Weiterentwicklung des EU-Beihilfenrechts für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse?: Eine Untersuchung am Beispiel des deutschen Krankenhaus- und Flughafenmarkts [1 ed.] 9783428558377, 9783428158379

Die Arbeit untersucht die Weiterentwicklung des EU-Beihilfenrechts für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen

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Weiterentwicklung des EU-Beihilfenrechts für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse?: Eine Untersuchung am Beispiel des deutschen Krankenhaus- und Flughafenmarkts [1 ed.]
 9783428558377, 9783428158379

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Schriften zum Europäischen Recht Band 189

Weiterentwicklung des EU-Beihilfenrechts für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse? Eine Untersuchung am Beispiel des deutschen Krankenhaus- und Flughafenmarkts

Von Stefan Simon

Duncker & Humblot · Berlin

STEFAN SIMON

Weiterentwicklung des EU-Beihilfenrechts für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse?

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 189

Weiterentwicklung des EU-Beihilfenrechts für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse? Eine Untersuchung am Beispiel des deutschen Krankenhaus- und Flughafenmarkts

Von Stefan Simon

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahr 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 703 Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Fotosatz Voigt, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-15837-9 (Print) ISBN 978-3-428-55837-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung der im Wintersemester 2018/19 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth angenommenen rechtswissenschaftlichen Dissertation des Verfassers. Rechtsprechung und Literatur konnten noch bis Ende April 2019 berücksichtigt werden. Die Analyse, die einige biographische Stationen und fachliche Interessen des Verfassers verarbeitet und verknüpft, versteht sich als Beitrag zur Weiterentwicklung des EU-Beihilfenrechts für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (DAWI). Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem sog. AlmuniaPaket der Europäischen Kommission, welches derzeit im Hinblick auf die Anwendung auf Gesundheits- und Sozialdienste von der Europäischen Kommission evaluiert wird. Für die Anregung des Themas „DAWI“, die Betreuung der Arbeit und den damit verbundenen Einsatz, für wertvolle Hinweise und für seine Geduld danke ich herzlich Prof. Dr. Stephan Rixen. Weiter sage ich Danke für die Gelegenheit zur Mitarbeit an seinem Lehrstuhl. Im Rahmen der Anfertigung der Arbeit war ich, dank der Unterstützung von Prof. Dr. Stephan Rixen, auch an den Lehrstühlen von Prof. Dr. Hinnerk Wißmann und Prof. Dr. Jens Kersten tätig, denen ich dafür und für die dadurch gewonnenen Erfahrungen und Ideen und Ihre Unterstützung herzlich danke. Mein herzlicher Dank gilt auch Prof. Dr. Jörg Gundel für die Anfertigung des Zweitgutachtens und wertvolle Hinweise und Prof. Dr. Markus Möstl für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes. Weiter danke ich den Herausgebern der Schriften zum Europäischen Recht für die Aufnahme in die Schriftenreihe. Meinen Kollegen der jeweiligen Lehrstühle, den Kollegen meiner Referendarsstationen bei Noerr und Siemens und den Kollegen des Verwaltungsgerichts Ansbach – diese Stationen haben das Entstehen der Arbeit begleitet und befruchtet – danke ich für den Austausch und die angenehme Zusammenarbeit. Schließlich möchte ich all jenen herzlich danken, die das Entstehen der Arbeit mit Wort und Tat, Interesse und Geduld unterstützt und gefördert haben. Nürnberg, im Oktober 2019

Stefan Simon

Inhaltsübersicht Problemstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Kapitel 1 Einführung: Zur Funktion des EU-Beihilfenrechts und zum Verhältnis des EU-Beihilfenrechts zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse; Almunia-Paket und aktuelle Entwicklungen und Problemfelder

26

A. Das EU-Beihilfenrecht als Instrument zur Verwirklichung der Ziele der Gewährleistung des freien Handelsverkehrs und des Wettbewerbsschutzes im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

B. Strukturprinzipien des EU-Beihilfenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

C. Der Rechtsanwendung des EU-Beihilfenrechts für die Prüfung der Erlaubnisfähigkeit von Beihilfen nach Art. 107 Abs. 3 AEUV zugrundeliegende ökonomische Grundannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

D. Bedürfnis nach einem besonderen beihilfenrechtlichen Rechtsregime außerhalb des Art. 107 Abs. 3 AEUV für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

E. Die Regeln für DAWI-Beihilfen: Almunia-Paket und aktuelle Entwicklungen . .

34

F. Das Recht der DAWI-Beihilfen: Das von der Kommission avisierte klare, verhältnismäßige und diversifizierte Rechtsregime? – Untersuchung anhand der Referenzfelder des Krankenhaus- und des Flughafenmarktes . . . . . . . . . . . . . . . .

40

G. Der Krankenhausmarkt als Referenzfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

H. Der Flughafenmarkt als Referenzfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

Kapitel 2 Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im EU-Beihilfenrecht – Entwicklung und status quo

56

A. Der DAWI-Begriff – Definitionsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

B. DAWI im Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

C. DAWI in der beihilfenrechtlichen Rechtfertigungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

8

Inhaltsübersicht Kapitel 3 Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Krankenhauswesen

116

A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe – Sachverhaltsdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 B. Tatbestandsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 C. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Kapitel 4 Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Flughafensektor

186

A. Flughafenbeihilfen als DAWI? – Sachverhaltsdarstellung: Bau- und Betriebskostenzuschüsse an Flughäfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 B. Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV für Förderungen zugunsten Bau- und Betrieb von Flughafeninfrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 C. Rechtfertigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 D. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Inhaltsverzeichnis Problemstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

Kapitel 1 Einführung: Zur Funktion des EU-Beihilfenrechts und zum Verhältnis des EU-Beihilfenrechts zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse; Almunia-Paket und aktuelle Entwicklungen und Problemfelder

26

A. Das EU-Beihilfenrecht als Instrument zur Verwirklichung der Ziele der Gewährleistung des freien Handelsverkehrs und des Wettbewerbsschutzes im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

B. Strukturprinzipien des EU-Beihilfenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

C. Der Rechtsanwendung des EU-Beihilfenrechts für die Prüfung der Erlaubnisfähigkeit von Beihilfen nach Art. 107 Abs. 3 AEUV zugrundeliegende ökonomische Grundannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

D. Bedürfnis nach einem besonderen beihilfenrechtlichen Rechtsregime außerhalb des Art. 107 Abs. 3 AEUV für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

E. Die Regeln für DAWI-Beihilfen: Almunia-Paket und aktuelle Entwicklungen . .

34

F. Das Recht der DAWI-Beihilfen: Das von der Kommission avisierte klare, verhältnismäßige und diversifizierte Rechtsregime? – Untersuchung anhand der Referenzfelder des Krankenhaus- und des Flughafenmarktes . . . . . . . . . . . . . . . .

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G. Der Krankenhausmarkt als Referenzfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der sog. Defizitausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bisherige Behörden- und Gerichtsverfahren zum Defizitausgleich . . . . . . . 1. Asklepios-Verfahren in den 2000er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren zu den öffentlichen Krankenhäusern in Brüssel . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren Bundesverband Deutscher Privatkliniken gegen Landkreis Calw . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Problematik von für Krankenhaustätigkeit im ambulanten Sektor verwendete Mittel aus dem Defizitausgleich und der Investitionskostenförderung IV. Krankenhaussubventionen als Beispielfeld für beihilfenrechtliche Problematiken bei sozialen Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 44 46 46 47

H. Der Flughafenmarkt als Referenzfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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48 50 50 52

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Inhaltsverzeichnis Kapitel 2 Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im EU-Beihilfenrecht – Entwicklung und status quo

A. Der DAWI-Begriff – Definitionsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der DAWI-Begriff im Primärrecht und daran ansetzende Definitionsansätze in Rechtsprechung, Literatur, älteren Kommissionsdokumenten und im Qualitätsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 106 Abs. 2 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Andere Vorschriften des Primärrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Almunia-Paket: DAWI-Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 56

56 56 59 61

B. DAWI im Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Würdigung der DAWI-Mitteilung und Bekanntmachung zum Beihilfenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gewährung durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verfälschung des Wettbewerbs und Handelsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. DAWI-Mitteilung und neuere Praxis der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . 3. DAWI-De-minimis-Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Altmark-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Problemstellung und Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Darstellung der Grundsätze des Altmark-Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weiterentwicklungen im Bereich der Rechtsprechung und die Entscheidungspraxis der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entwicklung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidungspraxis der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) DAWI-Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63 64 64 65

C. DAWI in der beihilfenrechtlichen Rechtfertigungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung – AGVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Monti-Paket und Zielvergaben bei dessen Überarbeitung hin zum AlmuniaPaket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Almunia-Paket: Freistellungsbeschluss und DAWI-Rahmen . . . . . . . . . . . . . . 1. Freistellungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92 92

66 69 69 70 71 71 73 75 78 78 79 80 82 82 86 88 90

94 99 100

Inhaltsverzeichnis a) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkungsweise und Darstellung der einzelnen Regeln im Vergleich zur Freistellungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. DAWI-Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtswirkungen von Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirkungsweise und Darstellung der Regelungen im Vergleich zum Gemeinschaftsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 100 102 106 107 107 108 111

D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

Kapitel 3 Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Krankenhauswesen A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe – Sachverhaltsdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellung, Krankenhauslandschaft und -finanzierung in Deutschland . . 1. Grundlagen der Krankenhausfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vielfalt der Krankenhausträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Defizitausgleich an kommunale Krankenhäuser strukturell notwendig? . . . 1. Ausmaß des Defizitausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ursachen der Defizite kommunaler Krankenhäuser: Positionen der verschiedenen Trägergruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Gründe für die Defizite nicht nur kommunaler Krankenhäuser . . . . a) Ungenügende Investitionskostenförderung und Überkapazitäten als systemische Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) System der Pflegesatzfinanzierung mittels DRG-Fallpauschalen führt systembedingt zu wirtschaftlichen Schieflagen einer Gruppe von Krankenhäusern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Strukturelle Nachteile für zumeist in kommunaler Trägerschaft stehende Krankenhäuser, die Versorgung in der Fläche anbieten . . . . . . III. Ökonomische Dimension der Investitionskostenförderung im Verhältnis zur ambulanten Versorgung durch niedergelassene Fachärzte . . . . . . . . . . . . B. Tatbestandsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Prüfung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aus staatlichen Mitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

116

116 116 116 119 121 121 122 124 124

126 131 133 136 136 137 137 138 142 142

12

Inhaltsverzeichnis 5. Wettbewerbsverfälschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Handelsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hergebrachte Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neuere Praxis der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auch nach neuerer Kommissionspraxis löst die Förderung von Krankenhäusern, womöglich auch von Krankenhäusern mit lokalem Einzugsgebiet weiter Beeinträchtigungen des zwischenstaatlichen Handels aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Altmark-Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Klärung des Rechtfertigungsmaßstabs: Freistellungsbeschluss . . . . . . . . . . . 1. Nichteinschlägigkeit der AGVO 2014 – VO 651/2014 . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich des Freistellungsbeschlusses eröffnet . . . . . . . . . . . . II. Lösungsansätze zur Umsetzung des Freistellungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . 1. Musterbetrauungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelungskonzept des Musterbetrauungsakts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: Münchener Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Investitionskostenförderung: Gesetzliche Ermächtigung zur Erbringung ambulanter Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prüfung des Freistellungsbeschlusses im Hinblick auf den sog. Defizitausgleich sowohl für die Verwendung für die stationäre als auch die ambulante Tätigkeit eines Krankenhauses und im Hinblick auf die für ambulante Krankenhaustätigkeit verwendete Investitionskostenförderung . . . . . . . . . . . 1. Vorliegen einer echten DAWI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einordnung des für stationäre Tätigkeiten verwendeten Defizitausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die großzügige Praxis des BGH und der Kommission . . . . . . . . . (2) Rechtswidrigkeit der konfliktlösungsvermeidenden Praxis des BGH und der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stationäre Krankenhausleistungen sind keine DAWI . . . . . . . . . . . (a) Allein die Krankenhaustätigkeit als solche stellt keine DAWI dar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der kommunale Sicherstellungsauftrag stellt keine besondere Krankenhausaufgabe dar und begründet nicht die System- bzw. Versorgungsrelevanz einzelner oder aller Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kommunaler Sicherstellungsauftrag sieht keine Sonderstellung von Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft vor . . (d) Landesgesetzlicher Sicherstellungsauftrag unterläuft bundesrechtliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

143 145 145 146

148 150 150 151 151 151 152 153 153 154 157 158

159 159 159 160 160 162 163 163

164 166 169

Inhaltsverzeichnis (e) Rechtlich fundierte Krankenhaussonderaufgaben nicht begründbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Lokale Versorgungsaufgabe als besondere Aufgabe in tatsächlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einordnung des für ambulante Krankenhaustätigkeiten verwendeten Defizitausgleichs und der insoweit verwendeten Investitionskostenförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betrauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschreibung des Ausgleichsmechanismus und Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistungen; Vermeidung von Überkompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbot der Überkompensierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Effizienzvorgabe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

172 174

176 177 177 178

179 182 182

D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Kapitel 4 Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Flughafensektor

186

A. Flughafenbeihilfen als DAWI? – Sachverhaltsdarstellung: Bau- und Betriebskostenzuschüsse an Flughäfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 I. Entwicklung des Luftverkehrsmarktes und die Agenda der Kommission . . 186 II. Zur wirtschaftlichen Situation der Flughäfen in Deutschland . . . . . . . . . . . . 188 B. Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV für Förderungen zugunsten Bau- und Betrieb von Flughafeninfrastrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Bau und Betrieb von Flughafeninfrastruktur als wirtschaftliche Tätigkeit – Entwicklungslinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Die übrigen Tatbestandsmerkmale Begünstigung, Altmark-Tatbestandsausnahme, Selektivität, Staatlichkeit der Mittel, Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 C. Rechtfertigungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellung/Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtfertigung unter den Luftverkehrleitlinien 2005 und 2014 . . . . . . . . . . . 1. Infrastrukturbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Luftverkehrleitlinien 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Luftverkehrleitlinien 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebsbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze der Luftverkehrleitlinien 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196 196 197 197 197 198 199 201 201

14

Inhaltsverzeichnis b) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Förderung nach DAWI-Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der Förderung nach DAWI-Grundsätzen und rechtliche Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfung des DAWI-Rahmens – Vorgeschlagene Lösungsmöglichkeiten . 3. Prüfung des DAWI-Rahmens – Die Voraussetzungen im Einzelnen . . . . a) Zur Definition einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Flughafen- und Luftverkehrsektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Subsumtion und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betrauungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Rechtliche Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Subsumtion und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dauer des Betrauungszeitraums, Einhaltung der Richtlinie 2006/11/ EG, Einhaltung der EU-Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen, Nichtdiskriminierung, Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Berechnung der Höhe der Ausgleichsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusätzliche Voraussetzungen zur Vermeidung von übermäßigen Handelsbeeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Fazit zu den weiteren Rechtfertigungsanforderungen des DAWIRahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

202 203 204 204 206 207 207 207 209 210 210 210

211 212 213 213

D. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Abkürzungsverzeichnis ADV AEUV AGVO

AO BayGO BayKrG BayLKrO Bekanntmachung zum Beihilfenbegriff

BGH BHO BPflV BVerfG BW DAI DAWI DAWI-Beschluss

DAWI-De-minimis-VO

DAWI-Leitfaden

Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union VO (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU L 187/1 v. 26. Juni 2014, geändert durch die Verordnung der Kommission vom 14. Juni 2017, ABl. EU Nr. L 156 v. 17. Mai 2017. Abgabenordnung Bayerische Gemeindeordnung Bayerisches Krankenhausgesetz Bayerische Landkreisordnung Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU v. 19.7.2016, C 262/1 Bundesgerichtshof Bundeshaushaltsordnung Bundespflegesatzverordnung Bundesverfassungsgericht Baden-Württemberg Dienstleistungen von allgemeinem Interesse Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, vom 11.1.2012, L 7/3. Verordnung (EU) Nr. 360/2012 der Kommission vom 25. April 2012 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbringen, ABl. EU vom 26.4.2012, L 114/8. Leitfaden zur Anwendung der Vorschriften der Europäischen Union über staatliche Beihilfen, öffentliche Aufträge und

16

Abkürzungsverzeichnis

den Binnenmarkt auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und insbesondere auf Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, SWD (2013) 53 final. DAWI-Mitteilung Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, ABl. EU vom 11.1.2012, C 8/4 DAWI-Rahmen Mitteilung der Kommission. Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, ABl. EU vom 11.1.2012, C 8/15. De-minimis-VO Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen, ABl. EU vom 24.12. 2013, L 352/1. DKG Deutsche Krankenhausgesellschaft DRG Diagnosis related groups EEG-Umlage Erneuerbare Energien-Gesetz-Umlage EGV Vertrag über die Europäische Gemeinschaft EU Europäische Union EU-Kommission Europäische Kommission EU-Rahmen Mitteilung der Kommission. Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, ABl. EU vom 11.1.2012, C 8/15. EuG Gericht erster Instanz der Europäischen Union EuGH Europäischer Gerichtshof EUV Vertrag über die Europäischen Union EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Freistellungsbeschluss Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, ABl. EU vom 11.1.2012, L 7/3. Freistellungsentscheidung Entscheidung der Kommission vom 28. November 2005 über die Anwendung von Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt werden, ABl. EU vom 29.11.2005, L 312/67. GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland EUV Vertrag über die Europäische Union

Abkürzungsverzeichnis Gemeinschaftsrahmen

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Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden, ABl. EU vom 29.11.2005, C 397/4. GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen HGrG Haushaltsgrundsätzegesetz KHEntgG Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen – Krankenhausentgeltgesetz KHG Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze – Krankenhausfinanzierungsgesetz Kommission Europäische Kommission LKHG BW Landeskrankenhausgesetz Baden-Württemberg Luftverkehrleitlinien 1994 Leitlinien der Kommission zur Anwendung der Artikel 92 und 93 des EG-Vertrages sowie des Artikels 61 des EWRAbkommens auf staatliche Beihilfen im Luftverkehr, ABl. EG vom 10.12.1994, Nr. C 350/05. Luftverkehrleitlinien 2005 Mitteilung der Kommission. Gemeinschaftliche Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihilfen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen, ABl. EU v. 9.12.2005, C 312/1. Luftverkehrleitlinien 2014 Mitteilung der Kommission. Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU v. 4.4.2014, C 99/3. LuftVG Luftverkehrsgesetz LuftVZO Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung MVZ Medizinisches Versorgungszentrum OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Qualitätsrahmen Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Ein Qualitätsrahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Europa, KOM (2011) 900 endg. SGB V Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung Unionsrahmen Mitteilung der Kommission. Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, ABl. EU vom 11.1.2012, C 8/15. VO 1370/2007 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1170/70 Rates, ABl. EU v. 3.12.2007, L 315/1.

Problemstellung und Gang der Untersuchung Wirtschaftsgüter sind besonders bedeutsam, wenn sie für das menschliche Dasein notwendig sind. Zu solchen Gütern kann man etwa das Verkehrswesen, die Energieversorgung, Wasserversorgung, die Abfallwirtschaft, die Krankenversorgung, Bildungseinrichtungen und kulturelle Einrichtungen rechnen, aber auch andere derartige Einrichtungen und Güter, die für das menschliche Dasein als notwendig erachtet werden bzw. sind, über die bloße Existenz hinaus, wie etwa Kommunikationsinfrastruktur. Kann man daseinsnotwendige Güter nicht selbst oder innerhalb einer sozialen Gruppe herstellen, beschaffen oder vorhalten, ist man auf die Versorgung mit diesen Gütern durch andere bzw. deren Zurverfügungstellung angewiesen. Dies wird folgerichtig als Daseinsvorsorge1 beschrieben.2 Im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklung entstand eine zunehmende Abhängigkeit des Einzelnen von Gütern der Daseinsvorsorge bzw. Einrichtungen, die diese erbringen, da der Einzelne bzw. eine soziale Gruppe diese immer schwerer selbst herstellen konnte. Dies hängt damit zusammen, dass die Gesellschaft sich zunehmend ausdifferenzierte und insbesondere hochgradig arbeitsteilig arbeitet, so dass Kompetenzen bzw. Ressourcen des Einzelnen für die Daseinsvorsorge schwinden.3 Zudem kam es im Zuge der Industrialisierung zu einer zunehmenden Verstädterung, bei der Menschen auf engem Raum zusammenleben; die Möglichkeiten, selbst für die Daseinsvorsorge zu sorgen, nahmen auf1 Der Begriff wurde geprägt und erstmals zum Gegenstand der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft gemacht von Ernst Forsthoff in seiner Schrift Die Verwaltung als Leistungsträger, s. insbesondere S. 6. 2 Hierzu und zu der erweiterbaren Beispielsliste Forsthoff, S. 5 ff. und Zippelius, S. 301; Forsthoff rechnet auch die Herstellung von Lohngerechtigkeit, die Einhaltung eines angemessenen Preisniveaus und Fragen der sozialen Sicherung wie Altersvorsorge zur Daseinsvorsorge und damit auch Aufgaben, die man heute der Sozial- und Wirtschaftspolitik zurechnen würde; diese Einordnung mag sich vor dem damaligen historischen Hintergrund des Nationalsozialismus und der dann vorherrschenden staatlich gelenkten Wirtschaft erklären. Im Folgenden wird jedoch, ähnlich wie bei Zippelius, von einem Daseinsvorsorgebegriff ausgegangen, der diese Elemente ausspart und im Schwerpunkt konsumierbare Güter und Leistungen, die mittels einer Betriebsinfrastruktur erbracht werden, meint; die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Reichweite des Daseinsvorsorgebegriffs und der Qualität bzw. Art, die ein Gut erfüllen muss, um als daseinsnotwendig zu gelten, werden damit offenbar; Schink, NVwZ 2002, 129, 132, spricht daher davon, dass der Daseinsvorsorgebegriff eher ein politischer Leitbegriff als ein trennscharfer Rechtsbegriff ist. Zu diesem Aspekt auch Kersten, Der Staat 44 (2005), 543, 565. 3 Vgl. Zippelius, S. 301.

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Problemstellung und Gang der Untersuchung

grund dieser Entwicklung ab, während die Notwendigkeit von Einrichtungen der Daseinsvorsorge zur Lebensführung in diesem begrenzten Lebensraum, etwa im Hinblick auf den Verkehr, bzw. anders ausgedrückt die soziale Bedürftigkeit in allen Gesellschaftsschichten zunahm.4 Die Erbringung der Leistungen der Daseinsvorsorge wurde dabei in Deutschland seit jeher als staatliche Aufgabe angesehen.5 Mit dieser Aufgabenzuschreibung soll letztlich auch die Gewähr geboten werden, dass die Versorgung mit Gütern der Daseinsvorsorge für alle zu sozialstaatlich angemessenen Bedingungen sichergestellt ist.6 Bei einer staatlichen Aufgabenwahrnehmung sind neben den Risiken für die Freiheit und Selbstverantwortung des Individuums durch einen bevormundenden, Abhängigkeiten schaffenden Sozialstaat7 auch Nachteile für die Wohlfahrt zu befürchten; dies dadurch, dass sich Staatswirtschaft für gewöhnlich durch Ineffizienz wegen Bürokratie und wegen des Verzichts auf die Fähigkeiten der Marktwirtschaft auszeichnet. Für gewöhnlich regt diese durch den prägenden Leistungstausch der Leistung für Gegenleistung zu Phantasie, Initiative und individueller Entfaltung an.8 Um diese Effekte der Marktwirtschaft bzw. des Wettbewerbs zu nutzen, kam es zunehmend zur Privatisierung der Daseinsvorsorge, wobei sich der Staat im Wege einer sog. Gewährleistungsverantwortung zumeist Lenkungs- und Kontrollrechte vorbehält.9 So soll gewährleistet werden, dass die Privatisierung die angestrebte Versorgung nicht gefährdet, etwa durch die Ausbeutung begrenzter Ressourcen, z. B. der Natur, dem Eingehen lebensbedrohlicher Risiken, dem Durchsetzen von Partikularinteressen, der Vernachlässigung von Sicherheit und 4

Forsthoff, S. 5. Forsthoff, S. 6 ff., der zwar von der staatlichen Daseinsvorsorgeverantwortung – und damit nicht mehr von einer auch denkbaren Daseinsverantwortung eines Kollektivs – spricht, damit jedoch im Schwerpunkt die tatsächliche Erbringung der Daseinsvorsorgeleistungen durch den Staat meint. Im Vergleich dazu herrscht in Großbritannien seit jeher die Überzeugung, dass der Markt selbst und damit private Unternehmen „services of general interest“ bereitstellen, der Staat beschränkt sich auf Marktregulierung, s. Guarrata, S. 122. 6 Zippelius, S. 301. 7 Rixen, VVDStRL 74 (2015), 293, 307 weist hier zu Recht darauf hin, dass es Forsthoff mit dem Konzept der Daseinsvorsorge primär um Versorgungssicherheit geht, nicht darum, dem einzelnen Wertschätzung zu vermitteln, wie es einem modernen Leitbild für den Sozialstaat entspricht; s. zur Verortung des frühen zentralistischen, autoritären Daseinsvorsorgekonzepts Forsthoffs, welches immer auch die soziale Disziplinierung des Einzelnen erstrebt im – vom Nationalsozialismus abgegrenzten – völkischen, antirepublikanischen Konservatismus Kersten, Der Staat 44 (2005), S. 543, 546 ff.; später, womöglich auch aufgrund persönlicher Erfahrungen mit den jeweiligen politischen Verhältnissen öffnet sich Forsthoff für den Gedanken, dass die Daseinsvorsorge auch dem Menschen würdig sein muss, s. Kersten, a. a. O., S. 555 ff. 8 Zippelius, S. 306. 9 Zippelius, S. 302, 307; vor allem seit den 1980er Jahren fand ein Privatisierungsprozess innerhalb der Daseinsvorsorge in Europa statt, wobei es jedoch auch Gegenbewegungen (Reprivatisierungen) gab und gibt, vgl. hierzu Szyszczak, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 4 f. 5

Problemstellung und Gang der Untersuchung

21

sozialer Gerechtigkeit.10 Unabhängig davon, ob die Daseinsvorsorge staatlich oder privat erbracht wird, tritt die Daseinsvorsorge in vielen Erscheinungsformen auf, als Leistung gegen Entgelt oder unentgeltlich, wettbewerblich oder monopolistisch, gewinnbringend, kostendeckend oder defizitär und damit zuschussbedürftig.11 Das aufgezeigte Spannungsfeld zwischen geöffneten Märkten für die Daseinsvorsorge und damit Wettbewerb und der Notwendigkeit der Gewährleistung der Versorgung, für die dem Staat eine Gewährleistungsverantwortung zukommt, wirft die Frage nach dem rechtlichen Rahmen für die Daseinsvorsorge auf. Seinen Niederschlag hat der verwaltungsrechtswissenschaftliche Begriff der Daseinsvorsorge rechtlich (nur) im Kommunalrecht gefunden. So regelt etwa § 102 Abs. 1 Nr. 3 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg, Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 Bayerische Gemeindeordnung und § 71 Abs. 2 Nr. 4 der Kommunalordnung Thüringens, dass Gemeinden Unternehmen außerhalb der Daseinsvorsorge nur unter bestimmten Voraussetzungen betreiben dürfen. Den Kommunen wird die Aufgabe der Bereitstellung der öffentlichen Einrichtungen für die Versorgung, als Träger der Daseinsvorsorge durch die Kommunalgesetze übertragen, vgl. etwa Art. 57 Abs. 1 Bayerische Gemeindeordnung. Dieser Aufgabenkreis der Daseinsvorsorge ist den Kommunen als Teil der Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) auch verfassungsrechtlich zugesichert.12 Seine unionsrechtliche Entsprechung13 findet der Begriff der Daseinsvorsorge in dem Begriff der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, im folgenden kurz DAWI genannt.14 Dieser Begriff findet an mehreren Stellen im Primärrecht der Union Erwähnung, für die Rechtspraxis und für die hier interessierende Problemstellung interessiert jedoch vor allem Art. 106 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). In dieser Bestimmung bzw. den Vorläuferregelungen finden die DAWI seit Bestehen der Europäischen Union (EU) bzw. ihren Vorläufern Erwähnung. Dort heißt es:

10

Zippelius, S. 308. Franz, S. 11 ff. 12 Siehe hierzu Mehde, in: Maunz/Dürig, Art. 28 GG, Rn. 92 m.w. N. zur einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet die Selbstverwaltung für die örtlichen Angelegenheiten für die Gemeinden originär verfassungsrechtlich, Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet die Garantie der Selbstverwaltung für die Gemeindeverbände für die ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben, s. Mehde, a. a. O., Rn. 135. 13 Vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 106 AEUV, Rn. 36; hierzu auch Krajewski, VerwArch 2008, 174. 14 Aufgrund leichterer Lesbarkeit wird in der Arbeit durchgängig die Schreibweise „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ statt der ebenfalls verbreiteten Schreibweise „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ verwendet. 11

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Problemstellung und Gang der Untersuchung „Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (. . .), gelten die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Union zuwiderläuft.“

Die Regelung steht im Kontext zu Art. 106 Abs. 1 AEUV, wonach die Mitgliedstaaten in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den Verträgen und insbesondere dem Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV und den Wettbewerbsregeln in Art. 101 bis 109 AEUV widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten. Historischer Hintergrund der Regeln des Art. 106 AEUV ist die Existenz eines öffentlichen Sektors mit staatlichen Wirtschaftsunternehmen oder Monopolisten in vielen Mitgliedstaaten. Deren Existenz wird zwar in Art. 106 Abs. 1 AEUV anerkannt, zugleich dürfen die Mitgliedstaaten diese nicht unter Missachtung der unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln fördern oder ihnen Vorteile verschaffen, um ein unfaires Vordringen dieser Unternehmen in andere Wirtschaftszweige, insbesondere auch in andere, kleinere Mitgliedstaaten bzw. deren öffentlichen Sektor zu verhindern.15 Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten zwar ihre Wirtschaftsordnung beibehalten dürfen – auch Art. 345 AEUV gewährleistet die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten –, die öffentlichen und privilegierten Unternehmen jedoch nicht dazu instrumentalisieren dürfen, die Verträge zu umgehen. Die Regelung des Art. 106 Abs. 1 AEUV hat ihren Ursprung in der Angst der BeNeLuxstaaten vor allem vor einer möglichen Konkurrenz durch den öffentlichen Sektor in Italien und Frankreich. Zu dem Einschnitt in die mitgliedstaatliche Souveränität durch Art. 106 Abs. 1 AEUV war vor allem Frankreich nur wegen der Ausnahmeregelung des Art. 106 Abs. 2 AEUV, innerhalb dessen Satz 2 als Rückausnahme mögliche Störungen des Handelsverkehrs zu begrenzen versucht, bereit.16 Dabei erkennt Art. 106 Abs. 2 AEUV an, dass eine Abweichung von den Wettbewerbsregeln für Unternehmen, die mit DAWI betraut sind – dabei kann es sich dann sowohl um öffentliche Unternehmen in Staatshand als auch private Unternehmen handeln – zulässig ist, soweit die Anwendung der Wettbewerbsregeln die Erfüllung der den Unternehmen übertragenen DAWI-Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Dabei meint der Begriff der DAWI kurz gesagt jede wirtschaftliche Tätigkeit, die zudem jedoch in allgemeinem Interesse erbracht wird, also vom Markt allein ohne staatliche Unterstützungsmaßnahmen nicht bzw. nicht in befriedigendem Ausmaß erbracht wird.17 Da von der Daseinsvorsorge 15

Emmerich, S. 224 ff. Emmerich, S. 233 f. 17 Mangels primär- und sekundärrechtlicher Definition s. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialaus16

Problemstellung und Gang der Untersuchung

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begrifflich auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten erfasst sein können – diese werden von den unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln nicht reguliert – ist der DAWIBegriff enger.18 Er ist zudem schon im Ansatz so gefasst, dass sowohl staatliche als auch private Unternehmen als Leistungserbringer in Betracht kommen. Er enthält zudem ein prinzipiell überprüfbares Differenzierungskriterium bei der Frage, was (noch) eine DAWI darstellen kann, die sie sich dadurch auszeichne, dass sie vom Markt nicht oder nicht zufriedenstellend erbracht wird. Nach dem gesagten werden mithin die (wirtschaftliche) Daseinsvorsorge bzw. DAWI durch die unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln reguliert. Da die kartellrechtlichen Vorschriften (Art. 101 und 102 AEUV) sich primär an Unternehmen richten, sind im Hinblick auf häufig notwendige staatliche Ausgleichszahlungen für die Erbringung von DAWI bzw. anderweitige Sondervorteile die Vorschriften des EU-Beihilfenrechts, also des unionsrechtlichen Subventionsrechts einschlägig (Art. 107 und 108 AEUV).19 Damit existiert eine denkbar weite und nach nationalem Recht so nicht vorhandene wettbewerbliche und dem freien Handel in der EU dienende Kontrolle hinsichtlich der (wirtschaftlichen) Daseinsvorsorge bzw. DAWI durch die zuständige Wettbewerbsbehörde, die Europäischen Kommission (EU-Kommission bzw. Kommission) und auch durch private Konkurrenten, die sich auf die Einhaltung der Beihilfenvorschriften bei Vergünstigungen für Konkurrenten berufen können; derartige Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten bestehen nach nationalem Subventionsrecht nicht.20 Da Art. 107 Abs. 1 AEUV ein grundsätzliches Verbot staatlicher Beihilfen statuiert und, wie zu zeigen sein wird, die Ausnahmen vom Beihilfenverbot nach Art. 107 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV für die Förderung von DAWI kaum einschlägig sein dürften, kommt es somit auf die Einordnung von Art. 106 Abs. 2 AEUV in den beihilfenrechtlichen Kontext an. Dabei gebietet Art. 106 Abs. 2 AEUV ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wettbewerbsschutz und der Sicherstellung der Erbringung von DAWI. Das Recht hat sich insoweit im Wesentlichen so entwickelt, dass eine Beihilfe, die für die Zwecke einer DAWI verwendet wird, unter bestimmten Umständen schon keine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt, mithin nicht tatbestands-

schuss und den Ausschuss der Regionen. Ein Qualitätsrahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Europa, KOM (2011) 900 endgültig zu einem Definitionsvorschlag; hierzu Bartosch, Art. 106 Abs. 2 AEUV, Rn. 8. 18 Der sog. Qualitätsrahmen, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Ein Qualitätsrahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Europa, KOM (2011) 900 endgültig spricht insoweit von dem Oberbegriff der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, der auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten umfasst und der nach Vorstellung der Kommission dem Begriff der Daseinsvorsorge entspricht. 19 Verbreitet ist teilweise auch die Schreibweise EU-Beihilferecht. Im Folgenden wird ausschließlich die besser lesbare Schreibweise EU-Beihilfenrecht verwendet. 20 Siehe insoweit die Ausführungen bei Unger, Rn. 94 ff. zum Rechtsschutz von Konkurrenten bei Verletzung nationaler bzw. unionaler Subventionsregeln.

