise, wie die Sowjetzone vertreten war und begrüßt wurde«, »peinlich« gewesen sei.23 Seine ablehnende Haltung gegenüber den ostdeutschen Vertretern des Faches war dabei der Erinnerung eines solchen zufolge bereits in Bremen offensichtlich geworden: »›Das sind doch gar keine Historiker, sondern nur politische Agitatoren‹, hörte ich Werner Conze beim Herausgehen aus einer der Sitzungen einem seiner Assistenten antworten, der ihn gefragt hatte, was er denn von den Leuten aus der DDR halte.«24 Die antagonistische Haltung Conzes steigerte sich, als im Frühjahr 1954 im sechsten Heft des ersten Jahrgangs der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft eine ausführliche Generalkritik über den Historikertag erschien. Neben anderen Rednern wurde in dem neuen Sprachrohr der DDR-Historie besonders heftig Theodor Schieder attackiert, der in Bremen einen Vortrag über die Krise des bürgerlichen Liberalismus gehalten hatte. Besonders unangenehm war für Schieder dabei, dass der Verfasser der Kritik, Heinz Kamnitzer, es sich nicht nehmen ließ, Zitate von ihm aus den dreißiger und vierziger Jahren anzuführen, die eine völkisch-herrenmenschenhafte Einstellung gegenüber Osteuropa zum Ausdruck brachten. Hiermit war ein wunder Punkt berührt, der auch weit über die Person Schieders hinaus Besorgnis im Kreise der westdeutschen Historiker erregen musste. Freilich wurde die an sich berechtigte Heranziehung der braunen Vergangenheit, die der DDR-Historie für die kommenden Jahre scharfe moralische Munition in die Hand gab, hier in fragwürdiger Weise politisch instrumentalisiert. So bewiesen Schieders Ausführungen in Bremen für Kamnitzer, »dass er die gleichen Grundsätze, die 1945 ihr grauenvolles Fiasko in der Praxis erlebten, beibehalten« habe. Sie wirkten dabei »heute nachgerade wie eine Begründung für politische Sicherheitsmaßnahmen seitens der Bonner Bundesregierung angesichts der [sic] außerparlamentarischen und 190

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parlamentarischen Widerstandes gegen den deutschen Militarismus und Faschismus.«25 Als Schieder sich daraufhin in einem Schreiben an Ritters Nachfolger im Verbandsvorsitz, Hermann Aubin, unter Nachweis bewusster Falschzitierung über die »skrupellose, jeder wissenschaftlichen Gesinnung hohnsprechende Berichterstattung« beklagte und meinte, dass der Herausgeberkreis dieser Zeitschrift »kein Gesprächspartner« sei, »mit dem wir uns, ohne unseren Namen und unser Ansehen zu gefährden, noch einmal an einen Tisch setzen können«,26 sekundierte ihm Conze wie folgt: »Zunächst muß ich Dir sagen, dass ich Deiner ›Bombe‹ für den Hist. Verband voll zustimme. […] Ich frage mich immer, woher ausgerechnet Historiker solche Naivität aufbringen können, die Frage unserer kommunistischen ›Brüder‹ nicht zu begreifen. Es ist m.E. genau so viel Angst wie Harmlosigkeit dabei. […] Hoffentlich ringt man sich da zu einer klaren Stellung durch. Andernfalls ist die Taktik von Kamnitzer und Genossen schon weithin geglückt, uns in friedliebende Humanisten und imperialistische Agressoren [sic] einzuteilen.«27 Während es noch vier Jahre dauerte, bis durch die Gründung der DDR-eigenen Deutschen Historiker-Gesellschaft im März 1958 und die »spektakuläre Abreise der am Reden gehinderten DDR-Delegation« vom Trierer Historikertag sechs Monate später die »letzten institutionellen Brücken zwischen den beiden deutschen Geschichtswissenschaften abgebrochen« wurden,28 hatte Conze bereits 1954 eine klare Frontstellung bezogen. Im selben Jahr geriet er auch erstmals persönlich in das Visier der ZfG, als sein Name neben anderen westdeutschen Historikern genannt wurde, die es in der Tradition der NS-Ostforschung »übernommen« hätten, »den geplanten und in Vorbereitung befindlichen Angriff der Imperialisten gegen die Sowjetunion und die Volksdemokratien, der als ein Bruderkrieg Deutscher gegen Deutsche beginnen würde, im voraus zu rechtfertigen«.29 Derartige Vorwürfe waren in ihrer Gegenwartsdiagnose derart haltlos, dass es für die Betroffenen leicht war, mit ihnen gleichzeitig auch die Verweise auf ihre real existierenden Tätigkeiten in der Ostforschung vor 1945 dem Konsens des Schweigens zu überantworten.30 Von Conze, der für seinen Teil jeglichen imperialistischen Angriffsgelüsten fernstand, ist jedenfalls keine Reaktion darauf zu finden. Erhöhte Aufmerksamkeit widmete er da dem Forschungstrend, der sich durch jenen »Vormarsch der marxistischen Geschichtsforschung auf breiterer Front« etablierte, wie er in der DDR – laut der ersten größeren Bestandsaufnahme von dort – »erst mit dem Jahr 1955 begann«: der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Diese betrachtete man in der DDR nicht als »eng begrenztes ›Ressort‹«, sondern als »einen integrierenden und entscheidenden Bestandteil der nationalen Geschichte«.31 Conze selbst hatte zu jener Zeit bereits erste Gehversuche auf diesem Gebiet unternommen. Dafür, dass sein 1953 verfasster Pionieraufsatz über die sozial191

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geschichtlichen Voraussetzungen für den Sozialismus in Deutschland als Reaktion auf die sich zu jener Zeit noch in einer eher unklaren Verfassung befindende DDR-Historie entstand, fehlt jeglicher Hinweis. Andererseits war schon hier seine betonte Absage an ein marxistisches Geschichtsverständnis deutlich geworden, wenn er das Proletariat als historisch überholtes Konzept darstellte.32 Daher musste er die geschichtswissenschaftlichen Anstrengungen der DDR, die in gegensätzlicher Absicht der »Arbeiterklasse die historische Mission« zuwiesen, »den Kapitalismus zu beseitigen und eine von Ausbeutung und Anarchie befreite sozialistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu errichten«, kritisch betrachten.33 Davon zeugt die Tatsache, dass er zwischen 1955 und 1963 regelmäßig in der Zeitschrift »Das Historisch-Politische Buch« die zu jener Zeit sprudelnden ostdeutschen Quelleneditionen zur Geschichte der Arbeiterbewegung besprach. Hierbei vergaß er nie, den propagandistischen Charakter zu bemängeln, der die jeweilige Einleitung und Auswahl kennzeichnete.34 So lässt sich die Arbeitergeschichte, die Conze seit Ende der fünfziger Jahre von Heidelberg aus in seinem Schülerkreis anregte und auch selbst in eingeschränktem Maße mittrug, immer auch als bewusste Abgrenzung von den zeitgenössischen Tendenzen der DDR-Geschichtsschreibung auf diesem Gebiet und ihren politischen Implikationen verstehen. Man stand eben vor der Aufgabe, »dem massenhaft herauskommenden Schrifttum in deutscher Sprache, das von der SED gesteuert wird, historische Untersuchungen bewusster Unparteilichkeit entgegenzusetzen«.35 Darauf, wie seine Forschungsbeiträge später auf ostdeutscher Seite als westdeutsche Parteinahme aufgenommen wurden, ist weiter unten noch zurückzukommen. Hier lässt sich festhalten, dass er frühzeitig vom Konkurrenzverhältnis zur DDR-Historie beeinflusst wurde. Seine wissenschaftliche Neubesetzung des arbeitergeschichtlichen Feldes war zwar ihrem Ursprung nach keine Reaktion auf die andere deutsche Geschichtswissenschaft, doch wirkte diese bald als eine elementare Triebkraft. Insofern kam der negativen Beziehung der gegenseitigen Abgrenzung in diesem Fall auch eine positive Rolle zu, als sie die Klärung und Weiterentwicklung eigener Positionen voranbrachte. Unterdes gaben die politischen Ereignisse in der DDR den antimarxistischen Prämissen der Arbeitergeschichte Conzes eher recht als den marxistischen derjenigen seiner ostdeutschen Kontrahenten. Als am 16. Juni 1953 einige hundert Ostberliner Bauarbeiter aus Protest gegen eine von der Regierung angeordnete Normerhöhung auf die Straße gingen, war dies nur der Auftakt zu dem Aufstand, der in den Tagen darauf das SEDRegime in seinen Grundfesten erschüttern sollte. Nur durch den gewaltsamen Einsatz des sowjetischen Militärs gelang es den Machthabern, die kommunistische Diktatur zu erhalten, gegen die Hunderttausende von Ostdeutschen aufbegehrten. Über zweihundert Demonstranten wurden dabei getötet, mehr als hundert später standrechtlich erschossen. Es war dies alles in allem ein eher 192

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spontaner und wenig zielgeleiteter Ausbruch von materieller Unzufriedenheit und politischer Frustration, kaum die »erste Massenerhebung gegen ein totalitäres Regime in der Geschichte«,36 wie es die nachträgliche Sinnstiftung glauben machen möchte. Nationale Belange wie die Einheit Deutschlands spielten – wohl auch aufgrund der Wiedervereinigungsrhetorik der SED – nur eine »geringe Rolle«.37 Gleichwohl musste es für die Aufständischen eine herbe Enttäuschung sein, dass man aus der Bundesrepublik keinerlei praktische Unterstützung erfuhr. Hier war man darauf bedacht, die von Adenauer durchgefochtene Staatsräson der Westintegration nicht aufs Spiel zu setzen. Sie schloss in der weltpolitischen Krisensituation des Kalten Krieges nach dem Tod Stalins im März 1953 jegliche Intervention aus.38 In der Bundesrepublik waren die Ereignisse, die bald einer komplexen geschichtspolitischen Instrumentalisierung anheimfielen, sofort ein Medienereignis ersten Ranges. Um die Stimmung einer »kollektiven nationalen Aufwallung« in der Bevölkerung politisch aufzufangen,39 einigte sich die große Parlamentsmehrheit bald auf die Schaffung eines offiziellen »Tages der deutschen Einheit«. Was dessen inhaltliche Deutung anging, konnte von Einheit von vornherein keine Rede sein. Während für die SPD, von der die Initiative ursprünglich ausgegangen war, der Nachweis der nationalen Treue von Seiten der Arbeiterschaft im Mittelpunkt stand, sah die FDP den Liberalismus im Geiste der von ihr für sich in Anspruch genommenen 1848er-Tradition bestätigt. Doch setzte sich aufgrund der realen Mehrheitsverhältnisse die CDU-Linie Konrad Adenauers durch. »Im Schutz des 17. Juni« – so Edgar Wolfrum in seiner Untersuchung zur bundesrepublikanischen Geschichtspolitik – »trieb der Bundeskanzler die Westintegration voran. Antikommunistisch unterfüttert erlangte die Politik der Stärke und der Westintegration Volkstümlichkeit, flankiert von kompensatorischen nationalen Beschwörungsformeln, die den antinationalen Westkurs deklamatorisch abfederten.«40 In den Händen der führenden Regierungspartei lag vorerst auch die Auswahl passender Festredner für die von nun an alljährlich stattfindende Feierstunde zum 17. Juni im Bundestag. Mit Gerhard Ritter wurde 1955 erstmals ein Historiker eingeladen. Der zweite Vertreter des Faches, dem die Ehre der Mitwirkung am Staatsakt im Bonner Plenarsaal zuteil wurde, war vier Jahre später Werner Conze.41 Er stand damit in einer Reihe angesehener konservativer Köpfe des politischen und kulturellen Lebens Westdeutschlands. Vor ihm hatten außer Ritter der Bundestagsabgeordnete Franz Böhm, der Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier (beide CDU), der Bonner Philosoph Theodor Litt und der bayerische Ministerpräsident Hans Seidel (CSU) gesprochen.42 Die Feierstunde begann mit einer kurzen Ansprache Adenauers, in der er ein Grußwort des amerikanischen Botschafters verlas. Er sah es als »Unterpfand« dafür, »dass eines Tages mit Hilfe der Vereinigten Staaten und aller der Länder, die die Freiheit lieben, der Tag kommen wird, an dem alle Deutschen wieder193

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vereinigt der Freiheit und dem Recht dienen« könnten. Wenn schon hier die Betonung der Westanbindung mit einem Aufschub der Wiedervereinigung in eine fernere Zukunft einherging, wich auch Conze in seiner breit angelegten Lageanalyse nicht grundsätzlich von dieser Devise ab. Er verlieh dabei nicht nur seiner Solidarität mit den »Menschen der Zone«,43 sondern auch der Zuversicht Ausdruck, dass »die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der Sowjetunion in der Welt weiterhin abnehmen« würden. Gleichzeitig wollte er die »bekannten Methoden der Zersetzung und der Einschüchterung im Nervenkrieg« nicht verharmlosen, mit denen von sowjetischer Seite »die moralische Widerstandskraft in West-Berlin und in Westdeutschland zersplittert werden« solle. Insgesamt gelte es daher »die Nerven zu behalten und warten zu können in einer Situation, in der gewartet werden muß, ohne dass dies Untätigkeit oder Resignation bedeutet«. Ein gewisser Abstand zu Adenauer äußerte sich darin, dass er am Ende seiner Rede betonte, dass Deutschland »weder an einer Lösung mit dem Westen auf Kosten Rußlands, noch an einer Lösung mit Rußland auf Kosten der westlichen Mächte interessiert« sei, und die deutsche Politik demzufolge »alles zu tun« habe, »um die Entspannung, Entideologisierung und Entmilitarisierung der großen Blöcke ohne Ungeduld und ohne Illusionen herbeiführen zu helfen«.44 Conzes Ausführungen bei dem Staatsakt wurde nicht nur im Westen, sondern auch im Osten Deutschlands Aufmerksamkeit zuteil. Als die FAZ eine Woche später eine gekürzte Fassung seines Vortrags unter dem Titel »Die Zeit durchlöchert den Eisernen Vorhang« veröffentlichte,45 begegnete die Leipziger Volkszeitung dem mit einer ganzseitigen Polemik. Das Blatt bezeichnete es eingangs als beachtlich, »mit welch gefährlicher Primitivität und mit welch plumpen Lügen dieser Gelehrte die bankrotte Atomkriegspolitik seines Kanzlers ›wissenschaftlich‹ einsalbt«; es folgte eine Zusammenstellung von Aussagen, mit denen »Arbeiter aus sozialistischen Brigaden« dem »westzonale[n] Historiker« die »geistige Fehlgeburt« seiner Ansichten zur Ideologiemüdigkeit der Ostdeutschen vor Augen führen sollten.46 Derlei Invektiven, die in Form der auf dem Artikel aufbauenden ZfG-Rezension seines Buches »Polnische Nation und deutsche Politik im Ersten Weltkrieg« bald eine direkte Fortsetzung auf fachlicher Ebene fanden,47 konnten Conze nicht davon abhalten, sich vor Ort selbst ein Bild vom gegenwärtigen Zustand der DDR zu machen. Den Rahmen hierfür bot eine Heidelberger Professorendelegation an die Leipziger Karl-Marx-Universität im Frühjahr 1960. Ihr kommt als erster und für lange Zeit einziger ihrer Art ein paradigmatischer Charakter in Bezug auf den Stand der damaligen akademischen Beziehungen zwischen Ost und West zu. Die Einladung nach Leipzig war eine Reaktion auf den Boykott der 550-JahrFeier der dortigen Universität durch die westdeutsche Rektorenkonferenz. Nachdem der Leipziger Rektor Georg Mayer im November 1959 für die ost194

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deutschen Hochschulen das Bemühen um »die Aufrechterhaltung und den Ausbau der wissenschaftlichen und menschlichen Kontakte zu ihren westdeutschen Schwesteruniversitäten« in Anspruch genommen hatte,48 war es seinem Heidelberger Gegenpart, dem späteren baden-württembergischen Bildungsminister Wilhelm Hahn, kaum möglich, die Einladung zu einem späteren Besuch abzulehnen. Doch stellte er umgehend klar, dass die Annahme »weder eine politische Anerkennung der sogenannten DDR noch eine Anerkennung der in den letzten Jahren in der Universität Leipzig getroffenen Maßnahmen bedeuten« könne.49 Der Besuch sollte durch Vorträge der westdeutschen Besucher von vornherein einen wissenschaftlichen Charakter tragen. Nach längerem Hin und Her einigte man sich dann auf drei volle Tage Ende März 1960;50 die Delegation bildeten außer Rektor Hahn noch acht weitere Dozenten, darunter neben Werner Conze der Ökonom Helmut Meinhold und der Philosoph Dieter Henrich.51 Eingedenk des Umstandes, »dass zwischen Gastgebern und Gästen ein klarer Stilunterschied im Denken und Verhalten« bestünde, sahen die Heidelberger den Zweck der Reise nicht zuletzt darin, »die Studenten der KarlMarx-Universität mit der Art und dem Stand der wissenschaftlichen Forschung und Lehre in Heidelberg auf dem Gebiet einzelner Disziplinen bekannt« zu machen.52 Ob zumindest dieses Ziel in Erfüllung gegangen ist, lässt sich nicht feststellen. Insgesamt war der Ertrag des Treffens jedenfalls eher bescheiden. So formulierte die Heidelberger Delegation das Ergebnis der Besprechungen in Leipzig in Übereinstimmung mit dort dem verfassten Kommunique dahingehend, »dass sich die Gesprächspartner in allen grundsätzlichen Fragen nicht einigen konnten. Was Wissenschaft ist, welchen Einfluß die Politik, nämlich die Partei, auf die Hochschulen haben darf, was akademische Freiheit bedeutet und was Persönlichkeit ist, das alles wurde verschieden beurteilt.« Immerhin betonte man, »mit großer Gastfreundschaft« aufgenommen worden zu sein und ein gegenseitiges »Gefühl der menschlichen Achtung« erzeugt zu haben.53 Wie kaum anders zu erwarten, geriet das Unternehmen sofort in die publizistischen Mühlen der innerdeutschen Auseinandersetzung. Während ErnstOtto Maetzke in der FAZ schon während des »ungemütliche[n] Zusammentreffen[s]« in Leipzig vor der »faktisch zugestandenen Gleichrangigkeit von kommunistischen Bildungsfunktionären mit westdeutschen Universitätsrepräsentanten« gewarnt und dadurch dem ostdeutschen »forum« die willkommene Vorlage für eine Polemik gegen die »Haß säende Westpresse« geliefert hatte, lobte die Süddeutsche Zeitung die »Heidelberger Rückkehrer« dafür, in der »Höhle des Löwen« die »Überlegenheit des freien Geistes über die Ideologie bewiesen« zu haben.54 Letzteres Urteil entsprach am ehesten dem selbstbewussten Resümee, das Conze zwei Wochen später Reinhard Wittram übermittelte: »Wir brauchen es gewiß nicht zu bereuen, dass wir gefahren sind. Viele haben es uns dort gedankt, und die innere Brüchigkeit der ›ideologischen 195

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Front‹ der SED-Universität wurde eindrucksvoll offenbar.«55 Dennoch war auch hier abermals klar geworden, dass deutsch-deutsche Kontaktaufnahmen konkret einstweilen wenig mehr bewirken konnten als gegenseitige Abgrenzung. Mit dem Bau der Berliner Mauer wurde im August 1961 auch das letzte Schlupfloch im Eisernen Vorhang, dessen stetige Durchlöcherung Conze noch zwei Jahre zuvor beschworen hatte, endgültig geschlossen. »In den beiden deutschen Staaten lebten nun zwei kommunikativ getrennte Gesellschaften, die hinfort ihre je eigene Entwicklung durchmachten.«56 In Anbetracht dessen blieb den gesamtdeutsch Orientierten in Westdeutschland nur die Möglichkeit, das Ziel der deutschen Einheit weiterhin in der Öffentlichkeit präsent zu halten. Zu eben diesem Zweck war schon ein Jahr nach dem 17. Juni 1953 das Kuratorium Unteilbares Deutschland gegründet worden. Es handelte es sich um eine durchaus heterogene parteiübergreifende Sammlungsbewegung, die von dem Ziel zusammengehalten wurde, »in der deutschen Frage nicht zu resignieren, sondern die Bevölkerung zu mobilisieren, das Postulat der Wiedervereinigung emotional zu verankern und einen nationalpolitischen Stillstand zu verhindern«. Die Initiatoren – allen voran Jakob Kaiser (CDU), Herbert Wehner (SPD) und Thomas Dehler (FDP) – waren von der Erkenntnis geleitet, dass der Aufstand in der DDR vor allem den antinationalen Kurs Adenauers gestärkt und der »Tag der deutschen Einheit« insofern de facto geschichtspolitisch die deutsche Zweiheit gefestigt hatte. Dies war bereits in den Bundestagswahlen vom September 1953 deutlich geworden, aus denen die CDU – und mit ihr der Kanzler – als haushoher Gewinner hervorging.57 Dass Conze sich seit den frühen sechziger Jahren im Umfeld des Kuratoriums bewegte, lässt sich als Zeichen dafür deuten, dass auch er mit der stagnierenden Deutschlandpolitik Adenauers immer weniger zufrieden war. Die erste Spur seiner Nähe zum Kuratorium ist die Buchreihe »Die deutsche Frage in der Welt«, die er seit 1963 gemeinsam mit dem langjährigen Geschäftsführer der Vereinigung und ehemaligen Sekretär Jakob Kaisers, Wilhelm Wolfgang Schütz, und weiteren Gründungsmitgliedern wie dem SPD-Politiker Carlo Schmid und dem Braunschweiger Historiker Georg Eckert herausgab. Auf regionaler Ebene wurde Conze zudem im Heidelberger Ortskuratorium aktiv, dessen Vorsitz er im Sommer 1966 übernahm. Dort gab man sich nach seiner Ernennung optimistisch, dass er »eine Form der Arbeit« garantieren würde, »die außerhalb von Betriebsamkeit und Routine verlaufen wird«.58 Seine erste Amtshandlung bestand darin, aktuellen Äußerungen des Philosophen Karl Jaspers entgegenzutreten,59 mit denen dieser seine bereits 1960 erhobene Kritik am nationalen Wiedervereinigungsdogma erneuert hatte.60 Sonst ging es während seines dreijährigen Vorsitzes hauptsächlich um die Organisation der lokalen Feierlichkeiten zum 17. Juni. Der stieß in der Bevölkerung, zumal bei den Studenten, auf immer weniger Interesse. In Anbetracht dessen sprach sich 196

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Conze, der die deutsche Teilung im Verlauf der sechziger Jahre auch wiederholt zum Thema von Lehrveranstaltungen an der Heidelberger Universität machte,61 im Herbst 1967 dafür aus, den arbeitsfreien Feiertag als solchen aufzuheben und in einen Gedenktag umzuwandeln, an dem wieder regulär gearbeitet werden würde – freilich ohne Erfolg.62 Insgesamt erzielte er mit seiner praktischen Tätigkeit für das Kuratorium auf lokaler Ebene nur wenig Breitenwirkung. Dafür gelang es ihm mit seinen biographischen Forschungen zu Jakob Kaiser, Akzente in der deutschlandpolitischen Debatte zu setzen. Nach dem Tod des innerparteilichen Konkurrenten Adenauers im Frühjahr 1961 war in seinem politischen Umfeld bald das Verlangen nach einer umfassenden Biographie aufgekommen, die ihn vor dem Vergessen bewahren sollte. Allen voran galt dies für die Witwe Elfriede Kaiser-Nebgen und seinen alten Berliner Mitstreiter, den CDU-Abgeordneten und zeitweiligen Bundesminister Johann Baptist Gradl, die beide von Beginn an aktiv im Kuratorium Unteilbares Deutschland mitarbeiteten. In diesem Rahmen war wohl auch die Verbindung zu Conze zustande kommen. Jedenfalls war er es, der seinen früheren Münsteraner Schüler Erich Kosthorst zum Verfassen der Kaiser-Biographie anregte und seit 1963 mit dem dritten Band über Kaisers Politik zwischen 1945 und 1949 selbst einen entscheidenden Teil der Darstellung übernahm.63 Dass sich die Fertigstellung des Bandes entgegen Conzes ursprünglicher Absicht und trotz tatkräftiger Unterstützung von Kaiser-Nebgen und Gradl64 dabei um fünf Jahre verzögerte,65 hatte immerhin den Vorteil, dass er in der Zwischenzeit zu den ersten beiden Bänden der Adenauer-Memoiren Stellung nehmen konnte. An diesen bemängelte er 1967, dass »der Kampf Jakob Kaisers um die Behauptung nationaldeutscher Politik von Berlin aus« ebenso verschwiegen werde wie die Rolle, »die Adenauer diesem Versuch gegenüber gespielt« habe. Andererseits kam er jedoch nicht umhin, die Politik des Kanzlers als letztlich richtig und erfolgreich zu beurteilen.66 Insofern konnte er die bleibende Bedeutung von Kaisers Politik in seiner zwei Jahre später abgeschlossenen Teilbiographie dann auch nur im Bereich des Symbolischen ansiedeln. So sei »nicht durch das ›realistische‹ Stellungbeziehen deutscher Politik im Westen, sondern durch Kaisers Handeln und Scheitern im Osten […] die Situation Deutschlands erst wirklich deutlich gemacht worden«. Letztlich musste sich auch Kaiser in die »Unausweichlichkeit der westlichen Festlegung unter Adenauers Führung« ergeben.67 Mit seiner minutiösen ereignisgeschichtlichen Darstellung war es Conze nicht nur geglückt, noch lebende Zeitzeugen zu befriedigen,68 sondern auch der breiteren Öffentlichkeit das idealistische Festhalten seines Protagonisten am Postulat der deutschen Einheit durch alle realpolitischen Widerstände hindurch als dessen tragisch-heroisches Vermächtnis nahezubringen. Dem wohlgesonnenen Rezensenten der »Zeit« erschien der Band als »der dritte Akt eines 197

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großen erregenden Trauerspiels«; an anderem Ort war zu lesen: »Wenn man das Scheitern der auf hohe Ziele gerichteten Bemühungen Kaisers feststellen muß, so bedeutet das keineswegs, daß das, was scheiterte, auch falsch war.«69 Über diesen Aspekt des tragischen Scheiterns hinaus wurde dem Buch nicht zuletzt deswegen erhöhte Aufmerksamkeit zuteil, da es zu einer Zeit erschien, in der sich die ost- und deutschlandpolitischen Koordinaten der Bundesrepublik fundamental zu verschieben begannen. Am 28. Oktober 1969 hatte Willy Brandt als Bundeskanzler der neuen sozial-liberalen Bundesregierung in seiner Regierungserklärung angekündigt, »die Einheit der Nation dadurch zu wahren, dass das Verhältnis zwischen den Teilen Deutschlands aus der gegenwärtigen Verkrampfung gelöst« werde. Im darauffolgenden Frühjahr kam es bereits zum ersten Treffen Brandts mit dem ostdeutschen Regierungschef Willi Stoph in Erfurt.70 Vor diesem Hintergrund entschloss sich der »Spiegel« zu einer Veröffentlichung von Auszügen aus Conzes Kaiser-Biographie. Das Nachrichtenmagazin begründete dies wie folgt: »In einem Augenblick, da Kanzler Willy Brandt den Dialog mit dem Osten aufgenommen hat, mag die Erinnerung an einen Mann opportun sein, der ›wie kein anderer deutscher Politiker der Nachkriegsjahre versuchte, die Einheit Deutschlands zu retten‹ (Conze).«71

2. Neue Ostpolitik War es nun wirklich Conzes Absicht gewesen, mit seiner Kaiser-Studie der neuen Ostpolitik Willy Brandts historisch entgegenzuschreiben, wie es der »Spiegel« in seiner Interpretation andeutete? Ganz abwegig ist dieser Gedanke nicht – obgleich das Biographieprojekt um einiges älter war als der bundespolitische Aufstieg Brandts. Dass Conze den »ostpolitischen Immobilismus«72 der vorherrschenden CDU/CSU-Linie während der sechziger Jahre immer kritischer betrachtete, zeigt nun nicht nur seine Nähe zum als links geltenden Kuratorium Unteilbares Deutschland, dem übrigens auch Brandt von Beginn angehörte. Parallel zu seinem Engagement für die deutsche Einheit hatte er nämlich auch die Notwendigkeit einer Annäherung an die Ostblockstaaten, nicht zuletzt die Sowjetunion, erkannt und öffentlich zu verankern versucht. So war er – nach anfänglichem Zögern – seit 1960 an der Planung der »Gesellschaft Deutschland-Sowjetunion« beteiligt, die auf eine Initiative des Berliner CDUBundestagsabgeordneten Ferdinand Friedensburg zurückging.73 Nachdem die Gesellschaft im Herbst 1965 offiziell gegründet worden war, übernahm er als stellvertretender Vorsitzender den Eröffnungsvortrag über das »deutsch-russische Verhältnis im Wandel der modernen Welt«,74 der bald darauf auch als Buch erschien. Dabei gab er seiner »Besorgnis« Ausdruck, dass die »menschlichen und politischen Beziehungen der Deutschen zu den Menschen und Bür198

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gern der Sowjetunion seit Hitlers frevelhafter Zerstörung des einst engen deutsch-russischen Verhältnisses nicht wieder ins Reine gekommen« seien. »Eine notwendige »Überbrückung der trennenden Gräben« hielt Conze jedoch für alles andere als unrealistisch: »Denn die Bereitschaft zu intensiveren Beziehungen kultureller und wirtschaftlicher Art« sei »offensichtlich bei Deutschen und Russen im Wachsen begriffen«. Es bedürfe »nur des politischen Willens, solche Bereitschaft zu ermöglichen und anzureizen, vorher aber der politischen Einsicht, dass dies nicht nur menschlich bereichernd, sondern auch politisch zweckmäßig sein würde«.75 In diesem Sinne gab er auch im Frühjahr 1968 vor dem Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU die »kritische Frage« zu bedenken, »ob es nicht spätestens in der Regierungserklärung der Großen Koalition an der Zeit gewesen wäre, eine politische Entwicklung einzuleiten, durch die die Widersprüchlichkeit zwischen obsolet gewordenen Ansprüchen und offensichtlich unumkehrbaren Tatbeständen im Osten hätte aufgehoben werden können«. Eindeutig mehr nach Brandt als nach Adenauer klang auch sein folgender Befund: »Die deutsche Zwischenlage, d.h. die unausweichliche Verflechtung Deutschlands sowohl mit der westeuropäischen atlantischen wie mit der osteuropäisch russischen Welt, ist nach wie vor die Grundbedingung aller deutschen Politik.«76 Der Erinnerung seines Sohnes zufolge gab Conze bei der Bundestagswahl im Herbst 1969 Brandt seine Stimme, da er nach der Großen Koalition einen klaren Kurswechsel wollte.77 Und dennoch – ein treuer Parteigänger Brandts und seiner Ostpolitik war Conze letztlich nicht. Lag es an dem rasanten Tempo, in dem die Ostverträge 1970/71 unterzeichnet wurden, lag es an der tabubrechenden Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze durch den Warschauer Vertrag, die auf innere Hemmschwellen stieß? Wahrscheinlicher ist, dass seine Auseinandersetzung mit dem Linksradikalismus der Heidelberger Studenten zu jener Zeit den Ausschlag dafür gab, dass er sich schnell von der neuen Mitte-Links-Regierung entfremdete. Wenn Gerhard Schröder (CDU), mit dem Conze noch vier Jahre zuvor aufgrund unterschiedlicher Ansichten zur Ostpolitik überquer gelegen hatte, im März 1972 schrieb, dass die »derzeitige Politik […] – sozusagen parallel zu den Verträgen – eine unheilvolle Linksverschiebung« eröffne, und das »NEIN« zu den Verträgen somit »auch eine notwendige innenpolitische Haltung« unterstreiche,78 deckte sich das wohl mit seiner eigenen damaligen Einstellung. Sicher ist, dass Werner Conze sich im Frühjahr 1972, als die Debatte um die anstehende Ratifizierung der Ostverträge durch den Bundestag die Regierungskoalition in existentielle Bedrängnis brachte, einer Wählerinitiative von 92 Professoren für die CDU anlässlich der Landtagswahlen in Baden-Württemberg anschloss,79 vor allem auf bildungs- und hochschulpolitischen Motiven gründete.80 Zur selben Zeit hatte sein ehemaliger Assistent Hans Mommsen eine »Erklärung zur Ostpolitik« initiiert.81 Den Aufruf an die Bundestagsabgeord199

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neten, den Ostverträgen ihre Zustimmung zu geben, unterzeichneten über 200 Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologen. Hierzu zählten neben Theodor Eschenburg, Golo Mann, Helmuth Plessner und Dolf Sternberger auch eine Anzahl von Schülern und früheren Mitarbeitern Conzes (u.a. Wolfram Fischer, Dieter Groh, Reinhart Koselleck und Wolfgang Schieder). Selbst sein Königsberger Lehrer Hans Rothfels und sein alter Vertrauter Reinhard Wittram,82 denen man mangelnde Nähe zum deutschen Osten gewiss nicht vorwerfen konnte, standen auf der Unterschriftenliste.83 Werner Conze verweigerte dagegen seine Unterschrift und ließ sich auch durch ein langes Telefongespräch mit Mommsen und einen langen, daran anschließenden Brief desselben nicht umstimmen.84 Die Ablehnung des Aufrufs teilte er dabei mit Theodor Schieder und Karl Dietrich Erdmann. Während sich Schieder jedoch in einem persönlichen Schreiben an Mommsen auf noch recht elegante Weise von der Initiative distanzierte85 und Erdmann seine kritische Stellungnahme von vornherein erst zu publizieren gedachte, wenn »die im Augenblick der Niederschrift noch offene Wahl in Baden-Württemberg ebenso wie der Ratifizierungsvorgang der Ostverträge bereits der Vergangenheit angehören werden«,86 ging Conze sofort zur öffentlichen Gegenoffensive über. Gemeinsam mit sechs weiteren Historikern und Politikwissenschaftlern – es waren dies Hans-Joachim Arndt, Hans Buchheim, Hans-Peter Schwarz, Wilhelm Hennis, Richard Nürnberger und Dieter Oberndörfer – verfasste er einen Leserbrief an die Presse, in der er Inhalt und Stil der Mommsenschen Erklärung kritisierte, jedoch wohlgemerkt nicht die Ratifizierung der Ostverträge als solche.87 Wenn er in einem Begleitschreiben an FAZ-Redakteur Günther Gillessen betonte, dass es dabei »nicht um pro und contra in einer außenpolitischen Frage, die der Bundestag zu entscheiden hat«, gehe, »sondern um die Sauberkeit unserer Wissenschaft, die in erregter Zeit nicht allein von linksradikaler Seite bedroht sei«,88 war dies freilich nur die halbe Wahrheit. So bekannte er am selben Tag gegenüber dem damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Richard von Weizsäcker: »Es wäre taktisch unklug gewesen, wenn wir der Erklärung für die Verträge eine ähnlich billige Erklärung gegen dieselben entgegengesetzt hätten. Wir hoffen aber, daß Sie unsern Text politisch benutzen können und vor allem an andere, die dies tun können, weiter vermitteln würden.«89 Diese persönliche Mitteilung unterstreicht im Nachhinein, dass Hans Mommsen und Karl Dietrich Bracher alles andere als falsch lagen, wenn sie Conze und seinen Mitstreitern einige Tage nach deren Leserbrief entgegneten: »Der Vorwurf einseitiger Parteinahme ist umso erstaunlicher, als die Gegner der Erklärung zur Ostpolitik in ihren eigenen zeitgeschichtlich-politischen Veröffentlichungen vor engagiertem politischem Urteil nicht zurückscheuen. Dieser Widerspruch wird noch verblüffender, wenn man ins Auge faßt, dass 200

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sie sich derzeit für einen Wahlsieg der CDU öffentlich einsetzen, ohne bereit zu sein, zu der zentralen Frage der Ostverträge inhaltlich Stellung zu beziehen.«90 Letztlich beeinflussten die Stellungnahmen der Historiker ohnehin kaum die politischen Entscheidungsprozesse, die in den Monaten April und Mai 1972 die Bundesrepublik in Atem hielten. Drei Tage nach dem großen Wahlsieg der CDU in Baden-Württemberg am 23. April scheiterte im Bundestag das konstruktive Misstrauensvotum, mit dem Oppositionsführer Rainer Barzel Brandt zu stürzen gedachte. Nach einem zwischenparteilichen Kompromiss wurden die Ostverträge dann im Mai verabschiedet. Parteiübertritte und Korruption bestärken dabei den Eindruck, dass das Frühjahr 1972 »gewiß nicht zu den Sternstunden des deutschen Parlamentarismus« zählt.91 Auch für Werner Conze war die Kontroverse um die Ostverträge nicht gerade eine Sternstunde gewesen. Mit seiner weitgehend innenpolitisch motivierten Parteinahme für die CDU/CSU-Opposition bei dieser so entscheidenden außenpolitischen Weichenstellung stemmte er sich äußerlich einer Entwicklung entgegen, die er innerlich zu jener Zeit längst mit vollzogen hatte. In seiner Funktion als Vorsitzender des bundesdeutschen Historikerverbandes (1972–1976) trug er in den folgenden Jahren den »Wandel durch Annäherung«, dem Brandts Ostpolitik auf staatspolitischer Ebene den Weg gebahnt hatte, auf wissenschaftspolitischer Ebene dann auch unter vollem Einsatz mit. Durchaus historische Bedeutung kam dem erstmaligen Treffen westdeutscher und sowjetischer Historiker zu, das im Oktober 1973 in Mainz stattfand.92 Während die Initiative dazu auf Karl Dietrich Erdmann und dessen langjährige Tätigkeit im Internationalen Komitee für Geschichtswissenschaften (CISH) zurückgegangen war, oblag es neben dem lokalen Gastgeber Karl Otmar von Aretin vor allem Conze, für die Organisation und den »reibungslosen Ablauf der Tagung« zu sorgen, an der sich 19 deutsche und sieben russische Historiker beteiligten.93 Am Ende wichtiger als die theoretischen Diskrepanzen, die bei den unter dem Rahmenthema »Deutschland und Rußland im Zeitalter des Kapitalismus 1861–1941« laufenden Vorträgen und Diskussionen immer wieder zum Vorschein kamen, war hierbei die grundsätzliche Tuchfühlung der beiden Seiten. Der russische Delegationsleiter Aleksej L. Narotschnizkij von der Moskauer Akademie der Wissenschaften hatte das Treffen unter Hinweis auf Brandt und Breschnjew von vornherein in den Kontext der »grundsätzlichen Wendung zur Normalisierung der Beziehungen« zwischen den beiden Staaten gestellt.94 Conze und von Aretin waren als die beiden »behutsamen Vorbereiter der Tagung« so auch – in den Worten der Stuttgarter Zeitung – »mit leichter Nervosität um ungetrübte Gastlichkeit bemüht«.95 Abschließend war man sich einig, dass im »Geiste gegenseitiger Achtung« »trotz der prinzipiellen Differenzen in vielen Fragen […] über eine Reihe von Proble201

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men Übereinstimmung« erzielt worden sei, und regte die gemeinsame Überprüfung der Schulgeschichtsbücher sowie die Erleichterung der Archivbenutzung an.96 Fast gleichlautend gestaltete sich das Schlusskommuniqué, das Conze und Narotschnizkij gut anderthalb Jahre später nach der zweiten deutsch-sowjetischen Zusammenkunft, zu der 14 deutsche Historiker nach Leningrad gereist waren, verfassten. Die eher bescheidenen Ergebnisformulierungen sollten nicht dazu verleiten, die Bedeutung des Treffens (wie auch des Treffens davor) gering zu schätzen. Immerhin stand diesmal außer methodischen Fragen zur Geschichte der internationalen Beziehungen vor allem das brisante Thema des deutsch-russischen Verhältnisses während der Weimarer Republik auf der Tagesordnung.97 Dass Historiker jener beiden Länder, die sich noch dreißig Jahre zuvor blutig bekämpft hatten, überhaupt gemeinsam über derartige Fragen debattierten, wog da vorerst schwerer als etwa der »methodolog[isch]theoret[ische] Streit des Konferenzbeginns«, den Conze in seinem Schlusswort erwähnte.98 Eindeutige Fortschritte gab es offensichtlich auch im zwischenmenschlichen Bereich, wozu vor allem der Abschlussabend beitrug. Laut dem »Spiegel« hatten die sowjetischen Gastgeber »ein echt russisches Eß-, Trinkund Redefest« organisiert: »Das Essen war opulent, und Rußlands alkoholische Quellen sprudelten unentwegt: grusinische Weiß- und Rotweine und Wodka.«99 Zumal für jemanden, der wie Conze als Wehrmachtsoffizier monatelang den für hunderttausende Leningrader tödlichen Belagerungsring um die Stadt mit verteidigt hatte, musste all das bewegend wirken. Anders als bei seinem letzten Russlandaufenthalt im Kriegsjahr 1944 hatte er diesmal auch Moskau erreicht. Hier weilte er für eine Woche als Gast der Lomonossov-Universität und hielt einige Vorträge, bevor er zur Leningrader Konferenz fuhr.100 Deren Ergebnis würdigte er einem Bericht der FAZ zufolge dahingehend, »dass sich auch in strittigen Fragen ansatzweise Verstehen angebahnt habe und verhärtete Grundpositionen, aus der Nähe gesehen, oft in lebhaftem Wandel schienen«.101 Einem Wandel redete Conze auch frühzeitig gegenüber den unmittelbareren Nachbarn im Osten das Wort. So hatte er bereits 1957 in einem Vortrag auf den Hessischen Hochschulwochen betont, dass es »vor allem die deutsch-polnische und die deutsch-tschechische Nachbarschaft […] politisch und geistig zu bewältigen« gelte, und dafür »wissenschaftliche, kulturelle und nicht zuletzt menschlich-persönliche Kontakte« angemahnt.102 Während er mit Historikern aus der Tschechoslowakei wie Arnoˇst Klima, Josef Válka und dem Nationalismusforscher Miroslav Hroch bereits in der politischen Tauwetterperiode des Prager Frühlings 1967/68 akademische Beziehungen hergestellt hatte,103 dauerte es noch einige Jahre länger, bis dies auch mit polnischen Kollegen geschah. Nachdem es auf der im Frühjahr 1978 in Freiburg stattfindenden deutsch-polnischen Historikerkonferenz zum Thema »Modernisierung und nationale Ge202

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sellschaft im ausgehenden 18. und 19. Jahrhundert«, die Conze gemeinsam mit Gottfried Schramm und Klaus Zernack organisiert hatte,104 »weder dogmatische noch nationale Hemmungen« gegeben hatte,105 intensivierten sich seine Kontakte auch in diese Richtung. So nahm er – um nur ein Beispiel zu nennen – bereits im Herbst des darauffolgenden Jahres am polnischen Historikertag in Kattowitz teil. Danach schrieb er an Gerhard A. Ritter: »Jedenfalls sollten wir in der Beziehung zu den Polen am Ball bleiben. Es lohnt sich.« Und auch einem polnischen Kollegen gegenüber beteuerte er: »Die seit zwei Jahren in fruchtbarer Weise aufgenommenen Beziehungen weiterzuentwickeln, liegt sicher im beiderseitigen Interesse. Was mich betrifft, so bin ich persönlich sehr daran interessiert.«106 Der 15. internationale Historikerkongress, zu dem sich 1980 in Bukarest außer ihm noch rund 2500 andere Fachvertreter aus der ganzen Welt eingefunden hatten, gab Conze den Anlass, wenige Monate später in der »Zeit« grundsätzliche Gedanken zur Frage nach dem »Minimalkonsens zwischen der liberalen und der kommunistischen Wissenschaft« zu formulieren.107 Er bezog sich dabei auf den programmatischen Eröffnungsvortrag, mit dem Karl Dietrich Erdmann als scheidender Präsident des CISH in der rumänischen Hauptstadt seiner Leitidee einer »Ökumene der Historiker« Gehör verschafft hatte.108 Die Prämissen des hier beschworenen Minimalkonsenses – nämlich den Respekt vor historischen Tatsachen, eine nach allen Seiten hin offene Ursachenforschung und bestimmte Grundwerte – sah Conze zwar auf der oberen, offiziellen Ebene keineswegs immer gewährleistet, dafür aber »auf der wissenschaftlichen und menschlichen Ebene unterhalb oder jenseits politischer Behinderungen […] nahezu uneingeschränkt« gegeben. In diesem Sinne verlieh er dem »Bedürfnis nach wissenschaftlicher und menschlicher Unmittelbarkeit« innerhalb der internationalen, blockübergreifenden Historikerbeziehungen Ausdruck. Dieses sei »viel zu stark, als dass es beliebig zu biegen oder zu lenken wäre«.109 Um den hier anklingenden, verhaltenen Optimismus zu begründen, hätte er durchaus auf seine zu Beginn der achtziger Jahre noch immer in der Erweiterung begriffenen Kontakte mit Kollegen aus den osteuropäischen Staaten des Warschauer Paktes verweisen können. Schwieriger gestaltete sich die Ökumene der Historiker jedoch mit den Kollegen jenseits der innerdeutschen Grenze. Hier war der fachinterne Antagonismus aufgrund der direkten deutsch-deutschen Deutungskonkurrenz von Beginn an auch wesentlich schärfer. Nach der offiziellen Trennung der ostdeutschen von der westdeutschen Historie seit 1958 schottete sich die DDR-Geschichtswissenschaft immer mehr nach Westen hin ab. Bilaterale Begegnungen fanden in der Folgezeit auf offizieller Ebene nicht mehr statt, und wo ein Zusammentreffen – wie auf den Internationalen Historikerkongressen – nicht zu vermeiden war, waren die DDRHistoriker an ein »faktisches Fraternisierungsverbot« durch die SED-Führung 203

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gebunden.110 Die westdeutschen Historiker – so auch Conze – verloren im Verlauf der sechziger Jahre allmählich das Interesse an der ideologischen Auseinandersetzung mit ihren ostdeutschen Gegenspielern. Diese trieben den Kalten Krieg auf dem historiographischen Schlachtfeld hingegen weiter voran. Zumal in der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft ließen die Generalmobilmachungen nicht an Intensität nach.111 Führenden Vertretern der bundesrepublikanischen Historie wurde in dortigen Artikeln etwa die Bemühung unterstellt, »die Neonazisten im Nationalismus noch zu übertreffen«.112 Dabei fiel immer wieder der Name Conzes, wenn auch nur neben vielen anderen. Eine exponierte Stellung sollte ihm jedoch bald aufgrund seines arbeitergeschichtlichen Forschungsfeldes zukommen. Dies kann insofern nicht verwundern, als er selbst frühzeitig die Systemkonkurrenz auf diesem Gebiet gesucht hatte. Eine wichtige Rolle spielte freilich auch sein politisches Engagement für die deutsche Einheit. Es würde hier nun zu weit führen, die ideologisch verbrämte Rezeption Conzes durch die DDR-Historiker im Einzelnen zu schildern. Ein Beispiel soll an dieser Stelle genügen, um die kommunikative Situation zwischen beiden Seiten zu veranschaulichen. Nachdem 1966 das von Conze gemeinsam mit Dieter Groh verfasste Buch über die »Arbeiterbewegung in der nationalen Bewegung« erschienen war, widmete der Historiker Walter Schmidt vom Ostberliner Institut für Gesellschaftswissenschaften ihm eine ausführliche Rezension. Er attestierte Conze und seinem »theoretisierenden Schüler Groh« hier die »Umfälschung der Nationalstaatsidee in den Nationalismus als brauchbaren Integrationskitt für die imperialistische Politik, womöglich sogar für neue ›gesamtdeutsche‹ Eskapaden«. Besonders herausgefordert sah der Rezensent sich aber interessanterweise gerade dadurch, dass die Autoren sich – »was man von der Mehrzahl der bürgerlichen Historiker der Bundesrepublik wahrhaftig nicht gewohnt« sei – »in auffälliger Weise befleißigten, überall, wo es nur paßte, Arbeiten marxistischer Historiker ›anzumerken‹«. Er erkannte darin »den allzu durchsichtigen, […] wenn freilich auch untauglichen Versuch, sich für ein ›gesamtdeutsches Gespräch‹ anzubieten« und »plötzlich eine ›einheitliche deutsche Geschichtswissenschaft‹ vorzutäuschen«.113 Obwohl die innerdeutsche Kontaktnahme kaum das vorrangige Ziel des Buches gewesen war, sahen sich Conze und Groh nun herausgefordert, das persönliche Gespräch mit ihrem Kritiker zu suchen. Der zaghafte Versuch in Richtung einer historischen Ökumene, den die beiden in Form eines Briefes an Schmidt unternahmen, wurde von diesem jedoch brüsk zurückgewiesen. Sein Antwortschreiben von Januar 1968 ist ein beredetes Zeugnis für den kommunikativen Stillstand, an man zu jener Zeit auf ostdeutscher Seite konsequent festzuhalten gedachte: »Für ein solches Gespräch [sollte] wenigstens ein Mindestmaß an Anerkennung und gegenseitiger Achtung gegeben sein, wie es unter Historikern an sich selbstverständlich ist. Aber eben dies scheint mir gerade 204

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in Frage gestellt. Ich darf gewiß Ihr Verständnis voraussetzen, dass ich die Durchführung einer solchen Veranstaltung für irreal halte, wenn von Ihnen, wie aus dem Vortrag von Prof. Dr. Conze auf der Sitzung des sog. Kuratoriums ›Unteilbares Deutschland‹ von Ende 1966 klar zu ersehen war, strikt die Alleinvertretungsanmaßung der Bonner Regierung verfochten wird.«114 So war hier also einmal mehr Funkstille die Devise. Wenn Schmidt sich in seiner Replik neben dem Alleinvertretungsanspruch Bonns auch auf die Nichtanerkennung des DDR-Historikerverbandes durch den westdeutschen Historikerverband berief, war hier ein Problem angesprochen, das einer disziplinären Annäherung in der Tat nicht dienlich sein konnte. Damit zusammenhängend schränkten die wissenschaftspolitischen Zwangslagen des SED-Regimes den Handlungsspielraum, der einem einzelnen Historikers für einen grenzüberschreitenden Dialog zur Verfügung stand, stark ein. Doch spielte im Falle Schmidts nach wie vor die ideologische Frontstellung die entscheidende Rolle. Dass er gerade Conze zum Feindbild innerhalb des Klassenkampfes auserkoren hatte, lässt sich daraus ersehen, dass unter seiner Ägide im März 1972 sogar eine Dissertation über ihn und den Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte abgeschlossen wurde, die sich von vornherein als Beitrag zur »Entlarvung der variierten imperialistischen Angriffe gegen den Sozialismus auf ideologischem Gebiet« verstand. Waltraud Brade konzentrierte sich hier auf die von ihm und seinem Schülerkreis betriebene Geschichte der Arbeiterbewegung. Ihrem Hauptanliegen, »eine relativ geschlossene marxistisch-leninistische Einschätzung dieser inzwischen bereits verfallenen Gruppierung in der bürgerlich-imperialistischen Historiographie der BRD zu geben«, wurde die Autorin im Zeichen ihrer starren theoretischen Prämissen durchaus gerecht. So kam sie zu dem Ergebnis, dass »Conze und seine Mitarbeiter in ihren Arbeiten stets vom bourgeoisen Standpunkt ausgehen und der Bourgeoisie in jedem Fall die dominierende Stellung in der Geschichte wie in der Gegenwart zuweisen« würden. Dabei bedienten sie sich der »rechtssozialdemokratischen Kräfte […] als Verbündete zur Durchsetzung der imperialistischen Politik«.115 Ob Conze die Arbeit jemals zu Gesicht bekommen hat, ist nicht bekannt. Große Illusionen hinsichtlich eines deutsch-deutschen Historikerdialogs machte er sich zu jener Zeit aber ohnehin nicht. Und an die Imperialismus-Vorwürfe, die er ja von den linksradikalen Heidelberger Studenten kannte, hatte er sich inzwischen gewöhnt. In dem von Walter Schmidt und drei anderen ostdeutschen Historikern erstellten Handbuch zur »Kritik der bürgerlichen Geschichtsschreibung«, das 1971 von einem westdeutschen Verlag verlegt worden war, wurden sie noch einmal in aller Breite erhoben.116 Auch seine Kaiser-Studie war in der DDR ein Jahr zuvor mit Feindseligkeit aufgenommen worden. In der ZfG bemerkte ein Rezensent, dass Kaisers »Politik der Unterwanderung und Einverleibung der DDR« zwar »spätestens am 13. August 1961« – dem Tag des Mauerbaus – endgültig gescheitert sei, »aber dennoch 205

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von ›neuen Ostpolitikern‹ als folgerichtiger Ausgangspunkt des heutigen Revanchismus betrachtet« werde.117 Insofern sprach Conze auch aus persönlicher Erfahrung, wenn er 1976 in seinem Schlussvortrag über die deutsche Nachkriegshistorie auf dem Mannheimer Historikertag ernüchtert feststellte, dass »die innerdeutsche Absperrung zwischen den Historikern […] seit den nach 1970 abgeschlossenen Verträgen und Abkommen nicht gelockert, sondern verfestigt worden« sei.118 Andererseits bot gerade der Mannheimer Kongress Anzeichen dafür, dass die totale Abschottung auf ostdeutscher Seite allmählich nachließ. Immerhin waren hier erstmals seit fast dreißig Jahren wieder drei Historiker aus der DDR der Einladung zu einem westdeutschen Historikertag gefolgt, wenn auch nur als Vertreter von Fachzeitschriften.119 Anderthalb Jahre danach schrieb Conze an den Leipziger Sozialhistoriker Hartmut Zwahr, den er aufgrund von dessen Forschungen zur Arbeitergeschichte schätzte und zur Teilnahme an einer Tagung des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte bewegen wollte, »wie wichtig eine intensivere Diskussion zwischen den deutschen Historikern beider Seiten sein könnte«. Dabei berief er sich auf den Mannheimer Historikertag, wo es ihm »eine besonders große Freude« gewesen sei, »zum ersten Mal nach langer Zeit wieder drei Kollegen aus der DDR begrüßen zu dürfen«, und fügte hinzu: »Ich nahm das und nehme es auch noch heute als einen hoffnungsvollen Beginn.«120 Im Vorfeld des Mannheimer Treffens hatte Conze auch versucht, den Berliner Historiker Ernst Engelberg für eine Teilnahme zu gewinnen.121 Ausgerechnet mit diesem führenden Vertreter der DDR-Geschichtswissenschaft, dem er erstmals 1955 während des Internationalen Historikertags in Rom begegnet war,122 hatte er über die Jahre eine gegenseitige Wertschätzung über den Systemkonflikt hinweg zu pflegen begonnen.123 Conze war es auch, der einige Jahre später Engelbergs Bismarck-Biographie dem westdeutschen Siedler-Verlag empfahl. Als das Buch 1985 in Druck ging, dankte ihm der Autor, dass er ihm einen »so überaus rührigen und engagierten Verleger vermittelt« habe.124 Eben jener Wolf Jobst Siedler stand auch Pate für das Projekt, mit dem Conze seinen Werdegang als Historiker zu krönen gedachte: eine Geschichte Ostmitteleuropas von der Spätantike bis zur Gegenwart. Der zu Beginn des Jahres 1980 gemeinsam mit dem Berliner Verleger entwickelte Buchplan verschaffte dem inzwischen Emeritierten die Gelegenheit, sich seiner alten Faszination für diese Region noch einmal wissenschaftlich zu widmen.125 Durch den Bukarester Historikerkongress erhielt er im selben Jahr einen – wie er selbst schrieb – »neuen, großen Anstoß« dazu: »Denn ich reiste im Anschluß […] zwei Wochen in Rumänien, davon in den letzten acht Tagen im Leihwagen zusammen mit meiner Frau und meinem Ihnen bekannten Sohn durch Siebenbürgen. Das war Anschauung und Anregung in Fülle!«126 Eine vierwöchige Autoreise »vom Burgenland durch West-Ungarn nach Budapest, sodann über Fünfkirchen, Agram, Dalmatien, Istrien, Triest und Slove206

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nien bis Graz« führte ihm zwei Jahre später abermals vor Augen, »dass man aus Büchern nicht alles holen kann«.127 Dieser Befund drängt sich auch demjenigen auf, der versucht, das Buch Conzes über Ostmitteleuropa mit seinem politischen Denken und Handeln im Rahmen des Ost-West-Konflikts in Beziehung zu setzen. Schließlich war er dort, als er im April 1986 fünfundsiebzigjährig verstarb, nicht weiter als bis zum 18. Jahrhundert vorgedrungen. Stellungnahmen und Prognosen zur aktuellen Lage, für die sich vor allem die Nachzeichnung der Situation seit 1945 angeboten hätte, beschränken sich daher auf einige Andeutungen in seiner Einleitung, die am Anfang des 1992 von Klaus Zernack im Beck-Verlag herausgegeben Torsos steht: »Obgleich grausam vollendete Tatsachen geschaffen worden sind, ist Ostmitteleuropa eine offene Frage geblieben«, betonte er hier. Das fordere dazu heraus, »es in seinen tiefer liegenden geschichtlichen Wurzeln aufzusuchen und damit über eine vordergründige Aktualität hinaus verständlich zu machen.« Desweiteren plädierte er angesichts der »nationalen Voreingenommenheit und Parteilichkeit«, aus der heraus die Geschichte Ostmitteleuropas ehedem behandelt worden sei, dafür, »die von ihrer jeweiligen Gegenwart her geprägten Positionen in ihrer Relativität zu sehen, dabei aber auch die jeweilige Berechtigung national einseitiger Stellungnahmen historisch zu verstehen, ohne für eine von ihnen Partei zu ergreifen«.128 Ganz unparteiisch war er in seiner Darstellung dann doch wieder nicht. Wenn die Rezensentin der Neuen Zürcher Zeitung »früh einen leichten Vorrang in der Fragestellung eines nach Osten hin gewendeten Deutschtums« bemerkte, »die jedoch vollständig nüchtern durchdrungen und nach konsequent historisch-wissenschaftlichen Maßstäben behandelt« werde,129 war das womöglich noch etwas milde ausgedrückt – nicht nur angesichts des volksgeschichtlichen Vokabulars, das anderen Kritikern ins Auge stach.130 Thomas Etzemüller hat in seiner konstruktivistischen Lesart herausgearbeitet, dass die Deutschen in Conzes Ostmitteleuropa als »Agent des Abendlandes« gegenüber dem russischen Osten auftreten, gleichzeitig aber auch die »Westorientierung Rußlands« nicht unerwähnt gelassen,131 durch die Russland im Zeitalter Peters des Großen in den Worten Conzes »seine Abseitsstellung gegenüber Europa verlor«.132 Es mag konstruiert klingen, wenn Etzemüller resümiert, dass der »Konstruktionsarbeit« Conzes die »Zielprojektion einer Koexistenz des Westens mit der Sowjetunion bei Einheit Deutschlands und eines national geordneten, befriedeten, stabilisierten Ostmitteleuropas« zugrunde lag;133 doch sind damit in der Tat die politischen Grundmomente auf den Punkt gebracht, auf die dieser sein historisches Wirken zwischen West und Ost seit 1945 ausgerichtet hatte. Auf die nationale Stabilisierung Ostmitteleuropas konnte Conze freilich nur in der Weise Einfluss nehmen, dass er als Historiker die historischen Ursachen der Instabilität der Region ausleuchtete, wie er es in seinem Alterswerk tat. Was 207

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die anderen beiden Grundmomente angeht, ging sein Wirken weit über die eigentlich wissenschaftliche Arbeit hinaus. Die friedliche Koexistenz des Westens mit der Sowjetunion hatte Conze in der Öffentlichkeit früh als politisches Ziel verfochten. Obwohl er an seiner grundsätzlichen Übereinstimmung mit dem Adenauerschen Kurs der Westintegration nie einen Zweifel ließ, mischte er sich bald unter jene Kritiker des ersten Bundeskanzlers, die die Öffnung nach Osten hin als notwendige nächste Station auf dem Wege zu einer politischen Entspannung vertraten. Als dann von Willy Brandt die entscheidenden Schritte in diese Richtung unternommen wurden, vermochte der nun zu den konservativen Kritikern des neuen Bundeskanzlers gehörende Conze nach außen hin zwar nicht über den parteipolitischen Schatten zu springen. Mit seinen wissenschaftspolitischen Aussöhnungsversuchen v.a. mit sowjetischen und polnischen Historikern zeigte er aber, dass er die neue Linie als seine eigene erkannte. Ein Jahr vor seinem Tod betonte er, dass Brandt sich zum »geschichtl[ichen] Vollstrecker einer Aufgabe« gemacht habe, »die sich aus der Lage ergab«.134 Entgegen seiner vor 1945 zu beobachtenden Tendenzen hatte Conze bei all dem nicht nur deutsche Gebietsansprüche im Osten, sondern auch jeglichen kulturellen Überlegenheitsanspruch gegenüber den dort ansässigen Bevölkerungen hinter sich gelassen. Damit unterschied er sich von manch anderen Ostforscherkollegen, die wie Hermann Aubin als Beispiel einer deutschen Haltung von »anhaltender Herablassung und Unversöhnlichkeit« gegenüber dem östlichen Europa betrachtet werden können.135 Die Aussöhnung mit den nichtdeutschen Ostblockstaaten war für Conze immer auch Mittel zum Zweck, nämlich der Einheit der beiden deutschen Staaten. Dem Festhalten an diesem Ziel widmete er einen Großteil seines breiten geschichtspolitischen Engagements. Wenn er dabei die historische Erinnerung an einen Politiker wie Jakob Kaiser wachhielt, war er doch gleichzeitig kein Anhänger »eines neutralistischen ›dritten Weges‹ eines vereinten Deutschlands in Verbindung mit fragwürdigen Ideologemen«.136 Einer Herauslösung der Bundesrepublik aus dem westlichen Bündnis redete er nie das Wort. Die Erkenntnis, dass ein Ende der deutschen Teilung letztlich nur über die internationale Politik zu erreichen war, wurde ihm dabei immer wieder durch das Verhältnis mit der DDR-Geschichtswissenschaft bestärkt. Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen war auch hier die deutsch-deutsche Abkapselung radikal vollzogen und – trotz individueller, auch von seiner Seite ausgehenden Annäherungen – bis zum Ende durchgehalten worden. Während die DDR-Historiker in den fünfziger Jahren noch eine gewisse fachliche Herausforderung für Conze darstellten, die sich vor allem in seiner Arbeitergeschichtsschreibung niederschlug, war das Verhältnis danach kaum noch von Beziehungen, Wechselwirkungen oder gar Verflechtungen geprägt, sondern allein von Abgrenzung. Diese ging jedoch weniger von seiner Seite aus als von der seiner ost208

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deutschen Kontrahenten. Wenn allgemein gilt, dass das Ende der SED-Diktatur weniger auf gesellschaftliche Entwicklungen in der DDR als auf die Umbrüche in Osteuropa zurückzuführen ist, gilt das im Bereich der Geschichtswissenschaft umso mehr. Der zu seinen Lebzeiten ungelöst bleibende Ost-West-Konflikt war einer der wesentlichen Bestimmungsfaktoren von Conzes Wirken nach 1945. Dabei verwandte der Historiker viel Energie auf die Konfrontation mit Tatsachen einer politischen Gegenwärtigkeit, die den Deutschen von außen oktroyiert schien. Wie gestaltete sich aber sein Umgang mit der jüngsten Vergangenheit, in der die Deutschen selbst die Tatsachen geschaffen hatten?

