Werkzeuge für Ideen: Einführung ins architektonische Entwerfen [Erweiterte und aktualisierte Aufl.] 9783035622027, 9783035621730

Erweiterte und aktualisierte Ausgabe Ein Grundlagenwerk über die Kernkompetenz von Architekten und anderen Gestaltern

217 107 37MB

German Pages 400 Year 2020

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Werkzeuge für Ideen: Einführung ins architektonische Entwerfen [Erweiterte und aktualisierte Aufl.]
 9783035622027, 9783035621730

Table of contents :
Inhalt
Dank
Einleitung zur Neuausgabe
TEIL A: GRUNDLAGEN
Entwerfen und Forschen
Entwerfen
Begriffe und Definitionen
Wege des Entwerfens
TEIL B: WERKZEUGE
Werkzeuge des Entwerfens
Geste
Skizze
Sprache
Zeichnung
Modell
Perspektive
Foto, Film, Video
Kalkulation
Computer
Kritik
Kriterien und Wertesysteme
Theorie
Otl Aicher: Eine Theorie des Entwerfens
TEIL C: PRAXIS
Vorwort
Digitales Entwerfen
Forschungsbasiertes Entwerfen
Soziales Entwerfen
Nachwort zur Neuausgabe
ANHANG
BIBLIOGRAFIE
ABBILDUNGSNACHWEIS
NAMENREGISTER
SACHREGISTER
Impressum

Citation preview

Werkzeuge für Ideen EINFÜHRUNG INS ARCHITEKTONISCHE ENTWERFEN



Christian Gänshirt

Werkzeuge für Ideen EINFÜHRUNG INS ARCHITEKTONISCHE ENTWERFEN



Erweiterte und aktualisierte Ausgabe

Birkhäuser Basel

Inhalt 7 Dank 9 Einleitung zur Neuausgabe

9

Was will diese Neuausgabe?

11

Entwerfen, wie lernt man das?

13

An wen richtet sich dieses Buch?

13

Wann lohnt es sich, dieses Buch zu lesen?

14

Welche Kapitel sollte man zuerst lesen?

14

Auf welche Quellen stützt sich das Buch?

15

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

17

Was ist neu in der Neuausgabe?

17

Wie lässt sich Werkzeuge für Ideen in der Entwurfslehre verwenden?

19

Wie entstand dieses Buch?

20

Brauchen wir andere Entwurfslehren?

21

Was ist zu tun?



22

TEIL A: GRUNDLAGEN



23

Entwerfen und Forschen

25

ENTWERFEN LEHREN

30

DAS ENTWERFEN ERFORSCHEN



34

Entwerfen

37

LITERATUR: VORBILDER, PRINZIPIEN, THEORIEN

38

WAS MAN ENTWERFEN KANN

40

WIE MAN ENTWERFEN KANN

47

WIE MAN DAS ENTWERFEN BEGRÜNDEN KANN



54

Begriffe und Definitionen

54

PLATON, ARISTOTELES, PLOTIN: IDEA

57

VITRUV UND ALBERTI: COGITATIONE UND INVENTIONE

59

VASARI UND ZUCCARI: DISEGNO

62

OSTENDORF, RITTEL, UHL: ENTWERFEN, PLANEN

67

AICHER UND FLUSSER: NEGATION UND TRANSZENDENZ



71

Wege des Entwerfens

73

WAHRNEHMUNG UND DENKEN

78

ENTWERFEN ALS PROZESS

86

ENTWERFEN ALS INDIVIDUELLER AKT

93

DER KREISLAUF DES ENTWERFENS



96

TEIL B:  WERKZEUGE

97

Werkzeuge des Entwerfens

98

SYMBOLE DES SCHÖPFERISCHEN

104

FLUSSER: DIE GESTE DES MACHENS

107

DIE AMBIVALENZ VON WERKZEUGEN

110

„WERKZEUGE DES ENTWERFENS“ ALS METAPHER

117

VISUELLE UND VERBALE WERKZEUGE

119

NEUERE FORSCHUNGEN

130

EINE NEUE TAXONOMIE

133

DIE RICHTIGEN WERKZEUGE FINDEN

137

UNTERSUCHUNG DER MEDIALEN WERKZEUGE

139 Geste 142 147

VON GESTEN AUSGEHEND

Skizze

148

PERGAMENT UND PAPIER

151

KREATIVE UNSCHÄRFE

155

VISUELL-RÄUMLICHES DENKEN

159

Sprache

160

AUSBILDUNG UND PRAXIS

163

METAPHERN BILDEN, INTERPRETIEREN, ABSTRAHIEREN

168

Zeichnung

168

GEOMETRIE UND ABSTRAKTION

174

MEDIENWECHSEL

177

ZEICHNEN ODER ENTWERFEN

179

DIGITALISIERUNG DER ZEICHNUNG

183 Modell 185

BEZUG ZUR WIRKLICHKEIT

188

BEDEUTUNG DES MATERIALS

194

Perspektive

195

DIE ENTDECKUNG DER WELT

199

AMBIVALENTER REALISMUS

203

PERSPEKTIVE ALS HALTUNG

207

Foto, Film, Video

208

VOM ABBILD ZUM VORBILD

211

BILDER DIGITAL SIMULIEREN

215

Kalkulation

217 220

BERECHNEN IST INTERPRETIEREN

Computer

221

ERST RECHENMASCHINE, DANN MASSENMEDIUM

225

EIN META-WERKZEUG

227

VERNETZUNG ALLER WERKZEUGE

232

Kritik

235 237

WERKZEUG DER LEHRE

Kriterien und Wertesysteme

237

FIRMITAS, UTILITAS, VENUSTAS

243

INNOVATION, RÄTSELHAFTIGKEIT

245

NACHHALTIGKEIT

249 Theorie 253

THEORIE ALS GRUNDLAGE

258

THEORIE ALS WERKZEUG

262

KURZE THEOREME

267

Otl Aicher: Eine Theorie des Entwerfens

270

THEORIE VON UNTEN

277

OFFENE FRAGEN

281

THEORIE ENTWERFEN

284

TEIL C: PRAXIS

289

ENTWURFSHALTUNG

292

EIN STANDARDISIERTES VERFAHREN

295

NEUE HERAUSFORDERUNGEN

300

Digitales Entwerfen

302

DARSTELLEN

305

GENERIEREN

310

INFORMIEREN (BIM)

313

OPTIMIEREN

316

PRODUZIEREN

321

TECHNIK ODER KULTUR?

324

Forschungsbasiertes Entwerfen

326

EINE GRUNDLAGE DER MODERNE

329

ARCHITEKTURBEZOGENE WISSENSCHAFTEN

333

BEISPIELE UND VORBILDER

338

ENTWURFSFORSCHUNG

342

Soziales Entwerfen

344

SOZIALE INNOVATION

348

PARTIZIPATION

353

SLUM? NEIN, ANKUNFTSSTADT!

357

ENTWERFEN UND SELBST BAUEN

364 Nachwort zur Neuausgabe Anhang 367

BIBLIOGRAFIE TEIL A (GRUNDLAGEN)

376

BIBLIOGRAFIE TEIL B (WERKZEUGE)

384

BIBLIOGRAFIE TEIL C (PRAXIS)

388

ABBILDUNGSNACHWEIS

389

NAMENREGISTER

393

SACHREGISTER

400

IMPRESSUM

Dank Über all die Jahre, die ich an diesem Buch arbeitete, vielfach unterbrochen

7

von den Notwendigkeiten des Alltags, abgelenkt durch eine achtjährige Odyssee, die nach Nordamerika, Ostasien, und wieder zurück nach Europa führte, empfing ich Unterstützung und Ermutigung von vielen Seiten. Ein erster Dank gebührt zunächst Prof. Jörg J. Kühn, der mich für sechs Jahre am Institut für Entwerfen der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus aufnahm und mir damit den Freiraum zum Beginn ­dieser Arbeit eröffnete. Ein ebenfalls erster Dank gilt der Redaktion der Internet-Architekturzeitschrift Wolkenkuckucksheim, besonders ihrem Heraus­ geber Prof. Dr. Eduard Führ, der wesentliche Anregungen zu dieser Arbeit gab. Ganz besonders danke ich dem Berliner Journalisten Holger Wild, der mich zu verständlichem Schreiben erzog, und Prof. Ralph Johannes, der über viele Jahre hinweg mich mit Literaturhinweisen anspornte und mit nie nachlassender Geduld immer wieder nach meinen Fortschritten fragte. Auf Einladung von Prof. Philipp Oswalt ermöglichte mir die Universität Kassel, die vorgelegten Thesen in Vorlesungen und Seminaren weiter zu entwickeln. Es beherbergten mich auch die Virginia Polytechnic Institute and State University, die Xi’an Jiaotong Liverpool University in Suzhou sowie The University of Hong Kong, und erlaubten mir so, weiterhin zum Thema des Entwerfens zu lehren und zu forschen. Gefördert wurden einzelne Arbeiten auch von der Jade-Hochschule Oldenburg, dem Architektur­magazin der TU Graz GAM und der Züricher Zeitschrift archithese. Einer der führenden Architekturtheoretiker Chinas, Prof. Guixiang Wang, Tsinghua Universität Peking, schrieb das Vorwort für die chinesische Ausgabe und sah die chinesische Übersetzung durch. Zu weit führen würde es, hier die zahlreichen, auf zwölf Länder verteilten Hochschulen aufzuführen, die mich zu Konferenzen, Vorträgen, Seminaren und Gastkritiken eingeladen haben; ihnen allen sei hiermit summarisch gedankt. Für inspirierende Gespräche, Literaturhinweise, Kritik und Ermutigung danke ich allen meinen Freunden, Kollegen und Studenten, insbesondere: Ulrich Ackva, Florian Aicher, Karyn Ball, Raimund Binder, Peter Böke, Nicolau Brandafio, Axel Buether, Jorge Carvalho, Ariane Epars, Christian Federmair, Matthias Gorenflos, Anton Graf, Tobias Hammel, Dagmar Jäger, Cornelia Jöchner, Christian Keller, Nico Knebel, Gereon Legge, Claudia

Moddelmoog, Norbert Palz, Constanze A. Petrow, Jörg Petruschat, Ute Poerschke, Riklef Rambow, Hinrich Sachs, Eran Schaerf, Astrid Schmeing, Andreas Schwarz, Jürgen Schwinning, Melanie Semmer, Álvaro Siza,

8

Sandra Staub, Peter Testa, Yvonne Wuebben und Ulrike Wulf-Rheidt †. Bezogen auf die Neuausgabe danke ich des Weiteren Jane Anderson, Adam Brillhart, Terrence M. Curry, Christopher Dell, Jesko Fezer, Thomas Fischer, Eva Maria Froschauer, Susanne Hofmann, Shayne Jones, Hannes Meyer, Andreas Oevermann, Frits Palmboom, Martin Prominski, Judith Reeh, Alexander Römer und Udo Weilacher. Mein ganz besonderer Dank gilt allen, deren Abbildungen ich verwenden durfte, sie sind in den jeweiligen Bildunterschriften oder im Abbil­ dungsverzeichnis genannt. Als Lektor für den Verlag hat Andreas Müller die Entstehung und Verbreitung des Buches über viele Jahren weitsichtig und sehr engagiert unterstützt und Entscheidendes zu seinem Gelingen beigetragen. Ohne seine Ideen und Vorstellungen und ohne seine konzentrierte und produktive Kritik wäre es nicht zu der vorliegenden Form und Strin­ genz gelangt, und ohne seine große Geduld gäbe es auch diese Neuausgabe nicht. Bernd Fischer für die Erstausgabe und Silke Nalbach für die Neu­ ausgabe haben sich bei der grafischen Gestaltung des Buches außerordentlich engagiert und dabei dessen Grundgedanken hervorragend getroffen. Michael Robinson für die Erstausgabe und Julian Reisenberger für die Neu­ ausgabe verdanken wir die schöne und präzise Übertragung ins Englische. Zu guter Letzt danke ich Maria de la Calle, die mich fast ein Jahrzehnt begleitete, und meinen Eltern, Martin und Elfriede Gänshirt, die mich immer unterstützten und auch die erste Auflage dieses Buches ermöglichten. Den Leserinnen und Lesern wie auch dem Verlag danke ich für die Möglichkeit, im Jahr 2011 eine zweite deutsche und nun diese um mehr als die Hälfte erweiterte Neuausgabe vorzulegen. Zum Schluss aber gilt mein Dank all jenen Forscherinnen und Forschern, welche die Frage nach den Werkzeugen des Entwerfens aufgegriffen und mit beträchtlichem Einsatz weiter erforscht haben. Der erfindungsreiche polymechanos Odysseus hätte dem sicherlich zugestimmt.

Einleitung zur Neuausgabe Seit dem ersten Erscheinen von Werkzeuge für Ideen sind 13 Jahre vergangen.

9

Im Jahr 2007 erschien das Buch auf Deutsch und Englisch, 2011 erschienen eine zweite deutsche Auflage und eine chinesische Übersetzung. Werkzeuge

für Ideen war damals die international erste Monografie zum Thema Werk­ zeuge des Entwerfens. Das erste Anliegen des Buchs wurde erreicht: Der Begriff ebenso wie das Thema „Entwurfswerkzeuge“ sind heute im archi­ tektonischen Diskurs in Forschung und Lehre etabliert. Nach dem ersten Erscheinen hat sich rasch ein umfangreiches Forschungsfeld zu diesem Themen­bereich entwickelt, mit zahlreichen Forschungsprojekten, zwei Junior­ professuren (an der Bauhaus-Universität Weimar und der RWTH Aachen), Forschungsprojekte, Dissertationen, Konferenzen und Ausstellungen, die inzwischen zu mehr als 25 Buchpublikationen führten, die sich einzelnen oder einer Auswahl von Werkzeugen widmen.

(siehe S. 119 ff.)

Das zweite, wichtigere Anliegen des Buches ist es, grundsätzliche Anre­ gungen zur Verbesserung der Entwurfslehre zu geben. Für viele Studierende ist das Erlernen des Entwerfens ein langjähriger, oft verwirrender, nicht ­selten auch schmerzhafter Prozess. Es fällt leichter, wenn neben den üblichen Entwurfsaufgaben auch die theoretischen und historischen Grundlagen dieser anspruchsvollen Tätigkeit vermittelt werden. Die vielfältigen Wege und Möglichkeiten des Entwerfens, seine Werkzeuge und deren Funktionsweise erschließen sich besser, wenn Studierende eine wissenschaftlich fundierte Einführung und Orientierung erhalten. Werkzeuge für Ideen wurde zwar in der Lehre international an Hochschulen von mehr als 15 Ländern verwendet. Bis zu einer grundsätzlichen Verbesserung der Entwurfslehre bleibt allerdings noch vieles zu wünschen übrig. Einige der tieferen Ursachen dafür werden weiter unten diskutiert. WAS WILL DIESE NEUAUSGABE? Bei seinem ersten Erscheinen hat dieses

Buch vorgeschlagen, das Entwerfen aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Ausgehend von der Metapher „Werkzeuge des Entwerfens“ wurden nicht die Methoden oder Ergebnisse, sondern das entwerfende Handeln selbst, seine Medien und die durch sie bedingten Kulturtechniken, zum Horizont der Untersuchung. Den wissenschaftlichen Diskurs nun wiederum aufzunehmen und die wichtigsten neuen Erkenntnisse zu reflektieren ist ein

Ziel dieser um mehr als die Hälfte erweiterten Neuauflage. Zweites Ziel ist, die internationalen Lehrerfahrungen nutzbar zu machen, die etliche Kollegen und ich mit diesen Themen machen konnten. Sie helfen, das Buch so zu

10

konzipieren, dass es sich noch besser in der Lehre verwenden lässt. Insbe­ sondere ist ein dritter Teil hinzugekommen, der der heutigen Praxis gewidmet ist. Er behandelt zukunftsweisende Herangehensweisen wie digitales, forschungsbasiertes, und soziales Entwerfen, die alle zu einer nachhaltigeren Architektur beitragen. Dieses Buch ging, wie gesagt, von der Metapher „Werkzeuge des Entwerfens“ aus. Wie dieser Begriff aufzufassen ist, und ob er überhaupt als Metapher zu verstehen sei, darüber gibt es in der Forschung bislang keine Einigkeit. Manche wollen ihn nur auf geistige Prozesse bezogen wissen (Hartmann 2016),

andere ihn unmittelbar auf die zum Entwerfen benutzten

Die Skulptur Balancing Tools, Claes Oldenburg and Coosje van Bruggen, Vitra Campus, Weil am Rhein, 1984. Foto: 2007

Gegenstände

(Krasny 2008)

oder Medien

(Wittmann 2018)

beziehen, wieder ande-

re bezeichnen selbst so komplexe Tätigkeiten wie das Sammeln als Werkzeug des Entwerfens

11

(Froschauer 2019).

Um all diesen Sichtweisen gerecht

zu werden und eine umfassende Übersicht zu geben, schlage ich nun eine neue, erweiterte Taxonomie vor. Sie besteht aus einer offenen Matrix, welche die Medien des Entwerfens mit den möglichen Formen ihres Gebrauchs ­verschränkt. Diese Matrix zeigt auf, wie viele Möglichkeiten ­entwurflichen Handelns es tatsächlich gibt, und strukturiert die Bereiche, in denen sie zu finden sind. (siehe S. 134–135) Das architektonische Entwerfen unterscheidet sich vom künstlerisch, wissenschaftlich, technisch, ökonomisch oder politisch arbeitenden Entwerfen dadurch, dass es all diese Sichtweisen mit in Betracht zieht und danach strebt, ihnen allen gerecht zu werden. Ziel ist es, eine Balance zu finden, die aus allen als relevant erkannten Perspektiven förderlich erscheint. Am direktesten ließe sich das Entwerfen anhand der einzelnen, im Verlauf eines Entwurfsprozesses ausgeübten Tätigkeiten beschreiben. Bei einem solchen Vorgehen bestünde jedoch die Gefahr, rezeptartige Anleitungen vorzuschlagen, die der fundamentalen Freiheit des Entwerfens nicht gerecht werden. Die Entwurfsprozesse aus der Perspektive der „Werkzeuge des Entwerfens“ und deren vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten zu betrachten, erleichtert es hingegen, die nötige Distanz zu persönlichen Arbeitsweisen einzunehmen. Der Begriff Entwurfswerkzeug bezeichnet hier ein zum Entwerfen benutzbares Medium und die damit verbundenen Denkweisen, Sichtweisen und Kulturtechniken, sowie die jeweiligen, aus dieser Konstellation resultierenden Handlungsmöglichkeiten. Sie alle werden im Hinblick auf das Entwerfen betrachtet und beschrieben. Dies geschieht nicht etwa aus der Perspektive eines Architekten, der lediglich seine eigene Entwurfshaltung begründen oder eine bestimmte Entwurfsmethode darstellen möchte. Der Blick richtet sich vielmehr auf die Wechselwirkungen zwischen den entwerfenden Personen, den ihnen zur Verfügung stehenden Werkzeugen und den damit zu bearbeitenden „Werkstoffen“ – das heißt, den durch das jeweilige Medium vermittelten architektonischen Vorstellungen, Ideen und Entwürfen. ENTWERFEN, WIE LERNT MAN DAS? Ziel dieses Buches ist es, Studierende

darin anzuleiten und zu unterstützen, das architektonische Entwerfen zu erlernen. Es tut dies auf eine fragende und forschende Weise, da sich im

Bereich des Entwerfens so viele Wissensgebiete überschneiden, dass wir wenig mit Sicherheit sagen können. Welche Kenntnisse und Fähigkeiten braucht man im Einzelnen? Wie, wo und wann lassen sich diese am besten

12

erwerben? Zum Entwerfen benötigen wir zunächst die Fähigkeiten des kreativen wie kritischen Denkens und Handelns, die sich kaum durch Texte oder Vorlesungen vermitteln lassen. Man kann sie nur durch eigenes, oft lang­ wieriges und frustrierendes Üben erlernen. Orientierungslos aber bleiben diese Fähigkeiten ohne das Wissen, das man zum Entwerfen ebenso benö­ tigt. In didaktischer Hinsicht ist es daher ausschlaggebend, Entwurfsübungen durch die Vermittlung spezifischer Kenntnisse – über die gestellte Aufgabe, vergleichbare oder vorbildliche Lösungen, aber auch über das Entwerfen selbst, seine Prozesse, Methoden, Werkzeuge und Beurteilungskriterien – anzuleiten und zu unterstützen. Dabei sollte es nicht darum gehen, eine bestimmte Methodik, stilistische Haltung oder Entwurfsweise vorzuschreiben. Ausgangspunkt für jeden Entwurfsprozess sind die Ideen, Vorstellungen und Ziele der Studierenden selbst, die es individuell zu diskutieren und nach Möglichkeit zu fördern gilt. Gegenstände, die „Werke zeugen“, sind grundlegend für alles menschliche Arbeiten. Von daher liegt der Ansatz nahe, das Entwerfen ausgehend von seinen Werkzeugen und Medien zu untersuchen. Der erste Teil des Buchs verschafft zunächst einen Überblick über das heutige Wissen und die ­aktuelle Literatur und diskutiert den Vorgang des Entwerfens. Ist es ein schöpferischer Akt, ein kreativer Prozess oder ein Kreislauf immer wiederkehrender Handlungen? Im zweiten Teil werden dann die grundlegenden Werkzeuge des Ent­wer­ fens eingeführt. Ihre historische Entstehung und spezifischen Eigen­schaften werden untersucht, um dann ihre Wirkungsweise und gegenwärtige Bedeutung als Entwurfswerkzeuge zu analysieren sowie kritische Aussagen über ihren Gebrauch und zukünftige Entwicklung zu treffen. Dies gilt ­besonders im Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung und Ver­ netzung aller Entwurfswerkzeuge. Dieses Vorgehen erlaubt es, so hoffe ich, die vielfältigen Bedeutungsebenen architektonischer Handlungsmöglich­­­­ keiten zu erschließen. Zu betonen bleibt der Einführungscharakter dieser Kapitel. Zu vielen der vorgestellten Entwurfswerkzeuge gibt es inzwischen umfang- und materialreiche Monografien, die sich zur Vertiefung des ­jeweiligen Themas anbieten. Die wichtigsten davon werden jeweils am Ende

der Kapitel kurz angeführt, weiterführende Literaturhinweise finden sich im Anhang.

13

AN WEN RICHTET SICH DIESES BUCH? Werkzeuge für Ideen will das verfüg-

bare Wissen über das Entwerfen erweitern, es in eine nachvollziehbare Ordnung bringen und ohne unnötige Hürden zugänglich machen. Geschrie­ ben ist es für Studierende, aber auch junge Lehrende und Forschende all jener Fachrichtungen, deren Kernkompetenz das architektonische Entwerfen und Gestalten ist. Neben der Architektur und der Innenarchitektur zählen dazu auch die Stadt- und Regionalplanung, die Landschaftsarchitektur, das Design, die Szenografie und, wenn zum Teil auch mit anderen Schwerpunkten, das Ingenieurwesen. WANN LOHNT ES SICH, DIESES BUCH ZU LESEN? Das Erlernen des

Entwerfens ist ein langjähriger Prozess, an dem eine – mehr oder weniger zufällig zusammengesetzte – Reihe von Lehrenden beteiligt ist, die in der Regel unterschiedliche Entwurfshaltungen und Architekturauffassungen vertreten und zumeist wenig voneinander wissen. Fünf Jahre Studium plus zwei Jahre berufliche Praxis gelten international als Mindeststandard, um sich zum Beispiel als Architekt oder Stadtplaner zu qualifizieren; ähnliche Zeiträume gelten für die anderen Entwurfsdisziplinen. Ziel dieses Lernpro­ zesses ist es, die Wahrnehmung, das Denken, die Gestaltungs-, Ausdrucksund Urteilsfähigkeiten so zu trainieren, dass mit der Zeit das entwurfliche Bewusstsein entsteht, das qualifiziertes Entwerfen erst ermöglicht. Eine Schwierigkeit beim Erlernen des Entwerfens ist, dass gewisse Inhalte sich in den frühen Phasen noch kaum erschließen. Sind zum Beispiel die räumliche Wahrnehmung oder das kritische Denken nicht genügend ausgebildet, so leiden auch alle anderen, darauf aufbauenden Fähigkeiten. In ­diesem jahrelangen Lernprozess eine Übersicht oder zumindest eine gewisse Orientierung zu gewinnen ist deswegen alles andere als einfach. Dieses Buch versucht ein gedankliches Gerüst anzubieten, das die wesentlichen Themen dieses langfristigen Lernens anspricht und zueinander in Beziehung setzt. Wer keine oder noch wenig Erfahrung mit dem Entwerfen hat, wird sich von manchem Thema zunächst überfordert fühlen, während der Zugang im Lauf der Ausbildung leichter fallen sollte.

WELCHE KAPITEL SOLLTE MAN ZUERST LESEN? Wer es eilig hat, kann

das Buch wie eine Enzyklopädie benutzen und direkt zu denjenigen Themen gehen, die gerade am meisten interessieren. Der Aufbau des Buches folgt

14

erst im zweiten Teil (Werkzeuge des Entwerfens) der didaktischen Grund­ regel, mit dem Einfachen zu beginnen und dann zum Schwierigeren fortzuschreiten. Im ersten Teil werden zunächst die wissenschaftlichen Grundlagen der vorliegenden Arbeit entwickelt, beginnend mit der Suche nach einer dem Entwerfen angemessenen Auffassung von Wissenschaft Forschen, S. 23),

einer Literaturübersicht

(Entwerfen und

(Vorbilder, Prinzipien, Theorien, S. 37 ff.)

sowie einer Diskussion der für das Entwerfen fundamentalen Begriffe und

Definitionen

(S. 54 ff.).

Studierende jüngerer Semester mögen diesen Teil

zunächst überspringen und sogleich mit dem Thema Wege des Entwerfens (S. 71)

beginnen. Auch die theoretische Herleitung des Begriffs Entwurfs­

werkzeug mag zunächst übergangen werden, als Ausgangspunkt kann dann die Übersicht Visuelle und verbale Werkzeuge

(S. 117)

genügen.

AUF WELCHE QUELLEN STÜTZT SICH DAS BUCH? Der Forschungsansatz

der vorliegenden Untersuchungen basiert zum einen auf der von Edmund Husserl entwickelten philosophischen Methode der Phänomenologie, und zwar in der von Vilém Flusser in Bezug auf die kreative Arbeit entwickelten Variante. Dessen Texten über Gesten, das Entwerfen, das Design und die Philosophie der Fotografie verdankt dieser Ansatz wesentliche Anregungen. Eine zweite Grundlage sind die entwurfstheoretischen Schriften von Otl Aicher, zusammengefasst in Büchern wie die welt als entwurf und

analog und digital, und ein dritter die Entwurfsarbeit des portugiesischen Architekten Álvaro Siza Vieira, die ich mehrere Jahre aus nächster Nähe beobachten konnte. Mit den daraus gewonnenen Fragen wurden dann zum einen die Literatur zur Theorie und Geschichte des Entwerfens konsultiert, zum anderen die eigenen Beobachtungen und die Ergebnisse aktueller Forschungen ausgewertet. Zu den Gegenständen der Phänomenologie gehören auch chronologische und taxonomische Fragen, die ebenfalls behandelt werden. Da aber auch das ethische wie ästhetische Bewerten beim Entwerfen zentral ist, kann dieser Ansatz sich nicht, wie in der Phänomenologie sonst üblich, auf das rein Deskriptive beschränken. Wie fast alle anwendungsbezogene Forschung ist auch diese Arbeit durchaus nicht wertfrei, sondern ausgerich-

tet auf die Suche nach besseren Wegen und Möglichkeiten des Entwerfens. Einen weiteren, zumeist aber unausgesprochenen Hintergrund bilden die vielfältige, mehr als 25 Jahre umfassende Erfahrung des Autors in Lehre,

15

Forschung und Praxis. WAS SIND DIE WICHTIGSTEN ERKENNTNISSE? Entwerfende verfügen

über ein sehr viel größeres Spektrum an Handlungsmöglichkeiten als gemeinhin angenommen. Neben den – sicherlich zentralen – visuellen Werk­­ zeugen Skizze, Zeichnung und Modell, und den am häufigsten genutzten verbalen Werkzeugen Beschreibung, Diskussion und Kritik, verfügen Entwerfende über eine weit darüber hinausgehende Auswahl an Werkzeugen, die vielfältige Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten bieten. Dieses Spektrum aufzuzeigen und zugänglich zu machen ist ein zentrales Anliegen dieses Buches. Zwei Ansätze werden vorgeschlagen, diese taxonomisch zu ordnen: ein bereits in der ersten Auflage enthaltenes Begriffsfeld sowie eine neu hinzugekommene Matrix

(S. 134–135),

(S. 118)

die den erweiterten

Gebrauch des Begriffes in der seither veröffentlichten Forschungsliteratur reflektiert. Eines der Ergebnisse dieser Untersuchungen ist eine Neubewertung der verbalen Entwurfswerkzeuge. Sie basiert auf der Einsicht, dass jedes Entwurfswerkzeug, auch die Zeichnung oder das Modell, eindeutige Vorwie Nachteile besitzt, die sich nur durch die gezielte Kombination verschiedener Werkzeuge ausgleichen lassen. Die Bedeutung der gesprochenen und geschriebenen Sprache ist beim Entwerfen größer als gemeinhin angenommen. Wichtig ist zu erkennen, dass es sich beim Formulieren von Thesen, Konzepten, Beschreibungen, bei Diskussionen und Kritik nicht nur um „wohlfeiles Gerede“ handelt, um bloßes Beiwerk zu den „eigentlichen“ Ent­wurfshandlungen des Skizzierens, Zeichnens oder Modellbaus, sondern um bewusst einzusetzende Entwurfswerkzeuge. Um sie besser als solche zu verstehen und in der Folge qualifizierter zu gebrauchen, bedürfen auch diese der wissenschaftlichen Reflexion. Architektur, als eine rationale, theoretisch begründete Disziplin, ist ein Konzept, das zwar in der Antike entstand, aber erst seit Beginn der Neuzeit voll zum Tragen kam. Auch wenn das Entwerfen und Bauen eine lange Geschichte hat, haben sich doch die meisten Berufe, deren Kernkompetenz das architektonische Entwerfen ist, erst während oder nach der italienischen

16

Ein wohlgeordneter Werkzeugkasten: Reißzeug von Clemens Riefler, München, vor 1900. Foto: Rama 2016

Renaissance herausgebildet. In historisch gesehen kürzester Zeit haben sie sich zu konstituierenden Faktoren der modernen Existenzweise entwickelt. Der Umstand, dass wir inzwischen den größten Teil unserer Zeit in weitge-

17

hend von Menschen entworfenen und gestalteten Umgebungen verbringen, macht das Entwerfen zu einem bestimmenden Faktor für die Qualität unserer Lebenswelten. Im Kontext der ständig fortschreitenden digitalen Revolution sind wir gegenwärtig dabei, das Entwerfen durch eine grundlegende Umbildung seiner wichtigsten Werkzeuge immer wieder neu zu definieren. WAS IST NEU IN DER NEUAUSGABE? Zusätzlich zu den wichtigsten

Forschungsergebnissen, die in den vergangenen Jahren zum Thema Werk­ zeuge des Entwerfens veröffentlicht wurden, und einer Reihe verbesserter Abbildungen, ist das Buch um einen dritten Teil erweitert, der dem Thema der entwurflichen Praxis gewidmet ist. Hier geht es um drei Themen­ bereiche, die in jüngster Zeit an Bedeutung gewonnen haben und die das Potenzial haben, zu wegweisenden Einflüssen für die Architektur des 21. Jahr­ hunderts zu werden: digitales, forschungsbasiertes und soziales Entwerfen. Jede dieser Entwurfspraktiken unterscheidet sich deutlich von den gängigen Verfahren, allerdings auf sehr verschiedene Weise. Alle drei sind uner­ lässlich, um zu einer ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigeren Architektur zu gelangen. WIE LÄSST SICH WERKZEUGE FÜR IDEEN IN DER ENTWURFSLEHRE ­VERWENDEN? Die vorliegenden Inhalte didaktisch umzusetzen erfordert

einen gewissen Aufwand. Ideal wäre eine Vorlesungsreihe, begleitet von Übungen zu den einzelnen Werkzeugen sowie von einem Seminar, in dem die Studierenden ihre eigenen Entwurfserfahrungen diskutieren und reflek­­ tieren können. Für ein solch umfassendes Lehrmodul ist in den in der Entwurfsausbildung üblichen Curricula bislang allerdings kein Raum. Stu­ die­renden im Rahmen eines Entwurfsprojekts einfach das Buch an die Hand zu geben blieb ohne erkennbare Wirkung. Zu sehr sind sie in dieser Situation mit ihrem eigenen Entwurf beschäftigt, und oft genug drücken Abgabetermine. Bessere Resultate erzielten Seminare höherer Semester, in denen Studierende ihre eigenen Entwurfserfahrungen im Hinblick auf die grundlegenden Prozesse und Werkzeuge diskutierten. Als effektiver erwiesen sich

die Seminare jedoch, wenn sie von einer Vorlesungsreihe begleitet wurden, welche die Inhalte dieses Buches vermittelte und mit weiteren Beispielen vertiefte. Didaktisch am wirkungsvollsten waren hingegen einzelne, über das

18

gesamte Curriculum verteilte Vorlesungen und Seminarsitzungen, wenn sie passgenau zugeschnitten wurden auf die zum jeweiligen Zeitpunkt aktuellen Kenntnisse und Lernbedürfnisse: zu Beginn des Studiums eine Vorlesung zur Einführung in das Thema Entwerfen, wenig später ebenfalls einführende Vorlesungen, verbunden mit Gestaltungsübungen zu den grundlegenden Entwurfswerkzeugen wie Geste, Skizze oder Sprache; vor der ersten großen Zwischenpräsentation ein Impulsvortrag zum Thema Kritik als Werkzeug, oder im Rahmen einer Vorlesungsreihe Architekturtheorie eine Einführung

in das weite Gebiet der Theorie als Werkzeug des Entwerfens. Kapitel wie

Entwerfen und Forschen oder Begriffe und Definitionen werden erst später relevant, etwa zu Beginn eines Master- oder Doktorandenprogramms.

19 WIE ENTSTAND DIESES BUCH? Es entsprang aus dem Wunsch, Klarheit

über die wissenschaftlichen Grundlagen der Entwurfslehre zu schaffen. Zu Beginn war es auch eine Reaktion auf die Schwierigkeiten, die das Erlernen des Entwerfens mir selbst bereitet hatte, und auf die erhebliche Diskrepanz, die ich zwischen den Inhalten und Methoden meiner Ausbildung im Ver­ gleich mit den ersten Jahren meiner Berufserfahrung empfunden hatte. Zwar waren viele meiner Lehrer durchaus angesehene und ­erfolgreiche Architekten, Stadtplaner und Landschafts­archi­tekten. Sie stellten Entwurfsaufgaben, hielten Vorlesungen und kritisierten (manche zu zögerlich, andere wiederum zu heftig) unsere Lösungsvorschläge. Aber das Entwerfen selbst, die Kenntnis von Vorgehensweisen, Prozessen und Methoden, und die Fähigkeit, Werkzeuge und Strategien, Medien und Beurteilungskriterien im richtigen Moment und auf erfolgversprechende Weise einzusetzen, wurde stillschweigend vorausgesetzt. Niemand sprach darüber, es gab nicht einmal Literaturempfehlungen, obwohl es einschlägige Lehrbücher durchaus gegeben hätte.

(siehe zur Übersicht z. B. Hassenewert 2006)

Die Hochschule, deren Lehrende ein breites Spektrum architektonischer Positionen vertraten, wäre eigentlich ein guter Ort gewesen, über das Entwerfen an sich nachzudenken. Die Lehrenden waren jedoch eher bemüht, ihre jeweiligen Positionen abzugrenzen und zu verteidigen, als sich den grundlegenden Fragen zu stellen. Manche vertraten sogar die Meinung, die Fähigkeit des Entwerfens basiere allein auf angeborenen Begabungen, es sei demnach sinnlos, sie lehren zu wollen: Die „schlechten“ Studenten verstünden es ohnehin nicht, und die „guten“ könnten es ja schon, sie bräuchten daher keine weitere Belehrung. Dem liegt vielleicht das Missverständnis zugrunde, dass jene Fähigkeiten, die sich nicht direkt vermitteln lassen, sondern nur durch eigenes Üben und Lernen erworben werden Skizzen, Zeichnungen, Zeichentische, Modelle, Prototypen, Fotos, Texte, Publikationen, Videos in der Ausstellung Piece by Piece: Renzo Piano Building Workshop, Power Station of Art, Shanghai 2015

können, als pädagogisches Problem nicht adressierbar seien. Das Gegenteil ist der Fall. Eine Reihe von Forschungsarbeiten zu diesem Thema auswertend konnte der Journalist Geoff Colvin zeigen, wie sehr „Talent überbewer-

20

tet ist“ und dass es vielmehr jahrelanger, gezielter und von qualifizierten Fachleuten angeleiteter Übung bedarf, um sich auf einem Gebiet hervorzutun.

(Colvin 2008)

In der Musik oder im Sport gilt das als selbstverständlich,

warum sollte es in der Architektur anders sein? BRAUCHEN WIR ANDERE ENTWURFSLEHREN? Unfair ist eine solche

Einstellung insbesondere jenen Studierenden gegenüber, die nicht aus einem architektur- oder gestaltungsaffinen Elternhaus kommen. Sie leugnet zentrale Lernfähigkeiten und Lernbedürfnisse und trägt entscheidend zur oft beklagten, in den vergangenen Jahren sogar noch verschärften sozialen Undurch­­­ lässig­­keit des Hochschulsystems und damit der Gesellschaft insgesamt bei. Man kann diese Einstellung als Missverständnis beklagen. Aber man erkennt darin auch die von Soziologen wie Pierre Bourdieu und Didier Eribon vielfach beschriebenen sozialen Mechanismen, die Hochschulen zu Instanzen machen, welche zur Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Distanz und sozialer Privilegien beitragen, indem sie Studierende aus weniger privilegierten sozialen Gruppen nicht ausreichend unterstützen.

(vgl. Eribon 2013, S. 182 ff.)

Auch das Vorurteil, jegliches Vorwissen sei für die Kreativität nur hinderlich, lässt sich hier einordnen. Immer noch wird das Lehren ebenso wie das Erlernen des Entwerfens als eine rein praktische, allein auf persönlicher Erfahrung basierende Tätigkeit dargestellt. So liest man beispielsweise im Vorwort eines kürzlich erschienenen Buchs über die Entwurfslehre: „Lehre ist

keine Theorie, sondern Praxis. (...) weil sie von der Praxis, der Erfahrung des Lehrenden lebt.“ (Eberle, Aicher 2018, S. 10) Die Art und Weise, wie diese Erfahrung dann aber tatsächlich weitergegeben wird, hat mit einer konkreten Praxis des Entwerfens nur wenig gemein. Das Gros der tatsächlichen Entwurfslehre wird (zumindest an den deutschsprachigen Universitäten) von sogenannten „Assistierenden“ übernommen, während die Lehrstuhlinhaber, auf deren Erfahrung es eigentlich ankäme, sich zumeist auf Vorlesungen und das Kritisieren der Arbeitsergebnisse zurückziehen.

WAS IST ZU TUN? Viele Hochschulen beschränken sich in der Entwurfs­

lehre nach wie vor auf die Methode learning-by-doing, was oft zu einer Nachahmung bekannter Vorbilder führt, die ohne tieferes Verständnis für

21

die doch eigentlich zentrale Tätigkeit des Entwerfens oder für die einen Entwurf generierenden Faktoren bleibt. Gelehrt wird in vielen Fällen eine Entwurfsmethode, die als solche unreflektiert bleibt, nicht aber das Ent­ werfen selbst. Um wirklich eigenständig und innovativ entwerfen zu lernen, wäre eine aufgeklärtere Lehre unverzichtbar. Studierende benötigen beides, die persönliche Praxis und eine diese begründende Theorie. Sie brauchen theoretisch fundierte Kenntnisse der Voraussetzungen, der Prozesse, Werkzeuge, Medien, Methoden, Theorien und vielfältigen Handlungsmög­ lichkeiten des Entwerfens. Sie brauchen nicht nur das Wissen und die Fähigkeiten, um mit den wichtigsten Entwurfswerkzeugen erfolgversprechend zu arbeiten, sondern auch den nötigen Überblick, um zu jedem ­gegebenen Zeitpunkt ein geeignetes Werkzeug zu wählen und es erfindungsreich und sachgemäß einzusetzen. Beim digitalen Entwerfen sollten sie darüber hinaus über das Rüstzeug verfügen, eigene Entwurfswerkzeuge zu entwickeln.

TEIL A: GRUNDLAGEN 2 2

Das architektonische Entwerfen ist eine der anspruchsvollsten menschlichen Tätigkeiten. Es steht im Zentrum aller Berufe, die sich aus dem architekton der Antike entwickelt haben: Architekten, Stadtplaner und Landschafts­ architekten entwerfen, ebenso Designer und Bühnenbildner, aber auch Ingenieure vieler Fachrichtungen. Entwerfen verbindet Praxis und Theorie, verlangt künstlerische Fähigkeiten und solide wissenschaftliche Grundlagen. Ziel ist es, eine Forderung zu erfüllen, die sowohl philosophische wie politische Aspekte hat: die Forderung nach guter Gestaltung der Welt, in der wir leben.

Entwerfen und Forschen Alle Theorie meint am Ende, was über sie hinausweist. Hans-Georg Gadamer (1986, S. 50) Seit einiger Zeit ist das Fachgebiet Architektur als vollwertige Fakultät an Universitäten vertreten. Im Verhältnis zur Jahrhunderte alten Geschichte ­dieser Institution stellt dies ein Novum dar, dessen Bedeutung weder von den Architekten noch von der Universität bislang ausgelotet wurde. Bis vor ­wenigen Jahrzehnten waren es vorwiegend Kunstakademien, Ingenieur­ schulen, Fachhochschulen und Technische Hochschulen, an denen das Entwerfen und Bauen unterrichtet wurde. In Deutschland, wo Architektur seit Mitte der 1980er Jahre vermehrt an Universitäten gelehrt wird, wurden viele Kunsthochschulen und Technische Hochschulen, an denen das Fach zuvor beheimatet war, zu vollwertigen Universitäten ausgebaut. Damit wurde der seit Beginn der Neuzeit von Künstlern und Architekten erhobene Anspruch anerkannt, nicht nur als bessere Handwerker, als Künstler und Ingenieure, sondern auch als Wissenschaftler und vollwertige Akademiker zu gelten. Die Vereinheitlichung der Lehre durch die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen stellte in Europa gerade im Bereich Architektur einige Länder vor große Herausforderungen. An den Uni­versi­täten stellte sich die Frage, inwieweit die Einführung der neuen, stärker vorstrukturierten ­Stu­dien­gänge die Lehr- und Forschungsfreiheit der Lehrenden und die Lernfrei­heit der Studierenden einschränkt. Eine längere Praxisphase ­zwischen Bachelor- und Masterstudium, wie in den USA üblich, ermöglicht es andererseits, die zum Entwerfen nötige Erfahrung zu sammeln. Die internationale Kompatibilität der Studiengänge förderte die Mobilität von Studierenden wie Lehrenden. Sie machte aber auch neue Formen des Entwurfsunterrichts notwendig, die eher allgemeingültige als an persönlichen oder lokalen Vorlieben orientierte Inhalte vermitteln. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge erfordert eine Straffung der Studieninhalte, die nicht selten auf Kosten der „weichen“ Themen des Architekturstudiums ging. Kulturelle und kreative Inhalte wurden tendenziell von technischen und ökonomischen Fächern verdrängt. Diese Tendenz folgte den Zwängen einer Wirtschaftsordnung, die kreative Leistung erst und nur dann honoriert, wenn sich damit Geld verdienen lässt. Das allen kreativen Berufen innewohnende Versprechen der schöpferischen Selbst­

verwirklichung ist ein tragender Mythos dieser Wirtschaftsordnung, dem Entwerfende ebenso gutgläubig folgen wie Autoren, bildende Künstler, Musiker oder Filmemacher. Zu beobachten bleibt, inwieweit die Umstruk­turierung der

24

Studiengänge noch dem Leitbild eines schöpferischen Berufs folgt. Erstaunlicherweise können bis heute Architekten, gerade auch diejenigen, die sich als Entwerfende verstehen, der ursprünglichen Idee der Universität, Lehre und Forschung zu verbinden, nur wenig abgewinnen. Einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den grundlegenden Fragen des Entwerfens begegnen sie mit Skepsis, zumal ein Wissenschaftsverständnis, das dieser besonderen Tätigkeit adäquat wäre, noch längst nicht etabliert ist. Als sogenannter Entwurfsarchitekt zu promovieren gilt als unüblich, um nicht zu sagen kontraproduktiv. Was gegenwärtig für Entwerfende und Entwerfen Lehrende in aller Regel wirklich zählt, sind gewonnene Wett­be­ werbe und realisierte Projekte. Dies aus gutem Grund: Da viele der mentalen Prozesse des Entwerfens (oder jeder anderen kreativen Tätigkeit) unbewusst ablaufen und nur mittelbar und in komplexen Zusammenhängen geübt werden können, kann eine Forschungstätigkeit nur indirekt die für das Entwerfen nötigen Fähigkeiten erweitern. Sie erzeugt ein Wissen, das von grundlegend anderer Kategorie ist als das an die Person gebundene Können der Entwerfenden. Deshalb wird auch weiterhin von allen akademisch tätigen Architekten der Einwand

Jaspers 1946, Adorno 1971, Bourdieu 1984: eine idealistische, eine theoretische und eine soziologisch-ethnografische Sicht der Universität

Egon Eiermanns zu bedenken sein, wie wenig wissenschaftliche Leistung zu unserem Beruf notwendig sei im Verhältnis zu der menschlichen Grund­ haltung, mit der dieser Beruf begonnen und beendet werden sollte.

25

1994, S. 39)

(Eiermann

Theoretisches Wissen und Handlungswissen sind nicht von glei-

cher Art, und das eine lässt sich oft nur unter großen Schwierig­keiten in das andere übertragen. S. 304)

(Dörner 1989, S. 65)

Aber dieses „graue“ Wissen

reden, es kann „mitteilbare, nachprüfbare, diskutierbare“ S. 69)

(a. a. O.,

kann als Grundlage dienen, um über das Entwerfen und Bauen zu (Jaspers, nach Saner 1970,

Erkennt­nisse produzieren, die wiederum zur Basis einer Lehr­tätigkeit

werden können. Das Entwerfen hat in der heutigen Gesell­schaft eine so zentrale Bedeutung, dass seine Erforschung nicht länger vernachlässigt werden darf. „Ein Blick aus dem Fenster lehrt, dass wir geradezu unter einem Notstand

der Gestaltung leiden. Jede Ortsranderweiterung, jedes Gewerbegebiet offenbart die Abwesenheit des Entwerfens“, schrieb der Architekt und Journalist Wolfgang Bachmann.

(Bachmann 2006)

ENTWERFEN LEHREN

Die Position von Architekten an der Universität ebenso wie an allen anderen Architekturschulen ist in erster Linie die von Lehrenden – und als solche von vornherein eine problematische. In seinem Vortrag „Tabus über den Lehrer­

beruf“ beschrieb Theodor Adorno charakteristische Defizite des Lehrerda­ seins: Unverkennbar besitze der Lehrberuf, verglichen mit anderen akademischen Berufen wie dem des Juristen oder des Mediziners, ein gewisses Aroma des gesellschaftlich nicht ganz für voll Genommenen. Unbewusst, vermutet Adorno weiter, würden Lehrer vielleicht als eine Art von Krüppeln vorgestellt, als im Grunde genommen unmündige Menschen, die innerhalb des eigentlichen Lebens, des realen Reproduktionsprozesses der Gesellschaft keine Funktion hätten.

(Adorno 1971, S. 71 ff.)

Den Verdacht, viele Lehrende hät-

ten nicht wirklich etwas zu sagen, äußert Gregory Bateson noch radikaler:

„Ist es etwa so, dass sich die Lehrer bewusst sind, den Makel des Todes zu tragen, der alles, was sie berühren oder lehren wollen, in Geschmacklosigkeit verwandelt, und deshalb klugerweise nichts berühren oder lehren wollen, was für das wirkliche Leben von Bedeutung ist? Oder verhält es sich so, dass sie den Makel des Todes tragen, weil sie es nicht wagen, irgend etwas Lebenswichtiges zu lehren?“ (Bateson 1979, S. 15)

Von diesem Odium ausgenommen sieht Adorno jedoch die Lehrenden an den Hochschulen. Es sei bezeichnend, dass diejenigen Lehrer am meisten Ansehen genießen, nämlich eben die akademischen, die mindestens der Idee

26

und der öffentlichen Vorstellung nach produktiv forschen, also nicht auf den als sekundär und scheinhaft verdächtigten pädagogischen Bereich fixiert sind. Adorno berichtet von einem Hochschullehrer, der feststellt, er habe pädagogisch nur deshalb gewirkt, weil er niemals seine Studenten pädagogisch behandelt habe. Erfolg als akademischer Lehrer verdanke man offenbar der Abwesenheit einer jeden Berechnung auf Einflussnahme, dem Verzicht aufs Überreden. Nicht nur für diese Sichtweise ist es die wissenschaftliche Forschung, die der akademischen Lehre ihre besondere Glaubwürdigkeit und Relevanz verleiht. Als Äquivalent zum wissenschaftlichen Forschen gilt an Architektur­ fakultäten im Allgemeinen jedoch das eigene Entwerfen und Bauen – und nicht etwa eine wissenschaftliche Analyse des eigenen Tuns oder eine daraus entwickelte Theorie des Entwerfens. Nach dem gebauten und damit in konkreter Wirklichkeit als realisierbar, gut nutzbar und kulturell wertvoll erwiesenen Entwurf bemessen sich nach allgemeiner Auffassung Rang und Ansehen der das Entwerfen lehrenden Hochschullehrer. Doch die inhaltliche Qualität einer Entwurfslehre entsteht nicht nur aus der Qualität des selbst Entworfenen und Gebauten, sondern ebenso aus der Fähigkeit, die eigene Praxis zu reflektieren und deren implizites Handlungswissen in „mitteilbares,

nachprüfbares, diskutierbares“ Wissen – so Karl Jaspers' schon angeführte Beschreibung wissenschaftlicher Erkenntnis – zu transformieren und es damit erst lehrbar zu machen. Als „Unmündigkeit“ eines Entwurfslehrers hätten in diesem Sinn zweierlei Defizite zu gelten: die Qualität der Entwürfe nicht durch eigenes Bauen nachgewiesen zu haben und die Qualität der Lehre nicht durch wissenschaftliches Arbeiten gesichert zu haben. Beides gilt es zu überwinden, denn „die Forderung zur Mündigkeit scheint in einer

Demokratie selbstverständlich“.

(Adorno 1971, S. 133)

Zu seiner Zeit hatte Leonardo da Vinci eine vergleichbare Art von – unterstellter oder realer – „Unmündigkeit“ zu überwinden. Ist es heute der Mangel an wissenschaftlicher Reflexion, der häufig die Grenzen einer Entwurfslehre markiert, so galten damals in der gesellschaftlichen Hierarchie Künstler und Architekten kaum mehr als Handwerker, deren Status nicht mit dem eines Gelehrten zu vergleichen war. Leonardos Anspruch, als

Leonardo da Vinci: Sitzender alter Mann mit Wirbelstudien, um 1513, Feder und Tinte, 15,2 x 21,3 cm, Windsor Castle, The Royal Collection, RL 12579r

Gelehrter anerkannt zu werden und nicht mehr nur als besserer Hand­ werker, als „huomo sanza lettere“

(Arasse 1997, S. 69)

zu gelten, manifestierte

sich in einer ausgedehnten wissenschaftlichen Tätigkeit, in der er die Grundlage seiner künstlerischen Arbeit sah und die zugleich seinen Anspruch auf einen höheren gesellschaftlichen Status untermauerte. Die Verbindung von künstlerischer Arbeit, technischem und architektonischem Entwerfen und wissenschaftlicher Forschung wurde in der Person Leonardo da Vincis zu einer „Symbolfigur des modernen Menschen“, S. 159)

(Mittelstrass 1994,

die heute neue Aktualität gewinnt. Der „projector“ Leonardo

(Schumacher 1981, S. 41)

ist von Architekten, die sich trotz eines immer größer

werdenden Spezialisierungs­drucks weiterhin als Generalisten, als

„Spezialisten der Nicht-Spezialisierung“

(Álvaro Siza)

verstehen wollen, erneut

auf seine Vorbildfunktion zu prüfen. Leonardo, der als Linkshänder dem räumlichen, bildhaften, assoziativen und simultanen Denken zugeneigt war, gilt es heute neu zu befragen, wie sich Kunst und Technik, Entwurf und Forschung, Architektur und Wissenschaft auf zeitgemäße Weise in Verbindung bringen lassen. Jeder Lehre wohnt die Tendenz inne, um einer prägnanteren Darstell­ barkeit willen zu vereinfachen und zu verkürzen, mit der Gefahr, in der Folge dogmatisch zu werden. Verfolgt man die historische Entwicklung des Archi­tektur­unterrichts, wird deutlich, dass es immer wieder neue Ansätze

gab, diese Tendenz aufzubrechen und sich in einer Gegenbewegung neu der Realität anzunähern. Diese Bemühungen, aktuelle Kenntnisse und Arbeits­ methoden in die Lehre einzubeziehen, wurden langfristig zu den fruchtbarsten

28

Impulsen für die Weiterentwicklung der Entwurfslehre. Ein historisches Beispiel ist die englische Arts-and-Crafts-Bewegung mit ihrer spezifischen Verbindung von Kunst und Handwerk, die von William Morris und John Ruskin über Hans Poelzig und das Bauhaus hinaus bis heute wirksam ist. Der Wunsch, direkten und konkreten Bezug zur Wirklichkeit herz­ustellen, war bei Poelzigs Rollenspielen oder den Materialstudien, die László Moholy-Nagy am Bauhaus durchführte, Basis vieler Erneuerungen. Im Zuge von Aufklärung und Industrialisierung haben sich in Europa seit der Französischen Revolution zwei parallele Traditionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten entwickelt, die jeweils mehr den künstlerischen oder mehr den ingenieurwissenschaftlichen Aspekten des Entwerfens und Bauens Rechnung tragen. Die künstlerische Seite wurde von den Ateliers der École des Beaux-Arts vertreten, die als Nachfolgeinstitution der Académie Royale d'Architecture 1793 in Paris gegründet wurde. Das Entwerfen wurde an dieser Institution als Kunst gelehrt, mit dem einer Architektenpersönlichkeit zugeordneten Atelier als einer verschworenen Gemeinschaft, deren Hierarchie von einem traditionellen Meister-Schüler-Verhältnis gekennzeichnet war. Diese Traditionslinie lässt sich über die Kunsthochschulen unserer Tage bis zu den units der britischen Architectural Association verfolgen. Zum anderen wurde das Entwerfen von den technischen Grundlagen des Bauens her gelehrt. Diese Lehre war den Prinzipien der Aufklärung, den neuzeitlichen Wissen­ schaften, letzten Endes der modernen Universität verpflichtet. Die entsprechende Institution, die École Polytechnique, wurde 1794, ein Jahr nach der École des Beaux-Arts und somit ebenfalls im Umfeld der Franzö­ sischen Revolution, mit dem ungebrochenen Enthusiasmus der Aufklärung gegründet.

Studentische Arbeitsräume der Fakultät für Architektur der Universität Porto (FAUP), Álvaro Siza, 1986–1995

Die Lehrenden dieser Schule waren verpflichtet, die von ihnen vermittelten Inhalte schriftlich niederzulegen und wissenschaftlich zu begründen. (Pfammatter 1997)

29

Daraus entstanden unter anderem Jean-Nicolas-Louis

Durands berühmte und einflussreiche Précis des leçons d'architecture données à

l'École Polytechnique.

(Durand 1802)

Der Unterricht fand nicht mehr nur im

Atelier, sondern in Hörsaal und Seminar statt, man war bestrebt, die Lehre durch theoretisches Arbeiten zu untermauern. Dem Meister-SchülerVerhältnis der künstlerischen Ausbildung stand hier das Prinzip wissenschaftlicher Forschung und Lehre gegenüber. Den damaligen Studierenden war die Zweiteilung des Ausbildungs­ systems bewusst, und damit auch die Notwendigkeit, sich mit beiden Aspekten des Bauens intensiv zu beschäftigen. Viele haben sich in beiden Systemen ausgebildet und gelegentlich, wie etwa Durand, auch beide Systeme gelehrt. Die nicht oder falsch verstandene Dichotomie der künstlerischen und der technisch-wissenschaftlichen Aspekte des Entwerfens und Bauens jedoch führt bis heute zu Unklarheiten im Selbstverständnis der Architekten. Während die einen sich als zweckrationale Techniker im Dienste ihrer Bauherren sehen, die keine Verantwortung mehr für das weitere Umfeld tragen, übersehen die anderen gerne, dass wissenschaftliche, technische und ökonomische Rationalitäten Bestandteil der menschlichen Kultur sind, mit der wir diese Welt bewohnbar – oder auch unbewohnbar – machen. Architektur sollte der konkreten Wirklichkeit mehr verpflichtet sein als aller Theorie. Aus dieser Grundhaltung ist sie im Prinzip in der Lage, im Spektrum der Fakultäten – oder wie Karl Jaspers schreibt: im Kosmos der Wissenschaften – einen Gegenpol zur Philosophie zu bilden. Während jene die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit aus theoretischer Sicht zusammenfasst und auswertet, kann die Architektur dieses Zusammenfassen und Auswerten im Hinblick auf die konkrete Realisierung leisten. So wie die Philosophie sich in einer Welt der Ideen jenseits der strengen Wissen­schaften bewegt, kann die Architektur diesseits von ihnen, als angewandte Wissen­ schaft, einen Beitrag dazu leisten, diese auf die konkrete Lebenswelt zu ­beziehen. Das von Le Corbusier formulierte Ideal der Synthèse des Arts wäre somit erweitert zu einer Synthèse des Arts et des Sciences. Die Aufgabe der Architektur in der Universität wäre es dann, die Gesamtheit der Wissen­schaf­ ten nicht zu ­ver­vollständigen, sondern aus der Perspektive konkreter Realisierung überhaupt erst herzustellen. Um dies leisten zu können, müsste

allerdings das wissenschaftliche Arbeiten – in einem noch zu definierenden Sinn – nicht nur einen wesentlich höheren Stellenwert an den Architektur­ fakultäten erhalten, sondern überhaupt erst im Selbstbild entwerfender

30

Architekten verankert werden (mehr dazu in den neuen Kapiteln Theorie (S. 249) und Forschungsbasiertes Entwerfen (S. 324). DAS ENTWERFEN ERFORSCHEN

Eine der konzisesten Definitionen von Wissenschaft hat der Biologe Edward O. Wilson vorgeschlagen: Wissenschaft sei das „organisierte, systematische

Unterfangen, Wissen über die Realität zusammenzutragen und es zu überprüfbaren Gesetzen und Prinzipien zu verdichten“. (Wilson 1998, S. 73) Das Ideal wissenschaftlicher Tätigkeit mit Kriterien wie methodischer Strenge, Wiederhol­ barkeit, Berechenbarkeit, zwingender Allgemeingültigkeit wird von den Naturwissenschaften vorgestellt. Ein Ideal, dessen Grenzen Gregory Bateson aufzeigt. Er betont,

„dass immer dann, wenn wir uns rühmen, einen neueren, strengeren Weg des Denkens oder der Darstellung gefunden zu haben […] wir etwas von der Fähigkeit einbüßen, neue Gedanken zu denken. Und wir verlieren natürlich ebenfalls etwas, wenn wir gegen die sterile Strenge formalen Denkens und formaler Darstellung rebellieren und unsere Ideen wild schweifen lassen. Nach meiner Ansicht kommen die Fortschritte im wissenschaftlichen Denken von einer Verbindung lockeren und strengen Denkens, und diese Kombination ist das wertvollste Werkzeug der Wissenschaft.“ (Bateson 1972, S. 116 f.) Unabdingbare Basis wissenschaftlicher Arbeit sei es, sich über die Voraus­ setzungen eines Ansatzes Klarheit zu verschaffen, denn Wissenschaft beweise nie irgend etwas. Sie stellt lediglich Hypothesen auf, die sie im weiteren Verlauf der Forschung entweder verbessert oder widerlegt.

(Bateson 1979, S. 37)

Erst das Bewusstsein von Voraussetzungen eröffnet Möglichkeiten diese in Frage zu stellen. Im Buch der Unruhe, das Fernando Pessoa, der portugiesische Schriftsteller der Moderne, seinem Heteronym Bernardo Soares zuschreibt, taucht zwischen zwei längeren Textabschnitten unvermittelt und ohne jeden weiteren Kommentar ein Satzfragment auf, das lautet: „… o sagrado instinto

de não ter teorias…“ („… der heilige Instinkt, keine Theorien zu haben…“). 1991, S. 77)

(Pessoa

Diese Worte weisen auf die Idealvorstellung eines Künstlers oder

Wissenschaftlers, der sich ungeschützt der Gesamtheit lebendiger Existenz

aussetzt im Versuch, die Welt ohne den Filter theoretischer Kategorien in sich aufzunehmen.

31

Die Freiheit des Menschen, den Karl Jaspers einmal als „Existenz der aller Forschung

unzugänglichen Freiheit“ charakterisierte, (Jaspers 1946, S. 50)

manifestiert sich unter

anderem im kreativen Akt des Entwerfens. Ein Ziel dieses Buches ist es, die Freiheit des Entwerfens zu beschreiben in der Hoffnung, sie damit besser zu erschließen, sie erfahrbar Symbol wissenschaftlicher Forschung: das Mikroskop

und mitteilbar zu machen. Keinesfalls kann es darum gehen, ihr das Korsett einer vor-

definierten Methode anzulegen, vielmehr soll die Welt des Entwerfens als eine offene und zugleich als eine ganze verstanden werden, als ein Bereich, in dem eine Vielfalt von Sprachen, Denk- und Arbeitsformen existiert. Damit soll zu einer Entwicklung beigetragen werden, die Wolfgang Welsch in der Wissen­schaftstheorie insgesamt konstatiert, wo das Artistische nicht nur ein Programm der Kunst, sondern auch ihres Gegenpols, der Wissen­ schaft selbst wird.

(Welsch 1988, S. 18 f.)

In welcher Beziehung stehen Forschen und Entwerfen? Was kann Forschung für die Entwerfenden leisten? Beide Tätigkeiten erzeugen Wissen, doch von unterschiedlicher Art. Das Entwerfen, von vielen Architekten als ein Mittel der Erkenntnis aufgefasst, kann keinesfalls durch Forschung ersetzt werden. Forschung, insbesondere die technisch-wissenschaftliche Forschung, stellt zwar einen Teil des Wissens zur Verfügung, das in einen Entwurf einfließt. Aber das Entwerfen kann Wissenschaftlichkeit nur insofern beanspruchen, als es sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützt. Das Verhältnis von Entwerfen und Wissenschaft kann in Analogie zur Relation von medizinischer Behandlung und Naturwissenschaft gesehen werden: Die medizinische Praxis stützt sich auf wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse, ist selbst aber keine reine, sondern eine angewandte Wissenschaft. Das Entwerfen ist eine Kunst, die über die gesicherten Fakten, über das handwerklich-technische Wissen hinaus wesentlich auf persönliches Handlungs- und Erfahrungs­wissen angewiesen ist. So gilt einerseits: Das Entwerfen ist selbst keine Wissen­schaft, sondern nutzt technisch-wissen-

schaftliche Erkenntnisse ebenso wie künstlerisches Können und Wissen. Und andererseits: Das Entwerfen ist zwar keine Wissenschaft, kann aber zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen werden.

32

Eine Wissenschaft, die das Entwerfen zu ihrem Thema macht, befasst sich nicht in erster Linie mit existierenden Gegenständen oder mit wiederholbaren Phänomenen, die sich isolieren und in aller Ruhe analysieren lassen. Sie befasst sich vielmehr mit dem Verhältnis entwerfenden Denkens und Handelns zur zukünftigen– immer ungewissen – Realisierung des Entworfenen. Eine solche Wissenschaft des Entwerfens übergreift Kunst-, Kultur- und Ingenieurwissenschaften und betrachtet einen Bereich, in dem sowohl natur- als auch geisteswissenschaftliche Ansätze relevant sind. Die Probleme des Entwerfens und damit auch einer Wissenschaft des Ent­werfens sind von grundsätzlich anderer Struktur als die herkömmlicher Wissen­ schaften. Mit der Unterscheidung von „zahmen“ und „verzwickten, bösartigen“ Problemen, die sich aufgrund ihrer Komplexität und Wider­sprüchlichkeit weder eindeutig bestimmen noch vollständig lösen lassen, hat Horst Rittel auch den kategorischen Unterschied einer Wissenschaft des Entwerfens zu den herkömmlichen Wissenschaften bestimmt. Eine wissenschaftliche Argumentation wird normalerweise aufgegeben, wenn sich in ihrem logischen Aufbau ein unlösbarer Widerspruch, eine Paradoxie zeigt. Die Tätigkeit des Entwerfens ist im Gegensatz dazu geprägt von der Problematik, trotz offensichtlicher Widersprüche akzeptable Lösungen erarbeiten zu sollen. Eine Wissenschaft, die das Entwerfen thematisiert, muss daher nach Wegen suchen Paradoxien aufzuzeigen, ihre Struktur und Bedeutung zu entschlüsseln und mit ihnen produktiv umzugehen: Beispielsweise indem sie, wie Rittel vorschlägt, zu lösende Probleme neu definiert, oder, wie Vilém Flusser demonstriert, Lösung auf einer ­anderen Bedeutungsebene sucht. Eine solche Forschung kann theoriebildend das Entwerfen und die Entwurfslehre unterstützen. Eines ihrer wesentlichen Ziele wäre, implizites Handlungs- und Erfahrungswissen

„mitteilbar, nachprüfbar und diskutierbar“ zu machen. Die Fähigkeit von Architekten, entwerfend und bauend unterschiedliche Disziplinen, unterschiedliche Maßstäbe und 36 Forschungsarbeiten zum Thema Entwerfen. Brenda Laurel (Hg.), Design Research.

Betrach­tungs­ebenen zusammenzubringen und zu integrieren, wird auch in den Wissenschaften mehr und mehr gefragt. Es gehe, schreibt Jürgen Mittelstrass, der Wissenschaft nicht mehr nur darum zu erkennen, was die

33

Welt im Innersten zusammenhält, sondern um die nicht geringere und immer dringlichere Aufgabe, die Welt zusammenzuhalten. S. 32)

(Mittelstrass 1994,

In diesem Zusammenhang wäre nichts weniger als eine neue Überset­

zung des griechischen Begriffs architekton vorzuschlagen. Das Verb archein wird üblicherweise mit „herrschen“ übersetzt, seine ursprüngliche Bedeutung lautet jedoch schlicht und einfach „anfangen, vorausgehen, der Erste sein“. (Wahrig 1986, S. 184)

Der Begriff tekton bezeichnet zwar den Zimmermann, die

Tektonik indessen ist auch die „Lehre vom harmonischen Zusammenfügen von Einzelteilen zu einem Ganzen“. (Wahrig 1986, S. 1270) Werden diese beiden Begriffe auf Architektur und Wissenschaft insgesamt bezogen, erhalten sie eine wesentlich erweiterte Bedeutung. Architektin oder Architekt zu sein heißt dann nicht mehr nur als Baumeister „über die Zimmermänner zu herrschen“, sondern bedeutet zugleich als Künstler, Ingenieur und Wissen­ schaftler zu agieren – Architektin oder Architekt ist dann jemand, der

als Erste oder Erster damit anfängt, Einzelteile zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen.

Entwerfen Of course there’s a contradiction. It’s within the contradictions and ambiguities that we must find our work. John Cage (nach Mau 2000, S. 427) Dieses Buch entstand aus der Suche nach neuen Möglichkeiten, das Entwerfen zu beschreiben. Entwurfslehren geben zumeist bestimmte Methoden oder systematische Handlungsabläufe vor, oder sie stellen die architektonischen Elemente dar, aus denen sich ein Entwurf erarbeiten ließe. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, auf einer übergeordneten und zugleich konkreteren Ebene die beim Entwerfen zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Handlungsmöglichkeiten zu benennen, zu analysieren und ihre Potenziale für eine kritische Weiterentwicklung zu erschließen. Der Umstand, dass es nicht möglich erscheint, allgemein gültige Entwurfs­ methoden zu formulieren – ein alter Traum, vergleichbar mit dem des Mittel­alters auf der Suche nach dem Stein der Weisen oder dem der Moderne auf der Suche nach der Weltformel, die alles erklärt, oder nach der Software, die alle Kommunikationsprobleme löst – soll uns nicht von dem Versuch abhalten, die Grenzen dessen zu erweitern, innerhalb derer sich entwurfliches Denken bewegen kann. Bei dem hier unternommenen „Horizontalschnitt“ durch verschiedene Wissensgebiete wird die Schnittebene durch zwei Fragen definiert: „Was ist Entwerfen?“ und daran anschließend: „Welches sind die Werkzeuge des Entwer­ fens?“ Dieses Vorgehen ist der Arbeitsweise von Architekten verwandt, die bei Entwurf und Planung eines Gebäudes zahllose Informationen aus unterschiedlichen Diszi­ plinen verknüpfen, ohne dabei das Ganze aus den Augen zu verlieren. Am Ausgangs­ punkt der Überlegungen standen die entwurfstheoretischen Ansätze des Designers Otl Aicher und des Philo­sophen Vilém Flusser. Insbesondere die Schriften Aichers haben neue Maßstäbe für eine wissenschaftliche Diskussion des Entwerfens gesetzt. Die Texte Flussers, vor allem seine Unter­

Zeichnende Architektin. Foto: Stephanie Meyer

suchung der „Geste des Machens“

(Flusser 1991)

und der Beziehungen von

Werkzeug, Maschine und Apparat können als eine komplementäre und ­theoretisch versierte Vertiefung von Aichers weniger systematischen

35

Ansätzen gelesen werden. Das Buch folgt in gewisser Weise der Struktur mancher ingenieurwissenschaftlicher Arbeiten, die in einem ersten Teil die theoretischen Grundlagen der zumeist vom jeweiligen Autor entwickelten Werkzeuge darlegen, welche dann im zweiten Teil ausführlich beschrieben werden – mit dem Unterschied, das in diesem Buch keine Werkzeuge neu entwickelt, sondern die bestehenden neu betrachtet werden. Grundlegend ist dabei die Bemühung, den historischen und theoretischen Kontext zu sehen. Sie entspricht der Haltung von Entwerfenden, die sich immer wieder einen Überblick über die Zusam­ men­hänge verschaffen, innerhalb derer sie sich bewegen, um einzelne Details und das Ganze, Entwurf und Kontext in schlüssige Beziehung zu setzen. Zwei Sätze ließen mich aufhorchen, weil sie eine neue, weder stilistisch noch ideologisch determinierte Sicht des Entwerfens andeuten. Der erste stammt von Álvaro Siza, der in einem Interview erklärte:

„Man darf sich nicht zum Sklaven eines einzigen Arbeitsmittels machen. Deshalb arbeite ich immer mit ordentlichen Zeichnungen vom Reißbrett, mit Skizzen und Modellen gleichzeitig.“ (Siza 1990, S. 1470) Zweifel an der Eignung der verfügbaren Arbeitsmittel werden hier deutlich, und als Reaktion darauf der Gedanke, diese in der alltäglichen Entwurfsarbeit zu relativieren, um ihre Defizite zu kompensieren. Ein zweiter Satz fiel mir in Otl Aichers Buch analog und digital auf: „wir müssen vom denken zum

machen übergehen und am machen neu denken lernen.“

(Aicher 1991/1, S. 76)

Aicher

spricht über die kulturelle und ideologische Bedingtheit des Denkens – und damit auch des Entwerfens – und weist zugleich einen Weg, diese vom konkreten Arbeiten her in Frage zu stellen. Entwurfsprozesse sind unendlich komplex und detailreich und in ihren ent­scheidenden Momenten nicht vorhersagbar. Jeder Mensch entwirft anders. Jeder verfügt über ein anderes Wissen, hat andere Wahrnehmungen, denkt in anderen Strukturen und nach anderen Kriterien, drückt das Gedachte auf andere Weise aus. Einfache Regeln oder kompakte Theorien des Entwerfens, selbst wenn es sie gäbe und wenn sie richtig wären, blieben entweder zu detailliert oder zu allgemein, um in der alltäglichen Praxis weiterzuhelfen.

Jedoch vermag eine Theorie einen Fächer von Fragen zu formulieren, zu durchdenken und so weit ausdifferenzieren, bis sich auf die so formulierten Fragen in der Praxis entsprechende Antworten finden lassen. Eine solche Theorie kann eine große Zahl beob­ achteter Details in sinnvolle Zusammen­ hänge bringen, ihre gegenseitigen Beziehun­ gen und Abhängigkeiten erkennbar machen und helfen ein immer weiter korrigierbares und differenzierbares Bild des Entwerfens zu zeichnen. Jede Frage ist zugleich eine Auf­ forde­rung an die Leser, ihre eigene Arbeits­ weise zu reflektieren und persönliche Antworten zu formulieren. Entwerfende beschäftigen sich mit der Zukunft, mit dem Verhältnis von dem, was sie in ihrer jeweiligen Gegenwart entwerfen, und dessen zukünftiger Verwirklichung. Der Vorgang des Entwerfens ist gleichsam ein Übersetzen von der Theorie in die Praxis. „Man darf sich nicht zum Sklaven eines einzigen Arbeitsmittels machen…“, Fakultät für Architektur der Universität Porto (FAUP), Álvaro Siza, 1986–1995

Das Verhältnis von ursprünglicher Ent­wurfs­ idee und deren zukünftiger Verwirklichung lässt sich allerdings nicht mit der gleichen

analytischen Schärfe fassen wie natur- oder selbst sozial­wissenschaftliche Probleme. Im Gegenteil, die Fähigkeit zum reflektierten Umgang mit Unschärfe ist unverzichtbar für ein qualifiziertes Entwerfen. Für ihre Arbeit nutzen Architektinnen und Architekten das von den Naturwissenschaften erworbene Tatsachenwissen – von Aristoteles als episteme klassifiziert –, ihrer Arbeit selbst liegen jedoch Fähigkeiten zugrunde, die in der Terminologie Aristoteles’ als poiesis (griech. Machen, Herstellen, Hervorbringen) und als praxis (griech. Handeln, Verhalten) zu bezeichnen wären. Während die poiesis auf dem „kunstfertigen Handwerkswissen“ (Gadamer 1998, S. 6) der techne basiert, ist die Grundlage der praxis ein Wissen einer anderen Kategorie, die Aristoteles als phronesis bezeichnet und die er als „Klugheit, gut zu handeln“ definiert, als „handlungsleitende, wahre und auf

Begründung beruhende Haltung im Bereich des für den Menschen Guten und Schlechten“. (nach Ebert 1995, S. 167) Den Unterschied dieser beiden Kategorien verdeutlicht Aristoteles am

37

Beispiel des Handwerkers, dessen auf sein Fach begrenzte Sachkunde und Fertigkeiten des Herstellens (poiesis) er unterscheidet vom guten und vernünftigen Verhalten (praxis) des Architekten, der auch dort noch Rat weiß, wo die techne mit ihren Regeln versagt.

(Nikomachische Ethik VI, 1141b 20)

In die-

sem Zusammenhang erwähnt Aristoteles die architektonik als eine „oberste

Kunst des Anweisens“.

(Gadamer 1998, S. 12)

Das eigentliche Problem des Entwerfens, so lässt sich im Anschluss an diese Begriffsbestimmung sagen, ist nicht nur eine Frage von poiesis und tech-

ne (des sachkundigen Herstellens), sondern vor allem der praxis und der phronesis – des guten und vernünftigen Handelns, das aus der empeiria (griech. Erfahrung) erwächst. Anders als in den sich als wertfrei verstehenden Naturwissenschaften ist also für eine Wissenschaft vom Entwerfen die Frage nach dem Wert – dem Wert eines Wissens, eines Könnens, einer Handlung, eines Werkzeugs – von zentraler Bedeutung. Entwerfenden, die mit konkreten Problemen beschäftigt sind, helfen daher knappe, regelhafte Begriffsdefinitionen kaum weiter, sie benötigen vielmehr differenzierte Kenntnisse entwurflicher Handlungsmöglichkeiten. In der klassischen Architekturtheorie ebenso wie in der gängigen Entwurfslehre wird in der Regel über Kriterien, Vorbilder und Ergebnisse der Entwurfsarbeit ge­sprochen. Im Folgenden sei jedoch die Rede von den Werkzeugen und Kultur­­techniken des Entwerfens. LITERATUR: VORBILDER, PRINZIPEN, THEORIEN

Zum Entwerfen ist ein breites Spektrum spezifischen Fachwissens erforderlich, das sich je nach Fachrichtung unterscheidet. Gemeinsam ist allen betroffenen Disziplinen ein generelles Wissen über die Tätigkeit des Entwerfens, das bedauerlicherweise selten über die Grenzen der einzelnen Fachrichtungen hinweg ausgetauscht wird. Der folgende Überblick konzentriert sich auf den Bereich Architektur, er wird ergänzt durch Hinweise zu den angrenzenden Bereichen. Die dabei zugrunde gelegte Struktur der Wissensgebiete gilt auch für andere Entwurfsdisziplinen. Welche Literatur ist derzeit über das Entwerfen verfügbar, was davon sollten Entwerfende kennen? Die im Bezug auf das Entwerfen relevanten

Publi­kationen füllen ganze Bibliotheken. Mit Fragen des Entwerfens beschäftigen sich nicht nur Architekten, Designer und Ingenieure, sondern auch Stadt­planer und Landschaftsarchitekten, Bau-, Technik- und Kunsthistoriker,

38

Mathematiker, Psychologen und Neurologen, bildende Künstler, Musiker, Manager und Philosophen. Darin mag ein Grund dafür liegen, warum die ­wissenschaftliche Diskussion zu diesem Thema so wenig geordnet oder überhaupt nur vernetzt ist. Die Vielfalt der im Bezug auf das Entwerfen möglichen Forschungs­an­ sätze stellen Groat und Wang in ihrem Buch Architectural Research Methods (2002) und Laurel in Design Research (2003) für den englischsprachigen Bereich dar. Während Groat und Wang sieben unterschiedliche Forschungs­ methoden ausführlich analysieren, versammelt Laurel mehrere Dutzend eigen­ständige Forschungsarbeiten zum Thema. Anhand einer Matrix, in der die Kategorien von Forschungsmethoden, -kontexten, -gegenständen und -be­reichen sich mit den Themenkreisen Person, Form, Prozess und Hand­ lung überschneiden,

(Laurel 2003, S. 8 f.)

zeigt sie, dass die meisten dieser

Untersuchungen mehrere Themen und mehrere Kategorien berühren. Hier sei stattdessen eine einfachere Struktur verwendet, die drei Kategorien unterscheidet: an Vorbildern, an Prinzipien und an Theorien orientierte Sichtweisen. Sie ordnen sich in jeder Kategorie in mehreren Untergruppen in einer Abfolge vom Allgemeinen zum Persönlichen. Die für den Stand der Diskussion1 wichtigsten Veröffentlichungen werden im Folgenden angesprochen, etwa 300 weitere Publikationen sind in der Bibliographie ­aufgeführt. WAS MAN ENTWERFEN KANN

Die Darstellungen darüber, was man entwerfen kann, präsentieren zumeist konkrete, realisierte Beispiele und werden im Allgemeinen nicht als Ent­­ wurfs­lehren oder Entwurfstheorien aufgefasst. In der Regel betonen diese Publikationen die künstlerischen und visuellen Aspekte des Entwerfens. Ihre Vorgänger sind die Mappen- und Vorlagenwerke des 19. Jahrhunderts. Diese weitaus beliebtesten Informationsquellen vieler Entwerfender sind meist leicht zu konsumieren, vermitteln einfach zu übertragende Beispiele, die sich ohne kritische Auseinandersetzung zur Nachahmung anbieten und anscheinend problemlos in die eigene Arbeit übernehmen lassen. Im schlech­testen Fall verleitet diese Literatur zu oberflächlicher Nachahmung,

1 Publikationen, die nach 2007 erschienen, sind in diesem Kapitel nicht berücksichtigt.

An Vorbildern orientiert (Was man entwerfen kann) Von einzelnen Gebäuden ausgehend (the making of ...) Von Gebäudetypologien ausgehend Von Stilen, Formensprachen, Genealogien, Trends ausgehend Von Regionen, Ländern oder bestimmten Zeiträumen ausgehend Vom Werk einzelner Persönlichkeiten ausgehend

An Prinzipien orientiert (Wie man entwerfen kann) Von der Lehre des Entwerfens ausgehend Vom Entwurfsprozess (Methodik) ausgehend Von Regeln, Normen, Vorschriften ausgehend Vom Baumaterial bzw. der Baukonstruktion ausgehend Von der Darstellung ausgehend Von formalen Gestaltungsprinzipien ausgehend Von der Analyse der architektonischen Elemente ausgehend Von der Arbeitsweise einzelner Persönlichkeiten ausgehend

An Theorien orientiert (Wie man das Entwerfen begründen kann) Von

naturwissenschaftlichen Denkansätzen ausgehend

Von lebenswissenschaftlichen Denkansätzen ausgehend Von geistes- bzw. kulturwissenschaftlichen Denkansätzen ausgehend Von gesellschaftlichen Themen ausgehend Von der Kunst-, Architektur- und Designtheorie ausgehend

Ansätze der Forschung über das Entwerfen (auf die Architektur bezogen)

im besten ermöglicht sie unter verschiedenen Fragestellungen Einblick in die tieferen Zusammenhänge des Entwerfens. Von einzelnen Gebäuden ausgehend lässt sich die Entstehung eines Entwurfs in aller Ausführlichkeit darstellen. Seinem anspruchsvollen Titel

Theorie des Entwerfens wird das Buch von Fiederling (1975) nicht gerecht, das lediglich Schritt für Schritt die Ausarbeitung eines Entwurfs für ein Ein­fami­ lienhaus erläutert. Beispielhaft hingegen stellen Nägeli und Vallebuona

(1992) aus Sicht der Architekten die Entstehung einer großen Fabrikanlage dar. In The Making of Beaubourg untersucht Silver (1994) aus der zeitlichen Distanz von mehr als einem Jahrzehnt die „Biografie“ des von Piano und

40

Rogers entworfenen Centre Pompidou in Paris. Foster (2000) und Behnisch und Durth (2005) stellen in ihren Büchern nicht nur die Geschichte der von ihnen umgebauten Gebäude und der von ihnen beherbergten Institutionen dar, sondern auch die politischen Hintergründe ihrer Entwurfsarbeit. In vielen andern Fällen sind einzelne Gebäude thematisierende Publikationen kaum mehr als Selbstdarstellungen von Baufirmen, Architekten und Bauherren. Wenig entwickelt ist im Bereich der Architektur eine markt- oder nutzerorientierte Forschung, wie sie beispielsweise im Produktdesign intensiv betrieben wird – vorab in der Entwurfsphase ebenso wie als nachträgliche Evaluierung durch unabhängige Institutionen. Hingegen gibt es von typolo­

gischen Fragen ausgehende Untersuchungen, die Projekte unter bestimmten funktionalen Kriterien auswählen, ordnen und damit vergleichbar machen. So bietet der Grundrissatlas Wohnungsbau

(Schneider 1994, 2004)

zahlreiche

Wohnungsgrundrisse im Maßstab 1:200, die ergänzt durch Schnitte, Fotos und technische Informationen einen guten Überblick geben. Ähnliche Arbeiten gibt es auch zum Industriebau

(Ackermann 1988, 1993, 1994)

und zum

Büro-, Hochhaus- und Museumsbau. Mit den Mitteln der dokumentarischen Fotografie leisten auch die zahlreichen Bücher der Bechers zur Architektur der Montanindustrie oder von Höfer (2001, 2005) zur Gestaltung von Innenräumen öffentlicher Gebäude wertvolle Beiträge. Von architektonischen Richtungen, einzelnen Regionen oder bestimmten Zeiträumen ausgehende Untersuchungen sind so zahlreich, dass ihre Erwäh­ nung hier zu weit führen würde. Ebenso wie die vom Werk einzelner Per­sön­ lichkeiten ausgehenden Publikationen erlauben sie es, die kulturellen, geografischen und politischen Zusammenhänge des Entwerfens zu beleuchten. WIE MAN ENTWERFEN KANN

Während die bisher genannten Darstellungen das Entwerfen von den Ergebnissen her sehen, orientieren sich die Ansätze und Publikationen der zweiten Gruppe an klar benennbaren und nachvollziehbaren Prinzipien. Sie fragen wie, mit welchen Mitteln und nach welchen Methoden man entwerfen kann, welche Gesichtspunkte, welche Regeln, Vorschriften, Normen und Gesetze dabei zu beachten sind. Sie versuchen die Parameter und Gesetz­

Obere Etage und Treppe der Buchhandlung Lello & Irmão, Porto

mäßigkeiten des Entwerfens rational zu erfassen. Fast alle dieser Beiträge lassen sich einem der nachfolgend genannten Einzelaspekte zuordnen, und auch wenn manche Publikationen Elemente aus mehreren Ansätzen aufgreifen, gelingt es keiner, das breit gefächerte Fachwissen und das weite Spek­ trum unterschiedlicher Kulturtechniken, die zum qualifizierten Entwerfen erforderlich sind, umfassend darzustellen. Die Schwierigkeit liegt auch darin, dass die Kenntnis und Beachtung dieser Regeln und Prinzipien eine nicht immer notwendige und keinesfalls hinreichende Bedingung für das Entstehen guter Entwürfe sind. Ihr Geltungs­ bereich ist immer begrenzt, doch kaum einmal werden diese Grenzen aufgezeigt. Ein aufgeklärter Umgang würde vor allem die Relativität solcher Regeln thematisieren. Selten werden Regeln für die Anwendung der Regeln gegeben, und „in der Kunst gelten“, nach einer Polemik von Francisco de Goya, sowieso „keine Regeln“.

(nach Hofmann 2003, S. 119)

Tatsächlich sind viele

von ihnen eher Rezepte oder Faustregeln, die nun als allgemeingültig dargestellt werden. Ein einfaches Beispiel: Die von Neufert angegebenen Formeln zur Festlegung von Treppensteigungen

(1992, S. 176)

sind sicherlich ausrei-

chend für das Dimensionieren von Standardtreppen im Wohnungs- oder Bürobau, aber unbrauchbar für Treppen in repräsentativen öffentlichen Gebäuden, in Gärten oder Parks – oder auch in doppelstöckigen Omni­ bussen. Sie vernachlässigen die Breite der Treppe, die einen wesentlichen Einfluss auf die Sicherheit hat, ebenso wie die Geschwindigkeit, in der sie üblicherweise begangen wird. Nicht bedacht wird vor allem aber die architek-

Bibliothek der Fakultät für Architektur der Universität Porto (FAUP), Álvaro Siza, 1986–1995

tonische Bedeutung, die ein besonderes Steigungsverhältnis vermitteln kann. In vielen dieser Bücher wird das Entwerfen auf etwas Technisches reduziert, künstlerische und kulturelle Aspekte werden ebenso vernachlässigt wie historische, auf jegliche Wertung wird verzichtet. Positiv ist der Versuch, all­ gemeingültige Aussagen über jene Aspekte des Entwerfens zu machen, die unabhängig von Person oder Formensprache sind. Dieser der Aufklärung ­verpflichtete Ansatz, eine rationale, das Meister-Schüler-Verhältnis überwindende Entwurfslehre nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu entwickeln, lässt sich bis auf Durand und die Anfänge der Pariser École Polytechnique zurückführen.

(Pfammatter 1997)

Im Rahmen dieses Ansatzes konzentriert sich eine erste Gruppe von Publikationen auf den Entwurfsprozess und dessen Systematisierung in der Entwurfsmethodik. Dies war schon Gegenstand des Design Methods Movement der 1960er Jahre, dessen Verlauf Prominski in seiner Dissertation Komplexes Landschaftsentwerfen (2003) in den Grundzügen nachzeichnet. Der von Joedicke (1970, 1976) vertretene Ansatz beschreibt eine funktionalistische, auf den Prozess ausgerichtete Entwurfsmethodik, die auf komplexen

„Bewertungs- und Entschei­dungs­techniken“

(1976, S. 33-44)

basiert, ohne jedoch

die Vorgänge des Entwerfens selbst ausreichend darzustellen. Der russische Wissenschaftler Altschuller entwickelt in seinem Buch Erfinden – Wege zur

Lösung technischer Probleme (1979, 1998) Algorithmen zur Lösung von Erfindungsaufgaben, die systematisch die Parameter solcher Aufgaben bestimmen helfen und Wege zu ihrer Lösung vorschlagen.

Lesesaal der Universitätsbliothek Cottbus, Herzog & de Meuron, 1994–2005

Sein Ansatz wird heute in den Ingenieur­wissenschaften weiter verfolgt, bietet aber auch viele Anregungen zum Thema Entwerfen. Das Thema Entwurfsmethodik wird auch heute noch verfolgt. So versucht Engel (2003) anhand zahlreicher Diagramme „die Methodik der Archi­

tektur-Planung als eine rationale, durchschau- und vorhersehbare Vorgehens­weise“ (a.a.O., S. 230) darzustellen. Dagegen hält Gerkan „die Behauptung, dass Entwerfen explizit methodisch zu bewerkstelligen wäre, für Scharlatanerie“. (Gerkan 1995, S. 39) Auch Kücker kritisiert die „sogenannte Verwissenschaftlichung des Entwerfens“: Einem rationalen Planungs­prozess zuliebe die Dimension des Entwurfs auf das Nach­voll­­ziehbare zu verkürzen müsse scheitern, das Entwerfen sei ein künstlerischer Akt.

(Kücker 1989, S. 19, S. 92 f.)

Schön untersucht die Pro­zesse des Entwerfens, ohne dabei auf den nebulösen Begriff des Künst­lerischen zurückzugreifen. Die verwickelten und oft unvorhersehbaren Abläufe entschlüsselt er anhand detaillierter Beobachtungen von Architekten, Ingeni­euren und Stadtplaneren, aber auch von Wissen­schaft­lern, Psychothera­peu­ten oder Managern. Er gelangt zu einer Beschreibung des Entwerfens als „Reflexive

Praxis“,

(Schön 1983, 1987)

die charakterisiert sei durch die stän-

dige Rückkopplung von gesetzten Ordnungen und deren Bewertung. Vor allem aber zeigt Schön den kategorischen Unterschied zwischen einer Anwendung von Regeln, zu

Lesesaal der Universitätsbliothek Aveiro, Álvaro Siza, 1988–1995

denen er auch wissenschaftliche Prinzipien und Theorien zählt, und einem aufgrund seiner Komplexität nicht in Regeln zu fassenden „reflexiven“ Entwerfen. Als zwei fundamental verschiedene Wege, Entwurfs­prozesse zu

44

beschreiben, vergleicht auch Dorst (1997) Strategien rationaler Problemlösung mit der von Schön beobachteten „reflexiven“ Praxis. Von einer alltäglichen Praxis und Lehre des Entwerfens ausgehend, stellt er in

Understanding Design (2003) 150 kurze, jeweils eine Seite füllende Essays zu einem Mosaik zusammen, das einen guten Überblick und vielerlei inspirierende Einsichten vermittelt. Die Regeln, Normen, Vorschriften und Gesetze des Bauens sind die Grund­lage, von der ausgehend Neufert (1936, 1979, 1992, 2005) seine BauEnt­wurfs­lehre entwickelt, die sich bis heute großer Beliebtheit erfreut. Allerdings widmet er dem eigentlichen Entwurfsvorgang nur eine einzige Seite (in der Erstauflage S. 28, in der 33. Auflage S. 42). In wenigen Sätzen umschreibt er das Entwerfen anhand der Metapher einer Geburt:

„Und nun beginnen die Geburtswehen des ersten Haus-Entwurfs, vorerst im Geiste aus tiefer Versenkung in die organisatorischen, organischen Zusammenhänge der Bauaufgabe und ihrer geistigen Hintergründe. Daraus erwächst für den Entwerfer eine schemenhafte Vorstellung von der geistigen Haltung des Baues und seiner ­räumlichen Atmosphäre, und daraus die Körperhaftigkeit seiner Erscheinung in Grundriß und Aufriß. Je nach Temperament ist eine hingeworfene Kohlenskizze bei dem einen ein filigranhaftes Gekritzel, bei dem anderen der erste Niederschlag dieses Geburtsvorganges. Für die meisten ein Geschmiere, für den Kenner etwas Leben­diges liegt jetzt vor, aus dem nun immer durchsichtiger und lesbarer der Bauentwurf herausgefeilt wird.“ Der Prozess des Entwerfens wird hier als etwas Geistiges, gleichwohl passiv Erlebtes mystifiziert. Der Wert des Buches liegt insofern nicht in seiner Darstellung des Entwerfens, sondern in der Fülle technischer Daten, die es in kompakter Form anbietet – eine ähnliche Funktion, wie sie heute auch der Band Time-Saver: Standards for Architectural Design Data von Watson, Crosbie und Callender oder das Metric Handbook von Adler (1986, 1999) erfüllen. Die zahlreichen, bei Studierenden sehr beliebten Publikationen des US-­ Klassikers Ching (1979, 1989, 1998, 2002) stellen Entwurfsprinzipien vor, die von der formalen Gestaltung, von der Darstellung (insbesondere

Zeichnung und Perspektive) und von der Gebäudeanalyse ausgehen. Seine Bücher enthalten viele zur Nachahmung anregende Beispiele, aber wenig Erklärung, Einordnung und Analyse. Ein verwandter, stärker analytischer

45

Ansatz wird im Deutschen von Ermel (2004) vertreten, dessen Grundlagen des Entwerfens die Gestaltungsmethodik anhand formaler Prinzipien und die funktionalen Grundlagen der Architektur darstellen, ohne jedoch auf das Entwerfen selbst oder seine Werkzeuge näher einzugehen. Mit Ching vergleichbar gehen auch Schricker (1986) und insbesondere Knauer Entwerfen

und Darstellen (1991, 2002) vor, der ganz auf das Medium Zeichnung fokussiert ist. Trotz des Untertitels Die Zeichnung als Mittel des architektonischen

Entwurfs wird hier die Zeich­nung weniger als Entwurfswerkzeug denn als bloßes Darstellungs­medium begriffen. Ähnlich wie das Handbuch der grafischen Techniken von Porter und Goodman (1980) lebt die Darstellung von den zahlreichen, zur Nach­ahmung gedachten Beispielen. In der Praxis sind aber gewisse Bereiche des Darstellens oder „Visuali­ sierens“ seit langem vom Entwerfen getrennt. Es gibt nicht nur den Beruf des Bauzeichners, sondern auch Spezialisten für Perspektive, Modellbau und digitale Visualisierungen. Als spezifisches, das architektonische Denken ordnendes Entwurfswerkzeug wird die Zeichnung von Rodrigues (2000) analysiert. In ähnlich fundierter Weise untersuchen De Lapuerta die Skizzen spanischer Architekten (1997) oder Smith (2004) und Moon (2005) Architektur­ modelle. Von formalen Gestaltungsprinzipien ausgehend argumentiert neben den erwähnten Publikationen von Ching (1979) und Ermel (2004, Bd.1) auch Fonatti (1982), der die elementaren Gestaltungsprinzipien anhand geometrischer Grundformen und deren Aufteilungs- und Gestaltungsmöglichkeiten als Grundrisse von Gebäuden analysiert. Von Meiss (1984) thematisiert­ ­allgemeine Gestaltungsfragen wie Ordnung, Kontrast, Proportion und Symmetrie und verbindet diese mit architektonischen Dimensionen wie Weg und Ort, Material und Raum zu gebäudekundlichen Untersuchungen. Verstanden als eine Analyse der architektonischen Elemente, ist die Gebäudekunde, wie auch bei Ching (1989) und Ermel (2004, Bd. 2), der Aus­gangspunkt für Alexander, der in A Pattern Language (1977) eine Analyse einzelner architektonischer Situationen zur Grundlage seiner Entwurfslehre macht. Eine Verbindung funktionalistischer Gebäudeanalyse mit einer Beschreibung der Planungsabläufe unternimmt Fuhrmann in Bauplanung und

Bauentwurf – Grundlagen und Methoden der Gebäudelehre (1998). Er stellt eher die einzuhaltenden Rahmenbedingungen, die physiologischen, psychologischen, soziologischen und ökologischen Grundlagen des Bauens als das

46

Entwerfen selbst dar; der Entwurfsvorgang bleibt für diesen Ansatz marginal und wird auf fünf Seiten anhand einiger Diagramme abgehandelt. Besonders vielversprechend erscheinen Darstellungen des Entwerfens, die auf der Suche nach herausragenden Praktiken von der Arbeitsweise einzelner Persönlichkeiten ausgehen. Dies setzt eine große Nähe zum Arbeitsalltag der Entwerfenden voraus. Bedauerlicherweise werden solche Untersuchun­ gen oft erst posthum in Angriff genommen. So analysiert Klaus-Peter Gast (1998, 2001) die Prinzipien und Methoden, die den Werken von Louis I. Kahn und Le Corbusier zugrunde liegen. Michels erforscht in Der Sinn der

Unordnung (1989) die Arbeitsformen im Atelier Le Corbusiers. Eine Aus­nahme ist Rodrigues, der mit Obra e Methodo (1992) der persönlichen Entwurfs­­ methode von Álvaro Siza eine aufschlussreiche Untersuchung widmet. Eames Demetrios, Enkel von Charles und Ray Eames, vermittelt in seinem Buch An Eames Primer (2001) ein detailreiches Bild der Arbeit im Eames

Office, das auf Gesprächen mit Familienmitgliedern und vielen ehemaligen Mitarbeitern beruht. Viele Autoren erläutern ihre eigene Arbeitsweise in bemerkenswerten Texten, die freilich oft weniger einer genauen Untersuchung als der Selbst­ inszenierung als „genialer Entwerfer“ dienen. Lesenswert im Bezug auf das Entwerfen sind neben vielen anderen die Texte von Alvar Aalto, Buckminster Fuller, Norman Foster,

(Krausse 2001)

(Jenkins 2000)

(Schildt 1997)

Jean Prouvé (2001), Renzo Piano (1997),

Peter Eisenman (1995, 2005), Álvaro Siza (1997)

und Otl Aicher (1991, 1993). Die Ingenieure Peter Rice und Cecil Balmond vermitteln mit ihren Büchern An Engineer Imagines (Balmond 2002)

(Rice 1994)

und Informal

inspirierende Einsichten in ihr Denken und Arbeiten.

Auch in Interviews geben Entwerfende Aufschluss über die Arbeits­ weisen. Lawson (1994) befragte Architekten wie Santiago Calatrava, Herman Hertzberger oder Ken Yeang zu ihren Entwurfsprozessen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Robbins, der in Why Architects Draw (1994) Interviews mit prominenten Architekten zu ihrem Umgang mit der Zeichnung als zentralem Entwurfswerkzeug präsentiert. Weniger überzeugend ist das Buch von Lorenz Entwerfen: 25 Architekten, 25 Standpunkte (2004), das trotz seines umfassenden Titels kaum über eine imagefördernde Selbstdarstellung der

präsentierten Architekturbüros hinauskommt. Nicht auf das architektonische Entwerfen bezogen, aber aufschlussreich bezüglich des kreativen Arbeitens sind die Gespräche und Fotografien, mit denen Koelbl in ihrem Band

47

Im Schreiben zu Haus. Wie Schriftsteller zu Werke gehen (1998) die Arbeits­­ weisen bekannter deutschsprachiger Autorinnen und Autoren vorstellt. Nicht zuletzt lassen sich Regeln und Prinzipien des Entwerfens auch vom Unterricht her darstellen. Die beiden wichtigsten Institutionen des 19. Jahr­ hunderts, die Pariser École des Beaux-Arts und ihre Gegenspielerin École Polytechnique werden von Cafee (1977) und Pfammatter (1997) beschrieben. Wick (1982) untersucht die Bauhaus-Pädagogik und Blaser (1977) stellt die Lehre von Mies van der Rohe vor. Zur Ulmer hochschule für gestaltung erschienen seit Lindinger (1987) zahlreiche Publikationen. (Spitz 2002, Form + Zweck Nr. 20/2003, Ulmer Museum / hfg-Archiv 2003) Der von Jansen (1989) herausgegebene Band vermittelt ausführlich den modernistisch geprägten Unterricht von Bernhard Hoesli an der Architekturabteilung der ETH Zürich. Kleine und Passe (1997) dokumentieren „Positionen zur Entwurfsgrundlehre“, wie sie in den 1990er Jahren in Deutschland praktiziert wurden. Direkt an Studierende richten sich Entwurfslehrbücher wie Schricker, Raumzauber (1999), das speziell für den Fachbereich Innenarchitektur das Gestalten von Räumen und Produkten vermittelt, dabei konzeptionell von Dar­stellungs­weisen und Entwurfsmethodik ausgehend. Für den Bereich Land­schafts­architektur stellt Loidl in Freiräume(n) (2003) eine Reihe von Ent­ wurfs­­prinzipien dar, die er von einer Analyse der landschaftsarchitektonischen Elemente ableitet. Dominicks Tools and Tactics of Design (2000), ein Lehrbuch für Studierende der Ingenieurwissenschaften, bietet eine detaillierte Beschreibung von Werkzeugen und Vorgehensweisen, die auf das ingenieurmäßige Entwerfen beschränkt bleiben. WIE MAN DAS ENTWERFEN BEGRÜNDEN KANN

Während die bisher genannten Ansätze von konkret Gegebenen ausgehen, orientieren sich die Autoren der dritten Gruppe an künstlerischen oder ­wissenschaftlichen Theorien. Sie fragen, wie man Entwerfen konzeptionell begründen kann, von welchen Prämissen und Theorien, Kriterien und Paradigmen man beim Entwerfen ausgehen soll. Den meisten Praktikern sind diese Texte zu abstrakt und zu wenig anwendungsbezogen. Sie werden eher im Zusammenhang von Forschung, Lehre und Kritik wahrgenommen und weiterentwickelt.

Wissenschaftliche Denkansätze wie Mathematik, Kybernetik, Modell­ theorie, Komplexitäts- und Chaostheorie sowie Informatik bilden die Grund­ lagen der Arbeiten von Autoren wie Broadbent (1973), Rittel (1992) und

48

Kalay (2005). Die vielfältigen neuen Ansätze der EntwurfsmethodikDiskussion der 1960er Jahre werden von Broadbent in seiner materialreichen Studie Design in Architecture – Architecture and the Human Sciences (1973) vorgestellt. Geprägt ist diese Diskussion vom Ansatz, die neuen, in den Wissen­schaften und der Raumfahrt entwickelten Methoden auf das architektonische Entwerfen zu übertragen. Ein weites Themenspektrum wie Statistik, Kybernetik, Modelltheorie, Computer-Aided Design und „New Maths“ verbindet Broadbent mit allgemeinen Fragen der Entwurfspraxis und -methodik, der Nutzerbedürfnisse und der Umwelt. Die Schwierigkeit dieser Ansätze bleibt aber, dass wesentliche Parameter architektonischen Entwerfens sich weder quantifizieren noch vorherbestimmen lassen. Ausgebildet in Mathematik und theoretischer Physik, wirkte Horst Rittel als Lehrer an der Ulmer hochschule für gestaltung und später an den Universitäten Berkeley und Stuttgart. Er veröffentlichte zahlreiche Aufsätze zu Themen der Planungs- und Entwurfstheorie, die verschiedene Fachgebiete berühren. Posthum wurden die wichtigsten in einem Band versammelt, der viele bemerkenswerte Denkanstöße enthält, wenn auch keine umfassende Theorie des Entwerfens formuliert. Dem Mathematiker Rittel gelingt es, die kategorischen Unter­schiede der „verzwickten“ oder „bösartigen“ Probleme des Entwerfens zu den vergleichsweise einfach strukturierten Problemen der exakten Wissen­schaften zu benennen. Teilweise auf Rittel Bezug nehmend, bietet Kalay (2004) eine sehr ausführliche und umfassende, auf CAAD fokussierte Ent­wurfslehre, die von mathematischen und methodischen Ansätzen ausgehend die „Prinzipien, Theorien und Methoden von Computer

Aided Design“ darstellt. Trotz dieses Ansatzes werden die Werkzeuge des Entwerfens von Kalay, wie auch von den zuvor genannten beiden Autoren, nur kursorisch behandelt. Ausgehend von lebenswissenschaftlichen Fragestellungen, wie sie die Psychologie und Neurologie mit den Themen Denkstrategie, Emotionalität, Kreativitätstechnik oder Spieltheorie verfolgen, existieren zahlreiche Unter­ suchungen, die für das Entwerfen relevant, aber natürlich selten von oder für entwerfende Architekten, Ingenieure oder Designer verfasst sind. Die neurologischen Erkenntnisse von Sperry (1968), Eccles (1966, 1973) und

anderen zeigen, dass in den beiden Hälften des menschlichen Gehirns unterschiedliche Denkmuster vorherrschen. In Lateral Thinking beschreibt De Bono (1970) eine Reihe von Denkstrategien, die dem herkömmlichen, nach

49

einer linearen und analytischen Logik strukturierten Denken, das er als verti-

kal klassifiziert, komplementär ein laterales, das heißt auf generative, sprunghafte und spekulative Muster zurückgreifendes Denken entgegensetzt, das sich zur Lösung von Entwurfsproblemen besonders eignet. Aus diesem Ansatz entwickelt er mit großem Erfolg Unterrichtsmethoden. Der Neurologe António Damasio untersucht in seinen vielbeachteten Arbeiten (1994, 1999) die Bedeutung der Emotionen für das rationale Denken. Wie grundlegend Emotionen für ein rationales Verhalten sind, machen seine Fallstudien von Patienten deutlich, die bei vollkommen intakter Intelligenz keine Gefühle mehr empfinden können – und infolge dessen gerade zu rationalem Denken und Handeln nicht mehr fähig sind. Ein zentrales Thema beim Entwerfen ist der Umgang mit Komplexität. Der Psychologe Dietrich Doerner hat zahlreiche Publikationen zum Denken und Problemlösen vorgelegt (1974, 1976, 1983, 1989), deren Ansätze Schönwandt in Denkfallen beim Planen (1986) auf die Tätigkeit von Archi­tek­ ten bezogen und weiterentwickelt hat. Auch Vester publizierte einiges zu diesen Themen (1975, 1980, 1988). In Die Kunst vernetzt zu denken (1999) stellt er Werkzeuge für einen systematischen Umgang mit Komplexität vor, die kybernetische, ökologische und informationstechnische Ansätze kombinieren. Speziell auf die Tätigkeit von Architekten bezogen ist der vielgelesene Band How Designers Think von Lawson (1980, 1990, 1997, 2006), der von psychologischen und entwurfsmethodischen Ansätzen ausgehend die Denkprozesse beim Entwerfen untersucht. Dabei gelangt er zu einer umfassenden Darstel­lung des Entwerfens, die auch die wichtigsten Entwurfs­ werkzeuge anspricht. Sein Schwerpunkt liegt auf dem „Design Thinking“ und ist komplementär zu dem hier verfolgten Ansatz, das Entwerfen von den Werkzeugen her darzustellen. Die Themen seines ersten Buches entwickelt Lawson weiter in Design in Mind (1994), das konkrete Entwurfsprozesse zeitgenössischer Architekten analysiert, und in What Designers Know (2004), einer Darstellung des spezifischen Wissens ausgewählter Entwerfer. Ebenso grundlegend für das Entwerfen sind die Prozesse der Wahr­neh­ mung und der Kommunikation, durch die letztlich alle Informationen gewonnen werden, die in einen Entwurf einfließen. Unverzichtbar bleiben hier die

Werke von Arnheim Kunst und Sehen: Eine Psychologie des schöpferischen Auges (1954, 1974, 2000) und Anschauliches Denken: Zur Einheit von Bild und Begriff (1969, 1972, 1996). Die Schwierigkeit, den Begriff Wahrnehmung befriedi-

50

gend zu definieren – vergleichbar mit der einer Definition des Entwerfens – stellt Wiesing in seiner Philosophie der Wahrnehmung dar (2002). Spengemann präsentiert in Architektur wahrnehmen (1993) „Experimente und Untersuchungen zu den vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Mensch, Architektur und Umraum“ (Untertitel), die jedoch mehr auf die Rezeption als das Entwerfen von Stadt und Architektur bezogen sind. Ähnliches gilt für Seylers Wahrnehmen und

Falschnehmen (2003), der von der Gestaltpsychologie ausgehend„Formkriterien für Architekten, Designer und Kunstpädagogen“ (Untertitel) entwickelt. Diese Argumentationsebene so absolut zu setzen, wie der Autor das tut, hieße allerdings die Vielschichtigkeit von Entwurfsproblemen zu ignorieren. Die Thematik widersprüchlicher Anforderungen wird besonders in der ExpertenLaien-Kommunikation sichtbar, die der Psychologe Riklef Rambow an Beispielen praktizierender Architekten untersucht (2000). Von geistes- bzw. kulturwissenschaftlichen Denkansätzen ausgehende Studien betrachten das Entwerfen aus den Perspektiven der Philosophie, Soziologie, Medien- und Kulturtheorie, Bau-, Technik- und Kunstgeschichte. Insbesondere die hier als komplementär zueinander aufgefassten Schriften des Designers und Theoretikers Otl Aicher und des Philosophen Vilém Flusser zählen zu den Grundlagen des in diesem Buch entwickelten Ansatzes. Verwandt sind auch einige Texte des von Krämer und Bredekamp herausgegebenen Bandes Bild – Schrift – Zahl (2003), die sich mit Werkzeugen und Kultur­techniken befassen, und der schöne, von Adamczyk zusammen­gestellte Seminarbericht Rezeptfreies Entwerfen: Auf der Suche nach persönlichen

Gesichtspunkten im Entwurfsprozess (1998). Dagegen bleibt die von Mattenklott und Weltzien herausgegebene Aufsatzsammlung Entwerfen und Entwurf: Praxis und Theorie des künstlerischen Schaffensprozesses (2003) in einer akademischen Akribie befangen, die von einer Reihe hoch spezialisierter, zumeist historischer Untersuchungen betrieben wird, ohne dass diese zu einer breiteren Diskussion verknüpft würden. Eine sehr lesenswerte Dar­stellung der Geschichte des Entwerfens aus Sicht der Ingenieur­wissen­schaften bietet Ferguson (1992). Auch der vom Deutschen Archäologischen Institut herausgegebene Tagungsband Bauplanung und Bautheorie der Antike versammelt eine Reihe bemerkenswerter Beiträge.