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Problemstellung und Gang der Untersuchung

mäßig ist. Im Übrigen ist zu prüfen, ob eine Beihilfe, gestützt auf den insoweit als Ausnahme- bzw. Rechtfertigungsvorschrift verstandenen Art. 106 Abs. 2 AEUV als erlaubt gelten kann. Die Kommission hat für diesen letzteren Fall für die Rechtfertigungsprüfung Regelwerke entwickelt. Die aktuellen Regelwerke sind im Jahr 2011 und 2012 auf den Weg gebracht worden und bilden das nach dem damaligen Wettbewerbskommissar benannte Almunia-Paket, welches die Vorläuferregeln des sog. Monti-Pakets aus dem Jahr 2005 ablöst. Teil dieses Pakets ist ein sog. Freistellungsbeschluss bzw. DAWI-Beschluss21 für Beihilfen an kleinere und soziale DAWI, die bei Einhaltung von erleichterten Voraussetzungen ohne Prüfung durch die Kommission als erlaubt und freigestellt von einer Prüfung gelten. Strengere Voraussetzungen stellt der sog. EU-Rahmen bzw. DAWI-Rahmen22 für größere DAWI ohne sozialen Charakter auf, die von der Kommission genehmigt werden müssen. Daneben enthält das Almunia-Paket eine sog. DAWI-Mitteilung,23 die hauptsächlich der Erläuterung der einschlägigen Rechtsbegriffe und der rechtlichen Systematik dient sowie eine sog. DAWIDe-minimis-Verordnung,24 also einer Bagatellverordnung, wonach DAWI-Beihilfen geringeren Betrages nicht den Beihilfentatbestand erfüllen. Diese beiden zuletzt genannten Regelwerke finden in dem alten Monti-Paket keine Entsprechung, sind also neu.25 In Reaktion auf Kritik, die im Rahmen der Vorbereitung des Almunia-Pakets im Zuge von Konsultationen der Mitgliedstaaten und anderer Interessenten an den beihilfenrechtlichen Vorschriften für die Erbringung von DAWI geäußert wurde, hat sich die Kommission mit dem Almunia-Paket im Wesentlichen folgende Ziele gesetzt: Mit dem neuen Paket soll die Anwenderfreundlichkeit verbessert werden und zugleich den Belangen des Wettbewerbsschutzes nachgekommen werden; es soll mit dem Almunia-Paket ein höheres Maß an Einfachheit 21 Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrages über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, ABl. EU vom 11.1.2012, L 7/3. 22 Mitteilung der Kommission. Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, ABl. EU vom 11.1.2012, C 8/15. 23 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, ABl. EU vom 11.1.2012, C 8/4. 24 Verordnung (EU) Nr. 360/2012 der Kommission vom 25. April 2012 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbringen, ABl. EU vom 26.4.2012, L 114/8. 25 Siehe etwa den prägnanten Überblick bei Unger, Rn. 36 ff. Die noch erfolgende genauere Vorstellung (Kapitel 1, E.) und Diskussion (Kapitel 1, E. und Kapitel 2, C.) bildet einen der Schwerpunkte dieser Arbeit.

Problemstellung und Gang der Untersuchung

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und Rechtsklarheit erreicht werden und zugleich ein verhältnismäßiger und differenzierter Ansatz verfolgt werden, der für kleine bzw. soziale DAWI, von denen potentiell geringere Wettbewerbsverzerrungen ausgehen, geringere Anforderungen aufstellt als für DAWI, die nicht unter diese Kategorien fallen, für letztere jedoch verschärfte Anforderungen, die den Wettbewerbsschutz sicherstellen sollen.26 Diese Arbeit nimmt diese Zielvorgaben zum Maßstab und untersucht, inwieweit das Recht der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im EU-Beihilfenrecht diesen Maßstäben, der Rechtsklarheit, der Verhältnismäßigkeit und des Wettbewerbsschutzes, mithin dem Ausgleich zwischen einem anwendungsfreundlichen und DAWI ermöglichendem Recht und dem Wettbewerbsschutz gerecht wird. Die Untersuchung beschränkt sich dabei nicht auf das Almunia-Paket sondern bezieht die Entwicklung des gesamten Beihilfenrechts für DAWI ein, um so zu bewerten, ob im Hinblick auf die vorgestellten Zielvorgaben eine (echte) Weiterentwicklung stattgefunden hat. Die Untersuchung geht dabei in folgenden Schritten vor: Im Kapitel 1 erfolgt eine Darstellung der beihilfenrechtlichen Grundlagen unter Ausdifferenzierung der Fragestellung sowie der Darlegung von zwei Referenzfeldern für die weitere Analyse, dem (deutschen) Krankenhausmarkt und dem (deutschen) Flughafenmarkt. Im Kapitel 2 werden zur Vorbereitung der Analyse der Referenzfelder die DAWI-Definition und die Einordnung von DAWI-Beihilfen in die beihilfenrechtliche Prüfung unter Berücksichtigung des Almunia-Pakets und aktueller Entwicklungen aufgezeigt und die Resultate im Hinblick auf die fragliche Weiterentwicklung dieses Rechtsgebiets bewertet. Ob die Umsetzung der Zielvorstellungen in der rechtlichen Praxis gelungen ist, wird im Anschluss anhand zweier Referenzfelder untersucht: Kapitel 3 widmet sich dem Krankenhausmarkt in Deutschland und untersucht, ob der Ausgleich von Betriebskostendefiziten (Defizitausgleich) zugunsten kommunaler Krankenhäuser durch ihre kommunalen Träger gegenüber Krankenhäusern anderer Trägerarten und gegenüber der ambulanten Versorgung außerhalb des Krankenhauses als Förderung für DAWI im Einklang mit dem EU-Beihilfenrecht steht; zudem wird die Beihilfenrechtskonformität der sog. (staatlichen) Investitionskostenförderung im Verhältnis zur ambulanten Krankenversorgung außerhalb der Krankenhäuser beleuchtet. Kapitel 4 widmet sich der Förderung des Baus und des Betriebs von Flughafeninfrastruktur. Im abschließenden Fazit werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengeführt.

26 Ausführlich zu den Zielvorgaben der Kommission und deren Entstehung Kapitel 1, F.

Kapitel 1

Einführung: Zur Funktion des EU-Beihilfenrechts und zum Verhältnis des EU-Beihilfenrechts zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse; Almunia-Paket und aktuelle Entwicklungen und Problemfelder A. Das EU-Beihilfenrecht als Instrument zur Verwirklichung der Ziele der Gewährleistung des freien Handelsverkehrs und des Wettbewerbsschutzes im Unionsrecht Schon seit jeher war es das originäre Ziel der Europäischen Union (EU) bzw. ihren Vorläufern1, den freien Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, um so das Ziel des gemeinsamen Binnenmarkts nach (nunmehr) Art. 3 Abs. 3 EUV (EU-Vertrag) zu erreichen. Seit jeher gehört zu der Verwirklichung dieses Ziels der Schutz des Wettbewerbs vor Verfälschung, wie es zwar nun nicht im EUV oder im ebenfalls zum Verfassungsrecht der EU gehörenden Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV), jedoch im – rechtlich nach Art. 51 EUV gleichrangigen – Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb wieder gegeben ist.2 Das Unionsrecht sucht dieses Ziel rechtlich auf mehreren Wegen zu verwirklichen3: Die Wirtschaftsteilnehmer im grenzüberschreitenden Verkehr sind zunächst über die Grundfreiheiten gegen Zölle, aber auch gegen alle anderen mitgliedstaatlichen Handelsregelungen, die aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminieren, geschützt; zu den Grundfreiheiten zählt die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28, 34 AEUV, die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV, die Nie-

1 Die 1957 gegründete Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) wurde 1993 in Europäische Gemeinschaft (EG) umbenannt, die 2009 mit der 1993 gegründeten EU verschmolzen und damit aufgelöst wurde. 2 Zuvor war das Ziel des Wettbewerbsschutzes in Art. 3 Abs. 1 lit. g) EGV, des Vorläufervertrages geregelt. 3 Siehe hierzu auch Rixen, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Verantwortung für Gesundheit und Pflege, S. 105, 107 f.

A. Das EU-Beihilfenrecht: Aktuelle Entwicklungen und Problemfelder

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derlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV, die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV und die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV.4 Die Rechtsprechung des EuGH geht jedoch über die Deutung der Grundfreiheiten als Diskriminierungsverbote hinaus und deutet diese, ausgehend von der sog. Dassonville-Entscheidung5 mittlerweile als Beschränkungsverbote, also als Schutz auch gegenüber Handelsregelungen, die unterschiedslos wirken, aber den Handelsverkehr dennoch beschränken.6 Zudem ist mittlerweile in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anerkannt, dass zumindest die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch im Verhältnis zwischen Privaten Wirkung entfaltet (horizontale Wirkung).7 Der freie Handelsverkehr bzw. der unverfälschte Wettbewerb ist jedoch auch durch eine staatliche Beschaffungspolitik gefährdet, die heimische oder lokale Unternehmen bevorzugt. Davor schützt das letztlich aus den Gewährleistungen der Grundfreiheiten entwickelte, sich nunmehr in unionsrechtlichen Richtlinien8 niederschlagende Vergaberecht.9 Der freie Handel bzw. der unverfälschte Wettbewerb kann überdies nicht nur durch staatliche Maßnahmen, sondern auch durch Praktiken durch und zwischen Unternehmen beeinträchtigt werden. Art. 101 Abs. 1 AEUV greift diesen Gedanken mit dem Verbot wettbewerbsverfälschender Praktiken, insbesondere Vereinbarungen durch und zwischen Unternehmen auf (= Kartellverbot). Dies wird flankiert durch das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung,

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Vgl. Sauer, JuS 2017, 310. EuGH, Rs. 8/74, Slg. 1974, 837, Rn. 5 – Dassonville. 6 Siehe dazu mit entsprechenden Nachweisen Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/ AEUV, Art. 36 AEUV, Rn. 57 ff. 7 EuGH, U. v. 6. Juni 2000, Rs. C-281/90, Slg. 2000, I-4139 – Anagonese; Die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit verpflichten zumindest private Institutionen, die Normen setzen, s. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 36 AEUV, Rn. 112 ff. 8 Maßgeblich sind folgende Richtlinien: Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. EU vom 28.3.2014, L 94/65; Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG, ABl. EU vom 28.3.2014, L 94/243; Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, ABl. EU vom 28.3.2014, L 94/1. 9 Zum Ursprung der Vergaberichtlinien in den Grundfreiheiten und den daraus entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Gleichbehandlung und Diskriminierung im Vergaberecht siehe Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. EU vom 28.3.2014, L 94/65, Erwägungsgrund 1. 5

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Kap. 1: Einführung

Art. 102 Abs. 1 AEUV und der in beiden Vorschriften fußenden, sekundärrechtlich näher ausgestalteten Fusionskontrolle.10 Das in Art. 107–109 AEUV geregelte EU-Beihilfenrecht komplettiert die unionsrechtlichen Regeln zum Schutz des freien Handelsverkehrs und Wettbewerbs mit dem Schutz vor ungerechtfertigter Unterstützung von Unternehmen durch Mitgliedstaaten durch ein grundsätzliches Verbot von Beihilfen in Art. 107 Abs. 1 AEUV. Demnach sind, wenn in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt nicht vereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Dabei ist das Definitionskriterium der Begünstigung denkbar weit gefasst und erfasst jede Vorteilsgewährung, die das Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Umfasst sind daher nicht nur positive Leistungen, sondern auch Maßnahmen, die die von einem Unternehmen zu tragenden Belastungen vermindern.11 Mit dem EU-Beihilfenrecht soll letztlich vermieden werden, dass vor allem finanzkräftige Mitgliedstaaten Handelshemmnisse durch die Stützung heimischer Unternehmen errichten.12 Es wird somit ein Kontrollregime errichtet, das durch die Kontrolle der Wirtschaftsförderung, aber, wie im Folgenden aufgezeigt wird, ebenso der Wirtschaftstätigkeit des Staates selbst, umfassend in die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten eingreift.13 Das ist insofern interessant und innovativ, als ein derartiges Kontrollregime der deutschen Rechtsordnung fremd ist. Das deutsche Subventionsrecht erschöpft sich im Grundsatz in einer rein haushaltsrechtlichen Kontrolle von sogenannten Zuwendungen, also Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für Leistungen an Stellen außerhalb der Verwaltung; geprüft wird darüber hinaus materiell nur, ob die zuwendungsgebende Körperschaft an der Erfüllung des geförderten Zwecks ein erhebliches Interesse hat, das ohne die Zuwendung nicht oder nicht in notwendigem Umfang befriedigt werden kann, s. § 14 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG), § 23 Bundeshaushaltsordnung (BHO) zu den einschlägigen Vorgaben auf Bundesebene.14 Diese Vorgaben erfassen somit nicht alles, was man begrifflich als Subvention auffasst, insbesondere keine Bürgschaften.15 Die gering ausgeprägten Vorga10 Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen, ABl. EU, 29.1.2004, L 24/1. 11 EuGH, U. v. 8.11.2001, Rs. C-143/99, Slg. 2001, I-8365, Rn. 38 – Adria Wien. 12 Unger, Rn. 11. 13 Ziekow, S. 78, 84. 14 Ziekow, S. 78, 82. 15 Ziekow, S. 78; unter Subventionen versteht man zumindest alle Zuwendungen im weiteren Sinne, die positive Leistungen darstellen, s. Unger, Rn. 1, nach anderer, extensiverer Lesart alle vermögenswerten Leistungen einer rechtsfähigen Einrichtung der öffentlichen Hand an eine natürliche Person, eine juristische Person des Privatrechts oder – unter bestimmten Voraussetzungen – des öffentlichen Rechts ohne marktmäßige

B. Strukturprinzipien des EU-Beihilfenrechts

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ben aus dem nationalen Recht an den Subventionsgeber zeigen sich auch daran, dass ein wirksamer Rechtsschutz von Konkurrenten der Subventionsempfänger nicht besteht, da als Rechtsposition des Konkurrenten nur die Grundrechte aus dem allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (als wirtschaftliche Chancengleichheit), aus der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG (als Wettbewerbsfreiheit) und dem Eigentumsgrundrecht Art. 14 Abs. 1 GG (als Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) in Betracht kommen und diese einen Abwehranspruch allenfalls dann auslösen, wenn die wettbewerbliche Position in unerträglichem Maße eingeschränkt ist und das Unternehmen tatsächlich in seinen Wettbewerbsmöglichkeiten unzumutbar eingeschränkt ist.16

B. Strukturprinzipien des EU-Beihilfenrechts Art. 107 Abs. 1 AEUV formuliert ein grundsätzliches unionsrechtliches Verbot von Beihilfen – Beihilfen sind mit dem Binnenmarkt unvereinbar – und definiert gleichzeitig den Tatbestand einer Beihilfe. Vom Beihilfenverbot sehen Art. 107 Abs. 2 und Art. 107 Abs. 3 AEUV Ausnahmen vor. Es handelt sich in der Sache um Rechtfertigungsgründe, wobei Art. 107 Abs. 2 AEUV sog. Legalausnahmen vorsieht, hinsichtlich denen kein Ermessen besteht, Art. 107 Abs. 3 AEUV Ermessensausnahmen, es also einer Abwägungsentscheidung bedarf, ob auf Grundlage der in Art. 107 Abs. 3 AEUV genannten Gründe die Beihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden können. Man kann daher von einem Beihilfenverbot mit Erlaubnisvorbehalt sprechen.17 Zuständige Behörde für die Entscheidung über die Frage einer Rechtfertigungsfähigkeit ist gem. Art. 108 Abs. 2 S. 1 AEUV die Europäische Kommission; Maßnahmen, die den Tatbestand einer Beihilfe erfüllen, müssen bei der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV angezeigt (notifiziert) und genehmigt werden. Vor einem abschließenden Beschluss der Kommission darf die Maßnahme nach Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV nicht durchgeführt werden (Durchführungsverbot).18 Dabei erlauben die in der Praxis kaum einschlägigen Ausnahmen des Art. 107 Abs. 2 AEUV Beihilfen aus nichtwirtschaftlichen Motiven, nämlich Ausnahmen aus sozialen Gründen (lit. a – soziale Beihilfen an einzelne Verbraucher) oder Beihilfen wegen allgemeinen besonderen Umständen, die außerhalb der Sphäre des Wirtschaftslebens liegen (lit. b – Beihilfen zur Beseitigung von Schäden durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse; lit. c – Beihilfen, die Nachteile, die aus der Teilung Deutschlands resultieren, ausgleichen). Gegenleistung zur Verwirklichung von im öffentlichen Interesse liegenden Ziele, s. Ziekow, S. 78 f. 16 Ziekow, S. 130. 17 Unger, Rn. 11 ff. 18 Zum Verfahren Unger, Rn. 56 ff.

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Kap. 1: Einführung

Auch hier ist eine Genehmigungsentscheidung im Wege einer deklaratorischen Feststellung, dass ein Fall des Art. 107 Abs. 2 AEUV vorliegt, erforderlich.19 Die Ermessensausnahmen des Art. 107 Abs. 3 AEUV lassen sich in die groben Kategorien Wirtschaftsförderung (lit. a – Förderung wirtschaftlich unterentwickelter Gebiete; lit. b – Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamen europäischen Interesse und zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats; lit. c – Förderung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete), Kulturförderung (lit. d) und Maßnahmen, die durch politischen Konsens, durch Ratsbeschluss, als vereinbar mit dem gemeinsamen Markt angesehen werden können, (lit. e) einteilen. Zu der Frage, wie die Kommission ihr Ermessen im Rahmen der Prüfung von Art. 107 Abs. 3 AEUV ausübt, hat sie eine Fülle von sog. Unionsrahmen und vor allem von Leitlinien erlassen.20 Es handelt sich dabei um Verwaltungsvorschriften, nicht um verbindliche Gesetzgebungsakte (= Sekundärrecht); sie sind im Prinzip rechtlich unverbindliche Regelwerke ohne Rechtsgrundlage und werden auch Soft Law genannt.21 Sie entfalten aber hinsichtlich der Kommission eine Selbstbindung aufgrund des Grundsatzes der Gleichbehandlung22 und hinsichtlich der Mitgliedstaaten eine faktische Bindung, da sich die Kommission in aller Regel an die in den Leitlinien aufgestellten Genehmigungskriterien hält.23 Die Leitlinien entfalten zudem direkte Bindung für die Mitgliedstaaten, wenn die Kommission sie als zweckdienliche Maßnahme im Sinne des Art. 108 Abs. 1 AEUV definiert und die Mitgliedstaaten den Leitlinien zustimmen.24 Die Leitlinien lassen sich nach Gruppen von Beihilfen einteilen, in Leitlinien für Regionalbeihilfen, die die Rechtfertigungsprüfung nach Art. 107 Abs. 3 lit. a) AEUV ausformen und die zu Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV einzuordnenden Leitlinien für horizontale, also auf ein bestimmtes Förderziel gerichtete Beihilfen25 und Leitlinien für sektorale Beihilfen, also Beihilfen, die die Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige fördern sollen.26 Daneben existieren sog. Gruppenfreistellungsverordnungen der Kommission, die insoweit eine Rechtsetzungsbefugnis durch den Rat der EU gem. Art. 1 VO

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Unger, Rn. 29. Als Oberbegriff wird im Folgenden der Begriff Leitlinien verwendet. 21 Zum Begriff Müller-Graff, EuR 2012, 18. 22 Bartosch, Art. 107 Abs. 3 AEUV, Rn. 4. 23 Bartosch, Art. 107 Abs. 3, Rn. 6. 24 Bartosch, Art. 108, Rn. 1 und Art. 23 VO 2015/1589, Rn. 1 f. 25 Vgl. beispielsweise Mitteilung der Kommission. Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation, ABl. EU vom 27.6. 2014, C 198/1. 26 Ziekow, S. 95; vgl. für sektorale Beihilfen Mitteilung der Kommission. Leitlinien für staatlichen Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3. 20

C. Rechtsanwendung des EU-Beihilfenrechts

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(EG) Nr. 994/98 verliehen bekommen hat.27 Grundlage für diese Ermächtigungsverordnung ist Art. 109 AEUV. Beihilfen, die die in den Gruppenfreistellungsverordnungen aufgeführten allgemeinen und besonderen Voraussetzungen erfüllen, gelten als mit dem Binnenmarkt vereinbar, ohne dass es einer Genehmigung der Kommission bedarf. Die Gruppenfreistellungsverordnungen folgen daher dem sog. Prinzip der Selbstveranlagung. Maßgeblich ist nunmehr die sog. Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO),28 die die vorherigen Gruppenfreistellungsverordnungen zusammenfasst und zudem neue Gruppen von Freistellungen einführt. Das Prüfprogramm der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung besteht im Wesentlichen darin, dass die Beihilfe unter eine der festgelegten Gruppen fallen muss und zudem die allgemeinen Freistellungsvoraussetzungen erfüllen muss, insbesondere müssen bestimmte Schwellenwerte eingehalten werden, die Beihilfe muss transparent sein und es muss ein Anreizeffekt bestehen.29

C. Der Rechtsanwendung des EU-Beihilfenrechts für die Prüfung der Erlaubnisfähigkeit von Beihilfen nach Art. 107 Abs. 3 AEUV zugrundeliegende ökonomische Grundannahmen Im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigungsgründe des Art. 107 Abs. 3 AEUV führt die Kommission eine Abwägungsprüfung durch, bei der kontrolliert wird, ob die positiven Folgen der Förderung die negativen Auswirkungen überwiegen.30 Dabei werden die Rechtfertigungsgründe des Art. 107 Abs. 3 AEUV jedoch nicht als nichtwirtschaftliche Gründe angesehen, die gegenüber dem Schutz des unverfälschten Wettbewerbs abgewogen werden, vielmehr kommt eine Rechtfertigung immer dann in Betracht, wenn die Beihilfe gerade ein besseres Marktergebnis erzielt, ein solches, das unter normalen Umständen der unverfälschte Wettbewerb selbst sicherstellt. Die Kommission hat diesen sog. verbesserten ökonomischen Ansatz („More Economic Approach“)31 in ihrem Konsultationspapier Aktionsplan staatliche Beihilfen32 erläutert. Im Einklang mit der herrschenden 27 Die Änderungen dieser Verordnungen wurden in der Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates vom 13. Juli 2015 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl. EU vom 24.9.2015, L 248/1 kodifiziert. 28 VO (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17.06.2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU L 187/1. 29 Unger, Rn. 35. 30 Bartosch, Art. 107 Abs. 3 AEUV, Rn. 8. 31 Zur Bezeichnung s. Bartosch, Art. 107 Abs. 3 AEUV, Rn. 8. 32 Kommission, Aktionsplan staatliche Beihilfen. Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen, 7.6.2005, KOM (2005) 107 endg.

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Kap. 1: Einführung

ökonomischen Theorie gilt danach für die Wirtschaftspolitik primär die Zielvorgabe der Effizienz, ein Zustand, in dem der Wohlstand der Volkswirtschaft, nicht notwendigerweise die Wohlstandsverteilung sein Optimum erreicht hat. Dieser Zustand wird theoretisch erreicht, wenn ein Markt frei ist, also keine staatlichen Eingriffe und somit keine Wettbewerbsverfälschungen und Handelshemmnisse bestehen. Allerdings ist auch anerkannt, dass es Fälle des sog. Marktversagens gibt, in denen der Markt wegen bestimmten Problemen, die das Funktionieren des Marktmechanismus hindern, diese Zielvorgabe nicht erreicht und kein wirtschaftlich effizientes Ergebnis erzielt wird. Teilweise wird auch von Marktversagen gesprochen, wenn nichtwirtschaftliche Zielvorstellungen nicht erfüllt werden, was aber für die Kommission nicht im Vordergrund steht. In Fällen des Marktversagens ist eine Beihilfe zulässig, um das Marktversagen zu beheben, gegeben, dass die Beihilfe das am besten geeignete Mittel ist, richtig eingesetzt wird und Wettbewerb und Handel nicht in einem Maß verfälscht, das dem Unionsinteresse zuwiderläuft. Beihilfen sollen, gegenüber regulatorischen Instrumenten, nur als zweitbeste Lösung eingesetzt werden und einen Anreiz dahingehend schaffen, dass die geförderten Unternehmen ihr Verhalten ändern. Als Fälle des Marktversagens werden zum einen externe Effekte aufgezählt, Konstellationen in denen die Folgen des Handelns der Wirtschaftsteilnehmer für andere Mitglieder der Gesellschaft nicht im Marktgeschehen und Ergebnis eingepreist sind, etwa Umweltverschmutzung. Ein weiterer Fall sind sog. öffentliche Leistungen, die vom Markt in der Regel nicht bereitgestellt werden, weil niemand von ihrer Nutzung ausgeschlossen werden kann und somit von den Nutzern kein Entgelt verlangt werden kann, z. B. die Landesverteidigung. Bei der Problematik der asymmetrischen Informationen, also der ungleichen Informationsverteilung bei den Marktteilnehmern können z. B. wirtschaftlich unergiebige Transaktionskosten oder Abwicklungsgebühren entstehen und daher ein optimales Marktergebnis verfehlt werden. Weitere Beispiele des Marktversagens sind Abstimmungsprobleme, etwa im Bereich der Normung.33 Der „more economic approach“ bedeutet nicht, dass die Kommission in ihren Entscheidungen jeweils vertiefte ökonomische Analysen vornimmt. Vielmehr hat die Kommission diesen Ansatz dergestalt aufgegriffen, dass darauf basierende, juristisch operable Rechtfertigungskriterien für die Abwägungsprüfung entwickelt wurden, die mittlerweile allen Leitlinien zugrunde liegen.34 Die aus dem Text des Art. 107 Abs. 3 AEUV entwickelte Prüfung folgt also der ökonomischen Theorie. Das Prüfprogramm ist wie folgt gestaltet: In einem ersten Schritt wird geprüft, ob die geplante Beihilfemaßnahme einem genau definierten Ziel von gemeinsamen Interesse (z. B. Wachstum, Beschäftigung, Zusammenhalt, Umwelt) dient. 33 Siehe dazu insgesamt Kommission, Aktionsplan staatliche Beihilfen. Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen, 7.6.2005, KOM (2005) 107 endg., Rn. 21 ff. 34 Bartosch, Art. 107 Abs. 3 AEUV, Rn. 8.

D. Bedürfnis nach einem besonderen beihilfenrechtlichen Rechtsregime

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In einem zweiten Schritt wird danach gefragt, ob das Beihilfeinstrument geeignet ist, das in gemeinsamem Interesse liegende Ziel zu verwirklichen, d.h. ein Marktversagen zu beheben oder ein anderes Ziel zu verfolgen. Dabei wird geprüft, ob die Beihilfe einen Anreizeffekt aufweist, ob sie also geeignet ist, das Verhalten von Unternehmen zu ändern. Es wird insoweit auch geprüft, ob die Beihilfe auch verhältnismäßig ist, ob das Ziel also mit einem geringeren Betrag ebenso erreicht werden könnte. Im dritten Schritt wird geprüft, ob die Verfälschung von Wettbewerb und Handel begrenzt genug sind, so dass die positiven Folgen der Beihilfe die negativen Folgen überwiegen.35

D. Bedürfnis nach einem besonderen beihilfenrechtlichen Rechtsregime außerhalb des Art. 107 Abs. 3 AEUV für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Die Kommission verfolgt, wie dargelegt, im Rahmen der Prüfung des Art. 107 Abs. 3 AEUV einen wirtschaftlichen Ansatz, bei dem Beihilfen dann zulässig sind, wenn sie zur Korrektur von Marktversagen und zur Steigerung der ökonomischen Effizienz taugen. Die definierten Ziele von gemeinsamem Interesse als zulässige Fördertatbestände lassen sich auf Fälle von Marktversagen zurückführen. Es liegt der Rechtfertigungsprüfung somit die Vorstellung zugrunde, dass mit einer Beihilfe als staatlichem Eingriff eine Korrektur des Problems des Marktversagens erreicht wird; dies kommt besonders mit dem Rechtfertigungskriterium des Anreizeffekts zum Ausdruck, da damit verlangt wird, dass mit der Beihilfe eine Verhaltensänderung des geförderten Unternehmens erreicht werden soll. Prinzipiell sollen Beihilfen einen einmaligen Charakter haben, was etwa dadurch zum Ausdruck kommt, dass Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen nur einmalig gewährt werden dürfen36 und beispielsweise bei Beihilfen für Forschung und Entwicklung nur Investitions- und Innovationsbeihilfen und keine Beihilfen für laufende Ausgaben gewährt werden dürfen.37 Eine Beihilfe ist demnach also kein Eingriff in den freien Markt, sondern ein Instrument, um den freien Markt herzustellen. Dieser rein im ökonomischen Effizienzdenken bleibende Ansatz erscheint verkürzt, weil eine längerfristige bzw. dauerhafte Förderung nicht möglich ist und 35

Bartosch, Art. 107 Abs. 3 AEUV, Rn. 8. Mitteilung der Kommission. Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten, ABl. EU vom 31.7.2014, C 249/1. 37 Vgl. Bartosch, Art. 107 Abs. 3 Rn. 135 f. zu Mitteilung der Kommission. Unionsrahmen für staatliche Beihilfen zur Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation, ABl. EU vom 27.6.2014, C 198/1. 36

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Kap. 1: Einführung

zudem von dem Rechtfertigungskonzept der Kommission unter Art. 107 Abs. 3 AEUV Phänomene der Daseinsvorsorge38 nicht umfasst sind. Man könnte die Daseinsvorsorge auch in die Kategorien des Marktversagens einordnen;39 in dem Marktversagenskonzept des verstärkten wirtschaftlichen Ansatzes, der der Prüfung nach Art. 107 Abs. 3 AEUV zugrunde liegt, taucht eine wie auch immer geartete Daseinsvorsorge allerdings nicht auf. Angesichts dessen, dass es für die Daseinsvorsorge, die typischerweise nicht kostendeckende Tätigkeiten umfasst, unabhängig davon, ob diese staatlich oder privat erbracht wird, typischerweise bzw. naturbedingt bzw. begriffsbedingt staatlicher Zuschüsse oder die Gewährung von Sonderrechten bedarf,40 tritt jedoch die (wirtschaftliche) Daseinsvorsorge bzw. treten DAWI41 in Konflikt zum EUBeihilfenrecht.42 Da gem. Art. 106 Abs. 2 AEUV die EU-Wettbewerbsregeln die Erfüllung der dem DAWI-Erbringer übertragenen besonderen Aufgabe nicht rechtlich oder tatsächlich verhindern dürfen, bedarf es, auf diese Vorschrift gestützt, außerhalb der „normalen“ Systematik des EU-Beihilfenrechts Regelungen, unter welchen Bedingungen Beihilfen zugunsten DAWI zulässig sind: Der außerhalb der beihilfenrechtlichen Vorschriften stehende Art. 106 Abs. 2 AEUV muss in die beihilfenrechtliche Prüfung einbezogen werden, da das EU-Beihilfenrecht für DAWI anwendbar ist und die „normalen“ beihilfenrechtlichen Rechtfertigungsregeln und der dahinter stehende Ansatz die Besonderheiten von DAWI nicht abbilden. Die Entwicklung der Bedingungen für die Erbringung von Beihilfen für DAWI wird angesichts der durch die Kommission im Rahmen des Almunia-Pakets gesteckten Ziele der Schaffung von mehr Rechtsklarheit und der Gewährleistung eines verstärkt wettbewerblichen, zugleich jedoch differenzierenden Ansatzes untersucht.