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VIII. Erlebte Zeitgeschichte Dass »Zeitgeschichte« eigentlich ein »unglücklicher Ausdruck« ist, da sich Geschichte immer in der Zeit vollzieht und »eine jede Zeit ihre Geschichte hat«, ist hinlänglich bekannt.1 Auch Hans Rothfels war sich dessen bewusst, als er den Begriff 1953 in seinem berühmten Einleitungsaufsatz für die Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte zur Kennzeichnung der »Epoche der Mitlebenden und ihre[r] wissenschaftlichen Behandlung« im Geschichtsdiskurs der Bundesrepublik verankerte.2 Während die hieraus resultierende Bestimmung als »gegenwartsnächstes Betätigungsfeld der Geschichtsschreibung« impliziert, dass sich der Zeitraum der Zeitgeschichte mit dem Wechsel der Historikergenerationen in stetem Wandel befindet,3 hatte Rothfels gleichzeitig eine starrere Periodisierung im Sinne, der zufolge »etwa mit den Jahren 1917/18 eine neue universalgeschichtliche Epoche sich abzuzeichnen begonnen« habe. Die von ihm als spezifisch neu und »wirklich universal« erachtete historische Konstellation sah er in dem »eigentümlich zusammengeordneten Doppelereignis, dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg und dem Ausbruch der Russischen Revolution«.4 Wenngleich die Bedeutsamkeit dieser Ereignisse im Hinblick auf die Globalisierung der europäischen Geschichte unbestritten ist, erscheint jene Epochenbildung nach einem halben Jahrhundert doch nicht nur insofern problematisch, als sie zur damaligen Zeit eine »Selbstverortung bot, die die Erfahrungsbezüge hinter das Datum 1933 ausdehnte und gleichzeitig die post-nationalsozialistische Weltkonstellation zurückprojizierte«.5 Schwerer wiegt, dass die beiden Komponenten der Rothfelsschen Definition zwar für seine Generation noch mehr oder minder deckungsgleich waren, für die nachfolgende aber nur noch bedingt und für spätere überhaupt nicht mehr. Geht man davon aus, dass ganz allgemein die Geschichte einer jeweiligen Zeitgeschichte im Sinne der »Identität von erlebter und erforschter Zeit rückschauenden Wissenschaftshistorikern besonders gute Möglichkeiten [bietet], nach dem Zusammenhang zwischen generationeller Prägung und historischem Forschungsinteresse zu fragen«,6 ist der Verzicht auf die epochale Festlegung à la Rothfels unter Beibehaltung seiner Betonung des Miterlebens naheliegend. Werner Conze zählt unzweifelhaft zu denjenigen Historikern, die die Zeitgeschichtsschreibung der frühen Bundesrepublik wesentlich mitgeprägt und damit die Sicht der Westdeutschen auf ihre unmittelbare Vorgeschichte beeinflusst haben. Als Vertreter jener »Weltkriegsgeneration«, die der »Flakhelfergeneration« und sodann der »Nachkriegsgeneration« westdeutscher Zeithi210

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storiker vorgelagert war, bildete dabei auch er ein »biographisches Scharnier zwischen der NS-geprägten Historiographie vor 1945 und dem Wissenschaftsbetrieb der Nachkriegszeit«.7 Zwar gehörte er seinem Geburtsjahrgang 1910 nach schon zu den Mitlebenden des Zeitenwechsels von 1917, den Rothfels der Disziplin zugrundelegte; bewusst reflektierend und gestaltend hatte er jedoch erst die Endphase der Weimarer Republik und die zwölf Jahre des Nationalsozialismus durchlebt. Sein Umgang mit diesem zentralen, im Ergebnis katastrophalen Zeitraum der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts ist das Thema der folgenden Ausführungen. Nicht zuletzt vor Conzes biographischem Hintergrund – Zugehörigkeit zur bündischen Jugendbewegung vor 1933, Mitgliedschaft in der SA/NSDAP sowie systemstützende Tätigkeiten als junger Historiker und Frontsoldat nach 1933 – bietet die Untersuchung seines zeithistorischen Wirkens innerhalb des jeweiligen wissenschaftlichen und politischgesellschaftlichen Zusammenhangs eine aufschlussreiche Mikroperspektive auf jenen Themenkomplex, der nach wie vor zentral für das historische Selbstverständnis der Bundesrepublik ist: das Dritte Reich im Bewusstsein der Deutschen.8

1. »Ataraxie« und Kriegsgeschichten »Ich muß übrigens noch mal durch das Entnaz[ifizierungs-] Verfahren der Ausschüsse, das ich bisher noch nicht durchgemacht hatte, darf aber weiterlesen. Ich darf hoffen, dass das gut gehen wird. Eine Beeinträchtigung meiner  ist dadurch nicht eingetreten.«9 Wenn in schwierigen, komplexen oder womöglich tabubelegten Situationen die eigene Muttersprache keine geeignete Ausdrucksmöglichkeit zu bieten scheint, hilft mitunter die Flucht in die vertraute Fremde der Bildungssprache. Sie schafft ebenso eine gewisse Distanz und Unbestimmtheit wie sie das assoziative Einverständnis der in sie Eingeweihten herausfordert. Auf ein solches konnte Werner Conze bei Theodor Schieder ohne Zweifel zählen, als er ihm gegenüber im März 1947 das klassische Griechisch bemühte, um seine Stimmungslage zu beschreiben. Der Zusammenhang war die gezwungene Konfrontation mit der eigenen politischen Vergangenheit, zu der er sich schriftlich vorher noch an keiner anderen – überlieferten – Stelle geäußert hatte. »Ataraxia« (als Lehnwort »Ataraxie«) bedeutet im Anschluss an den philosophischen, vor allem in der Tradition der Stoa stehenden Begriffsgehalt soviel wie Unerschütterlichkeit angesichts unerklärter Naturphänomene, leidenschaftslosen Gleichmut gegenüber von außen hereingebrochenen Schicksalsschlägen.10 Ein unerklärliches Naturphänomen waren nun weder das Dritte Reich noch sein kriegerisches Ende. Der katastrophenartige Charakter des letz211

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teren sorgte jedoch dafür, dass sich viele derjenigen Deutschen, die es lebend überstanden hatten, regelrecht ›vom Schicksal geschlagen‹ fühlten. Die Suche nach historischer Erklärung und die Frage nach persönlicher Schuld traten angesichts der Frage nach dem eigenen Dasein und Fortkommen vorerst in den Hintergrund. Manch in sich und seinem Weltbild erschütterter Bildungsbürger mag sich dabei von Marc Aurel angesprochen gefühlt haben: »Solltest du je einmal durch die Gewalt der Umstände in eine Art von Gemütsunruhe versetzt werden, so kehre bald zu dir selbst zurück. Laß dich nicht über Gebühr aus dem Takte bringen.«11 Stoischer Gleichmut war sicherlich nicht die allein verbreitete Haltung innerhalb der deutschen Nachkriegsgesellschaft; doch berührte sie sich mit der Geistestradition jener in ›heroischem Realismus‹ geschulten Akademikergeneration, der Conze zuzurechnen ist. Im Juli 1947 zitierte ihn ein Rundbrief der »deutschen Hochschulgilde« wie folgt: »Die Aussprache über die uns bewegenden Fragen dürfte heute wohl sehr nüchtern sein müssen. Denn das hat [sic] ja der Krieg und der Zusammenbruch geklärt. Er hat [sic] alle bloßen ›Ideale‹ unserer Welt zerbrochen. Und wo wir bloß um solche Ideale gelebt haben, müssen wir ganz gebrochen sein.«12 Mit nüchterner und unidealistischer Seelenruhe trachtete er vier Monate zuvor offensichtlich auch den Entnazifizierungsbemühungen der britischen Militärbehörden zu begegnen, von denen seine damalige Tätigkeit an der Universität Göttingen abhängig war. Da er hier zu jener Zeit ohnehin nur einen unbesoldeten Lehrauftrag innehatte, der eine wenig befriedigende Notlösung darstellte, wird ihm die erneute Ladung vor die Ausschüsse wie ein weiterer, unverdienter Schicksalsschlag erschienen sein, den es durchzustehen galt. Insgesamt war die Grundhaltung der Göttinger Hochschullehrerschaft in der unmittelbaren Nachkriegszeit »von einer erstaunlichen Abwehr der eigenen Vergangenheit und der reflexhaften Rückkehr zu den Grundprinzipien des professoralen Selbstverständnisses geprägt«.13 Darüber, dass das Anliegen der Alliierten, »durch eine zupackende, rasche Entnazifizierung einen strukturellen Umbau und die politische Sanierung der deutschen Gesellschaft herbeizuführen«, als Ganzes gescheitert ist, ja angesichts der tiefen »Kompromittierung breitester Gesellschaftsschichten durch den Nationalsozialismus« scheitern musste, herrscht in der Forschung weitgehende Übereinstimmung. Zumal nachdem die Verfahren von den westlichen Besatzungsmächten an die deutschen Spruchkammern übertragen worden waren, verwandelte die »gigantisch angelegte Säuberung sich in eine nicht minder monströse Rehabilitationskampagne«.14 Die westdeutsche Geschichtswissenschaft bildete keine Ausnahme: 24 Professoren des Faches wurden nach 1945 entlassen, die meisten nur vorübergehend.15 Wie gestaltete sich die Entnazifierung für Werner Conze? Bereits im April 1947 teilte ihm die Militärregierung die Universität Göttingen auf einem Vor212

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druck mit, dass nach seiner Überprüfung »gegen seine Beschäftigung keine Bedenken bestehen«.16 Der endgültige Freispruch erfolgte dann zwei Jahre später in Form der »Entnazifizierungs-Entscheidung im schriftlichen Verfahren«, die im Behördendeutsch lautete: »Der Betroffene ist gem. § 7 Ziff.1a der EVO v. 3. 7. 1948 entlastet. Kategorie V (fünf).«17 Angesichts der numerischen Bilanz der gut zwei Millionen Fälle, die seit 1947 in der britischen Besatzungszone von den deutschen Ausschüssen bearbeitet wurden, kann dieses Ergebnis kaum verwundern. Außer dem Viertel der von vornherein als unbelastet Eingestuften wurden beinahe 60 Prozent wie er entlastet, weitere elf Prozent fielen in die Kategorie IV der Mitläufer.18 Insofern ist hier statt von der »Mitläuferfabrik« (Niethammer) eher von einer ›Entlastungsfabrik‹ sprechen. Wenn deren Produktion allgemein von »Freundschaftsdienst, Nachbarschaftshilfe und Persilscheinunwesen« getragen wurde,19 lässt sich dies auch im Falle Conzes erahnen. So stand in der Begründung des Entnazifizierungsausschusses der Stadt Göttingen nach der Aufzählung seiner NSDAP-, SA- und NSDoB-Mitgliedschaften zu lesen, dass die »vorgelegten eidesstattl[ichen] Versicherungen ergeben, dass der Betroffene sich immer mehr von der NSDAP distanziert«, die »geistige Versklavung, die von dem Hitlertum ausging, abgelehnt« und »sich im Nationalsozialismus weder als Aktivist noch als Propagandist betätigt« habe. Es könne »nunmehr unbedenklich angenommen werden«, dass »der Betroffene lediglich dem Namen nach und ohne Einfluß Mitglied der Partei gewesen ist«.20 Rechtzeitig zur Gründung des neuen westdeutschen Staates war damit auch Conze zum Nutznießer jener »weitgefaßten Pardonierung« geworden, mit der sich die frühe Bundesrepublik ihre politische Legitimation bei den Bürgern erkaufte.21 Als »Denkzettel«22 hatte das Entnazifizierungsverfahren jedoch auch bei ihm eine gewisse demütigende Wirkung hinterlassen. Als er 1954 mit Schieder einen USA-Aufenthalt erwog, gab er zu bedenken: »Übrigens: weißt Du, wie die Amerikaner sich jetzt mit ihren Einreisebestimmungen verhalten? Gilt immer noch, dass jedem ehemaligen Pg die Einreise nicht erlaubt sein soll? Sollte das der Fall sein und müßte man sich noch einmal unzeitgemäßen Fragebögen gegenübersehen, dann sollte man zurückhaltend sein.«23 Wenn er hier von »unzeitgemäßen Fragebögen« schrieb, brachte er noch einmal seine ablehnende Haltung gegenüber den inzwischen ein halbes Jahrzehnt zurückliegenden Prozeduren der Entnazifierung zum Ausdruck, die auch er nicht als Möglichkeit zur inneren Einkehr, sondern vielmehr als Zumutung empfunden hatte. Hiermit befand er sich im Einklang mit der überwältigenden Mehrheit seiner Landsleute.24 Zu Recht ist auf die bei aller neueren Kritik oftmals zu wenig beachtete »noble Intention der Westmächte« hingewiesen worden, »dem Volk der Täter und Mitläufer die Möglichkeit zu eröffnen, sich in einem geordneten Rechtsverfahren zu verteidigen und gegebenenfalls auch die Unschuld nachzuweisen«.25 213

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Doch zog die Entnazifizierung insgesamt die praktische Konsequenz nach sich, dass sich die Wagenburgmentalität der Deutschen und damit das »kommunikative Beschweigen« der individuellen NS-Vergangenheiten, das Hermann Lübbe in seiner berühmten, autobiographisch fundierten Diagnose der frühen Bundesrepublik attestiert hat,26 eher festigte als auflöste. »Das Vergehen eines anderen muß man da lassen, wo es ist«27 – diese stoische Sentenz entsprach nicht nur der Ataraxie Werner Conzes; sie war das Leitmotiv der Persilscheinkultur. Die These, das die hieran anschließende »gewisse Zurückhaltung in der öffentlichen Thematisierung individueller oder auch institutioneller NaziVergangenheiten« ein notwendiges integratives Moment auf dem Weg zum demokratischen Konsens der Bundesrepublik darstellte,28 hat aus historischer Perspektive Einiges für sich; unumstritten ist sie aufgrund ihrer funktionalistischen Ausblendung der moralischen ›Folgekosten‹ keineswegs.29 Frappierend bleibt jedenfalls, dass das Schweigen, das den Umgang der Nachkriegsdeutschen mit ihrer Täterrolle im Nationalsozialismus kennzeichnete,30 in starkem Kontrast zu der lautstarken Intensität stand, mit der die Opferrolle thematisiert wurde, in die man sich selbst durch den Krieg, vor allem dessen Ende, gebracht sah. Robert G. Moeller hat den vergangenheitspolitischen Impetus dahinter auf den Punkt gebracht: »By telling stories of the enormity of their losses, West Germans were able to reject charges of ›collective guilt‹, briefly leveled by the victors immediately after the war, and claim status as heroic survivors. By focusing on the experiences of expelles and POWs in the Soviet Union, they could talk about the end of the Third Reich without assuming responsibility for its origins.«31 ›Kriegsgeschichten‹ standen auch am Anfang der westdeutschen Zeitgeschichte, die sich seit den frühen fünfziger Jahren herausbildete. Wenn Conze dabei zwar nicht wortführend war, lassen sich an seinem Beispiel doch die wesentlichen Momente dieses allgemeineren Phänomens erkennen. »Ich hatte auch ein kleines nobile officium, das mich einen großen Teil des September gekostet hat: die Geschichte meiner alten Division. Es wird zwar nur ein Büchlein von etwa 60 Seiten – in erster Linie gedacht zur Erinnerung für die alten Angehörigen der Division. Aber es hat doch viel Arbeit gemacht und mich auch innerlich stark in das so weit zurückliegende Leben des Krieges hineingeworfen.«32 Als er diese Zeilen im Herbst 1952 an Reinhard Wittram richtete, waren seit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht noch nicht einmal acht Jahre vergangen. Der Historiker hatte selbst – von kurzen Unterbrechungen abgesehen – fast sechs Jahre an der Front gekämpft und war ihr am Ende schwer verwundet entronnen. Nicht allein wegen der immer wieder spürbaren Auswirkungen seiner Beinverletzung musste er in der Folgezeit stetig den Krieg vor Augen haben. Wenn er ihn als »so weit zurückliegend« bezeichnete, konnte dies also kaum mehr als eine Wunschvorstellung sein, in der sich die Verdrän214

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gung des traumatischen Scheiterns mit dem Willen zum Neuanfang verband. Im vierten Jahr des Bestehens der Bundesrepublik, da sich die westdeutsche Gesellschaft einerseits selbstbewusst zu konsolidieren begann und andererseits noch Zehntausende deutscher Kriegsgefangener in sibirischen Lagern geschunden wurden, war aber nun der Zeitpunkt gekommen, sich der »ehrenvollen Aufgabe« anzunehmen und dieses Kapitel der eigenen Biographie niederzuschreiben. Sein letztlich dann doch etwas länger als geplant geratenes Erinnerungsbuch war Teil einer breit angelegten Reihe über die »deutschen Divisionen«, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, »die Taten und Opfer deutscher Truppen im zweiten Weltkrieg zu würdigen« und dabei das »Bild des modernen Vernichtungskrieges« festzuhalten, »der über alle betroffenen Völker unsagbares Leid gebracht hat«.33 Dem doppelten Anspruch, der zum einen auf den spezifischen Opfergang der deutschen Soldaten abhob, zum anderen den von den Deutschen entfesselten Krieg als Phänomen der Moderne gleichsam universalisierte, wurde Conze vor allem in seinem ersten Aspekt gerecht. Nein, einer nostalgischen Verklärung des Krieges machte der Historiker sich hier nicht schuldig. Seine wiederholten Hinweise auf den »Opfermut der deutschen Soldaten« oder den »heldenmütige[n], tragische[n] Kampf« der »einst ruhmvollen Elchdivision« erscheinen jedoch nicht zuletzt insofern problematisch, als er den politischen Hintergrund des Kriegseinsatzes weitgehend ausblendete. Nur gelegentlich taucht Hitler als unbedachter Entscheidungsträger auf, der den an sich vernünftig wirkenden Kampf der Wehrmacht in negativer Weise beeinflusst. Der Sinn des Krieges wird auch da nicht in Frage gestellt, wo es am Ende heißt, dass »durch die verhängnisvolle Politik des einst verehrten ›Führers‹ Millionen dem Vernichtungswillen der Feinde preisgegeben« worden seien, »Deutschlands Macht in den Staub sank und die unvergessene Heimat zwischen Memel und Weichsel verlorenging«. Dass Conze somit aus den Folgen des deutschen Waffengangs – dessen siegreicher Abwehr durch die Rote Armee und deren brutalem Vormarsch gen Westen – seine Legitimation ableitete, verdeutlicht die Schlusspassage, in der das zentrale Leitmotiv seiner Divisionsgeschichte noch einmal in vollem Klang ertönt: »Die alten Soldaten wissen, dass Hitler sie mißbraucht hat; sie wissen aber auch, dass sie im Osten gegen einen Gegner gestanden haben, der heute wieder auf der Lauer liegt, um neue Sklaven zu gewinnen. Die Mannestugenden, durch die die Elch-Division zusammenhielt, sind uns darum heute nötiger denn je. Wenn wir dies bedenken, dann ist die Geschichte der 291. Inf.Div. für die alten ›Elche‹ nicht ein Blatt schmerzlicher Erinnerung voller Bitterkeit, sondern Ansporn zur Bewährung unter neuen Bedingungen, in denen die Lebenden ihrer toten Kameraden sich würdig erweisen müssen.«34 Anders als sein Nachkriegskollege am Göttinger Historischen Seminar Walther Hubatsch, der ebenfalls eine Geschichte seiner Division beisteuerte, sich 215

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in seinem Ausblick allerdings auf eine Beschwörung der »inneren Werte« des Soldatentums beschränkte und sich eines politischen Gegenwartsbezugs enthielt,35 hatte Conze hier mit seiner Aufwertung deutschen Opfertums im Kontext des Kalten Krieges ein persönliches Miniaturbeispiel einer »war story« im Sinne Moellers geliefert. Zu dem »wohl frühesten und größten zeitgeschichtlichen Forschungsvorhaben […] in den Anfangsjahren der Bundesrepublik«, der »Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa«,36 stieß er erst verspätet hinzu. Nach längerem Planungsvorlauf in der britischen und amerikanischen Besatzungszone war das Großforschungsprojekt 1951 offiziell unter der Ägide des Bundesvertriebenministeriums in Angriff genommen worden, das die letztlich fünf, insgesamt 5000 Seiten umfassenden Bände über die nachfolgenden zehn Jahre auch herausgab. Die gigantische Quellenedition ist in ihrer thematischen Ausrichtung ein eindrucksvolles Zeugnis der damaligen Verflechtung von Geschichtswissenschaft und Vergangenheitspolitik. Die Deutschen erscheinen hier grundsätzlich als Opfer, über ihre Verbrechen schweigen sich die präsentierten Materialmassen durchgehend aus.37 Wenn die Vertreibung von annähernd 14 Millionen Deutschen aus Osteuropa in den Westen auch »einen bis dahin nicht gekannten Vorgang der europäischen Geschichte« darstellte,38 war die Situation, in die sich die Deutschen nach 1945 angesichts dessen gestellt sahen, doch nicht völlig neu; schließlich war man bereits nach dem Ersten Weltkrieg mit erheblichen Gebietsverlusten konfrontiert gewesen. So wie sich damals die ›Zeitgeschichte‹ aufgerufen gesehen hatte, die historischen Rechtsansprüche des Deutschen Reichs im Osten Europas nachzuweisen, fiel nun der »Zeitgeschichte« die Aufgabe zu, das empfundene territorial- und bevölkerungspolitische Unrecht zu dokumentieren. Insofern ist es auch kaum verwunderlich, dass im geschichtspolitischen Kampf gegen ›Potsdam‹ an jene Tradition angeknüpft wurde, die in der Zwischenkriegszeit den Kampf gegen ›Versailles‹ wissenschaftlich ausgetragen hatte: die Volksgeschichte. Da war der Weg vom Rhein an den Pregel auf einmal nicht mehr weit. So war es auch kein Zufall, dass man sich im Bonner Ministerium umgehend an Hans Rothfels, das einstmalige Zugpferd der Königsberger Geschichtswissenschaft, wandte und dann auf dessen Anraten Theodor Schieder, den ehemaligen Leiter der dortigen »Landesstelle Ostpreußen für Nachkriegsgeschichte«, mit der Leitung der der Vertriebenendokumentation betraute. Schieder war es wiederum, der nach dem frühen Tod Adolf Diestelkamps 1955 Conze in das fünfköpfige Mitarbeitergremium berief.39 Abgesehen von seinen fachlichen und persönlichen Verbindungen hatte der zu jener Zeit professionell noch nicht abgesicherte Historiker sich ein Jahr zuvor durch einen ausführlicheren Literaturbericht für das prestigeträchtige Forschungsunternehmen qualifiziert. Hier hatte er die Vertriebenen-Dokumentation als ein »Beispiel zeitgeschicht216

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licher Methodik« gewürdigt, die in »ihrer strengen Sachlichkeit […] in vergleichbarer Literatur nach dem ersten Weltkrieg kein Gegenstück oder gar Vorbild« habe. Es war für die vergangenheitspolitische Ausrichtung der damaligen westdeutschen Geschichtswissenschaft bezeichnend, dass er dabei zum einen vor revisionistischen Tendenzen warnte, gleichzeitig aber die spezifische Verantwortung der Deutschen für das Kriegs- und Nachkriegsgeschehen innerhalb des allgemeinen Rahmens der neuzeitlichen Geschichte Europas einebnete.40 Eigene Impulse hinterließ der durch seine damaligen sozialgeschichtlichen Bestrebungen und den bald nach seinem Einstieg in den Bearbeiterkreis vollzogenen Wechsel auf das Heidelberger Ordinariat absorbierte Historiker kaum. Er trug das Projekt mit und teilte seine zeithistorischen Prämissen, ohne federführend an ihnen beteiligt gewesen zu sein. Bei der Begutachtung der seit seinem Eintritt in das Unternehmen erschienen Bände über Ungarn, das Sudetenland, Rumänien und Jugoslawien, die seine Funktion als Redakteur mit sich brachte, beschränkte sich Conze weitgehend auf stilistische Kritik.41 Wenn er dabei einmal in Bezug auf einen Autor bemerkte, dass er sich »an den NS-Jargon erinnert« fühlte, im gleichen Atemzug aber versicherte, bestimmte derartige Ausdrücke im Text »ausgemerzt« zu haben, zeugt dies davon, wie kompliziert sich die Befreiung von Prägungen des Nationalsozialismus gestaltete. Was die grundsätzliche Ausrichtung der Dokumentation anging, schloss er sich prinzipiell den Positionen Schieders an, der über die Jahre immer mehr darauf abzielte, auch den kausalen Nexus zwischen den Verbrechen Nazideutschlands in Osteuropa und der Austreibung der deutschen Bevölkerung in die historische Bilanz mit einzubeziehen. »Sehr gut, allerdings sehr umfassend und daher schwer zu bewältigen« fand Conze Schieders Entwurf zu dem Ergebnisband, der eben das leisten sollte.42 Dass eine derartige, der Idee nach ausgewogenere wissenschaftliche Synthese des germanozentrischen Quellenaufgebots letztendlich – wenn auch vor allem wegen politischer Vorbehalte von Seiten des Ministeriums – nie erschien,43 ist bezeichnend für das Gesamtbild, das die frühe bundesrepublikanische Zeitgeschichte vermittelt. Beispiele einer »sowohl individuell als auch gesellschaftlich ausgesprochen entlastend wirkenden Selbstviktimisierung, derer sich die Zeitgenossen des ›Dritten Reichs‹ auf ihrem Weg in die Bundesrepublik befleißigten«,44 lassen sich noch unzählige andere finden. Gleichzeitig sollte nicht übersehen werden, dass in vielerlei Hinsicht schon damals die Grundlage für eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus geschaffen wurde, auf der später aufgebaut werden konnte. Im institutionellen Bereich galt dies vor allem für das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in München. Die 1949 nach einer Vereinbarung von Bund und Ländern gegründete Einrichtung, die bis 1952 den Namen »Deutsches Institut für Geschichte der nationalsozialistischen Zeit« trug, entwickelte sich schnell zu dem zentralen Gravitationspunkt der westdeutschen Zeitgeschichtsschreibung und 217

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einer Ziehstube mehrerer Generationen von Zeithistorikern.45 Einen gewichtigen Anteil daran hatten von früh an die hauseigenen Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ), deren erste Ausgabe im Januar 1953 erschien. Es war der 1951 aus dem amerikanischen Exil zurückgekehrte Hans Rothfels, der der Zeitschrift – mehr noch als sein Tübinger Fakultätskollege Theodor Eschenburg, mit dem er sich die Herausgeberschaft teilte – ihr Profil verlieh. Seinen Schüler Conze hatte er bei der Planung und Redaktion der Zeitschrift von vornherein beteiligt.46 So schrieb ihm jener im Frühjahr 1952: »Ich […] freue mich, dass Sie mich in der mir besonders wichtigen Zeitschriftenfrage in dem bezeichneten Sinne heranziehen wollen.« Conze sah die »Dringlichkeit der Aufgabe […] wissenschaftlich und politisch«. Was den wissenschaftlichen Aspekt anging, wies er der Zeitschrift die »Funktion eines Sammelbeckens für alle zeitgeschichtlichen Neuerscheinungen« zu, wobei er im methodischen Sinne – sein heranwachsendes strukturgeschichtliches Steckenpferd reitend – zu bedenken gab, dass die Zeitgeschichte »ein besonders glückliches Exempel dafür abgeben« sollte, »dass eine sektorenhafte Behandlung von Außen oder Innen, von Staaten-, Gesellschafts-, Wirtschaftsund Geistesgeschichte nicht möglich ist«. Was den politischen Aspekt betraf, meinte er: »Wenn es gelänge, ein Organ zu schaffen, in dem alle heißen Eisen unserer Jahrzehnte unbefangen und nüchtern ohne die Gefahren deutscher Apologie und Selbstverstümmelung angefasst werden könnten, dann wäre indirekt, ohne dass das betont zu werden braucht, die einzige Aufgabe von politischem Gewicht erfüllt, die der Historiker heute erfüllen kann.«47 Angesichts des unzweideutigen Zuschnitts des IfZ auf den Forschungsschwerpunkt des Nationalsozialismus, welcher auch über die Folgezeit hinweg mit der Zeitgeschichte als solcher assoziiert wurde, ist es erstaunlich zu sehen, was Conze zu jener Zeit unter den »heißen Eisen« verstanden wissen wollte. Seine im Mai 1952 an Rothfels gesandten Themenvorschläge für die Zeitschrift hätten vielfältiger kaum ausfallen können – lediglich der Nationalsozialismus und seine Zeit blieben sorgsam ausgespart. Stattdessen empfahl der angehende Sozialhistoriker Themen wie »Soziologie und Emanzipationsbewegungen (Ostmitteleuropa, Mittlerer und Ferner Osten, Afrika)«, »Bevölkerungsgeschichte, Wanderungen, Umsiedlungen«, »Flüchtlingssoziologie«, »Fragen der Publizistik und Presse, Public Opinion …«, »Reichsreformfragen in den 20er Jahren«, »Soziologie des Industrievolks« oder auch »Beiträge zu den Fragen der Kirchen seit dem 1. Weltkrieg«.48 Sich wissenschaftlich mit dem Dritten Reich auseinanderzusetzen, war Conzes Sache vorerst offenbar nicht. Als Rothfels ihm einige Wochen darauf die Vorankündigung für das erste Heft der VfZ schickte, monierte er dann auch: »Dass die NS-Themen überwiegen, ist naheliegend, aber für die Vorankündigung nicht günstig, meine ich.«49 Und sein eigener Beitrag für die Eröffnungsausgabe über die »Strukturkrise des östlichen Mitteleuropa vor und nach 218

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1919« unterstreicht nur den Eindruck, dass er in seinem wissenschaftlichen Werk einstweilen einen großen Bogen um die NS-Zeit machte. Während er sich ihr als Hochschullehrer in seinen Vorlesungen schon zum damaligen Zeitpunkt stellte, kristallisierte sich schon frühzeitig heraus, dass sein eigener zeitgeschichtlicher Forschungsschwerpunkt auch langfristig nicht auf dem Dritten Reich lag, sondern vielmehr auf dessen krisenhafter politischer Vorgeschichte.

2. Brüning und die Staatskrise von 1930 bis 1933 Die Jahre 1930 bis 1933, die in der deutschen Geschichte den Auflösungsprozess der ersten deutschen Demokratie markieren, bilden eine Konstante im vielschichtigen Nachkriegswerk Werner Conzes. Bis in die siebziger Jahre hinein setzte er sich immer wieder mit den politischen Entwicklungen dieser Zeit auseinander – gleich ob Sozial- oder Begriffsgeschichte, Arbeiter oder Bauern, die Epochenschwelle um 1800 oder die deutsche Teilung gerade seinen akademischen Alltag bestimmten. Vor allem die Person des politisch gescheiterten Reichskanzlers Heinrich Brüning (1885–1970), der von März 1930 bis Mai 1932 dem ersten Präsidialkabinett der Weimarer Republik vorstand, ließ ihn nicht los. Der noch heute kontrovers beurteilte Zentrumspolitiker – für die einen »ein glühender Nationalist und reaktionärer Monarchieverehrer«, für die anderen »a well-intenioned although sometimes misguided defender of parliamentary democracy«50 – fand in Conze seinen wichtigsten Fürsprecher innerhalb der bundesrepublikanischen Geschichtswissenschaft. Dabei berührte er mit diesem historischen Komplex die Zeit, in der er als jugendbewegter Student seinen ersten Politisierungsschub erlebt hatte. Als Brüning als Kanzler von Reichspräsident Hindenburgs Gnaden mittels Notverordnungen zu regieren begann, geriet Conze in den Bannkreis von Rothfels in Königsberg. Dieser schätzte das »Notverordnungsregiment« damals als »Wiederbelebung des alten Obrigkeitsstaats, der Ministerialbürokratie, die gewiß nur Übergang sein kann, aber zunächst einmal den Staat vom Regiment der Interessen löst und ihn fähig macht, die nationale Bewegung, die gegen ihn läuft, in sich aufzunehmen«.51 In seinem Schülerkreis sah man die Dinge zu jener Zeit offensichtlich ähnlich. Als Conze seinem alten Lehrer 40 Jahre später zum 80. Geburtstag gratulierte, schrieb er: »Die Gedanken gehen weit zurück, besonders zu ihrer ›Halbzeit‹ 1931, als ich zu Ihnen nach Königsberg kam und Sie in der Aula über ›1890–1914‹ lasen. Das war damals noch ›Zeitgeschichte‹, und wir setzten eine gewisse Hoffnung auf Brüning.«52 Was man im Falle von Rothfels und in gewisser Weise auch von seinem Kollegen Gerhard Ritter als »rechtsgerichteten Etatismus« bezeichnen kann – jene unklare Zwischenposition von skeptischer Distanz gegenüber der republikanischen Verfassung, die gleichzeitig die Möglichkeit einer »situativen Zustim219

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mung« offenließ –,53 hatte Conze schon vor seiner Bekanntschaft mit dem Königsberger Historiker kennengelernt, und zwar in der bündischen Jugendbewegung. Als er dieser 1950 seinen ersten zeitgeschichtlichen Artikel nach dem Kriege widmete,54 lag ihm vor allem anderen daran, ihren »politischen Realismus« und damit die Diskrepanz zu den damaligen völkischen bis nationalsozialistischen Bewegungen innerhalb der deutschen Jugend hervorzuheben.55 Wenn man in jener Welt des Männerbundes zwar nicht die – im Deutschen weibliche – Republik schätzen gelernt hatte, bekannte man sich doch weiterhin zu dem in ihrer Form verfassten – der Sprache nach wiederum männlichen – Staat. Die Präsidialregierung Brünings schien dabei eine geeignete politische Alternative zur in sich festgefahrenen Parteiendemokratie zu bieten. »Die Politik Brünings, die geeignet war, den Staat gegen Nationalsozialismus und Bolschewismus zu retten und einen Weg aus der ›Krise der Demokratie‹ zu weisen, wurde von der ›Bündischen Jugend‹ bejaht«, schrieb Conze da im Rückblick; »denn der Weg Brünings war gangbar und ist bekanntlich nicht von Hitler überwunden worden«.56 Während der autobiographisch inspirierte Identifikationsdrang über die Jahre zu einer andauernden Apologie der Person Brünings und seiner Politik führte, stand anfangs das im Vordergrund, was sich für Conze über all jene individuellen und situativen Entscheidungen der Jahre 1930 bis 1933 hinwegwölbte: das »Zentralproblem des Strukturwandels der Demokratie vom liberalen Repräsentativsystem zum massendemokratisch begründeten, in seiner Wirkungskraft jedoch gefährdeten und gelähmten Parteienstaat«.57 Dies war bereits das Thema seines eingehenden Aufsatzes in der HZ aus dem Jahr 1954 über die »Krise des Parteienstaates in Deutschland 1929/30«. Hier wollte er zeigen, dass das schnelle Ende der Weimarer Republik erstens gewissermaßen unausweichlich war und dabei zweitens weniger auf ein Übermaß an antidemokratischem Denken unter entscheidenden Teilen der politischen Führungsschicht zurückzuführen sei, als vielmehr auf die noch immer vom Klassenkampfdenken geprägten Koalitionsparteien DVP und SPD, die neben dem Zentrum die parteipolitische Stütze der ersten deutschen Demokratie gebildet hatten. Conzes Kritik an der Schlüsselrolle der Parteien innerhalb der Weimarer Republik erfuhr in seinem sechs Jahre später erschienenen Einführungsbeitrag zu dem groß angelegten Sammelband der Parlamentarismus-Kommission über das »Ende der Parteien 1933« eine erneute Vertiefung. In einem Rückblick auf die historischen Grundlagen des deutschen Parteienwesens im 19. Jahrhundert charakterisierte er die »Eigenart der deutschen Parteienbildung« dahingehend, dass die Parteien als »politische Bekenntnisgemeinschaften« verstanden worden und damit von der Wurzel an mit einem Mangel an Pragmatismus, Kompromissbereitschaft und Wirklichkeitsnähe behaftet gewesen seien. Hierin lag für ihn »eines der stärksten Argumente gegen eine rein parlamentarische Re220

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gierungsweise«, wie sie – nachdem ihr in den konstitutionellen Monarchien des 19. Jahrhunderts noch straffe Grenzen gesetzt waren – dann in der Weimarer Zeit zu vollem Ausbruch kam.58 Das »im März 1930 eintretende Ende des Parteienstaates« sei dann letztlich durch die »Übertragung der Klassenkampffront auf die Flügelparteien der die Reichsregierung bildenden Koalition in der fortschreitenden Wirtschaftskrise« herbeigeführt worden.59 Der an dieser Stelle recht kurz abgehandelte Ausklang der Republik im Zeichen der Präsidialkabinette erscheint in Conzes Darstellung dann als der einzig verbliebene Weg zur Rettung des Staates. Seine Sympathie gehörte dem Vorgehen Brünings und dessen noch nicht »konkretisierte[m] Ziel, den Gegensatz zwischen dem altgewohnten ›Staat über den Parteien‹ und dem bisher schlecht eingeführten Staat durch die Parteien in einer neuen Verfassungslösung aufzuheben und damit ohne Beseitigung der demokratischen Grundwerte die verlorene Stabilität und Autorität wieder zu erringen«. Ein implizites autobiographisches Bekenntnis ließ sich der Autor nicht nehmen, wenn er schrieb: »[E]s war ein verheißungsvolles Zeichen, dass […] auch Bünde der Jugendbewegung aus bisher geübter Distanz oder ›konservativ revolutionärer‹ Abneigung gegen die Demokratie zum ›Staatsbürgertum‹ eines deutschen Staates strebten, der weder durch ›Parteienpluralismus‹ und ›Parlamentsabsolutismus‹ zersetzt, noch durch eine Nationalrevolution zum Terror einer Führerschaft mit Einparteiorganisation gebracht werden sollte«.60 Die Quintessenz dieses wichtigen, in seiner Breitenwirkung durch die Parallelveröffentlichung in der Beilage zur Zeitung »Das Parlament« gesteigerten Aufsatzes Conzes liegt insgesamt darin, dass er die Schuld am Untergang Weimars vor allem den Parteien zuschreibt und weniger den politischen Akteuren der Jahre 1930 bis 1933. So heißt es am Ende: »Das historische Problem aber, das sich mit dem Ende des alten Parteiensystems in Deutschland stellt, ist nicht primär im Handeln und Versagen der Personen zu sehen, sondern weist auf die vom Vormärz bis zu Hitler ungelöste Frage der deutschen Verfassung, in der die zahlreichen und weithin kompromißfeindlichen Parteien eine Rolle gespielt haben, die auf Grund der gegebenen Bedingungen oft unglücklich oder gar verhängnisvoll gewesen ist.«61 Seine Grunddistanz gegenüber politischen Parteien, der Conze im Schlussabschnitt etwas mühsam durch den Hinweis auf »neue Entwicklungstendenzen im westlichen Teil Deutschlands« den tagespolitischen Stachel nahm,62 war schon damals dem Rezensenten der Neuen Zürcher Zeitung aufgefallen, dessen überzeugender – für einen Sozialhistoriker recht eigentlich vernichtender – Haupteinwand lautete: »Conze fasst die Partei legalistisch auf, außerhalb des soziologischen und geistesgeschichtlichen Zusammenhangs, das heißt nicht funktionell, nicht als Organ des öffentlichen Lebens und darum in ihrer Bewegungsfreiheit begrenzt durch die eigene soziologische Schichtung.«63 Im Kreise derer, die sich in der Endphase Weimars selbst der Überwindung 221

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des verhassten Parteiensystems verschrieben hatten, brachte Conzes zwischen den Zeilen hindurch schimmernde Beschwörung des Staatswohls jenseits der Parteien hingegen eine Seite zum Klingen. So ließ es sich etwa Carl Schmitt als einer der eminenten intellektuellen Totengräber der Republik nicht nehmen, aus seinem sauerländischen Refugium Plettenberg lobende Worte an den Heidelberger Historiker zu senden und sich dabei gleichzeitig einmal mehr als Opfer der damaligen Entwicklung zu stilisieren: »Ihre einleitende Abhandlung über ›Die deutschen Parteien in der Staatsverfassung vor 1933‹ habe ich mit der besonderen Aufmerksamkeit und Teilnahme gelesen, die eine so meisterhafte geschichtliche Darlegung bei einem Leser hervorrufen muß, der selber Zeuge und Opfer des dargestellten Zeitabschnittes ist.«64 Selbst Franz von Papen (1897–1969), für dessen unseliges Intermezzo als Reichskanzler zwischen Brüning und Kurt von Schleicher im Jahr 1932 selbst Conze wenig historische Empathie aufzubringen vermochte,65 schrieb ihm von der »große[n] Freude«, die ihm jene »Untersuchung und Beleuchtung des Themas« bereitet hätten: »M.W. haben Sie als erster Historiker die Betrachtung dieses Problems in den Rahmen unserer politischen Entwicklung seit der Paulskirche, der Bismarkschen Reichsgründung und der wilhelminischen Jahre, die zu der abrupten Weimarer Lösung hinüberführten, gestellt. […] Mit größter Objektivität schildern Sie, warum nach 1918 ›der Klassenkampf vor den staatl. Kompromiß gesetzt wurde‹ und daß der so notwendige Versuch des großen staatspol[itischen] Parteienkompromisses schon im Jahre 1920 gescheitert war.« Gleichzeitig nutzte Papen die Gelegenheit, sein damaliges Handeln mittels einer Detailproblematisierung zu rechtfertigen, um an Conze die Grundfrage zu richten, »auf welchem Wege denn im Januar 1933 das Ziel hätte erreicht werden können, die in Weimar begründete Demokratie wieder funktionsfähig zu machen – ohne den Buchstaben dieser Verfassung zu verletzen?«66 Conze ließ sich mit der Beantwortung des Briefes unter Berufung auf Arbeitsüberlastung zwei Monate Zeit, sandte seinem Korrespondenzpartner, den er als »sehr verehrte[n] Herr[n] Reichskanzler« anschrieb, dann aber doch eine recht ausführliche und respektvolle Replik zu. Dabei sah er bezüglich Papens Nachfrage in der durch Hindenburg und seinen Beraterkreis vereitelten Politik Schleichers eine – letztlich vergebene – realistische Chance.67 Der Kontakt mit Papen riss nach diesem Briefwechsel nicht ab. Fünf Jahre später trafen sich Zeitzeuge und Zeithistoriker in Papens badischem Altersruhesitz bei Oberasbach. Der über Achtzigjährige äußerte danach gegenüber einem Vertrauten, dass er und seine Familie »sehr befriedigt von dem Besuche C[onzes] waren«: »Wir haben uns eingehend aussprechen können und wollen in Touch bleiben. Unsere Ansichten über Heinr[ich] Br[üning] stimmen generell überein – in Einzelheiten nicht. Aber die Tour d’horizon war in jedem Fall sehr nützlich.«68 222

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So war Conze mit seiner Fundamentalkritik an den deutschen Parteien ein Schulterschluss mit Teilen der rechten Führungsschicht von damals gelungen. Diesem kam für beide Seiten so etwas wie ein geschichtstherapeutischer Aspekt zu. Man wusste sich eins in der Überzeugung, dass die erste deutsche Demokratie aufgrund eines strukturellen Geburtsfehlers von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen war und die individuelle Verantwortung der Zeitgenossen dahinter zurücktrat. Wenn dies schon gestandene Rechtsgelehrte und Staatsmänner zu exkulpieren vermochte, musste das für den damaligen Studenten umso mehr gelten. Unterdessen hatte eine jüngere Generation von Zeithistorikern damit begonnen, den Untergang der Weimarer Republik in ein anderes, kritischeres Licht zu rücken. Für die »jungen Vorreiter der Zeitgeschichte« stellte der Untergang der Weimarer Republik ein Lehrstück von Demokratiezerstörung und Diktaturaufbau dar. Er wurde dabei seit den fünfziger Jahren zum zentralen Thema einer Zeitgeschichte, die sich im Geiste der von den USA betriebenen politischen Umerziehung als »Demokratiewissenschaft« verstand.69 An der Spitze dieser Entwicklung stand der 1922 geborene Karl Dietrich Bracher. Er war nach dem Krieg »verhältnismäßig rasch« in amerikanischer Gefangenschaft in die »amerikanische Politik- und Weltbetrachtung hineingewachsen«, was durch seinen späteren Studienaufenthalt in Harvard noch verstärkt wurde. Am Institut für politische Wissenschaft der neu gegründeten FU Berlin fand er letztlich in den aus den USA remigrierten Hans Herzfeld und Ernst Fraenkel die geeigneten »Habilitationsväter«, unter deren Ägide er seine umfangreiche Untersuchung über die Auflösung der Weimarer Republik verfasste,70 das »erste große zeitgeschichtliche Werk überhaupt« in Westdeutschland.71 Der junge Wissenschaftler war sich, als die »Studie zum Problem des Machtverfalls in der Demokratie« – so der Untertitel – 1955 erschien, der Bedeutung seines Unternehmens bewusst. Schließlich handelte es sich hier um einen »Erlebniskomplex, der auch abseits der Frage nach Verantwortung und Schuld in unserem gegenwärtigen politischen Leben fortwirkt und einer sorgfältigen Analyse« bedürfe. Dabei seien die bisherige Behandlungen des Gegenstands »allzu bereitwillig bei der deterministischen These von der Unausweichlichkeit der Entwicklung« geendet, »die oft in persönlicher Rechtfertigung, öfter noch in jener Einseitigkeit der Methode begründet ist«. Seine eigene Methode lag darin, »spezifizierende und typologische Betrachtung«, Geschichts- und Politikwissenschaft miteinander zu verbinden. Der nicht geringe politische Anspruch dahinter lag für Bracher darin, »die Politik aus der Sphäre des unbegreiflichen Geschehens, der undurchsichtigen Machtmanipulationen herauszuheben auf die Ebene besonnener Betrachtung« und dadurch »eine Wiederholung der innenpolitischen Katastrophe von 1930/33 zu vermeiden und die politische Entwicklung nicht wieder in einen Engpaß ähnlich dem hektischen Sog jener Jahre geraten zu lassen«.72 223

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Wie verhielt sich Conze gegenüber diesem Ansatz, der seine eigenen parallel dazu entstandenen Arbeiten zum Ende der Weimarer Republik auf den Prüfstand stellte? Als Bracher 1952 sein Forschungsprogramm in einem längeren Artikel skizzierte,73 überwog noch der Respekt vor dem »bemerkenswerten Versuch«, dessen »Fruchtbarkeit« sich für ihn »nicht zuletzt aus der Anwendung von Kategorien wissenschaftlicher Politik«, ergab, »wie sie in enger Anlehnung an die amerikanische Political Science am Institut für politische Wissenschaft in Berlin« entwickelt würden.74 Gerade die von Bracher entwickelten Kategorien waren es dann jedoch, die Conze in seiner langen HZ-Rezension des drei Jahre später erschienenen Buches übel aufstießen. Zwar würdigte der Sozialhistoriker seinen eigenen damaligen Anliegen entsprechend weiterhin Brachers methodisches Bestreben, »auch systematischen Bedürfnissen der politischen und Sozialwissenschaft Genüge« zu tun, doch brach sich gleichzeitig sein begriffsgeschichtlich geformter Historismus Bahn. So seien die Kategorien Brachers »leider zumeist nicht nach historischer Methode wort- und begriffsgeschichtlich aus den Quellen gewonnen oder, sofern es sich um scheinbar allgemeine Grundbegriffe des modernen politischen Denkens handelt, zumindest spezifiziert«.75 In gewisser Weise war hier seine geschichtstheoretische Frontstellung gegenüber der sich erst gut zehn Jahre später entwickelnden Historischen Sozialwissenschaft vorweggenommen. Wie dort spielten auch schon hier außer methodisch teilweise durchaus berechtigten Einwänden politisch-ideologische Momente die ausschlaggebende Rolle. Im Falle Brachers zeigte sich dies langfristig in der unterschiedlichen Bewertung der Politik Brünings. Was in der Rezension von 1957 schon angedeutet war,76 wurde in der von 1959 zur zweiten Auflage dann ganz offensichtlich. So schloss Conze hier, dass es zukünftig »um das Aufsuchen der richtigen Proportionen in der Beurteilung gehen [müsse], nicht zuletzt z.B. um eine gerechtere und unbefangenere Sicht der Politik Brünings«.77 Er sah sich für seinen Teil dazu aufgerufen, die Beschäftigung mit der Ära Brüning noch zu intensivieren.78 Hierbei rückte die Person des Reichskanzlers immer mehr in das Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Die Tatsache, dass der sich inzwischen wieder verstärkt in der politischen Öffentlichkeit der Bundesrepublik zu Wort meldete und vor allem in konservativen Kreisen als Kritiker von Adenauers striktem Kurs der Westintegration Gehör fand,79 mochte dabei verstärkend wirken. Doch fand dies in Conzes Ausführungen keinerlei Niederschlag. Vielmehr ging es ihm darum, dem inzwischen immer stärker Verbreitung findenden »Bild des autoritären Kanzlers der Notverordnungen, der willentlich oder auch nur nachgebend einen De-facto-Verfassungswandel herbeiführte, sowie des verrannten Deflationspolitikers im Circulus vitiosus des Schrumpfungsprozesses« entgegenzutreten, wie er es 1964 in einem Vortrag vor der Bayerischen Akademie der Wissenschaft explizit auch auf Bracher zurückführte.80 224

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Als ein Jahr später der 80. Geburtstag Brünings ins Haus stand und seine Heimatuniversität Köln ihm zu Ehren eine wissenschaftliche Festveranstaltung ausrichtete, übernahm Conze den zentralen Vortrag. Adenauers Ratgeber Heinrich Krone notierte sich danach in sein Tagebuch, dass er »diesem großen Manne sehr gerecht« geworden sei.81 In der Tat enthielt Conzes Resümee der Regierung Brüning, wie es dann 1967 in der Festschrift für Brüning erschien, deutliche Züge einer Huldigung. »Achtung vor einem der wenigen überragenden Staatspolitiker, die die Deutschen für jene […] Krisenzeit der vergangenen 50 Jahre ihr eigen nennen können«, ja »Verehrung« für ihn wurden als Motiv des Beitrags ins Feld geführt, der durchweg von heroisierenden Stilisierungen des Reichskanzlers gekennzeichnet war. Einen »Zug lange vermißter, kraftvoller Tatbereitschaft in der Führung der deutschen Politik«, dazu »die Leidenschaft […] für das sachlich Aufgegebene im Dienst am Gemeinwohl des Vaterlandes in sittlicher und religiöser Gebundenheit« waren nur einige der Eigenschaften, die ihn in Conzes Augen auszeichneten. Bis zu seinem Sturz im Mai 1932 habe seine Regierung das »Hindurchsteuern des Staatsschiffs durch die Bewegung der großen Krise ermöglicht«.82 Zu Beginn der siebziger Jahre rückte Brüning kurzzeitig noch einmal in den Mittelpunkt der zeitgeschichtlichen Diskussion. Grund dafür war weniger sein Tod im März 1970 als das Erscheinen seiner Memoiren wenige Monate später. Diese waren von der Forschung schon seit langem herbeigesehnt worden – nicht zuletzt von Conze, der den drängenden Hinweis auf diese als zukünftige Schlüsselquelle in jedem seiner relevanten Aufsätze seit 1953 zu seinem ceterum censeo machte.83 Doch hatte der frühere Reichskanzler sich dazu entschieden, seine seit Ende 1934 diktierten Erinnerungen zu den Jahren 1918–1934 – darüber gingen sie nicht hinaus – erst nach seinem Ableben aus der Hand zu geben. Rudolf Morsey, der in der Kontroverse um Brüning prinzipiell eher Conze als Bracher zuneigte, traf es wohl auf den Punkt, wenn er meinte, Brüning habe offensichtlich bezweifelt, »dass seine politischen Lebenserinnerungen auf mehr Verständnis stoßen würden als seine Politik, über deren tragisches Schicksal er selbst nicht hinweggekommen war«.84 Die blinde Gefolgschaft gegenüber Hindenburg, die Verherrlichung des Militärs und alles Soldatischen und nicht zuletzt seine Bestrebungen zur Wiedereinführung der Monarchie – dies sind die wesentlichen Eindrücke, die Brüning der Nachwelt durch sein »befremdendes Selbstporträt« mit auf den Weg gab.85 Die Anhänger Brünings – so Morseys Resümee der »glanzlosen Memoiren« – würden »es künftig schwerer haben als bisher, die Zielsetzung und Politik des Reichskanzlers der ›Weltkrisenzeit‹ als die allein mögliche und sinnvolle zu verteidigen«.86 Seine Kritiker unter den Historikern konnten sich da nur bestätigt fühlen. Allen voran galt dies wiederum für Karl Dietrich Bracher, der den »BrüningMythos« in einer ausführlichen Kritik der Memoiren nun als von ihrem Verfas225

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ser »selbst in wesentlichen Teilen widerlegt« bezeichnete. Zwar betonte er, dass alle an den Kontroversen um das Ende von Weimar Beteiligten nun »ihr Bild zu ergänzen und zu ändern« hätten; »am entschiedensten« betreffe dies jedoch – so Bracher mit unverkennbarer Genugtuung – »jene Mehrheit von Verteidigern des Brüning-Experiments um Historiker wie Werner Conze, der seinerzeit meine kritische Darstellung der ›Auflösung der Weimarer Republik‹ (1955) als unhistorisch-deterministisch verworfen und dabei freilich selbst die deterministische Auffassung vertreten hat, es habe einen anderen Ausweg aus der Krise nicht gegeben«.87 So klar wie hier waren die Frontlinien der historischen Auseinandersetzung bisher nicht gezogen worden, und regelrecht »verworfen« hatte Conze Brachers Untersuchung ja dann auch doch wieder nicht. Womöglich war nun der Zeitpunkt gekommen, wo dem älteren Kollegen die unzweifelhaft etwas herablassende Beurteilung des eigenen Erstlingswerks heimgezahlt werden konnte. Und die Art und Weise, wie sich Brüning in seinen Memoiren darstellte, bot auch nicht gerade wenig auf, um die Ansicht bestätigt zu finden, dass er nicht »der letzte Kanzler vor der Auflösung der Weimarer Republik«, sondern der »erste Kanzler im Prozeß dieser Auflösung« gewesen sei.88 Conze sah sich angesichts dessen jedoch bestenfalls zu einem Teilrückzieher gedrängt. In lebensgeschichtlicher Hinsicht alles andere als zufällig nahm er den 80. Geburtstag von Hans Rothfels zum Anlass, um seine Sicht auf Brüning vor dem Hintergrund der Memoiren zu aktualisieren.89 Die politische Krisenstimmung, in der sich zu dieser Zeit aufgrund der sich zunehmend radikalisierenden Studentenunruhen befand, war einer Revision seiner Wertschätzung der halbautoritären Politik Brünings zum Schutz des Staates vor ideologischen Extremisten dabei von vornherein wenig dienlich. So erwähnte er eingangs ausdrücklich »die deprimierende Aktualität der Situation um 1930 für die gegenwärtige Lage«. Gegen Brachers Kritik seiner früheren Stellungnahmen verwahrte er sich dahingehend, niemals »eine Apologie des Brüning-Mythos vertreten, wohl aber die These des Vorläufers oder Wegbereiters des totalitären NS-Staates abgelehnt zu haben, da sie der historischen Kritik nicht standhielt und ihr auch nach dem Erscheinen der Memoiren nicht standhalten kann«.90 In einem weiteren im selben Jahr 1972 veröffentlichten Artikel zum Thema, in dem es ihm darum ging, Brünings Monarchismus durch die Herausarbeitung des Modellcharakters der »britischen parlamentarischen Monarchie für [dessen] Verfassungsreformpläne« zu demokratisieren, lässt sich letzten Endes dann aber der Versuch eines vorsichtigen Brückenschlages zu Bracher erkennen. So plädierte er hier abschließend für eine Art Pattsituation: »Es besteht kein Grund, die historisch unangemessene Gegenüberstellung des potentiellen Retters oder des tatsächlichen Zerstörers der Weimarer Republik durch Parteinahme auf einer der beiden Seiten aufrechtzuerhalten.«91 Überhaupt schien seine Einsatzbereitschaft für den gescheiterten Reichs226

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kanzler allmählich nachzulassen. Als er Hans-Ulrich Wehler seinen Beitrag über Brünings Pläne zur Reichsverfassungsreform schickte, schrieb er ihm: »Es soll das letzte sein, was ich über Brüning geschrieben habe. Die Auseinandersetzung würde nur Sinn haben, wenn man an neue Quellen heranginge. Dazu habe ich aber weder Zeit noch Lust.«92 Noch acht Jahre später teilte er dem Augsburger Historiker Josef Becker, der ihm einen eigenen Aufsatz zum Thema hatte zukommen lassen, mit: »Leider oder zum Glück bin ich ja selbst seit langer Zeit aus der Brüning-Diskussion ausgestiegen, da ich durch andere Interessen vollständig in Anspruch genommen bin.«93 Einmal griff Conze in der Angelegenheit dann doch noch zur Feder. So boten ihm eine Quellenedition zur Ära Brüning von Gerhard Schulz sowie jene wichtigen Aufsätze Knut Borchardts zur Wirtschaftspolitik Brünings, die in der Folge die nach dem Autor benannte Kontroverse auslösen sollten,94 im Jahr 1983 den Anlass zu einer längeren Sammelrezension in der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Während er sich hier durch den von ihm seit langem geschätzten Borchardt in seinen Grundanschauungen weitgehend bestätigt sah,95 stellte sich ihm im Zusammenhang mit den einleitenden Bemerkungen von Schulz einmal mehr die Frage, »ob die Persönlichkeit des Reichskanzlers nicht […] von vornherein in einem mehr oder weniger aussichtslosen Kampf mit den Bedingungen gestanden hat, deren negativer Wirkungszusammenhang zu undurchdringlich gewesen ist, als dass selbst ein Politiker großen Formats sich daraus hätte befreien können«.96 Drei Jahre vor seinem Tod hatte Conze damit erneut auf die Macht der Bedingungen verwiesen, die die Rolle des Individuums beim Untergang der Weimarer Republik so stark eingeschränkt hätten, dass dieser nahezu unausweichlich gewesen sei. Am Vorabend des Dritten Reiches konnte der Einzelne nicht mehr viel ausrichten – so die Botschaft des Historikers, der sich selbst auf der Seite derjenigen wissen wollte, die es immerhin versucht hatten.

3. Hitler und die Deutschen Wenngleich der Nationalsozialismus – ganz anders als der dreijährige Auflösungsprozess der Republik – für Conze kein Thema darstellte, bei dem er sich durch eigene Forschungsbeiträge hervortat, ist er in seinem Werk doch durchaus präsent. Dabei ging es ihm bei seinen Auseinandersetzungen mit der ›deutschen Katastrophe‹ nicht zuletzt immer auch um das Verhältnis zwischen Hitler und der deutschen Bevölkerung. Diese Frage ist inzwischen zunehmend in den Mittelpunkt der NS-Historiographie gerückt. Nachdem lange Zeit der totalitäre Zwangscharakter des Regimes auch gegenüber dem – allenfalls verführten – deutschen Volk betont worden war, ist in den vergangenen Jahren immer intensiver der hohe Grad an 227

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Zustimmung herausgearbeitet worden, die der ›Führer‹ auch über die außenund wirtschaftspolitischen Erfolge der Anfangszeit hinaus innerhalb der deutschen Bevölkerung genoss.97 Hans-Ulrich Wehler hat in seiner Synthese des Forschungsstandes in Anknüpfung an Rainer Lepsius und Ian Kershaw die charismatische Herrschaftskonzeption Max Webers zur Charakterisierung des Nationalsozialismus stark gemacht und in Form der »Dauerbeziehung« zwischen Gesellschaft und charismatischem Führer die vordergründige Dichotomie von personen- und sozialgeschichtlichen Ansätzen aufgehoben: »Ohne die leidenschaftliche, bis zur Verzückung reichende Zustimmung vieler Deutscher, schließlich ihrer erdrückenden Mehrheit, wäre Hitler ein Nichts gewesen – der kurzlebige Prominenz genießende Anführer einer rechtsradikalen Exotenpartei. Ohne ihn hätten sich seine Deutschen andrerseits zu einer solchen berserkerhaften Kraftanstrengung und mirakulösen Kriegsleistung, aber auch mörderischen Barbarei der Vernichtungspolitik nicht steigern können.«98 Wenn nun vor diesem Hintergrund Conzes Stellungnahmen zum Verhältnis zwischen Hitler und den Deutschen untersucht werden sollen, muss man sich abermals vor Augen führen, dass dabei immer seine persönliche Involvierung in den Nationalsozialismus mitschwingen musste. Seine Mitgliedschaft in der SA und später auch der NSDAP waren eine Tatsache, die sich auch durch die Entnazifizierung nicht aus der Welt schaffen ließ. Desgleichen zeugten auch seine wiederholten affirmativen Äußerungen gegenüber dem Nationalsozialismus und auch Hitler selbst, die er in seinen Veröffentlichungen der Vorkriegszeit von sich gegeben hatte, nicht davon, dass er die »geistige Versklavung, die von dem Hitlertum ausging, abgelehnt« hatte.99 Nicht zuletzt hatte er als Offizier bis zum bitteren Ende seinen Kopf für das Dritte Reich hingehalten. Wenn Conze sich zur deutschen Bevölkerung im Nationalsozialismus äußerte, sprach er insofern auch immer von sich selbst – und sei es auch noch so indirekt. Bezeichnenderweise war es ausgerechnet der Themenkomplex des deutschen Widerstandes gegen Hitler, vor allem des Attentats vom 20. Juli 1944, anhand dessen sich die westdeutsche Zeitgeschichtsforschung nach dem Krieg zuerst der Frage nach der Rolle des deutschen Volkes im Dritten Reich annäherte.100 Hans Rothfels legte mit seiner 1948 noch im amerikanischen Exil erschienenen Würdigung der »Opposition gegen Hitler« den unangefochtenen zeithistorischen Bestseller der frühen Nachkriegszeit vor und sorgte damit gleichzeitig für die folgenreiche »Installierung des Widerstands als historische Gegenerzählung der jüngsten Vergangenheit«.101 Die Beurteilung dieses Phänomens muss ambivalent ausfallen. Sicherlich wird heutzutage zu Recht das apologetische Entlastungsmoment ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt; schließlich war der Widerstand gegen Hitler unter allen positive Kontinuitäten stiftenden Themen der damaligen Zeit das ein228

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zige, das »einen affirmativen Rückbezug auf die NS-Zeit selbst erlaubte«.102 Andererseits darf jedoch nicht jenes »eklatante gesellschaftliche Legitimationsproblem« außer Acht gelassen werden, »das der Verschwörung des 20. Juli 1944 gewissermaßen schon vorausgeeilt war und über das Kriegsende hinaus seinen Ausdruck fand in fortlebenden Vorstellungen von ›nationalem Verrat‹, ja einem zweiten ›Dolchstoß‹«.103 So bedeutete die positive Hervorhebung des Widerstands sowohl eine Errungenschaft innerhalb der politischen Kultur der frühen Bundesrepublik als auch insofern eine Bürde für eben diese, als sie einen Ansatzpunkt dafür bot, die Frage nach der kollektiven Verantwortung der Deutschen für die historische Katastrophe des Nationalsozialismus zu entschärfen. Dies wird auch im Falle Werner Conzes sichtbar, der sich dem Thema 1953 in Form eines längeren Literaturberichts für die Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte angenommen hatte. In recht larmoyantem Ton verwies er hier eingangs auf das »vielfache Unrecht und Elend«, das das deutsche Volk seit 1945 habe erfahren müssen. Sodann reklamierte er die Tatsache, dass das Phänomen eines deutschen Widerstands nach dem Krieg überhaupt erst einmal bekannt gemacht werden musste. Das habe »bekanntlich nicht allein oder nicht einmal in erster Linie für die deutsche Öffentlichkeit« gegolten, »sondern in besonderem Maße für das Ausland, wo für gewisse Ideologien und politische Zielsetzungen gegenüber dem deutschen Volk die von Hitler und Goebbels suggerierte Gleichsetzung von Nationalsozialismus und deutschem Volk (Volkscharakter) nur allzu gut zu passen schien«. Angesichts dessen könne es, fuhr er sarkastisch fort, »fast als eine besondere geschichtliche ›Entdeckung‹ bezeichnet werden, dass sich nach dem Krieg herausstellte, wie stark im deutschen Volke, das bis zuletzt den äußeren Feinden gegenüber seinen Widerstandswillen bewiesen hatte, ein Widerstandsgeist gegen die Herrschaft Hitlers lebendig geblieben, ja gewachsen war«. Somit münzte er hier die Widerstandsaktivität einiger ja doch weitgehend vereinzelter Gruppierungen und Individuen zu einem gesamtgesellschaftlichen Trend um. Dieser Eindruck wird auch dadurch nicht beseitigt, dass er abschließend das »eigentliche geschichtliche Problem« in dem »Zwiespalt« ansiedelte, demzufolge »das deutsche Volk für und gegen Hitler zugleich gestanden« habe.104 Eben jenen – von ihm womöglich in der Tat persönlich so empfundenen – »Zwiespalt« historisch aufzulösen, sollte dem Historiker aus seiner lebensgeschichtlichen Binnenperspektive heraus auch in der Folgezeit nie gelingen. Das hier erkennbare Ringen um eine rechtfertigende Erklärung oder erklärende Rechtfertigung des Verhaltens der deutschen Bevölkerung gegenüber Hitler verleiht auch seiner langen Gedenkrede zum 20. Juli, die er 1964 in der aus allen Nähten platzenden Heidelberger Stadthalle hielt, ihre zeitgeschichtlich so aufschlussreiche Authentizität. Während Conze hier insgesamt um die Etablierung eines nationale Identifizierung stiftenden lieu de mémoire bemüht 229

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war, tat er sich erneut schwer mit der Beurteilung der politischen Bewusstseinslage der Deutschen zur Zeit des Nationalsozialismus. Zwar versicherte er, dass weder »jene zwei Drittel, die 1932 als Wähler gegen Hitler gestimmt hatten, noch […] jenes andere Drittel, das als Schwemmsand in der verheerenden Flut der großen Wirtschaftskrise seit 1929/30 Hitler zugeströmt war, im eigentlichen Sinne als nationalsozialistisch zu bezeichnen« seien. Und wenn – so fuhr er fort – »die meisten trotzdem im Kriege draußen an der Front und drinnen in der sog. Heimat unter dem doppelten Terror sowohl der Partei wie der Bomben ihre Pflicht taten und damit faktisch nicht aus dem Zirkel der Identifizierung von Hitler und Deutschland herauskamen, so widersprach das nur scheinbar der eben getroffenen Feststellung, dass bei den Deutschen weit überwiegend der Nationalsozialismus nicht tief eingedrungen war«. Dabei räumte er ein, dass »ein innerer Widerspruch, eine Bewusstseinsspaltung« darin lag, »auf der einen Seite von der Identifizierung Abstand zu nehmen, auf der andern Seite diese Identifizierung aber täglich zu realisieren«. Eine »paradoxe und verteufelte Lage« fürwahr – nicht nur für die damaligen Deutschen,105 sondern auch für den seine eigene Erfahrung verarbeitenden Zeithistoriker. Dennoch ging Conze dem heiklen Thema als Hochschullehrer nicht aus dem Wege. Seit dem Göttinger Wintersemester 1950/51 streifte er das Dritte Reich in regelmäßigen Abständen innerhalb von Überblicksvorlesungen zur »Allgemeinen Geschichte 1919–1939«. Im Wintersemester 1953/54 hielt er im Auditorium Maximum der Universität Münster erstmals eine ganze Vorlesung über »Hitler und den Nationalsozialismus«.106 Reinhard Wittram schrieb er dazu: »Ich tat es auf Wunsch, und erlebe vor und nach jeder dieser Stunden, wie schwer, aber auch wie notwendig es ist. Denn wir stehen heute schon vor einer jungen Generation, für die dieser Zusammenhang bereits in einem erstaunlich großem Umfang abgeschlossene Geschichte ist, über die sie einen unbefangenen Bericht vernehmen will. Über Grenzen der Möglichkeit, dies zu tun, bin ich mir im Klaren; und trotzdem ist das Katheder der Universität heute vielleicht der am besten geeignete Ort, ein Wort zur Nachkriegsgeneration zu sprechen.«107 Es ist in diesem Zusammenhang durchaus beklagenswert, dass weder zu Conzes Vorlesungen der Göttinger und Münsteraner Zeit noch zu denen der Heidelberger Jahre Manuskripte oder Mitschriften vorliegen, aus denen sich Einsichten dazu gewinnen ließen, wie er die Beziehung der Deutschen zu Hitler seinen Zuhörern gegenüber darstellte.108 Insofern muss hier wieder auf veröffentlichtes Schrifttum zurückgegriffen werden. Seinen langfristig wirksamsten Beitrag zur historischen Aufarbeitung des Dritten Reiches stellte womöglich die von ihm erstellte Quellenedition »Der Nationalsozialismus« für den Oberstufenunterricht an Gymnasien dar, die 1959 bzw. 1962 in zwei Heften vom Schulbuchverlag Klett veröffentlicht 230

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wurde. Ihre Breitenwirkung lässt sich aufgrund der zahlreichen Neuauflagen (zuletzt noch 1983/84) erahnen. Im zweiten Heft, das die Jahre 1934 bis 1945 abdeckte – das erste behandelte neben der »Krise der Demokratie« den Aufstieg Hitlers und seine »Machtergreifung« bis 1934 –, widmete Conze den abschließenden, ihm als »besonders wichtig« erscheinenden Abschnitt dem »Verhältnis des deutschen Volkes zum Nationalsozialismus«.109 Während er dabei in seinem einleitenden Quellenkommentar betonte, dass die Wähler der NSDAP »weit überwiegend durch die Not der Wirtschaftskrise zusammengelaufen« waren,110 konzentrierte sich seine nachfolgende Quellenauswahl auf Zeugnisse und Berichte ablehnender, wenn nicht gar widerständischer Haltung gegenüber Hitler und seiner Herrschaft. Durch den Abdruck einer Intellektuellenschelte Hitlers aus dem Jahre 1938 erweckte er zudem implizit den Eindruck, als ob die gebildeten Schichten dem Regime feindlich begegnet seien. Als er – wohl der ›Ausgewogenheit‹ halber – dann doch einmal »die Stimme eines Nationalsozialisten« (eines SSObergruppenführers) zu Wort kommen ließ, stellte er der Quelle die Beteuerung voran, dass es sich dabei um ein »Beispiel für einen Glauben und eine Sprache« handele, »wie sie bis zum Ende bei einer freilich immer geringer werdenden Minderheit des Volkes noch Anklang fanden«. Am Ende seiner Quellenschau stand ein Auszug aus dem Lebensbericht einer Abiturientin aus dem Jahr 1948, die als ehemalige Jungmädelführerin nach dem Krieg ihren »Weg zu Christus« wiedergefunden hatte und sich nun mit der Gewißheit »Vor Gott sind wir alle Sünder« tröstete.111 Die eingehendste Konfrontation mit dem Zusammenspiel von Hitler und den Deutschen aus Conzes Feder blieb seiner kleinen populärwissenschaftlichen deutschen Nationalgeschichte aus dem Jahr 1963 vorbehalten. Nachdem er hier die Schlüsselrolle des Versailler Vertrages und seiner mentalen Folgen innerhalb der Bevölkerung für den späteren Erfolg Hitlers herausgestrichen hatte,112 stellte sich der Historiker der Frage »Nationalsozialismus und deutsche Nation« in einem gesonderten Kapitel. Dabei war er sorgsam darauf bedacht, die beiden in der Kapitelüberschrift enthaltenen Komponenten, die man inzwischen in ihrer Verflochtenheit zusammenzusehen gelernt hat, auseinanderzuhalten. Zwar unterschlug er nicht jene »sich lange fortsetzen« lassende »Kette von Ereignissen oder Erfolgen« – von den »Reichsautobahnen« bis zur »Bekundung deutsch-britischer Freundschaft durch das Flottenabkommen mit Großbritannien« –, bei denen die »Nation als Leistungs- und Willensgemeinschaft einmütig und überzeugt hinter Hitlers Führung zu stehen schien«; gleichwohl betonte er, »für die meisten von denen, die vor 1933 gegen die Nationalsozialisten gestanden hatten, z.T. aber auch für enttäuschte Parteigenossen der NSDAP« möge »cum grano salis das gelegentlich geäußerte Wort gelten, dass Deutschland das erste, von den Nationalsozialisten in Europa okkupierte Land gewesen sei.« Dass die meisten Deutschen in diesem Zusam231

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menhang »keine ›Helden‹« gewesen seien, bezeichnete er als »normal und menschlich«.113 Es war alles in allem ein zweideutiges Bild, das Conze hier von den Deutschen im Nationalsozialismus entwarf. Einerseits räumte er – in beinahe entwaffnender Ehrlichkeit – die menschlichen Schwächen der damaligen Mehrheitsgesellschaft ein, wenn er von der »Praxis des Sich-Durchlavierens, des Nichtauffallens, der listigen Schlauheit, seinen Vorteil unter den Chancen einer moralfreien Sphäre zu suchen«, sprach, ja dem »zweigleisigen Existieren in der Dauerlüge«, wozu nicht zuletzt gehört habe, dass »am Unrecht und am Frevel so weit wie möglich vorbeigelebt wurde«. Andererseits verwies er jedoch gleich im Anschluss auf »alte sittliche Kräfte von großer Stärke«, die »gerade der Nationalsozialismus« im deutschen Volk »neu geweckt« habe. Neben dem aktiven Widerstand meinte er hiermit die »spezifische Dienstgesinnung nationaler Volksgemeinschaft, wie sie überall Völkern zu eigen ist, die sich als nationale Einheit im Aufbruch, im Kampf oder in der Notwehr verstehen«. Jene »Sicht von Gutgläubigen« habe Hitler sich zunutze zu machen gewusst und dann im Krieg diesen »Mißbrauch der nationalen Leistungsgemeinschaft zu seinem grausigen Ende« geführt.114 An dieser Interpretationslinie – einem durch die Folgen des Ersten Weltkriegs und die Wirtschaftskrise anfälligen, grundsätzlich aber gutwilligen deutschen Volk, das von dem Verführer und sodann Unterdrücker Hitler missbraucht wurde, seine Absichten innerlich jedoch nie teilte – hielt Conze im Prinzip bis zuletzt fest. Auch in den folgenden beiden Jahrzehnten entsagte der Historiker der Herausforderung, eine epistemische Brücke zwischen Hitler und den Deutschen als den beiden Polen des Dritten Reiches zu schlagen. Ob hierfür mehr eine bewusste vergangenheitspolitische Selbstimmunisierung verantwortlich war oder ein eher unbewusst wirkender lebensgeschichtlicher ›blinder Fleck‹, lässt sich aus heutiger Sicht schwer entscheiden. Wahrscheinlich wirkte beides zusammen. Es ist Conze allerdings zugute zu halten, dass er als akademischer Lehrer die erforschende Aufarbeitung der nationalsozialistischen Zeit durchaus förderte. So gingen aus seinem universitären Umkreis einige langfristig wirkende Forschungsimpulse von Seiten jüngerer Historiker hervor. Zuvörderst ist hier sein damaliger Assistent Hans Mommsen zu nennen, der sich unter seiner Ägide mit der 1966 erschienenen Pionierstudie über das »Beamtentum im Dritten Reich« an der Universität Heidelberg habilitierte. Mommsen widerlegte hiermit nicht nur den Mythos von Hitlers Monokratie, sondern machte gleichzeitig auch deutlich, dass »die relative Stabilität des nationalsozialistischen Systems keineswegs nur auf Terror, Propaganda und rücksichtslosem Macchiavelismus [sic] basierte«.115 Noch direkter dem Einfluss Conzes und seiner strukturgeschichtlichen Anregung wusste sich sein 1968 von ihm promovierter Schüler Reinhard Bollmus 232

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verpflichtet, dessen Doktorarbeit über das Amt Rosenberg ebenfalls als Fallbeispiel für die polyzentrischen Machtstrukturen im Führerstaat angelegt war. Im Ergebnis nahm der Autor dabei für sich in Anspruch, »mit der Aufdeckung der wahren Verhältnisse im Innern des nationalsozialistischen Staates […] Hitler jenen letzten Ruhm« zu nehmen, »der zugleich zur Entschuldigung für viele wurde: den Ruhm, dass er ein an machiavellistischer Genialität durch nichts zu übertreffender Diktator gewesen sei, dem eine Welt notwendigerweise erliegen musste«.116 Während diese beiden Arbeiten als entscheidende Wegmarken auf dem Weg zu einer später als »funktionalistisch« bezeichneten Interpretation des Nationalsozialismus fungierten,117 zeigte mit Michael H. Kater ein weiterer Doktorand Conzes in seinem 1966 eingereichten »Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches«, in welchem Maße gerade die auf älteren deutschen Traditionen fußende NS-Ideologie »die inneren und äußeren Strukturen des NS-Herrschaftsapparates mitgestaltet« hatte.118 Dies bedeutete wiederum eine Stärkung der »intentionalistischen« Sichtweise. Musste sich Conze schon durch die Doktorarbeit Katers, der es schließlich als einer der ersten Untersuchungen in dieser Richtung auch um die »Ideologisierung der Wissenschaft« im Dritten Reich ging,119 in unangenehmer Weise auf seine damalige Lebenswelt zurückgeführt sehen, gilt dies noch stärker für die bahnbrechende Dissertation von Christian Streit über die deutschen Verbrechen an den russischen Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg aus dem Jahr 1977.120 Für den ehemaligen Ostfrontoffizier Conze, der selbst mit seiner Divisionsgeschichte 1953 eine weitgehend affirmative war story vorgelegt hatte, war es sicherlich keine leichte Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit, anerkennen zu müssen, dass nun »einer der größten Ausrottungs- und Ausbeutungsvorgänge der NS-Herrschaft zum ersten Mal mit größtmöglicher Exaktheit und Ausführlichkeit aufgeklärt und der Anteil der Wehrmachtsführung daran verdeutlicht worden« war.121 Die Bandbreite der hier aufgeführten Qualifikationsarbeiten – denen sich noch die Dissertation Lutz Niethammers über die Entnazifizierung in Bayern hinzufügen ließe –,122 zeugt insofern nicht nur von der Offenheit Conzes gegenüber »damals sehr ungewöhnlichen Themen«,123 sondern auch von seiner Bereitschaft, die eigene erfahrungsgeschichtliche Perspektive auf den Nationalsozialismus zumindest implizit auf den Prüfstand stellen zu lassen. Er selbst wollte freilich bis zuletzt nicht den »existentiellen Nexus zwischen einer führer- und integrationssüchtigen Gesellschaft und dem wegen seiner ›persönlichen Qualität‹ und Bewährungsleistung konsensfähigen Charismatiker«124 als solchen anerkennen. Wenngleich er zu Beginn der achtziger Jahre explizit die reale Existenz einer »NS-Volksgemeinschaft« einräumte,125 gestand er doch nicht ein, dass diese ursächlich auf der genuinen Fixierung auf Hitler beruhte. Anstelle einer »Wahlverwandtschaft«126 ergab sich insofern eine ei233

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gentümliche Unvermitteltheit. Deutlich wird dies noch einmal in der folgenden Passage aus einem Vortrag, den Conze im Mai 1985 zum 40. Jahrestag des Kriegsendes in seinem Heidelberger Rotary-Club hielt:127 »[Es] kann nicht davon gesprochen werden, dass sich das deutsche Volk mit dem Nationalsozialismus identifiziert habe oder dass nazistische Anschauungen und Verhaltensweisen spezifisch deutsch seien oder gewesen seien. Aber das Faktum ist unbestreitbar, dass das deutsche Volk innerhalb und außerhalb der Grenzen von 1937 Hitlers Politik und Hitlers Krieg aktiv unterstützt und vollzogen hat.«128 Die grundsätzliche Widersprüchlichkeit der zeithistorischen Interpretationen Conzes erscheint aufgrund ihrer lebensgeschichtlichen Einfärbung alles andere als überraschend. Schließlich war die wissenschaftliche Behandlung der Vorgeschichte und Geschichte des Dritten Reichs, der sich der Historiker nach 1945 auf insgesamt doch recht breiter Basis gestellt hatte, für ihn immer auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Erfahrung dieser historischen Periode. Im Einklang mit der allgemeinen gesellschaftlichen und fachlichen Stimmungslage der frühen Nachkriegszeit besaß die Zeitgeschichte Conzes von vornherein einen starken rechtfertigenden, ja apologetischen Einschlag. Was mit der Selbstviktimisierung in Form der Kriegsgeschichten der fünfziger Jahre begonnen hatte, setzte sich im Prinzip mit der andauernden Identifizierung mit den vermeintlich ausweglosen Versuchen Heinrich Brünings zur Rettung der Weimarer Demokratie und der These vom Missbrauch der Deutschen durch Hitler bis zum Ende fort. Wenn er zwar jeglicher Beschönigung oder gar Verteidigung des Nationalsozialismus fernstand, war es ihm doch immer darum zu tun, das deutsche Volk an sich von diesem abzugrenzen. Bei allem Eingeständnis historischen Versagens leistete er damit einer impliziten Externalisierung des Dritten Reiches aus der deutschen Nationalgeschichte Vorschub. Seine erlebte Zeitgeschichte war insofern auf weiten Strecken mehr eine Erzählung der Selbstvergewisserung als eine der Selbstkritik. Die Frage, wie sich diese zeitgeschichtliche Disponierung in seinem Umgang mit dem zentralen Verbrechen des Nationalsozialismus niederschlug, verdient eine gesonderte Betrachtung.