(DiskAB 4, 1984)

Dass es sich beim Entwerfen keineswegs um eine spezielle Fähigkeit von Künstlern, Architekten, Ingenieuren und Designern handelt, sondern um ein grundlegendes menschliches Handeln, zeigt das große Interesse, mit dem

51

Philosophen und Soziologen sich diesem Thema widmen. So liefert der französische Soziologe Pierre Bourdieu in Homo Academicus (1984) und Die Regeln der Kunst (1992) wertvolle Erkenntnisse, die zwar nicht explizit auf das Entwerfen bezogen sind, aber viel zum Verständnis einzelner Aspekte beitragen. Bezugnehmend auf John Dewey und die Philosophie des Pragmatismus formuliert der Soziologe Hans Joas in Die Kreativität des Handelns (1996) die Grundzüge einer „pragmatischen Handlungstheorie“, deren Kernbegriff die Kreativität ist. Diesem Thema widmet sich auch Lenk, der in Kreative Aufstiege (2000) über die „Philosophie und Psychologie der Kreativität“ schreibt. Er verbindet die Begriffe Kreativität und Metapher zu „Kreatapher“, womit er den mensch­ lichen Drang charakterisiert, „immer weiter zu schaffen, immer weiter Grenzen und Schichten symbolisch zu transzendieren“. (a.a.O., S. 338) Zu einem differenzier­ ten Spektrum ausgebreitet werden diese Themen in den zwei umfangreichen Bänden des von Günter Abel herausgegebenen Berichts des XX. Deutschen Kongresses für Philosophie, der den Titel „Kreativität“ trug. (Abel 2005) Für die Kunst- und Architekturtheorie ist die Tätigkeit des Entwerfens erstaunlicherweise selten ein zentrales Thema, vermutlich weil sie lange Zeit nicht als theoriefähig galt. Dennoch vermitteln viele Texte wertvolle Informationen über Motivation und Argumentation von Entwerfenden. Publikationen, in denen Autoren ihre eigene künstlerische und theoretische Position ent­wickeln und verteidigen, haben regelmäßig großen Einfluss auf die Archi­tektur­debatten. Die Bedeutung von Architekten wie Adolf Loos, Le Corbusier, Robert Venturi, Aldo Rossi, Oswald Mathias Ungers, Rem Koolhaas oder Peter Eisenman gründet nicht zuletzt in der Verbindung ihrer theoretischen Arbeit mit ihrem gebauten Werk. Einen guten Überblick verschaffen die zahlreichen, in den vergangenen Jahren erschienenen Text­ sammlungen wie Kruft (1986), Nesbitt (1996), Neumeyer / Cepl (2002), Evers / Thoenes (2003), Moravansky / Gyöngy (2003), De Bruyn / Trüby (2003), Lampugnani / Hanisch / Schumann / Sonne (2004). Während die genannten Anthologien das Entwerfen kaum thematisieren, hat es für die Theorie im Bereich des grafischen und industriellen Designs einen höheren Stellenwert. Vermutlich ist dies auf den Einfluss der Ulmer hochschule für gestaltung zurückzuführen, deren theoretische Auseinander­

Textsammlungen zur Architekturtheorie

setzungen unter anderem in den Schriften von Aicher (1991), Rittel (1992) und Bense (1998) weitergeführt werden. Schneider (2005) verbindet eine Designgeschichte des 20. Jahr­hun­derts mit theoretischen Überlegungen zum Entwerfen, während Thackara in seinem Buch In the Bubble – Designing in a Complex World (2005) sich vorwiegend mit den Kriterien zukünftigen Entwerfens auseinander setzt und Fischer und Hamilton (1999) eine Sammlung von Grundlagentexten herausgegeben haben. Für die Forschung zum Thema Entwerfen gibt es im deutschsprachigen Bereich kaum ein Forum, es fehlen Fachgesellschaften ebenso wie ein­ schlägige wissenschaftliche Zeitschriften. Auch sind die einzelnen Forschungsbereiche wenig vernetzt, obwohl sich bei diesem Thema ein ­interdisziplinäres Herangehen geradezu aufdrängen würde. Während deutschsprachige Fachzeitschriften das Thema Entwerfen in einzelnen Beiträgen, gelegentlich auch in ganzen Ausgaben behandeln (siehe Thesis Nr. 2/1999: Architektonisches Entwerfen, Wolkenkuckucksheim Nr. 1/1999:

Entwerfen und Nr. 2/2000: Entwurfslehre, Grazer Architektur Magazin GAM 02/2005: Design Science, Form & Zweck 21/2005: Entwerfen), gibt es mehrere englischsprachige Zeitschriften, die ganz dem Thema gewidmet sind. In Großbritannien existiert seit 1977 die Design History Society, die auch das Journal of Design History (London: Oxford University Press) herausgibt, und die Design Research Society, die aus dem Design Methods Movement der

1960er Jahre hervorging und in zweijährigem Rhythmus internationale Konferenzen veranstaltet. In den USA erscheint seit 1984 vierteljährlich die Zeitschrift Design Issues (Cambridge, Mass.: MIT Press), die sich mit „design

history, theory, and criticism“ beschäftigt. Seit 1995 erscheint die Architectural Research Quarterly (Cambridge, UK.: Cambridge University Press), in der zahlreiche Beiträge die grundsätzlichen Fragen von Forschung in der Architektur erörtern. Auch das Journal of Architectural and Planning Research (Chicago: Locke), die Design Studies (Oxford: Elsevier) und das Harvard

Design Magazine sind hier zu erwähnen. Die Architectural Design (London: Wiley) bringt vereinzelt Themenhefte zum Entwerfen (Nr. 176, 4/2005:

Design Through Making). Fragen der Entwurfs­ausbildung widmen sich die European Association for Architectural Education (EAAE), die im vierteljährlichen Turnus ein Newssheet publiziert, und die amerikanische Association of Collegiate Schools of Architecture (ACSA), die das Journal of Architectural Education (JAE) herausgibt. Netzwerke entstanden unter anderem auch in der Schweiz (Swiss Design Network, SDN) und in Deutschland (Netzwerk Architek­tur­ wissenschaft).

Begriffe und Definitionen Begriffe sind Programme.

Horst Rittel (1992, S. 249)

Begriffe aus dem Tätigkeitsfeld Entwerfen werden oft mit großer Unschärfe gebraucht. Nur aus dem jeweiligen Kontext erschließt sich, was tatsächlich gemeint ist, wenn jemand von entwerfen, entwickeln, erfinden, erschaffen, machen, gestalten, formen, modellieren, zeichnen, planen, konzipieren, projektieren, darstellen, berechnen, beschreiben oder ähnlichem spricht. Jeder dieser Begriffe betont gewisse Aspekte des Entwerfens; erst insgesamt gesehen weist dieses Begriffsfeld auf die Breite entwurflicher Handlungs­ möglichkeiten. Ein Grund dafür mag sein, dass der Begriff Entwerfen im allgemeinen Sprachgebrauch wenig verbreitet und insofern kaum durch Gewohnheit festgelegt ist, dagegen aber in den Fachsprachen sehr verschiedener Berufe – Architektur, Innenarchitektur und Ingenieurwesen, Land­ schafts­architektur, Stadtplanung, Informatik, Grafik und Industrie­design, aber auch Bildende Kunst, Regie und Bühnenbild, Schriftstellerei, Wissen­ schaft und Politik – in jeweils unterschiedlicher Weise benutzt wird. Ein weiterer Grund für die Unschärfe des Begriffs liegt in einer fundamentalen Zweideutigkeit des Entwerfens selbst. Ob jemand in einem bestimmten Moment nur kritzelt oder ba­s­­telt oder „wirklich entwirft“, lässt sich von außen nicht bestimmen, oft nicht einmal von der agierenden Person selbst. Das Entwerfen ist, wie Flusser zeigt, eine Geste, eine willkürliche Handlung, die „wahr“, aber auch „unwahr“ sein kann. Erst an ihren zukünftigen Folgen – an der Lösung eines einzelnen Entwurfsproblems, am ge­wonnenen Wett­ bewerb, am fertiggestellten und genehmig­ten Entwurf, an den in der Bauzeit auftreten­­den oder nicht auftretenden Schwierigkeiten, an den Qualitäten des vollendeten Bauwerks, an der diesem zuwachsenden kulturellen Bedeutung – lässt sich die Qualität einer solchen Geste nach und nach ermessen. PLATON, ARISTOTELES, PLOTIN: IDEA

Die Vorstellung davon, was Entwerfen sei, wie und von wem es auszuüben wäre, wurde in jeder Epoche anders formuliert. Mit einer Untersuchung zur Geschichte des Begriffs „Idee“ versucht der Kunsthistoriker Erwin Panofsky zu zeigen, dass alle Vorstellungen darüber, was Entwerfen sei, auf zwei gegensätzliche Positionen bezogen werden können.

(Panofsky 1924)

Nach der

einen entstehen, ausgehend von der empirischen Wirklichkeit, Ideen als

Nachbildung und Vervollkommnung der Natur; so spreche Sokrates der Malerei die Fähigkeit zu, „einen dargestellten Körper schön erscheinen zu lassen,

indem sie aus vielen Körpern das bei jedem Schönste zusammenfüge“. 55

(a.a.O., S. 7)

Diese Auffassung, die von der sinnlich wahr­­genommenen Welt ausgeht, wurde im Gegenwurf von Platon als rein mimetisch, auf trügerischen Er­scheinungen basierend kritisiert. Seine Ideenlehre geht von der Hypothese aus, dass den wechselhaften, trügerischen Erscheinungen der Sinnenwelt eine unveränderliche Welt der vollkommenen Ideen als „wahre Realität“ gegenüber stünde. Diese dienen den „unvollkommenen Gegen­ständen der Erscheinungswelt als unwandelbare Vorbilder und Ursachen“. (nach Prechtl 1999, S. 249) Beide Standpunkte sind in ihrer Aus­schließlichkeit im Bezug auf das Verhältnis von mimesis (Nachahmung) und poiesis (Schöpfung) problematisch. Aristoteles mildert den von Platon postulierten Dualismus zwischen Ideenwelt und Erscheinungswelt ab zu einem „synthetischen Wechselverhältnis

zwischen Form und Materie“. (Panofsky 1924, S. 9) Alles entstehe „durch Eingehen einer bestimmten Form in einen bestimmten Stoff“, die Werke der Kunst unterschieden sich von denen der Natur nur dadurch, dass ihre Form, bevor sie in die Materie eingehe, in der Seele des Menschen sei.

(a.a.O., S. 9)

Bei Plotin wird die platonische Idee zur „lebendigen Vision des Künstlers“, die als solche metaphysische Gültigkeit und Objektivität beanspruche, da sie identisch sei mit den Prinzipien, in denen die Natur ihren Ursprung habe und „die dem Künstlergeist in einem Akte intellektueller Anschauung sich offen­

baren“.

(a.a.O., S. 12)

Zu Beginn des Mittelalters genügte eine Akzentver­

schiebung, um aus dem, was in der Antike eine „Philosophie der menschlichen

Vernunft“ war, eine „Logik des göttlichen Denkens“ werden zu lassen und die Idee als einen theologischen Begriff zu etablieren. Augustinus definiert den Begriff fast analog zu Platon, jedoch mit einer entscheidenden Umwendung:

„Die Ideen sind beständige und unveränderliche Urformen oder Urprinzipien der Dinge, die selbst nicht geformt worden sind. Sie sind daher ewig, verharren ­dauernd in einem und demselben Zustand und liegen im göttlichen Geiste beschlossen, und während sie selber nicht entstehen und vergehen, ist, wie es heißt, alles Entste­hende und Vergehende nach ihnen geformt.“ (Augustinus, nach Panofsky 1924, S. 19)

Von einer künstlerischen Idee im eigentlichen Sinne konnte damit kaum mehr die Rede sein. Auch jenseits der Lehrmeinungen der Philosophen und

56

Titelseite der deutschen Vitruv-Übersetzung von Walter Ryff: Vitruvius Teutsch, Nürnberg: Johan Petreius, 1548

Theologen verstanden sich die Baumeister des Mittelalters nicht als Entwerfende, sondern sahen ihre Aufgabe darin, nach bestehenden Vorbildern zu bauen. War ein Bautyp einmal etabliert, so blieb dessen Grundidee oft lange Zeit unverändert:

„So präexistiert das Haus im Geiste des Baumeisters; und dies kann als Idee des Hauses bezeichnet werden, weil der Künstler das Haus derjenigen Form, die er im Geist erfasst hat, nachzuahmen bestrebt ist.“ (Thomas von Aquin, nach Panofsky 1924, S. 21)

VITRUV UND ALBERTI: COGITATIONE UND INVENTIONE

Das Entwerfen war für die klassische Architekturtheorie kein zentrales Thema. Vitruv mag deshalb für den von Panofsky dargestellten philosophi-

57

schen Diskurs nicht maßgeblich erscheinen. In seinen De architectura libri decem (Zehn Bücher über Architektur) widmet er sich zwar ausführlich den Fragen, wie und was zu bauen sei, aber die Tätigkeit des Entwerfens selbst wird nur beiläufig diskutiert. Vitruv kommt mit ganzen zwei, allerdings sehr schönen Sätzen aus. Den Begriff Entwerfen bzw. den lateinischen Ausdruck

projectare gebraucht er an dieser Stelle noch nicht; im Zusammenhang mit dem Zeichnen spricht er lediglich von „Nachdenken“ und „Erfinden“:

„Diese Formen entspringen aber dem Nachdenken (cogitatione) und der Erfindung (inventione). Nachdenken ist die mit viel Eifer, Fleiß und unermüdlicher Tätigkeit verbundene und mit einem Glücksgefühl gepaarte Bemühung um die Lösung einer gestellten Aufgabe. Erfindung aber ist die Lösung dunkler Probleme und die mit beweglicher Geisteskraft gefundene Entdeckung von etwas Neuem.“ (Vitruv I, 2,2) Mit den genannten „Formen“ meint Vitruv „die Formen der Dispositio, die

die Griechen ideia (Ideen) nennen“: Er versteht darunter den maßstäblich verkleinerten Grundriss, die Vorderansicht und die Perspektive, also nicht

„unveränderliche Urformen“ im Sinne Platons, sondern Darstellungen, die durch eigenes Nachdenken und eigene Erfindung geschaffen werden. Vitruv zieht sich also gerade nicht auf „ewig gültige“ Ideen zurück, sondern geht von der Möglichkeit aus, etwas Neues schaffen zu können. Bemerkens­ wert ist auch die Erwähnung eines Glücksgefühls, das auf die emotionale Seite des Entwerfens verweist. Bei genauerem Lesen finden sich in Vitruvs Zehn Büchern über Architektur zahlreiche weitere verstreuten Andeutungen und Aussagen zu einzelnen Aspekten des Entwerfens, so die Geschichte von Kallimachos, der vom Anblick eines auf Akanthusblättern stehenden Korbes zum Entwurf des korinthischen Kapitells angeregt wurde:

„Damals bemerkte Kallimachos […] beim Vorübergehen an diesem Grabmal diesen Korb und die ringsherum sprossenden Blätter, und, bezaubert von der Art und Neuigkeit der Form, schuf er nach diesem Vorbild die Säulen bei den Korinthern und legte ihre Symmetrien fest.“ (Vitruv IV 1,10)

Kallimachos beim Entwerfen des korinthischen Kapitells, aus: Roland Fréart, 1650 (Ausschnitt)

Die mimetische Übertragung eines formalen Prinzips aus dem Bereich der Biologie in die Sphäre der Baukunst wird hier zu einer Art Urerzählung des Entwerfens. An verschiedenen anderen Stellen beschreibt Vitruv die Kenntnisse und Werkzeuge der Architekten, formuliert grundlegende Kriterien, kritisiert das Arbeiten am Modell und schildert, oft in Anekdoten­ form, die Lösung von Entwurfsproblemen. Seine Darstellungen sind oft prägnant und substanziell, und sie lassen erkennen, wie wenig die behandelten Probleme von der Zeit abhängig sind. In der deutschen Übersetzung von Leon Battista Albertis De re aedificato-

ria libri decem (Zehn Bücher über die Baukunst) sind es immerhin etwa fünf Druckseiten, die im weitesten Sinne dem Thema Entwerfen gewidmet sind.

„Oft und viel,“ so schreibt er, müsse man „vorher nachsinnen und überlegen und mit Maßstäben, Tabellen, allen möglichen anderen Sachen und Modellen den ganzen Bau und die einzelnen Teile desselben vorher durcharbeiten“.

(S. 67 ff., S. 511 ff.)

Alberti geht es um die Ermahnung, Entwurfs­entscheidungen sorgfältig abzuwägen, um bei der Ausführung der Gebäude Fehler zu vermeiden. Dem Modellbau misst er in Gegensatz zu Vitruv große Bedeutung zu. Letzten Endes sagt Alberti wenig über das Entwerfen selbst, sondern empfiehlt lediglich,

„nicht nur durch Pläne und Zeichnungen, sondern an der Hand von Modellen aus Holz oder was auch immer, das gesamte Bauwerk und die Maße jedes einzelnen Gliedes nach den Ratschlägen der gewiegtesten Fachleute immer und immer wieder genau abzuwägen“. (Alberti 1485, S. 68 f.) In seinem 1435 abgeschlossenen und 1540 erstmals verlegten Buch Über die

Malkunst findet sich die erste Beschreibung der Perspektive, von der im entsprechenden Kapitel noch die Rede sein wird. VASARI UND ZUCCARI: DISEGNO

Zentrale Bedeutung im theoretischen Diskurs erlangte der Begriff disegno in den florentinischen und römischen Kunsttheorien der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Wie Wolfgang Kemp in seiner Untersuchung zur Begriffsgeschichte darlegt,

(Kemp 1974)

entzündete sich die Diskussion an der

Frage der Gestaltung des Siegels der um 1562 in Florenz gegründeten Accademia del Disegno. Eine Definition, die Giorgio Vasari kurz zuvor ­formuliert hatte, betont zwei Aspekte: Der disegno sei „der Vater unserer drei

Künste, der aus dem Intellekt hervorgeht“, zugleich aber „hängt es von den Händen ab, die sich jahrelang im Zeichnen geübt haben“, ob seine Qualität erkennbar wird.

(Vasari 1568, nach Kemp 1974, S. 226)

Ausgehend von dieser

Begriffsbestimmung präsentierte Benvenuto Cellini, Mitglied der Akademie, mehrere Entwürfe, darunter einen, der den disegno in der Figur des Apollo verkörpert. So wie Apollo das Licht, die Erleuchtung darstellt, erklärte Cellini, so sei der disegno das Licht aller menschlichen Handlungen. Der

disegno sei der Vater aller bildenden Künste, der Malerei, Skulptur und Architektur sowie der Goldschmiedekunst.

(Cellini, nach Kemp 1974, S. 222)

Kemp zeigt, wie zu jener Zeit der anfänglichen Bedeutung des Begriffes eine zweite hinzugefügt wird, welcher in der Diskussion bald wesentlich mehr Gewicht zukommt als der ersten. Disegno bedeutet ursprünglich Zeichnung oder Plan und bezieht sich auf die forma und pratica, auf die sichtbare Gestalt der Zeichnung und die praktische Fähigkeit des Zeichnens, er wurde als scienza delle linee,

(Vasari, nach Kemp 1974, S. 225)

als die Wissenschaft

der regelrechten Naturwiedergabe verstanden. Auf einer zweiten Ebene jedoch bedeutet disegno Entwurf, wird als disegno della mente, als ein geistiges Vermögen aufgefasst, verwandt mit concetto, idea und inventione. Der disegno ist nun nichts weniger als die Fähigkeit der inventione di tutto l'universo.

(Doni,

nach Kemp 1974, S. 225)

Diese zweifache Bedeutung benennt Cellini, indem er

von disegno primo als der geistigen Fähigkeit des Entwerfens spricht und von

disegno secondo, das von alldem handelt, was sich mit Hilfe von Punkten, 60

Linien und Flächen darstellen lässt.

(Kemp 1974, S. 231)

Die Diskussion um den Begriff wird von Federico Zuccari an der 1593 gegründeten römischen Accademia di San Luca zu einem vorläufigen Ende geführt. Er unterscheidet nun klar zwischen disegno interneo (den Cellini ­disegno primo nannte), worunter er die Fähigkeit versteht „in sich selbst eine

neue Welt“ zu formen, (Zuccari, nach Kemp S. 232) und dem disegno esterno (Cellini sprach von disegno secondo), der sich auf die praktische Ausführung der immagine ideale bezieht. Als möglichen Grund für diese Aufteilung der künstlerischen Arbeit sieht Kemp die sozioökonomische Situation der Künstler. Nur wenige von ihnen erhielten große Aufträge; wenn dies geschah, konzentrierten sie sich auf den Entwurf und beanspruchten dann zur Ausführung die Hilfe zahlreicher Kollegen. Andererseits waren jene Künstler, die kaum Aufträge erhielten, gezwungen sich auf das Entwerfen zu beschränken. Die Betonung des Ent­ werfens lag somit im Interesse der einen wie der anderen Gruppe. Kemp beschreibt zwei unterschiedliche Vorstellungen jener Zeit, wie das Entwerfen vor sich gehe. Vasari versteht das Entwerfen als eine aktive Vermittlung zwischen Natur und Kunst. Auf der Grundlage seines allgemeinen Urteilsvermögens schöpft der Entwerfende aus der Beobachtung der Natur seine Ideen. Mit diesem Verständnis bezieht Vasari sich auf die antike Legende vom Maler Zeuxis, der von fünf ausgesuchten Modellen die jeweils schönsten Körperteile ausgewählt und für ein Gemälde der Helena verwendet habe.

(Kemp 1974, S. 229)

Zuccari hingegen versteht das Entwerfen als eine

gottgegebene schöpferische Fähigkeit. Die Natur sei nachahmbar, weil sie von einem geistigen Prinzip geführt werde und die Kunst dem gleichen Prinzip folge. Der Mensch solle

„gewissermaßen Gott nachahmend und mit der Natur wetteifernd, unzählige Kunstwerke hervorbringen und mit Hilfe der Malerei und Skulptur sich neue Paradiese schaffen können“. (Zuccari, nach Kemp 1974, S. 232)

„...in sich selbst eine neue Welt zu formen“, Entwurf der Siedlung Quinta da Malagureira, Schemaskizze der Silhouette von Évora, mit Notiz zu den clandestinen Siedlungen, Álvaro Siza, Skizzenheft Nr. 23, Mai 1978

Die Entwurfspraxis und Arbeitweise der damaligen Zeit behandelt Kemp nur am Rande. Auch die naheliegende Frage stellt er nicht, warum man dem Begriff disegno eine zweifache Bedeutung zuschreibt, anstatt einen neuen

62

Begriff zu bilden, zumal diese Doppelbedeutung sich in einigen Sprachen (Englisch design, Portugiesisch desenho) bis heute erhalten hat. Überhaupt ist bemerkenswert, wie vieles von den damals entwickelten Auffassungen bis heute wirksam ist. So gilt als Autor eines Entwurfs nicht, wer die meiste intellektuelle Arbeit in ein Projekt investiert hat, sondern wer dessen grundlegende Ideen formuliert und die Richtung, in welche sich das Projekt entwickeln soll, vorgegeben hat. Auch die Erkenntnis, dass qualifizierte Entwerfer ihre gestalterischen Fähigkeiten in verschiedenen künstlerischen Disziplinen ausüben können, wird von vielen erfolgreich in die Praxis umgesetzt. Die von Zuccari beschriebene Auffassung jedoch, dass Entwerfen letzten Endes die Fähigkeit und die Verantwortung bedeute, „in sich selbst eine neue Welt zu

formen“,

(nach Kemp 1974, S. 232)

zählt heute nicht mehr zum Allgemeingut. Die

oft beklagte Kurzsichtigkeit und Oberflächlichkeit vieler, nicht nur architektonischer Entwürfe hat hier einen Grund. OSTENDORF, RITTEL, UHL: ENTWERFEN, PLANEN

Heute gängige Definitionen des Entwerfens sind oft entweder zirkulär („entwerfen ist gestalten“) oder ersetzen lediglich einen Begriff durch einen anderen („entwerfen heißt entscheiden“). Sätze der Art: „Entwerfen heißt …“ sind Statements, die von Entwerfenden zur plakativen Darstellung ihrer Entwurfsauffassung geäußert werden, aber keine Definition. In Selbstdar­ stellungen von Architekturbüros findet sich regelmäßig diese Art und Weise, über das Entwerfen zu reden. Zu den eindimensionalen Auffassungen zählt auch eine Begriffsbestimmung von Jürgen Joedicke: Ein Entwurf, das Resultat des Entwerfens also, sei „die probeweise und endgültige zeichnerische

Lösung einer Bauaufgabe“.

(Joedicke 1976, S. 13)

Wie unbefriedigend der Autor

selbst sie empfindet, wird im nächsten Satz deutlich: „Innerhalb eines Ent­

wurfs­vorgangs treten sehr unterschiedliche Situationen auf, die unterschiedliche Mittel erfordern“ – ohne jedoch zu erläutern, wie diese Situationen aussehen oder welche Mittel sie erfordern. Im Vergleich mit Aichers – ebenfalls eindimensionaler – Aussage „entwerfen heißt, modelle zu konstruieren“,

(Aicher 1991/2, S. 195)

der ein sehr weiter, vom Wissenschaftlichen abgeleiteter Modellbegriff zugrunde liegt, wird zumindest die unzulässige Eingrenzung deutlich, die Joedicke hier vornimmt.

Die Annahme „entwerfen heißt entscheiden“ liegt implizit auch komplexeren Darstellungen des Entwerfens zugrunde. Ottokar Uhl versteht das Erstellen eines Konzeptes als „die Entscheidung über die Grundzüge des Projekts“, und

63

fährt fort:

„Die bei einer intuitiven Entwurfsmethode üblichen komplexen Gesamtent­schei­ dungen lassen sich – wenigstens im Prinzip – bei einer rationalen Entwurfsmethode in leicht fassbare Einzelentscheidungen aufspalten bis in die kleinste Einheit von Zweierentscheidungen (,bit‘), einem Maß der Informationstheorie.“ (Uhl 2003, S. 61) Entscheidungen sind unverzichtbare Schritte eines Entwurfsprozesses, doch gilt dies für jegliches vernünftige Handeln. Entwerfen mit Entscheiden gleichzusetzen vernachlässigt vor allem das Schöpferische zugunsten einer hierarchischen Argumentation. Nicht wer Vorstellungen erarbeitet, so wird unterstellt, entwirft, sondern wer die Entscheidungen fällt. Um entscheiden zu können, müssen aber bereits Alternativen geschaffen sein, über die entschieden werden kann. Deren Qualität ist es, die grundlegend die Qualität der zu fällenden Entscheidungen bestimmt. Immerhin sollte die Notwendigkeit von Entscheidungen Anlass genug sein, differenzierte Bewertungsverfahren auszuarbeiten

(Joedicke 1976, S. 33-44)

theorien nachzudenken.

und über grundlegende Entscheidungs­

(Rittel 1992, S. 245 ff.)

Eine zweite Gruppe von Definitionen des Entwerfens ist bereits komplexer strukturiert, reflektiert letztlich aber nichts weiter als die persönliche Entwurfsauffassung der jeweiligen Verfasser. Das Vorwort zum ersten Band seiner Sechs Bücher vom Bauen beginnt Friedrich Ostendorf mit der Klage, es sei „in alter und neuer Zeit“ vieles über Architektur geschrieben worden, doch niemals ein Buch, worin ernsthaft vom Entwerfen die Rede wäre; niemals sei es „einem der vielen Theoretiker der Architektur beigefallen, sich ausführlich und

klar über dieses Thema zu äußern.“ Wolle man heute, so Ostendorf weiter, eine Reihe von deutschen Architekten fragen, was sie unter Entwerfen verstünden, würde man, wenn überhaupt eine verständliche, so doch überall eine anders lautende Antwort erhalten.

(Ostendorf 1913, S. 2)

Für Ostendorf bedeutet

Entwerfen „auf Grund einer Durchdenkung und Verarbeitung des Bauprogramms,

das Situation und Raumerfordernis umfasst, eine oder mehrere oder viele Ideen für das Bauwerk im Geiste fassen“. (a.a.O., S. 129) Wesentliches Kriterium sei dabei die Klarheit und Einfachheit der Entwurfsidee. Den Vorgang des Entwerfens beschreibt er – in einem einzigen Absatz – als Formulierung einer Idee „im

Geist des Baukünstlers“. Diese werde dann in einer Skizze zu Papier gebracht und im weiteren Verlauf überarbeitet. Entscheidendes Kriterium ist für Ostendorf, dass die Entwurfsidee zunächst ausgedacht „vor dem geistigen

64

Auge gesehen“ und erst in einem zweiten Schritt zu Papier gebracht wird. Nur so gelange man zu „klaren künstlerischen Ideen“, während alles andere „in unkünstlerischer und sinnloser Weise auf dem Papier“ (a.a.O., S. 12) entstehe und „in seiner wirren Kompliziertheit als Idee schlechterdings nicht fassbar“ sei. (a.a.O., S. 4) Entwerfen definiert Ostendorf demzufolge als „das Suchen nach der einfachsten Erscheinungsform für ein Bauprogramm“, (a.a.O., S. 12) „denn nur das Einfache und Gesetzmäßige, nicht aber das Verwickelte und Willkürliche lässt sich in der Idee klar fassen“. (a.a.O., S. 129) Durch die Beschränkung auf das (a.a.O., S. 4)

Gedankliche sollen komplexe und wenig markante Entwürfe vermieden werden. Wenn er postuliert, nur dies sei wirkliches Entwerfen, alles andere sei bloßes Zeichnen,

(a.a.O., S. 18)

verwechselt er ein Kriterium mit der Tätigkeit

selbst. Im Grunde genommen geht es Ostendorf um eine Disziplinierung des Entwerfens. Ein Architekt wie Günter Behnisch, der Entwürfe als „komplexe und kompli-

zierte Gefüge, beeinflusst von zahllosen Kräften aus zahlreichen Disziplinen“ versteht,

(Behnisch 1996, S. 30)

die in langfristigen Entwurfsprozessen entwickelt

werden, kann mit Ostendorfs Auffassung wenig anfangen. Dessen etwas pathetische Formulierung „Geist des Baukünstlers“ ersetzt er durch den trocke­ nen Ausdruck „mein Kopf“:

„Mir half solcher Rat nicht weiter, sei es, dass mein Kopf solchen Anforderungen nicht genügte, sei es, dass ich meinte, der Kopf alleine könnte Architektur nur unvollkommen erfassen, dass es auch Dimensionen gäbe, die sich dem Rationalen entzögen, sei es, dass ich erkannt hatte, dass es uns nicht gegeben ist, viele Dimensionen der Wirklichkeit auf einmal im Kopf zu erfassen.“ (Behnisch 1996, S. 29) Wie eng diese Art von Begriffsbestimmungen mit persönlichen Arbeitspro­ grammen verknüpft ist, zeigt sich beispielsweise auch, wenn Ottokar Uhl den Begriff „Entwurf“ selbst fragwürdig findet, weil er Abgeschlossenheit, das Intuitive (Ent-wurf, der große Wurf), Unvermittelte und das Fehlen von Anstrengung suggeriere. Der Begriff „Planung“ könne möglicherweise den Begriff „Entwurf“ ersetzen, meine aber den methodisch durchgeführten Ent­ scheidungsprozess zur Vorbereitung von äußeren Handlungen. Uhl fordert in der Folge, Entwurf und Verwirklichung nicht als voneinander abgegrenzte

Handlungen zu sehen, sondern das Planen und Bauen als einen kontinuierlichen Prozess zu betrachten.

(Uhl 2003, S. 63)

Diese Auffassung spiegelt deut-

lich Uhls eigene Praxis des partizipatorischen Planens und Bauens wider,

65

ohne zur Klärung dessen, was Entwerfen ist, Entscheidendes beizutragen. Im Rahmen des funktionalistischen Diskurses wurde der eher künstlerisch wirkende Begriff „Entwerfen“ häufig durch den rationaler erscheinenden Ausdruck „Planung“ ersetzt. Planung, als ein rein technisches Entwerfen verstanden, bei dem es auf eine überschaubare Menge quantifizierbarer Eigen­ schaften ankommt, lässt sich gut in methodische Vorgehensweisen fassen. Einer funktionalistischen Architekturauffassung lag es daher nahe, solche Vorgehensweisen auch für das architektonische Entwerfen zu formulieren. Otl Aicher kritisiert den Begriff Planung, unter dem er eine „konkretisierte,

zielgerichtete projektionsmethode“

(Aicher 1991/1, S. 133)

versteht, die allgemeine

Prinzipien entsprechend der jeweiligen Planungslogik lediglich als Kausali­ täts­kette in die Zukunft verlängere. Da die Welt letzten Endes aber keinem logischen Prinzip folge, sei Planung durch die ökonomischere Methode der Steuerung zu ersetzen, deren Aktionsraum die konkrete Wirklichkeit innerhalb des wahrnehmbaren Umfelds sei.

(Aicher 1991/1, S. 143)

Horst Rittel hingegen beschreibt Planung als das „Lösen bösartiger Probleme“, eine Beschreibung, die mit bestimmten Einschränkungen auch für größere Entwurfsaufgaben gilt. Im Gegensatz zu „zahmen“ (tame) Problemen gebe es für „bösartige“ (wicked) Probleme (die er an anderer Stelle auch „verzwickte“ (tricky) Probleme nennt) keine definitive Formulierung der Aufgabe und ebenso wenig eine definitive Lösung, die Lösungen seien nicht richtig oder falsch, sondern bestenfalls gut oder schlecht, meist nur besser oder schlechter. Es gebe weder eine unmittelbare noch eine endgültige Möglich­keit, die Qualität einer Lösung zu überprüfen, und es gebe nur einen Lösungs­versuch – große öffentliche Bauwerke beispielsweise seien irreversibel. Jedes „bösartige“ Problem sei daher einzigartig. Zugleich hätten die Planer kein Recht, unrecht zu haben, sie seinen vielmehr für die oft weittragenden Konsequenzen ihres Handelns verantwortlich. Jedes „bösartige“ Problem könne als Symptom eines anderen Problems betrachtet werden, nie könne man sicher sein, das Problem auf der richtigen Betrachtungsebene anzugehen, nicht nur ein Symptom zu kurieren statt ein Problem an seiner Wurzel zu packen. Für diese Art von Problemen gebe es mehrere oder viele Erklärungen, und die Wahl der Erklärung bestimme die Art der Problemlösung.

(Rittel 1992, S. 20 ff.)

Indem Rittel kategorische Unterschiede zu Bereichen der Technik und Wissenschaft beschreibt, die sich mit klar definierten „zahmen“ Fragen beschäftigen, trägt er Grundlegendes zum Verständnis des Entwerfens bei.

66

Die Unterschiede fasst er in den „Paradoxien der Rationalität“ zusammen: Verstehe man unter rationalem Verhalten den „Versuch, die Konsequenzen beab-

sichtigter Handlungen vorauszusehen“, dann gelange man hier zu einer unendlichen Abfolge von Konsequenzen und Konsequenzen von Konsequenzen. Je mehr Zeit und Energie man dem Ermitteln von Konsequenzen widme, desto weniger bleibe für das konkrete Handeln übrig. Ein Modell zur Beschrei­ bung von Konsequenzen einer Handlung müsse sich selbst enthalten, da es die Konsequenzen bestimmt, die bedacht werden sollen.

(a.a.O., S. 40 ff.)

Damit

zeigt Rittel die Grenzen des Konzepts von rationaler Planung auf. Eine dritte Kategorie bilden Definitionen des Entwerfens, die so weit gefasst sind, dass die Begriffe, aus denen sie sich zusammensetzen, selbst wiederum nicht in eine abschließende Definition zu fassen sind. Als Beispiel sei hier nur Aichers Aussage angeführt, Entwerfen sei „das herstellen von technischen, konstruktiven organisationsformen und das umsetzen eines programms in eine organisation“. (Aicher 1991/1, S. 101) Diesen technischen anmutenden Ansatz ergänzt und erläutert er im selben Text so:

„entwerfen ist ein intellektuelles ordnen, klären von zusammenhängen, definieren von abhängigkeiten, schaffen von gewichten und setzt im kopf des entwerfers eine spezielle fähigkeit voraus, analogien, zusammenhänge, bezugsfelder zu sehen und zu fixieren.“ (Aicher 1991/1, S. 102) Auch diese Beschreibung lässt weite Bereiche entwurflichen Handelns außer Acht, sie betont die intellektuellen Fähigkeiten, vernachlässigt aber die schöpferische Produktion. Die Frage „Was ist Entwerfen?“ erweist sich als eine der fundamentalen, nicht abschließend zu beantwortenden Fragen, die Flusser als „zu entzifferndes Rätsel“ – im Gegensatz zum lösbaren Problem – bezeichnen würde. Mit Sicherheit wäre es eine dankbare Aufgabe, den Gebrauch einzelner Begriffe bezüglich bestimmter Personen oder Diskurse genauer zu untersuchen, dies wäre allerdings eher von philologischem denn von entwurfstheoretischem Interesse. Im Folgenden wird die Unschärfe des Begriffs als ein Merkmal verstanden, dessen Bedeutung so weit als möglich enträtselt werden soll.

Der Begriff „Entwerfen“ lässt sich auf drei grundlegende Tätigkeits­bereiche beziehen, die zuweilen schlicht mit den Begriffen „Sehen, Denken, Machen“ benannt werden. Eine weitere Ausdifferenzierung dieser Begriffe führt auf

67

einen Weg, der das Entwerfen genauer fasst, es aber eher beschreibt als definiert. Auf diesem Weg wird versucht, das Entwerfen als eine Tätigkeit zu erschließen, sie zugänglich, verständlich, erfahrbar zu machen und dabei weniger über die Bedeutung des Begriffs nachzudenken als über die Tätigkeit selbst. AICHER UND FLUSSER: NEGATION UND TRANSZENDENZ

Die von Otl Aicher und Vilém Flusser veröffentlichten Schriften zur Theorie des Entwerfens konvergieren in einem von utopischen und antiakademischen Momenten getragenen Glauben an die Möglichkeit der Befreiung durch neue, radikale Weisen entwurflichen Denkens und Handelns. Ihre Denkweisen folgen gegensätzlichen Strukturen, verweisen aber auf einen gemeinsamen Kern, korrigieren und ergänzen einander in wesentlichen Punkten und lassen in der Zusammenschau Ansätze zu einer umfassenden Theorie des Entwerfens erkennen. Aicher wie Flusser stellen die Moderne von ihren Wurzeln her in Frage. Während Aicher, wenn auch lückenhaft und unsystematisch, in seinen Schriften ein weites Spektrum entwurfstheoretischer Fragen anspricht und dabei realitätsnahe Vorstellungen entwickelt, bleiben Flussers Aussagen in vielen Bereichen zu allgemein und abstrakt, um Reibungsfläche für eine konkrete Auseinandersetzung zu bieten. Aicher entwickelt konkrete, in sich kohärente Vorstellungen, die indessen auch sehr angreifbar sind. Die Texte beider tragen Wichtiges zur Diskussion des Entwerfens bei. In den Kapiteln zur Theorie

(Aicher, siehe S. 209)

Werkzeuge und Geste

sowie über

(Flusser, siehe S. 88, 105)

werden sie ausführlich dargestellt. Im Folgen­ den gilt es, ihre grundsätzliche Haltung zum Entwerfen deutlich zu machen. Aichers Aufruf, „die welt als entwurf“ zu verstehen,

(Aicher 1991/2)

hat ebenso wie

Flussers Hoffnung, sich durch Entwerfen

„vom Subjekt zum Projekt“ aufzurichten, 1994)

(Flusser

seine Wurzeln im Erlösungsgedanken

Otl Aicher: Entwurf der Moderne. Arch+ Nr. 98, 1989

der Moderne. Dieser ist bei beiden allerdings gebrochen durch die Erfahrung der für den Einzelnen wie für die Gesellschaft unkontrollierbar gewordenen „Apparate“, ein Topos, der sich bereits zu Beginn des

68

20. Jahrhunderts bei Franz Kafka oder Kurt Tucholsky findet und den beispielsweise Max Horkheimer und Theodor Adorno im Bezug auf die Kultur­­ industrie ausgearbeitet haben. Wo jedoch Aicher die Welt als zu entwerfendes Objekt proklamiert, sieht Flusser sich selbst als zu entwerfendes Subjekt. Im Vergleich der beiden Positionen wird ein wesentlicher Unterschied im Denken der beiden Autoren deutlich: Aicher tendiert dazu, Themenbereiche zu negieren, die er als problematisch empfindet, vermag diese Probleme jedoch gedanklich nicht zu überwinden. Gerade in seiner vehementen Ablehnung bestimmter Positionen bleibt er in ihrem Bann. Flusser hingegen überwindet Schwierigkeiten, indem er sich auf übergeordnete Betrachtungs­ ebenen begibt, und kann deshalb Widersprüche für sich produktiv machen, indem er sie ins für ihn Positive wendet. So führt zum Beispiel die radikale Kritik des Digitalen Aicher zu ähnlichen Einschätzungen wie Flusser. Während Flusser die Digitalisierung als unaufhaltbar erkennt und neben deren negativen Folgen auch nach Wegen eines positiven Umgangs sucht, lehnt Aicher alles Digi­tale prinzipiell ab. Ähnliches gilt für seine auch auf die Moderne bezogene Ablehnung von Kunst. Sein Absolutsetzen des Kriteri­ ums der Zweckmäßigkeit, sein Autarkie­­­denken, der Generalanspruch einer

„welt als entwurf“, aber auch seine dogmatische Sprache und die Unge­duld gegen andere Ideen scheinen einem Denken verhaftet, das Aichers eigenen Ansprüchen an seine politische wie kulturelle Position entgegensteht. Auch Flusser beschäftigt das Problem der zum Machtinstrument werden­ den Theorie, dessen Ursache er in einem aus den Naturwissenschaften abgeleiteten Erklärungsanspruch sieht, der vielen Fragen nicht angemessen sei. Daraufhin e­ntwickelt er einen anderen Theoriebegriff: Theorie soll nicht mehr erklären, sondern Bedeutungen analysieren, nicht Probleme aus der Welt schaffen, sondern Möglich­ keiten beschreiben, nicht abschließen, sondern öffnen. An diesem Beispiel wird deutlich: Was als persönliche Haltung eines Entwerfenden, „... die künstlerische Arbeit des Formens, die immer auch auswählt, wegschneidet, verzichtet: keine Form ohne Refus.“ (Adorno 1970, S. 216) Foto: Marianne Kristen

auch wo sie idiosynkratisch wird, völlig akzeptabel ist, wird zur beengenden Ideologie, verbindet man sie mit dem Anspruch auf Allge­meingültigkeit. Die Unterscheidung zwischen allgemeiner und

spezieller Entwurfstheorie wird hier zwingend. Der Formulierung individueller Ent­wurfs­ ansätze liegen grundsätzlich andere Ziele zugrunde als einer Theorie, die mit Recht Allgemeingültigkeit beanspruchen dürfte. Ent­werfende müssen zu einer einzelnen, im Wettbewerb vertretbaren Lösung gelangen und sollten darüber hinaus eine identifizierbare Arbeitsweise entwickeln. Um dies zu erreichen, müssen sie konkrete und präzise Vorschläge machen und diese überzeugend und mit einer konsistenten Argumen­tation vermitteln. Daher negieren sie in vielen Fällen eher aus rhetorischen Vilém Flusser: Virtuelle Räume - Simultane Welten. Arch+ Nr. 111, 1992

denn aus sachlichen Gründen alles, was ihren persönlichen Lösungsansatz in Frage stellt. Sie führen dann keinen offenen Diskurs

mehr, sondern verlangen mit autoritärem Gestus das vorbehaltlose Akzeptieren ihrer eigenen Vorstellungen. Eine allgemeine Entwurfstheorie hingegen hätte zum Ziel, ein breites Spektrum von Möglichkeiten des Entwerfens aufzuzeigen. Zwei Fragen sind für jede Entwurftheorie grundlegend: Wie entstehen Formen? Und: Woraus erwächst deren Bedeutung? Flusser beschreibt, wie künstliche, von Menschen erzeugte Formen in der Auseinandersetzung mit dem Material aus Gesten des Machens entstehen, die letzten Endes auf willkürlichen Entscheidungen basieren. Form und Bedeutung sind in diesem Prozess zwar verbunden, jedoch ohne direkte gegenseitige Abhängigkeit. Eine zwingende Logik, die erklärt, wie Formen und ihre Bedeutungen entstehen, kann es deshalb nicht geben. Dagegen ist die Rationalisierung von Entwurfsprozessen, wie Aicher sie darstellt, der Versuch, den Anteil des Willkürlichen einzugrenzen, um Entwurfsentscheidungen rationaler und besser

nachvollziehbar zu machen. Flusser realisiert aus einer Position konkreter Machtlosigkeit heraus, dass er bestimmte Formen selbst zwar nicht verändern, aber dennoch ihre Bedeutung manipulieren kann. Aicher beschreibt

70

das Entwerfen konkreter Lebenswelten im kleinen Maßstab als Überlebensstrategie in einer von Apparaten dominierten Gesellschaft. Beide verlassen damit die Zwangsvorstellung einer für alle gemeinsamen, verbindlichen Zukunft und offerieren stattdessen das Bild einer Welt, in der einzelne Individuen frei miteinander kommunizieren. Sie suchen die offene, nicht repressive Gesellschaft, die sie für sich selbst mehrfach wieder hergestellt haben, indem sie aus einer repressiv gewordenen sich zurückzogen oder emigrierten. Aichers Denken erweist sich als das eines handwerklichen Gestalters, der an der konkreten, „guten“ und „richtigen“ Form arbeitet, die er aus ihrem Zweck entwickelt. Dazu bedient er sich der Mittel der Anschaulichkeit und der Negation, die auch gedanklich zu seinen bevorzugten Strategien werden. Er sucht nur jeweils eine einzige, aber realistische und überzeugende Lösung, die er durch einen Prozess der Auswahl und Negation aller anderen Lösungsmöglichkeiten erreicht. Flussers Frage lautet hingegen: Wie kann ich als Einzelner meinen persönlichen Gesten Bedeutung verleihen? Er macht dies zur Grundfrage eines Entwerfens, das als intellektueller Akt die Welt nicht oder nur in sehr begrenztem Umfang praktisch verändert, sondern vielmehr zeichenhaft auf mögliche Veränderungen verweist. In seinem letzten, nicht vollendeten Werk Vom Subjekt zum Projekt

(Flusser 1994)

versucht er, das Entwerfen grundsätzlich neu zu denken, indem er es auf Bereiche anwendet, die Entwerfenden normalerweise nicht zugänglich sind, weil sie entweder mit Tabus belegt oder von Gewohnheiten verdeckt sind. Flusser argumentiert hier als Philosoph, der neue Räume gedanklicher Möglich­keiten öffnet, ohne dabei allzu konkret werden zu müssen. Er ist hier Entwer­fer im tieferen Sinne des Wortes, der weit in die Zukunft denkt, ohne genau zu wissen, wie sie aussehen soll. Auf der Suche nach Gesten, die Bedeutung verleihen, indem sie über eine Erfüllung bestehender Funktions­programme hinausgehen, findet er Wahrheit in der ästhetischen Erschei­nung. Bedeutung kann aus der Form, aber auch aus ganz anderen Faktoren entstehen. Indem er fragt, wie er seinen Gesten und Handlungen zukünftige Bedeutung verleihen kann, sucht er das konkret Gegebene zu transzendieren.

Wege des Entwerfens Ich fordere lediglich Methode, ganz gleich, welche. Denis Diderot (1751, Stichwort Enzyklopädie)

Entwerfen und Gestalten lernen wir, indem wir es tun. Aber was tun wir, wenn wir entwerfen? Entwickelt hat sich das Entwerfen aus dem vorausschauenden Bedenken des Machens. Entwerfen heißt die Gestaltung eines Gegenstandes zu erarbeiten, ohne diesen schon als konkretes Objekt vor sich zu haben. Den Begriff Gestaltung beziehen wir auf konkret gegebene Objekte, die unmittelbar bearbeitet werden können. Den Begriff Entwerfen hingegen beziehen wir auf die zukünftige Gestaltung eines Gegenstandes, der im Moment des Entwerfens nur in abstrakter oder reduzierter Form darstellbar ist. Ohne über eine direkte Rückmeldung aus Versuch und Irrtum zu verfügen, unterscheidet sich das Entwerfen somit von der künstlerischen Arbeit des Malers oder Bildhauers ebenso wie von der Arbeitsweise der Handwerker, die in der Regel ihre Artefakte direkt manipulieren können. Im Grunde genommen ist dies eine Frage des Maßstabs und der Komplexität des herzustellenden Gegenstands. Charakteristisch für das architektonische Entwerfen ist die große räumliche und zeitliche Distanz vom Entwurf zur Realisierung des Entworfenen. Entwürfe haben daher immer etwas Unsiche­ res, Gewagtes, Utopisches. Entwerfende tragen die Verantwortung, Voraus­ setzungen und Konsequenzen eines Entwurfs zu erkennen und diese im Entwurf zu berücksichtigen. Die Möglichkeiten, aber auch die Konsequenzen des Entwerfens sind heute grundlegender und weitreichender als je zuvor. Vor allem aber haben Entwürfe einen Maßstab und eine Komplexität angenommen, die fraglich erscheinen lässt, wie weit sie tatsächlich noch überschaubar sind. In seiner Analyse der „Apparate“ hat Vilém Flusser das Paradoxon aufgezeigt, dass die Bedeutung jeder Entwurfsentscheidung sich auf anderen Betrachtungs­ ebenen in ihr Gegenteil verkehren kann. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts leben wir weitgehend in Lebenswelten, die von Menschen gemacht und gestaltet wurden, die aber nicht unbedingt entworfen sind, zumindest nicht in einem Sinne, der Voraussetzungen und Konsequenzen eines Entwurfs erkennt und berücksichtigt.

72

Griech. methodos: der Weg zu etwas hin; Chinesisch: dào (道): der Weg, der Pfad, die Methode, die Art und Weise, daoistisch, sagen, ausdrücken, erläutern. Landschaft am Ufer des Flusses Douro, westlich von Porto

WAHRNEHMUNG UND DENKEN

Wahrnehmung ist der erste und zugleich grundlegende Schritt jeder Ent­ wurfs­arbeit. Sie entsteht aus der Summe der Beobachtungen, die man als

73

Individuum, als einzelner, auf seine individuelle Sensibilität angewiesener Mensch macht. Wahrnehmung als Realitätsbezug, ebenso wie die Wahr­ nehmung des gerade Entworfenen basiert auf der Fähigkeit, mit allen Sinnen einen Ort, eine Situation, ein Gebäude, aber auch ein Projekt in seinen unterschiedlichen Entwicklungsphasen wahrzunehmen. Die Summe der von uns wahrgenommenen architektonischen Situationen bildet den Fundus der Erinnerungen, aus dem wir beim Entwerfen schöpfen. Im August 1963 notierte der 74-jährige Le Corbusier, auf ein erfahrungsreiches Leben als Architekt, Designer, Städtebauer, Maler und Schriftsteller, kurz: als Entwerfender zurückblickend, in eines seiner berühmten Skizzen­ hefte: „La clef, c'est: regarder… regarder, observer, voir, imaginer, inventer, créer.“ („Der Schlüssel, das ist: zu sehen… sehen, beobachten, schauen, sich eine Vor­

stellung machen, erfinden, erschaffen.“) (nach Croset 1987, S. 4) Wahrnehmung ist für das Entwerfen grundlegend. Umgekehrt erweist sich das Entwerfen als ein spezifisches Wahrnehmungstraining, das für bestimmte Phänomene sensibilisiert und zu einer Steigerung der Wahrnehmungsfähigkeit führt. Unsere Sinnesorgane übersetzen optische, akustische, haptische Reize in elektrochemische Signale, die vom Gehirn zu sinnvollen Informationen verarbeitet werden. Die Verarbeitung und Interpretation dieser Signale ist ein grundlegender kreativer Prozess, dessen gezielte Irritation Möglichkeiten zur Stimu­ lation der Vorstellungskraft birgt, die bereits Leonardo da Vinci kannte und nutzte. Die von ihm beschriebenen Tricks und Kniffe, die man heute als Kreativitätstechniken bezeichnen würde, illustrieren, wie eng Wahrnehmung und schöpferisches Denken miteinander verbunden sind. Leonardo erwähnt in diesem Zusammenhang eine „neue Erfindung […] die, wenn sie auch ärmlich

und beinahe lächerlich erscheint, dennoch von größtem Nutzen ist, den Geist zu mannigfachen Erfindungen anzuregen“. Diese „Erfindung“ besteht darin, „Gemäuer mit verschiedenen Flecken oder mit einem Gemisch aus verschiedenartigen Steinen“ zu betrachten: „Wenn du dir gerade eine Landschaft ausdenken sollst, so kannst du dort Bilder verschiedener Landschaften mit Bergen, Flüssen, Felsen […] ebenso verschie­ dene Schlachten und Gestalten mit lebhaften Gebärden, seltsame Gesichter und Gewänder und unendlich viele Dinge sehen.“ (nach Chastel 1987, S. 385)

Dass Leonardo diese Möglichkeiten auch selbst nutzte, belegt an anderer Stelle sein Bekenntnis: „Ich habe in den Wolken und an Mauern schon Flecken

gesehen, die mich zu schönen Erfindungen verschiedenster Dinge anregten.“ 74

(nach

Chastel 1987, S. 386)

Die menschliche Wahrnehmung bewegt sich im Spannungsfeld zwischen dem, was die Redensart „Man sieht, was man weiß“ benennt, und der Frage: „Wie können wir etwas sehen und erkennen, das wir noch nicht kennen?“ Alle Wahrnehmung geschieht immer vor dem Hintergrund des schon Bekann­ten. Neue Informationen werden mit bestehenden Erinnerungen verglichen und diesen zugeordnet. Etwas wirklich Neues zu sehen erfordert Wahrnehmung als geduldige Beobachtung, ist eine kreative Leistung, die Zeit und Konzentration beansprucht. Alle unsere Sinne sind an ihr beteiligt, unsere Fähig­­keiten des Erkennens und des Erinnerns ebenso wie unsere Erwartungen, Prägungen und Vorurteile. Alle Entwurfswerkzeuge sind sowohl Mittel der Wahrnehmung als auch Mittel des Ausdrucks, ein Zusammenhang, den der Architekt El Lissitzky mit einem Foto­­gramm (Selbstbildnis: Der Konstrukteur, 1924) durch die Über­ lagerung von Kopf, Hand, Auge, Zirkel, Kreis auf einem Millimeter­raster prägnant veranschaulicht. Eine autobiografische Notiz Lissitzkys gibt unter dem Stichwort „Augen“ Hinweise, wie sein Selbstbildnis zu verstehen ist:

„Die Objektive und Okulare, die Präzisionsinstrumente und Spiegelreflexkameras, das Kino mit der Zeitlupe und Zeitraffer, die Röntgen- und X-, Y-, Z-Strahlen haben in meine Stirn noch 20, 2000, 2 000 000 haarscharfe, geschliffene, abtastende Augen eingesetzt.“ (nach Simons 1993, S. 106) Die wesentliche Funktion von Entwurfs­werkzeugen ist es, innere Vorstellun­ gen für den Entwerfenden selbst und für andere wahrnehmbar zu machen

El Lissitzky: Ohne Titel (Hand mit einem Zirkel), 1924

El Lissitzky: Selbstbildnis: Der Konstrukteur, 1924

und sie damit zum möglichen Gegenstand kritischer Reflektion werden zu lassen. Eine der Wirkungsweisen, die den Entwurfswerk­zeugen zugrunde liegt, ist die Reduktion komplexer Sachverhalte auf wenige überschaubare und handhabbare Aspekte. Aufgrund dieser Wirkungsweise beeinflusst ein jedes Entwurfswerkzeug die Wahr­nehmung und das entwurfliche Denken in jeweils charakteristischer Weise. Die Verarbeitung der von Wahrnehmung und Gedächtnis bereitgestellten Informationen ist sicherlich der am schwierigsten zu fassende Teil des entwurflichen Denkens. Daran beteiligt sind Ratio­­nali­­tät ebenso wie Emotionen, es ist geprägt von der persönlichen Mentalität und Vor­­stel­lungs­kraft, geschieht in Form bewusster und unbewusst ablaufender mentaler Prozesse. In diesem Zusammenhang sind die Erkenntnisse von Edward de Bono besonders aufschlussreich. In seinem Buch Lateral Thinking (1970) hat er den Gegensatz von logischem und intuitiv-kreativem Denken beschrieben.

Ausgehend von einer Analyse vorherrschender Wahrnehmungs­prozesse, identifiziert er ein in der westlichen Kultur dominierendes logisch-analytisches („vertikales“) Denken, dem ein intuitiv-gestalterisches („laterales“) Denken gegenüber steht. Letzteres sei insbesondere für das Generieren von Ideen und für das Problemlösen geeignet. Diese Auffassung, die zunächst als etwas esoterisch galt, haben Untersuchungen von Neurologen wie Sperry (1968, 1973) und Eccles (1973) bestätigt. Die Spezialisierung der verschiedenen Areale des Gehirns auf bestimmte Funkti­ onen wurde seit den Entdeckungen von Broca, der 1861 in der linken Hemi­sphäre ein „Sprachzentrum“ lokalisierte, 1999, S. 54)

(nach Linke

und Wernicke, der entdeckte,

dass die oberen Schläfenwindungen für das Frühe Darstellung der lateralen Verteilung der Funktionen im chirurgisch getrennten menschlichen Gehirn. Roger W. Sperry, 1968

Sprachverständnis unverzichtbar sind, Eccles 1973, S. 258)

(nach

gründlich erforscht. Heute

spricht man nicht mehr von „Zentren“, sondern begreift die Organisation des Gehirns als ein komplexes Geflecht vernetzter Systeme, die einzelne Funktionen wahrnehmen. Die Lokalisierung der meisten Sprachfunktionen in der linken Hemisphäre gilt für 98 % aller Menschen, für Links- und Rechtshänder gleichermaßen.

(Eccles 1973, S. 259)

Die wesentlichen räumlichen Analysatoren verortet man dagegen im Scheitellappen­bereich der rechten Hirnhälfte.

(Linke 1999, S. 76)

Als grundle-

genden Unter­schied zwischen der Funktionsweise der beiden Hemisphären fasst Johanna Sattler zusammen, dass die linke Hemisphäre des menschlichen Gehirns (die sensorisch und motorisch die rechte Körperseite kontrolliert) das analytische, logisch-sprachliche Denken beherrsche und linear, das heißt in aufeinander folgenden Denkschritten operiert, während die rechte Hemisphäre ein visuell-räumliches, synthetisierendes und ganzheitliches Denken bevorzuge, welches beziehungsreich ist und in gleichzeitigen Denkschritten erfolgt.

(Sattler 1998, S. 33-42)

Rechte Hemisphäre

Linke Körperseite 77

(Broca, Wernicke, Sperry)

Linke Hemisphäre

Rechte Körperseite

Untergeordnet

Dominant

Visuell

Verbal

(Sperry, Eccles)

Bildlich

Sprachlich

(Sattler, Rorty, Mitchell)

Räumlich

Zeitlich

(Eccles, Sattler)

Geometrisch

Arithmetisch

(Eccles, Linke)

Anschaulich

(Arnheim)

Abstrakt

Analog

(Aicher, Bateson)

Digital

Simultan

Assoziativ Sprunghaft

Lateral

Synthetisch

Sukzessiv

(Eccles, Sattler) (Sattler, Jenny)

Logisch

(De Bono, Sattler)

Linear

Vertikal

(De Bono)

Analytisch

(De Bono, Sattler)

Vergleichend

Intuitiv

Emotional Pessimistisch

(Aicher)

Schlussfolgernd

(Damasio)

Verstandesmäßig

(Eccles, Damasio) (Sattler, Linke)

Rational Optimistisch

Die beiden komplementären Arten des Denkens werden von verschiedenen Autoren mit Begriffspaaren beschrieben, die sich in einem gemeinsamen Feld überschneiden.

Diese Unterscheidung findet sich bei einer Reihe von Autoren, die die beiden Denkweisen mit unterschiedlichen Begriffspaaren charakterisieren. Eccles 1973, S. 275 f., Edwards 1979, S. 39 f., Sattler 1998, S. 33-42)

(z. B.

Während in der

westlichen Kultur traditionell das linear-analytische, verbale Denken der linken Hemisphäre dominiert, ist für das architektonische Entwerfen das visuell-räumliche Denken der rechten Hemisphäre wichtiger. Das vielleicht eindrücklichste Plädoyer für diese Art des Denkens hat Rudolf Arnheim in seinem Buch Anschauliches Denken

(Arnheim 1969)

gehalten. Ähnliches tun der

Schriftsteller Italo Calvino in seiner Vorlesung über Visibility

(Calvino 1988, Kap. 4)

und Otl Aicher, der sich für analoges Denken einsetzt und gegen digitales

Denken polemisiert,

(Aicher 1991/1, S. 34 -52)

wie auch Peter Jenny, der das

assoziative, bildliche Denken als notwendige Ergänzung des linearen Denkens verteidigt. Die Selbstverständlichkeit, mit der wir lesen und schrei-

78

ben lernen, so fordert Jenny, solle auch für das Erlernen bildnerischen Denkens gelten.

(Jenny 1996, S. 220)

Es überrascht nicht, wenn die beiden Weisen des Denkens als konkurrierend aufgefasst und in einzelnen Fachbereichen höchst unterschiedlich bewertet werden. So verurteilen Architekten und bildende Künstler verbales Denken gerne als „graue Theorie“. Kulturen, die Bilder konsequent ablehnen, unterdrücken damit das visuell-räumliche, rechtshemisphärische Denken zugunsten des sprachlich-linearen, linkshemisphärischen Denkens. Sie setzen auf Ordnung, Abstraktion und Hierarchie und wenden sich gegen das Vergleichende, Assoziative und Emotionale. Sinnreicher als diese Kon­ fron­tation scheint es jedoch, die beiden Denkweisen als komplementär zu betrachten, die Möglichkeiten der wechselseitigen Anregung und Stimu­ lation einerseits und der Reflektion und Beobachtung andererseits zu nutzen. Ein Ansatz wäre beispielsweise, das Ergebnis eines rationalen Kalküls ganzheitlich und emotional zu bewerten oder das Resultat einer bildlichen Synthese mit sprachlichen Mitteln zu analysieren. Beim Entwerfen kann dies durch einen systematischen Wechsel der Werkzeuge gesteuert werden. ENTWERFEN ALS PROZESS

Das architektonische Entwerfen hat sich aus dem Bauen entwickelt, es war und ist mit den Vorgängen des Bauens eng verknüpft. Für Architektinnen und Architekten ist es die gedankliche Vorbereitung der Herstellung eines Gebäudes. Eine der großen Schwierigkeiten des Entwerfens liegt darin zu begreifen, was das Entworfene in Wirklichkeit bedeuten wird. Entwerfende sind daher oft von dem Wunsch geleitet, entwurfsrelevante Entscheidungen möglichst spät zu fällen, um eine große Menge von Informationen in die Entscheidung einfließen lassen zu können. Das Entwerfen ist ein Prozess der mühseligen, schrittweisen Annäherung an die konkrete Wirklichkeit: vom großen in den kleinen Maßstab, vom Abstrakten ausgehend immer konkre­ ter werdend. Abgeleitet vom lateinischen procedere, wörtlich: vorwärts schreiten,

(Wahrig 1986, S. 1020)

assoziieren wir mit dem Begriff Prozess etwas Lang­

wieriges, Schwieriges, das durch ein schrittweises, methodisches und rationales Vorgehen zu bewältigen ist, bei dem wie bei einem Gerichtsverfahren

gewisse Verfahrensregeln einzuhalten sind, damit die Interessen aller Beteiligten gewahrt bleiben. Viele Ansätze, Prozesse des Entwerfens zu beschreiben, sind zugleich

79

Versuche, Entwurfsprozesse nach entsprechenden Vorbildern zu strukturieren. Zunächst war es indessen ein wichtiger Erkenntnisschritt, das Entwerfen nicht mehr nur als geheimnisvollen kreativen Akt zu begreifen, sondern als Entwicklungsprozess, der sich zumindest in gewissen Grenzen rational erfassen lässt. Seit einiger Zeit hat sich das Verständnis des Begriffs Entwerfen vom „genialischen“, nicht hinterfragbaren schöpferischen Akt hin zum Ent­ wickeln verschoben. Industrieprodukte wie Autos, Flugzeuge oder Computer werden in langfristigen Prozessen entwickelt, nicht entworfen. Schon Mies van der Rohe zog den Begriff „Entwicklung“ vor:

„Wir machen keine Entwürfe. Wir überlegen uns, was man machen könnte, und dann versuchen wir es zu entwickeln, und dann akzeptieren wir es. Wir entwickeln immer unter kritischen Gesichtspunkten.“ (nach Blaser 1977, S. 14) Die Entwurfsmethode im Büro von Norman Foster beschreibt Aicher in Begriffen, die ebenfalls eher einem schrittweisen Entwickeln als dem Entwerfen zuzuordnen sind. Ihr aufwendigster Teil bestehe darin,

„in versuchen, experimenten und studien, in zahllosen regelkreisen von überprüfun­ gen und neuansätzen anhand von modellen und prototypen … mit hilfe von e­igenleistungen und konsultationen anderer das destillat einer optimalen lösung zu gewinnen.“ (Aicher 1991/1, S. 101) Je nach Betrachtungsebene lassen sich Entwurfsprozesse als Abläufe von unterschiedlicher Form beschreiben. Vier grundsätzliche Möglichkeiten, den Entwurfsprozess zu strukturieren, veranschaulichen die Diagramme von Horst Rittel. Das Entwerfen bezeichnet er als einen „iterativen Vorgang von

Varietätserzeugung und Varietätseinschränkung“.

(Rittel 1992, S. 75 ff.)

Die einzelnen

Iterationsschritte könnte man als zirkuläre, immer wiederkehrende Abfolge der oben beschriebenen Arbeitsschritte sehen, die eine spiralförmige Kurve darstellen. Die Idealisierung des Entwurfsprozesses als einen linearen Vorgang entspäche dabei, so Rittel, der Arbeitsweise eines „großen Meisters“, der schon im Voraus weiß was zu tun ist und sich auf das Aben­teuer des Entwerfens im Grunde genommen nicht mehr einlassen muss. Er hat vergleichbare Entwurfsaufgaben schon mehrfach erfolgreich gelöst und kann

einen erprobten Entwurfsweg einfach Schritt für Schritt abarbeiten. Als

Abtasten oder Scannen bezeichnet Rittel eine Vorgehens­­weise, bei der mit der erstbesten Lösung, die dem Entwerfenden einfällt, versucht wird, eine

80

Entwurfsaufgabe zu bewältigen. Zeigt sich bei der weiteren Bearbeitung, dass dieser Weg nicht zum gewünschten Ergebnis führt, kehrt man zum Ausgangspunkt zurück und versucht es mit einem anderen Lösungsansatz. Das systematische Erzeugen mehrerer alternativer Lösungsansätze und das Auswählen der besten Lösung mittels eines Bewertungsfilters, der alle relevanten Aspekte erfasst, bezeichnet Rittel als Alternativbildung. Sie kann auch als mehrstufige Alternativ­bildung erfolgen. Um möglichst viele unsinnige Alternativen von vorneherein auszuschließen, empfiehlt Rittel, bei diesem Verfahren mit constraints (selbst auferlegten Zwängen) zu arbeiten, mit deren Hilfe sich die Varietät der möglichen Design-Variablen auf ein sinnvolle und bearbeitbare Zahl einschränken lässt. Die von Rittel beschriebenen Abläufe sind im Grunde genommen einfach und selbstverständlich. Seine Analyse hebt sie auf ein Abstraktionsniveau, das es erlaubt, sie systematisch zu vergleichen. Der Komplexität von Ent­wurfsprozessen angemessener ist jedoch das Bild einer spiralförmigen Such­bewegung, das Marshall McLuhan in seinen medientheoretischen Schriften verwendet. McLuhan kritisiert den Widerspruch zwischen den üblichen linearen Vorgehens­weisen, Gegenstände zu behandeln, und den Gegenständen selbst, die nicht linear seien, im Gegenteil:

Horst Rittel: Entwurfsprozesse als Erzeugung und Einschränkung von Varietät a) linearer Entwurfsprozess b) Abtasten oder Scannen c) Bilden und Auswählen von Alternativen d) Mehrstufige Alternativbildung

„alles besteht gemeinsam und steht gleichzeitig und gegenseitig in Wechselwirkung zueinander. […] die ganze Botschaft wird dann immer wieder entlang der Kurven einer konzentrischen Spirale mit sichtbarer Redundanz verfolgt und weiterverfolgt. […] die konzentrischen Form mit ihrem endlosen Ineinandergreifen von Ebenen ist für die Einsicht notwendig. In Wirklichkeit ist sie die Technik der Einsicht, die als solche zum Studium der Medien notwendig ist, da kein Medium Sinn oder Sein aus sich allein hat, sondern nur aus der ständigen Wechselwirkung mit anderen Medien.“ (McLuhan 1964, S. 49 f.) Auf das Entwerfen übertragen, bedeutet dies, bei jedem Entwurfsproblem zu überlegen, in welchem Medium oder welcher Kombination von Medien es am besten bearbeitet werden kann. Vergleichbare Vorstellungen entwickelte der Architekt Konrad Wachsmann bereits zehn Jahre zuvor in seinem Seminaren am Institute of Design in Chicago und im Rahmen der Salzburger Sommerakademie. Seit 1951 erprobte Wachsmann das Entwerfen im Team unter systematischem Wechsel zwischen der fachlichen und der persönlichen Perspektive, aus der ein Entwurf bearbeitet wird. Er beschreibt diese Arbeitsweise als

„ein System von Teamarbeit, in dem in einer Kombination von Grundkurs, Studien und Forschungen, durch direkte Experimente und daraus folgende Entwicklungs­ arbeiten an einem gemeinsam gewählten Problem gearbeitet wird“. (Wachsmann 1959, S. 204)

Das Entwurfsteam, entsprechend einer Seminargruppe, bestehe „idealerweise

aus 18 bis 24 Mitgliedern und ist in Arbeitsgruppen zu je drei Teilnehmern gegliedert“. (a.a.O.) Jede Dreiergruppe bearbeite eine Aufgabenstellung aus ihrer spezifischen fachlichen Perspektive für einen bestimmten Zeitraum „im Wechselspiel zwischen gesuchter Information, den Versuchen im Laboratorium, der kontinuierlichen Fortsetzung der Entwicklungsarbeit am Modell und Reissbrett und den internen Diskussionen untereinander“, (a.a.O.) um dann das Ergebnis dem gesamten Team vorzustellen und darüber zu diskutieren. Nach jeder Diskussion wird die Aufgabe zur Weiterbearbeitung an die nächste Gruppe weitergereicht, bis jede Gruppe jeden Entwurfsansatz einmal unter den jeweils eigenen Gesichtspunkten bearbeitet hat. Nach Abschluss der Ent­ wurfphase werden die Arbeitsergebnisse zur Präsentation aufgearbeitet. So geeignet dieses Vorgehen im Rahmen experimenteller Entwurfsübungen

Struktur eines experimentellen Entwurfsprozesses im Team, Konrad Wachsmann, 1959

zum Aufbrechen festgefahrener Denkweisen und zum Initiieren interdisziplinärer Projekte sein mag, so wenig lassen sich Aufwand und Rigidität dieser Methode auf Architekturbüros übertragen. Auch der deutschen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) liegt eine Vorstellung des Entwerfens als Prozess zugrunde. Sie unterteilt den Entwurfs- und Bauablauf in neun Leistungsphasen, wobei jeder Phase sowohl sprachliche als auch bildliche und kalkulatorische Darstellun­gen zugeordnet werden. Damit gibt die HOAI eine bestimmte Vorgehens­weise und einen bestimmten Umgang mit den Werkzeugen des Entwerfens vor. Indem sie für die einzelnen Phasen der Entwurfsarbeit bestimmte Ergeb­nisse vorschreibt (zum Beispiel einen Satz Entwurfs­ zeichnungen in einem bestimmten Maßstab), andere nicht (zum Beispiel den Bau von Arbeits­modellen, der als Sonderleistung gilt), betreibt sie eine Normierung, deren Tendenz innovatives Entwerfen nicht unbedingt fördert. Das deduktive Arbeiten vom großen in den kleinen Maßstab ist sicherlich den meisten Bauaufgaben angemessen, solange konventionelle Baume­­tho­ den angewandt werden. Die Entwicklung technisch oder ästhetisch innovativer (oder auch nur industriell vorgefertigter) Gebäude geht allerdings eher vom Detail oder von der Entwicklung neuer Materialkombi­na­tionen aus. Auch wird die eigentliche Entwurfsphase mit lediglich 19 % (LP 2: Vorplanung 7 %, LP 3: Entwurfsplanung 11 %) des Gesamthonorars vergütet, was wenig Spielraum lässt, wirklich neue Ideen zu erarbeiten. Struktur eines herkömmlichen Entwurfsprozesses, Heino Engel, 2003

Die verschiedenen Dimensionen des Entwerfens lassen sich unterschiedlich gut als Abfolge nachvollziehbarer Entscheidungsschritte darstellen. Je ganzheitlicher, innovativer oder persönlicher eine Entwurfsarbeit orientiert ist,

84

desto weniger lässt sie sich vorherbestimmen. Aus der letzteren Perspektive erscheinen die genannten Darstellungen als abstrakte Teilwahrheiten und Idealisierungen, die das Wesentliche des Entwerfens verfehlen. In entscheidenden Momenten verläuft der Prozess des Entwerfens eben nicht linear oder vom Großen ins Kleine, auch nicht spiralförmig, sondern simultan, nicht selten auch mit unvorhersehbaren, chaotischen Quantensprüngen. Das technische, ingenieurmäßige, verwaltende und projektsteuernde Entwer­ fen hingegen folgt eher allgemeingültigen Regeln und lässt sich besser in methodische Schritte fassen. Doch auch jenseits dieser Differenzierung scheitert der Versuch, das Ent­ werfen in mehr oder weniger lineare Abfolgen rational nachvollziehbarer Entscheidungsschritte aufzulösen, an der Komplexität der Entwurfsaufgaben. Anhand des Bildes eines Räderwerks beschreibt Günter Behnisch den Ent­ wurf eines Gebäudes als „komplexes und kompliziertes Gefüge, beeinflusst von

zahllosen Kräften aus zahllosen Disziplinen“. Dieses Gefüge vergleicht er mit einem „Getriebe aus dreißig bis hundert Zahnrädern, die unauflösbar ineinander greifen“. Werde an nur einem dieser Räder gedreht, dann bewege sich das ganze Gefüge. Über die gesamte Planungs- und Bauzeit hinweg sei es immer in Bewegung, wodurch die Erscheinung des Bauwerks sich fortwährend wandle. Durch die Realisierung des Bauwerks werde ein bestimmter Zustand des Gefüges fixiert, würde man weiter entwerfen, ergäben sich andere Lösungen.

(Behnisch 1996, S. 30)

Die Bewertung komplexer Entwürfe ist nur gleichzeitig, nicht konsekutiv möglich. Otl Aicher erklärt in diesem Zusammenhang, eine Entscheidung reife beim Entwerfen nicht linear, sondern im Betrachten eines Feldes, im Vergleich verschiedenster Größen; man stelle Beziehungen her und müsse ein balanciertes, nicht bilanziertes Urteil fällen.

(Aicher 1991/2, S. 161)

In der

Regel überlagern sich bei jeder Entwurfsentscheidung mehrere Faktoren und es gilt abzuwägen, was unter der gewählten Perspektive wohl etwas angemessener oder unangemessener, einen Tick besser oder schlechter, eine Spur ästhetischer oder unansehnlicher sein würde, und welche Konsequenzen diese Entscheidung für andere Bereiche des Entwurfs nach sich ziehen. Es gibt zahlreiche Versuche, die Bewertung von Entwürfen und Gebäuden zu

Arbeitsabläufe zur Planung der Stadterneuerung in Hattingen 1966–1970, aus: Conrads 1984, S. 37

systematisieren und rational zu erfassen. 1975, Sanoff 1970)

(z. B. Rittel 1992, Musso et al. 1981, Weiss

Aber die Entscheidung, welche Faktoren in eine Evaluierung

einbezogen und wie die verschiedenen Aspekte gewichtet werden, ist nicht in Punktzahlen oder Prozent­anteile zu fassen. Die Wahl muss in jedem einzelnen Fall neu getroffen werden. So rational eine Beschreibung des Entwer­fens als Prozess sich zunächst darstellen mag, so wenig befriedigend bleibt diese Art der Dar­stellung. Bei Prozessen unterscheiden sich stark, schwach und nicht determinierte. (Bense 1998, S. 423)

Stark determinierte Prozesse lassen sich Schritt für Schritt

so genau beschreiben, dass sie von anderen, wenn sie dieser Beschreibung folgen, wiederholt oder nachvollzogen werden können. Hierzu zählen beispielweise Entwurfsprozesse technisch bestimmter Gegenstände, die sich ingenieurmäßig „berechnen und entwerfen“ lassen. Die Lösung architektonischer Entwurfsaufgaben, die in der Regel zu den von Rittel als „bösartig“ kategorisierten Problemen zählen, erfordert hingegen schwach determinierte Prozesse, die sich nur vage vorausbestimmen lassen. Sie lassen sich zwar im Nachhinein beschreiben, aber diese Beschreibung bleibt entweder so allgemein und ungenau oder wird so speziell und detailreich, dass sie auf andere Probleme kaum übertragbar ist und sich daraus keine erfolgversprechende Wiederholung ableiten lässt.

ENTWERFEN ALS INDIVIDUELLER AKT

Idealisierend könnte man das Entwerfen auf zwei gegensätzliche Weisen beschreiben: als lineare oder spiralförmige Suchbewegung, in deren Verlauf

86

alle Entwicklungsschritte eines Projekts in konsequenter Abfolge bearbeitet werden, oder als simultane Bearbeitung aller wesentlichen Aspekte eines Entwurfs. Die zweite Vorstellung liegt aufgrund der vielfältigen, einander bedingenden Anforderungen nahe, findet aber ihre natürliche Grenze in unserer sehr begrenzten Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig tun oder denken zu können. Die unten beschriebene synoptische Arbeitsweise von Alvar Aalto, bei der rationale mit intuitiven Arbeitsphasen abwechseln, kommt diesem Ideal vielleicht am nächsten.

(siehe S. 121 f.)

Alle Entwurfsprozesse kumulieren in konkreten Akten des Entwerfens. Dieser Akt selbst hat wenig Geheimnisvolles, wir alle kennen die Situation aus dem eigenen Arbeiten. Man sieht ein Problem, versucht es zu lösen, ist mit dem Ergebnis unzufrieden, versucht weiter, bildet Varianten, vergleicht Möglichkeiten, bis eine akzeptable Lösung gefunden ist. Das gesamte Wis­­­ sen und Können von Entwerfenden realisiert sich in dem – immer singulä­ ren – Moment, in dem jemand beispielsweise eine Skizze macht, ein Modell

Álvaro Siza, Skizzenheft Nr. 300, Nov. 1989

verändert oder eine Idee formuliert. Als kontinuierlicher Prozess lässt sich das Entwerfen nur auf übergeordneten Betrachtungsebenen darstellen. Der kleinste, für Entwerfende nicht weiter teilbare Schritt im Ent­wurfsprozess ist

87

der einzelne Entwurfsakt, in dem sie simultan all ihr Wissen und Können einsetzen und als ganze Person, mit allen Sinnen, allen Fähig­keiten, all ihrer Erfahrung und all ihrer kulturellen Prägung präsent sind. Dieser Entwurfs­akt kann ein Einfall sein, aber auch eine Vorstellung, die in einem überschaubaren Zeitraum erarbeitet wurde, er kann eine Geste sein, ein Gedanke, ein Wort, ein Satz, ein Gespräch, eine Beobachtung, ein Urteil, ein Mausklick. Er kann ein Akt der Wahrnehmung sein, ein Akt des Denkens, des sprachlichen oder gestischen Ausdrucks oder der Kritik, oder, sehr wahrscheinlich, all das zugleich. Emotionen haben beim Entwerfen, besonders im Akt des Entwerfens, einen hohen Stellenwert. Ihre Bedeutung lässt sich an der Tatsache ermessen, dass das Entwerfen in bestimmten Situationen, wenn sich etwa trotz intensiver Arbeit keine Lösung für ein Problem abzeichnet, als emotional außerordentlich belastend erlebt wird, während es in anderen Momenten durchaus beglückend sein kann. Günter Behnisch spricht im Zusammen­ hang mit dem Entwerfen von einem „auch heute oft schmerzhaften Schöpfungs­

prozess“.

(Behnisch 1996, S. 31)

Bei seiner Untersuchung der Biografien außeror-

dentlich kreativer Persönlichkeiten stellte Howard Gardner fest, dass insbesondere Zeiten erhöhter schöpferischer Anspannung von Phasen der Nieder­­­geschlagenheit begleitet werden, die in allen sieben von ihm untersuchten Fällen (Freud, Einstein, Picasso, Strawinsky, Eliot, Graham, Gandhi) bis zu geistig-seelischen Zusammenbrüchen führten.

(Gardner 1993, S. 436)

Für

alle waren in diesen Phasen kreativer Durchbrüche enge Beziehungen zu einem oder mehreren Menschen wichtig, die ihr Vorhaben verstanden und unterstützten.

(a.a.O., S. 438, S. 455 ff.)

Seit der Antike wird das Entwerfen im Bezug zu emotionalen Momenten gesehen, ist die Vorstellung des Schöpferischen mit dem Emotionalen verbunden. Im Hinblick auf die Melancholie als Teil einer Lehre der vier Temperamente fragt Aristoteles:

„Warum erweisen sich alle außergewöhnlichen Männer in Philosophie oder Politik oder Dichtung oder in den Künsten als Melancholiker; und zwar ein Teil von ihnen so stark, dass sie sogar von krankhaften Erscheinungen, die von der schwarzen Galle ausgehen, ergriffen werden?“ (Problemata physica, Problem XXX, 1)

Die Geste der Melancholie, den geneigten Kopf auf eine Hand gestützt, drückt sowohl Nachdenklichkeit als auch Trauer aus. Albrecht Dürers berühmter Kupferstich Melencolia I zeigt die Personifizierung dieses

89

Temperaments als einen weiblichen Engel, der auf einer Steinstufe sitzt, umgeben von Werkzeugen, die als Attribute des Entwerfens gelten können. Die Figur hat ihren mit kleinen Blättern bekränzten Kopf in die linke Hand gestützt, ihre Rechte liegt auf einem geschlossenen Buch und hält achtlos einen Zirkel, dessen Gelenk etwas nach rechts verschoben knapp oberhalb der Bildmitte sitzt. Ihr Gesicht befindet sich im tiefen Schatten. Sein Aus­ druck ist aber nicht, wie zu erwarten wäre, bedrückt oder niedergeschlagen. Ein leises Lächeln umspielt vielmehr ihre Lippen, und die erhobenen Augen blicken interessiert und erwartungsvoll auf etwas, das sich nicht weit außerhalb des linken Bildrandes zu befinden scheint. Eine Fülle detailreicher und höchst kunstvoll und präzise gezeichneter Bildinhalten verknüpft Dürer zu einem rätselvollen Sinnbild, das mit zeichnerischen Mitteln die nicht mehr auflösbare Komplexität und vielschichtige Gleichzeitigkeit spürbar macht, die eine Person empfinden kann, die sich der Totalität menschlicher Existenz in der Welt aussetzt. Überwältigt von widersprüchlichen, rätselhaften und beängstigenden Erscheinungen und zugleich unfähig, sich deren Faszination zu entziehen, lässt der sitzende Engel die Hand mit dem Zirkel sinken. Unter den vielfältigen Deutungen, die Dürers Kupferstich erfahren hat, (Schuster 1991)

sind in Bezug auf das vorliegende Buch zwei besonders inte-

ressant: die Interpretation als Programmbild künstlerischer Tätigkeit, (Schuster 2005, S. 101)

das eine Reihe von Werkzeugen als Attribute benutzt,

und zweitens die Interpretation als Darstellung einer dem Schöpfe­rischen verpflichteten Person mit „melancholischer Gefühlskultur“, die „einer Fülle see-

lischer Spannungen unterworfen ist, die Vorraussetzung wie Tribut ihrer Tugend sind“. (a.a.O., S. 100) Im folgenden Kapitel

(siehe S. 85)

wird gezeigt, dass der Holzschnitt von

Virgil Solis, den Walther Ryff als Frontispiz des Buchs Von der geometrischen

Messung,

(Nürnberg 1547)

(Nürnberg 1548)

und seiner Vitruv-Übersetzung Vitruvius Teutsch

veröffentlichte, als eine Art Gegenbild oder Antithese zu

Dürers Kupferstich konzipiert ist. Ein anderes Beispiel für die ikonologische Verbindung von Melancholie und Kreativität ist ein Stich, den Andreas Vesalius 1543 in De Humani

Albrecht Dürer: Melencolia I, 1514, Kupferstich, 23,7 x 18,7 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 352-1902 (Ausschnitt)

Corporis Fabrica

(Basel 1543, S. 164)

veröffentli-

chte. Er zeigt ein Skelett, das sich in nachdenklich – melancholischer Haltung auf die Deckplatte eines Grabmals stützt und seine Hand auf einen Totenschädel legt, der auf der Platte liegt. Auf der Frontseite des Grabmals ist in etwas ungelenker Capitalis der Satz eingraviert: „Vivitur ingenio, caetera

mortis erunt.“ („Das Schöpferische überlebt, alles andere ist des Todes.“) Der Verfasser des Blattes hat sich bemüht, alle körpereigenen „Werkzeuge“ darzustellen, und hat diese auch minutiös mit Buch­staben und Nummern bezeichnet, welche die Verbindung zur Legende herstellen, in der alle Knochen einzeln aufgeführt und erläutert werden. Zugleich verweist die nachdenklich-melancholische Körperhaltung des Skeletts auf die geistigen als die eigentlichen Werkzeuge des Menschen.

Vitruv hingegen betont in seiner Be­schrei­­­bung des Entwerfens die positiven Emotionen, wenn er von einem „Glücks­­ Andreas Vesalius: Menschliches Skelett, aus: De Humani Corporis Fabrica, Basel 1543, S. 164 gefühl“ spricht, das „die Lösung dunkler Prob­leme“ begleitet. (Vitruv, I 2, 2) An anderer Stelle erzählt er die Anekdote von Archi­medes, der „voller Freude“ die griechischen Worte „Heureka! Heureka!“ („Ich hab's gefunden! Ich hab’s gefunden!“) rufend aus der Badewanne springt „und nackend nach Hause lief“, weil er gerade einen großartigen Einfall hatte. (Vitruv IX, Vorrede, 10) Noch der heutige Begriff Heuristik, die „Lehre von den Wegen zur Gewinnung neuer Erkenntnisse“, wörtlich Findungs- oder Erfin­dungs­­­kunst, (Wahrig 1986, S. 643) lässt sich auf diese Geschichte beziehen. Auch im 20. Jahrhundert wird, ungeachtet aller Diskussionen um Sachlichkeit und Funktionalität, das Entwerfen in Abhängigkeit vom Emotionalen gesehen. Bruno Taut etwa sieht das Rationale, Verstandes­ mäßige zwar als Grundlage des Entwerfens, es muss aber durch „das Gefühl“

kontrolliert und verfeinert werden. Beim Entwerfen müsse man warten, schreibt Taut, „bis man aufhört zu denken und tatsächlich nur fühlt“. (Taut 1936, S. 38 f.)

91

Sein Vorgehen beim Entwerfen erläutert er in seinem Buch

Architekturlehre wie folgt:

„Man überlegt zunächst rein verstandesgemäß alle Bedingungen der Sache, die Himmelsrichtungen, die landschaftliche Lage, kurz alles, was das Ganze beeinflusst, und zeichnet ein Schema auf. […] Dann aber, am besten nachts, wenn nichts Störendes kommen kann, konzentriert man das Gefühl auf die Sache, doch zunächst ohne zu zeichnen. […] Man muss warten, bis das, was bisher Schema war, beginnt sich mit Leben zu füllen, bis man aufhört zu denken und tatsächlich nur fühlt. […] Es wächst ganz unklar im Gefühl das, was man die „Idee“ nennt. Das Gefühl ist wie ein Filter; es hält nur d i e Erfahrungen und d a s Wissen fest, das für diese neue Aufgabe zu gebrauchen ist. Dann beginnt schließlich die Hand zu zeichnen, beinahe automatisch oder bewusstlos. Der Kopf ist ausgeschaltet.“ (Taut 1936, S. 38 f.) Wie aber können wir dann über das Entwerfen sprechen, ohne es zu mystifizieren? Ist das Entwerfen, so die Schlussfolgerung aus dieser Auffassung, in seinem Kern etwas Gefühlsmäßiges und somit Irrationales? Muss gefühls­­ mäßig mit irrational gleichgesetzt werden, oder können wir von einer Intelligenz der Gefühle reden? Probleme hoher Komplexität löst unser Denken am besten mit „gefühlsmäßigen“ Entscheidungen. Seinen guten Grund hat dieses Vorgehen darin, dass wir die Komplexität räumlicher wie ästhetischer Erfahrungen zunächst eher fühlen als analysieren. Die emotionale Bewertung ist eine ganzheitliche, die sich der Totalität einer Situation aussetzt. Das Gehirn verarbeitet weit mehr Informationen unbewusst als bewusst. Auf diese Weise gefällte Entscheidungen, die als „intuitiv“ oder „emotional“ empfunden werden, basieren auf Wahrnehmungen, die nicht ins Bewusstsein gelangen, und für die oft im Nachhinein rationale Begründun­ gen konstruiert werden. In den vergangenen Jahren wurden diese Prozesse intensiv erforscht, was zu einer Neubewertung von Intuition und Emotiona­ lität als Erkenntnisquellen führte.

(Traufetter 2006)

Das Emotionale repräsentiert in unserem Bewusstsein die Summe der gemachten Erfahrungen. In ihm verdichten sich Expertenwissen, implizites Handlungswissen und das allgemeine Weltwissen eines Entwerfenden zu dem – immer erklärungsbedürftigen – Gefühl, etwas sei tendenziell „besser“ oder „schlechter“, „richtiger“ oder „weniger richtig“. Die Emotionen bilden

ein notwendiges Korrektiv zum Rationalen, das ja gerade beim Entwerfen durchaus in die Irre führen kann. Rationales Denken tendiert in seiner Linearität dazu, ein breites Feld relevanter Faktoren auf wenige zu reduzie-

92

ren. Eine rationale Argumentation kann zwar vollkommen schlüssig sein, aber dennoch einer eindimensionalen Logik folgen, die entscheidende Faktoren außer Acht lässt und das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Bedeutungsebenen eines Entwurfs nicht berücksichtigt. Der portugiesische Neurologe António Damásio hat in seinen Unter­ suchungen Anzeichen dafür gefunden, dass Emotionen die Grundlage bilden für alles, was wir denken. Menschen, die ihre Fähigkeit emotional zu empfinden, die ihre Gefühle verloren haben, so stellte Damásio fest, verlieren auch die Fähigkeit zu vorausschauendem, planvollem Handeln. Bei ansonsten vollkommen intakter Intelligenz sind diese Menschen nicht mehr in der Lage ihr Tun auf einen weiter gespannten Kontext zu beziehen. (Damásio 1999)

Entwerfende brauchen sozusagen eine éducation sentimentale, die

sie befähigt ihre Emotionen wahrzunehmen und richtig zu interpretieren. Umgekehrt zeigen die vielen Bauten, die nur unangenehme Gefühle hervorrufen, wie sehr diese in der Ausbildung fehlt. Die Gleichzeitigkeit verschiedener Handlungsebenen in ein und demselben Akt des Entwerfens macht diesen einer weiteren Analyse schwer zugänglich. Mystifizierungen des Entwerfens als etwas Genialem, Intuitivem, rein Emotionalem haben hier ihren Grund. Die zuvor dargestellte Auf­ fassung des Entwerfens als Prozess hingegen ordnet dessen Vorgänge chronologisch und reflektiert damit die Zeitgebundenheit unseres Handelns. Sie steht aber im Widerspruch zur Gleichzeitigkeit der einander überlagernden und bedingenden Probleme eines Entwurfs. Beide Modelle erfassen wesentliche Aspekte des Entwerfens, widersprechen sich aber und bleiben, jeder für sich genommen, unbefriedigend. Ein dritter Ansatz, der die beiden Modelle verbindet, begreift das Entwerfen als Kreislauf wiederkehrender Handlungsschritte. Er zergliedert den Akt des Entwerfens in seine Bestand­ teile, beschreibt aber auch die zeitliche Struktur von Entwurfsprozessen.

DER KREISLAUF DES ENTWERFENS

Auf die Frage „Was tut eigentlich ein Künstler“ antwortet Jean-Christophe Ammann mit einer Erläuterung, die im Grunde genommen für alle

93

Entwerfenden gilt:

„Er arbeitet an etwas, dessen Endprodukt er nur sehr unscharf erkennen kann. […] Er hat zwar eine Vorstellung, aber er ist stets mit dem Scheitern konfrontiert. Denn das, was entsteht, entspricht möglicherweise nicht seiner Vorstellung, also verändert er das Tun oder er verändert die Vorstellung. Man kann auch sagen, das Tun verändert kontinuierlich die Vorstellung, weil das Tun wichtiger ist als die Vorstellung.“ (Ammann 1998, S. 18) Die Wechselwirkung von Sehen, Denken und Machen, die durch Wahr­ nehmung und Ausdruck vermittelte Reflexion des einen im anderen sind eine Grundlage jeder Entwurfstätigkeit. Akte wie Prozesse des Entwerfens lassen sich anhand der Metapher eines Kreislaufs beschreiben – als ein Kreislauf unauflöslich verwobener Gedanken und Handlungen, der sich in eine immer wiederkehrende Folge von drei Tätigkeitsbereichen (T1-3) oder sechs Arbeitsschritten (A1-6) gliedert. Der „Kreislauf des Entwerfens“ verbindet das Denken und das Machen, Praxis und Theorie. Zurückführen lässt er sich auf die von Donald A. Schön eingeführte Theorie der Reflexiven Praxis. (Schön 1983) Er beginnt mit der Wahrnehmung von Aufgabe und Situation (T1/A1), gefolgt von deren gedanklicher Verarbei­tung, die zu den ersten Fragen, Thesen und vagen Vorstellungen des zu entwerfenden Gegenstandes oder Gebäu­des führt (T2/A2). Diese Entwurfsvorstellungen werden zunächst durch einfache Gesten oder Worte zum Ausdruck gebracht, später auch mit Hilfe von externen Werkzeugen (T3/A3). Das zum Ausdruck Gebrachte wird erneut wahrgenommen (T1’/A4) und mit den Vorstel­lungen verglichen, dabei werden sowohl die Vorstellungen als auch das zum Ausdruck Gebrachte gedanklich weiter verarbeitet und in der Folge verändert (T2’/A5). Diese veränderten Vorstel­lungen werden

Der Kreislauf des Entwerfens

erneut ausgedrückt (T3’/A6), und der Kreis­lauf beginnt von neuem. Dabei entstehen schrittweise immer konkretere, präzisere und komplexere Darstellungen des Entworfenen in räumlich-bildlicher und sprachlicher Form.

94

Diese Folge wiederkehrender Handlungsschritte liegt langfristigen Ent­ wurfsprozessen ebenso zugrunde wie dem individuellem Entwurfsakt. Die drei genannten Tätigkeitsbereiche, die den „Kreislauf des Entwerfens“ ­charakterisieren – Wahrnehmung, gedankliche Verarbeitung und Ausdruck der inneren Vorstellungen –, können wir zuweilen klar in den aufeinander folgenden Arbeitsschritten unterscheiden, oft sind sie jedoch so eng miteinander verflochten, dass sich die einzelnen Elemente kaum mehr isolieren lassen und sie zu einer einzigen Handlung – zu einem Akt des Entwerfens – verschmelzen. Der Prozess des Entwerfens wiederum setzt sich aus unzähligen kleinen und größeren „Kreisläufen des Entwerfens“ zusammen. Er ist ein fortlaufendes Wechselspiel von Wahrnehmung und Ausdruck, von der Erarbeitung „innerer“ Vorstellungen und deren „äußeren“ Darstellung, von Kreativität und Kritik. Eine allgemeine Theorie des Entwerfens muss daher die fünf Themenbereiche (1) Wahrnehmung, (2) kreatives und (3) kritisches Denken, sowie (4) Ausdruck des Gedachten mit Hilfe von (5) Werkzeugen des Entwerfens als gleichwertig behandeln, da jeder dieser Arbeitsschritte auf den Informationen aufbaut, die durch die vorhergehenden entstanden sind. Eine solche Theorie wäre zu entwickeln als eine Darstellung, die nicht eingrenzt, sondern öffnet, die nicht bestimmt und definiert, sondern Möglichkeiten aufzeigt, die keine „ewig gültigen“ Werte verkündet, sondern die Strukturen von Wertesystemen reflektiert, die keine Methoden vorschreibt, sondern die Entwicklung von individuellen Arbeitsweisen und Strategien unterstützt, die nicht nur von oben nach unten argumentiert, sondern auch von unten nach oben. Im Folgenden wird versucht, das theoretische Gerüst einer solchen Darstellung zu entwickeln, um dann den Themenbereich der Werkzeuge des Entwerfens eingehender zu untersuchen. Im dritten Teil des Buchs wird dann das Zusammenwirken der Werkzeuge in der Praxis dargestellt.

TEIL B:  WERKZEUGE 96

Werkzeuge des Entwerfens Jedes Instrument muss mit der Erfahrung verwendet werden, durch die es entstanden ist. Leonardo da Vinci (Codex Arundel, 191R) Das Entwerfen als eine vielschichtige und schwer zu fassende Tätigkeit lässt sich anhand der Werkzeuge und Kulturtechniken erschließen und beschreiben, die im Verlauf des Entwurfsprozesses eingesetzt werden. Diese Per­spek­ tive erlaubt die nötige Distanz zu persönlichen Arbeitsweisen und öffnet den Blick für die grundlegenden Zusammenhänge der einzelnen Tätigkeiten. Ausgehend von Geste und Sprache als den primären Entwurfs­werkzeugen lassen sich die daraus entwickelten Werkzeuge darlegen: Skizze, Werkriss, Entwurfszeichnung, Perspektive und Modell auf der Seite der bilderzeugenden Werkzeuge, und Beschreibung, Kritik, Theorie sowie Kalku­lation und Programm auf der Seite der sprachlichen Werkzeuge. Die Frage nach den Entwurfswerkzeugen ist zentral, weil Ideen, Gedan­ ken, innere Vorstellungen sich nicht direkt vermitteln lassen, sondern nur mit Hilfe von „Werkzeugen“, „Instrumenten“ oder „Medien“ ausgedrückt werden können. Wir müssen unsere Gedanken durch Gesten andeuten, aussprechen, aufzeichnen, aufschreiben oder auf irgendeine andere Weise darstellen. Alle dafür in Frage kommenden „Werkzeuge“ bergen in sich die Gefahr unsere Vorstellungen entsprechend der ihnen innewohnenden Tendenzen zu verändern oder gar zu verfälschen. Aufgrund ihrer jeweils eigenen Regeln und Funktionsweisen, ihrer Grenzen und Möglichkeiten drängen sie diejenigen, die sich ihrer bedienen, in eine jeweils bestimmte Richtung. Entwickeln Entwerfende dafür kein Bewusstsein, laufen sie Gefahr, dass ihre Werkzeuge sich verselbständigen, und zu Ergebnissen führen, die möglicherweise weit von ihren ursprünglichen Vorstellungen entfernt sind. Diese Gefahr ist um so größer in den heutigen arbeitsteiligen Entwurfspro­ zessen. Ein Entwurf kann, auch wenn er in einem bestimmten Medium vollkommen überzeugend wirkt, das heißt dessen Regeln gänzlich entspricht, sich in Wirklichkeit als durchaus ungeeignet erweisen. Erfahrene Entwerfende wissen mit dieser Diskrepanz umzugehen. Sie kennen die Eigenheiten

Sammlung Römischer Bronze-Werkzeuge aus Pompeji

ihrer Werkzeuge gut genug, um sie je nach Notwendigkeit korrigieren zu können.

98

SYMBOLE DES SCHÖPFERISCHEN

Als Werkzeuge bezeichnen wir gemeinhin Geräte, die zur Bearbeitung von Werkstoffen dienen. Was aber sind die „Werkzeuge“ des Entwerfens, und was sind dessen „Werkstoffe“? Mittelalterliche Darstellungen kennzeichnen Baumeister und Architekten durch Werkzeuge wie Zirkel und Winkel, die als Attribute ihrer Tätigkeit zu lesen sind. Was vermitteln diese Geräte über das Wesen des Entwerfens? Seit alters her werden Werkzeuge als Attribute der Handwerker und Baumeister verstanden. Antike römische Grabmäler und Ausgrabungen von Pompeji zeigen ganze Sammlungen von entsprechenden Werkzeugen, die jedoch eher dem Bauen als dem Entwerfen zuzuordnen sind: Maßstab, Winkel, Lot, Setzwaage und Zirkel, dazu Hammer und Meißel.

(Zimmer 1984, S. 265 ff.; Hambly 1988, S. 20, Abb. 10)

Der babylonische Herrscher Gudea wird sitzend dargestellt, vor sich auf dem Schoß den Grundriss eines großen Gebäudes. Die Statue, genannt

„Der Architekt mit dem Plan“, entstand in Mesopotamien um 2125 v. Chr.; bei der Zeichnung handelt es sich um den maßstäblich verkleinerten Grundriss der Umfassungsmauer des Tempelbezirks oder der „Heiligen

Stadt“ Gudeas.

(André-Salvini, in Las Casas 1997, S. 74 f.)

Dargestellt ist ein Mauer­

werksbau mit außen liegenden Widerlagern und sechs Toren, die jeweils auf beiden Seiten durch Mauervorlagen verstärkt sind. Welche Hilfsmittel standen Gudea und seinen Architekten zur Verfügung? Statue des babylonischen Herrschers Gudea, ca. 2125 v. Chr., und der Plan auf dem Schoß der Statue

Leonardo da Vinci: Gewitter von Werkzeugen. The Royal Collection, 12698

Eine Problematik der verfügbaren Werk­zeu­ ge veranschaulicht eine allegorische Zeich­ nung von Leonardo da Vinci. Seine bedrohliche Darstellung eines Unwetters, bei dem Werk­zeuge aller Art vom Himmel fallen, trägt die Unterschrift: „Oh menschliches Elend:

für wie viele Dinge machst Du Dich für Geld zum Knecht.“ („O miseria umana di quante cose per danari ti fai servo.“) (nach Hermann-Fiore 2002, S. 332 f.)

Die Flut der Werkzeuge, der

Tätig­keiten, ihrer Wirkungen und Bedeu­ tungen zu sichten und zu ordnen, das immer wieder neu entstehende Chaos der Möglichkeiten zu bändigen wurde zu einer der großen Herausforderungen der Auf­ klärung. Auch Albrecht Dürers berühmter Kupferstich Melencolia I

(siehe S. 74)

zeigt im Vordergrund eine Reihe von Werkzeugen, die sich dem Bauen und Entwerfen zuordnen lassen, und die verstreut und anscheinend nutzlos auf der Erde liegen. Diesen bedrückenden Visionen setzen Walther Hermann Ryff (oder Rivius) (1500–1548) und Virgil Solis (1514–1562) wenige Jahr­ zehnte später ein anderes Bild entgegen.

„Vivitur ingenio, caetera mortis erunt.“ („Das Schöpferische überlebt, alles andere ist des Todes.“) lautet die Titelzeile eines von Virgil Solis ausgeführten Holz­ schnitts,

(Röttinger 1914)

den Ryff in Nürnberg gleich zweimal veröffentlichte:

im Jahr 1547 als Frontispiz in seinem Buch Von der geometrischen Messung (nach Grote 1966, S. 5)

und ein Jahr später auf Seite XI der von ihm verfassten,

kommentierten und mit Abbildungen versehenen zweiten deutschen VitruvÜbersetzung Vitruvius Teutsch.

(Nürnberg 1548) 1

Auf dem Boden verstreut zeigt das Blatt eine Sammlung von Geräten und Werkzeugen, die mit der Tätigkeit des Baumeisters und Architekten, aber auch mit der Wissenschaft verbunden sind: Wir sehen einen Richtscheit, verschiedene Zirkel und Zangen, Hammer, Stemmeisen, Hobel

1 Dort lautet die Titelzeile: „Circkels/Richtscheid/und aller gebreuchlichen Geometrischen Instrument/künstliche fürbildung“.

100

und Säge, rechter Winkel und Schablone, Bücher (als Verweis auf die Architekturtheorie?), zwei verschiedene Nivelliergeräte, ein Lehrbuch für Geometrie, Blasebalg und Schmelz­tiegel auf einem brennenden

101

Kohlenbecken, eine Flasche mit Chemikalien, Schlegel und Meißel, ein Lineal, Feder und Tintenfass, Pinsel und Palette, Pinzette, zwei Zirkel, eine Zwinge mit Richtschnur. In der Mitte des Blattes, auf einem zweifachen Sockel aus dieser Gerätesammlung herausgehoben, steht ein Genius (Sinnbild des Architekten?), barfuss als Putto dargestellt, in der linken, nach unten zeigenden Hand an einer Kordel hängend einen Schwamm oder Stein haltend, in der erhobenen Rechten zwei Flügel (als Symbol der Inspiration?). Sockel und Knäblein sind perspektivisch korrekt dargestellt, die Ebene des Bodens ist jedoch nach oben in die Bildebene gekippt, so dass die Figur gleichsam von den Werkzeugen, über denen sie eigentlich stehen sollte, eingerahmt wird und nur mit Mühe ihren Kopf über allem hält. Viele Bildelemente hat Virgil Solis offensichtlich ohne größere Verände­ rungen von Dürers Kupferstich Melencolia I übernommen. Ganz anders indes sind Aufbau und Stimmung des Bildes, das wie eine pointierte Antithese zu Dürers Stich wirkt. Die Personifizierung der Melancholie ist weggelassen, wie auch die mahnenden Gegenstände Glocke, Waage, Sandund Sonnenuhr. Dass Dürers Kupferstich Vorlage für Solis' Darstellung war, lässt insbesondere auch die Figur des Putto vermuten, die ihrem Vorbild in Körperform, Kleidung, Gesicht und Frisur sehr ähnlich ist. Während der Putto jedoch bei Dürer eine Schiefertafel beschreibend auf einem Mühlstein sitzt, dominiert er nun die Bildmitte. Auf einem würfelförmigen, soliden Podest stehend und mit triumphierender Geste ein Paar Flügel in der rechten Hand hochhaltend, hat er offenbar alle Zweifel und Schwermut überwunden. Vor diesem Hintergrund erscheint der von Walther Ryff veröffentlichte Holzschnitt des Virgil Solis als eine ins Positive gewandte, optimistische Umdeutung des Schöpferischen, das zuvor noch ganz von der Vorstellung der Melancholie durchdrungen war. Der kindlich fröhliche Knabe, der die Flügel der Inspiration in die eigene Hand nimmt und in herausgehobener Position die ihn umgebenden Werkzeuge dominiert, wird in Ryffs VitruvÜbersetzung als Sinnbild des Architekten präsentiert. Vielleicht findet hier der alle Bedenken in den Wind schlagende Optimismus des modernen

Virgil Solis zugeschrieben: Holzschnitt, veröffentlicht als Frontispiz des Buchs Von der geometrischen Messung, Walther Ryff: Nürnberg 1547, und der Vitruv-Übersetzung von Walther Ryff, Vitruvius Teutsch, Nürnberg 1548 (Abb. S. 56)

102

Benvenuto Cellini: Diana Ephesia, Entwurf für das Siegel der Accademia del Disegno in Florenz (Ausschnitt), ca. 1564. London, British Museum

Homo Faber seinen ersten Ausdruck. Zu erreichen ist dieser Optimismus, das zeigt der Vergleich mit Dürers Denkbild, nur zum Preis einer Vereinfachung, die alle widersprüchlichen, rätselhaften und beängstigenden Aspekte des Entwerfens ausblendet. Solis' Holzschnitt kann als Ausgangspunkt einer Architekturauffassung verstanden werden, die von den Werkzeugen, vom Machen her gedacht ist. Die Frage, welche Gegenstände denn als „Werkzeuge des Entwerfens“ gelten können, stellte sich wenig später auch der Goldschmied und Bildhauer Benvenuto Cellini (1500–1571), prominentes Mitglied der 1563 von dem Architekten, Maler und Kunsthistoriker Giorgio Vasari (1511–1574) sowie Agnolo Bronzino und Bartolomeo Ammanati in Florenz gegründeten Accademia [dell’ Arte] del Disegno. Auf einem Entwurf für das Siegel der neugegründeten Accademia, einem ca. 1564 entstandenen Blatt, schlägt Cellini als Verkörperung des Disegno eine Darstellung der vielbrüstigen, alles ernährenden Naturgöttin Diana Ephesia vor. Den Disegno versteht er als

„Ursprung und Anfang aller menschlichen Tätigkeiten“. S. 222)

(Cellini, nach Kemp 1974,

Recht beiläufig, etwas unterhalb der Mitte des Blattes, stellt Cellini ein

in Großbuchstaben geschriebenes Alphabet dar. Jedem Buchstaben ist ein Werkzeug zuordnet, das dessen jeweiliger Form ähnelt – ein erster, skizzenhafter Versuch der Aufzählung und Anordnung von Werkzeugen des

103

Entwerfens, die sich hier aus Handwerks- und Zeichenwerkzeugen zusammensetzen. Die Analogie, die Cellini zwischen der Form der Buchstaben und der Form der Werkzeuge herstellt, suggeriert, die einzelnen Werkzeuge seien in gleicher Weise wählbar wie die Buchstaben des Alphabets. Deren Beherr­ schung müssten Entwerfende genauso erlernen wie Schreibende das ABC. Wenn sie dies einmal getan haben, sind sie in ihrem Ausdruck ebenso frei wie jeder Schreibende, der das ABC beherrscht. Bleiben wir in diesem Bild, so stellen wir fest, dass solch einem Schreibenden allerdings noch vieles ­fehlen würde, um als Schriftsteller schöpferisch tätig zu werden: ein Vokabular, die Grammatik und Rhetorik, die Fähigkeiten des Erfindens und Erzählens. Immerhin: Im gewandelten Werkzeug-Verständnis der Renaissance dienen Werkzeuge nicht mehr vorrangig dem Kampf des Menschen gegen die Natur und deren Verletzung und Zerstörung, sondern zur Erschaffung „einer

neuen, künstlichen Welt, an der Mensch und Natur gemeinsam arbeiten“. Der Kunsthistoriker Horst Bredekamp sieht in der Zeichnung die „Momentaufnahme eines

geradezu sprühenden kunsttechnologischen Optimismus“. (Bredekamp 2003, S. 130, S. 137) Auf dem damit eingeschlagenen Weg des Zugangs zum schöpferischen Arbeiten liegt eines der großen Projekte der französischen Aufklärung: die Encyclopédie, ou dictionnaire

raisonné des sciences, des arts et des métiers, die in den Jahren 1751 bis 1772 von Denis Diderot und Jean-Baptiste le Rond d’Alembert in Paris herausgegeben wurde, und deren erste Ausgabe 17 Text- und 11 Tafelbände umfasste. Ziel des Unternehmens war es, alle damals bekannten Werkzeuge und Arbeitstechniken nach Berufen geordnet darzustellen. Bis dahin in den Zünften vielfach

Werkzeuge zum Themenbereich Architecture, Maçonnerie (Werkzeuge der Bau- und Steinmetzkunst), aus der Encyclopédie von Diderot und d'Alembert

als Berufsgeheimnis gehütetes Wissen wurde damit systematisch strukturiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das beeindruckende Werk dokumentiert in Texten und aufwändigen, detaillierten Illustrationen die

104

Summe des technologischen Wissens seiner Zeit, in der sich die Kunst des Barock mit den Anfängen der industriellen Revolution überlagert. Infor­ mationen aus den Naturwissen­schaften stehen neben Erläuterungen technischer Vorgänge aus Landwirt­schaft, Handwerk und Militär, Artikel über Holz, Metall, Chemie, Textil, Keramik und Glas stehen neben Darstellungen künstlerischer Techniken aus Architektur, bildender Kunst und Musik, Schreiben und Buchdruck. Werkzeuge werden nun nicht mehr als bloße Hilfsmittel verstanden, sie stehen seither im Zentrum der Aufmerksamkeit. FLUSSER: DIE GESTE DES MACHENS

Alles Entwerfen ist eingebettet in umfassende Handlungsabläufe des Machens. Dieser für Otl Aicher

(siehe S. 212)

wie Vilém Flusser zentrale

Begriff, der über das germanische makkon (engl. to make) auf das indogermanische mag- „kneten“ zurückgeht,

(Wahrig 1986, S. 852)

weist auf eine bemer-

kenswerte Verbindung zum ursprünglichem Material des Modellbaus hin, dem Ton. Während Otl Aicher dem Machen eine zentrale Rolle zumisst, den Begriff selbst aber nur knapp definiert, analysiert Flusser das Machen eingehend. Beide Autoren verstehen darunter kein indifferentes Tun, wie es etwa im umgangssprachlichen „Pause machen“ oder „sich unbeliebt machen“ gebraucht wird, sondern das konkrete Gestalten und Herstellen von Gegenständen, das Gestalten von Welt. Ziel allen Machens, so Flusser, ist das „Aufprägen einer Form auf die gegenständ-

liche Welt“. Das Machen begreift er als eine bestimmte Geste der Arbeit, die nicht an andere Menschen, sondern auf ein Material gerichtet ist. Um die Geste des Machens zu analysieren geht er von der Beobachtung der Bewegungen unserer Hände aus. 1991, S. 49 –70)

(Flusser

Machen, so seine Definition, sei

der Versuch, Theorie in Praxis umzusetzen. Erreicht sei dies, „wenn das Sollen objektiv und

gegenständlich, der Gegenstand wertvoll und der Wert Gegenstand geworden ist“. (a.a.O., S. 57)

Machen als Kneten: Pizzateig

Die metaphorische Dimension seiner Darstellung wird deutlich, wenn Flusser in diesem Zusammenhang von den beiden Händen als „Theorie“ und „Praxis“ spricht, die durch die Geste des Machens zur Überein­stimmung

105

gebracht werden sollen. Den unendlich komplexen Vorgang des Machens sucht Flusser in einfache Bilder zu fassen. Das Thema des Denkens wird dabei fast völlig ausgeklammert. Seine gleichnishaften Bilder zeigen aber, wie sehr der Prozess des Denkens von den konkreten Bewegungen unserer Hände geformt ist und sich auf Begriffe stützt, die von diesen Bewe­gungen aus gebildet, im wahrsten Sinn des Wortes abstrahiert, abgezogen sind. In seiner systematischen Analyse unterscheidet Flusser eine Folge von zehn Handlungsschritten, die so sehr von alltäglicher Gewohnheit verdeckt sind, dass sie kaum als einzelne Schritte wahrgenommen werden. Die Geste des Machens beginnt für ihn mit einer Geste der Wahrnehmung (1), die als eine aktive und in besonderem Sinn gewaltsame Geste des Begreifens und Verstehens beschrieben wird, die einen Gegenstand auswählt und isoliert. Ihr folgt ein erster Versuch einer Geste der Wertung (2), indem eine für diesen Gegenstand passende Form ausgewählt und versucht wird, ihm diese Form beziehungsweise diesen Wert aufzuprägen, ihn zu „informieren“. Diese Phase beginnt mit der Geste der Herstellung (3), bei welcher der Gegen­ stand aus seinem zu negierenden Kontext herausgelöst und in einen affirmierten Kontext hineingestellt wird. Dabei wird ein Widerstand, die Rohheit des Materials fühlbar. In der Geste des Untersuchens (4) dringen die Hände in den Gegenstand ein und zwingen ihn damit, seine inneren Strukturen zu enthüllen. Damit begreifen sie, wie der Gegenstand zu verändern ist, und können nun in der Geste des Entscheidens (5) bestimmen, welchen Wert, welche Form sie ihm aufzwingen wollen, und mit der Geste des Erzeugens (6) beginnen. Doch angesichts des Widerstands des ungeformten Materials sieht sich die Hand zur Angleichung der Form genötigt, die sie dem Gegenstand aufprägen will. Diese „beständige Neuformulierung der Form unter dem Gegendruck

des Gegenstands“ bezeichnet Flusser als die Geste des Schaffens (7): „Das Schaffen ist die Erarbeitung von Ideen während der Geste des Machens.“ (a.a.O., S. 64)

Im Gegensatz zur klassischen platonischen Vorstellung ewiger,

unveränderlicher Ideen, die nur unvollkommen verwirklicht werden können, betont Flusser, „dass neue Ideen mitten im Kampf der Theorie gegen die rohe,

widerständige Welt auftauchen“.