E. Die Regeln für DAWI-Beihilfen: Almunia-Paket und aktuelle Entwicklungen Aktuelle Entwicklungen machen die Beschäftigung mit den Voraussetzungen, hinsichtlich der Beihilfen für DAWI unionsrechtskonform erbracht werden kön38 Im Französischen spricht man von „service public“, s. Emmerich, S. 234 und im Englischen von public services, s. Szyszczak, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 4. 39 Siehe Leupold, S. 204 f., die Fälle der Daseinsvorsorge bzw. der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse als partielles Marktversagen einordnet, da die entsprechenden Güter teils einen öffentlichen, teils einen privaten Charakter haben. 40 Vgl. hierzu Szyszczak, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 4 f. 41 Neben Art. 106 Abs. 2 AEUV sind diese nunmehr auch in Art. 14 AEUV, dem Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse und in Art. 36 der Grundrechtecharta geregelt. 42 Im Hinblick auf die Ausweitung von Monopolen ist auch das Kartellrecht einschlägig, Emmerich, S. 228.

E. Almunia-Paket und aktuelle Entwicklungen

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nen, interessant, jenseits der in der Rechtswissenschaft bisher erbrachten Analysen.43 Zunächst steigt das Bedürfnis für Ausnahmen vom Beihilfenverbot für DAWIBeihilfen wegen einer immer extensiveren Auslegung des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Die Kommission war schon seit jeher bestrebt, den Anwendungsbereich des EUBeihilfenrechts auszudehnen; der EuGH hat dies durch eine extensive Auslegung des Art. 107 Abs. 1 AEUV mitgetragen, so dass im Grundsatz weder die Art der Beihilfe noch die damit verfolgten Ziele, etwa insbesondere die Daseinsvorsorgeförderung die Qualifizierung einer Maßnahme als Beihilfe hindern.44 Allerdings haben sich in jüngerer Zeit Entwicklungen ergeben, die den Anwendungsbereich des EU-Beihilfenrechts gerade im Bereich der Daseinsvorsorge nochmals ausdehnen, was die Relevanz von Ausnahmetatbeständen weiter erhöht. Dies betrifft zunächst das in Art. 107 Abs. 1 AEUV verankerte Merkmal, dass das Beihilfenrecht nur im Hinblick auf die Förderung von Unternehmen gilt. Unter Unternehmen wird jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit umfasst, unabhängig von ihrer Rechtsform und Finanzierung.45 Dabei ist eine wirtschaftliche Tätigkeit jegliche Tätigkeit, die darin besteht, Güter und Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten,46 auf einen Erwerbszweck, ob sich die Tätigkeit also rechnet, kommt es nicht an.47 Hoheitliche Tätigkeiten zählen mithin nicht als wirtschaftliche Tätigkeit, es ist aber bei jeder betrachteten Einheit jede einzelne Tätigkeit zu beurteilen, eine Gesamteinordnung als Nicht-Unternehmen kommt daher auch dann nicht in Betracht, wenn die Einheit neben wirtschaftlichen Tätigkeiten einzelne oder sogar im Schwerpunkt genuin hoheitliche Tätigkeiten wahrnimmt.48 An die Definition der wirtschaftlichen Tätigkeit anknüp43 Vgl. nur die einschlägigen Dissertationen, die chronologisch geordnet sind, beginnend mit dem aktuellsten Werk: Schnabel, Öffentliche Unternehmen in der Europäischen Union, 2014; Malek, Daseinsvorsorge und europäisches Beihilfenrecht, 2013; Dietrich, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, 2012; Bußmann, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse unter Berücksichtigung des Vertrages von Lissabon, 2009; Czerny, Die beihilfenrechtliche Beurteilung der staatlichen Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, 2009; Bauer, Die mitgliedstaatliche Finanzierung von Aufgaben der Daseinsvorsorge und das Beihilfeverbot des EG-Vertrages, 2008; Jennert, Zum Verhältnis von europäischem Beihilfenrecht und mitgliedstaatlicher Daseinsvorsorge 2005; s. auch die Habilitationsschrift von Krajewski, Grundstrukturen des Rechts öffentlicher Dienstleistungen, 2011. 44 Bungenberg, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Überblick und Anwendungsbereich, Rn. 9 ff. 45 EuGH, U. v. 23.4.1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979 Rn. 21 – Höfner & Elser, st. Rspr.; Bartosch, Einleitung, Rn. 24. 46 EuGH, U. v. 12.9.2000, verb. Rs. C-180/98 bis C-184/98, Slg. 2000, I-6451, Rn. 75 – Pavel Pavlov, st. Rspr.; Bartosch, Einleitung, Rn. 24. 47 EuGH, U. v. 16.11.1995, Rs. C-244/94, Slg. 1995, I-4013, Rn. 21 – Fédération française des societies d’assurance. 48 EuGH, U. v. 1.7.2008, Rs. C-49/07, Slg. 2008, I-4863, Rn. 25 – MOTOE.

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Kap. 1: Einführung

fend, urteilte das Gericht erster Instanz der Europäischen Union (EuG) kürzlich, dass auch Tätigkeiten, die von dem betreffenden Mitgliedstaat bzw. einer ihm zuzurechnenden Gebietskörperschaft nicht oder nur eingeschränkt dem Wettbewerb geöffnet sind, unternehmerische Tätigkeiten darstellen; es genüge, dass in benachbarten Gebieten ein Wettbewerb besteht, weil die Tätigkeit dort durch Ausschreibungen für Privatunternehmen geöffnet ist; allerdings kam bei dem Fall noch hinzu, dass das fragliche öffentliche Unternehmen selbst am Wettbewerb in benachbarten Gebieten teilgenommen hat.49 Die Kommission nimmt das Kriterium der Erbringbarkeit durch Privatunternehmen in ihrer Praxis auf und deutet dies, noch weitgehender so, dass, auch wenn eine Tätigkeit nicht für den Wettbewerb geöffnet ist bzw. verwaltungsintern erbracht wird, sie eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen kann, wenn Private interessiert und in der Lage wären, eine derartige Tätigkeit zu erbringen.50 Im Prinzip wären damit sehr viele Tätigkeiten innerhalb der öffentlichen Verwaltung, etwa auch interne Beratungsteams, außerhalb genuin hoheitlicher Tätigkeiten wie der Armee, Polizei oder Justiz,51 geeignet, als unternehmerische Tätigkeit eingeordnet zu werden.52 Für den DAWIBereich ist in Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal weiter relevant, dass, wie erwähnt, zu der unternehmerischen Tätigkeit nach der Rechtsprechung des EuGH53 – wegen der Verbindung mit dem späteren Betrieb – nunmehr auch der Bau bzw. Ausbau von Flughafeninfrastruktur eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt; die Kommission hat dies aufgegriffen und sieht nun generell die Finanzierung von Infrastrukturen in ihrer Praxis als unternehmerische Tätigkeit an, entgegen ihrer früheren Ansicht, wonach der Bau und Ausbau von Infrastrukturanlagen eine allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme sei, die nicht der Beihilfenkontrolle unterstehe.54 Allerdings soll nicht kommerziell genutzte Infrastruktur, etwa Infrastruktur für hoheitliche Zwecke oder Infrastruktur, die nicht dem Anbieten von Waren und Dienstleistungen dient wie unentgeltlich der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte Straßen keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen; besteht bei einer kommerziell genutzten Infrastruktur kein Wettbewerb, etwa bei Netzen oder natürlichen Monopolen, sei das Beihilfenverbot mangels Wettbe49 EuG, U. v. 16.7.2014, Rs. T-309/12, Slg. 2014, II-676, Rn. 68 ff.; Soltész, EuZW 2015, 127. 50 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU v. 19.7.2016, C 262/1, Ziffer 14. 51 Siehe Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU v. 19.7.2016, C 262/1, Ziffer 14. 52 Soltész, EuZW 2015, 127, 130. 53 EuGH, U. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, juris – Flughafen Leipzig/Halle Rn. 38 ff. 54 Bartosch, Einleitung, Rn. 29 und nunmehr Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU v. 19.7.2016, C 262/1, Ziffer 202.

E. Almunia-Paket und aktuelle Entwicklungen

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werbsverfälschung nicht einschlägig.55 Das Unionsrecht kennt dabei keine einheitliche Definition des Infrastrukturbegriffs; man kann Infrastrukturen aber als materiellen und organisatorischen Rahmen für eine Vielzahl von Nutzungsvorgängen begreifen.56 Es ergibt sich somit eine Parallele zur Daseinsvorsorge, wenn mit der Infrastruktur ein Gemeinwohlbezug verfolgt wird. Diese Entwicklungen werfen daher die Frage nach Ausnahmen vom Beihilfenrecht auf, nicht nur weil das Beihilfenrecht somit in Rechtsbereichen, in denen die Union keine Zuständigkeit hat, Strukturvorgaben machen kann57 und mit der Einbeziehung staatlich erbrachter Tätigkeiten in den Unternehmensbegriff geeignet ist, Vorgaben für die strukturelle Ordnung der staatlichen Wirtschaftsordnung zu machen; die Kommission wäre auch schlicht überlastet, sämtliche Fälle zu untersuchen, in denen das EU-Beihilfenrecht zur Anwendung kommt,58 zumal nach einem Bericht des Europäischen Rechnungshofes die Kommission ihrer Prüf- und Überwachungspflicht, auch wegen mangelnder Ressourcen, nicht ausreichend nachkommt.59 Weiterhin sollten diese Entwicklungen nicht dazu führen, dass eine Vielzahl von Fällen von geringer Bedeutung dem Beihilfenrecht unterfällt, weil dann die Kosten für die Rechtmäßigkeitskontrolle den mit der Regelung verfolgten Zweck nicht mehr rechtfertigen.60

55 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU v. 19.7.2016, C 262/1, Ziffer 203 und 211. 56 Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppe Infrastruktureinrichtungen, Rn. 630 ff. Der Autor nennt als Beispiele Verkehrsinfrastrukturen (Straßen, Eisenbahn, Wasserstraßen, See- und Flughäfen), Wasserleitungen, Abfallentsorgung, Energieversorgung, Telekommunikationsnetze und zusätzlich Bildungseinrichtungen, kulturelle Einrichtungen, Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge, der Kultur und des Tourismus und Sportstätten. 57 Seidenspinner/Matthias, IR 2013, 71. 58 Dieser Gedanke kommt etwa durch die Ausweitung der Selbstveranlagung im Hinblick auf eine Vereinbarkeitsprüfung mit dem gemeinsamen Markt durch Gruppenfreistellungsverordnungen zum Ausdruck, die eine Konzentration der Vereinbarkeitsprüfung auf die problematischen Fälle ermöglichen soll, vgl. Heinrich, in: Birnstiel/ Bungenberg/Heinrich, Verordnung (EG) Nr. 800/2008, Überblick, Rn. 66. 59 Europäischer Rechnungshof, Sonderbericht Nr. 15/2011, Ist durch die Verfahren der Kommission eine wirksame Verwaltung der Kontrolle staatlicher Beihilfen gewährleistet?; s. dazu auch Rixen, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Verantwortung für Gesundheit und Pflege, S. 105, 126. 60 Vgl. zum Gedanken, dass sich Rechtsregeln auch ökonomisch rechnen müssen Leschke, in: Fehling, Regulierungsrecht und Fehling, VerwArch 95 (2004), 443; diese Erwägungen greifen letztlich auch die Bagatellverordnungen, die sog. De-minimis-VO, Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen, ABl. EU vom 24.12.2013, L 352/1. und die sog. DAWI-De-minimis-VO, Verordnung (EU) Nr. 360/2012 der Kommission vom 25. April 2012 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleis-

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Kap. 1: Einführung

Auch hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen für die Erbringung von DAWI-Beihilfen bestehen mit dem eingangs angesprochenen Almunia-Paket aktuelle Entwicklungen: Im Beihilfenrecht finden DAWI auf zweierlei Ebenen Beachtung. Zum einen unterfallen seit der grundlegenden Altmark-Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2003 Ausgleichszahlungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen – dieser Begriff wird synonym zu DAWI verwendet61 – bei Vorliegen von vier kumulierten Voraussetzungen nicht dem Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV und damit auch nicht der Anmeldepflicht des Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV.62 Diese Entscheidung beendete die, auch zwischen Kommission und EuG intensiv geführte Debatte, ob derartige Fälle generell dem Beihilfentatbestand unterfallen und nur im Wege der Rechtfertigung, nach Prüfung durch die Kommission, als erlaubt gelten können (Rechtfertigungslösung) oder schon nicht dem Beihilfentatbestand unterfallen, insofern zugunsten der letzteren Lösung, auch Tatbestandslösung genannt, dass Ausgleichszahlungen, die gewisse Kriterien erfüllen, keiner Rechtfertigung bedürfen, da sie nicht Art. 107 Abs. 1 AEUV unterfallen. Die Kommission antwortete auf die Altmark-Rechtsprechung mit dem sog. Monti-Paket – nach dem damaligen Wettbewerbskommissar benannt – in dem sie festlegte, nach welchen Kriterien sie die Rechtfertigungsprüfung gem. Art. 86 Abs. 2 EGV (nun Art. 106 Abs. 2 AEUV) für die Beihilfen vornimmt, die die im Verhältnis strikteren Altmark-Kriterien nicht erfüllen; dies ist die zweite Ebene, auf denen DAWI berücksichtigt werden.63 Das Monti-Paket enthielt zum einen die sog. Freistellungsentscheidung64; Maßnahmen, die in deren Anwendungsbereich fielen und die festgelegten Kriterien erfüllen, galten per se als mit dem Binnenmarkt vereinbar und waren von einer Anmeldepflicht freigestellt.65 Zum anderen enthielt es den sog. Gemeinschaftsrahmen,66 der Kriterien für die Rechtfertigungsprüfung für Beihilfen außerhalb des Anwendungsbereichs der Freistellungsentscheidung enthielt. Das 2011/12 verabschiedete Almunia-Paket sieht als Ablösung der Freistellungsentscheidung den sog. Freistellungsbeschluss oder DAWI-Beschluss vor.67 Der EU-Rahmen oder DAWI-Rahmen68 ist der Nachfoltungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbringen, ABl. EU vom 26.4.2012, L 114/8, auf. 61 EuG, U. v. 12.2.2008, Rs. T-289/03, Slg. 2008, II-81, Rn. 158–160 – BUPA. 62 EuGH, U. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747 – Altmark. 63 Zum Ganzen Szyszczak, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 7 ff. 64 Entscheidung der Kommission vom 28. November 2005 über die Anwendung von Artikel 86 Absatz 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt werden, ABl. EU vom 29.11.2005, L 312/67. 65 Art. 1 der Freistellungsentscheidung. 66 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden, ABl. EU vom 29.11.2005, C 397/4. 67 Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrages über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des

E. Almunia-Paket und aktuelle Entwicklungen

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ger des Gemeinschaftsrahmens. Seine Anforderungen sind etwas strikter als die im Gemeinschaftsrahmen. Daneben enthält das Paket eine Mitteilung zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, in der die Kommission aus ihrer Sicht die Voraussetzungen einer Beihilfe und das Wesen von DAWI zusammenfasst, die sog. DAWI-Mitteilung.69 Weiterhin wurde 2012 die sog. DAWI-Deminimis Verordnung erlassen, die bis zu einem Betrag von 500.000 EUR gilt.70 Das Paket wird durch zwei weitere Dokumente ergänzt: Zum einen durch den sog. Qualitätsrahmen71, der einige für DAWI und für nicht wirtschaftliche Dienste, sog. Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wichtige Schlüsselbegriffe und die dem Paket zugrunde liegende Politikstrategie erläutert;72 zum anderen durch einen DAWI-Leitfaden73, der als Frequently Asked Question-Handreichung gestaltet ist und die Bestimmungen der einzelnen Dokumente des Almunia-Pakets kommentiert. Diese Arbeit geht über die bisherigen Darstellungen zum Almunia-Paket74 hinaus, analysiert und bewertet die Regelungen vertieft, bezieht zwischenzeitliche

Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, ABl. EU vom 11.1.2012, L 7/3. 68 Mitteilung der Kommission. Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, ABl. EU vom 11.1.2012, C 8/15. 69 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, ABl. EU vom 11.1.2012, C 8/4. 70 Verordnung (EU) Nr. 360/2012 der Kommission vom 25. April 2012 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbringen, ABl. EU vom 26.4.2012, L 114/8. 71 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Ein Qualitätsrahmen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Europa, KOM (2011) 900 endgültig. 72 Zu den Bestandteilen des DAWI-Pakets (ohne den DAWI-Leitfaden) und den entsprechenden Bezeichnungen s. auch Rixen, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Verantwortung für Gesundheit und Pflege, S. 105, 112 f. 73 Kommission, Leitfaden zur Anwendung der Vorschriften der Europäischen Union über staatliche Beihilfen, öffentliche Aufträge und den Binnenmarkt auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse und insbesondere auf Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse, SWD (2013) 53 final/2. 74 Siehe etwa Deuster/Seidenspinner, IR 2012, 52; Duscher/Lang-Hefferle, Gemeindehaushalt 2012, 63; Gehler, KommPrax Spezial 2012, 26; Hirsbrunner, EuZW 2011, 742; Jääskinen, EStAL 2011, 599; Pauly, DVBl. 2012, 1269; Pesaresi et al., The New State Aid Rules for Services of General Economic Interest (SGEI), Competition policy newsletter 2012; Rixen, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Verantwortung für Gesundheit und Pflege, S. 105; Sinnaeve, EStAL 2012, 347; Sonder, BayVBl 2013, 347.

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Kap. 1: Einführung

Rechtsentwicklungen mit ein und zeigt Konsequenzen der Anwendung der Regelwerke für ausgewählte Beispiele der Rechtspraxis auf.

F. Das Recht der DAWI-Beihilfen: Das von der Kommission avisierte klare, verhältnismäßige und diversifizierte Rechtsregime? – Untersuchung anhand der Referenzfelder des Krankenhaus- und des Flughafenmarktes Wie eingangs dargestellt, wird bewertet, inwieweit das Recht der DAWI-Beihilfen sich im Hinblick auf die mit der Kommission mit dem Almunia-Paket avisierten Zielvorgaben weiterentwickelt hat. Diese wurden auf Grundlage des öffentlichen Konsultationsprozesses zum Monti-Paket, zu dessen Durchführung die Kommission nach Art. 25 des Gemeinschaftsrahmens und Art. 9 der Freistellungsentscheidung verpflichtet war und der 2010 abgeschlossen war, herausgearbeitet. In den Konsultationsprozess flossen die Berichte der Mitgliedstaaten sowie sonstiger Interessenvertreter, u. a. von Erbringern von DAWI bzw. Dachorganisationen ein.75 Wesentlicher Kritikpunkt war insoweit der – etwas nach einem Wunsch zur Befreiung von den Vorgaben des Beihilfenrechts klingende – Wunsch nach Klarstellung im Hinblick auf einige im Zusammenhang mit DAWI bedeutsame Schlüsselkonzepte, die allerdings teils nicht die im Monti-Paket geregelten Rechtfertigungsvoraussetzungen betreffen, sondern das Primärrecht, das Beihilfeverbot nach Art. 107 Abs. 1 AEUV und den Begriff der DAWI nach Art. 106 Abs. 2 AEUV. Im Einzelnen soll der Begriff des Unternehmens, der Handelsbeeinträchtigung, der Begriff der DAWI, der Begriff der Betrauung, die Höhe der Ausgleichsleistungen, das sog. vierte Altmark-Kriterium (Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Auswahl des Dienstleistungserbringers) und das Zusammenspiel zum Vergaberecht und anderen sektorspezifischen Rechtsinstrumenten geklärt werden;76 da die Kommission nicht Gesetzgeber ist und die letztgültige Rechtsauslegung des Primärrechts nach Art. 19 EUV dem EuGH obliegt, liegt es allerdings auf der Hand, dass die Kommission dem nur begrenzt nachkommen kann. Ein wesentliches Ergebnis des Konsultationsprozesses war weiterhin, dass zwischen DAWI, die von lokalen Behörden organisiert werden und sozialen DAWI 75 Kommission, Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Anwendung der EU-Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse seit 2005 und die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation, SEC (2011) 397, Ziffer 4. 76 Kommission, Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Anwendung der EU-Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse seit 2005 und die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation, SEC (2011) 397, Ziffer 4.3.

F. Ein klares, verhältnismäßiges und diversifiziertes Rechtsregime?

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auf der einen Seite und DAWI bei sog. umfangreichen, kommerziellen Diensten, die durch große Marktteilnehmer, die auf nationaler oder supranationaler Ebene tätig sind, erbracht werden, unterschieden werden müsse. In letzteren Bereichen, zu denen der Verkehrssektor, der Telekommunikationssektor, der Postsektor und der Energiesektor gerechnet wird, gelten zudem häufig sektorspezifische Beihilfevorschriften oder allgemeine Wettbewerbs- oder Liberalisierungsvorschriften. Bei der ersteren Fallgruppe war Ergebnis des Konsultationsprozesses der Wunsch nach einer verstärkten Berücksichtigung der Belange von Sozialdienstleistungen durch eine Freistellung von der Anmeldepflicht und die Befreiung von durch lokale Behörden zur Verfügung gestellten Dienstleistungen vom EU-Beihilfenrecht durch eine neue De-minimis-VO, da insgesamt nur geringe Auswirkungen auf Handel und Wettbewerb zu befürchten seien. Anders sei dies bei den umfangreichen kommerziellen Diensten, bei denen aufgrund möglicher Wettbewerbsverzerrungen eine Freistellung nicht in Betracht käme und eine Effizienzprüfung hinsichtlich der gezahlten Ausgleichsleistungen vorgesehen sein sollte.77 Die Kommission hat diese Kritik aufgenommen und sich bei der Verabschiedung des Altmark-Pakets einerseits zum Ziel gesetzt, damit mehr Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen,78 andererseits einen diversifizierten und verhältnismäßigen Ansatz zu verfolgen, der der Natur der jeweiligen DAWI Rechnung trägt. Dabei soll es für kleine DAWI lokaler Natur mit geringen Auswirkungen auf den Binnenmarkt und für bestimmte soziale Dienste zu einer Vereinfachung kommen, während bei großen, kommerziellen Diensten ein größeres Augenmerk auf die Prüfung von Effizienz und von wettbewerblichen Aspekten gelegt wird. Während das Ziel der Schaffung von mehr Rechtssicherheit durch die Klarstellung von Schlüsselkonzepten in der neuen DAWI-Mitteilung, durch die DAWIDe-minimis-VO und durch den DAWI-Beschluss (Befreiung von der Anmeldepflicht bei Einhaltung „schlanker“ Freistellungsvoraussetzungen) erreicht werden soll, stehen für den verhältnismäßigen, diversifizierten Ansatz einerseits verschärfte Rechtfertigungsvoraussetzungen für große, kommerzielle Dienste im DAWI-Rahmen, andererseits der DAWI-Beschluss mit lockererem Rechtfertigungsregime für Fälle in seinem, im Vergleich zur Vorläuferregelung größer gezogenen Anwendungsbereich.79 77 Kommission, Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Anwendung der EU-Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse seit 2005 und die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation, SEC (2011) 397, Ziffer 4.3 und 5. 78 Siehe Qualitätsrahmen, S. 6 und den auf den Seiten der Kommission zum Almunia-Paket bereitgestellten Artikel der Kommissionsbeamten Pesaresi/Sinnaeve/GuigeKoeppen/Wiemann/Radulescu, The New State Aid Rules for Services of General Ecomomic Interest, http://ec.europa.eu/competition/publications/cpn/2012_1_9_en.pdf (letzter Abruf: 29.4.2019). 79 Pesaresi et al., a. a. O. und explizit zu den Zielvorstellungen der Kommission Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den

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Kap. 1: Einführung

Dabei schließt die Zielvorgabe der Schaffung von mehr Rechtsklarheit- und Rechtssicherheit und der damit verbundene Wunsch nach Vereinfachung die Frage der praktischen Handhabbarkeit ein80: Die rechtlichen Regeln sollten mit angemessenem Umsetzungsaufwand und Verwaltungsaufwand umgesetzt werden können. Der Aufwand muss in angemessenem Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen. Außerdem ist zu prüfen, ob die beihilfenrechtlichen Regeln für bestimmte DAWI überhaupt Lösungen zulassen. Beispielsweise ist die durch den DAWIRahmen erforderliche Deckelung der zulässigen Ausgleichszahlung auf die Kosten, die einem durchschnittlichen und gut geführten Unternehmen entstehen würden häufig nur unter hohem Aufwand möglich, zudem ist dieses Kostenniveau durch öffentliche oder im Bereich der Daseinsvorsorge tätige private Unternehmen häufig nur schwer zu erreichen.81 Die Zielvorstellung des Wettbewerbsschutzes muss mit diesen Zielvorgaben in Einklang gebracht werden. Vor dem Blickwinkel des Wettbewerbsschutzes betrachtet, ist es Idealzustand, dass DAWI-Beihilfen nur dort zulässig sind, wo der freie Markt eine Versorgungsaufgabe nicht erfüllen kann; bei Zulässigkeit von DAWI-Beihilfen sollten die Regeln für die Rechtfertigung unnötige Wettbewerbsstörungen vermeiden. Die vorliegende Untersuchung setzt einen Schwerpunkt auf das Almunia-Paket, also im Schwerpunkt Fragen der Rechtfertigung von Beihilfen für DAWI, bezieht jedoch das gesamte EU-Beihilfenrecht für DAWI in die Untersuchung mit ein, mithin insbesondere auch Fragen des Vorliegens des Beihilfentatbestandes nach Art. 107 Abs.1 AEUV. Dies dient zum einen der vollständigen Abbildung des Problemkreises, zum anderen auch der Einbeziehung von späteren Entwicklungen sowohl hinsichtlich des Beihilfentatbestandes als auch der Rechtfertigungsprüfung. Dabei werden die treffenden, auf einem vertieften Konsultationsprozess beruhenden Zielvorgaben der Kommission bei Verabschiedung des Almunia-Pakets auf den gesamten Untersuchungsgegenstand übertragen. Es wird insofern nicht verkannt, dass der Kommission im Hinblick auf Art. 107 Abs. 1 AEUV keinerlei Rechtsetzungskompetenz zukommt und die Auslegungshoheit der Gerichtsbarkeit zukommt. Für im Hinblick auf die vorgestellten Zielvorgaben bestehende Defizite in diesem Bereich trägt die Kommission im Rahmen ihrer Anwendung des Art. 107 Abs. 1 AEUV daher keine primäre Verantwortung, wenngleich die Kommission über die erwähnten Instrumente DAWI-Mitteilung und Bekanntmachung zum Beihilfenbegriff, in denen sich die Kommission zur Auslegung des Art. 107 Abs. 1 AEUV auch für Konstellationen, in denen noch Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 23.3.2011, KOM (2011) 146 endg. 80 Deuster/Seidenspinner, IR 2012, 52, 54 kritisieren insoweit, dass es häufig Schwierigkeiten gäbe, den erforderlichen, hinreichend klar definierten Betrauungsakt zu definieren. 81 Deuster/Seidenspinner, IR 2012, 52, 55 f.

F. Ein klares, verhältnismäßiges und diversifiziertes Rechtsregime?

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keine Rechtsprechung existiert, äußert, versucht, insoweit die Rechtsentwicklung und Rechtsanwendung zu prägen. Zur Entfaltung der Problemstellung wird zunächst der abstrakte Rechtsstand im EU-Beihilfenrecht für DAWI analysiert, sodann werden zwei Referenzfelder, der deutsche Krankenhausmarkt und der deutsche Flughafenmarkt untersucht, um die Verwirklichung der dargelegten Zielvorstellungen in der Praxis zu bewerten, insbesondere im Hinblick auf die Frage der beihilfenrechtlichen Rechtfertigung unter dem Almunia-Paket, welche den Schwerpunkt der jeweiligen Problematik darstellt. Die Auswahl dieser beiden aus verschiedenen Lebensbereichen stammenden Gebiete ist trotz ihrer Unterschiede bewusst gewählt: Sie stehen zum einen in sachlicher Hinsicht stellvertretend für Infrastrukturen, die zentrale Bedarfe moderner Gesellschaften im Blick haben, die Gesundheitssicherung als Teilaspekt sozialer Sicherung und den Anschluss an andere Regionen der EU und der Welt als Teilaspekt von Mobilitätsgewährleistung; zugleich taucht in beiden Bereichen in ähnlicher Weise das Phänomen von Überkapazitäten aus möglicherweise regionalpolitischen Motiven auf und somit jeweils die Problematik, rechtlich mit diesem Phänomen umzugehen. Zum anderen dient die Auswahl dazu, die Frage nach der Weiterentwicklung des EU-Beihilfenrechts für DAWI, insbesondere im Hinblick auf das Almunia-Paket vollständig zu entfalten: Eine der wesentlichen Zielvorstellungen der Kommission bei Verabschiedung des AlmuniaPakets war die der Diversifizierung. Nach der Vorstellung der Kommission gilt es zwischen lokalen und sozialen DAWI sowie DAWI geringeren Umfangs einerseits und größeren DAWI kommerzieller Natur andererseits zu trennen. Beihilfen für DAWI aus der ersteren Gruppe sollen von den erleichterten, einfacheren Rechtfertigungsvoraussetzungen des Freistellungsbeschlusses profitieren und somit von der Anmeldepflicht freigestellt sein, da von ihnen nur ein geringes Ausmaß an Wettbewerbsstörungen ausginge. Potentiell stärker wettbewerbsstörende Beihilfen für DAWI aus der zweiten Gruppe sollen der Rechtfertigungsprüfung unter dem DAWI-Rahmen unterliegen, der einen stärker wettbewerblichen Ansatz verfolgt. Die Analyse eines Referenzgebietes aus jeder Gruppe – Krankenhäuser als Anwendungsfall des Freistellungsbeschlusses, Flughäfen82 als Anwendungsfall des DAWI-Rahmens83 – ermöglicht die Beurteilung, ob die Diversifizierungsstrategie gelungen ist – für die jeweilige Fallgruppe und im Vergleich bzw. Kontrast der beiden Fallgruppen zueinander. Aus den einzelnen Fallgruppen 82 Die Kommission nennt als weitere Beispiele für kommerzielle Tätigkeiten mit häufig unionsweiter Dimension, bei denen häufig DAWI eine Rolle spielen, die Bereiche Verkehr, Telekommunikation, Energieversorgung und Post. In diesen Bereichen existieren häufig sektorspezifische Vorschriften des Unionsrechts, auch sektorspezifische beihilfenrechtliche Vorschriften, s. Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 23.3.2011, KOM (2011) 146 endg. 83 Für Kleinflughäfen bis 200.000 Passagiere pro Jahr gilt der Freistellungsbeschluss, s. dort Art. 2 Abs. 1 e).