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IX. Die Leerstelle Der von den Deutschen und ihren europäischen Helfern im Zweiten Weltkrieg verübte millionenfache Mord an den europäischen Juden, die Katastrophe des jüdischen Volkes (Shoa), wirft seine Schatten über das 20. Jahrhundert hinaus. Es hat bekanntlich mehrerer Jahrzehnte bedurft, doch inzwischen ist der Holocaust innerhalb der westlichen Welt als das ins Bewusstsein getreten, was man als fundamentalen »Zivilisationsbruch« bezeichnen kann.1 Es bedarf insofern kaum der Erklärung, ihn zu einem zentralen Prüfstein, wenn nicht zum »eigentlichen Ausgangspunkt einer deutschen Nachkriegsgeschichte« zu machen.2 Betrachtet man die deutsche Geschichte nach 1945 als Geschichte nach Auschwitz, rücken die Auseinandersetzung der Deutschen mit dem Völkermord und im Zuge dessen das Gedenken an die jüdischen Opfer in den Mittelpunkt historischer Fragestellung. Die Selbstkonfrontierung mit dem Zivilisationsbruch der Judenvernichtung kann gleichsam als Lackmustest der Rezivilisierung der beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften dienen. Diese lebten im Zuge des Ost-West-Konflikts vorwiegend ihre konkurrierenden Erinnerungen an das eigene Leid aus.3 Die DDR versagte dem Thema zeit ihres Bestehens ihre Aufmerksamkeit. In der Bundesrepublik setzte man sich zwar weitaus intensiver mit dem Holocaust auseinander; dennoch dauerte es bis zum Ende der siebziger Jahre, bis der Holocaust »mit großer Verzögerung in den Fokus der gesellschaftlichen Wahrnehmung geriet«.4 Auch die westdeutsche Geschichtswissenschaft, der in diesem Zusammenhang von Berufs wegen eine zentrale Rolle zukommt, hatte sich lange Zeit – um es gelinde auszudrücken – schwer damit getan, dem Holocaust einen Platz im deutschen Geschichtsbild einzuräumen und die Erinnerung an die Verbrechen wachzurufen. Sie knüpfte vorerst an die ihr eigene Tradition an, nach der deutsche Historiker von jeher »weder in der Lage noch willens« gewesen waren, »Themenbereiche der deutsch-jüdischen Geschichte, des Antisemitismus und der Judenverfolgung in den Kanon der erforschungswürdigen Gegenstände zu erheben«.5 Nicolas Berg hat in seiner bahnbrechenden Studie hierzu nicht nur eindrücklich die diskursive Marginalisierung nachgezeichnet, der die Judenvernichtung im Kreise der deutschen Historiker in der unmittelbaren Nachkriegszeit und häufig auch danach anheimfiel, sondern auch überzeugend problematisiert, wie selbst in vielen der frühen Darstellungen der historischen Tatsache von spezifisch deutscher Täterrolle und spezifisch jüdischer Opfer235

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rolle ausgewichen und dabei die im »Pathos der Nüchternheit« betriebene ›objektive‹ deutsche Erforschung gegen die als ›subjektiv‹ degradierte jüdische Erinnerung ausgespielt worden ist.6 Berg hat mit seiner Pionierarbeit neue Maßstäbe für die Historiographiegeschichte der Bundesrepublik gesetzt. Sie laden dazu ein, dem Aspekt der Berücksichtigung der Judenvernichtung über den von ihm untersuchten Personenkreis hinaus nachzuforschen. Trotz seiner umfassenden Evaluierung einer großen Anzahl von Historikern unterschiedlicher generationeller wie ideeller Prägung von Meinecke bis Mommsen bleiben schließlich einige Schlüsselfiguren der westdeutschen Historie unterbelichtet. Dies betrifft nicht zuletzt gerade diejenigen, deren Wirken im Dritten Reich seit Ende der neunziger Jahre Kontroversen hervorgerufen hat. Dabei ist die Frage nach dem Umgang mit dem Holocaust gerade im Falle jener Fachvertreter besonders akut, die vor 1945 ihre Nähe zum Nationalsozialismus mit antisemitischen Standpunkten bewiesen hatten und sich nach 1945 zu Wort- und Schriftführern der westdeutschen Geschichtsbetrachtung aufschwangen. Dies gilt neben Theodor Schieder vor allem für Werner Conze, der sich kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs als junger Volkshistoriker wiederholt über die seines Erachtens schädliche Rolle von Juden in Osteuropa ausgelassen und dabei mit Ausdrücken wie »Entjudung« und »Verjudung« die sprachlichen Register des nationalsozialistischen Antisemitismus gezogen hatte, dessen praktische Umsetzung (bis 1938) er an einer Stelle als Hitlers »klare Politik in der Judenfrage« zudem explizit lobte. Dass er in Bergs Werk dennoch nur ganz am Rande auftaucht, spiegelt die Rolle wider, die der Holocaust für Conze nach 1945 spielte. So kommt der Judenvernichtung in seinem facettenreichen Oeuvre lediglich der Stellenwert einer historischen Marginalie zu, die nur an wenigen Stellen im Rahmen historischer Überblicksbetrachtungen Erwähnung findet, sonst auf weiten Strecken überhaupt nicht thematisiert wird. Als fundamentaler Zivilisationsbruch ist sie völlig abwesend. Eine Untersuchung von Conzes Umgang mit dem Holocaust muss insofern seine spärliche Thematisierung desselben mit seiner weiträumigen Nichtthematisierung konfrontieren, die schlaglichtartig an Schlüsseltexten und Kernmomenten seines wissenschaftlichen Werdegangs aufgesucht werden kann. In diesem Kontext kommt auch der Frage, inwieweit die jüdische Geschichte und Juden in Conzes Werk eine Rolle spielen, eine zentrale Bedeutung zu. Allgemein ist in Hinsicht auf die Frage nach dem Stellenwert der Juden und ihrer Katastrophe innerhalb der Erinnerungskultur der Bundesrepublik zwischen der Abwesenheit der Repräsentation und der Repräsentation der Abwesenheit zu differenzieren, im Zuge derer die Deutschen ihre eigene Leiderfahrung in den Vordergrund rückten.7 Wenn der Holocaust im Folgenden quasi von außen in den intellektuellen Lebensweg Conzes nach 1945 hineingetragen wird, wohnt dem ein dekonstruktiver Impuls inne, der gleichwohl in die Bahnen der historischen Methode 236

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zu lenken ist. Es gilt, dem Ruf zur Anamnesis zu folgen, die »Geschichte gegen den Strich zu bürsten«,8 ohne dabei aber der damit einhergehenden Versuchung einer »Gegengeschichte« zu verfallen.9 Das »Anwesende ohne Anwesenheit, dieses Dasein eines Abwesenden« muss zur Erscheinung gebracht werden, ohne die dahinter stehende »Sorge um die Gerechtigkeit« in einer die historischen Konstellationen letztlich vernebelnden »Logik der Heimsuchung« aufgehen zu lassen.10 Bei Kriegsende waren von der 1933 gut über eine halbe Million starken Bevölkerungsgruppe der deutschen Juden noch etwa 15000 Menschen im ehemaligen Reichsgebiet verblieben, die in Konzentrationslagern, im Versteck oder in Mischehen überlebt hatten;11 viele von ihnen nutzten bald die Möglichkeit zur Auswanderung in die USA oder nach Israel, da ihnen ein Leben im Haus des Henkers unmöglich geworden war. Sie wurden nie offiziell um Verzeihung gebeten – ebensowenig wie die deutschen Juden, die rechtzeitig vor dem Holocaust ins Ausland entkommen waren und als Gesamtheit nie zur Rückkehr in ihre alte Heimat eingeladen werden sollten.12 »Als 1945 das Ausmaß der Judenvernichtung bekannt wurde, blieb der Aufschrei der deutschen Bevölkerung aus.«13 Über die Jahre pendelte sich die Zahl der in der Bundesrepublik lebenden Juden bei etwa 30000 ein.14 Sie bildeten eine höchst heterogene Gemeinschaft, die in den ersten Nachkriegsjahrzehnten nur eine marginale Rolle in der Gesellschaft spielte. Dies hing nicht nur mit ihrer geringen Größe zusammen, sondern auch damit, dass sich die meisten von ihnen schwer damit taten, sich innerlich langfristig in Deutschland einzurichten. Wenn etwas typisch für sie war, dann »ihre Schuldgefühle, weil sie im ›Land der Täter‹ lebten«. Kaum von Schuld- oder Schamgefühlen ihnen gegenüber geplagt war auf der anderen Seite das Gros der nichtjüdischen Mehrheitsbevölkerung, für die die Juden im Laufe der NS-Zeit aufgehört hatten, »Teil der moralischen Gemeinschaft zu sein.«15 Dennoch wurde Juden – trotz ihrer im Vergleich zur Vorkriegszeit eklatanten Abwesenheit im öffentlichen Leben (und überhaupt) – bei der gesellschaftlichen Neukonstituierung Westdeutschlands eine gewisse Rolle zugewiesen. Abgesehen von der Herausbildung eines nicht zuletzt aus politischen Opportunitätsgründen zur Schau getragenen Philosemitismus, der über die Jahre mit der Metamorphose antisemitischer Traditionen eine komplexe Beziehung einging, fungierte eine (wirkliche oder erfundene) Beziehung zu Juden während der NS-Zeit für viele Deutsche als Alibi.16 Ganz konkret äußerte sich dies oftmals bei der Entnazifizierung. Sätze wie der folgende – er stammt aus dem Entnazifizierungsbescheid Werner Conzes aus dem Frühjahr 1949 – waren zur damaligen Zeit in Westdeutschland der Tendenz nach nichts Ungewöhnliches: »Die Beziehungen zu seinem jüdischen Lehrer hat er stets aufrecht erhalten und hat damit bestätigt, dass er die Verfolgung der Juden innerlich missbilligt.«17 237

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Bei dem »jüdischen Lehrer« handelte es sich natürlich um Hans Rothfels. Dieser war bereits 1910 im Alter von 19 Jahren zum evangelisch-lutherischen Glauben konvertiert, was ihn aber nicht davor bewahrte, 1934 als Jude aus seiner Königsberger Professur gedrängt zu werden. Dem Holocaust entging er durch den vier Jahre darauf vollzogenen Gang ins zuerst englische, dann amerikanische Exil. Auf diesen lebensgeschichtlichen Hintergrund ging Conze in keiner Weise ein, als er sich im Juni 1946 erstmals wieder bei seinem Doktorvater meldete – »nach allem, was hinter uns liegt« – und ihm von seinem eigenen Schicksal berichtete.18 Während Reinhard Wittram seine erste Kontaktaufnahme mit Rothfels nach dem Krieg mit der Beteuerung begann, »nicht ohne ein Gefühl der Schuld, wie es viele Deutsche Ihnen gegenüber empfinden werden,« den Versuch machen zu wollen, »eine Kluft von Jahren zu überbrücken«,19 und damit den ihn später auszeichnenden Habitus einer »protestantischen Bußfertigkeit« antizipierte,20 war Conzes Brief frei von Schuldeingeständnissen jedweder Art. Auch in der bruchstückhaft überlieferten Korrespondenz der Folgezeit kam die Erfahrungsdiskrepanz zwischen dem jüdischen Exilanten und dem deutschen Kriegsteilnehmer nicht zur Sprache.21 Lediglich in seinem Brief anlässlich von Rothfels’ 60. Geburtstag im April 1951 wies Conze in diese Richtung: »Ich glaube, dass wir Historiker, ganz besonders wir Hiergebliebenen, die Pflicht haben, das, was wir Ihnen zu danken haben, auch öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Nicht viele haben wie Sie die ›Brücke geschlagen‹, wie Meinecke es ausdrückt; und dies zu einer Zeit, als der Abgrund, über den sie geschlagen werden musste, noch tief war. Wir danken Ihnen diesen Brückenschlag und wollen doch dabei den Abgrund nicht vergessen.«22 Paradoxerweise kam Rothfels als Gründervater der westdeutschen Zeitgeschichtsschreibung eben aufgrund jenes Brückenschlags eine Schlüsselrolle bei der weitgehenden Aussparung der Judenvernichtung innerhalb des Geschichtsdiskurses der frühen Bundesrepublik zu. Wie nur wenige andere aus der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft Ausgestoßene hatte er sich im Exil seine tiefe Verbundenheit zu Deutschland und den Deutschen bewahrt und dabei offensichtlich keinerlei jüdisches Bewusstsein entwickelt, aus dem heraus er nun als Sprecher der Opfer des Dritten Reichs innerhalb der westdeutschen Geschichtswissenschaft hätte auftreten können und wollen.23 So waren auch seine »Überbrückungsversuche nach 1945 […] nicht auf die deutsch-jüdische Kluft, sondern auf die deutsch-deutsche Geschichtschronologie bezogen«. In mancher Hinsicht erscheinen sie gar als »reale Akte des Beschweigens, die die Zeit zwischen 1933 und 1945 als zu überbrückende Aufgabe ansahen, nicht das aus ihr resultierende ›Gegenüber‹ von Geschichtserfahrungen«.24 Auf der anderen Seite war es doch wiederum Rothfels, der bereits 1953 im ersten Heft der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte den berühmten Bericht des 238

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umstrittenen SS-Obersturmbannführers Kurt Gerstein über die Vergasung von Juden in den Vernichtungslagern publiziert und eingeleitet hatte.25 Dabei mochte er in der Tat zu sehr den Geheimhaltungsaspekt und die »Unterscheidung zwischen ›den Nazis‹ und ›dem deutschen Volk‹« herausgestrichen und die systematische Massenvernichtung als vermeintliches Signum der Epoche zu stark universalisiert haben.26 Dennoch warnte er hier eindringlich vor der Gefahr der »Stumpfheit und Gewissenlosigkeit gegenüber den Opfern«, die der »Schleier des Vergessens oder des Bagatellisierens« mit sich bringen würde –27 und dies zu einer Zeit, in der die deutsche Historiographie »ein fast völliges Schweigen bezüglich der jüdischen Thematik« an den Tag legte.28 Auch abgesehen davon wäre es unpassend, Rothfels die Unterlassung der historiographischen Umsetzung seiner eigenen Opferrolle im bundesrepublikanischen Kontext vorzuwerfen.29 Er wird dafür persönliche – wohl auch autotherapeutische – Gründe gehabt haben;30 biographisch erschlossen wurden sie bisher nicht. Auf einem anderen Blatt steht, dass seine Zeitgeschichtsgenossen in Westdeutschland die von dem Exilierten geschlagene Brücke allzu schnell überquerten, ohne den historischen Abgrund unter ihr eines Blickes zu würdigen. Nicht zuletzt die von Rothfels angestoßene Widerstandsforschung wurde als grundlegender Ansatzpunkt dazu genutzt, sich mit der nationalsozialistischen Zeit zu beschäftigen, ohne den Holocaust zu thematisieren.31 Conze lobte das Widerstandsbuch des Exilanten noch in seinem Nachruf als Ausdruck der »historischen Gerechtigkeit und des politischen Brückenschlags«, in deren Geiste dieser noch von Amerika aus seine Stimme erhoben habe.32 In seinem Literaturbericht zum deutschen Widerstand schrieb er 1953 zwar von den »Katastrophen von 1945«, bezog sich dabei allerdings dem expliziten Zusammenhang nach nur auf das von den Deutschen im Zuge der Niederlage erfahrene »Unrecht und Elend«.33 Um das Leid der Deutschen war es ihm auch in seiner Würdigung der ersten beiden Bände der von Rothfels betreuten Vertriebenendokumentation zu tun, die zu jener Zeit auf den Markt kamen. Seine ganze Anteilnahme galt hier den deutschen Opfern jenes »so ungeheuerlichen Geschehen[s]« und »furchtbaren Schicksal[s]«. Dabei seien die »menschlich natürlichen Gefühle des Hasses und der Rache« bei den Deutschen jedoch »weithin durch das Bewusstsein überdeckt worden, dass die Vertreibung zwar Frevel und Gewalt ohne Recht gewesen ist, demgegenüber der Rechtsanspruch auf die Heimat unaufhebbar bleibt, dass sie aber nächst den Massenmorden der SS nur das letzte Glied einer verhängnisvolle Kette gewesen ist, die in den krisenhaften Zuckungen der europäischen Gesellschaft und ihrer Nationalstaaten im Zeitalter der Revolutionen begann und in unseren Tagen bis zu den Weltkriegen und Gewaltherrschaften sich fortgesetzt hat«. Dieser »letzte Akt der Massenaustreibungen und Massenvernichtung« werde als »Ausdruck einer schweren Verstrickung der eu239

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ropäischen Völker, nicht zuletzt des deutschen Volkes« empfunden. Bemerkenswert ist hier nicht nur, dass Conze die Vertreibung der Deutschen mit der Vernichtung der Juden quasi auf eine Stufe stellte, sondern auch, wie er diese als »Massenmorde der SS« unkonkret umschrieb, ohne die Opfergruppe zu benennen und die Dimension des Verbrechens auch nur anzudeuten.34 Das war zu jener Zeit unter westdeutschen Historikern eine verbreitete Vorgehensweise. So hatte etwa der Ostforscher Hermann Aubin zwei Jahre zuvor, indem er »›die Austreibung von über 12 Millionen Deutschen‹ ohne weitere Erläuterung neben ›die Verschleppung und Vernichtung von weiteren Millionen‹ stellte«, gezeigt, dass er »die Ermordung von Slawen und Juden noch immer nicht als deutsches Verbrechen beim Namen nennen wollte«.35 Conze trieb die diskursive Verdrängung des Holocaust zugunsten der deutschen Leidensgeschichte insofern auf die Spitze, als er schrieb, dass es sich bei der dokumentierten Vertreibung »um nichts anderes handelt als um einen wesentlichen Teil der unerlässlichen Bestandsaufnahme der großen ›Verbrechen gegen die Menschlichkeit‹, deren ›unbarmherziges Licht‹ ›unsere Epoche und ihre latenten Möglichkeiten im ganzen‹ so grauenhaft entschleiert hat«.36 Denn die von ihm hier verwendeten Zitate stammten aus den Vorbemerkungen von Rothfels zu Kurt Gersteins Augenzeugenbericht zu den Massenvergasungen von Juden in deutschen Vernichtungslagern.37 Die erste Veröffentlichung, in der Conze die Judenvernichtung als solche dann doch explizit erwähnte, war die gedruckte Fassung seines Vortrags zum Gedenken an den Ostberliner Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953, den er 1955 an der Universität Münster hielt. Der Historiker begann hier mit dem Hinweis auf die »Expansions- und Gewaltpolitik« Hitlers, »die im Namen der deutschen Einheit geführt worden« sei und derentwegen man nun nicht »naiv und ungebrochen« von letzterer sprechen könne. Dabei nannte er zwei miteinander verbundene Tendenzen der deutschen Einheit »in der letzten Phase deutscher Großmachtpolitik z.Z. des Nationalsozialismus«: »a) Nach außen der Wille, nicht allein die angrenzenden deutschen Volksgebiete, vor allem Österreichs und des Sudetenlandes, dem Reich einzufügen, sondern darüber hinaus ein Großreich zu schaffen, für das Teile anderer Völker ins Deutschtum eingeschmolzen, Teile umgesiedelt, die Mehrzahl in verschiedenartiger Form (Protektorat, Gouvernement, Satellitenstaat) angegliedert, die Juden aber durch ein technisches Massenmordverfahren ausgemerzt werden sollten. b) Nach innen der Wille, die deutschen Menschen als ›Menschenmaterial‹ so durchzukneten, dass durch Erzeugung von Begeisterung und durch Anwendung von Druck dem großen Führer, der immer recht hatte, ein einheitlicher nationaler Wille zur Verfügung stehen sollte.«38 So beachtlich es aus der Rückschau – zumal in Hinsicht auf den damaligen Diskurszusammenhang – auch erscheinen mag, dass Conze seinen Einheits240

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vortrag mit dem Verweis auf die NS-Verbrechen und dabei auch den Holocaust begann, wird dieser positive Eindruck doch bei genauerem Hinsehen relativiert. Dass die ›Ausmerzung‹ der Juden eine Tat darstellte, die grundsätzlich aus dem Rahmen der Schaffung eines Großreichs fiel, berücksichtigte er nicht. Überhaupt ließ er sich hiervon in keiner Weise von seinem nationalen Richtwert abbringen. Den jüdischen Opfern galt kein weiteres Wort der Empathie. Stattdessen heißt es in den unmittelbar an das obige Zitat anschließenden Sätzen: »Wozu rufe ich diese düsteren und für uns Deutsche, wo immer wir stehen, schmerzhaften Zusammenhänge in Erinnerung? Ich meine, nur wenn dies in vollem Umfang und ohne jedes Ausweichen geschieht, können wir beginnen, über die deutsche Einheit nachzudenken und für ihre neue Gestaltung uns einzusetzen.«39 Der Kalte Krieg und die daraus resultierende deutsche Teilung schufen ein Klima, das einer Erinnerung an die jüdische Katastrophe nicht günstig war. Nicht nur, dass man sich als Deutscher nun vom Zwang der aktuellen politischen Situation okkupiert und zudem legitimiert sehen konnte, sich als das eigentliche Opfer des Kriegs zu fühlen – im Spannungsfeld der Gegensatzpaare von Faschismus und Antifaschismus sowie von Kommunismus und Antikommunismus, innerhalb derer sich die politischen Kulturen in der DDR bzw. der Bundesrepublik gegeneinander formierten, »fielen nicht in diese Kategorien passende Ereignisse und Themen wie der Holocaust durchs Raster«.40 Ein sprechendes Beispiel hierfür ist die Rede, die Conze 1959 zum Tag der deutschen Einheit im Bundestag hielt. Zwar erwähnte er hier kurz die »zunächst scheinbar siegreiche […] und dann zur Katastrophe hinführende […] nationale Revolution« von 1933 und die »Frevelherrschaft Hitlers«; die Verfolgung und spätere Vernichtung der Juden blieb jedoch unerwähnt.41 Wo konkret von Opfern die Rede war, dann nicht von denen des Nationalsozialismus, sondern von denen der sowjetischen Offensive, deren Folgen im globalen Kontext er sich eingehend widmete. »Auch unsere schnellebige Zeit«, so Conze, »läßt die Menschen nicht leicht vergessen, was an menschlichem Leid mit der Expansion der kommunistischen Macht über die Grenzen Rußlands hinaus verbunden gewesen ist«. Das Leid der Opfer des Nationalsozialismus ließ sich bestenfalls im folgenden Satz mitdenken, in dem es unspezifisch heißt: »Wir haben alle furchtbaren Frevel kennengelernt, die aus dem Wahn gewaltsamer Bekehrung, Einschmelzung, Säuberung und Ausrottung folgen; sei es im Namen der Religion, der Nation oder der Rasse.«42 Der Kalte Krieg stand auch da im Hintergrund, wo er – wie in seinem grundlegenden Vortrag auf den Hessischen Hochschulwochen im Sommer 1957 –43 für ein neues deutsches Geschichtsbild von Ostmitteleuropa plädierte. An dieser Stelle gilt es innezuhalten und einen Blick zurückzuwerfen: Conze hatte im Bereich der Ostforschung seine akademische Laufbahn begonnen und bei seinen in diesem Kontext entstandenen bevölkerungsgeschichtlichen und agrar241

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soziologischen Studien der Vorkriegszeit den Juden die Rolle eines Fremdkörpers zugewiesen, dessen Anwesenheit als Händler und Handwerker in den Städten und wuchernder Ausbeuter auf dem flachen Lande die Bevölkerungsstruktur in der Region in negativer Weise beeinflusste. Es war in diesem Zusammenhang, dass Conze dem Begriff der »Entjudung« einen heilsamen Klang verleihen wollte. Wie ging er nun nach dem Krieg, in dem die Deutschen die »Entjudung« auf eine zuvor unvorstellbare Art und Weise realisiert hatten, mit diesem Thema um? Grundsätzlich sah er sich offensichtlich nicht zu einer Revidierung seiner früheren Sichtweisen veranlasst. Als er fünf Jahre nach Kriegsende seine verlorengegangene Posener Antrittsvorlesung von 1943 über die »Wirkungen der liberalen Agrarreformen auf die Volksordnung in Mitteleuropa im 19. Jahrhundert« für die Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte neu verfasste, schilderte er die Juden in Ostmitteleuropa abermals als von außen kommende Eindringlinge. So lagen die »Funktionen des Bürgertums […] in der Hand eines deutschen oder ursprünglich deutschen Stadtbürgertums oder des Judentums, das in die Städte eingedrungen war und die für den Osten typischen Marktflecken beherrschte«.44 Von der möglichen Maßnahme einer »Entjudung der Städte und Marktflecken« war nun zwar – anders als 1939 – nicht mehr die Rede, die historische Rolle der Juden wurde jedoch ähnlich geschildert wie dazumal. Dieser Eindruck wird durch seinen Beitrag zum Eröffnungsheft der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte bestärkt, der sich der »Strukturkrise des östlichen Mitteleuropas« vor und nach 1919 widmete. Abermals erscheinen die Juden hier als nicht dazugehörig, sondern werden als Störfaktor der im Einzelnen abgehandelten anderen Bevölkerungen der Region genannt. Diese litten im Rahmen der »ländliche[n] Übervölkerungsfrage« unter dem Zustand, dass »Handel und Gewerbe in den kleinen Städten und Flecken […] in jüdischer Hand und kaum noch zusätzlich tragfähig« waren, unter der »Blockierung der tragbaren Stellen und Betriebe durch die Juden«.45 Die nationalsozialistische Vernichtung des osteuropäischen Judentums hatte Conze also einstweilen nicht dazu bewogen, diesem zumindest in der historischen Erinnerung eine andere Bedeutung als die rein negative zuzugestehen. In seinen Ausführungen über »Ostmitteleuropa im deutschen Geschichtsbild« von 1957 schlug sich dieser Mangel an Empathie in der völligen Aussparung der Juden und ihrer Katastrophe nieder.46 Das macht sich vor allem an den Stellen drastisch bemerkbar, wo Conze »Hitlers Stellung zu Ostmitteleuropa« schildert (»Das Recht der kleinen Völker sollte dem des deutschen Volkes je nach Zweckmäßigkeit untergeordnet werden.«) und in Hinsicht auf ihre Folgen ausgiebig aus der Rede von ›Reichsführer-SS‹ Himmler auf der Gauleitertagung am 3. August 1944 in Posen zitiert, auf der die »Wahnsinnsidee der deutschen Machtausdehnung weit nach Osten« dem Leser noch einmal entge242

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gentrete. Daraufhin konstatierte er, dass die »Antwort von 1945« »nicht weniger brutal« gewesen sei, und meinte damit »die Massenaustreibung der Deutschen« als »grausame Konsequenz eines politischen Willens, dem ein Geschichtsbild ohne Ehrfurcht entsprach«. Dabei empfahl er die deutsche ›Dokumentation der Vertreibung‹ als »wichtige[n] Versuch«, »mit wissenschaftlicher Sauberkeit den Grund für ein neues Geschichtsbild gegenüber Ostmitteleuropa zu legen«.47 Es waren wiederum die deutschen (Nach-)Kriegsopfer, die das Bild des Krieges bei ihm überwölbten. Den Holocaust hingegen deutete Conze nicht einmal an. Ebenso wenig wurden die Juden zu den Zielgruppen jener Völkerverständigung mit den ›östlichen Nachbarnationen‹ gerechnet, zu der er am Ende seines Vortrags aufrief. Sie spielten hier schlicht keine Rolle mehr, weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft. Dass das Schweigen über den Judenmord ein allgemeines Phänomen innerhalb der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Staaten Osteuropas gewesen ist, lässt sich etwa an der Tatsache erkennen, dass noch 1977 ein sozialdemokratischer Bundeskanzler eine Ansprache in Auschwitz (!) halten und dabei einem »neuen und unbefangenen Verhältnis zwischen Deutschen und Polen« das Wort reden konnte, ohne die Juden auch nur andeutungsweise zu erwähnen.48 Für Conze stand während der fünfziger Jahre jedoch nicht Ostmitteleuropa im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern die Neuerfindung der Sozialgeschichte. Sein strukturgeschichtliches Programm lässt sich wissenschaftshistorisch neben anderem auch als einer »der wichtigsten Versuche aus der Frühzeit der Bundesrepublik, die Erfahrungen der Zeitgeschichte zu verarbeiten und aus ihnen die Konsequenzen für die Arbeit des Historikers zu ziehen«, betrachten.49 Dabei war hier von konkreten zeitgeschichtlichen Ereignissen freilich in keiner Weise die Rede. So hob Conze zwar mit einem Verweis auf einen Vortrag an, den Johan Huizinga 1941, »mitten in der europäischen Katastrophe unserer Tage«, gehalten hatte;50 diese Katastrophe konkreter zu fassen unternahm er jedoch nicht. Ebensowenig stellte sie für ihn eine historische Zäsur dar. Als solche bot sich unter dem von ihm eingenommenen Blickwinkel des Industrialisierungs- und Technisierungsprozesses vielmehr das ausgehende 18. Jahrhundert an. Mit dem Beginn der modernen Revolutionen begann die für ihn noch nicht abgeschlossene dritte weltgeschichtliche Periode, die auf die der vorgeschichtlichen Zeit bis zum Neolithikum und die rund sechs Jahrtausende lange der Hochkulturen folgte.51 Die lange Dauer der Strukturgeschichte überwölbte insofern die Ereignisgeschichte der jüngsten Vergangenheit, ja ebnete sie gewissermaßen zeitlich ein. Räumlich betrachtet ließ sich die deutsche Eigenart dieser durch den globalen Zuschnitt jener universalisieren.52 Mit diesem Befund ist nichts über eine bewusste Intention ausgesagt, sondern über die faktische Begleiterscheinung einer breiten Denkbewegung, die 243

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das konservative deutsche Geistesleben in den fünfziger Jahren kennzeichnete und auch Conzes strukturgeschichtlichem Ansatz mit zugrundelag. Rüdiger Safranski hat das Unverständnis gut zum Ausdruck gebracht, das den Betrachter dieses technikskeptischen Diskurses beschleicht: »In der Epoche des Kalten Krieges, die eigentlich den Gedanken nahelegte, dass die Politik das Schicksal sei, meldeten sich vermehrt und unüberhörbar die Stimmen zu Wort, welche die Fixierung aufs Politische als Selbsttäuschung kritisierten und davon sprachen, dass in Wahrheit die Technik inzwischen zu unserem Schicksal geworden sei.«53 Nun waren im Zweiten Weltkrieg in der Tat die technischen Vernichtungsmöglichkeiten des Menschen erschreckend deutlich geworden. Der deutschen Technikkritik der Nachkriegszeit lässt sich insofern von vornherein keineswegs ihre Berechtigung absprechen. Höchst fragwürdig gestaltete sich jedoch häufig die Art und Weise ihres Umgangs mit dem Problem. Während es nämlich einem deutsch-jüdischen Denker wie Günther Anders überlassen blieb, sich nach Auschwitz – und Hiroshima – zu einer allgemeinmenschlichen »prometheischen Scham« zu bekennen,54 fühlte man sich auf nichtjüdischer deutscher Seite zumeist in keiner Weise zur Scham oder auch Schuld angesichts des monströsen Technikmissbrauchs der nationalen Zeitgeschichte aufgerufen. Vielmehr kam die Technikkritik derart universalisiert daher, dass der Holocaust wenn überhaupt, dann nur als eines von vielen Phänomenen des technisch-industriellen Zeitalters Erwähnung fand. Beispielhaft hierfür sind die berühmt-berüchtigten Zeilen Heideggers aus dem Jahr 1949: »Ackerbau ist jetzt motorisierte Ernährungsindustrie, im Wesen das Selbe wie die Fabrikation von Leichen in Gaskammern und Vernichtungslagern, das Selbe wie die Blockade und Aushungerung von Ländern, das Selbe wie die Fabrikation von Wasserstoffbomben.«55 Einer solchen Infamie – die noch dadurch gesteigert wird, dass sie des Philosophen überhaupt einzige Bezugnahme auf den Holocaust darstellt –, lässt sich Werner Conze freilich nicht zeihen. Was ihn jedoch mit Heidegger und vielen anderen deutschen Denkern der damaligen Zeit einte, war die vermeintliche »Erfahrung der Ohnmächtigkeit inmitten technischer Funktionszusammenhänge ›sekundärer Systeme‹«. Es war vor deren Hintergrund, dass er nun davor warnte, »nur noch den sogar in den Spitzen instrumental verstandenen ›reduzierten Menschen‹ zu sehen und gegenüber der Erscheinung anonymer, personell verborgener, womöglich ihrer selbst nicht mächtiger Fernsteuerung zu kapitulieren«. Dies seien »unheimliche Visionen, freilich ernst zu nehmende Bewusstseinsinhalte unseres Zeitalters, wie sie uns extrem in der erbarmungslosen Seinsverlorenheit im ›Prozeß‹ Kafkas begegnen«.56 Das Werk Franz Kafkas ist häufig als literarische Prophezeiung des Holocaust interpretiert worden.57 Hatte in einem solchen Sinne auch Conze bei seinem Hinweis auf Kafkas Roman die nationalsozialistische Judenvernichtung 244

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im Kopf ? Der Fortlauf seiner Ausführungen lässt diese Annahme abwegig erscheinen. So sah er in jenen »unheimlichen Visionen« zwar die »grausige Grunderfahrung eines Trends unserer Epoche mit ihrer Gefährdung des Menschen angedeutet«, hielt sich mit dieser aber nicht weiter auf und bestimmte sie in keiner Weise. Da konnte sich ein jeder denken, was er wollte; die jüdische Katastrophe war mit der »Gefährdung des Menschen« jedenfalls nicht fixiert. Was an dieser Stelle dem Eindruck nach überwog, war das Bild einer modernen Gesellschaft, »die den Menschen weithin zum funktionalistischen Teilhaber unüberschaubarer Kreisläufe und Apparaturen werden läßt«.58 Und in einer solchen Nacht waren letztlich alle Katzen grau, sowohl Opfer als auch Täter. Dass die Sozialgeschichte Conzes, wie sie durch sein strukturgeschichtliches Plädoyer theoretisch umrissen wurde, in keiner Beziehung zum Holocaust stand, bringt auch ihre praktische Umsetzung deutlich zum Ausdruck. Weder seine eigenen sozialgeschichtlichen Arbeiten noch die von ihm in diesem Zusammenhang angestoßenen und wissenschaftsorganisatorisch gestützten Projekte seiner Schüler und Mitarbeiter berührten thematisch in irgendeiner Weise die Judenvernichtung oder die jüdische Geschichte; das gilt auch für sein Heidelberger Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und den Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte. Eine gewisse Ausnahme bildet dabei sein zeitweiliger Assistent Hans Mommsen. Dessen funktionalistische Erklärungsmodelle des Nationalsozialismus und später auch des Holocaust weisen zwar ideengeschichtliche Berührungspunkte zu Conzes strukturgeschichtlicher Grundausrichtung auf, sind ihrer Genese nach jedoch weit stärker Mommsens Wirken am Münchner Institut für Zeitgeschichte geschuldet, wo vor bzw. neben ihm Hermann Mau und Martin Broszat in ähnlicher Richtung wie er tätig waren.59 Die in diesem wissenschaftlichen Umfeld entstandene strukturfunktionalistische Interpretation der Judenvernichtung, die bei Mommsen später in der These einer quasi intentionslosen »kumulativen Radikalsierung« kulminierte,60 ist in den vergangenen Jahren – am eindringlichsten von Nicolas Berg – dafür kritisiert worden, den Antisemitismus der Täter zu unterschätzen und diese dabei als austauschbare Funktionsträger eines weitgehend anonymen Prozesses von persönlicher Verantwortung zu befreien. »›Struktur‹« erscheine, so Berg, »mithin als Erklärungsangebot für das Fehlen von Verantwortung.«61 Ein derart diagnostizierter apologetischer Unterton – auf den sich die Interpretationen Mommsens und seiner strukturalistischen Mitstreiter freilich nicht reduzieren lassen62 – ist in Conzes Strukturgeschichte bereits implizit enthalten. Explizit konzentrierte sich das sozialgeschichtliche Unternehmen Conzes und seines Heidelberger Umfelds auf ganz andere Themengebiete. Im Mittelpunkt stand dabei eine Art historiographischer Wiedergutmachung an den Arbeitern, die als in der Tat lange vernachlässigter Forschungsgegenstand nun ins 245

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Zentrum der fachlichen Aufmerksamkeit gerückt wurden. Insbesondere Conze selbst ging es hiermit nicht um eine grundsätzliche historische Gesellschaftskritik, sondern – nicht zuletzt in geschichtspolitischer Rivalität zur DDR – um die rückwirkende Heimholung der Arbeiter in die deutsche Nation. Für die Juden und ihre Katastrophe blieb bei dieser innerdeutschen Vergangenheitsbewältigung einstweilen kein Platz in der aufstrebenden Sozialgeschichte. Unterdes war der Holocaust mit dem Ausgang der fünfziger Jahre deutlich stärker in die öffentliche Aufmerksamkeit der Westdeutschen gerückt. Juristische Großereignisse wie der Ulmer Einsatzgruppenprozess (1958), der Jerusalemer Prozess gegen Adolf Eichmann (1961) und die Frankfurter AuschwitzProzesse (1963–1965), aber auch die alarmierende Welle antisemitischer Vorfälle im Anschluss an den Anschlag auf die neu eingeweihte Kölner Synagoge (1959) trugen das ihre dazu bei,63 dass die nationalsozialistischen Massenverbrechen zu einem wichtigen innenpolitischen Thema in der Bundesrepublik wurden.64 Dies ging auch am Werk Conzes nicht spurlos vorüber. Dabei entsprach es dem zu jener Zeit üblichen geschichtswissenschaftlichen Herangehen an das Dritte Reich, dass er der Judenvernichtung erstmals im Rahmen seiner Quellenedition zum Nationalsozialismus einen größeren Raum zugestand.65 In dem 1962 erschienenen Quellenheft für den Schulunterricht versammelte er nun unter der etwas sperrigen Überschrift »Konsequenzen des Antisemitismus als des Zentrums der Politik Hitlers« antijüdische Gesetzestexte, Auszüge aus dem Protokoll der Wannsee-Konferenz, eine Nachkriegs-Aufzeichnung von Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß und zuletzt relevante Stellen aus Hitlers politischem Testament vom April 1945.66 Die jüdischen Opfer kamen dabei nicht zu Wort, repräsentiert wurde insofern einzig die Sicht der deutschen Täter. Doch ist dies nicht der einzige Kritikpunkt, den man an die Quellenschau Conzes herantragen möchte. Denn so sehr ihm darin zuzustimmen ist, dass es »wohl kaum besonderer Rechtfertigung« bedürfe, »dass die Judenpolitik und -ausrottung dabei nicht einfach eingefügt werden konnte, sondern einen eigenen Abschnitt verdiente«, so sehr sticht seine gleich darauf folgende Bemerkung ins Auge: »Ähnlich tiefgreifend [!] war der Kampf gegen die christlichen Kirchen, so dass auch hierfür ein eigener Abschnitt erforderlich war.«67 Der entsprechende Abschnitt über den »Kirchenkampf«, in dem die Kirchen insgesamt als Opfer des Regimes erscheinen, ist denn auch genauso lang wie der über die Verfolgung und Vernichtung der Juden.68 Zu der Frage, in welcher Form die deutsche Bevölkerung, die er im letzten Abschnitt vor allem in ihrer Distanz zum Nationalsozialismus darstellte, am Holocaust beteiligt war, schweigen die präsentierten Quellen.69 Wie in Bezug auf den Nationalsozialismus allgemein stellt auch in diesem Zusammenhang das 1963 erschienene Büchlein »Die deutsche Nation« Conzes Schlüsseltext dar. An keiner Stelle innerhalb seines umfangreichen Gesamt246

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werks nahm er ausführlicher Stellung zum Holocaust als in dieser nationalgeschichtlichen Gesamtdarstellung, weder vorher noch nachher. Dass es gerade einmal knapp vier Seiten waren, kann nur aus heutiger Sicht verwundern; Golo Mann brauchte in seiner viel gefeierten und aufgelegten deutschen Geschichte aus dem Jahr 1958, die ungefähr fünfmal so lang war wie die Conzes, auch nicht mehr.70 Ebenso wie Mann ging es Conze dabei von Anfang an darum, die Verantwortung Hitlers in den Mittelpunkt zu rücken. Über die deutsche Nation wurde es in seinen Worten »verhängt, dass sie sich von ihren Menschen jüdischer Abstammung trennen sollte, die ihr im Laufe eines Jahrhunderts zugeströmt waren und ihr nicht nur Reichtum in der Wirtschaft, sondern vor allem Reichtum an Intelligenz und Begabung im wissenschaftlichen und kulturellen Leben zugeführt hatten«.71 So sehr er sich hier darum bemühte, den Juden Respekt zu zollen, übersah er doch geflissentlich, dass die Geschichte der Juden in Deutschland bereits in die Spätantike zurückging und nicht erst ins 18. oder gar 19. Jahrhundert. Zwar sei, fuhr er fort, »ihre Einfügung nicht ohne Konflikte vor sich gegangen« und »durch ein allzu plötzliches und starkes Einströmen von Juden aus Ostmitteleuropa unmittelbar nach 1918 gestört worden«; »aber im ganzen war die Nation durch die deutsch-jüdische Symbiose trotz unvermeidlicher Reibungen bereichert worden« und auch nicht antisemitischer eingestellt gewesen als andere. Insgesamt ließ er sich bei seinen Ausführungen von einer genuin deutschen Perspektive leiten, der es primär um die Frage nach Nutzen und Schaden für die (nichtjüdischen) Deutschen ging: »Eine unermeßlich große und schmerzhafte Operation war die Abtrennung der Juden von den Deutschen. In den Jahren von 1933 bis zum Auswanderungsverbot von 1941 emigrierten etwa 300000 von insgesamt einer halben Million deutscher Juden. Was dies für die Stellung der deutschen Nation in der Welt, vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika bedeutete, kann schwer überschätzt werden.«72 Als er dann am Ende konkret auf den Holocaust zu sprechen kam und zu Recht dessen singulären Charakter hervorhob, stand letztlich Hitler mehr oder weniger als Einzeltäter dar; und in gewisser Weise erschienen die Deutschen mehr als passive Opfer denn als aktive Täter des anonym anmutenden ›Geschehens‹, dem die Juden ›verfielen‹: »Was da in Auschwitz und in anderen Lagern geschah, übersteigt alles, was je in der modernen Welt, die die Möglichkeiten dazu hat, an planmäßiger Massenvernichtung gefrevelt worden ist. Im Gegensatz zu den Ostraumplänen auf lange Sicht war diese schnelle ›Endlösung‹ nicht irreal. Die große Mehrheit der Juden in Mittel- und Osteuropa verfiel dem furchtbaren Sterben. Es war befohlen vom ›Führer‹ der deutschen Nation, dessen letztes Wort an sein Volk mitten in den Trümmern Berlins noch am 29. April 1945 die Aufforderung zum Widerstand gegen das ›internationale Judentum‹ gewesen ist. Diese fixe Idee war das Zentrum seiner ›Weltanschauung‹ geblie247

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ben. Von den Massen, die ihm 1930 bis 1933 zur ›Macht‹ verholfen hatten, war das kaum beachtet worden; sie hatten es entweder hingenommen, oder sie hatten es als peinlich beiseite geschoben. Nun aber war die Nation für ihre Zukunft belastet mit dem Frevel des Mannes, der sich für seine Person durch Selbstmord allen Folgen entzog.«73 Wie sollten die Nation und der einzelne Deutsche nach dem Krieg mit dieser Belastung umgehen? Auch zu dieser Frage, der Frage der Schuld, äußerte Conze sich hier so eingehend wie nirgendwo sonst. Dabei bezog er sich zwar nicht mehr direkt auf den Holocaust, wohl aber indirekt. Nach einer heftigen Kritik an den für ihn kontraproduktiven Entnazifizierungsbemühungen der Alliierten wandte er sich entschieden gegen den »Vorwurf der ›Kollektivschuld‹«. Im »christlichen Verstande«, den er sich auf die Fahnen schrieb, sündige schließlich nicht ein Kollektiv, »sondern nur der einzelne Mensch«. Der recht besehen im Abwehrmechanismus der Deutschen entstandenen, von den Alliierten aber so nie geäußerten Vorstellung einer »Kollektivschuld«74 kam er selbst dann interessanterweise doch erstaunlich nahe, wenn er über die »Schuldverstrickung« schrieb: »Da diese Verstrickung aber viele betroffen hat, letztlich die ganze Schicksals- und Leistungsgemeinschaft der Nation, geht die Frage der Schuld doch wohl über den jeweiligen Einzelfall hinaus und weist, ohne dass dies ›Kollektivschuld‹ wäre, auf die Nation im ganzen; denn diese Nation hatte sich, mit fast allen ihren Gliedern aktiv handelnd, in ihr Verhängnis gestellt.«75 Daraus leitete Conze zwar die die »Notwendigkeit der Buße, das heißt der tätigen Umkehr« ab, verwahrte sich jedoch gegen den damals von Kollegen wie dem Göttinger Historiker Hermann Heimpel vertretenen Diskurs einer schamerfüllten und schuldbewussten »Vergangenheitsbewältigung«. Dies tat er aus einer Geisteshaltung heraus, die man mit Berg als »Heroismus des Schweigens« bezeichnen kann.76 So lieferte er hier eine quasi objektivierte Rechtfertigung des eigenen Schweigens über seine NS-Vergangenheit, mit der er sich gleichzeitig noch denjenigen, die es nicht so hielten wie er, als moralisch überlegen präsentierte: »Wo jeweils die Grenze liegt zwischen harter Gewissenserforschung und zerstörerischer Lust an Selbstverstümmelung, das ist je von der Verantwortung des einzelnen her zu entscheiden. Das erste geht in Stille vor sich, das zweite wird nach außen getragen und unterliegt dann unvermeidlich dem politischen Mißbrauch derer, die ein Interesse an Selbstbezichtigung ihrer Gegner haben.«77 Mit der Stille, die Conze für die »harte« Erforschung seines Gewissens für sich in Anspruch nahm, war es für ihn bald vorbei. Die »zerstörerische Macht des Schweigens«78 schlug auf ihn selbst zurück. Es war im Januar 1970 in Heidelberg, dass Conze zum ersten Mal seit der Entnazifizierung von außen mit seinem Wirken im Dritten Reich konfrontiert wurde. Der hochschulpolitische Konflikt mit den Heidelberger 68ern war 248

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schon gut zwei Jahre im Gange, und mit seinem Amtsantritt als »Übergangsrektor« der Universität war er ein halbes Jahr zuvor zur zentralen professoralen Angriffsfläche des studentischen Protests geworden. Nun kandidierte er abermals für das Amt des Rektors; seine Widersacher setzten alles daran, seine Wahl zu verhindern. In dieser Gemengelage – und ihr ursächlich geschuldet – machten einige ›seiner‹ Studenten Mitte Dezember »Dokumente zur Kontinuität des Faschismus im deutschen Gelehrtenstand« publik: gekonnt zusammengestellte und gewitzt kommentierte Auszüge aus Conzes Divisionsgeschichte sowie Zitate aus seiner Doktorarbeit und Habilitationsschrift, die auf den »deutschen Kulturboden« und die Kategorie des »Lebensraums« abhoben.79 Vier Tage vor der Rektoratswahl wurden im AStA-Mitteilungsblatt »Info 103« die antisemitischen Textstellen aus seinem 1938 erschienenen Artikel »Wilna und der Nordosten Polens« veröffentlicht.80 Einen Tag darauf nahm ein Flugblatt des SDS Conzes Zitate erneut auf.81 Den Studenten war unzweifelhaft ein historisch wichtiger und seinem gegenwärtigen Gehalt nach skandalträchtiger Fund gelungen, wenn auch seine weitere Interpretation – worauf noch zurückzukommen ist – durchaus fragwürdig war. Wie reagierte der Betroffene? Persönlich rang sich Conze zu keiner öffentlichen Stellungnahme durch. Auch gegenüber Nachfragen von Seiten seiner Mitarbeiter blockte er ab.82 Die Reaktion überließ er anderen. So musste – ähnlich wie bereits beim Entnazifizierungsverfahren – abermals Hans Rothfels in die Bresche für ihn springen und ihm eine Art Persilschein ausstellen. In einer eigens angefertigten Erklärung vom 29. Januar beteuerte sein alter Lehrer, »nachdrücklicher als vielleicht mancher andere bezeugen zu können, dass ihm [Conze] antisemitische Äußerungen sowie eine entsprechende Einstellung von jeher völlig ferngelegen haben«. Wenn Conze in seinem Wilna-Aufsatz von einer »fortschreitenden Entjudung« und von Wilna als einem »Zentrum des Weltjudentums« gesprochen habe, so seien das »trotz gewisser Anklänge an zeittypische Formulierungen […], keine antisemitisch gemeinten Bemerkungen, sondern Hinweise auf Tatbestände, wie sie sich von der polnischen Seite her gesehen darstellen«. Dabei betonte er »wiederum im Gedenken an gemeinsame Bemühungen seit den Königsberger Jahren, dass der Aufsatz von der klar erkennbaren Absicht zeugt, einem Ausgleich deutsch-polnischer Spannungen zu dienen, für den eine wechselseitig verpflichtende Nationalitätenpolitik auf der Basis der Toleranz eine entscheidende Voraussetzung sein sollte«.83 Eine ähnlich beschwichtigende Stellungnahme des Redakteurs Horst Krautkrämer verbreitete eine Woche darauf – die Rektoratswahl war bereits verloren – der Süddeutsche Rundfunk. Conzes Aufsatz, so war hier zu hören, sei »alles andere als ein zeitgemäßer Sündenfall«, sondern eine »nüchterne Untersuchung«; »deskriptive Sozialgeschichte« habe er damals betrieben. Doch trotz 249

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seiner mühevollen Versuche, die Wortwahl ihres antisemitischen Charakters zu entkleiden, bemerkte der Autor am Ende, dass Conze es »seinen Schülern schuldig« sei, »offen und auf seine Person bezogen darüber zu reden, wie gefährlich es ist, wenn man sich in jungen Jahren gängige Worte und Begriffe aneignet, ohne ausreichend deren Bedeutungsgehalt reflektiert zu haben«.84 Dass Conze sich auch in der Folgezeit in keiner Weise gegenüber den Studenten zu seinem Wirken im Nationalsozialismus und damit zusammenhängenden Fragen äußerte, kann man als persönliches Versagen betrachten. Seine Opponenten unter den Studenten von damals wirken da überzeugend, wo sie im Rückblick seine an den Tag gelegte »Ungerührtheit« anprangern85 – wenn auch die damalige Situation einem selbstkritischen Gang an die studentische Öffentlichkeit sicherlich massiv im Wege stand. Ob sein Schweigen der Scham oder der Indolenz geschuldet war, kann man nicht wissen. Das verhinderte Gespräch, der Kommunikationsstau, war jedenfalls auch insofern ein schwerwiegendes Versäumnis, als die Thematisierung des Holocausts, die durch die Publikmachung des Wilna-Aufsatzes womöglich hätte in Gang kommen können, so allein in das weltanschauliche Interpretationskorsett der 68er eingezwängt blieb. Und um dieses war es auch nicht zum Besten bestellt. Dass allgemein der ›Antifaschismus‹ der studentischen Linken der Judenvernichtung historisch in keiner Weise gerecht zu werden vermochte, ist ein Befund, der inzwischen mit guten Gründen als etabliert gelten kann.86 Die »theoretische Reduktion des Nationalsozialismus auf Faschismus« stand als »spezifisch linke Ausprägung eines allgemeinen Verdrängungs- und Verleugnungszusammenhangs« der Gegenrationalität des Holocausts blind gegenüber.87 Er passte schlicht nicht in das starre ideologische Konzept. Und zumal die eigentümliche Vergangenheitsvergegenwärtigung, welche die 68er durch die Gleichsetzung von Kapitalismus und Nationalsozialismus vornahmen, machte die Vernichtung der Juden zu einer Fußnote der Geschichte. Bei den Heidelberger Vorgängen um Conze lässt sich dieser Komplex in aller Deutlichkeit erkennen. War schon die erste Publikmachung seiner antisemitischen Zitate durch die Überschrift »Die Geburt der Sozialgeschichte aus dem Geiste des Imperialismus«88 in eine der jüdischen Katastrophe absolut unangemessene Antiimperialismus-Rhetorik eingekleidet, manifestierte sich die diskursive Einebnung des Judenmords in der Kapitalismuskritik des SDS einen Tag darauf noch klarer: »Conzes wissenschaftliche Tätigkeit war nichts anderes als die analytische Vorarbeit für den Überfall auf Polen und die Sowjetunion und letztlich für Auschwitz. Heute hat sich für Conze als einem der Väter des Südasien-Instituts lediglich die Geographie verändert, statt Polen z.B. Vietnam, die Aufgabe ist die gleiche. Die immer neuen Aufgaben also, die Conze im Laufe seiner Karriere übernahm, stellen sich als die immer gleiche Aufgabe heraus: Handlangerdienste für die Machenschaften des Kapitals.«89 In einer »Historikerflugschrift« der Institutsgruppe Geschichte vom Mai 250

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1970, die sich mit dem Wilna-Aufsatz und speziell dessen Verteidigung durch Rothfels befasste, wurde ebenfalls die Kontinuität von Nationalsozialismus und »BRD-Kapitalismus« beschworen.90 Dass die jüdische Frage dabei keine wirkliche Rolle spielte, zeigt sich in einer symptomatischen Abwandlung eines berühmten Diktums Max Horkheimers: »Was kann das für eine Entlastung sein, die nicht auf den expliziten Vorwurf der faschistischen Ideologie antwortet, da sie nur vom deutschen Antisemitismus redet und von Faschismus schweigt.«91 Reinhart Koselleck hat die damalige Situation aus eigener Erinnerung treffend geschildert: »Die lapidare Erklärung: NS-System = Kapitalismus, Kapitalismus = Bundesrepublik: ergo Bundesrepublik = Faschismus suchte zwar ernsthaft die Vergangenheit der Vätergeneration mit ihrer Gegenwart zu erklären und umgekehrt. Aber diese Gleichung war in Anbetracht dessen, was 1933 bis 1945 wirklich geschehen war und in Anbetracht dessen, was 1969 politisch der Fall war, der glatte Hohn, selbst erklärungsbedürftig statt eine Erklärung zu bieten.«92 Fragen nach dem Holocaust waren nicht nur nicht der Anlass für die Bekanntmachung von Conzes Vorkriegsäußerungen zu den Juden in Wilna, sondern wurden auch im Anschluss nie gestellt.93 Die jüdische Katastrophe war auch da abwesend, wo sie für eine Entlarvung Conzes instrumentalisiert wurde. In gewisser Weise wirkte sich hier eben die Marginalisierung des Holocaust innerhalb der westdeutschen Geschichtswissenschaft der Nachkriegszeit aus, für die neben vielen anderen Fachvertretern auch er selbst mit verantwortlich war. Von den jüdischen Opfern war nie die Rede, der Antisemitismus blieb als Thema uninteressant. Und damit nicht genug. In den Reihen der linken Heidelberger Studenten manifestierte sich auch das, was Jean Améry bereits 1969 als neuen, »ehrbaren Antisemitismus« beschrieben hat: »Die neuen Vorstellungen aber traten auf die Szene gleich nach dem Sechs-Tage-Krieg und setzten langsamerhand sich durch: der israelische Unterdrücker, der mit dem ehernen Tritt römischer Legionen friedliches palästinensisches Land zertritt. Anti-Israelismus, Anti-Zionismus in reinstem Vernehmen mit dem Antisemitismus von dazumal.«94 Der zeitgeschichtliche Hintergrund dieser Erscheinung kann hier nicht weiter erörtert werden.95 Es ist jedoch wichtig darauf hinzuweisen, dass er parallel zu dem Konflikt um Conze, ja teilweise in direkter Verbindung zu ihm, von seinen studentischen Kritikern mitgetragen wurde. So verkündete etwa im Februar 1970 der SDS gemeinsam mit dem Heidelberger Palästina-Komitee und anderen Organisationen in einem Aufruf zu einer großen »Palästina-Demonstration«: »Die israelische Propaganda behauptet, dass Israel eine Zufluchtsstätte für die Juden ist, die in Russland vor der Revolution von 1917 und unter den Nazis unmenschlichen Verfolgungen ausgesetzt gewesen sind. Die Bewegung, die die verfolgten Juden sammelte und es ihnen ermöglichen sollte ein Volk in einem Staat zu bilden heißt Zionismus. In Wirklichkeit handelte es sich 251

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darum, mit Hilfe von westeuropäischem Kapital jüdische Arbeiter aus Osteuropa nach Palästina zu exportieren, damit sie dort für dieses Kapital produzierten und zugleich gegen die arabischen Bewohner Palästinas die Interessen der westeuropäischen Kapitalisten durchsetzten.«96 Der verantwortliche Redakteur der entsprechenden Ausgabe der »Roten Kommentare« war mit Dietrich Hildebrandt einer derjenigen Geschichtsstudenten, die kurz zuvor die Kampagne gegen Conze geführt hatten. Ein anderer aus diesem Kreis war Joscha Schmierer, langjähriger Vorsitzender des Heidelberger SDS, welcher sich inzwischen als »maßgeblicher Katalysator einer raschen antizionistischen Wende« im Bundesverband profiliert hatte.97 Ab 1973 fungierte Schmierer als führender ZK-Sekretär des von ihm mitbegründeten Kommunistischen Bund Westdeutschlands (KBW), dessen Palästina-Komitees Grundsätze wie den folgenden vertraten: »Das rassistische Gebilde ›Israel‹ ist gegen alle Völker und Staaten des Nahen und Mittleren Osten gerichtet, es ist der Feind aller Völker. Solange dieses Gebilde im Nahen Osten existiert, wird es keinen Frieden in dieser Region der Welt geben.«98 Wie wenig der Skandal um Conzes antisemitische Zitate bei seinen studentischen Gegnern zu einem Bewusstsein für die Geschichte des jüdischen Volkes und die andauernde Bedrohung von Juden im Staat Israel geführt hatte, zeigt noch eine Publikation vom Dezember 1974, in der abermals auf den WilnaAufsatz abgehoben wurde. Einige Seiten darauf wurde der Historiker ausgerechnet anhand seiner volkgeschichtlichen Veröffentlichungen aus der NS-Zeit am Ende noch zum Vordenker des angeblich ›imperialistischen‹ Zionismus gemacht. So hieß es da unter der Überschrift »Conze und die Völker der ›Dritten Welt‹: »Conze entdeckte im Faschismus bei der Erforschung des Nordostens Polens Formen der Kapitalisierung von Agrargesellschaften, die er damals für entwicklungsfähig hielt und die sich mittlerweile als erfolgreich für die imperialistischen Interessen erwiesen hat [sic]: Die ›Neu-, insbesondere Militärsiedlung‹. Sie trennt die Bauern vom Land, ihrem Produktionsmittel, und ermöglicht gleichzeitig die Unterdrückung der Bauernkämpfe gegen ihre Vertreibung. Ein Beispiel für diese ›Neu-, insbesondere Militärsiedlungen‹ bieten die Kibuzzim der Zionisten in Israel, die zu dem Zweck ins Leben gerufen wurden, die Palästinenser zu vertreiben.«99 Antizionismus kann man Conze zumindest nicht vorwerfen. Während die linken Studenten ihre Kritik der jüngsten deutschen Vergangenheit mit scharfen Angriffen auf den jüdischen Staat verquickten, intensivierten sich seine Kontakte mit israelischen Historikern. Kurz nach dem Sechs-Tage-Krieg im Juni 1967 schrieb er an den Tel Aviver Jakobinerforscher Walter Grab, mit dem er seit einiger Zeit in Kontakt war, dass er »gerade in den letzten Wochen oft« an ihn gedacht habe und fügte hinzu: »Sie werden sicherlich in dieser Zeit anderes zu tun gehabt haben, als Ihrer Wissenschaft nachzugehen.« Dies mutet zwar nicht gerade wie eine kraftvolle Solidaritätsbekundung an, doch dankte 252

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ihm Grab für »die freundlichen Zeilen, die ihre Mitteilnahme an der Selbstbehauptung Israels betrafen«.100 Auf Conzes Initiative hielt der israelische Historiker einige Monate darauf an der Heidelberger Universität einen Vortrag zur aktuellen Lage Israels.101 Conze empfahl den gebürtigen Wiener gegenüber der DFG »auch als Charakter und als einen von denen, die die deutsche Bindung ihrer Herkunft nicht nur nicht verleugnen, sondern sehr ernst nehmen und daher für die geistigen Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik von erheblicher Bedeutung sind«.102 Jene Beziehungen genossen bei Conze zwar keine Priorität – sein Engagement für den wissenschaftlichen Kontakt mit Polen und der Sowjetunion war bspw. wesentlich stärker –, gewisse Annäherungen sind aber dennoch zu verzeichnen. So förderte er den Aufbau des Instituts für deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv, dessen Gründungsdirektor 1971 Walter Grab wurde,103 und auch israelische Historiker fanden nun den Weg zu ihm nach Heidelberg. Mit durchweg positiven Erinnerungen an Conze und dessen Kolloquium kehrte etwa der damalige Doktorand Henry Wassermann nach seinem zweijährigen Aufenthalt Mitte der siebziger Jahre in Heidelberg nach Israel zurück.104 Dessen akademischen Lehrer, den großen israelischen Sozialhistoriker Jacob Katz, hatte Conze 1971 durch Vermittlung des berühmten Jerusalemer Totalitarismusforschers Jacob Talmon im Rahmen der Planung eines großangelegten Forschungsprojekts zur deutsch-jüdischen Geschichte, die von israelischer Seite initiiert worden war, kennen- und schätzengelernt.105 Zwar war er hieran nur in der Anfangsphase begleitend beteiligt; die konstituierende Sitzung eines entsprechenden Arbeitskreises fand jedoch unter seiner Ägide in Heidelberg statt.106 Im Vorfeld hatte er die Verbindung zum Londoner Leo-Baeck-Institut hergestellt, das bereits Ende der sechziger Jahre mit einem ähnlichen Vorhaben an ihn herangetreten war.107 Die späte Öffnung Conzes gegenüber der jüdischen Komponente der deutschen Geschichte, die mit diesen Unternehmungen verbunden war, schlug sich ansatzweise auch in seinem eigenen Werk nieder. Dies lässt sich vor allem an seinen Beiträgen zum 1976 erschienenen Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte ablesen, wo er im Abschnitt über die Zeit von 1800 bis 1850 ungewöhnlich ausführlich auf die Judenemanzipation einging.108 Einem Kritiker der jüngeren Sozialhistorikergeneration, dem dies nicht einleuchten wollte, erklärte er dies wie folgt: »Da ich […] davon überzeugt war, dass – zum ersten Mal überhaupt – die jüdische in eine deutsche Sozialgeschichte einbezogen werden musste, blieb mir nichts anderes übrig, als sie in diesem Abschnitt geschlossen einzufügen. Andernfalls hätte ich das jüdische Problem in den verschiedenen Abschnitten gewissermaßen zerfetzen müssen.«109 Doch waren dies – wie gesagt – Ansätze. Im Übrigen blieb das »jüdische Problem« auch in den verbliebenen zehn Schaffensjahren Conzes weiterhin eine 253

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Marginalie. Interessant wäre sein Alterswerk über die Geschichte Ostmitteleuropas gewesen, das er aber ja nur an nur bis ins 18. Jahrhundert fertigzustellen vermochte, weswegen die brisanten Fragen der jüngeren Geschichte unbeantwortet blieben.110 In seinem Exposé zu dem groß angelegten Buchprojekt des Siedler-Verlags über die Geschichte der Deutschen in Ostmitteleuropa, an dem er letztlich auch nicht mehr mitwirken konnte, stellte er Mitte der achtziger Jahre immerhin eine Einbeziehung der jüdischen Geschichte in Aussicht und nannte dabei auch das Thema der »deutsch-jüdischen Symbiose« sowie der »Zerschlagung« eben dieser durch den Nationalsozialismus.111 Die hiermit typischerweise wieder einmal nur angedeutete Vernichtung der Juden wurde von Conze indes weiterhin nicht als ein zentrales historisches Ereignis vermittelt. In seinen weltgeschichtlichen Betrachtungen jener Zeit blieb sie vielmehr sorgsam ausgespart. Als er 1976 in seinem Schlussvortrag auf dem Mannheimer Historikertag das Jahr 1945 als Beginn einer neuen »universalgeschichtlichen Epoche« deutete, sah er diese »durch die Ereignisse von Hiroshima und Potsdam symbolisiert«. Es war Hiroshima – und eben nicht Auschwitz –, das für ihn »in eine neuartig drohende Zukunft« vorauswies und »die Menschen zum ›Abschied von der bisherigen Geschichte‹« zwang.112 Auch in seinem Vortrag zum »Umgang mit der Geschichte« vor Heidelberger Freimaurern umging er 1981 den Judenmord, wenn er an dessen Stelle den – zweifellos verheerenden und als andauerndes Fanal nuklearer Massenvernichtung fortwirkenden – amerikanischen Atombombenabwurf113 als den »weltgeschichtlichen Bruch« deklarierte.114 Mit einem ähnlich globalgeschichtlichen Zugriff hatte Conze ein Jahr zuvor das singuläre Verbrechen der Deutschen an den Juden bis zur Unsichtbarkeit ›weguniversalisiert‹ bzw. gar nicht in Betracht gezogen, als er sich bei einem Vortrag an der Heidelberger Universität auf das »Janusgesicht der modernen Revolution« berief, das »Nebeneinander von Licht und Schatten«: »So: Im Namen von Vernunft und Tugend: die Guillotine; im Namen von Freiheit und Gleichheit: die Unterwerfung fremder Nationen; nach der Befreiung vom Zarenjoch: die Liquidierung der Bauern; im Zeichen des Aufbaus eines fortschrittlichen Sozialismus: die Konzentrationslager des Gulag; technischer Fortschritt: im Dienste des völkervernichtenden Krieges; Wirtschaftswachstum: durch Raubbau an den Ressourcen; Industrialisierung auf Kosten von Umweltzerstörung.«115 Während hier die »Konzentrationslager des Gulag« konkret genannt werden, tauchen die Todesfabriken des nationalsozialistischen Deutschlands als eigenständiges Phänomen überhaupt nicht auf; äußerstenfalls in den allgemeinen Rahmen des »völkervernichtenden Krieges« könnte sich die Vernichtung der Juden einfügen lassen. Sie gehörte offensichtlich nicht zu den Schrecken der Moderne, die Conze einer ausdrücklichen Erwähnung für Wert befand. Dabei war es noch nicht lange her, dass der Holocaust durch die gleichna254

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mige amerikanische TV-Serie auch in Deutschland schlagartig in das Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten war. Fast die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung der Bundesrepublik sah mindestens eine der vier Folgen, die im Januar 1979 auf allen dritten Programmen des deutschen Fernsehens ausgestrahlt wurden. Das emotionale Familiendrama hatte bereits in den USA zu Zuschauerrekorden, aber auch erhitzten Kontroversen wegen seiner fragwürdigen Qualität geführt.116 Als mediales Großereignis wurde es in Deutschland von einer Reihe von Fernsehdokumentationen und -diskussionen flankiert. Die bald darauf erschienene Buchdokumentation über den Film und seine breite Rezeption verkündete im Untertitel: »Eine Nation ist betroffen«.117 Und in der Tat rief »Holocaust« ungeachtet zahlreicher historischer Schieflagen bei vielen deutschen Zuschauern erstmals etwas hervor, was es bisher kaum gegeben hatte: Anteilnahme am Schicksal der jüdischen Opfer.118 Werner Conze zeigte sich davon eher unberührt. Kurz nach der Ausstrahlung von »Holocaust« stellte er sich den »Hochschulpolitischen Informationen« für ein kurzes Interview zur Verfügung, das von der Resonanz der Serie seinen Ausgang nahm und mit der bereits tendenziösen Frage »Was hat die deutsche Geschichte sonst noch zu bieten?« überschrieben war. Dabei vermied er es durchgehend, von der Vernichtung der Juden zu sprechen. Statt für eine Erforschung von deren Ursachen zu plädieren, forderte er hier, dass die »Geschichte des preußischen Ostens sowie der Deutschen im ehemaligen Österreich-Ungarn und Russischen Reich […] bewusst gepflegt werden« sollte. Auf die Frage, was die »deutsche Nation« seiner Meinung nach an »historischen Erinnerungen« brauche, »damit sie weiterleben« könne, antwortete Conze in einer den Holocaust relativierenden Weise: »Sie braucht die Erinnerung an über 1000 Jahre Nationalgeschichte, die Kenntnis von ihren Gründen ihrer Größe, ihrer Krisen und ihrer begrenzten Möglichkeiten […]. Die Geschichte des kleindeutschen Nationalstaats seit 1871, in dessen Kontinuität die Bundesrepublik Deutschland steht, sollte besonders stark ins Bewusstsein gerückt werden, wobei die (ohnehin vergangene) nationale Überhöhung ebenso vermeidbar ist wie modische Neigungen zu überheblichem Schattenboxen. Der Anteil der Deutschen an den Freveln der Völker-Massenmorde unseres Jahrhunderts sollte dem Vergessen stets entrissen werden. Nationalgeschichte tut auch und gerade in der nach-nationalistischen Zeit not, doch so wenig wie möglich in isolierter Betrachtung, sondern inter- und übernational eingeordnet.«119 Angesichts eines solchen Ausweichens vor dem Holocaust selbst da, wo es um seine mediale Aufbereitung ging, kann es schon nicht mehr verwundern, dass er in Conzes historisch grundierten Überlegungen zum »deutschen Selbstbewusstsein« aus dem Jahr 1982 wiederum völlig unerwähnt blieb. Seine einzigen Andeutungen der Judenvernichtung bestanden darin, dass in den Kriegsjahren deutlich geworden sei, dass »Hitlers wirkliches Ziel nicht der Na255

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tionalstaat der Deutschen gewesen ist, sondern die Eroberung Europas und die Unterdrückung, z.T. sogar die Ausrottung vieler Menschen in Europa«. Dabei interessierte den Historiker hier jedoch nur der deutsche Nationalstaat, der durch die »nationalsozialistische Großraumpolitik überholt und zerstört worden« war.120 Letztlich ging es Werner Conze in seinem Nachkriegsoeuvre nie um den Zivilisationsbruch der Judenvernichtung, vielmehr um den »Kontinuitätsbruch« der deutschen Nationalgeschichte, den er drei Jahre vor seinem Tod in einem großen Aufsatz noch einmal ausgiebig heraufbeschwor.121 Sein historiographisches Kreisen um die ›deutsche Katastrophe‹ machte ihn dabei weitgehend blind für die Katastrophe der Juden, ja setzte deren Marginalisierung geradezu voraus.