(a.a.O., S. 65)

Weder sei es schöpferisch, vorge-

fertigte Ideen gewaltsam einem vorbereiteten Material aufzudrücken, wie das bei der industriellen Produktion der Fall sei, noch in Laboratorien virtuelle Stereotypen zu erzeugen, ohne sich mit dem Rohmaterial auseinander zu

106

setzen. Die Geste des Schaffens (7) sieht Flusser als einen Kampf, in welchem den schwachen menschlichen Händen Verletzung und Zerstörung droht. In diesem Fall können sie entweder aufgeben oder mit der Geste des Werk­zeugmachens (8) antworten. Dabei ziehen sich die Hände vorläufig von ihrem widerspenstigen Gegenstand zurück, um einen anderen zu finden, der als ihre vereinfachte und wirksamere Verlängerung dienen kann. Doch das Anfertigen von Werkzeugen ist wiederum selbst eine Serie von Gesten des Machens. Um Werkzeuge herzustellen, müsse man in einem praktisch unendlichen Regress andere Werkzeuge herstellen. Die Aufmerksamkeit würde durch das Herstellen von Werkzeugen und von Werkzeugen für Werkzeuge in Bann gehalten. Dabei bestehe die Gefahr, den ursprünglichen Gegenstand der Geste des Machens zu vergessen und ihn in der Folge nicht mehr von einer Person unterscheiden zu können: Alles werde behandelbar. Genau dies, so Flussers Kritik, sei die Situation der industriellen Gesellschaft von heute. In der Geste der Verwirklichung (9) kehren die nun mit Werkzeugen versehenen Hände – falls sie ihn nicht vergessen haben – zu ihrem ursprünglichen Gegenstand zurück. Das im Folgenden erzeugte Produkt werde dabei weniger durch die Hände als durch das Werkzeug geprägt. Die schließlich verwirklichte Form entstehe aus drei Faktoren: der ursprünglich beabsichtigten Form, der Widerständigkeit des Gegenstands und der Arbeit des Werkzeugs. Da jedoch die beiden Hände – Praxis und Theorie – nie zur völligen Übereinstimmung gebracht werden können, das Werk somit nie vollkommen werde, sei die Geste des Machens eine unendliche Geste. Sie ende erst, wenn die Hände sich vom Gegenstand zurückziehen, sich öffnen und ihr Werk darbieten. Dies tun sie resignierend, wenn erkennbar wird, dass jede Fortsetzung der Geste des Machens für das Werk ohne Bedeutung wäre. Im Gegensatz zur Geste des Machens, die abgrenzt, ausschließt, vergewaltigt und verändert, wende ihr Abschluss in der Geste des Darreichens (10) diese in eine Geste der Öffnung, des Schenkens, der Liebe den anderen gegenüber. Flussers Analyse zeigt, wie weit das Entwerfen und Gestalten – die Geste des Schaffens – in den Zusammenhang vielfältiger Gesten des Machens ein-

gebunden ist. Von diesem Zusammenhang wird das Schaffen in seinen Möglichkeiten und Bedeutungen weitgehend bestimmt. In jeder Phase des Schaffensprozesses kann die Geste des Machens ihre Bewegungsrichtung

107

grundlegend ändern, bis hin zur Wendung in ihr Gegenteil. Durch den einfachen Richtungswechsel einer einzelnen Geste kann etwas ganz Anderes, vollkommen Neues erscheinen. Wählen die Hände einen anderen Gegenstand, eine andere Form, einen anderen Kontext, ein anderes Werkzeug, einen anderen Verlauf der Geste des Schaffens oder der Geste des Darreichens, entsteht möglicherweise ein völlig anderes Werk oder das entstehende erhält eine gänzlich andere Bedeutung. DIE AMBIVALENZ VON WERKZEUGEN

Von dem Grundverständnis her, das Flusser darlegt, sind Werkzeuge „alles,

was sich in Gesten bewegt und demnach Ausdruck einer Freiheit ist“.

(a.a.O., S. 222)

Werkzeuge formen nicht nur unser konkretes Handeln, sondern auch unser Denken. „Die Werkzeuge verändern unser Verhalten, und damit unser Denken,

Fühlen und Wollen. Es sind Erlebnismodelle.“

(Flusser 1989, S. 2)

Sie seien Objekte,

die hergestellt würden, um einer bestimmten Absicht zu dienen. Die Frage:

„Was ist das und was kann man damit machen?“ sei bei traditionellen Werk­ zeugen gemeinhin durch Gewohnheit verdeckt. Neue Werkzeuge seien gerade deshalb faszinierend, weil sie mehr als jedes andere Ding unbekannte Virtualitäten in sich bergen, und weil sie uns aufgrund ihrer noch nicht völlig festgelegten Form erlauben, uns von den Absichten derer, die diese Werkzeuge hergestellt haben, zu befreien.

(Flusser 1991, S. 193 f.)

Indem wir uns

mit den Bedingungen des Ausdrückens und Artikulierens auseinandersetzen, also eine Theorie der Gesten, eine Theorie des Entwerfens erarbeiten, können wir Beschränkungen unseres Denkens erkennen, um uns von ihnen zu befreien:

„Die beklemmende Herrschaft, die das Werkzeug auf unser Denken ausübt, findet auf vielen Ebenen statt, und einige darunter sind weniger offensichtlich als andere. Wir dürfen den Werkzeugen nicht erlauben, im Sattel zu sitzen und uns zu reiten.“ (a.a.O., S. 102)

Nicht in jedem Fall seien Werkzeuge Instrumente der Freiheit. In der Neu­ zeit, so Flussers Analyse, dienen Werkzeuge nicht mehr nur zum Lösen von Problemen, sondern beginnen ihrerseits problematisch zu werden. Indem sie

Werkzeuge. Foto: Christian Pieper, 2005

zum Forschungsobjekt werden, nicht mehr nur nach traditionellen Vor­ bildern, sondern nach wissenschaftlicher Erkenntnis hergestellt werden, entstehen „große und teuere“ Maschinen. Sie werfen die Frage auf, wer sie besitze und was er damit tun solle. Im Verlauf der industriellen Revolution habe sich das Verhältnis von Mensch und Maschine umgekehrt. Der Mensch sei nicht mehr die Konstante und die Maschine die Variable, sondern der Mensch sei zu einem Attribut der Maschine geworden, denn er könne während der Arbeit durch einen Anderen ersetzt werden.

(a.a.O, S. 26 f.)

Das vorindustrielle Verhältnis Mensch-Werkzeug stülpe sich um, die neuen

Am Beispiel des Fotoapparats beschreibt Flusser Apparate als „undurchsichtige schwarze Kisten“.

Wer­k­zeuge funktionieren nicht mehr in Funktion des Menschen, sondern der Mensch in Funktion der Maschinen. 1998, S. 24)

(Flusser

Auch könne die Maschine viel

schöpferischer als der Mensch sein, wenn sie entsprechend programmiert werde. Sie befreie nicht den Menschen von der Arbeit, um ihm Raum für schöpferisches Tun zu lassen, sondern überhole ihn auch auf diesem Gebiet.

(Flusser 1991, S. 28 f.)

Kritisch geworden sind Werkzeuge für Flusser in ihrer Ausprägung als schwer durchschaubare „Apparate“, die er definiert als „Ballungen von

Maschinen, die synchronisiert und als komplexe Rückkopplungen zusammengeschaltet sind.“ (a.a.O., S. 26) In der Auseinandersetzung mit diesen „Apparaten“ wird das Entwerfen für Flusser zur zentralen Frage menschlicher Existenz. In seinem Buch Vom Subjekt zum Projekt entwickelt er den Gedanken, wir könnten entwerfend unser „untertäniges Dasein als Subjekte“ überwinden und beginnen uns aus der „Untertänigkeit ins Entwerfen auf-

zurichten“. (Flusser 1994, S. 27) Einer pessimistischen Sicht, welche die Welt beherrscht sieht von Industrie- und Staatsapparaten, die nur um ihrer selbst willen existieren, setzt Flusser eine neue Auffassung des Entwerfens ent­ gegen. Bislang jedoch, so Flusser, verändern wir uns dank unserer Werkzeuge, sehen aber nicht voraus, wie wir uns verändern. „Wir sind unseren Werkzeugen unterworfen, obwohl wir selbst sie entwerfen.“ Doch seien wir nun in der Lage, auch ihren „Rück­schlag“ auf uns zu entwerfen.

(Flusser 1989, S. 3)

Die Folgen und Auswirkungen der von uns entworfenen Werkzeuge, Maschinen und Apparate zu entwerfen, scheitert bislang

Betonmischmaschine der Firma Heinrich Strube, um 1900

an mangelnder Vorstellungskraft, an den engen Grenzen, innerhalb derer wir Kom­plexi­tät denken können, und vor allem an der Schwierigkeit, das Verhalten komplexer Systeme vorherzusagen. Als frei programmierbare

110

Apparate ermöglichen Computer heute eine Bearbeitungstiefe, die durch eine unseren entwurflichen Fähigkeiten angepasste Benutzeroberfläche die Folgen einer Entwurfsentscheidung viel früher sichtbar machen kann. Sie können neue Werkzeuge simulieren und deren „Rückschlag“ erfahrbar machen, bevor er Realität wird. Werde die Struktur des Apparates aufgedeckt, so sei zu hoffen, diesen Apparat in den Griff zu bekommen. (Flusser 1993/2, S. 78 f.)

Gelinge dies, dann seien wir

„unserem eigenen Entwurf nicht mehr unterworfen, sondern wir werden zu bewussten Entwerfern der Veränderungen, die unser Entwurf auf uns ausübt“. (Flusser 1989, S. 6)

„WERKZEUGE DES ENTWERFENS“ ALS METAPHER

„Werkzeuge des Entwerfens“ sind nicht im selben Sinne Werkzeug wie es ein Hammer oder ein Schraubenzieher ist. Bei diesem Begriff handelt es sich vielmehr um eine Metapher, die das Bild eines Handwerkzeugs auf komplexe Sachverhalte überträgt. Ihr Gebrauch bewirkt einen Perspektivwechsel, der es erlaubt, bestimmte Wirkungs- und Bedeutungszusammenhänge wie Gegenstände „objektiv“ zu betrachten, um deren Eigenschaften aus der Sicht von Entwerfenden sachlich zu beschreiben. Der auf Seite 130 genauer definierte Begriff „Werkzeuge des Entwerfens“ impliziert somit eine sprachliche Objektivierung. In ähnlicher Weise wie Flusser von der Geste des Machens spricht, also nicht das Machen schlechthin, sondern seine Bedeutung als Geste analysiert, rückt nicht das Entwerfen schlechthin in den Blick, sondern der Blick richtet sich nur auf bestimmte Zusammenhänge, ihre Wirkung und Bedeutung: auf eine komplexe Struktur materieller wie immaterieller Bezie­ hungen von Gegenständen und den zu ihrem Gebrauch entwickelten Kulturtechniken. Um den Bedeutungsgehalt der Meta­pher „Werkzeuge des Entwerfens“ verständlicher zu machen, kehren wir nochmals zu den Werkzeugen des Handwerkers zurück. Ein Schuster verfügt über eine große Auswahl unterschiedlicher Werkzeuge, die er an sei-

Werkzeuge eines Schusters

nem Arbeitsplatz in einer genau bestimmten Ordnung lagert. Diese Werkzeuge haben in der Regel zwei Enden: den weichen, oft aus Holz gefertigten Griff, der die Kraft aus der Hand auf das Werkzeug überträgt,

111

und den harten, meist aus Metall bestehenden Kopf, der zur Bearbeitung des Werkstücks dient. Die Form jeden Werkzeugs ist an die spezielle Auf­ gabe angepasst, der es dient. Dabei werden bestimmte Werkzeuge durchaus auch im Widerspruch zum üblichen Gebrauch verwendet, indem zum Beispiel der hölzerne Stiel eines Hammers zum Glätten der Ledersohle eingesetzt wird. Erfahrene Handwerker widerstehen der suggestiven Wirkung von Werkzeugen, die, bei Kindern oft zu beobachten, darin besteht, alles mit demjenigen Werkzeug zu bearbeiten, das gerade zur Hand ist. Eine ähnlich intime und exklusive Beziehung, wie viele Musiker sie zu ihrem Instrument entwickeln, ist bei Entwerfenden selten zu beobachten. Zu ihren „Werkzeugen des Entwerfens“ pflegen sie ein eher sachliches Ver­ hältnis, zumal sie in der Regel mehrere benutzen, um deren spezifische Eigenheiten einerseits zu nutzen und andererseits auszugleichen. Aber die im weichen Griff und harten, metallischen Ende zum Ausdruck kommende Zweiwertigkeit von Handwerkzeugen findet sich auf anderer Bedeutungs­ ebene auch hier. Jedes Entwurfswerkzeug dient sowohl der Wahrnehmung äußerer Gegebenheiten (dem Erfassen und Festhalten) als auch dem Ausdruck innerer Vorstellungen (dem Aufprägen innerer Entwurfsvor­ stellungen auf einen materiellen Träger). Jedes Entwurfswerkzeug kann sowohl deskriptiv, das heißt abbildend, zur Beschreibung von etwas Gegebenem, als auch präskriptiv, das heißt entwerfend, zur Darstellung von etwas Neuem verwendet werden. Der Wechsel vom deskriptiven in den präskriptiven Modus liegt in der freien Entscheidung des Entwerfenden: Ein abgezeichnetes Detail kann im Handumdrehen zum Vorbild für eine neue Arbeit erklärt werden. Handwerkzeuge reduzieren die Vielfalt möglicher Bewegungen auf jeweils einige wenige, die dafür um so effektiver ausgeführt werden. Werk­ zeuge des Entwerfens sind sowohl dazu geeignet, Komplexität zu reduzieren, als auch im Fortschreiten des Entwurfsprozesses Komplexität zu erzeugen. Allerdings sind die Mechanismen der Komplexitätsreduktion und - erzeugung bei jedem Werkzeug verschieden und selbst problematisch. Insbesondere stellt sich ein jedes Mal die Frage, ob es sich tatsächlich um eine gelungene Abstraktion oder nicht doch nur um eine schlichte Simpli­

Der Sparschäler Rex, von Alfred Neweczeral 1947 entworfen, wurde von Peter Jenny zum Zeichenwerkzeug umfunktioniert.

fizierung handelt, deren Konsequenzen vernachlässigt werden. So wirft Lucius Burckhardt Entwerfenden vor, sie lösten Probleme „intuitiv“, indem sie deren Komplikationen auf das „sogenannte Wesentliche“ reduzierten. Die Summe des vermeintlich Unwesentlichen, das bei dieser Verfahrensweise unter den Tisch fällt, schaffe neue, größere Probleme.

(Burckhardt 2004, S. 26)

Die Spannung der Metapher „Entwurfswerkzeuge“ entsteht jedoch erst aus dem Verhältnis von Ähnlichkeit und Differenz, das sie in sich trägt. Der Begriff suggeriert, innere Bilder und Vorstellungen ließen sich ebenso unmittelbar bearbeiten wie die materiellen Gegenstände des Handwerks. Im Unterschied zu einfachen Werkzeugen, die einfachen mechanischen Prinzi­ pien folgen, die leicht zu begreifen und zu steuern sind, beruht die Wirkung der „Werkzeuge des Entwerfens“ jedoch auf komplexen Mechanismen der Wahrnehmung, des Denkens und des Ausdrucks des Erdachten. Sie bearbeiten primär keine materiellen Werkstoffe, sondern beeinflussen die individuellen wie kollektiven inneren Vorstellungen, die wir uns von Entwürfen

machen, und ermöglichen deren mehr oder weniger materielle Darstellung. Sie sind nicht gleichermaßen direkt, unmittelbar und leicht zu steuern wie die Handwerkzeuge, sondern bildet ein schwer zu durchschauendes Geflecht

113

unterschiedlicher, direkter und indirekter Mechanismen. Diese folgen den Prinzipien von Geometrie und Abstraktion, Logik und Bedeutung und werfen Fragen nach den Möglichkeiten von Repräsentation und Kommunikation auf.

„Der Hammer schmiedet den Schmied“ – der Rückschlag der Entwurfs­ werkzeuge auf die Entwerfenden wurde bislang kaum thematisiert. Die Beschaffenheit und die Eigenschaften der Entwurfswerkzeuge prägen nicht nur das Entworfene, sondern zuvor schon das Nachdenken über das Ent­ werfen. Den einzelnen „Werkzeugen des Entwerfens“ wohnen bestimmte Strukturen und Tendenzen inne, die, wenn sie unberücksichtigt bleiben, sich in charakteristischen Defiziten der realisierten Entwürfe widerspiegeln. Die Wechselwirkung von Denken und Machen ist für das Entwerfen von grundlegender Bedeutung. Es gilt, die der Wirkung und dem Gebrauch der einzelnen Entwurfswerkzeuge zugrunde liegenden Strukturen und Tendenzen erkennbar zu machen, um so dem Leser Schritt für Schritt zu ermöglichen, sich durch Bewusstwerdung aus dem Bann, aus der „beklemmenden

Herrschaft“

(Flusser)

zu lösen, welche die zu Apparaten organisierten Werk­

zeuge und Maschinen auf unser Denken ausüben. Mit dem Einsatz digitaler Technologien ist die Antwort auf die Frage, wie wir entwerfen, wiederum neu akzentuiert, da sich die Grenzen der Machbarkeit ebenso wie die Wege der Materialisierung, welche die herkömmlichen Entwurfswerkzeuge ­charakterisierten, durch deren Digitalisierung völlig verschoben haben. Eine frühe Verwendung eines Begriffs, den man mit „Werkzeug des Entwerfens“ übersetzen könnte, findet sich in der Zeit des Barock. Als

Instrumentum Architecturae bezeichnete der junge Architekt Balthasar Neumann einen von ihm „erfundenen und fabrizierten“ Proportionalzirkel, der es erlaubt, die Maße und Proportionen der toskanischen, dorischen, jonischen, korinthischen und kompositen Säulenordnungen in beliebigem Maßstab mit einem Stechzirkel abzugreifen und auf eine Entwurfszeichnung zu übertragen. Ganz aufgeklappt, bilden die beiden Zirkelschenkel einen Maßstab in der Länge des Nürnberger Schuhs von ca. 30,3 cm. (Hansmann 1999, S. 9 f.)

Der Begriff „Werkzeug“ wird im Zusammen­ hang mit dem Entwerfen immer wieder verwendet. So diskutiert der Kunsttheoretiker Rudolf Arnheim in seinem Aufsatz The Tools of Art – Old and New (1979) die Art und Weise, wie die besonderen Merkmale eines jeden Werkzeugs das Ergebnis künstlerischer Arbeit beeinflussen. In ihrer umfangreichen Analyse Architectural Representation and the

Perspective Hinge (1997) legen Alberto PérezGómez und Louise Pelletier dar, dass die Balthasar Neumann: Instrumentum Architecturae, Würzburg 1713, Mainfränkisches Museum

„Werkzeuge der Reprä­sentation“ (“tools of representation“) oft einen direkten Einfluss auf die konzeptionelle Entwicklung eines Entwurfs

hatten. Auch der von Sybille Krämer und Horst Bredekamp herausgegebene Band Bild – Schrift – Zahl (2003) thematisiert in einer Reihe von Beiträgen das Verhältnis von Kultur und Technik und den Gebrauch von Werkzeugen. Otl Aicher erklärt, ohne den Begriff näher zu erläutern: „der entwerfer weiß

nichts. er hat, um eine sache anzugehen, nur seine werkzeuge.“

(1991/2, S. 194)

Er

erläutert die Bedeutung des Modells und der Kritik, diskutiert die Vorzüge des Bleistifts und die Nachteile des Computers, denkt über das Wesen der Fotografie nach, doch unklar bleibt, ob und inwieweit er diese als Werkzeuge des Entwerfens begreift. Der Designer Bruce Mau schließlich empfiehlt in seinem Incomplete Manifesto for Growth:

„Machen Sie Ihre eigenen Werkzeuge. Kreuzen Sie Ihre Werkzeuge miteinander, um einzigartige Dinge zu bauen. Selbst einfache Werkzeuge, die Ihr Eigen sind, können ganz neue Wege der Erkundung eröffnen. Denken Sie daran: Werkzeuge verstärken unsere Fähigkeiten, auch ein kleines Werkzeug kann einen großen Unterschied ausmachen.“ (Mau 2000, S. 89) Begeistert von seiner Entdeckung, wie wirkungsvoll ein Oberschenkel­ knochen als Keule einzusetzen ist, schleudert ein Hominide diesen unter triumphalem Gebrüll hoch in die Luft. Der in Zeitlupe immer langsamer wirbelnde Knochen verwandelt sich durch einen Filmschnitt in ein riesiges Raumschiff, das dessen Bewegung majestätisch in der Erdumlaufbahn fortsetzt. Diese Schlüsselszene zu Beginn von Stanley Kubricks Film 2001:

Space Odyssee (2001: Odyssee im Weltraum) aus dem Jahr 1968 bezieht die Ent­ deckung des ersten Werkzeugs (das sogleich auch als Waffe dient) auf den Entwurf eines Raumschiffs. Kubricks match cut überspringt Hundert­tausende

115

von Jahren und suggeriert, der Entwurf einer Raumfahrt sei von den gleichen Urinstinkten getrieben wie der Gebrauch einer Keule. Vor allem aber thematisiert Kubrick die enge Verbindung von Werkzeug und Entwurf. Werkzeuge sind in gewisser Weise selbst schon Entwürfe: Der Hammer ist der Entwurf eines genau dosierbaren kraftvollen Schlages; Zirkel und Lineal sind Entwürfe von Kreisen und Linien; die Linearperspektive ist der Entwurf einer bestimmten Art, Raum wahrzunehmen, die maßstäblich verkleinerte Zeichnung entwirft den die ganze Baustelle überschauenden und von ihrer täglichen Fron emanzipierten Architekten. Buckminster Fuller, einer der ideenreichsten Entwerfer des 20. Jahrhunderts, analysiert Werk­ zeuge als „Externalisierungen ursprünglich integraler Funktionen“.

(Fuller 1969, S. 100)

Die Verlagerung ursprünglicher Körperfunktionen nach außen, unter ­Nut­­zung unbelebter Materie, erweitert die Grenzen des Gebrauchs eines Werkzeugs bis hin zu dessen Verselbstständigung in der Ma­schine.

„Werkzeuge führen keine neuen ­Prinzi­­pien ein, sondern sie erweitern erheblich das Spektrum von Bedingungen, unter denen das ent­­deckte Kontrollprinzip wirksam von Menschen zum Einsatz gebracht werden kann.“ (Fuller 1969, S. 100) Inwiefern aber sind die bisher angesprochenen Werkzeuge auch „Werk­zeuge des Ent­­werfens“? Zwar sind die Handwerks- und Zeichen­werkzeuge, die beim Entwerfen be­­nutzt werden, Werkzeuge im eigentlichen, unmittel­baren Sinne, doch vermitteln sie nichts über unsere Entwurfs­vorstellungen. Umgekehrt ist eine Skizze oder Zeichnung nicht Werkzeug im gleichen, unmittelbaren Sinn wie der Bleistift, mit dem sie hergestellt wird. Die ursprünglichen, sozusagen körpereigenen „Werkzeuge des Ent­ werfens“ sind geis­­ti­­­­­ge Fähigkeiten: Wahrnehmung und Erinnerung, Vor­ stellungs­vermögen und Formgefühl, Denkvermögen, Erfindungsgabe und Urteils­kraft. Im weiteren Verlauf des Entwurfsprozesses jedoch entwickeln sich Entwurfsvorstellungen im Dialog und in ständiger Wechselwirkung mit ihrer materiellen Darstellung. Der Kreislauf des Entwerfens ist, wie wir gesehen haben, ein Ablauf innig verwobener Gedanken und Handlungen. Als Entwurfswerkzeuge könnte man alle Hilfsmittel bezeichnen, die in irgendeiner Weise den Prozess des Entwerfens unterstützen: die genannten geistigen

und körperlichen Fähigkeiten ebenso wie die Werkzeuge des Handwerks, des Messens und Zeichnens, der Wissenschaft und der Kunst; Werkzeuge im engeren Sinn wie Blei­ stift, Zirkel und Lineal, wie auch im weiteren Sinne wie Skizzen, Werkrisse, Zeich­nungen und Mo­­del­­le, Texte und Kalku­la­tio­nen, im übertragenen Sinn auch die Techniken, Methoden und Strate­gien, die der Anwen­ dung all dieser Werkzeuge zugrunde liegen. Jean-Jacques Lequeu: Architecture Civile. Des instruments à l'usage du bon dessinateur, 1782

So weit gespannt wäre die Bedeutung des Begriffs allerdings kaum noch präzise zu erfassen. Umgekehrt können Entwurfswerk­

zeuge wie Skizze, Zeichnung, Modell oder Per­spektive, Entwurfsbeschrei­ bung oder Kalku­lation auch als Medien aufgefasst werden, zu deren Unter­ suchung die Arbeiten von Marshall McLuhan, Vilém Flusser und Friedrich Kittler wichtige Anregungen geben. Im Kreislauf des Entwerfens jedoch ist der Sender einer Botschaft zugleich deren erster Empfänger und kritischer Bearbeiter. Dadurch wird die Botschaft zum Entwurf, das Medium zum Entwurfswerkzeug. Aus der Perspektive des Entwerfens betrachtet, werden die Medien zu Werkzeugen, da sie nicht mehr zuerst der Kommuni­­­ka­tion, sondern vor allem der Entwicklung von Entwurfsvorstellungen dienen. Werkzeuge im engeren Sinn wie Bleistift, Zirkel und Lineal sagen fast nichts über die mit ihrer Hilfe ausgearbeiteten Entwürfe aus. Wenn wir daher die medialen, mehr oder weniger materiellen Hilfsmittel als die „Werkzeuge des Entwerfens“ verstehen, gilt zunächst der Einwand, dass sie in der Regel entweder als abgeschlossene künstlerische Werke oder aber als bedeutungslose Abfallprodukte des Entwurfsprozesses aufgefasst werden. Und doch sind sie im Prozess des Entwerfens, in Verbindung mit den entsprechenden Kulturtechniken, die wesentlichen Werkzeuge zur Entwicklung, Materialisie­ rung und Kommunikation von Entwurfsvorstellungen. Wenn wir für diese Werkzeuge die Formulierung „mehr oder weniger materiell“ wählen, kommt darin ein grundlegendes Merkmal des Entwerfens zum Ausdruck: die fortschreitende Materialisierung geistiger Vorstellungen. Die im Verlauf des Entwurfsprozesses zunehmende Materialität der Ent­ wurfswerkzeuge ist eine wesentliche Voraussetzung für die Möglichkeiten

der schrittweisen Materialisierung von Entwurfsgedanken. In dem spezifischen Verhältnis zwischen Materialität und innerer Vorstellung unterscheiden sich die Werkzeuge des Entwerfens von vielen anderen Faktoren, die

117

das Entwerfen beeinflussen. Mit Geste und Sprache sind zunächst die ursprünglichen Werkzeuge zur Vermittlung von Entwurfsgedanken benannt. Beide vermitteln einen zwar flüchtigen, aber immerhin schon physischen und dokumentierbaren Aus­ druck innerer Vorstellungen. Alle anderen Entwurfswerkzeuge lassen sich als Weiterentwicklung und Präzisierung dieser beiden beschreiben: Die körperliche Geste konkretisiert sich über Skizze, Zeichnung, Perspektive und Modell bis hin zur vollen Materialität des fertigen Gebäudes. Das gesprochene und geschriebene Wort hingegen schafft, um einen Ausdruck von Joseph Beuys zu gebrauchen, die „soziale Skulptur“, welche die Vorraussetzung für die Entstehung von Bauwerken ist. VISUELLE UND VERBALE WERKZEUGE

Die Werkzeuge des Entwerfens lassen sich in zwei Gruppen einteilen, die einander komplementär ergänzen. Aus der körperlichen Geste entwickeln sich die visuellen, Bilder und Formen erzeugenden Werkzeuge, aus dem gesprochenen und geschriebenen Wort die verbalen Werkzeuge. Ordnet man diese Werkzeuge nach ihrer Komplexität, so zeichnet die entstehende Ordnung zugleich ihre historische Entwicklung nach und bestätigt McLuhans These, jedes neue Medium habe das jeweils ältere zum Inhalt: Die Skizze hält die ersten Gesten eines Entwerfenden fest, im Werkriss werden diese geometrisch präzisiert; maßstäblich verkleinerte Entwurfs­zeich­ nungen setzen alle für einen Bau erforderlichen Werkrisse zueinander in Beziehung, während ein Modell wiederum alle Zeichnungen in einem Objekt zusammenfasst. Die Perspektive bildet die Räumlichkeit des Modells ab und wird in der Fotografie automatisiert. Modelle und Perspektiven sind zwar Gegenstände von vergleichbarem Komplexitätsgrad, als Entwurfs­ werkzeug ist das Modell jedoch sehr viel älter als die Perspektive und die geometrischen Operationen, die zum Zeichnen einer Perspektive verwendet werden, sind deutlich komplexer als jene, die man zum Bau eines Modells benötigt. Daher ist das Modell in der Reihe der Entwurfswerkzeuge vor der Perspektive einzuordnen. Filme und Videoaufnehmen entstehen wiederum durch die Aneinanderreihung analoger oder digitaler Fotografien.

Simultan, Vergleichend, Assoziativ, Emotional,

Visuell Verbal

Räumlich, Lateral, Analog

Handlung, Inszenierung Geste

Rational,

Sukzessiv, Schlussfolgernd, Logisch,

Zeitlich, Vertikal, Digital

Wort

Begriff, Metapher, Neologismus Satz Aussage, Phrase, sms Punkt, Linie, Fläche Skizze Beschreibung Brief, Mail, Protokoll, Aufriss, Stereotomie Werkriss

Bewegung,

Ansicht,

Grundriss, Schnitt,

Detail, Werkplan Zeichnung Modulus, Exemplar, Model, Muster, Prototyp,

Modell

Isometrie,

Axonometrie,

Erläuterungsbericht, Baubeschreibung,

Kritik

Ausschreibung

Unterscheidung, Bewertung,

Widerspruch, Konsultation, Rezension,

Verriss

Diskussion Dialog, Gespräch, Baubesprechung, Streit, Jurysitzung

Perspektive Theorie Hypothese, Annahme, Erkenntnis, Erklärungsversuch, Diskurs Lichtzeichnung, Fotogramm, Dia Algorithmus Gleichung, Formel Collage, Montage, Fotografie Linear

Still, Bearbeitung Projektor, Clip

Kalkulation, Modellrechnung

Film, Video Programm Beamer Tastatur, Bildschirm, Prozessor

Hardware

Ablauf, Prozess,

Simulation, Steuerung

gespeicherte Daten

Software

Computer PC Notebook PDA Internet Mobile Server Die beiden Gruppen der verbalen und visuellen Werkzeuge des Entwerfens, 2007

Ähnlich entsteht die Reihe der verbalen Werkzeuge: Ein Satz enthält Worte, ein beschreibender Text Sätze. Dieser wird Gegenstand einer Kritik, aus mehreren Kritiken entsteht eine Diskussion, deren Ergebnis in einer Theorie zusammengefasst wird. Aus der Theorie lassen sich Formeln oder Algo­rith­ men ableiten, die Berechnungen ermöglichen. Eine Reihe von Algo­rith­men

schließlich bilden ein Programm. Der Computer schließlich vereinigt in sich beide Werkzeuggruppen, die visuellen und die verbalen, zu einem MetaWerkzeug des Entwerfens.

119

Die visuellen, bilderzeugenden Werkzeuge ermöglichen das Visualisieren innerer Vorstellungen, um diese selbst kritisch betrachten und anderen vermitteln zu können, während die verbalen, Texte erzeugenden Entwurfswerk­ zeuge der Beschreibung, Analyse und Kritik der Entwurfsvorstellungen dienen. Oder verkürzt gesagt: Mit den visuellen Werkzeugen erarbeiten wir primär die Form, mit den verbalen entwickeln wir vor allem die Bedeutung eines Entwurfs. Setzt man die beiden Reihen nebeneinander, zeigen sich anregende und bedenkenswerte Parallelen: So steht die Theorie, als Formalisierung einer Perspektive definierbar, neben dem visuellen Werkzeug Perspektive. Die Fotografie, beschreibbar als Apparat gewordener Algorithmus zur Erzeu­ gung von Perspektiven, steht neben den verbalen Algorithmen. Werkriss und Zeichnung als maßgenaue Darstellungen eines Entwurfs finden ihre Entsprechung in Beschreibung und Kritik, deren Aufgabe im verbalen Formulieren von Maßstäben besteht. Die Einteilung in verbale und visuelle Werkzeuge entspricht zwei komplementären Arten des Denkens: dem verbalen, linearen, logischen Denken einerseits und dem visuell-räumlichen, anschaulichen, simultanen, assoziativen Denken andererseits. Sie entspricht auch der Zuordnung unterschiedlicher Denkstrukturen zu den beiden Hemisphären des menschlichen Gehirns, die unter anderem Eccles, Edwards und Sattler beschreiben, und der von De Bono getroffenen Unterscheidung in laterale und vertikale Denkkulturen wie auch Aichers Aufteilung in analoges und digitales Denken.

(siehe S. 77)

NEUERE FORSCHUNGEN

Die Frage, was Entwurfswerkzeuge sind, wie sie funktionieren und wie man sie für das architektonische Entwerfen verwenden kann, wurde ursprünglich in zwei Aufsätzen von Christof Ehrlich und mir auf der Konferenz „Entwer­ fen – Kreativität und Materialisation“ an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus vorgestellt.

(Ehrlich 1999; Gänshirt 1999)

Diese Fragen

­wurden in den darauffolgenden Jahren zum Zentrum meiner Forschung, sie resultierten in einer Dissertation (Gänshirt 2008) und der Erstausgabe dieses

Buches 2007. Während die beiden Aufsätze weitgehend unbeachtet blieben, hat sich seit dem Erscheinen von Werkzeuge für Ideen das Thema Entwurfs­ werk­zeuge, zumindest im deutschsprachigen Raum, aber auch darüber

120

hinaus, zu einem wichtigen Forschungsgegenstand entwickelt. Ein Überblick über die seither veröffentlichte Forschung erlaubt nun, neue Antworten auf die Ausgangsfrage zu formulieren. Um die Ausgangsfrage besser zu verstehen, betrachten wir einmal die Zeichenwerkzeuge auf dem Arbeitstisch eines Architekten. Ordentlich auf der weißen Tischplatte arrangiert, sehen wir Dreiecke aus Holz und Plastik, einen Satz Kurvenlineale, einen zweiseitigen und zwei Dreikantmaßstäbe, einen hölzernen Proportional- oder Scherenzirkel, einen Zeichenbesen, Bleistift, Radiergummi, Bleistiftminen, Tintenflasche, technische- oder Kon­ struktionszeichnungen auf Transparentpapier, eine Zeichenleuchte, und ein Tischtelefon. Auch wenn diese Objekte hier in einem musealen Rahmen

Zeichenraum im Privathaus von Alvar und Aino Aalto, Helsinki 1935–1936. Foto 2017

präsentiert werden – es handelt sich um das kleine Architekturbüro, das Alvar Aalto in sein privates Wohnhaus integriert hatte – und die historische Arbeitssituation sicherlich nicht akkurat wiedergeben, so können wir doch

121

annehmen, dass sie annähernd repräsentativ sind für die Ausstattung eines Architekten-Arbeitsplatzes um die Mitte des 20.  Jahrhunderts. Selbst in den 1980er Jahren, als ich in Karlsruhe studierte, oder zu Beginn der 1990er Jahre, als ich junger Architekt in Porto arbeitete, sahen meine eigenen Arbeitstische und die Werkzeuge darauf noch ganz ähnlich aus. Zu Beginn meiner Forschung zu den Werkzeugen des Entwerfens erschienen mir diese Objekte nicht allzu aufschlussreich – eine Annahme, die sich später als falsch erwies. Es schien mir besser, einen Schritt zurückzutreten und stattdessen die Gegenstände zu betrachten, die mit diesen physischen Werkzeugen hergestellt wurden. Im Büro von Alvar Aalto beispielsweise sehen wir Skizzen, Gemälde, maßstäbliche Zeichnungen, Modelle,

Zeichenraum im Privathaus von Alvar und Aino Aalto, Helsinki 1935–1936. Foto 2017

Prototypen, Fotografien und vieles mehr. Diese konnten als die wichtigsten Medien oder Entwurfswerkzeuge aufgefasst werden, die Architektinnen und Architekten benutzen, um Ideen zu finden und ihre Projekte zu ent­

122

wickeln. Durch die in den vergangenen Jahren veröffentlichten Forschungsarbeiten wurde mein Verständnis von Entwurfswerkzeugen als Medien, die zum Ausdruck und zur Vermittlung von Entwurfsgedanken dienen, auf verschiedene Weise in Frage gestellt, so dass es einer Revision bedarf. Schon im November 2007 wurde eine Ausstellung mit dem Thema Die Medien der

Architektur eröffnet, vorbereitet von Studierenden und Lehrenden der Archi­ tektur an der TU Dortmund, und begleitet von einem dreitägigen Symposium und einem Katalog.

(Hnilica, Sonne, Wittmann, 2007)

Im darauffolgen-

den Jahr wurde diese Ausstellung im Haus der Architekten der Archite­k­ tenkammer Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf gezeigt. Die Symposiums­ beiträge wurden 2011 in einem Buch desselben Titels veröffentlicht.

(Sonne

Eine andere, große Ausstellung mit dem Titel Architektur entsteht im Kopf – The Making of Architecture öffnete im Oktober 2008 im Architekturzen­

2011)

trum Wien (Az W). In eindrucksvoller Präsentation zeigte sie ein breites Spektrum von Objekten und Artefakten, gesammelt und kuratiert von der Kultur­theoretikerin Elke Krasny zusammen mit Gudrun Hausegger und Robert Temel. Begleitet von einem reich illustrierten Katalog,

(Krasny 2008)

präsentierte die Ausstellung eine erstaunliche Bandbreite von Gegenständen, die Architektinnen und Architekten zu Entwurfszwecken benutzt hatten, von Zeichenwerkzeugen und Entwurfsmedien (hauptsächlich Skizzen, Zeich­nun­ gen und Modelle) bis zu ganz unerwarteten Dingen wie zum Beispiel einem Bett oder einem Gewehr, dessen Schüsse zur Verformung von ungebrannten Tonziegeln genutzt wurden. Das Architekturzentrum erklärte:

„Dokumentarische Fotografien zeigen, wie es in den Ateliers während des Arbeitens wirklich aussieht. Veranschaulicht wird das Arbeiten auch anhand eines konkreten Projektes des jeweiligen Büros, indem der Entwurfsprozess mit den spezifischen Entwurfsmitteln gezeigt wird.“ (AzW 2008) Diese Forschungen demonstrierten zweierlei: zum einen, dass es von einem empirischen Standpunkt aus sehr viel erhellender sein kann, als ich an­­ genommen hatte, Feldforschung zu den Werkzeugen des Entwerfens und ihrem Gebrauch zu betreiben. Direkt in die Büros und Archive zu gehen,

123

Ausstellung Architektur beginnt im Kopf. The Making of Architecture, im Architekturzentrum Wien, 2008/2009. Fotos: Peter Kubelka

um zu beobachten, wie das architektonisches Entwerfen in der zeitgenössischen Praxis ausgeübt wird, welche physischen Werkzeuge und Prozesse tatsächlich benutzt werden, enthüllt die Freiheiten, die Entwerfenden offen-

124

stehen, ihre Arbeit vorwärts zu treiben. Zum anderen sind die Werkzeuge und Prozesse, die in führenden Architekturpraxen gebraucht werden, sehr viel diverser, und somit auch interessanter, als ich erwartet hatte. Krasnys beschreibender Forschungsansatz half mir auch zu verstehen, inwieweit mein eigener Ansatz eher auf Methoden aus dem Bereich der Architekturgeschichte und -theorie basierte und mehr auf Theoriebildung zielte, denn auf direkte Feldforschung. In den folgenden Jahren unternahm Krasny ähnliche Forschungsprojekte in Kanada, deren Resultate genutzt ­wurden, um die Ausstellung zu erweitern. Sie wurde später in Halifax und Montreal gezeigt; begleitet von einem Symposium, war sie zuletzt 2011 im Haus der Architektur in Graz zu sehen. Diese Ausstellungen wie auch der sie begleitende Katalog zeigten, dass Entwerfende, neben der Arbeit mit den seit der Renaissance üblichen Zeichen- und Entwurfswerkzeugen, sehr erfindungsreich darin sein können, hoch spezialisierte Werkzeuge aufzuspüren oder selbst herzustellen. Manche mögen vielleicht nur für eine einzige, besondere Entwurfsaufgabe eingesetzt werden. Die vielleicht charmanteste Antwort auf die Frage nach den Werkzeugen des Entwerfens findet sich auf einem dünnen, etwa A4-großen Stück Sperrholz, das überzogen ist von Laserstrahl-Zeichnungen. Sie umreißen eine Reihe von Alltagsgegenständen, die ungefähr im Maßstab 1:1 abgebildet, von 1 bis 5 nummeriert und mit ungewöhnlichen Bezeichnungen ­versehen sind. Wir sehen einen Fragenzieher (der wie ein einfacher Korken­ zieher aussieht), einen Ideenfänger (ein Fischhaken), einen Konzeptspitzer (im Allgemeinen für Bleistifte benutzt), einen Augenöffner (der wohl eher als Kapselheber taugt) und, als größtes, einen Zimmermannshammer, der als

Innovationshammer bezeichnet ist. Ein Maßstab an der unteren Kante des Rechtecks unterstützt den Eindruck des Handwerklichen und Objektiven. Der Gegenstand ist mit „Toolkit“ beschriftet, er wurde 2010 von der Züricher Hochschule der Künste verteilt, um ihr Programm Master of Arts in Design zu bewerben. Interessant ist der Entwurfsprozess, den dieses „Toolkit“ suggeriert, indem es die Werkzeuge nummeriert und entsprechend anordnet. Beginnend mit (1) guten Fragen kann man (2) eine Idee fangen, deren Konzept (3) geschärft

werden muss, um uns (4) die Augen zu öffnen. Zum Schluss wird sie mit einer (5) kraftvollen Innovation gehämmert oder geschmiedet. Alle Ergeb­ nisse können präzise gemessen und verglichen werden. Sicherlich sind die

125

dargestellten Gegenstände keine üblichen Zeichen- oder Entwurfswerk­zeuge. Sie verkörpern vielmehr eine Abfolge fundamentaler Entwurfs­handlungen. Etwas handfester ist das Thema einer Dissertation zu Entwurfswerk­­­ zeugen, die von chinesischen Zimmerleuten benutzt werden, welche nach traditionellen Methoden arbeiten. (Brillhart 2018) Wird ein Gebäude ent­ worfen, stellen die Bauleute einen vierseitigen hölzernen Maßstab her, der in der Provinz Zhejiang mit dem Begriff „Zhàng Ga-n“ (丈杆, wörtlich: ­Maß-Stock) bezeichnet wird; in anderen Provinzen können auch andere Bezeichnungen üblich sein. Nach einem überlieferten System werden auf den vier Seiten des Stabes Markierungen aufgetragen, die im Maßstab 1:1 alle Maße angeben, die zum Bau eines traditionellen Holzhauses nötig sind. Der Stab verkörpert auf diese Weise alle Konstruktionszeichnungen

Toolkit des Master of Arts in Design der Zürcher Hochschule der Künste. Foto: 2010 (siehe auch https://designtools.zhdk.ch)

zum Bau der traditionellen Strukturen, bestehend aus Säulen, auskragenden Konsolen, den darauf liegenden Balken und dem Dach. Auf Grundlage eines rasch konstruierten, aus wenigen Linien bestehenden Aufrisses werden

126

die Angaben, welche die Maßverhältnisse der einzelnen Konstruktions­ rahmen festhalten, auf den Stab übertragen. Seine Handhabung während des Bauprozesses etabliert dann die Messungen, um alle konstruktiven Teile des Gebäudes herzustellen:

„Der Zhàng Ga-n ist im Grunde eine vorbereitende Verwirklichung der Zeichnung (ob vorgestellt oder materialisiert) in voller Größe. Jeder konstruktive Rahmen wird auf eine Seite des Zhàng Ga- n ‚projiziert‘.“ (Brillhart 2018, S. 77) Noch heute sind solche Maßstäbe in ländlichen Gebieten der ostchinesi­ schen Provinzen Zhejiang und Fujian in Gebrauch. Die Zimmerleute lehnen die heute üblichen Konstruktionszeichnungen im reduzierten Maßstab ab, da sie für ihre Zwecke nicht verlässlich genug seien. Ihr Entwurfswerk­zeug verkörpert eine bemerkenswerte Verbindung von reinem Handwerks­zeug und den Zeichnungen der europäischen Tradition. Eine Anzahl von Dissertationen wurden Themen wie Designing (tools

(for designing (tools (for ...)))),

(Fischer 2008)

(Wendler 2013 und Couto Duarte 2016)

Entwurfswerkzeugen wie Modellen,

Farbe und Architekturzeichnung, (Moutinho

2016) Konzept und Diagramm, (Stapenhorst 2016) oder einem datenbasierten

Entwurfsinstrument für Grundrisse namens Space Index gewidmet. (Dillenburger 2016)

Die modellbasierten Entwurfspraktiken im Office for Metropolitan Architecture in Rotterdam beschrieb die Ethnologin Albena Yaneva. Sie bezieht sich dabei auf die Akteur-Netzwerk-Theorie von Bruno Latour, die auch Dinge als handelnde „Aktanten“, das heißt als nicht-menschliche Akteure begreift. (Yaneva 2009a & b) Weitere Dissertationen mit Bezügen zu diesem Themen­ kreis sind Wiederkehr und

Einfache Aufrisszeichnung zur Anfertigung eines Zhàng Ga¯ n

(Video Still aus Lu 2014)

Einige der seit 2007 erschienenen Bücher zum Thema Werkzeuge des Entwerfens

128

Mehrdeutigkeit. Entwurfswerkzeuge der Architektur, (Hartmann 2016) Theorie der Städtebaumetaphern. Peter Eisenman und Stadt als Text, (Gerber 2012) Entwurfsdinge. Vom Sammeln als Werkzeug moderner Architektur, (Froschauer 2019) oder, über­ raschenderweise, Landschaften auf den Grund gehen. Wandern als Erkenntnis­ methode beim großräumigen Landschaftsentwerfen. (Schultz 2014) Architektonische Gesten als Instrument räumlicher Analysen untersuchte Angelika Jäkel in ihrer Disser­tation Gestik des Raumes. Zur leiblichen Kommunikation zwischen Benutzer

und Raum in der Architektur. (Jäkel 2013) Bereits 2000 erschien die meiner Auf­ merk­­samkeit entgangene Arbeit von Caroline Hummels: Gestural design tools: ­prototypes, experiments and scenarios. Reich illustrierte Monografien über Ent­ wurfswerkzeuge erschienen mit Titeln wie Der Bauplan. Werkzeug des Architekten, (Spiro, Ganzoni 2013) Das Architekturmodell - Werkzeug, Fetisch, Kleine Utopie, (Schmal, Elser 2012) oder Planbilder: Medien der Architekturgestaltung. (Hillnhütter 2015) Das von Frei Otto in vielfältiger Weise praktizierte „Denken in Modellen“ wurde in einer großen, von Georg Vrachliotis am ZKM Karlsruhe kuratierten Ausstellung und einem umfangreichen Katalog dargestellt. Kunz, Kurz 2017)

(Vrachliotis, Klein­manns,

Architekturfotografie als Entwurfswerkzeug wurde diskutiert

in Vom Nutzen der Architekturfotografie

(Fitz, Lenz 2015)

und zum Teil auch in

Architektur Fotografie. Darstellung – Verwendung – Gestaltung. (Locher, Sachsse 2016) Das Schreiben als Entwurfswerkzeug untersuchte Archiscripts, die 11. Ausgabe des Architekturmagazins der TU Graz, GAM.

(Gethmann, Eckhard, Wagner 2015)

City and Wind: Climate as an Architectural Instrument beschreibt ein an der TU Berlin entstandenes Buch.

(Krautheim et al. 2014)

Traditionelle Handwerkzeuge,

nicht im Sinne von Entwurfswerkzeugen, aber als Inspiration für das Entwerfen, zeigt The Hard Life, ein Buch über die Dinge und Objekte des ländlichen Lebens in Portugal. Sie wurden vom Britischen Designer Jasper Morrison gesammelt und präsentiert. (Morrison 2017) Das Canadian Centre for Archi­ tecture (CCA) in Montreal lädt seit 2018 jährlich kleine Teams ein, neue Werkzeuge zu entwickeln, die „physisch, digital oder irgendetwas dazwischen sein ­können und schnell auf bestimmte Gelegenheiten oder Bedürfnisse reagieren“. (www.cca.qc.ca)

Nicht zuletzt wurden seit 2007 mehr als ein Dutzend Symposien

zu Themen des Entwerfens und seiner Werkzeuge in Europa abgehalten, die fast alle von einer Buchpublikation begleitet wurden.

(vgl. Gänshirt 2018, S. 108 f.)

Akademische Anerkennung erfuhr das Forschungsthema auch durch die Einrichtung zweier Juniorprofessuren. An der Architekturfakultät der RWTH Aachen erhielt Carolin Stapenhorst 2014 eine Stelle zum Thema „Werkzeug­

Global Tools war ein 1973 gegründetes Netzwerk von Entwerfenden, dem u.a. Archizoom, Superstudio, Ettore Sottsass und Gaetano Pesce angehörten. Vorder- und Rückseite des Global Tools Bulletin 1, Edizioni L’uomo e l’arte, Mailand, Juni 1974, Entwurf: Remo Buti

kulturen“. Eine zweite Stelle wurde im Rahmen des Forschungsprogramms „Werkzeuge des Entwerfens“, das 2010 – 2013 an der Bauhaus-Universität Weimar durchgeführt wurde, mit Barbara Wittmann besetzt. Für zwei Jahre leitete die Kunsthistorikerin eine interdisziplinäre Gruppe von sieben Forscherinnen und Forschern, die neben der Architektur auch die Fachgebiete Philosophie, Kunst- und Architekturgeschichte sowie Kulturtheorie vertraten. Die Ergebnisse wurden 2018 als Aufsatzsammlung mit den Themen Denkund Werkzeuge, Animation, Diagramme (von Diagrammen), Experiment, Kreativitätstechniken, Modell, Das Neue zeichnen, Notationen, Parallel­ projek­tionen, Partizipation, Raster, Rekonstruktion und Sammeln veröffent­ licht.

(Wittmann 2018)

Die wohl umfassendste existierende Liste von Entwurfswerkzeugen findet sich allerdings schon in einem Buch, das zuerst 1985 erschien: Sun Wind and

Light. Architectural Design Strategies. (DeKay and Brown, 1985, 2000, 2014) Auch wenn der Begriff Entwurfswerkzeug in diesem Buch gar nicht diskutiert wird, ­enthält zumindest die dritte Auflage einen Design Tools Index von 15 Seiten,

130

(S. 399–413)

der alle Arten von Tabellen, Diagrammen, Entwurfsrichtlinien,

Bauelementen usw. aufführt. In den Augen der Autoren kann offensichtlich alles, das irgendeinen Bezug zum Bauen oder Entwerfen hat, als „Design Tool“ bezeichnet werden. Angesichts der Herkunft des Buchs aus der US-amerikanischen Umweltschutzbewegung und Gegenkultur der 1960er Jahre könnte diese breite Auffassung des Begriffs von dem berühmten, von Stewart Brand veröffentlichten Whole Earth Catalog beeinflusst sein. (Brand 1968)

Dessen Umschlag zeigte das erste jemals gemachte Foto der

ganzen Erde und den Slogan „access to tools“. Der Werkzeugbegriff in diesem Katalog umfasste alles Mögliche, von Büchern bis zu Zimmermanns­ hämmern. EINE NEUE TAXONOMIE

Die hier beschriebenen Forschungsarbeiten betrachten das Thema Entwurfs­ werkzeuge aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln, die alle auf ihre Weise aufschlussreich sind. Am Ende ist es wohl eher der Gebrauch, den wir von etwas machen, der Werkzeuge des Entwerfens als solche definiert. Aus sprach­wissenschaftlicher Sicht ist der Begriff zuweilen als eine Metapher ohne wissenschaftlich bindende Definition zu verstehen, in anderen Fällen kann er wörtlich aufgefasst werden und ein physisches Werkzeug bezeichnen, das zum Entwerfen benutzt wird. Seine Offenheit betont die potenzielle Brauchbarkeit aller Dinge im Hinblick auf alle Arten von Entwurfshand­ lungen. In den vergangenen Jahren wurde der Begriff für so unterschiedliche Dinge benutzt wie einfache Gegenstände, Medien, die für Entwurfszwecke verwendet werden, Kulturtechniken, Materialien, Artefakte, Computer­ programme, Entwurfshandlungen, oder auf einer abstrakteren Ebene, für formale Prinzipien, Konzepte oder Denkstrategien. Ist aber ein Begriff noch sinnvoll, wenn er für so vieles verwendet werden kann? Es stellt sicherlich das Verständnis des Begriffs in Frage, wenn er selbst für Aktivitäten wie das Sammeln oder das Wandern verwendet wird. Dennoch sollten wir ihn beibehalten. Der Begriff betont die spezifische Perspektive von Entwerfenden, die, um ihre Ideen weiter zu entwickeln, in die unterschiedlichsten Tätigkeiten involviert sein können. Bezeichnen wir

eine Handlungsweise metaphorisch als Werkzeug, fragen wir implizit, was beispielsweise das Skizzieren (oder das Sammeln oder Wandern) für das Entwerfen bewirken kann, und wie es das tut. Darüber hinaus impliziert der

131

Begriff die Herausforderung, die Vielzahl möglicher Entwurfswerkzeuge und deren Verwendungen besser zu verstehen und darzustellen. Theoretisch, so müssen wir daraus schließen, kann alles zu einem Ent­ wurfs­werkzeug werden, und auf viele verschiedene Weisen. Schon ein schlichter Kieselstein, am Straßenrand aufgelesen, kann auf unendlich viele verschiedene Arten verwendet werden: zum Skizzieren oder Zeichnen auf einer Oberfläche, in einer schenkenden oder drohenden Geste, zum Nachvorne-Werfen (Pro-jektieren), zum Hämmern (das heißt als Medium, das einen energetischen Impuls vermittelt), zum Schneiden (wenn seine Form es erlaubt), als Modell (oder als ein Teil davon), als Symbol, zur ästhetischen Kontemplation (wie ein chinesischer Gelehrtenstein, Go-ngshí, 供石, oder ein chinesischer Traumstein aus Dali), als Farb-, Material- oder Texturprobe, als Trittstein, als Teil eines Mosaiks, eines Steingartens, eines Straßenpflasters, einer Mauer, eines Bogens, eines Gebäudes, einer Stadt. In der Praxis gibt es sicherlich mehr Freiheit bei der Auswahl und Verwendung von Entwurfs­ werkzeugen, als wir bisher angenommen haben, aber es sind auch vielerlei Einschränkungen zu beachten: praktische und pragmatische, moralische und rechtliche, ethische wie ästhetische, wirtschaftliche, ökologische und soziale. Wenn alles zum Entwerfen verwendet werden kann, stellt sich als Nächstes die Frage, wie die verfügbaren Entwurfswerkzeuge geordnet, ­kategorisiert oder klassifiziert werden können, mit anderen Worten: ob wir uns so etwas wie eine umfassende Taxonomie der Entwurfswerkzeuge vorstellen können. Eine Schwierigkeit der in den vergangenen Jahren entstandenen Forschung liegt in der Zufälligkeit der behandelten Themen. Nicht nur macht sie es schwierig, das Konzept der Entwurfswerkzeuge zu akzeptieren und gänzlich zu verstehen. Sie behindert auch das Erkennen, welche Berei­ che möglicherweise übersehen wurden, wo Widersprüche oder Überschnei­ dungen auftreten und in welchen Beziehungen die einzelnen Werkzeug­ klassen zueinander stehen; oder ob Dinge als Entwurfswerkzeug bezeichnet werden, für die wir der Klarheit halber besser andere Bezeichnungen finden sollten. Auch die Frage, welche Bedeutung dieser Art Forschung im weiteren Feld der Entwurfsforschung zugemessen werden sollte, könnte eine Taxonomie zu klären helfen.

Gezeigt haben die neueren Forschungen, dass die 2007 veröffentlichte Taxonomie (vgl. S. 118) in mehrere Richtungen erweitert werden kann. Neben den Kategorien der visuellen und verbalen Werkzeuge können weitere

132

Gruppen eingeführt werden, welche die anderen Sinne adressieren: ­haptische, akustische, olfaktorische und geschmackliche sind denkbar, die letzteren allerdings ohne Relevanz für die Architektur. Alle Sinne überspannend wäre die Gruppe der synästhetischen Werkzeuge, die auf eine um­­ fassende architektonische und atmosphärische Erfahrung gerichtet sind. Das wichtigste synästhetische Werkzeug wäre der menschliche Körper, dessen Organe eine Situation simultan mit den fünf von Aristoteles definierten Sinnen wahrnehmen. Dazu kämen theoretisch auch alle weiteren Sinne, die seither beschrieben wurden. In der vorgeschlagenen taxonomischen Matrix sind diese Werkzeuge in Spalten angeordnet. Sie stellen Medien dar, die auf vielerlei Weise gebraucht werden können. Die einzelnen Klassen wären weiter zu unterteilen, beispielsweise die Zeichnungen in Grundrisse, Schnitte, Ansichten, des Weiteren in unterschiedliche Maßstäbe und Funktionen im Entwurfsprozess. In der vorgeschlagenen Matrix werden die Medien nun verschränkt mit den möglichen Modi ihres Gebrauchs, die in Zeilen angeordnet sind. Diese reichen von immateriellen über die medialen zu den grundlegendsten materiellen Gebrauchsformen. Ohne daraus eine Hierarchie ableiten zu wollen, beginnt dieses Kontinuum auf der immateriellen Seite mit den Philosophien, Theorien, Konzepten, Ideen und Narrativen, welche die Wege des entwurflichen Denkens beeinflussen oder hervorbringen, wie zum Beispiel. kritisches und kreatives, visuelles oder verbales Denken. Darauf folgen die Wege ­entwurflichen Handelns, auf einem abstrakten Niveau die Kulturtechniken und konkreter die Massenmedien, auf denen sie basieren, dann alle Arten von Apparaten, Maschinen und physischen Werkzeugen. Die mit diesen Mitteln hergestellten Artefakte und Kunstwerke sind die nächste Kategorie, gefolgt von einfachen Objekten (wie zum Beispiel Ziegelsteine, Bretter oder Balken) und den verfügbaren Rohmaterialien. Auch hier sind nur die Oberklassen dargestellt, die weiter zu unterteilen wären. Entwurfswerkzeuge lassen sich somit nach einer offenen Matrix ordnen, in der die Spalten definiert sind von Gruppen medialer Werkzeuge, ent­ sprechend der Sinne, die sie ansprechen, und Zeilen funktionaler Werk­zeuge, welche deren mögliche Gebrauchsweisen bezeichnen. Die medialen

Werkzeuge stehen auf der Seite des architektonischen Projekts und der ­vielfältigen Möglichkeiten, dieses zu repräsentieren. Die funktionalen Werkzeuge stehen andererseits den Entwerfenden nahe; sie stellen die mate-

133

riellen, medialen und immateriellen Möglichkeiten dar, mit den medialen Werk­zeugen umzugehen. Der Vollständigkeit halber müsste jedem denkbaren Werkzeug, den medialen wie den funktionalen, eine eigene Zeile bzw. Spalte zugeordnet werden, worauf hier aufgrund des beschränkten Platzes verzichtet wurde. Für die weitere Forschung müsste die vorgeschlagene Matrix getestet, verfeinert und erweitert werden. Sie kann benutzt werden, um bestehende Entwurfswerkzeuge zu kartieren, oder um zukünftige Forschungsfelder zu identifizieren. In Entwurfsprozessen kann sie eingesetzt werden, um einen Überblick über die verschiedenen Aktivitäten zu gewinnen und die nächsten Handlungsschritte zu bestimmen. DIE RICHTIGEN WERKZEUGE FINDEN

In einem Gespräch über den Gebrauch von Zeichnungen, Modellen, Skizzen und computergenerierten Darstellungen erklärt Álvaro Siza, dass die Werkzeuge beim Entwerfen sich gegenseitig komplementär ergänzen müssen, weil jedes von ihnen irreführend sein kann:

„Es muss einen Dialog geben. Alle Mittel, die wir verwenden, sind auch Mittel der Täuschung, sie täuschen sehr. (...) Auch der Computer (...) ist unerläßlich. Er hat die Arbeit an der Architektur sehr verändert.“ (Couto Duarte 2016, Anexo B, S. 34, Übers. d. Verf.)

Ihre Nützlichkeit für sein architektonisches Schaffen enthüllen darüber hinaus die vielfältigen Archivalien, die heute unter anderem von der Stiftung Serralves in Porto aufbewahrt werden. Dort finden sich:

„Korrespondenz mit seinen Klienten, Fotodokumentationen der Orte, an denen etwas zu Bauen war, Austausch mit den Regulierungsbehörden, Meinungsä­ußerun­ gen der vielfältigen in den Bauablauf involvierten Akteure, Modelle, welche die Wahrnehmung der Vorschläge unterstützen, Besprechungsprotokolle, und Berichte von Spannungen, die auf den Baustellen auftraten.“ (Tavares 2017, Übers. d. Verf.) Wie finde ich das richtige Werkzeug für eine anstehende Aufgabe? Die ­taxo­nomische Matrix erlaubt es, systematisch nach den aussichtsreichsten

Mediale Werkzeuge des Entwerfens (zum Entwerfe

8

9 10 11 12 13 14 15 16 17

Fotografie

7

Fotomontage

6

Axonometrie

5

Perspektive

4

2D-Zeichnung

3

3D-Modell

2

Diagramm

1

Karte

9

Riss (M. 1:1)

8

Visuell

Skizze

7

...

6

Geste

5

Bewegung

Garten

Gebäude

4

...

Landschaft

3

Atmosphäre



2

Materialmuster

Geruchsmuster

1

Bauelement

Geruchskategorie

Menschlicher Körpe

Synästhetischkörperlich



Physikalischer Raum

Synästhetisch-räumlich

Oberflächenmuster

Denken Handlungen Werke Roh

Materiell

Werkzeuge

Apparate

Massenmedien

Medial

Immateriell

Philosophie

Funktionale Werkzeuge des Entwerfens (als Werkzeuge aufgefasste Dinge oder Tätigkeiten)

Olfaktorisch

Textur

Haptisch

Metaphysik Erkenntnistheorie Ethik Ästhetik Logik ... Erinnerung Kreatives Denken Kritisches Denken Theorie Konzept, Idee Strategie Narrativ … Forschung Kulturtechnik Prozess Methode Formensprache/Stil Ausdruck Wahrnehmung … Internet Radio, Fernsehen Ausstellung Sammlung Buch Zeitschrift AR-Brille Monitor, Projektor Computer Drucker, Scanner Foto-/Videokamera Lautsprecher Audiorekorder Maschine Darstellungswerkzeug Handwerkzeug Kunstwerk Produkt Werkstück … Objekt Material

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 2

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

Tonaufnahme



Klang, Sound

Stille

Akustisch

Geräusch

Rede, Vorlesung

...

Gespräch

Wort, Satz

Programm



Kalkulation

Algorithmus

Formel

Diskussion

Theorie

Kritik

Beschreibung

Satz, Absatz

Begriff, Metapher

Comic

...

Film / Video

Verbal (gesprochen)

Verbal (geschrieben)

Visuell + Verbal

Diapräsentation



en gebrauchte Medien der Darstellung)

Legende

3

Kombinationen funktionaler und medialer Werkzeuge...

4 5 6 7 8 9

…die üblicherweise in der Praxis verwendet werden.

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

…von zusätzlichem oder besonderem Interesse beim gewählten Anwendungsbeispiel des Umbaus von Gebäuden der Moderne

20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53

8 29 30

1 2

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51

Offene Matrix von Entwurfs­­ werkzeugen, mit einer versuchsweisen Kartierung von Werkzeugen zum Umbau modernistischer Gebäude, 2020

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

Kombinationen funktionaler und medialer Werkzeuge zu suchen. Schon die gröbste, hier abgebildete Übersicht zeigt über 1200 Möglichkeiten, von denen manche allgemein üblich sind, andere vielleicht eher absurd, während einige

136

ungewohnt, aber für besondere Aufgaben vielversprechend sein ­können. Benutzen wir die Matrix einmal, um versuchsweise Kombinationen funktionaler und medialer Werkzeuge zu kartieren, die für den Umbau modernistischer Gebäude besonders brauchbar oder interessant erscheinen. In der dazu verwendeten Variante sind sie grau markiert. Orange markierte Felder zeigen jene Kombinationen an, die üblicherweise beim Entwerfen von Neubauten verwendet werden. Aufgrund ihrer Verfügbarkeit, den Gewohn­ heiten und Konventionen unserer Profession sind sie normalerweise die erste Wahl. Diese „Standardwerkzeuge“ finden sich zumeist in der Gruppe der visuellen Entwurfswerkzeuge, die auf viele verschiedene Weisen verwendet werden, dazu kommen die verbalen Beschreibungen und Kalkulationen. Sie repräsentieren eine Denkweise, die gewöhnlich Ideen für noch nicht bestehende Gebäude entwickelt und sich deshalb auf eher abstrakte und reduzierte Darstellungsweisen stützt. Beim Entwerfen der Wiederverwendung eines existierenden Gebäudes hingegen gelangt eine Reihe anderer Medien und Gebrauchsweisen in Reichweite, die sehr viel konkreter, komplexer und der vieldimensionalen Wirklichkeit näher sind. Die Matrix lässt erkennen, dass neben den üblichen visuellen und verbalen Werkzeugen auch synästhetische Medien wie das Gebäude selbst, die von ihm erzeugten Atmosphären, und der sie erkundende menschliche Körper zusätzliche Entwurfswerkzeuge sein können. Sie bieten sich ebenso zur Verwendung an wie eine Diskussion, Kritik und Theorie der modernistischen Architektur selbst. Sicherlich stellt das bestehende Gebäude für die Entwerfenden nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine große Chance dar. Es bietet eine Fülle von Informationen und Möglichkeiten, die mit einer Reihe üblicher, aber auch ungewohnter Werkzeuge erkundet werden können. Am ­schwierigsten zu bewältigen sind Einschränkungen durch die bestehende Tragstruktur, die beabsichtigte zukünftige Nutzung, zuweilen aber auch die Geschichte des Gebäudes. Das existierende Gebäude selbst als Entwurfs­ werkzeug zu begreifen verlangt eine andere Denkweise anzunehmen. Eine, die sich bereitwillig auf die Erfahrung des gebauten Raums und der von ihm erzeugten Atmosphäre einlässt. Eine, die den eigenen Körper mit all seinen

Sinnesorganen als Erkundungsgerät einsetzt, um synästhetische Sinnesein­ drücke bewusst zu erfassen und zu verarbeiten. Das bestehende Gebäude bedarf der Veränderungen, die seine Wieder­

137

verwendung ermöglichen, und stellt zugleich einen historischen Entwurf dar, den es zu respektieren gilt. Es lädt ein, in enger Verbindung mit dem Gegebenen zu entwerfen. Es ist eine unschätzbare Quelle von Informa­ tionen, die erfahren, diskutiert, kritisiert, skizziert, gezeichnet, fotografiert werden wollen, oder 3D-gescannt und in eine BIM-Software übertragen. Darüber hinaus bringt das Gebäude eine Geschichte mit sich, möglicherweise längst vergessene Narrative bezogen auf seine Entstehung und seine ursprünglichen Nutzungen. Diese immateriellen Bestandteile des Gebäudes können zu einer wichtigen Ressource für das zu entwerfende Wiederver­wen­ dungsprojekt werden. Sie bieten die Möglichkeit, verbale Entwurfswerk­zeuge zu nutzen, um ein Narrativ zu entfalten, das nicht nur auf seiner Geschichte und vorherigen Nutzungen basiert, sondern auf der Diskussion, Kritik und Theorie der modernistischen Architektur selbst. Ein Narrativ, das dazu beitra­ gen würde, die Ausrichtung und die Bedeutung des Entwurfs zu begründen. UNTERSUCHUNG DER MEDIALEN WERKZEUGE

In den folgenden Kapiteln wird eine Reihe medialer Entwurfswerkzeuge aus drei verschiedenen Perspektiven analysiert. Diese entsprechen drei wesentlichen Bedeutungsebenen, welche sich in jedem Werkzeug überlagern: der historischen, der medialen und der entwurfstheoretischen. Aus historischer Sicht wird die Entwicklung der Werkzeuge und insbesondere der Zeitraum ihrer Entstehung betrachtet, da in den Anfängen die Eigenschaften der einzelnen Werkzeuge oft am deutlichsten zu erkennen sind. Die medientheoretische Analyse geht von Marshall McLuhans These aus, dass einfachere, ältere Medien jeweils in dem komplexeren, jüngeren Medium enthalten seien.

(McLuhan 1964, S. 22)

Werkzeuge des Entwerfens werden nun

als Medien aufgefasst, welche die Inhalte unseres Denkens darstellen, beginnend mit Gesten und Worten bis hin zu Filmen, Videos und Computer­ programmen als den komplexesten und bislang vollkommensten Darstel­ lungen. Hier stellen sich Fragen wie: Welche Aspekte eines Entwurfs werden repräsentiert, in welcher Weise geschieht das, und welche Aspekte werden nicht repräsentiert? Nach welchen grundlegenden Mechanismen reduziert und erzeugt ein Werkzeug Komplexität?

Aus medientheoretischer Sicht repräsentiert jedes Werkzeug genauer zu bestimmende Bedeutungsebenen eines Entwurfs. Zugleich repräsentieren die einzelnen Werkzeuge jeweils bestimmte Bereiche der Welt in der Arbeit

138

der Entwerfenden. Sie stellen somit für die Lösung bestimmter, diesen Ebenen und Bereichen zugeordneter Fragestellungen die jeweils adäquaten Instrumente zur Verfügung. Es gilt die verfügbaren Werkzeuge und Kultur­ techniken gezielt und im richtigen Moment einzusetzen, die Frage der Entwerfens nicht auf Grundriss, Ansicht und Schnitt zu reduzieren, sondern darüber nachzudenken, welche Probleme wann und in welchem Medium bearbeitet und gelöst werden können. Eine solche Auffassung vermag auch viele der bei der Entwurfsarbeit auftretenden Hindernisse neu zu interpretieren, so dass sie das eigene Entwerfen nicht nur anregen, sondern auch begründen helfen. Aus entwurfstheoretischer Sicht wird davon ausgegangen, dass jedes der genannten Entwurfswerkzeuge bei entsprechend extensivem Gebrauch geeignet wäre, einen Entwurf zur Gänze darzustellen, und dass alle Werk­ zeuge in jedem anderen potenziell vollständig enthalten seien. Die spezifischen Funktionsweisen der einzelnen Werkzeuge werden hier mit Blick auf den Doppelaspekt, nach dem jedes Entwurfswerkzeug zugleich der Darstellung und der Wahrnehmung dient, beschrieben. Nach welchen Mechanismen reduzieren die einzelnen Werkzeuge die Komplexität des Dargestellten auf ein Maß, das die Person, die es verwendet, gedanklich verarbeiten kann? Und wie ermöglichen sie umgekehrt Komplexität zu erzeugen? Welche spezifischen Möglichkeiten, Chancen und Gefahren charakterisieren die ein­ zelnen Werkzeuge? In welcher Weise sind die den einzelnen Werkzeugen entsprechenden Kulturtechniken geeignet, Form und / oder Bedeutung eines Entwurfs zu beeinflussen? Was ist die „Tendenz“, die „Ideologie“, die einem Werkzeug innewohnt? Was zum Beispiel ist eine „gute“ Skizze oder Zeich­ nung, eine „gute“ Kritik? Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 376 ff.

Geste Den Begriff des Werkzeugs kann man so definieren, dass er alles umfasst, was sich in Gesten bewegt und demnach Ausdruck einer Freiheit ist. Vilém Flusser (1991, S. 222)

In einer Analyse der Geste, des einfachsten und ursprünglichsten aller Entwurfswerkzeuge, werden schon alle grundsätzlichen Fragen des Ent­ werfens angesprochen. Die Frage des Verhältnisses der inneren Vorstellung zu dem, was in einer Geste tatsächlich zum Ausdruck gebracht wird, die Problematik des Entwerfens einer Form und des Zuweisens von Bedeutung ebenso wie die Struktur der verschiedenen Bedeutungsebenen lassen sich am Beispiel der Geste exemplarisch untersuchen. Im Folgenden wird zu­nächst die Auffassung der Geste bei Vilém Flusser dargestellt, um dann dessen Ansatz auf das Entwerfen insgesamt anzuwenden. Flusser analysiert eine Reihe verschiedener Gesten, ohne dabei eine explizite Entwurfstheorie zu formulieren. Doch seine Untersuchung, die den Untertitel Versuch einer Phäno­­­me­nologie trägt,

(Flusser 1991)

enthält grundle-

gende Ansätze für eine methodische Analyse des Entwerfens. In einer Serie von Abhandlungen betrachtet Flusser die Geste als das aktive In-der-WeltSein des Menschen, das alle „echten“, als Ausdruck einer Freiheit wirkenden Tätigkeiten charakterisiert. Als Gesten in diesem Sinne begreift Flusser ein

Vilém Flusser, gestikulierend. Foto: Michael Jörns, 1986

weites Spektrum menschlicher Handlungen: kommunikative Gesten wie das Sprechen, Schreiben oder Telefonieren, Gesten der Arbeit wie zum Beispiel das Machen oder das Herstellen von Werkzeugen, interessefreie Gesten, die

140

Selbstzweck sind wie manches Spiel, sowie rituelle Gesten, die so alltäglich sein können wie das Pfeifenrauchen oder das Rasieren.

(a.a.O., S. 223 ff.)

Zugrunde liegt all dem die Bedingtheit menschlichen Denkens, sich nur durch Gesten und mit Hilfe von Werk­zeugen ausdrücken zu können. Im Zusam­menhang mit der Geste des Schreibens erklärt Flusser:

„Es gibt kein Denken, das nicht durch eine Geste artikuliert würde. Das Denken vor der Artikulation ist nur eine Virtualität, also nichts. Es realisiert sich durch die Geste hindurch. Strenggenommen kann man nicht denken, ehe man Gesten macht.“ (a.a.O., S. 38 f.)

Das Verständnis des Begriffs, der sich vom lateinischen gestae (wörtlich: Taten) herleitet, entwickelt Flusser in mehreren Schritten. Zu Beginn definiert er Gesten als „Bewegungen des Körpers, die eine Intention ausdrücken“. S. 7)

Es handle sich um willentliche Bewegungen,

(a.a.O., S. 235)

(a.a.O.,

für die es keine

kausale Erklärung gebe, denn kausale Erklärungen träfen nicht das Wesen einer Geste: „Warum rauchen manche Menschen Pfeife?“ Der Unterschied zwischen Ursache und Motiv, zwischen bedingter Bewegung und Geste mache, dass kausale Erklärungen, so richtig sie sein mögen, am Gemeinten der Frage vorbeigehen.

(a.a.O., S. 161)

Die Geste sei eine symbolische Bewegung,

die Bedeutung artikuliere und ausdrücke. Durch das stimmungshafte Gebärdenspiel, die „symbolische Darstellung von Stimmungen in Gesten“ versuche der Mensch, seinem Leben und der Welt, in der er lebt, Bedeutung zu verleihen.

(a.a.O., S. 8 -12)

Kunstwerke seien somit als „erstarrte Gesten“ zu betrachten.

Die in einer Geste dargestellte

Stimmung könne indes wahr, aber auch unwahr sein. Um den Wahrheitsgehalt von Gesten zu beurteilen, seien diese nicht etwa nach ethischen oder epistemologischen, sondern nach ästhetischen Kriterien zu bewerten: Die Frage sei nicht, ob eine Geste unmittelbar Wahrheit oder Lüge darstelle, sondern inwieweit es sich bei einer Darstel­ lung um Wahrheit oder Kitsch handele.

Foto während der Dreharbeiten zum Film Designing Truth von Hinrich Sachs. Foto: Ralf C. Stradtmann, 2005

Dies entscheide sich daran, in welchem Maße die dargestellte Stimmung den Betrachter zu berühren vermag. Solange wir über keine Theorie der Interpretation von Gesten verfügten, gäbe es keine Möglichkeit dies allge-

141

meingültig zu beurteilen, es gelte deshalb weiterhin: de gustibus non est dispu-

tandum, über Geschmack lässt sich nicht streiten; was der eine Beobachter als Kitsch empfinde, könne durchaus für den anderen wahre Gestimmtheit sein.

(a.a.O., S. 12 ff.)

Auf Grund dieser Unentscheidbarkeit definiert Flusser

die Geste letztlich als „eine Bewegung, durch die sich eine Freiheit ausdrückt, um

den Gestikulierenden vor anderen zu enthüllen oder zu verhüllen“. (a.a.O., S. 220 f.) Als „freie“ Bewegung verstanden sei die Geste „ein Griff aus der Gegen­ wart in die Zukunft“ und somit erst aus ihrer Bedeutung, ihrer Zukunft zufriedenstellend erklärbar. Ihre Analyse müsse daher eine Bedeutungs­ analyse, eine Entzifferung eines Enigmas, eines Rätsels sein. Probleme analysiere man, um sie durchschaubar zu machen und sie so aus dem Weg zu räumen. Enigmen analysiere man hingegen, um immer tiefer in sie einzudringen, um sie immer reicher erfahren zu können.

(a.a.O., S. 90 f.)

Für eine Analyse des Entwerfens ist diese Unterscheidung fundamental. Flusser demonstriert sie am Beispiel der Geste des Malens. Eine Analyse des Malens richte sich nicht von außen auf diese Geste, sondern werde selbst zu einem Element der zu analysierenden Geste. Und schon an der Geste des Malens selbst könne man eine Bedeutungsebene beobachten, auf welcher sie sich selbst kritisch analysiert. Die Geste des Malens sei damit

„nicht nur ein Griff aus der Gegenwart in die Zukunft, sondern auch ein Vorweg­ nehmen der Zukunft in die Gegenwart hinein und deren Rückentwurf in die Zukunft: eine ständige Kontrolle und Reformierung ihrer eigenen Bedeutung“. (a.a.O., S. 92)

Die Beobachtung einer solchen Geste erlaube daher, das konkrete Phänomen der Freiheit zu sehen: „Bedeutung haben“, „Bedeutung geben“, „die Welt verändern“ und „für den anderen da sein“ seien Formulierungen, die den gleichen Umstand zum Ausdruck bringen: frei zu sein, wirklich zu leben.

(a.a.O., S. 98)

Wie nah verwandt das Gestikulieren darin dem Entwerfen

ist, machen Sätze wie dieser deutlich:

„Die Geste des Malens als Bewegung des Deutens ist nicht selbst ,Arbeit‘, sondern der Entwurf der Arbeit. Und doch zielt die Bewegung des Deutens auf ein Ver­ändern der Welt und hat es zur Folge.“ (a.a.O., S. 97)

Auch alles Entwerfen wird durch Gesten ausdrückt und artikuliert. Deshalb kann Flussers Untersuchung der Gesten als ein Beitrag zur Grundlagen­ forschung über das Entwerfens gelesen werden. Auch für das Entwerfen gilt,

142

dass es sich wie jede Geste der unmittelbar wissenschaftlich verstandenen Kausalität entzieht. Trotzdem hält Flusser es für möglich und wünschenswert eine Theorie des Entwerfens zu formulieren. In Anlehnung an seine Darlegungen lässt sich sagen: Wir entwerfen ohne eine Theorie des Ent­ werfens zu besitzen, ja ohne den Mangel einer solchen Theorie zu empfinden, denn unser implizites Handlungswissen genügt den Anforderungen der Praxis. Doch eine solche Theorie würde uns erlauben „aus der Geste des Entwerfens herauszutreten“, unser Entwerfen bewusst zu machen und daraufhin unser Verhalten zu verändern. Ein solche Theorie würde keine direkten kausalen Zusammenhänge erklären wollen, sondern entwurfliche Gesten und die Werkzeuge, mit deren Hilfe sie ausgeführt werden, beschreiben und interpretieren. Sie wäre eine instrumentelle, an den Werkzeugen orientierte Theorie, die keine Regeln und Normen formuliert, sondern Optionen beschreibt. Ihr Ziel wäre es, die möglichen, oft versteckten Bedeutungszusammenhänge aufzudecken, die den Wert einer mit bestimmen Werkzeugen ausgeführten Geste bestimmen. Sie würde helfen zu erkennen, von welchen Faktoren der Wert und die Bedeutung entwurflicher Handlungen beeinflusst wird, und damit ein Instrument der Orientie­rung bilden, das eine andere, bewusstere Art des Entwerfens ermöglicht. VON GESTEN AUSGEHEND

In seinen Vermischten Bemerkungen spricht der Philosoph (und Architekt) Ludwig Wittgenstein vom „Eindruck guter Architektur, dass sie einen Gedanken

ausdrückt“. Und ergänzt: „Architektur ist eine Geste. Nicht jede zweckmäßige Bewegung des menschlichen Körpers ist eine Geste. So wenig wie jedes zweckmäßige Gebäude Architektur.“ (Wittgenstein 1977, S. 481, S. 510)

Wie aber kommt

ein Gedanke in der Architektur zum Aus­­­­ druck? Und inwiefern können wir Gesten, oder die Kulturtechnik des Gesti­kulierens, als Werkzeug des Entwerfens nutzen?

Gesten als Bewegung des Ausdrucks: die Violinistin Julia von Hasselbach. Foto: Christian Pieper, 2006

Gesten im Sinne körperlicher Bewe­gungen, die etwas ausdrücken sollen, liegen allem Entwerfen zugrunde. Alltägliche wie entwurfliche Gesten erfüllen jeweils einen gewissen Zweck, weisen aber in der Art und Weise, wie sie

143

das tun, über diesen hinaus. Dieses Andere, das schon alltägliche Gesten darstellen wollen, ist eng verwandt mit dem, was wir Entwurf nennen. Etwas Konkretes, ein Handschlag, eine Zeichnung, verweist auf etwas in Zukunft noch zu Erfüllendes: ein Versprechen, ein neues Gebäude. Das deutsche Synonym für gestus ist Gebärde, auf das althochdeutsche giberan zurückgehend, das sowohl gebären als auch hervorbringen bedeutet.

(Wahrig 1986, S. 522)

Die Vorstellung des Schöpferischen ist von daher in diesem Begriff immer schon mit enthalten. Wie eng Geste mit Sprache verwandt ist, zeigen die aus Gesten hervorgegangenen Gebärdensprachen. Im Unterschied zur rein instrumentellen Handlung, bei der es nicht auf die Form, sondern lediglich auf die Erfüllung eines profanen Zwecks ankommt (etwa einen Stein bearbeiten), und zum Ritual, bei dem es wesentlich um die formal korrekte Ausführung sinnstiftender Handlungen geht (zum Beispiel jemanden taufen), kommt in der Geste dezidiert die sie ausführende Person in ihrer momentanen Stimmung und Haltung zum Ausdruck. Was macht eine Geste, einen Entwurf so überzeugend, dass die darin enthaltene Vorstellung zukünftig verwirklicht werden kann? In jeder Geste, sei es die beiläufig-kommunizierende des Alltags, die theatralische des Schau­ spielers, die Form und Bedeutung suchende des Entwerfers oder die architektonische Geste, die in einem Bauwerk zum Ausdruck kommt, überlagern sich vielfältige Bedeutungsebenen, die untereinander in mehr oder weniger spannungsreicher Beziehung stehen. Die Intentionen des Gestikulierenden (1) überlagern sich mit den tatsächlich zum Ausdruck gebrachten Vor­ stellungen (2) und mit der Art und Weise ihrer Formgebung (3), die wiederum in Bezug zu den Konventionen gelesen werden (4). Jede Geste transportiert eine auf einen zukünftigen Zustand verweisende Bedeutung (5), die in der Regel von dem Betrachter in Zweifel gezogen wird (6), an den die Geste adressiert ist. Der zeitliche (7) und räumliche (8) Kontext bilden einen weiteren Rahmen, innerhalb dessen die Geste als angemessen oder unangemessen gelesen wird. Die Beziehungen dieser acht Ebenen untereinander bilden als Ganzes eine Bedeutungsebene, die den Ausschlag gibt für die Wahr­nehmung ihrer Stimmigkeit oder Widersprüchlichkeit. Gelungen ist eine Geste, wenn das

zum Ausdruck Gebrachte vom Betrachter nicht nur richtig verstanden, sondern auch als glaubwürdig angenommen wird. Im Verhältnis zu den Ausdrucksbewe­gun­gen des ganzen Körpers ist die

144

einzelne Geste bereits eine Abstraktion. Gerade zu Beginn eines Entwurfs­ prozesses, wenn es darum geht, einen Entwurfsansatz aus den spezifischen Gegebenheiten eines Ortes zu entwickeln, ist das körperliche Erleben einer Situation wichtig. Erst die Sinne und Bewe­gungen des Körpers machen räumliche Erfahrung in all ihrer Komplexität möglich. Indem wir die Bewe­gungen, die Empfindungen und Reaktionen des Körpers auf einen Raum oder Ort beobachten, wird der Körper mit seinen Sinnen zu einem Instru­ment der Wahrnehmung. Zu einem Werkzeug des Ausdrucks wird er, wenn wir aus der Überlagerung unzähliger Sinnesein­ drücke die bedeutsamen herausspüren und daraus Bewegungen ableiten. Eine ursprüngliche Form des Entwerfens ist es, vor Ort aus den eigenen Bewegungen eine Entwurfsidee zu entwickeln, sozusagen beim Gehen im natürlichen Maßstab zu arbeiten. Dieses Verfahren ist in antiken Stadt­ gründungsritualen ebenso präsent wie in heutigen Ortsbegehungen. Das Entwerfen wird in diesem Zusammenhang zum Projizieren körperlicher Raumempfindungen auf einen gegebenen Ort. Wenn Le Corbusier die promenade architecturale zum Thema eines Entwurfs macht, dann entwickelt er seine Raumvorstellung aus den Bewegungsabläufen, die das Gebäude seinen Benutzern anbietet. Indem er körperliche Bewegungen in Raum- und Architekturvorstellungen überträgt, überwindet er eine statische, objektbezogene Auffassung von Architektur. Der Schweizer Gestalter Peter Jenny demonstrierte mit seinen Übungen an der ETH Zürich, welch unerschöpfliches Formenrepertoire allein die Hände und der Raum zwischen den beiden Händen enthalten. „Wir greifen förmlich

in einen Skizzenblock, der voller visueller Funde ist.“

(Jenny 1996, S. 39)

Aber Gesten

und Körperbewegungen sind noch kein ausgearbeiteter Entwurf. Ob es sich bei den Bewegungen, die unmittelbar zur Herstellung eines Gegenstandes eingesetzt werden, um rein instrumentelle Vorgänge oder um Gesten handelt, entscheidet sich an der Frage, ob sie eine über den bloßen Zweck hinausgehende Bedeutung transportieren. Münden sie direkt in die Gestal­ tung eines Gegenstandes, wie es in einigen Bereichen des Handwerks und der Kunst geschieht, sind Entwurf und Herstellung identisch. Anders verhält es sich, wenn die Bewegungen einen später oder von anderen herzu-

36 Gesten. Fotos: Axel Buether, 2004–2005

Digital 3D-aufgezeichnete Gesten werden zu Möbeln. Sofia Lagerkvist und Anna Lindgren vom schwedischen Designbüro Front beim Entwerfen der Serie Sketch Furniture, © Front 2020

stellenden Gegenstand vorgreifend in vereinfachter Form darstellen. Durch die zunächst eher spontanen und intuitiven Versuche wird er zum ersten Mal wahrnehmbar, für den Ausführenden ebenso wie für jene, die ihn beobachten. Die Verlagerung innerer Vorstellungen nach außen zwingt dazu, das Erdachte zu artikulieren, und macht es dadurch auf eine neue, andere Weise bewusst. Sie ermöglicht eine Distanzierung und kritische Diskussion und beginnt damit den Kreislauf des Entwerfens. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Jäkel, Angelika (2013): Gestik des Raumes. Zur leiblichen Kommunikation zwischen Benutzer und Raum in der Architektur. (Dissertation), Tübingen-Berlin: Wasmuth, 2013 Hummels, Caroline (2000): Gestural design tools: prototypes, experiments and scenarios. (Dissertation), Almelo: Eigen beheer [Selfpub.], 2000, https://www.researchgate.net/ publication/254907643_Gestural_design_tools_Prototypes_experiments_and_scenarios Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 378.

Skizze Die Idee entsteht zwischen Stift und Papier. 147

Gertrude Stein (nach Bergejik 1998, S. 49)

In ihrem Ursprung ist die Skizze nichts anderes als eine abstrahierte und fixierte Geste. Sowohl die zeitliche als auch die räumliche Dimension des Bewegungsablaufs müssen dabei in eine zweidimensionale Ebene, in Punkte, Linien und Flächen übersetzt werden. Ein Stift und ein Blatt Papier ermöglichen es, „mit schnell hingeworfenen Gesten“ innere Bilder, von denen die meisten nach wenigen Minuten wieder vergessen wären, dem Entwerfenden selbst oder einem zweiten Betrachter zu präsentieren und sie zur Erinnerung festzuhalten. Die unmittelbare Nähe zum Gedanken machen Skizzen, seien sie bildhafter oder verbaler Art, für das Entwerfen besonders wertvoll. Doch nicht nur dies: Die Verlagerung des inneren Bildes nach außen in einen „erweiterten Arbeitsspeicher“ lässt dieses Bild zu einem Objekt werden, von dem man sich wiederum distanzieren kann um es „objektiv“ zu betrachten, zu prüfen und zu kritisieren und in der Folge weiter zu bearbeiten. Was unterscheidet die Skizze von der Zeichnung? Der Oberbegriff Zeichnung wird für alle zweidimensionalen, vorwiegend aus Linien bestehenden Darstellungen verwendet, seien es Skizzen, Entwurfs-, oder Werk­zeichnungen, Perspek­­ tiven oder andere grafische Darstellungen. (Koschatzky 1977, S. 304 ff.)

Die Abgrenzung des

Begriffs Skizze ist unscharf, er bezeichnet ein weites Spektrum grafischer Ausdrucksmög­­ lich­keiten, das von der schnellen Notiz bis zur anspruchsvollen künstlerischen Zeich­­ nung reicht. So wird die mit der freien Hand ausgeführte Skizze, wenn ihr Format etwas größer ist, von bildenden Künstlern bereits Zeichnung genannt, während Architekten in der Regel unterscheiden zwischen der geometrisch präzisen, mit Zirkel, Lineal und Dreieck (bzw. mit Computer und Plotter) hergestellten, meist großformatigen Planoder Entwurfszeichnung und der kleinen,

Tobias Hammel: Skizze zu House of Yagaah III, Bleistift, schwarzer Filzstift auf Karton, 29 x 23,5 cm

ungenauen, schnellen und mit freier Hand ausgeführten Skizze. So unschein­­ bar und beiläufig das Skizzieren oft wirken mag, ist es für viele Entwerfende doch das wichtigste Werkzeug. Architekten wie Norman Foster oder Álvaro

148

Siza füllen im Laufe ihres Lebens Hunderte von Skizzen­büchern oder -heften mit „persönlichen Notierungen und Kritzeleien“,

(Foster 1993, S. 5)

in denen sie ihre

Ideen artikulieren, während das Ausarbeiten genauer Zeichnungen, Modelle und Berechnungen den Mitarbeitern oder Spezialisten überlassen bleibt. Die Skizze ist das intime, vor den Augen einer kritischen Öffentlichkeit weitgehend verborgene Medium, in welchem Entwurfsideen – zunächst ungeschönt und ungeschützt – entwickelt und der nächsten Umgebung mitgeteilt werden. Dies gilt für alle Phasen des Ent­wurfsprozesses. Skizzen entstehen während der ersten Gespräche mit den Bauherren, bei Orts­ begehungen, als Reaktion auf bereits genauer ausgearbeitete Entwürfe oder im Dialog mit Ingenieuren und Unternehmern direkt auf der Baustelle. PERGAMENT UND PAPIER

Skizzen können auf jede zufällig vorhandene, einigermaßen ebene Fläche mit einem spitzen Gegenstand aufgezeichnet oder eingeritzt werden. Die Schnelligkeit und Leichtigkeit dieser Geste – der Begriff ist aus dem italienischen schizzo wörtlich zu übersetzen mit „Spritzer“

(Wahrig 1986, S. 1186)



erfordert Materialien, die sowohl verfügbar als auch genügend dauerhaft sind. Das Fehlen von billigen und zugleich haltbaren Zeichenflächen mag ein Grund dafür sein, dass aus der Zeit vor der Renaissance so gut wie keine Skizzen überliefert sind. Eine berühmte Ausnahme ist das in der französischen Nationalbibliothek aufbewahrte Bauhüttenbuch des Villard de Honnecourt aus den 13. Jahr­ hundert. Mit Tinte auf wertvolles Pergament gezeichnet, enthält es auf 33 beidseitig benutzen Blättern 325 einzelne Skizzen, die oft mit kurzen Erläuterungen versehen sind. Dabei handelt es sich vor allem um Ansichten und Grundrisse nach bestehenden Gebäuden, figürliche und ornamentale Darstellungen, aber auch Entwurfsskizzen und bautechnische Zeichnungen. (Hahnloser 1935, Binding 1993)

Freie Entwurfsskizzen sind uns in größerem Umfang erst aus Zeiten überliefert, in denen mit dem Papier ein kostengünstiges und haltbares Material verfügbar wurde. Inwieweit die qualitative Veränderung des entwurflichen Denkens in der Renaissance durch das Aufkommen neuer Zeichen­materia­

lien bedingt war, bliebe zu untersuchen. Vergleicht man die Skizzen eines Leonardo da Vinci oder eines Michelangelo mit den Handzeichnungen des Mittelalters, fällt nicht nur die Genauigkeit der Darstellung auf, die auch die Miniaturen und Buchmalereien des Mittelalters auszeichnet, sondern eine neue Freiheit und Offenheit des Denkens. Die Sehweise hat sich grundlegend verändert. Während unserem von Perspektive und Fotografie verwöhnten Blick die mittelalterli­ che Zeichenweise zuweilen flach und formelhaft erscheint, beeindruckt noch heute die anschauliche Klarheit dieser Zeichnungen. Das Zeichnen und Skizzieren dient nun dem Erforschen der Wirklichkeit, dem Erproben neuer Vorstellungen, der genauen Darstel­ lung von Proportionen, Details und räumlichen Zusammenhängen. Die grundlegende Bedeutung des Zeichnens und Skizzierens als Entwurfswerkzeug erläutert Michelangelo in einem Gespräch mit dem portugiesischen Maler und Schriftsteller Francesco de Hollanda. Seine Worte lassen spüren, wie begeistert die Entwerfer seiner Zeit von den neuen Möglichkeiten waren und auch die enge Verbindung von Wissenschaft und Blatt 29 aus dem Bauhüttenbuch des Villard de Honnecourt, 13. Jahrhundert. Paris, Bibliothèque Nationale

Kunst scheint deutlich in ihnen auf:

„Das Zeichnen, das man mit anderen Worten auch Entwerfen nennt, ist Quelle und Inbegriff der Malerei, der Bildhauerei, der Baukunst und jeder anderen Art des Malens. Es ist die Wurzel jeder Wissenschaft. Wer diese große Kunst beherrscht, möge erkennen, dass ihm eine unvergleichliche Macht untertan ist. Er wird Gestalten schaffen können, die größer sind als irgendein Turm dieser Welt.“ (nach de Hollanda 1550, S. 59)

Das schnelle Andeuten formaler Zusammenhänge, die Fragment bleiben, sobald dem Zeichner etwas Neues einfällt; das suchende Variieren von Ideen; der rasche Wechsel der Darstellungsformen und des Zeichengeräts

151

ebenso wie das Vernachlässigen der ästhetischen Wirkung eines Blattes unterscheiden das entwerfende vom künstlerischen Skizzieren. Unbedarfte Betrachter empfinden solche Skizzenblätter oft als ungekonnt und unprofessionell, was durchaus eine befreiende Wirkung haben kann. So berichtet Erich Mendelsohn, er habe als junger Student

„in Rom die Skizzenbücher von Michelangelo durchgeblättert: Pilaster, Kapitelle und was noch so dazugehört: alles Krakeleien. Das war mir eine Offenbarung. […] Was Michelangelo kann, das kann ich auch.“ (nach Posener 2004, S. 364) Aufgrund ihrer weitgehenden Unbestimmtheit sind Skizzen für Außen­ stehende zunächst vollkommen bedeutungslos. Gerade ihre grundsätzliche Beliebigkeit erfordert, dass die einzelnen Entwerfer in ihrem persönlichen Gebrauch dieses Werkzeugs eine hohe Disziplin und besondere Fähigkeiten entwickeln. Zur mitteilbaren Kulturtechnik wird das Skizzieren erst, wenn es bewusst als Werkzeug des Entwerfens eingesetzt wird; wenn der hohe Frei­ heitsgrad durch eine persönliche Wahl der Ausdrucksmittel so begrenzt wird, dass auch für Dritte nicht nur eine persönliche Handschrift, sondern ein reflektierter Umgang, ein individueller Ausdruck und letztlich ein eigenes Denken erkennbar wird. Dazu bedarf es der Fähigkeit, die eigenen Skizzen zu lesen und ihre verschiedenen Bedeutungsebenen zu dekodieren. Eine Paradoxie dieses Werkzeugs besteht darin, dass es, um als Ausdrucks­ mittel brauchbar zu sein, einer gewissen Hemmungslosigkeit bedarf, aber um als persönlicher Ausdruck erkennbar zu werden, Übung und Disziplin erfordert. KREATIVE UNSCHÄRFE

Schnell, ungenau, offen und unmittelbar zu sein sind wichtigsten Eigen­ schaften dieses Entwurfswerkzeugs. Sie bedingen sich gegenseitig. Ein flüchtiger Gedanke lässt beim Skizzieren sich direkt, ohne weitere Hilfsmittel aufzeichnen. Oft ist das Skizzieren der erste Schritt zur Materialisierung einer Idee. Weil die benutzten Mittel einfach sind, kann dies schnell geschehen, das Ergebnis ist im Vergleich zu anderen Darstellungen jedoch weniger genau. Zu Beginn des Entwurfsprozesses ermöglicht eine gewisse Unschärfe,

Entwurfsskizzen von Michelangelo, ca. 1525. Florenz, Casa Buonarroti, 92 A (recto)

Vorstellungen probeweise zu artikulieren, ohne dass eine genaue Lösung schon bekannt sein müsste. Dieser Hang zur Ungenauigkeit wird Entwerfern oft als pauschales und unpräzises Denken vorgeworfen. Für das Entwerfen

152

aber ist sie unerlässlich. „In unscharfen Skizzen“, erklärt Günter Behnisch,

„schlagen sich auch Gedanken nieder, deren wir uns noch nicht bewusst waren“. (Behnisch 1987, S. 40)

Gerade in der Ambivalenz der Darstellung öffnet sich

Raum für Imagination. Behnisch berichtet von

„scheinbaren Schmuddelskizzen, die unscharf waren, in denen man […] plötzlich Dinge durchscheinen sah durch mehrere Lagen transparenten Papiers […] die man nicht gezeichnet hatte, die einfach so entstanden sind“ (Behnisch 1996, S. 29) Die Fähigkeit des Wahrnehmungsapparats, aus wenigen Andeutungen ein informationsreiches Bild zu erzeugen, ist ein Automatismus subjektiver Kreativität. Er wird unter anderem von jenen Skizzen ausgelöst, die mit wenigen Strichen etwas andeuten. Die Schnelligkeit der Skizze erlaubt es, mit großer Beweglichkeit zwischen den Darstellungsarten zu wechseln und sie frei zu kombinieren. Die Dar­stellungsweisen aller anderen Entwurfswerk­ zeuge können skizzenhaft, das heißt schnell, ungenau andeutend und in einfacher, verkleinerter Form angewandt werden. Grundriss, Ansicht und Schnitt als flüchtiges Ausprobieren von Varianten, daneben die obsessive Beschäftigung mit einem Detail; Axonometrien, die als Nachzeichnung eines Modells entstehen oder Per­spektiven, welche die Beziehung des eigenen Körpers im Verhältnis zu einem bestimmten Raum untersuchen. Dies kann im Gespräch der raschen Veran­schaulichung dienen, skizzenhafte Texte und Berechnungen mit einschließen. Die Skizze wird damit zu einem besonderen Entwurfswerkzeug, das auf einer Meta-Ebene alle anderen in sich enthält. Komplexität entsteht bei diesem Werkzeug durch Unschärfe, Überlagerung, durch das Herstellen von Zusammenhängen, Varianten und Skizzenfolgen, durch Andeutungen und atmosphärische Verdichtung. Damit ist die Skizze ein exzellentes Mittel zu Entwicklung der Vorstellungskraft. Ihre Beweg­ lichkeit ermöglicht schnelle Erfolgserlebnisse und hilft den spielerischen Umgang mit Formen, insbesondere das räumliche Denken zu trainieren. Wie jedes Entwurfswerkzeug kann die Skizze sowohl deskriptiv zur Beschreibung von etwas Gegebenem, als auch präskriptiv zur Darstellung von etwas Neuem verwendet werden. Den beiden komplementären Modi entwurflichen Denkens entspricht das Wechsel­spiel von Wahrnehmung und Ausdruck.

Entwurfsskizze Wohnungsbau Schilderwijk West, Den Haag, Varianten A, B, C, Álvaro Siza, Einzelblatt 1985

Wie beeinflusst das Skizzieren die eigene Wahrnehmung? Es lenkt und intensiviert sie, besonders wenn es um das Abbilden gegebener Formen oder Räume geht. Das deskriptive, aneignende Skizzieren zwingt dazu, einen Gegenstand oder eine räumliche Situation nicht nur als globalen Eindruck aufzunehmen – zumal dieser großenteils durch vorgeprägte Erinnerungs­ bilder und weniger durch aktuelle Sinneseindrücke zustande kommt – sondern Detail für Detail so genau zu lesen, dass wir sie zeichnerisch wiedergeben können. So wie es unsere Aufmerksamkeit erhöht, wenn wir bei einem Vortrag mitschreiben, schärft das Skizzieren unseren Blick, wenn wir eine räumliche Situation beobachten. Damit wird das Skizzieren zu einem

Wahrnehmungs-Training besonderer Art. Die Einfachheit des Werkzeugs zwingt zur Reduktion auf das Wesentliche. Auf einer zweiten Betrachtungs­ ebene lenkt es die Aufmerksamkeit auf das, was nicht dargestellt oder nicht

155

darstellbar ist, auf die Auslassungen und die Art und Weise, wie sie das Gegebene abstrahieren, auf absichtliche „Fehler“ und Verzerrungen. Das aneignende wie das entwerfende Skizzieren verlangen eine räumliche Vorstellung oder einen räumlichen Eindruck in einen zweidimensionalen zu übersetzen und damit einen Abstraktionsprozess bewusst oder auch unbewusst zu vollziehen, den ein Fotoapparat automatisch erledigen würde. Dieses Übersetzen kann auf verschiedene Weise geschehen. Die zeitliche Dimension kann zur Bewegung einer Linie werden, ist als Überlagerung oder als Folge einzelner Skizzen darstellbar. Die räumliche Dimension kann ebenfalls als Überlagerung einzelner Formen, als Kombination von Grund­ rissen, Ansichten und Schnitten, als Isometrie oder Perspektive dargestellt werden. Während das entwerfende Skizzieren Schnelligkeit und Beweglichkeit ermöglicht, bewirkt das aneignende Skizzieren eine Verlangsamung und Intensivierung der Wahrnehmungsprozesse. Wird es bewusst als Mittel der Beobachtung eingesetzt, eröffnet es Zeiträume, in denen Wahrnehmung nicht nur als Reproduktion des Bekannten, sondern als kreativer Prozess möglich wird. Indem wir bislang unerkannte Strukturen, neue Formen, unerwartete Zusammenhänge identifizieren, wird aus passivem Aufnehmen ein aktives, schöpferisches Beobachten. Was zeigt sich uns beim Zeichen, beim Betrachten unserer Skizzen? VISUELL-RÄUMLICHES DENKEN

Am Beispiel des Skizzierens wird deutlich, wie wenig das entwurfliche Denken auf Sprache oder Begriffe angewiesen ist, wenn es um die Ent­ wicklung von Formen geht. In einem vielzitierten Text aus dem Jahr 1947 beschreibt Alvar Aalto seine Herangehensweise beim Entwerfen als ein bewusstes Wechseln vom logisch-verbalem zum intuitiv-bildhaften Denken. Zunächst beschäftige er sich intensiv mit den zahlreichen, oft widersprüchlichen Anforderungen der Entwurfsaufgabe, um dann Abstand zu nehmen und malend oder skizzierend in einem anderen Denkmodus eine Lösung zu finden:

Entwurfsskizze Neubau der Fakultät für Architektur der Universität Porto (FAUP), Aufsicht auf die verschiedenen Baukörper, Álvaro Siza, Sizzenheft 252, Juni 1987

„Sobald das Gefühl für die Aufgabenstellung mit ihren zahllosen Anforderungen in mein Unterbewusstsein abgesunken ist, vergesse ich das ganze Labyrinth der Prob­leme für eine Weile. Dann wechsle ich zu einer Arbeitsmethode, die abstrakter Kunst sehr ähnlich ist. Ich zeichne einfach instinktiv, keine architektonischen Synthesen, sondern etwas, das manchmal wie kindliche Kompositionen aussieht. Auf einer abstrakten Basis nimmt die tragende Idee so schrittweise Form an, eine Art universeller Substanz, die mir hilft, die zahlreichen widersprüchlichen Anforde­ rungen miteinander in Harmonie zu bringen.“ (Aalto 1947, nach Schildt 1998, S. 108) Fast analog zu der von Aalto beschriebenen Vorgehensweise spricht der Psychologe Edward de Bono in seinem Buch Lateral Thinking (1970) von zwei unterschiedlichen Denkstrukturen des menschlichen Gehirns, die sich komplementär ergänzen. Ausgehend von einer Analyse vorherrschender Wahrnehmungsprozesse identifiziert er ein in der westlichen Kultur dominierendes logisch-analytisches („vertikales“) Denken, dem ein intuitiv-gestalterisches („laterales“) Denken gegenübersteht. Letzteres sei insbesondere für das Generieren von Ideen und für das Problemlösen geeignet. Das entwerfende Skizzieren stellt de Bono als eine Technik dar, die das intuitive und generative („laterale“) Denken in besonderem Maße anregt und unterstützt. (De Bono 1970, S. 100 ff., S. 246 ff.)