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Kap. 1: Einführung

ist der Krankenhausmarkt bzw. der Flughafenmarkt ein jeweils sehr geeignetes Beispiel wegen der jeweiligen wirtschaftlichen Dimension, vor allem aber wegen der jeweiligen involvierten, überwiegend ungelösten bzw. unbefriedigend gelösten Rechtsfragen von für das EU-Beihilfenrecht für DAWI übergreifender Bedeutung, die in dieser Arbeit einer Klärung zugeführt werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Definition einer DAWI, die beihilfenrechtliche Einordnung von Förderung für Infrastruktur (beide Referenzfelder) sowie die beihilfenrechtliche Einordnung der Förderung lokaler bzw. sozialer Dienste (Krankenhausmarkt). Diese Fragestellungen sind von hohem praktischem Interesse und wurden bisher gerade in den gewählten Referenzfeldern aufgeworfen. Dies belegt die Tatsache, dass hinsichtlich der Fallgruppe der sozialen bzw. lokalen DAWI gerade zum Krankenhausmarkt Behörden- und Gerichtsverfahren existieren. Auch im Bereich der großen, kommerziellen Dienste existieren gerade im Flughafensektor eine Reihe von Verfahren. Dass die Förderung von Infrastruktur Art. 107 Abs. 1 AEUV unterliegen kann, wurde gerade im Hinblick auf Flughafeninfrastruktur entschieden. Die in der Arbeit gewonnen Ergebnisse lassen sich schließlich auf vergleichbare Konstellationen übertragen.

G. Der Krankenhausmarkt als Referenzfeld Die Untersuchung fokussiert zunächst auf den Krankenhausmarkt in Deutschland. Zweierlei Konstellationen interessieren hier, zum einen der sog. Defizitausgleich zugunsten Krankenhäusern mit kommunalen Trägern durch den Träger im Verhältnis zu Krankenhäusern anderer Trägergruppen, die auf diese Finanzierungsquelle regelmäßig nicht zurückgreifen können,84 zum anderen Vorteile von Krankenhäusern, die in der ambulanten Gesundheitsversorgung tätig sind, gegenüber ambulant tätigen niedergelassenen Ärzten durch den angesprochenen Defizitausgleich85 und die zusätzliche Investitionsförderung für Krankenhäuser aus Landesmitteln.86 Die Rechtsfragen, ob diese Phänomene beihilfenrechtlich zulässig sind, sind letztlich ungeklärt, obwohl gerade bei Krankenhäusern, dem umsatzstärksten Bereich sozialer Dienstleistungen, einige Fälle zu diesen Fragestellungen existieren. Ihre Beantwortung dient der Analyse der Frage der Weiterentwicklung der DAWI im Bereich der sozialen Dienstleistungen bzw. des Freistellungsbeschlusses.

I. Der sog. Defizitausgleich Mit dem Defizitausgleich ist der Ausgleich eines Betriebskostendefizits durch den Träger des jeweiligen Krankenhauses gemeint. Bzgl. der Beschreibung dieses 84 85 86

Zur Problematik Heise, EuZW 2015, 739. Hierzu König/Paul, EuZW 2009, 844. Hierzu Seitz, S. 272.

G. Der Krankenhausmarkt als Referenzfeld

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Phänomens herrscht einige Verwirrung. Richtigerweise ist nicht von einem Defizitausgleich zugunsten Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft,87 sondern von einem Defizitausgleich zugunsten Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft88 zu sprechen: Bei dem Defizitausgleich handelt es sich nicht um eine reguläre Krankenhausfinanzierung bzw. eine (direkte) Vergütung als Gegenleistung für medizinische Leistungen, so dass sich Maßnahmen des Defizitausgleichs schwer kategorisieren oder statistisch erfassen lassen. Dennoch handelt es sich um ein Phänomen, welches angesichts der einschlägigen Veröffentlichungen und der einschlägigen Gerichts- und Behördenverfahren gehäuft auftritt und, etwa gegenüber Einzelbürgschaften oder anderen denkbaren Einzelmaßnahmen geradezu typisch ist. Gemeint sind dabei Maßnahmen ausschließlich an Krankenhäuser im Rechtssinn (§ 2 Nr. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes KHG), also Einrichtungen der stationären medizinischen Versorgung im Rahmen der Akutmedizin oder Geburtshilfe zur Versorgung der Bevölkerung, in denen die Patienten zugleich untergebracht werden.89 Nicht gemeint sind Krankenhäuser der gesetzlichen Unfallversicherung und der Träger der allgemeinen Rentenversicherung (§ 3 Nr. 4 KHG) und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen der Krankenkassen90 nach § 107 Abs. 2 SGB V; diese dienen nicht primär der allgemeinen Gesundheitsversorgung im Rahmen der Akutmedizin, sondern greifen beispielsweise ein, um den Erfolg einer Krankenhausbehandlung zu sichern und zu festigen, s. etwa § 107 Abs. 2 Nr. 2 SGB V für die Rehabilitationseinrichtungen der gesetzlichen Krankenkasse. Ebenfalls nicht umfasst sind Gefängnis- und Polizeikrankenhäuser (§ 3 Nr. 2, 3 KHG) und Bundeswehrkrankenhäuser, die nicht primär der allgemeinen Versorgung der Bevölkerung dienen. Die verbleibenden Krankenhäuser, die zudem zumindest auch Leistungen gegenüber den Krankenkassen abrechnen91 sind Hochschulkliniken, Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser) und 87 So Bulla, KommJur 2015, 245 und Cremer, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Krankenhausrecht, Rn. 55. 88 Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppen, Krankenhausfinanzierung; Heise, EuZW 2015, 739; Leupold, 92. 89 Zur Definition s. auch Statistisches Bundesamt, Krankenhausverzeichnis 2016, Vorbemerkungen. 90 Auch ohne das Adjektiv „gesetzlich“ meint Krankenkassen nur die Körperschaften des öffentlichen Rechts nach SGB V (s. § 4), in denen die gesetzlich Krankenversicherten Mitglied sind. 91 Nur ein Bruchteil der im aktuellen Krankenhausverzeichnis des Statistischen Bundesamtes erfassten 1.813 Krankenhäuser mit 480.758 Betten (insgesamt gibt es 1.951 Krankenhäuser mit 498.718 Betten) sind Kliniken, die rein privat abrechnen. Diese 157 erfassten Kliniken, von denen nur fünf in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft sind, weisen lediglich 3.828 Betten auf und tragen daher nur wenig zur allgemeinen Versorgung bei; die Krankenkassen tragen zudem die Hauptlast der Ausgaben für Krankenhäuser. 2015 entfielen 82,8 % aller Krankenhausaufgaben auf die gesetzliche Krankenversicherung und nur 9,7 % auf die private Krankenversicherung, s. den aktuellen Krankenhaus Rating Report von Augurtzky et al., Krankenhausreport 2017, S. 48.

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Kap. 1: Einführung

Krankenhäuser, die einen individuellen Versorgungsvertrag mit den Krankenkassen abgeschlossen haben (§ 108 SGB V). Bei dieser Gruppe gibt es Krankenhäuser mit öffentlich-rechtlichem Träger, privatem Träger und freigemeinnützigem Träger.92 Innerhalb der Gruppe der öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser sind die allermeisten Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft, also der Gemeinden und Gemeindeverbände wie Landkreise;93 neben der Statistik interessieren auch deswegen allein die kommunalen Krankenhäuser für die weitere Betrachtung, weil nur für diese der derzeit für die Rechtfertigung von Unterstützungsmaßnahmen angeführte kommunale Sicherstellungsauftrag94 in Ansatz gebracht werden kann. Neben dem sog. Defizitausgleich existieren auch andere Vergünstigungen an kommunale Krankenhäuser, etwa Bürgschaften oder die Überlassung von Grundstücken.95 Aus Gründen der Schwerpunktbildung konzentriert sich diese Arbeit jedoch auf den Defizitausgleich, dem angesichts seiner verbreiteten Übung96 eine besondere Bedeutung zukommt, was auch durch die einschlägigen, im Folgenden skizzierten Verfahren dokumentiert wird und der auch quantitativ eine größere Rolle spielt.97

II. Bisherige Behörden- und Gerichtsverfahren zum Defizitausgleich 1. Asklepios-Verfahren in den 2000er Jahren Hinsichtlich des Defizitausgleichs gab es in den 2000er Jahren eine Debatte um dessen rechtliche Zulässigkeit. Anlass war eine Beschwerde der Asklepios92 Diese Trägervielfalt ist gem. § 1 Abs. 2 KHG gesetzlich vorgeschrieben und spiegelt sich auch im aktuellen Krankenhausverzeichnis des Statistischen Bundesamts wieder. 93 Von den im Krankenhausverzeichnis des Statistischen Bundesamtes erfassten 1.662 (auch) über die Krankenkassen abrechnenden Krankenhäuser sind 547 öffentlichrechtlichen Krankenhäuser, hiervon sind die allermeisten in kommunaler Hand. Die größte Gruppe der öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser in staatlicher Hand, der Hand der Bundesländer sind 30 Universitätsklinika, die übrigen drei Universitätsklinika sind in privater Hand, s. auch Möller/Beckmann-Fuchs, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht. 94 Siehe BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493 und Friedrich/ Leber, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht. 95 Neben Bürgschaften, der kostenlosen oder verbilligten Überlassung von Grundstücken kommen auch Vorteile, die aus der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit resultieren, die auch den freigemeinnützigen Krankenhäusern zu Gute kommen, in Betracht, s. Leupold, S. 91 ff. 96 Siehe hierzu Kapitel 3, A. II. 1. 97 So gibt die von der Kommission angeforderte Mitteilung der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission 23.6.2016, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/public_services/ (letzter Abruf am 29.4.2019) für das Jahr 2015 einen Betrag von 180 Mio. A an Bürgschaften, aber 1,17 Mrd. A an sonstigen Beihilfen für Krankenhäuser an.

G. Der Krankenhausmarkt als Referenzfeld

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Kliniken aus dem Jahr 2003 gegen die generelle Praxis des Defizitausgleichs deutscher Kommunen. Soweit ersichtlich kam es nicht zu einer endgültigen Entscheidung der Kommission, nur eine vorläufige Fassung aus dem Jahr 2010 ist verfügbar.98 In dieser wurde zwar der Tatbestand der Beihilfe bejaht, jedoch eine Rechtfertigung gem. Art. 86 Abs. 2 EGV (nun Art. 106 Abs. 2 AEUV) nach den Kriterien der Freistellungsentscheidung angenommen. In der Sache liegt der Entscheidung wohl die Aussage zugrunde, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer unsubstantiiert sei, weil die Beschwerde zu allgemein gehalten sei.99 Im Zusammenhang mit dieser Beschwerde fand eine engagierte Diskussion in der Literatur statt, die sich allerdings auf die Frage, ob der Defizitausgleich überhaupt den Beihilfentatbestand erfüllt, konzentrierte.100 2. Verfahren zu den öffentlichen Krankenhäusern in Brüssel Bewegung in die Diskussion kam durch eine EuG-Entscheidung aus dem Jahr 2012.101 Es ging in dem Fall um die Finanzierung der so bezeichneten öffentlichen Krankenhäuser in Brüssel, die Problematik ist ähnlich gelagert wie in Deutschland. Neben den üblichen Finanzierungsquellen, die auch den privaten Krankenhäusern zur Verfügung stehen, erfahren die öffentlichen Krankenhäuser besondere Zuwendungen sowohl für Krankenhausaufgaben als auch Nicht-Krankenhausaufgaben. Auf die Beschwerde eines privaten Krankenhausverbandes hin entschied die Kommission, das sog. förmliche Prüfverfahren nicht zu eröffnen, da die Maßnahmen zwar den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllten, aber gem. der Freistellungsentscheidung 2005 mit dem gemeinsamen Markt vereinbar seien. Im Wesentlichen ging die Begründung dahin, dass die in Rede stehenden öffentlichen Krankenhäuser Brüssels im Gegensatz zu privaten Häusern mit besonderen Aufgaben betraut seien, die eine zusätzliche Finanzierung erforderten. Dies sei im Fall der Krankenhausaufgaben die Verpflichtung, Patienten in jedem Fall, auch außerhalb von Notfällen, anzunehmen, und eine Krankenhausvollversorgung an allen Standorten anzubieten.102 Im Fall der krankenhausfremden Aufgaben gebe es eine Betrauung mit Sozialaufgaben, insbesondere die Aufgabe, den Patienten begleitend zur medizinischen Versorgung individuellen sozialen Beistand zu leisten.103 Das EuG hat die angefochtene Entscheidung der 98 Kommission, unter dem Aktenzeichen CP 6/2003 geführte vorläufige Entscheidung vom 25.8.2010, abrufbar unter http://www.fuesser.de/de/service/aktuelles/subven tion-von-krankenhaeusern-in-oeffentlicher-traegerschaft-vertreten-durch-fuesser-kollegenfordert-nunmehr-auch-der-bdpk-ev-die-kommission-zum-taetigwerden-gegen-die-defizit finanzierung-auf-dem-deutschen-krankenhausmarkt-auf.html (letzter Abruf 29.4.2019). 99 Siehe Heise, EuZW 2015, 739. 100 Siehe dazu die umfassende Studie von Leupold, S. 72 ff. 101 EuG, U. v. 7.11.2012, Rs. T-137/10, juris – IRIS. 102 EuG, U. v. 7.11.2012, Rs. T-137/10, juris, Rn. 33 – IRIS. 103 EuG, U. v. 7.11.2012, Rs. T-137/10, juris, Rn. 34 – IRIS.

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Kap. 1: Einführung

Kommission letztlich aufgehoben. Denn die Kommission hätte ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt haben müssen, den Vortrag des Beihilfegebers genauer untersuchen müssen und daher das Hauptprüfungsverfahren einleiten müssen. Dabei störte sich das EuG hauptsächlich an der Beurteilung, ob hinsichtlich der geförderten Bereiche eine DAWI in dem Sinne vorliege, als die öffentlichen Krankenhäuser gegenüber den privaten Krankenhäusern besondere Aufgaben wahrnehmen, die einen besonderen Finanzierungsbedarf rechtfertigen. Hier bezweifelte das EuG die Prüfung der Kommission und trug dieser eine nochmalige Prüfung im Hauptprüfungsverfahren auf.104 In der inzwischen erfolgten Entscheidung der Kommission in der Sache, nach durchgeführtem Hauptprüfungsverfahren, bejahte die Kommission allerdings das Vorliegen von einer echten DAWI – ohne ausführliche Begründung – bzw. ordnete die geförderten Tätigkeiten als einer DAWI untergeordnete Nebentätigkeiten ein.105 Hinsichtlich des Vorliegens eines Betrauungsaktes – ebenfalls vom EuG angezweifelt – erkannte die Kommission interessanterweise einen de facto Betrauungsakt an, der sich auf eine gesetzliche Verpflichtung, die an alle Krankenhäuser gerichtet ist, und in Kombination dazu auf Zusatzverpflichtungen stützt.106 3. Verfahren Bundesverband Deutscher Privatkliniken gegen Landkreis Calw Auch in Deutschland gab es neue Entwicklungen. Der Bundesverband Deutscher Privatkliniken wendete sich gegen den Landkreis Calw, der als Gesellschafter der Kreiskliniken Calw zwei Kliniken in Calw und Nagold betreibt. Der Landkreis Calw hatte im Jahre 2012 beschlossen, Verluste der Kreiskliniken für die Jahre 2012 bis 2016 auszugleichen. Außerdem gewährte er in den Jahren 2010 bis 2012 Ausfallbürgschaften zur Absicherung von Investitionsdarlehen, ohne hierfür Avalzinsen zu verlangen, und Investitionszuschüsse. Der Landkreis war auf Unterlassung dieser Maßnahmen wegen eines behaupteten Verstoßes gegen das EU-Beihilfenrecht, genauer gesagt gegen das Notifizierungsgebot des Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV, verklagt worden. Von Seiten der privaten Krankenhausbetreiber wurde daher im Hinblick auf die verbreitete Praxis des Defizitausgleichs diesmal der Weg gewählt, sich vor den nationalen Gerichten gegen ein einzelnes Krankenhaus zu wenden, das von dem Defizitausgleich profitiert. Nationale Gerichte haben zwar nicht die Kompetenz, etwaige Beihilfen auf eine Rechtfertigungsmöglichkeit bzw. Genehmigungsfähigkeit zu prüfen, allerdings 104

EuG, U. v. 7.11.2012, Rs. T-137/10, juris, Rn. 156 ff. – IRIS. Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016 [SA19864 (2014/C) (ex 2009/NN54)], Rn. 154 f.; Entscheidungen der Kommission sind abrufbar in der Entscheidungsdatenbank der Kommission, ec.europa.eu/competition/state_aid/register/. 106 Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016 [SA19864 (2014/C) (ex 2009/NN54)], Rn. 166 ff. 105

G. Der Krankenhausmarkt als Referenzfeld

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sind sie befugt und verpflichtet, einen Verstoß gegen die Anmeldepflicht des Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV zu sanktionieren, da dieser unmittelbar wirksames Unionsrecht darstellt. Sie müssen also die Frage der Erfüllung des Art. 107 Abs. 1 AEUV und anderer Tatbestände, die sich auf die Anmeldepflichtigkeit auswirken, etwa die Freistellungsentscheidung und den Freistellungsbeschluss, prüfen.107 Zur Problematik hat sich am 24. März 2016 der Bundesgerichtshof (BGH) geäußert.108 Der BGH prüfte das Vorliegen des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht im Einzelnen, ging aber zugunsten des Klägers von dem Vorliegen des Beihilfetatbestands aus; die Vorinstanz ließ die Frage noch offen.109 Der BGH hielt für die angegriffenen Ausgleichszahlungen jeweils die alte Freistellungsentscheidung und den Freistellungsbeschluss für anwendbar, allerdings würden nur die ab dem Jahr 2014 zugesagten Ausgleichszahlungen die Freistellungsentscheidung bzw. den Freistellungsbeschluss erfüllen:110 Bei den medizinischen Versorgungsleistungen der bezuschussten Krankenhäuser handele es sich generell um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, da die fraglichen Krankenhäuser gegenüber anderen Krankenhäusern eine besondere Aufgabe wahrnehmen würden.111 Der BGH sieht diese besondere Aufgabe – die sich nicht in der Übertragung von Sonderaufgaben oder besonderen medizinischen Leistungen konstituieren müsse – in der Sicherstellung des Fortbestands und der Lebensfähigkeit des Krankenhaussystems begründet.112 Diese Argumentation wird auf den Sicherstellungsauftrag an die Kommunen, die nach dem Krankenhausplan notwendigen Krankenhäuser zu betreiben, gestützt, woraus jedenfalls eine subsidiäre Betriebsverpflichtung der Kommunen resultiere, wenn ein ausreichender Krankenhausbetrieb nicht durch Krankenhäuser anderer Trägergruppen sichergestellt sei.113 Eine etwaige Versorgungslücke, die in diesem Zusammenhang Ausgleichszahlungen rechtfertige, sei mit der Aufnahme des jeweiligen Krankenhauses in den Krankenhausplan belegt.114 Allerdings sei im Endeffekt nur ein Teil der Maßnahmen freigestellt, die auf Grundlage des Betrauungsaktes vom 19.12.2013 gewährt wurden, nicht die, die aufgrund des Betrauungsaktes vom 22.4.2008 gewährt wurden, da letzterer Betrauungsakt nicht den Transparenzanforderungen der Freistellungsentscheidung genüge, da die Parameter für die Ausgleichsleistung nur unzureichend ausgewiesen seien.115 107

Siehe insgesamt Heise, EuZW 2015, 739. BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493. 109 BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493, Rn. 30. 110 BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493, Rn. 27. 111 BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493, Rn. 41. 112 BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493, Rn. 42. 113 BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493, Rn. 46 unter Verweis auf § 3 Abs. 1 LKHG BW. 114 BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493, Rn. 47 ff. 115 BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493, Rn. 67 ff., insbes. Rn. 81. 108

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Kap. 1: Einführung

4. Zwischenfazit Nach den bisherigen einschlägigen Verfahren zu sog. Defizitausgleichen an Krankenhäuser dürften die Kommission und die Gerichte von einer Anwendbarkeit des EU-Beihilfenrechts ausgehen. Die Positionierung zur Frage der Rechtfertigung ist jedoch offen, denn auf Unionsebene liegt keine abschließende und letztinstanzliche Entscheidung vor. Ob die einschlägige Rechtsprechung des BGH im Einklang mit Unionsrecht, insbesondere den Grundsätzen in der einschlägigen Entscheidung des EuG steht, ist überdies fraglich;116 die Erörterung dieser Frage bildet einen Schwerpunkt dieser Arbeit.

III. Problematik von für Krankenhaustätigkeit im ambulanten Sektor verwendete Mittel aus dem Defizitausgleich und der Investitionskostenförderung Niedergelassene Haus- und Fachärzte stehen mit Krankenhäusern in Konkurrenz, insoweit diese ermächtigt sind, auch ambulante Gesundheitsleistungen zu erbringen oder wenn sie Medizinische Versorgungszentren (MVZ), eigenständige Einrichtungen der ambulanten Versorgung, § 95 Abs. 1, 2 SGB V betreiben. Bei folgenden Vorgängen steht eine beihilferechtswidrige Förderung von Krankenhäusern in Rede: Zum einen geht es um die Frage der Einordnung eines Betriebsdefizitausgleichs für Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft, insoweit dieser im Wege einer Quersubventionierung für ambulante Tätigkeiten verwendet wird oder dem MVZ zugutekommt. Hier liegt eine Beschwerde des MEDI-Verbandes, eines Dachverbandes regionaler Interessenverbände von niedergelassenen Haus- und Fachärzten aus dem gesamten Bundesgebiet vor. Die Entscheidung wurde nicht veröffentlicht und in der Sache sei nicht entschieden worden; allerdings sei die Entscheidung dahingehend ausgefallen, dass bei der Buchführung zwischen DAWI (möglicherweise stationäre Krankenhaustätigkeit) und Nicht-DAWI (ambulante Tätigkeiten) unterschieden werden müsse, um Quersubventionierungen zu vermeiden.117 In der Literatur werden derartige Zahlungen überwiegend als Beihilfe eingeordnet, eine Rechtfertigung unter dem Freistellungsbeschluss käme nicht in Betracht, da ambulante Tätigkeiten keine DAWI darstellten.118 116

So auch Heise, EuZW 2015, 739. Die Beschwerdeschrift, die dem Autor vorliegt, ist mittlerweile nicht mehr auf im Internet veröffentlicht (letzte Fundstelle Mitte 2018 http://www.medi-bw.de/seite. php?seite=139) Koenig/Paul, EuZW 2009, 844, 845 nehmen auf dieses Verfahren und die hierzu ergangene, jedoch nicht veröffentliche Entscheidung (zu der Beschwerde finden sich in der Falldatenbank der Kommission keine Daten) unter Beruf auf Quellen aus der Ärzteschaft und der Kommission Bezug. 118 Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppen, Krankenhausfinanzierung, Rn. 789, 792, in Bezug auf ein entsprechendes Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 28.5.2009. 117

G. Der Krankenhausmarkt als Referenzfeld

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Zum anderen geht es um die in der Literatur diskutierten Vorteile aus der sog. Investitionskostenförderung. Es handelt sich dabei um die „2. Säule“ der Krankenhausfinanzierung neben der Vergütung der medizinischen Leistungen durch die Krankenkassen, um Mittel, die aus den Länderhaushalten stammen und für die Krankenhausinfrastruktur verwendet werden. Eine derartige 2. Säule ist im Bereich der Vergütung ambulanter medizinischer Leistungen – auch bei solchen ambulanten Leistungen, die entgegen der tradierten Trennung zwischen ambulanten Leistungen und stationären Leistungen nunmehr durch Krankenhäuser erbracht werden dürfen – nicht vorgesehen. Vielmehr sind Beträge für Investitionen in die ambulante Vergütung eingepreist.119 Dabei verstößt die Investitionskostenförderung an sich wohl nicht gegen das EU-Beihilfenrecht. Wenn aber Krankenhäuser ambulante Leistungen erbringen oder MVZ betreiben, kommt es, so wird behauptet, zu einer unzulässigen Vermengung der Investitionskostenfinanzierung mit der ambulanten Versorgung, da die hierfür genutzte Krankenhausinfrastruktur von der Investitionskostenförderung finanziert wird, und zusätzlich die ambulante Vergütung inklusive des darin enthaltenen Investitionskostenzuschlags bezogen wird. Falls es nicht zu entsprechenden Kürzungen der Investitionskostenförderung kommt, unterfallen diese Vorteile nach dem Stimmungsbild in der Literatur dem Beihilfeverbot; eine Rechtfertigung komme für diese Nicht-DAWI nicht in Betracht.120 Bei Krankenhaus-MVZ könne es zudem zu einer mittelbaren Quersubventionierung durch die kostenlose Mitbenutzung121 oder Überlassung von Gerätschaften oder sonstiger Infrastruktur der mittels Investitionskostenförderung geförderter Krankenhäuser kommen. Auch dies kann beihilfenrechtlich problematisch sein.122 Dieser Untersuchungsgegenstand ist nicht nur wegen dieser ungelösten Rechtsfragen, die die Frage der unionsrechtlichen Positionierung zur Einordnung von ambulanten Gesundheits- bzw. Krankenhausleistungen als DAWI bzw. zu Querfinanzierungen zwischen ambulantem und stationärem Sektor berührt – die bisherigen Einschätzungen hierzu erscheinen verkürzt –, sondern insbesondere wegen der enormen wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Bedeutung der Frage der Zulässigkeit der Verwendung von Mitteln aus dem stationären Krankenhausbereich für ambulante Tätigkeiten von Interesse. Die historische Sektorentrennung zwischen ambulanter und stationärer Akutmedizin wird zwecks erstrebter „Verzahnung“, also zur Steigerung der Effizienz, etwa durch die Vermeidung von Doppeluntersuchungen zwischen den Versorgungsbereichen zunehmend, ins119 Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppen, Krankenhausfinanzierung, Rn. 780. 120 Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppen, Krankenhausfinanzierung, Rn. 784, 789; Hänlein, Sozialrecht aktuell 2008, 100. 121 Hänlein, Sozialrecht aktuell 2008, 100. 122 Seitz, S. 1107 ff. Er schlägt zur Lösung eine getrennte Buchführung bzw. Verrechnung zu Vollkostenpreisen vor.

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Kap. 1: Einführung

besondere durch immer weitere geschaffene Möglichkeiten für die Krankenhäuser, an der ambulanten Versorgung teilzunehmen, weiter unterbrochen.123 Die Krankenhäuser machen von diesen Instrumenten auch rege Gebrauch, um den ambulanten Markt zu erschließen, die vorhandene Infrastruktur auszulasten und wechselseitig Patientenströme für den ambulanten bzw. stationären Bereich aus dem jeweils anderen Versorgungsbereich zu generieren.124 Dass die niedergelassenen Ärzte über die zusätzliche Konkurrenz nicht glücklich sind, liegt auf der Hand;125 es besteht daher insoweit ein hohes Interesse, etwaige Wettbewerbsverzerrungen durch die Vermengung der ambulanten und stationären Leistungsbereiche am Krankenhaus, insbesondere bei Mittelflüssen vom stationären in den ambulanten Sektor, durch das EU-Beihilfenrecht zu unterbinden.126

IV. Krankenhaussubventionen als Beispielfeld für beihilfenrechtliche Problematiken bei sozialen Dienstleistungen Die den dargelegten Problematiken zugrunde liegenden Rechtsfragen zu klären, lohnt sich nicht nur wegen der Aktualität des Themas. Sie stehen beispielhaft für die Einordnung des komplexen nationalen Finanzierungsgeflechts bei sozialen Dienstleistungen in den Rahmen des EU-Beihilfenrechts und eignen sich zur Beurteilung der Frage, ob der Kommission bei Dienstleistungen von diesem Charakter, die hauptsächlich unter dem Freistellungsbeschluss zu untersuchen sind ein verhältnismäßiger und diversifizierter Ansatz gelungen ist. Das heißt, die gefundenen Ergebnisse lassen sich auf ähnliche Finanzierungsformen bei

123 Wasem et al., in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 74 ff.; Beispielsweise bestanden Ende 2014, nachdem das MVZ gem. § 95 Abs. 1 SGB V Anfang 2004 eingeführt wurde, in Deutschland 2073 MVZ, davon 843 in Krankenhausträgerschaft, mit steigender Tendenz, Wigge/Schütz, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 1 ff.; ambulante Operationen im Krankenhaus nach § 115b SGB V haben seit 2002 um 244 % auf etwa zwei Millionen Fälle zugenommen und weisen derzeit noch eine jährliche Steigerungsrate von 10 % auf, Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 33. 124 Für den praktisch wichtigsten Fall der ambulanten Gesundheitsversorgung durch Krankenhäuser im eigenen MVZ Wigge/Schütz, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 1 ff. 125 Nach dem Eindruck des Verfassers aus dem Gespräch am 15. Mai 2013 im Bayerischen Gesundheitsministerium wird von offizieller Seite die in Deutschland gebräuchliche 2. Schiene der ärztlichen Versorgung neben Krankenhäusern, die ambulante Versorgung durch niedergelassene Ärzte nicht für versorgungsnotwenig gehalten, da diese Leistungen auch durch Krankenhäuser erbracht werden können, wie nun zunehmend geschieht. Die Angst, aus dem Markt gedrängt zu werden, ist auch angesichts der weitgehenden Budgetierung der Vergütung der niedergelassenen Ärzte nachvollziehbar (s. zur Systematik der ärztlichen Vergütung immer noch instruktiv Gerlinger/Burkhardt). 126 Siehe Seitz, S. 272.