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Schluss Am Ende geht es nicht ohne Schluss. Wie ist aber ein solcher aus den hier entworfenen Geschichten zu ziehen, deren Anordnung gerade nicht auf eine Synthese hinausläuft, sondern mit einer Leerstelle endet? Letztlich gehört da alles zusammen und irgendwie auch wieder nicht. Wie ist aus der Disparität der Gesichtspunkte ein biographisches Leitmotiv zu gewinnen? Auf einen Begriff lässt sich der intellektuelle Lebensweg Werner Conzes jedenfalls nur schwer bringen. Mit dem Begriffspaar »Tradition und Innovation« hat Reinhart Koselleck seinen großen Nachruf auf den frühen Förderer und späteren Mitstreiter überschrieben. Er zielte damit auf die »vorgegebene Spannung zwischen Herkommen und Neuerungszwang« ab, die der Verstorbene »ganz persönlich als die Herausforderung seines Lebens angenommen und so begriffen« habe.1 Für die Charakterisierung von Conzes Persönlichkeit trägt diese Sichtweise ein ganzes Stück weit; zumal wenn man Innovation auch als äußerliche Anpassung an die Zeitläufte versteht, die aber ohne inneren Lernprozess nicht in überzeugender Art und Weise zu verwirklichen ist, als produktive Anverwandlung von Entwicklungen, die sich ohnehin anbahnen. Darin war Conze tatsächlich ein Meister, ein Meister des Maßes wohlgemerkt, der sich gegenüber radikalen Neuerungen stets um Mäßigung bemühte.2 Niemals – weder vor noch nach 1945 – stellte er sich den politischen und sozialen Wandlungen der deutschen Geschichte seiner Zeit und mit ihnen den Perspektivveränderungen seines Faches abwehrend in den Weg. Jene nahm er auf, diese oft auch vorweg, um sie mit den ihm überlieferten Traditionsbeständen zu versöhnen. Er war ein konservativer Erneuerer. Die frühe Bundesrepublik war in ihrer Mischung aus Neubeginn und Restauration ein Ort, an dem Personen wie Conze fruchtbar zu wirken vermochten. Als Historiker bewies er dies mit seiner strukturgeschichtlichen Denkbewegung, mit der er die volksgeschichtliche Tradition der Vorkriegsjahre, der er entstammte, nach dem Krieg zeitgemäß modernisierte. Das Erfordernis einer Sozialgeschichte hatte er früher als die meisten seiner Fachkollegen erkannt und daraus dann praktische Konsequenzen für die Forschung gezogen. Dabei war es kein Fortschrittseifer, sondern eine skeptische Modernisierung, aus der heraus er seine Pionierrolle bei der notwendigen Öffnung der westdeutschen Geschichtswissenschaft wahrnahm. Jene »gewaltigen anonymen Kräfte« (T.S. Eliot),3 die das von ihm hypostasierte »technisch-industrielle Zeitalter« in sich trug, in ihrer Gegebenheit zwar zu erkennen, ohne aber einem geschichtstheo257

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retischen Determinismus zu verfallen – dies war der ideelle Kern von Conzes Sozialgeschichte. Sie trug gleichwohl die Tendenz in sich, die Bedeutung individueller Verantwortung gegenüber strukturellen Zwangslagen zurückzustellen. Die im Rückblick wohl wichtigste Errungenschaft seiner auf der Vorstellung einer fundamentalen Zeitenwende um 1800 fußenden strukturgeschichtlichen Neuausrichtung stellt die gemeinsam mit Koselleck in Gang gebrachte Begriffsgeschichte dar. Conzes nicht nur organisatorischer, sondern auch intellektueller Anteil an den »Geschichtlichen Grundbegriffen« ist weit höher zu veranschlagen, als es die historischen Würdigungen des Lexikons oft nahelegen. Der reflektierte Historismus der Begriffsgeschichte fand seine Bestimmung nicht zuletzt darin, »den apriorischen Konstruktionen der Sozialwissenschaften die skeptische Alternative historischen Denkens entgegenzusetzen«.4 Er ist paradigmatisch für das Zusammenspiel von Tradition und Innovation, das Conze als Historiker antrieb. Altes und Neues kamen auch in der bürgerlichen Lebensform zum Einklang, die der Heidelberger Geschichtsprofessor als Bundesrepublikaner vertrat und verkörperte. Bei aller Hinwendung zum politischen Westen der Gegenwart, die Conze in der Zeit des Kalten Kriegs schnell vollzog, reichte seine Bürgerlichkeit ihrem inneren Antrieb nach doch über seine bildungsbürgerliche Herkunft aus dem Kaiserreich hinaus tief in das preußisch-deutsche 19. Jahrhundert zurück. Die schon den frühliberalen Konstitutionalismus kennzeichnende, dann in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts aktualisierte Angst vor der Vermassung ging mit der dem Honoratiorenwesen entstammenden Wertschätzung der persönlichen Bindung einher. Darüber wölbte sich ein aus protestantischem Idealismus gespeistes Dienstethos.5 Der Gedanke der Pflicht überlagerte dabei auch den Begriff der Freiheit, die ihm im ›positiven‹ Sinne vor allem Freiheit zum Staat bedeutete.6 Das hier anklingende Ideal des Steinschen Gemeindebürgers mochte in der frühen Bundesrepublik nicht weniger überholt wirken als schon zur Zeit der preußischen Reformen. In seiner nun westlich-demokratischen Ausprägung war es gegenüber dem Volksgemeinschaftsideal, dem Conze in den Jahren des Nationalsozialismus gedient hatte, jedoch allemal ein fortschrittlicher Rückschritt. Vorteilhaft war zudem, dass die freiheitliche Staatsverfassung, zu der hin der Bürger erzogen werden sollte, bereits geschaffen war. Die 68er, denen er anfangs mit großer Offenheit begegnet war, setzten ihm schwer zu; sie konnten seiner geistigen Liberalität langfristig jedoch ebenso wenig anhaben wie die fachlichen Anfechtungen von Seiten der Historischen Sozialwissenschaft, denen er sich seit den siebziger Jahren ausgesetzt sah. Wenn er im letzten Lebensviertel verstärkt als Verteidiger universitärer und wissenschaftlicher Traditionen auftrat, wurde er doch nie zum Reaktionär. Er blieb getreu dem Motto seiner Universität »semper apertus«. 258

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Und dennoch: Die Alternative »Tradition versus Innovation« mag sich für einen kollegialen Nachruf auf Conze anbieten. Für eine übergreifende Biographie, die insofern kritisch ist, als sie seinen Lebensweg mit den gewaltigen Problemlagen der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert konfrontiert, reicht sie nicht aus. Koselleck selbst meinte, sie »griffe für die wirklich erfahrene Geschichte dieser Zeit zu kurz oder zu weit«. Denn »die Katastrophen würden unterschlagen«.7 Der historischen Beurteilung ist es insofern dienlich, über die Frage nach Tradition und Innovation hinaus die Frage nach der Gewichtung von Kontinuität und Bruch in Conzes Wirken zwischen Drittem Reich und Bundesrepublik aufzuwerfen. Tut man dies, wird man am Ende dieser Arbeit zu dem Schluss kommen, dass letztlich doch die »Kontinuitätssicherung« das Grundprinzip war, an dem er sich nach 1945 orientierte.8 Dass dieses Bemühen für den Privatmann, der mit der Erfahrung von Krieg und Vertreibung einen schweren lebensgeschichtlichen Einschnitt zu verarbeiten hatte, eine verständliche Reaktion darstellte, bedarf keiner weiteren Erläuterung: Das Streben nach Fortsetzung seiner Karriere, nach Aufbau einer bürgerlichen Existenz, nach »bescheidene[m] Lebensglück«9 – wer möchte es dem Familienvater verdenken? Anders sieht es aus, wenn man nach dem intellektuellen Umgang des Historikers mit dem Bruch von 1945 fragt. Denn auch wissenschaftlich setzte Conze auf Kontinuität, auf die lange Dauer. Wenn er ein Jahr vor seinem Tod in seiner Gedenkrede auf den verstorbenen Weggefährten Theodor Schieder lobend hervorhob, dass dessen Historiographie »kontinuierlich über den Bruch von 1945 hinweggegangen« sei,10 spiegelte sich darin sein eigenes Selbstverständnis als Historiker wider: »Die persönlichen und politischen Erschütterungen des Jahres 1945«, schrieb Conze im Rückblick auf seinen Weg zur Sozialgeschichte, »bewirkten also keinen Neubeginn oder Kontinuitätsbruch«.11 Eine wirkliche Zäsur ist in seinem Werk in der Tat auch außerhalb seines sozialgeschichtlichen Wirkungsfeldes nicht zu erkennen. Die Bewahrung bzw. Herstellung von Kontinuität über den Bruch hinweg war zum einen national motiviert. Die staatliche Teilung Deutschlands machte den Einsatz für eine Fortdauer der Nation über vier Nachkriegsjahrzehnte hinweg zu Conzes zentraler Mission. Abermals muss dabei betont werden, dass sein Nationalismus sich demokratisierte und verwestlichte und der Historiker sich auch bei seinen vielfältigen Annäherungsversuchen an die östlichen Nachbarn weit von den völkisch-revanchistischen Positionen entfernte, die er sich in den dreißiger Jahren zu eigen gemacht hatte. Zum anderen resultierten sein Beharren auf Kontinuität und damit das Ausbleiben einer grundsätzlichen Revision seines Geschichtsbildes aber wohl ebenso aus seiner persönlichen Verstrickung in den Nationalsozialismus, über die er sich zeitlebens ausschwieg. Seine historischen Beiträge zu diesem Themenfeld präsentierten die Deutschen mehr als Opfer denn als Täter des Dritten 259

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Reiches; ihrer tieferen Verantwortung für den Aufstieg und die Herrschaft Hitlers stellte sich Conzes Zeitgeschichte nicht. Sie war in keiner Weise dazu angetan, das Selbstbewusstsein der Deutschen im Kern zu erschüttern und damit in seiner überlieferten Form in Frage zu stellen. Dahinter stand ein lebensgeschichtlich motivierter Rechtfertigungsdrang. Claus Leggewie hat bei der Generation Conzes im Hinblick auf ihre NS-Vergangenheit den psychologischen Komplex einer »tiefsitzenden Angst, sich über Voraussetzungen und Konsequenzen des eigenen Tuns Rechenschaft abzulegen«, diagnostiziert, und damit zusammenhängend die »lebenslange Panik, doch noch dekuvriert zu werden«.12 Ist diese Interpretation zu frei, da sie doch ein Bewusstsein persönlichen Versagens voraussetzt, das bei den Betroffenen so womöglich gar nicht bestand? Immerhin würde sie den weiten Bogen verständlicher machen, den auch Conzes Geschichtsschreibung um das Verbrechen der Deutschen machte, das sich langfristig als der große Bruch in der Geschichte des 20. Jahrhunderts in das kollektive Gedächtnis des Westens eingekerbt hat. Dabei ist für das kritische Urteil nicht einmal allein die schon für sich genommen bedrückende Tatsache ausschlaggebend, dass der Historiker dem Völkermord an den Juden als historischem Ereignis in seinem Werk aus dem Weg ging. Aber auch ohne expliziten Bezug auf den Holocaust und ohne öffentliches Bekenntnis eigener Schuld ließ er sich von den Schrecken des Dritten Reiches zu keiner grundlegenden Revision seines deutsch-nationalen Geschichtsverständnisses bewegen. Ein vergleichender Blick auf einen anderen deutschen Historiker seiner Generation mit ähnlichem Werdegang zeigt, dass so etwas durchaus möglich war. Ebenso wie Conze war der um zwei Jahre ältere Fritz Fischer nach prägenden Jahren in der Jugendbewegung bereits 1933 in die SA (und 1937 dann in die NSDAP) eingetreten und hatte sich mit antisemitischen Standpunkten dem Regime beigesellt.13 Auch der Hamburger Historiker verlor nach 1945 kein Wort über seinen Irrweg vor 1945. Parallel dazu bahnte er jedoch mit der im Anschluss an seine provokanten Thesen zu den deutschen Kriegszielen im Ersten Weltkrieg Anfang der sechziger Jahre ausbrechenden »Fischer-Kontroverse« einer »›Stellvertreterdiskussion‹« um Kontinuität und Bruch innerhalb der jüngsten deutschen Geschichte den Weg, bei der implizit die Suche nach den Ursachen des Nationalsozialismus im Hintergrund stand.14 Wenngleich Fischers Wirken mit dem »Wunsch nach Veränderung der politisch-historischen Kultur in Deutschland bei gleichzeitigem Beschweigen seiner eigenen politischen Irrtümer vor 1945« somit von einem »tiefen performativen Selbstwiderspruch« gekennzeichnet war,15 vollzog er doch ein kritisches Umdenken, das an den weltanschaulichen Fundamenten der westdeutschen Geschichtswissenschaft rüttelte. Bei Conze ist ein derartiges Umdenken nicht zu erkennen. Trotz seiner the260

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matischen und methodischen Wandlungsbereitschaft blieb er dem traditionell nationalapologetischen Mainstream seines Fachs verhaftet. Mit vielen seiner Zunftgenossen teilte er dabei auch das ›Pathos der Nüchternheit‹. Diese Geisteshaltung diente gleichsam als Schutzpanzer gegen die persönliche Heimsuchung durch die nationalsozialistische Vergangenheit und eine sie stets vergegenwärtigende »Moralisierung der Geschichte«16. Davon ist auch die inzwischen emsig betriebene »Historisierung« der Bundesrepublik weitgehend frei geblieben. Es gehört zu den Gemeinplätzen der Zeitgeschichtschreibung, dass der westdeutsche Staat kaum zu seiner beachtlichen Stabilität gefunden hätte, wenn nicht in vielen Bereichen der Gesellschaft die personelle Kontinuität zum Dritten Reich gewahrt geblieben wäre. Die zweite Chance in Form einer Rückkehr in die westliche Zivilisation, die von den Berufs- und Bildungseliten der Jahrgänge 1900 bis 1920 leistungswillig ergriffen wurde, war etwa eine Voraussetzung für das reibungslose Funktionieren der Verwaltung oder die beeindruckende Produktivität der Wirtschaft. Das Beispiel Werner Conze zeigt, dass auch die Wissenschaft von dieser Kontinuität durchaus profitieren konnte. Zumal bei einer Geisteswissenschaft wie der Historie, die sich nicht nach den Maßstäben einer instrumentellen Vernunft beurteilen lässt, bleibt allerdings die moralische Frage nach dem Umgang mit der Barbarei des Nationalsozialismus bestehen. Eine Leerstelle, wie sie hier bei einem bedeutenden Historiker aufgewiesen wurde, überschattet das Bild der westdeutschen Gesellschaft und ihrer Denker in weiten Teilen. Sie immer wieder aufzusuchen und sichtbar zu halten ist besonders da geboten, wo die Bonner Republik aus dem Blickwinkel des 21. Jahrhunderts in allzu hellem Licht erstrahlt.

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Dank Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die geringfügig gekürzte und überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im April 2008 beim Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin eingereicht wurde. Die Disputation erfolgte am 24. November 2008. Nach all den Jahren, die dieses Unternehmen in Anspruch genommen hat, ist es mir eine Freude, einer Reihe von Personen und Institutionen Dank abzustatten. Zuerst gilt mein Dank Professor Jürgen Kocka, der die Arbeit geduldig betreut und durch viel Zuspruch, aber auch herausfordernde Kritik entscheidend gefördert hat. Professor Paul Nolte danke ich für die spontane Bereitschaft, das Zweitgutachten zu übernehmen, und für manch hilfreiches Gespräch in der Endphase. Für die Aufnahme in die Reihe »Kritische Studien« danke ich auch den übrigen Herausgebern Professor Helmut Berding, PD Dr. Dieter Gosewinkel, Professor Hans-Peter Ullmann und Professor Hans-Ulrich Wehler. Dank auch an Dörte Rohwedder vom Verlag Vandenhoeck & Ruprecht für die freundliche Zusammenarbeit. Materiell ermöglicht wurde die Arbeit durch ein dreijähriges Promotionsstipendium der Nachwuchsförderung des Landes Berlin (NaFöG), der ich ebenso gern danke wie den drei Stiftungen, die mir die Publikation mit großzügigen Druckkostenzuschüssen finanziert haben: der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein, der FAZITStiftung, Frankfurt am Main, und dem Freundeskreis für Archiv und Museum der Universität Heidelberg e.V. Die Anfänge meiner Beschäftigung mit Werner Conze gehen noch auf meine Studienzeit in Heidelberg zurück. Dort fühle ich mich vor allem drei Personen in tiefem Dank verbunden. An erster Stelle gilt dies für Professor Ulrich Engelhardt, der mich überhaupt zu diesem Thema inspirierte und dessen fachlicher und freundschaftlicher Rat mich stets begleitet hat. Als unschätzbar hat sich auch der intellektuelle und sozialpsychologische Beistand von Dr. Klaus Kempter erwiesen. Zudem konnte ich von der biographischen Erfahrung von Professor Hartmut Soell profitieren, der mich lange Jahre als Mitarbeiter beschäftigte. Für Unterstützung in unterschiedlichen Phasen der Arbeit danke ich außerdem Professor Georg Christoph Berger Waldenegg, Dr. Andreas Cser, Dr. Carsten Dutt und Professor Dieter Groh. Großen Dank schulde ich Gisela Conze (†), die mir den Zugang zu den schriftlichen Hinterlassenschaften ihres Mannes ermöglichte und in zahlrei262

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chen Gesprächen biographische und atmosphärische Einsichten vermittelte. Auch Dr. Albrecht Conze danke ich sehr für die Kooperationsbereitschaft bei der Bergung von Quellen und hilfreiche Auskünfte über seinen Vater. Das Universitätsarchiv Heidelberg hat sich bei der Bearbeitung von Conzes Nachlass als idealer Arbeitsplatz erwiesen. Dafür danke ich allen Mitarbeitern, besonders Archivdirektor Professor Werner Moritz. Ich danke auch herzlich meinen früheren Kommilitonen Dr. Jörg Arnold, Matthias Berstel, Shila Erlbaum und Dr. Christian Müller, die Teile des Textes gelesen und mit mir diskutiert haben, sowie Ravit Hadar, die mir beim Abschluss der Arbeit zur Seite gestanden hat. Schließlich danke ich ganz besonders meiner Mutter, Heide Dunkhase, auf deren geistvolle Unterstützung ich mich immer habe verlassen können. Ihr und meinem verstorbenen Vater, Dr. phil. Heinrich Dunkhase, ist dieses Buch gewidmet. Berlin, im Dezember 2009

Jan Eike Dunkhase

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Anmerkungen Einleitung 1 Engelhardt, Einleitung; Koselleck, Werner Conze; W. Schieder, Sozialgeschichte zwischen Soziologie und Geschichte; Kocka, Werner Conze und die Sozialgeschichte; Zorn, Werner Conze zum Gedächtnis; Zernack, Nachwort. 2 Schulze/Oexle, Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Schon auf dem Leipziger Historikertag (1994) wurden einige der relevanten Fragen thematisiert; vgl. Schöttler, Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft. 3 Hohl/Jarausch, Versäumte Fragen. 4 Kocka, Zwischen Nationalsozialismus und Bundesrepublik, S. 343. 5 Simon, Historiographiegeschichte; Küttler, Geschichtsdiskurs; Iggers, Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert; ders., Deutsche Geschichtswissenschaft; Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945; Raphael, Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. 6 Weber, Wissenschaft als Beruf, S. 486f.; dazu Wehler, Rückblick und Ausblick. 7 Koselleck, Standortbindung und Zeitlichkeit, S. 194 (dort mit Bezug auf den Kirchenhistoriker Johann Salomo Semler aus dem 18. Jahrhundert). 8 Winkler, Ein Historiker im Zeitalter der Extreme, S. 199. 9 Diner, Gedächtniszeiten, S. 7. 10 Zur deutschen Szene auf dem globalen Schauplatz siehe ders., Der Krieg der Erinnerungen. 11 Eine neuere Bestandsaufnahme bei Bödeker, Biographie. 12 Lenger, Werner Sombart, S. 14–16; Szöllösi-Janze, Fritz Haber, S. 9–15. 13 Cornelißen, Gerhard Ritter, S. 11f. 14 Szöllösi-Janze, Fritz Haber, S. 13. 15 Gall, Elitenkontinuität in Wirtschaft und Wissenschaft, S. 676. Den auch im Hinblick auf Theodor Schieder bezogenen Standpunkt, dass dieser Zusammenhang »eine entscheidende Bedingung für den Erfolg des demokratischen Neubeginns gewesen ist« (ebd.), exemplifiziert ders., Der Bankier. 16 Jarausch/Geyer, Zerbrochener Spiegel, S. 32f. 17 Dass allgemein eine Pluralisierung der ›Geschichte‹ in Geschichten keine unangemessene Idee ist, hat nicht zuletzt Reinhart Koselleck betont (Geschichte[n] und Historik, S. 258). 18 Schieder, Friedrich der Große, S. 486. 19 Vgl. etwa Hockney, Die Monographie, S. 108 (Pearblossom Highway): »Mehrere Fluchtpunkte erzeugen einen viel weiteren und tieferen Raum als ein einziger«. Auf die Ähnlichkeit des historischen Ansatzes mit der Fotografie hat schon Siegfried Kracauer hingewiesen, für den die Historie der Fotografie unter anderem darin gleicht, dass sie ein »Mittel der Entfremdung« sei (Geschichte, S. 16). 20 So titelt Wolfrum, Die geglückte Demokratie. 21 Diner, Das Jahrhundert verstehen, S. 17. 22 Hertfelder, Franz Schnabel; Cornelißen, Gerhard Ritter; ferner Keßler, Arthur Rosenberg; Kaiser, Karl Griewank, sowie aus dem Bereich der Mediävistik Thimme, Percy Ernst Schramm und das Mittelalter. 23 Mühle, Für Volk und deutschen Osten. 24 Eckel, Hans Rothfels, Zitat S. 10. Dass das Biographische dabei unter dem entradikalisierten

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Konstruktivismus von Eckels Produktions-, Umfeld- und Kontextanalysen zu leiden hat, kritisiert u.a. Bahners, Der verlorene Plot. Zuletzt hat Hans-Ulrich Wehler in einem Artikel zu Schieders 100. Geburtstag auf den »Spagat« hingewiesen, um den »ein um Gerechtigkeit bemühtes Urteil nicht herum« komme (Historiker im Jahre null, in: FAZ, 11. 4. 2008). Vgl. zur Person neben den in Anm. 1 genannten Nachrufen und Werkeinführungen VeitBrause, The Measure of History. Über Conzes Tätigkeiten während des Dritten Reiches hat bisher in erster Linie Götz Aly geschrieben. Zwar ist es einerseits dessen unbestrittenes Verdienst, erstmals lange Zeit unbekannte Äußerungen des Historikers aus der damaligen Zeit zum Vorschein gebracht zu haben. Andererseits hat er aber auf eine systematische Auswertung der betreffenden Quellen verzichtet und sich auf eine collagenartige Aneinanderreihung ›verfänglicher‹ Zitate beschränkt, die das durch sie ausgelöste Erkenntnisinteresse nicht hinreichend befriedigt. Fragwürdig ist schließlich seine Instrumentalisierung von Conzes Frühwerk für eine höchst problematische Interpretation der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik (Rückwärtsgewandte Propheten; Theodor Schieder, Werner Conze oder die Vorstufen zur physischen Vernichtung; Vordenker der Vernichtung, v.a. S. 102f.) Ergiebiger ist demgegenüber ein längerer Aufsatz von Marco Wauker, der den Historiker als politisch eher unbelastet präsentiert, gleichzeitig aber in epistemologischer Gewissheit betont, dass dessen »vor 1945 entstandene Hauptwerke hohen wissenschaftlichen Ansprüchen über weite Strecken nicht genügen«, da sie sich durch den »starken Einfluss außerwissenschaftlicher Grundannahmen und Interessen« auszeichneten (›Volksgeschichte‹ als moderne Sozialgeschichte?, Zitat, S. 388). Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte. Kritisch hierzu Patrick Bahners, Metaphysik des Netzwerks. Thomas Etzemüllers weltfremde Lehre vom Lehrstühlerücken, in: FAZ, 30. 12. 2002; dagegen beinahe euphorisch: Winfried Schulze, Ich bin Conze, und auf diesen Rothfels will ich meine Kirche bauen. Vom Aufstieg und siegreichen Untergang der Sozialgeschichte nach 1945: Thomas Etzemüller lässt im Fall Werner Conzes Kontinuitäten vom Dritten Reich zur Bundesrepublik sichtbar werden, in: SZ, 29. 11. 2001. Conze an Gerhard A. Ritter, 9. 9. 1985 (UAH, AAKMS, Korrespondenzordner 8, lf. S. 99). Andreas Cser, Multiperspektivische Analysen. Werner Conzes Aufsätze zu »Gesellschaft – Staat – Nation« in einem repräsentativen Sammelband, in: RNZ, 15./16. 8. 1992. C. Conrad, Rez., S. 414f. Kracauer, Die Biographie als neubürgerliche Kunstform, S. 78.

I. Soziokulturelle Hintergründe 1 Plessner, Grenzen der Gemeinschaft, S. 55. 2 Koselleck, Werner Conze, S. 532. Die folgenden Betrachtungen zur Familie stützen sich auf F. Conze, Die Familie Conze. 3 Siehe die von Conze, Kocka, Koselleck und Lepsius hg. Bände zum Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. 4 Koselleck, Vorwort (1990); Engelhardt, Einleitung, S. 15. 5 Lepsius, Bildungsbürgertum als ständische Vergesellschaftung; Engelhardt, Bildungsbürgertum, S. 27; Conze/Kocka, Einleitung, S. 11. 6 Conze/Kocka, Einleitung, S. 11. 7 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 126. 8 Ebd., S. 732; ebd., Bd. 4, S. 294. 9 F. Conze bezeichnet den Bürgermeister und Ratsherren der Stadt Elze, Hans Sigmundt Cuntze (1659–1730), als den ersten nachweisbaren direkten Vorfahren (Die Familie Conze, S. 19f.)

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10 Vgl. ebd., S. 164f.; die restlichen 50 Vorfahren waren Bauern, die aber vor allem in der Anfangszeit der Familie anzusiedeln sind. 11 Ebd., S. 165. 12 Ebd., S. 149f. 13 Die Bedeutung des Pergamon-Altars als ›imperiale Ikone‹ erläutert geistreich Gossman, Imperial Icon. 14 F. Conze, Die Familie Conze, S. 155. 15 Rebenich, Theodor Mommsen, S. 212f.; ders., Theodor Mommsen und Adolf Harnack, S. 390. 16 Nipperdey, Deutsche Geschichte 1866–1918, Bd. 2, S. 421. 17 So Werner Conzes Sohn Albrecht im Gespräch mit dem Verfasser am 5. Juni 2004 in Heidelberg. 18 F. Conze, Die Familie Conze, S. 154f. 19 Ebd., S. 168f. 20 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, S. 1271; Jarausch, Krise des deutschen Bildungsbürgertums. 21 H. Mommsen, Auflösung des Bürgertums, S. 288f., bzw. Kocka, Bürgertum und Bürgerlichkeit, S. 37. 22 Jarausch, Krise des deutschen Bildungsbürgertums, S. 183. 23 Conze, Antrittsrede (1963), S. 54. 24 Rottleuthner, Die gebrochene Bürgerlichkeit, S. 156f. 25 Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001 in Heidelberg. 26 Koselleck, Werner Conze, S. 532. 27 Sombart, Jugend in Berlin, S. 15f. 28 BArch, R 153, 1110, Lebenslauf. 29 Wagner, Mein Leben, S. 31–33. 30 Demm, Deutschlands Kinder, S. 64. 31 Verhey, Geist von 1914; Bruendel, Volksgemeinschaft oder Volksstaat. 32 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 21. 33 Haffner, Geschichte eines Deutschen, S. 21f. 34 Kocka, Klassengesellschaft, S. 136. 35 Chickering, Das Deutsche Reich, S. 150. 36 Albrecht Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 5. Juni 2004 in Heidelberg. 37 »Nicht nur stagnierten ihre Gehälter und zerronnen ihre Ersparnisse, sondern sie hatten auch kein Anrecht auf die öffentlichen Zuwendungen, die ihre Kollegen auf den niedrigeren Rängen bezogen« (Chickering, Das Deutsche Reich, S. 138). Siehe auch Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 77 u. 224. 38 F. Conze, Die Familie Conze, S. 169. 39 Herbert, Best, S. 43f.; ders., Drei politische Generationen, S. 97–99. 40 Gründel, Sendung der jungen Generation, S. 31f. 41 Lethen, Verhaltenslehren der Kälte, S. 10. 42 Plessner, Grenzen der Gemeinschaft, S. 133. 43 Conze, Jugendbewegung (1950), S. 10. 44 Ders., Das Kaiserreich von 1871 (1979), S. 56 u. 54. 45 Albrecht Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 5. Juni 2004 in Heidelberg. 46 Sabrow, Die verdrängte Verschwörung, S. 246. 47 Zit. n. ebd., S. 183. 48 Conze, Antrittsrede (1964), S. 54f. 49 Ebd. 50 Gay, Republik der Außenseiter, S. 210. 51 Jarausch, Deutsche Studenten, S. 137; Grüttner, Studenten im Dritten Reich, S. 31–42.

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52 Weber, Wissenschaft als Beruf, S. 480. 53 Winkler, Weimar, S. 356; Kater, Studentenschaft und Rechtsradikalismus, S. 19; ders., Studenten auf dem Weg in den Nationalsozialismus. 54 Jarausch, Deutsche Studenten, S. 133. 55 Ebd., S. 152.; vgl. auch Grüttner, Machtergreifung als Generationskonflikt. 56 Conze, Antrittsrede (1964), S. 55. 57 Genau lässt sich sein Eintritt nicht datieren, im Herbst 1929 war er aber nach eigener Aussage ein »neu Hinzugekommener«; vgl. Conze, Die Königsberger Jahre (1985), S. 25. 58 Raabe, Bündische Jugend; eine informative Quellensammlung bietet Kindt, Deutsche Jugendbewegung 1920 bis 1933. 59 Schoeps, Rückblicke, S. 51. 60 Krabbe, Gescheiterte Zukunft, S. 41–43. 61 H. Mommsen, Generationskonflikt und Jugendrevolte, S. 60. 62 Kater, Die unbewältigte Jugendbewegung, S. 560. 63 Koselleck, Bund, S. 670; Schröder, Leitbegriffe der deutschen Jugendbewegung, S. 48–50. 64 Sombart, Männerbund und politische Kultur, S. 158; Reulecke, »Ich möchte einer werden so wie die«. 65 Raabe, Bündische Jugend, S. 58 u. 90. 66 Knoll, Typisch deutsch, S. 13. 67 Thums/Franz, Kurzchronik. 68 Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001 in Heidelberg. 69 Albrecht Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 5. Juni 2004 in Heidelberg. 70 Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 71. 71 Meyen, Gedankenkreis, S. 1375–1377. 72 Vgl. etwa Sombart, Die deutschen Männer und ihre Feinde, S. 240–247. 73 Reulecke, Hat die Jugendbewegung den Nationalsozialismus vorbereitet? S. 176. 74 Siehe etwa Conze, Jugendbewegung (1950). 75 Ders., Königsberger Jahre (1985), S. 25. 76 Reulecke, Hat die Jugendbewegung den Nationalsozialismus vorbereitet? S. 224; Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 73. 77 Conze, Die Königsberger Jahre (1985), S. 24f. 78 Kondylis, Konservativismus, S. 472. 79 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 296f. 80 Bruendel, Volksgemeinschaft oder Volksstaat, S. 28. 81 Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft, S. 170f.

II. Lehrmeister und Lehrstätten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11

Gisela Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001. Conze, Antrittsrede (1963), S. 55. Gisela Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001. Chickering, Karl Lamprecht; Fahlbusch, »Wo der deutsche … ist, ist Deutschland!«. Muller, The Other God That Failed, S. 143–154. Freyer, Einleitung in die Soziologie, S. 148. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 490. Freyer, Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft, S. 241. Ders., Revolution von rechts, S. 44 u. 64. Ders., Der politische Begriff des Volkes, S. 6. Ders., Das politische Semester, S. 38.

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12 Ein Jahr zuvor äußerte Freyer sich noch als Visionär des völkischen Aufbruchs: »Das unbekannte Volk steht auf und sagt ein politisches Ja. Aus den alten Säften wächst, noch einmal, eine Epoche, die Sinn hat. Ihre Irrtümer wiegen leicht. Ihre Erschütterungen sind produktiv. Ihr Umsturz ist, so hart er zugreift, ohne Willkür. Zukunft liegt über dem Heute, weil es eine Wandlung des Ewigen ist. Die Menschen glauben, schreiten aus, blicken vorwärts, und zwischen ihnen reitet, ungesehen, der Reiter aus Bamberg« (Pallas Athene, S. 122). 13 UAH, Rep. 101, Nr. 59, »Hans Linde zum 65. Geburtstag«, masch.-schr. Ms., o. D (1978). 14 Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft, S. 157–159; Gutberger, Volk, Raum, Sozialstruktur, S. 89–97. 15 Oberkrome, Volksgeschichte; Reformansätze in der deutschen Geschichtswissenschaft; Geschichte, Volk und Theorie; »Grenzkampf« und »Heimatdienst«; Historiker im Dritten Reich; Entwicklungen und Varianten der deutschen Volksgeschichte; erstmals auf den Komplex hindeutend: Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft, S. 280–301; daneben: Kocka, Geschichtswissenschaft und Sozialwissenschaft; ders., Ideological Regression. 16 Hettling, Volksgeschichten. 17 Oberkrome, Volksgeschichte, S. 42. 18 Ders., Geschichte, Volk und Theorie, S. 104; zum Historismus-Begriff Wittkau, Historismus; Oexle, »Historismus«; noch immer erhellend: Mannheim, Historismus; Besson, Historismus. 19 Boehm, Das eigenständige Volk, S. 9. 20 Aubin, Zu den Schriften Erich Keysers, S. 3. 21 Koselleck, Volk, Nation, Nationalismus, Masse, S. 407. 22 Welskopp, Grenzüberschreitungen, S. 304. 23 Sontheimer, Antidemokratisches Denken, S. 244. 24 Kocka, Sozialgeschichte, S. 59. 25 Oberkrome, Historiker im »Dritten Reich«, S. 83; vgl. auch Volkmann, Historiker im Banne der Vergangenheit, S. 8. 26 Aubin, Gemeinsam Erstrebtes, S. 102. 27 Schlögel, Im Raume lesen wir die Zeit, S. 60–71; dazu bereits Koselleck, Raum und Geschichte. 28 Kocka, Geschichtswissenschaft und Sozialwissenschaft, S. 348. 29 Schöttler, Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft, S. 18. 30 Flügel, Ambivalente Innovation, S. 670. 31 Oberkrome, Volksgeschichte, S. 102–105. 32 Boehm, Volkstheorie und Volkspolitik, S. 14. 33 Marcuse, Der Kampf gegen den Liberalismus, S. 37. 34 Conze, Antrittsrede (1963), S. 55. 35 Gisela Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001. 36 RUP, 78/328, 2. Teil, Nr. 1, Personalbogen; RUP, 78/328, 2. Teil, Nr. 60, Geburtsurkunde Ortrun Conzes. 37 Albinus, Lexikon der Stadt Königsberg, S. 211. 38 Manthey, Königsberg; Lawrynowicz, Albertina; Institut Nordostdeutsches Kulturwerk, Königsberg und seine Universität. 39 Gause, Die Geschichte der Stadt Königsberg, Bd. 3, S. 62. 40 Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 71. 41 Wachs, Der Fall Theodor Oberländer. 42 Burleigh, Germany Turns Eastwards, S. 22ff. 43 Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? S. 198–212; Burleigh, Germany Turns Eastwards, S. 70ff.; 44 Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 237. 45 Vgl. Eckel, Hans Rothfels, S. 99–182; Neugebauer, Hans Rothfels und Ostmitteleuropa. 46 Bahners, Der verlorene Plot, S. 253.

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Oberkrome, Volksgeschichte, S. 96. Vgl. etwa Rothfels, Über die Aufgaben Ostpreußens, S. 19f. Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 22–48. Conze, Die Königsberger Jahre (1985), S. 43. Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 83–89. Conze, Hans Rothfels (1983), S. 329. Ders., Nationalstaat oder Mitteleuropa (1951), S. 201. Ders., Antrittsrede (1963), S. 55. Klingemann, Bevölkerungssoziologie im Nationalsozialismus. RUP 78/328, 1. Teil, Nr. 10–13. Oberkrome, Volksgeschichte, S. 116. Ipsen, Programm einer Soziologie, S. 2–12. Ders., Das Landvolk, S. 19. Ebd., S. 18. Ebd., S. 70–74. Bergmann, Soziologie im Faschismus, S. 22. W. Schieder, Sozialgeschichte zwischen Soziologie und Geschichte, S. 253. Conze, Agrarverfassung und Bevölkerung in Weißrußland und Litauen (1940), S. 4. Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 83–89; ein neuerer Überblick zur Geschichte der Siedlung bei Gangnus, Die Hirschenhöfer. RUP 78/328, 2. Teil, Nr. 2, Lebenslauf, o. D. Pistohlkors, Die Deutschen in der Geschichte der baltischen Länder, S. 21. Garleff, Die Deutschbalten als nationale Minderheit, S. 471 u. 493. Conze, Hirschenhof (1934), S. 5. Kuhn, Deutsche Sprachinselforschung, S. 13. Conze, Hirschenhof (1934), S. 14. Oberkrome, Volksgeschichte, S. 139. Conze, Hirschenhof (1934), S. 13. Conze, Hirschenhof (1934), S. 133 u. 135. Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 271–278. Wauker, ›Volksgeschichte‹ als moderne Sozialgeschichte?, S. 352–355. W. Schieder, Sozialgeschichte zwischen Soziologie und Geschichte, S. 253. So heißt es etwa, dass »die ›Pommern‹ im Laufe der Zeit als untüchtig durch den natürlichen Ausleseprozeß, der sich im Werden der Kolonie vollzog, fast ganz ausgemerzt wurden«; Conze, Hirschenhof (1934), S. 34.

III. Volkstumskampf und Kriegsdienst 1 Frei, Der Führerstaat; Herbst, Das nationalsozialistische Deutschland; Burleigh, Die Zeit des Nationalsozialismus; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. IV, S. 597–937. 2 Conze, Die Königsberger Jahre (1985), S. 28. 3 RUP, 78/328, 1. Teil, Nr. 51, Personalfragebogen vom 25. 3. 1939; ebd., Nr. 51, Antrag auf Weiterbeschäftigung als Assistent vom 12. 1. 1939; ebd., 2. Teil, Nr. 2, Lebenslauf (undatiert). 4 Koselleck, Werner Conze, S. 529. 5 Andreas Werner verweist lediglich auf die von Röhm forcierte Einrichtung von »SA-Hochschulämtern« (SA und NSDAP, S. 592); siehe hierzu auch Faust, Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund, Bd. 2, S. 126f.; Jarausch, Deutsche Studenten, S. 170; Reichardt, Faschistische Kampfbünde, S. 319–321. 6 Faust, Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund, Bd. 2, S. 122f.

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7 So unterscheidet etwa Kater zwischen generell den SA-Hochschulämtern unterstehenden Studierenden und solchen, die der SA »formell angehörten« (Die Studenten auf dem Weg in den Nationalsozialismus, S. 34.) 8 Faust, Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund, Bd. 2, S. 123 u. 127. 9 Auf die erschwerten Bedingungen einer Hochschulkarriere ohne Mitgliedschaft in einer Parteiorganisation verweist etwa Lundgreen, Hochschulpolitik im Dritten Reich, S. 13; vgl. auch Grüttner, Studenten im Dritten Reich, S. 241. 10 Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001 in Heidelberg-Ziegelhausen. 11 Grüttner, Studenten im Dritten Reich, S. 251f. 12 Bracher, Stufen der Machtergreifung, S. 322; als Beleg wird hier lediglich ein Artikel aus der Münchener Medizinischen Wochenzeitschrift vom 24. 2. 1934 angeführt, was die Aussagekraft über die Verhältnisse an der Königsberger Universität abschwächt. 13 Longerich, Die braunen Bataillone, S. 23–25; Reichardt, Faschistische Kampfbünde, S. 254–289. 14 Jamin, Zur Rolle der SA im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, S. 329. 15 Ebd., S. 332f. 16 RUP, 78/328, 1. Teil, Nr. 37, Gutachten des stv. Dozentenschaftsleiters Boldt, 21. 6. 1937; ebd., Nr. 55, Antrag des Rektors auf Stipendienverlängerung für Conze, 9. 3. 1939. 17 Conzes Mitgliedsnummer war 6089796 (ebd., Nr. 49, Personalfragebogen). Im Gutachten Boldts heißt es, seine Aufnahme in die NSDAP sei von der SA beantragt (ebd., Nr. 37). 18 Conze, Staats- und Nationalpolitik (1983), S. 453. 19 Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 725; Frei, »Volksgemeinschaft«. 20 Cornelißen, Gerhard Ritter, S. 245. 21 Conze, Staats- und Nationalpolitik (1983), S. 456. 22 F. Conze, Die Familie Conze, S. 165–167; dazu Frevert, Die kasernierte Nation, S. 207–228. 23 RUP 78/328, 2. Teil, Nr. 2, Lebenslauf (undatiert). 24 Zit. n. Haar, Revisionistische Historiker, S. 53. 25 BArch, N 1213, Nr. 20b, Brief Maschkes und Craemers vom 3. 4. 1933. 26 Ebd., Solidaritätsbekundung an Rothfels vom 3. 4. 1933. 27 Ebd., N 1213, Nr. 20 b, Schreiben an die Deutsche Studentenschaft der Albertus-Universität vom 3. 4. 1933. 28 Albrecht Conze zufolge wollte sein Vater mit dem freiwilligen Militärdienst einer späteren Einberufung zuvorkommen (Gespräch mit dem Verfasser am 5. Juni 2004). 29 Conze, Antrittsrede (1964), S. 26; vgl. auch seine Erinnerungen an Theodor Schieders Verhältnis zum Historischen Seminar nach 1934: »Das Seminar war nicht mehr der anziehende und ausstrahlende Treffpunkt für die Königsberger Historiker wie zur Zeit der Rothfelsschen Lehre. […] Wir waren beide nicht am Seminar tätig. Es war nicht der Mittelpunkt unserer beruflich-wissenschaftlichen Lebenswelt«; ders., Die Königsberger Jahre (1985), S. 28. 30 Wolf, Litteris et patriae; ferner Schönwälder, Historiker und Politik; Haar, Historiker im Nationalsozialismus; Pionierstudien: Werner, Das NS-Geschichtsbild und die deutsche Geschichtswissenschaft; Heiber, Walter Frank und sein Reichsinstitut. Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S. 31–45; Schöttler, Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft; Schulze/Oexle, Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Über die Geschichtswissenschaft hinaus: Bruch/Kaderas, Wissenschaften und Wissenschaftspolitik; Hausmann, Die Rolle der Geisteswissenschaften im Dritten Reich; Hammerstein, Die Deutsche Forschungsgemeinschaft; Hildebrand, Universitäten im »Dritten Reich«. Zur Soziologie v.a. Klingemann, Soziologie im Dritten Reich. 31 Hammerstein, Wissenschaftssystem und Wissenschaftspolitik, S. 218f. 32 Eakin-Thimme, Geschichte im Exil. 33 Iggers, Deutsche Historiker in der Emigration, S. 97f. 34 Vgl. Meinecke, Akademischer Lehrer und emigrierte Schüler.

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35 Vgl. Hintze, »Verzage nicht und laß nicht ab zu kämpfen …«. 36 Zit. n. Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S. 40. 37 Hammerstein, Wissenschaftssystem und Wissenschaftspolitik, S. 219; Mertens, Einige Anmerkungen zur NS-Wissenschafts- und Forschungspolitik, S. 225. 38 Kershaw kennzeichnet hiermit das weitverbreitete Phänomen, »dass Initiativen ergriffen, Druck gemacht oder Gesetze eingefädelt wurden […] auf einer Linie mit dem, was man für Hitlers Ziele hielt, ohne dass der Diktator dazu notwendigerweise einen Befehl erteilen musste« (Hitler 1889–1936, S. 667). 39 Diese Bezeichnung in einem ganz anderen Zusammenhang bei Bubner, Da hört der Spaß auf! S. 533. 40 Zum generationellen Aspekt Reulecke, Generationalität und die West-/Ostforschung; Haar, der »Generalplan Ost« als Forschungsproblem. 41 Mühle, Ostforschung und Nationalsozialismus; Hackmann, Deutsche Ostforschung und Geschichtswissenschaft; Grüttner, Ostforschung und Geschichtswissenschaft im Dritten Reich. 42 BArch, R 153, Nr. 1110, Conze an Brackmann (NOFG), 17. 9. 1935. 43 RUP 78/328, 1. Teil, Bl. 12, Arbeitsvertrag, 28. 10. 1935. 44 Ebd., Bl. 10, Antrag Ipsens auf Einstellung Conzes, 2. 10. 1935. 45 Ebd., Bl. 20, Bitte Conzes um vorzeitige Entlassung aus dem Dienstverhältnis, 14. 3. 1936. 46 Fahlbusch, Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?, S. 212–247. 47 Ebd., Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik?, S. 178–184; Burleigh, Germany Turns Eastwards, S. 43–46; 48 BArch, R 153, Nr. 1, »Aufgaben des Publikationsfonds«. 49 Ebd. 50 Ebd., Nr. 1270, »Bericht über die Gründungstagung der Nordostdeutschen Forschungsgemeinschaft im ehemaligen Herrenhaus zu Berlin in der Leipziger Str. 3 am 19. und 20. Dezember 1933«. 51 BArch, R 153, Nr. 1110, Oberländer an Brackmann, 14. 8. 1935; siehe auch Oberländer an Brackmann, 2. 9. 1935, sowie Conze an Brackmann, 6. u. 17. 9. 1935. 52 Ebd., PuSte an Conze, 24. 9. 1935; Conze an Brackmann, 7. 3. 1936; Brackmann an Conze, 11. 3. 1936. 53 Burleigh zufolge bestand die Kartei im November 1936 bereits aus 73000 Karten (Germany Turns Eastwards, S. 89–91). 54 BArch R 153, Nr. 8, »Personalbestand der Publikationsstelle am 2. November 1936«. 55 Vgl. Conze, Agrarforschung in Wilna (1936/37), S. 296f. 56 BArch, R 153, Nr. 1535, Arbeitsbericht Conzes für die NOFG, 22. 3. 1937. 57 RUP, 78/328, 1. Teil, Bl. 25, Antrag auf Gewährung einer Umzugshilfe, 7. 4. 1937. 58 UAH, Rep. 101, Nr. 59, »Hans Linde zum 65. Geburtstag«, masch.-schr. Ms./korrigierte Fassung, o. D. (1978); Hans Linde war 1937 mit einer Studie über das Dorf Piassuten von Hans Freyer in Leipzig promoviert worden; vgl. Flügel, Ambivalente Innovation, S. 659–669. 59 BArch, R 153, Nr. 1110, Conzes an die NOFG, 24. 6. 1937. 60 RUP, 78/328, 1. Teil, Bl. 37, Gutachten des stellv. Dozentenschaftsleiters Boldt, 21. 6. 1937. 61 Ebd., Bl. 79, »Festsetzung des Diätendienstalters für den wissenschaftlichen Dozenten Dr. Werner Conze«, 11. 4. 1940. 62 Ebd., Bl. 37, Gutachten des stellv. Dozentenschaftsleiters Boldt, 21. 6. 1937; Bl. 38, »Bitte um Gewährung einer Notstandsbeihilfe oder Vorschusszahlung zum 15. 8. 1937«. 63 Conze, Dringende Fragen des polnischen Bauerntums (1935/36), S. 785–788. 64 Ders., Die Bevölkerungsentwicklung des Ostens (1936/37), S. 362. 65 Ders., Die Separation in der preußischen Landeskulturarbeit (1937). 66 Ders., Die deutsche Volksinsel Hirschenhof (1937), S. 152. 67 Ebd., S. 152–160.

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Ders., Rez. zu Essen, Nordosteuropa (1939). Ders., Rez. zu Kuberzig, Die kleine Chronik der Stadt Tilsit (1939). Ders., Rez. zu Harmjanz, Ostpreußische Bauern (1939). Ders., Rez. zu Deutsches Grenzland (1938). Ders., Rez. zu Wiese, Uns rief Polen! (1938). Ders., Rez. zu: Taube, Landespolitik und Volkwerdung (1937). Ders., Bismarck und Polen (1938/39), S. 707. Ders., Rez. zu: Wrzosek/Zwierz, Stosunki narodowo´sciowe (1938); Pirma Baltijas veturnieku konference (Konferenzbericht) (1939); Opis królewszczyzn w województwach (1939); Wrzosek/Zwierz, Z˙ywiol obcy w zyciu gospodarczym Pomorza (1939). Ders., Polnische Dorfforschung in Oberschlesien (1938), S. 299. Ders., Der Mythos vom Deutschen (1938), S. 422–424. Vgl die hier nicht zitierten Rezensionen der Jahre 1936–1939 im Literaturverzeichnis. Conze, Polen zwischen Ost und West (1937); Das Handwörterbuch des Grenz- und Auslandsdeutschtums (1937); Zur Entstehung der deutsch-litauischen Volksgrenze (1938); Pommerellen im Mittelalter (1939). Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 214. Zernack, Nachwort, S. 243. Conze, Agrarverfassung und Bevölkerung (1940), S. 1. Ipsen, Bevölkerungslehre, S. 425f. In einem späteren Handbuchartikel zum Thema betonte Conze, dass »Agrarverfassung« in Ostmitteleuropa überall zu einem politischen Begriff geworden war, »mit dem grundlegende politisch Entscheidungen verbunden waren«; Agrarverfassung (1956) S. 108. Ders., Agrarverfassung und Bevölkerung (1940), S. 1. Vgl. Jäckel, Hitlers Weltanschauung, S. 104; vgl. auch die Kritik des polnischen Historikers Henryk Lowmianski aus dem Jahr 1947 (Zorn, Werner Conze und Henryk Lowmianski, S. 246). Conze, Agrarverfassung und Bevölkerung (1940), S. 2. Hägermann, »Hufe«, Sp. 154–156. Ipsen, Das Landvolk, S. 40. Conze, Agrarverfassung und Bevölkerung (1940), S. 2. Ebd., S. 128. Ebd., S. 140. Ebd., S. 211. Ebd. S. 2. Oberkrome, Volksgeschichte, S. 215. Wauker, ›Volksgeschichte‹ als moderne Sozialgeschichte, S. 368–375. Seraphim, Rez. zu Conze, Agrarverfassung und Bevölkerung, S. 397. RUP, 78/328, 2. Teil, Bl. 73, Gutachten über die Habilitationsschrift Dr. W. Conze (begl. Abschrift d. Abschrift), 10. 10. 1940. Conze, Agrarverfassung und Bevölkerung (1940), S. 61. Gellately, Hingeschaut und weggesehen, S. 14. Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden; Zimmermann, Die deutschen Juden 1918–1945, S. 46–77; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. IV, S. 653–664. Bankier, Die öffentliche Meinung im Hitler-Staat; abwägender Longerich, »Davon haben wir nichts gewusst«; kritisch dazu Kauders, Unmögliche Heimat, S. 22f.; vgl. auch das Quellenmaterial in Kulka/Jäckel, Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten. Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker. Bauer, Overall Explanation; ders., Die dunkle Seite der Geschichte. Volkov, Antisemitismus als kultureller Code.

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106 Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden, S. 87–128; Burrin, Warum die Deutschen? 107 Kulka, The German Population and the Jews, S. 277. 108 Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 311; Mackensen, Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik im »Dritten Reich«. 109 Raphael, Radikales Ordnungsdenken und die Organisation totalitärer Herrschaft, S. 37. 110 Aly/Heim, Vordenker der Vernichtung, S. 97–101. 111 Seraphim, Die Judenfrage als Bevölkerungsproblem in Osteuropa, S. 167–180. 112 Mendelsohn, The Jews of East Central Europe. 113 Blasius, Zwischen Rechtsvertrauen und Rechtszerstörung, S. 134f. Der ›bürgerliche Tod‹ bezeichnet nach Blasius die Zerstörung der »Rechtsfähigkeit der Person« und damit das »ganze Ausmaß jüdischer Exkommunikation aus der Rechtsgemeinschaft«. 114 Kulka/Jäckel, Die Juden in den geheimen NS-Stimmungsberichten, CD-Rom, . 115 Conze, Wilna und der Nordosten Polens (1938), S. 657–659. 116 Schmitz-Berning, Vokabular des Nationalsozialismus, S. 689–693. 117 Conze, Wilna und der Nordosten Polens (1938), S. 658. 118 Ders., Die Besiedelung der litauischen Wildnis (1938/39), S. 438: »Die meisten ›Städte‹ besaßen diese Bezeichnung und die dazugehörigen Privilegien nach deutschen Begriffen durchaus zu Unrecht. Mit wenigen Ausnahmen waren sie elende Marktflecken, die stark verjudet waren«. 119 Pechau, Nationalsozialismus und deutsche Sprache, S. 65; Schmitz-Berning, Vokabular des Nationalsozialismus, S. 190 u. 630–633; Aschheim, The Myth of Judaization, S. 67f. 120 Conze, Die weißrussische Frage in Polen (1938), S. (5) 121 Ebd., S. (7). 122 Das Fehlen einer klaren Vorstellung vom »neuen Deutschland« führte er unter anderem auf »einige kleine Blättchen der maßgebenden Wilnaer Weißrussen« zurück, die »bisweilen ohne großen politischen Instinkt aus einer veralteten demokratischen Ideologie heraus dem angeblich ›faschistischen‹ Deutschen Reich einen völlig falschen Inhalt und falsche Absichten« zugeschoben hätten; ebd., S. (8). 123 Oberkrome, Volksgeschichte, S. 194. 124 Conze, Die ländliche Übervölkerung in Polen (1940), S. 43. Er betont hier ausdrücklich den nicht einen Zustand, sondern eine Bewegung andeutenden transitiven Aspekt des Verbs »übervölkern«, das eine Wortbildung im Sinne von »Überbevölkerung« ausschließe. Aly (Vordenker der Vernichtung, S. 102; Erwiderung auf Dan Diner, S. 626; Rückwärtsgewandte Propheten, S. 162) und Haar (Historiker im Nationalsozialismus, S. 316; Ostforschung im Nationalsozialismus, S. 231; »Volksgeschichte« und Königsberger Milieu, S. 205) zitieren dennoch unbeirrt die »ländliche Überbevölkerung in Polen« (kursiv v. Vf.). 125 Conze, Die ländliche Übervölkerung in Polen (1940), S. 43–48. 126 Ebd. 48. 127 Oberkrome, Volksgeschichte, S. 196; Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 27; Wachs, Der Fall Theodor Oberländer, S. 484; Klee, Personenlexikon zum Dritten Reich, S. 96; Wehler, Nationalsozialismus und Historiker, S. 323; Haar, Historiker im Nationalsozialismus, S. 316; ders., Ostforschung im Nationalsozialismus, S. 231. 128 Erstmals implizit Aly/Heim, Vordenker der Vernichtung, S. 102–109; dann auf dem Historikertag von 1998 (Aly, Theodor Schieder, Werner Conze oder Die Vorstufen der physischen Vernichtung). 129 Diner zufolge bewirkt die rein »bevölkerungsökonomische Deutung der Massenvernichtung« (Rationalisierung und Methode, S. 359) eine »Entzeitlichung des historisch spezifischen Phänomens des Nationalsozialismus« und dadurch dessen »›Normalisierung‹ zum ganz gewöhnlichen Kapitalismus« (S. 369). Herbert kritisiert Aly und Heim dahingehend, dass sie mit ihrem Ansatz die »grundsätzlichen und wesentlichen Unterschiede und Beziehungen zwischen

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rassistischer Weltanschauung und kontinentalimperialistischen Zielen verwischen« würden, und sieht – ähnlich wie Diner – die für ihn nicht haltbare politische Perspektive und Brisanz darin, »die Shoa als einen weiteren und besonders furchtbaren Beweis für die Vernichtungsdynamik des Modernisierungsprogramms imperialistischer Länder zu funktionalisieren, die in ihrer Struktur und Zielrichtung unverändert fortbestehe« (Rassismus und rationales Kalkül, S. 34f.). Ausführlich dazu Bartov, Killing Space, 82–98. Burleigh, Nachwort, S. 281. Diner, Rationalisierung und Methode, S. 372 (hier nicht speziell auf Conze bezogen, sondern auf die »mittleren und unteren Bereiche praxisbezogener Wissenschaft«). Das plakative Diktum Ingo Haars von der »Genesis der Endlösung aus dem Geiste der Wissenschaften« (Ostforschung im Nationalsozialismus, [Untertitel]) schießt gefährlich weit über das Ziel hinaus. H. Mommsen, Der faustische Pakt der Ostforschung, S. 270. W. J. Mommsen, »Gestürzte Denkmäler«?, S. 104; Kocka, Zwischen Nationalsozialismus und Bundesrepublik, S. 375. T. Schieder, Aufzeichnung über Siedlungs- und Volkstumsfragen in den wiedergewonnenen Ostprovinzen, S. 90; dazu Ebbinghaus/Roth, Vorläufer des »Generalplans Ost«, S. 62–77. Yahil, Die Shoah, S. 192. RUP 78/328, 2. Teil, Bl. 2, Lebenslauf, o. D. [1939]; Bl. 3, Nachtrag zum Lebenslauf (Herbst 1939 bis Herbst 1940), 21. 9. 1940. Heiß, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe, S. 52f. UAW, Ph. DZ-1234–1938/39, Antrag Conze auf Zulassung zur Habilitation, 30. 5. 1939; Conze an RMWEV, 6. 10. 1939; RMWEV an Conze, 16. 10. 1939. BArch, R 153, Nr. 626, Johannes Papritz (PuSte) an Conze, 28. 9. 1939; Brackmann an Conze, 2. 2. 1940; Conze an Brackmann vom 11. 2. 1940; Conze an Papritz, 5. 12. 1940. Herbst, Das nationalsozialistische Deutschland, S. 278f. Außer den beiden im Folgenden erwähnten Besprechungen rezensierte Conze in der Ausgabe von 1940 noch Ost, Die zweite deutsche Ostsiedlung im Drage- und Küddow-Gebiet; Koßmann, Die deutschrechtliche Siedlung in Polen; v. Stritzky, Gottlieb Merkel und die »Letten am Ende des philosophischen Jahrhunderts«; 1943 erschien noch eine Rezension zu Scharlau, Siedlung und Landschaft im Knüllgebiet. Conze, Rez. zu Roß, Stadt- und Landbevölkerung Ostdeutschlands (1940), S. 234. Ders., Rez. zu Zoch, Neuordnung im Osten (1940), S. 241. GStA PK, I. HA, Rep. 90, Nr. 65, Bl. 41–43, Max Hein an den Generaldirektor der Staatsarchive Berlin, 15. 5. 1940; Wauker, ›Volksgeschichte‹ als moderne Sozialgeschichte?, S. 394f. BArch, R 153, Nr. 626, Conze an Wolfgang Kothe (PuSte), 7. 5. 1940. Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953). BArch, R 153, Nr. 626, Conze an Papritz, 5. 4. 1940; Conze an Kothe, 7. 5. 1940. Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 10. RUP 78/328, 2. Teil, Bl. 3, Nachtrag zum Lebenslauf (Herbst 1939 bis Herbst 1940), 21. 9. 1940. Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 12. BArch, R 153, Nr. 626, Conze an Kothe, 11. 6. 1940; Brackmann an Conze, 15. 6. 1940. Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 16. UAW, Ph. DZ-1234–1938/39, Bl. 31, Conze an die Phil. Fakultät d. Univ. Wien, 16. 9. 1940. UAW, Ph. DZ-1234–1938/39, Bl. 42, Habilitations-Diplom vom 14. 12. 1940. Der Erinnerung Gisela Conzes zufolge war ihr Mann (als Osteuropa-Experte) von Heinrich Ritter von Srbik ausschließlich zur amerikanischen Geschichte, einem damals von der deutschen Geschichtswissenschaft noch weitgehend vernachlässigten Forschungsfeld, befragt worden (Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001 in Heidelberg).