Erkenntnisse der Hirnforschung

(z. B. Sperry 1968, 1973, Eccles 1973, Damásio 1994)

bestätigen de Bonos Ansatz. In den beiden Hemisphären des menschlichen Gehirns herrschen unterschiedliche Denkmuster vor, die sich komplementär ergänzen. Die linke Hemisphäre ist zuständig für Sprache und Zeit, in ihr dominieren lineare, sukzessive, logisch-analytische, rationale Denkprozesse. Die rechte Hemisphäre ist zuständig für das Räumliche und Visuelle, hier dominieren nichtlineare, simultane, intuitiv-synthetische, emotionale Denk­ vorgänge.

(Edwards 1999, S. 56 ff.)

Pointiert gesagt, denkt die linke Hemisphäre

nach einer verbalen, die rechte nach einer visuellen Logik, oder in Aichers Begriffen: nach einer digitalen und nach einer analogen. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend wurde eine Reihe von Lehr­metho­den entwickelt, die auf dem gezielten Einsatz der unterschiedlichen Denk­strukturen der beiden Hemisphären basieren. Die Zeichenlehrerin Betty Edwards schlägt vor, bestimmte Formen des Skizzierens einzusetzen, um vom sprachlich-rationalen in den visuell-emotionalen Denkmodus zu wechseln. Sie beschreibt Übungen wie das freihändige, spiegelverkehrte Nach­zeichnen von Gesichts­

profilen oder von auf dem Kopf stehenden Portraits. Durch solche Skizzier­ übungen werde die normalerweise dominante linke Hemisphäre systematisch unterfordert, damit die andere ihre räumlich-visuellen Fähigkeiten voll

157

entfalten könne.

(Edwards 1999, S. 80 ff.)

Aus unterschiedlichen Gründen gelangen Aalto, de Bono und Edwards zu ähnlichen Erkenntnissen. Das Skizzieren ist für alle ein bevorzugtes Mittel, um bewusst vom verbal-logischen in den visuell-räumlichen Denkmodus zu wechseln. In den vergangenen Jahren erschienen zahlreiche Publikationen mit Entwurfs- und Reiseskizzen bekannter Architekten, die es erlauben, den Autoren beim Entwerfen über die Schulter zu schauen (siehe Bibliografie). Da meist nur ästhetisch gelungene Skizzen veröffentlicht werden, zeichnen diese Kompendien ein idealisiertes Bild, das anderen Entwerfenden nur bedingt als Beispiel dienen kann. Die zahllosen unscheinbaren, suchenden, nur halb überzeugenden, die missglückten und verworfenen Skizzen, die doch in vielen Fällen das Gros der täglichen Arbeit ausmachen, werden nur selten abgedruckt. Dies gilt auch für den Mythos der „ersten Skizze“, der in aller Regel zahlreiche „Vorskizzen“ vorangehen. Erich Mendelsohn, der seinen „ersten Skizzen“ besondere Bedeutung zumaß, hat viele Varianten geprüft, bevor er sich festlegte, er unterschied zwischen „Vorskizzen“ und der „ersten Entwurfsskizze“.

(Mendelsohn 1930, S. 150)

Hans Scharouns berühmte

„Urkizze“ der Berliner Philharmonie entstand nach einer dreiwöchigen Klau­ sur; auch sie war alles andere als eine „erste Skizze“.

(Wisniewski 1993, S. 10 f.)

Im Hinblick auf Dritte helfen Skizzen, deren Wahrnehmung auf bestimmte Aspekte eines Entwurfs zu lenken. Architektur nehmen wir nicht nur wahr als das, was sie ist, sondern auch als das, was sie der Intention ihrer Autoren nach sein soll. Selbst wenn der Unterschied so groß ist wie zwischen Aldo Rossis atmosphärischen Skizzen und der Eindeutigkeit seiner realisierten Bauten, haben diese sehr wohl die Kraft, der schlichten Realität des konkret Gebauten eine ganz andere, weitreichende Bedeutung zuzuweisen. Sie veranschaulichen in diesem Fall eine poetische, nicht realisierte Uto­ pie, die damit Bestandteil der kulturellen Dimension dieser Architektur wird. Versuche zur Digitalisierung dieses Entwurfswerkzeugs bleiben unbefriedigend. Die üblichen Zeichenprogramme sind zu präzise und dadurch zu langsam und informationsarm. Hochauflösende, mit Flachbildschirmen hinterlegte Grafiktabletts, die auch auf den Druck des Stifts reagieren, sind eine

digitale Form des Skizzenpapiers. Sie erlauben eine präzisere und schnellere Eingabe als mit Maus und Tastatur. In Verbindung mit Zeichen- und Bild­ bearbeitungsprogrammen sind sie wirkungsvolle Werkzeuge, allerdings um

158

einiges kostspieliger als Stift und Papier. Die Schlichtheit und Unmittel­bar­ keit von Handskizzen auf Papier geht freilich durch die digitale Vermitt­lung verloren. Spezialisierte Skizzier-Programme, die eine Auswahl „persönlicher“ Handschriften per Menü anbieten, simulieren nur, was eine Hand­skizze wirk­lich leistet. Die Schnelligkeit einer skizzenhaften Darstellung kann hingegen auf vielfache Weise – Fotos, Fotomontage, Modellskizze als 3D-Dar­ stellung – digital erzeugt werden. In der alltäglichen Praxis erweist sich die Skizze auch weiterhin, besonders in Kombination mit dem nachfolgend beschriebenen Werkzeug der Sprache, als ein sehr effektives Werkzeug, das in Gesprächen mit Auftraggebern, Kolleginnen und Bauausführenden entstehende Ideen schnell verdeutlicht. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Jones, Will (2011): The Architect’s Sketchbook. London: Thames & Hudson, 2011 Serrazanetti Francesca; Schubert, Matteo (Hg.): Inspiration and Process in Architecture. (Buchreihe), Milano: Moleskine SpA, 2012 Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 379.

Sprache Er sagte diesen unförmigen Haufen von Steinen und Balken, die um uns herum lagen, ihre gestaltete Zukunft voraus. Paul Valéry (1921, S. 45) Das gesprochene Wort als erste Materialisierung innerer Vorstellungen ist sicherlich das ephemerste aller Entwurfswerkzeuge. Es ist dem flüchtigen Gedanken näher noch als die körperliche Geste und deren primäre Auf­ zeichnung, die Skizze. Entwurfsgedanken sind in der Sprache jedoch nicht in Formen kodifiziert, sondern in den Lauten der Stimme, in Worten und Sätzen. Als Entwurfswerkzeug operiert die Sprache somit auf einer anderen Abstraktionsebene als die Skizze. Der logos unterstützt das logische Den­ken, Rationalität und Kalkulation, die soziale Vermittlung, das Zu­schreiben von Bedeutung, Theorie und Kritik. Die Entstehung der Sprache aus Gebärden und Atemlauten zählt Vitruv zu den historischen Vorraussetzungen für die Entwicklung der Baukunst. (Vitruv, II 1, 1)

Sprache gilt ihm in zweierlei Hinsicht als eine Grundlage der

Architektur: Durch das Sprechen habe sich die Gesellschaft, die baut und für die gebaut werden kann, überhaupt erst konstituiert; und der Architekt müsse schreibgewandt sein, „damit er durch schriftliche Erläuterungen (zu seinem Werk) ein dauerndes Andenken begründen kann“. (Vitruv I, 4) Das Sprachliche sieht auch Adolf Loos als ein Fundament der Architektur, wenn er den Architekten definiert als einen „Maurer, der Latein gelernt hat“, und erklärt: „Eine gute Archi­tektur, wie etwas zu bauen ist, kann geschrieben werden.“ (Loos 1924, S. 210)

Vorschnell wäre jedoch, daraus eine Gleichwertigkeit der verbalen und der visuellen Entwurfswerkzeuge abzuleiten. Ludwig Wittgenstein hat auf den fundamentalen Unterschied zwischen zeigen und sagen hingewiesen: Es gibt Dinge, die sich sprachlich nicht klar ausdrücken, wohl aber zeigen lassen. Diese zeigen sich zwischen den Zeilen eines Textes, deutlicher jedoch in den Werken

der Kunst, in einer Zeichnung oder einem

Bleilettern. Foto: Christian Pieper, 2005

Gebäude. Zu diesen Themen zählt Wittgenstein auch die für die Architektur so wesentlichen Bereiche der Ethik und der Ästhetik.

(Wittgenstein 1921, Sätze

6.421, 6.522)

160

Die anfängliche Zusammengehörigkeit aller Entwurfswerkzeuge im „Be-zeichnen“ von inneren Vorstellungen wird deutlich, wenn man sich die ersten schriftlichen Texte der alten Hochkulturen vergegenwärtigt: Sie waren aus Zeichen, das heißt Skizzen ideographischen Charakters zusammengesetzt, aus denen sich später die Hieroglyphen und die uns bekannten Alphabete entwickelten. Diese ursprüngliche Einheit klingt selbst in spätmittelalterlichen Quellen noch an, wenn das lateinische Wort designatio sowohl Beschrei­bung als auch Zeichnung und Modell bedeuten kann. Auch der italienische Begriff desegno kann ursprünglich sowohl Beschreibung als auch Zeichnung bedeuten.

(Binding 1993, S. 187 f.)

Seine wörtliche Übersetzung ist

Bezeich­nung. Das deutsche Verb reißen im Sinne von zeichnen (zum Beispiel in Reißbrett, -schiene) geht wiederum auf dieselbe Wurzel zurück wie das englische to write.

(Wahrig 1986, S. 1054).

Im Verlauf der Geschichte hat sich das verbale „Be-zeichnen“ immer weiter ausdifferenziert. Von den ersten Baubeschreibungen und den Anfängen der Architekturtheorie über das mündlich tradierte Geheimwissen der antiken und mittelalterlichen Bauhütten bis zur staatlichen Baugesetzgebung ist eine Vielzahl von Textarten entstanden, die als Entwurfswerkzeuge völlig unterschiedliche Bedeutungen angenommen haben. Selbst die im 18. Jahr­ hundert aufkommenden ingenieurwissenschaftlichen Kalkulationen können als Texte im Sinne einer Verknüpfung von Begriffen betrachtet werden, die einer streng mathematischen Logik folgen. In der Leistung der Computer mit ihren ebenfalls von Texten generierten Zeichenprogrammen scheint die ursprüngliche Einheit der Entwurfswerkzeuge wieder auf. AUSBILDUNG UND PRAXIS

Sprache als Werkzeug des Entwerfens zu begreifen ist für Architekten eher unüblich. Ungeachtet der Vielfalt und Bedeutung sprachlicher Ausdrucks­ formen in ihrer alltäglichen Arbeit missbrauchen Architekten gerne die Goethe zugeschriebene Redensart „Bilde, Künstler, rede nicht!“ – entweder um eine berufstypische Sprach- und Theorieunlust zu rechtfertigen oder um sich gegenseitig unter Berufung auf einen Klassiker mundtot zu machen. Tatsächlich sind diese Worte, weil verkürzt zitiert, in das Gegenteil ihres

ursprünglichen Sinnes verkehrt. Sie bilden die erste Zeile eines Mottos, das Goethe in seiner Werkausgabe von 1815 der Abteilung „Kunst“ vorangestellt hatte: „Bilde, Künstler! Rede nicht! / Nur ein Hauch sein dein Gedicht“ lautet

161

der vollständige, zweizeilige Reim. Mit der knappen Aufforderung, auf das „Reden“, das heißt auf Rhetorik zu verzichten und stattdessen sein Gedicht zu einem sorgfältig gestalteten, hauchfeinen Gebilde werden zu lassen, wendet Goethe sich an Lyriker, wie er selbst einer ist. Auch in der Entwurfsausbildung werden sprachliche Ausdrucksformen, zumindest an den deutschen Hochschulen, kaum thematisiert, während im angelsächsischen Raum insbesondere der essayistischen Darstellung mehr Aufmerksamkeit gilt. In den ersten Jahren ihrer Berufstätigkeit sind junge Architekten nicht selten überrascht, wie groß der Anteil des Verbalen an ihrer Arbeit ist. Gespräche und Diskussionen im Büro, Arbeitsbe­sprechun­ gen, Sitzungen und Verhandlungen mit den verschiedensten Projektbe­ teiligten; Telefonate, E-Mails und Briefe, Protokolle; Baubeschreibungen, Ausschreibungstexte und Verträge zu formulieren machen einen großen Teil der alltäglichen Arbeit von entwerfenden und bauenden Architektinnen und Architekten aus. Das öffentliche Präsentieren und Diskutieren von Ideen, Konzepten und Entwürfen ist eine Standardsituation im Studium wie in der beruflichen Praxis, deren Erfolg durchaus von den sprachlichen Fähigkeiten der Vor­tragenden abhängt. Was aber heißt es, die beschriebenen Ausdrucksformen im Entwurfs­ prozess als Werkzeuge zu begreifen und einzusetzen, ihr kreatives Potenzial zu erkennen und beim Entwerfen nutzbar zu machen? Zu Beginn jeder Entwurfsarbeit steht als einer der ersten sprachlichen Entwurfsschritte das Formulieren der Aufgabe, welche die zu lösenden Probleme, die dazu verfügbaren Ressourcen, die an eine Lösung gestellten Anforderungen und die Kriterien beschreibt, nach der sie beurteilt werden soll. Jedes Entwurfs­pro­blem lässt sich auf unterschiedliche Weise definieren und die gewählte Definition bestimmt die Richtungen und Voraussetzungen, unter welchen nach Lösungen gesucht wird. Die kritische

Schreibende Architektin. Foto: Marianne Kristen

Reflexion einer von Dritten gestellten Entwurfsaufgabe und deren Neu­ formulierung eröffnet nicht selten den entscheidenden Zugang zu innovativen Ansätzen. Daher muss jede Aufgabenstellung von den Bearbeitern

162

immer in Frage gestellt und auf ihre Schlüssigkeit und Vernünftigkeit geprüft werden. Eine Um- oder Neuformulierung der Aufgabe durch die Bearbeiter kann der erste Schritt zu ihrer Lösung sein, indem sie beispielsweise eine bislang vernachlässigte, aber besonders geeignete Perspektive formuliert, aus der ein Problem angegangen werden kann. Dies kann bereits durch die Wahl der Worte geschehen, mit denen eine Aufgabe beschrieben wird. Es ist ein Unterschied, ob man einen „Kleiderschrank“ entwirft oder einen „bewegliches Behältersystem zur Aufbewahrung von Textilien“, ob man ein „Haus baut“ oder eine „Wohn­maschine konstruiert“. Beim Entwerfen sind oft Dinge und Zusammenhänge zu benennen, für die die Alltagssprache keine Begriffe kennt. Oder es gilt Sachverhalte so zu beschreiben, dass sie anders als im Alltag wahrgenommen werden können. Daher entwickeln Entwerfende, wie jede andere Profession, eigene Begriffe, Jargons und Fachsprachen. Die generelle Tendenz der Sprache zum Norma­ tiven, Abstrahierenden, Verallgemeinernden, Konventionellen und letztlich Konservativen lässt in diesem Zusammenhang jedes Bilderverbot als reflexhafte Abwehr des Neuen erkennen. Während ein Fotograf nur den Auslöser seiner Kamera betätigen muss, um etwas bislang Ungesehenes festzuhalten, ein Zeichner mit seinem Stift, ein Modellbauer mit einem Tonklumpen im Handumdrehen neue Formen sichtbar machen kann, brauchen Entwerfende eben auch Möglichkeiten, das Neue, noch Unbekannte, noch nicht Benenn­ bare, das sich gerade erst Entwickelnde zu benennen. Dazu bedienen sie sich der Sprache in einer besonderen, für Außenstehende gelegentlich irritierenden Weise, die mehreren Strategien folgt. Die nächstliegende ist die Erweiterung der Bedeutung von Begriffen, wie es zum Beispiel Alberti mit dem lateinischen Begriff velum tut, das eigentlich Tuch oder Segel bedeutet, von ihm aber für den gerasterten Schleier verwendet wird, mit dessen Hilfe er Perspektiven nach der Natur zeichnet.

(siehe S. 163f)

Ein Beispiel für das

Prägen neuer Begriffe ist das von Buckminster Fuller oft gebrauchte Wort

Dymaxion. Waldo Warren, ein „Wortschmied von Markennamen“, der bekannt geworden war, weil er das Wort Radio geprägt hatte, suchte nach einem Begriff, der Fullers Ideenwelt charakterisieren sollte. Aus den Worten

Dynamic und Maximum setzte Warren Dy(namic)Maxi(mum)on zusammen.

Diese Neuprägung benutzte Fuller als eine Art Markenzeichen, mit dem er viele seiner Projekte und Konzepte verband, so das Dymaxion-House, das

163

Dymaxion-Car oder die Dymaxion-Chronofiles. (Krausse 1999, S. 132) Von Fuller selbst stammt der aus der Verbindung von tensile und integrity gebildete Begriff tensegrity, mit dem er aus Druck- und Zuggliedern bestehende Strukturen bezeichnete, deren Kräfte vorwiegend über Zugspannungen abgetragen werden.

(Krausse 2001, S. 240 -256)

METAPHERN BILDEN, INTERPRETIEREN, ABSTRAHIEREN

Eine weitere Strategie zur Benennung von bislang Unbekanntem ist das Bilden von Metaphern. Dabei wird ein bekannter Ausdruck aus seinem üblichen Geltungsbereich in einen neuen, bislang fremden Bereich übertragen und dort auf einen anderen Ausdruck bezogen. Eine bislang ungesehene Ähnlichkeit zwischen den beiden Bereichen ist Voraussetzung für die Verständlichkeit der Metapher. Aber erst die Spannung aus Ähnlichkeit und Differenz eröffnet neue, überraschende Perspektiven und erzeugt die suggestive Qualität, die innovative Metaphern auszeichnet. Le Corbusier verbindet die Bereiche des Wohnens und der Industrie in der Metapher Wohnmaschine und suggeriert damit, man könne das Wohnen ebenso rational und effektiv gestalten, wie man eine industrielle Produktionsanlage betreibt. Die innovative Spannung dieser Metapher, der Generationen von Architekten erlegen sind, entsteht durch ein Bild, das in polemischer Weise die ästhetischen, emotionalen und repräsentativen Aspekte des Wohnens vernachlässigt. In der Metapher Stadtkrone verbindet Bruno Taut das Schmückende, Ehrende, Johann David Steingruber, Architectonisches Alphabet, 1773

Wertvolle, aber auch Hierarchische der Krone mit der städtebaulichen Vorstellung eines überhöhten Stadtzentrums. Unter Berufung auf Earl MacCormac und dessen Buch A Cognitive Theory

164

of Metaphor (1985) sieht der Philosoph Hans Lenk in der Metapher eine Möglichkeit zum Schaffen neuer Bedeutungen, ohne die „die Menschheit nur

sehr schwer ihr Wissen ins Unbekannte ausdehnen“ könnte: „Die Sprache bliebe größtenteils statisch.“ (MacCormac, nach Lenk 2000, S. 274) In der Entwicklung und Verwendung innovativer Metaphern erkennt Lenk ein grundlegendes Muster kreativer Prozesse, das nicht nur im sprachlichen, sondern auch für den künstlerischen Bereich gelte. Er schlägt daher vor, MacCormacs ursprüng­lich nur sprachlich verstandene Metapherntheorie auf eine allgemeine Theorie kreativen Handelns auszudehnen. Um seine über den sprachlichen Bereich hinausgehende Konzeption eines schöpferischen, weiterführenden Prinzips zu bezeichnen, verbindet Lenk die Begriffe Kreativität und Metapher zu „Kreatapher“, die er definiert als

“Perspektiven übergreifende, Schichten überbrückende oder überspringende spannungserzeugende und -erhaltende Metaphern, die anregungsreich zwischen Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten spielen“. (Lenk 2000, S. 279 f.) So wie uns das Skizzieren dazu bringt, eine Form oder einen Raum genau zu betrachten und darzustellen, zwingt uns das Aufschreiben eines Textes, unsere Gedanken zu klären, sie in eine logische Ordnung zu bringen und auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Das Beschreiben eines Gebäudes zwingt uns, seine Form, Struktur, seine Eigenschaften und verborgenen Zusam­menhänge zu identifizieren und zu benennen. Das Wort Text – abgeleitet vom lateinischen textus, das wörtlich „Gewebe“ oder „Geflecht“ bedeutet und zurückzuführen ist auf das Verb textere, das sowohl „weben“ und „flechten“ als auch „kunstvoll zusammenfügen“ meint –

(Wahrig 1986, S. 1274)

entstammt wahr-

scheinlich der gleichen Sprachwurzel tek- wie das griechische tekton, das den Handwerker und Baumeister bezeichnet.

(a.a.O., S. 1268)

In der Bedeutung der

gemeinsamen Wurzel tek-, die mit formen oder machen (englisch: to shape, to make) übersetzt wird, finden wir einen Verweis auf den Begriff des Machens, dem Otl Aicher und Vilém Flusser in ihrem entwurflichen Denken so großes Gewicht beimessen.

(siehe S. 88, 212)

Die Übersetzung einer Entwurfsvor­­stellung aus dem Bereich des Visu­ ellen in die Sphäre des Verbalen erfordert einen radikalen Perspektiv­

wechsel. Anstelle der formalen tritt nun die sprachliche Logik. Sie verlangt eine Entwurfsidee zu interpretieren und zu abstrahieren und sie mit allgemein verständlichen Begriffen zu beschreiben. Dies setzt Erkenntnisprozesse

165

in Gang, die Schreibende zuweilen selbst überraschen, weil es sie zwingt, sich Sachverhalte bewusst zu machen, die sie sonst kaum realisiert hätten. Gerade wenn ein Text schon weit gediehen ist und man sich fragt, ob das Wesent­liche einer Entwurfsidee wirklich schon erfasst ist, gelangt man nicht selten zu überraschenden Einsichten. Während bildhaftes Denken gelegentlich dazu tendiert, eine bestimmte Vorstellung, ein bestimmtes inneres Bild zu fixieren, kann in einer solchen Situation der Wechsel zum verbalen Denken durch das Einnehmen einer neuen Perspektive dazu beitragen, Fixierungen zu lösen und zu überwinden. Das Schreiben als eine Form der Selbstbefragung, bei der das Medium Sprache zur Kontrolle der Schlüssig­keit und Verständlichkeit einer architekModemacherin Isabella Blow. Foto: Pascal Chevallier, WIB Paris 1991

Und Gott sah, dass es gut war.

Und Gott sprach: «Lasset uns Menschen machen,

ein Bild, das uns gleich sei,

die da herrschen über alles Getier.»

Und Gott schuf den Menschen als Mann

und Weib,

zum Bilde Gottes schuf er ihn.

Und Gott segnete sie

und sprach zu ihnen: «Seid fruchtbar

und mehret euch

und füllet die Erde und macht sie euch untertan,

und herrschet über alles Getier.»

Und Gott sprach: «Ich habe euch gegeben

alle Pflanzen und Früchte zu eurer Speise.

Aber allen Tieren habe ich alles grüne Kraut gegeben.»

Und es geschah so.

Und Gott sah an

alles, was er gemacht hatte, und es war sehr gut.

tonischen Konzeption eingesetzt wird, praktiziert beispielsweise der brasilianische Architekt Oscar Niemeyer. Bevor er die ersten Studien zu einem Projekt abschließt, fügt er diesen einen Textkommentar bei, der eine „not-

167

wendige Beschreibung“ seines Konzeptes liefert. Er sagt, dass das für ihn wie eine „prova“ – im Portugiesischen bedeutet dieser Begriff zugleich Prüfung und Beweis – des Entwurfes sei. Wenn ihm dazu Argumente fehlen und es ihm nicht gelingt, seine Vorstellungen mit Hilfe des Textes überzeugend zu erläutern, weiß er, dass der Entwurf noch nicht gut genug ist.

(Niemeyer 1993,

S. 9, S. 43)

Ist ein Konzept formuliert, so kann dies mit einem weiteren sprachlichen Entwurfswerkzeug „bearbeitet“ werden, indem es der Kritik unterzogen wird. (siehe S. 198 ff)

Dies bedeutet ein weiteres Mal die Perspektive zu wechseln,

sich von der einfühlsamen Beschreibung des Entworfenen zu distanzieren und es zweifelnd in Frage zu stellen. Aus dem Wechselspiel von positiver Beschreibung und negativer Infragestellung ergeben sich im Verlauf des Entwurfsprozesses Dialoge, Gespräche und Diskussionen. Seit Sokrates gelten diese Situationen als besonders geeignet, neue Erkenntnisse hervorzubringen. Mit dem Ziel, seinen Gesprächspartnern die engen Grenzen ihres Wissens aufzuzeigen, entwickelte Sokrates seine von ihm auch als „Heb­ ammenkunst“ beschriebene Methode, systematisch Fragen zu stellen, um die Gedanken, mit denen seine Gesprächspartner schwanger gehen hervorzubringen, und zu prüfen, ob es sich dabei um „ein bloßes Trugbild und etwas

Falsches“ handle oder um etwas „Lebenskräftiges und Wahres.“ „Ich bringe keine klugen Gedanken hervor“, lässt ihn Platon in einem seiner Dialoge sagen, aber seine Gesprächspartner „finden selber viele hervorragende Wahrheiten bei sich heraus und bringen sie hervor“. (Platon, Theätet, 150 c,d) Mit diesem Kapitel sind die verbalen Werkzeuge des Entwerfens längst nicht erschöpfend behandelt. Der Untersuchung der sprachlichen Werkzeuge der Kritik sowie der Kriterien und Werte­systeme sind zwei weitere Kapitel gewidmet. Inwiefern ingenieurwissenschaftliche Berechnungen und digitale Programme im Sinne komplexer, rational durchgeformter Texte als Werk­ zeuge des Entwerfens genutzt werden können, wird in den Kapiteln Kalkulation und Computer diskutiert. Im letzten Kapitel des Teils B wird Theorie als Werkzeug eingeführt und am Beispiel der Schriften von Otl Aicher untersucht, wie dieser Theorie als verbales Werkzeug des Entwerfens verwendet hat.

Der Text der Genesis dargestellt mit Hilfe von Logos, Symbolen, Piktogrammen. Juli Gudehus: Genesis (Ausschnitt), 1992

Zeichnung Die Zeichnung [il disegno] ist aber so hervorragend, dass sie nicht nur die Werke der Natur erforscht, sondern unendlich mehr hervorbringt als die Natur […] und daraus schließen wir, dass die Zeichnung nicht nur eine Wissenschaft ist, sondern eine Gottheit genannt werden muss, die alle sichtbaren Werke des Allmächtigen neu erschafft. Leonardo da Vinci (nach Chastel 1990, S. 207) Können wir heute noch nachvollziehen, was Leonardo da Vinci mit diesen Worten gemeint hat? Die christliche Vorstellung eines allmächtigen Gottes als des Schöpfers der Welt stellte die Entwerfenden seiner Zeit vor ein Problem: Auch sie erschufen etwas Neues, aber stand dies einfachen Men­ schen überhaupt zu? Wenn Leonardo das Hervorbringen des Neuen der Zeichnung zuschreibt (womit er in diesem Fall die Linien – im Unter­schied zur Farbe – meint, die in der Malerei die Formen der gemalten Körper umschreiben), verschiebt er das Problem des Schöpferischen von seiner Per­ son weg zu einem Werkzeug, das nun „eine Gottheit genannt werden muss, die alle sichtbaren Werke des Allmächtigen neu erschafft“. Er vermeidet auf diese Weise, sich selbst als schöpferisch – und somit göttlich – darstellen zu müssen. GEOMETRIE UND ABSTRAKTION

Die maßstäblich verkleinerte, geometrisch präzise Entwurfszeichnung ist uns heute als Werkzeug des Entwerfens so selbstverständlich, dass ihre Wirkungs­­ weise als Werkzeug kaum noch bewusst wird. Doch nach welchen Prinzipien

„lehrt sie den Baumeister einen dem Auge angenehmen Bau zu schaffen“, wie Leonardo an anderer Stelle schreibt?

(Chastel 1990, S. 136)

Die Zeichnung, latei-

nisch forma, italienisch disegno genannt, verändert in mehrfacher Hinsicht das Verhältnis von Entwerfenden und Entworfenem. Indem sie das abzubildende Objekt kleiner macht, vergrößert sie in gleichem Maß die Möglichkeiten des Zeichnenden dieses zu manipulieren. Wird der Grund­riss einer Kathedrale auf die Größe einer Hand reduziert, so ist es nicht nur ein Leichtes diesen Plan zu überblicken, sondern auch, ihn nach den Vor­stellungen des Zeich­ ners zu verändern. Die Verkleinerung des zu bearbeitenden Objekts macht aus diesem ein Spielzeug und aus dem Entwerfer einen alles überschauenden, mächtigen Schöpfer. Indem der Zeichner darstellt, was ihm wesentlich erscheint, und abstrahiert, was er als unerheblich betrachtet, führt er zugleich eine Analyse des gezeichneten Gegenstandes durch und entscheidet, auf

welche Merkmale sich seine Entwurfsarbeit beziehen soll. Da jede Abstrak­ tion zugleich die Anschaulichkeit reduziert, sind viele Zeichnungen nur noch von Fachleuten zu lesen. Sie bedürfen, ebenso wie jede Schrift, einer Inter­

169

pretation. Zugleich aber ist die Zeichnung eine Fiktion, die es den Zeichnen­ den erlaubt, einer Linie jede vorstellbare Bedeutung zuzuweisen. Die geometrische Präzision, die das Zeichnen gestattet, wird von keinem anderen analogen Entwurfswerkzeug erreicht. Vitruv bemerkt dazu lapidar:

„Die schwierigen Fragen der symmetrischen Verhältnisse werden auf geometrische Weise und mit geometrischen Methoden gelöst.“ (Vitruv I 1,4) Mit diesen ermöglicht die Zeichnung eine genaue Kontrolle der Proportionen und der geomet-

Tuschezeichnen auf Transparentpapier mit Rapidograph 0,25 mm, Fotos Stephanie Meyer

rischen Konstruktion des Dargestellten. Bis heute ist sie aus diesem Grund für viele das wichtigste Entwurfswerkzeug. Die in der italienischen Kunst­ theorie des 15. und 16. Jahrhunderts diskutierte Frage, ob disegno oder

colore das wichtigere Element der Malerei sei, stand in der Architektur nie zur Debatte. Die erwähnten Kontrollmöglichkeiten führten dazu, dass die Zeichnung zum bevorzugten Medium der akademischen Ausbildung

avancierte. Verbindet sich dies auch noch mit einer Architekturauffassung, die von Regelmäßigkeit und rechtem Winkel bestimmt ist, so kann sie, wie im 19. Jahrhundert an der École des Beaux-Arts, zum alles dominierenden

170

Entwurfswerkzeug werden. Dieses Medium ist für Fachleute so selbstverständlich, dass oft vergessen wird, wie selten Laien in der Lage sind, Grundrisse oder Schnitte zu lesen. Durch verbale oder schriftliche Erläuterungen lässt sich die Lesbarkeit der Zeichnungen zwar verbessern, Laien fehlt aber meist die Fähigkeit, sich anhand zweidimensionaler Diagramme räumliche Wirkungen und Zusam­ men­hänge vorzustellen. Ihnen sind auch die fachlichen, unausgesprochenen weil selbstverständlichen Konventionen nicht bekannt, nach denen Zeich­ nungen erstellt und gelesen werden. Perspektivische Darstellungen sind für Laien in der Regel besser lesbar, aber in ihrer Aussage weniger durchschaubar. Auch die exakte Zeichnung kann als Mittel der Wahrnehmung eingesetzt werden. So wie das Aufschreiben eines Textes es erfordert, die Gedanken zu klären, sie in eine logische Ordnung zu bringen und auf ihre Richtigkeit zu prüfen, verlangt das Zeichnen, eine Form oder einen Raum genau auszumessen und darzustellen. Das Zeichnen erzwingt ein genaues, analytisches Künstlerische Zeichnung von Tobias Hammel: House of Yagaah III, Bleistift, Tusche, Acrylfarbe auf Karton, 17,05 x 2,70 m, Ausstellung Berlin 2006

Sehen. Es zwingt zur Disziplin des Strukturierens, Reduzierens und Hierar­ chi­sierens des Gesehenen. Das Entwerfen mittels Zeichnungen, Grundrissen, Ansichten, Schnitten, kann aber auch zu einem Übergewicht grafischer

171

Gesetz­mäßigkeiten führen. Plangrafik wird dann schnell zu einem Argu­ment, wenn es um architektonische Entscheidungen geht. Aber grafische und räum­ liche Gesetzmäßigkeiten stimmen nur selten und zufällig überein. „Sind die

Zeichnung und das Projekt dasselbe?“ fragt der portugiesische Künstler Joaquim Vieira, Lehrer an der Architekturfakultät der Universität Porto, um dann aufzuzeigen, wie viel das eine vom anderen unterscheidet. (Vieira 1995, S. 38 ff.)

Die wichtigsten Wirkungsmechanismen der Zeichnung sind Geometrie und Abstraktion. Der vom akademischen Klassizismus so geschätzten Klar­heit und Rationalität der Zeichnung sind jedoch Grenzen gesetzt, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Diesem Medium wohnt eine eigene, grafische Logik inne. Was als Zeichnung schlüssig und eindrucksvoll aussieht, muss es in Wirklichkeit noch lange nicht sein. Nur eine Architek­tur, die alle ihre Elemente nach dem kartesianischen System dreier senkrecht zu­einander stehender Achsen ausrichtet, lässt sich mit Grundrissen, Ansich­ten und Schnitten verzerrungsfrei abbilden. Und die Reduktion auf zwei Dimen­sionen abstrahiert gerade das wesentliche Thema der Architektur: den Raum. Dies hat zur Folge, dass ein nicht grafisch, sondern räumlich gedachtes Gebilde als Zeichnung oft unförmig erscheint, dass räumliche Qualitäten eines Entwurfs in der zwei­ dimensionalen Zeichnung nur schwer zu vermitteln sind.

Entwurf eines Schulhauses, Grundriss und Ansicht, Friedrich Ostendorf, 1913

Fakultät für Architektur der Universität Porto (FAUP), Grundriss, Álvaro Siza, 1986–1995

Die Annahmen der euklidischen Geometrie liegen dem Zeichnen von Grundrissen, Ansichten und Schnitten bis heute zugrunde. In seinen Untersuchungen zur Geometrie der Kugel hat Buckminster Fuller, der Architekt der geodätischen Kuppeln, diese Annahmen in Frage gestellt:

„In seinen Theorien zu Konstruktion und Beweis hat Euklid sich die Beschränkung auf drei Werkzeuge auferlegt – Lineal, Zirkel und Stift. Er benutzte jedoch ein viertes Werkzeug, ohne ihm Rechnung zu tragen, und das war die Oberfläche, in die er seine diagrammatischen Konstruktionen einschrieb.“ (Fuller 1944, S. 175) Der Anfang von Euklids Beweisen liege damit „in dem besonderen und abstrak-

ten Bereich einer imaginären ebenen Geometrie“. Übersetzt man Geometrie wörtlich mit „Erdmessung“, dann würden Euklids Voraussetzungen nur verständlich, so Fuller, wenn man davon ausgeht, dass das Wissen um die Kugel­form der Erde zu seiner Zeit verloren gegangen war.

(Fuller 1944, S. 175)

Nicht wenige Fehlleistungen der Baukunst sind der verführerischen Suggestion der Zeichnung zuzuschreiben. Die Abstraktion der räumlichen

Dimension in Verbindung mit der Reduktion von Maßstab und Anschau­ lichkeit erhöhen den Wirkungsgrad des Entwurfswerkzeugs Zeichnung in einem Maße, das den Umgang mit diesem problematisch werden lässt. Je

173

abstrakter eine Zeichnung, desto zahlreicher werden die Möglichkeiten ihrer Interpretation und desto unsicherer die Vorhersagen ihrer Auswirkungen in der Realität. Eine grundlegende Schwierigkeit jeden Werkzeuggebrauchs ist dessen inhärente Abstraktion und Vergröberung. Daraus ergibt sich eine Problematik, die Vilém Flusser wie folgt formuliert:

Geometrie versus Natur: Strandpromenade bei Porto, Manuel de Solà-Morales, 2000–2001

„Die mit Werkzeugen ausgestatteten Hände jedoch besitzen nicht die Sinnlichkeit der nackten Hände. Sie können einen Gegenstand nicht von einer Person unterscheiden. […] Die Gefahr in der Geste des Werkzeugmachens liegt also darin, den ursprünglichen Gegenstand und damit auch die Differenz zwischen einem Gegenstand und einer Person zu vergessen.“ (Flusser 1991, S. 68)

MEDIENWECHSEL

Auf Tontafeln gezeichnete Grundrisse, mit Maßangaben in Keilschrift versehen, sind bereits aus babylonischer Zeit überliefert.

174

(Pevsner 1966, S. 622)

Aus

dem alten Ägypten kennen wir bereits Architekturzeichnungen auf Papyrus, die nach einem strengen Raster aufgebaut sind. Welche Rolle diese für das Entwerfen hatten, ist nicht bekannt. Aus der griechischen Antike sind die bereits erwähnten Werkrisse erhalten. Man geht davon aus, dass diese als Detailplanung auf Grundlage einer in verkleinertem Maßstab erstellten Gesamtplanung entstanden, die vermutlich auf Pergament gezeichnet wurde. Auch in Rom haben sich lediglich Risse, beispielsweise vom Giebel des Pantheon erhalten, von Zeichnungen auf Pergament gibt es nur schriftliche Zeugnisse. Des Weiteren sind in Rom Fragmente antiker Pläne auf Marmor gefunden worden, die jedoch keine entwurfliche, sondern repräsentative Funktion hatten.

(Hesberg 1984, S. 120 ff.)

Wie hoch das Zeichnen in der Antike geschätzt wurde, macht Vitruv mit seiner Beschreibung des Grundwissens eines Baumeisters deutlich: Er muss

„den Zeichenstift zu führen wissen, damit er um so leichter durch bildliche Zeich­ nungen das beabsichtigte Aussehen seines Werkes darstellen kann.“ (Vitruv I 1,4) Im Folgenden unterscheidet Vitruv drei verschiedene Arten von Architektur­ zeichnungen:

„Ichnografia ist der unter Verwendung von Lineal und Zirkel in verkleinertem Maßstab ausgeführte Grundriss, aus dem später die Umrisse der Gebäudeteile auf dem Baugelände entnommen werden. Orthographia aber ist das aufrechte Bild der Vorderansicht und eine den Maßstäben des zukünftigen Bauwerks entsprechende gezeichnete Darstellung in verkleinertem Maßstab. Scaenografia ferner ist die Wiedergabe der Fassade und der zurücktretenden Seiten mit der Beziehung sämtlicher Linien auf einen Mittelpunkt.“ (Vitruv I 2,2, Übers. d. Verf.) Obwohl diese Darstellungsmittel seit der Antike in Gebrauch waren, ging das frühe Mittelalter, dem Vitruvs Text durchaus nicht unbekannt war, in seiner Entwurfspraxis andere, direktere Wege. Zwar wird von Zeichnungen auf Wachstafeln berichtet und es sind auch einige schematische Grundrisse auf Pergament erhalten, aber sie scheinen für das Entwerfen nicht von großer Bedeutung gewesen zu sein. Entworfen wurde hauptsächlich mit Rissen in natürlichem Maßstab, die in Boden oder Wände eingeritzt wurden, wobei

Grundriss eines Klosters mit moderner Erweiterung. Arraiolos, Pousada dos Loios, José Paulo dos Santos, 1993–1999

in der Regel bereits bestehende Gebäude desselben Bautyps als Vorbild und Modell dienten. Dies ändert sich erst wieder ab der ersten Hälfte des 13. Jahr­­­­ hunderts, als Zeichnungen, zunächst in Form von maßstäblich verkleinerten Rissen, wieder vermehrt zur Anwendung gelangen.

(Binding 1993, S. 172)

Die tiefgreifenden Veränderungen, die vom mittelalterlichen zum neuzeitlichen Denken führten, zeigen sich auch anhand der zu Beginn der italienischen Frührenaissance neu entwickelten Entwurfswerkzeuge. Dieser Epochen­wechsel wird, neben vielem anderen, durch einen grundlegenden Wandel in der Auffassung des Entwerfens markiert, der sich in der Ent­ wicklung und im Gebrauch neuer Entwurfswerkzeuge manifestiert. Skizze, Zeichnung, Perspektive und Modell in ihrer Funktion als Werkzeuge architektonischen Entwerfens haben sich in der Form, in der sie bis heute in Gebrauch sind, in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Norditalien herausgebildet. Es entstand eine neue Art und Weise die Welt wahrzuneh-

men, die nicht mehr von vorgegebenen, „ewig gültigen Ideen“, sondern von der direkten sinnlichen Erfahrung ausgeht. Auch eine öffentliche Diskussion und Kritik repräsentativer kirchlicher und staatlicher Bauvorhaben entsteht

176

erst wieder in jener Zeit. Voraussetzung für diese Entwicklung war die Ablösung der Feudalgesell­ schaft durch eine frühe Form merkantilen Bürgertums, die sich in den Städten Norditaliens herauszubilden begann. In ihrem Zuge ging die technische Verwaltung der Bauhütten von den Händen der Kleriker auf die Zünfte über. Das Bauen wurde zu einer öffentlichen Angelegenheit, mit der Folge, dass immer mehr Nichtfachleute an den Entscheidungen beteiligt waren. Dies wiederum zwang die Entwerfenden, die nun nicht mehr nur aus dem Bauhandwerk, sondern auch aus den bildenden Künsten kamen, sehr viel anschaulichere Darstellungsmittel als bisher zu finden. Die symbolische, nun als formelhaft empfundene Sehweise des Mittelalters wurde durch wirklichkeitsnahe Abbildungsformen abgelöst. Künstlerische und bautechnische Wettbewerbe wurden als Mittel der Entscheidungsfindung institutionalisiert.

„Gerade beim Dombau von Florenz scheint durch ,offene‘ Wettbewerbe erstmals erkannt worden zu sein, welche künstlerischen Potentiale auf diese Weise geweckt und genutzt werden konnten.“ (Lepik 1995, S. 12) Der erste Wettbewerb zu diesem Bauvorhaben fand 1355 statt, mit dem Ziel, die Form der Langhauspfeiler zu bestimmen. Ein Wettbewerb zur Gesamt­ form des Doms wurde 1367 durchgeführt. Nach 1417 fand der von Filippo Brunelleschi gewonnene Wettbewerb zum Bau der Kuppel statt, gefolgt von Ausschreibungen zur Form der Laterne (1436), der Fassade (1490) und dem Umgang der Kuppel (1500).

(Lepik 1995, S. 13)

Der damalige Medienwechsel – vom Riss in natürlicher Größe zur maßstäblich verkleinerten Zeichnung und zur Perspektive, von Prototyp und Schablone zum ebenfalls maßstäblich verkleinerten Modell – hatte nicht nur zur Folge, dass Bauen und Entwerfen stärker voneinander getrennt wurden, er führte auch dazu, dass nun ganz anders ausgebildete Personen die Entwürfe erarbeiteten: Goldschmiede (Brunelleschi), Maler und Künstler (Michelangelo), welche die damals neuen Medien beherrschten, traten an die Stelle der in den Zünften organisierten Steinmetze.

ZEICHNEN ODER ENTWERFEN

Als das sozusagen klassische Werkzeug des Entwerfens aufgefasst, dient die Zeichnung der geometrisch-mathematischen Abstraktion: Entwerfen heißt –

177

für jemanden der zeichnet – zu geometrisieren. Die mathematisch-präzise Repräsentation des Projekts, die Zeichnung als die „Sprache des Ingenieurs“ ist rational und zweckbestimmt, kein stimmungsvolles Gemälde. Die Idee wird objektiviert und mit rationalen Argumenten kritisierbar, daher ist die Zeichnung das beliebteste akademische Entwurfswerkzeug, der klassischen Beaux-Arts-Tradition ebenso verpflichtet wie einer rationalen technischen Ausbildung. Ihr Nachteil ist ein hoher Abstraktionsgrad, räumliche Zusam­ menhänge sind nur schwer zu erkennen. Unter der polemischen Überschrift

„L'Illusion des Plans“ (deutsch: „Das Blendwerk der Grundrisse“, nach der Über­setzung von Hans Hildebrandt, 1926) hat Le Corbusier in Vers une Archi­tecture dieser Problematik ein ganzes Kapitel gewidmet. (Le Corbusier 1923, S. 141 ff.)

Das vom Grundriss ausgehende Entwerfen erkennt Le Corbusier

zwar ausdrücklich an, weil dieser die Organisation und Struktur des Gebäu­ des bestimmt, kritisiert aber vehement, dass Grundrisse nach den ästhetischen Vorgaben der Beaux-Arts-Tradition gestaltet werden sollten. Als Bei­ spiel führt er den Stadtplan von Karlsruhe an, den er als den „jämmerlichsten Zusammenbruch einer künstlerischen Absicht, den völligen knock-out“ bezeichnet.

„Der Stern bleibt allein auf dem Papier, ein magerer Trost. Blendwerk. Blendwerk der schönen Grundrisse. Von allen Ecken der Stadt sieht man niemals mehr als drei Fenster des Schlosses, die immer die nämlichen zu sein scheinen; die gleiche Wirkung würde das bescheidenste Mietshaus hervorbringen. Vom Schloss aus läuft der Blick immer nur eine einzige Straße entlang, und alle Straßen eines jeden beliebigen Nestes machen den selben Effekt.“ (Le Corbusier 1923, S. 166) Kritik an einer akademischen Entwurfspraxis, die sich ganz auf das Entwurfs­ werkzeug Zeichnung verlässt, äußert auch der gelernte Schmied Jean Prouvé, der in seiner eigenen Praxis das Entwerfen in der Werkstatt vorzog. Vieler seiner Entwürfe entstanden unmittelbar bei der Arbeit an Prototypen, sie wurden vom Material und der Leistungsfähigkeit der verfügbaren Geräte und Maschinen determiniert. Erst wenn eine Form gefunden war, wurden im Nachhinein Zeichnungen zur Dokumentation erstellt. In einem Gespräch bedauert er junge Architekten, denen durch das ausschließliche Arbeiten mit der abstrakten Zeichnung jene wichtigen Anregungen vorenthalten bleiben, die eine Realisierung vermittelt. Über ihre Arbeit in der Fabrik sagt er:

„Dort entdeckten sie, was die eigentliche architektonische Inspiration sein kann, dass die Striche, die sie am Montag gezeichnet haben, am Dienstag realisiert sein können. Sie wussten sofort, was sie bekommen würden. Heute dagegen zeichnen die jungen Architekten meistens Dinge, die gar nicht gebaut werden. Glauben sie nicht, dass das für ihren Geist tödlich ist?“ (Prouvé 2001, S. 29)

Der spezifische Widerstand, den das Entwurfs­werkzeug Zeichnung dem Entwer­ fen­den entgegensetzt, liegt zum Einen in der Verpflichtung auf einfache geometrische Konstruktionen, da nur diese die exakte Konstruktion und Übertragung einer Form erlauben, zum Anderen in der begrenzten Zahl der Zeichnungen, die für ein Projekt angefertigt werden können. Schon erwähnt wurde Ostendorfs Kritik an der Zeichnung, die dazu verführe „in unkünstlerischer und

sinnloser Weise auf dem Papier“ etwas zu entwickeln, das „in seiner wirren Kompliziertheit als Idee schlechterdings nicht fassbar“ sei. (Ostendorf 1913, S. 4)

Wenn wir uns heutige,

nach den Konventionen und Regeln der Bau­zeich­nungsverordnung erstellte Werk­ zeichnung vor Augen führen, die wie ein Schnittmusterbogen so dicht mit Informatio­ nen belegt sind, dass eine Form nicht mehr lesbar ist, wird Ostendorfs Argument durchaus nachvollziehbar. Andererseits übersieht er, dass die zweidimensionale Zeichnung nur das unverzerrt darstellt, was parallel zu ihr liegt. Der übliche, aus Grundrissen, Ansich­ten und Schnitten bestehende Satz Zeich­nungen lässt alles, was nicht mit den drei Achsen des cartesianischen Raums korrespondiert, verzerrt oder gar unsinnig erscheinen.

Geometrie des Hysolar-Institutsgebäudes, Universität Stuttgart, Günter Behnisch und Partner, 1987

Sehr berechtigt ist es daher, wenn Ana Leonor Rodrigues die Zeichnung als ein „das architektonische Denken ordnendes“ Entwurfswerkzeug beschreibt. (Rodrigues 2002)

179

Allerdings stellt sich die Frage, ob man sich mit dieser

Ordnung zufrieden gibt. Peter Eisenman zog daraus eine radikale Konsequenz:

„Alles was nichts mehr mit der üblichen dreidimensionalen Realität zu tun hat, muss auf dem Computer gezeichnet werden. […] Grundrisse, Schnitte und Ansichten kehren zurück in den projektiven Raum, in die hergebrachte visuelle Ordnung. Deswegen zeichne ich nicht mehr.“ (Eisenman 1995, S. 294) DIGITALISIERUNG DER ZEICHNUNG

Von Hand könne man nur zeichnen, führte Eisenman diesen Gedanken an anderer Stelle weiter, wovon man bereits eine innere Vorstellung habe. Auf digitalem Wege könne man jedoch Bilder erzeugen, die man nie vorher gesehen oder im Kopf gehabt habe.

(Eisenman 1995, S. 321)

Die Digitalisierung

übersetzt alle Darstellungen eines Entwurfs in einen einheitlichen, aber nur noch von Maschinen lesbaren Code. Die Grenzen zwischen den Dar­ stellungs­arten werden durchlässiger. Dadurch wird es möglich, die einzelnen Darstellungsarten zu verknüpfen und zu einer gemeinsamen Datenbasis zusammenzuführen. Ist diese Basis einmal etabliert, ist kein großer Auf­wand mehr nötig, um von einer Darstellungsart in die andere zu wechseln, den Entwurf zugleich als Perspektive, Grundriss und Schnitt oder als Raum­buch und Mengenermittlung sozusagen automatisch zu präsentieren. Lange vor dem Einzug der PCs in die Architekturbüros wurden die Großrechner der 1960er Jahre von Universitäten und Behörden beispielsweise für statische Berechnungen, zum Erstellen von Lageplänen und zur Formfindung verwendet. So wurde etwa ein Großrechner der Universität Stuttgart für die Formfindung der Dachkonstruktion des Münchner Olympiastadions eingesetzt.

(Nerdinger 2005, S. 267)

Als Anfang der 1980er

Jahre die ersten PCs an den Hochschulen und in den Architekturbüros auftauchten, waren diese mit grafischen Darstellungen zumeist noch überfordert. Doch schon zehn Jahre danach hatten Computer, Bildschirme und Plotter in vielen Architekturbüros die Zeichentische ersetzt. Wohl kaum ein Entwurfswerkzeug hat sich durch die Digitalisierung so stark verändert wie die Zeichnung. Die herkömmliche zweidimensionale

Drahtgeometrie-Diagramm der Bibliothek de L'IUHEI, Genf, Peter Eisenman, 1996

Zeichnung hat buchstäblich beliebig viele Dimensionen dazu gewonnen. Das transparente Skizzenpapier wird zu ein- und ausblendbaren Layern und Verknüpfungen, Bleistift- und Tuschelinien werden zu beliebig strukturierten Farbflächen, das quälende Kratzen und Schraffieren entfällt ebenso wie das Meditieren über einer zarten Bleistiftzeichnung. Die schlichte Zeichnung wird zu einer komplexen, polydimensionalen Datenstruktur, die nach Belieben mit anderen Daten verknüpft und auf viele verschiedene Arten – als Grundriss, Schnitt, Ansicht oder Perspektive, als bewegliches und mit der Maus „begehbares“ 3D-Modell, als Video oder maschinell erzeugtes Modell in frei wählbarem Maßstab, aber auch als Raumbuch, Mengen­ ermittlung, Tragwerks- oder Klimasimulation; oder als Kostenberechnung und Ausschreibungstext – darstellbar ist. Was in der Vorstellung der Entwurfsverfasser ein Projekt war und mit Hilfe der verschiedenen Entwurfs­ werkzeuge in unterschiedlicher Weise dargestellt wurde, verbindet sich nun wieder zu einer digitalen Daten­struktur.

Das dreidimensionale Computermodell als Datenbasis dieser polydimensionalen Struktur hat die konventionellen Zeichnun­­­gen Grundriss, Schnitt und Fassade abgelöst. So wie Zeichnungen, Modelle oder Berechnungen eine

181

Entwurfsvorstellung nur den jeweiligen Möglichkeiten des Mediums entsprechend repräsentieren, mit dieser aber nicht identisch sind, stellt auch diese Daten­basis nur eine unvollkommene Repräsen­tation dar, allerdings auf einer höheren Ebene, da sie in verschiedenen Medien präsentiert werden kann. Komplexe geometrischen Zusammenhänge müssen nicht mehr in absoluten Maßen festgelegt, sondern können in Parametern angegeben werden, so dass es genügt, einen davon zu ändern, um eine neue Form zu erzeugen. Für Entwerfende eröffnet die parametrische Repräsentation ganz neue Handlungsspielräume, da Varianten mit viel weniger Aufwand und sehr viel schneller erstellt werden können. Andererseits zwingt sie dazu, sich stärker mit konzeptionellen Fragen auseinander zu setzen, die vorab geklärt werden müssen, um parametrische Modelle überhaupt programmieren zu können. Aber auch die Elemente der Zeichnung selbst verändern durch die Parametrisierung ihre Qualität: Die vormals neutrale Linie wird zum Vektor, der Richtung, Größe und Intensität besitzt.

(Eisenman 2005, S. 226)

Während die Beschränktheit der ersten Zeichenprogramme noch zur Ver­ wendung möglichst einfacher Geometrien zwang (was vermutlich ein Grund für die „Kisten“, die schlichten, quaderförmigen Baukörper der ersten Dekade computergezeichneter Architektur war), wurde der PC bald zur Vor­ aussetzung für das Entwerfen geometrisch komplexer Gebilde.

Innenhof eines Bankgebäudes, Berlin, Pariser Platz, Frank Gehry, 1994–1999

Schon die zweite Dekade computergezeichneter und -generierter Archi­tektur kennzeichnete eine Gegenbewegung, die freiere Formen anwandte. Der Architekturkritiker Hanno Rauterberg bezeichnete sie als „Digitalmoderne“:

182

eine Architektur, die nicht mehr nur mit dem Computer gezeichnet ist, ­sondern parametrische Algorithmen verwendet um Formen und Geometrien zu generieren, die zuvor nicht mit vertretbarem Aufwand darstellbar waren, und die zu Hüllen und Räumen gelangt, die bis dahin als unbaubar galten. (Rauterberg 2005, S. 54)

Patrik Schumacher geht noch einen Schritt weiter

und sieht im „Parametrizismus“, der auf diesen Produktionsweisen gründet, gar den „epochalen Stil des 21. Jahrhunderts“ heraufziehen.

(Schumacher 2012,

S. 622 ff., s.a. Seite 301)

Das ersichtlich Handgemachte der herkömmlichen Zeichnung wird durch die Digitalisierung zugunsten von Darstellungsweisen verdrängt, die durch ihre Perfektion und ihren Detaillierungsgrad eine höhere Professionalität und zugleich eine höhere Objektivität beanspruchen. Indem sie weniger (hand-)gemacht aussehen, wirken sie auch weniger artifiziell und willkürlich. Mit wachsendem Perfektionsgrad bekommen sie immer mehr die Selbstver­ ständlichkeit und Überzeugungskraft von Fotografien. Der Ausdruck individueller Expressivität und das Ausformulieren einer persönlichen, wiedererkennbaren Zeichen- und Darstellungsweise ist auf dieser Ebene möglicherweise obsolet geworden. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Spiro, Annette; Ganzoni, David (Hg.) (2013): Der Bauplan. Werkzeug des Architekten. Zürich: Park Books, 2013 Meuser, Natascha (2014): Zeichenlehre für Architekten. Handbuch und Planungshilfe. Berlin: DOM, 2014 Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 380.

Modell Modelle sind Fallen, die dem Auffangen der Welt dienen.

Vilém Flusser (1993/2, S. 14)

Das Architekturmodell lässt eine Fülle von Verwendungen zu, die es zu einem höchst wirkungsvollen, aber auch problematischen Entwurfswerkzeug machen. Seine Ausprägungen reichen vom Spielzeug bis zur Grabbeigabe, vom Souvenir über die künstlerische Skulptur bis zum sakralen Objekt. Dem in diesen Erscheinungsformen aufscheinenden latenten Fetischcharakter des Modells stehen dessen pragmatische Anwendungen gegenüber: Für wissenschaftliche Experimente ist es ebenso geeignet wie für das Entwerfen von Strukturen und Gebäuden. Zur Klärung räumlicher, konstruktiver und skulpturaler Fragen bietet es den unmittelbarsten Zugang. Als Werkzeug des Entwerfens aufgefasst, gestattet das Modell sozusagen intuitiv „mit den Händen zu denken“ und dabei zugleich konzeptionell zu arbeiten. Als anschauliches Kommunikationsmittel helfen Modelle die Kluft zwischen Laien und Fachleuten zu überbrücken. Betrachten wir das Entwerfen als schrittweise Annäherung an die gebaute Realität, dann sind Modelle, Muster und Prototypen diejenigen Werkzeuge, die der dreidimensionalen, materiellen Wirklichkeit am nächsten stehen. Anhand von Musterstücken lassen sich Baumaterialien und deren Bearbei­ tungs­weisen vergleichen und auswählen. Prototypen sind probeweise angefertigte Gebäudeteile, deren Dimension bis zu Versuchsbauten gehen kann. Max Bill beim Betrachten eines Modells des Schweizer Pavillons für die Biennale Venedig. Foto: Ernst Scheidegger, 1951.

Beides sind klar definierte Darstellungs­­­ mittel, die in wahrer Größe und mit den zum Bau vorgesehenen Materialien hergestellt werden. Im Begriff des Modells hingegen überschneiden sich in unserem Sprach­ ge­­­brauch unterschiedliche Bedeutungen. Die Begriffe Modell, Modulation, modern und Mode entstammen alle der gemeinsamen Sprachwurzel „m. d“, die ursprünglich

„messen“ bedeutet.

(Flusser 1993/2, S. 62)

Abgeleitet vom lateinischen modellus, kleines Maß, und vom italienischen modello, Muster, bezeichnen wir heute zwei Kategorien von Objekten als Modelle: dreidimensionale, vereinfachte und maßstäblich verkleinerte Darstellungen eines Gegenstandes, die einerseits in ähnlicher Weise wie eine Zeich­nung dazu dienen, dessen Form zu entwerfen, oder Objekte im Sinne eines Musters, die als Vorbild oder als Vorlage für ein herzuOben: Diagramm zur Modell-Original-Abbildung, unten links: Labyrinth-Zeichnung als Original, rechts: Graphenmodell der LabyrinthZeichnung, Herbert Stachowiak, 1973

stellendes Werk dienen. Ein und dasselbe Objekt kann also zwei grundsätzlich verschiedene Bedeutungen haben: Abbild innerer Vorstellungen oder Vorbild für etwas noch Herzustellendes zu sein.

Die Mehrdeutigkeit des Begriffs ist keine zufällige Unschärfe der Sprache. Die in ihr enthaltene Möglichkeit des willkürlich-leichtfüßigen Bedeutungs­ wechsels – vom vagen Abbild einer Entwurfsidee zum verbindlichen, detailliert ausgearbeiteten und gegebenenfalls schon sehr real wirkenden Vorbild für ein konkretes Bauwerk – ist eine Wirkungsweise, die allen Entwurfs­ werk­zeugen zugrunde liegt. Beim Modell jedoch überwindet dieser Bedeu­ tungs­wechsel vom Vagen zum Konkreten eine vergleichsweise große Diffe­ renz, wir können es daher als ein besonders wirkungsvolles Werkzeug betrachten. Während Vitruv das Entwerfen am Modell grundsätzlich ablehnt, weil damit vieles darstellbar sei, was sich in Wirklichkeit nicht realisieren lasse

(Vitruv X 16,3 ff.)

– ein Argument, mit dem alle repräsentierenden Dar­stellun­

gen abgelehnt werden müssten –, misst Leon Battista Alberti ihm einigen Wert bei. Entwurfsmodelle bezeichnet er mit einem lateinischen Doppel­

185

begriff: „modulus et exemplar“. Anstatt den zu seiner Zeit schon gebräuchlichen Ausdruck modello zu verwenden, der im Sinne eines genau nachzuahmenden Vorbilds gebraucht wird, führt er ein Begriffspaar ein, das die Mehrdeutigkeit dieses Entwurfswerkzeugs verdeutlicht. Modulus bezeichnet eigentlich den Maßstab oder das wiederkehrende Grundmaß (Modul), exem-

plar das Beispiel oder Vorbild. Mit diesen auf Vitruv zurückgehenden Ausdrücken betont Alberti, wie Werner Oechslin gezeigt hat, einerseits die

„theoretische Seite, die konzeptionelle geistige Natur der Architektur“, zum Anderen die Vorbildfunktion des Modells.

(Oechslin 1995, S. 40 ff.)

Wenn Otl Aicher kategorisch feststellt „entwerfen heißt, modelle zu konstruie-

ren“, meint er damit keinen der bisher genannten Modellbegriffe. Er versteht Modell zunächst ohne jeden Gedanken an einen dreidimensionalen Gegenstand als „eine konstruktion von aussagen, begriffen und begriffsoperati-

onen“.

(Aicher 1991/2, S. 195)

Damit bezieht er sich auf einen Modellbegriff, wie

er in den Wissenschaften etabliert ist. Diesen beschreibt Herbert Stachowiak in seiner Allgemeinen Modelltheorie anhand dreier Merkmale:

Abbildung: Modelle sind stets Modelle von etwas, Repräsentationen natürlicher oder künstlicher Originale, die selbst wieder Modelle sein können. Verkürzung: Modelle erfassen im allgemeinen nicht alle Attribute des durch sie repräsentierten Originals, sondern nur solche, die den jeweiligen Modellerschaffern und/oder Modellnutzern relevant erscheinen. Pragmatik: Modelle sind ihren Originalen nicht per se eindeutig zugeordnet. Sie sind für einen bestimmten Nutzer, innerhalb eines gegebenen Zeitraums und zu einem bestimmten Zweck hergestellt. (Stachowiak 1973, S. 131 ff.) BEZUG ZUR WIRKLICHKEIT

Die Mechanismen der Abstraktion und der maßstäblichen Verkleinerung hat das Architekturmodell mit der Zeichnung gemeinsam. Hinzu kommt die Räumlichkeit der Darstellung, welcher es seine besondere Anschaulichkeit verdankt, und die Möglichkeit, die Materialien zu dessen Herstellung frei zu wählen – im Gegensatz zu Mustern und Prototypen, die aus dem gleichen Material gefertigt werden, das auch zur Ausführung bestimmt ist.

Im Modell lassen sich Bauwerke mit einfachen, weichen Materialien darstellen, in deren Differenz gegenüber den wirklichen Baumaterialien sich die ideelle Reichweite dieses Entwurfswerkzeugs zeigt. Diese wird auch im

186

Unterschied zwischen Ideen-, Arbeits- und Präsentationsmodell deutlich. Während wir ersteres spontan aus allem zusammenfügen, was gerade zur Hand ist, und es wie im kindlichen Spiel mit neuen Bedeutungen versehen – ein Taschenrechner wird „im Handumdrehen“ zum Modell eines Bahnhofs –, wählen wir für Arbeitsmodelle billige, weiche Materialien wie Wachs, Ton oder Gips, später auch Karton, Klebstoff und Balsaholz, die ein leichtes Bearbeiten ermöglichen. Wo abstrakte Ideen- und ungenaue Arbeitsmodelle sich auf die wesentlichen Linien eines Entwurfs beschränken, werden Präsentationsmodelle mit großem Aufwand aus schwer zu bearbeitendem Material wie Holz, Kunststoff und Metall hergestellt und detailliert ausgearbeitet. Die Kombination all dieser Vorgehensweisen – Abstraktion, Ver­ kleinerung, Material- und Bedeutungswechsel – erlaubt Beobachtungen und Experimente, aber auch Manipulationen, die weit über die Möglichkeiten der Zeichnung hinausgehen. Deren Vorteil der größeren Genauigkeit und leichteren Reproduzierbarkeit wird durch die heutigen, von computergesteuerten Präzisionsfräsen gefertigten Modelle immer mehr ausgeglichen. Verschiedene Bedeutungsebenen können sich in ein und demselben Modell in einer Weise überlagern, die es zur Projektionsfläche für unterschiedlichste Vorstellungen werden lässt. Seine scheinbare Wirklichkeitsnähe macht das Modell zu einem Kommunikationsmittel, das auf den ersten Blick überzeugend wirkt, dessen Mehrdeutigkeit jedoch oft vernachlässigt wird. Das Abbildungsverhältnis von Modellen unterschiedlicher Größen ist kein lineares, sondern ein exponentielles: Ein Modell im Maßstab 1:2 ist zwar „halb so groß“ wie in Wirklichkeit, hat aber nur ein Achtel des Volumens. Schon im Maßstab 1:100 beträgt das Volumen nur noch ein Millionstel der wahren Größe. Somit ist gerade die Räumlichkeit von Architekturmodellen einem hohen Abstraktionsgrad unterworfen.

„Ein formgleiches Objekt aus gleichem Material bricht bei gleicher Belastung.“ Belastungsversuche am Modell, Frei Otto, 1989

Das Problem des Maßstabs hat Frei Otto genauer analysiert. Werden Modelle zu Belastungsversuchen verwendet, was vor der Entwicklung statischer Berechnungsverfahren ein Weg zur Dimensionierung von Bauteilen

187

war, so ist je nach statischem System von unterschiedlichen exponentiellen Verhältnissen auszugehen. Des Weiteren besagen die aus der Festigkeitslehre sich ergebenden Gesetze, dass, um die Tragfähigkeit zu überprüfen, die flächenbezogene „Gesamtlast im Modell gleich groß sein muss wie in der

Hauptausführung“.

(Otto 1989, S. 209)

Da im Modell durch die maßstäbliche

Verkleinerung bereits die Spannweiten proportional verringert sind, darf bei Belastungsversuchen die Gesamtlast pro Flächeneinheit nicht auf die gleiche maßstäbliche Weise reduziert werden wie die Dimensionen der Bauteile.

„Ein formgleiches Objekt aus gleichem Material bricht bei gleicher Belastung.“ (a.a.O.)

Aus diesem Grund ist die Belastung im Modell gegebenenfalls sogar

zu erhöhen, um das geringere Eigengewicht der Bauteile auszugleichen. Die Unkenntnis dieser Zusammenhänge kann, wie Frei Otto gezeigt hat, zu groben Fehleinschätzungen führen. Hierin mag die Skepsis mancher Architekten bezüglich dieses Entwurfswerkzeugs begründet sein. Die Anschaulichkeit von Modellen täuscht leicht über deren fiktiven bzw. Abbildcharakter und den hohen Abstraktionsgrad dieser Darstellungsform hinweg. Als in der Frührenaissance erstmals Entwurfsmodelle in definiertem Maßstab eingesetzt wurden, handelte es sich genau genommen um Prototypen in verkleinertem Maßstab, da sie nicht aus einem billigeren oder leichter zu bearbeitenden Material hergestellt, sondern wirklich aus Ziegeln gemauert wurden. Diese ersten Modelle entstanden in Florenz als Vorstudien zum Bau der Domkuppel. Ihre Funktion war nicht nur eine gestalterische, sondern an ihnen hat Filippo Brunelleschi auch Bauweise und Tragverhalten seines Entwurfs überprüft.

(Lepik 1995, S. 84 ff.)

Wettbewerbe und

öffentliche Diskussion machten die Anschaulichkeit der Darstellungen notwendig: Modell und Perspektive wurden fast gleichzeitig entwickelt, als Formen „diskursiver“ Entwurfswerkzeuge, die auch für Laien verständlich und zugänglich sind. Die Vieldeutigkeit des Modells, sein Spielzeug- oder Fetischcharakter, die Verbindung von Anschaulichkeit und günstigem Tragverhalten machen es zu einem besonders verführerischen Medium. Schon der italienische Renaissance-Architekt und Theoretiker Vincenzo Scamozzi verglich Modelle mit jungen Vögeln, deren Gattung noch kaum zu erkennen sei, die aber

sowohl zu Adlern als auch zu Raben heranwachsen könnten. Daraus schließt er, dass „es eine leichte Sache sei, unter der Decke des Modells die

Bauherren zu täuschen“.

(nach Oechslin 1995, S. 48)

Auch Alberti weist darauf hin,

„dass nämlich auf Glanz hergerichtete und sozusagen durch das Lockmittel der Malerei aufgeputzte Modelle vorzuweisen nicht das Vorgehen eines Architekten ist, der bestrebt ist, die Sache genau auseinander zu setzen, sondern eines selbstsüchtigen, der versucht, den Betrachtern die Augen auszuwischen“. (Alberti 1485, S. 69) Die von Alberti daraufhin aufgestellte Forderung gilt noch heute: „Deshalb

soll man keine kunstvoll ausgeführten, ausgefeilten, ins Auge fallenden, sondern schlichte und einfache Modelle machen, an denen du den Geist des Erfinders, nicht aber die Hand des Verfertigers bewunderst.“ (Alberti 1485, S. 69) Um so ernster ist dieser Hinweis zu nehmen, als Alberti das Modell als ein wichtiges Instru­ ment zur Abschätzung der Folgen von Entwurfsentscheidungen schätzt:

„Deshalb werde ich immer den Brauch der alten tüchtigen Baumeister gutheißen, nicht nur durch Pläne und Zeichnungen, sondern auch an der Hand von Modellen aus Holz oder was auch immer, das gesamte Bauwerk und die Maße jeden einzelnen Gliedes nach den Ratschlägen der gewiegtesten Fachleute immer und immer wieder genau abzuwägen.“ (a.a.O., S. 68) „Das Modell lügt!“ oder: „Die Perspektive verzerrt!“ oder: „Der Film manipuliert!“ sind Vorwürfe, die Entwerfende bis heute zu hören bekommen. Wie wir bereits bei der Analyse der Geste gesehen haben, sind wir hier mit einem grundlegenden Problem allen Entwerfens konfrontiert. Entwerfen ist in gewisser Weise „Lügen“– im Sinne des Darstellens von etwas, das es in Wirklichkeit noch nicht gibt und bei dem zunächst in Frage steht, ob es sich tatsächlich realisieren lassen wird. In diesem wesentlichen Punkt unterscheidet sich das Entwerfen vom Gestalten am konkreten Objekt. BEDEUTUNG DES MATERIALS

Von Peter Eisenmans frühen Werken spricht Jim Drobnick als „card-board-

Architektur“.

(Eisenman 1995, S. 320)

Auch Günter Behnisch hat immer wieder

hervorgehoben, wie sehr das beim Modellbau verwendete Material den Ent­wurf prägt. Wird ein weiches, formloses Material wie Ton oder Gips verwen­det, entstehe eine andere Formensprache, als wenn zum Beispiel schlanke Stäbe verwendet würden:

„Jede Stufe der Planung hat ihre Materialien und ihre Techniken. […] Pappmodelle lassen pappige, flächige, unkörperliche Häuser entstehen: aus Holzklötzchen wird eine Holzklötzchenarchitektur, und Plasteline zieht relativ freie plastische Gebilde nach sich.“ (Behnisch 1987, S 40) Indessen sind so unmittelbare Auswirkun­gen kaum nachzuweisen. Zwar hat jedes Material eine erkennbare Tendenz, ein zwingender Zusammenhang zwischen Bau- oder Modellbaumaterial und Formensprache existiert jedoch nicht. Im Gegenteil fühlen sich manche Entwerfer dazu herausgefordert, einem bestimmten Material einen anderen als den üblicherweise erwarteten Aus­druck abzuringen. Sie begreifen es als künstlerische Herausforderung seinem spezifischen Widerstand entgegen zu arbeiten, indem sie beispielsweise versuchen Stein weich oder Gips hart erscheinen zu lassen. Sicherlich ist es angebracht für jede Entwurfsaufgabe nach dem geeigneten Modell­bau­ material Ausschau zu halten. Behnisch berichtet:

„Der Entwurf für den Olympiapark in München wurde vorwiegend anhand eines Sand-Modells entwickelt. Dieser Sand entsprach am ehesten dem auf dem Gelände anstehenden tiefen Kies; am wenigsten vorgeprägt durch eigene Strukturen war er offen für landschaftliche Entwürfe.“ (Behnisch 1987, S. 40) Kuppel und Anbauten des Florentiner Doms, Arbeitsmodell im Maßstab 1:60 aus Holz, Filippo Brunelleschi und Lorenzo Ghiberti, um 1420

Fakultät für Architektur der Universität Porto (FAUP), Arbeitsmodell im Maßstab 1:50 (Ausschnitt) aus Finnpappe und Klebeband, Álvaro Siza, 1986–1995

Ton als das vermutlich erste und archetypische Modellbaumaterial – Modelle aus gebranntem Ton sind bereits aus vorgeschichtlicher Zeit erhalten – verweist auf die ursprüngliche Bedeutung des für Otl Aicher wie

190

Vilém Flusser so zentralen Begriffs des Machens und dessen etymologischen Ursprung im Kneten.

(siehe S. 88)

Bis heute prägt dieses knetbare Material die

Vorstellung, die sich manche Architekten vom Entwerfen machen. So benutzt Álvaro Siza Ton zwar in der Regel nicht zum Modell­bau, erklärt aber, dass er sich während des Entwerfens seine Gebäude wie aus einem Batzen Ton bestehend vorstelle, den er so lange verforme und an die unterschiedlichen Bedingungen anpasse, bis die endgültige Form gefunden sei. Michelangelo benutzte Tonmodelle um die Kuppel des Petersdoms zu entwerfen, und erst als die Form festgelegt war, wurde das heute noch erhaltene Holzmodell gebaut, mit dem er seinen Entwurf Papst Paul IV ­präsen­tierte. (Evers 1995, S. 385, S. 391)

Wettbewerbsmodell Anlagen und Bauten für die Olympischen Spiele in München, Günter Behnisch und Partner, 1967. Foto: Ewald Glasmann

Während in der heutigen Architekturausbildung Ton oder ähnliche gut formbare Materialien wie Plastilin oder Wachs beim Modellbau eher vernachlässigt werden, spielt dieses Material bei der Gestaltung vom Auto­

191

karosserien eine große Rolle. Dabei wird eine mit Kunststoffen modifizierte

Antike Modelle aus gebranntem Ton, die als Grabbeigabe verwendet wurden.

Tonmasse verwendet, die ein besser kontrollierbares Trocknungs- und Schwindungsverhalten als reiner Ton hat. Im Gegensatz zum formlosen – und deshalb jede Form ermöglichenden – Ton ist in industriell vorgefertigten Halbzeugen wie Pappe, Karton, Holz- oder Metallstäben eine bestimmte Geometrie schon in das Ausgangsmaterial einbeschrieben. In den Flächen und Linien des beschnittenen Kartons, die das Tragverhalten von Beton­ scheiben abbilden, ist diese Geometrie ebenso unterschwellig präsent wie in den Linien der Stäbe, die Holzbalken oder Stahlträger darstellen. Im Modell besonders schwer darstellbar ist das Material Glas, dessen Glanz und Reflexion, dessen unterschiedliche Durchsichtigkeit und Farbtönung bei Licht und Gegenlicht mit Modellbaumaterial kaum zu erreichen ist. Der Widerstand, den ein gewähltes Material dem Entwerfenden entgegensetzt, kann als Mittel der Disziplinierung, aber auch als constraint aufgefasst werden – als selbst auferlegte, die eigene Kreativität stimulierende Beschränkung, die es in sportlicher Weise zu überwinden gilt. Den Wider­ stand des jeweiligen Materials zu spüren und zu überwinden ist ein sinnli­ ches Erlebnis, das naturgemäß bei jedem Material anders erfahren wird.

Beim Entwerfen von Autokarosserien wird mit Tonmodellen in natürlicher Größe gearbeitet.

Die Fähigkeit, in Gedanken „in ein Modell hineinzukriechen“, um sich das, was man als Modell vor sich hat, in voller Größe vorzustellen, kann trainiert werden, indem man sich selbst als „Modell“ im gleichen Maßstab wie das gegebene baut oder – erstaunlicherweise – indem man Modelle durch ein Blatt weißes Papier mit einem Guckloch betrachtet. Das Fühlen und Begreifen, das mit den Fingern Wahrnehmen und mit dem Schneidemesser Denken ermöglicht es, auf unmittelbare Weise die Eigenschaften der Mate­rialien kennen zu lernen, ihre Formensprache zu erkunden, aber auch die Tragfähigkeit einer Struktur beurteilen oder Schwierigkeiten des Fügens frühzeitig zu erkennen. Angesichts der Komplexität dieser Fragestellungen erweist sich nochmals, dass der von manchen als handwerklich und banal verschmähte Modellbau sehr wohl im Sinne Albertis als geistige Disziplin zu verstehen ist. Als solche wurde sie beispielsweise von dem holländischen, in Israel lebenden Modellbauer Paul Verberne gelehrt. Für ihn ist das Schneiden eines Materials eine symbolische Handlung, die er mit dem Schreiben gleichsetzt. Modellbau heißt für ihn herauszufinden, „wie weit die

Modellbau. Foto: Marianne Kirsten

Materialisierung des Raumes im Modell einwirkt auf das Denken des Raumes, den man baut“. (nach Schaerf 2002, S. 168 f.) Durch die Digitalisierung des Modells wie des Modellbaus gehen die

193

sinnlichen Erfahrungen von Material und Raum verloren, ebenso die Erfahrung der Unmittelbarkeit, mit der sich halbfertige Modelle manipulieren lassen. Solange sie digital bleiben, sind 3D-Modelle auf dem Bildschirm nur als einzelne, flache Perspektiven sichtbar, die frei wählbar sind, aber ­keinen echten Raumeindruck wiedergeben., ein Manko, das durch die Verwendung von 3D-Brillen leicht zu beheben ist. Für das Rapid Prototyping stehen heute viele Arten von Lasercuttern, CNC-Fräsen und 3D-Druckern zur Verfügung, welche die Digitalisierung des Modellbaus mit hoher Präzision ermöglichen. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Schmal, Peter Cachola; Elser, Oliver (Hg.) (2012): Das Architekturmodell: Werkzeug, Fetisch, kleine Utopie / The Architectural Model: Tool, Fetish, Small Utopia. (Ausstellungskatalog Deutsches Architektur Museum Frankfurt a. M.), Zürich: Scheidegger & Spiess, 2012 Mindrup, Matthew (2019): The Architectural Model. Histories of the Miniature and the Prototype, the Exemplar and the Muse. Cambridge, Mass.: The MIT Press, 2019 Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 380.

Perspektive … der Endzweck der Geographie [liegt] in der Betrachtung des Ganzen. Claudius Ptolemäus (nach Edgerton 1975, S. 101)

Perspektivische Abbildungen sind uns heute so selbstverständlich, dass nicht selten das Bedürfnis geäußert wird, sich gegen die „Herrschaft der Linearperspektive“ (Rudolf Arnheim) zur Wehr zu setzen. Was leistet die Linearperspektive als Werkzeug des Entwerfens? Mehr noch als das Modell wird sie von vielen Architekten als ein Mittel verstanden, den abgeschlossenen Entwurf zu präsentieren, und nicht als ein Werkzeug, ihn zu erarbeiten. Die Annahme, es handle sich um eine realistische räumliche Darstellungs­weise, deren Problem lediglich darin bestünde, ob alle Punkte der Konstruk­tion noch auf den Zeichentisch passen, ist sicherlich zu einfach. Für andere Architekten wird die Perspektive – in Form schnell hingeworfener, handgroßer Skizzen oder als großformatige Zeichnung – zum wichtigsten Arbeits­mittel. Deren Frage lautet vielmehr: Wie zeigt die Perspektive dem Ent­werfenden seinen Entwurf? Was ermöglicht sie Neues, welche Momente der Architektur verstärkt sie, und welche schwächt sie ab? Jedes Werkzeug führt, seiner Wirkungsweise entsprechend, zur Betonung einiger Aspekte und zur Vernachlässigung anderer. Die Zeichnung fragt nach Maß und Geometrie, die Perspektive nach dem individuellen Beob­ achter und der räumlichen Wirkung. Indem sie die Zeichenfläche zum Bildraum macht und damit zum Urbild virtuellen Raums wird, leistet sie etwas grundsätzlich anderes als die auf zwei Dimensionen beschränkte Architekturzeichnung. Die Geschichte ihrer Wiederentdeckung enthält zahlreiche Hinweise auf ihre Bedeutung als Entwurfswerkzeug. Der lateinische Begriff perspectiva (ars), wörtlich übersetzt mit „hindurchbli-

ckende (Kunst)“, bezeichnete im Mittelalter allgemein die Optik, die „Lehre vom Sehen“, die an allen großen Universitäten gelesen wurde. Erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde er im heutigen Sinne für Darstel­lungen illusionären Raums verwendet.

(Edgerton 1975, S. 59)

Die Entwicklung dieser

geometrisch nachvollziehbaren Darstellung von Räumen und räumlichen Gegenständen auf einer ebenen Bildfläche fällt in die Zeit des Übergangs von der aristotelischen Raumvorstellung des Mittelalters zum Raum der Neuzeit: des Übergangs von der Vorstellung eines endlichen Raums, der von Orten unterschiedlicher Qualitäten geprägt ist und in dem es keine

195

Die Prinzipien der perspektivischen Projektion, aus: Daniel Fournier: A Treatise on the Theory of Perspective, 1761

Leere gibt, zum Raum als „ein Kontinuum von unendlichen Dimensionen“, „als ein

unbewegliches Leeres, das zur Aufnahme von Materie bereit ist“, wie der jüdische Philosoph Chasdai Crescas um 1400 formulierte.

(nach Gosztonyi 1976, S. 197)

DIE ENTDECKUNG DER WELT

Die (Wieder-?) Entdeckung der Linearperspektive wird dem Florentiner Goldschmiedemeister und Architekten Filippo Brunelleschi zugeschrieben, der in den Jahren 1425/26 zwei Experimente zur perspektivischen Abbildung des dreidimensionalen Raums auf einer zwei­­dimensionalen Ebene durchführte. Bei diesen konnte er auf künstlerische und optische Versuche zurückgreifen, die im Verlauf des 14. Jahrhunderts gemacht wurden. Maler wie Lorenzo Ghiberti und Jan van Eyck waren der Lösung des Problems schon sehr nahe gekommen. In ihren Gemälden verwendeten sie bereits Flucht­ punkte, mehrere allerdings, die auf einer gemeinsamen Achse angeordnet waren.

Brunelleschis Versuchsanordnung: Durch ein Loch in der Mitte der perspektivischen Zeichnung wird diese in einem Spiegel betrachtet.

Bei der Vorbereitung seiner Experimente wurde Brunelleschi, so vermutet Edgerton, von einem Florentiner Gelehrten namens Toscanelli beraten, der später auch Christoph Kolumbus zu seiner großen Reise über den Atlantik

196

ermutigte. Dies zeigt den tiefgreifenden Wandel, den die neue Raumvor­ stellung nicht nur in der Kunst, sondern in vielen anderen Gebieten auslöste. Dabei sahen Brunelleschis Experimente recht einfach aus. In der Tür des Florentiner Doms stehend malte er auf eine quadratische Tafel eine zentralperspektivische Ansicht des Baptisteriums, an Stelle des Himmels jedoch fügte er spiegelnde Silberfolien ein. Um Original und Abbild genau miteinander vergleichen zu können, bohrte er auf Augenhöhe ein kleines Loch in sein Gemälde. Durch dieses Loch blickend konnte man nun in einem zweiten Spiegel ein gemaltes, perspektivisches Abbild betrachten, über dem sich der wirkliche Himmel mit seinen Wolken spiegelte. Ein zweites Bild malte er vom Palazzo Vecchio, den er über Eck zeigt, als Perspektive mit zwei Fluchtpunkten. Die theoretischen Grundlagen der linearen Zentralperspektive hat schließlich Leon Battista Alberti 1435 in seinem Buch De Pictura („Über die Malkunst“) beschrieben. Ausgehend von der Vorstellung einer aus Sehstrahlen gebildeten „Sehpyramide“, deren Spitze sich im Auge des Betrachters befindet, definiert Alberti die Perspektive als „Schnitt durch die

Sehpyramide“. Die Spitze der Sehpyramide spiegelt sich im Fluchtpunkt der Perspektive. Der Zentralstrahl oder „der Fürst der Strahlen“, wie Alberti ihn an anderer Stelle nennt, ist der einzige Strahl, welcher ungebrochen vom Auge des Betrachters zum Fluchtpunkt geht. Die durch den Fluchtpunkt gezogene Horizontale wird zum Horizont des Bildraums. Der Augenpunkt,

„die Spitze der Sehpyramide im Auge des Betrachters“, wird in einer Hilfs­ zeichnung in der Seitenansicht dargestellt und in dieser zum Distanzpunkt der Konstruktion. Die „Schnittfläche durch die Sehpyramide“ wird zur Bild­ ebene, ihre Position zwischen dargestelltem Gegenstand und Distanzpunkt kann frei gewählt werden. An ihren Schnittpunkten mit den Sehstrahlen ­lassen sich nun die Positionen der horizontalen Teilungen ablesen. Doch Alberti geht noch weiter. Im Libro Secondo von Della Pittura beschreibt er ein zweites, einfaches und pragmatisches Hilfsmittel zum Zeichnen von Perspektiven, das ebenfalls auf der Definition des Bildes als „Schnittfläche durch die Sehpyramide“ basiert und das es ermöglicht, Perspektiven nach der Natur zu zeichnen und damit deren geometrische

197

Albertis Methode zur Konstruktion einer Perspektive von einem Fußboden mit quadratischem Fliesenmuster

Konstruktion, die „Theorie“ empirisch zu überprüfen. Alberti nennt dieses einfache Gerät velo oder velum (lat. Tuch, Segel) und ergänzt, dass er dies in seinem Freundeskreis auch als „Schnittfläche" (lat. intercisio) zu bezeichnen pflege. Dieses Hilfsmittel, dessen erste bildliche Darstellung Albrecht Dürer 1538 veröffentlichte, schildert Alberti wie folgt:

„Es ist ein hauchdünnes Tuch aus losem Gewebe, nach Belieben gefärbt, und mit etwas dickeren Fäden in eine beliebige Anzahl von Parallelen unterteilt. Dieses velum stelle ich zwischen das Auge und den gesehenen Gegenstand, und zwar so, dass die Sehpyramide das lose Gewebe des Tuches durchdringt.“ (Alberti 1540, Abs. 31) Von dem in den halbtransparenten Schleier eingewobenen Gitternetz lassen sich die Formen und Linien durch einfaches Messen auf die mit einem gleichen Netz überzogene Zeichenfläche übertragen. Es ist ein wirksames Hilfs­ mittel zur Wahrnehmung perspektivischer Verkürzungen und Verzerrungen. Ein Rechteck wird in der Schrägansicht zu einem perspektivisch verkürzten unregelmäßigen Parallelogramm, einem Trapezoid, und ein Kreis wird zur Ellipse. Unsere visuelle Wahrnehmung ist so strukturiert, dass wir zwar ein Trapezoid oder eine Ellipse sehen, sie aber zunächst als Rechteck oder als Kreis wahrnehmen. Dies wird deutlich, wenn Kinder oder untrainierte Erwachsene versuchen eine räumliche Situation zu zeichnen. Das velum ist ein Hilfsmittel, das es erleichtert, von der wahrgenommenen Form zu abstrahieren und die Schwierigkeiten zu meistern, die darin liegen, unseren Wahrnehmungsapparat zu überlisten und perspektivische Verkürzungen und Verzerrungen als solche zu erkennen. Umgekehrt ist auch das Lesen einer

perspektivischen Raumillusion nicht naturgegeben, sondern muss gelernt werden. Kinder bis zum Alter von acht bis zwölf Jahren und Erwachsene aus bestimmten Kulturkreisen sind nicht in der Lage, die räumliche Illusion einer

198

Perspektive zu erkennen.

(Gosztonyi 1976, S. 809)

In der Zeichenausbildung wird

das Velum bis heute verwendet. Eine vereinfachte Anwendung des Prinzips ist das von vielen Zeichnern praktizierte Messen und Visieren mit dem Zeichenstift am ausgestreckten Arm. Mit dieser Methode lassen sich Winkel und Proportionen problemlos abnehmen und auf die Zeichenfläche übertragen.

(Edwards 1979, Kap. 8)

Albrecht Dürer (Werkstatt): Der Zeichner des liegenden Weibes, 1538, veranschaulicht den Gebrauch des velum.

Mit der Zentralperspektive war eine entscheidende Entdeckung der Neuzeit gemacht. Sie formulierte allgemeingültige, empirisch fundierte Regeln, die jedem, der sie anwandte, die Darstellung räumlicher Zusammen­hänge erlaubten. Das perspektivische Sehen wurde zur Grundlage einer vollkommen neuen Auffassung von Raum und Landschaft, die prägend war für Kunst, Architektur und Wissenschaft der folgenden Jahrhunderte. Im Prinzip der Perspektive sind, mit Ausnahme des fotochemischen Abbildungsverfahrens, bereits alle wesentlichen Elemente der Fotografie enthalten. In Verbindung mit den nach 1400 in Deutschland aufkommenden Holzschnitten und der um 1440 entwickelten Technik des Kupferstechens werden perspektivische Darstellungen zum ersten weitverbreiteten Bild­ medium.

(Klotz 1997, S. 182 ff.)

In den Stichen und Gemälden des 17. und

18. Jahr­hunderts erreichen die Abbildungen bereits eine Genauigkeit der Darstellung von Licht und Raum, von Struktur und Proportion, die, zumindest was die Architektur anbelangt, der von Fotografien kaum nachsteht.

199

Vor deren Erfindung durch Talbot und Daguerre werden die Abbildungen zwar noch manuell hergestellt, doch wurde bereits von Leonardo da Vinci ein Vorgänger des Fotoapparats, die Camera Obscura, als Hilfsmittel benutzt. Aus dieser Sicht war die Erfindung der Fotografie lediglich ein weiterer Schritt zur Automatisierung des Abbildungsprozesses, der über die Kinematographie bis zu den heutigen Videokameras geführt hat. AMBIVALENTER REALISMUS

Die Perspektive integriert die geometrisch-abstrakten Informationen von Grundriss, Ansicht und Schnitt und übersetzt sie in eine anschauliche räumliche Darstellung. Dabei geht sie nach präzisen, für jedermann nachvollziehbaren Regeln vor. Die wesentliche Neuerung der Perspektive ist eine Darstellung räumlicher Zusammenhänge, die alle Elemente auf ein einheitliches dreidimensionales System bezieht.

„Die Stärke eines Gitternetz-Meßsystems besteht in seiner Fähigkeit, ein abstraktes, von einem unabänderlichen Rahmen aus horizontalen und vertikalen Koordinaten geregeltes Bild des Raumes zu geben.“ (Edgerton 1975, S. 103) Als Werkzeug zur Rationalisierung des Raumes bereitet es den Weg für das cartesianische System dreier senkrecht zueinander stehender, sich in einem Punkt schneidender Koordinatenachsen. Als geometrisches Instrument erzeugt die Perspektive eine Tiefenillusion, die es ermöglicht, die Kontinuität und die Unendlichkeit des Raumes darstellen. Das in der Ptolemäischen Projektionsmethode angelegte Ziel, die Welt als Ganzes zu zeigen, lässt sich in der Perspektive verwirklichen. Um diese Raumillusion wahrnehmen zu können muss der Betrachter von der gezeichneten oder bemalten Oberfläche des Bildes absehen, und er muss den ihm zugedachten Standort einnehmen. Es gilt zu beachten, „dass

kein gemalter Gegenstand wie der echte aussehen wird, wenn nicht ein bestimmter Abstand beim Betrachten eingehalten wird“. (Alberti 1540, Abs. 19) Der Betrachter wird dafür mit dem Eindruck belohnt, er sei in den Bildraum mit einbezogen, stünde auf demselben Boden wie die dargestellte Szenerie. Wie kein anderes Medium etabliert die Perspektive einen direkten Bezug zwischen

dargestelltem Raum und dem Körper des Betrachters. Sie erzeugt einen Bildraum, den ein eigentümlicher Sog kennzeichnet, eine dynamische Bewegung in die Tiefe des Raums. Der Genauigkeit in der Darstellung

201

räumlicher Zusammenhänge steht eine Verkürzung aller Linien gegenüber, die nicht parallel zur Bildebene liegen; je nach Standort kann sie auch dem ruhigsten Raum einen dynamischen Ausdruck geben. Die räumliche Dynamik der Perspektive verweist darauf, dass unsere Raumerfahrung mit Bewegung verbunden ist, und mit diesem Verweis auf die räumliche Bewegung zeigt die Perspektive auf das Andere, auf die im gewählten Ausschnitt gerade nicht dargestellten Bereiche. Damit fördert sie eine ganzheitliche Sicht der Welt, die zugleich auf den individuellen Blick­ punkt eines subjektiven Beobachters bezogen ist. Dabei lassen sich Details auf besondere Art darstellen, weil perspektivische Darstellungen die unterschiedlichen Tiefenebenen eines Raumes mit gleicher Schärfe auf einer einzigen Ebene abbilden, und zwar auch in jenen Fällen, wo dies weder das Auge noch die Fotografie leisten könnten. Dennoch tendiert die Perspektive, anders als die Zeichnung oder die Isometrie, zu einer ganzheitlichen, den Kontext einbeziehenden Wirkung. Ihre zweifache Funktionsweise einer theoretisch-mathematischen Bildkonstruktion einerseits und einer praktischkünstlerischen Abbildung räumlicher Zusammenhänge andererseits ermöglicht einen suggestiven Realismus ebenso wie vollkommen illusionistische Darstellungen. Die eigentümliche Spannung der Perspektive entsteht aus der Frage, inwieweit das als realistisch Dargestellte in Wirklichkeit wahr oder unwahr ist. In dieser Zweiwertigkeit liegen die großen Möglichkeiten wie auch die Gefahren des Mediums. Jedes Werkzeug hat seine Vor- und Nachteile, doch bei der Perspektive, die Erwin Panofsky als ein „zweischneidiges Schwert“ (Panofsky 1927)

bezeichnet, liegen die Dinge etwas komplizierter. Zeichnungen

wie Grundriss, Ansicht oder Schnitt folgen einer eindeutigen Verweis­struk­ tur, die auf immer gleiche Weise Abbildungen eines Gebäudes erzeugt. Das Abbildungsverhältnis der Perspektive dagegen wird von drei Faktoren bestimmt: zunächst durch die Wahl des Standpunkts des Betrachters (Augen­punkt), dann durch dessen Blickrichtung, welche die Position des Fluchtpunkts definiert, und schließlich durch die Wahl des Distanzpunkts, der die Entfernungen zwischen Augenpunkt, Bildebene und dargestelltem Objekt festlegt. Alle drei Operationen sind für den Betrachter des fertigen

Giovanni Battista Piranesi: Carceri d’Invenzione, Tafel XIII, Der Ziehbrunnen, Zweite Fassung, ca. 1761 (Ausschnitt)

Bildes nicht ohne weiteres nachvollziehbar, haben aber großen Einfluss auf die Darstellung. Die Verschiebung des Distanzpunkts führt, ähnlich wie die veränderte Brennweite eines Objektivs, sowohl zu einem anderen

202

Öffnungswinkel als auch zu einem anderen Eindruck der Raumtiefe. Nur selten entspricht eine Perspektive dem menschlichen Sehwinkel von 180° in horizontaler und 120° vertikaler Richtung. Hinzu kommt noch die Wahl des Zeit­punkts, welche den Lichteinfall und die Position eventuell dargestellter Personen bestimmt. Die Perspektive zwingt den Betrachter, eine Situation aus dem Blickwinkel und der Distanz, zu demjenigen Zeitpunkt und bei derjenigen Belichtung wahrzunehmen, die ihr Verfasser gewählt hat. Sie ist somit der Entwurf einer genau bestimmten Wahrnehmung.

Obere Halle der Neuen Nationalgalerie Berlin, mit der Installation „OH“ von Jenny Holzer, diagonal und parallel zum Raster gesehen

Diese vierfache „Undurchschaubarkeit“ der Perspektive ist um so mehr zu bedenken, als ihr geometrisches Prinzip auch Fotografie, Film und Video zugrunde liegt, somit unseren wichtigsten Medien visueller Kommunikation. Die Perspektive ist, wie alle diese Präsentationsformen, ein Medium von großer Ausdruckskraft, das die Welt mit „wissenschaftlicher“ Präzision abbildet, aber gerade deswegen auch überzeugende Illusionen vermitteln kann. In ihrer Synthese erzeugt sie Darstellungen von hoher Komplexität, die vom Betrachter nicht mehr als geometrische Konstruktion gesehen und damit analytisch und rational gelesen werden können, sondern sie werden als

Bilder aufgefasst, die unser Wahrnehmungsapparat zunächst ganzheitlich und emotional verarbeitet. Aufgrund ihrer Anschaulichkeit und ihrer direkten emotionalen Wirkung können diese Bilder äußerst suggestiv sein.

203 PERSPEKTIVE ALS HALTUNG

Durch diese mehrfach wählbaren Optionen wird die Perspektive zu einem höchst flexiblen Werkzeug, das seit seiner Entdeckung ganz unterschiedlichen Zwecken diente. Während die Renaissance seinen rationalen, objektiven, statischen Charakter betonte, taten die Künstler und Architekten des Barock das genaue Gegenteil. Sie nutzten insbesondere die illusionistischen Möglichkeiten des Mediums, seine Dynamik, seinen emotionalen Gehalt.

Neubau der Fakultät für Architektur der Universität Porto (FAUP), Perspektive, Álvaro Siza, 1986–1995

Das strenge, die cartesianische Raumvorstellung übernehmende Gitternetz der Perspektive und die dadurch ermöglichte Präzision der Raumwahr­ nehmung bildeten die Folie, vor der die Raumkonzepte des Barock erst denkbar wurden. Die Perspektive kann immer nur einen einzigen Blick darstellen. Sie ist damit an eine Grundbedingung menschlicher Existenz gebunden und zwingt ihren Verfasser, sich mit dem Betrachter und dessen Standort auseinander zu setzen. Zwar hat er die freie Wahl, ob er eine Frosch-, Fußgänger- oder Vogelperspektive darstellt, doch diese Wahl hat Folgen: Sie definiert die Be­­­

ziehung des Betrachters zur dargestellten Situation. In der Vogelperspek­­tive wird er zum alles überschauenden, über allem stehenden Herrn der Situation, in der Untersicht zu deren wehrlosem Bewunderer. Die Fuß­

204

gängerperspektive macht ihn, je nach Standort, zum unbeteiligten Zaungast oder zum Protagonisten, auf den sich die gesamte Situation bezieht. Vor allem aber kann sie den Raum aus der Sicht des individuellen Nutzers zeigen. Dabei bleibt die Relativität eines jeden gewählten Standpunkts spürbar. Die Utopien, deren Darstellung sie gerade durch ihren Realismus ermöglicht, stellt sie zugleich in Frage. Jede Perspektive erhebt den Anspruch, sich auf die Realität des visuellen Raums zu beziehen, und noch die utopischste Darstellung wird in ihrer Plausibilität an diesem Realitätsbezug gemessen. Ihre Darstellungsweise mag von abstrakt bis fotorealistisch variieren, doch anders als in der Zeichnung bleibt der Abstraktionsgrad einer Perspektive aufgrund ihres Realitätsbezugs grundsätzlich erkennbar. Während die Zeichnung von der abstrakten Linie ausgeht, geht die Perspektive von der konkreten visuellen Wahrnehmung aus. Daher wirken abstrakt gehaltene Zeichnungen viel selbstverständlicher als stark abstrahierte Perspektiven. Im Gegensatz zur Zeichnung, die von vorne herein abstrakt ist, problematisiert die vom Konkreten ausgehende Perspektive jede Abstraktion. Abstraktes wirkt deshalb in der Perspektive stärker als in einer Zeichnung. Sowohl als Mittel der Wahrnehmung wie als Werkzeug der Darstellung können wir bei der Perspektive eindeutige Tendenzen feststellen. Als „perspektivistisch“ lässt sich eine Architektur bezeichnen, die unter bevorzugter Verwendung der Perspektive – sei es in Form von Skizzen, von konstruierten Zeichnungen oder von Fotomontagen – entworfen wird und die von diesem Entwurfswerkzeug verstärkten Momente thematisiert. Ebenso wie Fotografie, Film und Video tendiert die Perspektive vom Abstrakten zum Konkreten,

Ein Raum, der perspektivische Sehgewohnheiten in Frage stellt: Treppe im Foyer der Casa da Música in Porto, OMA/Rem Koolhaas, 1999–2005

vom Statischen zum Dynamischen, von der Oberfläche zum Raum, vom Objekt zum Kontext, vom allgemeinen zum individuellen Betrachter, vom Utopischen zum Realistischen, von der analytisch-rationalen Vereinfachung

205

zu einer ganzheitlichen, komplexen und emotionalen Wahr­nehmung. Kein Wunder also, dass die Perspektive von all jenen Richtungen, denen diese Tendenzen zuwider liefen, diffamiert und bekämpft wurde. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Perspektive seitens der klassischen Moderne vielerlei Angriffen ausgesetzt. Als ein Werkzeug des Human­ismus und des Absolutismus abgelehnt, als subjektiv und irrational verschrien wurde (und wird) sie teilweise sogar bei Architekturwett­bewerben verboten. In der Malerei wurde die Dominanz des perspektivischen Blicks unter anderem von Cézanne und in der Folge von Picasso und Braque in Frage gestellt:

„Die wissenschaftliche Lehre von der Perspektive ist nichts anderes als augentäuschender Illusionismus […] der es einem Künstler unmöglich macht, die ungetrübte Erfahrung des Raumes zu vermitteln, seit man die Gegenstände in ein Bild gepresst hat, damit sie den Betrachter fliehen, statt ihn mit sich zu konfrontieren, wie es die Aufgabe der Malerei wäre.“ (Braque, nach Richardson 1996, S. 109) Die Architekten von De Stijl und des Bauhauses bevorzugten die sachlicher erscheinende Axonometrie und Isometrie, die nur die Winkel der abgebildeten Körper verändern, aber ohne perspektivische Verzerrung der Längen auskommen. Zu prüfen wäre aber, wieweit wir gerade dem a-perspektivischen Denken der Moderne eine Unzahl autistischer, weder die gebaute Nach­barschaft noch die umgebende Natur mitbedenkender Entwürfe verdanken, die heute nicht nur die Peripherie unserer Städte prägen. Die Diskussion der Postmoderne führte zu einer Neubewertung der Perspektive, die durch die Arbeiten von Samuel Edgerton (1975) und David C. Lindberg (1976) eingeleitet wurde. Eine Position, die wiederum von Otl Aicher vehement kritisiert wurde:

„Es war ein folgenschwerer Trugschluss zu glauben, das Auge sähe wie ein Fotoapparat, zu glauben, wir lebten in einer perspektivistischen Welt. Die Folge war, die Welt als Summe von Oberflächen zu verstehen, als eine Totale, die mir nichts als nur Ansichten entgegenhält. Die Folge war eine Kultur der Fassade, der Repräsentation, der Show, der Wirkung nach außen.“ (Aicher 1986, S. 16)

Zwar ist die Perspektive seit Beginn des 20. Jahrhunderts nicht länger das beherrschende Prinzip der Darstellung, aber in Form technisch produzierter Bilder – Foto­grafien, Filme, Fernsehbilder, Videos, Computer­­animationen –

206

ist sie heute mehr denn je die unbestrittene Grundlage unserer visuellen Kom­muni­kation. Die hohe Manipu­lier­barkeit perspektivischer Darstellungen begründet die Ablehnung, die sie in vielen Zusammenhängen erfahren haben. Ein Widerstand, den das Werkzeug den Entwerfenden entgegensetzt, ist die Unbeweg­lichkeit des einmal gewählten Standpunktes, die nicht nur den Betrachter, sondern auch den Verfasser einer Perspek­­tive einschränkt und festlegt. Die Digitalisie­rung erleichtert inzwischen das Erstellen von Perspek­tiven ungemein. Ausgehend von digitalen 3D-Modellen lassen sich vielerlei Blickrichtungen schnell ausprobieren. Die Entwerfenden sind nicht mehr auf einen einmal gewählten Standpunkt festgelegt; Aughöhe, Brenn­ weite, Stand­punkt und Blickrichtung sind nun frei beweglich und mit einem Hand­griff zu verändern. Aufwändige Renderings erreichen die Qualität foto­realistischer Simulationen, die jede Oberflächenstruktur und jede Lichtquelle mit all ihren Schatten und Reflexionen darzustellen vermögen. Die Digitali­sie­rung hat damit in wenigen Jahren die Sehgewohnheiten völlig verändert. Aus handgezeichneten Perspektiven wurden perfekt anmutende Simula­tionen, oft auch Kombi­nationen von Fotomontagen und Simulationen, die nicht mehr „gemacht“, nicht mehr wie das Ergebnis einer künstlerischen Bemühung wirken, sondern so selbstverständlich und überzeugend sein wollen wie Fotografien, von denen sie in den besten Fällen im Nachhinein kaum noch zu unterscheiden sind. Diese haben indes viel von ihrer Glaub­würdigkeit eingebüßt.

Inszenierung einer Perspektive: Fenster im Museum Serralves in Porto, Álvaro Siza, 1991–1999

Foto, Film, Video Langsam wird uns bewusst, dass wir mit der Kamera nicht nur Wirklichkeit aufnehmen können, sondern dass man Wirklichkeit auch erst erschaffen kann. Neil French (nach Vaske, 2001, S. 112)

Während die bisher vorgestellten Werkzeuge vorrangig als Werkzeuge des Ausdrucks innerer Vorstellungen eingesetzt werden, wird die Fotografie fast ausschließlich als Werkzeug der Wahrnehmung aufgefasst. Obwohl sie heute eines der wichtigsten Kommunikationsmittel darstellt und durch die Mög­ lich­­­­keiten digitaler Bildbearbeitung auch zu einem machtvollen Werkzeug zur Darstellung von Entwurfsideen geworden ist, werden die Potenziale der Fotografie von Entwerfenden wenig reflektiert. Ihre Wirkungsweise scheint einfach und offensichtlich zu sein. Tatsächlich aber ist das Wissen um die Möglichkeiten dieses Werkzeugs von alltäglichen Gewohnheiten verdeckt. Die Gründe dafür liegen in der Geschichte seiner Entstehung und im alltäglichen Umgang mit Fotografien, die wider besseres Wissen intuitiv als beweiskräftiges, wahrheitsgetreues Abbild der Realität aufgefasst werden. Die Fotografie als eine mit technischen Mitteln erzeugte Perspektive geht auf die Camera Obscura zurück, ein Hilfsmittel, das zum Zeichnen von Perspektiven nach der Natur benutzt wurde. Alles, was als Wirkungsweise des Entwurfswerkzeugs der Perspektive beschrieben wurde, insbesondere die vielfältigen, für den Betrachter nur schwer durchschaubaren Manipula­ tions­­­möglichkeiten der Perspektive, gilt von daher auch für die „automatisch“ erzeugten, technischen Bilder der Fotografie, des Films, des Fern­sehens und des Video. Am Anfang des Fotografierens stand der Wunsch, sich die mühsame und dennoch oft unbefriedigende Zeichenarbeit zu ersparen. „Fotorealistische“ Darstellungen dagegen hat es lange vor der Fotografie gegeben, auch wenn die Entwicklung der Fotografie auf der Grundlage fotochemischer Prozesse im 19. Jahrhundert als epochaler Durchbruch begrüßt wurde. Die minutiösen Aquarelle eines Albrecht Dürer oder die glanzvollen Stilleben der niederländischen Maler des 16. und 17. Jahrhunderts zeigen, dass eine Eine Version der Camera Obscura, die das einfallende Licht auf eine Mattscheibe an der Oberseite des Kastens reflektiert. International Museum of Photography, The George Eastman House, Rochester, New York

Eines der ersten mit einer Kamera aufgenommen Negative: William Henry Fox Talbot: Looking up to the Summit of Sharington’s Tower at Lacock Abbey, Negativ auf Papier, mit dem Pinsel aufgetragene, lichtempfindliche Silbernitiratlösung, 10,5 x 11,7 cm, vermutlich Sommer 1835. International Museum of Photography, The George Eastman House, Rochester, New York (74:047:32)

perspektivische, Form, Licht und Details getreu darstellende Sehweise bereits seit der Renaissance etabliert war. VOM ABBILD ZUM VORBILD

Wenn wir im „Kreislauf des Entwerfens“ die Wahrnehmung als einen wesent­ lichen, immer wiederkehrenden Schritt begreifen, wird klar, dass auch die lediglich abbildende Funktion von Werkzeugen eine große Bedeutung hat. Auch für Entwerfende ist die deskriptiv-abbildende die wichtigste und im Gebrauch vorherrschende Funktion der Fotografie. Wie Rolf Sachsse in

seiner breit angelegten Studie Bild und Bau – Zur Nutzung technischer Medien

beim Entwerfen von Architektur

(Sachsse 1997)

darlegt, machten Architekten bald

nach der technischen Entdeckung regen Gebrauch von der Fotografie, vor-

209

wiegend um Bestehendes zu dokumentieren. Sie legten Sammlungen und Archive an, deren Fundus die Vorlagenwerke und Zeich­nungsmappen des 19. Jahrhunderts ergänzten und ersetzten. Architek­tur­fotografie diente der Analyse von Formen (später auch von Farben), Struk­turen und Typologien, der Dokumentation historischer und zeitgenössischer Vorbilder ebenso wie des eigenen Schaffens. Aufgrund ihrer unbegrenzten Reproduzierbarkeit wurde sie bald zu einem zentralen Mittel der Kom­munikation, dessen Überzeugungskraft sich besonders für Werbung und Propaganda eignet. Wird Fotografie auch als Abbildung und objektive Dokumentation des bereits Existierenden verstanden, so eröffnet doch die Reduktion von vier auf zwei Dimensionen viele Gestaltungsmöglichkeiten, so dass eine objek­ tive, sachliche Darstellung nicht ohne weiteres angenommen werden darf. Jede Fotografie ist als solche ein eigenständiges Kunstwerk, das klar von den Werken unterschieden werden muss, die in ihr dargestellt sind. Wie die Perspektive lenkt die Fotografie den Blick derjenigen, die sie betrachten, auf das, was ihre Verfasser bewusst oder unbewusst zum Ausdruck bringen möchten. Dieses für den Betrachter schwer durchschaubare Lenken des Blicks ist die Umsetzung einer subjektiven, perspektivischen Wahrnehmung. So werden beispielsweise Blickrichtungen gewählt, die ein Gebäude größer oder dynamischer erscheinen lassen, oder selten eintretende Lichtsituationen, die eine besondere Stimmung vermitteln. Farbe und Licht wirken in fotografischen Aufnahmen viel körperlicher als in der Realität. Die Genauigkeit und der Detailreichtum von Fotografien lassen vergessen, wie viel sie verzerren und abstrahieren. Ein Problem hat die Fotografie mit der Kartografie gemein: die Abbildung eines sphärischen, in etwa halb­­kugelförmigen Blickfeldes auf eine ebene Fläche.