G. Der Krankenhausmarkt als Referenzfeld

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anderen sozialen Dienstleistungen übertragen. Soziale Dienstleistungen, die man nach deutschem Verständnis der Daseinsvorsorge zurechnet, kann man als direkte Erbringung einer personenbezogenen Verrichtung, die helfenden Charakter hat, immateriell ist, standortgebunden ist, bei der die Leistungsherstellung und der Leistungskonsum simultan sind, die individuellen Bedürfnisse des Leistungserbringers berücksichtigt und bei der die Wertvorstellungen an die Leistungen einen hohen Stellenwert haben, definieren.127 Die Kommission spricht von Sozialdiensten bzw. Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse. Gegenständlich sind davon alle Systeme der sozialen Sicherung, die die elementaren Lebensrisiken und eine Reihe von Dienstleistungen abdecken, die direkt an der betreffenden Person erbracht werden und denen eine präventive und sozial integrierende Funktion zukommt. Nicht alle Sozialdienste in den Mitgliedstaaten gelten in der Rspr. als wirtschaftlich und damit als Art. 107 Abs. 1 AEUV unterfallend. Soziale Dienste, die Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen, stellen aber im Regelfall DAWI dar.128 Während sich im Anwendungsbereich des Freistellungsbeschlusses (Art. 2 lit. c) zwar nun erstmals eine Aufzählung von Sozialdiensten findet, war eine Freistellung für Krankenhäuser bereits in der Freistellungsentscheidung vorgesehen (jeweils Art. 2 lit. b). Die Sozialdienste wurden auf Grund der Ergebnisse der Konsultation zur Überarbeitung des Monti-Pakets, auf vielfachen Wunsch, aufgenommen, dies möglicherweise aus Angst vor bisher unerkannten bzw. möglicherweise auftauchenden beihilfenrechtlichen Risiken, da man bisher wohl davon ausging, Sozialdienste unterfielen von vorneherein nicht dem EU-Beihilfenrecht.129 Das Almunia-Paket schafft damit zwar keine neuen Rechtsregeln für Krankenhäuser, diese stehen jedoch, nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Verfahren, Pate für unter dem Freistellungsbeschluss zu untersuchende DAWI, insbesondere für soziale Dienste. Denn diese, beispielsweise Einrichtungen der Pflege und der Kinderbetreuung, sind ebenfalls dadurch gekennzeichnet, dass die Leistungen durch eine Vielfalt von Trägern erbracht werden und dass sich die Finanzierung durch die Sozialversicherungssysteme mit Finanzierungsbeiträgen staatlicher und kommunaler Stellen paart.130 Zudem haben stationäre Krankenhausleistungen, bei denen etwa im Jahr 2015 Ausgaben von 89,5 Mrd. EUR zu Buche schlagen, gegenüber stationärer/teilstationärer Pflege, bei der 2014 30 Mrd. EUR zu Buche schlugen, eine deutlich höhere wirtschaftliche Bedeutung.131 Weiter sind die von der Bundesregierung der Kommission benannten

127

Siehe Kreutz, S. 49 f., 87. Qualitätsrahmen, S. 3 f. 129 Bühner/Sonder, NZS 2012, 688, 689. 130 Bühner/Sonder, NZS 2012, 688, 689. 131 Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 46 zur aktuellen Statistik. Auf die ambulante Pflege entfielen 16,7 Mrd. EUR, auf medizinische Leistungen durch niedergelassene Ärzte 51,6 Mrd. EUR. Insgesamt fielen 344 Mrd. EUR an Kosten im Gesundheitssektor an, was 2015 11 % des Bruttoinlandsprodukts ausmachte. 128

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Kap. 1: Einführung

Beihilfebeträge von auf Grundlage des Freistellungsbeschlusses gewährten Beihilfen an soziale Dienste für Krankenhäuser mit Abstand am höchsten.132

H. Der Flughafenmarkt als Referenzfeld Der zweite untersuchte Markt betrifft den Markt für Flughafenleistungen, genauer gesagt den Markt für Flughafeninfrastruktur. Der EuGH hat in jüngerer Zeit nicht nur den Betrieb eines Flughafens, sondern auch den Bau der Flughafeninfrastruktur als wirtschaftliche Tätigkeit eingeordnet.133 Damit geraten nicht nur die öffentliche Förderung des Betriebs vieler – meist in öffentlicher Hand befindlicher Flughäfen – sondern auch geförderte Baumaßnahmen, also insbesondere die erstmalige Errichtung vieler Flughäfen unter beihilfenrechtlichen Rechtfertigungsdruck. Brisanz gewinnt die Frage daher, weil das EU-Beihilfenrecht damit letztlich zu einem Ersatzinfrastruktur- bzw. Genehmigungsrecht wird, und dies, da die Infrastrukturplanung ungeachtet der Zuständigkeit der EU für die Verkehrspolitik (Art. 90 AEUV ff.) nicht in die Kompetenz der Union fällt, die mitgliedstaatliche Souveränität berührt, mag dies zur Vermeidung unnützer Doppelstrukturen, Misswirtschaft und Fehlinvestitionen auch wünschenswert sein.134 Bei der Auflösung dieses Konflikts gewinnt wieder das Recht der DAWI Bedeutung.135 Denn nach den Grundsätzen der „normalen“ Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV, ausgeformt unter den Flughafenleitlinien 2014136 sind Infrastrukturbeihilfen und Betriebsbeihilfen nur eingeschränkt und zeitlich begrenzt möglich.137 Einschlägig ist soweit, außer bei Flughäfen mit unter 200.000 Passagieren, für die der Freistellungsbeschluss gilt138 (die Freistellungsentscheidung galt für Flughäfen bis zu 1.000.000 Passagieren139) der DAWI-Rah132 Siehe die von der Kommission angeforderte Mitteilung der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission vom 23.6.2016, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/public_services/ (letzter Abruf am 29.4.2019), wonach für andere soziale Dienste nur Summen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich ausgegeben wurden, nur für Kinderbetreuung wurde ein höherer Betrag von über 380 Mio. EUR (2015) ausgegeben. 133 EuGH, U. v. 19. Dezember 2012, Rs. C-288/11 P, juris – Flughafen Leipzig/ Halle. 134 Seidenspinner/Matthias, IR 2013, 69; hierzu auch Gayger, S. 112 u. 121, der auch zur Agenda der Kommission ausführt, das Beihilfevolumen zu senken. 135 Siehe auch zur Prüfung, ob Infrastrukturbeihilfen für Flughäfen als Teil der Daseinsvorsorge bzw. als DAWI mit dem Europäischen Beihilfenrecht vereinbar sind, umfassend die Studie von Guarrata auf dem Stand des Jahres 2016; die Autorin bezweifelt dies, s. insbesondere S. 144. 136 Mitteilung der Kommission. Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3. 137 Ziffer 5.1.2 der Flughafenleitlinien 2014. 138 Art. 2 Abs. 1 lit. e). 139 Art. 2 Abs. 1 lit. d).

H. Der Flughafenmarkt als Referenzfeld

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men.140 Der DAWI-Rahmen stellt im Vergleich zum Freistellungsbeschluss strengere Kriterien auf, die Beihilfen für DAWI erfüllen müssen, unter anderem einen – wenngleich gegenüber der Altmark-Rspr. gelockerten141 – Effizienztest, also Anforderungen an die Auswahl des konkreten Flughafenbetreibers. Ähnlich wie bei dem Referenzfeld Krankenhaus stellt sich die Gretchenfrage, ob das geförderte Objekt, der Flughafen, eine DAWI darstellen kann.142 Die Beantwortung dieser in der Literatur umstrittenen Frage lohnt sich, da sie die Schwierigkeiten bei der Definition einer DAWI nach dem insoweit einschlägigen DAWI-Rahmen illustriert und die weitreichenden Konsequenzen des EU-Beihilfenrechts gerade im Infrastrukturbereich aufzeigt.

140 Das Vorläuferregelwerk, der Gemeinschaftsrahmen war für Maßnahmen im Verkehrssektor nicht anwendbar, Ziffer 3, so dass für die Rechtfertigung direkt auf Art. 86 Abs. 2 EGV (nun Art. 106 Abs. 2 AEUV) zurückgegriffen werden musste; die Kommission verfolgt nunmehr in der Verkehrspolitik einen strengeren Ansatz. Art. 106 Abs. 2 AEUV und dessen Konkretisierung im Almunia-Paket ist deswegen gegenüber dem lockererem Regime des Art. 93 AEUV für gemeinwirtschaftliche Leistungen, welches nun in der VO 1370/2007 abschließend konkretisiert ist, anwendbar, da Art. 93 AEUV nur für den Landverkehr gilt und die Kommission von der Möglichkeit gem. Art. 100 AEUV, dessen Anwendungsbereich auch auf den Luftverkehr und den maritimen Verkehr zu erstrecken, keinen Gebrauch gemacht hat, da die Kommission im Rahmen des Art. 106 AEUV ohne Beteiligung des Rates konkretisierende Rechtsvorschriften erlassen kann, s. Nettesheim, NVwZ 2009, 1449 und Rusche, Transport, S. 217, S. 218 ff. 141 Rixen, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Verantwortung für Gesundheit und Pflege, S. 105, 114. 142 Befürwortend der Vortrag von Carsten Jennert auf den 5. Speyerer Europarechtstagen am 24.9.2013, s. dazu den Tagungsbericht von Hoffmann, KommJur 2014, 132, 135.

Kapitel 2

Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im EU-Beihilfenrecht – Entwicklung und status quo A. Der DAWI-Begriff – Definitionsansätze I. Der DAWI-Begriff im Primärrecht und daran ansetzende Definitionsansätze in Rechtsprechung, Literatur, älteren Kommissionsdokumenten und im Qualitätsrahmen 1. Art. 106 Abs. 2 AEUV Der Begriff der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ist ein Begriff des Unionsrechts, der keine Entsprechung in der deutschen Verwaltungsrechtswissenschaft findet. Er findet sich seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaften in Art. 106 Abs. 2 AEUV bzw. den anders nummerierten, aber inhaltlich gleich lautenden Vorgängerbestimmungen. Danach gelten für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Vorschrift dient dem Ausgleich zwischen dem Ziel der Verwirklichung des Binnenmarkts (Art. 3 Abs. 3 EUV), was auch den Schutz des Wettbewerbs vor Verfälschungen umfasst,1 – beides Gebiete in der ausschließlichen Kompetenz der EU, Art. 3 Abs. 1 lit. b) AEUV – und der wirtschaftspolitischen Gestaltungskompetenz der Mitgliedstaaten.2 Zugleich dient die Vorschrift wie Art. 106 AEUV insgesamt dem Ausgleich zwischen Wettbewerb und Daseinsvorsorge. Eine Definition des DAWI-Begriffs ist auf primärrechtlicher Ebene nicht vorhanden;3 insbesondere existieren keine näheren Vorgaben im Primärrecht zu den Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit sich ein Mitgliedstaat zu Recht auf das Vorhandensein

1 Protokoll Nr. 27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb, Amtsblatt Nr. 115 vom 9. Mai 2008, S. 309. 2 Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 106 AEUV, Rn. 34. 3 Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 106 AEUV, Rn. 36.

A. Der DAWI-Begriff – Definitionsansätze

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einer DAWI berufen kann.4 Das birgt ein gewisses rechtliches Risiko für die Mitgliedstaaten, denen die Definition eines Dienstes als DAWI obliegt, wenn sie sich für bestimmte Maßnahmen der Daseinsvorsorge auf die DAWI-Regeln berufen wollen. Sie haben insoweit zwar ein weites Ermessen, welches von der Kommission nur in den Fällen eines offenkundigen Fehlers überprüft wird.5 Gleichwohl ist damit gesagt, dass die Kommission hinsichtlich dieses unionsrechtlich autonom auszulegenden Begriffes6 eine Kontrollkompetenz hat, die Mitgliedstaaten mithin das Vorliegen einer echten DAWI sicherstellen müssen. Trotz des Fehlens einer primärrechtlichen Definition lassen sich nach Analyse der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung sowie der einschlägigen Rechtsdokumente der Kommission folgende unionsrechtliche Konturen für den Begriff der DAWI ziehen: Zunächst ist festzuhalten, dass der Begriff der Dienste weit zu verstehen ist und beispielsweise auch Lieferleistungen umfasst;7 man wird daher wohl jedes Wirtschaftsgut darunter fassen können. Zudem muss es sich um Dienste von allgemeinem Interesse handeln. Der Dienst darf daher nicht lediglich Individual- und Gruppeninteressen dienen, sondern muss zumindest auch im öffentlichen Interesse wahrgenommen werden. Ein Indiz ist hierfür vor allem, dass die Erbringung des Dienstes den wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens widerspricht, weil die Dienstleistung zumindest teilweise defizitär ist und damit üblicherweise nicht angeboten würde, aber nach Auffassung des Staates dennoch zur Versorgung der Bevölkerung flächendeckend bzw. in einem bestimmten Umfang erbracht werden muss.8 Das heißt, ein Wirtschaftsunternehmen würde eine derartige Dienstleistung normalerweise nicht in ihr Portfolio aufnehmen. In diese Richtung geht auch die ältere Rechtsprechung, wonach Leistungen an alle Nutzer in einem Mitgliedstaat ohne Rücksicht auf Sonderfälle und Wirtschaftlichkeit einzelner Vorgänge umfasst sind.9 Nach einem älteren Definitionsansatz der Kommission ist zudem prägend, dass die Dienste mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen versehen sind, die im Wege einer Beauftragung auferlegt werden.10 Dieses Merkmal ist insofern in Art. 106 Abs. 2 AEUV angelegt, als hier von einer besonderen Aufgabe gesprochen wird, die die mit einer DAWI betrauten Unternehmen erfüllen müssen. Parallelen können sich insoweit zum Begriff

4 EuG, U. v. 12.2.2008, U. v. 12.2.2008, Rs. T-289/03, Slg. 2009, II-81, Rn. 165 – BUPA. 5 EuG, U. v. 15.6.2005, Rs. T-17/02, Slg. 2005, II-2031 Rn. 216 – Olsen/Kommission. 6 Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 106 AEUV, Rn. 37. 7 Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 106 AEUV, Rn. 37. 8 Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 106 AEUV, Rn. 38. 9 EuGH, U. v. 19.5.1993, Rs. C-320/91, Slg. 1993, I-2533, Rn. 15 – Corbeau; s. dazu auch Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 106 AEUV, Rn. 40. 10 Kommission, Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, KOM (2003) 270 endg., S. 7; Qualitätsrahmen, S. 4.

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

des Universaldienstes ziehen lassen. Darunter versteht man die Verpflichtung zur Vorhaltung eines ständigen Zugangs zu einer bestimmten Leistung unter Gewährleistung festgelegter Qualitätsstandards zu bestimmten Preisen. Relevant sind solche Verpflichtungen vor allem bei einem Übergang von einem Monopolangebot zu einem freigegebenem Wettbewerb.11 Hinzu kommt zuletzt das im Wortlaut des Art. 106 Abs. 2 AEUV enthaltene Merkmal, dass der Dienst wirtschaftlich erbracht werden muss, es also einen zumindest potentiellen Markt dafür geben muss. Einen Versuch, diese Konturen zu einer Formel zusammen zu fassen, unternimmt Jung, der DAWI als alle wirtschaftlichen Aktivitäten zur Sicherung von Infrastruktur und Daseinsvorsorge beschreibt;12 wegen der Anknüpfung an die rechtlich nicht fest umschriebenen Begriffe der Infrastruktur und Daseinsvorsorge bleibt auch diese Definition unklar, zumal unsicher ist, ob der in der deutschen Rechtsordnung geprägte Begriff der Daseinsvorsorge für das Unionsrecht anschlussfähig ist. Die Kommission selbst verwendet diesen Begriff allerdings und setzt ihn synonym zum Begriff der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (DAI).13 Dienstleistungen von allgemeinem Interesse stellen nach Auffassung der Kommission Dienste dar, die von den Mitgliedstaaten als solche qualifiziert werden und besonderen Gemeinwohlverpflichtungen unterliegen. Es soll sich dabei um einen Überbegriff handeln, der wirtschaftliche Dienste (= DAWI), also solche die den Wettbewerbsregeln, insbesondere dem Beihilferecht, unterfallen und nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten umfasst.14 Demnach stellen DAWI den wirtschaftlichen Bereich der Daseinsvorsorge dar. Nach Analyse der Definitionsansätze der in Art. 106 Abs. 2 AEUV niedergelegten DAWI-Begriffsmerkmale und der hieraus hergeleiteten Formeln kann als prägend für den DAWI-Begriff zum einen die Wirtschaftlichkeit – sonst käme man nicht in den Anwendungsbereich der EU-Wettbewerbsregeln –, zum anderen die besonderen Gemeinwohlverpflichtungen angesehen werden, die gleichzeitig das im Wortlaut des Art. 106 Abs. 2 AEUV niedergelegte allgemeine Interesse dokumentieren. Die Kommission führt zum Element der Gemeinwohlverpflichtung weiter aus, dass diese im Hinblick auf eine Tätigkeit auferlegt wird, die dem Allgemeinwohl dient und ohne staatliche Eingriffe am Markt überhaupt nicht oder in Bezug auf Qualität, Sicherheit, Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung oder universaler Zugang nur zu anderen Standards durchgeführt würden. Daher brauche es eben die Gemeinwohlverpflichtung, die dem Leistungserbringer im Wege eines Auftrags auferlegt wird.15 Die Schwäche dieser Formel besteht nun aber vor allem darin, dass ein Definitionsvorschlag der Kommission nicht die gleiche 11

Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 106 AEUV, Rn. 41. Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 106 AEUV, Rn. 36. 13 Mitteilung der Kommission. Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, ABl. EG vom 19.1.2001, C 17/4, S. 1. 14 Qualitätsrahmen, S. 3 f. 15 Qualitätsrahmen, S. 4. 12

A. Der DAWI-Begriff – Definitionsansätze

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Autorität beanspruchen kann wie eine Rechtsprechungsdefinition und der Vorschlag der Kommission selbst die Frage danach, was eine derartige Gemeinwohlverpflichtung ausmacht, offen lässt. Diese Frage aber macht gerade das Wesen einer DAWI aus und bestimmt Inhalt und Grenzen des Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten bei der Definition einer DAWI. Hilfreich ist es daher, sich an den Fallgruppen zu orientieren, in denen bereits eine DAWI vom EuGH anerkannt wurde, etwa für das Telefonnetz, Postsendungen, die Grundversorgung mit Strom, die Arbeitsvermittlung, Müllabfuhr, den Rundfunk und auch den öffentlichen Verkehr.16 Die Vielzahl der Fallgruppen belegt, dass der Begriff der DAWI denkbar weit verstanden werden kann. Eine absolute Sicherheit ist mit einer Orientierung an den Fallgruppen allerdings nicht erreicht, da eine sachlich gleiche Tätigkeit je nach Lage der Dinge und einer möglicherweise anderen Organisation in anderen Mitgliedstaaten nicht zwingend ebenfalls als gemeinwohlbehaftet eingestuft werden muss. 2. Andere Vorschriften des Primärrechts Weitere begriffliche Ansätze lassen sich aus dem Primärrecht nicht entnehmen. Der Terminus DAWI wird zwar auch, an prominenter Stelle, in Art. 14 AEUV verwendet, auch wenn dort von Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse statt von Dienstleistungen die Rede ist, was aber nicht zu einem Bedeutungsunterschied führt.17 Nach Art. 14 S. 1 AEUV tragen sowohl die Union als auch die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren der Dienste, insbesondere wirtschaftlicher und finanzieller Art, so gestaltet sind, dass die Dienste die ihnen zugedachten Aufgaben nachkommen können. Allerdings ist nach Art. 14 S. 1 AEUV vorrangig die Zuständigkeitsverteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten nach Art. 4 EUV zu beachten, auch das Beihilfeverbot nach Art. 107 AEUV und die Ausnahmen hiervon, wie sie in Art. 106 AEUV und Art. 93 AEUV für den Verkehrsbereich niedergelegt sind, gelten vorrangig. Art. 14 S. 1 AEUV bringt daher begrifflich keinen Gewinn und ändert auch inhaltlich nichts an den beihilfenrechtlichen Vorgaben für DAWI; die Vorschrift des Art. 14 S. 1 AEUV war nicht Bestandteil der römischen Verträge, sondern wurde erst mit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam am 1. Mai 1999 als Art. 7 d in den EG-Vertrag eingeführt, wurde nach der Vertragsrechtsreform durch den Vertrag von Nizza (Inkrafttreten am 1. Februar 2003) als Art. 16 EGV fortgeführt und wurde schließlich mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009, inhaltlich unverändert, an ihre heutige Stelle gerückt. Sie kann als Reaktion auf die vermehrte Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts (Kartell- und Beihilfenrecht) auf öffentliche Unternehmen gesehen werden, die nach der Ansicht einiger Mitgliedstaaten zu einer Verschie16 17

Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 106 AEUV, Rn. 47. Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 14 AEUV, Rn. 12.

60

Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

bung des Gleichgewichts zwischen Marktwirtschaft und gemeinwohlorientierter Daseinsvorsorge zu letzteren Lasten führe.18 Mit dem Vertrag von Lissabon neu eingeführt wurde allerdings Art. 14 S. 2 AEUV, der eine Gesetzgebungskompetenz beinhaltet. Danach wird das Europäische Parlament zusammen mit dem Rat ermächtigt, die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse durch Verordnungen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren festzulegen. Die Mitgliedstaaten bleiben jedoch für die Inauftraggabe und Finanzierung der Dienste zuständig. Der Vertrag von Lissabon führte zu weiteren Änderungen im Hinblick auf DAWI. So wurde die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aus dem Jahre 2000 gem. dem neuen Art. 6 Abs. 1 EUV als rechtsgültig und dem AEUV und EUV gleichrangig erklärt. Damit wurde auch Art. 36 der Grundrechtecharta in den Rang des Primärrechts erhoben, wonach die Union den Zugang zu DAWI, wie er durch die Mitgliedstaaten im Einklang mit den Verträgen geregelt ist, als Menschenrecht achtet und anerkennt, um den sozialen und territorialen Zusammenhalt der EU zu fördern. Ebenfalls neu ist das Protokoll Nr. 26 über die Dienste von allgemeinem Interesse, das gem. Art. 51 EUV den Rang des Primärrechts genießt. Wichtig ist zunächst, dass sich hier die Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Diensten widerspiegelt. Nach Art. 2 des Protokolls wird wiedergegeben, was sich bereits – wegen Nichterwähnung – aus den Rechtsvorschriften des AEUV selbst ergibt, nämlich dass die Vorschriften des EUV und AEUV die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Erbringung nichtwirtschaftlicher Dienste nicht berührt. Art. 1 des Protokolls konkretisiert Art. 14 S. 1 AEUV, indem er gemeinsame Werte der Union in Bezug auf DAWI widergibt. Danach zählen zu diesen Werten insbesondere die wichtige Rolle und der weite Ermessensspielraum der Behörden in den Mitgliedstaaten bei der Frage des „Wie“ der Diensterbringung, die Vielfalt der DAWI, die aus unterschiedlichen Nutzerbedürfnissen stammen und zuletzt ein hohes Niveau bzgl. der Qualität, Sicherheit und Bezahlbarkeit der Dienste verbunden mit einer Gleichbehandlung der Nutzer und der Förderung eines universellen Zugangs zu den Diensten. Das Protokoll stellt damit einen bloßen Programmsatz dar, der im Hinblick auf die aus Art. 106 Abs. 2 AEUV entwickelten Strukturen einer DAWI-Definition nichts hinzugefügt oder geändert hat. Hingegen kann man Art. 14 S. 1 eine sog. Funktionsgewährleistungspflicht für DAWI, die sich sowohl an die Union als auch an die Mitgliedstaaten richtet, zuschreiben. Ein subjektives Recht der Unionsbürger auf einen gewissen Standard an DAWI wird weder dadurch noch durch Art. 36 der Grundrechtecharta begründet, dies entspricht weder dem gesetzgeberischen Willen noch ist dies im Vertragstext angedeutet.19 Da Art. 14 S. 1 unbeschadet Art. 106 AEUV gilt, wird 18 19

Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 14 AEUV, Rn. 3 f. Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 14 AEUV, Rn. 22 f.

A. Der DAWI-Begriff – Definitionsansätze

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sein Regelungsgehalt zudem als sehr begrenzt eingeschätzt; eine daraus resultierende Änderung auf das Recht der DAWI im Rahmen des EU-Beihilfenrechts sei nicht zu erwarten. Für die Frage der Vereinbarkeit der Förderung von DAWI mit EU-Beihilfenrecht gelte damit weiter allein Art. 106 Abs. 2 AEUV, der DAWIBeihilfen strukturell als Ausnahme und Abweichung von der Gewährleistung unverfälschten Wettbewerbs ansehe.20 Allerdings wird dies auch anders gesehen. Man müsse angesichts der neu eingeführten Vorschriften von einer Aufwertung der mit den DAWI verfolgten Ziele und damit von einem gleichrangigen Verhältnis zwischen Gemeinwohl und Wettbewerb ausgehen. Dies müsse man auch bei der Auslegung von Art. 106 Abs. 2 AEUV berücksichtigen. Dem spreche der Ausdruck „unbeschadet“ nicht entgegen, denn dieser sei nicht zwingend so zu verstehen, dass für wettbewerbliche Fragen ausschließlich Art. 106 Abs. 2 AEUV zur Anwendung komme, sondern lasse es zu, dass bei der hier vorzunehmenden Abwägungsentscheidung auch die Belange der DAWI zu optimieren sind.21 Selbst wenn man letzterer Auffassung folgt, ändert dies jedoch nichts daran, dass Maßstab für die Vereinbarkeit von DAWI-Beihilfen mit dem Binnenmarkt Art. 106 Abs. 2 AEUV bleibt. Sicherlich haben DAWI durch die Einführung des Art. 14 S. 1 AEUV jedenfalls eine politische Aufwertung erfahren, die man auch in die Abwägung zwischen mitgliedstaatlicher Definitionsautonomie im Hinblick auf DAWI und der Kontrollkompetenz der EU einfließen lassen kann. Eine Änderung der im Hinblick auf Art. 106 Abs. 2 AEUV entwickelten Maßstäbe, etwa eine inhaltliche Ausformung des DAWI-Begriffs oder eine Entscheidung für oder gegen eines Vorrangs von DAWI gegenüber den Wettbewerbsregeln ist damit jedoch nicht verbunden.

II. Almunia-Paket: DAWI-Mitteilung Mit der DAWI-Mitteilung erhebt die Kommission den Anspruch, die Schlüsselkonzepte im Hinblick auf DAWI darzulegen, also die insoweit geltenden Rechtsregeln zu erläutern. Die einschlägigen und übersichtlichen Bestimmungen der DAWI-Mitteilung zur DAWI-Definition (Ziffer 45–50) sind eine Mischung zwischen Widergabe der einschlägigen Rechtsprechung und Ergänzungen, die rein die Rechtsmeinung der Kommission widerspiegeln. Vor allem letzteres ist mit Vorsicht zu betrachten, da die Kommission in ihren Mitteilungen sich zwar rechtlich selbst für ihre Prüfungspraxis binden kann, diese Rechtsmeinungen aber nicht die gleiche Autorität beanspruchen können wie die Rechtsprechung des EuGH. Zudem wird man vermuten, dass die Kommission als Wettbewerbshüterin dazu neigen wird, eher Regeln aufzustellen, die die Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei der Definition einer DAWI einschränken. 20 21

Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 14 AEUV, Rn. 24 f. Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Rn. 44–49.

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

Die DAWI-Mitteilung gibt zunächst die aus der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze wider, dass Mitgliedstaaten mangels einschlägiger EU-Vorschriften bei der Definition einer DAWI einen weiten Ermessensspielraum haben, den die Kommission nur auf offenkundige Fehler überprüfen darf.22 Zudem enthält die DAWI-Mitteilung die wohl unstreitige Rechtsauffassung, dass DAWI zum Wohle der Bürger oder der Gesellschaft als Ganzes erbracht werden müssen.23 Um den Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten zu kontrollieren und DAWI zu kennzeichnen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie, obgleich wirtschaftliche Tätigkeit, ohne Förderung nicht oder nicht zu den erwünschten Bedingungen erbracht würden, führt die Kommission in der DAWI-Mitteilung das Kriterium der „besonderen Aufgabe“ an, mit der das die DAWI erbringende Unternehmen betraut worden sein muss. Diese besondere Dienstleistungsaufgabe würde ein Unternehmen, das nur im gewerblichen Interesse handeln würde, eben nicht oder nicht zu gleichen Bedingungen erbringen.24 Die Schaffung eines Differenzierungskriteriums zwischen (förderwürdigen) DAWI und Nicht-DAWI überzeugt. Ob allein die Rückbindung an die Formel, dass eine besondere Aufgabe eine Verpflichtung darstellt, die ein Betreiber, der nur an sein eigenes wirtschaftliches Interesse denkt, nicht übernommen hätte25, ausreichen kann, ist allerdings fraglich, da es dann ein Betreiber durch die Schaffung eines Defizits bzw. das schlichte Existieren eines solchen in der Hand hätte, für das Vorhandensein einer DAWI zu sorgen. Es bestünde dann eine erhebliche Missbrauchsgefahr im Hinblick auf die Definition einer DAWI wenn nicht durch die weiteren Rechtfertigungsanforderungen sichergestellt wird, dass derartige Praktiken nicht toleriert werden. Es bietet sich an, das Kriterium der „besonderen Aufgabe“ inhaltlich zu definieren, um ein handhabbares, sachliches Unterscheidungskriterium zwischen DAWI und Nicht-DAWI zur Verfügung zu haben. Die Ansätze dazu in der DAWI-Mitteilung sind knapp. Eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung im Wege einer DAWI soll nicht an eine Dienstleistung geknüpft werden (diese soll dann also keine DAWI darstellen) wenn die Dienstleistung bereits durch im Einklang mit den Marktregeln wirtschaftenden, also nicht geförderten, Unternehmen erbracht wird und zwar zu Marktbedingungen, die im Hinblick auf Preis, Qualität und Zugänglichkeit das vom Mitgliedstaat definierte öffentliche Interesse befriedigen.26 Die Beurteilung des Mitgliedstaats, ob eine

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Ziffer 46. Ziffer 50. 24 Ziffer 47. 25 Die Kommission zitiert insoweit Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße. 26 DAWI-Mitteilung, Ziffer 48 unter Verweis auf EuGH, U. v. 20.2.2001 Rs. C-205/ 99, Slg. 2001, I-1271, Rn. 71 – Analir, wo ein wirklicher Bedarf an der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung bzw. der DAWI gefordert wird. 23

B. DAWI im Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV

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Dienstleistung zufriedenstellend vom Markt erbracht wird, wird nur auf offensichtliche Fehler überprüft. Nach diesen Ansätzen handelt es sich bei der „besonderen Aufgabe“ damit um ein Kriterium, bei dem ein Marktvergleich anzustellen ist (gibt es die gewünschte Dienstleistung zu den gewünschten Bedingungen schon von nicht geförderten Unternehmen?) und damit zum einen um eine Bedarfsprüfung, zum anderen um ein Diskriminierungsverbot, wenn für die Diskriminierung kein sachlicher Grund wegen „höherwertiger“ Dienste besteht. Es handelt sich damit um ein operables Kriterium, welches jedoch die Frage offen lässt, mit welchem bzw. in welchem Markt konkret ein Vergleich stattfinden muss und inwiefern die Definition des erwünschten Preises, der Qualität und der Zugänglichkeit einer Dienstleistung kontrolliert werden kann. Dies ist die erste Schwäche des Konzepts der „besonderen Aufgabe“ in der DAWI-Mitteilung. Das von der Kommission gelieferte Negativbeispiel, das des Aufbaus einer ParallelBreitband-Infrastruktur in Gebieten, in denen von Privat-Investoren bereits eine angemessene Flächendeckung mit Breitbandnetzen sichergestellt ist, erhellt wenig, außer dass ein Marktvergleich sich auf gewisse Gebiete beschränken kann. Die zweite Schwäche ist, dass sich die Definitionsansätze im Hinblick auf die „besondere Aufgabe“ nicht auf gefestigte Rechtsprechung stützen können. In der insoweit in Ziffer 48 der DAWI-Mitteilung zitierten Entscheidung27 findet sich nur die knappe Aussage, dass für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen ein wirklicher Bedarf bestehen muss; zudem ging es in dem Fall lediglich um die Auslegung der Verordnung Nr. 3577/9228 und den Vergleich zwischen verschiedenen Formen der Betrauung mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen.