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155 UAW, Ph. DZ-1944–1939/40, Bl. 2, Antrag Conzes auf Zulassung zur öffentlichen Lehrprobe vom 14. 12. 1940; Bl. 3, Dekan Viktor Christian an Conze, 24. 1. 1941. 156 Ebd., Bl. 2, Antrag Conzes auf Zulassung zur öffentlichen Lehrprobe vom 14. 12. 1940; die beiden anderen Themen lauteten: »Moskau und Polen im Kampf um die Vormacht in Osteuropa« und »Die Frage der deutschen Bundesgrenze 1848/49«. 157 Heiß, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe, S. 53; vgl. Korotin, »Nach verschiedenen Zwischenfällen ist die Arbeit schließlich bei mir gelandet«. 158 UAW, Ph. DZ-1944–1939/40, Bl. 5, Protokoll der Besprechung im Dekanat vom 13. 2. 1941; Bl. 7, Dekan Viktor Christian an Conze, 13. 2. 1941; Bl. 6, Conze an Dekan Christian, 7. 3. 1941. 159 Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 17. 160 Heer/Naumann, Einleitung, S. 29; Müller/Volkmann, Die Wehrmacht; zur Verankerung des Antisemitismus im deutschen Militär Förster, Wehrmacht, Krieg und Holocaust. 161 Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 20. 162 Vestermanis, Ortskommandantur Libau, S. 242–256; die Zahl der jüdischen Bewohner Libaus vor dem Einmarsch der Deutschen bei Yahil, Die Shoah, S. 419. 163 Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 22f. 164 BArch, R 153, Nr. 1110, Conze an Papritz, 2. 12. 1941. 165 Bartov, Hitlers Wehrmacht, S. 27. 166 BArch, R 153, Nr. 1110, Conze an Papritz, 2. 12. 1941. 167 Hass, Leben, Sterben und Überleben im belagerten Leningrad. 168 Siehe den Bildband von Georg Gundlach (Kesselschlacht Wolchow). 169 Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 43. 170 Bartov, From Blitzkrieg to Total War, S. 38. 171 Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 33f. 172 Ebd., S. 43. 173 Die kriegsgeschichtlichen Hintergründe bei Wegner, Defensive ohne Strategie. 174 Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 49–51. 175 GStA PK, VI. HA, NL Brackmann, Nr. 85, Bl. 147f., Aubin an Brackmann, 24. 6. 1942. 176 Volkmann, Zur Ansiedlung der Deutschbalten im »Warthegau«. 177 BArch, R 153, Nr. 1110, Wittram an Brackmann, 27. 7. 1942. 178 Piskorski, Die Reichsuniversität Posen; Goguel, Über die Mitwirkung deutscher Wissenschaftler, Teil I, S. 90–131; Gutberger, Volk, Raum und Sozialstruktur, S. 433–442; Wróblewska, Die Rolle und Aufgaben einer nationalsozialistischen Universität. 179 Goguel, Über die Mitwirkung deutscher Wissenschaftler, Teil I, S. 90. 180 Yahil, Die Shoah, S. 192f.; die bürokratischen Hintergründe bei Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden, S. 197–224. 181 Goguel, Über die Mitwirkung deutscher Wissenschaftler, Teil I, S. 104. 182 Wróblewska, Die Rolle und Aufgaben einer nationalsozialistischen Universität, S. 173. 183 Piskorski, Die Reichsuniversität Posen, S. 248f. 184 Zit. n. Kleßmann, Osteuropaforschung und Lebensraumpolitik im Dritten Reich, S. 367. 185 Zit. n. Goguel, Über die Mitwirkung deutscher Wissenschaftler, Teil I, S. 93. 186 Gutberger, Volk, Raum und Sozialstruktur, S. 438–430. 187 So der Germanist L. Mackensen im Jahre 1942; zit. n. Kleßmann, Osteuropaforschung und Lebensraumpolitik im Dritten Reich, S. 367. 188 BArch, R 4901, Nr. 13462, Bl. 360, Reichsführer SS/ Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums an RMWEV, 20. 5. 1941. 189 RUP, 78/328, 2. Teil, Bl. 14, Heinrich Harmjanz (RMWEV) an den Universitätskurator, 29. 9. 1941. 190 Yahil, Die Shoah, S. 387–389.

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191 Vgl. Köpf, Die Mommsens, S. 264–279. 192 RUP, 78/328, 2. Teil, Bl. 19, Wittram an den Rektor der Reichsuniversität, 9. 12. 1941; Bl. 26, Wittram an den Rektor der Reichsuniversität vom 5. 1. 1942. 193 Ebd., Bl. 30, Erklärung Conzes vom 9. 2. 1942. 194 BArch, R 153, Nr. 1110, Wittram an Brackmann, 27. 7. 1942; GStA PK, VI. HA, NL Brackmann, Nr. 85, Bl. 104f., Brackmann an Wittram, 7. 10. 1942. 195 RUP, 78/328, 2. Teil, Bl. 35, Wittram an RMWEV, 11. 3. 1943. 196 Ebd., Bl. 38, Wittram an den Rektor der Reichsuniversität vom 3. 6. 1943. 197 Conze, Die Wirkungen der liberalen Agrarreformen (1949/50), S. 186, Fn. 1. 198 Ebd., S. 219. 199 Ebd., S. 207. 200 BArch, R 4901, Nr. 13462, Bl. 366, Wittram an RMWEV, 3. 6. 1943. 201 RUP, 78/328, 2. Teil, Bl. 38, Wittram an den Rektor der Reichsuniversität, 3. 6. 1943; Bl. 41, RMWEV an Conze, 11. 9. 1943 (Abschrift). 202 BArch, R 4901, Nr. 13462, Bl. 375, NSDAP Partei-Kanzlei an RMWEV, 7. 2. 1944. 203 RUP, 78/328, 2. Teil, Bl. 67, Ernennungsurkunde mit Regelung des Arbeitsverhältnisses vom 14. 4. 1944 (Abschrift). 204 Ebd., Bl. 69, Wittram an den Kurator der Reichsuniversität, 23. 5. 1944. 205 Ebd., Bl. 66, Antrag Wittrams auf Arbeitsurlaub für Conze vom 8. 4. 1944. 206 Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 52. 207 Ebd., S. 109f. 208 Ebd., S. 53. 209 Friedländer, Die Jahre der Vernichtung, S. 433; Yahil, Die Shoah, S. 489–550. 210 Albrecht Conze, Bei Werner Conze keine Spur von Antisemitismus (Leserbrief), in: FAZ, 30. 6. 1997. Dass Antisemitismus, wie sein Sohn schreibt, »dem im bildungsbürgerlichen Berlin und Leipzig aufgewachsenen Conze fremd« gewesen sei, ist angesichts seiner Veröffentlichungen der späten dreißiger Jahre allerdings zu bezweifeln. 211 So bemerkt Christian Hartmann in seinem abwägenden, im Ergebnis aber auch etwas abwiegelnden Aufsatz zur Struktur des deutschen Ostheeres, dass im allgemeinen »die Berührungspunkte zwischen der Fechtenden Truppe und dem Holocaust […] in den ersten Wochen des Krieges am größten [waren], in der Zeit der Pogrome und ersten Massenerschießungen« (Verbrecherischer Krieg – verbrecherische Wehrmacht?, S. 13). 212 Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 57. 213 Schwendemann, Der deutsche Zusammenbruch im Osten 1944/45. 214 UAH, Rep. 101, Nr. 90, Conze an einen nicht identifizierbaren Oberstadtdirektor, 23. 9. 1955. 215 Kuhn, Ich trage einen goldenen Stern, S. 92. 216 Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 74. 217 Gisela Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001 in Heidelberg. 218 Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 78. 219 Gisela Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001 in Heidelberg; der Mann von Conzes Schwester Gisela, Hans-Joachim Leuschner, besaß das Rittergut Johnsdorf (F. Conze, Die Familie Conze, S. 169). 220 BArch, N 1226, Nr. 3, Conze an Wittram, 13. 11. 1944. 221 Latzel, Deutsche Soldaten – nationalsozialistischer Krieg?, S. 26–31. 222 BArch, N 1226, Nr. 3, Conze an Wittram, 11. 1. 1945. 223 Ebd. 224 Ebd., Wittram an RMWEV, 1. 3. 1945. 225 Gisela Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001 in Heidelberg. 226 UAH, Rep. 101, Nr. 106, Bescheinigung des Gen.Kdo. XXXXIX. (Geb.) A.K. IIa vom 6. 5. 1945.

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227 BArch, N1213, Nr. 186, Conze an Hans Rothfels, 6. 6. 1946. Die Gefangenschaft Conzes währte nach eigenen Angaben vom 11. Mai bis zum 3. Juni 1945 (UAH, Rep. 101, Nr. 119, Anlagen zum Lebenslauf Prof. Dr. Werner Conze: Genaue Daten, 13. 12. 52). 228 Gisela Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001 in Heidelberg. 229 Mazower, Der dunkle Kontinent, S. 262.

IV. Westdeutsches Gelehrtendasein 1 Conze, Staats- und Nationalpolitik (1983), S. 460. 2 Jarausch, Die Umkehr; Herbert, Liberalisierung als Lernprozess; Schildt, Ankunft im Westen; Doering-Manteuffel, Wie westlich sind die Deutschen? 3 UAH, Rep. 101, Nr. 119, Anlagen zum Lebenslauf, 13. 12. 52. 4 Gisela Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 20. Juli 2001 in Heidelberg. 5 BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Theodor Schieder, 1. 11. 1945. 6 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 130. 7 BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Schieder, 13. 2. 1946. 8 Ebd., Conze an Schieder, 5. 4. 1946. 9 UAH, Rep. 101, Nr. 106, Bescheinigung des Oberpräsidenten der Provinz Hannover, Abt. Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 10. 5. 1946. 10 Weisbrod, Akademische Vergangenheitspolitik. 11 Ders., Das Moratorium der Mandarine, S. 278. 12 Linnemann, Das Erbe der Ostforschung, S. 74–120; Hagen, Göttingen als »Fenster zum Osten« nach 1945; Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 40–44. 13 Kaehler an Hans Rothfels, 29. 7. 1946, in: Kaehler, Briefe 1900–1963, S. 341. 14 Ericksen, Kontinuitäten konservativer Geschichtsschreibung. 15 BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Schieder, 1. 7. 1946. 16 UAH, Rep. 101, Nr. 97, Verzeichnis der Vorlesungen und Übungen in Göttingen und Münster (handschr.). Die Titel der Veranstaltungen Conzes weichen ab von der Auflistung der historischen Lehrveranstaltungen in Göttingen bei Linnemann, Das Erbe der Ostforschung, S. 183–208. 17 BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Schieder, 21. 7. 1946. 18 Conze, Die Georg-August-Universität (1950), S. 2. 19 Ebd., S. 4. 20 Das Geburtsdatum (27. 3. 1949) geht aus einem Schreiben des Kurators der Universität Münster vom 6. 5. 1952 hervor (UAH, Rep. 101, Nr. 119). 21 UAH, Rep. 101, Nr. 106, Schreiben des Rektors der Universität Göttingen vom 26. 8. 1949; Schreiben des niedersächsischen Kultusministers vom 16. 2. 1950 u. 25. 10. 1950. 22 Ebd., Conze an den Dekan der Philosophischen Fakultät, 9. 12. 1950. 23 Vgl. klassisch Ringer, Die Gelehrten. 24 UAH, Rep. 101, Nr. 106, Conze an den Dekan der Philosophischen Fakultät, 9. 12. 1950. Wohl als Reaktion darauf wurde seine Beihilfe dann vom 1. 12. 1950 an immerhin um 100 Mark erhöht (ebd., Rektor der Universität Göttingen an Conze, 22. 12. 1950). 25 BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Theodor Schieder, 13. 2. 1946. 26 UAH, Rep. 101, Nr. 59, Einladung der vorl. Landwirtschaftskammer Weser-Ems, 21. 1. 1952 (mit Tagungsprogramm). 27 Ebd., Nr. 125 und das Verzeichnis der Schriften Conzes für die Jahre 1947 bis 1949. 28 Dass Conze zeitweise für die CIA arbeitete, ergab ein Gespräch mit Albrecht Conze am 5. Juni 2004 in Heidelberg; auf dieselbe Quelle beruft sich auch Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 130.

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29 UAH, Rep. 101, Nr. 59, »Die atlantische Expansionsrichtung der SU und die skandinavische Politik« (masch.-schr. Ms.), 1. 12. 1948. 30 Ebd., Nr. 152, Geoffrey Barraclough an Conze, 10. 3. 1950. 31 Cornelißen, Gerhard Ritter, S. 463–470. 32 UAH, Rep. 101, Nr. 152, Barraclough an Conze, 29. 5. 1950. 33 Cornelißen, Gerhard Ritter, S. 468f. 34 So schrieb er 1981 an einen englischen Gymnasialdirektor: »Ich war in der zurückliegenden Zeit mehrfach in England und liebe es sehr« (UAH, Rep. 101, Nr. 147, Conze an Neville Mellon, 13. 4. 1981). 35 Conze, Die Georg-August-Universität (1950), S. 12. 36 Ders., Die deutsche Geschichtswissenschaft seit 1945 (1977), S. 30. 37 Im Sommer 1949 schrieb er an Theodor Schieder, dass es ihm wahrscheinlich scheine, im Rahmen eines »Social Science exchange program« »im nächsten Jahr für 6 oder 8 Monate nach U.S.A.« zu gehen und führte dies auf einen Besuch zweier amerikanischer Professoren in Göttingen zurück (BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Schieder, 16. 8. 1949). 38 Bauerkämper, Transatlantische Mittler und kulturelle Demokratisierung. 39 Walther, Hans Rothfels im amerikanischen Exil; ferner Eckel, Geschichte als Gegenwartswissenschaft, S. 27–32. 40 BArch, N 1213, Nr. 186, Conze an Rothfels, 6. 6. 1946. 41 UAH, Rep. 101, Nr. 41, Rothfels an Conze, 13. 7. 1946. 42 Walther, Hans Rothfels im amerikanischen Exil, S. 92. 43 UAH, Rep. 101, Nr. 41, Rothfels an Conze, 4. 12. 1949. 44 Walther, Hans Rothfels im amerikanischen Exil, S. 92–94. 45 UAH, Rep. 101, Nr. 41, Rothfels an Conze, 16. 10. 1955. 46 Ebd., Nr. 119, von Raumer an Conze, 7. 3. 1951. 47 Oesterreich, Geschichtswissenschaft und Geschichtsstudium in Münster; zu Grundmann im Dritten Reich Nagel, »Mit dem Herzen, dem Willen und dem Verstand dabei«. 48 So hieß es in einem Brief Grundmanns an Conze vom 26. 2. 1951: »Wir [müssen] uns für das Sommersemester um eine Vertretung für das Fach der Neueren Geschichte bemühen […]. Herr Schieder, der kürzlich zu einem Vortrag hier war, riet uns, Sie zu fragen, ob Sie bereit wären, diese Vertretung zu übernehmen.« (UAH, Rep. 101, Nr. 119). Insofern bestätigt sich an diesem Punkt die »Vermutung« Etzemüllers, »dass das Netzwerk arbeitete« (Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 132). 49 Es ging dabei um einen Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte. Conze betonte, dass er selbst »keinen Wert auf die Sache legen würde«, wenn es »nur im engeren Sinne um Wirtschaftsgeschichte« gehen sollte (BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Schieder, 28. 3. 1950). Einige Monate später beteuerte er erneut: »Ich persönlich dränge da übrigens durchaus nicht hin. […] Ein Lehrstuhl für neuere Geschichte wäre mir lieber« (ebd., Conze an Schieder, 14. 7. 1950). 50 Ebd., Conze an Schieder, 19. 3. 1951. Die offizielle Bestätigung für die Lehrstuhlvertretung für das Sommersemester 1951 ließ dann auch nicht mehr lange auf sich warten; Kurator der Universität Münster an Conze, 21. 4. 1951 (UAH, Rep. 101, Nr. 119). 51 UAH, Rep. 101, Nr. 119, Conze an von Raumer, 10. 3. 1951. 52 Ebd., Ernennungsurkunde des Kultusministeriums NRW vom 5. 12. 1952; Hermann Aubin an Conze, 4. 3. 1952. 53 Ebd., Nr. 119, Kurators der Universität an Conze, 15. 12. 1952. 54 Ebd., PA 7677, Bl. 15, Herbert Grundmann an das Kultusministerium, 7. 8. 1951; Dekan der Phil. Fak. der Universität Münster an das Kultusministerium NRW, 27. 8. 1951 (Bl. 17) u. 29. 11. 1951 (Bl. 24); Oesterreich, Geschichtswissenschaft und Geschichtsstudium in Münster, S. 368; Kosthorst, Mein Weg durch die Zeitgeschichte, S. 141. 55 UAH, Rep. 101, Nr. 119, Grundmann an Conze, 4. 9. 1951.

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56 Ebd., Nr. 97, Verzeichnis der Vorlesungen und Übungen in Göttingen und Münster (handschr.). 57 BArch, N 1226, Nr. 53, Conze an Wittram, 18. 12. 1953. 58 Muller, The Other God That Failed, S. 359. Freyer war im Juli 1948 aus der sowjetisch besetzten Zone über den Harz nach Westdeutschland geflüchtet. Ein halbes Jahr zuvor hatte er seine Professur in Leipzig verloren. 59 Mündl. Hinweis von Ulrich Engelhardt (Heidelberg). 60 Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit, S. 35–45. 61 BArch, N 1226, Nr. 52, Conze an Reinhard Wittram, 25. 12. 1952. 62 Ebd., N 1188, Nr. 1245, Conze an Theodor Schieder, 28. 5. 1952; in Göttingen lebte Conze mit seiner Familie im Haus einer seiner Schwestern. 63 Ebd., Conze an Schieder, 19. 6. 1954. 64 Ebd., N 1226, Nr. 56, Conze an Wittram, 23. 12. 1955. 65 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 136. 66 UAH, Rep. 101, Nr. 90, Alfred Herrmann an Conze, 22. 10. 1953, Senator für Volksbildung (Senatsrat Dr. Kruspi) an Conze, 11. 12. 1953. 67 So bemerkte etwa Wittram gegenüber Conze: »Technische Universität ist respektabel, doch aber dem Geiste unserer Fakultät fern. Ich würde mich unter Maschinenbauern und Hochfinanzexperten gänzlich verloren fühlen« (ebd., Nr. 152, 13. 1. 1954) 68 Ebd., Nr. 90, Conze an Herrmann, 5. 11. 1953. 69 Ebd. 70 Ebd., Conze an Kruspi, 1. 1. 54. 71 Ebd., Kultusministeriums NRW an Conze, 24. 6. 1955. 72 Ebd., Kultusministeriums NRW an Conze, 30. 7. 1956. 73 Ebd., H-IV-568–1, Johannes Kühn an den Dekan der Philosophischen Fakultät, 7. 1. 1955. Neben Conze nannte er Walther Hubatsch, Carl Hinrichs und Karl-Dietrich Erdmann als für seine Nachfolge in Frage kommend. 74 Gadamer, Philosophische Lehrjahre, S. 141. 75 UAH, H-IV-568–1, Antrag der Philosophischen Fakultät an das Kultusministerium BadenWürttembergs vom 4. 3. 1955. 76 Ebd., Rep. 101, Nr. 120, Hans Schäfer an Conze, 23. 10. 56. 77 Vgl. den Auszug aus dem Protokoll der Fakultätssitzung vom 2. 3. 1955 (ebd., H-IV-568–1): »Der Senat hat die eingereichte Liste wohl begrüsst, jedoch nicht passieren lassen. […] Gegen Conze wurde geltend gemacht, seine Vorlesungen seien langweilig, sein Lehrerfolg sei fraglich und zudem habe er in Münster eine KW-Professur, komme also als Vorspann nicht mehr in Frage. […] H. Schäfer spricht sich für eine Berufung Conzes aus und erklärt den Einspruch des Senats als unberechtigt.« Bereits 1948 hatte Siegfried Kaehler bei einer Empfehlung Conzes für die Vertretung des Heidelberger Neuzeit-Lehrstuhls bemerkt: »Seine Arbeiten und Vorlesungen zeigen denselben Typus eines sehr soliden und begrifflich sauber arbeitenden Forschers, der seine Ergebnisse in einem gewandten und anschaulichen, wenn auch nicht gerade geistreichen Vortrag zu vermitteln im Stande ist« (ebd., Kaehler an den Dekan der Philosophischen Fakultät, 29. 10. 1948). 78 Ebd., Otto Vossler an Ministerialrat G.H. Müller (Kultusministerium Baden-Württembergs), 27. 6. 1956. 79 Ebd., Rep. 101, Nr. 120, Conze an Ministerialrat G.H. Müller, 24. 7. 1956. 80 Ebd., Conze an Müller, 18. 8. 1956. 81 Ebd., Conze an Schäfer, 18. 8. 1956. 82 Siehe etwa den Brief des Historikers Fritz Ernst an Hans Rothfels vom 9. 9. 1956, wo es heißt: »Dass wir hier in eine üble Lage kämen, wenn auch Conze ablehnte, wissen Sie« (ebd.). 83 Ebd., Schäfer an Conze, 24. 8. 1956.

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84 Ebd., Conze an Schäfer, 25. 8. 1956. 85 Ebd., Kultusministeriums NRW an Conze, 8. 9. 1956. 86 Ebd., Hans-Georg Gadamer an Conze vom 28. 9. 1956; ein Hörer Gadamers kann Conze nur während seines ersten Semesters in Marburg gewesen sein, wo Gadamer zu jener Zeit als frisch habilitierter Privatdozent lehrte (Gadamer, Philosophische Lehrjahre, S. 45–47). 87 Ebd., Conze an Gadamer, 16. 10. 1956. 88 Ebd., Carl Jantke an Conze, 18. 10. 1956. 89 Ebd. Conze an Gadamer, 20. 10. 1956: »Soeben habe ich die Berufungsvereinbarung unterschrieben und an das Ministerium geschickt und damit den Ruf angenommen. Ich bin froh, Ihnen dies mitteilen zu können, nachdem ich noch bis in die letzten Tage hinein wirklich ernsthaft geschwankt habe. Denn es sind nicht nur materielle Vorteile für Forschung und persönlichen Status, die mein Bleiben in Münster nahelegten. Doch hat schließlich der ›Ruf‹ überwogen, der doch wohl ein Anruf für eine Aufgabe ist, der gegenüber es für mich schließlich doch nicht möglich war, mich zu entziehen.« 90 Anselm Doering-Manteuffel, Licht und Schatten der Tütenlampe. Axel Schildt enthüllt das Janusgesicht der fünfziger Jahre, in: FAZ, 10. 10. 1995. 91 BArch, N 1226, Conze an Wittram, 18. 4. 1957; gut eine Woche zuvor hatte Conze bereits an Theodor Schieder geschrieben, dass er »täglich mehr Geschmack am neuen Heidelberger Dasein mit dem Blick aufs Schloss vom Schreibtisch« gewinnen würde (BArch, N 1188, Nr. 3004, 10. 4. 1957). 92 Manthey, Königsberg, S. 644–675. 93 Wolfe, Revival of Democratic Culture during the American Occupation of Heidelberg. 94 Sombart, Rendezvous mit dem Weltgeist, S. 59–62. 95 Sellin, Die Universität Heidelberg im Jahre 1945. 96 Eckart u.a., Die Geschichte der Universität Heidelberg im Nationalsozialismus; Remy, The Heidelberg Myth, S. 12–115; Wolgast, Die Universität Heidelberg, S. 142–167. 97 Mußgnug, Die vertriebenen Heidelberger Dozenten. 98 Remy, The Heidelberg Myth. 99 Jansen, Professoren und Politik; Giovannini, Zwischen Republik und Faschismus. 100 Kempter, Die Jellineks, S. 459–525; Blomert, Intellektuelle im Aufbruch; ders., Heidelberger Staats- und Sozialwissenschaften; Jansen, Das Institut der Außenseiter, S. 26. 101 Remy, The Heidelberg Myth, S. 139f. 102 Muller, How vital was the Geist in Heidelberg in 1945. Als die beiden anderen Hauptmomente des ›Heidelberger Geistes‹ galten traditionell die geistige Offenheit und die Internationalität der Universität (Jansen, Professoren und Politik, S. 31–34). 103 Einen kurzen historischen Abriss bietet Conze/Mußgnug, Das Historische Seminar (1979); eingehender die Beiträge in Miethke, Geschichte in Heidelberg. 104 Wolgast, Geschichtswissenschaft in Heidelberg 1933–1945, S. 148–150; überregionale Ausstrahlung besaß auch der Althistoriker Eugen Täubler, der als praktizierender Jude die vorübergehende Duldung als ehemaliger Frontkämpfer durch seinen Wechsel an die Berliner Hochschule für die Wissenschaft des Judentums 1938 von sich aus beendete (ebd., S. 149). Die Alte Geschichte war jedoch seit 1888 als gesonderte Abteilung im Archäologischen Institut untergebracht und damit vom Historischen Seminar getrennt (Conze/Mußgnug, Das Historische Seminar, S. 137). 105 Wolgast, Geschichtswissenschaft in Heidelberg 1933–1945, S. 150–158. 106 So schrieb sein früherer Dresdener Kollege und ehemals häufiger Hausgast Victor Klemperer im August 1936 als Reaktion auf den Opportunismus Kühns, den er »immer für einen intakten Menschen und denkenden Kopf« gehalten hätte, in sein Tagebuch: »Wenn es einmal anders käme und das Schicksal der Besiegten läge in meiner Hand, so ließe ich alles Volk laufen und sogar etliche von den Führern, die es vielleicht doch ehrlich gemeint haben

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könnten und nicht wussten, was sie taten. Aber die Intellektuellen ließe ich alle aufhängen, und die Professoren einen Meter höher als die anderen; sie müßten an den Laternen hängen bleiben, solange es sich irgend mit der Hygiene vertrüge« (Ich will Zeugnis ablegen, S. 296). Wolgast, Geschichtswissenschaft in Heidelberg 1933–1945, S. 164–166. Ernst, Die Deutschen und ihre jüngste Geschichte; expliziter ist sein unveröffentlichter »Rückblick auf jene zwölf Jahre des Dritten Reiches«, den er zwischen 1956 und 1959 für die Wiener Library in London anfertigte: ders., Im Schatten des Diktators. Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 269. Engisch, Fritz Ernst als Persönlichkeit, S. 20. UAH, Rep. 101, Nr. 120, Ernst an Conze, 23. 10. 1956. Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 149. Schneider, Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus, S. 98–112. Vgl. Maschke, Begegnungen mit Geschichte, S. XIII. Dies wird in Conzes Nachruf von 1983 freilich mit keinem Wort erwähnt. UAH, Rep. 101, Nr. 120, Erich Maschke an Conze, 28. 10. 1956. Autobiographisches bei Hettling/Ulrich, Formen der Bürgerlichkeit sowie in Kosellecks Rückblick anlässlich des 50. Jahrestags seiner Promotion (Dankrede). UAH, Rep. 101, Nr. 120, Koselleck an Conze, 4. 11. 1956. Dieter Groh im Gespräch mit dem Verfasser am 20. 04. 2006. UAH, Rep. 101, Nr. 102, Gutachten über Horst Stuke für die Studienstiftung des deutschen Volkes vom 1. 9. 1952. So Conze in seiner Gedenkrede auf den 1976 im Alter von 48 Jahren Verstorbenen, der seit 1972 als Ordinarius für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Frankfurt lehrte; Gedenkrede für Horst Stuke (1979), S. 11. UAH, Rep. 101, Nr. 90. Dieser berichtete Conze im Juni 1957: »Von Wolfgang hören wir über Heidelberg eigentlich nur Gutes. Er beginnt sich dort langsam einzugewöhnen, wenn es ihm auch in Münster persönlich offenbar besser gefallen hat« (BArch, N 1188, Nr. 243, Schieder an Conze, 3. 6. 1957). UAH, Rep. 101, Nr. 91, Hans Mommsen an Conze, 9. 10. 1961. BArch, N 1478, Nr. 415, Wilhelm Mommsen an Conze, 8. 5. 1964; zuvor hatte Conze ihm geschrieben: »Die Zusammenarbeit mit Ihrem Sohn Hans ist immer von neuem erfreulich. Ich hoffe, dass er nunmehr an den Punkt gelangt ist, von dem er frei sein wird für seine Habilitationsarbeit. Ich will sehen, ihm dazu zu helfen, dass er dann wirklich frei dazu bleibt und sich darauf konzentriert«; (ebd., 24. 4. 1964). Jungmann, Vom Lernen zum Forschen, S. 104; nicht eingeschlossen ist hierbei die Dunkelziffer der nicht vollendeten Dissertationsprojekte. Auf der Liste seiner Doktoranden waren beispielsweise allein im Oktober 1965 insgesamt 40 Namen verzeichnet; UAH, Rep. 101, Nr. 103, Liste »Doktoranden von Prof. Dr. Conze (Stand: 13. 10. 1965)«. Kocka, Werner Conze und die Sozialgeschichte, S. 601; hier auch eine chronologische Aufzählung von Conzes Habilitanden: Walter Lipgens, Wolfram Fischer, Reinhart Koselleck, Hans Mommsen, Dietmar Rothermund, Wolfgang Schieder, Dieter Groh, Wolfgang von Hippel, Hartmut Soell, Volker Sellin, Volker Hentschel, Ulrich Engelhardt; Wolfgang Schieder gelangte allerdings wie auch Conzes Schüler Lutz Niethammer und Johannes Erger ohne förmliche Habilitation auf eine Professur, (Wolgast, Die neuzeitliche Geschichte im 20. Jahrhundert, S. 156). Kocka, Werner Conze und die Sozialgeschichte, S. 601f; das bestätigt auch Lutz Niethammer, der Conze als »tolerante Autorität, ungemein beschlagen, sachlich und anregend, offen, anspruchsvoll und herausfordernd in Erinnerung behalten« hat (Ego-Histoire?, S. 117). Im Gespräch mit dem Verfasser am 20. 04. 2006.

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130 Auch Etzemüller, dem es gerade um die Herausarbeitung wissenschaftsstrategischer Aspekte geht, betont, dass man sich wird »hüten müssen, von einer Conze-Schule zu sprechen«, da der Rahmen »seiner Gruppe zwar eine gewisse Einheitlichkeit« verliehen habe, »die jedoch niemanden endgültig auf eine Linie zwang« (Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 155). Demjenigen, der einige der Schüler Conzes kennengelernt hat, fällt es freilich schwer, von einer »Gruppe« zu sprechen, geschweige denn eine »gewisse Einheitlichkeit« zu erkennen. 131 Conze, Verfall der Universität? (1979), S. 128. 132 Wolgast, Die neuzeitliche Geschichte im 20. Jahrhundert, S. 149. 133 UAH, Rep. 101, Nr. 120, Conze an Hans Schäfer, 25. 8. 1956. 134 Ebd., Nr. 117, Conze an von Albertini, 1. 3. 1957; von Albertini an Conze, 20. 6. 1957. 135 Wolgast, Die neuzeitliche Geschichte im 20. Jahrhundert, S. 155. 136 UAH, Rep. 101, Nr. 110, Kurzporträt »Südasien-Institut der Universität Heidelberg« von Werner Conze und Wilhelm Hahn vom Mai 1962. 137 Ebd., Nr. 87, Conze an V.N. Sharma (Myalapore, Madras), 17. 3. 1961 u. 24. 4. 1961. 138 Heidelberger Tageblatt, 24. 5. 1962; Rothermund/Eckert, Indien und der Rest der Welt 139 »When Germany Went Astray. Professor Looks Back In Search For Truth«, in: The Statesman, 28. 10. 1964 (UAH, Rep. 101, Nr. 107; hier auch der Zeitplan von Conzes Reise, der maßgebend vom deutschen Generalkonsulat in Bombay gestaltet wurde). 140 UAH, Rep. 101, Nr. 77, Conze an Kentaro Hayashi, 9. 3. 1965 u. 6. 4. 1965. 141 Ebd., Rektor Günther Bornkamm an Conze, 28. 10. 1965. 142 Siehe die unzähligen Briefe japanischer Kollegen und Studenten in ebd., v.a. Nr. 77 u. 78. 143 Ebd., Nr. 101, Kultusministerium NRW an Conze, 12. 5. 1961. 144 Ebd., Ernst an Conze, 16. 5. 1961. 145 Ebd., Gerhard Storz an Conze, 22. 6. 1961. 146 Ebd., Berufungsvereinbarung vom 26. 7. 1961; Kultusministerium Baden-Württemberg an Conze, 1. 8. 1961. Conze hatte nun je zwei Assistenten am Historischen Seminar und am ISWG. 147 Ebd., Conze an Kultusminister Werner Schütz (NRW), 3. 8. 1961. 148 Ebd., Nr. 118, Staatsminister Ludwig Huber an Conze, 14. 1. 1965; Bayerisches Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an Conze, 23. 3. 1965; Kultusministerium Baden-Württemberg an Conze, 23. 3. 1965. 149 Ebd., Conze an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 20. 4. 1965; Conze an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität München, 20. 4. 1965. 150 Conze, Verfall der Universität? (1979), S. 123. 151 Bis Mitte der siebziger Jahre sollte sich die Zahl gar verfünffachen; vgl. Conze/Mußgnug, Das Historische Seminar, S. 151. 152 UAH, Rep. 101, Nr. 103, Liste »Magister- und Staatsexamenskandidaten von Prof. Conze (Stand: 13. 10. 65)«. 153 Conze, »Bürgertum, II. Neuzeit« (1981), S. 354. 154 Vgl. vor diesem Hintergrund auch die ähnlich lautenden Diagnosen bei Kocka, Das europäische Muster und der deutsche Fall, S. 39f., u. Gall, Bürgertum im 19. Jahrhundert, S. 507. 155 Hettling/Ulrich, Bürgertum nach 1945. 156 Riedel, »Bürger, Staatsbürger, Bürgertum«, S. 708. 157 Ebd., S. 724. 158 Hettling/Hoffmann, Der bürgerliche Wertehimmel; Wehler, Deutsches Bürgertum nach 1945, S. 618. 159 Kocka, Zivilgesellschaft als historisches Problem und Versprechen. 160 So zuletzt von Reinhart Koselleck (Hettling/Ulrich, Formen der Bürgerlichkeit, S. 40f.) 161 Vgl. Hettling, Bürgerlichkeit im Nachkriegsdeutschland.

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162 E. Conze, Eine bürgerliche Republik?, S. 527; Tenfelde, Stadt und Bürgertum im 20. Jahrhundert, S. 332; zu den diskursgeschichtlichen Ambivalenzen Siegrist, Ende der Bürgerlichkeit. 163 Hettling, Bürgerlichkeit im Nachkriegsdeutschland, S. 19. 164 Wehler, Deutsches Bürgertum nach 1945, S. 631f. 165 Siegrist, Der Akademiker als Bürger, S. 124. 166 Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit. 167 Ritter, Das bürgerliche Leben, S. 87. 168 Editorial der Zeitschrift »Vorgänge« (170/2005), S. 1. 169 Kondylis, Der Niedergang der bürgerlichen Denk- und Lebensform, S. 40. 170 Conze, »Beruf« (1972), S. 490f. 171 Mündl. Hinweis von Ulrich Engelhardt (Heidelberg). 172 Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung, S. 56–59. 173 Diese Auskunft Dieter Grohs (im Gespräch mit dem Verfasser am 20. 04. 2006) bestätigen auch Ulrich Engelhardt und Hartmut Soell. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang Conzes Auflistung der offiziell sozial- und wirtschaftsgeschichtlich motivierten Exkursionen des ISWG aus dem Frühjahr 1964: »3. 7. 1959: Ludwigshafen (BASF), Wachenheim/Weinstr. (Sektkellerei Schloß Wachenheim AG), Mußbach/Weinstr. (Weingut ›Herrenhof‹, Besitzer: Dr. Otto Sartorius); 15. 7. 1959: Speyer […], Dombesichtigung […], Weinmuseum […]; […] 22. 7. 1960: Karlsruhe (Siemens-Halske AG; Staatliche Majolika-Manufaktur), Weingarten (Winzergenossenschaft); […] 25. 2.–1. 3. 1961: Elsaß: Straßburg […], Schlettstadt […], Egisheim (Winzergenossenschaft) […]« (UAH, Acc. 54/02, Tätigkeitsbericht des ISWG, Frühjahr 1964, S. 20). 174 Kondylis, Der Niedergang der bürgerlichen Denk- und Lebensform, S. 42. 175 UAH, Rep. 101, Nr. 91, Fernand Braudel an Conze, 13. 11. 1972. 176 Gespräch des Verfassers mit Albrecht Conze am 5. Juni 2004 in Heidelberg. 177 Conze, Der Strukturwandel der Familie (1979), S. 287. 178 »›Einigkeit und Recht und Freiheit‹. Professor Conze sprach zum Erbe des 20. Juli 1944 – Eindrucksvolle Gedenkfeier in der Stadthalle – Mehr Zuhörer als jemals zuvor«, in: RNZ, 22. 7. 1964. 179 Heidelberger Tageblatt, 30. 1. 1958 (»Revolution durch den Staat. Antrittsvorlesung von Prof. Conze an der Universität Heidelberg«). 180 Conze, Staat und Gesellschaft in der frührevolutionären Epoche Deutschlands (1958). 181 Ders., 50 Jahre deutscher Landkreistag (1966), S. 228–231. 182 Ebd. 183 Wedemeyer, Den Menschen verpflichtet. 184 UAH, Rep. 101, Nr. 124, Chronik des Rotary Clubs Heidelberg-Schloß (1996). 185 Conze, »Dienst« – die Aktualität eines alten Begriffs (1980), S. 929. 186 Ders., Friedrich Naumann, (1950), S. 355. 187 Ebd., S. 381–386; Weber, Politik als Beruf, S. 544–547. 188 BArch, B 324, Nr. 38, Conze an Alfred Milatz, 21. 2. 1952; zwischen 1956 und 1963 hatte er den Vorsitz der Kommission inne. 189 Formell gehörte der Historiker nach dem Erlöschen seiner NSDAP-Mitgliedschaft nie mehr wieder einer Partei an. 190 1964 erklärte er sich bspw. bereit, in der wissenschaftlichen Kommission beim SPD-Parteivorstand mitzuarbeiten; Carlo Schmid an Conze, 12. 10. 1964, in: UAH, Rep. 101, Nr. 142. 191 Gespräch des Verfassers mit Albrecht Conze am 5. Juni 2004 in Heidelberg. 192 Das Manuskript des Vortrages, der im selben Jahr in der Zeitschrift »Kirche und Welt« erschien, findet sich in UAH, Rep. 101, Nr. 93. 193 Ein Kirchgänger war Conze nicht, wenn er auch ab und an die Universitätsgottesdienste besuchte (Gespräch des Verfassers mit Albrecht Conze am 5. Juni 2004 in Heidelberg).

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194 Vgl. zur Person Gauger, »Hahn, Wilhelm«. 195 Martin/Mehnert, Der Evangelische Arbeitskreis der CDU/CSU, S. 17–89. 196 ACDP, I-483, Nr. 051–2, Ministerpräsident Hans Filbinger an Gerhard Schröder, 15. 2. 68; Einladungsschreiben Arved Deringers vom 5. 2. 1968. 197 Frese u.a., Demokratisierung und gesellschaftlicher Aufbruch. 198 Schönhoven, Wendejahre, Zitat S. 688; Soell, Helmut Schmidt, S. 555–851. 199 So vermerkte sich auch Conze: »Programm des Abends ist dürftig« (UAH, Rep. 101, Nr. 27, »Tagebuch 7./11. 3. 1968«); ACDP, I-483, Nr. 051–2, Grußwort Schröders für das Programmheft (ohne Datum); Tagungsprogramm. 200 Conze, Die Kritik an der Bundesrepublik (1969), S. 18–26. 201 Ludwig Harms, »Auch Parteien tragen Mitschuld«. Professor Conze kritisiert Deutschland-Politik, in: Die Welt, 9. 3. 1968; ders., Beifall für Absage an die Große Koalition. Selbstkritik und Ratlosigkeit auf der Bundestagung des Evangelischen Arbeitskreises der Union, in: Die Welt, 11. 3. 1968. 202 Conze, Die Kritik an der Bundesrepublik (1969), S. 28–30. 203 Rolf Zundel, Aufmarsch der Anti-Rebellen. Evangelischer Arbeitskreis der Unionsparteien: selbstkritisch und besorgt, in: Die Zeit, 15. 3. 1968. 204 »Tagebuch 7./11. 3. 1968«, in: UAH, Rep. 101, Nr. 27. Auch Schröder bedauerte bald darauf Conze gegenüber, dass er während der Tagung »keine Gelegenheit mehr« gehabt habe, »mit Ihnen ausführlich über Ihr Referat […] zu sprechen«, war aber der Ansicht, dass Conzes Beitrag »sehr wesentlich den Verlauf der Bundestagung beeinflußt« habe. Conze entgegnete ihm darauf, dass er glaube, sein Referat sei »trotz oder gerade wegen bestimmter scharfer Thesen nicht unnütz gewesen«, (ebd., Nr. 156, Schröder an Conze, 12. 3. 1968; Conze an Schröder, 29. 3. 1968). 205 Rudolf Reinisch, Tagung voller Gegensätze, in: Deutsche Umschau, April 1968. 206 Frei, 1968; Kondylis, Der Niedergang der bürgerlichen Denk- und Lebensform, S. 169–283. 207 Gilcher-Holtey, Die 68er Bewegung; dies., 1968; Fink u.a., 1968; Etzemüller, 1968. 208 Forschungsüberblicke: Gassert/Richter, 1968 in West Germany; Kersting, Entzauberung des Mythos? Weinhauer, Zwischen Aufbruch und Revolte. 209 Eine Darstellung der Ereignisse aus der Sicht ehemaliger Aktivisten bieten die entsprechenden Abschnitte in Buselmeier u.a., Auch eine Geschichte der Universität Heidelberg; sowie Hildebrandt, »… und die Studenten freuen sich!« (hierzu die Rez. von Eike Wolgast). 210 Heidelberger Tageblatt, 7. 6. 1967. 211 Laufs, Neunzehnhundertachtundsechzig, S. 224. 212 Sellin, Auftakt zu permanenten Reform. 213 UAH, Rep. 101, Nr. 27, Tagebucheinträge zum 16. 1. u. 9. 2. 1968 (kursiv i. Orig. unterstrichen). 214 Ebd., Tagebucheinträge zum 9. 1. u. 10. 1. 1968. Conze bemerkte zu diesen Vorbehalten: »Eigentliche Gründe natürl[ich] nicht genannt. Ich erkläre, dass ich gesund und robust sei«. 215 Dies erfuhr Conze von der noch amtierenden Rektorin Margot Becke: »Sie sagt mir: Parole NSVergang[en]h[eit] bei mir ginge um. Ich erzähle ihr diese, sofern dies eine war, g[an]z offen. Sie sieht: nichts. […] Wir s[in]d uns einig üb[er] die Infamie solcher in Umlauf gesetzter Gerüchte« (ebd., Tagebucheintrag zum 15. 1. 1968). 216 Aufschlussreich sind wiederum Conzes persönliche Aufzeichnungen: »Rektorwahl mit ca. 100 demonstrierenden Studenten vor der verschlossenen Tür. 115 Bald[inger], 20 C[onze], 11 zersplitterte. Campenhausen sagt mir offen: Nun kann man Sie ja nicht wählen, da die Studenten für Sie eingetreten sind! Studentischem Druck nicht nachgeben! Ergo! – Trotz allem gut, dass ich festgehalten habe. Das antiquierte Wahlverfahren ist dadurch demonstrativ in Frage gestellt worden. Die Alternative war da« (ebd., Tagebucheintrag zum 10. 2. 1968).

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217 Ebd., Nr. 34, Georg Picht an Conze, 16. 2. 196[8]. Zwar datierte Picht seinen handschriftlich verfassten Brief selbst auf das Jahr 1967, doch ist dies aufgrund der zeitlich eindeutig zu bestimmenden historischen Ereignisse als ein – zu Jahresbeginn oftmals auftretender – Fehler anzusehen. Conze notierte sich auch am 19. 2. 1968, dass er einen Brief von Picht erhalten habe (ebd., Nr. 27). 218 Ebd., Nr. 27, Tagebucheintrag vom 19. 5. 1968, kursiv im Original unterstrichen. 219 »Marburger Manifest vom 17. April 1968. Zur Politisierung und sogenannten Demokratisierung der Hochschulen der Länder der Bundesrepublik Deutschland« (Anzeige), in: FAZ, 5. 7. 1968. 220 Conze, Die Kritik an der Bundesrepublik (1968), S. 31; Sellin, Auftakt zur permanenten Reform, S. 569. 221 UAH, Rep. 101, Nr. 28, »Wie die Professoren mit den Studenten Geschichte machen und wie die Studenten Geschichte machen könnten« (Flugblatt vom 17. 12. 1968). 222 Ebd., Nr. 27, Conze an Gerd Steffens vom 23. 11. 1968. 223 Jochen Staadt, Nicht unter 200 Anschlägen pro Minute. Hans-Gerhart Schmierer und der »Kommunistische Bund Westdeutschlands«, in: FAZ, 31. 1. 2001; Eckart Lohse u. Stephan Löwenstein, Im Auswärtigen Amt regt man sich über Joscha Schmierer nicht auf. Vom Sektierer zum »Realo«-Außenpolitiker, in: FAZ, 7. 3. 2001. 224 Joscha Schmierer, Wer wir waren. Der Staat war der Feind, nicht die Väter, in: FAZ, 17. 1. 2001. 225 »Was tun?«, undatiert (kurz vor dem 21. 1. 1969), in: UAH, FB 39. 226 Zerstörung oder Reform der Universität. Eine Lagebeurteilung nach spannungsreichen Wochen, in: RNZ, 27. 1. 1969. 227 So bezeichnete er »die verfassungsgebende Arbeit der Grundordnungsversammlung« als »Prüfstein für die Autonomie der Universität«. Bei deren Scheitern müßte die Verfassung »dann vom Staat verordnet werden, und die Universität hätte wider Wille die oft gehörte Rede bestätigt, dass Universitäten sich nicht selbst reformieren können. Eine Bewährungsprobe im Bemühen um die Erhaltung universitärer Autonomie unter den Bedingungen der sich schnell wandelnden Industriegesellschaft wäre vertan« (ebd.). 228 »Conze: Herr über Schein und Stimme« (28. 1. 1969), in: UAH, FB 34; ähnlich auch das undatierte Flugblatt »Die Katze läßt das Mausen nicht oder Wie der Uni-Metternich auf den Hund kam« (ebd.). 229 »Si tacuisses …!«, 26. 2. 1969, in: UAH, FB 34; die Basisgruppe Geschichte bemerkte in ihrer Conze inhaltlich nicht wirklich widerlegenden Flugblatt-Replik dazu: »Wenn Wissenschaft aufgehört hätte, in professoraler Verwaltung zu stehen und statt dessen die Selbstbestimmung des Menschen intendierte, könnte der ›menschliche Umgang mit Menschen‹ mehr werden als Phrase. Einstweilen haben wir Studenten es mit Ordinarien zu tun« (»Ein Doktorvater mag nicht länger schweigen!«, 28. 2. 1969, ebd.). 230 Rektorat der Univ. Heidelberg, Mitteilung an die Mitglieder der Lehrkörpers, 3. 7. 1969, in: UAH, FB 48, S. 6. 231 Conze, 20 Jahre Bundesrepublik Deutschland (1969). 232 UAH, Rep. 101, Nr. 34, Schieder an Conze, 6. 3. 1969. 233 Ebd., Nr. 26, »Augenzeugenbericht« Conzes »über die Vorgänge vor dem Hörsaal des Neuen Chemischen Instituts nach Schluß der Sitzung des Großen Senats am Samstag, 5. 7. 69« vom 7. 7. 1969. 234 Conze, Die Universität im Verfassungswandel (1970), S. 3. 235 »Mit Conze dennoch nicht nur Mitleid haben!«, in: UAH, FB 1 II (undatiert). 236 Sellin, Auftakt zur permanenten Reform, S. 581. 237 Conze, Die Universität im Verfassungswandel (1970), S. 4–6; RNZ, 24. 9. 1969 (»Mitarbeit oder nicht?«); Heidelberger Tageblatt, 24. 9. 1969 (»Rektor Conze fordert Verzicht auf Gewalt«).

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Conze, Lagebestimmung (1969), S. 5. UAH, Rep. 101, Nr. 32, handschr. Ms »13.11. Studenten«. Vgl. RNZ, 15./16. 11. 1969 (»Eier- und Tomatenhagel gegen den Rektor«). »Wenn die Herrschenden den Märtyrer spielen, werden wenige fromm und viele aggressiv. (Zum Eiertanz am Donnerstag)«, 14. 11. 1969, in: UAH, FB 5 II. Ebd. Conze, Freiheit im öffentlichen Gebrauch der Vernunft (1969), S. 7. Joscha Schmierer, Wer wir waren. Der Staat war der Feind, nicht die Väter, in: FAZ, 17. 1. 2001. Conze, Die Universität im Verfassungswandel, S. 14–16. UAH, Rep. 101, Nr. 32, Ahasver von Brandt an Conze, 2. 2. 1970. Gilcher-Holtey, Kritische Theorie und Neue Linke, S. 185. Keine Angst vor dem Elfenbeinturm. SPIEGEL-Gespräch mit dem Frankfurter Sozialphilosophen Professor Theodor W. Adorno, in: Der Spiegel, 5. 5. 1969, S. 206 bzw. 208. Große Kracht, Die zankende Zunft, S. 73f. Vgl. etwa Hermann Rudolph, Eine Fakultät im Streit mit sich selbst. Gespräche in Heidelberg: Meinungen im Fall Conze, in: FAZ, 24. 7. 1971; Nikolas Lang, Eine akademische Kraftprobe. Wird Heidelberg zu einer FU des Westens? in: Die Zeit, 15. 10. 1971; Louis L. Snyder, The Lonely Vigil of a West German Professor. A Distinguished German University Professor refuses to submit to the Tactics of an Organized Minority of Student Activists, in: Intellect vol. 102, April 1974, S. 448–451. In der Folgezeit ging Conze allerdings über Zwischenrufe wie »Halt deinen Mund, du Schleimscheißer« mitunter auch hinweg; Conze, Sommersemester 1971, S. 7. Vgl. die internen Schriftwechsel und Pressestellungnahmen (ebd., Nr. 46–52). »Spartakus-Gründungskongreß: Von der Assoziation zum marxistischen Studentenbund« (Marxistischer Studentenbund Spartakus/Heidelberg), 24. 5. 1971, ebd., Nr. 23f. Ebd., Nr. 43, 16. 6. 1971. So hatte Conze etwa in seinem Aufruf vom 11. 5. 1971 »An die Studenten der Geschichte in Heidelberg« betont, seine Lehrveranstaltungen nur dann fortsetzen zu können, »wenn die Garantie freier Lehre konkret gegeben« sei; ebd., Nr. 8. »Gegen die Praktiken der IG-Geschichte« (›Ad hoc Gruppe Vorlesung Conze‹), undatiert, ebd., Nr. 17. Ebd., Nr. 28a (modifiziert in Nr. 28b). Der Historiker erwartete aufgrund dieser »Nötigung« zur Aufgabe seines »didaktischen Plans« die »nächste Gefährdung meiner Lehrfreiheit und des schon arg reduzierten Semesterprogramms« (ebd., S. 13). G. A. Ritter, ›Direkte Demokratie‹ und Rätewesen in Geschichte und Theorie. »Einigkeit – trotz Streit und Hickhack«, 24. 6. 1971, in: UAH, FB 34. Hildebrandt, »… und die Studenten freuen sich!«, S. 229. Habermas, Protestbewegung und Hochschulreform, S. 7. Sellin, Auftakt zur permanenten Reform, S. 581–583. Laufs, Neunzehnhundertachtundsechzig, S. 228. Hubmann, Ethische Überzeugung und politisches Handeln; geistige Parallelen zwischen früher Burschenschaft und 68er-Bewegung erkennt schon Faber, Student und Politik. Conze, Verfall der Universität? (1979), S. 127–129; vier Jahre später blickte er schon entspannter auf die Ereignisse zurück: »Was mich persönlich betrifft, so habe ich weder vor oder nach 1968 eine innere Wandlung durchgemacht. Ich erlebte nur, teils mit Kummer, teils mit Ironie, dass ich, von außen her gesehen, wechselnden Perspektiven unterworfen gewesen bin. Das ist nun alles lange her« (UAH, Rep. 101, Nr. 146, Conze an Harro Hefermann, 16. 2. 1983). UAH, Rep. 101, Nr. 21. Ebd., Ulrich Engelhardt an Conze, 28. 12. 1970.

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Ebd., Reinhart Koselleck an Conze, 1. 1. 1971. Ebd., Hans-Georg Gadames an Conze, 1. 1. 1971. RNZ u. Heidelberger Tageblatt, Silvester 1970 (im selben Wortlaut). UAH, Rep. 101, Nr. 21, Gustav Heinemann an Conze, 23. 12. 1970. Hobsbawm, Das Zeitalter der Extreme, S. 362. Hohensee, Der erste Ölpreisschock 1973/74. Die wesentlichen Aspekten bereits in der von Rudolf Vierhaus verfassten gemeinsamen Stellungnahme des VHD und des Verbandes der Geschichtslehrer aus dem Jahre 1971 (Geschichtswissenschaft und Geschichtsunterricht). Nolte, Die Historiker der Bundesrepublik, S. 413–416. Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S. 159–200; Hohls/Jarausch, Versäumte Fragen, S. 514f. UAH, Rep. 101, Nr. 44, Conze an die Mitglieder des VHD (Dezember 1972). Hermann Rudolph, Neuer Mut zur Geschichte, in: FAZ, 8. 10. 1974. Conze, Zur Lage der Geschichtswissenschaft und des Geschichtsunterrichts (1975), S. 72 bzw. 76; Bericht über die 30. Versammlung deutscher Historiker in Braunschweig, S. 15f. Vgl. die entsprechenden Jahrgänge der GWU und der neugegründeten Zeitschrift »Geschichtsdidaktik«. Außer Conze nahmen Joachim Fest (als Moderator), Theodor Schieder, Gerhard A. Ritter, Horst Fuhrmann und Fritz Wagner teil (Forum Stifterverband. Informationen zur Wissenschaftsförderung, Nr. 1/1976, S. 3). UAH, Rep. 101, Nr. 43, »Bemerkungen zu Geschichte und öffentlicher Bildung« (masch.-schr. Ms., Januar 1976). Nach der hessischen Konzeption sollte das Fach Geschichte fortan nicht mehr eigenständig existieren, sondern nur noch als »Arbeitsschwerpunkt« im »Lernbereich Gesellschaftslehre« ein quasi hilfswissenschaftliches Dasein fristen; Hoffmann, Der Geschichtsunterricht in den Hessischen Rahmenrichtlinien; Graßmann, Besserer Unterricht durch Hessische Rahmenrichtlinien. Freiheit oder Sozialismus?, in: FAZ, 17. 4. 1976. UAH, Rep. 101, Nr. 43, »Bemerkungen zu Geschichte und öffentlicher Bildung« (masch.-schr. Ms., Januar 1976). Erklärung des Verbandes der Historiker Deutschlands zum Studium des Fachs Geschichte an den Hochschulen (14. 1. 1975) (in drei Teilen). Kocka u.a., Rückzug in den Traditionalismus, S. 538–540. Bericht über die 31. Versammlung deutscher Historiker in Mannheim. UAH, Rep. 101, Nr. 43, Pressemitteilung des Kultusministeriums Baden-Württembergs vom 21. 9. 1976; ein anwesender Mitarbeiter des Klett-Verlags bemerkte einige Tage darauf: »Es schien mir fast, als wehrten Sie den Orden ab, der Ihnen überreicht wurde« (UAH, AAKMS, Korrespondenzordner 5a, S. 258, Adolf Dieckmann an Conze, 30. 9. 1976). Adalbert Mischlewski, Geschichte ist wieder gefragt. Der 31. Deutsche Historikertag in Mannheim, in: SZ, 29. 9. 1976. Ratlose Wissenschaft. Beobachtungen auf dem Historikertag in Mannheim, in: FAZ, 28. 9. 1976. Vgl. den Briefwechsel zwischen Conze und Rüsen zwischen Oktober 1975 und Januar 1976, in: UAH, Rep. 101, Nr. 44. Ebd., Hans-Ulrich Wehler an Conze, 19. 12. 1975; Conze an Wehler, 2. 1. 1976. Die meisten Historiker betrachten die Krise als überwunden. Genugtuung auf dem Mannheimer Historikertag über das Scheitern der Integrationsversuche der Sozialwissenschaften, in: Frankfurter Rundschau, 30. 9. 1976. UAH, Rep. 101, Nr. 44, Conze an Jörn Rüsen, 18. 12. 1975. Ebd., Helmut Hirsch an Conze, 28. 9. 1976. Ebd., Nr. 43, Pressemitteilung des Kultusministeriums Baden-Württembergs, 21. 9. 1976.

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Conze, Die deutsche Geschichtswissenschaft seit 1945 (1977), S. 38. UAH, Rep. 101, Nr. 94, Conze an Michael Kater, 1. 10. 1976. Ebd., Fritz Stern an Conze, 1. 6. 1976; Conze an Charles Maier, 6. 7. 1976. Ebd., Conze an Maier, 1. 10. 1976. Conze, The Political Concept of Freedom in German History (1979), S. 122. UAH, Rep. 101, Nr. 78, Yoichi Shimuzu (Japanisches Kulturinstitut Köln) an Conze, 17. 12. 1981; Conze an Shimuzu (ohne Datum). An gleicher Stelle befindet sich auch das masch.schr. Ms. seines Vortrages über »Probleme und Tendenzen der Forschung zur deutschen Geschichte 1848–1945/49«, den er in Tokio hielt. Siehe auch seinen »Bericht über meine und meiner Frau Reise nach Japan vom 21. April bis zum 11. Mai 1982« für die Japan-Foundation (ebd., Nr. 146). »Geschichtswissenschaft im Verhältnis Deutschlands zu Japan. Ein überfälliger Anachronismus« (masch.-schr. Ms.; ebd.); die Ausarbeitung bot er der FAZ zur Veröffentlichung an (Conze an Jürgen Busche, 3. 11. 1982; ebd.). Ebd., Nr. 92, Helmut Schelsky an Conze, 21. 3. 1979. BArch, N 1188, Nr. 291, Conze an Theodor Schieder, 8. 5. 1976. Engelhardt u.a., Soziale Bewegung und politische Verfassung. Conze, Verfall der Universität? (1979), S. 123f. Ebd., S. 131. UAH, Rep. 101, Nr. 92, Gerhard Schulz an Conze, 27. 11. 1979. Der Tübinger Historiker stellte anlässlich dessen den Fortbestand der Kommission in ihrer bisherigen Form in Frage. Ebd., Nr. 155, Conze an Josef Becker, 3. 2. 1986. Ebd., Conze an Richard von Weizsäcker, 13. 1. 1986. Ähnlich auch Conze an Karl Carstens, 9. 1. 1981 (ebd., Nr. 145). Die Briefe wurden als Dank zu Glückwünschen zum 70. bzw. 75. Geburtstag verfasst. Ebd., Nr. 159, »Was soll der Gesch[ichts]unterri[cht] leisten? Versuch eines Progr[amms]«, handschr. Notizen zu seinem Referat beim Seminar des Bundeselternrates vom 18.–20. 05. 1979 in Wolfenbüttel (ebd. auch die Einladung m. Programm). »›Geschichte, Lehrmeisterin des Lebens?‹ Festvortrag anlässlich der Distriktkonferenz 79/80 des 182. (hessischen) Distrikts von Rotary International am 21. 6. 80 in Bad Nauheim« (masch.-schr. Ms.), in: UAH, Rep. 101, Nr. 89, S. 6–15. Vgl. Koselleck, Historia Magistra Vitae. Conze, Nur der Mensch macht und erleidet Geschichte (1980); über die prognostische Bedeutung der Geschichte hatte Conze in ähnlicher Weise schon 1972 auf der Jahresversammlung des Deutschen Verbandes technisch-wissenschaftlicher Vereine (DVT) gesprochen (Zukunft als Frage der Geschichte). »Umgang mit der Geschichte – Last und Hilfe der Geschichte« (gehalten am 7. 11. 1981), masch.-schr. Ms., in: UAH, Rep. 101, Nr. 99 (hier auch die Begleitkorrespondenz). Ebd. (kursiv im Original unterstrichen). Ebd. Konrad Adam, Lehren der Geschichte. Werner Conze gestorben, in: FAZ, 30. 4. 1986.

V. Sozialgeschichte der industriellen Welt 1 Engelhardt, Sozialgeschichte, Sp. 1141.; im Folgenden werden, wenn von Sozialgeschichte als Untersuchungsebene die Rede ist, die Begriffe Sozialgeschichte und Sozialhistorie synonym verwendet. 2 Kocka, Einleitung, S. 1. 3 Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 339. 4 Engelhardt, Sozialgeschichte, Sp. 1141f.

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5 Kocka, Sozialgeschichte, S. 51–67; G.A. Ritter, Neuere Sozialgeschichte, S. 21–26; allgemein Iggers, Deutsche Geschichtswissenschaft. 6 Wehler, Einleitung (1966), S. 11; Engelhardt, Sozialgeschichte, Sp. 1143f. 7 Engelhardt, Sozialgeschichte, Sp. 1144. 8 Schulz, 100 Jahre VSWG, S. 9–11. In der Folgezeit entstanden auch eigene Lehrstühle, die allerdings meist von der Geschichtswissenschaft getrennt und stattdessen der Wirtschaftswissenschaft zugeordnet waren; Ritter, Neuere Sozialgeschichte, S. 24. 9 Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft, S. 51–56; Wehler, Soziologie und Geschichte. 10 Bergmann, Agrarromantik und Großstadtfeindschaft, S. 361. 11 Kocka, Werner Conze und die Sozialgeschichte, S. 595. 12 Rosenberg, Probleme der deutschen Sozialgeschichte, S. 351. 13 Kocka, Sozialgeschichte in Deutschland nach 1945, S. 4. 14 Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S. 207–227. 15 Wörtlich hieß es da: »Aber unser herkömmliches Geschichtsbild, mit dem wir groß geworden sind, bedarf jetzt allerdings einer gründlichen Revision, um die Werte und Unwerte unserer Geschichte klar voneinander zu unterscheiden. Dazu ist nach unserer Überzeugung nur wieder jenes geschichtliche Denken fähig, das paradoxerweise gerade die dämonisch enge Verbindung von Werten und Unwerten in der Geschichte wahrnimmt« (Meinecke, Die deutsche Katastrophe, S. 156f.). Statt über den tieferen Sinn dieser Zeilen nachzudenken, habensich spätere Generationen meist damit begnügt, die von dem würdigen Greis am Ende seines Buches heraufbeschworenen »Goethegemeinden« mit überlegenem Schmunzeln zu quittieren. 16 Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S. 209. 17 Conze, Der Weg zur Sozialgeschichte nach 1945 (1983), S. 73. 18 So der vorgeschlagene Titel eines am Ende nicht gehaltenen Vortrags vor der Deutschen Hochschulgilde (seit 1947 Freideutscher Kreis); BArch N 1188, Nr. 373 Hans Twiehaus an die Gildenbrüder, März u. Juni 1948. 19 Ebd., Nr. 1245, Conze an Schieder, 14. 7. 1950. 20 Conze, Der Weg zur Sozialgeschichte nach 1945 (1983), S. 73. 21 Weber, Die römische Agrargeschichte, S. 142; dazu Deninger, Einleitung, S. 16–19 u. S. 28f. 22 Radkau, Max Weber, S. 124. 23 BArch, N 1188, Nr. 373, Zitat im Rundbrief von Hans Twiehaus, Juli 1947. 24 Conze, Wie lange gibt es Agrarwissenschaft? (1947); hier auch die Spalte »Lt.Col. Taster, Commander des Niedersachsen Regional Food Team schreibt uns zum Beginn des 100. Jahrgangs«. 25 Conze, Justus Möser (1949); den gleichen Gedanken hatte er in einem Vortrag ein Jahr zuvor schon dem hannoverschen Agrarreformer Carl Bertram Stüve zugeschrieben; Die liberalen Agrarreformen Hannovers im 19. Jahrhundert (1947), S. 12. 26 UAH, Rep. 101, Nr. 125, und das Schriftenverzeichnis für die Jahre 1947 bis 1949. 27 Conze, Volkskunde als politische Wegweisung (1949). 28 UAH, Rep. 101, Nr. 97, Verzeichnis der Vorlesungen und Übungen in Göttingen und Münster (handschr.); Linnemann, Das Erbe der Ostforschung, S. 183–208. 29 Zorn, Friedrich Lütge als Sozial- und Wirtschaftshistoriker; aus Lütges Mitarbeiterkreis gingen mit Knut Borchardt, Wolfgang Zorn und Conzes späterem Kollegen am Heidelberger Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Eckart Schremmer, einige der wichtigsten Wirtschaftshistoriker ihrer Generation hervor. 30 Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 416. 31 Conze, Writings on Social and Economic History (1950/51); einleitend bemerkte er hier: »A general social history is still lacking, and the gap between traditional economic and constitutional history is still unfilled« (S. 127). 32 Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft, S. 314.

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33 Köllmann, Vorbemerkung, S. 7. Köllmann erinnerte sich an eine Übung Conzes im Sommersemester 1949, die für ihn »die erste Begegnung mit Bevölkerungslehre und historischer Demographie bedeutete«. Wie aus einer in Klammern vermerkten Notiz Conzes hervorgeht, verbreitete er hier vor allem die Forschungen seines Lehrers Gunther Ipsen; UAH, Rep. 101, Nr. 97, Verzeichnis der Vorlesungen und Übungen in Göttingen und Münster (handschr.). 34 Köllmann, Sozialgeschichte der Stadt Barmen im 19. Jahrhundert; die Fortsetzung bis 1914 hatte mit Ursula Rosenbaum eine andere Doktorandin Conzes übernommen und 1954 in Münster abgeschlossen (ebd., S. XV). 35 UAH, Rep. 101, Nr. 102, »Referat zur Arbeit Köllmann«, 15. 10. 1950. 36 Ebd., Nr. 163, »Die deutsche Stadt im Industriesystem als historisches Forschungsproblem« (masch.-schr. Ms.); Conze an Theodor Schieder, 19. 3. 1951 (BArch, N 1188, Nr. 1245). 37 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 199–206. 38 In einer Besprechung von Brepohls Buch für die VSWG sprach er zwar zusammenfassend von einem »Gewinn für die Sozialwissenschaft«, kritisierte aber »Fehlurteile« bei der »Charakterisierung des ostdeutschen Menschen«, im Rahmen derer der Autor »sogar Zerrbilder aus zweitrangiger Literatur übernommen« habe; Conze, Rez. zu: Brepohl, Der Aufbau des Ruhrvolkes (1952), S. 283f.; an Hermann Aubin, den Herausgeber der VSWG, schrieb er dazu: »Da ich den Versuch in seiner Zielsetzung besonders hoch werte, habe ich mich bemüht, die kritische Ablehnung nicht zu scharf hervortreten zu lassen. Freilich: noch milder, als ich es getan habe, geht es m.E. auf keinen Fall. Im ganzen ist auch sonst manches problematisch« (BArch, N 1179, Nr. 27, Conzes an Aubin, 28. 2. 1952). 39 Brepohl, Der Aufbau des Ruhrvolkes im Zuge der Ost-West-Wanderung, S. 4. 40 Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft, S. 316. 41 Conze, Die deutsche Stadt im Industriesystem als historisches Forschungsproblem, a.a.O., S. 12f.; Ipsen war beim Vortrag Conzes in Dortmund anwesend, der dazu an Schieder schrieb: »Dass Ipsen nach Dortm. kommt, weißt Du vielleicht noch nicht. Bitte dies noch vertraulich. Er wird Anfang April dort eintreffen. Wertvoll war mir besonders die Aussprache mit Jantke, sowie das Wiedersehen mit Ipsen« (BArch, N 1188, Nr. 1245, 19. 3. 1951). Wahrscheinlich hatte Conze seinen früheren Lehrmeister hier zum ersten Mal seit dem Krieg wiedergetroffen. 42 Conze, Die deutsche Stadt im Industriesystem als historisches Forschungsproblem, a.a.O., S. 14–17. 43 BArch, N 1188, Nr. 1245, 21. 12. 1951. 44 Conze, Die Wirkung der liberalen Agrarreformen auf die Volksordnung in Mitteleuropa im 19. Jahrhundert (1949/50), S. 187 bzw. 206. 45 Ebd., S. 204. 46 BArch, N 1179, Nr. 27, Conze an Hermann Aubin, 18. 8. 1953. 47 W. Schieder, Sozialgeschichte zwischen Soziologie und Geschichte, S. 261 bzw. 258. 48 Wiederabdrucke bei Wehler, Moderne deutsche Sozialgeschichte; Fischer/Bahjohr, Die soziale Frage; Übersetzung bei Iggers, The Social History of Politics; Kocka, Werner Conze und die Sozialgeschichte, S. 598. 49 Conze, Vom »Pöbel« zum »Proletariat« (1954), S. 220–228. 50 Engelhardt, Einleitung, S. 15. 51 Die reife Ausarbeitung der Begriffsgeschichte legte Conze dann dreißig Jahre später vor; »Proletariat, Pöbel, Pauperismus« (1984). 52 Conze, Vom »Pöbel« zum »Proletariat« (1954), S. 229–245. 53 Missverständlich ist auch das Resümee Etzemüllers: »Der Untertitel des Aufsatzes spricht von den ›Sozialgeschichtlichen Voraussetzungen für den Sozialismus in Deutschland‹, der Text handelt vom Gegenteil« (Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 117, Fn. 103).