(Dechau 1995, S. 19 ­–33)

Das daraus ent-

Eckdetail eines barocken Gebäudes in Porto

Perspektive und Fotomontage: Vorschlag zur Erweiterung des Berliner Palastes der Republik, aNC Arquitectos, Jorge Carvalho, 2005

stehende Dilemma zeigt jedes Zoom-Objektiv: Entweder wird der Blick­ winkel (bei ca. 28 mm Brennweite der Kleinbildkamera) oder die Raumtiefe (bei ca. 50 mm Brennweite) des gewählten Ausschnitts korrekt dargestellt, nie beides zugleich. Auch werden nur jene Rechtecke, die parallel zur Bildebene liegen, als Rechtecke abgebildet, alle anderen werden perspektivisch verzerrt. Auch wenn man mit Panoramaaufnahmen und Stereofoto­ grafie versucht, diese Defizite auszugleichen, bleibt der Eindruck, dass man Architektur im Grunde genommen nicht zufriedenstellend fotografieren kann. Die Komplexität einer ganzheitlichen, räumlichen und zeitlichen Erfahrung lässt sich nicht ohne große Verluste auf ein zweidimensionales Abbild reduzieren. Zwar sind Fotografien wie kein anderes Medium geeignet, die Atmosphäre und die Stimmung von Räumen als etwas Ganz­heit­ liches darzustellen, doch wird die Kontinuität von Zeit und Raum auf einen zweidimensionalen Ausschnitt reduziert, dessen Begrenzungen immer willkürlich bleiben. Andererseits sind gerade in dieser Willkürlichkeit die Möglichkeiten enthalten, Fotografie als Werkzeug des Entwerfens einzusetzen, sie nicht nur passiv abbildend, sondern aktiv darstellend zu verwenden. Wie kann eine präskriptiv-entwerfende Nutzung dieses Werkzeugs aussehen? Sicherlich lässt es sich nicht so unmittelbar und direkt einsetzen wie eine Skizze oder

Zeichnung. Auf der ersten, rezeptiven Ebene ist eine Fotografie (oder eine Serie von Fotografien) selbst ein Entwurf, der Entwurf einer bestimmen Art und Weise, einen Gegenstand und seinen Kontext wahrzunehmen, mit

211

anderen Worten: der Entwurf einer Ästhetik. Um eine Fotografie als präskrip-

tives Werkzeug einzusetzen ist dagegen ein Perspektivwechsel nötig. Aus dem Abbild einer Wahrnehmung wird auf dieser zweiten Betrachtungsebene die Projektion eines zu entwerfenden Vorbildes. Allein indem wir ein Abbild zum Vorbild erklären, und dieses in einen anderen Kontext einmontieren, erschaffen wir bereits eine neue Wirklichkeit. Fotografien können verändert, in andere Aufnahmen oder andere Medien einmontiert werden. Sie können als Unterlage für Skizzen und Zeichnungen oder als Vorlage für zu zeichnende Perspektiven verwendet werden. Ebenso werden gezeichnete oder digital erstellte Perspektiven in Fotos einmontiert. Modellfotos konservieren zerbrechliche und schwer zu transportierende Unikate und können ihrerseits auf vielfältige Weise digital manipuliert und dann wieder in Umgebungsaufnahmen eingefügt werden. Kennzeichnend für die Entwurfsdarstellungen von Mies van der Rohe war eine Kombination von konstruierten Perspektivzeichnungen mit einmontierten Fotografien. BILDER DIGITAL SIMULIEREN

Digitale Bilderzeugung und Bildmanipulation erleichtern diese Arbeitsweisen ungemein. In Kombination mit digital erstellten und montierten Per­spek­ tiven sind Digitalfotos zu einem der wichtigsten Entwurfswerkzeuge geworden. Mit gestellten, digitalisierten, in Bildverarbeitungsprogrammen manipulierten Fotos lassen sich komplexe Sachverhalte schnell und überzeugend darstellen. Aufgrund ihrer Anschaulichkeit sind diese Darstellungen auch für Laien gut verständlich. Bilder werden digital als eine Kombination mathematischer Parameter gespeichert, die somit in Form von Einzeldaten vorliegen und einzeln verändert werden können:

„Man könnte die digitale Technik, bezogen auf Bilder, auch so verstehen: Wir sind sozusagen in die Atomphysik des Bildes vorgedrungen und können nun jedes Bild bis auf seine Atome aufspalten und zerlegen und die Atome, die Pixel, dann beliebig neu wieder zusammensetzen.“ (Wim Wenders, nach Maar 2004, S. 300)

Wie stark die heute üblichen, farbigen und fotorealistischen Entwurfsdar­stellungen bereits unsere Sehgewohnheiten verändert haben, zeigt ein Blick zurück in die Zeit, als Architek­ turzeichnungen noch von Hand gefertigt wurden. Vergleicht man die atmosphärischen Perspektiven von Frank Lloyd Wright oder die bezaubernden Skizzen eines Aldo Rossi mit computergenerierten Renderings, dann haben die heutigen Darstellungen kaum noch einen persönlichen Ausdruck. Sie wollen objektiv und realistisch wirken und nicht mehr als subjektive künstlerische Vorstellungen wahrgenommen werden. Diese zumeist von neutralen Spezialisten erstellten fotorealistischen Simulationen einer zukünftigen Wirklichkeit wollen keine künstlerische Zeichnung mehr sein. Die besten davon lassen sich im Nachhinein kaum noch von Fotogra­fien des Gebauten unterscheiden. Die Atmosphäre eines Raumes, die Ausstrahlung eines Gebäudes wird nicht mehr im Kontext relativ abstrakter Darstellungen durch eine individuelle Handschrift vermittelt, sondern wird immer präziser simulierbar. Diese Techniken ermöglichen es, das komplexe Zusammenwirken vieler Faktoren zum Gegenstand der Dis­ kussion zu machen. Dadurch machen sie den individuellen Ausdruck tendenziell überflüssig und lenken die Aufmerk­ sam­keit auf die konkrete Realisierung. Vor allem aber werden durch die Digitalisierung die Grenzen von Per­spektive, Fotografie, Film, Fernsehen und Video immer mehr aufgehoben. Diese Medien, die vor kurzem noch als sehr verschieden, um nicht zu sagen gegensätzlich galten, sind durch die Angleichung der technischen Qualitäten und der digitalen Übertragungsmöglichkeiten in eins verschmolzen. Um als Entwurfswerkzeug verwendet zu werden, war insbesondere der Film für Architekten technisch und finanziell viel zu aufwändig. Digitalisierte Videos können nun mit, im Vergleich zum Film, relativ geringem Aufwand aufgezeichnet, bearbeitet und vervielfältigt werden. Obwohl wir die wesentlichen architektonischen Qualitä­ ten eines Gebäu­des erst wahrnehmen, wenn wir uns darin

bewegen, ist unsere Vor­stellung von und unser Denken über Architektur bis heute geprägt von statischen Darstel­ lungen wie Zeichnung, Perspektive, Modell und vor allem der Fotografie. Auch 100 Jahre nach Erfindung des Films und 50 Jahre nach Einführung des Fernsehens ist unsere Vorstellung der Welt, und speziell der Architektur, noch immer davon geprägt: Aus dem Fluss der Ereignisse herausgeschnittene Standbilder verdinglichen das Geschehen, „halten es fest“ und reduzieren dessen komplexe Abläufe auf eine einzige Perspektive, ein einziges, zur Ikone verdichtetes Bild. Stehende Bilder bieten sich unserer Wahrnehmung dar, solange und so oft wir es wollen, und prägen sich damit natürlich auch besser ein. „Memory is a still“, Erinnerung sei ein Standfoto, konstatiert Susan Sontag.

(nach Maar 2004, S. 10)



Architektur wird bis heute vor allem über Fotos in Zeitschriften, Büchern oder Dias kommuniziert. Vernach­ lässigt werden die Räume und Bewegungsabläufe, die diese generieren, ebenso wie die Prozesse, die ein architektonisches Objekt stimuliert oder behindert. Daran konnte auch Le Corbusiers Thematisierung der promenade architecturale wenig ändern. Rem Koolhaas beschreibt seine Architektur zwar als die eines Filmemachers, der seine Gebäude als eine Abfolge von Szenen und Schnitten denkt, die er entlang eines gewundenen Weges anordnet. Aber selbst Filme über Architektur arbeiten oft mit festen Kameraeinstellungen oder gar mit abgefilmten Fotos und verzichten auf Zooms, Schwenks oder Kamerafahrten. Zuschauer verlieren bei Kamera­fahrten schnell die Orientierung, weil der Blick­ winkel eines Kameraobjektivs viel enger ist als jener der Augen. Es fehlt nicht nur die Bewegungs­wahr­nehmung an den Rändern des Blickfeldes, auch das körperliche Bewe­ gungs­­­gefühl und die akustische Raumwahrnehmung sind dabei ausgeschaltet. Kameraschwenks mit Weitwinkelobjektiv sind auch aus opti­­ schen Gründen problematisch. Sie dehnen und verzerren das Abbild des architektonischen Raums so stark, dass er

Bewegungsablauf beim Besuch des Schwimmbades von Leça de Palmeira, Àlvaro Siza, 1959–1973

nicht mehr wie eine festgefügte Konstruk­tion aussieht, sondern den Eindruck erweckt, als ob er aus einem elastischen, beliebig dehnbaren Material bestünde. Seitdem das Aufzeichnen von Video­s zu den Standard­funk­tionen von Digital­ kameras und Mobil­telefonen zählt und professionelle Videobearbeitungsprogramme zu akzeptablen Kosten verfügbar sind, steht ein neues, technisch anspruchsvolles Entwurfswerkzeug bereit, das im Gegensatz zum Film unmittelbar und persönlich einsetzbar ist. Die Konsequenzen für das Entwerfen sind kaum absehbar. So lassen sich mit überschaubarem Aufwand Bewe­ Niederländische Botschaft in Berlin, promenade architecturale. OMA / Rem Koolhaas, 1999–2005

gungen durch digitale 3D-Modelle als Video darstellen. Seitdem die Digitalisierung das Herstellen und Verarbeiten, und

besonders das Simulieren bewegter Bilder erheblich erleichtert, besteht eine neue Möglichkeit, die Vorstellung von Architektur vom Statischen hin zu Bewegung und Dynamik, zu Prozessen des Gebrauchs, zur räumlichen Erfahrung zu verschieben. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Longwell, Alicia G. (Hg.) (2018): Image Building: How Photography Transforms Architecture. London: Prestel, 2018 Troiani, Igea; Campbell, Hugh (Hg.) (2020): Architecture Filmmaking. Bristol: Intellect, 2020 Fitz, Angelika; Lenz, Gabriele (Hg.) (2015): Vom Nutzen der Architekturfotografie / Architectural Photography and Its Uses. Basel, Berlin: Birkhäuser, 2015 Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 381.

Kalkulation Der Vogel ist ein Instrument, das nach einem mathematischen Gesetz arbeitet. Leonardo da Vinci (Codice Atlantico, 434 recto)

Vom Entwerfen gibt es zwei grundlegend verschiedene Auffassungen. Architekten und Designer sprechen im Allgemeinen von „Entwerfen und Darstellen“, Ingenieure vorwiegend von „Entwerfen und Berechnen“. Aus mathematischen, physikalischen, ökonomischen Theorien lassen sich For­ meln und Algorithmen ableiten, auf deren Grundlage sich Berechnungen erstellen lassen, die Vorraussagen über das zukünftige physikalische und ökonomische Verhalten eines Entwurfs erlauben. Diese Formeln und Algorithmen und die aus ihnen abgeleiteten Aussagen zählen zu den verbalen Entwurfswerkzeugen, da es sich um (wenn auch sehr formalisierte) Texte handelt, die sich aus logischen Verknüpfungen verbaler Inhalte zusammensetzen. Entwerfende Architekten tendieren dazu, sich auf die visuellen Entwurfswerkzeuge zu konzentrieren, und vernachlässigen gerne, dass in der Regel erst statische und wirtschaftliche Berechnungen die Realisierung eines Entwurfs möglich machen und dass diese wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung eines Gebäudes haben können. Schon Vitruv kritisierte eine solche Haltung und forderte von Architekten, dass sie

„mit mehr Sorgfalt bei der Berechnung und Abfassung der Baukostenanschläge verfahren, so dass die Bauherren ihre Gebäude mit dem dafür bereitgehaltenen Geld oder doch einem nur geringen Zuschuss dazu fertig bekämen“, um zu vermeiden, dass diese „nach Zerrüttung ihrer Vermögensverhältnisse und seelischem Zusammen­ bruch“ gezwungen seien, ihr Bauvorhaben aufzugeben. (Vitruv X, Vorrede, 2) Die Tätigkeit des Entwerfens enthält immer einen Anteil des Vorausbe­rechens und Kalkulierens. Als Entwurfswerkzeug erschließt die Kalkulation die kaufmännische und wissenschaftliche Sichtweise, den rationalen Bereich. Ingenieure und Wissenschaft­ ler nutzen sie ebenso wie der Geschäfts­­­ mann, der oft das letzte Wort hat, wenn es um die Realisierung eines Projektes geht.

Rechnen und Zeichnen in der mittelalterlichen Bauhütte

Aber bereits zu Beginn einer Entwurfsarbeit, zum Beispiel bei einem Wettbewerb, hat das Nachrechnen des Raumprogramms eine wichtige Kontrollfunktion. Proportionen, Kennwerte wie die Geschossflächenzahl, Dimensionierungen der Statik, Bauphysik, Haustechnik etc. zu ermitteln ist ohne dieses Mittel nicht möglich. Während sich die Baukosten in der Anfangsphase eines Entwurfs über die Fläche oder das Bauvolumen mit wenig Aufwand schätzen lassen, gewinnt dieser Bereich im Laufe der Entwicklung eines Projektes mehr und mehr an Bedeutung. An ihm scheitern wahrscheinlich immer noch die meisten Projekte, mit dem lapidaren Argument: Das rechnet sich nicht. Die Baukosten haben zwar direkten Einfluss auf Volumen und materielle Qualität eines Projekts, aber nur mittelbar auf dessen Form. Wie viel Spielraum für Gestaltung tatsächlich bleibt, wenn Gebäude nach rein ökonomischen und funktionalen Gesichtspunkten errichtet werden, zeigen die umfangreichen Dokumentationen von Industriebauten, die Bernd und Hilla Becher publizieren.

(z. B. Becher 1999)

Der Begriff selbst der Ökonomie, gebil-

det aus dem griechischen Wort oikos, das Haus bedeutet, ist auf ein zentrales Thema der Architektur bezogen. Sogar für den radikalen architektonischen Ansatz, den der Architekt Adolf Loos zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte, waren ökonomische Argumente tragend, wie Fedor Roth in seinem Buch Adolf Loos und die Idee des Ökonomischen

(Roth 1995)

zeigen konnte.

Die Kalkulation der Baukosten wird auch dann zum entscheidenden Fak­ tor eines Entwurfsansatzes, wenn die zur Verfügung stehenden Ressour­cen besonders knapp sind, wie es bei sozial engagierten Bauvor­haben oft der Fall ist. Das von dem ägyptischen Architekten Hassan Fathy entwickelte Kon­

Nachbau des ersten, 1938 von Konrad Zuse in Berlin konstruierten Computers Z1: Eingabetastatur Rechenwerk Speichereinheit

zept einer Architecture for the Poor

(Fathy 1969)

besteht in seinem Kern aus minutiösen Kostenberechnungen, die es erlauben, mit äußerst knapp bemessenem Budget wenig bemittelten Dorfbewohnern zu Wohnraum zu verhelfen. Die Regel der Dominanz des Ökonomischen gilt bis hin zu städtebaulichen Paradigmen. Das entscheidende Argument, mit dem der Berliner Architekt Hardt-Waltherr Hämer sein Konzept der behutsamen Stadterneuerung gegen die in den 1970er-Jahren übliche, von Behörden wie Bauindustrie vehement vertretenen „Flächensanierung“ (vollständiger Abbruch aller Altbauten und Neubau) durchsetzten konnte, waren Modell­kalkulationen, die belegten, dass die Sanierung von Gründerzeit-Wohn­häusern ebenso kostengünstig und wirtschaftlich – und sozial viel verträg­licher– sein konnte. (Rosemann, in Hämer 2002, S. 157–173)

BERECHNEN IST INTERPRETIEREN

Diese Beispiele zeigen, dass die Ermittlung von Baukosten alles andere als eine mechanische Tätigkeit ist. Sie verlangt die intelligente Interpretation gegebener Fakten, konzeptuelles architektonisches Denken und hohe Kreativität, um die Realisierung anspruchsvoller Entwürfe zu ermöglichen. Auch ist wenigen Entwerfenden bewusst, auf welch fundamentale Weise die im 18. und 19. Jahrhundert entwickelten statischen Berechnungsansätze den formalen Spielraum der Architektur erweitert haben. Mit der Entwicklung der neuzeitlichen Wissenschaften hatte man begonnen, die Eigenschaften der Materialien genauer zu erforschen und systematisch zu messen. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse entstanden ab der Mitte des 18. Jahrhunderts Entwurfs- und Berechnungsmethoden, aus denen sich die heutige Statik und Festigkeitslehre als Grundlage der modernen Ingenieurwissenschaft entwickelt haben, welche umwälzenden Einfluss auf die Gestaltung von Bau­werken erlangten.

(Straub 1949, S. 191 ff.)

Ähnlich wie sich zu Beginn der Renaissance

die zentrale Kompetenz der Entwerfenden von der handwerk­lichen Herstellung zur Darstellung des Entwurfs mittels Zeichnung, Perspek­tive und Modell verschoben hatte, wurden in jener Zeit die wissenschaft­lichen

218

Methoden und Erkenntnisse zur Grundlage einer neuen Art des Entwerfens, die konsequenterweise nicht mehr von Architekten ausgeübt, sondern von dem neu entstehenden Beruf des Ingenieurs vertreten wurde und wird. Das Tragverhalten eines Bauteils mit mathematischen Formeln darzustellen und dessen Form aufgrund von Berechnungen zu ermitteln, unterscheidet sich als Entwurfsmethode grundsätzlich von der Heran­gehens­weise der Architekten, die von funktionalen und ästhetischen Prämissen ausgeht. Auch alle modernen Baumaterialien wie Gusseisen, Stahl, Glas, Stahl­beton, Aluminium, Kunststoffe, Farben und deren Gewinnung, Herstellung, Verarbeitung und Gestaltung sind seit der Entwicklung dieser Methoden Optimierungsprozessen unterworfen, die immer wieder neue Formen ermöglichen und neue technische wie ästhetische Möglichkeiten eröffnen. Die Materialien des Bauens sind heute ebenso erfunden, entworfen oder entwickelt wie die Gebäude selbst. Die Ergebnisse von Kalkulationen werden oft als exakte Zahlen präsentiert und in der Diskussion als „harte Fakten“ akzeptiert. Doch es handelt sich in der Regel nur scheinbar um unumstößliche Tatsachen, die keinesfalls absolut gesetzt werden dürfen, da sie nur beschränkte Sicherheit bieten. In der detaillierten Auseinandersetzung mit solchen Berechnungen finden Entwerfende oft genug Argumente, sie in Frage zu stellen. Dazu bedarf es einer kritischen Aufmerksamkeit für die unausgesprochenen Annahmen, die einer Kalkulation zugrunde liegen, und zwar gerade für jene Faktoren, die nicht in Zahlen fassbar und daher auch nicht in die Berechnungen eingeflossen sind. Überhöhte Sicherheitsfaktoren zählen beispielsweise ebenso dazu wie Theorien, die nur unter bestimmten Bedingungen gelten, und Kosten­an­ nahmen, welche die aktuelle Entwicklung eines ­spezi­­­­­fi­­­schen Marktes nicht

Taschenrechner Foto: Stephanie Meyer, 2002

berücksichtigen. Kalkulationen verleiten, wie alle bloß rationalistischen Sichtweisen, zu eindimensionalem Denken. Gerade hier ist die Fähigkeit der Entwerfenden gefordert, die größeren Zusammenhänge im Blick zu behalten,

219

­ethische, ästhetische und allgemeine Faktoren gegen technische, funktionale und partikulare Interessen abzuwägen. Die Digitalisierung erleichtert durch die Automatisierung alles Berechnen ungemein. Vergessen wir nicht, dass die ersten Computer von einem Berliner Bauingenieur, Konrad Zuse, konstruiert wurden, der sich die stunden- und tagelange mühselige Rechenarbeit erleichtern wollte, die damals noch mit Papier und Rechenschieber zu leisten war Seither haben sich die Möglichkeiten des Berechnens exponentiell erweitert. Berechnungen und die aus ihnen abgeleiteten Argumente nehmen in der Diskussion immer mehr Raum ein. Vorstrukturierte Tabellenkalkulationen, die sich teilweise unmittelbar mit den digitalen Entwurfszeichnungen verknüpfen lassen, ermöglichen skizzenhaft schnelle Berechnungen, die dennoch einen hohen Genauigkeits­ grad haben. Es genügt einige Parameter zu ändern, um eine neue Variante zu erzeugen und zugleich deren Konse­quenzen zu berechnen. Akustik, Energieverbrauch, die Wirkung von Tages- und Kunstlicht, Brandverhalten, Besucherströme und vieles andere lassen sich digital simulieren und optimieren (mehr dazu im Kapitel Digitales Entwerfen). Auch die ökologische, ­soziale und ökonomische Nachhaltigkeit von Entwurfsentscheidungen ist erst durch umfangreiche Berechnungen darstellbar geworden, wobei gerade die Anschaulichkeit grafischer Simulationen hilfreich sein kann. Diese Vorgehensweisen machen das Entwerfen zugleich aber auch weniger durchschaubar. Die Herausforderung besteht darin, Tabellen, Programme und Simulationen so zu strukturieren – und zu benutzen –, dass nachvollzogen werden kann, wie die Ergebnisse zustande kommen. Denn nur so kann deren Bedeutung richtig eingeschätzt werden. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Kohler, Niklaus; König, Holger; Kreissig, Johannes; Lützkendorf, Thomas (2009): Lebenszyklusanalyse in der Gebäudeplanung. Grundlagen, Berechnung, Planungswerkzeuge. München: Detail, 2009 Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 381.

Computer Seit der Allgegenwart des Computers scheint eine Werkzeugkunde mehr denn je nötig. Peter Jenny (1996, S. 229)

Schon der beschwörende Unterton des Satzes, der Computer sei auch nur ein Werkzeug, lässt ahnen, dass dies nicht die ganze Wahrheit ist. Genau genommen handelt es sich bei diesem Gerät weder um ein Werkzeug noch um eine Maschine im herkömmlichen Sinne, denn für das Bearbeiten materieller Gegenstände benötigt es immer externe Apparaturen. Offensichtlich stößt die Metapher des Werkzeugs beim Computer an ihre Grenzen. Beim genaueren Hinsehen stellt er sich auf verschiedenen Abstraktionsebenen betrachtet völlig anders dar. Im persönlichen Bereich zum modischen Acces­ soire und zum unverzichtbaren Kommunikationsmittel geworden, repräsentiert er auf globaler Ebene ein Medium, das alle vorstellbaren Daten auf eine neue, universale Sprache zurückführt. „Der Computer“ war ursprünglich ein System aus miteinander verbundenen Apparaten, die zur Eingabe, Verarbeitung, Speicherung und Ausgabe von Informationen dienten. In der Anfangszeit sprach man daher auch nicht von Computern, sondern von Rechenmaschinen oder -automaten. Der erste frei programmierbare Computer, der 1938 von Konrad Zuse konstruierte Z1, war tatsächlich noch ein rein mechanisches, von einem Elektromotor angetriebenes Gerät, das Datensätze mittels zweckentfremdeter, gelochter Kleinbildfilme einlas und mit Hilfe einander kreuzender, ca. 2 cm breiter Blechstreifen darstellte und verarbeitete.

(Zuse 1970)

Wenig später sprach man von Computersystemen oder von elektronischen Datenverarbeitungssystemen (EDV), die aus zahlreichen, damals noch sehr teuren und raumgreifenden Komponenten zusammengesetzt waren. Jede einzelne dieser Komponenten war ein Apparat, dessen Funk­ tions­weise sich in ihren Details der Kenntnis der Mehrzahl seiner Nutzer ebenso entzog wie Aufbau und Inhalt der Programme, die ihn steuerten. Zum gesamthaften, identifizierbaren Objekt wurden Computer erst gegen Ende der 1970er Jahre durch die Einführung des Personal Computers. Der erste war 1975 der Altair 8800, der Apple II kam 1977 auf den Markt. Der von IBM am 12. August 1981 vorgestellte PC bestand noch aus drei Komponenten, dem Rechner (mit zwei eingebauten Diskettenlaufwerken), dem Bildschirm (der monochrom grün leuchtende Ziffern und Buchstaben

Nachbau des ersten, 1938 von Konrad Zuse in Berlin konstruierten Computers Z1, Speichereinheit

Programmleseeinheit

anzeigte) und der Eingabetastatur. Die Wahrnehmung des Computers als singuläres Objekt wurde bald darauf durch die Notebooks bestärkt, die Rechner, Bildschirm, Datenspeicher und Tastatur tatsächlich zu einem hand­­­­­­­ lichen Gegenstand vereinen. Unsichtbar geworden – nicht als Designobjekt, aber in ihren technischen Bestandteilen – sind Computer schließlich in ­miniaturisierter Form. Als Smartphones, insbesondere wenn mit dem Internet verbunden, erfüllen sie eine enorme Bandbreite von Funktionen, die von Notizzettel und Geldbörse über Fotoapparat und Videokamera bis zur vielsprachigen Enzyklopädie und global vernetzten Fernseh-Sendestation reicht, was uns nur deshalb nicht mehr erstaunt, weil wir uns vollkommen daran gewöhnt haben. ERST RECHENMASCHINE, DANN MASSENMEDIUM

Computer aufgrund ihrer Nützlichkeit und Objekthaftigkeit lediglich als Werkzeuge zu verstehen hieße jedoch, sie völlig zu unterschätzen. Der Com­ puterpionier Alan Turing formulierte 1936 die Vorstellung einer „universalen

diskreten Maschine, die alle anderen Maschinen simulieren kann“. 2002, S. 109, 132)

(nach Kittler

Computer realisieren diesen Gedanken in der Form univer­

saler Geräte zur Verarbeitung elektronischer Daten. Sie tun dies auf Grund­ lage eines ebenfalls universalen Codes, in welchem die Daten dargestellt und nach beliebigen logischen Verknüpfungen verarbeitet werden. Diese

Verknüpfungen bilden ein System aufeinander aufbauender mathematischer Sprachen, in denen alle Programme geschrieben werden. Inzwischen sind sie in der Lage, alle anderen Werkzeuge, Maschinen, Apparate, Systeme –

222

und auch alle Entwurfswerkzeuge – zu simulieren bzw. sie zu steuern. Über Programmiersprachen und Betriebssysteme wird jedes Programm in die jeweilige Maschinensprache übersetzt, die es wiederum in den binären Code überträgt. Dieser arbeitet auf der Basis der logischen Verknüpfungen der Ziffern Null und Eins, die durch positive oder negative elektrische Ladung dargestellt werden und sozusagen den kleinsten gemeinsamen Nenner bilden, die Reduzierung von Sprache auf ein einziges Symbol: Ein oder Aus. Die Universalität dieser mathematischen Sprachen zeigt sich darin, dass alle Daten, alles Beschreib-, Bezeichen- und Bezifferbare, Zahlen, Texte, Zeichnungen, Bilder, Musik, Filme usw. in den binären Code übersetzt werden können. Dabei werden die Daten vom Analogen ins Digitale, aus der atomaren in die elektronische Ebene transformiert, die zwar immer noch eine materielle ist, aber ganz anderen physikalischen Regeln gehorcht, als es Atome und Moleküle tun. Umgekehrt können digitale Daten in gegen­ läufigen Prozessen wieder in analoge Daten transformiert werden. Friedrich Kittler definierte Com­puter daher treffend als „allgemeine Schnittstelle

zwischen [mathematischen] Gleichungssystemen und Sinneswahrnehmung“.

(Kittler

2002, S. 319)

Was verändert sich durch den Wechsel auf die elektronische Ebene? Die grundlegende Veränderung besteht darin, dass die Dimensionen der atomaren Ebene in diesem Bereich keine Geltung mehr haben. Die elektronische Ebene, in der weder Raum noch Zeit den gleichen Gesetzen folgen wie im atomaren Bereich, kann in diesem Sinn als eine fünfte Dimension aufgefasst werden, die weitgehend der menschlichen Wahrnehmung entzogen ist. Die Daten und ihre Verarbeitungsprozesse müssen deshalb durch Interfaces der menschlichen Wahrnehmung zugänglich gemacht werden. Vor allem aber sind sie nun auf ganz andere, nach eigenen Regeln funktionierende Weise manipulierbar. Sie bieten den Entwerfenden keinen materiellen Widerstand mehr, dafür aber mathematischen: Sie sind begrenzt durch die in den jeweiligen Programmen nutzbaren Befehle und die Möglichkeiten von deren Verknüpfung und sie unter­liegen den beschränkten Kapazitäten der jeweils verfügbaren Prozes­soren, Speicher und Datenübertragungswege.

223

Designing Truth. Als Gast von Hinrich Sachs: Dr. Ansgar Philippsen, Strukturbiologe. Ein Film von Hinrich Sachs. Standfotos, 2005

Eine Überwindung räumlicher Grenzen er­mög­lich­ten bereits die zum Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen elektro­mecha­nischen Medien Telegraf und Telefon, ebenso wie die elektronischen Medien, die in der ersten Hälfte

224

des 20. Jahrhunderts entwickelt wurden, Radio und Fernsehen. Diese ersten elektronischen Massenmedien blieben jedoch an die von Sender und Empfänger gemeinsam erlebte Zeit gebunden und sie waren ihrerseits auf analoge Medien wie Schallplatte, Ton­band oder Film angewiesen, um die zeitliche Dimension zu übertragen. Durch die Digitalisierung sind nun zugleich die räumliche und die zeitliche Dimension darstellbar und übertragbar, simulierbar und steuerbar geworden. Die Defizite der ersten Computergenerationen haben lange den Umstand verdeckt, dass der Computer nicht nur ein Werkzeug, sondern tatsächlich ein neues Medium darstellt, dessen Eigenschaften und Möglichkeiten noch lange nicht ausgelotet sind. Waren die ersten Geräte noch als reine Rechenmaschinen konzipiert, die sich langsam zu unbeholfenen Zeichenund Schreibmaschinen entwickelten, so war es erst die massenhafte Verbreitung hochfrequenter Prozessoren in den 1990er Jahren, welche die Etablierung des Computers als Massenmedium ermöglichten. Aber was bedeutet es, den Computer als ein Medium zu betrachten? Welche Inhalte können durch dieses Hilfsmittel auf andere Weise zum Ausdruck gebracht werden? Nach Marshall McLuhan ist der „Inhalt“ eines neuen Mediums das jeweils ältere Medium.

„Der Inhalt der Schrift ist die Sprache, genauso wie das geschriebene Wort Inhalt des Buchdrucks ist und der Druck wieder Inhalt des Telegrafen ist.“ (McLuhan 1964, S. 22)

Der „Inhalt“ des Mediums Computer wäre demzufolge das ältere Massen­ medium, das Fernsehen, das seinerseits auf die Medien Film und Radio zurückgreift. Doch auf den Computer bezogen, greift diese Analyse zu kurz. Tatsächlich realisiert der Computer zum ersten Mal eine unauflösliche Verbindung von visuellen und verbalen Medien, von den durch fotografische Belichtung erzeugten Linien­netzen der Schaltkreise auf den SiliziumChips und den in Ziffern und Buchstaben geschriebenen Programmtexten. Noch in seiner reduziertesten Form ist diese Verbindung von visuellen und verbalen Elementen als Bild­schirm und Tastatur präsent. Zum anderen aber ist der Computer das erste Medium, das Daten nicht nur speichern

und darstellen, sondern nach beliebig programmierbaren Abläufen automatisch verarbeiten, das heißt lesen, analysieren und verändern kann. Der eigentliche neue „Inhalt“ dieses Mediums sind also Datensätze, Gleichungs­

225

systeme und Programme, durch die alle anderen Medien, die visuell-­ räumlichen ebenso wie die verbalen, auf ein universales System von Sprachen zurückgeführt werden und auf dieser Grundlage beliebig miteinander verbunden, verknüpft und gesteuert werden können. EIN META-WERKZEUG

Welche Auswirkungen hat die Einführung des Computers auf das Ent­ werfen? Vor allem hatte die allgemeine Verbreitung des Computers die Digitalisierung aller Entwurfswerkzeuge zur Folge. Vergleichbar ist dieser Umbruch, der durchaus als ein epochaler zu verstehen ist, mit dem Medienwechsel zu Beginn der Renaissance. Damals führten maßstäblich ­verkleinerte Zeichnungen und Modelle, der Gebrauch der Zentralperspektive und das Aufkommen von Wettbewerben und öffentlicher Kritik das Ent­ werfen zu einer bis dahin unbekannten Dynamik. Heute sind es die neuen und ständig wachsenden Möglichkeiten der Datenverarbeitung, die bislang unbegangene Wege des Entwerfens und der Kommunikation erschließen, welche ihrerseits wiederum neue Formen des Arbeitens wie der Öffentlichkeit hervorbringen. Wenn wir Computer bzw. ein auf Computern basierendes Super-Medium als Entwurfswerkzeug betrachten, stellt sich dieses als ein Meta-Werkzeug dar, das alle anderen Entwurfswerkzeuge in sich vereint, die verbalen ebenso wie die visuell-räumlichen. Die Wirkungsweisen dieses Meta-Werkzeugs sind naturgemäß um einiges vielschichtiger als die einzelnen Werkzeuge des Entwerfens, die von den verschiedenen Programmen digital simuliert werden. Zu unterscheiden sind zwei Betrachtungsebenen: diejenige einzelner Werk­ zeuge des Entwerfens, die von verschiedenen spezialisierten Programmen digital simuliert werden, und die mediale Ebene, auf der die Kommunikation überaus komplexer, detailreicher und präziser Datensätze möglich ist. In einer Zeit, in der alle Entwurfswerkzeuge digital neu definiert werden, ist es daher notwendig, immer wieder aufs Neue nach dem Wesen des Entwerfens zu fragen. In einer ersten Phase des Übergangs zu den digitalen Werkzeugen hat sich diese Frage noch nicht in aller Schärfe gestellt, da die Programme vor allem in Hinblick auf ein möglichst direktes Imitieren der

analogen Entwurfs­werk­zeuge geschrieben wurden. Auf dieser Ebene war der Computer nichts anderes als eine komfortablere Schreibmaschine oder ein mühselige Arbeit erleichterndes Zeichenwerkzeug.

226

Der oben angesprochene spezifische Widerstand, den digitalisierte Entwurfswerkzeuge den Bemühungen ihrer Nutzer entgegensetzen, liegt nicht offen zutage, er zeigt sich erst in den Erfahrungen ihres Gebrauchs. Dieser Widerstand ist grundlegend anders strukturiert als jener der analogen Werkzeuge. Es entfällt der Widerstand des Materials, was in vielerlei Hinsicht eine enorme Befreiung und Beschleunigung ermöglicht. Allerdings geht damit auch die Sinnlichkeit und Unmittelbarkeit des Materiellen verloren – beides Faktoren, die in sensiblen Phasen des Entwurfsprozesses entscheidend sein können. Zum anderen aber impliziert jedes Programm eine mehr oder minder verdeckte „Ideologie“:

„Sie [die Programme] enthalten verborgene Stile und Ideologien, die mit großer Macht jedes Objekt konditionieren, das mit ihnen konstruiert wird.“ (Eisenman 2003, S. 30) Diese latente Ideologie muss weder den Verfassern noch den Nutzern der Programme bewusst werden, sie erschließt sich erst einer systematischen Analyse. Inhalte werden in Zahlen, Algorithmen und mathematische Gleichungssysteme, kurz: in die Sprachen des Computers übersetzt. Damit lassen sich komplexe Datenstrukturen mit wenig Aufwand verändern – allerdings nur in dem Sinne, den die ihnen zugrunde liegenden Glei­chungs­ systeme zulassen. Die unerbittliche Genauigkeit des Digitalen erlaubt von elektronischen Datensätzen Kopien zu erstellen, die sich von ihrem Original nicht mehr unterscheiden lassen. Daten sind viel leichter manipulierbar, sie können spurlos kopiert, verändert, verschoben oder gelöscht werden; sie sind nicht mehr „echt“ und haben nicht mehr die „Aura“ eines Originals. Bereits durch die Fotografie in Frage gestellt, verliert der Begriff des Originalen in der digitalen Sphäre gänzlich seine Bedeutung. Dies stellte nicht nur viele der Ökonomien in Frage, auf denen kreative Arbeit bis vor kurzem basierte, es veränderte insgesamt unser Verhältnis zu dem, was wir „Wirklichkeit“ nennen. Computerprogramme sind eine spezielle Form von Texten, die unmittelbar Realität erzeugen, indem sie „automatisch“ Daten aufnehmen, verarbeiten und konkrete Prozesse in Gang setzen. Die digitale Vernetzung verbindet Entwurf

und Produktion unmittelbar, wenn digitale Daten direkt zur Steuerung von Produktionsanlagen verwendet werden. Es werden keine Facharbeiter mehr benötigt, welche die Pläne lesen und in ihre praktische Aus­­führung überset-

227

zen und dabei ihr Fachwissen und implizites Können einbringen. Diese Arbeitsschritte werden übersprungen, dafür muss das entsprechende Wissen und Können in Programme und Maschinen transferiert werden. Der Umgang mit Komplexität wird einfacher. Es lassen sich schlichte, leicht zu lesende und einfach zu bedienende Oberflächen programmieren, die dennoch eine sehr große Informationstiefe haben. Die Nachvollzieh­ barkeit ihrer Struktur wird aufgrund der wachsenden Komplexität immer schwieriger, aber auch, wenn es gewollt ist, immer besser darstellbar. Dies erleichtert den Umgang mit komplexeren Entwurfswerkzeugen wie Perspektive, Kalkulation oder Film und Video bzw. ermöglicht der Allgemeinheit überhaupt erst den Zugang zu diesen Werkzeugen. VERNETZUNG ALLER WERKZEUGE

In Form von Programmtexten stehen nun verbale Entwurfswerkzeuge zur Verfügung, die komplexe Abläufe Schritt für Schritt und detailreiche Räume Punkt für Punkt beschreiben können. Programme erlauben nicht nur, Objekte darzustellen, sondern auch zeitliche Abläufe zu simulieren. Die Bedeutung im Sinne einer zukünftigen Auswirkung von Entwurfsent­ scheidungen ist damit darstellbar geworden und kann demzufolge auch überprüft und kontrolliert werden. Diese Werkzeuge erlauben es überhaupt erst, Nachhaltigkeit zu thematisieren. Simulationen des Trag- und Brand­ verhaltens, der Akustik, des aerodynamischen Strömungsverhaltens, der Sonneneinstrahlung und künstlichen Beleuchtung und des daraus resultierenden Energiehaushaltes, der winterlichen Wärmeverluste, des Nutzer­ verhaltens und der Besucherströme erlauben Optimierungen, wo man zuvor auf Erfahrung und Wissen von Spezialisten angewiesen war. Als Simulation oder Rendering bezeichnen Architekten auch digitalisierte, fotorealistische Perspektiven, die Farben, Oberflächenstrukturen und Licht mit all seinen Spiegelungen, Reflexen und Diffusionsgraden sehr viel realistischer darstellen, als eine handgezeichnete Perspektive es bei gleichem Arbeitsaufwand ermöglichen würde. Das Aussehen eines Raumes oder eines Gebäudes muss also nicht mehr „dargestellt“ werden, vielmehr sind Programme denkbar geworden, durch die das Aussehen nach objektiven Maßstäben simulier-

228

Ceramic Constellation Pavilion, Christian J. Lange, Donn Holohan, Holger Kehne et al., Robotic Fabrication LAB, The University of Hong Kong. Fotos: Christian J. Lange, 2017

229

bar wird. Tendenziell machen solche Simulationen das Künstlerische und Handge­machte einer Skizze oder einer perspektivischen Zeichnung überflüssig. Können Computer entwerfen? Seit ihrer Erfindung beflügeln Computer

230

die Fantasie von Entwerfenden. Schon der Computerpionier Konrad Zuse, dessen ursprünglicher Beruf Bauingenieur gewesen war, glaubte, die von ihm konstruierten Rechengeräte wären bald in der Lage, die komplette Ausführungsplanung für eine Brücke einschließlich aller Detailzeichnungen, der statischen Berechnungen und der Ausschreibungstexte automatisch zu erstellen.

(Zuse 1970)

Gerade am Beispiel des Computers stellt sich die Frage,

was Entwerfen sei. Ist der Prozessor des Computers das ideale Werkzeug zur Durchführung von Entwurfsprozessen? Entwirft ein Computer, wenn er ein Programm ausführt, das Hunderte von Parametern abfragt und dann eine bestimmte Anzahl von Bausteinen so lange kombiniert und variiert, bis es eine optimale Lösung errechnet hat? Wo ist der Unterschied zum mensch­ lichen Entwerfen? Wenn wir die Werkzeuge des Entwerfens als im Verlauf der technischen Entwicklung immer perfekter werdende Darstellungen innerer Vorstellungen betrachten, dann wäre theoretisch zu erwarten, dass mit fortschreitender Entwicklung diese Werkzeuge unserem Gehirn immer ähnlicher werden. Doch versuchen wir den Computer und seine Programme als ein beinahe vollkommenes Abbild unseres Denkens oder gar des menschlichen Geistes aufzufassen, stellen wir fest, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Auch wenn wir über unser Gehirn oft in Metaphern aus der Computerwelt sprechen, handelt es sich beim Computer um ein radikales Gegenbild zum menschlichen Gehirn, das zwar rechnen, das heißt logische Operationen in unvorstellbarer Geschwindigkeit und Präzision durchführen, speichern und reproduzieren kann, aber nicht fähig ist, in komplexen Zusammenhängen zu denken, sich zu erinnern oder etwas zu verstehen, und daher auch kein Bewusstsein entwickeln kann. Die Diskussion um künstliche Intelligenz hat unser Bewusstsein geschärft für das, was menschliche Intelligenz ausmacht: „Rechner“ können zwar Schachweltmeister besiegen, verstehen aber keinen einzigen Satz aus dem Lesebuch eines Erstklässlers. Bislang war der grundlegende Unterschied zum menschlichen Gehirn ein struktureller: hier eine Vielzahl weitvernetzter Neuronen, dort die linearen Schrittfolgen der Prozessoren. Allerdings haben Entwicklungen wie Parallel Computing und selbstlernende Algorithmen zu enormen Fortschritten geführt, die sich zum

Beispiel in der Sprach- und Gesichtserkennung, beim Übersetzen oder bei Go-Spielen zeigen. Die Digitalisierung ermöglicht die Vernetzung aller visuellen und verbalen

231

Entwurfswerkzeuge. Schnelle Kommunikation, bessere und automatisierte Verknüpfung der einzelnen Werkzeuge und die Automatisierung vieler Vorgänge machen es möglich, auf der Grundlage einer zu hoher Komplexität vernetzten Datenbasis zu entwerfen. Da letztlich alle Entwurfswerkzeuge auf einen gemeinsamen Code zurückgreifen, verwischen die Grenzen zwischen den Werkzeugen und werden durchlässig. Ob eine bestimmte Darstellung auf einem Film oder einem Video, auf Foto oder Perspektive, Zeichnung oder 3D-Modell basiert, ist nicht mehr sicher unterscheidbar. Damit werden auch die Grenzen zwischen den Berufen und Fachdisziplinen durchlässiger. Dies hat Auswirkungen bis hin zum Rollenverständnis von Architekten. Die hierarchische Vorstellung eines Orchesterdirigenten, der alle Projektbeteiligten anleitet, wird mehr und mehr obsolet. Sie wandle sich, schreibt Norman Foster, zum Bild des Jazzmusikers in einer Jam Session, eines spontanen und flexiblen Interagierens von Auftraggebern, Architekten, Fachingenieuren, Behörden, Nutzern und Baufirmen.

(Jenkins 2000, S. 774)

Was dies für die gegen­

wärtige und zukünftige Praxis konkret bedeutet, wird im Kapitel Digitales Entwerfen

(S. 300 ff.)

im dritten Teil des Buches weiter untersucht.

WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Fankhänel,Teresa; Lepik, Andres (Hg.) (2020): Die Architekturmaschine. Die Rolle des Computers in der Architektur. Basel: Birkhäuser, 2020 Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 384.

Kritik Erst das Training des steten Vergleichens führt zu einem hoch differenzierten Unterscheidungsvermögen. Jean-Christophe Ammann (1998, S. 21) Eine klar formulierte Kritik bildet nicht selten den Ausgangspunkt für einen neuen Entwurfsansatz, und im Prozess des Entwerfens kommt der Kritik, sei es in Form von Selbstkritik oder als von anderen geäußerte Kritik, eine grundlegende Funktion zu. „Eine ernste und gründliche Urteilskraft“ nennt Leon Battista Alberti als wichtigste Vorrausetzung für die Arbeit eines Architekten, „denn in der Baukunst gilt es als oberstes Lob, genau beurteilen zu

können, was Not tut“. (Alberti 1485, S. 515) Kritik als das „Hauptinstrument weiteren Fortschritts“ (Popper) und Urteilskraft als ihre Grundlage sind es, welche die Entwerfenden zu einer Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Entwurfsidee bringen. Kritik lässt sich beschreiben als „negatives Entwerfen“, das subtraktiv arbeitet wie ein Bildhauer, der mit seinem Meißel alles entfernt, was nicht zu seiner Skulptur gehört. Kritik ist das „Nein“ als notwendiger Gegenpol zu den zahllosen „Ja“ unserer Einfälle: die Fähigkeit zu unterscheiden, zu gewichten, auszugleichen, größere Zusammenhänge zu sehen. Unter­ schei­dungs­vermögen und Urteilskraft liegen als Fähigkeiten jeder Kritik ­zugrunde. Wenn Immanuel Kant den Titel Kritik der Urteilskraft wählt, macht er damit auch die unterschiedliche Bedeutung dieser beiden Begriffe deutlich. Kritik ist zunächst der sprachliche Ausdruck eines Urteils, so wie eine Skizze oder Zeichnung der Ausdruck einer Gestaltungsidee sind. Der Begriff Kritik, vom Griechischen kritike techne abgeleitet, wörtlich übersetzt mit „Kunst der Unterscheidung, Kunst der Beurteilung“, impliziert jedoch mehr als diese erste Bedeutung. Seit Sokrates ist er verbunden mit der Idee von Aufklärung und Wissenschaft. Kritik ist nicht nur „die Prüfung

einer Leistung auf ihre Bedeutung und ihren Wert hin“, wie Mies van der Rohe behauptet, (Neumeyer 1986, S. 371) sondern vielmehr „das steigernde, befeuernde, emportreibende Prinzip, das Prinzip der Ungenügsamkeit“, so Thomas Mann, (Reich-Ranicki 1994, S. 201) und damit „die Grundlage neuzeitlichen, konkurrierenden Denkens“ (Popper). Klug und im richtigen Moment eingesetzt wird sie zur Goldenen Axt, so eine Formulierung des Landschaftsarchitekten Hermann Pückler-Muskau, die reinigend den Wildwuchs der Einfälle ordnet.

(Pückler-Muskau 1834, S. 71)

Die

Schwierigkeit der für das Entwerfen so zentralen Selbstkritik besteht darin, in einer Person das Entwerfen und Kritisieren zu vereinigen, ohne sich dabei ständig selbst im Wege zu stehen. Der Psychologe und Denklehrer Edward

233

de Bono hat auf die Gefahr hingewiesen, in der Phase der Ideenfindung von Kritik blockiert zu werden. Neue Ideen seien nur für ungefähr zehn Minuten in unserer Vorstellung präsent, werden sie in dieser Zeit nicht festgehalten, verschwinden sie wieder, ähnlich wie die Bilder eines Traumes. Im Moment ihrer Entstehung sind Ideen schutzlos wie Neugeborene. Man darf sie nicht sofort kritisieren, sondern muss sie erst einmal nähren und pflegen, freundlich und verständnisvoll behandeln, bevor man sie der kalten Luft der Kritik aussetzt. Eine zentrale Regel des Brainstorming lautet daher: Keine Kritik! Sie führt fast zwangsläufig zu Kreativitätsblockaden, wenn die gestalterischen Fähigkeiten und das Selbstwertgefühl von Entwerfenden den von ihnen etablierten Kriterien noch nicht gewachsen sind.

(De Bono 1970, S. 131 ff.)

Das Aus­setzen, das Suspendieren von Kritik ist eine Möglichkeit, diese Blockaden zu umgehen. Das kreative Moment der Kritik zeigt sich in der Tatsache, dass neue Entwurfs­ge­dan­ ken oft zuerst in Form von Kritik geäußert werden. Als Beispiel mag der von Ulrich Conrads herausgegebene Band 1 der Bauwelt-Fundamente dienen, die Programme

und Manifeste zur Architektur des 20. Jahr­ hunderts. (Conrads 1964) Viele der in diesem Band veröffentlichten Texte sind harte und unverblümte Kritiken. Angefangen bei Adolf Loos’ „Ornament und Verbrechen“ über Walter Gropius' Klage über „diese grauen, hohlen und geist­losen Attrappen, in denen wir leben und arbeiten“ bis zu Friedensreich Hundert­ wassers „Verschimmelungsmanifest gegen den Rationalismus in der Architektur“ werden Kritiken und Analysen formuliert, die in der Folge zum Ausgangspunkt für die Entwick­ lung neuer Ideen wurden.

Ben Shahn: Portrait des Physikers J. Robert Oppenheimer, Tinte auf Papier, 1954

234

Giovanni da Bologna: Buontalenti präsentiert dem Großherzog Francesco de Medici ein Modell für die Fassade des Florentiner Doms.

Betrachten wir Kritik als ein Entwurfswerkzeug, gehen wir anders damit um und nehmen sie anders wahr. Wie alle verbalen Werkzeuge zerlegt sie die komplexe Simultaneität eines Entwurfs in einzelne, logisch aufeinander folgende Begriffe. Sie abstrahiert und reduziert Gleichzeitigkeit, um sie mit Hilfe der auf einer Zeitachse linear aufgereihten Begriffe zu beschreiben, ist also eher geeignet, Komplexität zu analysieren und aufzulösen als Kom­ plexität zu erzeugen: „Wenn man etwas sagt, tötet man es zugleich“, erklärt der französische Designer Philippe Starck.

(Vaske 2001, S. 253)

Kritik ist ein

vorwiegend sprachliches Werkzeug, aber Sprache allein genügt nicht für die Praxis des Entwerfens. Es gibt eine „Schallmauer von der Theorie zur Praxis“ (Hinrich Sachs), die Entwerfende nur mit ihren praktischen Fähigkeiten über­ winden können. Aber Kritik muss nicht unbedingt sprachlich vermittelt werden. Ver­ zichten Kritisierende auf das Ausdrucksmittel Sprache und bedienen sich stattdessen eines bilderzeugenden, dann bleibt ihnen nur, selbst in den Gestal­tungs­prozess einzugreifen. Die Distanz, die ihre Position qualifiziert, geht dadurch verloren, und das kreative Moment von Kritik tritt in den Vordergrund. Was dem schreibenden Kritiker verwehrt bleibt, ist dem

Lehrenden eine hervorragende Möglichkeit, die Distanz zu den Studieren­ den zu überwinden.

235

WERKZEUG DER LEHRE

Das Entwerfen wird in aller Regel gelehrt, indem man Aufgaben stellt und dann den Studierenden versucht zu erklären, was sie falsch und, viel seltener, was sie richtig gemacht haben – ein für beide Seiten frustrierendes Vorgehen. Studienanfänger spüren oft sehr deutlich die entwurflichen Probleme, ­können diese auch klar benennen, verfügen aber noch nicht über die gestalterischen Mittel sie zu lösen. In einer solchen Situation wirkt eine strenge Kritik von außen eher lähmend als motivierend. Kritik ist immer zweischneidig, sie ist zugleich Machtinstrument und Instrument der Förderung. Doch angesichts der zentralen Bedeutung der Kritik als Ent­wurfs­werkzeug ist es unmöglich, ganz auf sie zu verzichten. Um mit Theodor Fontane zu reden:

„Schlecht ist schlecht, und es muss gesagt werden. Hinterher können dann andere mit den Erklärungen und Milderungen kommen.“ (Reich-Ranicki 1994, S. 124) Das Dilemma: Kritik ist notwendig und zugleich frustrierend. Ein bei Architektur­diskussionen immer wiederkehrender Topos ist daher das Fehlen, der Mangel an guter Kritik. „Eine wirkliche Kritik ist so selten wie echte Kunst“, sagt Mies van der Rohe.

(nach Neumeyer 1986, S. 371)

Der brasilianische

Architekt Paulo Mendes da Rocha konstatiert:

„Es fehlt an einer echten Kritik der Architektur. […] Sie verliert sich in Fragen über den Kontext, über die Bedeutungen, über sehr architekturspezifische Fragen und zwingt damit zu einer Systematisierung, die in Grunde unsinnig ist. Sie verkennt, dass Architektur vielmehr ein Diskurs ist, der nicht unabhängig vom Wissen und Gewissen der Menschen stehen kann.“ (Spiro 2002, S. 250) Wovon aber sollte Kritik sprechen? Was sind die wesentlichen Kriterien der Architektur? Kriterien empfinden wir zunächst als ausschließend, negativ, als einengendes Verbot. Im Verlauf der Entwurfsarbeit entwickeln sich daraus manchmal Regeln, die positiv, als Vorschrift formulierbar sind. Werden solche Regeln schließlich zum Allgemeingut und damit banal, wie die des Beaux-Arts-Akademismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder des Bauwirt­ schafts­Funktionalismus der 1960er und 1970er Jahre, engen sie nur noch ein und werden zum Hindernis für jede weitere Entwicklung.

Paradoxerweise können dagegen sehr eng gesetzte contraintes, selbst auferlegte Zwangsvorschriften, zu inspirierenden Auslösern von Kreativität werden. Die unter dem Titel Dogma 95 bekannt gewordenen Kriterien, die Lars

236

von Trier und Thomas Vinterberg für das Filmemachen formulierten, (Hallberg 2001)

schreiben die Benutzung von Handkameras und das Filmen an

Originalschauplätzen vor und verbieten unter anderem den Einsatz von Studiobauten und Requisiten, zeitlicher und geografischer Verfremdung, nachträglicher Vertonung, künstlicher Beleuchtung und optischer Tricks und Filter. Wesentliche Mechanismen der gängigen Filmproduktion, insbesondere deren schier grenzenlose Manipulationsmöglichkeiten und der daraus resultierende geringe Realitätsgehalt vieler Filme waren damit in Frage gestellt. Konnte man die Veröffentlichung der Thesen von Dogma 95 noch als Werbegag junger dänischer Regisseure auffassen, so zeigte 1998 der erste nach diesen Kriterien gedrehte Film Festen (Das Fest), wie gründlich damit Voraussetzungen für eigenständige Arbeit geschaffen waren. In einem Gespräch vergleicht Vinterberg diese Kritierien mit „Wänden, gegen die man spielt“, die eine sportliche Herausforderung darstellen und befreiend wirken, im Unterschied zu anderen, die einengen wie „ein großes schweres Federbett, das man nicht abwerfen kann“. (Hallberg 2001, S. 104) Die Fähigkeit, sich die Welt als Ganzes vorzustellen und den zu bewertenden Entwurf zu diesem – in seiner Gesamtheit nie vollständig erfassbaren – Ganzen in Beziehung zu setzen, ist von Kritisierenden noch mehr verlangt als von Entwerfenden. Das Unterscheiden und Beurteilen ist eng verbunden mit den Fragen der Wahrnehmungsfähigkeit, des Bewusstseins und des Erfahrungshorizonts, auf den sich ein Urteil bezieht. Wer sich eine Kritik zu Herzen nimmt, tut gut daran, den Standpunkt des Kritisierenden zu bedenken. Der Vergleich mehrerer Kritiken zum gleichen Entwurf relativiert die verschiedenen Standpunkte und macht die Sichtweise der einzelnen Autoren deutlich. In dieser Relativierung erst kann sich die aufklärerische Funktion von Kritik voll entfalten. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Parnell, Rosie; Sara, Rachel, et al. (2000): The Crit: An Architectural Student’s Handbook. Oxford: Architectural Press, 2000, 2nd ed. 2007 Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 382.

Kriterien und Wertesysteme Was ist das Gute an guter Architektur?

Hanno Rauterberg (2003)

Der Titel der berühmten Zeichnung von Francisco de Goya ist ein Wort­spiel, das mit der Doppeldeutigkeit des Wortes sueño spielt, das im Spani­schen so­wohl Schlaf als auch Traum bedeutet: „El sueño de la razon produce monstruos.“ Im Deutschen wird der Titel in der Regel lediglich mit „Der Schlaf der Vernunft erzeugt Monster“ übersetzt, ohne die zweite Lesart zu erwähnen. ­Ange­sichts der offensichtlichen Katastrophen der Moderne–architektonische, städtebauliche und andere – scheint indessen die zweite Möglichkeit, vom

„Traum der Vernunft“ zu sprechen, der ebenfalls Monster hervorbringt, ebenso bedeutsam zu sein. Die meisten Entwerfen­den sind überzeugt, die Welt wäre besser, würde sie nur nach ihren Ideen und Vor­stellungen eingerichtet. Sie wundern sich, wenn ihre Vorschläge auf Wider­stand stoßen, nicht selten gar erbitterte Auseinandersetzungen hervorrufen. Was sind die wesentlichen Kriterien für „gute“ Architektur? Nur selten werden die Wertesysteme, die der Arbeit von Architekten wie Architektur­ kritikern zugrunde liegen, explizit dargestellt. Der journalistischen Kritik fehlt in der Regel der Raum dafür und eine qualifizierte akademische Kritik, wie sie beispielweise in der Literaturwissenschaft von Edward Said oder in der Filmwissenschaft von André Bazin

(Bazin 1958)

(Said 1983)

praktiziert wurde,

existiert an den Hochschulen kaum. FIRMITAS, UTILITAS, VENUSTAS

Die grundlegenden Kriterien der Architektur sind, „dass es funktioniert, und

dass es mir gefällt“ – so die lakonische Formulierung eines Kollegen. Mies von der Rohe hat zwei Klassen von Kriterien benannt: Er sprach von „good

reasons“, zu denen er die technischen, rational erklärbaren Aspekte des Bauens zählte, und von „real reasons“, worunter er die kulturellen und künstlerischen Aspekte der Architektur verstand. Seit Vitruv gelten als die drei klassischen Kriterien der Architektur firmitas, utilitas und venustas, auf deutsch: Festigkeit, Nützlichkeit und Anmut. Sie sind indes ebenso allgemein-­richtig wie unkonkret, wenn es um einzelne Gestaltungsfragen geht. Keiner dieser drei Begriffe lässt sich klar bestimmen, und doch sind diese Kriterien nicht obsolet. Vielmehr gilt es, die Struktur der Unmöglich­ keit zu beleuchten, sie verbindlich zu definieren. Wenn wir von diesen drei

Kriterien ausgehend über Architektur nachdenken, werden firmitas, utilitas und venustas zu Kategorien, die jeweils einen zentralen Themenbereich der Architektur umfassen.

238

Firmitas, die „Festigkeit“ des Bauwerks, ist heute kaum noch ein architektonisches Problem, sondern eher eines der Bautechnik, in der Regel den Fachingenieuren überlassen. Als Kategorie verstanden, wird firmitas zu einer Frage der Baubarkeit, zur Frage von richtig und falsch. Autoren wie Theodor Fontane und Otl Aicher haben sich dafür ausgesprochen, im Zweifelsfall auf die Kategorie des „Richtigen“ zurückzugehen.

(Reich-Ranicki 1994, S. 122)

Eine

Konstruktion hält oder hält nicht, ist dicht oder nicht. Die Fragen der firmitas scheinen, weil objektivierbar, am einfachsten zu entscheiden. Doch die ­wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse, auf deren Grundlage sie entschieden werden, sind in ständigem Fluss. Es handelt sich nur scheinbar

Beurteilungskriterien für Archtekturentwürfe, nach Jürgen Joedicke u.a. Die drei senkrechten Spalten könnten auch mit Vitruvs Begriffen utilitas, firmitas und venustas überschrieben werden.

um „harte Fakten“, da sie in der Regel nur unter bestimmten Voraus­setzun­ gen und für eine bestimmte Zeit gelten.

Utilitas, als Kategorie verstanden, fragt nach dem Funktionalen, dem 239

Gebrauch, nach dem Bezug zum Menschen: Ist das Gebäude gut oder schlecht? Gut oder schlecht für wen, oder zu was? Ein Gebäude berührt die Interessen aller an seiner Herstellung und Nutzung beteiligen Parteien: den Bauherrn und seine Frau, die Nachbarn und deren Kinder, die Architekten, Bauarbeiter, Sachbearbeiter bei den Genehmigungsbehörden und bei der Bank, Hausverwalter, Bewohner, Benutzer und Besucher, zu denen gelegentlich auch Feuerwehrleute, Fotografen und schließlich auch Architekturkritiker zählen. Die Frage Nützlichkeit ist letzten Endes eine ethische, deren Ant­ worten aus dem Bereich der Politik kommen. Zunächst geht es um die räumliche Organisation eines Gebäudes, um die Größe und Qualitäten der geschaffenen Räume, deren Bezüge untereinander und nach außen. Der Begriff „gute Architektur“ klingt nach political correctness, meist bezeichnet er eine biedere, konsensfähige Mainstream-Architektur. Doch „das Gute

lässt sich nicht definieren“ (Aristoteles, Nikomachische Ethik) und die Frage nach dem Verhältnis von „Gebrauchswert“ und „Kunstwert“ ist immer wieder neu zu beantworten. Im Alltag jedoch steht der Gebrauch oft auf eindimensionale Weise in Vordergrund und das Gebrauchen wird nur trivial aufgefasst. Der betriebswirtschaftliche Begriff der Rendite ist ein Versuch, die Nützlichkeit eines Gebäudes in Zahlen zu fassen, eine Kalkulation, die allerdings oft auf Faktoren beruht, die mit den funktionalen Qualitäten eines Gebäudes wenig zu tun haben. Das Ergebnis dieser Rechnung stellt eine Abstraktion dar, welche über die tatsächliche Nützlichkeit eines Gebäudes nur wenig sagt – sie reduziert diese auf die Perspektive des Finanziellen. Die Anforderung, dass ein Gebäude gewissen Funktionen zu dienen habe, ist letzten Endes zu trivial, als dass sie noch als Kriterium relevant sein könnte. Die Frage lautet nicht „ob“, sondern „wie“: Wie schafft der Entwurf einen Ausgleich der vielen unterschiedlichen Anforderungen, die an ihn gestellt werden? Wie, mit welchem Witz, mit welchem Charme, mit welcher Eleganz erfüllt er diese, und was leistet er darüber hinaus?

Venustas schließlich, die Kategorie der Schönheit, des subjektiven Empfindens umfasst den gesamten Bereich der Ästhetik. Erich Mendelsohn begründet die Unmöglichkeit, sie verbindlich zu definieren, wie folgt:

„Unsere ästhetische Wertung – Wertung auf Schönheit – steht nur auf Vorurteilen, die durch die hergebrachte und kategorische Erziehung scheinbar Gesetz geworden sind. Weil solche Begriffe sich je nach dem Stand der menschlichen Kultur, je nach dem Moment kulturgeschichtlicher Entwicklung der Menschheit bestimmen, somit variabel sind, lassen sie sich nicht als Wertmesser aufstellen.“ (Mendelsohn 1961, S. 22) Daraus jedoch den Ruf nach einem „Geschmacksdiktator“ abzuleiten, wäre eine politische Geschmacklosigkeit. Ästhetik erweist sich vielfach als soziale Konven­tion, als ein Mittel der Abgrenzung, und als Tabuisierung von Werturteilen. Etwas als „schön“ zu proklamieren heißt sehr oft, es eigentlich nur „gut“ zu finden, aber keine Diskussion über diese Wertung zulassen zu wollen. Die Frage „Findest Du das nicht schön?“ impliziert oft genug, dass der Gefragte keinen „guten“ Geschmack habe, wenn er dies verneint, und demzufolge „nicht dazugehöre“. Die enge Verbindung von Ethik und Ästhetik, von Politik und Kunst erklärt das große, in allen historischen Epochen zu beobachtende Interesse politischer Gruppen, ihre Anschauungen auch ästhetisch zu manifestieren. Vitruvs Kriterien sind zwar relevant, aber, absolut gesehen, nicht zu erfüllen. Letzten Endes geht es auch nicht um ihre Erfüllung, sondern auf einer höheren Betrachtungsebene um die Ausgewogenheit, mit welcher diese Anforderungen wahrgenommen werden, um die Stimmigkeit der auf den verschiedenen Ebenen getroffenen Entscheidungen. Albertis Schlüssel­ kriterium der concinnitas, der Har­mo­nie der Teile mit dem Ganzen,

(Grafton

2000, S. 28) basiert auf einer Definition der Schönheit, die eine „bestimmte gesetzmäßige Übereinstimmung aller Teile, was immer für einer Sache“ fordert, darin bestehend, „dass man weder etwas hinzufügen noch hinwegnehmen oder verändern könnte, ohne sie weniger gefällig zu machen“. (Alberti 1485, S. 293)

Deutlich abgemildert fin-

det sich dieses Kriterium auch bei Vitruv, der verlangt, „dass, wenn von der Symmetrie

etwas weggenommen oder ihr hinzugefügt wird, dies gehörig gestaltet zu sein scheint und beim Anblick nichts vermisst wird“. (Vitruv, VI, 2, 1) Was Vitruv und Alberti als ein ästheti­ sches Kriterium präsentieren, das als solches

Das vervollständigte Modell der Entwurfsprobleme, Bryan Lawson, 1997

241

Nach welchen Maßstäben bewerten wir Architektur? Juli Gudehus: Maßarbeit. Poster für das Wissenschaftsmagazin ZEIT Wissen, 2005. Fotografien: Annette Schuler

von additiven wie dekonstruktivistischen Formen­sprachen längst widerlegt ist, geht indessen zurück auf eine allgemein ethische Maxime, die bereits Aristoteles formulierte:

„So meidet denn jeder Kundige das Übermaß und den Mangel und sucht und wählt die Mitte, nicht die Mitte der Sache nach, sondern die Mitte für uns. […] deswegen pflegt man ja von gut ausgeführten Werken zu sagen, es lasse sich nichts davon und nichts dazu tun, in der Überzeugung, dass Übermaß und Mangel die Güte aufhebt, die Mitte aber sie erhält.“ (Nikomachische Ethik II, 5, 1106 b) In einem Entwurf verschmelzen technische, ethische und ästhetische Fragen zu einer Einheit, die, wenn sie gelungen ist, dem Bereich der Kunst, und nicht dem der Wissenschaft zugehört. Wissenschaft ist, wenn sie gut ist, „klar und deutlich“, ein guter Entwurf dagegen ist „komplex und widersprüch-

lich“ (Venturi), er entzieht sich wissenschaftlicher Eindeutigkeit ebenso wie der Allgemeingültigkeit, die wissenschaftliche Aussagen beanspruchen. Die komplexen, widersprüchlichen, paradoxen Anforderungen, die an einen Entwurf gestellt werden, lassen sich zwar auflisten, aber es gibt unter ihnen viel zu viele gegenseitige Abhängigkeiten, „Wenn-dann-“, „Sowohl-­ als-auch-“ und „Entweder-oder-“ Beziehungen, als dass sich eine Kriterien­ liste in einen schlüssigen Algo­rith­mus fassen ließe. Charles Eames hat mit einem Diagramm, das die Überla­gerung und schwer fassbare Form von Entwurfskriterien darstellt,

(Demetrios 2001, S. 177)

das treffendste Bild dieser

Problematik gezeichnet. Die Überlagerung dreier Felder von Entwurfskriterien markiert einen Bereich, in dem sich die Interessen von Klient, Büro und Gesellschaft überlappen, Charles Eames, 1969

INNOVATION, RÄTSELHAFTIGKEIT

Nun gibt es zwei für das Wertesystem unserer Kultur wesentliche Kriterien, die nicht unter die von Vitruv und Alberti postulierten Kategorien fallen: die

243

Forderungen nach Neuigkeit und Rätselhaftigkeit eines Kunstwerks. Mit Regeln lassen sich nur die rational zugänglichen Aspekte eines Entwurfs fassen, lässt sich nur fassen, wovon genug bekannt ist, um in Regeln gefasst zu werden. Das Neue, das Originelle, das Innovative an einem Entwurf schafft seine eigenen Regeln. Und gerade dies ist seit Beginn der Neuzeit wesentliches Kriterium eines Entwurfs: die inventio über die imitatio, die Erfindung über die Nachahmung zu stellen.

(Groys 1992, S. 10)

Mit dem Kriterium des

Neuen kommt zugleich das Moment des Utopischen in das Entwerfen. Etwas Neues zu entwerfen bedeutet etwas zu entwerfen, das es noch nicht gibt und von dem zum Zeitpunkt des Entwurfs durchaus fraglich ist, ob es jemals verwirklicht werden wird. Der oft gehörte Vorwurf, eine Entwurfsidee sei „utopisch“, erweist sich vor diesem Hintergrund als Missverständnis: Entwürfe sind immer, und so lange, utopisch, bis sie realisiert sind. Das Kriterium des Rätselhaften schließt die Frage nach der Bedeutung eines Werkes ein. Sie hat großen Anteil an der Faszination, die ein Kunstwerk ausmacht. Theodor Adorno (auch Vilém Flusser) spricht vom

„Rätselcharakter“ der Kunst: „Alle Kunstwerke, und Kunst insgesamt, sind Rätsel“, (Adorno 1970, S. 182) und er stellt kategorisch fest: „Als konstitutiv aber ist der Rätselcharakter dort zu erkennen, wo er fehlt: Kunstwerke, die der Betrach­tung und dem Gedanken ohne Rest aufgehen, sind keine.“ (Adorno 1970, S. 184) An dieser Stelle kommen wir über Wittgensteins Bestimmung der Architek­ tur als Geste

(siehe S. 108)

zurück zu Flussers Analyse der – auch allem

Entwerfen zugrunde liegenden – Gesten als Rätsel, deren Entzifferung es ermögliche, „immer tiefer in sie einzudringen, um sie immer reicher erfahren zu

können“.

(Flusser 1991, S. 90 f.)

Nur die einfachen, regelhaften Dinge lassen sich rational fassen. Die komplexen, vielschichtigen, ganzheitlichen Aspekte eines Entwurfs, die, auf welche es letzten Endes ankommt, erschließen sich nur dem Empfinden, dem Gespür, der Sensibilität des Einzelnen: „liebe und hass lassen sich nicht berech-

nen, ebensowenig zweckmäßigkeit oder ästhetische qualität.“

(Aicher 1991/1, S. 182)

Das ist der eigentliche Grund, warum es „mit Prinzipien und einem Para­

graphen-Codex nicht geht“.

(Theodor Fontane, nach Reich-Ranicki 1994, S. 122)

Die

Aufgabe der Kritik ist es, diese Aspekte zu verbalisieren, sie zu vermitteln

244

und dadurch der Rationalität zugänglich zu machen. Das Kritisieren von Gebäuden und Entwürfen als einen zugleich künstlerischen, wissenschaftlichen und politischen Akt zu begreifen ist sicherlich eine Provokation für alle, die glauben, schon zu wissen, was „gute Architektur“ sei. Die Relativität aller Kriterien und Paradigmen, die Tatsache des anything goes steht in frappantem Gegensatz zur Gleichförmigkeit und Ideenlosigkeit der großen Mehrheit des heute Entworfenen und Gebauten. Anscheinend ist es gerade diese Offenheit, die uns Angst macht. Eine Angst, die dazu führt, dass leider auch heute das Prinzip der imitatio sich als stärker erweist als das der inventio. Eine kontinuierliche Auseinandersetzung um Kriterien und Werte ist in einer offenen Gesellschaft wichtiger als deren Festlegung. Die Frage, welche Faktoren für die heute anstehenden Aufgaben entscheidend sind, muss immer wieder neu gestellt und beantwortet werden. In diesem Punkt entscheidet sich die Lernfähigkeit des Einzelnen ebenso wie die der gesamten Gesellschaft. In der Entwurfslehre ist die Kritikfähigkeit der Studierenden zu trainieren, statt diese nur der Kritik zu unterziehen. Das Entwerfen wird zur Moderation von Interessenkonflikten, die durch Kritik vermittelt werden. Eine aufgeklärte Entwurfslehre beschränkt sich nicht darauf, Paradigmen zu postulieren, sondern vermittelt das Vermögen, Kriterien und ihre Bedeutung zu reflektieren. Dafür gibt es weder Regeln noch Rezepte. Was wahr, gut und schön ist, entzieht sich der Fixierbarkeit, ist von jeder Generation und von jedem Entwerfenden neu zu definieren.

NACHHALTIGKEIT

Kaum ein Begriff ist in den vergangenen Jahren so sehr strapaziert worden wie der Begriff der Nachhaltigkeit. Eingeführt hat ihn der sächsische Forst­

245

wirt und Oberberghauptmann des Erzgebirges Hans Carl von Carlowitz (1645–1714), der sich gegen den Raubbau an Wäldern aussprach und die Maxime ­aufstellte, dass der „Anbau des Holtzes“ so anzustellen sei, „daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe“. (Carlowitz 1713, S. 105) Im internationalen Diskurs etabliert wurde der Begriff allerdings erst im Jahre 1987. Nachhaltige Entwicklung war das Thema des sogenannten BrundtlandBerichts, der von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen gleichzeitig in sechs Sprachen veröffentlicht wurde. Benannt ist der Bericht nach deren Vorsitzenden, Gro Harlem Brundtland. Unter dem Titel Unsere gemeinsame Zukunft

(Hauff 1987)

bringt er die Sorge zum Ausdruck,

dass der zunehmende Verbrauch von Ressourcen und die damit einhergehenden Umweltschäden die Entwicklung der gesamten Menschheit gefährden und verhindern, dass Menschen der Armut entkommen. Seine zentrale Forderung lautet daher, zu einer nachhaltigen Entwicklung zu gelangen, ­welche „... die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige

Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“.

(WCED 1987, S. 15,

Übers. d. Verf.)

Verursacht werden die Probleme der Nachhaltigkeit von drei Faktoren: dem enormen Wachstum der Weltbevölkerung, die sich seit 1950 verdreifacht hat, dem rapiden technologischen Fortschritt, und drittens dem daraus erwachsenden Wohlstand und dem damit verbundenen Konsum eines immer größeren Anteils der Bevölkerung. Das Zusammenwirken dieser Faktoren führt zu einem nie dagewesenen Verbrauch biologischer wie fossiler Ressourcen, der einhergeht mit massiven Eingriffen in die Ökosysteme. Dies mit zum Teil gravierenden und irreversiblen Konsequenzen, die vom Artensterben bis hin zum lokalen und globalen Klimawandel reichen. Wir können heute nicht mehr davon ausgehen, dass das Raumschiff Erde, wie Buckminster Fuller es nannte, unerschöpfliche Ressourcen bietet und dass seine Biosphäre unbeschadet alles absorbiert, was die Menschheit und ihre Behausungen, ihre Nutztiere, Maschinen und Industrieanlagen produzieren. Ziel nachhaltiger Entwicklung ist es, die Voraussetzungen menschlichen Lebens auf der Erde zu bewahren. Dazu bedarf es eines Ausgleichs der Interessen aller Akteure im Hinblick auf die langfristigen Auswirkungen

ihres Handelns. Es gilt sowohl, Gerechtigkeit zwischen den Generationen sicherzustellen, als auch, auf die Gegenwart bezogen, Gerechtigkeit innerhalb einer Generation zu gewährleisten. Denn die Ausbeutung der

246

Ressourcen kommt vor allem den Mächtigen und Wohlhabenden zugute, da sie die Mittel und Möglichkeiten dazu besitzen. Die Konsequenzen hingegen sind letzten Endes von allen Menschen gemeinsam zu tragen. Globale Nachhaltigkeit ist somit ein Allmendeproblem,

(Hardin 1968)

das sich nur

durch gemeinschaftliches, politisches Vorgehen lösen lässt, denn die individuellen Nutzungsinteressen wiegen für einzelne Gruppen deutlich schwerer als das Schutzinteresse aller. Wie lässt sich dieses Ziel erreichen? Historisch gesehen sind diese Pro­ bleme so neu, dass beispielsweise die klassische Architekturtheorie und selbst der Diskurs der klassischen Moderne kaum Anhaltspunkte liefern. Verschärft werden sie noch durch die Weigerung eines Teils der Gesellschaft, deren Existenz, entgegen aller wissenschaftlichen Evidenz, überhaupt anzu­erkennen. Gängige Konzepte nachhaltiger Entwicklung ruhen, nach einer Studie von Jörg Tremmel, der 60 wissenschaftliche Definitionen des Begriffs mit­ einander verglichen hat, auf drei Säulen: ökologische, ökonomische und soziale Entwicklung. (Tremmel 2004, S. 32) Ökologische Nachhaltigkeit schützt und bewahrt die Ökosysteme der Biosphäre und regeneriert sie wo nötig. Ökonomische Nachhaltigkeit entwickelt langfristig tragbare Wirtschafts­ weisen, die sozial und ökologisch verträglich sind und deren Erträge auf lange Sicht allen Menschen zugutekommen. Die soziale Nachhaltigkeit schließlich sorgt für gesellschaftlichen Ausgleich, mit dem Ziel, die Bedürf­ nisse aller Menschen zu sichern. Auf das Entwerfen übertragen bedeutet dies: Architektur darf nicht mehr nur nach den herkömmlichen, auf das Bauwerk selbst bezogenen Kriterien beurteilt werden. Dessen langfristige ökologische, ökonomische und soziale Auswirkungen sind mit zu bedenken. Denn das Bauen, Betreiben, Instandhalten, Demontieren und Entsorgen von Gebäuden verlangt beträchtliche Ressourcen. Das Bauwesen in Deutschland verbraucht 22 % aller Rohstoffe,

(Umweltbundesamt 2018, S. 35)

und das Betreiben der Gebäude ver-

braucht 35 % aller im Lande konsumierten Energie.

(Bundesministerium für

Wirtschaft und Energie 2018, S. 57)

Im Begriff der Nachhaltigkeit überschneiden sich sehr unterschiedliche, weitreichende Bedeutungen. Es ist leicht, die Nachhaltigkeit eines Projekts

oder eines Gebäudes zu behaupten. Überprüfen oder nachweisen lässt sich diese Behauptung aber nur mit einem gewissen Aufwand. Oft wird der Begriff nur auf einen der drei Aspekte bezogen, und dies nur in oberfläch-

247

licher Weise. Dies geschieht, indem beispielsweise die ökonomische Nachhaltigkeit als gegeben angesehen wird, sobald ein Projekt sich für den Investor rechnet. Im alltäglichen Sprachgebrauch wird der Begriff nicht selten gar auf die Bedeutung von „sich auf längere Zeit stark auswirkend“ reduziert. Eine Folge dieser begrifflichen Unschärfe und Abnutzung ist, dass vieles behauptet werden konnte und kann, aber wenig erreicht wurde. Greta Thunberg konstatiert:

„Während der vergangenen dreißig Jahre gab es viel aufmunterndes Gerede und das Anpreisen positiver Ideen. Es tut mir leid, aber das funktioniert nicht. Denn wenn es genützt hätte, dann wären die Emissionen inzwischen gesunken. Das sind sie aber nicht.“ (Thunberg 2019, S. 36) Wollen wir Nachhaltigkeit wirklich erreichen, dann wird es zur Aufgabe der Entwerfenden ebenso wie der Kritik, die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs zu verteidigen. Als nachhaltig können Projekte nur dann gelten, wenn sie nachweislich die ökologische, ökonomische und soziale Entwick­ lung langfristig fördern und die von ihnen verursachten Umweltschäden ausgleichen. Möglichkeiten und Beispiele, wie dies getan werden kann, gibt es genug. Zum Messen und Bewerten von Nachhaltigkeit wurde inzwischen eine Reihe von Methoden entwickelt, die differenziert und transparent sind. Eine von Lisa Andes und ihrem Team kürzlich im Internet veröffentlichte

Methodensammlung zur Nachhaltigkeitsbewertung bietet einen Überblick über die Diskussion und vergleicht 25 Bewertungsmethoden. Für Entwerfende besonders relevant sind das „Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen“, das für Bauten des Bundes verwendet wird, die Lebenszykluskostenrechnung, das Thema Ökobilanz sowie die Berechnung des Carbon Footprint. (Andes et al. 2019)

Das im englischsprachigen Raum bekannte LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) ist ein Zertifikat für „grünes Bauen“, das vom privaten U. S. Green Building Council (USGBC) verliehen wird. (www.usgbc.org)

Es bewertet vor allem die ökologischen Aspekte von Gebäu­

den wie Lage und Verkehr, Standort, Wasser-, Energie- und Klimaeffizienz,

Materialien und Rohstoffe, Innenraumqualität, sowie auch die Kriterien Innovation und regionale Prioritäten. Die ökonomische Nachhaltigkeit eines Projekts fließt allerdings kaum in die Bewertung ein, die soziale gar

248

nicht. Die Vereinten Nationen haben 2008 einen Bericht der Arbeitsgruppe für Statistik der Nachhaltigen Entwicklung vorgelegt, der eine Vielzahl von Indikatoren für alle drei Bereiche vorstellt.

(United Nations 2008)

Zum Entwerfen nachhaltiger Architektur stehen neue Ansätze und Werk­ zeuge zur Verfügung. Sie werden im dritten, der Praxis gewidmeten Teil des Buches erläutert. Das forschungsbasierte Entwerfen verschafft uns die Daten und verhilft uns zu neuen Möglichkeiten, exaktes Wissen über die lang­fristigen ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen zu ­erwerben und anzuwenden. Das digitale Entwerfen ermöglicht uns, mit der Menge relevanter Daten umzugehen, Entwürfe im Hinblick auf ihre Nach­haltigkeit zu bewerten und zu optimieren. Das soziale Entwerfen schließlich erlaubt uns, den gesellschaftlichen Aspekten des Entwerfens und Bauens besser gerecht zu werden. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: WCED, World Commission on Environment and Development (1987): Our Common Future. Oxford: Oxford University Press, 1987, https://sustainabledevelopment.un.org/ content/documents/5987our-common-future.pdf Andes, Lisa, et al. (2019): Methodensammlung zur Nachhaltigkeitsbewertung. Grundlagen, Indikatoren, Hilfsmittel. Karlsruhe: KIT, 2019, http://www.oew.kit.edu/downloads/ Methodensammlung%20zur%20Nachhaltigkeitsbewertung.pdf Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 382.

Theorie θεωρία ist nicht so sehr der einzelne augenblickliche Akt als eine Haltung,

ein Stand und Zustand, in dem man sich hält.

Hans-Georg Gadamer (1983, S. 44)

Der weltweite, öffentliche und ergebnisoffene Diskurs, mit dessen Hilfe alle Interessierten sich darüber verständigen, was wir unter „Architektur“ verstehen wollen, wird gemeinhin als Architekturtheorie bezeichnet. Beteiligen kann sich an diesem Dis­kurs, zumal in Zeiten des Internets, jedefrau und jedermann. In seinem Verlauf werden Thesen und Argumente vorgetragen, kritisiert, ver­worfen, wieder aufgenommen und weitergedacht, ­kanonisiert, um Jahre später ­eventuell wieder in Frage gestellt zu werden. Im Verlauf dieses Diskurses zeigt sich, welche Argumente und Positionen für eine gewisse Zeit oder einen gewissen geografischen oder kulturellen Bereich Bestand haben und welche wieder verworfen oder weiterentwickelt werden. Begonnen hat der architekturtheoretische Diskurs vor mehr als 2500 Jahren, als in der griechischen Antike von Entwerfenden verlangt wurde, ihre Vorstellungen öffentlich darzustellen und zu erläutern, damit demokratische Entscheidungen über die jeweils auszuführenden Projekte gefällt werden konnten. Seine erste umfassende, ­systematische Ausformu­lierung fand der architekturtheoretische Diskurs in De architec-

tura libri decem – Zehn Bücher über Architektur, dem Werk des römischen Architekten Vitruv, der sich seinerseits auf etwa 70 ihm vorhergehende Autoren bezieht (siehe z. B. die Vorrede zum 7. Buch), deren Texte jedoch größtenteils verloren oder allenfalls in Bruch­ stücken überliefert sind. (Vitruv ca. 22 v. Chr.) Vitruvs enzyklopädisch angelegte Zehn

Bücher wurden zwar gelesen, wie damals üblich von Hand kopiert und in Bibliotheken aufbewahrt. Ihre Wirkung war allerdings über viele Jahrhunderte hinweg eher beschränkt. Substantiell wieder aufgenommen hat den Diskurs erst wieder Leon

Frontispiz der Vitruv-Ausgabe von Ludovicus Elzevirium (Ludovic Elzevir), Amsterdam, 1649

Battista Alberti. In der Zeit der italienischen Renaissance hatte er zunächst versucht, Vitruvs als „dunkel“ empfundenen Text zu übersetzen,

250

hat dann aber, auf dessen Arbeit aufbauend, seine eigenen De re aedificatoria – Zehn Bücher vom

Bauen – verfasst. (Alberti 1485) Eine wesentliche Aufgabe von Theorie ist das Klären und Bestimmen der für den Diskurs zentralen Begriffe und Konzepte. Diese erweisen sich im alltäglichen, oft unreflektierten Gebrauch vielfach als problematisch. Ob Architektur „Kunst“ oder nur „eine der Künste“, aber somit immerhin „Baukunst“ sei, oder aber mit Kunst überhaupt nichts zu tun habe, hängt beispielsweise auch vom Verständnis des Begriffs Kunst ab, das sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts grundlegend gewandelt hat. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Architektur und Wissenschaft. Dies hat gravierende Folgen nicht nur für das Selbstverständnis von Architektinnen und Architekten, sondern auch für die Art und Weise, Titelseite der anonym erschienenen Erstausgabe von René Descartes: Abhandlung über die Methode, seine Vernunft gut zu gebrauchen und die Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen. Leiden: Ian Maire, 1637

wie sie aus­gebildet werden. Aus solchen Gründen verschob sich in den vergangenen 200 Jahren der Schwerpunkt der Architektur­ ausbildung mehrfach: von den Kunsthochschulen zu den polytechnischen Schulen, später zu den

tech­nischen Hochschulen, und vor relativ kurzer Zeit erst zu den wissenschaftlichen Univer­sitäten. Vor dem Hintergrund der langen Geschichte der Universität gesehen ist es ein Novum, dass dort Architektur gelehrt wird. Notwendig sind diese Klärungen auch, weil die Sprachen selbst sich ­kontinuierlich weiterentwickeln. Sowohl die historische Entwicklung selbst als auch der Wechsel der den Diskurs dominierenden Sprachen führen zu Verständnisschwierigkeiten. Dies musste sich schon der Latein schreibende Vitruv vorwerfen lassen, dessen Terminologie vielfach auf das Griechische zurückgreift. Der Begriff und das Konzept von Theorie selbst geht auf die griechische Philosophie zurück, die die sinnlich wahrnehmbaren

Erscheinungen als Täuschungen begriff, hinter denen sich die eigentliche, nur durch Theorie zu erfassende Realität verbirgt. Die Erforschung und Ausformulierung dieser Theorien ist ein Grundmotiv moderner Wissen­

251

schaft. In den meisten europäischen Sprachen wird dafür, in leichten Abwandlungen, die gleiche, auf das altgriechische Wort θεωρία (theoria) zurückgehende Vokabel benutzt. Entferntere Kulturen wie etwa die chinesische tun sich hingegen schwer mit der Übersetzung solcher Begriffe, da sich dort unmittelbar analoge Konzepte von Philosophie, Wissenschaft und Theorie nicht entwickelt haben. Andererseits haben gerade die chine­sische, arabische und indische Kultur Grundlegendes zur Entwicklung der längst global gewordenen Moderne beigetragen, und nicht zuletzt auf Gebieten, die für deren Theorie fundamental sind. Das altgriechische θεωρία (theoria) geht zurück auf die Worte θέα (théa) „eine Sicht“ und ὁράω (horáo-) „ich sehe, ich schaue“. Es bedeutet zunächst ansehen oder anschauen, dann im übertragenen Sinne das kontemplative oder auch spekulative Verständnis der Natur. Darauf bezieht sich Platons Ver­ ständ­­nis von Theorie als einer geistigen Schau dessen, was der sinnlichen Wahrnehmung nicht zugänglich ist. Anschaulich macht er dies im

Platons Höhlengleichnis, Stich von Jan Saenredam, 1604, nach einem Gemälde von Cornelis van Haarlem (Ausschnitt)

Höhlengleichnis, das er Sokrates zu Beginn des 7. Buches von Der Staat erzählen lässt: Wir Menschen sind wie Gefangene in einer Höhle, die so an eine Wand gefesselt sind, dass sie nur nach vorne schauen können. Dort

252

sehen sie Schatten auf einer Wand, die sie für die Realität halten. Erzeugt werden die Schatten jedoch von Figuren, die vor einem Feuer vorbeigetragen werden. Einem gelingt es, sich zu befreien und aus der Höhle zu entkommen. Zunächst wird er vom Sonnenlicht (der theoretischen Erkenntnis) geblendet, dann beginnt er (als Philosoph) die wahren Formen zu erkennen. Er kehrt zurück in die Höhle, um seinen Mitgefangenen zu berichten, die seinen Worten aber keinen Glauben schenken. Heute unterscheiden wir zwei Bedeutungen des Begriffs. Im naturwissenschaftlichen Bereich wird Theorie im strengen Sinne verstanden als eine systematische Reihe von Lehrsätzen (Theo­ remen) über ein zu betrachtendes Themen­ gebiet, die vollständig wahr sind und aus diesem Grund auch Vorhersagen erlauben. Im humanistischen oder geisteswissen­ schaftlichen Bereich, zu dem auch die Architek­turtheorie zählt, ist eine so strenge Auf­fassung des Begriffs nicht möglich. Weil das Ethische und Ästhetische sich nicht mit letzter Gewissheit erfassen lassen, versteht man hier unter Theorie lediglich eine ­wohl­­­überlegte, rationale Erklärung der allgemeinen Natur der in Betracht stehenden Sachverhalte. Beide Diskurse, der natur- wie auch der geisteswissenschaftliche, sind in ihrer heutigen Form zu Beginn der Neuzeit (wieder-)entstanden und sind zentrale Be­­ standteile des Projekts der Moderne. Das Kriterium der Systematik trifft bereits auf Vitruvs Werk zu. Sie erschließt sich schon aus dessen Inhaltsverzeichnis, das von grund­­­ legenden und allgemeinen Themen zum Kleinen und Besonderen fortschreitet: von den Baustoffen über die Fundamente und

Prolog von Leon Battista Alberti: De re aedificatoria, in einer Handschrift der Biblioteca Estense Universitaria (ms. Lat. 419), Modena, 15. Jahrhundert

Wände zum Dach, vom Städte- und den Tempelbau, über öffentliche und private Bauten zum Innenausbau, und weiter zum Uhrenbau, und im zehnten Buch schließlich mit dem Thema Bau- und Kriegsmaschinen endend. Aller­

253

dings durchbricht der Autor seine Systematik immer wieder, was vielfach zwar anregend zu lesen ist, andererseits aber Orientierung und Verständ­­nis erschwert. Nicht wenige der von ihm aufgestellten Behauptungen empfindet Vitruv offensichtlich selbst als etwas zweifelhaft und bemüht sich, sie mit Argumenten zu stützen. Dem cartesianischen Zweifel, der das wissenschaftliche Denken der Neuzeit prägte, steht er damit näher als einem mittelalterlichen Autoritätsglauben. Alberti übernimmt großenteils die von Vitruv etablierte Systematik, reduziert aber den Themen­bereich auf das Bauen und hält sich viel strikter an seine Themen. Er hat, mit Kritik an Vitruv nicht zimperlich, den Diskurs wieder aufgenommen, der seitdem lebhaft weiter geführt wird. Nicht jeder Epoche war Architekturtheorie gleich wichtig. So gibt es aus der Zeit der Gotik nur wenige Schriften zur Architektur, von denen keine als umfassende Architekturtheorie gelten kann. Auch von den Baumeistern des Barock ist verhältnismäßig wenig Theoretisches überliefert. Im Verlauf der Baugeschichte wurde Theorie immer dann wichtig, wenn Architektur als etwas öffentlich zu Diskutierendes begriffen wurde. Dies gilt besonders für die klassizistische bzw. neoklassizistische Architektur, die in Vitruv und Alberti ihre Referenzen fand. Deren Rationalitätsanspruch wurde in der Architektur der (heute „klassisch“ genannten) Moderne fast bruchlos weitergeführt. Entwickelt wurde diese von Autoren, die in ihren frühen Jahren fast durchweg neoklassizistische, nicht etwa vom Jugenstil oder Historismus abgeleitete Formen gebrauchten: Sullivan und Wright, Loos, Le Corbusier, Gropius und Mies van der Rohe, Asplund und Aalto. Den jüngsten Anlauf, eine umfassende Theorie der Architektur vorzulegen, unternahm 2011 der Architekt Patrik Schumacher, damals ein leitender Mitarbeiter im Büro Zaha Hadid Architects, heute dessen Leiter, mit dem zweibändigen Werk The

Autopoiesis of Architecture. (Schumacher 2011, 2012) THEORIE ALS GRUNDLAGE

Architektur, als Begriff ebenso wie als Disziplin, basiert auf Theorie. Schon nach der Begriffsbestimmung von Vitruv setzt Architektur sich zwingend aus diesen beiden Komponenten zusammen: fabrica und raciocinatio, dem Machen und dem Nachdenken, in anderen Worten: Praxis und Theorie. (Vitruv I 1,1)

254

Ausstellung Bernhard Tschumi – Architecture: Concept & Notation in der Power Station of Art, Shanghai, 2016

255

Im Unterschied zum rein praktischen, sich auf Handwerk und Tradition (oder individuelle baukünstlerische Leistung) berufenden Bauen, das zwar Gebäude, aber nicht notwendigerweise Architektur hervorbringt, ist die

256

Architektur auf den öffentlichen theoretischen Diskurs angewiesen und wird erst durch diesen als solche qualifiziert. Dessen Narrativ dient als Begrün­ dung und Rechtfertigung. Sie beruft sich somit auf rational beschreib- und diskutierbare, allgemeine Gültigkeit beanspruchende Theoreme. In der Alltagssprache wird der Unterschied zwischen gewöhnlichen Gebäuden und Architektur verschleiert durch die Gewohnheit, die Begriffe als synonym zu verstehen. Jegliches Bauwerk kann als Gebäude bezeichnet werden, aber zur Architektur zählen streng genommen nur jene, welche die Kritierien der Architekturtheorie erfüllen und in Bezug auf deren Diskurs begründet sind. Für Vitruv waren diese in der berühmten, weiter oben diskutierten Trias von firmitas, utilitas und venustas zusammengefasst, die sich letztlich auf die drei von Platon bestimmten Teilgebiete der Philosophie zurückführen lassen: Logik, Ethik und Ästhetik. Bei der Architekturtheorie handelt es sich also keinesfalls um eine schöngeistige Beschäftigung, deren „Nutzen und Nachteil“ im Verhältnis zur praktischen Bautätigkeit nur vage und mit Mühe zu bestimmen wären. (so z. B. Neumeyer 2014)

Sie stellt vielmehr das Narrativ dar, das die Existenz von

Architektur – im Unterschied zum bloßen Bauen – überhaupt erst begründet. Die Funktion dieses Narrativs, in anderen Worten: die Funktionsweise von Architekturtheorie als Entwurfswerkzeug, lässt sich analog zu zwei Thesen des Historikers Yuval Noah Harari erläutern. Er argumentiert, dass im Laufe der Geschichte zwei Fähigkeiten zu entscheidenden evolutionären Wettbewerbs­vorteilen des homo sapiens wurden: die Kognitive Revolution, die ausgelöst wurde durch erstens die Fähigkeit, fest an Fiktionen zu glauben, und zweitens mittels Sprache diese Fiktionen zu verbreiten und auf diese Weise die Handlungen großer, persönlich nicht miteinander bekannter Gruppen von Akteuren zu steuern und zu koordinieren. Der entscheidende Vorteil dieser fiktionalen Vorstellungen ist, dass sich kollektive Verhaltens­ weisen durch sie sehr viel schneller ändern und an neue Gegebenheiten anpassen lassen, als dies beispielsweise durch Evolution möglich wäre. (vgl. Harari 2011, S. 22 ff.)

Die zuerst in der westlichen Kultur, inzwischen aber

auch in der globalen Moderne allgemein anerkannten Vorstellungen, die das Konzept von Architektur ausmachen, können durchaus als eine solche

257

Faksimile der 1925 von Tao Xiang kommentierten und kolorierten Neuausgabe von Li Jie: Yíngzào Faˇshì (Erstdruck: 1103), Beijing: Zhonghua 2018

Fiktion gelten: Es gibt keinen anderen Nachweis, dass etwas „Architektur“ sei, außerhalb der Theorie, der sprachlich vermittelten, diskursiv geklärten und allgemein anerkannten Narrative, die begründen und definieren, was „Architektur“ sei und wer als „Architektin“ oder „Architekt“ gelten dürfe. Deutlicher werden die Vorteile einer solchen Theorie, wenn wir uns Kulturen vorstellen, die ohne Architekten ausgekommen sind, wie etwa das europäische Mittelalter oder das imperiale China. Im Mittelalter wurde das Entwerfen als „göttliche Inspiration“ tabuisiert, das fachliche Wissen über das Entwerfen und Bauen wurde von den Zünften und Bauhütten weitgehend geheim gehalten. Wichtige Entscheidungen wurden vom herrschenden Adel oder Klerus gefällt, sie wurden in der Regel öffentlich weder rational begründet noch zur Diskussion gestellt. Demzufolge existierte auch die Rolle des Architekten im modernen Sinne noch nicht. Es gab zwar Baumeister, die in der Regel direkt auf der Baustelle arbeiteten, aber sie galten – mit wenigen Ausnahmen – als Handwerker und hatten dementspechend keinen hohen öffentlichen, künstlerischen oder gar akademischen Status. Ein archi-

tekturtheoretischer Diskurs konnte sich unter solchen Gegebenheiten nicht entwickeln. Wohn- oder Wirtschaftsgebäude wurden im Allgemeinen von Handwerksmeistern nach bestehenden Vorbildern erbaut.

258

Im China der Sung-Dynastie (960–1279) gab es zwar detaillierte staatliche Bauvorschriften, die als umfangreiches und reich illustriertes, mehrbändiges Werk mit dem Titel Yíngzào Fashì (營造法式, wörtlich: Lager Bau Methode Stil, sinngemäß: Traktat über Baumethoden oder Staatliche Baustandards) gedruckt und verbreitet wurden. (Li Jie 1103) Dieses einem Vorlagen- und Vorschriftenbuch vergleichbare, bislang in keine westliche Sprache übersetzte Werk diente während der späteren südlichen Sung-Dynastie (960–1279) als verbind­liche Grundlage, auf welcher private wie staatliche Bauvorhaben abgewickelt wurden. Die ausführenden Handwerker hatten in der damaligen, konfu­zianisch geprägten Gesellschaftsordnung nur einen untergeordneten Rang. Die Bauweise war von der kaiserlichen Zentralregierung vorgegeben und reguliert und stand somit nicht zur Diskussion. Anders als in der europäischen Tradition spielte auch der öffentliche Raum in dieser Gesellschaft nur eine untergeordnete Rolle. Der notwendige Verkehrsraum zwischen Wohngebäuden wurde eher als übriggebliebener Restraum gewertet. In der Konsequenz machte dies auch repräsentative, ihn addressierende Fassaden überflüssig. Wohnhäuser öffneten sich zum Hof oder zum Garten, nach außen hin genügte eine weiße Mauer mit einer Tür. Die Rolle von Archi­ tekten, deren Tätigkeit sich auf einen öffentlichen Raum und einen öffentlichen Diskurs bezieht und diese weiterzuentwickeln trachtet, war in dieser Gesellschaftsordnung ebenso wenig vorgesehen wie im europäischen Mittelalter. THEORIE ALS WERKZEUG

Als Entwurfswerkzeug betrachtet, stellt sich Architekturtheorie als ein höchst wirkungsvolles Instrument dar, das auf ganz unterschiedlichen Ebenen ein­ gesetzt werden kann. Seine Möglichkeiten reichen vom einzelnen Theorem, das bestimmte Aspekte eines Projekts begründet, über den persönlichen Entwurfsansatz bis hin zur Begründung universaler Prinzipien oder eines epochalen Stils. Es gibt für dieses Werkzeug, von mangelnder Vorstellungs­ kraft abgesehen, keine Grenzen. Seine Funktionsweise basiert immer auf der Entwicklung logisch verknüpfter Argumente zu nachvollziehbar begründeten Entwurfsvorstellungen. Seine größten Schwierigkeiten liegen naturgemäß

eben in der Nachvollziehbarkeit (manchmal auch nur: Verständlichkeit) und Überzeugungskraft der vorgebrachten Argumente sowie in der Logik, genauer gesagt in der notwendigerweise mehrdimen­sionalen Struktur von deren

259

Verknüpfungen: Denn als vorwiegend sprachlich-rationales Werkzeug des Entwerfens ist Architekturtheorie an ein schrittweises, lineares Vorgehen gebunden, in einem Projekt aber werden alle Betrachtungsebenen entweder gleichzeitig oder in anderen Abfolgestrukturen wirksam. Alle nichtsprachlichen Ausdrucksformen wie Skizzen, andere Zeichnungen, Diagramme oder Fotos können Bestandteil des theoretischen Diskurses werden, sofern sie mit geeigneten sprachlichen Mitteln (und sei es nur durch eine Bildnummer) in diesen einbezogen werden. Unausgesprochen ist in jeder architekturtheoretischen Äußerung die Aufforderung zur Kritik enthalten, zur einer sich unabhängig machenden Reflexion, und zur ständigen Weiterentwicklung des Diskurses. Selbst wenn man das Bauen als eine vorwiegend lokale und praktische Tätigkeit verstehen mag – obwohl es heute ohne die Nutzung aktueller wissenschaftlicher Kenntnisse und Berechnungsmethoden überhaupt nicht mehr möglich wäre –, so addressieren Architektur wie Städtebau, Landschaftsarchitektur wie Design zumindest in ihrer jeweils anspruchsvollen Form längst ein glo­bales Publikum. Ohne ein theoretisches Engagement sind die damit ­verbundenen Herausforderungen nicht mehr zu bewältigen. Dies bedeutet keinesfalls, dass alle Entwerfenden selbst etwas zur Architekturtheorie ­beitragen müssten. Kritiker, Theoretiker, Kuratoren oder Historiker unterstützen mit ihren Schriften nicht selten bestimmte Richtungen oder Autoren. Aber wer innerhalb eines bestimmten Paradigmas arbeitet, sollte sich dessen theoretischer Grundlagen bewusst sein. Solange diese nicht in Frage gestellt werden, besteht zunächst einmal keine Notwendigkeit, selbst aktiv zu ­werden. Andererseits ist in der jüngeren Vergangenheit kaum ein architektonisches Paradigma für länger als eine Dekade unangefochten geblieben. Insofern tun Entwerfende letztlich gut daran, sich mit Architekturtheorie auseinanderzusetzen, zum einen, um sich im gobalen Diskurs zu verorten, aber auch, um eigene, neue Positionen entwickeln und mit tragfähigen Argumenten verteidigen zu können. Die bis heute wohl wirkungsmächtigste Architekturtheorie ist die Geschichte der Architektur. Die ihr zugrunde liegende Vorstellung, dass die Entwicklung von Architektur auf einen kritisch vergleichenden Diskurs

Evolutionary Tree 2000: Sechs Strömungen der Architektur des 20. Jahrhunderts, copyright Charles Jencks

basiere, der zu einem evolutionären Fortschritt führe, ist bereits bei Vitruv angelegt. Im ersten Kapitel des zweiten Buches beschreibt er, wie die Menschen zu Beginn aus Laub Dächer machten, Höhlen gruben oder die

262

Nester der Schwalben nachahmten, und fährt fort:

„Alsdann andere Wohnungen beobachtend und aus eigener Erfindung Neues hinzufügend, brachten sie von Tag zu Tag verbesserte Arten von Hütten zu Stande. [...] so zeigte täglich, seiner Erfindungen sich rühmend, einer dem anderen die erzielten Vorteile seines Hauses, und indem sie durch Wetteifer ihren Erfindungs­ geist übten, wurden von Tag zu Tag bessere Einsicht errungen. [...] und entwickelten hierauf durch wissenschaftliche Beobachtungen aus schwankenden und unsicheren Urteilen die sicheren Gesetze der symmetrischen Maßverhältnisse.“ (Vitruv II,1,2–7) Als Voraussetzung dieser Entwicklung schildert Vitruv die Entdeckung des Feuers und die Entwicklung der Sprachen. Auch wenn es sich hier letztlich nur um Anekdoten handeln mag, wird doch eine Vorstellung von zivilisa­torischem Fortschritt deutlich, dessen Antriebe aus reflektierender Beob­achung, Verbesserung, Wettstreit und ergebnisoffenen Diskursen bestehen. ­Ver­gleichbare Vorstellungen sind bis heute in dem für die Moderne ­zentralen Begriff der Avantgarde präsent, mit dem beispielsweise auch Patrik Schumacher seinen theoretischen Anspruch begründet. (Schumacher 2011, S. 95 ff.) KURZE THEOREME

Persönliche Beiträge zur Architekturtheorie müssen, um im Diskurs wirksam zu werden, nicht unbedingt die Form langer, elaborierter Traktate haben. In Zeiten des Internets kann auch ein über die sozialen Medien verbreitetes Video eines Vortrags, Interviews oder Gesprächs eine angemessene Form sein. Auch einzelne Theoreme, die auf Teilaspekte bezogen sind, können große Wirkung entfalten. Manchmal reicht dazu eine Frage aus, wie jene des damals neu in die staatliche Baudirektion Plakat zur Ankündigung des Vortrags „Ornament und Verbrechen“, Adolf Loos, 1913 (Farben geändert)

Unser Architektonisches Brevier, Seite 2, Typoskript aus dem Büro Luigi Snozzi, Anfang der 1970er Jahre, aus: Snozzi 2013, S. 96

in Karlsruhe berufenen Heinrich Hübsch: „In welchem Style sollen wir bauen?“ (Hübsch 1828)

Seine eigene Antwort („Im Rundbogenstil“) wurde von der

­zeitgenössischen Kritik zwar fast ­umgehend zurückgewiesen, doch die Frage

264

selbst beschäftigt Entwer­fende bis heute.

(z. B. Schumacher 2012, S. 617 ff.)

Adolf

Loos’ 1908 geschriebene, 1910 zunächst mündliche vorgetragene, nur wenige Buchseiten umfassende Polemik Ornament und Verbrechen wurde später in der von Le Corbusier mit herausgegebenen Zeitschrift L’Ésprit nouveau wieder abgedruckt. Sie prägt die Ästhetik der Moderne bis heute und kann wohl als einer der folgenreichsten Texte der Architekturtheorie gelten. Ulrich Conrads’ Programme und Manifeste bietet eine Anthologie solcher kurzer, prägnanter Texte oder Textausschnitte aus den ersten zwei Dritteln des 20. Jahrhunderts, die sehr klar die Positionen der einzelnen Autoren vermitteln.

(Conrads 1964)

„Architektur ist ‚LEERE‘, es liegt an dir sie zu definieren.“ Mit wenigen, knappen Sätzen gelang es dem Tessiner Architekten Luig­­i Snozzi, (einer meiner Lehrer) ein umfassendes architektonisches Weltbild zu entfalten. Zu Beginn

seiner Lehr­tätigkeit 1973 formulierte er 24 Aphorismen, die er seiner Lehre wie seinem Entwerfen zugrunde legte. (Snozzi 2013) Sie bilden sozusagen einen kompletten Satz Ent­wurfswerkzeuge. Ihre älteste erhaltene, u ­ ndatierte Nieder­ schrift ist auf Deutsch verfasst, stammt aus seinem Architek­turbüro in Locarno und trägt den Titel „Unser Architek­tonisches Brevier“. (a.a.O., S. 94 f.) Auf das Lateinische brevis (kurz) zurückgehend, hat dieser Ausdruck die ältere Bedeutung „kurzer, praktischer Leitfaden“, die heute überlagert wird vom Verweis auf die religiöse Praxis des Stun­dengebets. Mit je einer Abbil­dung ­illustriert, umreißen diese „Merk­sätze“, wie Snozzi sie auch nannte, eine archi­ tektonische Haltung, mit der er sich deutlich vom damals wie heute Üblichen abhebt. Ihre Wirkungs­weise als Ent­wurfswerkzeuge beruht unter anderem darauf, dass sie kaum je direkte Vorschriften formulieren. In der Lehre hätte dies (1968 war nur fünf Jahre her) zu reflexhafter Ablehnung geführt. Sie wirken vielmehr ­inspirierend, auch provozierend, und regen zum Weiterdenken an. Die Abbildungen führen eine weitere Bedeutungsebene ein, die sein Architek­tur­verständnis herleitet aus dem Bezug zur Geschichte, zur Natur und den historischen Städten Norditaliens. Das „Brevier“ ist verankert im Diskurs der Nachkriegsmoderne und stellt zugleich deren Auswüchse in Frage.

„Architecture is something that always surrounds realms, and then opens them.“ Mit noch weniger Text kommt der japanische Architekt Sou Fujimoto aus.