B. DAWI im Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV Im Folgenden wird aufgezeigt, wie DAWI in den Tatbestand der Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV eingeordnet werden. Dabei wird auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale und am Ende gesondert auf die vom EuGH entwickelte DAWIFallgruppe, die dem Tatbestandsmerkmal der Begünstigung zuzuordnen ist, eingegangen. Art. 107 Abs. 1 AEUV statuiert, dass staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar sind, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

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EuGH, U. v. 20.2.2001, Rs. C-205/99, Slg. 2001, I-1271, Rn. 71 – Analir. Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage), ABl. EG vom 12.12.1992, L 364/7. 28

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

I. Unternehmen 1. Allgemeine Grundsätze Maßgeblich für den Anwendungsbereich des EU-Beihilfenrechts ist zunächst das Tatbestandsmerkmal des Unternehmens; nur die Förderung von Unternehmen unterfällt Art. 107 Abs. 1 AEUV. Ein Unternehmen ist jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und Finanzierung.29 Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jegliche Tätigkeit, die darin besteht, Güter und Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten,30 auf einen Erwerbszweck kommt es nicht an.31 Genuin hoheitliche Tätigkeiten zählen nicht als wirtschaftliche Tätigkeit, es ist aber bei jeder betrachteten Einheit jede einzelne Tätigkeit zu beurteilen, eine Gesamteinordnung als Nicht-Unternehmen kommt daher auch dann nicht in Betracht, wenn die Einheit neben wirtschaftlichen Tätigkeiten einzelne oder sogar im Schwerpunkt genuin hoheitliche Tätigkeiten wahrnimmt.32 Auch Tätigkeiten, die von dem betreffenden Mitgliedstaat bzw. einer ihm zuzurechnenden Gebietskörperschaft nicht oder nur eingeschränkt dem Wettbewerb geöffnet sind, können unternehmerische Tätigkeiten darstellen, auch wenn damit für diese Tätigkeit kein Markt eröffnet ist; es genügt, dass in benachbarten Gebieten ein Wettbewerb besteht, weil die Tätigkeit dort durch Ausschreibungen für Privatunternehmen geöffnet ist;33 bei der diesem Diktum zugrunde liegenden Fall kam allerdings noch hinzu, dass das fragliche öffentliche Unternehmen selbst am Wettbewerb in benachbarten Gebieten teilgenommen hat.34 Ausgehend von der Entscheidung des EuGH, dass der Bau von Flughafeninfrastruktur eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt35 wird im Prinzip generell die Finanzierung von Infrastrukturen als wirtschaftliche Tätigkeit angesehen und nicht nur als allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme außerhalb des EU-Beihilfenrechts.36

29 EuGH, U. v. 23.4.1991, Rs. C-41/90, Slg. 1991, I-1979 Rn. 21 – Höfner & Elser, st. Rspr.; Bartosch, Einleitung, Rn. 24. 30 EuGH, U. v. 12.9.2000 verb. Rs. C-180/98 bis C-184/98, Slg. 2000, I-6451, Rn. 75 – Pavel Pavlov, st. Rspr.; Bartosch, Einleitung, Rn. 24. 31 EuGH, U. v. 24.10.1997, Rs. C-244/94, Slg. 1995, I-4013, Rn. 21 – Fédération française des societies d’assurance. 32 EuGH, U. v. 1.7.2008, Rs. C-49/07, Slg. 2008, I-4863, Rn. 25 – MOTOE. 33 EuG, U. v. 16.7.2014, Rs. T-309/12, Slg. 2014, II-676, Rn. 68 ff.; Soltész, EuZW 2015, 127. 34 EuG, U. v. 16.7.2014, Rs. T-309/12, Slg. 2014, II-676, Rn. 68 ff.; Soltész, EuZW 2015, 127. 35 EuGH, U. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, juris, Rn. 38 ff. – Flughafen Leipzig/ Halle. 36 Bartosch, Einleitung, Rn. 29.

B. DAWI im Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV

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2. Würdigung Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse stellen, trotz eines etwaigen Zuschussbedarfs qua Definition wirtschaftliche Tätigkeiten i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV dar;37 daher stellt sich die Frage der beihilfenrechtlichen Einordnung von DAWI überhaupt. Ob es sich insoweit um eine wirtschaftliche Tätigkeit – als Element der DAWI-Definition – handelt und ob damit überhaupt eine beihilfenrechtliche Problematik besteht, ist gerade im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der unternehmerischen Tätigkeit zu klären. Nach den dargestellten Grundsätzen kommt es nicht auf die Rechtsform an, zudem ist es unschädlich, wenn die zu untersuchende Einheit zu einer größeren Einheit gehört, die auch nichtwirtschaftliche Tätigkeiten erledigt. Daher unterfallen nicht nur private Unternehmen, die DAWI übernehmen, dem Unternehmensbegriff, sondern auch öffentliche Unternehmen mit denen die öffentliche Hand derartige Tätigkeiten selbst erledigt. Denn öffentliche Unternehmen sind nach deutschem Verständnis verselbstständigte Einheiten, bei denen die öffentliche Hand entweder alleiniger Träger des Unternehmens ist oder dies in sonstiger Weise beherrscht, vor allem aber übt eine derartige Einheit eine wirtschaftliche Tätigkeit aus; hiervon sind nicht nur erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten mit Gewinnerzielungsabsicht sondern eben auch Tätigkeiten ohne Gewinnerzielungsabsicht, in der sog. Daseinsvorsorge umfasst.38 Umfasst sind damit nicht nur öffentliche Unternehmen in Privatrechtsform, sondern auch öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen, insbesondere die in die Verwaltung eingegliederten kommunalen Eigenbetriebe.39 Die erfassten Tätigkeiten sind denkbar weit, solange es sich um marktmäßige Leistungen handelt, für die – typischerweise – ein Entgelt bezahlt wird. Ob ein Entgelt durch einen Dritten statt dem Leistungserbringer, etwa einer Krankenkasse40 gezahlt wird oder ob die Dienstleistung soziale Zwecke41 verfolgt, ist zunächst unbeachtlich. Auch wenn die DAWI Infrastrukturmaßnahmen enthält, entweder die Bereitstellung von Infrastrukturen durch den Staat oder die Finanzierung von Infrastrukturen, handelt es sich wohl immer dann um eine wirtschaftliche Tätigkeit, wenn der spätere Betrieb eine wirtschaftliche Tätigkeit

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Vgl. Jung, in: Calliess/Ruffert, Art. 106 AEUV, Rn. 39. Ziekow, S. 130; Öffentliche Unternehmen nach Art. 106 Abs. 1 AEUV sind Unternehmen, auf die die öffentliche Hand aufgrund Eigentums, finanzieller Beteiligung, Satzung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit des Unternehmens regeln, mittelbar oder unmittelbar beherrschenden Einfluss ausüben kann, RL 2006/111/EG v. 16.11.2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und öffentlichen Unternehmen, ABl. Nr. L 318/17. 39 Siehe zu den möglichen Organisationsformen öffentlich-rechtlicher Unternehmen Ziekow, S. 131. 40 Hierzu EuGH, U. v. 27.9.1988, Rs. 263/86, Slg. 1988, 5365, Rn. 19 – Humbel. 41 EuGH, U. v. 21.9.1999, Rs. C-219/97, Slg. 1999, I-6121, Rn. 78–85 – Drijvende Bokken. 38

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

darstellt, die Nutzung der Infrastruktur also kommerzieller Natur ist.42 Auf die Frage, ob Tätigkeiten dadurch, dass die öffentliche Hand sie sich vorbehält, keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, wird weiter unten eingegangen. Insgesamt ist die Definition des Unternehmens bzw. der wirtschaftlichen Tätigkeit als die entscheidende Schaltstelle für die Anwendbarkeit des Beihilfenrechts denkbar weit gefasst und es dürfte nur wenige Erscheinungsformen der Daseinsvorsorge geben, die nicht darunter fallen, weil sie unentgeltlich sind bzw. nicht zumindest theoretisch durch Private erbracht werden können. 3. Würdigung der DAWI-Mitteilung und Bekanntmachung zum Beihilfenbegriff Die Ausführungen in der DAWI-Mitteilung zum Begriff des Unternehmens und der wirtschaftlichen Tätigkeit (Ziffern 8–30) erschöpfen sich weitestgehend in der Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung und der daraus entwickelten, soeben dargestellten Grundsätze – insoweit kann auf die Wiedergabe verzichtet werden. Die Leistung der DAWI-Mitteilung besteht insoweit darin, eine übersichtliche Darstellung zu schaffen; weiterhin werden weitere Grundsätze zu den Fallgruppen der Ausübung öffentlicher Befugnisse, der sozialen Sicherheit, der Gesundheitsfürsorge und des Bildungswesens dargestellt. Durch diese Darstellung werden zwar keine neuen Rechtsgrundsätze geschaffen, wegen ihrer Übersichtlichkeit dient sie jedoch der Orientierung in diesen sensiblen Bereichen, gerade da eine klare Aussage, welche Tätigkeiten wirtschaftlich oder nichtwirtschaftlich sind, wegen unterschiedlicher Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten nicht möglich ist und sich mangels einer primärrechtlichen Definition viele unterschiedliche Kriterien finden.43 In zweierlei Hinsicht ist jedoch Kritik veranlasst: Dies betrifft zum einen Inkonsistenzen in der Frage der Definition der sozialen Dienste. Für die Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, ist nicht deren Art oder die mit der Tätigkeit verfolgte Zwecksetzung entscheidend, sondern ob dafür ein Markt besteht. Aufgrund verschiedener Organisation in verschiedenen Mitgliedstaaten kann ein und dieselbe Tätigkeit in einem Mitgliedstaat eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, in einem anderen nicht.44 Diese Unterschiede werden bei Krankenhäusern deutlich. Beispielsweise gelten spanische Krankenhäuser nicht als Unternehmen, da sie nicht nur öffentlich sind, sondern direkt über Sozialversicherungsbeiträge und Steuermittel finanziert werden, vor allem

42 Vgl. Schrotz, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppe Infrastruktureinrichtungen, Rn. 652. 43 Ziffer 14 f. der DAWI-Mitteilung. 44 Ziffer 12 der DAWI-Mitteilung mit Verweis auf EuGH, U. v. 17.2.1993, verb. Rs. C-159 u. 160/91, Slg. 1993, I-637 – Poucet und Pistre.

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aber ihre Dienste für die (versicherten) Patienten unentgeltlich nach dem Prinzip einer allgemeinen Gesundheitsversorgung erbringen.45 Dagegen ordnet die Kommission Krankenhäuser und andere Gesundheitsdienstleister, die ihre Dienstleistungen gegen ein Entgelt anbieten, als Unternehmen ein, auch wenn die Entgelte von gesetzlichen Versicherungen für die Patienten gezahlt werden und auch dann, wenn alle Krankenhäuser öffentlich sind, da insoweit ein gewisser Wettbewerb um die Erbringung der Gesundheitsdienstleistungen bestehe.46 Wie noch weiter ausgeführt wird, sind damit deutsche Krankenhäuser Unternehmen im Sinne des EU-Beihilfenrechts. In der Sache überzeugt diese Differenzierung jedoch nicht, nicht nur weil die unterschiedlichen Finanzierungsströme sich nicht auf die eigentliche Tätigkeit und die soziale Zwecksetzung auswirken, sondern auch wegen der Nachteile im Hinblick auf die Rechtssicherheit und der im Rahmen dieser Arbeit aufgezeigten, kaum auflösbaren Probleme auf Rechtfertigungsebene. Die Einordnung überzeugt auch nicht im Vergleich zu Systemen der sozialen Sicherheit wie den Krankenkassen, die trotz eines untereinander bestehenden Wettbewerbes und den von den Versicherten zu zahlenden Beiträgen wegen ihres solidarischen Charakters, der sich u. a. in der sozialen Zwecksetzung zeigt, gerade nicht als Unternehmen eingestuft werden, im Vergleich zu Versicherungen, bei denen die Leistungen von den Beiträgen abhängen,47 und eben zu den durch sie finanzierten Krankenhäusern, die ebenfalls eine soziale Zwecksetzung verfolgen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die in der Rspr. nur in Ansätzen vorhandene, jedoch von der Kommission in der DAWI-Mitteilung und in der Bekanntmachung über den Beihilfenbegriff 48 vorgesehene Ausweitung des Begriffs der wirtschaftlichen Tätigkeit auf Fälle, in denen eine Behörde Dritten die Erbringung einer Dienstleistung nicht gestattet, weil sie diese selbst erbringen will. Trotz einer derartigen Marktabschottung soll eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegen, wenn andere Betreiber interessiert und in der Lage wären, diese Dienstleistung zu erbringen.49 Der Ansatz der Kommission ist zunächst plausibel, um durch bewusst 45 Ziffer 22 der DAWI-Mitteilung unter Verweis auf EuG, 4.3.2003, Rs. T-319/99, Slg. 2003, II-357, Rn. 39 – FENIN/Kommission. 46 Ziffer 24 der DAWI-Mitteilung; einen Rechtsprechungsbeleg für die wirtschaftliche Natur von Gesundheitsdienstleistungen gibt es nur für Gesundheitsdienstleistungen, die niedergelassene Ärzte und andere private Mediziner gegen Entgelt auf eigenes Risiko erbringen, s. EuGH, U. v. 12.9.2000, verb. Rs. C-180/98 bis C-184/98, Slg. 2000, I-6451, Rn. 75 u. 77 – Pavel Pavlov. 47 Siehe Ziffer 17–20 der DAWI-Mitteilung, mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen zu der Einordnung von Systemen der sozialen Sicherheit. 48 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU v. 19.7.2016, C 262/1. 49 Ziffer 13 der DAWI-Mitteilung, Ziffer 14 der Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU v. 19.7.2016, C 262/1.

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

herbeigeführte Marktabschottungen Umgehungen des EU-Beihilfenrechts zu vermeiden. Der Ansatz erscheint aber einerseits zu weitgehend, als damit klassisch der Verwaltung zuzurechnende Tätigkeiten wegen der potentiellen Erbringbarkeit durch andere Betreiber eine unternehmerische Tätigkeit darstellen könnten.50 Zum anderen kann es häufig die Situation geben, dass eine „Marktabschottung“ daraus resultiert, dass die fragliche Tätigkeit in der Versorgung eines gewissen Gebiets, etwa mit Wasser oder mit Abfallentsorgung besteht, die nur durch einen Betreiber sinnvoll geleistet werden kann und sich die öffentliche Hand dazu entscheidet, diese Aufgabe selbst zu übernehmen. Hier eine wirtschaftliche Tätigkeit anzunehmen und das EU-Beihilfenrecht anzusetzen, führt auf der Frage der Rechtfertigung zu Folgeproblemen. Möglicherweise kann in einem derartigen Fall durch beihilfenrechtliche Anforderungen eine effizientere bzw. preisgünstigere DAWI-Erbringung erreicht werden, was allerdings durch den Wettbewerbsschutz nicht geboten ist; allerdings wiegen qualitative Vorteile und der Vorteil, bei dem Dienstleister Beständigkeit zu haben, dies häufig auf. Wettbewerbliche Gründe, in den zuletzt geschilderten Fällen der „Marktabschottung“, der lokalen oder regionalen Versorgung, eine wirtschaftliche Tätigkeit anzunehmen, bestehen nicht. Wenn die Tätigkeit nur durch einen Dienstleister erbracht wird, besteht kein Wettbewerb im jeweiligen Markt. Man könnte zwar an einen Wettbewerb um den Markt denken, der anderen, möglicherweise geeigneteren Betreibern die Möglichkeit geben soll, die fragliche Tätigkeit zu erbringen. Im Vergaberecht, das sich ebenfalls mit derartigen Auswahlentscheidungen befasst, ist aber durch den EuGH anerkannt, dass es keiner Ausschreibung bedarf, wenn die öffentliche Hand eine Dienstleistung durch eine eigene Dienststelle oder ein beherrschtes Unternehmen erbringen möchte.51 Es besteht also kein Zwang, insoweit einen Wettbewerb zu eröffnen und möglicherweise einen anderen Betreiber zu wählen.52 Es erhellt nicht, warum dies in einer ähnlich gelagerten Konstellation im Beihilfenrecht nicht gelten soll. Das EU-Beihilfenrecht schafft jedoch, entgegen der Gewährleistung, die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten beizubehalten gem. Art. 345 AEUV einen derartigen Zwang, da es, wie noch dargelegt wird, teils die Anforderung aufstellt, eine DAWI müsste ausgeschrieben werden oder wirtschaftlich gut geführt werden im Vergleich zu anderen Unternehmen. Letzterer Vergleich, als Ausweg aus der Ausschreibungspflicht steht jedoch mangels Vergleichsunternehmen oft nicht zur Verfügung.

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Soltész, EuZW 2015, 127, 130. EuGH, U. v. 18.11.1999, Rs. C-107/98, Slg. 1999, I-8121 – Teckal; st. Rspr., s. dazu Just, EuZW 2009, 879; so nunmehr auch § 108 Abs. 1 GWB 2016. 52 Nach der Rechtsprechung muss sich jedoch die Errichtung von Monopolen an den Grundfreiheiten messen lassen, s. EuGH, U. v. 22.5.2003, Rs. C-355/00, Slg. 2003, I-5263, Rn. 49 ff. – Freskot. Diese Rechtsprechung betrifft eine Zwangsmitgliedschaft in einer Versicherung, nicht die staatliche Bereitstellung eines Dienstleistungsangebots ohne Teilnahmezwang. 51

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II. Begünstigung Der Begriff Begünstigung umfasst nicht nur klassische Subventionen, unter denen man eine positive Leistung an ein Unternehmen versteht, sondern auch die Verminderung von Belastungen,53 z. B. auch Steuerbefreiungen, Bürgschaften und Übernahme von Verlusten.54 Entscheidend ist letztlich, ob das Unternehmen eine wirtschaftliche Vergünstigung erhält, die es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte,55 sofern nicht wegen der Natur der Maßnahme als Hoheitsakt dafür kein Markt bestehen kann.56 Um dies zu überprüfen, bedient man sich des „market economy investor principle“-Tests, der sich je nach Art der Maßnahme in unterschiedliche Facetten unterteilen lässt. Gefragt wird, ob ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber genauso gehandelt hätte wie der Staat oder z. B. die Mittel nicht oder nur zu anderen Konditionen zur Verfügung gestellt hätte.57 Da ein Kapitalgeber typischerweise nicht in ein dauerhaft defizitäres Geschäft investiert, kann man grundsätzlich bei der Förderung einer DAWI von einer Begünstigung ausgehen. Die DAWI-Mitteilung enthält zu diesem unproblematischen Punkt nichts. Die Tatbestandsausnahme für die Förderung von DAWI, die an diesem Tatbestandsmerkmal einzuordnen ist, wird weiter unten gesondert behandelt.

III. Gewährung durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln Das nächste Tatbestandsmerkmal, die Gewährung der Beihilfe durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln, dient traditionell der Abgrenzung von Beihilfen zu Regulierungsvorschriften, die manche Wirtschaftsteilnehmer auf Kosten von andern bevorzugen, z. B. garantierte Einspeisevergütungen für Öko-Strom.58 Wesentlich dafür, dass die Maßnahme im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals dem Staat zuzurechnen ist, war nach traditionellem Verständnis, dass es zu einer Belastung des staatlichen Haushalts kommt.59 Bei Mitteln von öffentlichen Unternehmen muss insoweit hinzukommen, dass der Staat, also nicht das öffentliche 53 EuGH, U. v. 4.4.1990, Rs.30/59, Slg. 1961, Rn. 3, 42 f. – Steenkolenmijnen; EuGH, Rs. C-200/91, Slg. 1998, I-7907, Rn. 34 – Ecotrade. 54 Lübbig/Martin-Ehlers, Rn. 148. 55 EuGH, U. v. 11.7.1996, Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547, Rn. 60 – SFEI. 56 Bartosch, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 2. 57 Bartosch, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 2, 5 f.; Ludwigs, JURA 2006, 41, 42; für den Kauf von Anteilen EuGH, U. v. 16.4.1986, Rs. 40/85, Slg. 1986, 2321, Rn. 13 – Belgien/Kommission. 58 Rubini, EStAL 2009, 277, 278, 282. 59 EuGH, U. v. 17.3.1993, verb. Rs. C-72/91 und C-73/91, Slg. 1993, I-887, Rn. 19 – Sloman Neptun.

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

Unternehmen selbst, sondern ein Hoheitsträger, in der Lage, ist die Mittelverwendung zu kontrollieren.60 Die Kommission sieht im DAWI-Leitfaden jedoch auch Mittel als staatlich an, die von einer privaten Stelle organisiert werden, wenn diese durch Zwangsbeiträge von Privaten finanziert werden und die Tätigkeit der Stelle staatlich reguliert ist.61 Diese Tendenz lässt sich im Hinblick auf die jüngste Rspr. teilen. Entgegen Tendenzen in der früheren Rechtsprechung des EuGH62 ordnete das EuG kürzlich die deutsche sog. EEG (Erneuerbare EnergienGesetz)-Umlage als Beihilfe ein, da es sich um staatliche Mittel handele; die EEG-Umlage wird von den Stromendkunden von den privaten Übertragungsnetzbetreibern als Aufschlag auf den Strompreis erhoben, um im Verhältnis teureren Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu finanzieren – die Umlage wird an die Produzenten von Strom aus diesen Quellen weitergeleitet.63 Auch nach der jüngeren Rechtsprechung des EuGH64 können Mittel von privaten Unternehmen eine Beihilfe darstellen, wenn die Mittel von einer staatlichen Stelle verwaltet werden. Damit lässt sich die Beurteilung der Kommission, dass nicht nur die Finanzierung von DAWI aus typischen staatlichen Quellen, sondern auch aus Pflichtabgaben, die nicht in den Staatshaushalt fließen, eine Beihilfe darstellt, teilen.65 Es handelt sich auch insoweit um eine Ausdehnung des Art. 107 Abs. 1 AEUV auf bisher dem EU-Beihilfenrecht nicht unterliegende Bereiche.

IV. Bestimmtheit Ein weiteres Tatbestandsmerkmal ist die Bestimmtheit, d.h. die Maßnahme muss an ein bestimmtes Unternehmen oder einen bestimmten Produktionszweig gerichtet sein. Dieses Merkmal dient der Abgrenzung von allgemeinen wirtschafts- und steuerpolitischen Maßnahmen zu Beihilfen.66 In der Sache handelt es sich hierbei um ein Diskriminierungsverbot, denn eine Maßnahme ist dann bestimmt und stellt eine Beihilfe dar, wenn sie ein Unternehmen begünstigt, das sich in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Situation befindet wie 60 EuGH, U. v. 16.5.2002, Rs. C-482/99, Slg. 2002, I-4937, Rn. 50–57 – Frankreich/ Kommission. 61 Ziffer 34 der DAWI-Mitteilung mit Verweis auf die ältere Entscheidung des EuGH, U. v. 2.7.1994, Rs. 173/73, Slg. 1974, 709, Rn. 16 – Italien/Kommission, in der es um einen Fonds für Sozialbeiträge ging. 62 EuGH, U. v. 13.3.2001, Rs. C-379/98, Slg. 2001, I-2099 – Preussen Elektra; der Fall betraf die Zahlung von Mindestpreisen eines (privaten) Verteilungsnetzbetreibers an ein Elektrizitätsunternehmen für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen. 63 EuG, U. v. 10.5.2016, Rs. T-47/15, juris = EuZW 2016, 250. 64 EuGH, U. v. 13.9.2017, Rs. C-329/15, juris, Rn. 23 – ENEA, wonach dieser Grundsatz bereits mit der Preussen Elektra Rechtsprechung aufgestellt worden wäre. 65 Siehe insoweit Ziffer 36 der DAWI-Mitteilung. 66 Lübbig/Martin-Ehlers, Rn. 232.

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ein Unternehmen, das keine Begünstigung erhält.67 Daher sind Maßnahmen, die auf einzelne Unternehmen68 oder Sektoren69 gerichtet sind, aber auch Regelungen, die Ermessen in der Auswahl des Empfängers einräumen,70 bestimmt in diesem Sinne. Weitere Ausführungen hierzu finden sich in der DAWI-Mitteilung nicht. Die Förderung von Betreibern von DAWI ist an einzelne Unternehmen gerichtet und erfüllt daher das Kriterium der Bestimmtheit.

V. Verfälschung des Wettbewerbs und Handelsbeeinträchtigung 1. Allgemeine Grundsätze Weiterhin muss die Maßnahme den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Hier muss der Nachweis geführt werden, dass die Beihilfe die Stellung des geförderten Unternehmens im Wettbewerb verstärkt.71 Allerdings ist hierfür keine quantitative Marktanalyse nötig, sondern nur eine Prognose anzustellen, ob die Maßnahme qualitativ eine Auswirkung auf den Wettbewerb hat. Es sind also die tatsächlichen Auswirkungen einer Beihilfe auf den Wettbewerb nicht zu prüfen, es reicht, wenn die Maßnahme geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen. Ähnliches gilt für die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, wo ebenfalls die Eignung zur Handelsbeeinträchtigung ausreicht.72 In der Philip Morris Entscheidung beispielsweise wurde die drohende Wettbewerbsverfälschung im Zusammenhang mit der Handelsbeeinträchtigung geprüft und bejaht, weil durch die Beihilfe die Produktionskapazität gesteigert und die Kosten der Produktionsanlagenumstellung gemindert wurde. Ausreichend ist z. B. auch, dass die Beihilfe das Senken von Preisen ermöglicht.73 Der Verwirklichung der anderen Tatbestandsmerkmale, insbesondere der in der Begünstigung liegenden Besserstellung, kommt daher häufig eine Indizwirkung für die Frage der Wettbewerbsverfälschung und auch der Handelsbeeinträchtigung zu. Insgesamt handelt es sich um eine relativ leichte Hürde im Gegensatz zur Prüfung der Wettbewerbsverfälschung im Kartellrecht, wo eine detaillierte Darstellung der sachlich und geografisch relevanten Märkte und die Auswirkungen der geprüften Maßnahme auf diese erforderlich ist. Die Kommission verzichtet in ihrer Beihilfen-Praxis dementsprechend auf eine derartige Prüfung, der more economic ap67

EuGH, U. v. 28.10.2004, Rs. C-172/03, Slg. 2005, I-1627, Rn. 40 – Heiser. EuGH, U. v. 14.2.1990, Rs. 301/87, Slg. 1990, I-307 – Frankreich/Kommission. 69 EuGH, U. v. 2.7.1994, Rs. 173/73, Slg. 1974, Rn. 17 – Italien/Kommission. 70 EuGH, U. v. 3.12.1998, Rs.C-259/97, Slg. 1999, I-3913, Rn. 27 – DMT. 71 EuGH, U. v. 17.9.1980, Rs. 730/79, Slg. 1981, 2671, Rn. 11 – Philip Morris. 72 EuGH, U. v. 15.5.2003, Rs. 298/00, Slg. 2004, I-4087, Rn. 49 – Italien/Kommission; dort werden die beiden Tatbestandsmerkmale zusammen geprüft. 73 EuGH, U. v. 3.5.1985, verb. Rs. 67, 68 und 70/85, Slg. 1988, 219, Rn. 58, 74 – Van der Kooy/Kommission. 68

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

proach schlägt sich insofern auf Tatbestandsebene nicht nieder.74 Es ist bei der Wettbewerbsverfälschung weiter nicht erforderlich, dass diese spürbar ist, es gibt also nach der Rechtsprechung keine Geringfügigkeitsschwelle.75 Eine Geringfügigkeitsschwelle existiert allerdings in Form der De-minimis-Verordnung, wonach Maßnahmen bis zu 200.000 EUR nicht als wettbewerbsverfälschend gelten und auch den innerstaatlichen Handel nicht beeinträchtigen und daher den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht erfüllen.76 Das Merkmal der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten dient dem Ausschluss von Sachverhalten ohne grenzüberschreitenden Bezug, in denen das Primärrecht der EU nicht einschlägig ist. Ausreichend ist hierfür allerdings, wie bereits erwähnt, schon eine drohende Beeinträchtigung des Handelsverkehrs; eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn sich der Handelsverkehr ohne die Gewährung der Beihilfe in anderer Weise entwickeln würde. Hier wird ebenfalls nur eine qualitative Analyse verlangt.77 Im Fall Philip Morris war ausreichend, dass es sich bei dem Empfänger um ein internationales Unternehmen handelte.78 Wie bereits deutlich wurde, wird das Kriterium der Handelsbeeinträchtigung, da sich die Anforderungen ähneln, häufig zusammen mit der Verfälschung des Wettbewerbs geprüft. Dies ergibt auch wegen des inneren Zusammenhangs Sinn – ohne Wettbewerbsverfälschung ist auch keine Handelsbeeinträchtigung denkbar, eine Veränderung des grenzüberschreitenden Handels hat häufig Auswirkungen auf den Wettbewerb. Eine klare Abgrenzung zwischen Fällen, in denen der zwischenstaatliche Handel berührt ist und Fällen, in denen dies nicht gegeben ist, ist mit den dargestellten Grundsätzen allerdings nur schwer möglich, abseits von klaren Fällen, in denen die Güter unionsweit vertrieben und nachgefragt werden bzw. ein internationales Unternehmen gefördert wird. Denn ausgehend von diesen Grundsätzen hat der EuGH angenommen, dass die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels nicht vom örtlichen oder regionalen Charakter der erbrachten Wirtschaftsleistungen abhängt, da die Förderung eines insoweit tätigen Unternehmens den Marktzutritt potentieller Wettbewerber aus anderen Mitgliedstaaten erschweren kann.79 Diese Überlegung ist zwar nachvollziehbar, eine wirkliche Begrenzung des Anwendungsbereichs von Art. 107 Abs. 1 AEUV, wie sie im Tatbestand angelegt ist, ist damit aber nicht mehr vorgesehen und es ist unklar, in welchen Fällen eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels 74

Bartosch, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 156. EuGH, 14.9.1994, verb. Rs. C-278–280/92, Slg. 1994, I-4103, Rn. 40–42 – Spanien/Kommission. 76 Art. 3 Abs. 1 der De-minimis-VO, s. dazu auch Bartosch, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 159 mit Stellungnahme zum Streitstand, ob die De-minimis-VO mit dem Primärrecht in Einklang steht. 77 Bartosch, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 160. 78 EuGH, U. v. 17.9.1980, Rs. 730/79, Slg. 1981, 2671, Rn. 11 – Philip Morris. 79 EuGH, U. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747, Rn. 52 – Altmark Trans. 75

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zu verneinen ist, wenn es diesen Fall überhaupt noch geben soll. Auch wenn, wie im Konsultationsprozess zur Vorbereitung des Almunia-Pakets deutlich wurde, viele DAWI lokal erbracht werden, dürften damit nach den dargelegten allgemeinen Grundsätzen so gut wie alle begünstigenden und damit besserstellenden Maßnahmen des DAWI-Dienstleistungserbringers nicht nur eine Wettbewerbsverfälschung darstellen, sondern potentiell auch den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigen. 2. DAWI-Mitteilung und neuere Praxis der Kommission In der DAWI-Mitteilung führt die Kommission in der Passage zu den Auswirkungen auf den Handel (Ziffer 37–41) in Ziffer 37 zunächst an, wann nach ihrer Ansicht ein Wettbewerbsmarkt besteht, was normalerweise Voraussetzung für eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels ist. Im Prinzip werden insoweit die Grundsätze wiederholt, die im Hinblick auf die Definition des Unternehmens bzw. der wirtschaftlichen Tätigkeit zum Vorliegen eines Marktes aufgestellt wurden. Demnach unterliegen zum einem dem Wettbewerb geöffnete Märkte dem Beihilfenrecht, ungeachtet dessen, ob eine auf diesem Markt erbrachte DAWI durch private oder öffentliche (auch interne) Dienstleistungserbringer erbracht wird. Zum anderen unterlägen aber auch nicht geöffnete Märkte, auf denen nur ein Unternehmen tätig ist, dem EU-Beihilfenrecht. Interessanterweise übt sich die Kommission aber zu der letzteren Fallgruppe insoweit in Zurückhaltung, als eine Handelsbeeinträchtigung nur angenommen werden könne, wenn das zu prüfende Unternehmen zugleich auch auf geöffneten Märkten tätig ist; damit wird wohl die Stoßrichtung verfolgt, von derartigen Unternehmen möglicherweise ausgehende Wettbewerbsverfälschungen auf Nachbarmärkten zu vermeiden. Bei den weiteren Ausführungen zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels wiederholt die Kommission die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, schildert zudem jedoch Beispiele aus ihrer Fallpraxis, in denen sie eine Handelsbeeinträchtigung verneint hat (Ziffer 40). Sie trägt damit dem in der Konsultation zur Vorbereitung auf das Almunia-Paket geäußerten Wunsch nach einer Klarstellung im Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal Rechnung; gerade bei der Erbringung sog. lokaler DAWI herrschten nach den Konsultationsergebnissen Unsicherheiten im Hinblick auf die Einordnung in Art. 107 Abs. 1 AEUV bzw. der darin versteckte Wunsch nach einer Befreiung vom Beihilfenverbot insoweit.80 Die Zusammenstellung dieser Fallpraxis in der DAWI-Mitteilung schafft eine Übersicht, aber keine handhabbaren Kriterien, wann eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels sicher abzulehnen ist. In den aufgeführten Fällen handelt es sich um Tätigkeiten sog. rein lokaler Natur, die überwie80

Kapitel 1, E.