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54 Conze, Vom »Pöbel« zum »Proletariat« (1954), S. 246; zwei Jahre später verkündete er im Titel einer Miszelle das »Ende des Proletariats« (1956). 55 So erinnert sich bspw. Annette Kuhn daran, wie sie als Hilfskraft am Münchener Historischen Seminar zufällig Conzes Aufsatz in die Hände bekam, der sie spontan »begeisterte« und ihren Wechsel nach Heidelberg zu Conze veranlasste. Für die spätere Geschichtsdidaktikprofessorin war »Sozialgeschichte […] anfangs ein Zauberwort« (Ich trage einen goldenen Stern, S. 89–91). Diese Erinnerung ist umso glaubwürdiger, als die Autorin ansonsten wenig Gutes über Conze zu berichten weiß. 56 UAH, Rep. 101, Nr. 120, Conze an Hans Schäfer, 18. 8. 1956; zwei Jahre zuvor hatte er aus Münster bereits gegenüber Hans Rothfels von den Vorteilen der »Nähe des Industriegebiets« und der »Beteiligung an Vorhaben, die diesen Raum hier betreffen«, geschrieben (ebd., Nr. 90, 6. 5. 1954). 57 Ebd., Nr. 105, »Gedanken zur sozialgeschichtlichen Abteilung der Sozialforschungsstelle an der Universität Münster«, o.D. (Sommer 1956). 58 Conze, Der Weg zur Sozialgeschichte nach 1945 (1983), S. 75. 59 Hüllbüsch, Gewerkschaften und Staat; Balser, Sozial-Demokratie 1848/49–1863. 60 W. Schieder, Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung; Soell, Die sozialdemokratische Arbeiterbewegung im Reichsland Elsaß-Lothringen. 61 G.A. Ritter, Die Arbeiterbewegung um wilhelminischen Reich; Wehler, Sozialdemokratie und Nationalstaat. 62 Groh, Hundert Jahre deutscher Arbeiterbewegung?, S. 351. 63 In Heidelberger Historikerkreisen sprach man von »Conze en Groh« (Gespräch mit Dieter Groh am 20. 04. 2006); Conze selbst räumte ein, dass Groh »die Hauptlast der Arbeit getragen« habe; Vorwort (1966), S. 5. 64 Conze/Groh, Die Arbeiterbewegung in der nationalen Bewegung (1966), S. 124–128. 65 Groh, Negative Integration und revolutionärer Attentismus. 66 Dabei fügte er in Bezug auf den letzten Punkt hinzu: »Die geisteswissenschaftliche Tradition des Arbeitsindividualismus wurde durch die beginnende Konjunktur stark unterstützt«; Conze, Der Weg zur Sozialgeschichte (1983), S. 75. 67 Ein Jahr darauf veröffentlichte er in der mit zweijähriger Verspätung erschienenen Festschrift zum 70. Geburtstag von Hans Rothfels einen inhaltlich ähnlich gehaltenen Aufsatz, in dem er historisch weiter ausholte als in seinem Rundfunkbeitrag, dafür aber den Gegenwartsbezug weniger stark herausstrich; Conze, Der Beginn der deutschen Arbeiterbewegung (1963). 68 UAH, Rep. 101, Nr. 59, »Ursprung und Weg der deutschen Arbeiterbewegung« (masch.-schr. Ms.), o. D. (zum 1. 5. 1962). 69 Ebd. 70 Ebd., Herbert Bahlinger (SWF) an Conze, 2. 5. 1962. 71 Kempter, Eugen Loderer und die IG Metall, S. 160. 72 Conze, Möglichkeiten und Grenzen der liberalen Arbeiterbewegung (1965), S. 26–28. 73 Dazu bemerkte er in einer Fußnote: »Dieser moderne, besonders von Schelsky verwendete Begriff wird von Schulze noch nicht gebraucht. Der Sache nach handelt es sich jedoch um eine Prognose dieser gegenwärtigen Tendenz« (ebd. S. 19); zur diskursiv-generationellen Einordnung Schelskys, der bei Hans Freyer und Arnold Gehlen (in Leipzig und Königsberg) studiert hatte, siehe Kersting, Helmut Schelskys »Skeptische Generation«. 74 Conze, Der Weg zur Sozialgeschichte nach 1945 (1983), S. 75. 75 Dowe, Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (S. 25–65), Tenfelde/Ritter, Bibliographie zur deutschen Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung (S. 39–132); Tenfelde, Die Geschichte der Arbeiter; Kocka, Klassen oder Kultur? 76 Conze, Der Weg zur Sozialgeschichte nach 1945 (1983), S. 75. 77 Im Rahmen des von der DFG geförderten Forschungsprojektes entstanden die von Conze be-

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treuten Dissertationen von Heilwig Schomerus über die »Arbeiter der Maschinenfabrik Esslingen« (1977) und von Peter Borscheid über die württembergische »Textilarbeiterschaft in der Industrialisierung« (1978). Vgl. die beiden von Conze und Ulrich Engelhardt herausgegebenen Tagungsbände »Arbeiter im Industrialisierungsprozeß« (1979) und »Arbeiterexistenz im 19. Jahrhundert« (1981). Conze, Der Weg zur Sozialgeschichte nach 1945 (1983), S. 76. Kempter, Eugen Loderer und die IG Metall, S. 394. Engelhardt, »Nur vereinigt sind wir stark«. Beitrag Conzes zur Podiumsdiskussion »Geschichte und Gewerkschaften. Bestandsaufnahmen und Perspektiven«, in: Vetter (Hg.), Aus der Geschichte lernen – die Zukunft gestalten, S. 26–30, Zitat S. 26. Kocka, Werner Conze und die Sozialgeschichte, S. 599. So bezeichnete etwa Klaus Tenfelde in seinem forschungsgeschichtlichen Resümee aus dem Jahre 1987 Conze als den »gewiß bedeutendste[n] Anreger von Arbeitergeschichte« (Die Geschichte der Arbeiter, S. 86), wobei er betonte, dass es »zuerst und vor allem die Arbeitergeschichte [war], die der neueren westdeutschen Sozialgeschichtsschreibung zu neuer argumentativer Tiefe und Fülle verholfen hat« (S. 102). Conze, Einführung (1979), S. 13. In einem 1985 gehaltenen Vortrag Gerald D. Feldmans zum Thema (Sozialgeschichte und Arbeiterbewegung) bspw. kommt Conze gar nicht mehr vor. Ausführlich zu den (netzwerk-)strategischen Aspekten Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 90–176. Chun, Das Bild der Moderne in der Nachkriegszeit, v.a. S. 119–182; dazu Wehler, Jungkonservative »Strukturgeschichte« im Zwielicht. Ritter, Gegenwärtige Lage und Zukunftsaufgaben, S. 8. Wehler, Jungkonservative »Strukturgeschichte« im Zwielicht, S. 204f; vgl. auch Kocka, Sozialgeschichte, S. 73. Conze, Hirschenhof (1934), S. 13. UAH, Rep. 101, Nr. 163, »Die deutsche Stadt im Industriesystem als historisches Forschungsproblem« (masch.-schr. Ms.), S. 1–5. Die Initiative zur Veröffentlichung ging nicht von Conze aus, sondern vom damaligen Herausgeber der GWU, Karl Dietrich Erdmann; zwischenzeitlich hatte auch Ludwig Dehio ein Interesse von Seiten der HZ bekundet; vgl. BArch, N 1393, Nr. 116 (Erdmann an Conze, 25. 2. 1952; Conze an Erdmann, 28. 5. u. 23. 6. 1952) u. Nr. 117 (Conze an Erdmann, 4. 9. 1952). Grundlegend Muller, The Other God That Failed, S. 330–390; zu Freyers Bedeutung für die westdeutsche Sozialgeschichte und Werner Conze auch ders., »Historical Social Science« and Political Myth, v.a. S. 222–229. Freyer, Weltgeschichte Europas, S. 9. Ebd., S. 10 (Vorwort zur 2. Aufl.). Muller, The Other God That Failed, S. 331. Freyer, Weltgeschichte Europas, S. 604–607. Conze, Verstehende Geschichtswissenschaft (1949). Freyer, Weltgeschichte Europas, S. 8 bzw. 559–569. Bericht über die 21. Versammlung deutscher Historiker, S. 25f.; der Vortrag erschien dann 1952 unter dem Titel »Soziologie und Geschichtswissenschaft« in der GWU; zu den organisatorischen Hintergründen siehe Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S. 281–287. Freyer, Soziologie und Geschichtswissenschaft, S. 79 u. 83f. Schieder, Zum gegenwärtigen Verhältnis von Geschichte und Soziologie, S. 30f.; vgl. den Bericht über die 21. Versammlung deutscher Historiker, S. 27f.

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Conze, Die Stellung der Sozialgeschichte in Forschung und Unterricht (1952), S. 650. Freyer, Theorie des gegenwärtigen Zeitalters, S. 79–93. Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft, S. 285. Nicht von ungefähr trug eine Rezension des 1965 von Freyer mit herausgegebenen Sammelbandes »Technik im technischen Zeitalter« den Titel »Technik heißt unser Schicksal« (Karl Korn, in: FAZ, 13. 11. 1965). Der Vortrag Freyers über das »Soziale Ganze und die Freiheit des Einzelnen unter den Bedingungen des industriellen Zeitalters« erschien ein Jahr darauf unter dem gleichen Titel in der HZ und als eigenständige Publikation; Conze würdigte die Ausführungen Freyers 1959 in der VSWG als »hervorragenden Beitrag« zur Frage nach dem »Verhältnis von Freiheit und Entfremdung des Menschen in den Wandlungen der modernen Arbeitswelt und der politischen Verfassung seit dem Beginn der technischen und gesellschaftlichen Emanzipation«; für eine Kurzzusammenfassung des Vortrags und der Diskussion in Ulm siehe den Bericht über die 23. Versammlung deutscher Historiker, S. 42–45. Aron, Die industrielle Gesellschaft, S. 8. Heidegger, Die Technik und die Kehre, Zitat S. 13. Safranski, Ein Meister aus Deutschland, S. 437. Schmitt, Land und Meer, S. 101; in seiner Nachbemerkung von 1981 zitiert er § 247 der Hegelschen Rechtsphilosophie und bezeichnet seinen eigenen Text als den »Anfang eines Versuches, diesen § 247 in ähnlicher Weise zur Entfaltung zu bringen, wie die §§ 243–246 im Marxismus zur Entfaltung gebracht worden sind«; der von ihm zitierte Satz Hegels lautet: »Wie für das Familienleben die Erde, fester Grund und Boden, Bedingung ist, so ist für die Industrie das nach außen sie belebende Element das Meer« (ebd., S. 108); weiterführend hierzu Sombart, Die deutschen Männer und ihre Feinde, S. 295–342 Ders., Die geschichtliche Struktur des heutigen Welt-Gegensatzes, S. 155. Zu Person und Werk Brunners, der von 1931 bis 1945 in Wien und nach seiner im Zuge der Entnazifizierungsmaßnahmen erfolgten dortigen Entlassung von 1954 bis 1971 in Hamburg lehrte, vgl. v.a. Oexle, Sozialgeschichte – Begriffsgeschichte – Wissenschaftsgeschichte; Melton, From Folk History to Structural History; Algazi, Otto Brunner. Brunner, Land und Herrschaft, 1. Aufl., S. 20 bzw. 155. Oexle, Sozialgeschichte – Begriffsgeschichte – Wissenschaftsgeschichte, S. 317. Brunner, Land und Herrschaft, 1. Aufl. S. 512. Ebd., S. 194. So bemerkte Brunner hierzu in einer Fußnote: »Dieser jüngst von W. Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters, 1957, geprägte Ausdruck scheint mir der brauchbarste, da er am wenigsten Mißverständnissen ausgesetzt ist. Diese sind bei Termini wie Geschichte der Volksordnung, Sozialgeschichte, Geschichte der Verfassung (im weiteren Sinn), die auch von mir bisher verwendet wurden, unvermeidlich« (ebd., 2. Aufl., S. 164). Ebd., 1. Aufl., S. 12; das »Volk« taucht im ganzen ersten Abschnitt (S. 9–21) nicht auf. Dies betont auch Koselleck, Sozialgeschichte und Begriffsgeschichte, S. 108f. Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S. 281–301; Blänkner, Nach der Volksgeschichte; Klingemann, Symbiotische Verschmelzung. Erstmals zitierte er das Werk 1957 in der Einleitung zu der von ihm herausgegebenen Quellensammlung zur deutschen Bauernbefreiung; Conze, Einführung (1957), S. 14. Ders., Otto Brunner (1982). Am Ende dieses kurzgehaltenen Nachrufs in der VSWG versprach Conze »zu gegebener Zeit eine ausführlichere Würdigung« des Brunnerschen Gesamtwerks (S. 453); hierfür wandte er sich an Otto Gerhard Oexle als einen der wenigen, »die dieser Aufgabe voll gewachsen sein würden«: »Es sollte sowohl der hohe Rang an sich selbst hervorgehoben, als auch versucht werden, Brunner forschungsgeschichtlich einzuordnen. Die Herausgeber der VSWG, besonders dringend ich selbst, würden es sehr begrüßen, wenn Sie sich

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dieser wichtigen Aufgabe unterziehen würden« (UAH, Rep. 101, Nr. 148, Conze an Oexle, 30. 5. 1983); vgl. hierzu auch Conze an Wolfgang Zorn, 27. 6. 1983, (ebd., Nr. 151); Oexles tiefgründiger Aufsatz (Sozialgeschichte – Begriffsgeschichte – Wissenschaftsgeschichte) erschien dann bereits ein Jahr später. Im Juli 1984 hatte Carl Jantke noch an Conze geschrieben, dass er des Nachts noch über Telefonat mit ihm »betr. Brunner und das Vorhaben unseres jungen mediävistischen Kollegen nachgedacht« habe. Dabei schloss er: »Hoffentlich gelingt die vorgesehene Abhandlung u[nd] wird unserem großen alten Freund gerecht« (UAH, Rep. 101, Nr. 39, 25. 7. 1984). Brunner, Sozialgeschichtliche Forschungsaufgaben; gleich einleitend hieß es da: »Ich fasse den Begriff ›Sozialgeschichte‹ hier im weiteren Sinn, als Darstellung der inneren Struktur historischer Gebilde. Es liegt an dem dualistischen Bau der ›gesellschaftlich-geschichtlichen Welt‹ (W. Dilthey), dass die Geschichtswissenschaft sowohl das Geschehen, das menschliche Handeln wie die, allerdings in verschiedenem Ausmaß, dauernden Gebilde ins Auge zu fassen hat. Mit letzteren hat es die Sozialgeschichte in unserem Sinn zu tun« (S. 335). UAH, Rep. 101, Nr. 163, »Die deutsche Stadt im Industriesystem als historisches Forschungsproblem« (masch.-schr. Ms.), S. 4, bzw. Conze, Die Stellung der Sozialgeschichte in Forschung und Unterricht (1952), S. 655. Brunner, Das Problem einer europäischen Sozialgeschichte (1954), S. 470; die Kurzzusammenfassung von Vortrag und Diskussion im Bericht über die 22. Versammlung deutscher Historiker, S. 17–21. UAH, Rep. 101, Nr. 129, »Zu Brunner«, masch.-schr. Ms., o. D. (1953). Ebd., »Das Problem einer europäischen Sozialgeschichte. Von Otto Brunner (Entwurf)«, masch.-schr. Ms., o.D. (1953), S. 2, kursiv im Original unterstrichen; an anderer Stelle fühlte er sich in seinen eigenen vergangenen Ansätzen bestärkt, wenn Brunner schrieb: »In den letzten Jahrzehnten hat sich eine sehr intensive Forschung der Siedlungs- und Agrargeschichte zugewendet. Mir scheint, dass diese Resultate nicht immer in das allgemeine Geschichtsbild voll aufgenommen worden sind.« Conze kommentierte dies kurz und bündig mit »Gut!« (S. 10). In den veröffentlichten Fassungen des Vortrags war zwischen die beiden Sätze noch der folgende eingefügt: »Dabei wurde der ältere Begriff der Wirtschaftsgeschichte durchbrochen und eine allseitige Sozialgeschichte des flachen Landes entwickelt«; Brunner, Das Problem der europäischen Sozialgeschichte (1954), S. 482, sowie ebd. (1956), S. 20. Brunner, Das Problem einer europäischen Sozialgeschichte (1956), S. 9. Eigenartigerweise fehlt in der kaum veränderten Neufassung ausgerechnet die Passage, an der Brunner zuvor im Zusammenhang mit der Hufenverfassung Werner Conzes Habilitationsarbeit gewürdigt hatte; vgl. ebd. (1954), S. 482f.: »In höchst instruktiver Weise hat Werner Conze gezeigt, wie dieser ganze Komplex, der europäische Typ der Agrarverfassung, in einer späten Gestalt auf die anders strukturierten, Europa nur politisch angegliederten Landschaften Litauen und Weißrußland einwirkte. Hier tritt der Unterschied sehr deutlich zutage.« In Conzes Arbeit war freilich bezeichnenderweise von einem spezifisch deutschen, nicht »europäischen Typ der Agrarverfassung« die Rede. Doch war auch er in Bremen auf den diskursiven Zug nach ›Europa‹ aufgesprungen; vgl. den Bericht über die 22. Versammlung deutscher Historiker, S. 19, wo es heißt: »W. Conze (Münster) hob die Bedeutung des Strukturwandels in der Agrarverfassung im Frankenreich des 7. und 8. Jahrhunderts hervor. Die neue fränkische Hufenordnung bedeutete eine Europäisierung des Bauerntums im Sinne einer Rationalisierung, die freilich nicht ganz Europa gleichmäßig durchdrang. So ist Rußland in seiner Agrarverfassung nicht europäisiert worden.« UAH, Rep. 101, Nr. 129, Sonderdruck aus der HZ 177 (1954). Conze, Rez. zu: Brunner, Neue Wege der Sozialgeschichte (1958), S. 251. Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 89. Burke, Offene Geschichte, S. 9; Raphael, Die Erben von Bloch und Febvre.

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Braudel, Die Suche nach einer Sprache der Geschichte, S. 10. Ebd., S. 9–13. Raphael, Die Erben von Bloch und Febvre, S. 111–116. Braudel, Die Suche nach einer Sprache der Geschichte, S. 14. Ders., La Méditerranée, S. 721; da die deutsche Übersetzung aus dem Jahre 1990 auf der vierten, an vielen hier entscheidenden Stellen veränderten Auflage von 1979 beruht, wird hier und im Folgenden – sofern nicht anders vermerkt – aus der französischen Erstauflage zitiert. Ebd., S. XIIIf. (kursiv im Orig.). Ebd. Burke, Offene Geschichte, S. 45; vgl. auch Groh, Die französische Strukturgeschichte, wo Braudels Ansatz als »Projektion des Sachzwangs in die Geschichte« bezeichnet wird (S. 142). Conze, Rez. zu Braudel, La Méditerranée (1951), S. 358. Schöttler, Zur Geschichte der Annales-Rezeption, S. 43; der Autor betont hierbei, dass Conzes »Hinweis« insgesamt »weitgehend folgenlos« geblieben sei: »Die konservative Historikermehrheit war an ›revolutionären‹ Gedanken, wie sie Braudel selbstbewusst ankündigte, nicht interessiert.« Vgl. auch Raphael, Die Erben von Bloch und Febvre, S. 485–497. Wehler irrt erheblich, wenn er davon spricht, dass Conze »keine Ahnung von Braudel« gehabt und ihn »überhaupt nicht« aufgegriffen habe (Eine lebhafte Kampfsituation, S. 72) Schmitt, Land und Meer, S. 7. Conze, Rez. zu Braudel, La Méditerranée (1951), S. 358f. Ders., Die Stellung der Sozialgeschichte in Forschung und Unterricht (1952), S. 656. Auch in seinem Dortmunder Vortrag von 1951 schrieb Conze gleich einleitend vom »Blickpunkt der ›Histoire des structures‹ (Braudel)« und verwies in der ersten Fußnote zur Begriffsklärung auf ›La Méditerranée‹, wenn auch bezeichnenderweise ohne Seitenangabe; vgl. UAH, Rep. 101, Nr. 163, »Die deutsche Stadt im Industriesystem als historisches Forschungsproblem« (masch.-schr. Ms.), S. 1. Braudel, La Méditerranée, S. XIII; die Bezugnahme auf die ›Strukturgeschichte‹ des Historikers Roupnel verschwand dann in der zweiten Auflage des Buches, in der das ursprüngliche Vorwort von 1946 erneut, wenn auch verändert abgedruckt wurde (ebd., 2. Aufl., Bd. 1, S. 16). Auf die Unebenheiten des Braudelschen Begriffs von ›Strukturgeschichte‹ verweist bereits Groh, Die französische Strukturgeschichte, S. 132–138. In dem der vermeintlichen »Strukturgeschichte« gewidmeten zweiten Teil der Arbeit, der den Titel »Destins collectifs et mouvements d’ensemble« trägt, heisst es einleitend: »Histoire sociale, dirions-nous volontiers, de cette seconde partie de notre enquête, histoire des groupes, des structures, des destins collectifs, en un mot, des mouvements d’ensemble« (Braudel, La Méditerranée, S. 307); von »histoire des structures« als solcher ist lediglich noch einmal im Quellenverzeichnis die Rede (S. 1126). Burke schreibt in seinem Glossar über den Begriff ›Structure‹: »Febvre verwendete diesen Begriff gelegentlich, allerdings nicht ohne ein gewisses Mißtrauen. Braudel verwendete ihn nur sparsam in La Méditerranée, dessen ›Struktur‹-Abschnitte er als ›le part du milieu‹ bezeichnet und als ›destins collectifs‹« (Offene Geschichte, S. 117, kursiv im Orig.). Conze, Rez. zu Braudel, La Méditerranée (1951), S. 362. UAH, Rep. 101, Nr. 96, Ritter an Conze, 1. 12. 1952; dabei bemerkte Ritter unter Hinweis auf die »methodologische Diskussion in den ›Annales‹ (L. Febvre, Morazé, Braudel usw.)«, dass die »französische Diskussion zwischen Soziologie und politischer Geschichte bisher einen sehr unglücklichen Verlauf genommen« habe; zum »›Feldzug‹ Ritters gegen die Annales« Cornelißen, Gerhard Ritter, S. 476–483. UAH, Rep. 101, Nr. 96, Ritter an Conze, 20. 11. 1952. Vgl. das umfangreiche Material in ebd., Nr. 48, 83 u. 96, sowie Acc. 54/02, Ordner Nr. 42. UAH, Rep. 101, Nr. 96, Aubin an Conze vom 2. 4. 1955.

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157 Die beiden Historiker begegneten sich erstmals im Frühjahr 1955 in Paris. Im Anschluss an seine Reise berichtete Conze Theodor Schieder: »Unter den persönlichen Bekanntschaften besonders Braudel sehr erfreulich. Er ist beeindruckt von O. Brunners Arbeiten, in denen er eine verwandte Linie sieht und die er für grundlegend weiterführend hält. Er war übrigens über 4 Jahre in Gefangenschaft bei Lübeck« (BArch, N 1188, Nr. 3004, 7. 4. 1955). Wahrscheinlich erhielt Conze dabei auch den Anstoß für seine Rezension der 1953 erschienenen Festschrift für Lucien Febvre, die 1956 in der HZ abgedruckt wurde. Hier würdigte er ausdrücklich das Vorwort Braudels, das vor allem in einem Punkt »deutsche Leser besonders« angehe: »Bittere Erfahrungen aus dem Erlebnis der deutschen Okkupation wie der Gefangenschaft, die Braudel bei Lübeck durchmachte, aber auch aus der schmerzlichen Erinnerung an die moralische Haltung des französischen Volkes werden unverschleiert angesprochen«; Conze, Rez. zu Hommage à Lucien Febvre (1956), S. 596. Ton und Inhalt der im Nachlass Conzes überlieferten Briefe Braudels zwischen 1956 und 1973 deuten auf eine herzliche Beziehung hin, in die auch die Familien der beiden Historiker miteinbezogen waren. Braudel richtete sich dabei an Conze als »Cher Werner« oder »Cher ami«; UAH, Rep. 101, Nr. 96 (1. 2. 1956), Nr. 152 (8. 9. 1958), Nr. 91 (13. 11. 1972 u. 14. 6. 1973). 158 Ebd., Nr. 96, Conze an Denise Fauvel-Rouif, 27. 6. 1954. 159 Der am 19. September 1956 gehaltene Vortrag erschien 1957 als eigenständige Publikation in der Veröffentlichungsreihe der Arbeitsgemeinschaft, aus der 1970 die Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften hervorgehen sollte. 160 Zwar nahm Conze den Ruf nach Heidelberg erst einen Monat später an, doch war schon zu diesem Zeitpunkt klar, dass man ihm sowohl dort als auch in Münster/Dortmund ein eigenes sozialgeschichtliches Forschungsinstitut zur Verfügung stellen würde. 161 Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters (1957), S. 6. 162 Im Vorfeld hatte Conze sich auf 24 unterschiedlich großen und dicht beschriebenen Zetteln handschr. Exzerpte aus dem entsprechenden Vortrag und zwei weiteren der späten historischen Betrachtungen Huizingas (Im Bann der Geschichte, S. 3–128) gemacht. Mit Ausrufezeichen und doppelter Anstreichung hob er dabei die folgende Stelle hervor: »Die moderne Wissenschaft drängt nun einmal das Denken immer mehr in den Winkel der quantitativen, nur in der Zahl ausdrückbaren Wertung aller Verhältnisse, und in dieser Verschiebung lauern große Gefahren« (UAH, Rep. 101, Nr. 130). 163 Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters (1957), S. 6f. 164 Ebd., S. 10–16; zum Kontext der ›Drei-Stadien-Lehre‹ Hansen, Neolithische und industrielle Revolution. 165 Dabei war allerdings auch Conze bereits bewusst, dass Braudel und mit ihm die französische Strukturgeschichte überhaupt »an der Schwelle der modernen Revolutionen wie vor einer unsichtbaren Wand stehen« blieben und insofern gerade den Wandel von der alteuropäischen zur modernen Welt nicht thematisieren konnten (Groh, Die französische Strukturgeschichte, S. 138). 166 Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters (1957), S. 17f. 167 W. Schieder, Sozialgeschichte zwischen Soziologie und Geschichte, S. 250. 168 Kocka, Sozialgeschichte, S. 70; ders., Sozialgeschichte zwischen Strukturgeschichte und Erfahrungsgeschichte, S. 70. 169 Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters (1957), S. 21f. 170 Dies galt auch für die veröffentlichte Fassung, die etwa von Friedrich Lütge in der HZ als »eine besinnliche und auch insofern gute Schrift« gewürdigt wurde (Rez. zu Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters, S. 243). 171 Vgl. die Diskussion in Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters (1957), S. 29–43, hier S. 36; Conze beteuerte in Übereinstimmung mit Ritter, dass die Aufgabe des Historikers »gerade das Aufsuchen der Geschichte in der ›Geschichtslosigkeit‹« sein

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müsse und formulierte daraufhin noch einmal abschließend sein Hauptanliegen, »die Lücke zu schließen zwischen einer Sozialwissenschaft ohne historische Tiefe und einer Geschichtswissenschaft ohne soziologischen Gegenwartsbezug« (S. 42f.). Ebd., S. 30. UAH, Rep. 101, Nr. 119, Grundmann an Conze, 5. 4. 1957. Ebd., Wittram an Conze, 13. 3. 1957, Nachtrag vom 16. 3. 1957. BArch, N 1226, Nr. 58, Conze an Wittram, 18. 4. 1957. Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters (1957), S. 24–27. Vgl. UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 20, Conze an das baden-württembergische Kultusministerium, 26. 11. 1958; hier betonte er, dass die Erweiterung und Umbenennung des Instituts »auch mit den Herren Direktoren des [an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät angesiedelten, Verf.] Alfred-Weber-Instituts besprochen [wurde], die diese institutionelle Konzentration bisher unverbundener Tätigkeiten begrüßten und darauf hinwiesen, dass eine so geartete Zusammenfassung sowie eine so enge Beziehung von historischen und systematischen Sozialund Wirtschaftswissenschaft bisher nur an wenigen deutschen Universitäten bestünde«. Formal wurde das Institut erst 2004 mit der Emeritierung von Conzes Nachfolger Volker Sellin aufgelöst. Im Sommer 1958 klagte Conze noch darüber, dass »eins der beiden Zimmer nicht beheizt ist« und »eine wirklich ungestörte Arbeit […] in der Enge von 1 oder 2 Zimmern mit bisher insgesamt 6 Arbeitsplätzen nicht immer möglich [war], zumal die Institutssekretärin ihre Verwaltungsaufgaben und Schreibarbeiten im selben Zimmer erledigen musste« (ebd., S. 2) Ebd., Nr. 40, Tätigkeitsbericht des ISWG für den Zeitraum 1957–1963, Frühjahr 1964; räumlich schlug sich die Expansion in dem Umzug in eine etwas außerhalb des Stadtzentrums gelegene ehemalige Tabakfabrik nieder, wo das Institut bereits 1959 insgesamt zehn Räume erhielt und damit – wie Conze mit Bedacht schrieb – »fürs erste aller Raumsorgen ledig« war. Ebd.; bei letzterem stand ihm seit 1961 der frankophone und -phile Dieter Groh als Assistent zu Seite (S. 9). So hielt sich im Juni 1959 Fernand Braudel für mehrere Tage in Heidelberg auf und sprach über »Lebensstandards und globale Wirtschaft im 16. und 17. Jahrhundert« sowie über »Geschichte und Sozialwissenschaften« (ebd., Nr. 20, Rektorat an die Universitätskasse, 18. 6. 1959). Ebd., Nr. 40, Tätigkeitsbericht des ISWG für den Zeitraum 1957–1963, Frühjahr 1964, S. 9. Demnächst erscheint eine ausführliche Geschichte des Arbeitskreises von Ulrich Engelhardt unter systematischer Auswertung der vorhandenen Akten, der hier nicht vorgegriffen werden soll. Bis dahin Conze, Die Gründung des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte (1979); Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S. 254–265; Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 157–160. Conze an Carl Jantke, 31. 10. 1956; zit. nach Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S. 258. Neben Conze wurde diese von den altbekannten Carl Jantke, Otto Brunner, Gunther Ipsen und Theodor Schieder sowie dem Göttinger Historiker Richard Nürnberger, dem Kölner Wirtschaftshistoriker Ludwig Beutin und dem Erlanger Soziologen Georg Weippert gebildet. UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 40, Tätigkeitsbericht des ISWG für den Zeitraum 1957–1963, Frühjahr 1964, S. 6. Engelhardt, Konzepte der »Sozialgeschichte«; dort auch ein vollständiges Mitgliederverzeichnis. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. XXIII. Dabei lobten sie die »sehr fruchtbare Zusammenarbeit auf der Basis wechselseitiger materieller, technischer und personeller Unterstützung und Ergänzung« (UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 40, Tätigkeitsbericht des ISWG für den Zeitraum 1957–1963, Frühjahr 1964, S. 9).

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191 Vgl. die Korrespondenzen mit dem Klett Verlag ab 1960 in ebd., Nr. 30. 192 Koselleck, Preußen zwischen Reform und Revolution; im Vorwort zur ersten Auflage dankte er sowohl Conze »für die Anregung und die anhaltende Förderung« der Arbeit als auch dem Arbeitskreis, ohne dessen Hilfe sie nicht zustande gekommen wäre (S. 7). 193 Ebd., S. 13 bzw. 19. 194 UAH, Rep. 101, Nr. 99, »Betr. Laudatio Koselleck« (zum Reuchlin-Preis der Stadt Pforzheim, handschr., o.D. [1974]). 195 Koselleck, Darstellung, Ereignis und Struktur, S. 146. 196 Ders., Über die Theoriebedürftigkeit der Geschichtswissenschaft, S. 305; dass die menschlichen Denkprozesse auch außerhalb der Historie weitgehend metaphorisch ablaufen, ist nachzulesen bei Lakoff/Johnson, Leben in Metaphern. 197 Welskopp, Strukturgeschichte, S. 270–272: »Die Anfänge einer Sozialgeschichte der Arbeiterschaft, der historischen Urbanisierungsforschung, der Unternehmensgeschichte, der Regionalgeschichte und der Begriffsgeschichte sind eigentlich Teileinlösungen des strukturgeschichtlichen Programms.« 198 1966 gab er den Begriff in Rückübersetzung an dessen vermeintlichen Urheber, Fernand Braudel, zurück; Conze, Sozialgeschichte (1966), S. 91. Dieter Groh zufolge meinte Conze 1971 in einem Heidelberger Seminar, »dass seine damalige Wortprägung Strukturgeschichte, die Sozialgeschichte und politische Geschichte vereinen sollte, von heute aus gesehen eine ›unglückliche‹ Übersetzung von ›histoire des structures‹ oder ›histoire structurelle‹« darstelle (Groh, Strukturgeschichte als »totale« Geschichte? S. 301f.). 1983 schrieb Conze, dass er sich »in distanzierter Anlehnung an Braudel des Begriffs ›Strukturgeschichte‹« bedient habe, ohne sich »der theoretischen Implikationen eines damals noch nicht sichtbaren ›Strukturalismus‹ bewusst gewesen zu sein« (Der Weg zur Sozialgeschichte nach 1945, S. 74). 199 Steinmetz, Nachruf auf Reinhart Koselleck, S. 422–427; Dipper, Die »Geschichtlichen Grundbegriffe«, S. 298–300. 200 So der Titel der Nachricht vom Tode Kosellecks in: RNZ, 07. 02. 2006. 201 Koselleck, Begriffsgeschichte und Sozialgeschichte, S. 108; vgl. auch ders., Sozialgeschichte und Begriffsgeschichte. 202 Zum begriffsgeschichtlichen Wert des Werks siehe Koselleck, Begriffsgeschichtliche Probleme der Verfassungsgeschichtsschreibung, S. 12–16. 203 Brunner, Land und Herrschaft (1939), S. 512; dazu Algazi, Otto Brunner, S. 171–175. 204 Brunner, Bemerkungen zu den Begriffen »Herrschaft« und »Legitimität«, S. 65. 205 Oexle, Sozialgeschichte – Begriffsgeschichte – Wissenschaftsgeschichte, S. 337; erhellend sind dabei Oexles Ausführungen zum Historismus-Begriff und dessen Verengung auf das Individualitätsprinzip durch Friedrich Meinecke, die nach 1945 fortwirkte (S. 337–341). Vgl. auch Melton, Brunner and the Ideological Origins of Begriffsgeschichte, S. 30–33. 206 Dipper/Koselleck, Begriffsgeschichte, S. 188; in seiner Programmschrift aus dem Jahre 1967 hatte er von einem »soliden Historismus« gesprochen (Koselleck, Richtlinien für das ›Lexikon politisch-sozialer Begriffe der Neuzeit‹, S. 91). 207 Brunner, Bemerkungen zu den Begriffen »Herrschaft« und »Legitimität«, S. 68; siehe auch ders., Die alteuropäische »Ökonomik«; »Feudalismus«. 208 Conze, Otto Brunner (1982), S. 452. 209 Ders., Vom »Pöbel zum Proletariat« (1954), S. 222. 210 So Koselleck in Dipper/Koselleck, Begriffsgeschichte, S. 188. 211 Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters (1957), S. 19f. Daran, dass er diesen Befund am Beispiel des Bedeutungswandel des Begriffs ›Ökonomie‹ deutlich machte, zeigt sich der Einfluss Brunners, dessen Aufsatz zur ›alteuropäischen »Ökonomik«‹ von 1950 er einige Seiten zuvor zitiert hatte (S. 8). Ganz im Geiste Brunners war auch seine

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Mahnung, »soweit wie möglich quellennah zu arbeiten, […] die Begriffe aus den Quellen zu entwickeln oder zu präzisieren und stets die allgemeinen Probleme in der jeweiligen historischen Situation zur konkreten Anschauung zu bringen« (S. 21). Dipper/Koselleck, Begriffsgeschichte, S. 187. Rothacker, Geleitwort, S. 8. Aus diesem Kontext ging auch das seit 1971 von Joachim Ritter herausgegebene »Historische Wörterbuch der Philosophie« hervor. Die Verflechtung dieses philosophiegeschichtlichen Projekts mit dem geschichtswissenschaftlichen Projekt der »Geschichtlichen Grundbegriffe« wäre ein Thema für sich; vgl. Meier, Begriffsgeschichte. Koselleck in Dipper/Koselleck, Begriffsgeschichte, S. 187. UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 20, Bericht über die Tätigkeit im Institut für Sozialgeschichte der Gegenwart im Rechnungsjahr 1957, 20. 6. 1958, S. 4. Dipper, Die »Geschichtlichen Grundbegriffe«, S. 287. UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 40, Tätigkeitsbericht des ISWG für den Zeitraum 1957–1963, Frühjahr 1964, S. 13. So stand bereits 1964 fest, dass »der Mittelbedarf für wissenschaftliche Hilfskräfte aus dem laufenden Etat des Arbeitskreises nicht mehr gedeckt werden« konnte. Auch Versuche, »durch Stiftungen der Industrie die erforderlichen Sondermittel zu erhalten« (ebd., Tätigkeitsbericht des ISWG für das Jahr 1964, Frühjahr 1965, S. 2), schlugen offensichtlich fehl. Am Ende wurde die Redaktion von der DFG finanziell soweit ausgestattet, »dass der große Arbeitsaufwand einigermaßen bewältigt werden konnte« (Brunner/Conze/Koselleck, Vorwort). UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 30, Conze an Adolf Dieckmann (Klett Verlag), 24. 9. 1964. Ebd., Conze an Dieckmann, 7. 11. 1967. Der reguläre siebte Band erschien 1992, doch sind die beiden sich daran anschließenden Registerbände als integraler Bestandteil anzusehen; Koselleck, Vorwort (1992), S. VIII. Koselleck, Richtlinien für das Lexikon politisch-sozialer Begriffe, S. 81f.; vgl. auch ders., Einleitung, S. XIVf.; hier verwies er deutlicher als in den »Richtlinien« auf seine Annahme des »seit rund 1750 […] beschleunigten Erfahrungswandels«, demzufolge die »Neuzeit« auch als eine »neue Zeit« erfahren worden sei (S. XV). Ders. in Dipper/Koselleck, Begriffsgeschichte, S. 195. Die »Sattelzeit« deckt sich mit der von Conze in seinen beiden großen Aufsätzen der späten fünfziger Jahre (Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters [1957]; Staat und Gesellschaft in der frührevolutionären Epoche Deutschlands [1958]) als fundamentale historische Umbruchzeit abgedeckten Epoche. Koselleck, Einleitung, S. XX. Dipper, Die »Geschichtlichen Grundbegriffe«, S. 296; dieser Befund wurde zuvor von Koselleck bestätigt: »Die sozialgeschichtliche Hilfestellung der Begriffsgeschichte war natürlich im ›Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte‹ das primäre Argument, um dort Zustimmung zu finden. […] Insofern ist diese dienende Funktion Teil des Arbeitskreiskonzeptes, das die Finanzierung ermöglicht hat« (Dipper/Koselleck, Begriffsgeschichte, S. 189). W. Schieder, Sozialgeschichte zwischen Soziologie und Geschichte, S. 259. Daneben hatte er die beiden letzten Abschnitte des Artikels »Demokratie« verfasst, an dem außer ihm noch Koselleck, Hans Maier und Christian Meier beteiligt waren. Letzterer hatte auch Teile des »Adel«-Artikels geschrieben. Mitautoren des Artikels »Stand, Klasse’« (1990) waren Otto Gerhard Oexle und Rudolf Walther. W. Schieder, Sozialgeschichte zwischen Soziologie und Geschichte, S. 259. Conze, Bauer, Bauernstand, Bauerntum (1972), S. 438f. Ders., Mittelstand (1978), S. 91. Ders., Möglichkeiten und Grenzen der liberalen Arbeiterbewegung (1965), S. 19. Conze, Mittelstand (1978), S. 92.

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235 Dipper, Die »Geschichtlichen Grundbegriffe«, S. 295; während Conze noch 1980 als Mitautor für den Artikel »Volk, Masse, Nation« eingeplant war (vgl. UAH, Rep. 101, Nr. 2, Planungsliste der Redaktion für den Band 6, Stand 1. Oktober 1980), übernahmen er und seine damalige Mitarbeiterin Antje Sommer den Artikel »Rasse« allerdings erst, nachdem der ursprünglich dafür vorgesehene Autor ausgefallen war (vgl. ebd., Planungsliste der Redaktion für den Band 5, Stand Januar 1979). 236 Koselleck, Einleitung, S. XIX. 237 Schon zuvor war seine Anwesenheit in Heidelberg durch eine kurzzeitige Professur an der ebenfalls neugegründeten Universität Bochum unterbrochen worden. 238 UAH, Rep. 101, Nr. 154, Koselleck an Conze, 24. 8. 1974. 239 Berding, Begriffsgeschichte und Sozialgeschichte, S. 98f. 240 Ebd., S. 108. 241 UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 11, Conze an Helmut Berding, 4. 10. 1976. 242 Berding, Begriffsgeschichte und Sozialgeschichte, S. 110. 243 UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 11, Conze an Helmut Berding, 4. 10. 1976. 244 Sheehan, Begriffsgeschichte: Theory and Practice, S. 319. 245 UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 12, Conze an James J. Sheehan, 20. 10. 1977; Conze war von der Rezension Sheehans so angetan, dass er ihm mitteilte: »Reinhart Koselleck und ich wollen Ihre Rezension allen Autoren der noch ausstehenden Artikel des Lexikons zusenden. Das könnte eine Hilfe sein.« 246 Vgl. Dutt, Herausforderungen an die Begriffsgeschichte, und den darin enthaltenen Beitrag Kosellecks (Die Geschichte der Begriffe und Begriffe der Geschichte), sowie Bödeker, Begriffsgeschichte; in seinem Beitrag zu letzterem Band sprach Koselleck von der »theoretischen Zwangsjacke«, zu der sich das Lexikon und dessen theoretische und methodologische Voraussetzungen für ihn inzwischen entwickelt hätten (Hinweise auf die temporalen Strukturen, S. 31). 247 Stürmer, Begriffsgeschichte oder der Abschied von der schönen neuen Welt. 248 UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 13, Conze an Michael Stürmer, 21. 3. 78 249 Ebd. Mit dem »verlorene[n] ›Glück‹« bezog er sich auf die kritische Anmerkung, dass der Begriff »Glückseligkeit« in den »Geschichtlichen Grundbegriffen« nicht hätte fehlen dürfen (Stürmer, Begriffsgeschichte oder der Abschied von der schönen neuen Welt, S. 279). Zuvor hatte Conze in seinem Brief an Stürmer geschrieben, dass er sich selbst für die Aufnahme dieses Begriffes eingesetzt habe (»Doch versagte leider der Autor vollständig, und es war dann nicht mehr möglich, einen Ersatz zu finden«). 250 Koselleck, Vorwort (1989), S. V. 251 Ders., Vorwort (1992), S. V. 252 Gustav Seibt, Die Begriffe führen das Volk. Die Leitworte der Geschichte sind die Welle selbst, in: FAZ, 30. 3. 1993 (Rez. zum 7. Band [Verw – Z] der »Geschichtlichen Grundbegriffe«). 253 Koselleck, Werner Conze, S. 535. 254 Conze, Sozialgeschichte in der Erweiterung (1974), S. 501. 255 UAH, AAKMS, Korrespondenzordner 7, lf. S. 193, Conze an Jürgen Kocka, 22. 1. 1986. 256 Kocka, Sozialgeschichte im Zeitalter der Globalisierung, S. 305. 257 Zit. n. ders., Sozialgeschichte in Deutschland seit 1945, S. 3. 258 UAH, Rep. 101, Nr. 26, »Dem frechen Angriff entschieden begegnen. Zur Auseinandersetzung am Historischen Seminar« (Info Nr. 138, 24. 10. 1972, hg. v. AStA Uni und AStA PH). 259 Ebd., »Conze und die Geschichte der Arbeiterbewegung. Die Entwicklung der Sozialgeschichte-Konzeption als ideologische Unterstützung der Rekonstruktion des deutschen Imperialismus« (Rote Historikerzeitung, Nr. 1, 21. 11. 1971, hg. v. d. IG Geschichte, S. 3–12). 260 Nolte, Die Historiker der Bundesrepublik. 261 Kocka, Historische Sozialwissenschaft, S. 164f.; ders., Historische Sozialwissenschaft heute; eine kritische Würdigung bei Welskopp, Die Sozialgeschichte der Väter.

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262 Ritter, Neuere Sozialgeschichte in der Bundesrepublik, S. 39–51. 263 Jung, Zur Psychologie östlicher Meditation, S. 145. 264 Vgl. Wehler in Hohls/Jarausch, Versäumte Fragen, Zitate S. 250 bzw. 258. Lebensgeschichtliche Einsichten bei Wehler, Eine lebhafte Kampfsituation. 265 Ritter, Neuere Sozialgeschichte in der Bundesrepublik, S. 36f.; zu Leben und Wirken Rosenbergs ders. in: Meinecke, Akademischer Lehrer und emigrierte Schüler, S. 69–81. 266 Rosenberg, Große Depression und Bismarckzeit, S. VII. 267 Wehler, Einleitung (1965), S. 27. 268 Ders., Bismarck und der Imperialismus, S. 15. 269 Ders., Einleitung (1966), S. 15. 270 Conze, Sozialgeschichte (1966), S. 19 (ebd. auch das Zitat aus einer Anm. Wehlers); der zweite Beitrag war sein zwölf Jahre zuvor erschienener Aufsatz »Vom ›Pöbel‹ zum ›Proletariat‹; die Definition Conzes stammte aus seinem Wörterbuchartikel »Sozialgeschichte« (1962). 271 Wehler, Bismarck und der Imperialismus, S. 13f. 272 UAH, Rep. 101, Nr. 82, Conze an Hans Albert, 30. 4. 1968; knapp zwei Wochen zuvor hatte Conze Albert geschrieben, dass es in seinem Doktorandenkolloquium um »methodologische Fragen« gehe, »die die Geschichtswissenschaft im Rahmen der modernen Sozialwissenschaft angehen« (ebd., 18. 4. 1968). 273 UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 8, Wehler an Conze, 26. 5. 1970. 274 Ebd., Conze an Wehler, 15. 5. 1970. 275 Dazu Conze: »Schade ist es aber doch, nicht nur für die Heidelberger Studenten und für mich, sondern auch ein wenig für Sie selbst. Wollen wir versuchen, trotzdem ein wenig intensiver in Verbindung zu bleiben bzw. zu kommen […]«; ebd., Conze an Wehler, 23. 6. 1970; vgl. ebd. Wehler an Conze, 18. 6. 1970. 276 Westfälische Zeitung, 1. 4. 1966 (»Entscheidung gefallen: Auf dem Johannisberg. Philip Johnson baut Rudolf-August-Oetker-Universität«). 277 Zur zeitgenössischen Einordnung: »Dusche für den Geist«, in: Der Spiegel, 1. 12. 1965. 278 Im Dezember 1965 trat Schelsky vom Vorsitz des Gründungsausschusses der Universität zurück, nachdem Konkurrenten des Standorts Bielefeld aus dem Umfeld der Paderborner CDU Zitate aus seiner 1934 erschienenen Schrift »Sozialistische Lebenshaltung« publik gemacht hatten. Der damals 21jährige hatte dort u.a. erklärt: »Wahrer Sozialismus ist es, Leute, die für das Volk ihre Leistung nicht erfüllen oder es gar schädigen, auszuschalten oder sie sogar zu vernichten …«; zit. n. Der Spiegel, 8. 12. 1965 (»Schelsky: Perplex an der Pader«); vgl. auch Handelsblatt, 3./4. 12. 1965 (»Schelskys Werk ist kaum gefährdet. Zum Rücktritt des Soziologen und seinen Konsequenzen«). Ab März 1966 nahm Schelsky seine Tätigkeit jedoch wieder auf (vgl. Walter Vitt, Daten auf dem Wege zur Gründung, in: Mitteilungen der Westfälischen Universitätsgesellschaft, Heft 1, Okt. 1966). Zuvor hatten Conze und Hermann Lübbe in einem »Votum« ihre weitere Mitarbeit ohne Schelsky ausgeschlossen (UAH, Rep. 101, Nr. 18, »Votum« sowie »Information über die Publikationen Helmut Schelskys 1934–1940« von Conze und Lübbe, o.D.). 279 UAH, Rep. 101, Nr. 18, Schelsky/ Dokument X (17. VIII. 65), »Grundzüge einer neuen Universität (2. Fassung)«, S. 1f.; vgl. auch Fritz Heerwagen, Reformidee bestimmt den Aufbau. Ein »Handelsblatt«-Gespräch mit Professor Schelsky, in: Handelsblatt, 26./27. 11. 1965. 280 Weiter führte er aus: »Ich würde an dieser neuen Stelle noch gerade rechtzeitig nicht nur mehr Zeit für meine allzu lange verschleppten Forschungspläne finden, sondern auch Voraussetzungen für diejenige Art moderner Forschung (Akademie moderner Art!) erfahren, wie ich sie für lohnend erachte. Es treibt mich also nicht nur der ›egoistische‹ Grund, […], sondern auch die Lockung, an Kommunikation und Organisation teilzuhaben, und zwar in einer fördernden, nicht erdrückenden Weise« (UAH, Rep. 101, Nr. 18, Conze an Paul Mikat, 14. 10. 1965); ebd. auch die Briefe Schelskys (29. 6. 1965) und Mikats (30. 9. 1965) an Conze. Im Oktober

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1966 entschloss er sich, aufgrund der langwierigen Planungsphase »auf ein Hinüberwechseln zu verzichten«, und erklärte seinen Austritt aus dem Gründungsausschuss (ebd., Conze an Mikat, 14. 10. 1966). Ritter, Neuere Sozialgeschichte in der Bundesrepublik, S. 39. Vgl. Kocka in Hohls/Jarausch, Versäumte Fragen, S. 383–387; zur Bedeutung Berlins als »Hauptort« der Sozialgeschichte ders., Wandlungen der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Kocka nennt dabei außer sich selbst Hans-Jürgen Puhle, Karin Hausen, Hartmut Kaelble, Wilhelm Bleek, Klaus Tenfelde, Marie-Luise Recker und Rüdiger vom Bruch (Sozialgeschichte in Deutschland seit 1945, S. 14). Ders. in Hohls/Jarausch, Versäumte Fragen, S. 388–391. So der Untertitel von Kocka, Unternehmensverwaltung und Angestelltenschaft. Blasius, Rez. zu Kocka, Unternehmensverwaltung und Angestelltenschaft, S. 611. Kocka, Unternehmensverwaltung und Angestelltenschaft, S. 5. UAH, Acc. 54/02, Nr. 9, Conze an Kocka, 2. 5. 1972. UAH, AAKMS, Korrespondenzordner Nr. 5, S. 227, Conze an Kocka, 4. 3. 1973. Ebd., S. 228, Kocka an Conze, 11. 4. 1973. Kocka, Theorieprobleme der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S. 307–310 u. S. 326. UAH, AAKMS, Korrespondenzordner Nr. 5, S. 227, Conze an Kocka, 4. 3. 1973. Kocka selbst zeigte hier, dass sich die an sein klassengesellschaftliches Modell geknüpften »Erwartungen und Hypothesen nur zum Teil […], nicht aber z.B. hinsichtlich der Umsetzung von Klassenspannungen in Klassenkonflikte und auch nicht hinsichtlich des Verhältnisses von Gesellschaft und Staat«, bestätigt hätten (Klassengesellschaft im Krieg, S. 140). Conze versah diese Passage in seinem Rezensionsexemplar (im Besitz des Verf., Geschenk von Albrecht Conze) mit drei Ausrufezeichen und notierte sich daneben: »Also im Entscheidenden nicht!«. Dennoch war sein publiziertes Resümee im Endeffekt positiv: »Das Buch bringt einen hohen Gewinn für die Forschung. Das Modell-Experiment – cui bono? – hat jedoch ein negatives Ergebnis gehabt. Daraus sollten keine falschen Folgerungen gezogen werden. Es wäre schlecht, wenn Kockas ›Ausprobieren‹ eine abschreckende, nicht aber eine ermunternde Wirkung haben würde. Und schließlich: selten berichtigt ein Autor seine eigenen Erwartungen, seine VorEingenommenheit, vielleicht gar den unsterblichen ›Historischen Optativ‹ (S. Kaehler) so aufrichtig und einsichtig, wie Kocka es in seinem Buch getan hat. Allein dies verleiht der Lektüre einen hohen Reiz« (Sozialgeschichte in der Erweiterung [1974], S. 507f.). Wehler, Vorwort (1974), S. 9, 18 u. 21. In einer Kurzfassung der Rezension ein Jahr darauf in der HZ bemerkte Conze, dass Rosenbergs »eindrucksvolles, zum historisch-politischen Nachdenken zwingendes Lebenswerk« »bedeutend« sei und »für sich selbst« stehe (Rez. zu Wehler, Sozialgeschichte heute [1976], S. 373). Bereits acht Jahre zuvor hatte er dessen Buch »Große Depression und Bismarckzeit« im Economic History Review eine derart lobende Kurzbesprechung gewidmet (Rez. zu Rosenberg, Große Depression und Bismarckzeit [1968]), dass Rosenberg selbst sich »erstaunt darüber« zeigte, dass »ein so konservativer Historiker wie Conze ungewöhnlich positiv auf meine Große Depression reagiert hat« (Rosenberg an Gerhard A. Ritter, 8. 3. 1969, zit. n. Meinecke, Akademischer Lehrer und emigrierte Schüler, S. 403). Dass Rosenberg sich kaum als Antipode Conzes sah, lässt sich aus dem Brief erahnen, den er ihm nach seinem 80. Geburtstag schickte. Von Selbstzweifeln und Altersdepression geplagt, schrieb er dort: »Ihre warmen Wünsche für mein persönliches Wohlergehen und Ihre generösen Hinweise auf die Wirkungskraft meiner wissenschaftlichen und pädagogischen Bemühungen, wie sie im Laufe eines langen, wechselvollen Lebens unternommen worden sind, haben mir sehr wohl getan. Freilich ist mir völlig klar, dass ich als produzierender Historiker im Unterschied zu Ihnen trotz vielfach ähnlicher Zielsetzungen im Grunde niemals über skizzenhafte Neuansätze hinausgekommen bin. Und heute bin ich gesundheitlich so verbraucht und geistig so niederdrückend müde, dass an si-

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gnifikante schöpferische Arbeit leider überhaupt nicht mehr zu denken sein wird. Möge Ihnen ein fruchtbarerer und beglückenderer Lebensabend beschieden sein! Das wünscht Ihnen von Herzen, lieber Herr Conze, Ihr Hans Rosenberg« (UAH, Rep. 101, Nr. 39, Rosenberg an Conze, 29. 3. 1984, kursiv im Original unterstrichen). Conze, Sozialgeschichte und »deutscher Sonderweg« (1975). Vgl. UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 10, Kocka an Conze, 1. u. 30. 4. 1974. Berding u.a., Vorwort, S. 5. Kocka, Theorien in der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, S. 9–13. UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 11, Conze an Kocka, 2. 9. 1975. Kocka, Sozialgeschichte – Strukturgeschichte – Gesellschaftsgeschichte; Kopie des Aufsatzes in UAH, Rep. 101, Nr. 72, Zitat Kockas u. handschr. Schlussbemerkung Conzes auf S. 42. So musste Kocka in einem persönlich gehaltenen Brief an Conze zu dessen »Vorwurf des schlechten Stils« Stellung nehmen, den dieser »im Zusammenhang der Zeitschrift-Planung« formuliert habe (UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 27, 10. 6. 1974). Conze, Zu den ersten drei Heften von »Geschichte und Gesellschaft …« (1976). UAH, Rep. 101, Nr. 143, Conze an Zorn, 6. 6. 1968; zu dieser Zeit war Conze auch noch für den Zeitraum von 1918 bis 1970 vorgesehen, den Zorn dann letzten Endes selbst übernahm. Ebd., Acc. 54/02, Ordner Nr. 8, Zorn an Conze, 26. 6. 1969; vgl. ebd. auch Conze an Zorn, 3. 7.u. 14. 7. 1969 u. 8. 12. 1970. Ebd., Ordner Nr. 9, Conze an Zorn, o. D. (der Ablage nach zwischen 1971 und 1973). Vgl. Conze, Sozialgeschichte 1800–1850 u. Sozialgeschichte 1850–1918 (1976). UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 9, Conze an Zorn, o. D. (zwischen 1971 und 1973). Daneben fielen den von Zorn vorgenommenen Kürzungen des »Urtextes« außer zahlreichen kleineren Passagen auch seine einleitenden Worte zur »Bedeutung der Epoche (1792–1815)« zum Opfer. Hier hatte Conze u.a. von der deutschen »Eigentümlichkeit einer auf halbem Wege stehengebliebenen Modernisierung des politischen Systems« geschrieben, die »von großer sozialgeschichtlicher Wirkung« gewesen sei (UAH, Rep. 101, Nr. 64, »Längerer Urtext f[ür] H[an]db[uch] [der] W[irtschafts]- u[nd] Soz[ial]g[eschichte]«, Teil 1: 1850–1850, S. 1–2 (mit Bleistiftstreichungen Wolfgang Zorns); für den zweiten Teil siehe ebd., Nr. 65. So Zorn, Vorwort, S. VII, im Bewusstsein, dass diese Versuchung abgewehrt worden war. Kritisch dazu bereits Pollard, Rez. zu: Zorn (Hg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2, S. 667. UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 11, Conze an Helmut Hirsch, 30. 11. 1976. Hans-Ulrich Wehler, Der Ruf nach mehr Gesellschaftsgeschichte – Und eine Antwort, in: FAZ, 1. 3. 1977 Ebd.; in einer überarbeiteten Fassung betonte Wehler 1979, dass, »obwohl die beiden Folianten geradezu erdrückend wirken, […] für ein konkurrierendes Handbuch durchaus noch Platz« sei (Zwischenbilanz der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 382). Im Anschluss daran schrieb Conze an Helmut Hirsch, dass er von vornherein »Takt- und Stillosigkeiten erwartet habe«, da er »das von dem oder den infragekommenden Herren aus Bielefeld und leider auch aus Bochum gewöhnt« sei (UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 11, 4. 10. 1976). Ebd., Rep. 101, Nr. 92, Wehler an Conze, 23. 11. 1976. Ebd., Acc. 54/02, Ordner Nr. 12, Conze an Kocka, 1. 3. 1977 u. Kocka an Conze, 16. 3. 1977; vgl. auch ebd., Rep. 101, Nr. 92, Kocka an Conze, 16. 2. 1977. Ebd., Acc. 54/02, Ordner Nr. 12, Conze an Wehler, 3. 2. 1977. Ebd., Wehler an Conze, 8. 7. 1977 u. Conze an Wehler, 12. 7. 1977. Kocka, Eine Bilanz der deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte?. UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 14, Conze an Kocka, 9. 2. 1979. Kocka, Werner Conze und die Sozialgeschichte, S. 601.

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322 Thomas Mergel spricht in diesem Zusammenhang von einer »wichtige[n] Hinleitung zu Bielefelder Fragestellungen« (Die Bürgertumsforschung nach 15 Jahren, S. 516). 323 Jarausch/Geyer, Zerbrochener Spiegel, S. 107–113; Sheehan, Paradigm Lost?; Kocka, German History before Hitler; ders., Nach dem Ende des Sonderwegs. 324 Ritter, Neuere Sozialgeschichte in der Bundesrepublik, S. 52. 325 Wehler, Das deutsche Kaiserreich, S. 11–18. 326 Vgl. sein Manuskript zum Handbuch der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, a.a.O. 327 Wehler, Das deutsche Kaiserreich, S. 237. 328 Zmarzlik, Das Kaiserreich in neuer Sicht?, S. 106. 329 Cornelißen, Gerhard Ritter, S. 644. 330 Nipperdey, Wehlers »Kaiserreich«; hierzu die Gegenposition bei Berghahn, Der Bericht der preußischen Oberrechnungskammer. 331 Vgl. Wehler, Moderne Politikgeschichte oder »Große Politik der Kabinette«?; Hildebrand, Geschichte oder »Gesellschaftsgeschichte«?; Wehler, Kritik und kritische Antikritik, S. 362–384. 332 Conze, Zur Sozialgeschichte des Kaiserreichs und der Weimarer Republik (1976), S. 521f. 333 Wehler, Kritik und kritische Antikritik, S. 348–352. 334 Eley, Die ›Kehrites‹ und das Kaiserreich; hierzu die Replik von Hans-Jürgen Puhle (Zur Legende von der »Kehrschen Schule«. 335 Evans, Introduction, S. 16–23. 336 Blackbourn/Eley, Mythen deutscher Geschichtsschreibung. 337 Vgl. Conze, Rez. zu Evans (Hg.), Society and Politics in Wilhelmine Germany (1979). Als Geoff Eley sich 1978 auf seine Einladung hin zu einem Vortrag über die »bürgerliche Revolution im 19. Jahrhundert« in Heidelberg bereit erklärte, schrieb ihm Conze in Vorfreude: »Ich bin sehr gespannt darauf, wie Sie dieses vielbehandelte und bei uns allzu leicht in die Ideologisierung geratende Thema anfassen werden«; UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 13, Conze an Eley, 14. 1. 1978; vgl. auch ebd., Conze an Eley u. Eley an Conze, 21. 3. 1978 bzw. 4. 11. 1978. 338 Aufschlussreich ist der autobiographische Rückblick bei Eley, A Crooked Line, S. 61–113. 339 Im Vorfeld hatte er in einem Schreiben an den Herausgeber der Festschrift bereits seine Stoßrichtung angedeutet: »Als Arbeitstitel kann ich angeben: das Bild des Kaiserreichs in der Geschichtswissenschaft. Ich könnte auch sagen: ›Das posthum gepeinigte Kaiserreich‹. Doch das wäre zu salopp, mag Ihnen aber ein wenig davon vermitteln, worum es gehen könnte« (UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 12, Conze an Werner Pöls, 19. 1. 1978). 340 Conze, Das Kaiserreich von 1871 als gegenwärtige Vergangenheit (1979), S. 64f. 341 So eine Formulierung des amerikanischen Historikers Theodore Clarke Smith, die seinen Kollegen Charles Beard 1935 zu dessen berühmtem gleichnamigen Plädoyer für einen historischen Relativismus animierte; Novick, That Noble Dream, S. 259 342 Conze, Das Kaiserreich von 1871 als gegenwärtige Vergangenheit (1979), S. 65. 343 UAH, Rep. 101, Nr. 78, Typoskript »Probleme und Tendenzen der Forschung zu deutschen Geschichte 1848–1945/49, Vortrag Tokyo/Kyoto, April/Mai 1982«, S. 10. 344 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 354. 345 Ebd. 346 Jaspers, Max Weber, S. 8. 347 Conze, Einleitung (1976), S. 9; vgl. auch ders., Der Strukturwandel im industriellen Modernisierungsprozeß (1979); Die Familie der Gegenwart in geschichtlicher Sicht (1979); Sozialgeschichte der Familie (1980); Neue Literatur zur Sozialgeschichte der Familie (1984); dazu das umfangreiche Material in UAH, Rep. 101, Nr. 55–57. 348 UAH, Rep. 101, Nr. 53; Conze, Evolution und Geschichte (1986); der Aufsatz ging auf einen Vortrag zurück, den er zwei Jahre zuvor auf dem Historikertag in Berlin gehalten hatte. 349 Schieder/Sellin, Sozialgeschichte in Deutschland. 350 Ders., Ostmitteleuropa (1992), S. 7.