265

Modelle aus der Ausstellung Sou Fujimoto: Futures of the Future, in der Power Station of Art, Shanghai, 2015

Seine so poetischen wie theoretischen Erkundungen lehnen sich eng an eine alltägliche, beinahe studentisch anmutende Entwurfspraxis. Er kombiniert kleine, kaum mehr als handgroße Modelle, die aus alltäglichen, zum Teil fast wie Abfall erscheinenden Materialien gemacht sind, mit menschlichen Maßstabsfiguren und kurzen Fragen oder Überlegungen. In der Kombination von mehreren Dutzend solcher Modelle erreichen diese Arbeiten durchaus die Qualität einer breiter angelegten theoretischen Untersuchung. Verbale und visuelle Elemente wirken auf eine lakonisch augenfällige Weise zusammen und vermitteln die Grundthemen einer architektonischen Denkweise,

wobei sie trotz aller Knappheit durchaus Bezüge zu Positionen anderer Architekten aufnehmen. Eine weiße Figur steht, anscheinend etwas ratlos, vor einem Berg roten, zerknüllten Papiers: „Is this architecture?“ Diese Frage

266

würde wie ein polemischer Seitenhieb auf die Arbeitsweise von Frank Gehry wirken, würde sie nicht von anderen Modellen wieder aufgenommen und aus anderen Blickwinkeln weiter untersucht. Eine Ecke zerknittertes Packpapier kommentiert er mit: „These wrinkles are terrain, flows, structure, and

space. And simply it is also trash.“ Einzelne Theoreme, aber auch ganze Theorien lassen sich schließlich zu Formeln, Slogans und Schlagwörtern verkürzen, die die gebotene Komplexität auf durchaus problematische Weise reduzieren, aber gerade deshalb im Diskurs eine große Wirkung entfalten können. Die wohl berühmt-berüchtigtste dieser Formeln, form follows function, ist einem Zitat von Louis Sullivan entnommen, das vorgibt, aus der Natur ein universelles Gesetz abzuleiten, welches tatsächlich jedoch nicht mehr als eine polemische Verallgemeinerung ist. (Sullivan 1896) Ihre Eingängigkeit beruht auf der Alliteration der drei Worte, die eine fundamentale Hierarchie architektonischer Werte umkehren. Eine andere ist das Mies’sche less is more, ein von mathematischer Eleganz abgeleitetes Kriterium, auf das Venturi später sein

less is a bore reimte. Im folgenden Kapitel wird am Beispiel der Arbeit von Otl Aicher gezeigt, welch grundlegende Funktion die von ihm entwickelten Theorien für seine Art des Entwerfens hatten. Ein weiteres, für diese Neuausgabe geschriebenes Kapitel zum Thema Forschungsbasiertes Entwerfen (S. 324) stellt einige weitere, von theoretischen bzw. wissenschaftlichen Untersuchungen ausgehende Entwurfsansätze dar. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Spector, Tom; Damron, Rebecca L. (2013): How Architects Write. New York, London: Routledge, 2013 Erben, Dietrich (Hg.) (2019): Das Buch als Entwurf: Textgattungen in der Geschichte der Architekturtheorie. Ein Handbuch. München: Fink, 2019 Kruft, Hanno-Walter (1985): Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart. München: Beck, 1985, 6. Aufl. 2013 Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 383.

Otl Aicher: Eine Theorie des Entwerfens „die umsetzung in konkrete entwürfe war eine sache für sich, aber sie war nicht denkbar ohne eine umfassende arbeitshypothese (...).“ (Aicher 1990, S. 196) Eine Theorie des Entwerfens wäre eine möglichst systematische, widerspruchsfreie Konstruktion von Aussagen, die das Zustandekommen von Entwürfen weitgehend erklärt. Je nach dem Abstraktionsgrad einer Theorie und nach dem Geltungsbereich, den sie beansprucht, wären allgemeine von

speziellen Theorien des Entwerfens zu unterscheiden. Die letzteren gelten nur für begrenzte Mengen von Entwürfen, beispielsweise für Entwürfe einer bestimmten Person, Schule oder Richtung, oder auch nur für eine bestimmte Entwurfsphase oder einen einzigen Entwurf. Der Realitätsgehalt solcher Theorien – für praktizierende Entwerfer die zentrale Frage – wäre zu messen an ihrer Anwendbarkeit sowie an der Qualität und der kulturellen Relevanz der Entwürfe, die unter ihrer Anwendung entstehen. Ihre Mängel zeigen sich in den Widersprüchen, die sich zwischen Theorie und Praxis des Ent­ werfens auftun, wie auch in den nicht erklärbaren Aspekten der Entwurfs­ arbeit und der entstandenen Entwürfe. Eine zufriedenstellende Theorie des Entwerfens, oder auch nur ein Weg dorthin, ist für den Bereich Architektur und Design derzeit nicht in Sicht. Die bestehenden Ansätze weisen wesentliche Mängel, Lücken, logische Widersprüche und Unvereinbarkeiten mit der Praxis auf. Angesichts der Komplexität des Themas ist das durchaus zu erwarten. Wenn aber die Theoriebildung Fortschritte machen soll, dann werden gerade die Mängel bestehender Theorien interessant. Aus ihrer Analyse lassen sich Hinweise darauf ableiten, wie ein theoretischer Ansatz zu verbessern und weiter zu entwickeln wäre. Jedem entwurflichen Handeln liegen willkürliche Gesten zugrunde. Für sie gibt es keine kausale Erklärungen, denn sie sind

„Ausdruck einer menschlichen Freiheit“ (Flusser). Dennoch gibt es viel über das Entwerfen zu

Otl Aicher im Mai 1990

wissen, gibt es mehr oder weniger erhellende Möglichkeiten, über das Entwerfen zu sprechen. Unter ihnen zeichnet sich der Ansatz des deutschen Designers und Theoretikers Otl Aicher (1922–1991) sowohl durch die Breite

268

der in Betracht gezogenen Themen als auch durch die Radikalität der von ihm beschriebenen Position aus. Seine Schriften wurden von Architekten und Designern als wichtiger Beitrag zur Theorie des Entwerfens aufgenommen.

(Kuhnert 1989, Foster 2000, De Bruyn 2003, Rathgeb 2006)

Worin dieser Beitrag

besteht und was seine Bedeutung ausmacht, ist indes nicht leicht zu bestimmen. Aicher hat seine Überlegungen nicht als Theorie systematisch ausformuliert, sondern lediglich in Form einer Sammlung thematisch eigenständiger Aufsätze veröffentlicht. Die meisten seiner Texte entstanden in den 1980er Jahren; der erste erschien 1978, die jüngsten 1991, dem Todesjahr Aichers. Sie wurden 1991 in zwei Bänden „analog und digital“ (1991/1) und

„die welt als entwurf“ (1991/2) zusammengefasst, ergänzt um den Band „schreiben und wider­sprechen“, den seine Frau Inge Aicher-Scholl posthum 1993 herausgab. Aichers Texte sind zunächst einmal Statements eines Ent­wer­ fenden, die seinen persönlichen Standpunkt darlegen und ihn in Beziehung zu seinem philosophischen wie politischen Denken begründen. Im selben Zeitraum veröffentlichte Aicher verschiedene andere Bücher, die weitere Hinweise zu seinem entwurflichen Denken enthalten, so „gehen in der wüste“ und „Die Küche zum Kochen“ mit dem anspruchsvollen Untertitel „Das Ende einer Architek­tur­doktrin“ (beide 1982; die von ihm bevorzugte Kleinschreibung konnte Aicher nicht immer durchsetzen), „kritik am auto“ (1984), „innenseiten des krieges“ (1985), „Wilhelm von Ockham: Das Risiko modern zu denken“ (zusammen mit Gabriele Greindl und Willhelm Vossen­ kuhl, 1986) und das umfangreiche Grundlagenwerk „typographie“ (1988). Aufgewachsen in einer katholischen Handwerkerfamilie im schwäbischen Ulm, hat Otl Aicher den größten Teil seines Lebens in Ulm, in München und im Allgäu verbracht. Seine Jugendjahre fallen in die Zeit des National­ sozialismus, er war mit den Geschwistern Scholl befreundet, ohne aber in die Aktionen der Weißen Rose einbezogen zu sein. 1941-45 war er Soldat, nach dem Krieg studierte er kurz Bildhauerei in München, um dann als Grafiker tätig zu werden. 1952 heiratete er Inge Scholl, und zusammen mit Max Bill gründen die beiden die Ulmer hochschule für gestaltung. Mit Gestaltungen wie des Erscheinungsbildes der Lufthansa oder der Münchner Olympiade 1972 wurde Aicher zu einem der wichtigsten Designer Nachkriegs­

Bücher von Otl Aicher

deutschlands. In einer alten Allgäuer Mühle richtete er sich Wohnung und Büro ein und erklärte das Anwesen zur „autonomen republik rotis“, benannt nach der keltischen Ortsbezeichnung. Trotz seiner Reisen, seiner Freund­

270

schaft mit Norman Foster und auch trotz seines philosophischen Denkens blieb Aicher letztlich bodenständig und regional und bewegte sich weitgehend in den Grenzen des deutschen Sprachraumes. Die wichtigsten seiner Schriften wurden ins Englische und Chinesische übersetzt, 2012 erschien eine umfangreiche Biografie.

(Moser 2012)

THEORIE VON UNTEN

Sein Denken entwickelte Aicher aus der Opposition zu den großen Ideen, den allgemein gültigen Wahrheiten, den abstrakten, übergeordneten Theorien. Nicht ohne selbst ins Prinzipielle zu fallen, fordert Aicher dazu auf, die Welt als „welt von unten“ zu denken, die Erziehung von den Kindern her, den Staat von den Bürgern her, die Wirtschaft von den Arbeitern und Konsumenten her zu entwickeln. „geist“, folgt für Aicher daraus, „ist geist von

unten, vom machen her“.

(Aicher 1991/1, S. 147)

Aus dieser Perspektive wurde für

Aicher das Machen zum zentralen Thema, denn „die welt, in der wir leben, ist

die von uns gemachte welt“.

(Aicher 1991/2, S. 185)

Durch das Machen, durch die

Leistungen von Naturwissenschaft und Technik, Industrie und Ökonomie sei unsere Lebenswelt nicht mehr die in den Kosmos eingebettete Natur, sondern sie sei zu einem Entwurf geworden, zu einem „gemachten modell, das

sogar die natur mit einschließt“.

(a.a.O., S. 188)

Doch auch das Machen selbst sieht Aicher in Gefahr. Unsere Zivilisation, vor allem deren industrielle Ökonomie, habe die Tendenz, uns zugunsten einer automatisierten Produktion aus jeder Art von Arbeit zu vertreiben. Damit verlören wir nicht nur die Beziehung zu den Dingen, das Verständnis von Ursache und Wirkung, von Entwurf und Folge, sondern auch unsere Selbstbestimmung, die auf das Treffen von Konsumentscheidungen reduziert wird. In der Konsequenz verlören wir an Vertrauen zu uns selbst, an Sicherheit im Verhalten, Machen und Sagen, und würden zunehmend autoritätsgläubig. Das Machen, von Aicher definiert als

„ein selbst zu verantwortendes tun, an dem jemand mit konzept, entwurf, ausführung und überprüfung beteiligt ist“ und aus dem „erkenntnisse gewonnen werden für die korrektur von konzept und entwurf“, (a.a.O., S. 190 f.)

sei die Voraussetzung von Freiheit, die Aicher versteht als einen „aggregatzu-

stand, der durch das machen entsteht“.

(a.a.O., S. 154)

Entwerfen im Sinne von kreativer, schöpferischer Arbeit versteht Aicher

271

nicht als die Materialisierung vorgegebener Ideen, sondern als deren aktive Entwicklung in einem Regelkreis von Experiment, Auswertung und Modi­fikation, in einer Folge von „praktischen Modellversuchen“. Dieser Ent­ wicklungs­prozess basiere nicht auf vorbestimmter Planungslogik, sondern auf der Arbeit mit Modellen:

„es werden modellsituationen entworfen, es werden modelle gebaut, und am modell zeigt sich, ob der ansatz stimmt, ob neue fragestellungen auftauchen, die durch neue modelle zu beantworten sind.“ (Aicher 1991/1, S. 148) Aicher geht hier allerdings nicht von einem architektonischen, sondern von einem wissenschaftlichen Modellbegriff aus, der beispielsweise auch Skizzen und Zeichnungen als „grafische Modelle“ umfasst. Modelle definiert er als

„konstruktionen von aussagen, begriffen und begriffsoperationen“.

(Aicher 1991/2, S. 195)

Im Prozess des Entwerfens misst Aicher dem Vergleichen von Alterna­ tiven und deren Bewertung einen so hohen Stellenwert zu, dass er dies mit dem Entwerfen gleichsetzt: „die tätigkeit des designers besteht darin, ordnung in

einem konfliktfeld heterogener faktoren zu schaffen, zu werten.“

(a.a.O., S. 67)

Die

Schwierigkeit dieses Wertens liegt in der Widersprüchlichkeit der Kriterien. Der zu entwerfende Gegenstand soll technisch funktionieren, formal ansprechen, sich im Gebrauch bewähren, ökonomisch sein und Funktion, Bedeu­ tung und Herkunft ablesbar machen. Dies sind Qualitäten, die weder einander bedingen noch kausal voneinander abhängen, sie stehen vielmehr in Spannung zueinander und erzeugen Differenzen und Konflikte, die der Entwerfende auszutragen habe. Damit dies gelingen kann, seien umfassende Arbeitshypothesen und Programme, sei eine ganze Philosophie zu entwickeln, die es erlaubt, Entscheidungen nicht mehr nur als eine Frage des Geschmacks oder in Anleh­ nung an einen Trend zu fällen, sondern mit präzise hergeleiteten Argumenten zu begründen: „der designer ist der philosoph des unternehmens.“ (a.a.O., S. 160 ff.) Der „logischen ableitung mit ihrem anspruch auf totale wahr-

Beispiele für analoge und digitale Zeitanzeige

heit“ stellt Aicher die „vernunft des handelns und des machens“ gegenüber, plädiert für ein „analoges denken“, das visuell und vergleichend ist im Gegensatz zum „digitalen denken“, das verbal, streng logisch und an exakten Zahlen­­ 272

werten orientiert ist.

(Aicher 1991/2, S. 198 f.)

Den Unterschied verdeutlicht er

am Beispiel des Zifferblatts einer Uhr, deren Zeiger ein unmittelbar anschauliches Ablesen der Uhrzeit erlauben, während die Zahlenanzeige einer Digitaluhr erst gelesen und dann in eine Uhrzeit übersetzt werden muss.

Plakate für Veranstaltungen der von Inge Scholl 1946 gegründeten Volkshochschule Ulm

Diese Position ist sowohl eine philosophische als auch eine politische; „ana-

loges denken“ bedeutet für Aicher nicht nur die Bevorzugung des konkreten Phänomens, des einzelnen Falls, sondern auch den Verzicht auf zwingende Systeme der Welterklärung. Anstelle einer allgemeinen, von einer abstrakten Logik determinierten Ordnung, die immer auch zu Unter­ordnung und Herr­ schaft führe, und deren Kultur nichts weiter sei als Ablenkung durch die Illusion des Schönen, Wahren und Guten, setzt Aicher seine Vorstellung der

„welt als entwurf“.

(a.a.O., S. 191)

Das hier anklingende anarchische Moment verdichtet sich bei Aicher zu einer Kritik des Staates. Das mit den abstrakten Begriffen Recht und Freiheit Bezeichnete sei immer nur erlebbar als das konkrete Recht und die konkrete

273

Freiheit. Das Konkrete sei in den meisten Fällen das Alltägliche und Gewöhn­­liche. Gerade hier sieht Aicher die wichtigste Aufgabe der Entwerfer:

„das anstrengende ist das ganz gewöhnliche. und im ganz gewöhnlichen zahlt sich das leben aus. im gewöhnlichen entfaltet sich kultur. als form, die man seinem leben gibt.“ (Aicher 1991/1, S. 171) Plakat für die Sportart Ringkampf, entworfen für die Olympischen Spiele München 1972

Aus dieser hohen Wertschätzung des Alltäglichen folgt für Aicher der Vor­ rang der Kriterien des Gebrauchs, des Herstellens und der Zweck­mäßigkeit. Damit sind keine abstrakten Ideale wie Vitruvs firmitas oder utilitas gemeint;

274

das Gebrauchen ist auch nicht im technischen Sinne wertfrei zu verstehen wie der Begriff der Funktion, sondern geht von der konkreten Erfahrung des persönlichen Umgangs mit einem bestimmten Gegenstand oder Gebäude aus. Das Prinzip der Zweckmäßigkeit sei daher auch nicht ausschließend; vielmehr führe es zu einer Dezentralisierung des Wahrheitsanspruchs, denn:

„vieles ist zweckmäßig, und vieles ist auf verschiedene weise zweckmäßig.“ 1991/2, S. 191)

(Aicher

Anstelle der allgemeinen Kategorie der Wahrheit setzt Aicher

das Richtige als das dem Menschen mögliche Wahre: „es ist konkret. es hat umstände, es ist überschaubar, es ist dinglich, anschaulich, lässt sich überprüfen und diskutieren.“ (Aicher 1985, S. 251) Vom bloß Opportunen unterscheide sich das Richtige, wenn es einem Kriterium entspricht, das „außerhalb des falles liegt“, (a.a.O., S. 252)

wenn beispielsweise eine technische Lösung auch Kriterien ent-

spricht, die nicht aus dem Bereich der Technik kommen. Letztlich sei jedoch ein umgreifendes System von Voraussetzungen und Folgen des einzelnen Falls in dessen Bewertung mit einzubeziehen. Auch die Ästhetik ordnet Aicher diesen Kriterien unter. Zwar sei es wichtig, ästhetische Kategorien wie Proportion, Volumen, Reihung, Durchdringung oder Kontraste zu benennen und experimentell zu erfassen, um daraus eine Grammatik, eine Syntax des Entwerfens abzuleiten und eine begriffliche Kontrolle ästhetischer Phänomene zu erreichen.

(Aicher 1991/2, S. 92)

Doch in

der Ästhetik gebe es keine allgemeingültigen Regeln, jede ästhetische Setzung sei zunächst aus sich heraus legitim. In der Folge werde jedoch Freiheit in unserer Gesellschaft oft reduziert auf das Ästhetische, das dann als Vorwand und zur Verschleierung wirklicher Macht benutzt werde. S. 35, S. 88)

(a.a.O.,

Seine Skepsis gegenüber der Instrumentalisierung des Ästheti­

schen radikalisiert Aicher zur völligen Ablehnung von Kunst. Kunst sei untauglich für zweckgerichtete Entwurfsarbeit.

(a.a.O., S. 23)

Sie sei ebenfalls

eine Flucht, eine Verschleierung des Alltags, die auf der Trennung in Geist und Materie beruhe.

(a.a.O., S. 88)

Aichers Ablehnung von Kunst bezieht sich

indes auf einen Kunstbegriff, der auf „das „ästhetische experiment“ reduziert ist, auf das „nicht verstehbare“, möchte.

(a.a.O., S. 24)

(a.a.O., S. 31)

das „außerhalb der leistung stehen“

Verständlich wird solch eine Haltung aus der Zeit ihrer

Entstehung in den Notjahren während und nach dem Zweiten Weltkrieg.

Aicher begann 1946 ein Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München, brach dies ein Jahr später jedoch wieder ab. Er war zur Auffassung gelangt, dass jede Beschäftigung mit Kunst die

275

Vernachlässigung des Alltags bedeute. Die Vehemenz seiner Ablehnung lässt erahnen, welchen Widerstand er zu überwinden hatte, um seine ursprüngliche Motivation aufzugeben. In dieser Situation entstand sein Postulat der „kultur als alltäglichkeit“,

(Aicher 1993, S. 15 ff.)

das grundlegend

wurde für seine weitere Arbeit:

„die wirkliche kultur wäre alltagskultur und die hochkultur nur eine ihrer ausformungen. so zu denken, wäre eine umkehrung aller werte […] künstlerische kreativität müsste den dingen des alltags zugute kommen, dem leben, wie es gelebt wird.“ (a.a.O., S. 17 f.)

Aichers Sport-Pictogamme, entworfen für die Olym­ pischen Spiele München 1972, wurden auch 1976 in Montreal verwendet. Allen Pictogrammen liegt dasselbe Raster zugrunde. © 1976 by ERCO Leuchten GmbH Raster als Grundlage für die Sport-Pictogramme

Die Entwurfsmethoden hervorragender Entwerfer reflektiert Aicher ebenso, wie er sein theoretisches Denken auf philosophische Positionen bezieht. Seine erste Begeisterung galt dem Architekten Le Corbusier, dessen im

276

Nationalsozialismus verbotene Werke ihm damals als ein „manifest der ver-

haltensfreiheit“ erschienen, bei dem der freie Grundriss und die freie Fassade „zwangsläufiger ausdruck einer befreiten art des wohnens“ seien. (Aicher 1985, S. 206 f.)

Die politische Dimension des Entwerfens wurde hier offensichtlich.

Bestimmte Architekturbüros begreift Aicher als „Erkenntniswerkstätten“, die ihre Erkenntnisse aus dem Machen, dem Herstellen und Vergleichen von Konzepten, Entwürfen und Modellen schöpfen.

(1991/1, S. 106 f.)

So beschreibt

er die Entwurfsmethode des Büros von Norman Foster (mit dem er mehrfach zusammen arbeitete und auch persönlich befreundet war), deren Besonderheit darin bestehe, alternative Entwürfe konstruktiv, organisatorisch und haustechnisch so perfekt durchzuarbeiten, dass die Resultate vergleichbar würden. Der aufwändigste Teil eines Entwurfsvorgangs bestehe darin,

„in versuchen, experimenten und studien, in zahllosen regelkreisen von überprüfungen und neuansätzen anhand von modellen und prototypen mit hilfe von eigenleistungen und konsultationen anderer das destillat einer optimalen lösung zu gewinnen.“ (Aicher 1991/1, S. 101)

Zu den Entwerfern, mit deren Arbeitsweise Aicher sich auseinander setzt, zählt auch der Architekt und Designer Charles Eames, den er den „ersten

nicht ideologischen designer der moderne“ nennt.

(Aicher 1991/2, S. 54)

Eames ent-

wickle seine Produkte wie ein Verfahrenstechniker denkend, ohne stilistische Vorgaben, doch mit hohem ästhetischen Anspruch, aus ihrem Zweck, aus Material und Fertigungsmethode und aus dem Gebrauch. (a.a.O., S. 54, S. 63 f., S. 92) Ähnliche Qualitäten sieht er bei dem Designer Hans Gugelot, der im Stil den

„beginn der korruption des designs“ sah,

(a.a.O., S. 71)

und Johannes Potente, der

als anonymer Fabrikarbeiter in den 1950er Jahren Türgriffe entwarf. S. 130)

(a.a.O.,

Aichers Aufmerksamkeit gilt auch dem Flugingenieur Paul McCready,

der mit von Muskelkraft beziehungsweise von Solarzellen betriebenen Flugzeugen um 1980 mehrere Weltrekorde aufstellte und sich mit den dabei gewonnenen Erkenntnissen anschließend Fragen des Denkens, der Kultur und Politik widmet.

(a.a.O., S. 79 ff.)

In der Philosophie bezieht Aicher sich insbesondere auf Wilhelm von Ockham und Ludwig Wittgenstein, beschäftigt sich neben anderen aber

auch mit Platon und Aristoteles, Descartes, Kant, Buridan und Peirce. Bei Wittgenstein, insbesondere in dessen Sprachphilosophie, findet Aicher ein Denken, das sich mit dem Alltäglichen und Gewöhnlichen auseinandersetzt,

277

und dessen höchstes Kriterium der Gebrauch sei. Dieser werde allerdings nicht nur als Prüfstein verstanden, der das Wahre vom Falschen scheide, sondern als eine Aktivität, die das Richtige herstelle – wie in einem Spiel, in dem Regeln gesetzt werden, auf deren Grundlage sich eine neue Wirklichkeit entfaltet. Sprache werde von Wittgenstein als Handlung verstanden, als Machen, das eine Lebensform bildet.

(vgl. 1991/1, S. 121)

OFFENE FRAGEN

Wie lässt sich nun die eingangs gestellte Frage nach Aichers Beitrag zu einer Entwurfstheorie beantworten? Im Unterschied zum bloßen Denken, das keines wäre, wenn es sich nicht zwischen Widersprüchen bewegen würde, erwarten wir von einer Theorie möglichst systematische, widerspruchsfreie Aussagen von prüfbarem Realitätsgehalt. Als Aichers Entwurfstheorie können wir bezeichnen, was sich aus seinen Texten als schlüssige Konstruktion von Aussagen ableiten lässt. In der Zusammenfassung wird deutlich, dass sein theoretischer Ansatz durchaus einem logischen Aufbau folgt: Aus­gehend vom Postulat, die Welt sei als „welt von unten“ zu denken, entwickelt sich Aichers Theorie vom Alltäglichen, vom Konkreten, vom Machen her, das mit wachsender Komplexität zum Entwerfen wird. Als dessen oberste Kriterien

Schriftzug für das Erscheinungsbild der Lufthansa

278

Logogramm für das Erscheinungsbild der Firma ERCO

Lastwagen mit dem Logogramm der Firma ERCO

sieht er wiederum Gebrauch und Zweckmäßigkeit, auch die Ästhetik ist eine des Gebrauchens, Kunst wird als Verschleierung des Alltags abgelehnt. Wahrnehmung ist auf das Analoge gerichtet, Erkenntnis entsteht aus dem

279

Machen. Setzt man wie Aicher Gebrauch und Zweckmäßigkeit als oberste Krite­ rien, müssten diese deutlich von eindimensionalem Nützlichkeitsdenken unterschieden werden. Immerhin wurden auch die architektonischen Wüsteneien einer banalisierten Moderne mit diesem Argument begründet. Eine entsprechend differenzierte Definition dieser Begriffe fehlt bei ihm jedoch. In seiner Praxis indes lief Aicher nie Gefahr, die Grenzen des Menschlichen zu überschreiten. Er wusste sehr wohl, dass jeder Entwurf, auch der schlechteste, für einige an seiner Realisierung Beteiligte „zweck­ mäßig“ sein würde. Die Frage lautet vielmehr, ob der Entwurf für alle von seinen Auswirkungen Betroffe­nen akzeptabel ist. Dies vermittelt auch Aichers Hinweis, dass Entwerfer die Differenzen und Konflikte auszutragen haben, die ein Entwurf mit sich bringt.

(Aicher 1991/2, S. 68 f.)

Während sich Aichers Entwurfstheorie aus seinen Schriften durchaus erschließt, erhalten wir Rückschlüsse auf sein Denken insgesamt nur, indem wir seine vielfältigen Texte, gestalterischen Tätigkeiten und seine Biografie kritisch aufeinander beziehen. Aus dieser Distanz gesehen werden naturgemäß zahlreiche Widersprüche sichtbar, die er selbst stark empfunden haben muss. In ihnen spiegeln sich die Konflikte, aus denen er seine Position entwickelt hat. So beschreibt der unaufgelöste Widerspruch zwischen Aichers Ablehnung übergeordneter Theorien und dem theoretischen Gehalt seiner schulmeisterlich strengen Texte, zwischen seinem persönlichen Anarchismus und dem Absolutheitsanspruch einer „welt als entwurf“, zwischen dem Gebrauch als oberstem Kriterium und einer durchaus gewinnenden Ästhe­ tik, zwischen anfänglicher Begeisterung für und darauf folgender Ablehnung von Kunst das Spannungsfeld, in dem Aicher agierte. Seine theoretischen Äußerungen stellen den Versuch dar, in diesem Feld eine radikale Position zu artikulieren und argumentativ abzusichern. Dabei geht es Aicher letztlich nicht um eine differenzierte Theoriebildung, sondern um die Klarheit und Behauptbarkeit einer Position als Vorraussetzung seiner Handlungsfähigkeit als Gestalter und Entwerfer. Seine Texte sind nicht als unumstößliches Dogma zu lesen, was ihr Tonfall durchaus suggeriert, sondern als argumentative Selbstvergewisserung eines Entwerfers. Aicher gelangt dabei zu einer

Die Schriftenfamilie Rotis besteht aus vier Schriften: einer Antiqua, einer Semiantiqua, einer Semigrotesk und einer serifenlosen Grotesk, die jeweils in vier Stärken, von mager bis fett, ausgebildet sind, mit Ausnahme der Antiqua der Semi-Serif, die es jeweils nur in normal und fett gibt.

Haltung, die zwar gekennzeichnet ist von ideologischen Verkürzungen und Vereinfachungen, doch erwächst sie aus einem Denken und Handeln, das die jeweilige Gegenposition durchaus als Option begreift und in die Überle­ gung mit einbezieht. Das Verhältnis von Theorie und Praxis bleibt für ihn ambivalent. Sobald anspruchsvollere Aufgaben zu lösen sind, das macht Aicher in seinen Schriften wie in seinem Werk deutlich, wird ein theoretischer Horizont erforderlich, den allerdings nur wenige Entwerfer explizit darzustellen vermögen. Die entwurfliche Praxis hingegen schafft Erkenntnis in einer Weise, die jeder Theorie oft weit voraus ist.

THEORIE ENTWERFEN

Trotz aller offenen Fragen impliziert Aichers entwurfstheoretisches Denken neue Maßstäbe für das, was eine Entwurfstheorie zu leisten hätte. Weniger

281

in seiner persönlichen Positionierung als in der Breite seines Denkens verweist Aicher auf eine Theorie des Entwerfens, die das Spektrum der zu beantwortenden Fragen neu bestimmt. Seine Texte zeigen, dass eine Theorie des Entwerfens nicht auf Probleme der Methodik oder die Definition von Begriffen reduziert werden kann. Fragen der Wahrnehmung, des kreativen und kritischen Denkens, des Herstellens und der Bewertung müssten in einen schlüssigen Zusammenhang gebracht werden und wären auf praktische Beispiele ebenso zu beziehen wie auf politische und philosophische Positionen. Eine Theorie des Entwerfens hätte eine Meta-Ebene zu beschreiben, die auf das konkrete Handeln zielt:

„der entwurf übersteigt theorie und praxis und eröffnet nicht nur eine neue wirklichkeit, sondern auch neue einsichten.“ (a.a.O., S. 196) Ausgehend von Aichers Feststellung, das Werten sei wesentlicher Bestandteil des Entwerfens, wäre der Frage nachzugehen, welches überhaupt die wesentlichen Elemente des Entwurfsprozesses sind, was ihre Bedeutung ausmacht und in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Die wichtigsten Werkzeuge des Entwerfens wären zu identifizieren und es wäre zu klären, in welchem Sinn sie als Entwurfswerkzeuge zu verstehen sind. Dazu wäre ihre historische Entstehung zu beschreiben, ihre Wirkungsweise zu analysieren und schließlich wären sie in Bezug auf die von Aicher aufgeworfenen Fragen der Wahrnehmung, des Denkens, des Herstellens und der Bewertung zu diskutieren. Weiter wäre die Problematik des Bewertens von Entwürfen darzulegen und das Feld der möglichen Entwurfskriterien mit ihren gegenseitigen Beziehungen, Abhängigkeiten und Hierarchien zu untersuchen. Den Philosophen Ludwig Wittgenstein zitiert Aicher einmal mit den Worten: „wir dürfen keine theorie aufstellen. alle erklärung muss fort und nur die

beschreibung an ihre stelle treten.“

(Aicher 1991/1, S. 125)

Eine allgemeine Theorie

des Entwerfens müsste jenseits von Ideologie und Dogmatik das gesamte Feld der Möglichkeiten und Bedingungen entwurflichen Handelns beschreiben. Eine solche Theorie, die ja auch eine Theorie des Denkens und der Wahrnehmung beinhalten müsste, wäre allerdings auf keine griffige Formel mehr zu bringen. Sie wäre wohl kaum als einigermaßen kompakte Theorie

Die „autonome republik rotis“ liegt im Allgäu, sie besteht aus einer alten Mühlenanlage und modernen, von Aicher entworfenen Ateliergebäuden. (Foto: Otl Aicher)

vorstellbar, sondern müsste aus umfangreichen, detaillierten Beschreibungen bestehen. Die Aufgabe einer speziellen Theorie wäre dann, bestimmte Positionen in diesem Feld zu definieren und zu begründen, indem sie entsprechende Elemente einer allgemeinen Theorie auswählt und in schlüssige Beziehung setzt. Damit würde sie schließlich die Voraussetzungen schaffen für eine reflektierte und wohlbegründete Handlungsfähigkeit von Entwerfenden. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Moser, Eva (2012): Otl Aicher: Gestalter. Eine Biografie. Ostfildern: Hatje Cantz, 2012 Rathgeb, Markus (2006): Otl Aicher. London, New York: Phaidon, 2006 Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 384.

TEIL C: PRAXIS 2 84

Angewandt werden die Werkzeuge des Entwerfens mit dem Ziel, die Realität zum Besseren zu verändern. Analysiert werden sie, um ihre Wirkungen besser zu verstehen und sie weiter zu entwickeln. Die Praxis über die Theorie zu stellen wäre ebenso falsch wie das Gegenteil davon. Erst das Zusammenwirken von p ­ raktischen Fähigkeiten und theo­ retischer Vernunft verspricht eine nachhaltigere Gestaltung der gebauten Umwelt.

Sind wissenschaftliche Theorien entwurflicher Praxis überhaupt möglich? Ein Grund dafür, warum es lange Zeit relativ wenig Forschung zum Thema Entwerfen gab, könnte auf Aristoteles zurückzuführen sein. Nach dessen

285

Vorstellung kann es von einer prâxis, wie das Entwerfen sie darstellt, keine Theorie geben, da beide unterschiedlichen Wissensbereichen angehören, der epistêmê der Wissenschaft, welche sich nur auf die unveränderlichen Dinge richtet, und der techne des praktischen Könnens. Der Ausdruck Theorie

der Praxis wäre demnach eine contradictio in adiecto, ein Widerspruch in sich. Gültig ist dieses Verdikt allerdings nur für den strengen naturwissenschaftlichen Theoriebegriff. Theorien im geisteswissenschaftlichen Sinn, der sich allerdings sehr viel später herausbildete, sind durchaus vorstellbar. Denn diese werden lediglich als systematische, nachvollziehbar begründete Darstellungen eines Sachverhalts verstanden. Entwurfliche Tätigkeiten, Werkzeuge und Herangehensweisen lassen sich sehr wohl auf diese Weise darstellen. Will man das Entwerfen besser verstehen, ist es sicherlich von großem Nutzen, herausragende historische oder interessante aktuelle

Charles Garnier (Zweiter von rechts) und Mitarbeiter im Zeichenraum der Agence Garnier, mit Zeichnungen der Pariser Oper. Foto: Louis-Émile Durandelle, ca. 1864

Beispiele architektonischer Entwurfspraxis zu untersuchen und damit einer theoretischen Betrachtung zu unterziehen. Beginnen wir mit einer etwa 155 Jahre alten Fotografie. Das vom franzö­

286

sischen Architekturfotografen Louis-Émile Durandelle (1839–1917) um das Jahr 1865 aufgenommene Bild zeigt eine Gruppe von neun Männern in einem Zeichensaal. Einer davon, seinen Kopf auf die linke Hand aufstützend, ist Charles Garnier, Architekt der damals im Bau befindlichen neuen Pariser Oper. Dieser nicht allzu große Saal befand sich in einem einfachen, zweigeschossigen Gebäude, das auf dem Bauplatz der Opéra provisorisch errichtet worden war und als das office d‘agence (wörtlich: Büro der Agentur) von

Charles Garnier. Foto: Antoine Samuel Adam-Salomon, 1876/1884

Das Gebäude der Agence Garnier auf der Baustelle der Pariser Oper. Foto: Louis-Émile Durandelle, ca. 1866

Garnier bezeichnet wurde. Nach einem gewonnenen Wettbewerb wurde in genau diesem Raum und ähnlichen, benachbarten Räumen der Entwurf eines Bauwerkes ausgearbeitet, das immerhin zu einem der wichtigsten seiner Epoche werden sollte: der Neubau der Pariser Oper, der Opéra Garnier. Was sagt eine solche Arbeitsumgebung über die damalige Praxis des Entwerfens aus? Die kollekive Arbeitsweise, welche die École des Beaux-Arts in ihren Ateliers kultivierte, zeigt sich in dieser Aufnahme ebenso wie der eher informelle Habitus der Beteiligten. An den Wänden befinden sich Gipsabgüsse von Bauornamenten, eine T-Schiene, zwei gerahmte Bilder und

287

Das Atelier als soziales Konstrukt: Studenten des Ateliers von Pierre André (1860–1930), École des Beaux-Arts, Paris, um 1903

und zwei große Zeichnungen: ein Grundriss und ein Aufriss der Opéra. Auf den einfachen, aber großen Tischen liegt Papier, flach ausgebreitet und in Rollen, ein Buch und einige einfache Zeichengeräte: Lineale und Dreiecke. Aus heutiger Sicht bemerkenswert ist, dass keinerlei Modelle des Gebäudes zu sehen sind. Tatsächlich wurde ein solches erst auf Wunsch des Bauherren, Napoléon III., im Maßstab 1: 50 aus Gips angefertigt, das er sogleich zum Anlass nahm, einige Änderungen zu verlangen. (Mead 1991, S. 149 ff.) Neben dem Fehlen jeglicher Beleuchtung (elektrisches Licht gab es damals noch nicht) fällt die Schlichtheit der Arbeitsmittel auf, die einen auffälligen Kontrast bildet zum Prunk, den das hier entworfene Gebäude entfalten sollte. Dieser Kontrast von schlichter Arbeitsumgebung zur ausgesprochen prunkvollen und detailreichen Architektur, die hier entworfen wurde, macht deutlich, wie wenig das eine mit dem anderen zu tun haben muss. Auch wenn sicherlich nicht jedes Detail von den Architekten selbst entworfen wurde, die bei der Ausgestaltung des Gebäudes von zahlreichen Malern, Bildhauern, Stukkateuren, Kunstschmieden, Vergoldern, Mosaizisten, Kunsttischlern, Teppichwebern, Dekorateuren und anderen Handwerkern, aber auch Ingenieuren unterstützt wurden, so überrascht doch die große Distanz zwischen der Einfachheit der zum Entwerfen benutzten Werkzeuge und der Komplexität des Entworfenen. In der alltäglichen Praxis spielt der Arbeitsplatz von Entwerfenden, mit dem jeweiligen Arbeitstisch und einer immer zeitbedingten Auswahl von Werkzeugen, eine sicherlich nicht

Perspektive der großen Treppe der Pariser Oper. Zeichner: Riquois, Graveur: Jean-Joseph Sulpis, ca. 1880, aus: Garnier 1880, Bd. 2, Abb. 8

Logen im Zuschauerraum der Pariser Oper. Foto: Scarletgreen, 2007

zu unterschätzende Rolle. Doch gerade die große Distanz von den Werk­ zeugen des Entwerfens zum tatsächlich Entworfenen ist es, auf der ihre Wirksamkeit beruht. Repräsentativ eingerichtete Architekturbüros können zwar durchaus wichtige Botschaften an Mitarbeiter und Geschäftspartner vermitteln, mit dem Entworfenen selbst müssen sie nicht unbedingt verbunden sein. Dies beginnt schon beim sprichwörtlichen Küchentisch: Augenzwinkernd erklärt Daniel Libeskind seine Neigung zu nichtrechtwinklingen Geometrien mit dem Umstand, dass der Küchentisch der Marke Formica, der in der Wohnung seiner Eltern stand und an dem er zu zeichnen begann, abgerundete Ecken hatte. Seine T-Schiene konnte daher, anstatt wie vorgesehen parallele Linien zu ziehen, jeden beliebigen Winkel annehmen. (Libeskind 2016) Heute können in der digitalisierten Arbeitswelt zwar einzelne Programme

sehr spezifisch wirken und großen Einfluss auf das zu entwerfende Projekt ausüben. An der Tatsache, dass es letztlich immer an den Entwerfenden ist zu entscheiden, ob und inwieweit sie sich ihrer bedienen, ändert dies aber nichts.

289 ENTWURFSHALTUNG

Das ultimative, weil komplexeste Entwurfswerkzeug stellt das jeweilige ­soziale und ökonomische Konstrukt dar, innerhalb dessen Entwerfende tätig sind. Dies reicht von einzeln arbeitenden Individuen, die auf ein Netzwerk von Beratern, Unterstützern, Ingenieuren und Baufirmen zurückgreifen, bis hin zu hochkomplexen, weltweit agierenden Firmen mit Hunderten oder in Einzelfällen mehreren Tausend Mitarbeitern verschiedenster Qualifika­tionen, Spezialgebiete und kultureller Hintergründe. Eine der Leistungen der Pariser École des Beaux-Arts war es, in den einzelnen, jeweils von einem Architekten geleiteten Ateliers einen starken sozialen Zusammenhalt zu erzeugen. Dieser kam unter anderem darin zum Tragen, dass zum jährlichen Wettbewerb für den Prix de Rome die verschiedenen Ateliers konkurrierten, indem jedes die vielversprechendste „Skizze“ eines seiner Studenten auswählte, um diesen dann mit vereinten Kräften bei der Ausarbeitung seines Projektes zu unterstützen. Auf ein solches Netzwerk konnte Charles Garnier, der 1848 den Prix

de Rome gewonnen hatte, dann beim Entwurf der Opéra zurückgreifen. Je nach Größe, Struktur und Ausrichtung kann dieses soziale Konstrukt unterschiedlichste Formen annehmen und trägt demzufolge auch ganz ­unterschiedliche Bezeichnungen: das eher künstlerisch ausgerichtete Atelier, der handwerkliche Workshop, das mehr technisch-ingenieurmäßige Büro, die dienstleistungsorientierte Agentur, das akademische Studio, das wissenschaftliche Labor oder Institut, das internetbasierte Netzwerk oder die geschäftsmäßig auftretende Firma. Schon der Name der gewählten Organisa­ tionsform kann also Grundsätzliches über die dort praktizierten Entwurfs­ haltungen vermitteln. In der alltäglichen Berufspraxis scheint das Entwerfen heute, zumindest zeitlich gesehen, oder auch je nach den Aufgaben, die Einzelne in einem größeren Team übernehmen, nicht immer das Wichtigste zu sein. Dennoch ist für den Erfolg eines Projekts entscheidend, dass die Arbeit von einem entwurflichen Bewusstsein, von einem Verständnis der Bedingungen, Ziele und Kriterien des entwurflichen Handelns getragen wird. Die immer ­schwierige Balance der technischen und funktionalen, ökonomischen und

290

Zugangsbereich des Zeichenraums im Studiogebäude von Alvar und Elissa Aalto, 1954–1955, Helsinki, Foto 2018

ästhetischen Aspekte eines Projekts gilt es nicht nur im Verlauf eines Entwurfs­­­­prozesses zunächst einmal herzustellen, sie muss auch über einen oft jahrlangen Planungs- und Realisierungsprozess hinweg erhalten oder nach unvemeidlichen Änderungen wiedergefunden werden. Gerade die ästhetischen wie funktionalen Feinheiten, die am Ende sehr wohl den ­entscheidenden Unterschied ausmachen können, entscheiden sich möglicherweise erst in einer späten Bauphase, wenn die abschließenden, visuell und funktional wirksamen Oberflächen aufgetragen und fertiggestellt werden. Jeder Schritt eines Entwurfsprozesses ist mit entwurflich relevanten Entscheidungen verbunden. (Schumacher 2011, S. 199) In der täglichen Entwurfs­ praxis ist das Fällen von Entscheidungen von so zentraler Bedeutung, dass manche Autoren das eine mit dem anderen gleichsetzen: „Der gesamte

Entwurfsprozess wird durch eine Abfolge von Entscheidungen charakterisiert: Entwerfen heißt Entscheiden.“ (Polónyi 1987, S. 138) An anderer Stelle heißt es:

291

Zeichenraum im Studiogebäude von Alvar und Elissa Aalto, 1954–1955, Helsinki, Foto 2018

„Entwerfen bedeutet Entscheiden, unter verschiedenen Alternativen auswählen.“ (a.a.O., S. 146)

Auch wenn dies sicherlich keine hinreichende Beschreibung des

Entwerfens ist  – brauchbare Alternativen müssen zunächst einmal entworfen werden, bevor man über sie entscheiden kann –, stellt sich die durchaus zentrale Frage, auf welcher Basis und in welcher Weise wir Entwurfsent­schei­ dungen fällen. Diese Basis ist zunächst einmal das Wissen über eine gegebene Entwurfsaufgabe, im Verhältnis zu unserem Welt- und Fachwissen. Im Vergleich mit dem Kontext, dem bisher Gebauten, dem bisher Gedachten, und im Bezug auf die weiter oben (siehe S. 237­–248) beschriebenen allgemeinen Entwurfs­kriterien fangen wir an, die für das zu entwerfende Projekt spezifischen Kriterien zu bestimmen, mit deren Hilfe wir die uns besser erscheinenden Varianten unterscheiden und auswählen. Wie aber können wir die unzähligen im Verlauf eines Entwurfs-, Planungsund Bauprozesses erforderlichen Entscheidungen so treffen, dass die innere

Logik und Kohärenz des Projekts gewahrt bleiben? Wünschenswert sind zunächst Vorgehensweisen, die Anpassungen für eine möglichst lange Zeit erlauben. Als Entscheidungshilfe kann eine Matrix dienen, welche die in

292

Betracht gezogenen Kriterien und ihre Gewichtung für eine größere Gruppe Beteiligter nachvollziehbar und diskutierbar macht. Sie erlaubt einen diffe­­ren­ zierteren und transparenteren Vergleich von Varianten, offenbart aber zugleich die Schwierigkeiten, die sich ergeben, versucht man ethische wie ästhetische Wertungen, oder auch zukünftige Entwicklungen, in Zahlen zu fassen. Um die für eine überzeugende Schlüssigkeit eines Entwurfs notwendige Kohärenz zu erreichen, ist es oft notwendig, eine große Anzahl Beteiligter über einen längeren Zeitraum hinweg zu koordinieren. Dies gelingt nur durch die Entwicklung einer – mehr oder weniger – bewusst artikulierten Entwurfshaltung. Sie resultiert aus der grundsätzlichen Klärung der wesentlichen Fragen, aus den bevorzugten Aufgaben, Methoden, Strategien und Werkzeugen, letztlich aus der ethischen und ästhetischen Einstellung der Entwerfenden. Im Englischen gerne als design philosophy bezeichnet, berührt sie wissenschaftliche und künstlerische, soziale, ökonomische und politische Aspekte. Beschreiben lässt sich eine Entwurfshaltung als die Summe aller wesentlichen Faktoren, Einstellungen und Wertungen, einbe­griffen ihrer gegenseitigen Abhängigkeiten und Bedingtheiten, die zusammengenommen die Arbeitsweise von Entwerfenden in ihrer jeweils persönlichen und zeitgebundenen Ausprägung charakterisieren. Langfristig erfolgreich können nur solche Entwurfshaltungen sein, bei denen die verschiedenen Aspekte ohne allzu große Widersprüche aufeinander abgestimmt sind. EIN STANDARDISIERTES VERFAHREN

Am wenigsten mit ihrer Entwurfshaltung auseinandersetzen müssen sich Entwerfende, die sich dem Mainstream zurechnen lassen. Sie können die Werte und ästhetischen Vorlieben, nach denen sie sich richten, ungebrochen aus ihrer Ausbildung oder von den Büros oder Firmen übernehmen, in denen sie arbeiten. Dort sehen sie auch, welche Zeitschriften, Newsletter und Websites zu konsultieren sind, um den Anschluss nicht zu verlieren. Man arbeitet mit den gängigen Entwurfsmethoden und -werkzeugen, ­verwendet die angebotenen Materialien und Bautechniken und bestätigt, willentlich oder nicht, die gängigen Standards. Die enorme Bedeutung des

293

Arbeitstische in einem Berliner Architekturbüro, Foto 2015

Mainstreams liegt darin, eine Normalität zu bilden, die das Qualitätsniveau definiert, das zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Kultur für die Mehrzahl der Akteure ohne außerordentliche Anstrengungen erreichbar ist. Einen solchen, genau beschriebenen Standard für die entwurfliche Herangehensweise definiert beispielsweise die HOAI, die in Deutschland gültige Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (deren Honorarunterund Obergrenzen laut einem Urteil des EuGH von 2019 gegen Europarecht verstoßen). Sie schreibt bestimmte Arbeitsphasen und Entwurfswerkzeuge vor (Zeichnungen in genau definierten Maßstäben, Beschreibungen und Berechnungen), ignoriert andere oder erklärt sie zum Sonderfall (z. B. Modelle, perspektivische Darstellungen, Videos, Farb- und Materialcollagen, digitale Geländemodelle oder digitale 3D- oder 4D-Gebäudemodelle/ Building Information Modeling) und geht von einer genauen Abfolge von Arbeitsschritten aus, gegliedert nach neun sogenannten „Leistungsphasen“, mit denen alle in der Bundesrepublik praktizierenden Architektinnen und Architekten vertraut sind:

(LP 1) Grundlagenermittlung (2 % des Gesamthonorars) (LP 2) Projekt- und Planungsvorbereitung, Vorplanung mit Kostenschätzung (7 % des Honorars)

294

(LP 3) Entwurfsplanung (Zeichnungen im Maßstab 1: 100) und Kostenberechnung (15 %) (LP 4) Genehmigungsplanung (3 %) (LP 5) Ausführungsplanung (Werkplanung, M. 1: 50 bis 1: 1) (25 %) (LP 6) Ermitteln der Mengen und Aufstellen von Leistungsverzeichnissen, Vorbereitung der Vergabe von Aufträgen an Baufirmen, einschließlich Kostenkontrolle (10 %) (LP 7) Mitwirkung bei der Vergabe der Bauaufträge, inklusive Kostenkontrolle (4 %) (LP 8) Bauüberwachung, Rechnungsprüfung und Dokumentation, Kostenfeststellung (32 %) (LP 9) Objektbetreuung (2 %) Wie die Grundleistungen genau beschrieben sind, und welche als „Besondere Leistungen“ gelten, ist in den Anlagen zur HOAI nachzulesen. S. 48 ff.)

(HOAI 2013,

Eine Konsequenz dieser Einteilung ist, dass in der alltäglichen Praxis

viele Architekturbüros bzw. deren Auftraggeber sich letztendlich auf das vorgeschriebene Minimum an Entwurfswerkzeugen und auf die kleinst­ möglichen Darstellungsmaßstäbe beschränken und lediglich mit Hilfe von (üblicherweise digital erstellten) Zeichnungen, Berech­nungen und Be­schrei­ bungen arbeiten. Über mangelnde „Baukultur“, deren unumgäng­liche Voraussetzung ja eine entsprechende „Entwurfskultur“ wäre, sollte man sich da nicht beklagen. Städtebauliches Umgebungsmodell? Fotomontagen in halbwegs realistischen Farben? Innenraumperspektiven? Baunutzungs­ barwertberechnung? Die zentrale Rolle, die das Modell für viele Entwer­fende spielt, wird von einer solchen Verordnung ebenso ignoriert wie die parallele Verwendung verschiedener Maßstabsebenen schon in frühen Phasen der Entwurfsarbeit, oder räumliche Zusammenhänge anhand perspektivischer Darstellungen zu untersuchen, vielleicht sogar die Wirkung eines Baukörpers vor Ort zu überprüfen, oder alle erwartbaren Nutzungs-, Betriebs-, Instand­ haltungs- und Entsorgungskosten schon beim Entwerfen zu berücksichtigen. Auch bietet die Festlegung der prozentualen Anteile der einzelnen Leistungsphasen am Gesamthonorar verhältnismäßig wenig Spielraum für

Grundlagenermittlung, Vorplanung und die eigentliche Entwurfsplanung. Die Höhe des Honorars selbst und seine fixierte prozentuale Verteilung über die neun Leistungsphasen wäre in Frage zu stellen, wollte man die Bedingun­

295

gen für Entwerfende verbessern. Gerade bei innovativen Entwürfen ist es oft wünschenswert, in den frühen Leistungsphasen mehr Zeit und Ressourcen zur Verfügung zu haben. Nachdem Charles Garnier 1861 der Auftrag zum Bau der neuen Pariser Oper erteilt worden war, begab er sich zunächst einmal auf eine Forschungsreise, auf der er die wichtigsten europäischen Opernhäuser der Zeit, aber auch für den Bau in Frage kommende Stein­ brüche vor Ort studierte. (Lardet 2010, S. 66 ff., S. 69 f.) Grundsätzlich problematisch an der HOAI ist, dass sie Standards und Vorgehensweisen definiert und einfordert, die die Entwicklung fortgeschrittener digitaler Entwurfs­tech­ niken ebenso behindern wie Ansätze, die auf innovativer, projektbezogener Forschung oder sozialer Interaktion beruhen. Auch die Beschränkung auf ein Minimum an Entwurfs­werkzeugen ist angesichts der anstehenden Aufgaben und der wachsenden Bedeutung des Entwerfens fragwürdig. NEUE HERAUSFORDERUNGEN

In absehbarer Zukunft wird das Entwerfen, mithin die Gestaltung der Welt in der wir leben, nicht nur immer wichtiger werden, weil immer mehr Menschen immer mehr Zeit in von Menschen entworfenen Umgebungen verbringen, es wird auch immer schwieriger werden. Nicht nur sind die zu entwerfenden Projekte größer und um ein Vielfaches komplexer geworden, als sie es noch vor wenigen Jahrzehnten waren; es wird auch sehr viel mehr von ihnen erwartet, in Bezug auf Funktionalität, Komfort, Nachhaltigkeit, Innovation und Ästhetik. Im Gegenzug dazu ist der Spielraum, in dem sich Entwerfende bewegen können, zwar ebenfalls um ein Vielfaches erweitert: Die zur Verfügung stehenden (oder auch: neu zu entwickelnden) Materia­lien, Technologien und Werkzeuge, aber auch die Budgets und Maßstäbe der Projekte können heute ganz andere Dimensionen erreichen. Dies mag Anlass zu Hoffnung geben, aber auch Grund zu größter Sorge. Architektur leistet in Einzelfällen Herausragendes. In der Breite des weltweit Entworfenen und Gebauten sind die Leistungen jedoch alles andere als zufriedenstellend. In vielfacher Hinsicht scheinen die Grenzen des Mach­ baren, die Grenzen dessen, was Entwerfende bewältigen können, überschritten. Schon das Bauen des 20. Jahrhunderts hat in vielen Ländern zu

unge­­stalten, ausufernden Vorstädten, großflächigen Landschaftszerstörungen und teils kaum noch lebbaren Bauten und Bebauungsstrukturen geführt. Dass man nur einen geringen Anteil des Gebauten als gelungen bezeichnen

296

kann, ist Anlass genug, gängige Praktiken des Entwerfens, und auf diesen basierende Entwurfslehren, in Frage zu stellen. Zweifellos sind die Herausforderungen, mit denen die kommende Generation von Entwerfenden, Planenden und Bauenden konfrontiert wird, enorm, und es ist längst nicht ausgemacht, dass sie ihnen gewachsen sein wird. Denn die Gebäude und Infrastrukturen, die notwendig werden, um die weiter wachsende Anzahl von Stadtbewohnern zu behausen und zu transportieren, müssen in der gegenwärtigen Bauweise wohl eher als Teil der stetig zunehmenden Umwelt- und Klimaprobleme betrachtet werden denn als deren Lösung. Nicht nur verbrauchen ihre Herstellung, Betrieb und Instandhaltung große Mengen an Ressourcen, deren Bereitstellung wie Ent­sorgung vielfältige Umweltprobleme hervorrufen. Es entstehen auch metro­ politane Agglomerationen von bislang ungekanntem Maßstab, mit mehreren Dutzend Millionen Einwohnern und mit allen erwartbaren Folgen für die Umwelt, die eine solche Größe mit sich bringt: überlange und überfüllte Verkehrswege, lokale urbane Überhitzung aufgrund mangelnder Vegetation, dadurch steigender Engergiebedarf zur Kühlung der Gebäude und Fahr­ zeuge, unerträgliche Luftverschmutzung durch Industrie, Verkehr und Kraftwerke, daraus resultierend Außenluft von zum Teil kaum noch atem­ barer Qualität usw. All dies muss zu den Schattenseiten einer global dominierenden Moderne gezählt werden. Bewegungen wie die postmoderne, dekonstruktivistische oder ökologische Architektur erscheinen heute wie durchaus berechtigte, aber gescheiterte Versuche, die Paradigmen der Moderne durch menschenoder lebensfreundlichere Architektur zu überwinden. Die parametrische Architektur stellt interessante neue Werkzeuge zur Verfügung. Geht sie aber als Konzept wie als Bauweise letztlich nicht vollständig in den Paradigmen der Moderne auf? Vom Anspruch, Avantgarde zu sein, über die Raumauf­ fassung und die Nutzung der fortschrittlichsten Materialien und Techniken bis zur abstrakten Ästhetik, deren fließende Formen auch in der Moderne schon eine lange Tradition haben, gibt es keine wirklich fundamentalen Unterschiede zu deren Werten und Zielrichtungen, sieht man einmal ab von den digitalen Techniken. Zum großen Repertoire an Formensprachen, das

sie hervorgebracht hat, fügt die parametrische Architektur letztlich nur eine weitere, wenn auch interessante Spielart hinzu. Die sich weiterhin vermehrende Weltbevölkerung wird mit ihren ständig

297

wachsenden materiellen Ansprüchen und Bedürfnissen in absehbarer Zeit an die Grenzen der verfügbaren Ressourcen gelangen. Dann wird sich zeigen, ob unsere gegenwärtige Zivilisation ausreichend Fähigkeiten und Technologien entwickelt, sich rechtzeitig anzupassen. Denn es stellt sich die Frage: Lässt sich die inzwischen global gewordene Moderne, verstanden als ein künstlerisch-wissenschaftlich-politisch-ökonomisches System, in dem das Entwerfen eine zentrale Rolle spielt, von uns überhaupt noch überwinden? Oder muss die moderne Zivilisation als ein runaway system verstanden werden, das die

Natürlich belichtete Präsentationswand im Besprechungsraum des Studio Aalto, 1954–55, Helsinki, Foto 2018

global verflochtene Kultur, in der wir leben, hervorgebracht hat, und mit der wir wieder verschwinden werden, sobald ihre Ressourcen aufgebraucht sind? Wird diese Epoche aus Mangel an zentralen Ressourcen in absehbarer

298

Zeit schlicht auslaufen, oder gar aufgrund ökologischer, klimatischer oder politischer Krisen dramatisch kollabieren? Die Corona-Krise hat uns gerade vor Augen geführt, wie schnell so etwas gehen kann. Oder wird sie, ver­ mutlich mit den Mitteln digitaler Technik und künstlicher Intelligenz, sich in etwas ganz anderes verwandelt, das so präzise wie absolute Kontrolle erlaubt, aber nur noch von wenigen Auserwählten zu durchschauen und zu beeinflussen ist? Die von einigen Architekten geforderte Autonomie der Disziplin Archi­ tektur (vgl. Hays 1998, S. 124) entspricht wohl durchaus den Tendenzen moderner, sich funktional immer weiter ausdifferenzierender Gesellschaften. Aber diese gegenseitige Abgrenzung gesellschaftlicher Gruppen, die letztlich doch aufeinander angewiesen sind, trägt möglicherweise mehr zur Ver­schär­ fung der oben genannten Probleme bei, denn zu ihrer Lösung. Zu fordern wäre vielmehr ein entschiedenes, weitsichtiges Engagement (nicht von Einzel­ nen, aber von der Disziplin als Ganzes) in allen Bereichen, die der Archi­ tektur wesentlich sind: die Künste und die Wissenschaften, (Bau-)Politik und (Bau-)Wirtschaft, sowie in allen, von denen sie abhängt oder Nutzen zieht: vom Handwerk über die Industrie bis zu den Medien und der Philosophie, und auch in all den Bereichen, mit denen sie so eng verwandt ist, dass man sie als Bestandteile derselben Disziplin verstehen kann: Stadt- und Landschaftsplanung, Bauingenieurwesen und Design. Denn diese verfügen nicht nur über vergleichbare Mittel und Werkzeuge, sie arbeiten auch am selben Ziel: der Gestaltung der Welt, in der wir leben. Diese grundlegenden Fragen, aber auch die alles verändernde Digitali­ sierung verlangen, dass wir das Entwerfen und seine Werkzeuge immer wieder neu denken, und uns neu darüber verständigen. Wie können wir besser entwerfen? Für die jeweilige Entwurfsaufgabe benötigtes Wissen, Arbeitszeit, und adäquate Werkzeuge sind in der alltäg­ lichen Praxis immer begrenzt, oft sogar sehr beschränkt. Was lässt sich in einem bestimmen Zeitraum in Erfahrung bringen, überdenken, darstellen, erreichen? Welche Arbeitstechniken, Werkzeuge, Strategien sind für eine bestimmte Aufgabe und für die angestrebten Ziele am besten geeignet? Wie können wir diese Tätigkeit, ihre Werkzeuge, Strategien und Prozesse besser

verstehen, um sie erfolgreicher praktizieren und qualifizierter unterrichten zu können? In den folgenden Kapiteln werden drei Entwurfsansätze vorgestellt, die das Potenzial haben, zu wegweisenden Einflüssen für die Architektur des

299

21. Jahrhunderts zu werden: digitales, forschungsbasiertes, und soziales Entwerfen. Jede dieser Entwurfspraktiken leistet einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Entwicklung. Alle drei unterscheiden sich deutlich von den gängigen Verfahren, allerdings auf sehr verschiedene Weise. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: de Graaf, Reinier (2017): Four Walls and a Roof: The Complex Nature of a Simple Profession. Cambridge, MA: Harvard, 2017 Ekkehard Drach (Hg.) (2016): Das Verschwinden des Architekten. Zur architektonischen Praxis im digitalen Zeitalter. Bielefeld: Transcript, 2016 Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 384.

DIGITALES ENTWERFEN 300

Die Arbeitsabläufe beim Entwerfen, Planen, Produzieren und Errichten eines Gebäudes unterscheiden sich beim ­digitalen Arbeiten in vielerlei Hinsicht vom herkömmlichen. Das Kräfteverhältnis von ehemals einfachen Werkzeugen und ehemals machtvollen Entwerfenden hat sich heute umgekehrt. Beim digitalen Entwerfen werden die Werkzeuge immer wirkungsvoller, aber auch dominanter und intransparenter. Die Entwerfenden hingegen werden immer abhängiger von der neuesten Technik.

Die Debatte, in der Otl Aicher sich noch vehement für das Analoge einsetzen konnte,

(Aicher 1991/1)

scheint entschieden: Das Digitale ist in der gegen-

wärtigen Praxis allgegenwärtig, selbst im Alltag ist es unerlässlich geworden.

301

Die Technik wird immer kleiner, schneller und unsichtbarer, ist auch längst in der Lage, das Analoge für unsere Augen und Ohren ununterscheidbar zu simulieren. Jene Schatten, die in Platons Höhle noch grau und unscharf an den Wänden flackerten, halten wir nun – auf Smartphones, Tablets oder Notebooks – in den eigenen Händen, in Farbe und 3D, ihre Flüchtigkeit in den Fingerspitzen fühlend. Wie wir im Kapitel Computer gesehen haben, erschließt die digitale Revolution grundlegend neue Wege des Entwerfens, Produzierens und Bauens. Obwohl sie schon mehrere Dekaden andauert, ist sie bei weitem nicht abgeschlossen. Digital Entwerfende verfügen heute über sehr viel mehr Speicher- und Rechenkapazität als noch vor zehn Jahren, über mehr und ausgereiftere Programme und über schnellere Daten­ver­ bindungen. Diese Aussage war schon vor zehn oder zwanzig Jahren richtig und wird es wohl auch noch eine Weile bleiben. Das große Potenzial digitaler Entwurfswerkzeuge wurde schon im ­vorangehenden Teil des Buches in den einzelnen Werkzeug-Kapiteln dargestellt. Zum Entwerfen steht immer wieder deutlich mehr Information zur Verfügung, die rascher zu verarbeiten ist. Zu erwarten ist, dass diese Ent­wick­ lung weiterhin anhält und auch in absehbarer Zukunft immer wieder neue Möglichkeiten eröffnet. Die anfängliche Begeisterung ist allerdings längst einer gewissen Skepsis gewichen. Nach vielen Jahren der erwartungsvoll vorangetriebenen Digitalisierung ist Ernüchterung zu beobachten. Denn die Erfahrung lehrt, dass jede neue Technologie gibt und nimmt; jede eröffnet neue Möglichkeiten und macht andere wiederum weniger zugänglich. Lange Zeit als eine Technik gefeiert, die vielen Ermächtigung und Teilhabe ermöglicht und neue, globale Formen der ­sozialen Kommunikation erschafft, konzentriert sich digitale Macht heute, in Ost wie West, wieder auf einige wenige Konzerne. Weder ist

Go-spielender Roboter in der Ausstellung zur 2050 Conference, Hangzhou, Foto 2018

der verheißene Nutzen immer so leicht zu erzielen wie erwartet, noch sind die Kosten ihres Einsatzes immer früh genug absehbar. Zudem könnte ­aufgrund technischer Fortschritte in wenigen Jahren alles ganz anders ausse-

302

hen, wenn künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und Quantencomputer die nächsten Entwicklungsschübe ermöglichen. Lag der Fokus der Digitalisierung des Entwerfens zunächst auf der ingenieurmäßigen Berechnung und dann auf der grafischen Darstellung von Projekten, so unterstützt sie inzwischen, zumindest potenziell, alle Phasen des Entwerfens, Planens und Bauens: Recherche, Konzeption, Analyse, Form­ erzeugung, vieldimensionales Informationsmanagement, Leistungssimulation, Optimierung, Produktion, Bauablauf, Gebäudebetrieb, Erhaltung und Ent­ sorgung. Jede einzelne dieser Phasen generiert Informationen, die im Prinzip für jede andere Phase des Projekts von Bedeutung oder zumindest nützlich sein könnten. Ob und wie diese Daten verfügbar und nutzbar gemacht werden, könnte entscheidend sein für eine intelligentere Zukunft des Entwer­ fens und Bauens, so die Hoffnung. Zu befürchten wären hingegen eine exponentiell anwachsende und deswegen auch in Zukunft unmöglich zu bewältigende, dunkel rauschende Datenflut. Oder es setzt sich eine von oben bestimmte, repressive Programmstruktur durch, nach der sich alle zu richten haben. DARSTELLEN

Zu unterscheiden ist in der gegenwärtigen Praxis eine erste Ebene der Digitalisierung, bei der Programme zum Rechnen, Schreiben, Zeichnen und Modellieren, wie zum Beispiel Office-Anwendungen, Archi- oder AutoCAD oder Photoshop es erlauben, die Funktionsweisen der herkömmlichen, ­ana­logen Entwurfswerkzeuge digital abzubilden. Die um ein Vielfaches erleichterte Manipulierbarkeit des Dargestellten wird dabei erkauft durch die Bedingung, sehr viel komplexere und aufwendigere Hard- und Software benutzen zu müssen, als es zum Beispiel Lineal, Stift und Papier waren. Selbstverständ­lich werden heute die von herkömmlichen Entwurfswerk­ zeugen wie Skizze, Zeichnung oder 3D-Modell, aber auch die von Kalku­ lationen und Texten getragenen Darstellungen digital erzeugt, aufgezeichnet, gespeichert und weiterbearbeitet. Dabei verändert dieser erste Schritt der Digitalisierung den Charakter, oder wenn man so will, den ontologischen Status der digitalisierten Medien grundlegend. Anstelle von Werkzeugen,

303

Walt Disney Concert Hall, Los Angeles, Frank Gehry, 1988–2003. Foto: Carol M. Highsmith, 2005

die aus Atomen und Molekülen zusammengesetzt sind, arbeitet man nun mit solchen, die nur aus Elektronen bestehen. Die Verlagerung des Handlungsbereichs von der molekularen und atomaren auf die elektronische Ebene bedeutet nichts weniger, als die physikalischen Regeln grundsätzlich zu verändern, nach denen zu handeln ist. Die physikalische Masse der verwendeten Werkzeuge (nun Programme oder Apps genannt) und zu behandelnden Objekte (der Elektronen) kann jetzt vernachlässigt werden. Zudem lassen sich diese mit Lichtgeschwindigkeit und absoluter Präzision automatisch manipulieren und ohne Qualitätsverlust über weite Distanzen hinweg kommunizieren. Voraussetzung ist, dass alle Daten, Texte, Bilder, Modelle etc. mit Hilfe von Algorithmen in die Zahlen Null und Eins (nach dem vorherrschenden Stand der Technik, bei Quan­ten­ computern ist dies anders) übersetzt werden. Diese ontologische Verlagerung bedingt eine Abkehr von der unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Materiellen und eine Hinwendung zum Abstrakten und Mathematischen. Dies geschieht, ohne dass es den Entwerfenden immer bewusst werden muss, zumal ihre Aufmerksamkeit weitgehend von den Projekten absorbiert ist, an denen sie gerade arbeiten. Theoretisch reflektiert wurde sie daher

kaum, zumindest nicht im Hinblick auf die Medien und Werkzeuge des Entwerfens. Die relative Einfachheit und Unmittelbarkeit im Gebrauch digitaler

304

Werkzeuge der ersten Generation ging mit der zunehmenden Komplexität der Programme verloren. Insbesondere die aus freier Hand schnell hin­ geworfene Skizze oder Notiz erfährt nun aber unter diesen Bedingungen neue Wertschätzung, denn sie erlaubt ein rasches, von den Ablenkungen und Konditionierungen der Programme ungehindertes Arbeiten und Kommunizieren. Selbst die ersten CAD-Programme waren schon bei weitem zu auf-­ wendig, um von Architekten selbst von Grund auf entwickelt zu werden. Ein Vorreiter in diesem Bereich war das Büro von Frank Gehry. Auf der Grundlage von CATIA begann man dieses aus der Flugzeugindustrie stammende System für die Bedürfnisse von Architekten weiterzuentwickeln. Schon seit Ende der 1970er Jahre von Ingenieuren des französischen Flugzeugherstellers Dassault erarbeitet, wird CATIA heute im Flugzeugbau (Airbus, Boeing), im Automobilbau (Peugeot, Renault, Volkswagen, Toyota u. a.) und inzwischen in vielen anderen Bereichen eingesetzt. Es basiert auf einem virtuellen 3D-Modell, das für die Entwerfenden, die Arbeit der Ingenieure und vor allem auch für die Herstellung benutzt wird. Auf diesem System aufbauend, entwickelte das Büro Gehry Software, die mehr den Bedürfnissen von Architekten entspricht, mit verbesserter Visualisierung, der Möglichkeit, die Kommunikation zwischen Architekten, Ingenieuren, Beratern und Baufirmen besser zu managen, und Produzenten direkt mit den zur Herstellung der einzelnen Bauteile nötigen Daten zu beliefern. (vgl. Goldberger 2015, S. 385)

Das erste große Projekt, das auf diese Weise geplant und

gebaut wurde, das Guggenheim-Museum in Bilbao, war damit auch ein Vorreiter des Building Information Modeling. (a.a.O., S. 298) Dabei basierte die Entwurfsweise von Frank Gehry, der selbst keine Computer benutzte, noch ganz auf analogen Werkzeugen wie Skizzen und Arbeitsmodellen; erst im nächsten Schritt wurden die so entwickelten Formen in digitale Modelle übertragen, die für die Realisierung allerdings unverzichtbar waren – denn nur mit ihrer Hilfe konnten diese Bauten zu vertretbaren Kosten kalkuliert und hergestellt werden. Computer werden bei dieser Arbeitsweise noch gänzlich als Werkzeug der Planung und Ausführung verstanden, nicht des kreativen Entwerfens. (a.a.O., S. 292)

GENERIEREN

Ein zweiter Entwicklungsschritt in der Digitalisierung des Entwerfens geht hingegen von den Möglichkeiten des Digitalen selbst aus. Nicht das bloße

305

Darstellen und Manipulieren einer Form ist hier das Thema, sondern deren Erzeugung mittels entsprechender Skripte oder Algorithmen. Diese beschreiben nicht die Form an sich, sondern die jeweilige mathematische Logik, nach der ein Programm die einzelnen Aspekte einer zu entwerfenden Form generiert und diese nach jeweils zu bestimmenden Regeln aufeinander bezieht. Das Entwerfen wird damit zum Erzeugen, Verknüpfen und Kon­ trollieren elektronischer Daten. Generatives oder parametrisches Entwerfen oder Computational Design sind Bezeichnungen, die dafür verwendet werden. Es verlangt eine konzeptionell wie methodisch grundlegend andere Herangehensweise. Anstatt sich direkt mit der Form des zu entwerfenden Objekts zu befassen, gilt es, zunächst die mathematischen Parameter zu identifizieren, nach denen das benutzte Programm diese Form erzeugen

Berechnung der Proportionen des Jonischen Kapitells nach den Angaben Vitruvs, aus: Walther Ryff: Vitruvius Teutsch, Nürnberg, 1548

kann. Durch das Verknüpfen und Variieren dieser Parameter werden dann Entwurfsvarianten generiert, bis eine zufriedenstellende Lösung ge­funden ist.

306

Parametrische Entwurfspraktiken lassen sich bis in die griechische Antike und das China der Song-Dynastie zurückverfolgen. Bei der von Vitruv beschriebenen Entwurfsmethode für Tempel wird zunächst ein „Grundmaß“ („modulus“) ermittelt, das dann der Berechnung aller weiteren Maße des Gebäudes zugrunde gelegt wird:

„Die Formgebung der Tempel beruht auf Symmetrie, an deren Gesetze sich die Architekten peinlich genau halten müssen. Diese aber wird von den Proportionen erzeugt, die die Griechen ἀναλογία (analogía) nennen. Proportion liegt vor, wenn den Gliedern am ganzen Bau und dem Gesamtbau ein berechneter Teil (modulus) als gemeinsames Grundmaß zu Grunde gelegt ist. Aus ihr ergibt sich das System der Symmetrien. Denn kein Tempel kann ohne Symmetrie und Proportion eine vernünftige Formgebung haben, wenn seine Glieder nicht in einem bestimmten Verhältnis zu einander stehen, wie die Glieder eines wohlgeformten Menschen.“ (Vitruv III, 1,1)

Dieses „Grundmaß“ wird somit zum ersten Parameter, das heißt zur grund­ legenden Kenngröße des zu konstruierenden Objekts, von der sich alle anderen Größen ableiten. Nach dem Vorbild des menschlichen Körpers soll diese Methode sicherstellen, dass alle Teile eines Bauwerks in einem wohl­ pro­por­tionierten Verhältnis zueinander stehen. Einen weiteren Parameter, den Vitruv angibt, ist das Maß des Raumes zwischen den Säulen, nach dem er unterschiedliche Tempeltypen definiert. Beim Eustylos, dem „schönsäuligen“ Tempeltyp, wie er ihn nennt, beträgt dieses Interkolumnium 2 ¼ Grundmaße. Die Berechnung dieses Tempels beschreibt er auf folgende Weise:

„Der für die Frontlänge des Tempels bestimmte Raum soll unter Ausschluß des Fundament­vorsprungs und der Ausladung der Basen bei einem Tempel mit einer viersäuligen Front in 11 ½ Teile geteilt werden; soll die Front sechs Säulen haben, in 18 Teile, soll sie acht Säulen haben, in 24 ½ Teile. Von diesen Teilen (...) soll ein Teil genommen werden, und dieser Teil wird das Grundmaß (modulus) sein. Ein Grundmaß wird die Dicke der Säulen betragen. Die einzelnen Säulen­ zwischenräume, außer dem mittleren, werden 2 ¼ Grund­maße betragen.

Die mittleren Zwischenräume an der Vorder- und Rückseite werden jeder 3 Grundmaße betragen. Die Höhe der Säulen wird 9 ½ Grundmaße sein.“ (Vitruv III, 3,7)

Ein dritter entwurfsbestimmender Parameter ist somit die Anzahl der Säulen in der Vorderfront. Auch für die weiteren Details wie die Basis, Plinthe und Kapitelle der Säulen macht er anschließend genaue Angaben zur Berech­ nung ihrer Formen. Immer vom Grundmaß ausgehend, werden diese mittels ganzzahliger Relationen (z. B. 3/16 Säulendicke) errechnet. 5,1–3)

(vgl. Vitruv III, ­

Sogar als digital könnte man die von Vitruv beschriebene Entwurfs­me­

thode bezeichnen, da alle Formen durch Berechnungen exakt ermittelt ­werden. Ähnliches gilt für die von Li Jie (李誡; 1065–1110) im Yíngzào Faˇshì

Außen- und Innenansicht des Boolean Operator-Pavillions, Marc Fornes, Jinji Lake Biennale, Suzhou, 2018

(dem Chinesischen Pendant zu Vitruvs Zehn Büchern) beschriebenen Metho­ den des modularen Holzbaus der Song Dynastie, die mit Cái [材] und

Fèn [分] genannten Grundmaßen arbeiten. Mit Cái wird der Querschnitt des maßgeblichen Kragarms der Konstruktion bezeichnet, der in 15 Fèn Höhe und 10 Fèn Breite unterteilt wird. Die weiteren Konstruktionsmaße werden dann auf Grundlage der Maßeinheit Fèn ermittelt. (vgl. Fu 2017, S. 209 ff.)

Durch die Digitalisierung haben parametrische Entwurfspraktiken ganz neue Bedeutung erlangt. Wurden sie von Vitruv oder Li Jie noch zur Vermittlung festgelegter Gestaltungsregeln verwendet, werden sie nun benutzt, um

308

Formen zu erzeugen, die mit analogen Entwurfswerkzeugen nicht mit vertretbarem Aufwand darstellbar oder in ausreichender Präzision für die Produktion und Konstruktion eines Gebäudes vermittelbar wären. Die Anzahl der verwendeten Parameter und der Grad ihrer Verknüpfungen sind ungleich höher als damals. Vor allem aber werden Entwerfende, vormals Nutzer vordefinierter Programmfunktionen, damit nun zu Programmierern ihrer persönlichen digitalen Entwurfswerkzeuge. Angewandt werden diese Techniken vorwiegend von größeren, global agierenden Architektur- und Ingenieurfirmen, die in der Lage sind, komplexe digitale Entwurfswerkzeuge zu entwickeln und zu benutzen, um damit ­hochindustrialisierte und automatisierte Kalkulations-, Produktions- und Baumethoden zu unterstützen. Die Skripte und Algorithmen, die Program­ men wie Rhino/Grashopper oder Revit zugrunde liegen, führen nicht selten zu visuell eindrucksvollen, ikonischen Bauten großen Maßstabs, die mit ihrer Formensprache ein internationales Publikum ansprechen und das modernis­tische Narrativ der künstlerischen Avantgarde fortschreiben. In Verbindung mit der digital gesteuerten Produktion von kontinuierlich variierenden Bauteilen ermöglichen diese Entwurfswerkzeuge weichere und fließendere, aber auch expressivere Formensprachen. Mit überschaubarem Aufwand können deutlich komplexere Resultate erzielt werden als mit einer Bauweise, die auf die Wiederholung geometrisch einfacher, identischer Elemente angewiesen ist. Diese Möglichkeiten konsequent auslotend hat Patrik Schumacher einen Baustil beschrieben, den er „Parametrizismus“ nennt und der sowohl funktionale als auch formale Aspekte hat. In funktionaler Hinsicht ist er gekennzeichnet durch das Vermeiden rigider, klischeehafter Nutzungen, die in abgeschlossenen Bereichen angeordnet sind, zugunsten simultaner, sich überlagernder Nutzungen, bei denen sich alle Aktivitäten miteinander verbinden können. Formal geht es um das Vermeiden streng geometrischer Formen wie Quadrate, Dreiecke oder Kreise, auch um das Vermeiden einfacher Wiederholungen oder beziehungslos zusammengesetzter Volumina. Bevorzugt werden weiche Formen, die sich aus Elementen zusammensetzen, die nach parametrischen Regeln verformt sind. Syste­ matisch werden diese den geforderten Leistungen entsprechen variiert und

zu in vielfältiger Weise aufeinander bezogenen Subsystemen kombiniert. (vgl. Schumacher 2012, S. 656 ff.)

So vielfältig und vielversprechend die Werkzeuge sind, die das generative

309

und parametrische Entwerfen anbietet, und so beeindruckend manche der damit erzielten Resultate sein mögen, so fragwürdig bleibt indessen der Versuch, daraus einen Stil abzuleiten oder sogar den „epochalen Stil des 21. Jahr­hunderts“ damit zu begründen. (a.a.O., S. 622 ff.) Zum einen ist der damit ­verbundene Anspruch, eine global gültige Avantgarde zu repräsentieren, überdeutlich dem Fortschrittsdenken der Moderne verhaftet. Zum anderen sind die formalen wie funktionalen Kriterien am Ende vielleicht doch zu schlicht, um für ein ganzes Jahrhundert tragfähig zu erscheinen. Genauso „parametrisch“ oder „digital“ wirken beispielsweise Formen, die aus variierenden Dreiecken zusammengesetzt sind. Das in den Auseinandersetzungen um moderne, postmoderne, regionale und dekonstruktivistische Architek­ turen errungene Recht auf Diversität, das den unterschiedlichen sozialen und kulturellen Gruppen der Weltgesellschaft noch immer am meisten entspricht, kann so einfach nicht aufgegeben werden. Gibt es überhaupt so etwas wie „digitale“ Architektur? Gelegentlich wird der Begriff für Bauten gebraucht, die für die Darstellung ihrer Geometrie ebenso wie für ihre Herstellung auf gewisse Programme angewiesen sind. Aber lässt sich das Digitale selbst überhaupt mit architektonischen Mitteln darstellen? Die statische, auf das Dauerhafte zielende Materialität von Gebäuden steht dem entgegen. Um den elektronisch fließenden Charakter des Digitalen zu zeigen, bedarf es anderer Mittel als Stahl oder Beton. Die erste überzeugende Visualisierung des Digital-Elektronischen war in meiner Sicht die Installation „OH“, die Jenny Holzer 2001 in der großen Halle von Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie in Berlin präsentierte. Sie bestand aus LED-Laufschrift-Bändern, wie sie damals zur Werbung benutzt wurden. An den Unterseiten der Stahlträger an der Decke angebracht, machten sie das riesige Dach zu einer Projektionsfläche für ihre Arbeit. Die Schriftbänder, die in Abständen von einigen Minuten mit unterschiedlichen, von Texten erzeugten Mustern programmiert waren, wirkten als eine großräumliche Visualisierung elektronischer Gleichzeitigkeit, die zur Mitte hin schneller werdenden Laufschriften wie eine Datenautobahn, die im unerwarteten Moment orangefarbene Blitze schleuderte. Abends konnte man beobachten, wie durch die zunehmende Spiegelung die Grenzen des

Raumes sich auflösten. Von innen gesehen schienen die Schriftbänder nicht nur auf den außenliegenden Trägern zu leuchten, sondern mit zunehmender Dunkelheit sich auch in der Luft am ganzen Himmel fortzusetzen.

310

(vgl. Gänshirt 2001)

Jenny Holzers Installation ließ die mathematische Eleganz

des Spätwerks von Mies van der Rohe in einem neuen Licht erscheinen. (s. Abb. S. 202)

Heute sieht man in den Großstädten Südostasiens ganze Gruppen

von Hochhäusern, deren Fassaden nachts von individuell ansteuerbaren LEDs beleuchtet und die damit zu Bildschirmen – meist aller­dings für kommerzielle Werbung – im urbanen Maßstab werden. INFORMIEREN (BIM)

Das Konzept klingt vielversprechend: Alle Daten eines Projekts, beginnend mit einem dreidimensionalen Modell, so miteinander zu verknüpfen, dass alle am Projekt Beteiligten damit arbeiten können. Ein dritter Schritt der Digitalisierung wird mit dem Kürzel BIM bezeichnet, es steht für Building Information Modeling. Auch beim BIM werden Parameter benutzt, um die Daten effizient zu organisieren. Das zentrale Anliegen ist jedoch, die gesamte Information und Kommunikation eines Planungs- und Bau­ prozesses auf der Grundlage eines zentralen 3D-Modells zu organisieren. Aber schon aus theoretischer Perspektive stellen sich grundlegende Fragen. Erfordert nicht die Verknüpfung all dieser Daten zusätzlichen Arbeits­ aufwand, der mit zunehmendem Detaillierungsgrad exponentiell ansteigt? Zwar ließe sich dies durch die Parametrisierung der Daten zumindest ­teilweise vermeiden. Aber gerade in den frühen, entwurfs- und änderungs­ intensiven Arbeitsphasen eines Projekts hat die Abstraktion der einfachen Zeichnung durchaus ihre Vorteile. Wünschenswert ist in dieser Phase, mit wenigen, einfach und schnell zu verändernden Datensätzen hantieren zu können, ohne vom herkömmlichen Visuellen ins parametrisch-algorithmische Denken wechseln zu müssen. BIM klingt einfach, ist aber in der Praxis alles andere als das. Die Kohärenz vieldimensionaler Projektdaten herzustellen, sie für diverse Betei­ ligte über zahlreiche Bearbeitungsstände und mehrere Jahre hinweg zu erhalten, erfordert hohen Aufwand. Bedingt nicht schon der Umstand ständig neue Anpassungsprobleme, dass Beteiligte verschiedener Fachrichtungen mit sehr unterschiedlichen Programmen, jährlich aktualisierten Versionen und einer Vielzahl von Datenformaten arbeiten? In der Praxis erfordert dies

311

Innenhof und Fassade des Galaxy Soho-Gebäudes in Peking, Zaha Hadid Architects, 2008–2014, Foto 2014

verschiedenartige Schnittstellen, dazu sind zahllose Detailfragen zu lösen. Denn gerade bei BIM geht es um nichts weniger als eine planungs-, kostenund rechtssichere Kommunikation zwischen Beteiligten, die teilweise sehr unterschiedliche Bedürfnisse haben, eine Kommunikation, bei der Präzision und Verlässlichkeit unverzichtbar sind. Dies gilt sowohl in horizontaler Richtung, zwischen Entwerfenden und allen einbezogenen Planungspartnern und Fachingenieuren, als auch in der Vertikalen, von den Bauherren, zukünf­ tigen Nutzern und Projektsteuerern hin zu den entwerfenden Architekten, Genehmigungsbehörden, Ausschreibung, Bauleitung, Baufirmen, Produzenten, Baustellenmanagement und schließlich den Betreibern des Gebäudes. Bei jedem Werkzeug stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der Leistungs­fähigkeit zur Leichtigkeit oder Schwierigkeit seiner Handhabung. Bei Gehry funktionierte das parametrische Arbeiten, weil das von seinem Büro benutzte Programm CATIA alle wesentlichen Funktionen von der Formgenerierung über die ingenieurstechnische Bearbeitung bis zur Produk­ tion der einzelnen Bauteile in einem geradlinigen Arbeitsablauf unterstützte. Dasselbe Programm konnte von allen weiteren Beteiligten gleichermaßen eingesetzt werden, von den Ingenieuren ebenso wie von den Produzenten

und Baufirmen. Zum informationstechnischen Albtraum kann BIM jedoch werden, wenn die Anzahl der Projektbeteiligten und der verschiedenen von ihnen benutzten Programme oder Programmversionen wächst, zugleich

312

aber die Schnittstellen zur Übertragung der Daten den Anforderungen nicht perfekt entsprechen. Obwohl das Konzept des BIM seit langem in der Diskussion ist und von Softwareherstellern, Auftraggebern wie Regierungsbehörden beharrlich propagiert wird, zögern die Entwerfenden selbst ebenso wie die Bauindustrie erkennbar damit, es umzusetzen. Nach einer Studie aus dem Jahr 2019, bei der Führungskräfte aus den Bereichen Entwerfen, Bauunternehmen und Anlagenbau befragt wurden, wurden in der Zeit von ca. 2017 bis 2019 nur 9 % aller Projekte in Deutschland mit BIM bearbeitet, selbst im Bereich Entwerfen waren es nicht mehr als 12 %. (PwC 2019, S. 11) Dies, obwohl die meisten glauben, dass es effizientere Arbeitsabläufe, kürzere Planungs- und Bauzeiten sowie eine bessere Zusammenarbeit und Koordination aller Beteiligten verspricht. (a.a.O., S. 4) Dies mag an den Kosten für Programme und Schulungen liegen, am zusätzlichen, das eigentliche Entwerfen erschwerenden Arbeitsaufwand, oder am Nutzen, der eher in den späteren Planungsphasen eintritt. BIM wird auch als eine technische Herausforderung empfunden, die zeitaufwendig in der Umsetzung ist. (a.a.O., S. 3) Spezialisierte BIM-Modellierer und BIMKoordinatoren sind nötig, die das erforderliche Fachwissen haben. Noch lohnt der Aufwand eher für große Projekte und Büros, welche über die nötigen Spezialisten verfügen. Unklar ist auch weiterhin, welche Programme, Werkzeuge, Datenformate und Arbeitsabläufe mit dem etwas zu griffigen Kürzel BIM konkret gemeint sind. Die Einfachheit des Kürzels steht im Kontrast zur Komplexität des Themas. Mit BIM ist nichts weniger als die Hoffnung verbunden, eine umfassende Lösung zu erhalten für die vielfältigen Probleme des Datenverkehrs zwischen allen Projektbeteiligten. Aber ist darunter ein geradliniger Workflow zu verstehen, bei dem alle mit demselben Programm arbeiten, oder eine Kommunikationsplattform, auf die eine Vielzahl von Beteiligten mit den für ihre jeweilige Disziplin üblichen Programmen zugreifen? Mit wachsender Komplexität der Projekte, der Programme wie der Datenformate nehmen die Schwierigkeiten wohl eher zu als ab. Auch lassen sich einmal entwickelte Lösungen nicht einfach von einem auf ein anderes Land übertragen. Denn die Arbeitssprachen,

Grundriss mit Belastungsanalyse einer in einem 3D-Druckverfahren herzustellenden Brücke aus rostfreiem Stahl, MX3D mit Joris Laarman Lab, Amsterdam, Arup mit Alan Turing Institute, London, 2018

Planungs­abläufe, bau- und vergaberechtlichen Bedingungen, die Maßsysteme und Bemaßungsregeln sowie auch die Baunormen sind immer wieder andere. Andererseits muss eine Entwurfspraxis, die alle Anforderungen einer ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigen Entwicklung berücksichtigen möchte, die Ökobilanz, Wirtschaftlichkeit und sozialen Implikationen einer jeden Entwurfsentscheidung beurteilen. Die dazu erforderlichen Datenmengen und Lebenszykluskalkulationen wären ohne BIM wohl kaum zu bewältigen. OPTIMIEREN

Das Entwerfen ließe sich auch als ein Erzeugen und Evaluieren von Daten beschreiben, die in ihrer Gesamtheit alle wesentlichen Merkmale eines Projekts darstellen. Die heutigen digitalen Techniken erlauben es, große Datenmengen mit hoher Genauigkeit zu kontrollieren, und eröffnen damit Möglichkeiten, die (neben totalitären Regimes) gerade auch für Entwerfende und Bauende interessant sind. Information ist in größerer Menge als je ­verfügbar, aber ihr Wert ist nicht immer leicht zu bestimmen. In einem vierten Schritt der Digitalisierung werden verschiedene Aspekte eines Entwurfes simuliert, um die entsprechenden Leistungen der generierten Varianten zu analysieren, miteinander zu vergleichen und in der Folge zu optimieren.

Ursprünglich waren dies Arbeitsschritte, die von beratenden Ingenieuren verschiedener Disziplinen erbracht wurden (und in der Praxis noch immer werden). Sie betreffen die Statik und Dynamik des Tragwerks, Fragen der

314

Haustechnik wie Heizung, Kühlung, Energieverbrauch, -gewinn und CO2Bilanz, Verschattung, Besonnung, Belichtung und Belüftung, akustischen und thermischen Komfort, Themen der Bauphysik wie Diffusionsverhalten, Wärmegewinnung, -dämmung und -bilanz, auch Fragen der Baurechts und der Bauordnung (z. B. Länge und Breite der Fluchtwege, Evakuierungszeit, Brandschutz, städtebauliche Kennwerte). Optimierungsbedarf besteht des weiteren bezüglich des Planungs- und Bauablaufs, der Bauzeit, Baukosten und der Wirtschaftlichkeit, die sich wiederum unterteilen lassen nach den Phasen der Errichtung, Nutzung, Instandhaltung und Entsorgung eines Gebäudes. Um die Nachhaltigkeit eines Entwurfs zu optimieren, sind die Auswirkungen vieler solcher Faktoren über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten und gegeneinander abzuwägen. Der wissenschaftliche und technische Fortschritt der vergangenen Jahr­ zehnte hat zu sehr viel leistungsfähigeren Materialien und Bauweisen geführt, und in der Folge auch zu sehr viel höheren Anforderungen an die Leistungs­fähigkeit und Nachhaltigkeit eines Gebäudes. All diese Anfor­ derungen in eine praktikable Balance zu bringen, ohne in Widerspruch zu den Nutzungs- und ästhetischen Zielen eines Entwurfs zu geraten, ist eine

Perspektive der im 3D-Druckverfahren herzustellenden Brücke.

Herausforderung, zumal wenn sich die einzelnen Fachrichtungen zu sehr gegeneinander ab­gren­zen. Die grundsätzliche Herausforderung ist, all diese Fragen in Algorithmen zu übersetzen, die in einem ersten Schritt optimale

315

Lösungen für die einzelnen Faktoren identifizieren helfen, aber in einem zweiten auch die Abwägung und Gewichtung multipler Zielvorstellungen unterstützen, die ja oft genug miteinander konkurrieren oder sich in einem Zielkonflikt befinden. Verschiedene Optimierungstools stehen als Plug-ins für Programme wie Revit oder Rhino/Grashopper zur Verfügung. Welche Algorithmen für die mathematische Optimierung am besten geeignet sind, wie verschiedene Kriterien miteinander zu kombinieren sind und wie sich die Ergebnisse so darstellen lassen, dass sie Entwerfende in ihrem visuellen Denken unter­ stützen, hat Thomas Wortmann untersucht. Er adaptierte einen für die Optimierung geeigneten Black-Box-Algorithmus für Grashopper und ­ent­­wickelte eine grafische Darstellung der Resultate. Das Opossum genannte Programm ist frei verfügbar und ohne Programmierkenntnisse zu benutzen. Es erzeugt interaktive, mehrdimensionale „Fitness-Landschaften“, die eine eigenständige Erkundung des Lösungsraums unterstützen. (Wortmann 2018)

Während mathematische Optimierungsmethoden für einzelne Aspekte wie Tragverhalten, Belichtung oder energetisches Verhalten seit langem entwickelt werden, bleibt eine transparente Abwägung und Gewichtung der unterschiedlichen Faktoren ebenso offen wie die Frage, inwieweit die eigent­ lichen architektonischen Aufgaben auf diese Weise überhaupt zu erfassen sind. Weil alle digitalen Arbeitsweisen letztlich auf Quantifizierung basieren, tendieren diese zu einer Verschiebung der Aufmerksamkeit zum Technischen und Quantitativen hin. Auch weil die Programme, die man dazu benötigt, immer komplexer werden, besteht die Gefahr, dass nur jene Phänomene, die sich in Zahlen und Algorithmen fassen lassen, überhaupt noch wahrgenommen und als zu behandelnde Themen erkannt werden. Zentrale architektonische Werte wie Brauchbarkeit oder Ästhetik sind aber qualitativ. Die Abwägung von Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit einer Lösung, ihre ästhetische Beurteilung oder gar ein richtungweisender Bezug zum architektonischen Diskurs sind auf diesem Weg schwerlich zu erreichen. Damit sei nicht gesagt, dass diese Techniken nicht eine große Hilfe sein ­können. In der Entwurfsphase können sie den Umweg über die beraten­den

316

„Fitness-Landschaft“ zur Optimierung von Entwurfsvarianten nach multiplen Kriterien, die als Achsen dargestellt sind (nach Wortmann 2018, S. 183, Farben geändert)

Ingenieurbüros ersparen oder zumindest verkürzen und auch die Abwägung und Koordination der verschiedenen Anforderungen erleichtern. In Ver­ bindung mit künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen können sie ganz neue Wege des Entwerfens eröffnen. Werden die Ergebnisse der Optimierung direkt in die Parameter eines generativen Entwurfsprozesses zurückgekoppelt, dann lässt sich das Entwerfen tatsächlich automatisieren. Aufgabe von Entwerfenden ist es dann nicht mehr, Formen zu erfinden, ­sondern digitale Arbeitsabläufe zu etablieren, als deren Resultat in vielfacher Hinsicht optimierte Formen automatisch erzeugt werden. PRODUZIEREN

Für die Arbeitsabläufe beim Produzieren von Bauteilen und Errichten eines Gebäudes bietet das digitale Arbeiten viele neue technische Möglichkeiten, die ihrerseits wiederum ungekannte Gestaltungswege eröffnen. Neben den schon länger bekannten, subtraktiv arbeitenden Produktionsverfahren

wie CNC-Fräsen und Lasercutting gibt es inzwischen eine Reihe zusätzlicher, digital steuerbarer Produktionsmittel, die nach additiven Prinzipien Formen erzeugen: 3D-Drucker, die von Kunststoffen und Ton bis hin zu faserbe-

317

wehrtem Beton, Glas und sogar Schokolade alle Materialien verarbeiten, die sich durch Düsen pressen lassen. Dazu kommt das Arbeiten mit Roboter­ armen, die sich mit den verschiedensten Werkzeugen bestücken lassen, von Greifarm und Klebepistole über Fräswerkzeuge und Düsen bis hin zum elektrischen Schweißen. Darüber hinaus lassen sich viele Maschinen, wie zum Beispiel für die Produktion von Teppichen oder zum Bedrucken von Fassaden­elementen, digital ansteuern. Durch das Konzept der IPD – Integrated Project Delivery – wird versucht, alle am Entwerfen, Planen und Bauen Beteiligten, die in der Praxis oft sehr konfliktreiche Beziehungen unterhalten, enger miteinander zu verbinden und zu einem Team zusammenzuführen. Das Entwerfen und insbesondere die Ausführungsplanung werden dadurch enger mit der Produktion von Bau­tei­ len verknüpft. Die von Programmen wie CATIA oder Revit erzeugten Daten können unmittelbar, oder mit wenigen automatisierten Zwischen­schritten, zur Steuerung der Maschinen verwendet werden, was einen enormen Zuge­ winn an Effizienz und Präzision ermöglicht. Umgekehrt können die von den

Im 3D-Druck hergestelltes Wandelement aus Faserbeton, Foto 2015

318

In einem 3D-Druckverfahren hergestellte Brücke aus rostfreiem Stahl, MX3D mit Joris Laarman Lab, Amsterdam, Arup mit Alan Turing Institute, London, 2018 oben: Aufsicht: Joris Laarman Lab Mitte: Detail: Adriaan de Groot unten: Schweißroboter: Olivier de Gruijter rechte Seite: Gesamtansicht: Thijs Wolzak

319

einzelnen Produktionsverfahren einzuhaltenden Grenzwerte als constraints direkt in die parametrischen Entwurfsprozesse einfließen, wodurch die Baubarkeit oder technische Machbarkeit des Entworfenen verbessert wird.

320

Auch die zeitlichen Bedingungen des Bauablaufs können schon in der Entwurfsphase berücksichtigt werden, beispielsweise damit die einzelnen Bauteile in der richtigen Reihenfolge hergestellt und auf die Baustelle geliefert werden. Der große ökonomische Vorteil digital gesteuerter Produktionsverfahren ist, dass (innerhalb bestimmter Grenzen) unterschiedlich geformte Werkstücke zu fast den gleichen Kosten und mit derselben Präzision hergestellt werden können, wie die vergleichbaren Produkte der vordigitalen Industrie. Die damit ermöglichte mass customization erlaubt im Detail, aber auch im Großen eine sehr viel bessere Anpassung an lokale Gegebenheiten und eröffnet vielfältige technische wie formale Spielräume. Der 3D-Druck ganzer Gebäude wird allerdings eine Illusion bleiben. Die Vielzahl an Materialien und technischen Systemen, aus denen sich heutige Bauten zusammensetzen, lassen sich in den erforderlichen Qualitäten noch lange nicht alle per 3D-Druck herstellen, schon gar nicht von ein und der­ selben Maschine. Aus faserbewehrtem Beton lassen sich immerhin Wände drucken, deren Oberflächenqualität aber noch deutlich unter den üblichen Rohbaustandards bleibt. Auch Deckenelemente lassen sich auf dieselbe Weise herstellen, die aber erst nach ihrem Aushärten verlegt werden können. Frei geformte Stahlbauteile werden in additiven Schweißverfahren produziert. Zu erledigen bleibt dann immer noch die Abdichtung des Bauwerks, seine Wärmedämmung und der gesamte Ausbau. Die Digitalisierung verändert aber auch die Bauteile und Gebäude selbst, von Lichtschaltern, die zu Sensoren werden, über Türen, deren Kartenleser jeden registrieren, der sie benutzt, bis hin zu Oberflächen, die zu Fotografien, Projektionsflächen, Bildschirmen oder auch Kameras werden. Durch die Zerlegung in einzeln ansteuerbare Elemente werden beispielsweise Ober­ flächen zu Bildern, wenn die einzelnen Bausteine einer Wand so angeordnet werden, dass ein wie aus ziegelgroßen Pixeln zusammengesetztes Bild ­entsteht. Oder es werden die einzelnen Wandelemente direkt angesteuert, und somit die Oberflächen zu Bildschirmen. Große Gebäude, deren Außenhüllen bunte bewegte Bilder zeigen, sind längst nichts Neues mehr. Werden schließlich alle technischen Funktionen eines Gebäudes, von der

Türöffnung bis zur Klimatisierung, digital gesteuert, erzeugt dies eine Menge von Daten, die wiederum zur Optimierung verwendet werden können.

321

TECHNIK ODER KULTUR?

In der europäischen Tradition werden Gebäude, zumindest solche mit architektonischem Anspruch, in der Regel als Unikate entworfen, die möglichst individuell und innovativ sein wollen. Da der Wiederholungsfaktor gering ist, bleiben schon aus wirtschaftlichen Gründen die Ressourcen begrenzt, die für Entwurf und Planung einzelner Bauwerke zur Verfügung stehen. Die digitalen Techniken ermöglichen nun effizientere Planungs- und Bauabläufe, die, so die Hoffnung, der Qualität des Entworfenen und Gebauten zugutekommen. In einer am Gewinn als absolutem Wert orientierten Wirtschafts­ ordnung ist es indessen längst nicht ausgemacht, dass dies der Fall sein wird. Zu befürchten ist vielmehr, dass sich die Tendenz zur Standardisierung weiterhin fortsetzt, was wiederum die Innovationen und lokalen Anpassun­ gen behindert, die für eine nachhaltigere Architektur nötig wären. Immer komplexer werdende Programme, insbesondere die von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen erzeugten Black-Box-Algorithmen, sind im Alltag wohl unerlässlich, aber für Einzelne nicht mehr nachvollziehbar. Dies führt zu Apps, die ohne Wissen und Erlaubnis ihrer Nutzer im Hintergrund alles Mögliche tun, und zu Geschäftsmodellen, deren Erfolg auf der Monopolisierung von Information oder dem Unterlaufen bestehender Gesetze beruht. Die daraus resultierende Konzentration wirtschaftlicher wie politischer Macht könnte das Projekt der Aufklärung wie der Demokratie zu einem ungewollten Ende bringen. In der Architektur wird durch die digitalen Techniken, so steht zu befürchten, die räumliche wie gedankliche Distanz von Entwerfenden zum Entwor­ fenen sich weiter vergrößern. Gerade weil das Digitale den Informationsfluss und die Menge der verfügbaren Informationen um ein Vielfaches vermehrt, schiebt es sich zwischen uns und jedes unmittelbare Erleben. Schon jetzt entstehen auf diese Weise gigantische Bauten, die sich perfekt und wie aus einem Guss durchgeformt in die Nicht-Orte der globalen Moderne einschreiben, aber zur Kultur oder dem alltäglichen Leben eines Ortes kaum mehr einen Bezug finden. Eine Architektur, die sich stattdessen auf kulturelle Traditionen bezieht, die ihre Bezüge und Referenzen in kulturellen oder lokalen Eigenheiten

322

Dachlandschaft und Fassadenkonstruktion aus historischen Dachziegeln, Museum für Handwerkskunst der China Academy of Art, Xiangshan Campus, Hangzhou, Kengo Kuma & Associates, 2015, Fotos 2016

findet, die menschliche Erinnerungen wertschätzt und sich auf die Geschichte und den Charakter des Ortes, an dem sie entsteht, bezieht und diese reflektiert, die also eher einen Blick in die Vergangenheit wirft, als eine abstrakte,

323

voraussetzungslose Zukunft zu imaginieren, muss deswegen noch lange nicht selbst der Vergangenheit angehören. Im Gegenteil, gerade in der globalen Moderne bildet das Spezifische, Lokale und Charakteristische ein notwendiges Gegengewicht zur demonstrativen Universalität der zeitgenössischen Architektur gleich welcher Formensprache. Selbst in einem Land wie China, das in der Kulturrevolution und weit darüber hinaus im unbedingten Streben nach Modernität alles vehement bekämpfte, was aus seiner eigenen kulturellen Tradition überkommen war, ist man zur Erkenntnis gelangt, dass es letztlich kein Gewinn ist, wenn alle historischen Strukturen verschwinden und infolgedessen die Städte einander immer mehr gleichen. In einer guten Stadt möchte man beides finden, Bauten, die zeigen, dass sie teilhat an den neuesten Entwicklungen, und andere, die das Besondere, die Kultur und Geschichte des Ortes verkörpern. Denn gerade diese bilden einen unverwechselbaren Beitrag zur globalen Gesellschaft. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Bohnacker, Hartmut; Groß, Benedikt; Laub, Julia (2009): Generative Gestaltung. Entwerfen, programmieren, visualisieren. Hg. Claudius Lazzeroni, Mainz: Hermann Schmidt, 2009 Marble, Scott (Hg.) (2012): Digital Workflows in Architecture. Designing Design – Designing Assembly – Designing Industry. Basel: Birkhäuser, 2012 Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 384.

324

FORSCHUNGSBASIERTES ENTWERFEN

Das Verhältnis von Architektur und Wissenschaft ist, wie schon im Kapitel „Entwerfen und Forschen“ dargestellt, kein eindeutiges. Das Entwerfen ist in vielerlei Hinsicht Gegenstand wissen­ schaftlicher Forschung, andererseits ­nutzen Entwerfende wissenschaftliche Methoden, Konzepte und Erkenntnisse der unterschiedlichsten Disziplinen für ihre Tätigkeit.

Als Filippo Brunelleschi im Jahr 1418 den Wettbewerb gewonnen hatte, eine Kuppel über dem zentralen Oktagon des Florentiner Doms zu errichten, konnte er sich auf keine Bautradition, auf keine überlieferten Techniken und

325

Entwurfswerkzeuge stützen. Eine Struktur dieser Form und Größenordnung hatte man in Europa seit etwa 1300 Jahren nicht mehr gebaut. Ingenieure, die ihn hätten beraten können, gab es damals noch nicht, auch keine Forschungsinstitute; von Architekturfakultäten ganz zu schweigen. In den Bibliotheken Europas fand sich zu jener Zeit ein einziges Buch über Architektur. Es war 1440 Jahre alt und lag nur als lateinisches Manuskript vor. Niemand konnte Brunelleschi sagen, was zu tun sei oder wie diese Aufgabe zu bewältigen wäre; er musste es selbst herausfinden. Darin war er geübt. Brunelleschi hatte sich einige Jahre in Rom aufgehalten, um die aus der Antike erhaltenen Bauten und Ruinen zu studieren. Welche Techniken und Materialien hatte man zum Bau des Pantheons verwendet? An manchen Ruinen konnte er nachvollziehen, wie die Bauteile zusammengefügt waren, welche Konstruktionen die Jahr­ hunderte gut überstanden hatten und welche nicht. Aber er beschränkte sich nicht auf das Beobachten und Analysieren. Zurück in Florenz experimentierte er selbst, entwickel­te neue Darstellungs-, Vermessungs- und Bau­ methoden, baute Modelle aus verschiedensten Materialien und konstruierte die ersten Perspektiven der Kunstgeschichte, die später von Leon Battista Alberti beschrieben wurden. Auch Alberti, eine Generation jünger als Brunelleschi, hat den Zugang zur Architektur nicht, wie damals üblich, durch eine Tätigkeit als Handwerker, sondern über die Forschung

Details römischer Ruinen, an denen die Konstruktionsweise nachvollziehbar ist, Fotos 2017

gefunden. Brunelleschis Vorbild folgend, hat er die römischen Bauten und Ruinen studiert.

Später hat er sich mit Vitruvs Zehn Büchern auseinandergesetzt und, darauf aufbauend, das erste Buch der Neuzeit über das Bauwesen verfasst. (Alberti 1485)

326

Die meisten seiner großen Projekte hat er erst nach dessen Veröffent­

lichung realisiert. Für die Architek­turpraxis der Renaissance wurde die Erforschung antiker Bauten und Texte zu einer wichtigen Informationsquelle. Seit Filippo Brunelleschi und Leon Battista Alberti basiert die neuzeitliche Architekturpraxis nicht mehr nur auf handwerklich-praktischer und künstlerischer Überlieferung, wie sie von den mittelalterlichen Zünften und Bauhütten verkörpert wurde, sondern auf einer damals neu entstehenden Art der Forschung, welche Bauforschung am historischen Objekt, Experiment und Theoriebildung verband und in der Folge Entscheidendes zur Entwicklung unseres modernen wissenschaftlichen Weltbildes beigetragen hat. EINE GRUNDLAGE DER MODERNE

Diese beiden „Architekten“ der Renaissance waren noch keine Architekten im heutigen Sinn – Brunelleschi war in Literatur, Mathematik und danach als Goldschmied und im Zeichnen ausgebildet, Alberti als Jurist – haben aber die Voraussetzungen zur Entstehung des Berufs wie der Disziplin geschaffen. Ihrem Vorbild folgend, haben seither viele andere ihre Entwurfsarbeit auf Forschung und Rationalität gegründet. Die antiken Bauten erforschend ­einige Jahre in Rom zu verbringen, wurde für Generationen europäischer Architekten zum wichtigsten Teil ihrer Ausbildung, institutionalisiert im Prix

de Rome der Pariser École des Beaux-Arts, der den erfolgreichsten Studenten eines jeden Jahres genau dies ermöglichte. Auch viele deutsche Architekten des 18. und 19. Jahrhunderts, Langhans, Schinkel, Klenze, Weinbrenner, Hübsch, Semper, verbrachten einige Jahre in Italien. In Frage gestellt wurde zwar Rom als Quelle der Inspiration, aber nicht das Prinzip Forschung, erst durch Le Corbusier. Dieser unternahm mit seinem Freund August Klipstein stattdessen eine Forschungsreise „nach dem Orient“, die 1911 von Berlin über Prag, Wien, Budapest nach Istanbul führte und von dort über Griechenland und Italien, wo er schließlich auch Rom und Florenz besuchte, zurück nach La Chaux-de-Fonds.