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

gend von örtlichen Einwohnern genutzt werden (Schwimmbäder)81, ausschließlich für die örtliche Bevölkerung bestimmt sind (örtliche Krankenhäuser)82 oder etwa wahrscheinlich keine grenzüberschreitenden Besucher anziehen (örtliche Museen).83 Entscheidend für den Ausschluss war mithin der begrenzte Nutzerkreis wegen des lokalen Zuschnitts des Angebots. Ob Voraussetzung des Ausschlusses der Handelsbeeinträchtigung der sichere Ausschluss von Besuchern aus anderen Regionen oder anderen Mitgliedstaaten ist, oder eine überwiegende Nutzung durch örtliche Besucher ausreichend ist und wie dies nachzuweisen ist, geht aus den von diesen Fällen gezogenen Linien nicht eindeutig hervor. Zudem dürfte die Berufung auf diese Fallpraxis noch keine sichere Gewähr dafür bieten, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht erfüllt ist, da nach dem EuGH eben der regionale oder lokale Charakter einer Maßnahme eine Handelsbeeinträchtigung nicht ausschließen kann, da insoweit ein Hindernis für grenzüberschreitende Investitionen bestehen kann und es keine Spürbarkeitsschwelle gibt.84 Die Kommission hat in ihrer jüngeren Entscheidungspraxis aus dem Jahr 2015 bei sieben Entscheidungen zu Krankenhäusern, medizinischen Versorgungszentren und kleineren Infrastrukturprojekten versucht, dies aufzugreifen. Tenor der am 29. April 2015 ergangenen Entscheidungen zu Fällen in Deutschland, Tschechien, der Niederlande und dem Vereinigten Königreich ist, dass in Fällen von rein lokalen Auswirkungen eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels nicht besteht. Allerdings handelte es sich fast ausschließlich um Kleinstmaßnahmen; unter den deutschen Fällen befand sich kein Krankenhaus, sondern nur eine Reha-Klinik mit 200 Betten. Die Entscheidung zu einem öffentlichen Krankenhaus in der Tschechischen Republik betraf überwiegend die Förderung von Notdiensten. In diesen Entscheidungen verneinte die Kommission eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels nur dann, wenn die fragliche Tätigkeit nur in einem geografisch begrenzten Gebiet angeboten wird und wahrscheinlich keine Kunden bzw. Patienten aus anderen Mitgliedstaaten anzieht und außerdem die Maßnahme höchstens marginale Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen hat.85 Damit bestünde zwischen Kommissionspraxis 81 Kommission, Entscheidung in der Sache N 258/00 (ABl. EU C 172/16 vom 16.6.2001) – Freizeitbad Dorsten. 82 Kommission, Entscheidung in der Sache N 543/01 (ABl. EU C 1254/4 vom 8.12.2005) – italienische Krankenhäuser. 83 Kommission, Entscheidung in der Sache N 257 (ABl. EU C 275/3 vom 8.12.2005) 84 EuGH, U. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747, Rn. 52 – Altmark Trans. 85 Siehe dazu Kommission, Pressemitteilung zu den Entscheidungen vom 29.4.2015 = Orientierungshilfe zur Zulässigkeit der Gewährung lokaler staatlicher Fördermaßnahmen ohne vorherige Genehmigung der Kommission, abrufbar unter http://europa.eu/ra pid/press-release_IP-15-4889_de.htm (letzter Abruf am 29.4.2019). Zu diesen Kriterien auch Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU v. 19.7.2016, C 262/1, Ziffer 197.

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und EuGH kein Widerspruch.86 Es bleibt aber auch nach dieser Kommissionspraxis aus dem Jahr 2015 etwas unklar, wann nur marginale Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen festzustellen sind. Die Kommission prüft insoweit, ob Anhaltspunkte für Investitionshemmnisse vorliegen, was etwa zu verneinen ist, wenn keine Hinweise auf grenzüberschreitende Investitionstätigkeit vorliegen87 oder genug andere Investitionsobjekte neben der geförderten Tätigkeiten zur Verfügung stehen.88 Eventuell lässt sich auch die mangelnde Attraktivität bzw. Anziehungskraft der geförderten Tätigkeit als Kriterium verwenden.89 Die Beurteilung bleibt damit zwar letztlich eine Frage des Einzelfalls, immerhin kann man statuieren, dass des EU-Beihilfenrecht nach der Kommission – sinnvollerweise – in Fällen von untergeordneter Bedeutung nicht zur Anwendung kommen soll. Eine wirklich rechtssichere Lösung erlaubt dieser etwas vage Maßstab jedoch nicht, zumal der EuGH eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels durch die Beeinträchtigung grenzüberschreitender Investitionen schon dann nicht ausschließen will, wenn es überhaupt Unternehmen gibt, die in dem fraglichen Sektor grenzüberschreitend tätig sind.90 Eine Prüfung konkreter Investitionshemmnisse, wie sie die Kommission vornimmt, erfolgt hier also nicht. Eine „lokale“ Maßnahme kann also nur dann wirklich rechtssicher als von der Beihilfenkontrolle befreit angesehen werden, wenn sie unter die DAWI-Deminimis-VO fällt und daher den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht erfüllt oder sie nach den Voraussetzungen der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) von der Anmeldepflicht des Art. 108 Abs. 3 AEUV befreit ist.91 3. DAWI-De-minimis-Verordnung Mit der Schaffung einer eigenen DAWI-De-minimis-Verordnung will die Kommission für eine Vereinfachung in Bereichen sorgen, in denen eine Beihilfenkon-

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Vgl. Bartosch, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Rn. 163. Kommission, Entscheidung vom 29.4.2015 (SA.38208) – britische Golfclubs. 88 Kommission, Entscheidung vom 29.4.2015 (SA.38035) – Landgrafen-Reha-Klinik. 89 Siehe hierzu schon Kommission, Entscheidung in der Sache N 258/00 (ABl. EU C 172/16 vom 16.6.2001) – Freizeitbad Dorsten; der Entscheidung lag ein gewöhnliches, örtliches Freibad zugrunde, kein überregionales „Spaßbad“. 90 EuGH, U. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747, Rn. 79 – Altmark Trans. 91 In Fortsetzung dieser Linie hat die Kommission am 21.9.2016 fünf Entscheidungen zu Fällen getroffen, bei denen wegen der rein lokalen Natur der geförderten Tätigkeiten, insbesondere wegen deren geringen Umfangs, einer höchstens regionalen Zielgruppe und der geringen Attraktivität für Investoren aus anderen Mitgliedstaaten die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels verneint wurde. Diese Entscheidungen bringen gegenüber den einschlägigen Entscheidungen aus dem Jahr 2015 jedoch keine Neuerungen und betreffen keine Krankenhäuser, sondern etwa ein regionales Sportcamp, s. dazu insgesamt die Pressemitteilung der Kommission vom 21.9.2016, EuZW 2016, 726. 87

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

trolle nicht angezeigt erscheint.92 Dabei geht die DAWI-De-minimis-Verordnung über die Vereinfachungen des DAWI-Beschlusses hinaus, einmal weil Maßnahmen, die unter den Anwendungsbereich der DAWI-De-minimis-Verordnung fallen keine Wettbewerbsverzerrung auslösen und den zwischenstaatlichen Handel nicht beeinträchtigen und somit schon den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht erfüllen;93 zum anderen weil bzgl. der Ausgleichszahlungen auf die in Art. 106 Abs. 2 AEUV angelegte Überkompensationskontrolle (Art. 5 des DAWI-Beschlusses) verzichtet wird. Zwar muss eine Beauftragung des Dienstleistungserbringers mit der DAWI durch einen schriftlichen Betrauungsakt erfolgen (Erwägungsgrund 6 der DAWI-De-minimis-Verordnung), dieser muss aber keine weiteren detaillierten Angaben enthalten (vgl. Art. 3 des Freistellungsbeschlusses).94 Die DAWI-De-minimis-Verordnung gleicht in ihrer Wirkungsweise der allgemeinen De-minimis-Verordnung (VO Nr. 1407/2014).95 Kennzeichnende Unterschiede sind, dass die DAWI-De-minimis-VO nur für Maßnahmen an Unternehmen gilt, die eine DAWI erbringen (Art. 1 Abs. 1 DAWI-De-minimis-VO) und dass der Beihilfegesamtbetrag an ein solches Unternehmen bis zu 500.000 EUR in drei Steuerjahren statt 200.000 EUR erreichen darf (Art. 2 Abs. 2 im Gegensatz zu Art. 3 Abs. 2 der gewöhnlichen De-minimis-VO). Art. 2 Abs. 2–8 der DAWI-De-minimis-Verordnung legt weitere Voraussetzungen fest, die Zahlungen an DAWI erfüllen müssen. Unter anderem ist geregelt, wie der zulässige Höchstbetrag zu berechnen ist, wenn es sich nicht um einen Barzuschuss handelt (Absatz 3, 4). Absatz 5 regelt, dass bei Überschreiten der Betragsgrenze die DAWIDe-minimis-VO insgesamt nicht zur Anwendung kommt. Absätze 6–8 regeln Kumulierungsverbote. Der in der DAWI-De-minimis-VO genannte Höchstbetrag darf nicht zusätzlich zu einem Betrag gewährt werden, der nach einer Gruppenfreistellungsverordnung oder einem Beschluss der Kommission zulässig ist (Abs. 6) oder nach der allgemeinen De-minimis-VO zulässig ist (Abs. 7). Auch eine Kumulierung mit anderen DAWI-Ausgleichsleistungen ist nicht zulässig (Abs. 8). Art. 3 enthält Überwachungsvorschriften. Um die Anforderungen an die Ausgleichszahlung einhalten zu können, muss das zu fördernde Unternehmen mitteilen, inwieweit es in den letzten drei Steuerjahren bereits De-minimis-Beihilfen erhalten hat (Abs. 1), sofern im Mitgliedstaat kein Register für De-minimis-Beihilfen besteht (Abs. 2). Die beihilfegewährenden Mitgliedstaaten müssen über die Gewährung von De-minimis-Beihilfen Aufzeichnungen über 10 Jahre aufbewahren (Abs. 3). 92

Siehe hierzu auch Kapitel 1, E. Erwägungsgrund 4 der DAWI-De-minimis-Verordnung. 94 Vgl. hierzu auch Bartosch, VO Nr. 360/2012, Rn. 1. 95 Vgl. hierzu auch Bartosch, VO Nr. 360/2012, Rn. 2; zur Zeit der Verabschiedung der DAWI-De-minimis-VO war noch die Vorgänger De-minimis-VO (VO Nr. 1998/ 2006) in Kraft. 93

B. DAWI im Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV

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Es handelt sich bei der DAWI-De-minimis-Verordnung um ein relativ übersichtliches und aufgrund der geringen Anforderungen leicht zu handhabendes Regelwerk; aufgrund des Ausschlusses der Tatbestandsmäßigkeit bietet es sich an, bei der Prüfung, ob eine bestimmte Maßnahme der Beihilfenkontrolle untersteht, damit zu beginnen. Da es sich um eine Verordnung handelt, mithin eine unmittelbar geltende Rechtsnorm nach Art. 288 Abs. 2 AEUV, besteht bei der Stützung auf diese ein hohes Maß an Rechtssicherheit.96 Zwar ist die Vereinbarkeit von De-minimis-Verordnungen mit Primärrecht wegen des vom EuGH aufgestellten Grundsatzes, dass das Beihilfeverbot keine Spürbarkeitsgrenze kennt, zweifelhaft.97 Da die Kommission sich in ihrer Praxis aber an ihre eigene Verordnung halten wird und eine nach De-minimis-Verordnungen Beihilfe gewährende Behörde die Rechtswirksamkeit derartiger Verordnungen kaum angreifen wird, dürfte diese Problematik allerdings nur bei Wettbewerberklagen aufgeworfen werden. Das praktische Bedürfnis nach einem derartigen Regelwerk dürfte enorm sein: Es ist gängige Praxis in deutschen Kommunen, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten, die durch die Kommunen erbracht werden, nicht nach Sparten getrennt geführt werden, sondern unter dem Dach eines Verbundes, entweder innerhalb der Verwaltung oder in einem ausgegliederten Unternehmen. Typischerweise sind einige Sparten (z. B. Energie, Wasser) gewinnbringend, andere Tätigkeiten defizitär (z. B. Nahverkehr). Zur Deckung der Betriebskosten der defizitären Bereiche werden die Überschüsse anderer Bereiche herangezogen. Sinn dieser Quersubventionierung ist es, zu vermeiden – zu Lasten der Transparenz – dass die einzelnen Überschüsse und Defizite steuerwirksam angesetzt werden und nur das Gesamtsaldo steuerwirksam ist. Man spricht insofern vom sog. steuerlichen Querverbund.98 Abgesehen von der hier nicht weiter erörterten Problematik der beihilfenrechtlichen Bewertung dieses steuerrechtlichen Vorgehens zeigt diese gängige Praxis, dass sich in so gut wie jeder Kommune – bei den beschriebenen Verlustausgleichen – Vorgänge finden, die im Prinzip dem EUBeihilfenrecht unterliegen können.99 Hier würde die DAWI-De-minimis-Verordnung aufgrund ihrer wenigen Voraussetzungen und des Verzichts auf eine Überkompensationskontrolle im Vergleich zum DAWI-Beschluss eine Vereinfa96 Die Rechtsgrundlage für diese Verordnung durch die Kommission ist die sog. Ermächtigungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates vom 7. Mai 1998 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl. EG L142/1, zuletzt geändert durch Art. 9 ÄndVO (EU) 2015/1588 vom 13.7.2015 (ABl. EU L 248/1). 97 Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 107 AEUV, Rn. 32 ff. 98 Siehe hierzu Boing/Rusche, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 93 AEUV, Rn. 14 ff.; Westermann/Zemke, KommJur 2013, 1. 99 Boing/Rusche, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 93 AEUV, Rn. 14 ff.; Westermann/Zemke, KommJur 2013, 1; auch insgesamt sind wohl ein Viertel der angesprochenen Unternehmensgruppe (=Stadtwerke-Konzerne) defizitär, s. Diering, Welt.de, 22.2. 2016, https://www.welt.de/wirtschaft/article152480955/Dutzende-deutsche-Stadtwerkestehen-vor-der-Pleite.html (letzter Abruf am 29.4.2019).

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

chung bringen.100 Der Knackpunkt ist natürlich, dass die Betragsgrenze von 500.000 EUR nach Art. 2 Abs. 2 für das Unternehmens insgesamt nicht überschritten werden darf, was in vielen Fällen des steuerlichen Querverbundes aber der Fall sein dürfte. Wegen des Verzichts auf eine Überkompensationskontrolle und von Veröffentlichungspflichten nimmt die DAWI-De-minimis-VO zudem in Kauf, dass Beträge von bis zu 500.000 EUR missbräuchlich eingesetzt werden können, etwa nicht für echte DAWI, ohne dass eine wirksame Kontrolle von Wettbewerbern stattfinden kann. Angesichts der verhältnismäßigen Geringfügigkeit dieses Betrages ist dies jedoch zu akzeptieren.

VI. Altmark-Rechtsprechung 1. Problemstellung und Lösungsmöglichkeiten Wie vorstehend aufgezeigt, unterfällt die Finanzierung von DAWI durch die Mitgliedstaaten grundsätzlich dem Beihilfetatbestand. Da Art. 106 Abs. 2 AEUV jedoch Abweichungen von den Wettbewerbsregeln ermöglicht, war fraglich, wie die Vorschrift beihilfenrechtlich berücksichtigt werden soll. Hierzu haben sich im Grundsatz zwei Ansichten herausgebildet. Nach der Rpsr. des EuG stellten Ausgleichszahlungen für DAWI zunächst eine Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV dar, denn im Rahmen des Beihilfenverbots komme es nicht auf die Zwecksetzung der Maßnahme an. Allerdings sei eine Rechtfertigung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV möglich.101 Im Gegensatz dazu verneinte der EuGH das Vorliegen einer verbotenen Beihilfe in der Rs. Ferring. Er sah die gewährten Vorteile als Gegenleistung für die Vorhaltung eines Universaldienstes an, so dass eine Vorteilsgewährung im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht vorhanden sei.102 Komme es dagegen zu einer Überkompensierung, sei auch eine Rechtfertigung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV nicht möglich, da eine Notwendigkeit der Maßnahme für die Erbringung einer DAWI dann nicht mehr bestehe.103 Diese gegensätzlichen Positionen sorgten in 100 Für den Verkehrsbereich würde jedoch jenseits der Betragsgrenzen der DAWIDe-minimis-VO die auf die Sonderregel des Art. 93 AEUV (statt Art. 106 Abs. AEUV) gestützte Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1170/70 des Rates, ABl. EU vom 3.12.2007, L 315/1 gelten – der DAWI-Beschluss ist nach Art. 2 Abs. 5 insoweit nicht anwendbar. Die VO Nr. 1370/2007 errichtet für den Verkehrsbereich ein vergabe- und beihilfenrechtliches Sonderregime – die Voraussetzungen für die zulässige Höhe der Ausgleichsberechnung sind hier etwas strenger als im Altmark-Paket, s. hierzu Boing/Rusche, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 93 AEUV, Rn. 47. 101 EuG, U. v. 27.2.1997, Rs. T-106/95, Slg. 1997, II-233 – FFSA; EuG, U. v. 10.5. 2000, Rs. T-46/97, Slg. 2000, II-2125 – SIC; dazu auch Klasse, Services of General Economic Interest, in: Heidenhain (Hrsg.), European State Aid Law, S. 499. 102 EuGH, U. v. 22.11.2001, Rs. C-53/00, Slg. 2001, I-9067, Rn. 29 – Ferring. 103 EuGH, U. v. 22.11.2001, Rs. C-53/00, Slg. 2001, I-9067, Rn. 67 – Ferring.

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der Folge für Diskussionen über die Wahl des richtigen Ansatzes.104 Unter anderem kritisierte Generalanwalt Léger in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Altmark, als diese Frage erneut aufkam, dass der Ansatz einer Tatbestandsausnahme dem Beihilfeverbot die Wirksamkeit raube, da die Überprüfung der Ausgleichszahlungen dann nicht mehr in die Kompetenz der EU falle.105 2. Darstellung der Grundsätze des Altmark-Urteils Der EuGH erhielt im Altmark-Urteil jedoch die in der Ferring-Rechtsprechung vorgezeichnete Linie aufrecht.106 Im Fall ging es um Zuschüsse an ein Unternehmen, um dessen defizitären Betrieb von Liniendiensten mit Omnibussen zu ermöglichen. Um die Unterdeckung zu finanzieren, wurde ein Ausgleich gewährt, der sich nach den Fahrplankilometern bemaß. Der EuGH befasste sich insoweit mit der Frage, ob Zuschüsse zu Defiziten im öffentlichen Personennahverkehr dem Beihilfeverbot unterliegen. Dabei konzentrierte sich der EuGH vorab auf das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Wie bereits bei den Ausführungen zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels dargelegt, urteilte der EuGH, dass auch Zuschüsse für ausschließlich regionale oder örtliche Verkehrsdienste den Handel beeinträchtigen können, da sie dem Unternehmen so einen Vorteil gegenüber ausländischen Wettbewerbern verschaffen, die möglicherweise ebenfalls auf dem jeweiligen Markt Verkehrsleistungen erbringen wollen; zudem gibt es nach dem EuGH auch keine Schwelle, ab der man eine Handelsbeeinträchtigung verneinen könne, da es auf den Umfang der Beihilfe oder die Größe des Unternehmens nicht ankomme.107 Daher konnte sich der EuGH mit der Frage beschäftigen, ob dem Unternehmen vorliegend ein Vorteil gewährt wurde und somit das Tatbestandsmerkmal der Begünstigung vorliegt. Er stellte dabei den Grundsatz auf, dass eine staatliche Ausgleichszahlung keinen Vorteil gegenüber konkurrierenden Unternehmen darstellt und damit keine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV ist, wenn sie als Gegenleistung für die Erfüllung sog. gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen anzusehen ist.108 Allerdings müssten dafür eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein:109

104 Siehe Bartosch, NVwZ 2002, 174; Gundel, RIW 2002, 222; Sinnaeve, EStAL 2003, 351. 105 Generalanwalt Léger, Schlussanträge vom 19.3.2002, U. v. 24.7.2003, Rs. C-280/ 00, Slg. 2003, I-7747, Rn. 76 ff. – Altmark. 106 EuGH, U. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747 – Altmark. 107 EuGH, U. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747, Rn. 77 ff. – Altmark. 108 EuGH, U. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747, Rn. 83 ff. – Altmark. 109 EuGH, U. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747, Rn. 88 ff. – Altmark.

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

Erstens muss das Unternehmen mit der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betraut sein und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein. Im konkreten Fall sei es daher Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob sich vorliegend gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, etwa aus nationalen Rechtsvorschriften oder den Genehmigungen für den Busverkehr ergeben. Zweitens müssen vorab objektive und transparente Parameter für die Ausgleichszahlungen aufgestellt werden. Ein nachträglicher Verlustausgleich genügt demnach nicht, wenn vorab keine Parameter für die Ausgleichsberechnung aufgestellt wurden. Diese zweite Voraussetzung ist Grundlage für die dritte Voraussetzung. Der Ausgleich muss auch erforderlich sein, d.h. er darf die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung abzüglich der Einnahmen, zuzüglich eines angemessenen Gewinns, nicht überschreiten – andernfalls entsteht dem Unternehmen ein Vorteil, der den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht. Die Erfüllung der Tatbestandausnahme ist jedoch noch an eine vierte Voraussetzung geknüpft, die die Wahl des betrauten Unternehmens betrifft. Diese muss entweder über ein Vergabeverfahren erfolgen, das gewährleistet, dass die Dienste mit den geringsten Kosten für die Allgemeinheit erbracht werden. Andernfalls muss ein Vergleich mit einem durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen gezogen werden, das so ausgestattet ist, das es die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erfüllen kann. Der Ausgleich darf nicht über die Kosten hinausgehen, die ein solches Unternehmen bei Erfüllung der Verpflichtungen hätte. Auch hier sind wieder die erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn zu berücksichtigen. Der EuGH konnte sich in diesem Fall, der einen Landverkehrssachverhalt betrifft nur darum mit der Auslegung des Primärrechts befassen, weil kein vorrangiges Sekundärrecht einschlägig war.110 3. Kritik Die Altmark-Entscheidung löst damit den Gegensatz zwischen Daseinsvorsorge und Wettbewerbsschutz im Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV auf. Der Ansatz des EuGH ist jedoch nicht unkritisiert geblieben. Zum einen sei das Urteil systematisch nicht überzeugend und systemwidrig, da hiermit Tatbestands- und 110 EuGH, U. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747, Rn. 101 ff. – Altmark; die zum jetzigen Zeitpunkt für Ausgleichszahlungen im Landverkehrssektor einschlägige VO Nr. 1370/2007, lässt jedoch die Altmark-Rspr. unangetastet, ist also erst dann heranzuziehen, wenn Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt ist. Werden jedoch die in der VO Nr. 1370/2007 dargelegten Rechtfertigungsvoraussetzungen erfüllt, die Art. 93 AEUV (Sondervorschrift für den Verkehrsbereich gegenüber Art. 106 AEUV) abschließend konkretisieren, ist die Maßnahme von der Anmeldepflicht des Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV befreit (Erwägungsgrund 34 f. der VO Nr. 1370/2007).

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Rechtfertigungsebene miteinander vermengt würden. Der Tatbestand werde daher durch Erwägungen verwässert, die so nicht vorgesehen seien.111 Praktisch führt dies dazu, dass Ausgleichszahlungen, die die Voraussetzungen des Urteils erfüllen, nicht mehr nach Art. 106 Abs. 2 AEUV genehmigt werden müssen und daher auch nicht der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV unterliegen, was die Kontrollkompetenz seitens der Kommission schmälert und, wie vom Generalanwalt Léger in den Schlussanträgen befürchtet, möglicherweise zu einer Beeinträchtigung der Rechtsdurchsetzung des Beihilfenverbotes führen könnte. Durch die Entbehrlichkeit einer verbindlichen Genehmigungsentscheidung wird zudem dem Empfänger das Risiko einer Rückzahlung aufgebürdet für den Fall, dass sich herausstellt, dass die Altmark-Voraussetzungen nicht eingehalten wurden.112 Dies leitet über zu der Frage, was die Altmark-Kriterien inhaltlich bedeuten und ob damit ein höheres Maß an Rechtsklarheit geschaffen wurde. Insbesondere das dritte Kriterium wirft die Frage auf, wie die erstattungsfähigen Kosten inklusive des angemessenen Gewinns zu berechnen sind. Hinsichtlich des vierten Kriteriums bedarf der Klärung, was unter einem durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen zu verstehen ist, insbesondere wenn wegen Monopolstrukturen kein vergleichbares Unternehmen zur Verfügung steht.113 Fraglich ist auch, wie diese Tatbestandlösung zu Art. 106 Abs. 2 AEUV steht, ob also daneben eine Rechtfertigung für Ausgleichszahlungen möglich ist. Da der EuGH im Altmark-Urteil für die Begründung der Tatbestandsausnahme nicht auf Art. 86 Abs. 2 EGV (nun Art. 106 Abs. 2 AEUV) bzw. die Entsprechung in Art. 77 EGV (nun Art. 93 AEUV) für den Verkehrsbereich zurückgreift, ist dies richtigerweise zu bejahen. Die Möglichkeit der Rechtfertigung hat vor allem Relevanz, wenn die vierte Altmark-Voraussetzung, das Effizienzkriterium nicht eingehalten ist, da diese sich im Gegensatz zu den anderen Voraussetzungen nicht in Art. 106 Abs.2 AEUV widerspiegelt.114 Daraus kann entnommen werden, dass die Einführung eines Effizienztests zumindest für den Bereich des Tatbestands zu einer Erschwerung der Erbringung von DAWI führt,115 da damit ein neue Voraussetzung aufgestellt wird, die dazu führt, dass der Wettbewerbsgedanke auch in diesem Bereich eingehalten werden muss. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass der Gedanke des Effizienztests als allgemeines Prinzip gilt, das, wenn auch in abgeschwächter Form, auf die Prüfung der Rechtfertigung übertragen wird.116 Zwingend angelegt ist das 111

Jennert, S. 109 ff. Kämmerer, NVwZ 2004, 28, 33. 113 Deuster, S. 156 ff. 114 Bauer, EuZW 2006, 7, 10 f. 115 Mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen sind nichts anderes als DAWI gemeint, dazu Kapitel 2, B. VI. 4. a). 116 Bauer, EuZW 2006, 7, 10. 112

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Effizienzkriterium in Art. 106 Abs. 2 AEUV jedoch nicht. Es fordert ja entweder eine Auswahl des DAWI-Dienstleistungserbringers durch ein Vergabeverfahren oder den Kostenvergleich mit einem durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen. Art. 106 Abs. 2 S. 1 AEUV spricht aber von „Unternehmen die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut „sind“, eine Regelung der Auswahlentscheidung (und eine damit verbundene Marktöffnung) ist nicht vorgesehen. In Satz 1 heißt es zwar weiter, dass die Wettbewerbsregeln auf derartige Unternehmen Anwendung finden, wenn die damit übertragene Aufgabe nicht rechtlich oder tatsächlich behindert wird, zudem heißt es weiter, dass der Handelsverkehr nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden darf, der den Interessen der Union zuwiderläuft. Wird jedoch eine Überkompensation verhindert, ist ein Ausgreifen des geförderten Unternehmens auf andere Wettbewerbsmärkte ausgeschlossen; eine Handelsbeeinträchtigung wäre nur dann ersichtlich, wenn damit auch verlangt wird, dass grenzüberschreitende Investitionen nicht verhindert werden dürfen und DAWI dem Wettbewerb geöffnet werden müssen. Dies ist zwar ein im Rahmen des Art. 107 Abs. 1 AEUV anerkannter Grundsatz, für Art. 106 Abs. 2 AEUV jedoch nicht zu fordern. Denn aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich, dass damit das Ausgreifen des staatlichen Sektors von großen Mitgliedstaaten in andere Mitgliedstaaten verhindert werden soll. Um die umgekehrte Stoßrichtung, eine Öffnung des öffentlichen Sektors ging es gerade nicht. Ein Kriterium der Effizienzprüfung ist daher sachgerecht, wenn DAWI im Rahmen des Beihilfentatbestandes relevant werden, da man andernfalls nicht von einem Nichtvorliegen einer Begünstigung sprechen kann. Eine gewisse Effizienz würde wohl auch ein privater Kapitalgeber erwarten, wenn dieser – dies ist natürlich eine hypothetische Betrachtung – eine DAWI in Auftrag geben würde. Darüber hinaus, für eine Rechtfertigungsprüfung, ist ein Effizienztest zumindest primärrechtlich nicht vorgesehen. 4. Weiterentwicklungen im Bereich der Rechtsprechung und die Entscheidungspraxis der Kommission a) Entwicklung in der Rechtsprechung Da der EuGH angesichts der vorhergehenden Debatten allgemeine Grundsätze für die Behandlung von Ausgleichszahlungen für DAWI im Rahmen des Beihilfentatbestandes aufgestellt hat, ist fraglich, wie diese Grundsätze von der späteren Rechtsprechung angewandt wurden und ob sie Veränderungen ausgesetzt waren. Bei den seitdem ergangen Entscheidungen handelt es sich in der Mehrzahl um Entscheidungen des EuG, die die Rspr. des EuGH bestätigten und diese konsequent anwandten.117 Aufsehen erregte allerdings die Entscheidung des EuG in 117

Vedder, S. 58 f.