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VI. Im Bann der Nation 1 Damit ist auf die umgangssprachlich negative Bedeutung des Begriffs »Nationalismus« angespielt (Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland, S. 30), obwohl generell die neutrale Begriffsverwendung sinnvoll ist (Wehler, Nationalismus, S. 13). 2 Schieder, Idee und Gestalt des übernationalen Staates, S. 38. Für den deutschen Sprachraum wurden inzwischen durch den Artikel »Volk, Nation, Nationalismus, Masse« in den »Geschichtlichen Grundbegriffen« klärende Schneisen durch den »Irrgarten« geschlagen; vgl. hier v.a. die Abschnitte von Koselleck und Schönemann. 3 Lepsius, Nation und Nationalismus in Deutschland, S. 233. 4 Kocka, Faszination und Kritik, S. 392. 5 Die Grundlage hierzu bilden Anderson, Die Erfindung der Nation; Gellner, Nations and Nationalism; Hobsbawm/Ranger, The Invention of Tradition. 6 Langewiesche, Was heißt ›Erfindung der Nation?‹, S. 601f. 7 Vgl. Budde u.a, Transnationale Geschichte. Neben der »Durchsetzung des neuen Metanarrativs der Globalisierung« und dem Postkolonialismus berufen sich die Herausgeber dabei auf die »vielfältige Entgrenzung, die mit der Intensivierung internationaler Netzwerke von Forschern und Wissenschaftsorganisationen einhergeht« (Vorwort, S. 11f.). 8 Wehler, Transnationale Geschichte – der neue Königsweg historischer Forschung?, S. 173. 9 Jarausch/Geyer, Shattered Past, S. 37–60; für den internationalen Vergleich Conrad/Conrad, Die Nation schreiben. 10 Kocka, Das lange 19. Jahrhundert, S. 81. 11 Gellner, Nations and Nationalism. 12 Kocka, Werner Conze und die Sozialgeschichte, S. 595. 13 S. Conrad, Auf der Suche nach der verlorenen Nation, S. 12. 14 Ebd., S. 44. 15 Ritter, Was heißt Bekenntnis zur geschichtlichen Vergangenheit? S. 767 u. 770. 16 Koselleck, Volk, Nation, Nationalismus, Masse, S. 419. 17 Burleigh, Die Zeit des Nationalsozialismus, S. 257–223. 18 Aly, Hitlers Volksstaat. Als Erklärung für den Holocaust greift diese These in ihrem Ausblenden des Antisemitismus allerdings zu kurz; vgl. Hans-Ulrich Wehler, Engstirniger Materialismus, in: Der Spiegel, 4. 4. 2005. 19 Frei, »Volksgemeinschaft«, S. 114. 20 Jarausch, Die Umkehr, S. 82. 21 Conze, Soll der Bauer sich um Politik bekümmern? (1949). 22 Ders., Historische Grundlagen genossenschaftlicher Lebensform (1948), S. 10; in ähnlicher Weise verkündete er in einem Artikel für die Deutsche Bauernzeitung über das »Grundgesetz bäuerlicher Lebensordnung«: »Der Geist der alten Genossenschaft mit ihrem Grundsatz ›Einer für alle, alle für einen‹ aber blieb lebendig und ist uns heute notwendiger denn je«; ders., Genossenschaft und Dorfgemeinde (1949). 23 Ders., Bindung und Freiheit der Landwirtschaft in der deutschen Geschichte (1949), Zitate S. 5, 14 u. 22. 24 Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland, S. 336. 25 Ders., Einleitung, S. 7. 26 Vgl. den Tagungsband »Europa und der Nationalismus«; zum Hintergrund der Speyerer Treffen, die bei einigen deutschen Historikern, allen voran Gerhard Ritter, Bevormundungsängste aufkommen ließen, siehe Cornelißen, Gerhard Ritter, S. 393–398. 27 BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Schieder, 14. 7. 1950. Im Oktober 1949 hatten in Speyer u.a. Franz Schnabel über »Bismarck und die Nationen«, Edmond Vermeil über »Deutsche Romantik und Nationalismus« und Jacques Droz über den Unterschied zwischen französischer

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und deutscher Nationalitätsidee referiert. Bei seiner Kritik an der Einigung auf den französischen Nationsbegriff hatte Conze wohl nicht zuletzt einen Diskussionsbeitrag im Auge, zu dem es im Tagungsbericht hieß: »Professor Vermeil anerkennt in besonderem Maße, dass Professor Schnabel auf die Definition von Renan zurückging und die Aufmerksamkeit auf den politischen Begriff der Nation gelenkt habe, wo die Ideen des freien Willensentscheides vorherrschend sind. Rasse, Sprache oder Zollunion haben im Grunde nichts mit der Nation zu tun« (Europa und der Nationalismus, S. 133). Schieder, Nationalstaat und Nationalitätenproblem, S. 22. Ebd., S. 34–37. Conze, Nationalstaat oder Mitteleuropa? (1951), S. 229. Ebd., S. 201. Rothfels, Grundsätzliches zum Problem der Nationalität, S. 352 u. 355. Eckel, Hans Rothfels, S. 298. Rothfels, Die Nationsidee in westlicher und östlicher Sicht, S. 18. Wittram, Über Maßstäbe und Urteile in der Geschichtsschreibung Ostmitteleuropas, S. 61. Conze, Abstand zum Nationalen (1955), S. 743. BArch, N 1226, Nr. 53, Conze an Wittram, 18. 12. 1953. Conze, Ostmitteleuropa im deutschen Geschichtsbild (1958), S. 152. Ders., Deutsche Einheit – Erbe und Aufgabe (1955), S. 14. Die vorerst letzten Arbeiten Conzes zur ostmitteleuropäischen Geschichte waren seine politikgeschichtliche Detailstudie »Polnische Nation und deutsche Politik im ersten Weltkrieg« (1958) und ferner seine ausführliche Einleitung zu den gemeinsam mit Dieter Hertz-Eichenrode edierten Manuskripten von Karl Marx über die polnische Frage (1961). BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Schieder, 5. 4. 1954. Sein diesbezüglicher Aufsatz für den Eröffnungsjahrgang der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte schloss sich, was dies anging, geradezu bruchlos an seine früheren Untersuchungen zur ›Volksordnung‹ an; Conze, Die Strukturkrise des östlichen Mitteleuropa vor und nach 1919 (1953); daneben auch ders., Agrargesellschaft und Industriegesellschaft in Ostmitteleuropa (1955). Conze, Staat und Gesellschaft in der frührevolutionären Epoche (1958), S. 157. Vgl. Nolte, Die Ordnung der deutschen Gesellschaft, S. 379f. Conze, Nation und Gesellschaft (1964), S. 1. Ebd., S. 9–16. Conze/Groh, Die Arbeiterbewegung in der nationalen Bewegung, S. 14. W. Schieder, Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung. Dabei fügte Schieder noch hinzu, dass »die Proportionen im Hinblick auf die bürgerliche Bewegung nicht immer zu erkennen« seien und die Arbeiter »eben immer doch eine andere Nation« gewollt hätten (UAH, Rep. 101, Nr. 91, Wolfgang Schieder an Conze, 12. 11. 1966). Dann, Nationalismus und sozialer Wandel in Deutschland 1806–1850, Zitat S. 120, Anm. 1.; vgl. auch Conzes Brief an Dann vom 30. 8. 1977 (UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 12), in dem er ihm nach der Lektüre des Manuskripts mitteilte: »Im ganzen scheint mir die Studie gelungen zu sein. Es ist eine naheliegende und m.E. richtige Konzeption, die dem Ganzen zugrunde liegt.« Conze, Nation und Gesellschaft (1964), S. 13; zum Gegenwartsbezug der Ausführungen vgl. ders., Nationalismus und Kommunismus als politische Triebkräfte in historischer Sicht (1963/64). François, Nation und Emotion; H. Mommsen, Nation und Nationalismus, S. 177. Bezeichnend hierfür ist etwa, dass er im selben Brief, in dem er Reinhard Wittram 1955 von der unheilbaren Krankheit seines fünfjährigen Sohnes berichtete, hinzufügte: »Alles andere tritt für mich zurück – abgesehen von den Sorgen um den Weg der Welt und das, was in Deutschland geschieht« (BArch, N 1226, Nr. 56, 23. 12. 1955).

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54 Conze, Tag der deutschen Einheit (1959), S. 5 (kursiv. v. Verf.). 55 »Die drei Symbole der Bundeswehr«, in: UAH, Rep. 101, Nr. 93 (masch.-schr. Ms.), S. 1; handschr. hatte Conze darauf sich notiert: »Vortrag Koblenz ca. 1960«. 56 Cassirer, Versuch über den Menschen, S. 51: »Der Begriff der Vernunft ist höchst ungeeignet, die Formen der Kultur in ihrer Fülle und Mannigfaltigkeit zu erfassen. Alle diese Formen sind symbolische Formen.« 57 »Die drei Symbole der Bundeswehr«, in: UAH, Rep. 101, Nr. 93 (masch.-schr. Ms.), Zitate S. 1 bzw. 14. 58 Conze, Die deutsche Nation (1963), S. 3. 59 W. Schieder, Sozialgeschichte zwischen Soziologie und Geschichte, S. 263. 60 Conze, Die deutsche Nation (1963), S. 9f. 61 Ebd., S. 39. 62 Kocka, Werner Conze und Sozialgeschichte, S. 599. 63 Conze, Die deutsche Nation (1963), S. 156–161. 64 Johann Georg Reißmüller, Heutzutage bei Königgrätz. Ein Gang über das Schlachtfeld, in: FAZ, 2. 7. 1966; Königgrätz: Eine schöne Schlacht, in: Der Spiegel, 27. 6. 1966. 65 Golo Mann, Die erste Teilung, in: Die Zeit, 1. 7. 1966. 66 Paul Sethe, Die tragische Schlacht, in: Die Zeit, 1., 8. u. 15. 7. 1966 (Zitat am 15. 7.). 67 Conze, 1866 – Entscheidung und Wirkung von Königgrätz (1966), S. 149–153; ausführlicher: ders., Die Ermöglichung des Nationalstaats (1966). 68 Ders., 1866 – Entscheidung und Wirkung von Königgrätz (1966), S. 157. 69 UAH, Rep. 101, Nr. 62, Handelsblatt-Redaktion an Conze, 12. 1. 1967. 70 Conze, Der deutsche Nationalstaat: Geschichte und Zukunft (1967), Teil IV, 9./10. 6. 1967. 71 Ebd., Teil I, 31. 3. 1967. 72 Die Teilüberschriften von zweien der Handelsblatt-Beiträge lauteten »Unvollendete NationalDemokratie« (I) und »Die nationale Demokratie als Ziel der Politik« (IV). 73 Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland, S. 357f. 74 UAH, Rep. 101. Nr. 32, Heinemann an Conze, 20. 6. 1969 u. 29. 1. 1970. 75 Ebd., »11. 2. 1970 Im Zuge«, handschr. Aufzeichnung Conzes; vgl. auch Conze an Heinemann, 24. 2. 1970 (UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 8). 76 An den Treffen nahm auch der Stuttgarter Historiker Eberhard Jäckel teil; vgl. Conze an Heinemann, 12. 6. 1970, sowie die Zeitungsartikel in UAH, Rep. 101, Nr. 115. 77 Im Antwortbrief Heinemanns an Conze vom 5. 11. 1970 (ebd.) hieß es: »Ich bin mit dem, was Sie mir anbieten, jedenfalls jetzt außerordentlich zufrieden, zumal die Frage, was am 18. Januar 1971 geschehen soll, noch nicht völlig abgeklärt ist. Es mehren sich die auch von mir geteilten Bedenken, am 18. Januar 1971 etwa oder gar im Bundestag eine reguläre Feierstunde abzuhalten. Vielmehr tritt der Gedanke in den Vordergrund, am Vorabend […] über Rundfunk und Fernsehen lediglich eine Ansprache zu halten, die natürlich nur auf wenige Minuten beschränkt sein müßte, um dadurch allem für den 18. Januar selbst zu erwartenden Wildwuchs zu begegnen.« 78 Ebd., »Thesen zum 18. Januar 1871/1971« (masch.-schr. Ms.), o.D., mit handschr. Notiz: »an Heinemann geschickt, nach der Unterredung in Rastatt«; das Treffen in Rastatt fand am 21. September 1970 statt. 79 Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 261. 80 Zuvor hatte Heinemann Conze einen masch.-schr. Entwurf zugeschickt, den dieser mit kleineren handschr. Korrekturen versah (UAH, Rep. 101, Nr. 115, Heinemann an Conze, 23. 11. 1970, m. Ms. »18. Januar 1971«). Dabei nahm Conze vor allem an folgender Formulierung Anstoß: »Das Deutsche Reich als damaliger Ausdruck einer endlich erreichten Einheit unseres Volkes hat sich in zwei deutsche Staaten verwandelt.« Er schlug in seinem Antwortschreiben vor zu schreiben, es sei in zwei deutsche Staaten »geteilt worden«, um das Missverständnis zu vermeiden, »als ob die

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beiden Staaten einer aus inneren Gründen verständlichen ›Wandlung‹ ihre Existenz verdankten«. Diesen Hinweis nahm Heinemann ebensowenig auf wie den Appell an den Schutz der Freiheit »angesichts neu andrängender totalitärer Bedrohung« (ebd., Brief vom 26. 11. 1970). Hat uns Geschichte noch etwas zu sagen? Bundespräsident Dr. Gustav Heinemann zum 100. Jahrestag der Reichsgründung, in: Das Parlament, 23. 1. 1971 (mit Foto Heinemanns vor dem erwähnten Gemälde). Conze, Der deutsche Nationalstaat 1871–1971 (1971); knapp zwei Wochen später sprach der inzwischen zu so etwas wie einem Handlungsreisenden für die deutsche Nation gewordene Historiker in Groß-Gerau erneut zum Thema (vgl. Die Reichsgründung und hundert Jahre danach. Historiker Conze zeichnet ein unkonventionelles Bismarckbild – Vortrag in der Volkshochschule, in: Heimat-Zeitung, 30./31. 1. 1971). Dies geht hervor aus einem Brief der früheren Rektorin der Heidelberger Universität, Margot Baecke, an Conze vom 10. 3. 1971 (UAH, Rep. 101, Nr. 115). FAZ, 18. 1. 1971 (»Zusammenstöße bei Gedenkfeiern«). Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 260–262. Winkler, Der lange Weg nach Westen, Bd. II, S. 312–314. Leuschner, Vorwort des Herausgebers, S. 11. Wehler, Das deutsche Kaiserreich, S. 107–110. UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 27, Conze an Lalitt Adolphus (George Prior Publishers), 20. 6. 1977. Dies gelang noch am ehesten in seinem kurzen Beitrag auf der deutsch-polnischen Historikerkonferenz im April 1978; Conze, Staatsnationale Entwicklung und Modernisierung im Deutschen Reich 1871–1914 (1978). Ders., Sozialgeschichte 1800–1850 u. Sozialgeschichte 1850–1918 (1976). Vgl. Conze/ Lepsius, Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Conze, Staats- und Nationalpolitik (1983), Zitate S. 444 bzw. 441; in die gleiche Richtung zielten auch seine zuvor gelieferten Beiträge zum »Funk-Kolleg Geschichte« (Die deutsche Nation [I]; Die deutsche Nation [2] [1981]) sowie der Aufsatz, den er für die im Ploetz-Verlag erschienene Bilanz des Kaiserreiches beisteuerte (Das Deutsche Reich in der deutschen Geschichte [1984]). Ders., »Deutschland« und »deutsche Nation« als historische Begriffe (1983), S. 37. UAH, Rep. 101, Nr. 8, James J. Sheehan an Conze, 17. 6. 1982. Wehler, Nationalismus, S. 8. Sheehan, The Problem of the Nation in German History, S. 5. Conze, »Deutschland« und »deutsche Nation« als historische Begriffe (1983), S. 21f. Winkler, Der lange Weg nach Westen, Bd. II, S. 431. Ebd., S. 434. Die Elbe – ein deutscher Strom, nicht Deutschlands Grenze (Interview mit Günter Gaus), in: Die Zeit, 30. 1. 1981; Hans Mommsen, Aus Eins mach Zwei. Die Bi-Nationalisierung RestDeutschlands, in: ebd., 6. 2. 1981; Heinrich August Winkler, Nation – ja, Nationalstaat – nein. Die Deutschen Gewinner von 1945 stehen in der Schuld der Verlierer, in: ebd., 13. 2. 1981. Vgl. eingehend hierzu Winkler, Der lange Weg nach Westen, Bd. II, S. 434–439. Conze, Deutsche Selbstbewusstsein heute (1982), S. 3. Ebd., S. 14–19. Vgl. v.a. Conze, Ostmitteleuropa (1992); Nationsbildung durch Trennung (1983); Ethnogenese und Nationsbildung (1984). Ders., Luthertum und Nationalismus (1985), S. 138; umfassender zum Thema: ders., Zum Verhältnis des Luthertums zu den mitteleuropäischen Nationalbewegungen (1983). Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland, S. 20. So noch in seinem letzten zu Lebzeiten veröffentlichten Artikel »Was heißt ›deutsch‹?« (1986).

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Rudolph, Die verdrängte Teilung. Kleßmann, Die doppelte Staatsgründung, S. 12. Kocka, Die Wende, S. 40; ders., Die Geschichtswissenschaft in der Vereinigungskrise. Bauerkämper, Doppelte Zeitgeschichte; Kleßmann, Deutsche Vergangenheiten. Kocka, Die Geschichte der DDR als Forschungsproblem, S. 89. Conze, Jakob Kaiser (1969), S. 9. Doering-Manteuffel, »Kaiser, Jakob«, S. 291f. Conze, Jakob Kaiser (1969), S. 256. UAH, Rep. 101, Nr. 59, »Die atlantische Expansionsrichtung der SU und die skandinavische Politik« (masch.-schr. Ms.), 1. 12. 1948, S. 3–9. Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), S. 79. Der Bundeskanzler hatte dies in der CDU-Vorstandssitzung vom 10. März 1956 folgendermaßen begründet: »Ich habe mir sagen lassen, dass die politische Entwicklung der Sowjets von 1918 bis 1933 – nicht die innenpolitische, sondern die außenpolitische Entwicklung Sowjetrußlands – frappante Parallelen zu der Politik bietet, die die Sowjets jetzt machen. Deswegen habe ich vorgeschlagen, mit einem Professor Conze in München, der dort ein Kolleg über europäische Geschichte liest, Fühlung aufzunehmen, ob er nicht dreißig Minuten lang diese Parallele aufzeichnen könnte. […] Ich kenne Herrn Conze nur aus Schilderungen seiner Hörer. Herr Bach hat mir mitgeteilt, er habe mit Herrn Conze gesprochen, der einen hervorragenden Eindruck gemacht habe. […] Herr Conze ist evangelisch. Ich lege großen Wert darauf, dass ein evangelischer Professor im Hinblick auf manche Pastoren einen solchen Vortrag auf unserem Parteitag hält« (Adenauer: »Wir haben wirklich etwas geschaffen«, S. 890f.). Adenauer hatte dabei Münster (wo Conze damals lehrte) mit München verwechselt und in der Originalvorlage außerdem statt von ›Conze‹ von »Konz« gesprochen (ebd., Fn. 82). Mit dem »Kolleg für europäische Geschichte« konnte er nur die Vorlesung über »Allgemeine Geschichte zwischen den Weltkriegen 1919–1939« gemeint haben, die Conze im Sommersemester 1952 in Münster hielt (vgl. UAH, Rep. 101, Nr. 97, handschr. Verzeichnis der Vorlesungen und Übungen in Göttingen und Münster). Wahrscheinlich hatte er von ihm durch seinem Sohn Paul erfahren, der zu dieser Zeit in Münster studierte (Hinweis von Hartmut Soell, Heidelberg). UAH, Rep. 101, Nr. 93, »Grundlagen und Ziele der sowjetischen Politik. Vortrag gehalten von Prof. Dr. Conze, Universität Münster, auf dem Stuttgarter Parteitag der CDU am 27. 4. 1956« (masch.-schr. Ms.), S. 1. Ebd., S. 10–14. Weber, Vorbemerkung, S. 568. Sabrow, Das Diktat des Konsenses, S. 261. Ders., Gegensätzliche Geschichtsbilder – gegnerische Geschichtsbildner?, S. 140. Kowalczuk, Legitimation eines neuen Staates, S. 83–115 u. 147–162. Sabrow, Das Diktat des Konsenses, S. 252–280; Kowalczuk, Legitimation eines neuen Staates, S. 194–201; Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S. 183–200. Es handelte sich dabei um den Berliner Historiker Fritz Hartung (1883–1967), der bereits 1949 emeritiert worden war, und den Leipziger Archivdirektor Hellmut Kretzschmar. Bericht über die 22. Versammlung deutscher Historiker, S. 7. Zeitprobleme in historischer Hinsicht. Der Kongreß der Historiker Deutschlands, in: FAZ, 22. 9. 1953; vgl. auch den Bericht über die 22. Versammlung deutscher Historiker, S. 20f. Bericht über die 22. Versammlung deutscher Historiker, S. 20f. BArch, N 1213, Nr. 1, Conze an Rothfels, 18. 10. 1953. Klein, Drinnen und Draußen, S. 172; der Autor bemerkt an derselben Stelle, dass er sich über

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die »arrogante Bemerkung« geärgert habe, in der er einen Beleg für das »tiefsetzende Ressentiment der traditionellen deutschen Geschichtswissenschaft gegen marxistische Geschichtsschreibung« gesehen habe, »die man nicht ernsthaft zur Kenntnis nehmen wollte«. Kamnitzer, Zum Vortrag von Th. Schieder, S. 912. Schieder an Aubin, 1. 4. 1954; zit. nach Sabrow, Gegensätzliche Geschichtsbilder – gegnerische Geschichtsbildner?, S. 143. BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Schieder, 5. 4. 1954 (kursiv im Original unterstrichen). Sabrow, Das Diktat des Konsenses, S. 266f. Szeczinowski, Die Organisation der »Ostforschung« in Westdeutschland, S. 300. Ein interessanter Fall ist hierbei die Dissertation des 1953 in die DDR übergesiedelten Historikers Rudi Goguel (Über die Mitwirkung deutscher Wissenschaftler am Okkupationsregime in Polen), die auch die Reichsuniversität Posen zum Thema hatte. Während der westdeutsche Osteuropahistoriker Gotthold Rhode gegen den Autor agitierte, fand sich Conze unter Absprache mit Reinhard Wittram dazu bereit, Goguels Fragen zu seiner – weitgehend verhinderten – Tätigkeit an der Reichsuniversität zu beantworten. In der Arbeit wurde Conze dann auch – der Sache gemäß – nur am Rande erwähnt; siehe Goguel an Conze, 18. 1. u. 17. 2. 1964; Conze an Goguel, 2. 2. 1964 (UAH, Rep. 101, Nr. 80) sowie Conze an Wittram, 19. 12. 1963, 10. 1., 28. 1. u. 2. 4. 1964; Wittram an Conze, 2. 1.u. 8. 1. 1964 (BArch, N 1126, Nr. 68). Engelberg/Rudolph, Zur Geschichtswissenschaft der Deutschen Demokratischen Republik, S. 18–21. Conze, Vom »Pöbel« zum »Proletariat« (1954), S. 246. Engelberg/Rudolph, Zur Geschichtswissenschaft der Deutschen Demokratischen Republik, S. 20f. Vgl. im einzelnen Conzes Rezensionen zu: Zur Geschichte der Kommunistischen Partei Deutschlands (1955); Der Kampf der deutschen Sozialdemokratie (1958); Die Auswirkungen der ersten russischen Revolution (1958); Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (1960); Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (1961); Die russische Revolution von 1905–1907 (1963). Siehe daneben auch ders., Rez. zu Fricke, Der Ruhrarbeiterstreik von 1905 (1956). UAH, Rep. 101, Nr. 59, »Ursprung und Weg der deutschen Arbeiterbewegung« (masch.-schr. Ms.), o.D. (Beitrag Conzes für den SWF zum 1. 5. 1962), S. 3. Knabe, 17. Juni 1953, Zitat S. 11; umfangreich zum Thema: Eisenfeld, Die verdrängte Revolution. Knabe, 17. Juni 1953, S. 432. Lemke, Konrad Adenauer und das Jahr 1953, Kleßmann/Stöver, 1953. Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 82. Ebd., S. 107. Er hatte sich dafür wohl durch seinen Vortrag zum Gedenken des 17. Juni an der Universität Münster 4 Jahre zuvor (Deutsche Einheit – Erbe und Aufgabe [1956]) und seine weiter oben thematisierte Rede auf dem CDU-Parteitag von 1956 qualifiziert. Vgl. Reden zum Tag der deutschen Einheit. Conze, Tag der deutschen Einheit (1959), S. 4–7. Ebd., S. 16–21. Die Zeit durchlöchert den Eisernen Vorhang. Voraussetzungen der deutschen Wiedervereinigung. Von Professor Werner Conze, in: FAZ, 24. 6. 1959. Dies las sich dann bspw. so: »›Na ja‹, sagte Kollege Weiß dazu, ›der gute Mann hat uns eben noch nicht bei der Arbeit gesehen. Sonst wüßte er, mit welcher Hingabe die Arbeiter unserer Republik das Revolutionsprogramm von Partei und Regierung erfüllen.‹« Vgl. Das durchlöcherte Weltbild des Herrn Conze. Arbeiter aus sozialistischen Brigaden erwidern westzonalem Historiker, in: Leipziger Volkszeitung, 5. 7. 1959. Der Vorwurf, Conze wolle die »bankrotte

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Atomkriegspolitik« Adenauers unterstützen, ist umso haltloser, als er sich kurz zuvor gemeinsam mit zehn anderen Heidelberger Professoren – unter ihnen Alfred Weber und Karl Löwith – in einem offenen Telegramm unter Berufung auf die berühmte Anti-Atomkampagne der »Göttinger Achtzehn« gegen die Errichtung von Atomstützpunkten gewandt hatte (Rupp, Außerparlamentarische Opposition in der Ära Adenauer, S. 96f.). Gentzen, Rez. zu Conze, Polnische Nation und Politik im ersten Weltkrieg. So die Paraphrase der Leipziger Universitätszeitung vom 24. 11. 1959 (»Einladung an Heidelberger Rektor«); vgl. Neues Deutschland, 22. 11. 1959 (»Westdeutsche Rektoren in die DDR eingeladen«). Zit. nach Die Welt, 10. 12. 1959 (»Für Begegnung mit Leipzig«). UAH, Rep. 101, Nr. 70, Wilhelm Hahn an Georg Mayer, 10. 2. 1960; Mayer an Hahn, 4. 3. 1960; Hahn an die Heidelberger Delegationsmitglieder, 7. 3. 1960. Ebd., Übersicht zur Zusammensetzung der Heidelberger Delegation, o.D.; Übersicht »Vorträge am 30. 3. 1960«, o.D.; Conzes Vortragsthema war das »Scheitern der Revolution von 1848«. Ebd., »Exposé zur Vorbereitung des Besuchs der Ruperto-Carola-Universität bei der KarlMarx-Universität in Leipzig«, o.D. Ebd., Presseerklärung »Zum Besuch der Heidelberger Professoren in Leipzig vom 28. 3.–1. 4. 1960«, o.D.; ebd., »Kommunique« vom 31. 3. 1960; den Erinnerungen Wilhelm Hahns zufolge wurden die Heidelberger in den Pausen von nichtkommunistischen Professoren unauffällig ermahnt, »eine klare Sprache zu sprechen und keine Konzessionen zu machen« (Ich stehe dazu, S. 85). Ernst-Otto Maetzke, Der Besuch in Leipzig, in: FAZ, 31. 3. 1960; Heidelberger Universitäts-Delegation in Leipzig, in: forum, 7. 4. 1960; A.W., In der Höhle des Löwen, in: Süddeutsche Zeitung, 6. 4. 1960. BArch, N 1126, Nr. 62, Conze an Wittram, 20. 4. 1960. Abwägender gab er sich in seinem Bericht für die Deutsche Universitätszeitung, in dem er auf die Grenzen der ideologischen Vereinnahmung der Universitäten in der DDR hinwies (Universitäten hüben und drüben [1960]). Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland, S. 340. Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 108–123, Zitat S. 115. UAH, Rep. 101, Nr. 47, Eberhard Tiesler (Geschäftsführer des Heidelberger Ortskuratoriums) an die Bonner Geschäftsstelle des KUD, 27. 6. 1966. R.L., Entwicklung verstärkt Dynamik der deutschen Frage. Professor Dr. Werner Conze zum neuen Vorsitzenden des Ortskuratoriums Unteilbares Deutschland gewählt, in: Heidelberger Tageblatt, 27. 6. 1966. Jaspers hatte in einem im August 1960 ausgestrahlten Fernsehinterview bemerkt, dass die Forderung der Wiedervereinigung »politisch und philosophisch in der Selbstbesinnung irreal« sei, da sie auf dem Maßstab des Bismarckstaats beruhe. Dabei betonte er: »Nur die Freiheit – allein darauf kommt es an. Wiedervereinigung ist demgegenüber gleichgültig« (Jaspers, Freiheit und Wiedervereinigung, S. 110f.). Conze hatte bereits damals in einer Diskussionsveranstaltung der Heidelberger Universität davor gewarnt, das Provisorium Bundesrepublik zu einem »Definitivum« zu machen (vgl. W.B., Gegenwartsprobleme in der Sicht des Historikers. Die kritische Stellungnahme Prof. Conzes zu den Thesen von Karl Jaspers, in: RNZ, 5. 12. 1960). Außer seiner Vorlesung »Allgemeine Geschichte vom zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart« (WS 1964/65 und WS 1968/69) sind die Oberseminare »Die deutsche Frage 1945–1949« (SS 1964), »Die Teilung Berlins seit 1945« (SS 1967) und »Deutschlandfrage und Ost-West-Konflikt 1949–1955« (SS 1969) zu erwähnen; siehe die Personal- und Vorlesungsverzeichnisse in UAH.

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62 UAH, Rep. 101, Nr. 47, Protokoll der Ortskuratoriums-Sitzung vom 19. 10. 1967. Ebenso wie dieser Vorschlag war bereits eine ähnliche Idee im Sande verlaufen, die er vier Jahre zuvor gemeinsam mit Wilhelm Hahn entwickelt hatte, der ebenfalls im Heidelberger Ortskuratorium aktiv war. Danach sollte der 17. Juni zu einem »Opfertag« gemacht werden, an dem halbtags gearbeitet würde; die Gewinne des Tages sollten dabei in eine »nationale Stiftung« für »Zwecke der Wiedervereinigung« abgeführt werden. Was letztere anging, kannte die Phantasie der beiden Heidelberger keine Grenzen – außer der innerdeutschen, versteht sich. So erwogen sie die demonstrative Stiftung einer »Universität im deutschen Grenzgebiet, etwa in Hof oder Coburg«, deren Aufgaben vor allem in der Unterstützung von Absolventen des zweiten Bildungsweges und im Bereich der »Volksbildungsarbeit« liegen sollte (ACDP, I-294, Nr. 064–1, Wilhelm Hahn an Wilhelm-Wolfgang Schütz, 4. 7. 1963). Davon, dass die angedachte Universität »stark auf deutschlandpolitische Themen hin ausgerichtet sein sollte« (Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland, S. 208), war in dem Brief allerdings nicht die Rede. 63 Kosthorst, Jakob Kaiser, S. 8. Nachdem Kosthorst 1963 von einer Übernahme der Gesamtbiographie Abstand genommen hatte (vgl. UAH, Rep. 101, Nr. 66, Kosthorst an Conze, 6. 9. 1963), entschied man, dass Kaiser-Nebgen den zweiten Band über Kaisers Jahre im Widerstand und Conze den dritten Band über Kaisers Politik nach 1945 übernehmen sollten. Letztlich beschränkte Conze sich dann auf den Zeitraum bis 1949, und Kosthorst übernahm den vierten Band über den Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen. 64 Beide setzten sich bei Bundespräsident Heinrich Lübke und Kultusminister Hahn für ein Freisemester Conzes ein, um ihm Zeit für die Arbeit an der Biographie zu verschaffen (ACDP, I-294, Nr. 084–3, Kaiser-Nebgens an Gradl, 26. 4. 1966; Gradl an Hahn, 28. 4. 1966; Vermerk Gradls vom 17. 5. 1966; Hahn an Gradl, 27. 5. 1966). 65 Vgl. den Briefwechsel Conzes mit Elfriede Kaiser-Nebgen in UAH, Rep. 101, Nr. 66 u. 139. 66 Conze, Adenauers Erinnerungen (1967), Zitat S. 633. 67 Ders., Jakob Kaiser (1969), S. 256. 68 So schrieb ihm Gradl: »Alles wurde wieder lebendig, was wir damals nach der Katastrophe getan, gewagt – und erlitten haben. […] Wer sich informieren will, wie es wirklich war, in Ihrem Buch kann er es. Selbst für unsereinen, der dabei war, wird durch Ihre Darstellung das Geschehen und unser Beitrag noch durchsichtiger« (28. 1. 1970, in: UAH, Rep. 101, Nr. 153). In ähnlich Weise versicherte ihm der Politologe Otto Heinrich von der Gablentz, auch er ein damaliger Berliner Mitstreiter Kaisers: »Mit Erschütterung habe ich Ihr schönes Buch über Jakob Kaiser gelesen. Ich habe ja doch diese Tragödie von Tag zu Tag mitgemacht, und ich kann Ihnen nur Dank sagen dafür, dass Sie nicht nur die Tatsachen korrekt und lebendig dargestellt haben, sondern auch dem Menschen in seiner Bedeutung und seinen Grenzen gerecht geworden sind« (ebd., Nr. 66, 9. 2. 1970). 69 Helmut R. Külz, Auf verlorenem Posten. Am Ursprung der deutschen Frage: Warum Jakob Kaisers Ideale scheiterten, in: Die Zeit, 20. 2. 1970; Wilhelm Gries, Das Drama der ersten Nachkriegsjahre. Jakob Kaiser – Politiker zwischen Ost und West. Ein Buch von Werner Conze, in: Saarbrücker Zeitung, 7. 4. 1970. 70 Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland, S. 357. 71 Kaiser ohne Land, in: Der Spiegel, 23. 3. 1970, S. 76; die Auszüge aus Conzes Kaiserbiographie erschienen am 23. 3., 30. 3. u. 6. 4. 1970 unter dem Titel »›Preußen muß sein!‹ Jakob Kaiser und die deutsche Einheit«. 72 Merseburger, Willy Brandt, S. 583. 73 Conze war Friedensburg im Zusammenhang seines Vortrags auf dem Stuttgarter CDU-Parteitag von 1956 begegnet; UAH, Rep. 101, Nr. 137, Conze an Friedensburg, 12. 1. 1960. 74 Vgl. UAH, Rep. 101, Nr.137, Conze an Friedensburg, 16. 11. 65; FAZ, 17. 2. 1966 (Zwischen Amerika und Rußland. Die Gesellschaft Deutschland-Sowjetunion tritt in Erscheinung [g-n]).

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75 Conze, Das deutsch-russische Verhältnis im Wandel der modernen Welt (1967), S. 5 u. 63. 76 Ders., Die Kritik an der Bundesrepublik (1969), S. 19f. 77 Albrecht Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 5. Juni 2004 in Heidelberg. Sollte dies zutreffen, mag dabei auch der Ärger Conzes eine Rolle gespielt haben, entgegen zeitweiliger, durch Wilhelm Hahn angedachter Pläne letztlich doch keinen Platz als parteiloser Kandidat auf der CDU-Landesliste für die Bundestagswahl bekommen zu haben; vgl. seine folgenden Tagebucheinträge aus dem Jahr 1968: »23. 3. Hahn bei mir. Frage B[un]destagsmandat auf L[and]esliste? Warten auf Gespräch m[it] [Gerhard] Schröder, der mir inzwischen schrieb. 19. 5. Schröder hat natürlich nicht geschrieben. Die CDU kann sich nicht mit unbequemen Leuten belasten. Der ganze Test hat sich gelohnt« (UAH, Rep. 101, Nr. 27, »Tagebuch 7./11. 3. 1968«). 78 Gerhard Schröder, »Nein« zu den Ostverträgen, in: Evangelische Verantwortung. Meinungen und Informationen aus dem evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU, Heft 3/1972, S. 1–5, Zitate S. 4f.; ein Exemplar findet sich in Conzes Unterlagen zur Ostpolitik-Kontroverse in UAH, Rep. 101, Nr. 75. Während der Tagung des Evangelischen Arbeitskreises im März 1968 hatte Conze sich notiert: »Fr[eitag] 8. 3. Vormittags mein Vortrag. ›Kam an‹ im Saal. Schröder sprach anschließend 15' mit mir, kritisierte meine ›Ostpolitik‹, ohne damit zu Ende zu kommen und ohne sich richtig deutlich zu machen« (UAH, Rep. 101, Nr. 27, »Tagebuch 7./11. 3. 1968«). 79 Dies geht aus Briefen von Peter Krukenberg (23. 3. 1972) u. Hans Mommsen (6. 4. 1972) an Conze hervor (UAH, Rep. 101, Nr. 75). 80 Vgl. FAZ, 17. 3. 1972. 81 Siehe die Erklärung Mommsens mit Anschreiben vom 24. 3. 1972, die auch Conze zuging (UAH, Rep. 101, Nr. 75). 82 Wittram schrieb am 3. 4. 1972 an Rothfels, um ihn zur Unterzeichnung der Erklärung zu bewegen. Er betonte dabei, dass er die Nicht-Ratifizierung der Ostverträge »in erster Linie außenpolitisch für ein großes nationales Unglück halten« würde (BArch, N1213, Nr. 133). 83 Text und Unterschriften der Erklärung sind auch dokumentiert bei Erdmann, Die falsche Alternative, S. 354–356. 84 UAH, Rep. 101, Nr. 75, Mommsen an Conze, 6. 4. 1972. 85 Ebd., Schieder an Mommsen, 5. 4. 1972. Einleitend bemerkte Schieder, dass er »aus Prinzip noch nie eine Kollektiv-Erklärung unterschrieben habe«, da er meine, »ein Wissenschaftler solle mit seinem eigenen Wort für die Sache eintreten, die er für gut hält«. Nach einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Text der Erklärung warnte er davor, »dass jetzt eine Situation entsteht, »die in der Öffentlichkeit den Eindruck der Trennung der Böcke von den Schafen erweckt und damit in unser Fach schwere Dissonanzen hereinträgt«. 86 Erdmann bemängelte dabei ähnlich wie Schieder, dass durch die Erklärung »ein kompliziertes Problem der Außenpolitik zur Frage nach dem status confessionis der Historiker geworden sei« (Erdmann, Die falsche Alternative, S. 354). 87 Die Unterzeichner bezeichneten es etwa als »besorgniserregend, in welchem Ausmaß hier politische Teilnahme durch den Fachverstand bestimmter Disziplinen gerechtfertigt werden soll, ohne dass die Aussagen über bloße Behauptungen oder Meinungen hinausgehen« (ebd.). 88 UAH, Rep. 101, Nr. 75, Conze an Gillessen, 16. 4. 1972; die FAZ sah sich zwar aus formalen Gründen nicht in der Lage, die Stellungnahme abzudrucken (ebd., Gillessen an Conze, 17. 4. 1972), lieferte dafür jedoch am 21. 7 einen ähnlich lautenden Artikel Hans Buchheims (»Professoren und Politik. Zum Thema Unterschriftensammlung«), der zu jener Zeit ständiger Mitarbeiter der Zeitung war. Die Stellungnahme der Sieben erschien am 20. 4. 1972 u.a. in der »Welt« (»Historiker und Politologen zur Ostpolitik«). 89 UAH, Rep. 101, Nr. 75, Conze an v. Weizsäcker, 16. 4. 1972 (kursiv im Original unterstrichen).

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90 »Politisierende Professoren«, in: Die Welt, 26. 4. 1972 (Leserbrief). 91 Merseburger, Willy Brandt, S. 643. 92 Vgl. hierzu den Tagungsband (Aretin/Conze, Deutschland und Rußland im Zeitalter des Kapitalismus) sowie das umfangreiche Material in UAH, Rep. 101, Nr. 109. 93 So Conze laut Protokoll der Sitzung des Organisationskomitees vom 14. 10. 1973 (UAH, Rep. 101, Nr. 109). Auf deutscher Seite beteiligten sich u.a. Karl Dietrich Erdmann und Fritz Fischer, aber auch Jüngere wie Hans-Jürgen Puhle, Wolfgang J. Mommsen und Helmut Böhme. 94 Aretin/Conze, Deutschland und Rußland im Zeitalter des Kapitalismus, S. 4. 95 Friedrich Weigend, Die Grenzstreifen sind breiter geworden. Erstes Gespräch zwischen sowjetischen und deutschen Historikern, in: Stuttgarter Zeitung, 24. 10. 1973 96 Siehe das von Conze u. Narotschnizkij verfasste Abschlusskommuniqué vom 18. 10. 1973 in Aretin/Conze, Deutschland und Rußland im Zeitalter des Kapitalismus, S. 251. 97 UAH, Rep. 101, Nr. 3, Abschlusskommuniqué, 3. 4. 1975 (unterzeichnet von Conze u. Narotschnizkij); Programm des Kolloquiums vom 31. 3.–5. 4. 1975. 98 Ebd., »Schlußwort« (handschr. Redenotizen). Conze bemerkte, die Auseinandersetzung sei »ein erster, im Ansatz geglückter Versuch gewesen, sich gerade in Gr[un]dlagenproblemen auszusprechen. Die persönliche Aussprache ist gerade hier nicht durch Lesen zu ersetzen.« 99 Etwas in Gang gebracht, in: Der Spiegel, 14. 4. 1975. 100 Siehe hierzu UAH, Rep. 101, Nr. 3, handschr. Tagebuchnotizen »Moskau« vom 23. 3.–29. 3. 1975; Conze an die Botschaft der UdSSR, 14. 12. 1975. 101 Historiker diskutieren in Leningrad (Me), in: FAZ, 5. 4. 1975. 102 Conze, Ostmitteleuropa im deutschen Geschichtsbild (1958), S. 153f. 103 Válka weilte im Frühjahr 1967 für einige Tage in Heidelberg und bedankte sich danach bei Conze für »die freundschaftliche Atmosphäre in Ihrem Seminar und Ihre liebenswürdige Aufnahme« (UAH, Rep. 101, Nr. 82, 20. 5. 1967). Die Annahme der Gegeneinladung nach Brünn konnte Conze mit einer Einladung nach Prag durch Klima und Hroch verbinden, der er im April 1968 nachzukommen gedachte. Nachdem er wegen des Todes seiner Mutter absagen musste, einigte man sich Anfang August auf einen Besuchstermin im Herbst (Conze an Hroch, 29. 4. 1968; Hroch an Conze, 12. 8. 1968 sowie zahlreiche weitere Briefe an und von Hroch und Klima aus diesem Zeitraum). Ob der Besuch nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch Truppen des Warschauer Pakts am 20./21. August stattfinden konnte, geht aus den Unterlagen nicht hervor. 104 Conze u.a., Modernisierung und nationale Gesellschaft (1979). 105 UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 43, Conze an Gerhard A. Ritter, 18. 4. 1978. 106 Ebd., Conze an Gerhard A. Ritter, 9. 10. 1978; Conze an Henryk Samsonowicz, 11. 10. 1979. 107 Conze, Ökumene der Historiker (1981). Aus einem Brief von »Zeit«-Redakteur Karl-Heinz Janßen an Conze vom 3. 10. 1980 (UAH, Rep. 101, Nr. 49) geht hervor, dass Erdmann Conze als Autor empfohlen hatte. 108 Vgl. Erdmann, Die Ökumene der Historiker. Unter demselben Titel erschien sieben Jahre später auch Erdmanns Geschichte der internationalen Historikerkongresse; zum Bukarester Kongress vgl. ebd., S. 366–371, 382f. u. 412–415 109 Conze, Ökumene der Historiker (1981). 110 Sabrow, Das Diktat des Konsenses, S. 280–341. 111 Vgl. nur Berthold u.a., Entwicklungstendenzen im historisch-politischen Denken in Westdeutschland, oder Lozek/Walter, Vom »Dritten Reich« zur Bundesrepublik. 112 Lozek/Loesdau, Der Neonazismus in der westdeutschen Geschichtswissenschaft, S. 796. 113 Schmidt, Rez. zu Conze/Groh, Die Arbeiterbewegung in der nationalen Bewegung. 114 UAH, Rep. 101, Nr. 82, Walter Schmidt an Conze und Groh, 18. 1. 1968. Die Äußerungen Conzes vor dem KUD entnahm Schmidt einer Rundfunkübertragung des Berliner RIAS vom Dezember 1966, die er in seiner Rezension erwähnte.

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115 Brade, Werner Conze und der Heidelberger »Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte«, S. IV u. 188. 116 Berthold u.a., Kritik der bürgerlichen Geschichtsschreibung. 117 Ruge, Rez. zu Conze, Jakob Kaiser, S. 1397. 118 Conze, Die deutsche Geschichtswissenschaft seit 1945 (1977), S. 29. 119 Bericht über die 31. Versammlung deutscher Historiker, S. 25. 120 UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 13, Conze an Zwahr, 28. 3. 1978. Pünktlich zur Wiedervereinigung wurde Zwahr im Oktober 1990 Mitglied im Arbeitskreis. 121 UAH, Rep. 101, Nr. 44, Conze an Engelberg, 26. 4. 1976; Conze bedankte sich hier auch bei Engelberg für dessen »recht wichtigen, gedankenreichen und informativen Aufsatz ›Über die Revolution von oben‹« sowie für dessen »künstlerischen Neujahrsgruß«. 122 Kowalczuk, Legitimation eines neuen Staates, S. 261–265; im Anschluss an den Kongress hatte Engelberg Conze in einem offiziellen Bericht noch als den »wichtigsten Ideologen der sogenannten ›politischen Wissenschaft‹ in Westdeutschland« bezeichnet (zit. nach ebd.). 123 Daran erinnert sich auch Albrecht Conze im Gespräch mit dem Verfasser am 5. Juni 2004. 124 UAH, Rep. 101, Nr. 126, Engelberg an Conze, 23. 7. 1985; Engelberg schloss mit der Bemerkung: »Im übrigen bleibt es dabei, dass 1985 das 30jährige Jubiläum unserer Bekanntschaft ist, daher grüße ich Sie und Ihre liebe Gattin besonders herzlich, auch im Namen meiner Frau«. 125 Ebd., Nr. 12, Siedler an Conze, 7. 1. 1980; Conze an Siedler, 15. 1. u. 11. 3. 1980. 126 Ebd., Nr. 149, Conze an Siedler, 9. 9. 1980. 127 Ebd., Conze an Siedler, 15. 9. 1982. 128 Conze, Ostmitteleuropa (1992), S. 4f. 129 Stephanie Domm, Deutsche im Osten. Werner Conzes Nachlaßwerk, in: NZZ, 19./20. 9. 1992; vgl. auch Sven Papcke, Nation und/oder Europa?, in: Die Zeit, 21. 8. 1992. 130 Heiko Haumann, Ein klar definierter Raum. Werner Conze gibt einen Überblick, in: Frankfurter Rundschau, 4. 5. 1993; schärfer ist Detlev Claussens Besprechung, die am 28. 7. 1994 vom Hessischen Rundfunk ausgestrahlt wurde (UAH, Rep. 101, Nr. 113). 131 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 273–278. 132 Conze, Ostmitteleuropa (1992), S. 151. 133 Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte, S. 277. 134 UAH, Rep. 101, Nr. 159, handschr. Redenotizen zum Vortrag über »Die völkerrechtlich-politische Lage Deutschlands nach den Verträgen 1970« am 30. 7. 1985 im Rahmen des Internationalen Ferienkurses der Heidelberger Universität. 135 Mühle, Für Volk und deutschen Osten, S. 636. 136 Ebd., Nr. 149, Conze an Hermann Rudolph, 16. 4. 1984. Conze lobte hier einen Aufsatz Rudolphs, der sich von dieser Deutung des Kaiserschen ›Brücke-Konzepts‹ abgesetzt hatte.

VIII. Erlebte Zeitgeschichte 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Koselleck, Die Zeiten der Geschichtsschreibung, S. 288; Schüddekopf, Zeitgeschichte, S. 414. Rothfels, Zeitgeschichte als Aufgabe, S. 2. Frei, Zeitgeschichte, S. 336. Rothfels, Zeitgeschichte als Aufgabe, S. 6. Eckel, Hans Rothfels, S. 323. Jessen, Zeitgeschichte im Konfliktfeld der Vergangenheitspolitik, S. 158. Ebd., S. 160–162. Hierzu grundlegend Frei, 1945 und wir. BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Theodor Schieder, 6. 3. 1947 (handschr.).

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Reiner, Ataraxie, Sp. 593. Marc Aurel, Selbstbetrachtungen, S. 76. BArch, N 1188, Nr. 373, Hans Twiehaus an die Gildenbrüder, Juli 1947. Weisbrod, Das Moratorium der Mandarine, S. 268. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. IV, S. 956; Vollnhals, Entnazifierung, S. 58; Niethammer, Entnazifizierung in Bayern, S. 654. Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, S. 127. UAH, Rep. 101, Nr. 106, »Notice of Retention – Benachrichtigung« des Military Government (Control Officer Bird) an die Universität Göttingen vom 17. 4. 1947. Ebd., Entnazifierungs-Entscheidung im schriftlichen Verfahren gegen Werner Conze vom 19. 5. 1949 (Entnazifierungs-Hauptausschuß der Stadt Göttingen). Vollnhals, Entnazifizierung, S. 32f. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. IV, S. 959. UAH, Rep. 101, Nr. 106, Entnazifierungs-Entscheidung im schriftlichen Verfahren gegen Werner Conze vom 19. 5. 1949. Frei, Vergangenheitspolitik, S. 14ff. Vollnhals, Entnazifizierung, S. 64. BArch, N 1188, Nr. 1245, Conze an Schieder, 20. 7. 1954. Vgl. Vollnhals, Entnazifizierung, S. 61. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. IV, S. 957. Lübbe, Der Nationalsozialismus im deutschen Nachkriegsbewusstsein, Zitat S. 594. Marc Aurel, Selbstbetrachtungen, S. 135. Lübbe, Der Nationalsozialismus im deutschen Nachkriegsbewusstsein, S. 587. Frei, Vergangenheitspolitik, S. 9 u. 15; Schwan, Politik und Schuld, S. 69–73. Zur Bedeutungsvielfalt des Begriffs im damaligen Kontext siehe Laak, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens, S. 126–133. Moeller, War Stories, S. 3; dass der von Moeller erwähnte Kollektivschuldvorwurf noch nicht einmal kurzzeitig erhoben worden war, sondern vielmehr als »reflexartige Antizipation« auf ein »durchaus verbreitetes Gefühl der persönlichen Verstrickung« hindeutet, hat Norbert Frei nachdrücklich herausgearbeitet (Von deutscher Erfindungskraft, Zitat S. 147). BArch, N 1226, Nr. 52, Conze an Reinhard Wittram, 19. 10. 1952. Conze, Die Geschichte der 291. Infanterie-Division (1953), Verlagsankündigung neben dem Titelblatt. Ebd., S. 35, 47 bzw. 79. Hubatsch, 61. Infanterie-Division, Zitat S. 79. Beer, Im Spannungsfeld von Politik und Zeitgeschichte, Zitat S. 345. Vgl. Moeller, War Stories, S. 51–87 Beer, Im Spannungsfeld von Politik und Zeitgeschichte, S. 352. Außer Schieder gehörten diesem noch Hans Rothfels, Rudolf Laun und Peter Rassow an. Zu dem mit der Erstellung der einzelnen Bände beschäftigten Arbeitsstab zählten zeitweise auch Martin Broszat, Kurt Kluxen und Hans-Ulrich Wehler. Conze, Die Dokumentation der Vertreibung (1954), S. 236f. Vgl. seinen Schriftwechsel mit Schieder in BArch, N 1188, Nr. 3004. Ebd., Conze an Schieder, 10. 10. 1957 u. 30. 1955. Beer, Im Spannungsfeld von Politik und Zeitgeschichte, S. 378–380. Frei, Mythos Stalingrad, S. 102. Möller, Das Institut für Zeitgeschichte Gemeinsam mit Franz Schnabel, Ludwig Dehio, Hans Speidel und Karl Dietrich Erdmann fungierte Conze an der Seite von Rothfels und Eschenburg als Mitherausgeber der VfZ. Zwischen 1958 und 1968 gehörte er zudem dem wissenschaftlichen Beirat des IfZ an, ohne jedoch tie-

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fere Spuren in der Arbeit des Instituts zu hinterlassen. 1968 schrieb er Rothfels, dass er »leider in den vergangenen Jahren kein wirklich aktives Mitglied des Beirats gewesen« und sein Ausscheiden aus dem Gremium daher »wohl sinnvoll« sei (BArch, N 1213, Nr. 50, Conze an Rothfels, 28. 6. 1968). BArch, N 1213, Nr. 46, Conze an Rothfels, 6. 3. 1952. Dabei machte er aus seiner Skepsis gegenüber dem Begriff der Zeitgeschichte keinen Hehl, ohne jedoch mit wirklich überzeugenden Gegenvorschlägen aufwarten zu können: »Ich halte Begriff und Wortbildung nicht für glücklich. Wäre nicht u.U. zu überlegen, ob man im Titel etwas anderes dafür setzen könnte? Nur ›Politik‹? Oder ›20. Jhd.‹? Oder ›Geschichte unserer Zeit‹?«. Ebd., Conze an Rothfels, 26. 5. 1952. Ebd., Conze an Rothfels, 22. 7. 1952. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. IV, S. 516; Patch, Heinrich Brüning and the Dissolution of the Weimar Republic, S. 330. So Rothfels in einem zwischen 1931 und 1933 entstandenen und wiederholt überarbeiteten Vortragsmanuskript über den »Staatsgedanken«, zit. nach Eckel, Hans Rothfels, S. 164f. Dabei fügte er hinzu: »Auch auf vieles andere, worauf heute nicht mehr gehofft wird. Trotzdem bleibt sie uns. Sie verbindet sich für mich mit dem Dank an Sie – seit 1931« (BArch, N 1213, Nr. 171, Conze an Rothfels, 8. 4. 1971). Eckel, Hans Rothfels, S. 167f; zur damaligen politischen Einstellung Ritters, der die Notverordnungspolitik Brünings ebenfalls begrüßte, siehe Cornelißen, Gerhard Ritter, S. 179–192. Conze, Jugendbewegung (1950). Nach dem Krieg hatte dies auch eine ganz praktische Bedeutung, wie ein Blick in sein Entnazifizierungszeugnis zeigt. Dort stand geschrieben: »Prof. Conze hat der ›Bündischen Jugend‹ angehlrt [sic], die der Hitlerjugend und dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüber gestanden [sic]« (UAH, Rep. 101, Nr. 106, Entnazifierungs-Entscheidung im schriftlichen Verfahren gegen Werner Conze vom 19. 5. 1949, Entnazifierungs-Hauptausschuß der Stadt Göttingen). Conze, Jugendbewegung (1950), S. 10. Conze, Die Krise des Parteienstaates in Deutschland 1929/30, (1954), S. 48. Ders., Die deutschen Parteien in der Staatsverfassung vor 1933 (1960), S. 318. Ebd., S. 327f. Ebd., S. 332f. Ebd., S. 337f. Ebd. Josef Halperin, Das Ende der deutschen Parteien 1933, in: NZZ, 21. 1. 1961. UAH, Rep. 101, Nr. 128, Carl Schmitt an Conze, 22. 10. 1960. Vgl. Conze, Papens Memoiren (1953). Dabei milderte er seinen kritischen Vorstoß im Anschluss schmeichelnd ab: »Ich erbitte diese Erläuterung von einem der wenigen Historiker, der den Mut gefunden, die Katastrophe von 1945 in einem weiten geschichtlichen Rahmen zu sehen und sie nicht einem ›Sündenbock‹ aufzuerlegen, was soviel mehr dem ›Zeitgeist‹ entspricht« (UAH, Rep. 101, Nr. 131, Franz von Papen an Conze, 2. 8. 1960, kursiv im Original unterstrichen). Ebd., Conze an Papen, 22. 10. 1960; dazu die Replik Papens vom 25. 10. 1960. Ebd., Papen an Gustav Krukenberg, 16. 12. 1965. Krukenberg war ein Cousin Conzes. In einer Weihnachtskarte an Conze schrieb der frühere Reichskanzler: »Bin froh, dass unsere Diskussionen für beide Seiten nützlich waren und freue mich auf ein neues Treffen, wenn wir von Tenerife zurück sind. Meinen Handkuß der verehrten Gattin u[nd] viele Grüße meiner Töchter« (ebd., 21. 12. 1965). Ob es zu einem erneuten Treffen mit dem greisen Papen, der dreieinhalb Jahre später starb, kam, ist nicht bekannt. Frei, Epochenjahr 1933, S. 87.

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Bracher, Zwischen Geschichts- und Politikwissenschaft, S. 22–24. Frei, Abschied von der Zeitgenossenschaft, S. 48. Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, S. XVIII–XXI. Ders., Auflösung einer Demokratie. Conze, Rez. zu Bracher, Auflösung einer Demokratie (1953). Ders., Rez. zu Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik (1957), S. 379f. Hier warf Conze Bracher vor, »in seiner Tendenz, Brüning ›auf dem Weg zum autoritären Staat‹ zu zeigen, nicht überall vorurteilsfrei« zu verfahren; Rez. zu Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik (1957), S. 379f. Conze, Rez. zu Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, 2. Aufl. (1959), S. 408. Bezeichnend ist hierbei, dass Conze in seiner erneuten Rezension zur Zweitauflage des Werkes ausdrücklich einige andere Vorwürfe relativierte und Formulierungen zurücknahm, die Kritik an der Wertung Brünings aber noch verschärfte. Seine methodischen Bedenken blieben weiter bestehen und wurden auch in seiner Besprechung von Brachers gemeinsam mit Wolfgang Sauer und Gerhard Schulz verfasstem Werk zur nationalsozialistischen Machtergreifung noch einmal aufgewärmt; Conze, Rez. zu Bracher u.a., Die nationalsozialistische Machtergreifung (1961). Sein umfassendster Beitrag dazu ist sein Resümee am Ende des Sammelbands »Die Staats- und Wirtschaftskrise des Deutschen Reichs 1929/33«, der 1967 als Resultat mehrerer Tagungen des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte erschien; Conze, Die politischen Entscheidungen in Deutschland 1929–1933 (1967). Hömig, Brüning, S. 427–543. Conze, Brünings Politik unter dem Druck der großen Krise (1964), S. 531f. Er fügte dabei – Conzes Ansichten zusammenfassend – hinzu: »Wir unterhielten uns u.a. dann noch über Brüning und sein Verhältnis zur Macht. Brüning war das nicht, was Adenauer ist. Ein Zauderer [aber], das war er [auch] nicht; er zögerte schon, weil er bedachtsam war. Er hätte von der Macht mehr Gebrauch gemacht, wenn seine Position nicht so schwach gewesen wäre. Die Rechte und der Reichspräsident versagten; die Linke, die SPD sprang ein; doch Hindenburg entließ ihn.« (Krone, Tagebücher, Bd. II, S. 435.) Conze, Die Regierung Brüning (1967), Zitate S. 234, 237 u. 245. An der von Ferdinand A. Hermens und Theodor Schieder herausgegebenen Festschrift beteiligten sich auch die Politologen Ernst Fraenkel und Carl Joachim Friedrich. Ders., Zum Sturz Brünings (1953). Rudolf Morsey, Mehr Monarchist als Zentrumsmann. Die glanzlosen Memoiren des Reichskanzlers Heinrich Brüning, in: FAZ, 5. 11. 1970. Albert Müller, Der andere Brüning. Eine zeitgeschichtliche Diskussion, in: NZZ, 21. 2. 1971. Ähnlich ernüchtert Karl Otmar Freiherr von Aretin, Ein Reichskanzler im Wettlauf mit der Zeit. Die Memoiren Heinrich Brünings aus den Jahren 1918 bis 1934, in: SZ, 9./10. 1. 1971; Gerhard Schulz, Erinnerungen an eine mißlungene Revolution. Heinrich Brüning und seine Memoiren, in: Stuttgarter Zeitung, 8. 5. 1971. Bracher, Brünings unpolitische Politik und die Auflösung der Weimarer Republik, S. 113f. Ebd., 123. UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 9, Conze an Bernhard Mann, 8. 2. 1971; vgl. Conze an Rothfels, 8. 4. 1971 (BArch, N 1213, Nr. 171). Conze, Brüning als Reichskanzler (1972), S. 311–314; dabei fügte er in Bezug auf seine grundsätzliche Position hinzu: »Die Brüning-Memoiren widerlegen keineswegs die der WegbereiterThese entgegenstehende Einsicht, dass die ›Krise des Parteienstaats‹ auf Grund der Funktionsschwäche des parlamentarischen Systems der 20er Jahre in der Belastung durch die ansteigende Wirtschaftskrise sich akut zuspitzte, woraus sich nicht nur politische Notmaßnahmen, sondern auch Verfassungsreformpläne ergeben mussten, und dass relativ nahe bevorstehende

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Möglichkeiten für ein Ausbrechen aus dem circulus vitiosus der deutschen Staats- und Wirtschaftskrise durch den Sturz Brünings abgebrochen worden sind«. Conze, Die Reichsverfassungsreform als Ziel der Politik Brünings (1972), S. 217. UAH, Rep. 101, Nr. 152, Conze an Wehler, 21. 7. 1972. Ebd., Nr. 144, Conze an Becker, 31. 7. 1980. Bei Beckers Beitrag handelte es sich um den Aufsatz »Brüning und das Scheitern der konservativen Alternative« (in APZ 22/1980). Conzes relatives Desinteresse wird dadurch untermauert, dass er im folgenden Satz schrieb: »Ihren Aufsatz über die deutsche Frage habe ich dagegen sofort mit großer Spannung und vorwiegend auch mit Zustimmung gelesen.« Die Beiträge bei Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 1075f. Borchardt war seit Oktober 1965 Mitglied des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte. Conze, Zum Scheitern der Weimarer Republik (1983), S. 217–219. Vgl. Gellately, Hingeschaut und Weggesehen. Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. IV., S. 598; vgl. auch ders., Das analytische Potential des Charisma-Konzepts. UAH, Rep. 101, Nr. 106, Entnazifierungs-Entscheidung im schriftlichen Verfahren gegen Werner Conze vom 19. 5. 1949. Eckel, Intellektuelle Transformationen im Spiegel der Widerstandsdeutungen. Ders., Hans Rothfels, S. 243–263, Zitat S. 263. Ders., Intellektuelle Transformationen im Spiegel der Widerstandsdeutungen, S. 140. Frei, Erinnerungskampf, S. 129f. Conze, Die deutsche Opposition gegen Hitler (1953). UAH, Rep. 101, Nr. 93, »20. Juli 1964« (masch.-schr. Ms., o. Datum), S. 15. Ebd., Nr. 97, Verzeichnis der Vorlesungen und Übungen in Göttingen und Münster (handschr.). BArch, N 1226, Nr. 53, Conze an Wittram, 18. 12. 1953 (Kursiv im Original unterstrichen). An der Heidelberger Universität bildete der Nationalsozialismus vor allem zwischen 1958 und 1964 ein häufiges Thema von Conzes Vorlesungen; danach berührte er ihn nur noch dreimal (1968, 1974/75 und 1984) in zeitlich breiter angelegten Zyklen zur deutschen und europäischen Geschichte (vgl. die Vorlesungsverzeichnisse im UAH). Dabei betonte er im Vorwort: »Hier ist die Nachwirkung des furchtbaren Geschehens noch bis heute auch den Nachgeborenen am unmittelbarsten spürbar. Hier galt daher mit betonter Bewußtheit die Grundforderung jeder Geschichtslehre: Verstehen, um zu erkennen, nicht aber aus risikolosem Abstand nachträglich cum ira et studio zu verdammen oder verharmlosend und ausweichend zu entschuldigen«; Der Nationalsozialismus II 1934–1945 (1962), S. 1. Ebd., S. 86. Ebd., S. 92–104. Conze, Die deutsche Nation (1963), S. 114. Ebd., S. 134f. Ebd., S. 136–144. H. Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, S. 19. Bollmus, Das Amt Rosenberg, S. 250. In seinem Nachwort zur zweiten Auflage von 2006 bekennt sich der Autor zu Conze als einem »Lehrer der Demokratie« (S. 375). Zur Forschungskontroverse zwischen »Funktionalisten« und »Intentionalisten« siehe Kershaw, Der NS-Staat, S. 112–147. Kater, Das »Ahnenerbe« der SS, S. 7. Ebd., S. 358. Streit, Keine Kameraden. UAH., Rep. 101, Nr. 103, Gutachten Conzes über die Dissertation Christian Streits (o.D.). Der eigene Erfahrungshintergrund mag bei seinem folgenden Einwand gegenüber Streit eine Rolle

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gespielt haben: »[Streit] neigt dazu, hier eine weitgehende Identifizierung der Truppe mit einer ›nationalsozialistischen‹ Auffassung und Praxis des Krieges anzunehmen. Er hat dabei eine Tendenz des Rußland-Krieges sicher richtig erkannt, nämlich die bedenkenlose, kaum reflektierte Identifizierung, die in der Grausamkeit oder mindestens Gleichgültigkeit vieler Heeresangehöriger gegenüber Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung zum Ausdruck kam. Er hat dabei aber die mindestens ebenso starke, entgegengesetzte Tendenz übersehen oder verringert: die passive Resistenz gegenüber der Vernichtungsideologie, die Unkenntnis der die Gefangenen betreffenden harten Befehle, die praktisch weithin auf dem Wege von der obersten Führung nach unten hin ›versackten‹, und das natürliche und menschliche Verhalten des ›normalen‹ Soldaten im Gegensatz zur ›Herrenmenschen‹-Moral« (Kursiv im Original unterstrichen). Conze ließ sich von diesem und weiteren, weitgehend formalen Kritikpunkten jedoch nicht davon abhalten, die Arbeit als sehr gut zu bewerten. Niethammer, Entnazifizierung in Bayern. Bollmus, Das Amt Rosenberg, S. 375 (Nachwort von 2006). Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 598. Conze, Staats- und Nationalpolitik (1983), S. 453. So Wehlers treffende Verwendung des von Max Weber in den soziologischen Diskurs eingeführten Goetheworts (Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, S. 598). Vgl. UAH, Rep. 101, Nr. 124, Chronik des Rotary Clubs Heidelberg-Schloß anläßlich der 25jährigen Charterfeier (1996). Ebd., Nr. 89, »8. 5. 1945 – Ende des Zweiten Weltkriegs« (masch-schr. Ms., o.D.), S. 3.

IX. Die Leerstelle 1 Diner, Gegenläufige Gedächtnisse. Mit dem Begriff Zivilisationsbruch lassen sich nach Diner zwei Perspektiven vereinen: die partikulare, »von den Juden als Juden gemachte Erfahrung, allerorts und allein ihrer bloßen Zugehörigkeit, ihrer bloßen Abstammung wegen, also grundlos einer totalen Vernichtung überantwortet zu werden«, sowie der universal-singuläre »Umstand der Vernichtung von Menschen durch Menschen als Durchbrechung aller bisher als gewiss erachteten ethischen und instrumentellen Schranken von Handeln« (ebd., S. 13f.); vgl. auch ders., Den Zivilisationsbruch erinnern; Zivilisationsbruch, Gegenrationalität, »Gestaute Zeit«. Eine geistesgeschichtliche Würdigung der – vorwiegend deutsch-jüdischen – Intellektuellen, auf die die Vorstellung des Zivilisationsbruchs zurückgeführt werden kann, bieten die Beiträge in ders., Zivilisationsbruch, sowie Traverso, Auschwitz denken. 2 Jarausch, Die Umkehr, S. 23. 3 Herf, The Holocaust and the Competition of Memories in Germany; ausführlich dazu ders., Zweierlei Erinnerung. 4 Frei, Deutsche Lernprozesse, S. 37. 5 Kwiet, Judenverfolgung und Judenvernichtung, S. 237; vgl. auch Kulka, Die deutsche Geschichtsschreibung. 6 Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker. 7 Grundlegend hierzu Bartov, Germans as Jews. 8 Benjamin, Über den Begriff der Geschichte, S. 254. 9 Laut Amos Funkenstein besteht die Methode der ihrer Funktion nach polemischen Gegengeschichten darin, »die bewährtesten Quellen des Gegners entgegen ihrer Intention zu verwenden« (Jüdische Geschichte und ihre Deutungen, S. 39). 10 Derrida, Marx’ Gespenster, Zitate S. 20, 239 u. 25. Anders als Derrida hat Lyotard den Holocaust zum Ausgangspunkt einer von der Abwesenheit ausgehenden dekonstruktiven Denkbewegung gemacht, dabei jedoch vom spezifischen Opferstatus der Juden in historisch unzuläs-

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siger Weise Abstand genommen und deren konkretes Schicksal als das einer unbestimmten »Schar von Seelen« abstrahiert (Heidegger und »die Juden«). Generell zum Umgang postmoderner Denker mit dem Holocaust: Bialas, Die Shoah in der Geschichtsphilosophie der Postmoderne. Burgauer, Zwischen Erinnerung und Verdrängung, S. 16–20. Nicht mitgerechnet sind dabei die jüdischen Flüchtlinge aus Osteuropa (Displaced Persons), deren Zahl sich Ende 1947 auf ca. 200000 Menschen belief. Die meisten von ihnen verließen Deutschland jedoch bald wieder. Stern, Jews in the Minds of Germans, S. 9. Kwiet, Judenverfolgung und Judenvernichtung im Dritten Reich, S. 237. Zur Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945: Kauders, Unmögliche Heimat; Burgauer, Zwischen Erinnerung und Verdrängung; Brumlik, Jüdisches Leben in Deutschland seit 1945; die unmittelbare Nachkriegszeit behandelt Brenner, Nach dem Holocaust. Kauders, Unmögliche Heimat, S. 14–24. Stern, Im Anfang war Auschwitz; ders., Jews in the Minds of Germans, S. 11. UAH, Rep. 101, Nr. 106, Entnazifierungs-Entscheidung im schriftlichen Verfahren gegen Werner Conze vom 19. 5. 1949. BArch, N 1213, Nr. 186, Conze an Rothfels, 6. 6. 1946. Aus dem Brief geht hervor, dass seit neun Jahren kein Kontakt mehr zwischen ihnen bestanden hatte. Ebd., Wittram an Rothfels, 8. 9. 1946. Wittrams im weiteren Verlauf eher amorph gehaltenes Schuldbekenntnis gestaltete sich in seiner christlichen Aufladung alles andere als unproblematisch. So hieß es da: »Gerade weil wir unser Schicksal als ein Gericht Gottes erlebt haben und jeder von uns sein Teil an Schuld auf sich nehmen muß, glauben wir an einen Sinn des Geschehenen und Geschehenden weit über menschliches Begreifen hinaus.« Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 233–241. Berg zufolge leisteten derartige Bekenntnisse – wie sie außer von Wittram auch von Hermann Heimpel und Fritz Ernst vorliegen – bei all ihrer Problematik doch nicht wenig, insofern sie den Nationalsozialismus als für die Gegenwart bedeutsam interpretierten, »als ständige Aufgabe für die Erinnerung des Einzelnen und für das kollektive Gedächtnis« (ebd., S. 241). Vgl. den disparaten und bruchstückhaft überlieferten Briefverkehr bis Mitte der fünfziger Jahre in BArch, N 1213, Nr. 1, 46, 47, 158, sowie UAH, Rep. 101, Nr. 41. Inwieweit die getrennten Vergangenheiten im persönlichen Gespräch eine Rolle spielten, lässt sich freilich nicht klären. Erstmals wäre dies 1949 möglich gewesen, als sich Conze und Rothfels in Göttingen trafen. BArch, N 1213, Nr. 158, Conze an Rothfels, 5. 4. 1951. Bereits Kwiet hat festgestellt, dass Rothfels’ »Assimilation […] offenbar so vollständig war, dass sie keinerlei Bindungen an das Judentum mehr zuließ«; Judenverfolgung und Judenvernichtung im Dritten Reich, S. 295, Anm. 5. Diesem Befund hat die neuere Forschung nichts hinzugefügt. Vgl. Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 143–189, Zitat S. 146; ders., Hidden Memories and Unspoken History. Rothfels, Vorbemerkungen zum Augenzeugenbericht zu den Massenvergasungen. Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 337. Rothfels, Vorbemerkungen zum Augenzeugenbericht zu den Massenvergasungen, S. 178. Kulka, Die deutsche Geschichtsschreibung, S. 609. Hans Mommsen hat es zu Recht als »grotesk und taktlos« bezeichnet, Rothfels vorzuhalten, »sich mit seiner jüdischen Herkunft nicht auseinandergesetzt zu haben« (Auf dem Prüfstand. Der Historiker Hans Rothfels, der deutsche Widerstand und die schwere Erbschaft des »Dritten Reiches«, in: FAZ, 22. 10. 2005 [Rez. zu Jan Eckel, Hans Rothfels]). Conze hat in seiner ausführlichen Würdigung Rothfels’ von 1983 einen wichtigen Aspekt an-

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gedeutet, demnach auch die Überwindung des persönlichen Traumas des aus Deutschland Vertriebenen im Hintergrund seiner Nachkriegsaktivitäten gestanden habe: »Die deutschen Widerstandskräfte gegen das nationalsozialistische Regime zu erkennen, war für Rothfels von existentieller Bedeutung, befreiend und lösend; denn es ermöglichte ihm, das Verhältnis zu seiner befleckten Nation aufs Neue zu vertiefen« (Hans Rothfels, S. 346). Vgl. Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 160–174. Conze, Geschichte in Ideen und Personen (1976). Ders., Die deutsche Opposition gegen Hitler (1953), S. 210. Ders., Die Dokumentation der Vertreibung (1954), S. 236f. Mühle, Für Volk und deutschen Osten, S. 594. Mühle weist auch darauf hin, dass Aubin den Völkermord »in fast schon zynischer Weise« verharmloste, wenn er 1956 davon sprach, »dass Hitler ›eine Entmischung der Volkstümer – nicht ohne Gewaltsamkeit gegen Undeutsche – eingeleitet‹ habe«. Conze, Die Dokumentation der Vertreibung (1954), S. 237. Rothfels, Vorbemerkungen zum Augenzeugenbericht zu den Massenvergasungen, S. 178. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch die folgende Verquickung von Rothfels mit dem deutschen Vertriebenenschicksal bei gleichzeitiger Aussparung des Holocaust: »Versank die Achtung vor geschichtlich entstandenen Gegebenheiten, die Anerkennung von ›Heimat‹, dann drohte für ihn [1930/33] das Gespenst gewaltsamer ›Flurbereinigung‹. Als diese im und nach dem zweiten Weltkrieg in einem vorher unvorstellbar gewesenen Ausmaß tatsächlich stattfand, hat Rothfels sofort Stellung genommen und später an der ›Dokumentation der Vertreibung‹ maßgebend mitgearbeitet«; Conze, Hans Rothfels (1983), S. 325. Conze würdigt in seinem langen biographischen Abriss zwar das »Erbe einer jüdischen Familie« (S. 311) und zeichnet Rothfels’ Vertreibung aus dem Amt und den Gang ins Exil einfühlsam nach, ohne aber die bald darauf erfolgte Vernichtung der europäischen Juden auch nur zu erwähnen (S. 330–340). Conze, Deutsche Einheit (1956), S. 5f. Ebd., S. 6 (kursiv vom Verf.). Herf, Zweierlei Erinnerung, S. 18. Conze, Tag der deutschen Einheit (1959), S. 8; in einer längeren, in Buchform publizierten Fassung aus dem Jahr 1960 ging er zwar etwas ausführlicher auf die »national-revolutionäre Bewegung Hitlers« ein und nannte dabei auch dessen »Wahngebilde einer jüdischen Weltverschwörung«; auf die konkreten Folgen des letzteren verwandte er allerdings ebensowenig ein Wort wie auf die Beteiligung des deutschen Volkes, das sich bereits im Krieg vom Nationalsozialismus abgewandt habe (Der 17. Juni [1960], S. 470f.). Ders., Tag der deutschen Einheit (1959), S. 9 u. 19. Conze, Ostmitteleuropa im deutschen Geschichtsbild (1958). Conze, Die Wirkungen der liberalen Agrarreformen auf die Volksordnung in Mitteleuropa (1949/50), S. 207. Weiter hinten im Text schrieb er vom dem »in diesem Ausmaß nur für Ungarn typischen Vorgang des Eindringens des Judentums in den ländlichen Güterbesitz« (S. 215). Ders., Die Strukturkrise des östlichen Mitteleuropas (1953), S. 405 u. 416. Auch in seinem 1955 publizierten Vortrag »Agrargesellschaft und Industriegesellschaft in Ostmitteleuropa« kommen Juden nicht vor. Ders., Ostmitteleuropa im deutschen Geschichtsbild (1958), S. 150–154. Helmut Schmidt, Ansprache in Auschwitz-Birkenau am 23. 11. 1977, in: Bulletin der Bundesregierung, Nr. 125, 8. 12. 1977, S. 1159. Kocka, Sozialgeschichte zwischen Strukturgeschichte und Erfahrungsgeschichte (1986), S. 68; ders., Werner Conze und die Sozialgeschichte (1986), S. 595. Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters (1957), S. 6.