(Gresleri 1991)

Selbst der junge Robert Venturi hat ein Forschungsstipendium für einen Rom-Aufenthalt genutzt, um Complexity and Contradiction zu schreiben, das, vom Museum of Modern Art veröffentlicht, zu einem der grundlegenden Texte der Postmoderne wurde. (Venturi 1966) Wenige Jahre später entstand

327

Grundriss und Schnittzeichnung durch die Kuppel des Florentiner Domes, Lodovico Cardi da Cigoli (1559–1613)

Learning from Las Vegas, basierend auf den Ergebnissen eines Forschungs­­­ semi­nars, das Venturi mit Denise Scott Brown und Steven Izenour an der University of Pennsylvania unterrichtet und mit einer Studienreise nach Las Vegas verbunden hatte. (Venturi et. al. 1972) Rem Koolhaas’ Forschungsinteresse

wiederum war, ausgehend von einer Master-Thesis, die er Anfang der 1970er Jahre bei Oswalt Mathias Ungers an der Cornell University begonnen hatte, auf die dynamischste Stadt jener Jahre gerichtet und wurde unter dem

328

Titel Delirious New York – A Retroactive Manifesto for Manhattan berühmt. (Koolhaas 1978)

Das darin beschriebene Konzept einer funktionalen „Culture

of Congestion“ legte Koolhaas viele Jahre später dem Entwurf des CCTVTowers in Beijing zugrunde. Betrachten wir einige der wichtigsten Architekten des 20. Jahrhunderts, aber auch der gesamten Neuzeit, so stellen wir fest, dass einige von ihnen gerade zu Beginn ihres Berufsweges sowohl theoretisch als auch praktisch orientierte Forschungsarbeiten verfassten und veröffentlichten, die ihren Entwurfsansatz entwickelt und argumentativ begründet haben und in der Folge zur Grundlage ihrer Entwurfsarbeit wurden. Viele dieser Forschungs­ arbeiten, von Brunelleschi über Le Corbusier bis Rem Koolhaas, nehmen Gebäude einer als vorbildlich empfundenen Stadt zum Thema, untersuchen sie, um von ihnen zu lernen. Sie entstanden in den frühen Jahren der jeweiligen Autoren und verfolgten das Ziel, eine eigenständige Grundlage ihres Entwurfsansatzes zu erarbeiten. Berühmt wurden diese Arbeiten, weil sie jeweils paradigmatisch für eine ganze Richtung wurden. Ähnliches gilt für die Forschungsarbeiten von Jane Jacobs, Aldo Rossi oder Rafael Moneo, Frei Otto oder Thomas Herzog, Christopher Alexander und Peter Eisenman, bis hin zu Wang Shu und Kengo Kuma. Leider werden deren Publikationen von der Mehrzahl der Studierenden eher als inhaltlich zu befolgende Leitbilder denn als Motivation aufgefasst, eigene Forschungen zu beginnen. Angesichts der beachtlichen Anzahl namhafter Architekten, die ihren Erfolg auf eigene Forschung gründen konnten, ist es bedauerlich, dass an vielen Architekturschulen das Forschen oder gar das Verfassen einer Disser­ tation weiterhin als unüblicher Weg zur Qualifikation angehender Architek­ ten betrachtet wird. Sicherlich, Entwerfende, die sich lediglich innerhalb etablierter Standards bewegen, kommen mit weniger Forschung aus. Aber selbst sie sollten die aktuell besten Gebäude zur gerade anstehenden Entwurfsaufgabe kennen, ebenso wie die Eigenschaften der neuesten in Frage kommenden Materialien und technischen Systeme, wie auch den aktuellen Stand der lokalen Bauvorschriften. Entwurfsbezogene Forschung kann viele Formen annehmen, und sie muss unterschieden werden von Detailarbeiten, die den Horizont zu sehr einengen.

Forschungsbasiertes Entwerfen heißt, sich beim Entwerfen nicht nur auf bestehendes Wissen zu stützen, sondern im Hinblick auf das eigene Entwerfen, oder als Bestandteil eines Entwurfsprozesses, selbst aktiv neues

329

Wissen zu generieren, um die so gewonnenen Informationen in die Entwürfe einfließen zu lassen oder ihnen zugrunde zu legen. Außerhalb davon, aber auch im Prozess des Entwerfens selbst werden ständig Daten erzeugt, die beim forschungsbasierten Entwerfen mit wissenschaftlichen Methoden analysiert und bewertet, und somit in anwendbares Wissen übersetzt werden. Durch die Digitalisierung hat sich die Menge der verfügbaren Informationen vervielfacht, dafür sind nun die Fragen nach der Relevanz, aber auch der Aktualität von Information schwieriger zu beantworten. Die Fähigkeit zur unabhängigen Validierung vorgegebenen Wissens wird daher immer ­wichtiger. Schon aus diesem Grund ist es essentiell, sich mit wissenschaft­ lichen Arbeitsweisen auseinanderzusetzen: Wie aussagekräftig ist eine Studie, auf welchen Daten basiert eine Information oder eine Hypothese, wie nachvollziehbar und schlüssig ist eine Argumentation, inwiefern lässt sie sich auf andere Bereiche übertragen? Die von den Wissenschaften zur Verfügung gestellten Werkzeuge, besser gesagt: die Erkenntnisse, Konzepte, Theorien und Methoden, die Instru­ mente ebenso wie die von ihnen erzeugten Informationen, basieren alle auf den Prinzipien der Nachvollziehbarkeit und Wiederholbarkeit, im weitesten Sinne auf Empirie und Rationalität. Sie tragen dazu bei, Architektur als ­kulturelles Phänomen ebenso wie als technische Herausforderung besser zu verstehen und Gebäude präziser auf die vielen verschiedenen Anforderungen abzustimmen. Auch die ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltig­ keit eines Entwurfs lässt sich ohne wissenschaftliche Kenntnisse und Methoden weder messen noch beurteilen. Heute nutzt forschungsbasiertes Entwerfen verschiedenste Formen kultur- oder naturwissenschaftlicher, praktischer oder künstlerischer Forschung und verwendet sie als methodische Grundlage, tragendes Argument oder Narrativ, Inspiration oder Leitgedanke eines Entwurfsansatzes oder -prozesses. ARCHITEKTURBEZOGENE WISSENSCHAFTEN

Welche Wissenschaften sind für das forschungsbasierte Entwerfen relevant? In seiner Gesamtheit artikuliert das Entwerfen unser räumliches wie kulturelles In-der-Welt-Sein und kann sich auf jeden Aspekt menschlicher Existenz,

und somit auch auf jede Wissenschaft beziehen. Die Dualität von Naturversus Geisteswissenschaften, oder im Englischen von sciences versus humani-

ties, ist für Entwerfende wenig hilfreich, da sie auf Wissen aus allen mögli330

chen Disziplinen angewiesen sind, die sich nicht auf diese beiden Kategorien reduzieren lassen. Wichtiger ist es, mit den relevantesten Disziplinen zumindest so weit vertraut zu sein, um die ihnen zugrunde ­liegenden Theorien, Konzepte und Methoden zu erkennen und bei Bedarf vertiefen und anwenden zu können. Je nach Entwurfsaufgabe und Heran­gehensweise können ganz unterschiedliche Themenbereiche von Bedeutung sein. Aus dem Bereich der „formalen“ Wissenschaften sind die Bereiche Mathematik, ins­ besondere Geometrie, Logik, Statistik und längst auch die Computerwissen­ schaften grundlegend, ebenso wie Physik, Chemie und Biologie aus den Naturwissenschaften, aus den Sozialwissenschaften die Bereiche Kommu­ nikation, Ökonomie und Anthropologie, aus den Geistes­wissenschaften Philosophie, insbesondere Ethik und Ästhetik, Geschichte, Kunst- und Kulturwissenschaften und Gender Studies, von den angewandten Wissen­ schaften alle Entwurfsdisziplinen und die Ingenieur­wissen­schaften. Mit all diesen Wissenschaften gleichermaßen vertraut und auf dem jeweils neuesten Stand des Wissens zu sein, wäre allerdings nicht nur für einzelne Entwerfende eine völlige Überforderung. Es ist auch nicht notwendig. Zwar wird die Menge und Qualität des in einen Entwurf einfließenden Wissens durchaus entscheidend für das Gelingen eines Projekts sein. Doch bei architektonischen Entwürfen ist der größte Teil wissenschaftlicher Kenntnisse implizit. Sie fließen in das Entwerfen und Bauen ein, ohne dass sie den Entwerfenden vollständig bewusst werden müssen. Materialien wie Tech­ niken, aber auch kulturelle Codes lassen sich verwenden, ohne genau zu wissen, wie sie hergestellt werden, warum sie funktionieren oder wie sie auf uns wirken. Dennoch können Entwerfende nicht grundsätzlich auf die wissenschaftliche Perspektive verzichten. Kenntnisse der verschiedenen Formen und Möglichkeiten wissenschaftlichen Arbeitens sind eine Grundlage, um den Wert von Informationen kritisch einschätzen zu können. Gerade bei ­architekturbezogener Forschung ist dies keine leichte Aufgabe, denn hier überlagern und widersprechen sich die in den verschiedenen Wissens­ bereichen üblichen Methoden, nach denen Kenntnisse erworben, gesichert und bewertet werden. Um den unterschiedlichen Aspekten von Entwürfen

gerecht zu werden, empfiehlt es sich, verschiedene, einander ergänzende Forschungsperspektiven so zu kombinieren, dass diese zusammengenommen eine ausgewogene, in sich stimmige Darstellung des untersuchten Projekts

331

ergeben. (Groat & Wang 2013, S. 441 ff.) Sich mit den verschiedenen Epistemo­ logien (das heißt Theorien über die Voraussetzungen von Erkenntnis und das Zustandekommen von Wissen) auseinanderzusetzen ist notwendig, um ihre Beziehung untereinander wie auch zur architektonischen Praxis besser zu verstehen. Ein Teil der verbreiteten Unsicherheit, mit Wissenschaft umzugehen, ist auch von den Vorstellungen verursacht, die Entwerfende von sich selbst und ihrer Tätigkeit haben. Verstehen sie sich eher als „Baukünstler“, werden sie der Forschung eher abgeneigt sein oder gar das Vorurteil pflegen, jegliches Wissen sei der individuellen Kreativität nur hinderlich. Dies hat historische Gründe. Als akademische Disziplin wurde das architektonische Entwerfen lange Zeit den Künsten zugeordnet. Nach der Klassifikation des National Center for Education Statistics (NCES, USA) zählt es heute, wie alle Entwurfs­ disziplinen, zu den Berufen bzw. den angewandten Wissenschaften, ebenso wie Jura, Medizin, Agrar-, Forst- und Betriebswirtschaft oder auch Journa­lis­ mus und Ingenieurwissenschaften. Allen angewandten Wissen­schaften gemeinsam ist, dass sie Wissen aus allen zur Verfügung stehenden Bereichen, von Physik und Chemie über Mathematik und Computerwissen­schaften bis zu Geschichte und Philosophie, nutzen, um es in der jeweiligen Praxis anzuwenden. Geht es in der Grundlagenforschung um grundlegendes Wissen von allgemeinem Interesse, das jede Wissenschaft anstrebt (auch die Architektur), so wird in der anwendungsbezogenen Forschung neues Wissen in Bezug auf ein spezifisches Problem erarbeitet und mit dem jeweils relevanten vorhandenen Wissen neu kombiniert, bis eine praktikable Lösung ­gefunden ist. Die auf diese Weise entstehenden Informationen werden im systematischen Rückkopplungsprozess der wissenschaftlichen Methode analy­siert und bewertet. Das so entstehende Wissen wird dann zum Ausgangs­ punkt für den nächsten Arbeitsschritt. In der Industrie ist diese „Forschung und Entwicklung“ (Research & Development, R & D) genannte Vorgehens­ weise der übliche Weg, um zu neuen oder verbesserten Produkten zu gelangen, er wird auch in der Architektur immer wichtiger. Unübersehbar ist die Ähnlichkeit des im ersten Teil dieses Buches beschriebenen „Kreislaufs des Entwerfens“ mit der sogenannten „wissen-

schaftlichen Methode“, die als Idealvorstellung zumindest aller naturwissenschaftlichen Forschung zugrunde liegt. Auch sie stellt ein zirkuläres Verfahren dar, das mit der Definition einer Aufgabenstellung oder Forschungsfrage

332

beginnt. Sind zu ihrer vorläufigen Beantwortung genügend Informationen gesammelt oder Beobachtungen gemacht, wird eine erste Hypothese formuliert. Auf deren Grundlage werden dann Experimente durchgeführt, um die gemachten Annahmen zu überprüfen. Die dabei entstehenden Daten werden systematisch aufgezeichnet, analysiert und interpretiert, um zu Schlussfolge­ rungen über die Aussagekraft der Experimente und die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Hypothese zu gelangen. Die Resultate führen dann entweder zur Bestätigung der Annahmen und der Formulierung einer entsprechenden Theorie, oder zur Kritik an ihnen und der Aufstellung einer nächsten, verbesserten Hypothese. Mit einer Serie weiterer Experimente beginnt in diesem Fall der Zyklus von neuem. Eine wissenschaftliche Hypothese kann in diesem Rahmen als analog zu einer ersten Entwurfsidee betrachtet werden. Diese kann, sobald sie einmal dargestellt ist, analysiert und interpretiert werden, um daraufhin kritisiert und im nächsten Entwurfszyklus verbessert zu werden. Nicht jede Entwurfsidee stellt sich in der weiteren Ausarbeitung als verfolgenswert heraus, ebenso wenig wie jede Hypothese zu einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnis führt. Wissenschaft und Entwerfen vereint das Ziel, verlässliche Aussagen über das zukünftige Verhalten von Systemen zu machen. Die Unterschiede zwischen ihnen liegen also weniger in der zirkulären, auf Iteration beruhenden Vorgehensweise als vielmehr in den Methoden und Kriterien, nach denen die erzielten Resultate dargestellt und beurteilt werden. Geht es in den Wissen­schaften um die Fragen von Messbarkeit oder zumindest Beobachtbarkeit, von wahr oder unwahr, so geht es beim architektonischen Entwerfen zunächst um richtig oder falsch und später darum, ob das Resultat eines Entwurfs­zyklus als machbarer, zweckmäßiger und ästhetischer als frühere Varianten wahrgenommen wird und inwiefern mit Recht anzunehmen ist, dass ein nach diesen Vorstellungen realisiertes Projekt, zum Beispiel ein errichtetes Gebäude, seine Eigenschaften auch langfristig bewahren wird. Auf Fragen der Richtigkeit lässt sich architektonisches Entwerfen nicht ­reduzieren. Bei vielen Entscheidungen geht es um die Abwägung zwischen mehreren Faktoren und mehreren lediglich graduell unterscheidbaren Varianten, um „gut“ oder „vielleicht etwas besser“.

BEISPIELE UND VORBILDER

Praktiziert wird forschungsbasiertes Entwerfen vorwiegend an und im Umfeld von Hochschulen. Nicht nur entspricht dies ihrem gesellschaftlichen

333

Auftrag, auch stehen hier die nötigen Einrichtungen und Ressourcen zur Verfügung. Ein inzwischen historisches Vorbild war das Institut für Leichte Flächentragwerke (IL), das Frei Otto von 1964 bis 1991 an der Universität Stuttgart geleitet hat. Als Studierende hat uns damals das Gebäude, das als Versuchsbau für den deutschen Pavillon der Expo 67 in Montreal entstanden war, ebenso beeindruckt wie die dort veranstalteten Symposien. Mit seiner 1954 veröffentlichten Dissertation Das hängende Dach. Gestalt und Struktur hatte Frei Otto die Ausrichtung seiner Forschungen gefunden, die bald zu weiteren Publikationen führten. 1958 gründete er in Berlin die „Entwicklungsstätte für

Frei Otto. Denken in Modellen. Ausstellung im ZKM Karlsruhe, kuratiert von Georg Vrachliotis, 05.11.2016–19.03.2017

den Leichtbau“, 1961 mit dem Biologen Gerhard Helmcke die interdisziplinäre Forschungsgruppe „Biologie und Bauen“ an der Technischen Hochschule Berlin, bevor er 1964 nach Stuttgart berufen wurde. In einer Laudatio

334

beschrieb Rainer Barthel seine Arbeitsweise:

„Für Frei Otto ist das physikalische Experiment das wichtigste Werkzeug seiner Arbeit. Auch seine Modelle sind Experimente. Modelle aus elastischen Geweben, Folien und Gummimembranen dienen zur Erforschung der Form von Zelten und Pneus, Hängemodelle zum Studium von Verzweigungskonstruktionen, Gewölben und Schalen. [... Das Experiment] erlaubt ihm auch den spielerischen Umgang, die unvorhergesehene Konstella­tion, die Einbeziehung des Zufalls und überraschende Ergebnisse. Die Ergebnisse werden dabei immer auch nach ästhetischen Gesichtspunkten ausgewählt [...] Das Ziel seiner Forschung ist grundsätzlich die Synthese, erst in zweiter Linie die naturwissenschaftliche Analyse. Er bleibt damit in seiner Forschung immer auch Architekt.“ (Barthel 2005, S. 6) Auch die kulturwissenschaftliche Forschungsperspektive kann, wie bereits angesprochen, für Entwerfende sehr aufschlußreich sein, zumal Architektur selbst letzten Endes als ein kulturelles, nicht nur technologisches oder ­ökonomisches Phänomen zu verstehen ist. Wie es in einem von staatlichen, eher ingenieurtechnisch agierenden Großbüros und kommerziellen Inves­ toren beherrschten Markt gelingen kann, eine neue Denkweise zu etablieren und auch im großen Maßstab außerordentliche Projekte zu realisieren, lässt sich am Beispiel des chinesischen Amateur Architecture Studio beobachten. Wang Shu, der das Studio zusammen mit seiner Frau Lu Wenyu 1997 in Hangzhou gründete, hatte sich schon in seiner Master-Thesis Notes from

Underground mit europäischer Kunst und Architektur auseinandergesetzt. (Wang 1988) Seine Doktorarbeit Fictionalizing City (虚构城市) beginnt mit einer Reflexion von Moderne und Postmoderne, beschäftigt sich mit Italo Calvinos Unsichtbaren Städten und den Theorien von Aldo Rossi ebenso wie mit Strukturalismus und Semiotik, den Schriften von Claude Lévi-Strauss, Michel Foucault und Roland Barthes. Sie resultiert in einer fundamentalen Kritik des Städtebaus der 1990er Jahre. (Wang 2000) Vor diesen theoretischen Untersuchungen arbeitete Wang Shu mit Handwerkern und machte Versuche mit traditionellen Bautechniken, während Lu Wenyu als Mitar­bei­ terin eines Großbüros Erfahrungen in der Umsetzung großer Bauvorhaben erwarb. Das Verbinden von traditionell chinesischen mit modernen

1127 1840 1850 1860 1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000

Paul Cézanne Van Doesburg De Stijl

Lux 19

Le Corbusier Surrealism

Constructing Reality

335

Marcel Duchamp

Anti-Cube Wang’s Critque of Modernism

Sainte Marie de La Tourette

Aldo van Eyck

Refuse of Preconceived Idea

Place Form

From functionism to classicism

Structuralism

Complex of Memories

Robert Venturi

Prototype

Complex of Inhabitation

Aldo Rossi

Image

Sign and Signified

The Architecutre of City

Norberg-Schulz

The Image of City

Ernst Cassirer Rhetoric

Ludwig Wittgenstein Peter Eisenman Le città invisibili

Linguistics thinking of Architecture

Collage City

Colin Rowe

What is City? Le Corbusier’s Citiy

Roland Barthes

Piceturesque

Criticism and Truth

Claude Levi-Strauss

Morhology of City Collage City Semiotics

Tiled Brick Wall

Typology

Chinese Craftship

Social Structure

Reconstruction of Memories Fictionalizing City The City where time stands still

Build a House

Building a Different World

Imagining the House

Illegal Architecture

Tiles Garden

Zhongshan Road

Expo Shanghai Pavilion

Geometry and Narrative

Tiles Garden

Thinking by Hands

Beginning of Design

Stagnating City

Fictionalizing City

Uninhabitable Houses

Record of Making Garden

Space Poetry

Master Thesis

Born 1963 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016

Grafische Darstellung der Bezüge zur westlichen Architekturtheorie in den Publikationen von Wang Shu, Wu Hao, 2016

­indu­striellen Bautechniken und -materia­ lien wurde später mit einer Serie von Versuchsbauten getestet, bevor es im ­großen Maßstab in Projekten wie dem Ningbo-Museum und dem Xiangshan Campus der China Academy of Art in Hangzhou umgesetzt wurde. Eine der ältesten, noch vor-wissenschaftlichen Forschungsmethoden, die auch Entwerfende seit langem nutzen, ist das Sammeln. Seien es Bücher, Zeich­ nungen, Fotos, Postkarten, Muster von Baumaterialien oder Produktkataloge, Konstruktiondetails des Wa Shan-Gästehauses auf dem Xiangshan Campus der China Academy of Art, Hangzhou, Amateur Architecture Studio, Wang Shu und Lu Wenyu, 2013, Foto 2016

das Sammeln ist in vielfacher Hinsicht Bestandteil architektonischer Praxis. Neben diesen eher von ihrem unmittelbaren Nutzen her bestimmten Sammlungen,

die sich in vielen Architekturbüros finden, gibt es aber auch ein spezifisch entwurfliches Sammeln, das Eva Froschauer als ein ausgesprochenes

Werkzeug des Entwerfens beschreibt. Wie sie in ihrer umfangreichen Arbeit darstellt, nutzen Entwerfende das Sammeln von Daten wie Objekten, um sich verschiedene Aspekte einer Entwurfsaufgabe oder eines Entwurfs­ ansatzes zu vergegenwärtigen, diese in Beziehung zueinander zu setzen und zu ordnen, und das so entstehende Sammlungsgebilde als Diskussions­ grundlage, Ausgangsmaterial, Anregung oder Orientierungshilfe während eines Entwurfsprozesses zu verwenden. (Froschauer 2019) Das Sammeln von Ideen- und Gedankennotizen in Zettelkästen, vom Deutschen Literaturarchiv Marbach als „Maschinen der Phantasie“ gefeiert, (Gfrereis & Strittmatter 2013)

ist das verbale Äquivalent dazu. Der Soziologe

Niklas Luhmann hat dieses Werkzeug um ein entscheidendes Element ergänzt, das seinen wissenschaftlichen Nutzen um ein Vielfaches vermehrt. Seine Zettel verknüpfte er untereinander mit Hilfe einer speziellen, offenen Systematik, welche die Möglichkeit immer weitergehender Untergliederungen kombiniert mit Querverweisen, Schlagwortregistern und einer Bibliographie. Sein berühmter Zettelkasten wurde damit zu einem ausgelagerten Gedächt­ nis, mehr noch: zu einem Denkwerkzeug, das ihm ermöglichte, sehr viel

Information entsprechend seiner Forschungsinteressen zu vernetzen und so ständig neue Verbindungen und Zusammenhänge zu entdecken. (Schmidt 2016)

337

Während das auf Forschung basierende Entwerfen sich theoretisch auf jede wissenschaftliche Erkenntnis stützen kann, aus welcher Disziplin sie auch kommen mag, ist die Erkundung neuer architektonischer Möglichkeiten, innovativer Raumprogramme, Strukturen und Formensprachen auf das Entwerfen selbst als Forschungsmethode angewiesen. Patrik Schumacher hat darauf hingewiesen, dass es allerdings kaum Forschungsinstitutionen gibt, die sich explizit diesem Thema widmen:

„Weder in Form öffentlich finanzierter Forschung noch als Forschungsabteilungen großer Architekturfirmen existiert ein klar definierter Bereich architektonischer Forschung, der vom Entwerfen als der Anwendung solcher Forschung unterschieden wäre. Als Ersatz für explizit institutionalisierte Forschung nutzt die Disziplin stattdessen führende Architektur­schulen und praktizierende Avantgarde-Architekten.“ (Schumacher 2011, S. 133, Übers. d. Verf.)

Beispiele sind das von Kengo Kuma geleitete Research Laboratory an der Universität Tokio oder das Arch Tec Lab der ETH Zürich. Auch das Design Research Lab, das Schumacher zusammen mit Brett Steele 1996 an der Architectural Association in London gründete, ist dieser Art Forschung Sammlungen von Farb- und Materialmustern im Studio von Alvar Aalto, Foto 2018

gewidmet. Dabei nutzt er ein wissenschaftliches Forschungsprogramm als Analogie zu seinem Konzept des architektonischem Stils, ohne auf klare Unterscheidungen zu verzichten: „Der mögliche Zweck eines architektonischen

338

Experiments wird oft erst im Rückblick entdeckt. Ziele sind eher das Ergebnis als der Beginn einer Forschung.“ (a.a.O., S. 135, Übers. d. Verf.) Die Lehre in Graduierten­ pro­grammen versteht Schumacher als die bestmögliche Annäherung an ein kohärent strukturiertes Forschungsprogramm. Zwei Aufgabenbereiche nennt er dafür: erstens die Erweiterung des Aufgabenraums, das heißt nach neuen architektonischen Problemen zu suchen, um Entwurfsziele zu formulieren, die bisher noch kein Bauherr zum Ausdruck gebracht hat, und zweitens die Erweiterung des Lösungsraums, nämlich durch die Entwicklung innovativer Formensprachen, die sich aus der Erkundung neuer Entwurfsmedien und Modellierungstechniken ergeben.

(a.a.O., S. 138)

Zur Erweiterung des Lösungs­

raums wäre sicherlich auch die Entwicklung besserer Materialien und Bautechnologien zu zählen. ENTWURFSFORSCHUNG

Innerhalb des weiten Feldes der Wissenschaften eine angemessene Position zu finden ist, wie die genannten Beispiele zeigen, für Entwerfende nicht ­einfach. Die Gründe dafür sind in der historischen Entwicklung der Disziplin ebenso zu sehen wie in deren epistemologischen Eigenheiten. Zum einen überschneiden sich im Entwerfen als Disziplin verschiedene Wissensgebiete. Zum anderen waren die Wissenschaften zu der Zeit, als das Fach entstand, selbst noch nicht im heutigen Sinne ausgebildet. So wurde innerhalb der Ausbildungssysteme das neu entstehende Fach Architektur zunächst den ­bildenden Künsten zugeordnet und dementsprechend auch an Kunsthoch­ schulen gelehrt. Berühmtestes Beispiel ist die École des Beaux-Arts in Paris. Sinnvoll erschien dies in der Renaissance, deren Kunstverständnis noch nicht streng zwischen den bildenden Künsten und den erst in der Entste­hung befindlichen neuzeitlichen Wissenschaften unterschied. Auch in der Zeit des Barock, in der Architektur, Malerei und Skulptur eng miteinander verbunden waren, war diese Zuordnung hilfreich. Nach der Französischen Revolution wurde 1794 in Paris die erste École Polytechnique gegründet, an der das Fach nun eher aus der ingenieur- bzw. naturwissenschaftlichen Perspektive gelehrt wurde. Dieses Konzept wurden von vielen Neugrün­ dungen des 19. Jahrhunderts aufgenommen: von Wien (1815) über

Karlsruhe (1825), Delft (1842), Zürich (1855), Turin (1859), Mailand (1863) bis hin zum MIT in Cambridge, Massachusetts (1865). Viele der heute wichtigsten Architek­tur­schulen entwickelten sich aus dieser polytechnischen

339

Tradition. Im 20. Jahr­hundert entstanden daraus dann die Technischen Universitäten ebenso wie die Institutes of Technology. Spätestens bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts war die naturwissenschaft­ liche Methodik zum Leitbild aller Wissenschaften geworden. Aber auch die Auffassung davon, was Kunst sei, hat sich in dieser Zeit grundlegend gewandelt. Buckminster Fuller, der sowohl in der Theoriebildung als auch in der Praxis Beachtliches zum forschungsbasierten Entwerfen beigetragen hatte, rief 1961 zusammen mit der Union Internationale des Architectes (UIA) die World Design Science Decade aus. (www.bfi.org) Auch das Design Methods Movement begann in dieser Zeit. Die erste, 1962 in London abgehaltene Konferenz zur Entwurfsmethodik führte vier Jahre später zur Gründung der noch heute sehr aktiven Design Research Society (DRS). (www.designresearchsociety.org) Während es beim forschungsbasierten Entwerfen darum geht, das eigene Entwerfen mit Hilfe von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Methoden unmittelbar zu begründen und zu unterstützen, kann Entwurfsforschung („Design Research“) mit ganz unterschiedlichen Zielsetzungen und Arbeits­ weisen betrieben werden: (1) theoriebildend, um das Entwerfen besser zu erklären (wie es auch das vorliegende Buch unternimmt), (2) Grundlagen­for­ schung betreibend, um Wissen aus relevant erscheinenden Bereichen zu erwerben und zusammenzuführen, damit es als Grundlage eines Entwurfs (oder einer Entwurfsmethode, eines Entwurfsansatzes) verwendet werden kann, (3) bewertend, um die Leistungsfähigkeit entstehender Entwürfe mit wissenschaftlichen Methoden darzustellen, zu messen und zu optimieren, (4) interpretierend, um die funktionale, ästhetische, soziale oder kulturelle Relevanz eines Entwurfs besser zu verstehen, aber auch (5) rückblickend, um bereits fertiggestellte Entwürfe zu dokumentieren, zu untersuchen und miteinander zu vergleichen, oder (6) spekulativ, um Szenarien zukünftiger Entwicklungen auszuarbeiten, sie auf ihre Wahrscheinlichkeit und Wünsch­bar­ keit hin zu untersuchen und im nächsten Schritt herauszufinden, wie ihr Eintreten sich vermeiden oder fördern lässt. Der wachsende Anforderungsdruck heutiger Universitäten führt aber auch dazu, dass das Entwerfen selbst als Forschung deklariert wird. „Research by Design“, „PhD by Design“ oder auch „Artistic Research“ sind im Englischen

übliche Begriffe dafür. Dies führt nicht selten zu Unsicherheit und Ver­ wirrung, da die Tätigkeiten des architektonischen Entwerfens und der wissenschaftlichen Forschung zwar unübersehbare Ähnlichkeiten aufweisen, aber

340

in ihren Arbeitsmethoden, ihren angestrebten Resultaten wie auch in ihren jeweiligen Beurteilungskriterien deutlich zu unterscheiden sind. Zu dieser Verwirrung trägt bei, dass in verschiedenen Disziplinen unterschiedliche Auffassungen von so zentralen Begriffen wie „Forschung“, „Experiment“ oder „Theorie“ gelten. Lassen sich in den Naturwissenschaften Phänomene mit höchster Präzision beobachten und messen, so gibt es in anderen Bereichen, die nicht weniger wichtig sind, kaum mehr als subjektive Beobachtungen und Erfahrungen, die in der Hoffnung auf intersubjektive Gültigkeit beschrieben und diskutiert werden. Der Frage „Ist Entwerfen und Forschen das Gleiche?“ sind Linda Groat und David Wang in aller Ausführlichkeit nachgegangen (Groat und Wang 2013, S. 21–57) und zu folgender Antwort gelangt:

„Entwerfen und Forschen sind weder polare Gegensätze noch gleichwertige Arbeitsgebiete; vielmehr existieren zwischen den beiden subtile Unterschiede und gegenseitige Ergänzungen. Ja, an den jeweiligen Polen tendiert Forschung dazu, konzeptuell systematischer vorzugehen, während das Entwerfen sporadischen Gebrauch von Forschung macht.“ (a.a.O., S. 57, Übers. d. Verf.) Die Berliner Philosophin Sabine Ammon hat eindeutige methodologische, ontologische und epistemologische Unterschiede zwischen architektonischem Entwerfen und wissenschaftlichem Experiment herausgearbeitet: Während ein zentrales Kriterium wissenschaftlicher Experimente deren Reproduzier­­ bar­keit ist, würde das Reproduzieren eines Entwurfs als Plagiat disqualifiziert. Im Gegenteil mache es die Vielzahl und Komplexität der einen Entwurf bestimmenden Faktoren und deren unterschiedliche Gewichtung unwahrscheinlich, dass zwei Akteure zu sehr ähnlichen Entwürfen gelangten. Wo wissenschaftliche Experimente existierende, beobachtbare Phänomene ­analysieren, gehe es beim Entwerfen darum, etwas noch nicht Existierendes zu projektieren und im Verlauf dieses Prozesses verlässliches Wissen darüber zu erwerben, ob das Entworfene, würde man es realisieren, die jeweiligen Anforderungen erfüllen würde. Das Entwerfen bezeichnet Ammon als eine eigenständige „epistemische Praxis“, bei der eine Reihe von Techniken und Methoden, jede mit ihren eigenen Werkzeugen und Medien  – sie erwähnt Skizzieren, Zeichen, Projizieren, Modellieren, Berechnen,

Beschreiben – genutzt werden, die unterschiedliche „Milieus der Reflexion“ erzeugen, die sich gegenseitig ergänzen, aber auch das wechselseitige Überprüfen von Entwurfsvorstellungen erlauben.

341

(vgl. Ammon 2017, S. 16–20)

Aus diesem Grund sind Universitäten gut beraten, der Praxis des Entwerfens ausreichend Raum zu geben und sie, zumindest in gewissen Grenzen, als der wissenschaftlichen Forschung gleichwertige Leistung anzuerkennen. Denn nur diese „epistemische Praxis“ ermöglicht uns, Wissen über die zukünftige Gestaltung unserer Umwelt zu erwerben, das so verlässlich ist, dass sich auch großmaßstäbliche, hoch komplexe Entwürfe erfolgreich realisieren lassen. Zu Recht stellt Ammon fest, dass das Bauen selbst nicht als Experiment zur Überprüfung eines Entwurfs betrachtet werden darf. (a.a.O., S. 20)

Das wäre viel zu riskant. Man muss vor Baubeginn sicher sein, dass ein

Entwurf baubar ist und alle in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen wird. Deshalb ist für die Entwurfsdisziplinen das Entwerfen in ähnlicher Weise zentral, wie es das Forschen für die Naturwissenschaften ist. Immerhin, mit Forschungsprojekten in den angewandten Wissenschaften lassen sich Entwürfe durchaus vergleichen. Im Gegenzug sollten ihre Verfasser – zumindest jene, die an Hochschulen tätig sind – sich bemühen, die Ergebnisse ihrer Arbeit der Öffentlichkeit in derselben transparenten und nachvollziehbaren Weise zur Verfügung zu stellen, wie dies für die Wissenschaften selbstverständlich ist: die einem Entwurf zugrunde liegenden Daten und Annahmen offenzulegen, alle verwendeten Referenzen anzugeben, die gewählten Vorgehensweisen nachvollziehbar zu erläutern, alle wesentlichen Entschei­ dun­gen zu begründen, das Erreichte kritisch zu reflektieren, und im Idealfall zu übertragbarem Wissen zu verdichten. WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Ammon, Sabine; Froschauer, Eva (Hg.) (2013): Wissenschaft Entwerfen. München: Fink, 2013 Borden, Iain; Rüedi Ray, Katerina (2000): The Dissertation. An Architecture Student’s Handbook. Oxford: Architectural Press, 2000, 2nd ed. 2006 Groat, Linda N.; Wang, David (2013): Architectural Research Methods. 2. Aufl. New York: Wiley, 2013 (erste Ausgabe: 2002) Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 385.

SOZIALES ENTWERFEN 342

Die Gesellschaft bildet den Rahmen des Entwerfens, zugleich ist sie dessen letztendlicher Adressat. Dies gilt vom kleinsten Detail bis hin zu Städtebau und Landschaftsarchitektur. Beim sozial orientierten Entwerfen geht es um die gesellschaftliche Funktion des Entworfe­ nen, wie etwa soziale Einrichtungen oder sozialen Wohnungsbau, um sozial benachteiligte Nutzer und Zielgruppen, um das Gestalten sozialer Prozesse und Zusammenhänge, oder auch um kollektive und partizipatorische Formen des Entwerfens und Bauens.

Eine soziale Komponente hat jedes Entwerfen, sobald mehr als eine Person darin involviert oder davon betroffen ist. Das soziale Entwerfen sucht nach neuen, zukunftsweisenden Wegen, Gestaltungsaufgaben anzugehen, die vor-

343

wiegend von gesellschaftlichen Fragen bestimmt sind. Aktuelle Forschungs­ erkenntnisse tragen ebenso dazu bei wie digitale Netzwerke, bessere Entwurfswerkzeuge oder auch eine neue gesellschaftliche Rolle der Entwer­ fenden selbst. Ziel dieses Entwurfsansatzes ist die soziale Nachhaltig­keit. Für das Entwerfen von Gemeinschaftseinrichtungen und öffentlichen Gebäuden ist er ebenso relevant wie für städtebauliche Aufgaben, Freiräume oder das Design. Voraussetzung für diese Art des Entwerfens ist ein vertieftes Verständnis sozialer Strukturen und Zusammenhänge, aber auch die Bereitschaft, neue Wege der Kommunikation und des Entwerfens zu erkunden. Denn die Vorstellung, die Entwerfende sich von der Gesellschaft und deren zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten machen, beeinflusst, bewusst oder unbewusst, ihre Entscheidungen. Soziales Entwerfen erfordert ein Verständnis davon, was soziale Privilegien sind, wie und warum sie entstehen und welche Möglichkeiten es gibt, sozial weniger Privilegierten die Teilnahme am gesellschaftlichen Geschehen und einen fairen Anteil an den gesellschaftlich verfügbaren Ressourcen zu gewähren. So schildert der französische Soziologe Didier Eribon, wie Ausbildungs­ systeme Kinder aus sozial schlechter gestellten Familien systematisch benachteiligen, indem sie Wissen, Ressourcen und Netzwerke, aber auch einen Habitus voraussetzen, über die diese aus familiären Gründen nicht verfügen. Bei gleichen Fähigkeiten und gleich großer Motivation sind ihre Chancen auf Erfolg viel geringer. (Eribon 2009, Kap. IV) Auch soziale und psycho­ logische Mechanismen der Selbstexklusion beschreibt Eribon, die in vielen Fällen verhindern, dass Menschen, die aus solchen Familien kommen, die nötige Motivation aufbringen, diese Hürden zu überwinden. (a.a.O., S. 151 ff.) Tatsächlich ist das Gesellschaftliche für die Tätigkeit des Entwerfens so fundamental, dass manche Autoren ihre Aufgabe ganz aus dieser Perspektive definieren. So entwickelt Patrik Schumacher seine umfassende Theorie der Entwurfsdisziplinen auf der Basis einer Gesellschaftstheorie. Er beschreibt die Entwurfsdisziplinen, für die er den Sammelbegriff Architektur verwendet, (Schumacher 2011, S. 25, Anm. 40)

als ein autonomes, autopoietisches, das heißt ein

eigenständiges, sich selbst erzeugendes Teilsystem der Weltgesellschaft. Damit bezieht er sich auf die Systemtheorie des Soziologen Niklas Luhmann,

nach welcher die Gesellschaft sich in der Neuzeit in eine zunehmende Anzahl von funktionalen Teilsystemen ausdifferenziert, die sich eindeutig von anderen Subsystemen unterscheiden lassen. Jedes dieser Systeme repro-

344

duziert sich autonom nach jeweils eigenen Regeln und kommuniziert über klar definierte Schnittstellen mit anderen Teilsystemen der Gesellschaft. Zu den wichtigsten dieser Systeme zählt Luhmann die Bereiche Wirtschaft, Recht, Wissenschaft, Erziehung, Medizin, Massenmedien, Kunst und Politik. Anstatt nun aber, wie es noch Luhmann tat, die Entwurfsdisziplinen dem Funktionssystem der Kunst zuzuordnen, schlägt Schumacher vor, sie als ein weiteres autonomes Teilsystem der Gesellschaft zu betrachten. Der Syste­ matik Luhmanns folgend, formuliert er eine umfassende Theorie, die er in zwei Bänden unter dem Titel The Autopoiesis of Architecture veröffentlichte. (Schumacher 2011)

Als einzigartige gesellschaftliche Aufgabe von Entwerfenden identifiziert Schumacher das Rahmen sozialer Kommunikation. Dies sei ihr „Beitrag zur

kontinuierlichen Herstellung und Einführung von Erneuerungen der gebauten Umgebung als eines Gerüstes organisierter und artikulierter räumlicher Beziehungen“. (a.a.O., S. 371, Übers. d. Verf.)

Die Schutzfunktion von Gebäuden sieht er hinge-

gen als eine der Leistungen an, die auch von Mitgliedern anderer Sub­ systeme, wie etwa Ingenieuren oder Bauunternehmern, erbracht werden. (a.a.O., S. 367)

Die Entwicklung der ­gestalteten Umwelt voranzutreiben und

dabei gesellschaft­lichem wie technologischem Fortschritt Form zu verleihen, ist sicherlich eine zentrale Aufgabe von Entwerfenden aller Gestaltungs­ berufe. Als wichtigste Quelle für diese Innovationen betrachtet Schumacher die globale Avant-garde, die inno­vativsten Autoren und fortschrittlichsten Hochschulen, die in der Regel über ausreichende Ressourcen und weit gespannte Netzwerke verfügen. SOZIALE INNOVATION

Damit übergeht er allerdings eine zweite wichtige Quelle von Innovationen, die lokalen Subkulturen. Zwar müssen diese mit weniger Ressourcen ­auskommen, haben dafür aber besseren Zugang zu den aktuellen gesellschaftlichen Problemen und Entwicklungen. Exemplarisch deutlich wurde die Dualität von Avantgarde und Subkultur als Quellen gesellschaftlicher Innovationen im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) im Berlin der 1980er Jahre. Sie war in zwei Teilen angelegt, der sogenannten IBA

345

Entwerfen und Bauen als soziales Ereignis. Mitglieder der Gruppe ConstructLab mit ihrem Projekt The Arch, realisiert im Sommer 2017 im Thor Park in Genk, Belgien. Foto: Julie Guiches, © OST collective, 2017

Neubau, geleitet von Josef Paul Kleihues, die mit internationalen Architekten der damaligen Avantgarde Neubauten errichtete, und der IBA Altbau, die sich unter der Leitung von Hardt-Waltherr Hämer der Erneuerung bestehender Quartiere widmete. Innovativ war dieser Ansatz, indem er völlig mit der bis dahin üblichen Vorgehensweise brach, renovierungsbedürftige Altbauten abzubrechen und durch Neubauten des Sozialen Wohnungsbaus zu ersetzen. Seine Vorteile bestanden darin, die sozialen Netzwerke der Bewohner ebenso zu erhalten wie die Arbeitsplätze der kleinen Gewerbe­

betriebe, deren Vielfalt diese Stadtteile heute so lebendig macht. Der Kontrast zur Planungspraxis der vorhergehenden, an modernistischen Stadtkonzepten orientierten Generation war allerdings so groß, dass es fast 15 Jahre – von

346

1968 bis 1983 – dauerte, bis dieser Ansatz auch politisch angenommen wurde. Ihren Ausgangspunkt hatte diese Innovation in einer Welle von Besetzun­ gen leerstehender Wohnhäuser, von denen viele bald wieder polizeilich geräumt wurden. Erst die damit einhergehenden Demonstrationen, Polizei­ aktionen und Straßenschlachten, so berichtet Hämer, erzeugten in der Öffentlichkeit eine Betroffenheit, die nach langen Auseinandersetzungen die politisch Verantwortlichen erweichte, das Konzept der behutsamen Stadt­ erneuerung anzunehmen. (Hämer 1984, S. 16) Diese Vorgehensweise, die Hämer seit 1968 in West-Berlin entwickelt und bereits erfolgreich in der Praxis erprobt hatte, bildet eine Art Werkzeugkasten der Stadtreparatur, der auf zwölf Grundsätzen beruht. (vgl. Eichstädt 1984) Die wichtigsten davon besagen, dass die Modernisierung dem Abbruch vorzuziehen ist und dass Maß­ nahmen mit den Bewohnern und Gewerbetreibenden möglichst vor Ort diskutiert und in einem ergebnisoffenen Prozess gemeinsam entschieden werden. Die Erneuerung der Wohnungen und Häuser geschieht stufenweise und wird allmählich ergänzt. Eine behutsame Änderung der Grundrisse ermöglicht auch neue Wohnformen. Öffentliche Einrichtungen sowie Straßen, Plätze und Grünbereiche werden bedarfsgerecht erneuert und ergänzt, das Blockinnere begrünt. Technische und soziale Maßnahmen gehen Hand in Hand und sind langfristig angelegt. (a.a.O.) Für die zumeist jugendlichen Hausbesetzer, von denen viele ihre Aktionen zu „Instandbesetzungen“ erklärten, war dies, nach anfänglichem Zögern, willkommene Hilfe zur Selbsthilfe. Eine Reihe von Projekten, die sich mit dem Anspruch, neue Wohn- und Lebensformen zu erproben, auch als soziale Experimente verstanden, konnten durch Mietverträge legalisiert werden. (Laurisch 1984)

Die Maßnahmen kamen aber allen Bewohnern der Quartiere

zugute, nicht zuletzt den zumeist türkischen „Gastarbeitern“, wie man sie damals nannte, und ihren Familien, die etwa die Hälfte der Bevölkerung ausmachten. Damit trug die IBA zu einer weiteren gesellschaftlichen Innova­ tion bei, der Integration neu zugezogener Stadtbewohner, von denen viele zu Beginn unter slumartigen Bedingungen hausen mussten. Wie schwierig dies angesichts der offiziell diskriminierenden Politik war, aber auch wie erfindungsreich die Akteure der behutsamen Stadterneuerung diese zu

347

Bonjour Tristesse: Das Eckgebäude Schlesische Straße/Falckensteinstraße in Berlin war Teil der IBA Altbau. Álvaro Siza mit Peter Brinkert, 1980–1983. Foto: Georg Slickers, 2005

­unterlaufen wussten, hat die an der Cornell University lehrende Architektin Esra Akcan in aufschlussreichen Interviews und Reportagen dargestellt. Ihre Erkenntnisse hat sie zur Theorie einer offenen und anpassungsfähigen, solidarischen und gastfreundlichen „Open Architecture“ verdichtet. (Akcan 2018) Nach der deutschen Wiedervereinigung fand das Konzept der behut­ samen Stadterneuerung weite Verbreitung. Die Resultate sind zwar meist weniger offensichtlich als die anderer Entwurfspraktiken, können aber großen Einfluss auf die Lebenswirklichkeit der Betroffenen haben. Nachdem die IBA abgeschlossen war, gründeten Hämer und sein Team in die heute noch aktive S.T.E.R.N. Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung, die ähnliche Projekte im Ostteil der Stadt durchführte, zum Beispiel im Stadtteil ­Prenz­­­lauer Berg, dessen Bewohner ich damals war. Heute ist die Gesellschaft in der gesamten Bundesrepublik aktiv, und die behutsame Stadterneuerung eine weithin anerkannte Vorgehensweise, die inzwischen auch auf Groß­sied­ lungen der Nachkriegszeit angewandt wird. (www.stern-berlin.com)

PARTIZIPATION

Was und wie soll entworfen werden, und wer entscheidet, welche Entwürfe zur Ausführung gelangen? In jeder Gesellschaft werden diese Fragen

348

­entsprechend der sozialen, politischen und ökonomischen Verhältnisse ­verhandelt und entschieden. Schon Vitruv berichtet von einer Begebenheit, die man heute als einen Akt der Bürgerbeteiligung bezeichnen könnte. Die Einwohner einer Stadt, die wegen der sumpfigen Umgebung unter Gesundheitsproblemen litten, baten ihren Herrscher M. Hostilius (ca. 200 v. Chr.) „von Staats wegen“ um die Verlegung ihrer Stadt. Angetan von dessen prompter Reaktion, schreibt Vitruv:

„Da zögerte dieser nicht, sondern er kaufte sofort, nachdem er die Verhältnisse sehr sorg­fältig untersucht hatte, längs des Meeres an einer gesunden Stelle ein Besitztum und bat den Senat und das römische Volk um die Erlaubnis, die Stadt zu verlegen.“ (Vitruv I, 4,12)

Problematisch wird soziale, kulturelle und räumliche Distanz von Entwer­­­ fenden zu dem von ihnen Entworfenen, wenn sie die Qualität und Ange­ messen­heit der Resultate zu sehr beeinträchtigt. Die Partizipation ist ein Werkzeug, das dazu beiträgt, diese Distanz zu überwinden. Als ein zentrales Mittel des sozialen Entwerfens ermächtigt sie die Betroffenen, selbst Einfluss auf die Gestaltung ihrer Umwelt zu nehmen. Damit kann ihr Insiderwissen in die Entwurfs­pro­zesse einfließen und zur sozialen Nach­ haltigkeit der Projekte beitragen. Die Rollen, die Entwerfende in den Teilen der Gesell­schaft übernehmen, für die sie tätig sind und an denen sie ihr Selbstverständnis ausrichten, unterscheiden sich bei dieser Form des Ent­ werfens deutlich vom Herkömmlichen. Von autonomen Autoren werden sie zu fachkundigen Moderatoren und Vermittlern, die Entwurfs­prozesse mit vielen Beteiligten ermöglichen, ohne sie zu dominieren. Der Ansatz des partizipativen Entwerfens geht zurück auf die Genossen­ schafts- und Reformbewegung der 1920er Jahre, den Situationismus der 1950er Jahre und die Architektur des Strukturalismus. Zu den Pionieren zählt der niederländische Architekt Nikolas John Habraken, dessen 1961 erschie­ nenes Buch De dragers en de mensen – het einde van de massawonigbouw („Die Träger und die Menschen – Das Ende des Massenwoh­nungs­baus“) als das Gründungs­manifest der partizipatorischen Architektur gilt. Momen­tum gewann der Ansatz mit der Studenten­bewegung der 1960er Jahre und den

daraus erwachsenden alternativen Sub­kul­turen. Ziel war eine Demokrati­sie­rung der Gesellschaft, die durch eine unmittelbare Beteiligung und Ermächtigung der von einem

349

Bauvorhaben Betroffenen angestrebt wurde. Die Forderung nach Teilhabe an den sie betreffenden Entscheidungen stellte die Autorität und gesellschaftlich herausgehobene Position der Entwerfenden ebenso in Frage wie die standardisierte industrielle Produktionsweise, die als ausbeuterisch und entfremdend wahrgenommen wurde. Auch die auf dieser Produktionsweise beruhenden, ästhetischen Prämissen der Nachkriegs­moderne, wie strenge Regelhaftigkeit und vielfache Wiederholung gleicher Elemente, wurden abgelehnt. Besonders angebracht ist Partizipation als eine Arbeits­

N. John Habraken: De dragers en de mensen – het einde van de massawonigbouw, Amsterdam, 1961, Umschlag der Originalausgabe. Scan: N. John Habraken, 2020

weise des sozialen Entwerfens bei Projekten, die tief in den Lebensalltag von zahlreichen Beteiligten eingreifen. Dies sind zum Beispiel Umbau, Renovierung oder Erweiterung bewohnter Gebäude oder Stadtteile, oder

Neubauten, die für eine große Zahl von Nutzern konzipiert werden, die sich aus verschiedenen Gruppen mit ungeklärten oder sehr diversen Anfor­ derungen zusammensetzen. Das Artikulieren von Bedürfnissen ist die erste Voraussetzung dafür, dass diese von der Gesellschaft anerkannt werden. Es gilt, die verschiedenen Stake­holder, ihre Bedürfnisse, Interessen und Empfindlichkeiten zu erkennen und mit der Komplexität der gewonnenen Informationen vernünftig umzugehen. Soziale Nachhaltigkeit ist nur zu erreichen, wenn für alle Beteiligten akzep­ table Kompromisse gefunden werden. Beim Entwurf einer Schule beispielsweise gilt es die Bedürfnisse der Schüler, der Lehrer, die Vorstellungen der Eltern und der Gruppen, die das Gebäude außerhalb der Unterrichtsstunden mitnutzen, des Betreibers, der Nachbarn und der Schul- wie Genehmigungs­ behörden zu erkennen, gegeneinander abzuwägen und im Verlauf des Prozesses so auszuhandeln, dass schließlich alle Beteiligten mit dem Ergebnis zufrieden sind. Dazu kommt die Schwierigkeit, dass viele der Beteiligten, was das Bauen angeht, Laien oder gar Kinder sind, die keine Erfahrung mit dem Entwerfen haben und mit einem professionellen Planungsdiskurs ebenso überfordert wären wie mit dem Lesen und Bewerten von Entwurfs­unterlagen.

Die Beschäftigung mit den Handlungsabläufen und Werkzeugen des Ent­wer­ fens ist für die Partizipation besonders wichtig, weil sie erhöhte Anfor­ derungen an die Kommunikation zwischen Fachleuten und Laien stellt. Die

350

Abstraktion professioneller Planzeichnungen erschließt sich Laien nicht immer, ebenso wenig Theorie oder Kritik. Sie sind auf Entwurfswerkzeuge angewiesen, die sich besser auf die alltägliche Erfahrungswelt beziehen ­lassen, die sie verstehen, benutzen und beherrschen können und die „das Konviviale“, das Gemeinschaftliche, die Kunst des Zusammenlebens fördern. (Illich 1973)

Fotografien und Fotocollagen gehören dazu, Gespräche und

Diskussionen, unterstützt von Gesten und Skizzen, später auch physische Modelle, Materialmuster und Mock-ups. Auch Diagramme und einfache Kalkulationen sind für Laien gut nachvollziehbar, dürfen aber nicht die Komplexität von Entwurfsentscheidungen auf das Finanzielle reduzieren. Bei öffentlichen oder eine größere Gruppe betreffenden Projekten erlauben es die sozialen Medien, viele Beteiligte in den Entwurfsprozess einzubeziehen. Unerlässlich ist die Fähigkeit des Moderierens, konstruktiv mit Konflikten umzugehen, sich auf Streit einzulassen und ihn ins Produktive zu wenden. Spielend die Vorstellungen anderer kennenzulernen, gemeinsam Ideen zu entwickeln und Probleme zu lösen ist eine Möglichkeit, soziale Gruppen­ prozesse so zu strukturieren, dass auch Laien und Kinder daran mitwirken können. Konstruktionsspiele mit Bauklötzen, Legosteinen oder Metallbau­ kästen sind jedem vertraut, ebenso wie es Computerspiele zur Stadtplanung oder Modellbau als Hobby sind. Mit ihrem Architekturbüro „Die Baupiloten“ hat die Berliner Architektin Susanne Hofmann eine Reihe von Spielen ­entwickelt, die einzelne Schritte gemeinsamen Entwerfens vorstrukturieren und in überschaubare Handlungsabläufe fassen. Mit dem „Schul-Visionen­ spiel“, das sie „ein Werkzeug zur Verhandlung von pädagogischen und räumlichen

Veränderungen“ nennt, lassen sich Nutzerwünsche und funktionale Zusam­ menhänge einer zu entwerfenden Schule ermitteln. Andere Spiele dienen dem Erkunden atmosphärischer Raumqualitäten, dem Bewerten von Entwurfsvarianten, dem Weiterentwickeln urbaner Freiräume und Nach­bar­ schaften oder der gemeinschaftlichen Nutzung und Gestaltung von Innenräumen. (Hofmann 2014, S. 44–115) Ein solch spielerischer Zugang hätte dem Projekt „Wohnen mit Kindern“ vielleicht gutgetan. Ottokar Uhl, ein Pionier partizipatorischer Planung in Österreich, realisierte es in den Jahren 1979–1984 mit 16 jungen Familien. Bei

Rechte Seite: Das Schul-Visionenspiel ist „ein Werkzeug zur Verhandlung von pädagogischen und räumlichen Veränderungen“, die Baupiloten BDA, Berlin 2018, gefördert durch die Hans Sauer Stiftung, München

351

allen Entscheidungen bezüglich Baustoffen, Haustechnik, Grundriss­ge­ staltung, Raumhöhen, Gemeinschaftseinrichtungen, Fassaden usw. bemühten Uhl und seine Mitarbeiter sich, den Wünschen der einzelnen Familien

352

so weit wie möglich nachzukommen. Um ein Mindestmaß an geometrischer Koordination zu gewährleisten, benutzten sie ein Bandraster von 10 plus 20 cm, ein konzeptionelles Werkzeug, das auf die SAR-Planungsmethodik von Habraken zurückgeht. Dennoch benötigten sie rund 120 Gemeinschafts­ sitzungen und 130 Einzelgespräche, um gemeinsam mit allen Beteiligten eine den Bedürfnissen von Familien mit Kindern besonders entgegenkommende Wohnanlage zu entwerfen. Am Ende wies das von einem Forschungsprojekt der Soziologin Maria Groh begleitete Projekt (Groh et al. 1987)

90 unterschiedliche

Fenster auf, und hat in der Planung wie beim Bau die Grenzen des allgemein Praktikablen sicherlich überschritten. Dies, obwohl die Entwerfenden sich mit einer offenen Ästhetik des Gebrauchs begnügten, die den Wünschen und Bedürfnissen der Einzelnen mehr Gewicht zumaß als einer geschlossenen Gesamterscheinung. Bei der Umsetzung seiner ursprünglich als Hochhäuser Entwurfsbesprechung mit zukünftigen Bewohnern und Architekt Erich Müller (stehend rechts), Wohnen mit Kindern, Ottokar Uhl mit Franz Kuzmich, Erich Müller und Martin Wurnig, Wien 1980–1984. Foto: Johann Klinger, ca. 1982

konzipierten „Baumhäuser“ am Berliner Tiergarten ging Frei Otto noch etwas weiter. Nach dem Vorbild des

Immeuble-villas von Le Corbusier beschränkte er sich auf den Entwurf von drei Betonstrukturen mit jeweils doppelter Geschosshöhe. Diese ebenfalls im Rahmen der IBA 1987 begonnenen, aber erst 1991 fertiggestellten Gebäude wurde dann von den Bewohnern entweder in Eigenregie (dies am Ende allerdings nur bei zwei von 27 Wohnein­heiten) oder mit jeweils eigenen

Architekten nach ökologischen Kriterien ­aus-­ gebaut. Als weiteren Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit wurde ein Drittel der Wohnun­

353

gen im Rahmen des Sozialen Wohnungsbaus realisiert. (Förster 2015) So ungewöhnlich und umstritten solche Projekte damals waren, so verbreitet sind sie heute. In den vergangenen beiden Dekaden entstanden in Deutschland zahlreiche Gemein­­ schaften zum Bau innerstädtischer Wohnhäuser. Das von Kristien Ring herausgegebene Buch

Selfmade City zählte 2013 allein in Berlin über 120 Projekte. (Ring et al. 2013) Allerdings entstehen diese nun unter veränderten Vorzeichen. Struktur, Außenhaut und die gemeinsam genutzten Räume werden in der Regel von den Architekten ­entworfen, während die Bewohner je nach Wunsch mehr oder weniger Einfluss auf die Gestaltung ihrer Wohnungen nehmen. Durch diese Einschränkung der Mitbe­stim­mung Axonometrie (Ausschnitt), Wohnen mit Kindern, Ottokar Uhl mit Franz Kuzmich, Erich Müller und Martin Wurnig, Wien, 1980–1984

unterscheiden sich die Gebäude ­äußerlich nicht mehr von konventionell ent­wor­fenen, dafür sind auch größere Projekte möglich. So reali-

sierten die Berliner Architektengruppe ifau und Heide & von Beckerath mit der Selbst­bau­genossenschaft Berlin unweit des Jüdischen Museums 2018 ein „Integra­tives Bauprojekt am ehemaligen Blumengroßmarkt“ (IBeB) für eine aus 86 Parteien bestehende Baugruppe. (Meyer 2018) SLUM? NEIN, ANKUNFTSSTADT!

Am notwendigsten ist soziales, an den gesellschaftlichen Problemen orientiertes Entwerfen dort, wo diese Probleme am größten sind. Gewiss wird die Bezeichnung „sozial“, ähnlich wie das Label „nachhaltig“, nicht selten auch für Projekte gebraucht, die das nicht sind. Dazu zählen „Sozialer“ Wohnungs­ bau, der seine Bewohner ausgrenzt, isoliert oder an den Stadtrand verbannt, oder „Social Design“-Projekte, die soziale Medien, Crowdfunding und andere Plattformen geschickt nutzen, um Aufmerksamkeit und soziales Kapital

zu generieren, das dann aber eher dem Renommee und Geschäft der Initiatoren dient, als denen, für die solche Projekte

354

vorgeblich gedacht sind. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Art des Entwerfens ist dennoch notwendig, nicht zuletzt weil soziale Probleme sehr viele Menschen betreffen, die selbst nicht über die erforderlichen Fähigkeiten und Ressourcen verfügen, sie zu lösen. 2018 lebten weltweit über eine Milliarde Menschen in Slums oder informellen Siedlungen; bis 2030 werden nach Schätzungen der Vereinten Nationen drei Milliarden Menschen angemessenen und bezahlbaren Wohnraum benötigen. (Vereinte Nationen 2019, S. 44)

In seiner wegweisenden Untersuchung

Arrival City schildert der kanadische-britische Journalist Doug Saunders 30 Quartiere großer Städte, die von „sozial Benach­ Der Kibera-Slum in Nairobi gilt als der größte Slum Afrikas. Foto: Michael E. Arth, 1998

teiligten“ bewohnt werden. Vorstädte von Paris oder Istanbul besuchte er ebenso wie

das Londoner East-End oder Berlin-Kreuzberg, Slums von Nairobi, Caracas, Chongqing oder Mumbai, aber auch Einwandererviertel der Metropolen Nordamerikas. Bezüglich der sozialen und ökonomischen Entwicklung dieser Orte hat er enorme Unterschiede festgestellt. Manche Quartiere stagnieren über Jahrzehnte, während andere sich im Lauf der Jahre in prosperierende Stadtviertel verwandeln. Saunders plädiert dafür, diese Stadtteile, die ­offensichtlich Orte der Armut und aller damit einhergehenden Probleme sind, nicht als etwas Statisches zu betrachten und sie nicht, wie es oft ge­schieht, aus dem Leben der Stadt auszugrenzen oder sie gar zu bekämpfen. Denn im Prozess der Urbani­sierung spielen diese Orte, so Saunders’ Beobachtung, eine wichtige Rolle. Die erfolgreichen unter ihnen fungieren als Ankunfts­städte, die es den vom Land Zugezogenen ermöglichen, Netzwerke aufzubauen, Qualifikationen zu erwerben, am städtischen Leben teilzunehmen und, sofern sie Erfolg haben, mit den Jahren in die urbane

355

Favela in der Nähe der Copacabana, Rio de Janeiro. Foto: Leon Petrosyan, 2013

Mittelschicht aufzusteigen und so zum Wohlstand der Stadt beizutragen. (Saunders 2011)

Saunders überträgt damit städtebauliche und ökonomische Konzepte, die Jane Jacobs (deren Nachbar er in Toronto gewesen war) im Bezug auf innerstädtische Bereiche von New York entwickelt hatte, auf die prekäre Peripherie. (Saunders 2015, 1:02:20 ff.) Damit die Umsetzung solch optimistischer Vorstellungen gelingt, müssen allerdings von der Stadt selbst die entsprechenden rechtlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu gehören öffentliche Sicherheit, Bildungseinrichtungen, Verund Entsorgung, Verkehrsanbindungen, Internet, Gesundheitsversorgung, aber auch die Möglichkeit, Bürgerrechte sowie Besitzrechte an Land und Gebäuden zu erwerben und darauf Hypotheken aufzunehmen, um eine Ausbildung zu finanzieren oder ein Unternehmen zu gründen. Dies erfordert zunächst Investitionen, die sich aber auszahlen, wenn die armutsbedingten Probleme der Stadtteile reduziert werden, deren Bewohner ihre Fähigkeiten entfalten können und schließlich selbst zum wirtschaftlichen Erfolg der Stadt beitragen. (a.a.O.) Naiv wäre, einfache Lösungen zu erwarten. Fehlen wesentliche Voraus­ setzungen, die nur auf politischem Weg zu erreichen sind, weil der Stadt der Wille oder, in armen Ländern wahrscheinlicher, die Mittel fehlen, sie bereitzustellen, ist mit Entwerfen allein wenig auszurichten. Ebenso, wenn die Gesetze und Institutionen eines Landes einer Entwicklung allzu sehr entgegenstehen. (Acemoglu & Robinson 2012) Es kann dann nur Symptome lindern,

ohne die ihnen zugrunde liegenden Ursachen zu beheben. Erst wenn die wichtigsten Faktoren, die für ein städtisches Leben nötig sind, richtig dosiert zusammenwirken, kann sich ein Stadtteil wirklich gut entwickeln. Von außen

356

ist für Entwerfende kaum abzuschätzen, welche dieser Faktoren am dringendsten der Verbesserung bedürfen, und worauf es bei ihrem Zusammen­ spiel am meisten ankommt. Daher ist ein entscheidender Schritt, so Saunders, eine funktionierende Selbstverwaltung aufzubauen, die in der Lage ist, die Bedürfnisse der vor Ort Lebenden zu erkennen und zu artikulieren, und abzuwägen, welches die dringendsten Maßnahmen sind und wie sie am besten verwirklicht werden. (Saunders 2011, S. 439) Entscheidend ist die Partizi­pa­ tion der Bewohnerinnen und Bewohner nicht zuletzt, weil sie von den Entwurfsentscheidungen am meisten betroffen sind, aber auch, trotz aller Einschränkungen, vor Ort die größte konkrete Handlungsmacht besitzen. Soziales Entwerfen ist anspruchsvoll, weil es mit sehr begrenzten Ressourcen auskommen muss und komplexe, für die Betroffenen nicht selten existenzielle Probleme zu bewältigen hat. Werden die sozialen und ökono­ mischen Zusammenhänge vor Ort nicht richtig verstanden oder gar ignoriert, so ist die Gefahr groß, dass Projekte, so gut sie gemeint sein mögen, scheitern. Auch der Wertzuwachs, den ein Quartier durch städtische Struktu­ investitionen erfährt, kann, so Saunders, dazu führen, dass die Bodenpreise für seine ursprünglichen Bewohner unerschwinglich werden. Er muss so verteilt werden, dass er einerseits den Bewohnern selbst zugutekommt, andererseits aber ein Überschuss zur Finanzierung weiterer städtischer Maß­ nahmen abgeschöpft wird – ein wichtiger Hinweis für die gegenwärtige Diskussion über Bodenpreise. (a.a.O., S. 503 f.) Saunders’ Studien machen deutlich, wie viel Forschung und individuelles Engagement in solchen Situationen nötig ist, um das Richtige tun zu können und eine sozial, ökonomisch und ökologisch nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen. Sicherlich muss im Laufe der Entwurfsprozesse die Komplexität einer Situation reduziert werden, um überhaupt handlungsfähig zu werden. Allerdings darf keine der für das Wohlergehen einer Gemeinschaft essen­ tiellen Funktionen dabei übergangen werden. Es gilt, Werkzeuge und Hand­ lungsweisen zu entwickeln, die uns dazu befähigen.

ENTWERFEN UND SELBST BAUEN

Während das digitale Entwerfen immer anspruchsvollere Werkzeuge ent­ wickelt und nicht selten in großer räumlicher wie sozialer Distanz zu dem

357

Ort entsteht, an welchem schließlich gebaut wird, werden viele Bottom-­ up-Projekte des sozialen Entwerfens mit einfachen, auch von Laien zu hand­ habenden Mitteln entworfen und oft auch von oder unter Mitwirkung der Entwerfenden wie der späteren Nutzer realisiert. Selbstbauprojekte, oder live projects, sind eindeutige Bezeichnungen dafür, während der Begriff

design-build vorwiegend im Sinne des Bauens mit Generalübernehmer gebraucht wird (s. https://en.wikipedia.org/wiki/Design–build) – nicht zu verwechseln mit e­ ducational design-build, das Selbstbauprojekte im akademischen Bereich bezeichnet. Selbst wer geringe finanzielle Mittel hat, kann billige, gebrauchte oder übriggebliebene Materialien sammeln, Ideen für deren architektonische Verwendung entwickeln und daraus inspirierende Gebäude errichten. Exem­ plarisch für diese Arbeitsweise ist das von Samuel Mockbee aufgebaute und später von Andrew Freear weitergeführte Rural Studio. Studierende der Auburn University verbringen einen Teil ihres Studiums im ländlichen, verarmten Hale County in West Alabama. Sie entwerfen dort Gebäude für bedürftige Bewohner und die örtlichen Gemeinden und bauen diese anschließend auch selbst. Ziel ist es, Bürger-Architekten auszubilden, deren Arbeit neben technischen und ästhetischen auch von sozialen Werten geleitet ist. (http://ruralstudio.org) Soziales Entwerfen erfordert, sich mit einer konkreten Wirklichkeit auseinanderzusetzen. Indem Entwerfende selbst Teil der sozialen Situation werden, für die sie arbeiten, sammeln sie ortsspezifisches Wissen und machen Erfahrungen, die wiederum ihr Entwerfen informieren. Dasselbe gilt für das Selbstbauen. Im Verhältnis zu den üblichen Darstellungsweisen wie Zeich­ nung oder Modellbau erfährt man beim Selbstbauen sehr viel mehr über die Bedingungen und Eigenschaften eines Entwurfs. Die Schwierigkeiten der räumlichen Geometrie, der Materialien und Werkzeuge, aber auch der Bauenden und Nutzenden selbst werden offensichtlich. Wie beim wissenschaftlichen Experiment lässt sich die Plausibilität und Schlüssigkeit der Entwurfsideen an der Realität prüfen. Der Nachweis der Machbarkeit, der Nützlichkeit und auch der Schönheit eines Entwurfs wird durch die Her­ stellung und Nutzung, und letztendlich auch die Entsorgung eines Bauwerks

erbracht. Die unmittelbare Auseinandersetzung verschafft Einsichten, die im Büro, im Zeichensaal oder am Bildschirm kaum zu erhalten wären. Die Bedeutung des konkreten Machens für das entwurfliche Denken war

358

ein Kerngedanke des Bauhauses, in dessen Werkstätten alle Studierenden eine Handwerksausbildung absolvierten. Er geht zurück auf das Arts and

Crafts Movement und John Ruskins Idealisierung des mittelalterlichen Handwerks, das er der industriellen Arbeitsteilung entgegensetzte und das auch eine soziale Komponente besaß. „Nur durch Arbeit“, schreibt er im zweiten Band der Stones of Venice, „kann das Denken gesund werden, und nur

Mitglieder der Gruppe EXYZT während der Realisierung von Metavilla im französischen Pavillon der 10. Architekturbiennale Venedig. Fotos: © Julie Guiches, 2006

durch Denken kann Arbeit glücklich werden, diese Beiden kann man nicht ungestraft trennen.“ (Ruskin 1853, S. 29, Übers. d. Verf.) Diese Vorstellung des Entwerfens stellt eine platonische These in Frage, die vielen Entwurfshaltungen zugrunde liegt: dass das Denken, und damit auch das Entwerfen, etwas vorwiegend Geistiges sei. Es gehe dabei um die Entwicklung idealer Vorstellungen, welche der Kontakt mit der Wirklichkeit nur verfälschen und korrumpieren könne. Dem steht eine Auffassung ­gegenüber, die in der Philosophie des Pragmatismus gründet: Das Denken entstehe aus dem Machen, aus der aktiven und zuweilen körperlichen Ausein­andersetzung mit der konkreten Wirklichkeit. Mit den Erfahrungen, die wir im Umgang mit Menschen und Dingen, mit Räumen, Materialien und Werkzeugen machen, entwickeln sich Ideen weiter. Diese Erfahrungen verfälschen die ursprünglichen Vorstellungen nicht, sondern lassen sie realistischer, präziser, richtiger werden. Sie inspirieren und motivieren das Denken gerade durch die Konfrontation mit den spezifischen Eigenschaften und Schwierigkeiten, die sich erst im konkreten Handeln offenbaren.

Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden heute immer wertvoller, weil sie das nötige Gegengewicht zur fortschreitenden Digitalisierung und Virtualisierung des Entwerfens bilden. Der mathematisch konstituierte Raum

359

der digitalen Informationen ist in gewissem Sinne vergleichbar mit dem platonischen Reich der Ideen. Aber die Aufgabe von Entwerfenden ist es nicht nur, Ideen zu formulieren, sondern diese auch zur Verwirklichung zu bringen. Verstehen wir das Entwerfen als einen Prozess der schrittweise konkreter werdenden Entwicklung und Realisierung architektonischer Ideen, wird jede Abgrenzung zwischen Entwerfen und Herstellen willkürlich.

Man versucht, entwerfend und bauend der Wirklichkeit so nahe wie möglich zu kommen, experimentiert direkt mit den zu verwendenden Materialien und Arbeitsweisen. Alles, was den menschlichen Maßstab betrifft, probiert man in Bezug zum eigenen Körper aus, der als Messwerkzeug dient. Auch den Rohbau eines Gebäudes begreift man dann als ein weiteres, großes Entwurfsmodell im Maßstab 1: 1. Der größte Gewinn ist, den gesamten architektonischen Produktions- und Verwertungszyklus in seinem logischen Zusammenhang zu erleben, zu sehen, wie eine Idee sich im Verlauf ihrer Realisierung verändert, was sie dabei verlieren, aber auch wie viel sie dabei gewinnen kann. So entsteht eine ganz andere Entwurfspraxis, bei der Entwerfende sich direkt die soziale und räumliche Situation hinein begeben, die es zu gestalten gilt. Gruppen wie Assemble, raumlaborberlin, Exyst, oder ConstructLab verbindet das direkte, gemeinsame Entwerfen und Bauen vor Ort, im unmittelbaren Austausch mit einer vorgefundenen sozialen und baulichen Realität. Der Einsatz von einfachen oder auch gebrauchten Baumaterialien und von

eher handwerklichen Entwurfs- und Bautechniken erlaubt es, den Bedürf­ nissen und Wünschen von weniger privilegierten Mitgliedern der Gesell­ schaft Rechnung zu tragen, ohne allzu große Budgets zu benötigen.

360

Bemerkenswert ist, wie diese Gruppen Elemente von Sub- und Hochkultur verbinden, auf Architekturbiennalen und in Publikationen ebenso präsent sind wie in sozial anspruchsvollen Umgebungen. Die konventionelle Trennung des Entwerfens vom Bauen ist bei dieser Arbeitsweise ebenso aufgehoben wie die individuelle Autorschaft, die vor diesem Hintergrund als soziale Konstruktion durchschaubar wird. ConstructLab, eine dieser Gruppen, ist ein rund 60 Personen umfassendes, internationales Netzwerk von Architekten, Handwerkerinnen, Grafikern, Designerinnen, Fotografen, Kuratorinnen, Soziologen und Stadtplanerinnen, kurz: sozialer wie gestaltungsaffiner Berufe. Gegründet wurde es von Alexander Römer, der selbst als Zimmermann und Architekt ausgebildet ist. Gemeinsam entwerfen und realisieren wechselnde Teams Projekte, während und indem sie an dem Ort, an dem etwas entstehen soll, zusammen wohnen (mitunter auch gärtnern), kochen und diskutieren, essen und feiern.

„Wir beginnen immer damit, einen Raum zu bewohnen: Unsere Praxis basiert auf dem Boden, auf dem unsere Projekte stattfinden. Wir sind vor Ort präsent. Wir ­nehmen uns Zeit, Ideen zu entwickeln, Beziehungen, Netzwerke. Wir tragen Sachen zusammen, binden örtliche Energien mit ein, laden Leute ein vorbeizukommen, zu ­bleiben, sich etwas zu eignen zu machen, etwas vorzuschlagen oder selbst zu handeln.“ (ConstructLab 2019, S. 7)

Haupthalle des Osthang Project auf der Mathildenhöhe Darmstadt, ConstructLab mit Atelier Bow-Wow. Foto: Kristof Lemp, 2014

361

„Agora“ des Projekts Mon(s) Invisible, ConstructLab, Jugendprogramm der europäischen Kulturhauptstadt Mons 2015. Foto: © Fondation Mons, 2015

Die Projekte kennzeichnet ein starker konzeptioneller Rahmen, der eine gemeinsame Richtung vorgibt, ohne allzu viele Details festzulegen. Verlangt ist die Fähigkeit, vor Ort vorhandene Informationen ebenso wie lokale Ressourcen aufmerksam, rasch und improvisierend in das Projekt zu integrieren, Konflikte konstruktiv und sogar kreativ zu nutzen, und die Offenheit, sich von den Resultaten überraschen zu lassen. Die so entstehende Dynamik ermöglicht Arbeitsweisen, die bauliche wie soziale Strukturen hervorbringen, die an zuvor ungenutzten Orten neue Spielräume eröffnen. Als zwei besondere Werkzeuge des sozialen Entwerfens nutzen die Teams von ConstructLab große Tische, die zum gemeinsamen Arbeiten, Essen, Diskutieren dienen, und, für größere Gruppen, kreisförmige, theaterartige

Strukturen, die sie „Agora“ nennen. (a.a.O., S. 18) Beide Werkzeuge sind architektonischer Ausdruck ihrer Suche nach neuen, postindustriellen Formen des Zusammenlebens und –arbeitens. Theoretischer Hintergrund ihrer Arbeit ist das Konzept des Konvivialismus (von lateinisch „convivere“, miteinander leben), „einer Kunst des Zusammenlebens, die die Beziehung und die Zusammenarbeit würdigt und es ermöglicht, einander zu widersprechen, ohne einander niederzumetzeln, und gleichzeitig für einander und für die Natur Sorge zu tragen“. (Convivialistes 2013, S. 47)

Sie beziehen sich damit auf den radikalen Zivilisations­ kritiker Ivan Illich, dessen bemerkenswerter Beitrag zur Theorie der Werkzeuge deren soziale Auswirkungen beschreibt und kritisiert. Dabei geht er von einem weiten Ivan Illich: Tools for Conviviality, New York: Harper and Row, 1973. Umschlag einer späteren Auflage

Werkzeugbegriff aus, der beispielsweise auch Industrie­ anlagen und Autobahnen, Techniken und Institutionen einschließt. Die technokratische Industriegesellschaft, so Illich,

entmündige die Einzelnen und beraube sie ihrer Möglich­keiten, ihre Umwelt nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Sie möchte Illich ersetzt sehen durch eine „kon­viviale“, der Kunst des Zusammenlebens gewidmeten Gesellschaft, die sich der Herrschaft dieser immer weiter ­expandierenden industriellen Werkzeuge entzieht.

„Zwischen dem einzelnen und der Gesellschaft besteht durch die Werkzeuge eine Beziehung; entweder weil er sie aktiv beherrscht, oder weil er von ihnen beherrscht wird. In dem Maße, in dem er seine Werkzeuge beherrscht, kann er der Welt seine eigenen Vorstellungen a­ ufprägen; in dem Maße, in dem er von seinen Werkzeugen beherrscht wird, bestimmt die Gestalt des Werkzeugs sein Selbstbild. Werkzeuge sind dann konvivial, wenn sie jedem, der sie benutzt, die bestmögliche Gelegenheit bietet, die Umwelt mit den Ergebnissen seiner Visionen zu bereichern. Industrielle Werkzeuge enthalten ihren Benutzern diese Möglichkeit vor, und wer sie konstruiert, kann anderen die eigenen Vorstellungen und Erwartungen aufzwingen.“ (Illich 1973, S. 40 f.)

Eine konviviale Gesellschaft müsse den Einzelnen umfassenden und freien Zugang zu Werkzeugen gewährleisten.

(a.a.O., S. 29)

Sie solle es jedem

­ermöglichen, so autonom wie nur möglich mit Werkzeugen umzugehen, die

in so geringem Maße wie möglich der Kontrolle von anderen unterstünden. (a.a.O., S. 40)

Werkzeuge sollen zur Verbesserung und einer „spielerischen

Leichtigkeit“ der persönlichen Beziehungen beitragen.

363

(a.a.O., S. 9)

Die

­Tiefen­struktur von Werkzeugen sei so zu verändern, dass sie es Menschen ­erlauben, mit hoher Effizienz selbstständig zu arbeiten, und ihnen dabei ­helfen, das Beste aus ihrer Kraft und Phantasie zu machen.

(a.a.O., S. 26)

Die

industriellen Werkzeuge hingegen müssten vernünftigen Wachstums­ beschränkungen unterliegen. (a.a.O., S. 12) Damit greift Illich beispielsweise Themen der Do-It-Yourself-Bewegung und des Whole Earth Catalogs auf, dessen Titelseite den Slogan access to tools trägt. (Brand 1968) Unmittelbaren Einfluss hatten seine Vorschläge auf die Ent­ wicklung eines der ersten Personal Computer. Lee Felsenstein, der den

Osborne 1 entwarf, suchte nach Wegen, Computer ausdrücklich als konviviale Werk­zeuge zu gestalten. In den gleichen Jahren war Felsenstein Moderator des Homebrew Computer Clubs, dem auch Steve Jobs und Steve Wozniak ange­hörten. (Crosby 1995) Auch die im Rahmen der Nachhaltigkeitsdebatte aufkommende Kritik unbeschränkten Wirtschaftswachstums kann sich auf Illich beziehen. Seit etwa zehn Jahren werden seine Ideen von einer Gruppe um den französischen Soziologen Alain Caillé, genannt „Les Convivialistes“, ­wieder aufgenommen, die inzwischen zwei Manifeste veröffentlicht hat. (http://convivialisme.org) Deren letztendliches Ziel ist im Grunde die Nachhal­

tigkeit: „eine dauerhafte, sowohl ethische, ökonomische, ökologische wie politische

Grundlage des gemeinsamen Lebens“. (Convivialistes 2013, S. 49) WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Arbter, Kerstin (2012): Praxisbuch Partizipation: Gemeinsam die Stadt entwickeln. Wien: Magistratsabt. 18, Stadtentwicklung und Stadtplanung, 2012, https://www.wien.gv.at/ stadtentwicklung/studien/pdf/b008273.pdf Banz, Claudia (Hg.) (2016): Social Design. Gestalten für die Transformation der Gesellschaft. Bielefeld: Transcript, 2016 Verderber, Stephen; Cavanagh, Ted; Oak, Arlene (Hg.) (2019): Thinking While Doing. Explorations in Educational Design/Build. Basel: Birkhäuser, 2019 http://www.designforcommongood.net https://socialdesign.de https://www.partizipation.at Weitere Literaturhinweise zum Thema siehe Anhang S. 385.

Nachwort zur Neuausgabe Die vielfältigen Tätigkeiten des Entwerfens geschehen in einem Handlungs­

364

raum, der vom Rohmaterial bis zur Philosophie alles enthält. Darin können Entwurfsgedanken mit visuellen und verbalen Werkzeugen dargestellt ­werden, das Architektonische bedarf aber auch der haptischen, akustischen, olfaktorischen, synästhetischen Mittel. Der Ausdruck „Werkzeug des Ent­ werfens“ hat uns erlaubt, vom Entwerfen zu sprechen, ohne sogleich bestimmte Methoden vorzuschreiben oder in dogmatische Festlegungen zu verfallen. Wie wir dabei gesehen haben, umfasst diese Tätigkeit ein außer­ordentlich weites Spektrum möglicher Handlungen, die ein gemeinsames Ziel haben: zuverlässige Informationen über ein Projekt zu gewinnen und so zusammenzufügen, dass auf ihrer Grundlage unsere Umwelt in Zukunft „besser“ und „schöner“ – was immer dies im konkreten Fall bedeuten mag –, aber auch ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiger gestaltet werden kann. Diese fundamentale Offenheit des Entwerfens darf indes nicht mit Beliebigkeit verwechselt werden. Wie die neueren Forschungen in ihrer erstaunlichen Themenbreite gezeigt haben, ist das Spektrum möglicher Werk­ zeuge und Entwurfshandlungen fast grenzenlos. Vor diesem Hinter­grund erweist sich die Rede von Entwerfenden als Generalisten als ein vielfach zum Mythos erhobener, dabei aber selbst in Ansätzen unerfüllbarer Anspruch. Niemand kann alle möglichen Werkzeuge des Entwerfens auf hohem oder gar professionellem Niveau handhaben. Niemand kann sich in allen existierenden Fachgebieten wirklich gut auskennen, oder auch nur den Überblick über das global verfügbare Wissen bewahren. Es gibt auch keinen Grund – das kann ich nach meiner Odyssee berichten – anzunehmen, das in der eigenen Kultur oder in einer der größeren Sprachen existierende Wissen würde alles Wissenswerte oder Relevante schon enthalten. Die Praxis weiß dies schon längst. Anspruchsvolle Projekte bedienen sich zahlreicher Fachleute und internationaler Teams, um die Breite des erfor­ derlichen Wissens wie auch der benötigten Fähigkeiten und Qualifikationen abzudecken. Von den einzelnen Entwerfenden verlangt dies, eine präzise Auswahl an Werkzeugen zu treffen, die auf persönliche Neigungen und Fähigkeiten ebenso Rücksicht nimmt wie auf die jeweiligen beruflichen Notwendigkeiten und individuelle wie gesellschaftliche Wertvorstellungen. Im Idealfall werden sich die gewählten Werkzeuge und Handlungsmög­

lichkeiten zu einer in sich schlüssigen, und insofern mit Hoffnung auf Erfolg praktizierbaren Entwurfshaltung verdichten. Eine Reihe solcher Haltungen wurden in den vorhergehenden Kapiteln aufgezeigt, viele andere sind mög-

365

lich, neue sind zu entdecken und zu kultivieren. Der einführende Charakter des Buches ist in der Neuausgabe noch stärker hervorgetreten. Dies nicht zuletzt, weil es inzwischen zahlreiche Forschungs­ arbeiten gibt, die den angesprochenen Themen gewidmet sind. Von einer umfassenden Werkzeugkunde des Entwerfens sind wir indessen noch weit entfernt. Viele Themen konnten nur kursorisch, andere noch gar nicht behan­delt werden. Selbstredend stellt sich nun die Frage, wie sich die gewon­ nenen Erkenntnisse erweitern, auswerten, zusammenführen und für Praxis und Lehre fruchtbar machen lassen. Das Entwerfen und seine Werkzeuge haben eine lange Geschichte, sie zu studieren hilft uns, es besser zu verstehen. Aber dabei können Entwerfende es nicht bewenden lassen. Die eigentliche Frage, mit der sie konfrontiert sind, ist die nach der Zukunft, nach dem nächsten denkbaren Arbeitsschritt. Das Entwerfen bedarf des kritischen Denkens und Handelns im selben Maß wie des kreativen. Zentrale Begriffe in der Diskussion des Entwerfens bezeichnen hohe Standards, so zum Beispiel wissenschaftlich, experimentell, sozial oder nachhaltig. Im Alltag werden sie allerdings oft gebraucht, ohne ihrem Anspruch ganz gerecht zu werden. Solche Begriffe gegen ihre Verwässerung zu verteidigen bleibt Aufgabe aller, die sich für eine bessere Gestaltung unserer Umwelt engagieren. Das Verhältnis von Praxis und Theorie erwies sich als eines der wiederkehrenden Themen dieser Arbeit. Architektonisch Entwerfende handeln im Spannungsfeld zwischen theoretischem Wissen und den in der jeweiligen Situation konkret gegebenen Möglichkeiten der praktischen Realisierung. Seit jeher ist diese Spannung eine Konstante, um nicht zu sagen eine Trieb­ feder ihrer Tätigkeit. Vor der Verwendung von Blei beim Bau von Wasser­ leitungen hat schon Vitruv gewarnt, da es gesundheitsschädlich sei. VIII, 6.10–11)

(Vitruv

Aber selbst im 21. Jahrhundert sind die von bleihaltigen Leitungen

verursachten Probleme nicht vollständig behoben. Die Spannung zwischen Praxis und Theorie gilt es auszuhalten, ohne sich vorschnell auf die eine oder andere Seite festzulegen. Denn es geht darum, sie für eine bessere und nachhaltigere Gestaltung der gebauten Umwelt nutzbar zu machen.

ANHANG 366

BIBLIOGRAFIE

367

Die in Klammer gesetzte Jahreszahl gibt das Jahr der Erstauflage an, zitiert wird nach der jeweils zuletzt genannten Ausgabe. Verwendete Abkürzungen: DiskAB 4 (1984): Diskussionen zur archäologischen Bauforschung 4: Bauplanung und Bautheorie der Antike. (Tagungsband) Berlin: Deutsches Archäologisches Institut, 1984 IstMitt 30 (1980): Istanbuler Mitteilungen, Band 30, 1980. Deutsches Archäologisches Institut, Abteilung Istanbul. Tübingen: Wasmuth, 1980 LasCasas (1997): Las Casas del Alma. Maquetas arquitectónicas de la Antigüedad (5500 a.C. / 300 d.C.) (Ausstellungskatalog) Barcelona: Centre de Cultura Contemporània, 1997

Teil A: Grundlagen (S. 22–95) Abel, Günter (Hg.) (2005): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie. Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin, 2005 Ackermann, Kurt, et al. (1985): Industriebau. Stuttgart: DVA, 1985, 4. Aufl. 1994 Ackermann, Kurt, et al. (1988): Tragwerke in der konstruktiven Architektur. Stuttgart: DVA, 1988 Ackermann, Kurt, et al. (1993): Geschossbauten für Gewerbe und Industrie. Stuttgart: DVA, 1993 Adamczyk, Grazyna (Hg.) (1998): Rezeptfreies Entwerfen. Auf der Suche nach persönlichen Gesichtspunkten im Entwurfsprozess. Herausgegeben vom Städtebaulichen Institut der Universität Stuttgart, Stuttgart, 1998 Adler, David A. (1986, 1999): Metric Handbook Planning and Desing Data. Architectural Press, 1986, 1999 Adorno, Theodor W. (1970): Ästhetische Theorie. Herausgegeben von Gretel Adorno und Rolf Tiedemann. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1970, 9. Aufl. 1989 Adorno, Theodor W. (1971): Erziehung zur Mündigkeit. Vorträge und Gespräche mit Helmut Becker 1959 – 69. Herausgegeben von Gerd Kadelbach. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1971, zitiert nach der 16. Aufl. 1999 Aicher, Otl (1989): „Entwurf der Moderne“, in: Arch+ 98, 1989 Aicher, Otl (1991/1): analog und digital. Berlin: Ernst & Sohn, 1991 Aicher, Otl (1991/2): die welt als entwurf. Berlin: Ernst & Sohn, 1991 Aicher, Otl (1993): schreiben und widersprechen. Berlin: Janus, 1993 Aicher, Otl; Greindl, Gabriele; Vossenkuhl, Wilhelm (1986): Wilhelm von Ockham: Das Risiko modern zu denken. München: Callwey, 1986 Alberti, Leon Battista (Manuskript ca. 1443 –1452) (1485): De re aedificatoria libri decem. Florenz: Alamanus, 1485, deutsch: Zehn Bücher über die Baukunst. Ins Deutsche übertragen, eingeleitet und mit Anmerkungen und Zeichnungen versehen durch Max Theurer. Wien, Leipzig: Heller, 1912, Nachdruck Darmstadt: Wiss. Buchges., 1975, 1991 Alexander, Christopher; Ishikawa, Sara; Siverstein, Murray (1977): A Pattern Language. Towns, Buildings, Construction. New York: Oxford University Press, 1977, deutsch: Eine Muster-Sprache. Städte, Gebäude, Konstruktion. Wien: Löcker Verlag, 1995 Altschuller, Genrich Saulowitsch (1979): Tvorcestvo kak tocna ja nauka. Moskau, 1979, deutsch: Erfinden – Wege zur Lösung technischer Probleme. Ohne Ort, 1984, Nachdruck der 2. Aufl., ohne Ort: Verlag Technik, 1986, Cottbus: PI, 1998

368

Ammann, Jean-Christophe (1998): Das Glück zu sehen. Kunst beginnt dort, wo der Geschmack aufhört. Statement-Reihe S 26. Regensburg: Lindinger & Schmid, 1998 Andreas Vesalius (1543): De Humani Corporis Fabrica. Basel, 1543 Arasse, Daniel (1997): Leonardo da Vinci. Le rythme du monde. Paris, 1997, deutsch: Leonardo da Vinci. Köln: DuMont, 1999 Aristoteles (1962): Werke. Problemata physica. Herausgegeben von Ernst Grumach, übersetzt von Hellmut Flashar. Darmstadt, 1962, Bd. 19 Aristoteles (1998): Nikomachische Ethik IV. Herausgegeben und übersetzt von Hans-Georg Gadamer. Frankfurt am Main: Klostermann, 1998 Arnheim, Rudolf (1969): Visual thinking. Berkeley: University of California Press, 1969, deutsch: Anschauliches Denken: Zur Einheit von Bild und Begriff. Köln: DuMont Schauberg, 1972, 7. Aufl. 1996 Arnheim, Rudolf (1986): New Essays on the Psychology of Art. Berkeley: University of California Press, 1986, deutsch: Neue Beiträge. Aus dem Amerikanischen von Gerhard Ammelburger und Brigitte Wünnenberg. Köln: Dumont, 1991 Arnheim, Rudolf (1996): Vorwort zur neuen deutschen Ausgabe: Anschauliches Denken: Zur Einheit von Bild und Begriff. Köln: DuMont Schauberg, 1996 Bachmann, Wolfgang (2006): „Der Kampf der Baukulturen“, in: Baumeister, Heft 5 / 2006, S. 1 Balmond, Cecil; Smith, Jannuzzi (2002): informal. München: Prestel, 2002 Bateson, Gregory (1972): Steps to an Ecology of Mind. San Francisco: Chandler, New York: Ballantine, 1972, deutsch: Ökologie des Geistes. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1981, 7. Aufl. 1999 Bateson, Gregory (1979): Mind and Nature. A Necessary Unity. New York: Dutton, 1979, deutsch: Geist und Natur. Eine notwendige Einheit. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1987, 5. Aufl. 1997 Becher, Bernd & Hilla (2003): Typologien industrieller Bauten. München: Schirmer/Mosel, 2003 Behnisch & Partner, Architekten (1987): Arbeiten aus den Jahren 1952–1987. (Ausstellungskatalog) Stuttgart: Cantz, 1987 Behnisch & Partner, Architekten (1996): Bauten und Projekte 1987–1997. Ostfildern-Ruit: Hatje, 1996 Behnisch, Günter; Durth, Werner (2005): Berlin – Pariser Platz. Neubau der Akademie der Künste. Berlin: Jovis, 2005 Bense, Max (1998): Ausgewählte Schriften in vier Bänden, Bd. 3: Ästhetik und Texttheorie. Weimar: Metzler, 1998 Binding, Günther (1993): Baubetrieb im Mittelalter. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1993 Blaser, Werner (1977): Mies van der Rohe. Lehre und Schule / Principles and School. Basel, Stuttgart: Birkhäuser, 1977 Bono, Edward de (1970): Lateral Thinking. A Textbook of Creativity. London, 1970, zitiert nach: London: Penguin, 1990 Bourdieu, Pierre (1984): Homo academicus. Paris, 1984, deutsch: Homo academicus. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988 Bourdieu, Pierre (1992): Les règles de l’art. Genèse et structure du champ litttéraire. Paris: Éditions du Seuil, 1992, deutsch: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1999 Brand, Stewart (Hg.) (1968): Whole Earth Catalog, access to tools. Menlo Park: Portola, 1968 Broadbent, Geoffrey (1973): Design in Architecture. Architecture and the Human Sciences. London, New York: John Wiley, 1973, Reprint 1975, 1981, 1988

369

Bruyn, Gerd de; Trüby, Stephan (Hg.) (2003): architekturtheorie.doc – texte seit 1960. Mitarbeit: Henrik Mauler, Ulrich Pantle. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 2003 Burckhardt, Lucius (2004): Wer plant die Planung? Architektur, Politik und Mensch. Herausgegeben von Jesko Fezer und Martin Schmitz. Kassel: Schmitz, 2004 Cafee, Richard (1977): „The Teaching of Architecture at the Ecole des Beaux-Arts“, in: Drexler 1977, S. 61–109 Calvino, Italo (1988): Lezioni americane. Sei proposte per il prossimo millenio. Milano: Garzanti, 1988, deutsch: Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend. München, Wien: Hanser, 1991 Chastel, André (Hg.) (1987, 1990): Leonardo da Vinci (1651): Trattato della pittura. (Manuskripte bis 1519). Herausgegeben von Francesco Melzi, Paris: Fresne, 1651, deutsch: Nürnberg, 1724, zitiert nach: Sämtliche Gemälde und die Schriften zur Malerei. kommentiert und eingeleitet von André Chastel. Paris, 1987, München, 1990 Ching, Francis D.K. (1979): Architecture: Form Space & Order. New York, 1979 Ching, Francis D.K. (1989): Drawing: A Creative Process. New York, 1989 Ching, Francis D.K. (1998): Design Drawing. A comprehensive introduction to drawing and more. New York, 1998 Ching, Francis D.K. (2002): Architectural Graphics: 4. Aufl. New York, 2002 Clair, Jean (Hg.) (2005): Melancholie. Genie und Wahnsinn in der Kunst. (Ausstellungskatalog). Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz, 2005 Colvin, Geoffrey (2008): Talent Is Overrated. What Really Separates World-Class Performers from Everybody Else. New York: Portfolio, 2008 Conrads, Ulrich (Hg.) (1964): Programme und Manifeste zur Architektur des 20. Jahrhunderts. Zusammengestellt und kommentiert von Ulrich Conrads. Bauwelt-Fundamente Band 1, Frankfurt am Main , Berlin: Ullstein, 1964, zitiert nach dem unveränderten Nachdruck der 2. Aufl. 1981, Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 2001 Conrads, Ulrich (1984): „Könnte gehen, geht aber nicht. Die Grenzen rationaler Planungsmethoden“, in: Zwoch et al. 1984, S. 37 ff. Croset, Pierre-Alain (1987): „Occi che vedono“, in: Casabella Nr. 531–532, Milano, 1987, S. 4 –8 (Le Corbusier, Carnet T 70, Nr. 1038, 18.8.63) Damasio, Antonio R. (1994): Descartes’ Error. Emotion, Reason and the Human Brain. New York: Putnam, 1994, deutsch: Descartes’ Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. München: List, 1995, zitiert nach München: DTV, 1997, 4. Aufl. 1999 Damasio, Antonio R. (1999): The Feeling of What Happens. Body and Emotion in the Making of Consciousness. New York: Harcourt Brace, 1999, deutsch: Ich fühle, also bin ich. Die Entschlüsselung des Bewusstseins. München: List, 2000, 3. Aufl. 2001 Demetrios, Eames (2001): An Eames Primer. London: Thames & Hudson, 2001 Dominick, Peter G.; Demel, John T., et al. (2000): Tools and Tactics of Design. London: Wiley, 2000 Dörner, Dietrich (1989): Die Logik des Misslingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1989, 13. Aufl. 2000 Dorst, Kees (2003): Understanding Design. 150 Reflections on Being a Designer. Amsterdam: BIS, 2003 Drexler, Arthur (Hg.) (1977): The Architecture of the École des Beaux-Arts. London: Secker & Warburg, 1977 Durand, Jean-Nicolas-Louis (1802): Précis des Leçons d’Architecture données à l’École Polytechnique. Paris, 1802 Eberle, Dietmar; Aicher, Florian (Hg.) (2018): 9 x 9 – Eine Methode des Entwerfens: Von der Stadt zum Haus weitergedacht. Basel: Birkhäuser, 2018

370

Ebert, Theodor (1995): „Phronêsis. Anmerkungen zu einem Begriff der Aristotelischen Ethik (VI 5, 8–13)“, in: Höffe 1995 Eccles, John C. (1973): The Understanding of the Brain. New York, 1973, deutsch: Das Gehirn des Menschen. München: Piper, 1975, 6. Aufl. der durchgesehenen Neuausgabe, München: Piper, 1990 Eccles, John C. (Hg.) (1966): Brain and Conscious Experience. New York: Springer, 1966 Edwards, Betty (1979): Drawing on the Right Side of the Brain. A Course in Enhancing Creativity and Artistic Confidence. Los Angeles, 1979, deutsch: Garantiert zeichnen lernen. Die rechte Gehirnhälfte aktivieren – Gestaltungskräfte freisetzen. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt, 1982, Augsburg: Bechtermünz, 2000 Eiermann, Egon (1994): Briefe des Architekten: 1946–1970. Herausgegeben vom Institut für Baugeschichte der Universität Karlsruhe. Stuttgart: DVA, 1994 Eisenman, Peter (1995): Aura und Exzess. Zur Überwindung der Metaphysik der Architektur. Herausgegeben von Ullrich Schwarz. Wien: Passagen, 1995 Eisenman, Peter (2005): Ins Leere geschrieben. Schriften & Interviews 2. Wien: Passagen, 2005 Engel, Heino (2003): Methodik der Architektur-Planung. Berlin: Bauwerk, 2003 Eribon, Didier (2013): La société comme verdict. Classes, identités, trajectoires. Paris: Arthème Fayard, 2013, deutsch: Gesellschaft als Urteil. Klassen, Identitäten, Wege. Berlin: Suhrkamp, 2017 Ermel, Horst; Beck, Christian, et al. (2004): Grundlagen des Entwerfens. Band 1: Gestaltungsmethodik. Fachbereich Architektur, Raum- und Umweltplanung, Bauingenieurwesen der Universität Kaiserslautern. Darmstadt: Das Beispiel, 2004 Ermel, Horst; Brauneck, Per, et al. (2004): Grundlagen des Entwerfens. Band 2: Funktion. Fachbereich Architektur, Raum- und Umweltplanung, Bauingenieurwesen der Universität Kaiserslautern. Darmstadt: Das Beispiel, 2004 Evers, Bernd; Thoenes, Christof (Hg.) (2003): Architekturtheorie von der Renaissance bis zur Gegenwart. 89 Beiträge zu 117 Traktaten. Köln: Taschen, 2003 Ferguson, Eugene S. (1992): Engineering and the Mind’s Eye. Cambridge, Mass.: MIT Press, 1992, zitiert nach der deutschen Ausgabe: Das innere Auge. Von der Kunst des Ingenieurs. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 1993 Fiederling, Otto (1975): Theorie des Entwerfens. Hannover, 1975 Fischer, Volker; Hamilton, Anne (Hg.) (1999): Theorien der Gestaltung. Grundlagentexte zum Design, Band 1. Frankfurt am Main: Form, 1999 Flusser, Vilém (1989): „Vom Unterworfenen zum Entwerfer von Gewohntem“, in: Intelligent Building. Symposium an der Fakultät für Architektur der Universität Karlsruhe, Institut für Baugestaltung, Prof. Fritz Haller, Karlsruhe 1989, Kap. 11, S. 1–9 Flusser, Vilém (1991): Gesten. Versuch einer Phänomenologie. Bensheim und Düsseldorf: Bollmann, 1991, 2. Aufl. 1993 Flusser, Vilém (1992/2): „Virtuelle Räume – Simultane Welten“, in: Arch+ 111, 1992, S. 17– 81 Flusser, Vilém (1994): Schriften. Herausgegeben von Stefan Bollmann und Edith Flusser, Band 3: Vom Subjekt zum Projekt. Menschwerdung. Bensheim und Düsseldorf: Bollmann, 1994 Flusser, Vilém (1998): Standpunkte. Texte zur Fotografie. Herausgegeben von Andreas Müller-Pohle. Göttingen: European Photography, 1998 (Edition Flusser Bd. 8) Fonatti, Franco (1982): Elementare Gestaltungsprinzipien in der Architektur. Wien: Tusch, 1982 Foster, Norman (2000): Rebuilding the Reichstag. Weidenfeld & Nicolson, 2000, deutsch: Der neue Reichstag. Herausgegeben von David Jenkins. Leipzig, Mannheim: Brockhaus, 2000

371

Fréart, Roland (1650): Parallèle de l’architecture antique avec la moderne. Paris, 1650, zitiert nach Laugier 1753, S. 83 Froschauer, Eva Maria (2019): Entwurfsdinge. Vom Sammeln als Werkzeug moderner Architektur. Basel: Birkhäuser, 2019 Fuhrmann, Peter (1998): Bauplanung und Bauentwurf. Grundlagen und Methoden der Gebäudelehre. Stuttgart: Kohlhammer, 1998 Gadamer, Hans-Georg (1983): Lob der Theorie. Reden und Aufsätze. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1983, 3. Aufl. 1991 Gadamer, Hans-Georg (Hg.) (1998): Aristoteles’ Nikomachische Ethik IV. Frankfurt am Main: Klostermann, 1998 Gänshirt, Christian (2000): „Entwerfen und Forschen. Architektur und die Idee der Universität“, in: Wolkenkuckucksheim – Internationale Zeitschrift für Theorie und Wissenschaft der Architektur, Nr. 2/2000 Gardner, Howard (1993): Creating Minds. An anatomy of creativity seen through the lives of Freud, Einstein, Picasso, Stravinsky, Eliot, Graham and Gandhi. New York: Basic Books, 1993, deutsch: So genial wie Einstein. Schlüssel zum kreativen Denken. Stuttgart: Klett-Cotta, 1996 Gast, Klaus-Peter (1998): Louis I. Kahn, Die Ordnung der Ideen. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 1998 Gast, Klaus-Peter (2000): Le Corbusier: Paris–Chandigarh. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 2000 Gerkan, Meinhard von (1995): Architektur im Dialog. Texte zur Architekturpraxis. Mit Beiträgen von Werner Strodthoff, Klaus-Dieter Weiß, Jan Esche und Bernd Pastuschka. Berlin: Ernst & Sohn, 1995 Groat, Linda; Wang, David (2002, 2013): Architectural Research Methods. New York: Wiley, 2002, 2. Aufl. 2013 Hartmann, Jonis (2016): Wiederkehr und Mehrdeutigkeit, Entwurfswerkzeuge der Architektur. (Dissertation) Wiesbaden: Springer Vieweg, 2016 Hassenewert, Frank (2006): Lehren des Entwerfens. Eine Untersuchung über den Diskurs des Entwerfens in Entwurfslehrbüchern der Architektur von 1945 bis 2004. (Dissertation) Berlin: Technische Universität, 2006 Höfer, Candida (2003): Monographie. Mit einem Text von Michael Krüger. München: Schirmer / Mosel, 2003 Höffe, Otfried (Hg.) (1995): Aristoteles. Die Nikomachische Ethik. Berlin: Akademie, 1995 Hofmann, Werner (2003): Goya. Vom Himmel durch die Welt zur Hölle. München: Beck, 2003 Jansen, Jürg, et al. (1989): Architektur lehren. Bernhard Hoesli an der Architekturabteilung der ETH Zürich. Zürich: gta, 1989 Jaspers, Karl (1946): Die Idee der Universität, Berlin, 1923, Neufassung Berlin / Heidelberg 1946, Reprint: Heidelberg, Berlin, New York: Springer, 1980 Jencks, Charles, Kropf, Karl (Hg.) (1997): Theories and Manifestoes of Contemporary Architecture. Chichester: Academy, 1997, 5. Aufl. 2003 Jenkins, David (Hg.) (2000): On Foster … Foster on. Introduction by Deyan Sudjic. München, London, New York: Prestel, 2000 Jenny, Peter (1996): Das Wort, das Spiel, das Bild: Unterrichtsmethoden für die Gestaltung von Wahrnehmungsprozessen. Zürich: vdf, 1996 Joas, Hans (1996): Die Kreativität des Handelns. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1996 Joedicke, Jürgen (1976): Angewandte Entwurfsmethodik für Architekten. Stuttgart: Krämer, 1976 Joedicke, Jürgen (Hg.) (1970): Entwurfsmethoden in der Bauplanung. Arbeitsberichte zur Planungsmethodik, Band 4. Stuttgart, Bern: Krämer, 1970

372

Kalay, Yehuda E. (2004): Architecture’s New Media. Principles, Theories, and Methods of Computer-Aided Design. Cambridge, Mass.: MIT Press, 2004 Kemp, Wolfgang (1974): Disegno. Beiträge zur Geschichte des Begriffs zwischen 1547 und 1607. Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft, Bd. 19, Marburg, 1974, S. 219 –240 Kleine, Holger; Passe, Ulrike (Hg.) (1997): Nach dem Bauhaus – 13 Positionen zur Entwurfs­grundlehre. Vorwort: Matthias Sauerbruch. Berlin: Technische Universität, 1997 Knauer, Roland (1991, 2002): Entwerfen und Darstellen. Die Zeichnung als Mittel des architektonischen Entwurfs. Berlin: Ernst & Sohn, 1991, 2002 Koelbl, Herlinde (1998): Im Schreiben zu Haus. Wie Schriftsteller zu Werke gehen. Fotografien und Gespräche. München: Knesebeck, 1998 Krämer, Sybille; Bredekamp, Horst (Hg.) (2003): Bild – Schrift – Zahl. (Reihe Kulturtechnik) München: Wilhelm Fink, 2003 Krasny, Elke (2008): Architektur entsteht im Kopf. The Making of Architecture. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 2008 Krausse, Joachim; Lichtenstein, Claude (Hg.) (2001): Your Private Sky: R. Buckminster Fuller. Diskurs. Baden: Lars Müller, 2001 Kruft, Hanno-Walter (1985): Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart. München: Beck, 1985, 4. Aufl. 1995 Kücker, Wilhelm (1989): Die verlorene Unschuld der Architektur. Aufsätze und Reden 1980 bis 1987. Bauwelt-Fundamente, Band 84. Braunschweig: Vieweg, 1989 Lampugnani, V. Magnago; Hanisch, Ruth; Schumann, U. Maximilian; Sonne, Wolfgang (Hg.) (2004): Architekturtheorie 20. Jahrhundert – Positionen, Programme, Manifeste. Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz, 2004 Lapuerta, Jose Maria de (1997): El Croquis – Projecto y Arquitectura (Scintilla Divinitatis). Madrid: Celeste, 1997 Laugier, Marc-Antoine (1753): Essai sur l’architecture. Paris, 1753, deutsche Ausgabe 1756, zitiert nach der Ausgabe: Das Manifest des Klassizismus. Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Hanna Böck. Zürich und München: Artemis, 1989 Laurel, Brenda (Hg.) (2003): Design Research: Methods and Perspectives. Cambridge, Mass.: MIT Press, 2003 Lawson, Bryan (1980, 1990, 1997, 2006): How Designers Think. The Design Process Demystified. Oxford: Architectural Press, 1980, 1990, 3. Aufl. 1997, 4. Aufl. 2006 Lawson, Bryan (1994): Design in Mind. Oxford: Butterworth-Heinemann, 1994 Lawson, Bryan (2004): What Designers Know. Oxford: Architectural Press, 2004 Lenk, Hans (2000): Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2000 Lepik, Andreas (1995): „Das Architekturmodell der frühen Renaissance. Die Erfindung eines Mediums“, in: Evers 1995, S. 10 –20 Lindinger, Herbert (Hg.) (1987): Hochschule für Gestaltung Ulm – Die Moral der Gegenstände. Berlin: Ernst & Sohn, 1987 Linke, Detlef (1999): Das Gehirn. München: Beck, 1999 Loidl, Hans; Bernard, Stefan (2003): Freiräume(n). Entwerfen als Landschaftsarchitektur. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 2003 Lorenz, Peter (2004): Entwerfen. 25 Architekten, 25 Standpunkte. München: DVA, 2004 Mattenklott, Gundel; Weltzien, Friedrich (Hg.) (2003): Entwerfen und Entwurf. Praxis und Theorie des künstlerischen Schaffensprozesses. Berlin: Dietrich Reimer, 2003 McLuhan, Marshall (1964): Understanding Media. Toronto, 1964, deutsch: Die magischen