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51 Ebd., S. 12f. 52 Hans Freyers »Weltgeschichte Europas« und Otto Brunners »Europäische Sozialgeschichte« hatten da ihre Spuren hinterlassen, wo einstmals nur deutscher Boden beackert worden war. 53 Safranski, Ein Meister aus Deutschland, S. 437. 54 Vgl. Traverso, Auschwitz denken, S. 150–180; hier auch der berechtigte Einwand gegenüber einer Gleichstellung von Auschwitz und Hiroshima (ebd., S. 168f.) 55 Das Ge-Stell (unveröffentl. Vortrag), S. 4; hier zit. nach Traverso, Auschwitz denken, S. 23. 56 Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters (1957), S. 17. 57 Siehe hierzu Traverso, Auschwitz denken, S. 69–81. 58 Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters (1957), S. 17; in ähnlicher Weise subsumierte Conze den nicht genannten Holocaust fünf Jahre darauf in einem Vortrag zum Verhältnis von Technik und Gesellschaft unter einen weit gefassten Trend: »Wir haben erfahren, dass die Hoffnung auf den Fortschritt zum absoluten Glauben an Technik und Gesellschaft gesteigert wurde und zur Vergötzung dieser beiden Größen zur Rechtfertigung für furchtbare Unmenschlichkeiten im Kampf um imaginäre Endziele geworden ist. Und weiter haben wir erfahren, dass der Krieg mit Hilfe der fortschreitenden Technik seit 1914 zu maßloser Massenvernichtung geführt hat und heute in seiner technischen ›Vollkommenheit‹ zur vollständigen Vernichtung der Menschheit führen kann«; Technik und Gesellschaft in der Geschichte (1962), S. 835f. 59 Vgl. Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 509–615. 60 H. Mommsen, Die Realisierung des Utopischen. 61 Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 563; vgl. auch Herbert, Vernichtungspolitik, S. 20f., wo den Strukturalisten immerhin zugestanden wird, trotz ihrer »dogmatischen Verengungen« einen »anderen, schärferen und zugleich weiteren Blick auf die nationalsozialistische Massenvernichtungspolitik, ihre Ursachen und ihre Auswirkungen« bewirkt zu haben. 62 Vgl. die Gegenkritik Mommsens (Zeitgeschichtliche Kontroversen, v.a. S. 18f.); zur Diskussion um Martin Broszat: Frei, Martin Broszat. 63 Krause, Der Eichmann-Prozeß in der deutschen Presse; der Prozessverlauf und seine internationalen Resonanz bei Cesarani, Adolf Eichmann.; Burgauer, Zwischen Erinnerung und Verdrängung, S. 83–85. 64 Herbert, Vernichtungspolitik, S. 13f. 65 Ebd., S. 13; für eine kritische Bestandsaufnahme des »dokumentarischen Prinzips« siehe Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 323–370. 66 Conze, Der Nationalsozialismus II 1934–1945 (1962), S. 64–74. 67 Ebd., S. 1. 68 Ebd., S. 75–85. 69 Dabei hatte Conze die Geschichte des deutschen Widerstands – als zu großes Thema – explizit ausgeklammert (Der Nationalsozialismus II 1934–1945 [1962], S. 1); in seinem ansonsten gegenüber der Erstauflage unveränderten Vorwort der Neuauflage von 1984 lautete sein letzter Satz: »Die Geschichte des Widerstands selbst ist von so großer Bedeutung, dass sie nicht mit wenigen Texten abgetan werden kann, sondern eine eigene Dokumentation erfordert« (Der Nationalsozialismus 1934–1945, S. 2). 70 Mann, Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, S. 864, 899, 931; vgl. hierzu Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 397–405. 71 Conze, Die deutsche Nation (1963), S. 141 (kursiv v. Verf.). 72 Ders., S. 141f. 73 Ebd., S. 144f. 74 Frei, Von deutscher Erfindungskraft. 75 Conze, Die deutsche Nation (1963), S. 149.

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76 Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 269; zum Begriff der ›Vergangenheitsbewältigung‹ siehe ebd., S. 201–204. Conze bemerkte, dass es unmöglich sei, »die Vergangenheit zu ›bewältigen‹«, und es sich gegenüber »solchen Modeworten ziemte«, »Zurückhaltung zu üben«; Die deutsche Nation (1963), S. 148. Noch Ende der siebziger Jahre schrieb er despektierlich von einem »Strudel der ›Vergangenheitsbewältigung‹« nach 1945; Conze, Das Kaiserreich von 1871 als gegenwärtige Vergangenheit (1979), S. 45. 77 Conze, Die deutsche Nation (1963), S. 150; dabei fügte er noch im Pathos eines eigentümlichen Kulturpessimismus hinzu: »Es ist auch in früheren Zeiten menschlich gewesen, der Anerkennung von Schuld und Buße auszuweichen. Wieviel näher liegt das in unserer Zeit abnehmender christlicher Durchdringung des privaten und des öffentlichen Lebens!« 78 Schwan, Politik und Schuld. 79 UAH, Rep. 101, Nr. 27, Rotes Forum 6/69 (15. 12. 1969), S. 31–34; die Redakteure waren Dieter Hildebrandt, Joscha Schmierer, Gerd Steffens und Brigitte Steinmüller. 80 Die anderen beiden in diesem Kontext relevanten Texte über die »weißrussische Frage in Polen« und die »ländliche Übervölkerung in Polen« waren den Studenten wohl nicht bekannt. 81 UAH, Rep. 101, Nr. 27, »Kruzifix und Elchschaufel – zur Rektorwahl am Samstag«, SDS, 28. 1. 1970. 82 So erinnert sich sein damaliger Assistent Wolfgang Schieder, dass es ihm, nachdem er es schon zuvor »aus einer gewissermaßen professionell abgesicherten Distanz […] immer wieder versucht« habe, ebensowenig wie seinen Kollegen zu jener Zeit gelungen sei, Conze »zum autobiographischen Reden über das ›Dritte Reich‹ zu bringen« (Keine Fragen, keine Antworten?, S. 303). An anderer Stelle bemerkt Schieder, »dass Conze sich zwar mit uns unterhalten hat, aber immer gleich ins allgemeine abgelenkt und über die ›ethnische Gemengelage in Polen‹ und die sich daraus ergebenen Spannungen, aber nicht eigentlich über seine früheren Einlassungen dazu gesprochen hat«; in: Hohls/Jarausch, Versäumte Fragen, S. 288. Dies bestätigt mit Ulrich Engelhardt auch ein weiterer damaliger Assistent Conzes. 83 UAH, Rep. 101, Nr. 27, »Erklärung« von Hans Rothfels vom 29. 1. 1970. 84 UAH, Rep.101, Nr. 25, »Viel Lärm um Wenig – Ein Historiker begegnet seiner Vergangenheit« von Dr. Horst Krautkrämer, masch.-schr. Ms. (7S.), Süddeutscher Rundfunk/Sendestelle Heidelberg-Mannheim, Sendung am 5. 2. 1970. 85 Hildebrandt, »… und die Studenten freuen sich!«, S. 170. 86 Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 438–441; Herbert, Vernichtungspolitik, S. 17. 87 Diner, Der Krieg der Erinnerungen, S. 47f. 88 Hildebrandt, »… und die Studenten freuen sich!«, S. 169. 89 UAH Rep. 101, Nr. 27, »Kruzifix und Elchschaufel – zur Rektorwahl am Samstag«, SDS, 28. 1. 1970. 90 So wurde Rothfels und Conze dort etwa die »ihnen beiden eigene Bereitschaft« vorgeworfen, »Geschichtswissenschaft ideologisch den jeweiligen Bedürfnissen des Kapitals unterzuordnen«. An anderer Stelle hieß es: »Das deutsche Kapital hatte sich den Nazismus als Regime geschaffen, das seine Herrschaft in der Krise sichern sollte, und obwohl es 1945 für die deutschen Kapitalisten peinlich war, sich unter dem Druck der Niederlage mit den Siegern zu arrangieren, hat sich am BRD-Kapitalismus und seinen imperialistischen Gelüsten nichts geändert« (ebd., Nr. 26, »Historikerflugschrift 1« der Institutsgruppe Geschichte vom 7. 5. 1970 (»Kritik der Geschichtswissenschaft am Beispiel CONZE [1]«). 91 Ebd. (kursiv v. Verf.). 92 Koselleck, Werner Conze, S. 540. 93 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch die Erinnerung des damaligem Assistenten Hans Mommsen, demzufolge Conzes NS-Vergangenheit keine zentrale Rolle bei den hochschulpolitischen Auseinandersetzungen gespielt habe: »Angesichts des weit gespannten Fa-

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schismus-Begriffs der studentischen Linken erübrigte sich der detaillierte Nachweis, mit dem Nationalsozialismus sympathisiert zu haben, um konservativ eingestellte Hochschullehrer anzugreifen. Im Grunde richtete sich der Faschismusverdacht gegen alles, was als bürgerlich gelten konnte«; in Hohls/Jarausch, Versäumte Fragen, S. 179. Améry, Der ehrbare Antisemitismus, S. 131f. Vgl. etwa Kloke, »Das zionistische Staatsgebilde als Brückenkopf des Imperialismus«; ders., Israel und die deutsche Linke; Aly, Unser Kampf, S. 159–168. UAH, Rep. 101, Nr.27, Rote Kommentare vom 20. 2. 1970, hg. v. SDS, »Aufruf zur PalästinaDemonstration am Montag« (kursiv im Original unterstrichen). Weiter unten im Text hieß es: »Die alten Nazis und ihre ehemaligen Opfer reichen sich heute die Hände, weil sie gemeinsam ein neues Opfer gefunden haben.« Im Nachlass Conzes finden sich weitere antizionistische Flugblätter des Heidelberger SDS und anderer studentischer Organisationen (ebd., Nr. 25, 27). Kloke, Israel und die deutsche Linke, S. 77. Zit. nach Jochen Staadt, Nicht unter 200 Anschlägen pro Minute. Hans-Gerhart Schmierer und der »Kommunistische Bund Westdeutschlands«, in: FAZ, 31. 1. 2001; 1975 begrüßte Schmierer palästinensische Terroraktionen gegen Israel als »schweren Schlag« für die »innere Festigkeit des zionistischen Staates« (zit. nach Eckart Lohse u. Stephan Löwenstein, Im Auswärtigen Amt regt man sich über Joscha Schmierer nicht auf. Vom Sektierer zum »Realo«-Außenpolitiker, in: FAZ, 7. 3. 2001). Unmittelbar davor wurde kritisiert, dass laut Conze »die palästinensischen Volksmassen, die seit Jahrzehnten aus ihrem Land in Flüchtlingslager vertrieben sind und nun nahezu täglich von israelischen Vergeltungstrupps heimgesucht werden«, »›Terror‹« verüben würden, und »nicht die Zionisten« (UAH, Rep. 101, Nr. 23, »Musterbeispiel der Klassenjustiz. Der Prozeß gegen drei Historiker«, hg. von der Zelle Geschichte der KHG HD, 2. 12. 1974, darin S. 17–20). Ebd., Nr. 82, Conze an Walter Grab, 20. 6. 1967; Grab an Conze, 11. 8. 1967. Im Vorfeld einigte man sich nach Bedenken Grabs hinsichtlich einer Störung durch arabische Studenten (ebd., Grab an Conze, 12. 9. 1967) darauf, den Vortrag nicht vom AStA, sondern vom Historischen Seminar ausrichten zu lassen, damit Conze es – in seinen Worten – »als Diskussionsleiter und ›Hausherr‹ in der Hand haben« würde, »dass die Diskussion nicht ausgleitet« (ebd., Conze an Grab, 19. 9. 1967). Dass seine Sorgen nicht unberechtigt waren, musste Grab im Januar 1969 in Frankfurt erfahren, wo er vor seinem Besuch in Heidelberg sprechen wollte, jedoch von den über 200 arabischen und deutschen Anwesenden »niedergebrüllt« wurde: »Es schmerzte mich, aus dem Munde von jungen Deutschen, deren Väter sich vielleicht an Judenmorden beteiligt hatten, zu hören, dass die dem Naziterror Entronnenen kein Lebensrecht besäßen. Die Debatte endete in lautstarkem Tumult« (Grab, Meine vier Leben, S. 207). Ähnliche Erfahrungen mit linken Studenten machte damals auch Israels Botschafter Asher Ben-Nathan (Kloke, Israel und die deutsche Linke, S. 78). UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 40, Conze an W. Treue (DFG), 22. 11. 1968. Im Februar 1971 schrieb er an den Tel Aviver Historiker Charles Bloch: »Dass in Tel Aviv ein Institut für deutsche Geschichte eröffnet werden wird, ist mir wohl bekannt. Ich bin nicht ganz unbeteiligt an der Förderung gewesen und freue mich, dass das Projekt nunmehr gesichert ist. Ich bin gespannt auf Ihre Nachrichten« (UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 9, 22. 2. 1971). Bloch hatte zuvor auf die »Gelegenheit zum Austausch von deutschen und israelischen Wissenschaftlern« verwiesen, die das zu gründende Institut bieten werde (UAH, Rep. 101, Nr. 91, Bloch an Conze, 31. 1. 1971). Nach der Institutsgründung schrieb Conze an Walter Grab: »Ich freue mich, dass es unseren gemeinsamen Bemühungen geglückt ist, dass das Institut nunmehr in voller Tätigkeit steht« (UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 9, Conze an Grab, 22. 6. 1972).

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104 Gespräch mit dem Verfasser am 1. 7. 2005 in Tel Aviv. 105 Siehe die folgenden Unterlagen in UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 26: Talmon an Conze vom 7. 5. 1971; Katz an Conze, 8. 6. 1971; Conze an Katz, 1. 7. 1971; »Die Rolle der Juden und der Judenfrage in der Deutschen Geistes- und Sozialgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Vorschlag zum Israelisch-Deutschen Forschungsvorhaben« von Jacob Katz, 2. 10. 1972. Als das Projekt zwischenzeitlich zu kippen drohte, bemerkte Conze, dass es »wirklich an der Zeit gewesen« wäre, »dass der von Israel kommende Anstoß die bisher noch immer dürftige deutsche Forschung auf dem Gebiet der deutsch-jüdischen Geschichte in Gang gebracht hätte«; ebd., Conze an W. Treue (DFG), 5. 2. 1973. Talmon lud Conze für den März 1972 zu einem einwöchigen Gastaufenthalt an der Hebräischen Universität Jerusalem ein, den letzterer jedoch aus Zeitgründen absagte (ebd., Ordner Nr. 9, Talmon an Conze, 3. 1. 1972; Conze an Talmon, 10. 1. 1972). 106 Ebd., Protokoll der Sitzung des Internationalen Arbeitskreises zur Erforschung der deutschjüdischen Geschichte am 15. 1. 1974 in Heidelberg. 107 Vgl. die Korrespondenz in UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 31. In diesem Zusammenhang lernte Conze auch den Leiter des Londoner Leo-Baeck-Instituts, Arnold Paucker, kennen, den er 1975 auf der Basis extern entstandener Schriften in Heidelberg promovierte (der Vorgang in ebd.). 108 Das Thema der Judenemanzipation nahm ganze zwei Drittel seines Eingangskapitels über das nationale System in Anspruch. Dabei stützte sich Conze ausgiebig auf die diesbezüglichen Arbeiten von Jacob Katz; Sozialgeschichte 1800–1850 (1976), S. 426–436. Auch im Abschnitt über die zweite Jahrhunderthälfte widmete Conze dem »deutsch-jüdischen Verhältnis« mehrere Seiten; Sozialgeschichte 1800–1850 (1976), S. 606–610. 109 UAH, Acc. 54/02, Ordner Nr. 14, Conze an Jürgen Kocka, 9. 2. 1979; Kocka hatte in seiner Handbuch-Rezension geschrieben: »Vielleicht ist es ja von bestimmten Erkenntnisinteressen her zu rechtfertigen, eine Sozialgeschichte Deutschlands im 19. Jahrhundert mit der Frage nach der deutschen Nation und der deutschen Nationalbewegung zu beginnen und dann ausführlich auf die jüdische Minderheit zu sprechen zu kommen […]; doch hier wirkt das willkürlich, denn dem Leser wird nicht klar gemacht, unter welchen Fragestellungen und auf welche Ziele hin argumentiert werden soll« (Eine Bilanz der deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte?, S. 32). 110 In seinem kurzen Überblick über die Sozialgeschichte der Juden im 14. und 15. Jahrhundert war er um eine gegenüber dem von ihm früher vertretenden ›Fremdkörper-Diskurs‹ deutlich ausgewogenere Charakterisierung bemüht; Conze, Ostmitteleuropa (1992), S. 100–104. Letzterem blieb er jedoch an anderen Stellen der Ausdrucksweise nach weiter verhaftet; siehe etwa Ethnogenese und Nationsbildung (1985), S. 386; Nationsbildung durch Trennung (1983), S. 379. 111 UAH, Rep. 101, Nr. 13, »Deutsche Geschichte in Ostmitteleuropa«, masch.-schr. Ms (9S.), o.D.; siehe ebd. auch das übrige Material aus den Jahren 1984 bis 1985. 112 Conze, Die deutsche Geschichtswissenschaft seit 1945 (1977), S. 21. 113 Zu dem qualitativen Unterschied zwischen dem Holocaust und der atomaren Bombardierung Hiroshimas und Nagasakis, die als punktueller Vorfall im Rahmen eines brutalen Krieges grundsätzlich noch immer einem rationalen politisch-militärischen Zweck geschuldet war und keine sich über Jahre hinstreckende bewusste Umsetzung einer Ideologie der Vernichtung um ihrer selbst willen darstellte, vgl. hier nur Traverso, Auschwitz denken, S. 168f. 114 UAH, Rep. 101, Nr. 99, »Umgang mit der Geschichte – Last und Hilfe der Geschichte« (gehalten am 7. 11. 1981), masch.-schr. Ms., S. 12. 115 Conze, Nur der Mensch macht und erleidet Geschichte (1980). 116 So warnte etwa Elie Wiesel vor einer Trivialisierung des Holocaust; vgl. Novick, The Holocaust in American Life, S. 211.

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117 Märthesheimer/Frenzel, Im Kreuzfeuer. Der Fernsehfilm »Holocaust«; zu den medienpolitischen Hintergründen vgl. Brandt, »Wenig Anschauung?«. 118 Peter Novick betrachtet die Ausstrahlung der Serie als »turning point in Germany’s long-delayed confrontation with Holocaust« (The Holocaust in American Life, S. 213). 119 UAH, Acc. 54/02, Nr. 27, Markus Bohn (HPI) an Conze, 8. 2. 1979 (mit beigefügten Fragen); Conze an Bohn, 13. 2. 1979 (mit beigefügten Antworten). 120 Conze, Deutsches Selbstbewusstsein (1982), S. 10. 121 Ders., Staats- und Nationalpolitik (1983). Auch hier sprach er nicht vom Holocaust, sondern lediglich von Hitlers »Großraumeroberung, in deren Erfolgen, Freveln und Katastrophen der deutsche Nationalstaat untergegangen ist und der deutsche Nationalismus seinen Grund verloren hat« (S. 450).

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Koselleck, Werner Conze, S. 530. Veit-Brause, Werner Conze, S. 305. Vgl. hierzu Berlin, Historische Unvermeidlichkeit. Stürmer, Begriffsgeschichte oder der Abschied von der schönen neuen Welt, S. 279. Diese drei Aspekte lassen sich in ihrer Zusammengehörigkeit in einem Vortrag nachweisen, den Conze 1962 vor dem Verband deutscher Elektrotechniker (VDE) hielt. Hier begründete er die Notwendigkeit des »Dienst[es] des einzelnen am Gemeinwohl« im »modernen Staat« wie folgt: »Vielen Gefahren, denen der Mensch in einer funktionalisierten, technisch neutralisierten und daher oft genug entseelten Umwelt ausgesetzt ist, kann nicht allein durch verbesserte technische Organisation, sondern noch immer nur durch den unmittelbar persönlichen Einsatz von Menschen begegnet werden. Wie stark dem erbarmungslosen Zustand der ›einsamen Masse‹, wie David Riesman sie beschrieben hat, durch spontane Menschlichkeit und durch organisierte Hilfsbereitschaft von Menschen für Menschen entgegengewirkt werden kann, das wird gerade in der höchsttechnisierten Gesellschaft der Vereinigten Staaten von Amerika immer wieder praktisch bewiesen«; Technik und Gesellschaft in der Geschichte (1962), S. 836. ›Positiv‹ dabei verstanden in Anlehnung an die klassische Unterscheidung bei Berlin, Zwei Freiheitsbegriffe, v.a. S. 211–215. Koselleck, Werner Conze, 530. Veit-Brause, Werner Conze, S. 307. Conze, Der Strukturwandel der Familie (1979), S. 287. Ders., Die Königsberger Jahre (1985), S. 31. Ders., Der Weg zur Sozialgeschichte nach 1945, S. 78. Leggewie, Mitleid mit den Doktorvätern, S. 437. Große Kracht, Fritz Fischer und der deutsche Protestantismus, S. 229–235. Berg, Der Holocaust und die westdeutschen Historiker, S. 108f. Große Kracht, Fritz Fischer und der deutsche Protestantismus, S. 251. Améry, Ressentiments, S. 40.

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Abkürzungen AHR AAKMS ACDP AfS AStA BArch CDU CSU DAG DBE DFG DUZ EcHR FAZ FDP GG GStA PK GWU HPB HPI HZ ISWG JCH JMH KHG KUD LBIYB LMA Ms. MWG NF NL NOFG NPD NPL NSDAP NSDoB NZZ PH PuSte

American Historical Review Akten des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte Archiv für christlich-demokratische Politik Archiv für Sozialgeschichte Allgemeiner Studentenausschuss Bundesarchiv Christlich-Demokratische Union Deutschlands Christlich-Soziale Union in Bayern Deutsch-Akademische Gildenschaft Deutsche Biographische Enzyklopädie Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsche Universitätszeitung Economic History Review Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei Geschichte und Gesellschaft Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Das Historisch-Politische Buch Hochschulpolitische Informationen Historische Zeitschrift Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Journal of Contemporary History Journal of Modern History Kommunistische Hochschulgruppe Kuratorium Unteilbares Deutschland Leo Baeck Institute Year Book Lexikon des Mittelalters Manuskript Max-Weber-Gesamtausgabe Neue Folge Nachlass Nord- und Ostdeutsche Forschungsgemeinschaft Nationaldemokratische Partei Deutschlands Neue Politische Literatur Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationalsozialistischer Dozentenbund Neue Zürcher Zeitung Pädagogische Hochschule Publikationsstelle Dahlem

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Rez. RMWEV RNZ RUP SA SD SDS SED SPD SS SWF SZ TAJB TB UAH UAW VDI VfZ VHD VSWG WS ZfG ZfO

Rezension Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Rhein-Neckar-Zeitung Reichsuniversität Posen Sturmabteilung Sicherheitsdienst Sozialistischer Deutscher Studentenbund Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel/ Sommersemester Südwestfunk Süddeutsche Zeitung Tel Aviver Jahrbuch für Deutsche Geschichte Taschenbuch Universitätsarchiv Heidelberg Universitätsarchiv Wien Verein Deutscher Ingenieure Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Verband der Historiker Deutschlands Vierteljahrsschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Wintersemester Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zeitschrift für Ostforschung

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Quellen- und Literaturverzeichnis Archivalien Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP) Sankt Augustin Nachlass Johann Baptist Gradl (I-294) Nachlass Gerhard Schröder (I-483)

Bundesarchiv (BArch) Berlin-Lichterfelde Publikationsstelle Dahlem (R 153) Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (R 4901)

Bundesarchiv (BArch) Koblenz Nachlass Hermann Aubin (N 1179) Nachlass Theodor Schieder (N 1188) Nachlass Hans Rothfels (N 1213) Nachlass Reinhard Wittram (N 1226) Nachlass Karl Dietrich Erdmann (N 1393) Nachlass Wilhelm Mommsen (N 1478) Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (B 324)

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) Berlin-Dahlem Staatsministerium, Annex N Archiv-Abteilung (I. HA, Rep. 90) Nachlass Albert Brackmann (VI. HA)

Universitätsarchiv Heidelberg (UAH) Nachlass Werner Conze (Rep. 101) Werner Conze (Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte) (Acc. 54/02) Akten des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte (AAKMS) Personalakten Werner Conze I (PA 7676) Personalakten Werner Conze II (PA 7677) Ordinariat für Neuere Geschichte (Berufungsakten)/ Kühn, Conze (H-IV-568–1) Flugblattsammlungen (FB) Personal- und Vorlesungsverzeichnisse

Universitätsarchiv Poznan, Bestand der Reichsuniversität Posen (RUP) Personalakte Werner Conze (78/328)

Universitätsarchiv Wien (UAW) Personalakte Werner Conze (Ph. DZ 1234–1938/39) Personalakte Werner Conze (Ph. DZ 1944–1939/40)

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Schriften Werner Conzes Einige der genannten Titel sind nach dem folgenden Sammelband zitiert: Werner Conze, Gesellschaft – Staat – Nation. Gesammelte Aufsätze, hg. v. U. Engelhardt, R. Koselleck u. W. Schieder, Stuttgart 1992. Hirschenhof. Die Geschichte einer deutschen Sprachinsel in Livland, Berlin 1934. Dringende Fragen des polnischen Bauerntums, in: Osteuropa 11 (1935/36), S. 785–788. Rez. zu: K. Steyer, Die Wanderungsbewegung in Ostpreußen, in: Deutsche Arbeit 36 (1936), S. 204. Rez. zu: H. v. Wedel, Die estländische Ritterschaft, in: Deutsche Arbeit 36 (1936), S. 601. Agrarforschung in Wilna (Literaturbericht), in: Osteuropa 12 (1936/37), S. 296f. Die Bevölkerungsentwicklung des Ostens (Literaturbericht), in: Osteuropa 12 (1936/37), S. 361f. Die deutsche Volksinsel Hirschenhof im gesellschaftlichen Aufbau des baltischen Deutschtums, in: Auslandsdeutsche Volksforschung 1 (1937), S. 152–163. Die Separation in der preußischen Landeskulturarbeit in Neuostpreußen von 1795– 1807, in: Altpreußische Forschungen 14 (1937). S. 268–284. Polen zwischen Ost und West (Literaturbericht), in: Jomsburg 1 (1937), S. 101–103. Rez. zu: Das Dom-Museum in Riga, in: Altpreußische Forschungen 14 (1937), S. 154f. Rez. zu: Das Handwörterbuch des Grenz- und Auslandsdeutschtums: Deutschbalten und baltische Lande, in: Jomsburg 1 (1937), S. 268–270. Rez. zu: H. Laakmann, Das Bürgerbuch von Pernau, in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen 33 (1937), S. 238f. Rez. zu: F. Prinzhorn (Hg.), Memelgebiet und Baltische Staaten, in: Deutsche Arbeit 37 (1937), S. 410. Rez. zu: E. Scheu, Ostpreußen. Eine wirtschaftsgeographische Landeskunde, in: Altpreußische Forschungen 14 (1937), S. 127f. Rez. zu: H. Speer, Das Bauernschulwesen im Gouvernement Estland vom Ende des achtzehnten Jahrhunderts bis zur Russifizierung, in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen 33 (1937), S 322f. Rez. zu: A. Baron Taube, Landespolitik und Volkwerdung, in: Deutsche Arbeit (1937), S. 101. Der Mythos vom Deutschen in der polnischen Volksüberlieferung und Literatur, in: Deutsche Arbeit 38 (1938), S. 422–424. Die weißrussische Frage in Polen (= Bund Deutscher Osten 6), Berlin 1938. Polnische Dorfforschung in Oberschlesien, in: Zeitschrift für Volkskunde 47 (1938) (= NF 9), S. 286–299. Wilna und der Nordosten Polens, in: Osteuropa 13 (1938), S. 657–664. Rez. zu: Baltische Monatshefte, Jg. 1936 u. 1937, in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen 34 (1938), S. 364f. Rez. zu: E. Beck, Kaltenbrunn. Das Leben einer Marktgemeinschaft, in: Zeitschrift für Volkskunde 47 (1938) (= NF 9), S. 329. Rez. zu: G. Czybulka, Wandlungen im Bild der Kulturlandschaft Masurens seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts, in: Bibliographie des Deutschtums im Ausland 2 (1938), S. 5. Rez. zu: Deutsches Grenzland. Jahrbuch des Instituts für Grenz- und Auslandsstudien 1937, in: Auslandsdeutsche Volksforschung 2 (1938), S. 287.

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Rez. zu: S. Endreß, Blumenau. Werden und Wesen einer deutsch-brasilianischen Landschaft, in: Zeitschrift für Volkskunde 47 (1938) (= NF 9), S. 329. Rez. zu: H. u. G. Mortensen, Die Besiedlung des nordöstlichen Ostpreußens bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts, Teil 1: Die preußisch-deutsche Siedlung am Westrand der Großen Wildnis um 1400, in: Bibliographie des Deutschtums im Ausland 2 (1938), S. 158f. Rez. zu: T. Oberländer, Die Landwirtschaft Posen-Pommerellens vor und nach der Abtrennung vom deutschen Reich, in: Altpreußische Forschungen 15 (1938), S. 154. Rez. zu: P. Rohrbach, Abriß des Deutschtums im Ausland und in den deutschen Kolonien, in: Zeitschrift für Volkskunde 47 (1938) (= NF 9), S. 241. Rez. zu: E. Hochstengel, Hochmeister und Reich. Die Grundlagen der staatsrechtlichen Stellung des Deutschordenslandes, in: Bibliographie des Deutschtums im Ausland 2 (1938), S. 253. Rez. zu: Veröffentlichungen der Volkskundlichen Forschungsstelle am Herder-Institut zu Riga, in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen 34 (1938), S. 336. Rez. zu: H. R. Wiese, Uns rief Polen! Deutsches Schicksal an Weichsel und Warthe, in: Altpreußische Forschungen 15 (1938), S. 158. Rez. zu: R. Wittram, Meinungskämpfe im baltischen Deutschtum während der Reformepoche des 19. Jahrhunderts, in: Altpreußische Forschungen 15 (1938), S. 159. Rez. zu: A. Wrzosek u. S. Zwierz, Stosunki w rolnictwie pomorskin, in: Altpreußische Forschungen 15 (1938), S. 153f. Zur Entstehung der deutsch-litauischen Volksgrenze (Literaturbericht), in: Jomsburg 2 (1938), S. 203–205. Bismarck und Polen (Referat), in: Osteuropa 14 (1938/39), S 706–709. Die Besiedlung der litauischen Wildnis, in: Deutsche Monatshefte für Polen 5 (1938/39), S. 427–443. Rez. zu: W. Essen, Nordosteuropa. Völker und Staaten einer Großlandschaft, in: Bibliographie des Deutschtums im Ausland 3 (1939), S. 70. Rez. zu: C. Grigat, Geschichte des Kreises Teuteburg, in: Altpreußische Forschungen 16 (1939), S. 167. Rez. zu: C. Grigat, Grenzdorf Reuß und seine Geschichte, in: Bibliographie des Deutschtums im Ausland 3 (1939), S. 162. Rez. zu: H. Harmjanz, Ostpreußische Bauern. Volkstum und Geschichte, in: Bibliographie des Deutschtums im Auslands 3 (1939), S. 60. Rez. zu: K. Kuberzig, Die kleine Chronik der Stadt Tilsit, in: Bibliographie des Deutschtums im Ausland 3 (1939), S. 60. Rez. zu: W. Mandel, Arnold Hillen Ziegelfeld, Unser Osten. Politische Geschichte Ostdeutschlands, in: Bibliographie des Deutschtums im Ausland 3 (1939), S. 226. Rez. zu: E. Maschke, Der Deutsche Orden, in: Bibliographie des Deutschtums im Auslands 3 (1939), S. 227. Rez. zu: C. Moczarski, Der Kreis Lyck. Ein ostpreußischer Wirtschaftsraum, in: Altpreußische Forschungen 16 (1939), S. 167. Rez. zu: L. Nehring, Heimatkunde von Ostpreußen. Ein Werk- und Arbeitsbuch, in: Bibliographie des Deutschtums im Ausland 3 (1939), S. 61. Rez. zu: Opis krülewszcyn w wojewüdztwach Chelminskin, Pomorskin i Malborskim w roku 1664, in: Altpreußische Forschungen 16 (1939), S. 132f.

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–, Jungkonservative »Strukturgeschichte« im Zwielicht, in: ders., Konflikte zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Essays, München 2003, S. 200–206. –, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4: Vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949, München 2003. –, Eine lebhafte Kampfsituation. Ein Gespräch mit Manfred Hettling und Cornelius Torp, München 2006. –, Transnationale Geschichte – der neue Königsweg historischer Forschung?, in: Budde u.a. (Hg.), Transnationale Geschichte, S. 161–174. –, Das analytische Potential des Charisma-Konzepts, in: ders., Notizen zur Geschichte, München 2007, S. 78–91. Weinhauer, K., Zwischen Aufbruch und Revolte: Die 68er-Bewegungen und die Gesellschaft der Bundesrepublik der sechziger Jahre, in: NPL 46 (2001), S. 421–432. Weisbrod, B. (Hg.), Akademische Vergangenheitspolitik. Beiträge zur Wissenschaftskultur der Nachkriegszeit, Göttingen 2002. –, Das Moratorium der Mandarine. Zur Selbstentnazifizierung der Wissenschaften in der Nachkriegszeit, in: Lehmann u. Oexle (Hg.), Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften, Bd. 2, 259–279. Welskopp, T., Die Sozialgeschichte der Väter. Grenzen und Perspektiven der Historischen Sozialwissenschaft, in: GG 24 (1998), S. 173–198. –, Grenzüberschreitungen. Deutsche Sozialgeschichte zwischen den dreißiger und den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts, in: C. Conrad u. S. Conrad (Hg.), Die Nation schreiben. Geschichtswissenschaft im internationalen Vergleich, Göttingen 2002, S. 296–317. –, Strukturgeschichte, in: Lexikon Geschichtswissenschaft, S. 270–273. Werner, A., SA und NSDAP. SA: »Wehrverband«, »Parteigruppe« oder »Revolutionsarmee«? Studien zur Geschichte der SA und der NSDAP 1920 bis 1933, phil. Diss. Erlangen-Nürnberg 1964. Werner, K. F., Das NS-Geschichtsbild und die deutsche Geschichtswissenschaft, Stuttgart 1967. Wildt, M., Privater Konsum in Westdeutschland in den 50er Jahren, in: Schildt u. Sywottek (Hg.), Modernisierung im Wiederaufbau, S. 275–289. Winkler, H. A., Weimar 1918–1933. Die Geschichte der ersten deutschen Republik, München 1993. –, Der lange Weg nach Westen, 2 Bde., München 2000. –, Ein Historiker im Zeitalter der Extreme. Anmerkungen zur Debatte um Hans Rothfels, in: Hürter u. Woller (Hg.), Hans Rothfels und die deutsche Zeitgeschichte, S. 191–199. Wittkau, A., Historismus. Zur Geschichte des Begriffs und des Problems, Göttingen 1992. Wittram, R., Über Maßstäbe und Urteile in der Geschichtsschreibung Ostmitteleuropas, in: ders., Das Nationale als europäisches Problem. Beiträge zur Geschichte des Nationalitätsprinzips vornehmlich im 19. Jahrhundert, Göttingen 1954, S. 51–75. Wolf, U., Litteris et patriae. Das Janusgesicht der Historie, Stuttgart 1996. Wolfe, R., Revival of Democratic Culture during the American Occupation of Heidelberg, 1945–1949, in: Heß u.a. (Hg.), Heidelberg 1945, S. 15–29. Wolfrum, E., Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948–1990, Darmstadt 1999.

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–, Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 2006. Wolgast, E., Die Universität Heidelberg 1386–1986, Berlin 1986. –, Die neuzeitliche Geschichte im 20. Jahrhundert, in: Geschichte in Heidelberg. 100 Jahre Historisches Seminar. 50 Jahre Institut für Fränkisch-Pfälzische Geschichte und Landeskunde, hg. v. J. Miethke, Berlin u.a. 1992, S. 127–157. –, Rez. zu: Hildebrandt, »… und die Studenten freuen sich«, in: Ruperto Carola 85 (1992), S. 194f. –, Geschichtswissenschaft in Heidelberg 1933–1945, in: Lehmann u. Oexle (Hg.), Nationalsozialismus in den Kulturwissenschaften, Bd. 1, S. 145–168. Wróblewska, T., Die Rolle und Aufgaben einer nationalsozialistischen Universität in den sogenannten östlichen Reichsgebieten am Beispiel der Reichsuniversität Posen 1941–1945, in: Pädagogische Rundschau 32 (1978), S. 173–189. Yahil, L., Die Shoah. Überlebenskampf und Vernichtung der europäischen Juden, München 1998. Zernack, K., Nachwort. Werner Conze als Osteuropaforscher, in: Conze, Ostmitteleuropa, S. 238–248. Zmarzlik, H.-G., Das Kaiserreich in neuer Sicht?, in: HZ 222 (1976), S. 105–126. Zorn, W., Friedrich Lütge als Sozial- und Wirtschaftshistoriker, in: VSWG 55 (1968), S. 427–432, – (Hg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2, Stuttgart 1976. –, Vorwort, in: ders. (Hg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2, S. VIIf. –, Werner Conze zum Gedächtnis, in: VSWG 73 (1986), S. 153–157. –, Werner Conze und Henryk Lowmianski. Ein Dokument zur Sozial- und Wirtschaftshistoriographie der 1940er Jahre, in: VSWG 72 (1987), S. 242–248.

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Personenregister Abel, Wilhelm 119 Adenauer, Konrad 78, 92, 187f., 193f., 196f., 199, 224f., 309 Adenauer, Paul 309 Adorno, Theodor W. 102, 132 Albert, Hans 156 Albertini, Rudolf von 84 Améry, Jean 251 Anders, Günther 244 Anderson, Benedict 182 Andreas, Willy 76, 80 Aretin, Karl Otmar von 201 Arndt, Hans-Joachim 200 Aron, Raymond 132 Aubin, Hermann 11, 25f., 59f., 70, 106, 139, 161, 191, 208, 240, 321 Baldinger, Kurt 96, 98, 284 Balser, Frolinde 124 Baron, Hans 39 Barraclough, Geoffrey 72 Bartov, Omer 58 Barzel, Rainer 200 Beard, Charles 304 Becke, Margot 95, 284 Becker, Josef 227, 319 Ben-Nathan, Asher 325 Berding, Helmut 151f. Berg, Nicolas 80, 235f., 245 Beutin, Ludwig 297 Beyme, Klaus von 159 Bismarck, Otto Fürst von 155, 178 Blackbourn, David 164 Bleek, Wilhelm 302 Bodin, Jean 119 Böhm, Franz 193 Boehm, Max Hildebert 25, 171 Böhme, Helmut 314 Bollmus, Reinhard 232f. Borchardt, Knut 144, 227, 289, 319

Bracher, Karl Dietrich 36, 200, 223–226, 318 Brackmann, Albrecht 28, 41f., 55, 59, 62 Brade, Waltraud 205 Brandt, Ahasver von 102 Brandt, Willy 179, 198f., 201, 208 Braunbehrens, Burkhart 96 Braudel, Fernand 88, 129, 135–139, 141, 158, 295–298 Brepohl, Wilhelm 121, 290 Breschnjew, Leonid Iljitsch 201 Broszat, Martin 245, 316, 323 Bruch, Rüdiger vom 302 Brüning, Heinrich 219–222, 224–227, 234, 317–319 Brunner, Otto 57, 129, 133–135, 138, 140, 146–148, 158, 161, 190, 293f., 296–297, 323 Buchheim, Hans 200 Burke, Peter 137 Büsch, Otto 181 Bußmann, Walter 165 Campenhausen, Hans von 284 Carstens, Peter Johannes 61 Cassirer, Ernst 176 Chickering, Roger 16 Chruˇscˇ ov, Nikita 188 Cicero 112 Cleinow, Georg 171 Conrad, Sebastian 168 Conze, Albrecht 64, 75, 88, 206 Conze, Alexander 14 Conze, Charlotte 13f., 18, 314 Conze, Elise 14 Conze, Friedrich 14 Conze, Gisela 12, 14, 20, 27, 36, 65, 88f., 109, 113, 206 Conze, Hans (Sohn von Werner) 70, 75, 88, 306

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Conze, Hans (Vater von Werner) 13–16, 18, 27, 37 Conze, Jürgen 27 Conze, Ortrun 27 Conze, Reingart 27 Cornelißen, Cristoph 9 Cramer, Rudolf 29, 38 Cuntze, Hans Sigmundt 265 Dahrendorf, Ralf 163 Dann, Otto 175 Darré, Walther 116 Davidowicz, Lucy 50 Dehio, Ludwig 316 Dehler, Thomas 196 Desmoulins, Camille 102 Diestelkamp, Adolf 216 Dipper, Christoph 150 Dombois, Hans 20 Droz, Jacques 305 Eckel, Jan 11 Eckert, Georg 196 Eckert, Walter 61 Eichmann, Adolf 245 Eley, Geoff 164 Elias, Norbert 80 Eliot, T.S. 257 Emerson, Ralph Waldo 110 Engelberg, Ernst 206, 315 Engelhardt, Ulrich 127, 281, 297 Epstein, Fritz 39 Erdmann, Adolf 14 Erdmann, Karl Dietrich 107, 200f., 203, 279, 290, 313f., 316 Erger, Johannes 281 Ernst, Fritz 80f., 85, 321 Eschenburg, Theodor 200, 218, 316 Etzemüller, Thomas 11, 207 Evans, Richard 164 Fauvel-Rouif, Denise 139 Febvre, Lucien 136, 295f. Feldmann, Josef 45 Fest, Joachim 287 Fischer, Fritz 260, 314 Fischer, Wolfram 200, 281

Fraenkel, Ernst 223, 318 Freyer, Hans 23f., 29f., 75, 120, 129–134, 140f., 271, 290, 293, 323 Friedensburg, Ferdinand 198, 312 Friedrich III., deutscher Kaiser 14 Friedrich, Carl Joachim 318 Fuchs, Walther Peter 80 Fuhrmann, Horst 287 Furet, François 159 Gadamer, Hans-Georg 76–78, 106, 147, 280 Gaus, Günter 182f. Gehlen, Arnold 120, 290 Geiger, Theodor 121 Gellner, Ernest 182, 184 Gentzen, Friedrich-Wilhelm 190 Gerhard, Dietrich 39 Gerstein, Kurt 239 Gerstenmaier, Eugen 193 Geyer, Michael 10, 67 Gilbert, Felix 39 Gillessen, Günther 107, 200 Goebbels, Josef 229 Goguel, Rudi 310 Gollwitzer, Heinz 84 Grab, Walter 252f., 324 Gradl, Johann Baptist 197 Groh, Dieter 82f., 125, 174, 200, 204, 281, 290, 297 Gründel, Günther 17 Grundmann, Herbert 74, 76, 142 Grüttner, Michael 36 Haber, Fritz 9 Habermas, Jürgen 104, 167 Haffner, Sebastian 16 Hahn, Wilhelm 84, 92, 108, 195, 312f. Hallgarten, George W.F. 39 Hamann, Richard 18 Hampe, Karl 80 Hardenberg, Karl August Fürst von 89f., 99 Harkort, Friedrich 123 Hartung, Fritz 309 Haufe, Helmut 41, 43f. Hausen, Karin 302

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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 86, 112, 115, 293 Heidegger, Martin 132, 244 Heimpel, Hermann 248, 321 Heinemann, Gustav 106, 179f. Hennis, Wilhelm 200 Henrich, Dieter 195 Hentschel, Volker 281 Herbert, Ulrich 17 Hermens, Ferdinand A. 318 Herrmann, Alfred 76 Herzfeld, Hans 157, 223 Hildebrand, Klaus 163 Hildebrandt, Dietrich 252, 323 Hillgruber, Andreas 102 Himmler, Heinrich 116, 242 Hindenburg, Paul von 225 Hinrichs, Carl 279 Hintze, Hedwig 39 Hintze, Otto 39, 116, 157 Hippel, Wolfgang von 281 Hirsch, Helmut 109 Hitler, Adolf 20, 35, 45, 50, 52, 57, 65, 101, 178, 199, 215, 221, 227–234, 236, 240–242, 246f., 255, 260, 271, 327 Hobsbawm, Eric 154, 159, 182 Höß, Rudolf 245 Holborn, Hajo 39 Horkheimer, Max 251 Hroch, Miroslav 202, 314 Hubatsch, Walther 215, 279 Hübinger, Paul Egon 143 Hüllbüsch, Ursula 124 Huizinga, Johan 140, 243 Ipsen, Gunther 30–33, 38f., 41, 43, 46f., 49, 51–53, 55–57, 60, 62, 121, 290, 297 Jäckel, Eberhard 307 Jantke, Carl 78, 120, 143, 290, 297 Jaspers, Karl 80, 196, 311 Jarausch, Konrad 10 Jellinek, Camilla 79 Jellinek, Walter 80 Jünger, Ernst 17, 133, 165

Kaehler, Siegfried A. 69f.,279, 302 Kaelble, Hartmut 302 Kafka, Franz 244 Kaiser, Jakob 179, 187f., 196–198, 208, 312 Kaiser-Nebgen, Elfriede 197, 312 Kamnitzer, Heinz 190 Kant, Immanuel 27 Kantorowicz, Ernst 39 Karl V., römisch-deutscher Kaiser 136 Kater, Michael H. 20, 110, 233 Katharina II., russische Zarin 33 Katz, Jacob 253 Kehr, Eckart 116, 155 Kershaw, Ian 228 Kiesinger, Kurt Georg 84 Kluxen, Kurt 316 Koch, Hans 56 Kocka, Jürgen 26, 106, 108, 154, 157–160, 162, 165, 186 Köllmann, Wolfgang 120 Koenen, Gerd 89 Koselleck, Reinhart 13f., 36, 81f., 84, 105, 112, 144–153, 159, 200, 257–259, 281, 299f. Kosthorst, Erich 312 Krautkrämer, Horst, 249 Kretzschmar, Hellmut 309 Kristeller, Paul Oskar 39 Krone, Heinrich 225 Krukenberg, Gustav 317 Kühn, Johannes 76, 80–82, 280 Kuhn, Walter 32 Lamprecht, Karl 23 Laun, Rudolf 316 Lederer, Emil 80 Leggewie, Claus 260 Leibniz, Gottfried Wilhelm 119 Lenger, Friedrich 9 Lenin, Vladimir Iljic 188 Lepsius, Karl Richard 14 Lepsius, Rainer 144, 228 Lethen, Helmut 17 Leuschner, Hans-Joachim 276 Linde, Hans 24, 29, 120, 271 Lipgens, Walter 281

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Litt, Theodor 193 Locke, John 119 Lowmianski, Henryk 272 Lübbe, Hermann 214, 301 Lübke, Heinrich 312 Lüdtke, Alf 109 Lütke, Friedrich 119, 289 Luther, Martin 75 Machiavelli, Niccolo 119 Maetzke, Ernst-Otto 195 Maier, Charles 110 Maier, Hans 299 Mann, Golo 177, 200, 247 Mann, Thomas 91 Mannheim, Karl 80 Manthey, Jürgen 79 Marc Aurel 212 Marcuse, Herbert 27 Markert, Werner 23f., 29 Marx, Karl 112, 115, 123, 157 Maschke, Erich 29, 38, 81, 143, 161 Masur, Gerhard 39 Mau, Hermann 245 Mayer, Georg 194 Meier, Christian 299 Meinecke, Friedrich 28, 39, 117, 155, 157, 236, 298 Meinhold, Helmut 195 Meyen, Albrecht 21 Meyer, Gustav 39 Moeller, Robert G. 214, 216 Möser, Justus 118 Mommsen, Hans 62, 82, 106, 108, 127, 183, 199f., 232, 236, 245, 281, 324 Mommsen, Theodor 14, 61 Mommsen, Theodor Ernst 39 Mommsen, Wilhelm 61, 82 Mommsen, Wolfgang A. 61 Mommsen, Wolfgang J. 106, 108, 159, 314 Morazé, Charles 295 Morsey, Rudolf 225 Mühle, Eduard 11 Müller, Karl Alexander von 39 Muller, Jerry Z. 130

Narotschnizkij, Aleksej L. 201f. Naumann, Friedrich 91, 171 Niethammer, Lutz 213, 233, 281 Nipperdey, Thomas 103, 144, 163f. Nürnberger, Richard 200, 297 Oberkrome, Willi 26 Oberländer, Theodor 21, 28, 42, 51f. Oberndörfer, Dieter 200 Oetker, Rudolf August 156 Oexle, Otto Gerhard 293, 298f. Ohnesorg, Benno 95 Papen, Franz von 222, 317 Papritz, Johannes 41, 58, 61 Paucker, Arnold 326 Philipp II., spanischer König 136 Picht, Georg 95f. Plessner, Helmuth 17, 200 Preuß, Hugo 171 Pufendorf, Samuel von 119 Puhle, Hans-Jürgen 302, 314 Radbruch, Gustav 80 Radhakrishnan, Sarvepalli 84 Ranke, Leopold von 71 Rassow, Peter 316 Rathenau, Walther 17 Raumer, Kurt von 73f. Recker, Marie-Luise 302 Reinhart, Helga 149 Remy, Stephen P. 79 Rendtorff, Rolf 96, 102f. Reulecke, Jürgen 21 Rhode, Gotthold 310 Riehl, Wilhelm Heinrich 25, 30, 119 Riesman, David 327 Ritter, Gerhard 9, 37, 72, 106, 117, 128, 139, 163, 168, 189f., 193, 219, 295, 305, 317 Ritter, Gerhard A. 106, 125, 127, 157, 203, 287 Ritter, Joachim 75, 87, 142, 299 Roeder, Wilhelm von 65 Röhm, Ernst 36, 269 Roosevelt, Franklin Delano 75 Rosenbaum, Ursula 290

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Rosenberg, Arthur 39 Rosenberg, Hans 39, 155, 157–159, 302 Rothacker, Erich 147 Rothermund, Dietmar 84, 281 Rothfels, Hans 8, 11, 28–33, 37–39, 43, 70, 73, 76, 82, 107, 170–172, 190, 200, 210f., 216, 218f., 226, 228, 238–240, 249, 290, 316f., 321f., 324 Roupnel, Gaston 138, 295 Rudolph, Hermann 108, 315 Rüsen, Jörn 109 Rust, Bernhard 60 Sabrow, Martin 189 Schäfer, Hans 76f., 279 Scheel, Walter 108 Schelsky, Helmut 110, 120, 127, 150, 156, 290, 301 Schieder, Theodor 8, 11, 21, 28, 54f., 68–70, 74, 82, 100, 105–107, 110, 117, 122, 132, 154f., 170–173, 190f., 200, 211, 213, 216f., 236, 259, 264f., 270, 278, 287, 297, 313, 318 Schieder, Wolfgang 82, 125, 149, 159, 174, 200, 281, 323 Schiller, Friedrich 14 Schleicher, Kurt von 222 Schleyer, Hanns Martin 126 Schmid, Carlo 196 Schmidt, Helmut 243 Schmidt, Walter 204f., 314 Schmierer, Hans-Gerhart (Joscha) 96, 98, 102, 252, 324 Schmitt, Carl 17, 132f., 147, 222 Schnabel, Franz 85, 305f., 316 Schramm, Gottfried 203 Schremmer, Eckart 289 Schröder, Gerhard 92–94, 199, 284, 313 Schütz, Wilhelm Wolfgang 196 Schulz, Gerhard 227 Schulze-Delitzsch, Hermann 126f. Schwarz, Hans-Peter 200 Seidel, Hans 193 Sellin, Volker 281, 297 Semler, Johan Salomo 264 Sendler 100 Seraphim, Peter-Heinz 51

Sethe, Paul 177f. Sheehan, James J. 152, 159, 181f., 300 Siedler, Wolf Jobst 206 Smith, Theodore Clarke 304 Soell, Hartmut 125, 281 Sombart, Werner 9 Sommer, Antje 149, 299 Speidel, Hans 316 Srbik, Heinrich Ritter von 274 Stalin, Josef 188, 93 Steffens, Gerd 324 Stein, Karl Reichsfreiherr vom und zum 89f., 99 Stein, Lorenz von 115 Steinacher, Hans 28 Steinmüller, Brigitte 324 Stern, Fritz 110 Sternberger, Dolf 182, 200 Stier, Hans Erich 142 Stoph, Willi 198 Streit, Christian 233, 319f. Stürmer, Michael 152 Stüve, Carl Bertram 289 Stuke, Horst 82, 143 Sybel, Heinrich von 14 Szöllösi-Janze, Margit 9 Täubler, Eugen 280 Talmon, Jacob 253, 326 Tenfelde, Klaus 302 Thoemer, Karl 14 Thukydides 112 Toynbee, Arnold 140 Tugendhat, Ernst 96 Vagts, Alfred 39 Valentin, Veit 39 Valká, Josef 202 Veblen, Thorstein 163 Vermeil, Edmond 305f. Vierhaus, Rudolf 287 Vossler, Karl 76 Vossler, Otto 76 Wagner, Fritz 287 Wagner, Richard 15 Walther, Rudolf 299

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Wassermann, Henry 253 Weber, Alfred 80, 171 Weber, Max 8, 13, 19, 80, 91, 118, 157, 160, 175, 228, 320 Wehler, Hans-Ulrich 106, 108f., 125, 127, 144, 154–159, 161–165, 181, 227f., 316 Wehner, Herbert 196 Weippert, Georg 297 Weizsäcker, Richard von 111, 200 Werner, Anton von 180 Wiesel, Eli 326

Wilhelm II., deutscher Kaiser 14 Winkler, Heinrich August 106, 159, 183 Wittram, Reinhard 31, 60–63, 65f., 70, 75, 78, 118, 142, 172f., 195, 200, 214, 230, 238, 321 Wolfrum, Edgar 193 Zernack, Klaus 203, 207 Zmarzlik, Hans-Günther 163f. Zoch, Wilhelm 55 Zorn, Wolfgang 161, 289 Zwahr, Hartmut 206, 315

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Wenn Sie weiterlesen möchten ... David Thimme

Percy Ernst Schramm und das Mittelalter Wandlungen eines Geschichtsbildes

Percy Ernst Schramm ist einer der bedeutendsten Historiker Deutschlands. Sein vielschichtiges Leben in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik sowie die unverminderte Attraktivität seiner wissenschaftlichen Arbeiten verleihen dieser umfassenden Biographie seine besondere Aktualität. Geprägt wird Schramms Schaffen durch seine Beziehung zu Aby Warburg, dem Vordenker der modernen Kulturwissenschaft. Mit ihm ebenso wie mit Fritz Saxl stand Percy Ernst Schramm in engem Kontakt. Die Bindung zerbrach 1935 an Schramms Haltung zum nationalsozialistischen Regime. Wesentliche Schriften von Percy Ernst Schramm waren noch nicht publiziert, doch zeigen sich die Spuren des Bruchs in Schramms späterem Werk. Diesen Spuren geht David Thimme ebenso nach wie den Hintergründen, die zu dem Zerwürfnis führten.

Folker Reichert

Gelehrtes Leben Karl Hampe, das Mittelalter und die Geschichte der Deutschen

Das Leben des Heidelberger Historikers Karl Hampe (1869–1936) kann in vielem als exemplarisch bezeichnet werden. Er stammte aus einer bildungsbürgerlichen Familie, genoss eine humanistische Erziehung und tat sich seit früher Jugend als Musterschüler hervor. Im jungen Kaiserreich sozialisiert, wandte er sich als junger Wissenschaftler dem Mittelalter zu und glaubte, als Herausgeber deutscher Geschichtsquellen eine nationale Aufgabe zu erfüllen. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er während des Ersten Weltkriegs durch seine Schriften zur »belgischen Frage«, danach durch mehrere Gesamtdarstellungen zur mittelalterlichen Geschichte bekannt. Wahrscheinlich war er seinerzeit der prominenteste deutsche Mediävist.

Michael Grüttner / Rüdiger Hachtmann / Konrad H. Jarausch / Jürgen John / Matthias Middell (Hg.)

Gebrochene Wissenschaftskulturen Universität und Politik im 20. Jahrhundert

Dieser Band regt eine kritische Universitätsgeschichte des 20. Jahrhunderts an, indem er die Wechselbeziehung von politischen Systembrüchen und Wissenschaftsentwicklungen untersucht, deutsche Tendenzen mit internationalen Trends vergleicht und die gegenwärtige Reformdebatte in eine Langzeitperspektive einbettet. Er geht vom vermeintlichen Verlust der Weltgeltung deutscher Wissenschaft in der Weimarer Republik aus, analysiert die Selbstmobilisierung der Forschung im Dritten Reich und kontrastiert abschließend die Modernisierungsprobleme der DDR und der Bundesrepublik.

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370124 — ISBN E-Book: 9783647370125

Dirk Blasius

Carl Schmitt Preußischer Staatsrat in Hitlers Reich

Dirk Blasius nimmt die historischen Spuren auf, die Carl Schmitt in der deutschen Geschichte hinterlassen hat. Von Göring 1933 in den Preußischen Staatsrat berufen, konnte Schmitt das politische Bewusstsein der Eliten und konkrete politische Entscheidungsabläufe beeinflussen.

Jürgen Finger / Sven Keller / Andreas Wirsching (Hg.)

Vom Recht zur Geschichte Akten aus NS-Prozessen als Quellen der Zeitgeschichte

Die aus der Strafverfolgung von NS-Verbrechen hervorgegangenen Justizakten werden von der zeithistorischen Forschung längst als unverzichtbare Quelle herangezogen. In diesem Band schildern ausgewiesene Historiker Hintergründe der Strafverfolgung von NS-Verbrechen. Auf der Basis ihrer eigenen Forschungsinteressen stellen sie quellenkritische und methodische Überlegungen an, reflektieren Möglichkeiten und Grenzen der Verwendung juristischen Aktenmaterials aus NS-Prozessen als Quelle und geben Anregungen und praktische Hinweise für künftige Forschungen.

Kurt Riezler

Tagebücher, Aufsätze, Dokumente Herausgegeben und eingeleitet von Karl Dietrich Erdmann, Einleitung zur Neuausgabe von Holger Afflerbach.

Die Tagebücher und Kriegsschriften Kurt Riezlers aus den Jahren 1910-1919 sind eine zentrale Quelle zur politischen Geschichte des späten Kaiserreichs und des Ersten Weltkriegs. Der heftige Streit um das »Staatsgeheimnis« der Tagebücher (Fritz Fischer) beschäftigte über die enge Fachwelt hinaus auch die Massenmedien und wurde zum Synonym für einen Skandal in der historischen Zunft. Verlag und Herausgeber legen die Edition hier unverändert wieder auf, ergänzt um eine Einleitung von Holger Afflerbach.

Jan Eckel

Geist der Zeit Deutsche Geisteswissenschaften seit 1870

Jan Eckels Buch schreibt die Geschichte der deutschen Geisteswissenschaften, indem es die wichtigsten Entwicklungen im institutionellen Umfeld, im Bereich der Forschungskonzeptionen und in der Selbstwahrnehmung der Disziplinen aufeinander bezieht. Es untersucht, wie die Geisteswissenschaftler den Wandel des 20. Jahrhunderts intellektuell umsetzten, welchen gesellschaftlichen Standort sie dabei bezogen und welche politischen Implikationen ihre Arbeit hatte. Schließlich analysiert es auch die Debatten der letzten Jahre um die »Krise« der Geisteswissenschaften.

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Band 192: Jörg Neuheiser

Krone, Kirche und Verfassung Konservatismus in den englischen Unterschichten 1815–1867 2010. Ca. 368 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-37009-4

»Popular Conservatism« – Jörg Neuheiser untersucht den plebejischen Konservatismus in Politik, Alltagsund Festkultur in England.

Band 191: Jakob Zollmann

Koloniale Herrschaft und ihre Grenzen Die Kolonialpolizei in Deutsch-Südwestafrika 1894–1915 2010. Ca. 400 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-37018-6

Darstellung der Polizei in DeutschSüdwestafrika, ihrer Strafpraxis und ihrem Wirken in Windhoek; dem Farmgebiet und dem Norden der Kolonie.

Normenwandel in der Phase des Übergangs zur industrialisierten Konsumgesellschaft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.

Band 189: Benno Gammerl

Untertanen, Staatsbürger und Andere Der Umgang mit ethnischer Heterogenität im Britischen Weltreich und im Habsburgerreich 1867–1918 2010. 400 Seiten mit 9 Abb., 4 Diagramme, 7 Tab. und 5 Karten, gebunden ISBN 978-3-525-37011-7

Welche Rolle spielt die rechtliche Institution der Staatsbürgerschaft für die Entstehung moderner Staaten? Wie entwickelte sich das Staatsbürgerschaftsrecht im Britischen Weltreich und im Habsburgerreich?

Band 188: Aribert Reimann

Dieter Kunzelmann Avantgardist, Protestler, Radikaler

Band 190: Vera Hierholzer

Nahrung nach Norm Regulierung von Nahrungsmittelqualität in der Industrialisierung 1871–1914 2010. Ca. 400 Seiten mit ca. 4 Abb. und 5 Tab., gebunden ISBN 978-3-525-37017-9

Dieser Band untersucht am Beispiel der Nahrungsmittelregulierung den

2009. 392 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-37010-0

Ein schillernder Lebensweg im Nachkriegsdeutschland: Dieter Kunzelmann, Kommune I-Gründer, Tupamaro, PolitAktivist und Abgeordneter im Berliner Stadtparlament. Diese Vita eines radikalen Außenseiters ist der ideale Fremdenführer durch die unruhigen Jahre der bundesdeutschen Kulturrevolution.

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370124 — ISBN E-Book: 9783647370125

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Band 187: Christiane Eisenberg

Englands Weg in die Marktgesellschaft 2009. 166 Seiten mit 5 Tab. und 12 Abb., gebunden. ISBN 978-3-525-37008-7

Wie entstand in England die moderne Marktgesellschaft? Inwiefern ist gerade das englische Beispiel einzigartig? Was unterscheidet die englische Entwicklung von der auf dem europäischen Kontinent?

Band 186: Hedwig Richter

Pietismus im Sozialismus Die Herrnhuter Brüdergemeine in der DDR 2009. 400 Seiten mit 6 Diagrammen, gebunden ISBN 978-3-525-37007-0

Wie gelang es der Herrnhuter Brüdergemeine unter den Bedingungen der SED-Diktatur zu überleben? Wie weit passte sie sich an und wie weit wurden Glaubenspraxis und Selbstverständnis modifiziert?

Band 185: Heinrich Hartmann

Organisation und Geschäft Unternehmensorganisation in Frankreich und Deutschland 1890–1914 2010. 372 Seiten mit 11 Abb., 17 Grafiken und 8 Tab., gebunden ISBN 978-3-525-37003-2

Diese Studie zeigt Unternehmen in Deutschland und Frankreich als

Schauplätze einer neuen Form der »Organisation« und fragt danach, wie sich systematische Managementlehren und damit neue Richtungen einer organisationswissenschaftlichen Fachliteratur entwickelten.

Band 184: Simone Derix

Bebilderte Politik Staatsbesuche in der Bundesrepublik Deutschland 1949–1990 2009. 400 Seiten mit 20 Abb., kartoniert ISBN 978-3-525-37005-6

Derix lässt neben den deutschen Politikern der Bonner Republik eine Vielzahl von Akteuren auftreten: von den »hohen« Staatsgästen bis hin zu den »einfachen« Bürgern auf der Straße. Dieses Buch wurde 2009 mit dem OffermannHergarten-Preis ausgezeichnet.

Band 183: Niels P. Petersson

Anarchie und Weltrecht Das Deutsche Reich und die Institutionen der Weltwirtschaft 1890–1930 2009. 387 Seiten, kartoniert ISBN 978-3-525-37006-3

Welche Probleme entstanden durch die neuen globalen Märkte für das Deutsche Reich? Wie konnte es gelingen, Rahmenbedingungen für den internationalen Handel und Kapitalverkehr zu schaffen?

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370124 — ISBN E-Book: 9783647370125