373

Kanäle. Understanding Media. Düsseldorf, Wien: Econ, 1968, zitiert nach: Dresden, Basel: Verlag der Kunst, 2. Aufl. 1995 Meiss, Pierre von (1984): De la Forme au Lieu. Une introduction à l’étude de l’architecture. Lausanne, 1984, 1993, deutsch: Vom Objekt zum Raum zum Ort. Dimensionen der Architektur. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 1994 Michels, Karen (1989): Der Sinn der Unordnung. Arbeitsformen im Atelier Le Corbusiers. Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg, 1989 Mittelstrass, Jürgen (1994): Die unzeitgemäße Universität. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1994 Moon, Karen (2005): Modeling Messages. The Architect and the Model. New York: Monacelli, 2005 Moravansky, Ákos; Gyöngy Katalion M. (Hg.) (2003): Architekturtheorie im 20. Jahrhundert. Eine kritische Anthologie. Wien, New York: Springer, 2003 Musso, Arne; Lafrenz, Christian; Wilker, Wolfgang (1981): Zur Anwendung von Bewertungssystemen im Bauwesen. Berlin, 1981 Nägeli, Walter; Vallebuona, Renzo (1993): Eine Fabrik in Melsungen. A Factory in Melsungen. Berlin: Wasmuth, 1993 Nesbitt, Kate (Hg.) (1996): Theorizing a New Agenda for Architecture. An Anthology of Architectural Theory 1965–1995. New York: Princeton Architectural Press, 1996 Neufert, Ernst (1936, 1979, 1992): Bauentwurfslehre. Grundlagen, Normen, Vorschriften. Berlin: Bauwelt-Verlag, 1936, weitergeführt von Peter Neufert, 33. Aufl. Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg, 1992 Neumeyer, Fritz; Cepl, Jaspar (Hg.) (2002): Quellentexte zur Architekturtheorie. München: Prestel, 2002 Ostendorf, Friedrich (1913): Sechs Bücher vom Bauen. Enthaltend eine Theorie des Architektonischen Entwerfens. Bd. 1: Einführung. Berlin: Ernst & Sohn, 1913, 2. Aufl. 1914 Pacioli, Fra Luca (1509): De Divina Proportione. Florenz: Paganius, 1509 Panofsky, Erwin (1924): Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie. Hamburg, 1924, zitiert nach Berlin: Spiess, 1989 Pessoa, Fernando (Manuskript bis 1933) (1990 – 91): Livro do desassosego. Volume 1+2. Por Vicente Guedes, Bernardo Soares. Leitura, fixação de inéditos, organização e notas Teresa Sobral Cunha, Lisboa: Preceça, 1990 – 1991 Pfammatter, Ulrich (1997): Die Erfindung des modernen Architekten. Ursprung und Entwicklung seiner wissenschaftlich-industriellen Ausbildung. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 1997 Piano, Renzo (2001): La responsabilità dell’architetto. Conversatione con Renzo Cassigoli. Firenze-Antella: Passigli, 2001 Popper, Karl R. (1974): Unended Quest. An Intellectual Autobiography. London, Glasgow: Fontana, Collins, 1974, deutsche Ausgabe: Ausgangspunkte: Meine intellektuelle Entwicklung. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1979, 3. Aufl. 1984 Porter, Tom; Greenstreet, Bob; Goodman, Sue (1980): Manual of graphic techniques for architects, graphic designers and artists. Ohne Ort, 1980, deutsch: Handbuch der grafischen Techniken für Architekten und Designer. Band 1 –4, Köln: Rudolf Müller, 1984 Prechtl, Peter (1999): „Ideenlehre“, in: Prechtl, Burkard 1999, S. 248 –250 Prechtl, Peter und Burkard, Franz-Peter (Hg.) (1999): Metzler Philosophie Lexikon, Stuttgart, Weimar: Metzler, 2. Aufl. 1999 Prominski, Martin (2003): Komplexes Landschaftsentwerfen. (Dissertation) Berlin: Technische Universität, 2003

374

Prouvé, Jean (2001): Jean Prouvé par lui-même. Propos recueillis par Armelle Lavalou. Paris: Linteau, 2001 Rambow, Riklef (2000): Experten-Laien-Kommunikation in der Architektur. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann, 2000 Rice, Peter (1994): An Engineer Imagines. London: Artemis, 1994 Rittel, Horst W. (1992): Planen, Entwerfen, Design. Ausgewählte Schriften zu Theorie und Methodik. Herausgegeben von Wolf D. Reuter. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer, 1992 Robbins, Edward (1994): Why Architects Draw. Interviews mit Edward Cullivan, Spencer de Grey, Jorge Silvetti, Renzo Piano, Álvaro Siza u. a. Cambridge, Mass.: MIT Press, 1994, pb 1997 Rodrigues, Ana Leonor M. Madeira (2000): O Desenho. Ordem do Pensamento Arquitectónico. (Dissertation) Lisboa: Estampa, 2000 Rodrigues, Jacinto (1992): Álvaro Siza, obra e méthodo. Porto: Civilização, 1992 Ryff (oder Rivius), Walther Hermann (1547): Der furnembsten/notwendigsten der gantzen Architectur angehörigen Mathematischen vnd Mechanischen kuenst/eygentlicher Bericht […] Durch Gualtherum H. Riuium Medi. & Math. Nürnberg: Johan Petreius, 1547, Nachdruck: Hildesheim und New York: Olms, 1981 Ryff (oder Rivius), Walther Hermann (1548): Vitruvius Teutsch, erstmals verteutscht und in Truck verordnet durch D. Gualtherum H. Rivium Medi. & Math. Nürnberg: Johan Petreius, 1548, Nachdruck mit Einführung von Erik Forssman: Hildesheim und New York: Olms, 1973 Saner, Hans (1970): Karl Jaspers. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1970, 10. Aufl. 1996 Sanoff, Henry (1970): Techniques of Evaluation for Designers. Raleigh, 1970 Sattler, Barbara Johanna (1998): Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn. Donauwörth: Auer, 1998, 5. Aufl. 1999 Schildt, Göran (Hg.) (1998): Alvar Aalto in his own words. New York: Rizzoli, 1998 Schneider, Beat (2005): Design – Eine Einführung. Entwurf im sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontext. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 2005 Schneider, Friederike; Heckmann, Oliver (Hg.) (1994, 2004): Grundrissatlas Wohnungs­- bau /Floor Plan Manual Housing. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 1994, 5. Aufl. 2017 Schön, Donald A. (1983): The Reflective Practitioner. How Professionals Think in Action. New York: Basic Books, 1983, 1991, reprint: Adlershot: Ashgate, 1995, 1996, 2003 Schön, Donald A. (1987): Educating the Reflective Practitioner. San Francisco: Jossey-Bass, 1987 Schönwandt, Walter (1986): Denkfallen beim Planen. Bauwelt-Fundamente, Band 74. Braunschweig: Vieweg, 1986 Schricker, Rudolf (1986): Darstellungsmethoden. Stuttgart: DVA, 1986 Schricker, Rudolf (1999): Raumzauber. Entwerfen oder „…wie die Dinge entstehen“. Gestalten von Räumen und Produkten. Stuttgart: DVA, 1999 Schumacher, Joachim (1974): Leonardo da Vinci. Maler und Forscher in anarchischer Gesellschaft. Ohne Ort, 1974, überarbeitete Fassung, Berlin: Wagenbach, 1981 Schumacher, Patrik (2011): The Autopoiesis of Architecture, Vol. I: A New Framework for Architecture. Chichester: John Wiley & Sons, 2011 Schumacher, Patrik (2012): The Autopoiesis of Architecture, Vol. II: A New Agenda for Architecture. Chichester: John Wiley & Sons, 2012 Schuster, Klaus-Peter (1991): Melencholia 1 – Dürers Denkbild. 2 Bde. (Dissertation) Berlin: Mann, 1991 Schuster, Klaus-Peter (2005): „Melencholia 1 – Dürer und seine Nachfolger“, in: Clair 2005, S. 90 –103 Seyler, Axel (2003): Wahrnehmen und Falschnehmen. Praxis der Gestaltpsychologie. Formkriterien

375

für Architekten, Designer und Kunstpädagogen. Hilfen für den Umgang mit Kunst. Frankfurt am Main: Anabas, 2003 Silver, Nathan (1994): The Making of Beaubourg. A Building Biography of the Centre Pompidou. Paris, Cambridge, Mass.: MIT Press, 1994 Simons, Katrin (1993): El Lissitzky Proun 23 N oder Der Umstieg von der Malerei zur Gestaltung. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel, 1993 Siza, Álvaro (1990): „Freibad in Leça de Palmeira“, in: Bauwelt Nr. 29/30, 1990 Siza, Álvaro (1997): Writings on Architecture. Herausgegeben von Antonio Angelillo. Milano: Skira, 1997 Smith, Albert (2004): Architectural Model as Machine: A new view of models from antiquity to the present day. Architectural Press, 2004 Spengemann, Karl-Ludwig (1993): Architektur wahrnehmen. Experimente und Untersuchungen. Bielefeld: Kerber, 1993 Sperry, Roger W. (1968): „Hemisphere Disconnection and Unitiy in Concious Awareness“, in: American Psychologist 23, 1968, S. 723 –733 Sperry, Roger W. (1973): „Lateral Specialisation of Cerebral Function in the Surgically Separted Hemispheres“, in: The Psychophysiology of Thinking. Herausgegeben von F. J. McGuigan und R. A. Schoonover. New York: Academic Press, 1973, S. 209 –229 Spitz, Rene (2002): hfg ulm, der Blick hinter den Vordergrund. Die Politische Geschichte der Hochschule für Gestaltung 1953–1968. / Hfg Ulm: The View Behind the Foreground. The Political History of the Ulm School of Design. 1953–1968. Stuttgart: Menges, 2002 Taut, Bruno (1936, 1977): Kenchiku Geijutsu-Ron. Tokyo: Iwanami Shoten, 1936, deutsch: Architekturlehre. Grundlagen, Theorie und Kritik aus der Sicht eines sozialistischen Architekten. Herausgegeben von Tilman Heinisch und Goerd Peschken. Hamburg, Westberlin: VSA, 1977 Thackara, John (2005): In the Bubble. Designing in a complex world. Cambridge, Mass.: MIT Press, 2005 Traufetter, Gerald (2006): „Stimme aus dem Nichts. Hirnforscher entdecken die Macht der Intuition“, in: Der Spiegel, Nr. 15/2006, Hamburg: Spiegel, 2006, S. 158 –171 Uhl, Ottokar (2003): Gegen-Sätze. Architektur als Dialog. Ausgewählte Texte aus vier Jahrzehnten. Vorwort: Kathinka Schreiber. Hg. Elke Krasny und Claudia Mazanek. Wien: Picus, 2003 Vaske, Hermann (2001): Standing on the Shoulders of Giants. Gespräche mit den Besten der Werbung. Berlin, 2001 Vereinte Nationen (2019): Ziele für nachhaltige Entwicklung – Bericht 2019. New York: United Nations, 2019 Vester, Frederic (1999): Die Kunst vernetzt zu denken – Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität. Stuttgart: DVA, 1999, zitiert nach der 4. Aufl. 2000 Vitruv [Vitruvius Pollio, Marcus] (Manuskript ca. 33–22 v. Chr.) (1487): De architectura libri decem. o.O.: Veroli, 1487, deutsch: Zehn Bücher über Architektur. Basel 1514, zitiert nach der Übersetzung von Carl Fensterbusch, Darmstadt: Wiss. Buchges., 1964, 3. Aufl. 1981 Wachsmann, Konrad (1959): Wendepunkt im Bauen. Wiesbaden: Krausskopf, 1959; 2. Aufl. Stuttgart: DVA, 1989 Wahrig, Gerhard (1986): Deutsches Wörterbuch. Völlig überarbeitete Neuausgabe. München: Mosaik, 1986 Watson, Donald; Michael J. Crosbie; Callender, John Hancock et al. (Hg.) (1997): Time Saver Standards for Architectural Design: Technical Data for Professional Practice. McGraw-Hill, 7. Aufl. 1997, 8. Aufl. 2004

376

Weiss, L. (1975): Bewertung im Bauwesen. Zürich, ETH: Institut für Hochbauforschung HBF, 1975 Welsch, Wolfgang (Hg.) (1988): Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne- Diskussion. Weinheim, 1988, 2. Aufl. Berlin, 1994 Wick, Rainer K. (1982): Bauhaus-Pädagogik. Köln: Dumont, 1982, 4. Aufl. 1994 Wiesing, Lambert (Hg.) (2002): Philosophie der Wahrnehmung. Modelle und Reflexionen. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2002 Wilson, Edward O. (1998): Consilience. The Unity of Knowledge. New York: Knopf, 1998, deutsch: Die Einheit des Wissens. Berlin: Siedler, 1998, 2. Aufl. 1998 Wittmann, Barbara (Hg.) (2018): Werkzeuge des Entwerfens. Schriften des Internationalen Kollegs für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie Band 30, Zürich: Diaphanes, 2018 Zwoch, Felix; De Michalis, Marco; Nicolin, Pierluigi; Oechslin, Werner; Werner, Frank; Kohlmeyer, Agnes (Hg.) (1984): Idee, Prozess, Ergebnis. Die Reparatur und Rekonstruktion der Stadt. Internationale Bauausstellung Berlin 1987. (Ausstellungskatalog) Berlin: Frölich & Kaufmann, 1984

Teil B: Werkzeuge (S. 96–284) Titel, die in mehreren Kapiteln zitiert werden, sind im allgemeinen Teil (Teil A: Grundlagen) der Bibliografie aufgeführt. Arnheim, Rudolf (1979): „The Tools of Art – Old and New“, in: Technikum. University of Michigan, 1979, zitiert nach Arnheim 1986, S. 166 ff. AzW (2008): Architektur entsteht im Kopf. The Making of Architecture. (Website) Wien: Architekturzentrum (AzW), 2008, https://www.azw.at/en/event/architektur-beginnt-imkopf-the-making-of-architecture-2/ (aufgerufen 22. Juli 2020) Bredekamp, Horst (2003): „Kulturtechniken zwischen Mutter und Stiefmutter Natur“, in: Krämer, Bredekamp 2003, S. 117–142 Brillhart, Adam (2018): The Boundless Workshop: Tools and the Representational Framework of Construction. (Dissertation) Hangzhou: China Academy of Arts, 2018 Couto Duarte, João Miguel (2016): Para uma Definição de Maqueta: Representação e Projecto de Objectos Arquiectónicos. (Dissertation) Lissabon: Universidade de Lisboa, ­2016 DeKay, Mark; Brown, G. Z. (1985): Sun, Wind & Light: architectural design strategies. Hoboken: Wiley, 1985, 2000, 2014 Diderot, Denis; d’Alembert, Jean-Baptiste le Rond (Hg.) (1751– 72): Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers. Paris, 1751–72 Dillenburger, Benjamin (2016): Raumindex. Ein datenbasiertes Entwurfsinstrument. (Dissertation Nr. ETH 23596) Zürich: ETH, 2016 Ehrlich, Christof (1999): „Die Konstruktion der Idee und ihre Werkzeuge“, in: Cloud-CuckooLand – International Journal of Architec­tural Theory, Nr. 1/99, http://www.cloud-­ cuckoo.net/openarchive/wolke/deu/Themen/991/Ehrlich/ehrlich.html (aufgerufen Juli 2018) Fehrenbach, Frank (Hg.) (2002): Leonardo da Vinci. Natur im Übergang. Beiträge zu Wissenschaft, Kunst und Technik. München: Fink, 2002 Fischer, Thomas (2008): Designing (tools (for designing (tools (for ...)))). (Dissertation) Melbourne: Royal Melbourne Institute of Technology (RMIT) University, 2008, https://researchbank.rmit.edu.au/view/rmit:9761 (aufgerufen Juli 2018) Fitz, Angelika; Lenz, Gabriele (Hg.) (2015): Vom Nutzen der Architekturfotografie/Architectural Photography and Its Uses. Basel: Birkhäuser, 2015

377

Fuller, R. Buckminster (1969): Operating Manual for Spaceship Earth. Simon & Schuster / Southern Illinois University, 1969, deutsch: Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde und andere Schriften. Reinbek, 1973. Neu herausgegeben von Joachim Krausse. Dresden: Verlag der Kunst, 1998 Gänshirt, Christian (1999): „Sechs Werkzeuge des Entwerfens“, in: Wolkenkuckucksheim – Internationale Zeitschrift für Theorie und Wissenschaft der Architektur, Nr. 1/1999 http://www.cloud-cuckoo.net/openarchive/wolke/deu/Themen/991/Gaenshirt/gaenshirt. html (aufgerufen Juli 2018) Gänshirt, Christian (2008): Werkzeuge des Entwerfens. Untersuchungen zu Praxis und Theorie entwurflichen Handelns. (Dissertation) Cottbus: Brandenburgische Technische Universität, 2008 Gänshirt, Christian (2018): „Drawing is Not Enough. Design Tools for the Reuse of Modernist Buildings“, in: Joelho. Revista de Cultura Arquitectónica, [S.l.], Nr. 9, Dez. 2018, S. 100–117, http://impactum-journals.uc.pt/joelho/article/view/6077 Gerber, Andri; Patterson, Brent (Hg.) (2013): Metaphors in Architecture and Urbanism. An Introduction. (Conference proceedings) Bielefeld: Transcript, 2013 Gerber, Andri (2012): Theorie der Städtebaumetaphern. Peter Eisenman und Stadt als Text. (Dissertation) Zürich: Chronos, 2012 Gethmann, Daniel; Hauser, Susanne (Hg.) (2009): Kulturtechnik Entwerfen. Praktiken, Konzepte und Medien in Architektur und Design Science. (Conference proceedings) Bielefeld: Transcript, 2009 Gethmann, Daniel; Eckhard, Petra; Wagner, Anselm (Hg.) (2015): Archiscripts. GAM Graz Architecture Magazine 11, Faculty of Architecture at Graz University of Technology, Basel: Birkhäuser, 2015 Grote, Andreas (1966): der vollkommen Architektus. Baumeister und Baubetrieb bis zum Anfang der Neuzeit. 2. Aufl. München: Prestel, 1966 Hansmann, Wilfried (1999): Balthasar Neumann. Mit Fotografien von Florian Monheim. Köln: DuMont, 1999 Hambly, Maya (1988): Drawing Instruments 1580 –1980. London: Sotheby’s, 1988 Hartmann, Jonis (2016): Wiederkehr und Mehrdeutigkeit, Entwurfswerkzeuge der Architektur. (Dissertation) Wiesbaden: Springer Vieweg, 2016 Hermann-Fiore, Kristina (2002): „Leonardos Gewitterlandschaft und Dürers Nemesis. Zur kosmischen Vision der Landschaft um 1500“, in: Fehrenbach 2002 Hillnhütter, Sara (Hg.) (2015): Planbilder: Medien der Architekturgestaltung. Bildwelten des Wissens, Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik, Bd. 11, Berlin: De Gruyter, 2015 Hnilica, Sonja; Sonne, Wolfgang; Wittmann, Regina (Hg.) (2007): Die Medien der Architektur. Eine Ausstellung des A:AI Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW. Dortmund, 2007 Hnilica, Sonja (2012): Metaphern für die Stadt. Zur Bedeutung von Denkmodellen für die Architekturtheorie. Bielefeld: Transcript, 2012 Hummels, Caroline (2000): Gestural design tools: prototypes, experiments and scenarios. (Dissertation) Almelo: Eigen beheer [Selbstverlag], 2000, https://www.researchgate.net/ publication/254907643_Gestural_design_tools_Prototypes_experiments_and_scenarios Jäkel, Angelika (2013): Gestik des Raumes. Zur leiblichen Kommunikation zwischen Benutzer und Raum in der Architektur. (Dissertation) Tübingen, Berlin: Wasmuth, 2013 Krautheim, Mareike; Pasel, Ralf; Pfeiffer, Sven; Schultz-Granberg, Joachim (2014): City and Wind – Climate as an architectural Instrument. Berlin: DOM Publishers, 2014

378

Locher, Hubert; Sachsse, Rolf (Hg.) (2016): Architektur Fotografie. Darstellung – Verwendung – Gestaltung. Transformationen des Visuellen, Band 3. Berlin, München: Deutscher Kunstverlag, 2016 Lu Chenchen (2014): Traditional Carpentry in Southern China-04 Design Method 第四篇 设计. Dokumentarfilm, 2014, https://www.youtube.com/watch?v=iJjsm8sKI78, 10:12 ff. Mau, Bruce (2000): Life Style. Herausgegeben von Kyo Maclear mit Bart Testa. London: Phaidon, 2000 Morrison, Jasper (2017): The Hard Life. Zürich: Lars Müller, 2017 Moutinho, Natacha Antafio (2016): A Cor no Processo Criativo – O espaço da cor no desenho de arquitetura. (Dissertation) Lissabon: Universidade de Lisboa, 2016 Müller, Karl (1905): Kunststeinbau. Stummer Lehrmeister für die gesamte Kunststeinbranche. Gommern, 1905, 2. Reprintauflage Holzminden: Hennig, o.J. Reichle, Ingeborg; Siegel, Steven; Spelten, Achim (Hg.) (2008): Visuelle Modelle. München: Fink, 2008 Röttinger, Heinrich (1914): Die Holzschnitte zur Architektur und zum Vitruvius Teutsch des Walther Rivius. Studien zur deutschen Kunstgeschichte 167, Straßburg, 1914 Schmal, Peter Cachola; Elser, Oliver (Hg.) (2012): Das Architekturmodell: Werkzeug, Fetisch, kleine Utopie/The Architectural Model: Tool, Fetish, Small Utopia. (Ausstellungskatalog Deutsches Architektur Museum Frankfurt a. M.), Zürich: Scheidegger & Spiess, 2012 Schmitz, Thomas H.; Groninger, Hannah (Hg.) (2012): Werkzeug – Denkzeug. Manuelle Intelligenz und Transmedialität kreativer Prozesse. (Conference proceedings) Bielefeld: Transcript, 2012 Sonne, Wolfgang (Hg.) (2011): Die Medien der Architektur. Berlin, München: Deutscher Kunstverlag, 2011 Schultz, Henrik (2014): Landschaften auf den Grund gehen. Wandern als Erkenntnismethode beim großräumigen Landschaftsentwerfen. (Dissertation) Berlin: Jovis, 2014 Spiro, Annette; Ganzoni, David (Hg.) (2013): Der Bauplan. Werkzeug des Architekten. Zürich: Park Books, 2013 Stapenhorst, Carolin (2016): Concept. A Dialogic Instrument in Architectural Design. (Dissertation) Berlin: Jovis, 2016 Tavares, André (2017): Matéria-prima: Um olhar sobre o arquivo de Álvaro Siza. Série da Coleção, 7, Porto: Serralves, 2017 Vrachliotis, Georg; Kleinmanns, Joachim; Kunz, Martin; Kurz, Philip (Hg.) (2017): Frei Otto: Denken in Modellen. (Ausstellungskatalog) Leipzig: Spector, 2017 Wendler, Reinhard (2013): Das Modell zwischen Kunst und Wissenschaft. München/ Paderborn: Wilhelm Fink, 2013 Yaneva, Albena (2009a): The making of a building. A pragmatist approach to architecture. Bern, Oxford: Peter Lang, 2009 Yaneva, Albena (2009b): Made by the Office for Metropolitan Architecture. An ethnography of design. Rotterdam: 010 Publishers, 2009 Zimmer, Gerhard (1984): „Maßstäbe römischer Architekten“, in: DiskAB 4, 1984, S. 265–276 Geste Flusser, Vilém (1991): Gesten. Versuch einer Phänomenologie. Bensheim und Düsseldorf: Bollmann, 1991, 2. Aufl. 1993 Gänshirt, Christian (2003): „Geste und Sprache als grundlegende Entwurfswerkzeuge“, in: Architekturjahrbuch des Instituts für Entwerfen, BTU Cottbus, 2003, S. 34 – 39

379

Hummels, Caroline (2000): Gestural design tools: prototypes, experiments and scenarios. (Dissertation) Almelo: Eigen beheer [Selbstverlag], 2000, https://www.researchgate.net/ publication/254907643_Gestural_design_tools_Prototypes_experiments_and_scenarios Jäkel, Angelika (2013): Gestik des Raumes. Zur leiblichen Kommunikation zwischen Benutzer und Raum in der Architektur. (Dissertation) Tübingen, Berlin: Wasmuth, 2013 Sturm, Hermann (Hg.) (1998): Geste & Gewissen im Design. Köln: DuMont, 1998 Verschaffel, Bart (2001): Architektur als Geste. Mit einem Vorwort von Ákos Moravánsky. Luzern: Quart, 2001 Wittgenstein, Ludwig (Manuskripte 1914–1951) (1977): Vermischte Bemerkungen. Zitiert nach: Werkausgabe Band 8, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1984, 6. Aufl. 1994 Skizze Bergeijk, Herman van; Hauptmann, Deborah (1998): Notations of Herman Hertzberger. Rotterdam: NAI Publishers, 1998 Edwards, Betty (1999): The New Drawing on the Right Side of the Brain. A Course in Enhancing Creativity and Artistic Confidence. New York: Tarcher/Putnam 1999, deutsch: Das neue Garantiert zeichnen lernen. Die Befreiung unserer schöpferischen Gestaltungskräfte. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2000 Foster, Norman (1993): Sketch Book. Herausgegeben von Werner Blaser. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 1993 Hahnloser, Hans Robert (1935): Villard de Honnecourt. Kritische Gesamtausgabe des Bauhüttenbuchs ms.fr 19093 der Pariser Nationalbibliothek. Wien: Schroll, 1935, 2., revidierte Aufl. Graz, 1972 Hollanda, Francesco de (ca. 1550): Dialogos em Roma, deutsch: Vier Gespräche über die Malerei zu Rom 1538. Originaltext mit Übersetzung, Einleitung, Beilagen und Erläuterungen von Joaquim de Vasconcellos, Wien 1899 Jones, Will (2011): The Architect’s Sketchbook. London: Thames & Hudson, 2011 Koschatzky, Walter (1977): Die Kunst der Zeichnung. Technik, Geschichte, Meisterwerke. Salzburg: Residenz, 1977, München: DTV, 1981, 7. Aufl. 1991 Mendelsohn, Erich (1930): Das Gesamtschaffen des Architekten. Skizzen, Entwürfe, Bauten. Berlin: Mosse, 1930, Braunschweig: Vieweg, 1989 Posener, Julius (engl. Manuskript 1957) (2004): Heimliche Erinnerungen. In Deutschland 1904 bis 1933. Aus dem Englischen von Ruth Keen. Hg. Alan Posener. München: Siedler, 2004 Serrazanetti Francesca; Schubert, Matteo (Hg.): Inspiration and Process in Architecture. (Buchreihe) Milano: Moleskine SpA, 2012– Siza, Álvaro (1994): Stadtskizzen / City Sketches / Desenhos urbanos. Hg. Brigitte Fleck, Vorwort: Norman Foster, Texte von Brigitte Fleck, Álvaro Siza und Wilfried Wang. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 1994 Wisniewski, Edgar (1993) Die Berliner Philharmonie und ihr Kammerkonzertsaal. Der Konzertsaal als Zentralraum. Berlin: Mann, 1993 Sprache Birnbacher, Dieter; Krohn, Dieter (Hg.) (2002): Das sokratische Gespräch. Stuttgart: Reclam jun., 2002 Fuller, R. Buckminster (1944): „Dymaxion Comprehensive System. Introducing Energetic Geometry“, unveröffentlichtes Manuskript 1944, S. 1–15, zitiert nach Krausse 2001, S. 169 –181

380

Gudehus, Juli (1992): Genesis. Baden: Lars Müller, 1992 Krausse, Joachim; Lichtenstein, Claude (Hg.) (1999): Your Private Sky: R. Buckminster Fuller. Design als Kunst einer Wissenschaft. Baden: Lars Müller, 1999 Loos, Adolf (1924): „Von der Sparsamkeit“, in: Wohnungskultur (Journal) Heft 2/3, Wien, 1924, zitiert nach Loos 1983 Loos, Adolf (1983): Die Potemkinsche Stadt. Verschollene Schriften 1897–1933, herausgegeben von Adolf Opel. Wien: Prachner, 1983 MacCormac Earl (1985): A Cognitive Theory of Metaphor. Cambridge, Mass., 1985 Niemeyer, Oscar (1993): Conversa de arquitecto. Rio de Janeiro: Revan, 1993. Porto: Campo das Letras, 1997, 1999 Steingruber, Johann David (1773): Architectonisches Alphabet, Schwabach, 1773 Valéry, Paul (1921): „Eupalinos ou l’Architecte – Dialogue des Morts“, in: La Nouvelle Revue Française 90, Paris 1921, S. 237–285, deutsch: Eupalinos oder die Architektur. Übertragen von Rainer Maria Rilke. Leipzig: Insel, 1927, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1973, 3. Aufl. 1993 Wittgenstein, Ludwig (1921): „Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung“, in: Annalen der Naturphilosophie. O. O.: Ostwald, 1921, zitiert nach: Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1963, 22. Aufl. 1989 Zeichnung Hesberg, Henner von (1984): „Römische Grundrisspläne auf Marmor“, in: IstMitt 30, 1980, S. 120 –136 Le Corbusier (1923): Vers une Architecture. Paris, 1923, zitiert nach der Ausgabe der Librairie Arthaud, Paris 1984, S. 1–253, und nach der deutschen Übersetzung von Hans Hildebrandt: Kommende Baukunst. Stuttgart, Berlin und Leipzig: Deutsche Verlags-Anstalt, 1926 Meuser, Natascha (2014): Zeichenlehre für Architekten. Handbuch und Planungshilfe. Berlin: DOM, 2014 Nerdinger, Winfrid (Hg.) (2005): Frei Otto – Das Gesamtwerk. Leicht bauen, natürlich gestalten. Hg. Winfrid Nerdinger, Irene Meissner, Eberhard Möller und Mirjana Grdanjski. (Ausstellungskatalog) Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 2005 Pevsner, Nikolaus; Honour, Hugh; Fleming, John (1966): Penguin Dictionary of Architecture. Harmondsworth: Penguin, 1966, deutsch: Lexikon der Weltarchitektur. München: Prestel, 1971, 2., erw. Aufl. 1987 Rauterberg, Hanno (2005): „Barock aus dem Rechner“, in: Die Zeit Nr. 45/2005, 3. 11. 2005, S. 54 Spiro, Annette; Ganzoni, David (Hg.) (2013): Der Bauplan. Werkzeug des Architekten. Zürich: Park Books, 2013 Vieira, Joaquim (1995): O Desenho e o Projecto São o Mesmo? Outros Textos de Desenho. Porto: FAUP, 1995 Modell Evers, Bernd (Hg.) (1995): Architekturmodelle der Renaissance. Die Harmonie des Bauens von Alberti bis Michelangelo. (Ausstellungskatalog) München, New York: Prestel, 1995 Graefe, Rainer (Hg.) (1989): Zur Geschichte des Konstruierens. Stuttgart: DVA, 1989 Lepik, Andreas (1995): „Das Architekturmodell der frühen Renaissance. Die Erfindung eines Mediums“, in: Evers 1995, S. 10 – 20 Mindrup, Matthew (2019): The Architectural Model. Histories of the Miniature and the Prototype, the Exemplar and the Muse. Cambridge, Mass.: The MIT Press, 2019

381

Oechslin, Werner (1995): „Das Architekturmodell zwischen Theorie und Praxis“, in: Evers 1995, S. 40 – 49 Otto, Frei (1989): „Was könnten die alten Steinbaumeister gewusst haben, um entwerfen und bauen zu können?“, in: Graefe 1989, S. 196 – 210 Schaerf, Eran (2002): Blue Key. Journal for Demographic Design. (Ausstellungskatalog) Köln: Walther König, 2002 Schmal, Peter Cachola; Elser, Oliver (Hg.) (2012): Das Architekturmodell: Werkzeug, Fetisch, kleine Utopie/The Architectural Model: Tool, Fetish, Small Utopia. (Ausstellungskatalog Deutsches Architektur Museum Frankfurt a. M.) Zürich: Scheidegger & Spiess, 2012 Stachowiak, Herbert (1973): Allgemeine Modelltheorie. Wien, New York: Springer, 1973 Perspektive Alberti, Leon Battista (Manuskript 1435) (1540): De Pictura. Basel: Bartholomaeus Westheimer, 1540, deutsch: Della Pittura. Über die Malkunst. Hg. Oskar Bätschmann, Sandra Gianfreda, Darmstadt: Wiss. Buchges., 2002 Edgerton, Samuel Y. (1975): The Renaissance Rediscovery of Linear Perspective. New York: Basic Books, 1975, deutsch: Die Entdeckung der Perspektive. München: Fink, 2002 Fournier, Daniel (1761): A Treatise on the Theory of Perspective, 1761 Gosztonyi, Alexander (1976): Der Raum. Geschichte seiner Probleme in Philosophie und Wissenschaften. 2 Bde., Freiburg, München: Alber, 1976 Klotz, Heinrich (1997): Der Stil des Neuen. Die europäische Renaissance. Stuttgart: Klett-Cotta, 1997, 2. Aufl. 1997 Lindberg, David C. (1976): Theories of Vision from Alkindi to Kepler, Chicago and London: The University of Chicago Press, 1976 deutsch: Augen und Licht im Mittelalter. Die Entwicklung der Optik von Alkindi bis Kepler. Frankfurt am Main: 1987 Panofsky, Erwin (1927): „Die Perspektive als symbolische Form“, in: Vorträge der Bibliothek Warburg 1924 –25, Leipzig: 1927, S. 258 – 330 Richardson, John (1996): A Life of Picasso. New York: Random, 1996, deutsch: Picasso. Leben und Werk, Bd. 2, 1907–1917. München: Kindler, 1997 Foto, Film, Video Dechau, Wilfried (1995): Architektur abbilden. Stuttgart: DVA, 1995 Fitz, Angelika; Lenz, Gabriele (Hg.) (2015): Vom Nutzen der Architekturfotografie/Architectural Photography and Its Uses. Basel, Berlin: Birkhäuser, 2015 Flusser, Vilém (1983): Für eine Philosophie der Fotografie. Göttingen: European Photography, 1983, zitiert nach der 8. durchges. Aufl. 1997 Longwell, Alicia G. (Hg.) (2018): Image Building: How Photography Transforms Architecture. London: Prestel, 2018 Maar, Christa; Burda, Hubert (2004): Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder. Köln: DuMont, 2004, 3. Aufl. 2005 Sachsse, Rolf (1997): Bild und Bau. Zur Nutzung technischer Medien beim Entwerfen von Architektur. Bauwelt-Fundamente Band 114. Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg, 1997 Schaaf, Larry J. (2000): The Photographic Art of William Henry Fox Talbot. Princeton: Princeton University Press, 2000 Troiani, Igea; Campbell, Hugh (Hg.) (2020): Architecture Filmmaking. Bristol: Intellect, 2020

382

Kalkulation Fathy, Hassan (1969): Gourna: A Tale of Two Villages. Cairo: Ministry of Culture, 1969, zitiert nach der Ausgabe: Architecture of the Poor. Cairo: The American University in Cairo Press, 1989, 3rd printing 2000 Hämer, Hardt-Waltherr (2002): Stadt im Kopf. Hg. Manfred Sack. Berlin: Jovis, 2002 Kohler, Niklaus; König, Holger; Kreissig, Johannes; Lützkendorf, Thomas (2009): Lebenszyklusanalyse in der Gebäudeplanung. Grundlagen, Berechnung, Planungswerkzeuge. München: Detail, 2009 Roth, Fedor (1995): Adolf Loos und die Idee des Ökonomischen. Wien: Deuticke, 1995 Straub, Hans (1949): Geschichte der Bauingenieurkunst. Ein Überblick von der Antike bis in die Neuzeit. O. O., 1949, 4. erw. Aufl., Hg. Peter Zimmermann, Nikolaus Schnitter und Hans Straub Jun. Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 1992, 4. Aufl., 1996 Computer Siehe Bibliographie Teil C: Digitales Entwerfen Kritik, Kriterien und Wertesysteme Andes, Lisa, et al. (2019): Methodensammlung zur Nachhaltigkeitsbewertung. Grundlagen, Indikatoren, Hilfsmittel. Karlsruhe: KIT, 2019 http://www.oew.kit.edu/downloads/Methodensammlung%20zur%20 Nachhaltigkeitsbewertung.pdf Bazin, André (1958 –1962): Qu’est-ce que le cinéma? Band I–IV, Paris: Éditions du Cerf, 1958 –1962, deutsch: Was ist Kino. Bausteine zur Theorie des Films. Köln: Dumont, 1975, zitiert nach: Was ist Film? Herausgegeben von Robert Fischer. Vorwort: Tom Tykwer, Einleitung: François Truffaut. Berlin: Alexander, 2004 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Hg.) (2018): Energieeffizienz in Zahlen. Entwicklungen und Trends in Deutschland 2018. Berlin: BMWi, 2018 Carlowitz, Hans Carl von (1713): Sylvicultura Oeconomica oder Haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht. Leipzig: Johann Friedrich Braun, 1713 Conrads, Ulrich; Führ, Eduard; Gänshirt, Christian (Hg.) (2003): Zur Sprache bringen. Kritik der Architekturkritik. Münster, New York: Waxmann, 2003 Gänshirt, Christian (2003): „Goldene Axt und intelligentes Gefühl. Kritik als Werkzeug des Entwerfens“, in: Wolkenkuckucksheim – Internationale Zeitschrift für Theorie und Wissenschaft der Architektur, Nr. 2/2002 Grafton, Anthony (2000): Leon Battista Alberti: Master Builder of the Italian Renaissance. New York: Hill and Wang, 2000, deutsch: Leon Battista Alberti: Berlin: Berlin Verlag, 2000 Groys, Boris (1992): Über das Neue. Versuch einer Kulturökonomie. München, Wien: Hanser, 1992, zitiert nach Frankfurt am Main: Fischer, 1999, 3. Aufl. 2003 Hallberg, Jana; Wewerka, Alexander (Hg.) (2001): Dogma 95. Zwischen Kontrolle und Chaos. Berlin: Alexander, 2001 Hardin, Garrett (1968): „The Tragedy of the Commons“, in: Science 162 (3859), pp. 1243–1248 Hauff, Volker (Hg.) (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Greven: Eggenkamp, 1987, 1999 Kant, Immanuel (1790): Kritik der Urteilskraft. Berlin, Libau: Lagarde und Friedrich, 1790, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1974 Mendelsohn, Erich (1961): Briefe eines Architekten. München: Prestel, 1961, zit. nach Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 1991 Neumeyer, Fritz (1986): Mies van der Rohe: Das kunstlose Wort. Berlin: Siedler, 1986

383

Parnell, Rosie; Sara, Rachel, et al. (2000): The Crit: An Architectural Student’s Handbook. Oxford: Architectural Press, 2000, 2007 Pückler-Muskau, Hermann Fürst von (1834): Andeutungen über Landschaftsgärtnerei, verbunden mit der Beschreibung ihrer praktischen Anwendung in Muskau. Stuttgart: Hallberger’sche, 1834, zitiert nach: Stuttgart: DVA, 1977 Rauterberg, Hanno (2003): „Raus aus den alten Rastern! Zeitgenössisch bauen, was heißt das?“, in: Die Zeit Nr. 26/2003, 21. 6. 2003 Reich-Ranicki, Marcel (1994): Die Anwälte der Literatur. Stuttgart: DVA, 1994, München: DTV, 1996, 2. Aufl. 1999 Said, Edward W. (1983): The World, the Text and the Critic. Cambridge, Mass.: Harvard, 1983, deutsch: Die Welt, der Text und der Kritiker. Übers. von Brigitte Flickinger. Frankfurt am Main: Fischer, 1997 Spiro, Annette (2002): Paulo Mendes da Rocha. Bauten und Projekte. Sulgen: Niggli, 2002 Thunberg, Greta (2019): No One Is Too Small to Make a Difference. London: Penguin, 2019, deutsch: Ich will, dass ihr in Panik geratet! Meine Reden zum Klimaschutz. Frankfurt am Main: Fischer, 2019 Tremmel, Jörg (2004): „Nachhaltigkeit“ – definiert nach einem kriteriengebundenen Verfahren, in: GAIA 13 (1) Umweltbundesamt (Hg.) (2018): Die Nutzung natürlicher Ressourcen. Bericht für Deutschland 2018. Dessau: UBA, 2018 United Nations (2008): Measuring Sustainable Development. Report of the Joint UNECE/OECD/ Eurostat Working Group on Statistics for Sustainable Development. New York, Geneva, 2OO8 USGBC (2019): LEED v4 for Building Design and Construction. Washington D.C.: USGBC, 2019, https://www.usgbc.org/sites/default/files/LEED%20v4%20BDC_07.25.19_current.pdf U.S. Energy Information Administration (2020): How much energy is consumed in U.S. ­buildings? https://www.eia.gov/tools/faqs/faq.php?id=86&t=1 U.S. Geological Survey (2017): Use of raw materials in the United States from 1900 through 2014. Reston, Va., 2017, https://pubs.er.usgs.gov/publication/fs20173062 Theorie Eckert, Dieter (Hg.) (2014): Die Architektur der Theorie. Fünf Positionen zum Bauen und Denken. Beiträge von Werner Oechslin, Arno Lederer, Günter Abel, Hans Kollhoff und Fritz Neumeyer. Berlin: DOM, 2014 Erben, Dietrich (Hg.) (2019): Das Buch als Entwurf: Textgattungen in der Geschichte der Architekturtheorie. Ein Handbuch. München: Fink, 2019 Harari, Noah Yuval (2011): ‫[ תושונאה תודלות רוציק‬K.izur Toldot Ha-Enoshut]. Kinneret ZmoraBitan Dvir, 2011, englisch: Sapiens. A Brief History of Mankind. London: Harvill Secker, 2014 Hübsch, Heinrich (1828): In welchem Style sollen wir bauen? Karlsruhe: Müller’sche Hofbuchhandlung, 1828 Li Jie (1103): 營造法式 [Yíngzào Faˇshì]. o.O., 1103 Neumeyer, Fritz (2014): „Vom Nutzen und Nachteil der Theorie für den Architekten“, in: Eckert 2014, S. 87 ff. Spector, Tom; Damron, Rebecca L. (2013): How Architects Write. New York, London: Routledge, 2013 Snozzi, Luigi (2013): 25 Aphorismen zur Architektur. Hg. v. Maximilian Rimmel, mit Beiträgen von Paulo Mendes da Rocha, Werner Oechslin, Maximilian Rimmel, Álvaro Siza, Basel: Schwabe, 2013

Sullivan, Louis H. (1896). „The Tall Office Building Artistically Considered“, in: Lippincott‘s Magazine (März 1896), Philadelphia: Lippincott, 1896, S. 403–409

384

Otl Aicher: Eine Theorie des Entwerfens? Adler, Katharina; Aicher, Otl (1981): das Allgäu (bei Isny). Isny: o.V., 1981 Aicher, Otl (1980): zeichensysteme. München: Koch, 1980 Aicher, Otl (1982): Die Küche zum Kochen – Das Ende einer Architekturdoktrin. München: Callwey, 1982 Aicher, Otl (1982): gehen in der wüste. Frankfurt am Main: Fischer, 1982 Aicher, Otl (1984): kritik am auto. München: Callwey, 1984 Aicher, Otl (1985): innenseiten des krieges. Frankfurt am Main: Fischer, 1985 Aicher, Otl (1988): typografie. Mit einem Beitrag von Josef Rommen. Berlin: Ernst & Sohn / Maak, 1988, 3., durchgesehene Aufl. 1992 Aicher, Otl (1990): „erscheinungsbild“, in: ERCO Leuchten GmbH (Hg.): ERCO Lichtfabrik. Ein Unternehmen für Lichttechnologie. Berlin: Ernst und Sohn, 1990, S. 186–202 Foster, Norman (2000): „Otl Aicher, 1991“, in: Jenkins 2000, S. 592 –595 Gänshirt, Christian (2005): „Eine Theorie des Entwerfens? Zu den Schriften von Otl Aicher / A Theory of design? On the Writings of Otl Aicher“, in: GAM Graz Architektur Magazin Nr. 02, Wien, New York: Springer, 2005, S. 174 –191 Kuhnert, Nikolaus: „Otl Aicher / Entwurf der Moderne“, in: Arch+ 98, 1989, S. 20 f. Moser, Eva (2012): Otl Aicher: Gestalter. Eine Biografie. Ostfildern: Hatje Cantz, 2012 Rathgeb, Markus (2006): Otl Aicher. London, New York: Phaidon, 2006

Teil C: Praxis (S. 284–365) Titel, die in mehreren Kapiteln zitiert werden, sind im allgemeinen Teil (Teil A: Grundlagen) der Bibliografie aufgeführt. de Graaf, Reinier (2017): Four Walls and a Roof: The Complex Nature of a Simple Profession. Cambridge, Mass.: Harvard, 2017 Drach, Ekkehard (Hg.) (2016): Das Verschwinden des Architekten. Zur architektonischen Praxis im digitalen Zeitalter. Bielefeld: Transcript, 2016 Garnier, Charles (1880): Le nouvel Opéra de Paris. Volume II, Paris: Ducher, 1880, https://bibliotheque-numerique.inha.fr/idurl/1/16797 Hays, K. Michael (Hg.) (1998): Architecture Theory since 1968. Cambridge, Mass.; London: The MIT Press, 1998 HOAI (2013): Verordnung über die Ingenieurleistungen (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – HOAI). Bundesrat Drucksache 334/13, Berlin, 25.04.2013, online: https:// www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2013/0301-0400/334-13.pdf?__ blob=publicationFile&v=3 Lardet, Olivier (2010): „Garnier voyageur éclairé ou rêveur impénitent?“ in: Bruno Girveau (Hg.) (2010): Charles Garnier, un architecte pour un Empire. Catalogue de l’exposition, Paris: Éditions Beaux-Arts, 2010 Libeskind, Daniel (2016): „Foundation stone: leading architects on the homes that shaped them“, in: The Guardian, 24. Sept. 2016, https://www.theguardian.com/lifeandstyle/2016/sep/24/ foundation-stone-leading-architects-homes-shaped-them Mead, Christopher Curtis (1991): Charles Garnier’s Paris Opéra: Architectural Empathy and the Renaissance of French Classicism. New York: The Architectural History Foundation. Cambridge, Mass.: The MIT Press, 1991

Polónyi, Stefan (1987): Mit zaghafter Konsequenz. Aufsätze und Vorträge zum Tragwerk entwurf 1961–1987. Bauwelt Fundamente Bd. 81, Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg, 1987

385

Digitales Entwerfen Barzon, Furio (2003): La carta di Zurigo. Turino: Testo & Immagine, 2003 Bohnacker, Hartmut; Groß, Benedikt; Laub, Julia (2009): Generative Gestaltung. Entwerfen, programmieren, visualisieren. Hg. Claudius Lazzeroni, Mainz: Hermann Schmidt, 2009 Eisenman, Peter (2003): „A Matrix in the Jungle”, in: Barzon 2003, S. 28–37 Fankhänel,Teresa; Lepik, Andres (Hg.) (2020): Die Architekturmaschine. Die Rolle des Computers in der Architektur. Basel: Birkhäuser, 2020 Foster, Norman (2000): „Design in a Digital Age”, in: Jenkins 2000, S. 773–785 Fu Xinian (2017): Traditional Chinese Architecture: Twelve Essays. Herausgegeben von Nancy S. Steinhardt, Princeton, Oxford: Princeton University Press, 2017 Gänshirt, Christian (2001): „Das Instrument neu schärfen. Zur großen Halle der Neuen Nationalgalerie in Berlin“, in: Bauwelt 39/2001, S. 34–37 Goldberger, Paul (2015): Building Art: The Life and Work of Frank Gehry. New York: Alfred A. Knopf, 2015 Kittler, Friedrich (2002): Short Cuts. Reihe Short Cuts, herausgegeben von Peter Gente und Martin Weinmann, Band 6, Frankfurt am Main: Zweitausendeins, 2002 Marble, Scott (Hg.) (2012): Digital Workflows in Architecture. Designing Design – Designing Assembly – Designing Industry. Basel: Birkhäuser, 2012 PwC (2019): Digitalisierung der deutschen Bauindustrie 2019, PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deutschland, 2019 Wortmann, Thomas (2018): Efficient, Visual, and Interactive Architectural Design Optimization with Model-based Methods. (Dissertation) Singapore: Singapore University of Technology and Design, 2018 Zuse, Konrad (1970): Der Computer mein Lebenswerk. München, 1970 Forschungsbasiertes Entwerfen Ammon, Sabine; Froschauer, Eva (Hg.) (2013): Wissenschaft Entwerfen. München: Fink, 2013 Ammon, Sabine (2017): „Why designing is not experimenting: Design methods, epistemic praxis and strategies of knowledge acquisition in architecture“, in: Philosophy & Technology (2017), S. 1–26. Barthel, Rainer (2005): Laudatio anläßlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Frei Otto durch die Fakultät für Architektur der TUM. München: TUM, 2005 Borden, Iain; Rüedi Ray, Katerina (2000): The Dissertation. An Architecture Student’s Handbook. Oxford: Architectural Press, 2000, 2nd ed. 2006 Gfrereis, Heike; Strittmatter, Ellen (Hg.) (2013): Zettelkästen. Maschinen der Phantasie. Marbacher Katalog 66, Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft, 2013 Gresleri, Giuliano (1991): Le Corbusier, Reise nach dem Orient. Unveröffentlichte Briefe und zum Teil noch nicht publizierte Texte und Photographien von Édouard Jeanneret. Zürich: Spur, 1991 Koolhaas, Rem (1978): Delirious New York. A Retroactive Manifesto for Manhattan. New York: Oxford University Press, 1978 Michel, Ralf (Hg.) (2007): Design Research Now. Essays and Selected Projects. Reihe: Board of International Research in Design BIRD, Basel, Boston, Berlin: Birkhäuser, 2007 Schmidt, Johannes (2016): Der Zettelkasten als Zweitgedächtnis Niklas Luhmanns. (Video) https://vimeo.com/173128404, Hannover: Kunstverein, 30.04.2016

386

Venturi, Robert (1966): Complexity and Contradiction in Architecture. New York: The Museum of Modern Art, 1966 Venturi, Robert; Scott Brown, Denise; Izenour, Steven (1972): Learning from Las Vegas. Cambridge, Mass.: MIT Press, 1972 Wang Shu (1988): Notes from Underground. (Masterarbeit) Nanjing: Southeast University, 1988 Wang Shu (2000): Fictionalizing City (虚构城市). (Dissertation) Shanghai: Tongji Universität, 2000 Soziales Entwerfen Acemoglu, Daron; Robinson, James A. (2012): Why Nations Fail: The Origins of Power, Prosperity, and Poverty. New York: Crown, 2012 Akcan, Esra (2018): Open Architecture. Migration, Citizenship, and the Urban Renewal of BerlinKreuzberg by IBA-1984/87. Basel: Birkhäuser, 2018 Arbter, Kerstin (2012): Praxisbuch Partizipation: Gemeinsam die Stadt entwickeln. Wien: Magistratsabt. 18, Stadtentwicklung und Stadtplanung, 2012, https://www.wien.gv.at/ stadtentwicklung/studien/pdf/b008273.pdf Banz, Claudia (Hg.) (2016): Social Design. Gestalten für die Transformation der Gesellschaft. Bielefeld: Transcript, 2016 Brito, Diogo (2019): Toolbook: Addressing Design Process. Matosinhos: AMAG, 2019 ConstructLab (Hg.) (2019): How Together. Herausgegeben von Joanne Pouzenc, Carla Rangel, Alexander Römer, Barcelona: dpr-barcelona, 2019, https://www.constructlab.net Convivialistes, Les (2013): Manifeste Convivialiste. DeÏclaration d’interdeÏpendance. Lormont: Bord de l’Eau, 2013, deutsch: Das konvivialistische Manifest. Für eine neue Kunst des Zu­­sam­ menlebens. Hg. von Frank Adloff, Claus Leggewie, et al., Bielefeld: Transcript, 2014 Crosby, Kip (1995): „Convivial Cybernetic Devices, From Vacuum Tube Flip-Flops to the Singing Altair, An Interview with Lee Felsenstein (Part 1)“, in: The Analytical Engine. Computer History Association of California. 3 (1), November 1995, https://web.archive.org/ web/20050825165932/http://opencollector.org/history/homebrew/engv3n1.html Eichstädt, Wulf (1984): „Die Grundsätze der behutsamen Stadterneuerung“, in: Zwoch et al. 1984, S. 111–113 Eribon, Didier (2009): Retour à Reims. Paris: Arthème Fayard, 2009, deutsch: Rückkehr nach Reims. Berlin: Suhrkamp, 2016 Förster, Kim (2105): „Wie bauen, wie weiter leben? Frei Ottos Vision vom ökologischen und gemeinsamen Bauen“, in: Bauwelt 20/2015, S. 28 f. Groh, Maria; Haider, Ernst; Krenn, Conny; Kuzmich, Franz; (Red.) Uhl, Ottokar; Winkelhofer, Walter; Wurnig, Martin (1987): Ein Weg zum kindergerechten Wohnhaus – Wohnen mit Kindern Wien 21. Wohnbauforschungsbericht (F 821), Wien: Arge Wohnen mit Kindern, 1987, ISBN 3-900737-01-0 Habraken, Nikolas John (1961): De dragers en de mensen – Het einde van de massawoningbouw. Amsterdam: 1961, deutsch: Die Träger und die Menschen. Das Ende des Massenwohnungbaus. Den Haag: Arch-Edition, 2000 Hämer, Hardt-Waltherr (1984): „Die Kunst der Proportionen“, in: Zwoch et al. 1984, S. 13–19 Hofmann, Susanne (2014): Partizipation macht Architektur. Die Baupiloten – Methode und Projekte. Berlin: Jovis, 2014 Illich, Ivan (1973): Tools for Conviviality. New York: Harper and Row, 1973. Zitiert nach der Übers. v. Nils Thomas Lindquist: Selbstbegrenzung. Eine politische Kritik der Technik. Reinbek: Rowohlt, 1975 Laurisch, Bernd (1984): „Instandbesetzer. Die Zweite“, in: Zwoch et al. 1984, S. 106–109

387

Meyer, Friederike (2018): Berliner Prozessarchitektur. Wohn- und Atelierhaus von ifau und Heide & von Beckerath. Berlin: Heinze 2018, https://www.baunetz.de Museum für Gestaltung Zürich; Sachs, Angeli (Hg.) (2018): Social Design. Participation and Empowerment. Zürich: Lars Müller, 2018 Ring, Kristien (Hg.) (2013): Selfmade City Berlin. Stadtgestaltung und Wohnprojekte in Eigeninitiative. Hg. von Kristien Ring und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Berlin: Jovis, 2013 Ruskin, John (1853): The Stones of Venice Volume the Second. The Sea-stories, London: Smith, Elder & Co., 1853, zitiert nach: William Morris (Hg.) (1892): The Nature of Gothic. A chapter of the Stones of Venice by John Ruskin with a Preface by William Morris. Hammersmith: Kelmscott Press, 1892, https://warburg.sas.ac.uk/pdf/cih1150b2210146v9.pdf Saunders, Doug (2011): Arrival City. The Final Migration and Our Next World. Toronto: Knopf, 2011, deutsch: Arrival City. München: Blessing, 2011 Saunders, Doug (2015): Arrival Cities: The Final Migration & Our Next World. (Video) https://www.youtube.com/watch?v=ICaksZs1Ry0 Verderber, Stephen; Cavanagh, Ted; Oak, Arlene (Hg.) (2019): Thinking While Doing. Explorations in Educational Design/Build. Basel: Birkhäuser, 2019

ABBILDUNGSNACHWEIS Angaben mit Jahreszahl und Seite beziehen sich auf Quellen, die in der Bibliografie aufgeführt sind. Trotz großer Bemühungen ist es uns nicht gelungen, alle Bildrechteinhaber ausfindig zu machen. Sollten ungeklärte Rechtsansprüche bestehen, bitten wir die Inhaber, sich bei Verlag oder Autor zu melden. Die Rechte aller im Folgenden nicht aufgeführten Abbildungen liegen entweder beim Autor oder sind gemeinfrei. Aicher, Florian  271, 272, 273, 277, 278, 280, 282 Alvar Aalto Foundation  120, 121, 290, 291, 297, 337 Arch+ Nr. 98, 1990, S. 25  267 Arch+ Nr. 137, 1997, S. 23  195 (unten) Arch+ Nr. 137, 1997, S. 27  197 Architekturzentrum Wien  123, 352 Arth, Michael E. (CC BY-SA 4.0) 354 Audi AG  192 (oben) Baupiloten BDA  351 Behnisch, Günter  178, 190 Buether, Axel  145 Carvalho, Jorge  210 Chevallier, Pascal, WIB Paris  165 Clair 2005, S. 136  88 Clair 2005, S. 190  90 Conrads 1984, S. 37  85 Demetrios, Eames  242 Eccles 1973, S. 264  76 Eisenman, Peter  180 Engel 2003, S. 52  83 ERCO Leuchten GmbH, © 1976  275 Evers 1995, S. 265  189 Evers 1995, S. 285  234 Evers 1995, S. 312  150 Fondation Mons, © 2015  361

ABBILDUNGSNACHWEIS

Front, © 2020  146 Fuhrmann 1998, S. 67  238 Fujimoto, Sou  265 Grote 1966, S. 74  215 Gudehus, Juli  166, 241 Guiches, Julie, © OST collective, 2017 345 Guiches, Julie, © 2006  358–359 Habraken, N. John  349 Hambly 1988, S. 20  97 Hammel, Tobias  147, 170 Illich 1973  362 International Museum of Photography, The George Eastman House, Rochester, New York  207, 208 Jencks, Charles  260–261 Jenny, Peter  112 Jörns, Michael  139 Kristen, Marianne  34, 68, 161 Lange, Christian J.  228–229 LasCasas 1997, S. 208  191 LasCasas 1997, S. 74, 75  98 Lawson, Brian  240 Lemp, Kristof  360 Lindinger 1987, S. 146  277 Lu 2014  126 Meyer, Stephanie  169, 192 (unten), 218 Müller 1905, S. 35  109 (unten) MX3D, Joris Laarman Lab  313, 314, 318, 319 Otto 1989, S. 209  186 Petrosyan, Leon (CC BY-SA 4.0) 355 Pieper, Christian, www.jp3. de 108, 142, 159 Rama (CC BY-SA 3.0 FR)  16 Rittel 1992, S. 75 ff.  80 saai | Archive for Architecture and Civil Engineering  333 Sachs, Hinrich, © VG BildKunst  140, 223 Santos, José Paulo dos  175 Scarletgreen (CC BY 2.0)  288 Scheidegger, Ernst, © Neue Zürcher Zeitung, 2007  183

Siza, Álvaro  61, 86, 153, 154, 172, 189, 203 Slickers, Georg (CC BY-SA 2.0) 347 Snozzi, Luigi  263 Sperry 1968  76 Stachowiak 1973, S. 131  184 The Royal Collection, © 2006, Her Majesty Queen Elizabeth II  27, 99 Uhl, Ottokar  353 VG Bild-Kunst, © 2007  233 Vitra Services GmbH  10 Wachsmann 1959, S. 204  82–83 Wortmann, Thomas  316 Wu Hao  335 Zürcher Hochschule der Künste 125

NAMENREGISTER Aalto, Aino  120, 121 Aalto, Alvar  46, 86, 120, 121, 155, 156, 157, 253, 290, 291, 297 Aalto, Elissa  290, 291 Abel, Günter  51 Acemoglu, Daron  355 Adamczyk, Grazyna 50 Adler, David A.  44 Adorno, Theodor W.  24, 25, 26, 68, 243 Aicher, Florian  20 Aicher, Otl  14, 34, 35, 46, 50, 52, 62, 65, 66, 67–70, 77, 78, 79, 84, 104, 114, 119, 164, 167, 185, 190, 205, 238, 243, 267– 282, 301 Aicher-Scholl, Inge  268, 272 Akcan, Esra  347 Alan Turing Institute  313, 318 Alberti, Leon Battista  57–59, 162, 185, 188, 196, 197, 199, 232, 240, 243, 250, 252, 253, 325, 326 Alembert, Jean Baptiste le Rond d’  103 Alexander, Christopher  45, 328 Altschuller, Genrich Saulowitsch 42 Amateur Architecture Studio  334, 336 Ammanati, Bartolomeo  102 Ammann, Jean-Christophe  93, 232 Ammon, Sabine  340, 341 aNC Arquitectos  210 Andes, Lisa  247, 248 André, Pierre  287 André-Salvini, Beatrice  98 Aquin, Thomas von  56 Arbter, Kerstin  363 Archimedes 90 Archizoom 129 Aristoteles  36, 37, 54, 55, 87, 132, 239, 242, 277, 285 Arnheim, Rudolf  50, 77, 114, 194 Arth, Michael E.  354 Arup  313, 318

NAMENREGISTER

Asplund, Gunnar  253 Assemble 359 Atelier Bow-Wow  360 Augustinus 55 Bachmann, Wolfgang  25 Balmond, Cecil  46 Banz, Claudia  363 Barthel, Rainer  334 Barthes, Roland  334 Bateson, Gregory  25, 30 Baupiloten BDA  350 Bazin, André  237 Becher, Bernd und Hilla  216 Behnisch und Partner  178, 190 Behnisch, Günter  40, 64, 84, 87, 152, 178, 188, 189, 190 Bense, Max  52, 85 Bill, Max  183, 268 Blaser, Werner  47, 79 Blow, Isabella  165 Bohnacker, Hartmut  323 Bologna, Giovanni da  234 Bono, Edward de  49, 75, 119, 156, 157, 233 Borden, Iain  341 Bourdieu, Pierre  20, 24, 51 Brand, Stewart  130, 363 Braque, George  205 Bredekamp, Horst  50, 103, 114 Brillhart, Adam  125, 126 Brinkert, Peter  347 Broadbent, Geoffrey  48 Broca, Paul  76 Bronzino, Agnolo  102 Brown, Denise Scott  327 Brown, G. Z.  130 Brundtland, Gro Harlem  245 Brunelleschi, Filippo  176, 187, 189, 195, 196, 325, 326, 328 Bruyn, Gerd de  51, 268 Buether, Axel  144 Burckhardt, Lucius  112 Buridan, Johannes  277 Buti, Remo  129 Cafee, Richard  47 Cage, John  34

Caillé, Alain  363 Calatrava, Santiago  46 Callender, John Hancock  44 Calvino, Italo  77, 334 Cardi da Cigoli, Lodovico  327 Carlowitz, Hans Carl von  245 Carvalho, Jorge  210 Cavanagh, Ted  363 Cellini, Benvenuto  59, 60, 102, 103 Cepl, Jaspar  51 Cézanne, Paul  205 Ching, Francis D. K.  44, 45 Colvin, Geoff  20 Conrads, Ulrich  85, 233, 264 ConstructLab  345, 360, 361, 362 Couto Duarte, João Miguel  126, 133 Crescas, Chasdai  195 Crosbie, Michael J.  44 Crosby, Kip  363 Daguerre, Louis Jacques Mandé 199 Damasio, Antonio R.  49, 92, 156 de Graaf, Reinier  299 de Groot, Adriaan  318 de Gruijter, Olivier  318 DeKay, Mark  130 Demetrios, Eames  46, 242 Descartes, René  250, 253, 277 Dewey, John  51 Diderot, Denis  71, 103 Dillenburger, Benjamin  126 Doerner, Dietrich  49 Dominick, Peter G.  47 Doni, Antonio Francesco  59 Dorst, Kees  44 Drach, Ekkehard  299 Durand, Jean-Nicolas-Louis  29, 42 Durandelle, Louis-Émile  285, 286 Dürer, Albrecht  89, 99, 101, 102, 197, 198, 207 Durth, Werner  40 Eames, Charles und Ray  46, 242, 276

Eberle, Dietmar  20 Eccles, John C.  48, 76, 77, 119, 156 Eckhard, Petra  128 Edgerton, Samuel Y.  194, 196, 199, 205 Edwards, Betty  77, 119, 156, 157, 198 Ehrlich, Christof  119 Eichstädt, Wulf  346 Eiermann, Egon  25 Eisenman, Peter  46, 51, 128, 179, 180, 181, 188, 226, 328 Elser, Oliver  128 Elzevier, Ludovicus  249 Engel, Heino  43, 82 Eribon, Didier  20, 343 Ermel, Horst  45 Evers, Bernd  51, 190 EXYZT 358–359 Eyck, Jan van  195 Fathy, Hassan  216, 217 Felsenstein, Lee  363 Ferguson, Eugene S.  50 Fiederling, Otto  39 Fischer, Thomas  126 Fischer, Volker  52 Fitz, Angelika  128 Flusser, Vilém  14, 32, 34, 35, 50, 54, 66, 67–71, 104–107, 109, 110, 113, 116, 139–142, 164, 173, 183, 184, 190, 243, 267 Fonatti, Franco  45 Fontane, Theodor  235, 238, 244 Fornes, Marc  307 Förster, Kim  353 Foster, Norman  40, 46, 79, 148, 231, 268, 270, 276 Foucault, Michel  334 Freear, Andrew  357 French, Neil  207 Froschauer, Eva Maria  11, 128, 336, 341 Fu Xinian  307 Fuhrmann, Peter  45 Fujimoto, Sou  264, 265, 266 Fuller, R. Buckminster  46, 115, 162, 163, 172, 245, 339

NAMENREGISTER

Gadamer, Hans-Georg  23, 36, 37, 249, 267 Ganzoni, David  128 Gardner, Howard  87 Garnier, Charles  285, 286, 288, 289, 295 Gast, Klaus-Peter  46 Gehry, Frank  181, 266, 303, 304, 311 Gerber, Andri  128 Gerkan, Meinhard von  43 Gethmann, Daniel  128 Gfrereis, Heike  336 Ghiberti, Lorenzo  189, 195 Goldberger, Paul  304 Goodman, Sue  45 Goya, Francisco de  41, 237 Greindl, Gabriele  268 Gresleri, Giuliano  326 Groat, Linda N.  38, 331, 340, 341 Groh, Maria  352 Gropius, Walter  233, 253 Groß, Benedikt  323 Groys, Boris  243 Gudehus, Juli 167, 241 Guiches, Julie  345, 358 Gyöngy, Katalion M.  51 Haarlem, Cornelis van  251 Habraken, Nikolas John  348, 349 Hämer, Hardt-Waltherr  217, 345, 346, 347 Hamilton, Anne  52 Hammel, Tobias  147, 170 Hanisch, Ruth  51 Harari, Yuval Noah  256 Hartmann, Jonis  10, 128 Hasselbach, Julia von  142 Hassenewert, Frank  19 Hauff, Volker  245 Hausegger, Gudrun  122 Hays, K. Michael  298 Heide & von Beckerath  353 Helmcke, Gerhard  334 Hertzberger, Herman  46 Herzog, Thomas  328 Herzog & de Meuron  43 Highsmith, Carol M.  303

Hillnhütter, Sara  128 Hnilica, Sonja  122 Hoesli, Bernhard  47 Höfer, Candida  40 Hofmann, Susanne  350 Hollanda, Francesco de  149 Holohan, Donn  228 Holzer, Jenny  202, 309, 310 Honnecourt, Villard de  148, 149 Horkheimer, Max  68 Hostilius, M.  348 Hübsch, Heinrich  264, 326 Hummels, Caroline  128 Husserl, Edmund  14 ifau 353 Illich, Ivan  349, 362, 363 Izenour, Steven  327 Jacobs, Jane  328, 355 Jäkel, Angelika  128 Jansen, Jürg  47 Jaspers, Karl  24–26, 29, 31 Jencks, Charles  260–261 Jenny, Peter  78, 112, 144, 220 Joas, Hans  51 Jobs, Steve  363 Joedicke, Jürgen  42, 62, 63, 238 Joris Laarman Lab  313, 318 Kafka, Franz  68 Kahn, Louis I.  46 Kalay, Yehuda E.  48 Kallimachos  57, 58 Kant, Immanuel  232, 277 Kehne, Holger  228 Kemp, Wolfgang  59, 60, 62, 102 Kengo Kuma & Associates  322 Kittler, Friedrich  116, 221, 222 Kleihues, Josef Paul  345 Kleine, Holger  47 Kleinmanns, Joachim  128 Klenze, Leo von  326 Klinger, Johann  352 Klipstein, August  326 Knauer, Roland  45 Koelbl, Herlinde  47 Kolumbus, Christoph  196

Koolhaas, Rem  51, 213, 214, 327, 328 Krämer, Sybille  50, 114 Krasny, Elke  11, 122, 124 Krautheim, Mareike  128 Kristen, Marianne  34, 68, 161 Kruft, Hanno-Walter  51, 266 Kubelka, Peter  123 Kubrick, Stanley  114, 115 Kücker, Wilhelm  43 Kuhnert, Nikolaus  268 Kuma, Kengo  328, 337 Kunz, Martin  128 Kurz, Philip  128 Kuzmich, Franz  352, 353 Lampugnani, Vittorio Magnago 51 Lange, Christian J.  228 Langhans, Carl Gotthard  326 Lapuerta, Jose Maria de  45 Lardet, Olivier  295 Latour, Bruno  126 Laub, Julia  323 Laurel, Brenda  32, 38 Laurisch, Bernd  346 Lawson, Bryan  46, 49, 240 Lazzeroni, Claudius  323 Le Corbusier  29, 46, 51, 73, 144, 163, 177, 213, 253, 264, 276, 326, 328, 352 Lemp, Kristof  360 Lenk, Hans  51, 164 Lenz, Gabriele  128 Leonardo [da Vinci]  26, 27, 73, 74, 97, 99, 149, 168, 199, 215 Lepik, Andreas  176, 187, 231 Lequeu, Jean-Jacques  116 Lévi-Strauss, Claude  334 Li Jie  257, 258, 307, 308 Libeskind, Daniel  288 Lindberg, David C.  205 Lissitzky, El [Lasar Markowitsch Lissizki]  74, 75 Locher, Hubert  128 Loidl, Hans  47 Loos, Adolf  51, 159, 216, 233, 253, 262, 263, 264

NAMENREGISTER

Lorenz, Peter  46 Lu Chenchen (吕晨晨) 126 Lu Wenyu  334, 336 Luhmann, Niklas  336, 343, 344 MacCormac, Earl  164 Mann, Thomas  232 Marble, Scott  323 Mattenklott, Gundel  50 Mau, Bruce  114 McCready, Paul  276 McLuhan, Marshall  80, 81, 116, 117, 137, 224 Mead, Christopher Curtis  287 Meiss, Pierre von  45 Mendelsohn, Erich  151, 157, 239, 240 Meyer, Friederike  353 Meyer, Stephanie  169, 192, 218 Michelangelo [Buonarroti]  149, 151, 176, 190 Michels, Karen  46 Mies van der Rohe, Ludwig  47, 79, 211, 232, 235, 237, 253, 266, 309, 310 Mockbee, Samuel  357 Moholy-Nagy, Lázló  28 Moneo, Rafael  328 Moon, Karen  45 Moravansky, Ákos  51 Morris, William, 28 Morrison, Jasper  128 Moutinho, Natacha Antafio  126 Müller, Erich  352 Musso, Arne  85 Nägeli, Walter  39 Napoléon III.  287 Nesbitt, Kate  51 Neufert, Ernst  41, 44 Neumann, Balthasar  113, 114 Neumeyer, Fritz  51, 232, 235, 256 Neweczeral, Alfred  112 Niemeyer, Oscar  167 Oak, Arlene  363 Ockham, Wilhelm von  268, 276 Oechslin, Werner  185, 188

Oldenburg, Claes  10 Ostendorf, Friedrich  62–64, 171, 178 Otto, Frei  128, 186, 187, 328, 333, 334, 352 Panofsky, Erwin  54–57, 201 Parnell, Rosie  248 Passe, Ulrike  47 Peirce, Charles Sanders  277 Pelletier, Louise  114 Pérez-Gómez, Alberto  114 Pesce, Gaetano  129 Pessoa, Fernando  30 Petrosyan, Leon  354 Pfammatter, Ulrich  42, 47 Philippsen, Ansgar  223 Piano, Renzo  19, 40, 46 Picasso, Pablo  87, 205 Pieper, Christian  108, 142, 159 Piranesi, Giovanni Battista  201 Platon  54, 55, 57, 105, 167, 251, 256, 277, 301, 358, 359 Plotin  54, 55 Poelzig, Hans  28 Polónyi, Stefan  290, 291 Popper, Karl R.  232 Porter, Tom  45 Prominski, Martin  42 Prouvé, Jean  46, 177, 178 Ptolemäus, Claudius  194 Pückler-Muskau, Hermann von 232 Rambow, Riklef  50 Rathgeb, Markus  268, 270 raumlaborberlin 359 Rauterberg, Hanno  182, 237 Reich-Ranicki, Marcel  232, 235, 238, 244 Rice, Peter  46 Riefler, Clemens  16 Ring, Kristien  353 Riquois 288 Rittel, Horst W.  32, 48, 52, 54, 62, 63, 65, 66, 79, 80, 85 Robinson, James A.  355 Robbins, Edward  46

Rocha, Paulo Mendes da  235 Rodrigues, Ana Leonor  45, 179 Rodrigues, Jacinto  46 Rogers, Richard  40 Römer, Alexander  360 Rossi, Aldo  51, 157, 212, 328, 334 Rüedi Ray, Katerina  341 Rural Studio  357 Ruskin, John  28, 358 Ryff [Rivius], Walther Hermann  56, 89, 99, 101, 305 Sachs, Hinrich  140, 223, 234 Sachsse, Rolf  128, 208, 209 Saenredam, Jan  251 Said, Edward  237 Sanoff, Henry  85 Santos, José Paulo dos  175 Sara, Rachel  248 Sattler, Barbara Johanna  76, 77, 119 Saunders, Doug  354, 355, 356 Scamozzi, Vincenzo  187 Scharoun, Hans  157 Schinkel, Karl Friedrich  326 Schmal, Peter Cachola  128 Schmidt, Johannes  337 Schneider, Beat  52 Schneider, Friederike  40 Scholl, Geschwister (Sophie und Hans) 268 Scholl, Inge s. Aicher-Scholl, Inge Schön, Donald A.  44, 93 Schricker, Rudolf  45, 47 Schultz, Henrik  128 Schumacher, Patrik  27, 182, 253, 262, 264, 290, 308, 309, 337, 338, 343, 344 Schumann, U. Maximilian  51 Semper, Gottfried  326 Seyler, Axel  50 Shahn, Ben  233 Silver, Nathan  40 Siza, Álvaro  14, 27, 28, 35, 36, 42, 43, 46, 60, 86, 133, 148, 153, 155, 172, 189, 190, 203, 204, 206, 213, 347

NAMENREGISTER

Slickers, Georg  347 Smith, Albert  45 Snozzi, Luigi  263, 264 Sokrates  55, 167, 232, 252 Solà-Morales, Manuel de  173 Solis, Virgil  89, 99, 101, 102 Sonne, Wolfgang  51, 112, 122 Sontag, Susan  213 Sottsass, Ettore  129 Spengemann, Karl-Ludwig  50 Sperry, Roger W.  48, 76, 156 Spiro, Annette  128 Stachowiak, Herbert  184, 185 Stapenhorst, Carolin  126, 128 Starck, Philippe  234 Steele, Brett  337 Stein, Gertrude  147 Steingruber, Johann David  163 Straub, Hans  217 Strittmatter, Ellen  336 Sullivan, Louis  253, 266 Sulpis, Jean-Joseph  288 Superstudio 129 Talbot, William Henry Fox  199, 208 Tao Xiang  257 Taut, Bruno  90, 91, 163 Tavares, André  133 Temel, Robert  122 Thackara, John  52 Thoenes, John  51 Thunberg, Greta  247 Toscanelli, Paolo dal Pozzo  196 Tremmel, Jörg  246 Trier, Lars von  236 Trüby, Stephan  51 Tschumi, Bernard  254–255 Tucholsky, Kurt  68 Turing, Alan  221 Uhl, Ottokar  62–65, 350, 352, 353 Ungers, Oswald Mathias  51, 328 Valéry, Paul  159 Vallebuona, Renzo  39 van Bruggen, Coesje  10

Vasari, Giorgio  59, 60, 102 Venturi, Robert  51, 242, 266, 326, 327 Verberne, Paul  192 Verderber, Stephen  363 Vesalius, Andreas  89, 90 Vester, Frederic  49 Vinterberg, Thomas  236 Vitruv [Vitruvius]  56–58, 89, 90, 99, 101, 159, 169, 174, 184, 185, 215, 237, 238, 240, 243, 249, 250, 252, 253, 256, 262, 274, 305–308, 326, 348, 365 Vrachliotis, Georg  128, 333 Wachsmann, Konrad  81, 82 Wagner, Anselm  128 Wang, David  38, 331, 340, 341 Wang Shu  328, 334, 335, 336 Warren, Waldo  162 Watson, Donald  44 Weinbrenner, Friedrich  326 Weiss, L.  85 Weltzien, Friedrich  50 Wenders, Wim  211 Wendler, Reinhard  126 Wernicke, Carl  76 Wick, Rainer K.  47 Wilson, Edward O.  30 Wittgenstein, Ludwig  142, 159, 160, 243, 276, 277, 281 Wittmann, Barbara  11, 129 Wittmann, Regina  122 Wolzak, Thijs  318 Wortmann, Thomas  315, 316 Wozniak, Steve  363 Wu Hao  335 Wurnig, Martin  352, 353 Wright, Frank Lloyd  212, 253 Yaneva, Albena  126 Yeang, Ken  46 Zaha Hadid Architects  253, 311 Zuccari, Frederico  59, 60, 62 Zuse, Konrad  217, 219  221, 230

SACHREGISTER 2001 – Odyssee im Weltraum (Film) 115 3D-Drucker  193, 313 f., 317 f., 320 3D-Modell  134, 180, 193, 206, 214, 231, 293, 302, 304, 310 Abstraktion  78, 111, 113, 144, 168 f., 171–173, 177, 185 f., 204, 239, 310, 350 Académie Royale d‘Architecture (Paris) 28 Accademia del Disegno (Florenz)  59, 102 Akademie der Bildenden Künste (München) 275 Akt des Entwerfens  31, 43, 87, 92, 94 Akteur-Netzwerk-Theorie 126 Algorithmus  42, 118 f., 182, 215, 226, 230, 242, 303, 305, 308, 310, 315, 321 Allmendeproblem 246 Alltag  162, 239, 301, 321, 365, 275 Anschaulichkeit  70, 169, 173, 185, 187, 203, 211, 219 Aphorismus 264 Apparat  35, 68, 70 f., 109 f., 113, 119, 132, 220, 222 Arbeitsmodell  82, 186, 189, 304 Arbeitstisch  120 f., 287, 293 Architectural Association (London)  28, 337 Architektur dekonstruktivistische 242, 296, 309 der Gotik  253 der Moderne  205, 237, 253, 264, 279, 296, 309 der Postmoderne  296, 309 der Renaissance  148, 175, 187, 203, 217, 225, 326 des Barock  113, 203, 209, 253, 338 des Neoklassizismus  253

SACHREGISTER

des Strukturalismus  348 digitale 309 ökologische 296 parametrische  296 f. partizipatorische  65, 342, 348, 350 regionale 309 Architekturfotografie  128, 209 Architekturkritik s. Kritik Architekturtheorie  18, 37, 51 f., 57, 101, 160, 246, 249, 252 f., 256, 258 f., 262, 264, 266, 335 Architekturunterricht  23, 27, 29, 47, 299 Arts-and-Crafts-Bewegung 28, 358 Association of Collegiate Schools of Architecture  53 Ästhetik  160, 211, 239 f., 256, 264, 274, 279, 295 f., 315, 330, 352 Atelier  28 f., 46, 122, 286 f., 289 Aufgabenstellung  81, 156, 162, 332 Aufklärung  28, 42, 99, 103, 232, 321 Ausbildung s. Lehre Ausbildungssystem  29, 338, 343 Ausdruck  74, 87, 93 f., 103, 107, 111 f., 117, 122, 139–144, 147, 151 f., 182, 189, 201, 207, 212, 224, 232, 259, 267, 276, 362 Ausschreibungstext  161, 180, 230 Autorschaft 360 Avantgarde  262, 296, 308 f., 337, 344 f. Axonometrie  152, 205, 353 Bachelor-Studiengang 23 Barock  104, 113, 203, 253, 338 Bauhaus  9, 28, 47, 129, 205, 358 Bauforschung 326 Baugruppe 353 Bauhütten  160, 176, 215, 257, 326 Bauhüttenbuch  148 f. Baukosten  215 ff., 314 Bauplan 128

Bedeutung (allgemein) 17, 23, 51, 68, 116, 131, 162, 268, 292, 330, von Begriffen  33, 59 f., 62, 66 f., 184, 190, 226 f., 232, 246 f., 252, 264 von Entwürfen  25, 32, 42, 54, 69 ff., 106 f., 119, 137–144, 159, 164, 169, 186, 188, 243 f., 295 von Entwurfswerkzeugen 12, 15, 49, 58, 87, 110 f., 113 f., 149, 151, 157, 160, 174, 194, 208, 216, 219, 235, 281, 290, 302, 308, 358 Bedeutungsebene  12, 32, 92, 111, 137 ff., 141, 143, 151, 186, 264 Bedeutungswechsel  184, 186 Belastungsversuche  186 f. Berechnung  54, 85, 118, 148, 152, 167, 179, 181, 187, 215, 217 ff., 230, 243, 247, 259, 293 f., 302, 305 ff., 340 statische 179 Beschreibung (allgemein) 26, 43, 45, 47, 59, 65 f., 85, 90, 174, 281 f., 291 (als Entwurfswerk­zeug) 15, 97, 111, 118 f., 135 f., 152, 160 f., 167, 293 Betrachtungsebene  33, 65, 68, 71, 79, 87, 155, 211, 225, 240, 259 Beurteilungskriterien  12, 19, 238, 340 Bewertung  42 f., 63, 80, 84, 91, 247 f., 271, 274, 281 Bewusstsein  91, 230, 236 Bildbearbeitung, digitale  158, 207 Bilderverbot 162 Bildraum  194, 196, 199, 201 BIM (Building Information Modeling)  137, 310–313 Black-Box-Algorithmus  315, 321 Blockade 233 Brainstorming 233 Brennweite  202, 206, 210 Brundtland-Bericht 245 Bürgerbeteiligung 348

Cái [材] 307 Camera Obscura  199, 207 CATIA (Programm)  304, 311, 317 Chaostheorie 48 CNC-Fräse  193, 317 Code, binärer  222 cogitatio (lat.)  57 Computer  48, 79, 110, 114, 119, 130, 133, 137, 147, 160, 167, 179, 181 f., 186, 193, 206, 212, 217, 219–222, 224 ff., 230 f., 301–304, 330 f., 350, 363 als Medium  224 f. Z1  217, 219 ff. Computer-Aided Design (CAD)  48, 304 concinnitas (lat.)  240 constraint (engl.)  80, 191, 320 Darstellung (allgemein) 30, 38, 40, 49 f., 84 f., 89, 98 f., 101 f., 104 f., 128, 140, 161, 285, 315, 331, von Entwürfen  39, 44–46, 57 f., 62 f., 82, 94, 111, 113, 115, 119, 133, 147 ff., 151 f., 158, 170, 174, 176, 184 f., 187, 197 ff., 201 f., 206 f., 209, 211 ff., 218, 230 f., 293 f., 302, 309, 325 Darstellungsart, -weise  47, 136 ff., 152, 179, 182, 194, 204, 357 Datenbasis  179, 181, 231 Datensatz  220, 225 f., 310 Datenstruktur  180, 226 Denken  12 f., 27, 30, 32, 34 f., 45 f., 49 f., 55, 57, 67 f., 70 f., 73, 75–78, 87, 91–94, 105, 107, 112 f., 119, 128, 132, 137, 140, 148 f., 151 f., 155 f., 159, 164 f., 175, 179, 183, 192 f., 205, 213, 217, 219, 230, 232, 253, 268, 270, 272, 276 f., 279 ff., 310, 315, 333, 358, 365 analoges/digitales  77 f., 119, 272 anschauliches  50, 77, 119 in Modellen  128, 333

SACHREGISTER

intuitives 75 kreatives/kritisches  12 f., 75, 94, 132, 281 laterales/vertikales  75 f., 119, 156 lineares  49, 77, 119 mit dem Schneidemesser  192 rationales  49, 92 verbales  76, 78, 119, 132, 155, 165 visuell-räumliches  27, 77, 119, 132, 152, 155, 310, 315 Denkfallen 49 Denkmodus  155 ff. Denkstrategie  48 f., 130 Design History Society  52 Design Methods Movement  42, 52, 339 designatio (lat.)  160 Diagramm  43, 76, 79, 126, 129 f., 170, 172, 180, 184, 242, 259, 350 Digitalisierung  12, 68, 113, 157, 179, 182, 193, 206, 212, 214, 219, 224 f., 231, 298, 301 f., 305, 308, 310, 313, 320, 329, 359 Dimensionierung  187, 216 disegno (it.)  59 f., 62, 102, 168 f. (Begriff)  59 f., 62 Diskurs  9, 57, 59, 65 f., 69, 187, 235, 245 f., 249 f., 252 f., 256– 259, 262, 264, 266, 315, 349 Diskussion (allgemein)  14 f., 34, 38, 48, 50, 59 f., 67, 90, 205, 212, 230, 247, 312, 356, 365 (als Entwurfswerk­zeug) 81, 118, 136 f., 146, 161, 167, 176, 187, 218 f., 235, 240, 257 f., 336, 350 Dissertation  9, 42, 119, 125 f., 128, 328, 333, 341 Do-It-Yourself-Bewegung 363 Dogma  27, 68, 236, 279, 281, 364 Doktorarbeit s. Dissertation Dymaxion  162 f. École des Beaux-Arts  28, 47, 170, 286 f., 289, 326, 328

École Polytechnique  28 f., 42, 47, 338 Emotionen  49, 57, 75, 78, 87, 90 ff., 156, 163, 203, 205 Encyclopédie 103 Entscheidung  42, 53, 63 f., 69, 71, 78, 84 f., 91, 110 f., 171, 176, 188, 219, 227, 232, 240, 249, 257, 271, 290 ff., 313, 332, 341, 343, 349 f., 352, 356 Entscheidungstheorie 63 Entwerfen (Begriff)  54–70, 243 digitales 300–323 forschungsbasiertes 324–341 generatives 305 parametrisches 305 soziales 342–363 Entwicklung  12, 27, 31, 73, 79, 81 f., 86, 94, 114, 116, 117, 137, 152, 155, 159, 164, 175 f., 187, 194, 207, 216 ff., 230, 233, 236, 240, 245–248, 250 f., 258 f., 262, 271, 292, 295, 299, 301, 305, 313, 323, 326, 331, 338 f., 343 f., 354 ff., 358 f., 363 nachhaltige  245 f., 248, 299, 313, 356 ökologische  246, 247, 313, 356 ökonomische  246, 247, 313, 356 soziale  246, 247, 313, 356 Entwurfsansatz  69, 81, 144, 216, 232, 258, 266, 299, 328 f., 336, 339, 343 Entwurfsaufgabe  9, 19, 65, 79 f., 84 f., 124, 155, 162, 189, 291, 298, 328, 330, 336 Entwurfsdisziplinen  13, 37, 330 f., 341, 343 f. Entwurfsentscheidung  58, 69, 71, 84, 110, 188, 219, 227, 291, 313, 350, 356 Entwurfsforschung  131, 338 f. Entwurfshaltung  11, 13, 289, 292, 358, 365 Entwurfsidee  36, 63 f., 144, 148, 165, 184, 207, 232, 243, 332, 357

Entwurfslehre  9, 17, 19 ff., 26, 28, 32, 34, 37 f., 42, 44 f., 48, 52, 244, 296 Entwurfsmedien  122, 338 Entwurfsmethode  11, 21, 34, 46, 63, 79, 218, 276, 292, 306 f., 339 Entwurfspraxis  48, 62, 174, 177, 265, 286, 290, 313, 359 akademische 177 digitale s. Entwerfen, digitales forschungsbasierte s. Entwerfen, ­forschungsbasiertes parametrische s. Entwerfen, parametrisches soziale s. Entwerfen, soziales Entwurfsprozess s. Prozess des Entwerfens Entwurfsstrategie  130, 298 Entwurfsteam 81 Entwurfstheorie s. Theorie des Entwerfens Entwurfsvorstellung  83, 111, 115 f., 119, 164, 181, 258, 341 Entwurfswerkzeuge s. Werkzeuge des Entwerfens Entwurfszyklus 332 Epistemologie  140, 331, 338, 340 Erfahrung  13, 15, 17, 19 f., 23, 31 f., 37, 68, 87, 91, 97, 132, 136, 144, 176, 193, 201, 205, 210, 214, 226 f., 236, 274, 298, 301, 334, 340, 349 f., 357 f. Erfinden  42, 54, 57, 73, 103, 316 Ermächtigung  301, 349 Ethik  160, 240, 256, 330 European Association for Architectural Education 53 Eustylos 306 Evaluierung  40, 85 Experiment  50, 79, 81 f., 128 f., 183, 186, 195 f., 271, 274, 276, 326, 332, 334, 338, 340 f., 346, 357, 359, 365 soziales 346 Fachhochschule 23 Fachzeitschriften 52 Feldforschung  122, 124

SACHREGISTER

Fèn [分] 307 Fest, das (Film)  236 Film  114, 117, 137, 140, 188, 202, 205 ff., 212 ff., 220, 222 ff., 227, 231, 236 Filmwissenschaft 237 firmitas (lat.)  237 f., 256, 274 Fluchtpunkt  195 f., 201 Form (allgemein)  68–70, 75, 79, 81, 94, 103–107, 111, 117, 131, 146, 152, 158, 194, 197, 204, 206, 208, 211, 221, 224, 226 f., 242, 252, 259, 262, 266, 273, 337, 344, 348 architektonische  38, 45, 55 ff., 71, 119, 138 f., 143 f., 156, 164 f., 170, 175–178, 181, 184, 190 f., 216, 218, 305, 325, 334 Formel  34, 41, 118, 149, 176, 215, 218, 266, 281 Formensprache  42, 188 f., 192, 242, 296, 308, 323, 337 f. Forschung  9 f., 14 f., 24, 26 f., 29–32, 39 f., 47, 52 f., 119 ff., 131, 133, 285, 295, 324 ff., 328–332, 334, 337–341, 356 Forschungsarbeiten  20, 32, 38, 122, 130, 328, 365 Forschungsmethoden  38, 336 f. Forschungsperspektive  331, 334 kulturwissenschaftliche 334 Forschungsprogramm  129, 338 Forschungsprojekte 9, 124, 341, 352 Fotoapparat  109, 155, 199, 205, 221 Fotografie  14, 40, 47, 114, 117, 119, 122, 128, 137, 149, 182, 198 f., 201 f., 204, 206–213, 224, 226, 286, 320, 350 digitale  117, 211 Fotogramm 74 Fotomontage  158, 204, 206, 210, 294 Funktion  25, 44, 74, 109, 174 f., 187, 208, 232, 236, 256, 266, 271, 274, 342

Ganze, das  31, 33 ff., 58, 81, 84, 87, 91, 115, 138, 143, 194, 199, 236, 240, 298, 306, 320 Gebrauch  11 f., 15, 66, 91, 104, 110 f., 113 ff., 122, 124, 126, 130, 132 f., 136, 138, 151, 173 ff., 185, 198, 208 f., 214, 225 f., 239, 247, 250, 253, 271, 274, 276 f., 279, 304, 340, 352, 365 Gefühl  49, 57, 89–92, 115, 156 Glücks-  57, 90 Gehirn  49, 73, 76, 91, 119, 156, 230 Geometrie  45, 89, 99, 101, 113, 117, 147, 168 f., 171 ff., 177 f., 180 ff., 191, 194, 196, 199, 202, 288, 308 f., 330, 352, 357 euklidische 172 Gesellschaftstheorie 343 Gespräch  46 f., 87, 133, 148 f., 152, 158, 161, 167, 177, 236, 262, 350, 352 sokratisches 167 Gestaltpsychologie 50 Gestaltung  13, 18, 20, 22, 25, 40, 44 f., 59, 71, 128, 144, 191, 209, 215–218, 232, 234, 237, 268, 284, 295, 298, 308, 316, 323, 341, 343 f., 348, 350, 353, 360, 365 (Begriff) 71 Prinzipien 45 Prozess 234 Gestaltungsberuf 344 Geste  18, 35, 54, 67, 87, 89, 97, 101, 104–107, 110, 117, 131, 139–144, 147 f., 159, 173, 188, 243 als Rätsel  141, 243 architektonische  128, 143 der Melancholie  89 des Machens  35, 104–107, 110 kommunikative 140 theatralische 143 Gitternetz  197, 199, 203 Grashopper (Programm)  308, 315

Green Building Council (USGBC) 247 Großrechner 179 Grundriss  40, 45, 57, 98, 126, 132, 138, 148, 152, 155, 168, 170 ff., 174 f., 177–181, 199, 201, 276, 287, 313, 327, 346, 352 Handlungsmöglichkeiten  11 f., 21, 34, 37, 54, 365 Handlungsschritte  92, 94, 105, 133 Handlungstheorie 51 Handlungswissen  25 f., 91, 142 Handwerk  23, 26 ff., 31, 36 f., 70 f., 98, 103 f., 110–113, 115 f., 124, 126, 128, 144, 164, 176, 192, 218, 256 ff., 268, 287, 289, 298, 322, 325 f., 334, 358, 360 Hausbesetzer 346 Hemisphäre  76 f., 119, 156 f. hochschule für gestaltung (Ulm)  47 f., 51, 268 Höhlengleichnis  251 f. Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI)  82, 293 Hypothese  30, 55, 271, 329, 332 IBA s. Internationale Bauausstellung Idealismus 365 Idee  24, 26, 54 ff., 63 f., 87, 91, 124, 147, 151, 156, 177 f., 216, 232, 359 (Begriff) 54 der Universität  24 Ideenfindung 233 Ideenlehre 55 Ideologie  69, 138, 226, 281 imitatio (lat.) 243 f. Ingenieurschule 23 Innovation  124 f., 243, 248, 295, 321, 344, 346 Inspiration  101, 128, 178, 257, 326, 329 Institute of Design (Chicago)  81 Instrumentum Architecturae  113 f.

SACHREGISTER

Internationale Bauausstellung (IBA) Berlin 344–347, 352 Interviews  46, 262, 347 Intuition 91 inventio (lat.)  57, 59, 243 f. IPD – Integrated Project Delivery 317 Isometrie  155, 201, 205 Iteration  79, 332 Kalkulation  97, 116, 136, 159 f., 167, 215–219, 227, 229, 302, 308, 313, 350 Kieselstein 131 Klimawandel 245 Kommunikation  49 f., 113, 116, 128, 202, 206, 209, 225, 231, 301, 304, 310 f., 330, 343 f., 350 visuelle  202, 206 Komplexität  32, 44, 49, 71, 80, 84, 89, 91, 110 f., 117, 137 f., 144, 152, 192, 202, 210, 227, 231, 234, 266 f., 277, 287, 304, 312, 340, 349 f., 356 Konvivialismus 362 Kostenberechnung  180, 217, 294 Kreatapher  51, 164 Kreativität  20, 51, 89, 94, 119, 152, 164, 191, 217, 236, 275, 331 Kreativitätsblockade 233 Kreativitätstechnik  48, 73, 129 Kreislauf des Entwerfens  93 f., 115 f., 146, 208 Kriterien  30, 35, 37, 40, 47, 52, 58, 140, 161, 167, 233, 235–238, 240, 243 f., 246, 248, 271, 274, 277, 279, 289, 291 f., 309, 315 f., 332, 353 Kritik  15, 18, 47, 68, 87, 94, 97, 106, 114, 118 f., 136 ff., 159, 167, 176 ff., 225, 233–237, 244, 247, 253, 259, 264, 268, 273, 332, 334, 350, 363 Kritikfähigkeit 244 Kulturtechnik  9, 11, 37, 41, 50, 97, 110, 116, 130, 132, 138, 142, 151

Kulturtheorie  50, 129 Kunst  27 f., 31 f., 37, 41, 49 ff., 54 f., 60, 68, 104, 116, 129, 144, 149, 156, 159, 161, 194, 196, 198, 232, 235, 240, 242 f., 250, 274 f., 279, 330, 334, 339, 344, 350, 362 Ablehnung von  68, 274 des Zusammenlebens  350 Kunstakademie 23 Kunsthochschule  23, 28, 250, 338 Kunstwerke  60, 132, 140, 209, 243 Kybernetik  48 f. Lasercutter 193 Learning-by-Doing 21 Lebenszyklus  247, 313 f. -kalkulation 313 LEED (Leadership in Energy and Environmental Design)  247 Lehrbücher  19, 47 Lehre 9 f., 15, 20 f., 23 f., 26–29, 33, 44, 47, 87, 90, 194, 205, 235, 264, 338, 365 Leistungsphase  82, 293 ff. Lernbedürfnis  18, 20 Lernen 19, 21, 35, 71, 78, 192, 302, 316, 321, 328 Linearperspektive  115, 194 f. Logik  49, 55, 69, 92, 113, 156, 160, 165, 171, 256, 259, 272, 292, 305, 330 Machen  36, 67, 93, 102, 104, 110, 113 f., 140, 253, 270, 276 f., 279, 358 (Begriff)  67, 104, 270 Manifest  114, 233, 264, 328, 363 Maschine  35, 108 f., 113, 115, 132, 163, 177, 179, 220 ff., 227, 245, 317, 320, 336 Masterstudiengang 23 Material  45, 69, 104, 106, 131, 148, 177, 185–191, 193, 214, 276 Materialisierung  113, 116 f., 151, 159, 193, 271 Medien  9, 11 f., 19, 21, 50, 81, 97, 116, 122, 128, 130, 132, 136 f.,

176, 181, 202, 209, 211 f., 224 f., 262, 298, 302, 304, 340, 350, 353 des Entwerfens  11, 122, 338 soziale  262, 350, 353 Medium  11, 45, 81, 97, 116 f., 131, 137 f., 148, 165, 169 ff., 187, 199, 202, 210, 220, 224 f. Meister-Schüler-Verhältnis  28 f., 42 Melancholie  87, 89, 101 Metapher  9 f., 44, 51, 93, 110, 112, 130, 163 f., 220, 230 des Werkzeugs  220 Metapherntheorie 164 Methode  9, 12, 14, 19, 21, 31, 34, 40, 46, 48, 65, 71 f., 82, 94, 116, 124 f., 167, 169, 197 f., 218, 247 f., 250, 258, 292, 306 f., 324, 329–332, 339 f., 364 wissenschaftliche  329–332, 339 mimesis (lat.)  55 Modell  15, 58, 66, 81, 86, 97, 116 f., 129, 131, 160, 175 f., 180, 183–188, 191–194, 213, 218, 231, 234, 240, 270 f., 294, 302, 304, 310 digitales 3D-  180, 193, 206, 214, 231, 302, 304, 310 (Begriff)  62, 184 f., 271 -baumaterial  189 ff. -foto 211 -skizze 158 -theorie  48, 185 Modell-Original-Abbildung 184 Moderator  348, 363 Moderne  30, 34, 67 f., 205, 237, 246, 251 ff., 256, 262, 264, 279, 296 f., 309, 321, 323, 334 globale  296 f., 321, 323 Muster  49, 164, 183 f., 336 Nachahmung  21, 38, 45, 55, 243 Nachhaltigkeit  219, 227, 245–248, 295, 314, 329, 343, 348, 353, 363 (Begriff)  245 ff. Indikatoren für  248

SACHREGISTER

Messung und Bewertung  247 ökologische 219, 246, 329 ökonomische 219, 246 ff., 329 soziale 219, 246, 329, 343, 348 f., 353 Narrativ  132, 137, 256 f., 308, 329 Negation 70 Netzwerk  53, 126, 129, 289, 343 ff., 354, 360 Neurologie 48 Normen  40, 44, 142, 313 Nutzer  185, 220, 226, 308, 321, 342, 357 -wünsche 350 OH (Installation)  202, 309 oikos (gr.)  216 Ökonomie  216, 226, 270, 330 Olympiapark (München)  189 Olympiastadion (München)  179 Olympische Spiele (München)  190, 268, 273, 275 Opossum (Programm)  315 Optimierung  302, 315 f, 321 Osborne 1 (PC)  363 Paradoxie  32, 66, 71, 151, 236, 242 der Rationalität  66 der Skizze  151 Parameter  40, 42, 48, 181, 211, 219, 230, 305–308, 310, 316 Parametrizismus  182, 308 Partizipation  129, 348 ff., 356, 363 Perspektive  45, 57, 59, 84, 97, 116 f., 119, 149, 155, 175 f., 179 f., 187 f., 194, 196–199, 201–210, 212 f., 218, 227, 231, 288, 314 Phänomenologie  14, 139 Philosophie  14, 29, 50 f., 55, 87, 129, 250 f., 256, 271, 276, 298, 330 f., 358, 364 Planung  34, 43, 64 ff., 85, 189, 304, 321, 350, 352 (Begriff)  64 f. poiesis (gr.)  36 f., 55 Politik  54, 87, 239 f., 276, 298, 344, 346

Postmoderne  205, 296, 309, 326, 334 präskriptiv  111, 152, 210 f. Pragmatismus  51, 358 Praxis  10, 13, 15, 17, 20 ff., 26, 31, 35 ff., 43 ff., 50, 62, 65, 93 f., 104 ff., 124, 131, 142, 158, 160 f., 177, 231, 234, 248, 253, 264, 267, 279 ff., 284–287, 294 f., 298, 301 f., 310, 314, 317, 331, 336, 339 ff., 346, 360, 364 f. des Entwerfens  17, 48, 62, 174, 177, 265, 286, 290, 313, 359 epistemische 341 reflexive 43 f., 93 Theorie der 285 und Theorie 253, 264, 280 f. 365 praxis (gr.)  36 f., 285 Prinzipien  14, 28, 30, 38, 40 f., 44–48, 55, 65, 112 f., 115, 130, 168, 195, 244, 258, 317, 329 Prix de Rome (Rompreis)  289, 326 Problem  20, 37, 65 f., 68, 81, 86 f., 162, 168, 187 f., 194, 209, 238, 331 bösartiges 65 Produktion  66, 106, 227, 270, 302, 308, 311, 317 Programm  31, 97, 119, 124, 222, 226, 230, 305, 311 f., 315 programmieren  181, 227, 323 promenade architecturale  144, 213 f. Prototyp  19, 79, 122, 128, 176 f., 183, 185, 187, 193, 276 Prozess  12 f., 38, 42, 44, 65, 69 f., 73, 78, 82, 84 f., 87, 92, 94, 105, 115 f., 155, 232, 271, 329, 346, 354, 359 der Urbanisierung  354 des Entwerfens  11 f., 35, 42, 44, 46, 49 f., 63 f., 69, 79 f., 82, 84-87, 92, 94, 97, 111, 115 f., 122, 124, 132f., 144, 148, 151, 161, 167, 226, 230, 232, 271, 281, 290, 316, 320, 329, 336, 348, 350, 356

iterativer 79 linearer 80 Prozessor  222, 224, 230 Psychologie  46, 48–51, 343 Quantencomputer  302 f. Rapid Prototyping  193 Rationalität  29, 66, 75, 159, 171, 244, 253, 326, 329 Rätselhaftigkeit  89, 102, 243 Raum  45, 115, 128, 144, 152, 164, 170 f., 179, 193 ff., 198 f., 201, 204 f., 210, 222, 286, 306, 359 f. Raumillusion, perspektivische 198 f. Realisierung  29, 32, 71, 84, 177, 212, 215, 217, 279, 290, 304, 358 f., 365 Reduktion  75, 111, 155, 171, 173, 209 Reflexion  15, 26, 93, 162, 191, 206, 259, 334, 341 Regeln  35, 37, 40 f., 43 f., 47, 51, 84, 97, 142, 178, 198 f., 222, 235, 243 f., 274, 277, 303, 305, 308, 344 Renaissance  17, 103, 124, 148, 187, 203, 208, 217, 225, 250, 326, 328 Rendering  206, 212, 227 Repräsentation  113 f., 177, 181, 185, 205 parametrische 181 Ressourcen  161, 216, 245 f., 295–298, 321, 333, 343 f., 354, 356, 361 Revit (Programm)  308, 315, 317 Revolution 17, 28, 104, 108, 256, 301, 338 digitale  17, 301 Französische  28, 338 industrielle  104, 108 Rhino (Programm)  308, 315 Riss (Zeichnung)  174 ff. rotis  270, 280, 282 autonome republik  270, 282 Schriftenfamilie 280

SACHREGISTER

Sammeln  11, 128 f., 130 f., 336, 357 SAR-Planungsmethodik 352 Schreiben  47, 78, 104, 128, 140, 165, 192, 268, 302 Schul-Visionenspiel 350 Sehpyramide  196 f. Selbstbauprojekte 357 Sensibilität  73, 243 Simulation  180, 206, 212, 219, 227, 230, 302 simultan  27, 69, 84, 86 f., 119, 132, 156, 234, 308 Situationismus 348 Skizze  15, 18 f., 35, 44 f., 60, 64, 73, 86, 97, 103, 115 ff., 121 f., 133, 138, 144, 147 ff., 151 ff., 155, 157–160, 175, 180, 194, 204, 210 ff., 219, 230, 232, 259, 271, 289, 302, 304, 350 (Begriff)  147, 113 Skript  305, 308 Slum  346, 353 f. Song-Dynastie 306 Soziologe, Soziologie  20, 24, 46, 50 f., 336, 343, 352, 360, 363 Spiel  140, 186, 277, 350 Sprache  15, 18, 68, 97, 117, 143, 155 f., 158 ff., 162, 164 f., 177, 184, 220, 222, 224, 234, 256, 258, 277 Sprachphilosophie 277 Stadterneuerung, behutsame  217, 346 f. Steigungsverhältnis (Treppe)  42 Stereofotografie 210 Stil  182, 258, 276, 309 Strategie  19, 44, 48 f., 70, 94, 116, 130, 162 f., 292, 298 Subkultur  344, 349 Symposium  122, 124 Synthèse des Arts  29 Systematik  252 f., 336, 344 Systemtheorie (Gesellschaft)  343 Tabellenkalkulation 219 Taxonomie  11, 14 f., 130–133 techne (gr.) 36 f., 232, 285

Technische Hochschule  23 tekton (gr.)  33, 164 Tektonik 33 tensegrity (engl.)  163 Theorem  252, 256, 258, 262, 266 theoria (gr.)  251, 267 Theorie  14, 19–23, 26, 29 f., 36, 39, 48, 50 f., 67 ff., 78, 93 f., 97, 104–107, 118 f., 124, 126, 128, 136 f., 141 f., 159, 164, 167, 197, 234, 249–253, 257 f., 267 f., 270, 277, 280 ff., 284 f., 332, 340, 343 f., 347, 350, 362, 365 als Machtinstrument  68 als Werkzeug des Entwerfens 249 ff. (Begriff)  68, 285 -bildung  124, 267, 279, 326, 339 des Entwerfens  26, 39, 48, 67, 94, 107, 142, 267 f., 281 von unten  94, 270, 277 Tisch als Werkzeug  361 Transzendenz 67 Treppe  41, 288 Typologie  40, 209 Üben, Übung  12, 19 Umweltschäden  245, 247 Umweltprobleme 296 Universität  20, 23 ff., 28 f., 179, 194, 250, 339, 341 Idee der  24 Unschärfe  36, 54, 66, 151 f., 184, 247 Urteilsfähigkeit 13 Urteilskraft  115, 232 utilitas (lat.)  237 ff., 256, 274 Utopie  157, 204 velum (lat.)  162, 197 f. venustas (lat.)  237 f., 256 Vereinte Nationen (UN)  354 Vernetzung  12, 226, 231 Versuchsbau  183, 333, 336 Video  19, 117, 126, 137, 180, 199, 202, 205 ff., 212, 214, 227, 231, 262, 293

Vorlesung  12, 17–20, 77 Vorstellung, innere  44, 73, 87, 93, 117, 139, 179 Wahrnehmung  13, 49 f., 73 ff., 87, 93 f., 105, 111 f., 115, 133, 138, 143 f., 152 f., 155, 157, 170, 197, 202, 204 f., 207 ff., 211, 213, 221 f., 251, 279, 281 (Begriff) 50 Wahrnehmungsapparat  152, 197, 202 Wandern  128, 130 f. Weiße Rose  268 Werkrisse (Zeichnung)  97, 117, 119 Werkzeuge Ambivalenz von  107–109 des Bauens  98 des Schusters  110 des Zeichnens 115 Herstellung von  115 industrielle 363 konviviale 362 soziale Auswirkungen von 362 Werkzeuge des Entwerfens  9–12, 14, 34, 48, 94, 97 f., 102, 110 ff., 114–117, 128 ff., 167, 225, 230, 281, 284, 304, 364 der Renaissance 143 verbale/visuelle  15, 118 f. (Begriff)  130, 139, 362 (Tabelle) 102 (Matrix) 132 ff. Werkzeugklasse 131 Werkzeugkulturen 128 f. Wertesystem  94, 167, 237, 243 Wettbewerb  24, 54, 69, 176, 187, 190, 205, 216, 225, 256, 286, 289, 325 Widerspruch  32, 68, 80, 92, 111, 131, 267, 277, 279, 285, 314 Widerstand  105, 178, 189, 191, 206, 222, 226, 237, 275 des Materials  105 f., 191 digitaler 226 mathematischer 222

SACHREGISTER

Wissenschaft  14, 27, 29–33, 37, 54, 59, 66, 99, 116, 149, 168, 198, 232, 242, 250 f., 285, 324, 330 ff., 341, 344 des Entwerfens  31 ff. Wohnhaus  121, 217, 258, 346, 353 Yíngzào Faˇshì (營造法式)  257 f., 307 Zeichenbesen 120 Zeichengeräte  151, 287 Zeichenprogramme  157, 160, 181 Zeichenwerkzeuge  103, 112, 115, 120, 122, 226 Zeichnung  15, 19, 35, 44 ff., 59, 82, 97 ff., 103, 113, 115–122, 124 ff., 131 ff., 138, 143, 147 ff., 152, 159 f., 168–181, 184 ff., 188, 193–196, 201, 204, 209, 211 ff., 218 f., 222, 225, 230 ff., 237, 259, 271, 285, 287, 293 f., 302, 310, 327, 336, 350, 357 (Begriff) 147 Zeitschriften  52, 213, 292 Zentralperspektive  196, 198, 225 Zettelkasten 336 Zhàng Gan  125 f. Zielkonflikt 315 Zivilisationskritiker 362 Zufall  131, 148, 334 Zweckmäßigkeit  68, 243, 274, 279 Zweifel  35, 101, 143, 253

Satz, Layout und Umschlaggestaltung der Neuausgabe: nalbach typographik, Silke Nalbach Gestaltung der Erstausgabe: Atelier Fischer Lektorat: Andreas Müller Herstellung: Heike Strempel Druck: Beltz Grafische Betriebe GmbH Papier: 120 g/m² Magno Natural

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Library of Congress Control Number: 2020945809

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts.

Dieses Buch ist auch als E-Book (ISBN 978-3-0356-2202-7) sowie in englischer Sprache erschienen (ISBN 978-3-0356-2174-7, E-Book ISBN 978-3-0356-2208-9).

© 2021 Birkhäuser Verlag GmbH, Basel Postfach 44, 4009 Basel, Schweiz Ein Unternehmen der Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Gedruckt auf säurefreiem Papier, hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff. TCF  Printed in Germany

ISBN 978-3-0356-2173-0

9 8 7 6 5 4 3 2 1

www.birkhauser.com