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der Rs. BUPA118 welche als mögliche Ausdifferenzierung bzw. als teilweise Abkehr von den Altmark-Grundsätzen gesehen wird.119 Die Entscheidung hatte ein Risikoausgleichssystem für die private Krankenversicherung in Irland zum Gegenstand, die als Alternative zur staatlichen Krankenversicherung aufgebaut werden sollte. Nach diesem System müssen Anbieter privater Krankenversicherungen mit einem gegenüber dem Durchschnitt günstigeren (Krankheits-)Risikoprofil unter ihren Kunden eine Zahlung an einen staatlichen Fonds abführen, die als die hochgerechnete Differenz zwischen den Kosten für das durchschnittliche Risikoprofil und den Kosten für das tatsächliche Risikoprofil des Versicherers errechnet wird. Der staatliche Fonds gewährt dann entsprechende Ausgleichszahlungen an Versicherer mit schlechterem Risikoprofil. Dieses Risikoausgleichssystem wurde nach Art. 108 Abs. 3 AEUV bei der Kommission angemeldet und von dieser genehmigt, da die Ausgleichszahlung nach den Grundsätzen des Altmark-Urteils schon keine Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle. Die Entscheidung wurde von dem Versicherer BUPA, der zu einer Zahlung an den Fonds verpflichtet war, angefochten, jedoch von dem EuG aufrechterhalten. Zunächst stellte das EuG fest, dass der Begriff der gemeinwirtschaftlichen Leistungen (bzw. Universaldienst), wie ihn der EuGH in Altmark verwendet, identisch ist mit dem Begriff der DAWI, wie er in Art. 106 Abs. 1 AEUV vorgesehen ist.120 Das EuG befasste sich zunächst schwerpunktmäßig mit der Frage, ob vorliegend eine Betrauung mit einer gemeinwirtschaftlichen Leistung vorliegt. Auch unter Beachtung des Ermessensspielraums der Mitgliedstaaten bei der Definition gemeinwirtschaftlicher Dienste seien Mindestkriterien zu beachten.121 Als Kriterien wurde überprüft, ob die Dienstleistungen (abgestellt wurde auf die Versicherung an sich und damit einhergehende Verpflichtungen) universalen und obligatorischen Charakter hat. Dabei stellte der EuG fest, dass die Tatsache, dass die privaten Krankenversicherungen trotz eines grundsätzlichen Kontrahierungszwanges auch Personen über einem gewissen Alter ablehnen dürfen, nicht gegen den universalen Charakter des Dienstes spreche, da dieser auch bei einem beschränkten räumlichen und sachlichen Anwendungsbereich der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung und einer Beschränkung auf eine begrenzte Gruppe vorliegen könne.122 Der grundsätzliche Kontrahierungszwang und die daran angeknüpften Verpflichtungen, zumindest bestimmten Mindestschutz zu gewähren, führten allein schon zu einem obligatorischen Charakter des Dienstes. Dagegen spreche auch nicht, dass es sich bei den privaten Krankenversicherungen in Irland nur um eine Ergänzung zum gesetzlichen Schutz handelt, denn gerade wenn 118

EuG, U. v. 12.2.2008, Rs. T-289/03, Slg. 2008, II-81 – BUPA. Hancher/Larouche, in: Craig (Hrsg.), The Evolution of EU Law, S. 743, 764; Sauter/Van de Gronden, ECLR, 32 (2011), 615, 618. 120 EuG, U. v. 12.2.2008, Rs. T-289/03, Slg. 2008, II-81, Rn. 162 – BUPA. 121 EuG, U. v. 12.2.2008, Rs. T-289/03, Slg. 2008, II-81, Rn. 172 – BUPA. 122 EuG, U. v. 12.2.2008, Rs. T-289/03, Slg. 2008, II-81, Rn. 187 – BUPA. 119

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dem Diensterbringer kein ausschließliches oder besonderes Recht gewährt wurde, lasse sich der obligatorische Charakter aus einem Kontrahierungszwang begründen.123 Bei einer so definierten gemeinwirtschaftlichen Leistung könne nach dem EuG die Betrauung auch durch gesetzliche Vorschriften erfolgen, d. h. es ist unerheblich, dass sämtliche Unternehmen in einem Wirtschaftszweig erfasst sind. Der Begriff des Hoheitsaktes, durch den die Betrauung erfolgt, beschränkt sich nach dem EuG damit nicht auf konkret-individuelle Maßnahmen, die ein einzelnes oder wenige Unternehmen mit besonderen, ausschließlichen Rechten ausstattet. Eine derartige Beschränkung ist in den Altmark-Voraussetzungen zwar nicht explizit vorgesehen, jedoch aufgrund des zugrundeliegenden Sachverhalts zumindest denkbar gewesen. Nach dem EuG muss eine Betrauung durch Gesetz in Abgrenzung zu einer „normalen“ Regelung der Tätigkeit von Wirtschaftsteilnehmern jedoch die Voraussetzung erfüllen, dass eine besondere Aufgabe definiert wird, die hier mit den Verpflichtungen zur obligatorischen Aufnahme von Mitgliedern und der Verpflichtung zu bestimmten Mindestleistungen vorliegt. Das EuG stellt hierbei entscheidend auf das Maß der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Versicherung ab, so dass es sich vorliegend nicht nur um eine gewöhnliche Regelung oder Erlaubnis handelt, sondern eben um eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung.124 Interessanterweise kommt nach dem EuG das vierte Altmark-Kriterium, der Vergleich des bedachten Unternehmens mit einem effizienten Wirtschaftsteilnehmer in diesem Fall nicht streng zur Anwendung. Der Grund liege darin, dass die Berechnung des Ausgleichs nicht auf den Kosten und Einnahmen des Versicherers beruhe, sondern lediglich auf das Risikoprofil abstellt und die höheren Kosten damit nur mittelbar berücksichtigt. Die Situation sei damit mit der des Altmark-Urteils nicht vergleichbar.125 Daher sei der Vergleich mit einem effizienten Unternehmen, unabhängig davon, ob er durchführbar wäre, nicht erforderlich. Allerdings müsse nach dem Zweck dieser Voraussetzung überprüft werden, ob der gewährte Ausgleich Beträge für Kosten mit einschließt, die aufgrund fehlender Effizienz verursacht sein könnten. Da der Ausgleich vorliegend allerdings ausschließlich auf Grundlage des Gesundheitszustandes der Versicherten berechnet wird und somit mit einer möglicherweise nicht effizienten Verwaltungsstruktur nicht zusammen hängt, war dies jedoch nicht zu befürchten.126 Ob dies eine teilweise Abkehr von den Altmark-Kriterien oder zumindest eine Modifizierung darstellt, kann daher als zweifelhaft gelten, da das EuG stark auf 123

EuG, U. v. 12.2.2008, Rs. T-289/03, Slg. 2008, II-81, Rn. 190 – BUPA. EuG, U. v. 12.2.2008, Rs. T-289/03, Slg. 2008, II-81, Rn. 177 ff., insbesondere Rn. 180, 182 – BUPA. 125 EuG, U. v. 12.2.2008, Rs. T-289/03, Slg. 2008, II-81, Rn. 245 f. – BUPA. 126 EuG, U. v. 12.2.2008, Rs. T-289/03, Slg. 2008, II-81, Rn. 249 f. – BUPA. 124

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die Besonderheiten des Falles abstellt. Man kann allerdings entnehmen, dass je nach Fallgestaltung ein flexibler Umgang mit den Voraussetzungen möglich ist, wobei jedoch die dahinter stehenden Prinzipien – insbesondere die Vermeidung von Überkompensation, die eben auch durch einen ineffizienten Dienstleister vorliegen kann, beibehalten werden.127 Dies spricht eher nicht für eine Abkehr vom Effizienzgrundsatz. In welchen Fällen und in welcher Form eine Abwandlung der Altmark-Kriterien denkbar ist, erscheint jedoch fraglich.128 Da in dieser Sache der EuGH nicht angerufen wurde, ist letztlich auch fraglich, wie verbindlich die Grundsätze des BUPA-Urteils sind. Ansätze zu einer möglichen Weiterentwicklung des Effizienzkriteriums sind auch in der Rspr. des EuGH zu finden.129 In den beiden Chronopost-Entscheidungen130 befasste sich der EuGH im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen eine Positiventscheidung der Kommission mit der Frage, wie damit umzugehen ist, wenn wegen der monopolistischen Struktur eines Marktes kein vergleichbares Unternehmen vorhanden ist, wenn also keine normalen Marktbedingungen herrschen. In der Sache ging es um Unterstützungsleistungen des frz. staatlichen Postmonopolisten an eine Tochter die im Expressversand tätig ist, im Wesentlichen ging es um die Mitbenutzung der Logistik durch die Tochter. Für solche Fälle wurde bereits vorgeschlagen, ein Unternehmen aus einem vergleichbaren Markt als Maßstab zu nehmen oder ein Benchmarking auf Grundlage von simulierten Wettbewerbsbedingungen durchzuführen, was dann dazu führen würde, dass der Vorteil, der durch die Monopolstellung entsteht, durch einen Abschlag von den ersatzfähigen Kosten berücksichtigt werden würde.131 Der Sachverhalt in Chronopost ist insofern besonders gelagert, als nicht der Profiteur der Vorteilsgewährung der Monopolist ist, sondern die Unterstützung vom Monopolist ausgeht. Betraut mit einer DAWI, nämlich der Erbringung von Postdiensten zugunsten sämtlicher Nutzer im gesamten Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats zu gleichen Preisen in gleicher Qualität ist der staatliche Postmonopolist, nicht die Tochter im Expressversandhandel. Bei der Untersuchung, ob Unterstützungen an die Tochter verbotene Beihilfen darstellen, sei nach dem EuGH zu berücksichtigen, dass der staatliche Monopolist nicht unter normalen Markt127 Vedder/Holwerda, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 53. 128 Für eine nur teilweise Anwendung der Altmark-Kriterien bei außergewöhnlichen DAWI Buendia Sierra, S. 200. 129 Vedder/Holwerda, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 53, 63 f. 130 EuGH, U. v. 3.7.2003, Rs. C-83/01 P, C-93/01 P u. C-94/01 P, Slg. 2003, I-6993 – Chronopost I; EuGH, U. v. 1.7.2008, Rs. C-341/06 P u. C-342/06 P, Slg. 2008, I-4777 – Chronopost II. 131 Siehe dazu Vedder/Holwerda, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 53, 63 f.

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bedingungen tätig ist. Dennoch sei zu überprüfen, ob die Gegenleistung, die die Tochter für die logistische und kommerzielle Nutzung erbringt, vergleichbar ist mit einer solchen, die ein privates Unternehmen ohne Monopolstellung erbracht hätte.132 Da ein solcher Vergleich bei dem Betrieb eines Postnetzes im DAWIBereich nicht möglich sei, sei nach objektiven und nachprüfbaren Faktoren zu verfahren. Demnach stellen die Unterstützungsleistungen keine Beihilfe dar, wenn dafür eine Gegenleistung erbracht wird, die alle variablen Zusatzkosten für die Unterstützung, einen angemessenen Beitrag zu den Fixkosten und eine angemessene Vergütung des eingesetzten Eigenkapitals umfasst.133 Diese Grundsätze wurden in der zweiten Chronopost-Entscheidung bestätigt.134 Die in den beiden Chronopost-Entscheidungen genannten Grundsätze werden teilweise als eine Abkehr vom Effizienzkriterium bzw. als Flexibilisierung des Altmark-Tests gesehen.135 Da es hier jedoch nicht um die Betrauung mit DAWI geht, sondern eher die Frage einer Quersubventionierung an den Nicht-DAWIBereich ist fraglich, ob hieraus ein derartiger Schluss abgeleitet werden kann. b) Entscheidungspraxis der Kommission Um zu beurteilen, wie sich das Altmark-Urteil in der Praxis auswirkt, d.h. wie viel Spielraum die Mitgliedstaaten bei der Erbringung von DAWI haben, bedarf es auch eines Blickes auf die Entscheidungspraxis der Kommission, die gem. Art. 108 Abs. 3 AEUV die Genehmigungsbehörde für Beihilfen ist. Maßnahmen, die die Altmark-Voraussetzungen erfüllen, stellen zwar keine Beihilfen dar und unterfallen daher nicht der Notifizierungspflicht des Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV, werden derartige Maßnahmen aber dennoch angemeldet oder aus anderen Anlässen, etwa Beschwerden von Wettbewerbern, durch die Kommission geprüft, ist die Prüfung des Art. 107 Abs. 1 AEUV ein Bestandteil des Prüfprogramms. Bei der Prüfung des ersten Kriteriums, der Frage, ob eine gemeinwirtschaftliche Dienstleistung vorliegt, übte die Kommission in ihren seit Altmark ergangenen Entscheidungen Zurückhaltung und erkannte den weiten Spielraum der Mitgliedstaaten an. In den allermeisten Fällen wurde die Festlegung des Mitgliedstaates akzeptiert, so dass dieses Kriterium nicht als große Hürde beurteilt werden kann.136 Die Kommission behält sich jedoch auch vor, diese Definition 132 EuGH, U. v. 3.7.2003, Rs. C-83/01 P, C-93/01 P u. C-94/01 P, Slg. 2003, I-6993, Rn. 32 ff. – Chronopost I. 133 EuGH, U. v. 3.7.2003, Rs. C-83/01 P, C-93/01 P u. C-94/01 P, Slg. 2003, I-6993, Rn. 39 f. – Chronopost I. 134 EuGH, U. v. 1.7.2008, Rs. C-341/06 P u. C-342/06 P, Slg. 2008, I-4777, Rn. 148 f. – Chronopost II. 135 Vedder/Holwerda, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 53, 62 f. 136 Klasse, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 35, 40.

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eingehend zu überprüfen und zu verwerfen, wenn sie dies für nötig erachtet.137 So wurde die Festlegung als gemeinwirtschaftlicher Dienst im soeben zitierten Fall nicht anerkannt, da der Dienst an anderer Stelle zufriedenstellend und ohne staatlichen Ausgleich erbracht werden könne. Damit überprüft die Kommission die mitgliedstaatliche Entscheidung auf Grundlage eines Marktversagenstests und schränkt insoweit den Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten ein.138 Das Erfordernis der Aufstellung objektiver und transparenter Ausgleichsparameter wurde in den Entscheidungen der Kommission in aller Regel bejaht. Allerdings hob die Kommission auch hervor, dass für die Erfüllung dieses Kriteriums auch Voraussetzung ist, dass den Behörden beim Vollzug der Kriterien keinerlei Ermessensspielraum belassen wird, was sich möglicherweise im Gegensatz zu den Grundsätzen in BUPA befindet.139 Im Hinblick auf die Erforderlichkeit des Ausgleichs legt die Kommission ein Augenmerk darauf, dass nur die Kosten ausgeglichen werden, die der DAWI genau zugeordnet werden können. Wie dies im Einzelnen vonstattengeht, damit befassen sich sowohl die Maßnahmen des sog. Monti-Pakets als auch des AlmuniaPakets. Dies gilt ebenfalls für die Frage, welcher Gewinn noch als angemessen gelten kann. In der Entscheidungspraxis wurden recht unterschiedliche Renditen als angemessen betitelt.140 Im Hinblick auf das Effizienzkriterium sei hier zunächst ein Blick auf dessen erste Alternative, die Auswahl des Diensterbringers über ein Vergabeverfahren geworfen. Hierzu lässt sich ableiten, dass die Kommission eine Auswahl nach qualitativen Kriterien nicht akzeptiert; vielmehr muss der Zuschlag auf Grundlage des niedrigsten Preises erteilt werden.141 Nach dem Altmark-Urteil sind die Mitgliedstaaten jedoch nicht verpflichtet, die Auswahl auf Grundlage eines Vergabeverfahrens zu treffen, möglich ist eben auch der Vergleich mit einem durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen. Allerdings hat die Kommission bei der Überprüfung mitgliedstaatlicher Maßnahmen nur in den wenigsten Fällen die Erfüllung dieses Kriteriums, das gerade 137 Klasse, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 35, 40, der insbesondere auf die Zweckverband Tierkörperbeseitigung (Rs. C 19/10) Entscheidung der Kommission vom 25.4.2012, 2557/2012, ABl. EU Nr. L 236 v. 1.9.2012, S. 1 hinweist. 138 Klasse, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 35, 40. 139 Klasse, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 35, 42. 140 Klasse, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 35, 44 f. 141 Entscheidung der Kommission v. 16.12.2003 betreffend die Beihilfe N 475/2003, Versorgungssicherheit Irland, C (2003) 4488 endg., ABl. EU 2004, Nr. C 34/7 und Entscheidung der Kommission v. 3.5.2005 betreffend die Beihilfe N 382/2004, Dorsal, C (2005) 1170 endg., ABl. EU 2005, Nr. C 230/6, Rn. 66 ff.

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Relevanz erlangt, wenn beispielsweise aufgrund der Netzstrukturen im Sektor nur ein geeignetes Unternehmen zur Verfügung steht – und dem Anschein nach gerade nicht die günstigste Preisstruktur verlangt –, bejaht.142 So wurde beispielsweise herausgestellt, dass es nicht ausreiche, auf die Durchschnittskosten im jeweiligen Sektor abzustellen, da daraus noch nicht hervorgehe, dass dies auch das Kostenniveau darstellt, das einer effizienten Diensterbringung entspricht.143 Aus den Fällen, in denen das Kriterium bejaht wurde, lässt sich schwer ableiten, was darunter genau verstanden wird. So wurde zum einen eine Analyse über die Erfordernisse des Projekts und – hier zeigt sich die Nähe zur ersten Alternative des Effizienzkriteriums – über die Angebote der für den Dienst in Frage kommenden Kandidaten herangezogen,144 zum anderen auf die Vergütung für vergleichbare Produkte.145 Insgesamt führt die Interpretation der Altmark-Kriterien durch die Kommission dazu, dass von der durch dieses Urteil eröffneten Freiheit der Mitgliedstaaten, DAWI ohne Anmeldung nach Maßgabe der Altmark-Rechtsprechung zu erbringen, wenig übrig bliebt. Der Grund dafür liegt im Wesentlichen darin, dass die Mehrzahl der mitgliedstaatlichen Maßnahmen nicht die Vorgaben des Effizienzkriteriums erfüllen, sei es, weil die Vergabe sich nicht nach dem günstigsten Angebot richtet, sei es, weil unklar ist, nach welchen Maßgaben sich ein Vergleich mit einem durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen richtet. Vor allem in Bereichen, in denen ein Vergleich wegen der (monopolistischen) Marktstruktur ausscheidet, muss sich der Vergleich notwendigerweise auf hypothetische Erwägungen stützen, bei denen dann unklar ist, ob diese von der Kommission akzeptiert werden. Bei einer Prüfung von Beihilfen im DAWI-Bereich bedeutet die Feststellung, dass eine Maßnahme nicht die Altmark-Kriterien erfüllt, noch nicht, dass die Maßnahme nicht genehmigungsfähig ist. Die Kommission prüft im Rahmen der Rechtfertigung die „normale“ Ermessensausnahme des Art. 107 Abs. 3 AEUV und die DAWI-Ausnahme des Art. 106 Abs. 2 AEUV. Die Rechtfertigungskriterien werden genauer im nächsten Abschnitt (Kapitel 2, C.) erläutert. c) DAWI-Mitteilung Die DAWI-Mitteilung setzt sich ausführlich (Ziffer 42–77) mit den AltmarkKriterien auseinander und legt dazu die Rechtsauffassung der Kommission nie142 Klasse, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 35, 47 ff., insbes. 50. 143 Klasse, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 35, 49. 144 Entscheidung der Kommission v. 3.5.2005 betreffend die Beihilfe N 382/2004, Dorsal, C (2005) 1170 endg., ABl. EU 2005, Nr. C 230/6, Rn. 66 ff. 145 Entscheidung der Kommission v. 21.10.2008 betreffend die Beihilfe C 49/06 (ex NN 65/06), Poste Italiane, ABl. EU 2009, Nr. L 189/3.

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der. Nach den bereits erörterten Bestimmungen zum Vorliegen einer DAWI146 folgen zunächst die Ausführungen zum Betrauungsakt (Ziffer 51–53). Demnach kann der Betrauungsakt nach Lesart der Kommission abhängig von der Gesetzgebung des Mitgliedstaats die Form eines legislativen oder regulatorischen Instruments oder eines Vertrages haben und zudem auf mehreren Akten basieren. Der Betrauungsakt muss Gegenstand und Dauer der Verpflichtung zur Erbringung öffentlicher Dienstleistungen enthalten, das Unternehmen und ggf. das betreffende Gebiet, die Art etwaiger dem Unternehmen durch die betreffende Behörde gewährter ausschließlicher Rechte, die Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistungen sowie Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung etwaiger Überkompensationen. Die Kommission trägt damit dem etwa in der Rs. BUPA vom EuG entwickelten flexibleren Ansatz zum Betrauungsakt Rechnung147, wonach die Rechtsnatur des Betrauungsaktes nicht relevant ist, solange er verpflichtend ist und die von der Kommission aufgestellten, weiteren Kriterien erfüllt. Die knappen Bestimmungen zu den Ausgleichsparametern finden sich in Ziffer 54–59. Zunächst wird auf die in der Altmark-Rspr. entwickelte Vorgabe, dass die Parameter zuvor objektiv und transparent aufgestellt sein müssen, hingewiesen (Ziffer 54), sodann finden sich Konkretisierungen durch die Kommission. Demnach ist nicht erforderlich, dass der Ausgleich auf Grundlage einer bestimmten Formel (etwa Preis pro Passagier) berechnet wird, solange die Ausgleichsparameter von vorneherein fest stehen (Ziffer 55). Werden sämtliche Kosten des Dienstleistungserbringers ausgeglichen, muss vorab festgelegt werden, wie diese Kosten bestimmt und kalkuliert werden; nur für die Erbringung von DAWI angefallene Kosten dürfen berücksichtigt werden, abzüglich der bei der Erbringung von DAWI erzielten Einnahmen (Ziffer 56). Kriterien für die zusätzliche Gewährung eines angemessenen Gewinns müssen ebenfalls vorab festgelegt werden (Ziffer 57). Kriterien für die Anrechnung möglicherweise auftretender Überkompensation müssen ebenfalls vorab festgelegt werden (Ziffer 58). Bei einer Beauftragung mittels einer öffentlichen Ausschreibung muss die Methode zur Berechnung der Ausgleichsleistungen vorab in der Ausschreibung aufgeführt werden (Ziffer 59). Die wenigen Ausführungen zur Vermeidung von Überkompensation finden sich in Ziffer 60–61. Das wesentliche Plus im Hinblick auf das in der AltmarkRechtsprechung aufgestellte Verbot der Überkompensation sind die Bestimmungen zum angemessenen Gewinn, der zusätzlich zu dem durch die DAWI verursachten Kostenfehlbetrag gezahlt werden darf. Der angemessene Gewinn ist demnach die Kapitalrendite – eine betriebswirtschaftliche Kenngröße –, die ein typisches Unternehmen zugrunde legt, um unter Berücksichtigung des jeweiligen 146 147

Hierzu Kapitel 2, A. II. Hierzu Kapitel 2, B. VI. 4. a).

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

Risikos zu entscheiden, ob es die betreffende Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse über den gesamten Zeitraum der Betrauung erbringt. Für diesen Vergleichsmaßstab soll zunächst ein Vergleich zu der Kapitalrendite bei ähnlichen Verträgen, bei denen die Dienstleistung unter Wettbewerbsbedingungen erbracht wird, erfolgen. Ist dies nicht möglich, sollen vergleichbare Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten oder in anderen Wirtschaftszweigen herangezogen werden. Bei der Ermittlung der Höhe des angemessenen Gewinns können Anreizkriterien zugrunde gelegt werden, die sich auf die Qualität der DAWI und Effizienzsteigerungen beziehen. Die Bestimmungen zur Auswahl des Dienstleistungserbringers bzw. zum vierten Altmark-Kriterium bzw. Effizienzkriterium finden sich in Ziffer 62–77. Die Kommission stellt dabei zunächst Anforderungen für den Fall auf, dass die Übertragung einer DAWI im Wege einer öffentlichen Ausschreibung erfolgen soll, die gewährleistet, dass die DAWI zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit erfolgt (Ziffer 63–68). Ob die Auswahl derart erfolgen soll und welche Kriterien dafür gelten sollen, ist nicht problematisch, wenn ohnehin eine offene, transparente und diskriminierungsfreie öffentliche Ausschreibung nach Vergaberecht durchzuführen ist (Ziffer 63).148 Ist dies nicht der Fall,149 stellt sich die Frage an die Anforderungen, die die Vergabe erfüllen muss. Im Grundsatz soll nur ein offenes Vergabeverfahren, d.h. ein Verfahren, bei dem eine Ausschreibung erfolgt und der Teilnehmerkreis unbegrenzt ist, genügen (Ziffer 66).

VII. Kritik Aufgrund der weiten Auslegung des Art. 107 Abs. 1 AEUV durch die Unionsgerichte unterfallen Ausgleichszahlungen für DAWI im Prinzip ausnahmslos dem Beihilfeverbot. Dies liegt vor allem an der sehr weit verstandenen Auslegung des Tatbestandsmerkmals der unternehmerischen bzw. wirtschaftlichen Tätigkeit und 148 Ziffer 63 verweist insoweit auf das alte Vergaberecht. Maßgebend dürfte nunmehr eine Einhaltung der neuen Vergabevorschriften sein, wie sie in folgenden Richtlinien niedergelegt sind: Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG, ABl. EU vom 28.3.2014, L 94/65; Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG, ABl. EU vom 28.3.2014, L 94/243; Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, ABl. EU vom 28.3.2014, L 94/1. 149 Das unionsrechtliche Vergaberecht kommt bei Nichterreichen der Schwellenwerte nicht zur Anwendung. So ist beispielsweise die allgemeine Vergaberichtlinie 2014/24/ EU erst ab einem Auftragswert von 207.000 EUR für Aufträge und 750.000 für Aufträge im sozialen Bereich anwendbar, s. Art. 4. Zudem ist es unter bestimmten Umständen möglich, nicht offene Vergabeverfahren durchzuführen, s. Art. 26 Richtlinie 2014/ 24/EU.

B. DAWI im Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV

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der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels. Im Hinblick auf Art. 107 Abs. 1 AEUV schafft die Kommission mit dem DAWI-Leitfaden, in dem sie die Rechtsprechung prägnant darstellt und teilweise konkretisiert, mehr Übersichtlichkeit. Eine Klarstellung in dem Sinn, dass Rechtsgrundsätze geändert werden oder verbindliche Kataloge herausgearbeitet werden, in welchen Fällen etwa eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt oder nicht, war von der nicht rechtsetzungsbefugten und der Rechtsauslegung des EuGH unterworfenen Kommission nicht zu erwarten. Daher ist beispielsweise in der DAWI-Mitteilung und der Kommissionspraxis nur eine Annäherung, aber keine exakte Definition der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels gelungen. Im Hinblick auf die Definition der unternehmerischen Tätigkeit, die die Kommission um innerhalb der Verwaltung erbrachte Tätigkeiten, für die es potentiell andere interessierte Unternehmen gibt, ergänzt hat, hat die insoweit erfolgte Ausdehnung des Tatbestands eher zur Verunklarung geführt. Im Wege der Altmark-Rechtsprechung wurde eine Tatbestandsausnahme für Ausgleichszahlungen an DAWI eingeführt. Die Altmark-Rechtsprechung stellt den Grundsatz auf, dass DAWI möglichst kostengünstig bzw. effizient erbracht werden müssen, was entweder durch ein Vergabeverfahren oder durch eine Vergleichsbetrachtung sichergestellt werden kann. Dahinter liegt zwar zunächst kein Vorrang eines Vergabeverfahrens und eine damit unbedingt notwendige Öffnung einer DAWI für den Markt; es liegt jedoch die Vorstellung zugrunde, dass die DAWI potentiell von vielen Unternehmen erbracht werden kann und die Ausschreibung die vorzugswürdigere, weil einfachere Variante ist. Das im Rahmen der Prüfung von Art. 107 Abs. 1 AEUV entwickelte Effizienzkriterium ist aus dem Gedanken des Wettbewerbsschutzes entwickelt und erzwingt praktisch die Marktöffnung – wenn von der Altmark-Rechtsprechung Gebrauch gemacht werden soll –, falls der Dienstleistungserbringer nicht effizient arbeitet und über keine anderweitigen Finanzierungsmöglichkeiten verfügt; es enthält damit jedoch indirekt die haushaltsrechtlich anmutende Vorgabe, dass DAWI möglichst kostengünstig erbracht werden sollen. Im Rahmen von Art. 107 Abs. 1 AEUV ist dies rechtlich vertretbar, zumal eine Rechtfertigung von DAWI-Ausgleichszahlungen nach Art. 106 Abs. 2 AEUV möglich bleibt, stellt jedoch die Erbringung von DAWI durch öffentliche Unternehmen gerade in Sektoren, in denen ein Marktvergleich nicht durchführbar ist, in Frage. Die DAWI-Mitteilung kommentiert die vier Altmark-Kriterien und führt dabei einige hilfreiche Klarstellungen ein, etwa die Anforderungen an den Betrauungsakt, einen Maßstab für die Bemessung eines angemessenen Gewinns oder Kriterien, die eine Ausschreibung der DAWI erfüllen müssen. Sie liefert allerdings keine wirklich handfesten Kriterien, wie der zweiten Variante des Altmark-Kriteriums, dem Vergleich der Kostenstruktur mit einem durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen genüge getan werden kann, wenn für die zu erbringende DAWI kein Marktpreis besteht, so dass dieses Kriterium kaum ohne rechtliche Risiken handhabbar sein dürfte, so dass wohl

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

häufig faktisch auf die Variante der Ausschreibung zurückgegriffen werden muss. Zugleich wird der Grundsatz aufgestellt, dass ein Kostenvergleich nicht stattfinden kann, wenn keine Vergleichsunternehmen zur Verfügung stehen; auf monopolistische Unternehmen darf nicht zurückgegriffen werden; allerdings steht auch die Methode der Ausschreibung, wenn sich nur ein Unternehmen meldet, nicht zur Verfügung. Die Kommission berücksichtigt insoweit in der DAWI-Mitteilung nicht die nach Altmark ergangene Rechtsprechung, wonach bei monopolistischen Strukturen eine Berufung auf die Tatbestandsausnahme trotz fehlender Vergleichsunternehmen möglich ist, wenn die Kosten objektiv und transparent ermittelt werden (Chronopost); ebenso wird nicht berücksichtigt, dass eine Ausschreibung bzw. ein Kostenvergleich unterbleiben kann, wenn sichergestellt ist, dass bei der Ausgleichszahlung Kosten für Verwaltungsstrukturen oder Sachmittel des Dienstleistungserbringers ausbleiben (BUPA).150 Die DAWI-Mitteilung verkürzt damit die Möglichkeit, sich auf die Tatbestandsausnahme zu berufen und verschiebt diese Fälle auf die Prüfung der Rechtfertigung. Auch wenn man dies als rechtswidrig erachten mag, beansprucht die DAWI-Mitteilung insoweit zumindest faktische Geltung, da man im Fall der Nichtanmeldung einen Rechtsstreit mit der Kommission um die Auslegung des vierten Altmark-Kriteriums riskiert.

C. DAWI in der beihilfenrechtlichen Rechtfertigungsprüfung Im Folgenden werden die Kriterien, nach denen eine Rechtfertigung für DAWI-Ausgleichszahlungen bzw. andere Förderungen für DAWI in Betracht kommen, analysiert. Dabei wird zunächst auf die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) eingegangen und sodann auf die Rechtfertigung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 86 Abs. 2 EGV). Es werden nach Vorstellung der Vorgängerrechtsinstrumente Freistellungsentscheidung und Gemeinschaftsrahmen (Monti-Paket) im Vergleich das Almunia-Paket und die insoweit beachtlichen Rechtsinstrumente Freistellungsbeschluss und Unionsrahmen analysiert. Auf die nicht-DAWI-spezifischen Rechtfertigungstatbestände nach Art. 107 Abs. 2, 3 AEUV wird nicht eingegangen.

I. Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung – AGVO Nach der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung bzw. AGVO (VO 651/ 2014)151 sind tatbestandsmäßige Beihilfen, die die in der AGVO niedergelegten 150

Siehe Kapitel 2, B. VI. 4. a). Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union; geändert durch die Verordnung (EU) 2017/1084 der Kommission vom 14. Juni 151

C. DAWI in der beihilfenrechtlichen Rechtfertigungsprüfung

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allgemeinen und die für die jeweilige Gruppe geltenden besonderen Voraussetzungen einhalten nach Art. 107 Abs. 2 oder 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV freigestellt, s. Art. 3 AGVO. Entgegen des gewöhnlichen Mechanismus ist die Einhaltung der Rechtfertigungsvoraussetzungen also von dem Beihilfegeber selbst zu prüfen. Dies erhellt die hohe praktische Bedeutung der AGVO, da sie eine schnelle Beihilfengewährung ohne Genehmigungsverfahren bei der Kommission ermöglicht und zugleich wegen der detaillierten Regeln Rechtssicherheit schafft; im Prinzip entbindet die Bejahung der Voraussetzungen der AGVO von einer detaillierten Prüfung des Art. 107 Abs. 1 AEUV, da die Rechtsfolge des Erfüllens der AGVO (Legalität der Beihilfe, keine Anmeldung) praktisch einem Nichterfüllen des Art. 107 Abs. 1 AEUV gleichkommt. Zugleich entlastet die AGVO die Kommission. Die AGVO greift nicht auf den DAWI-spezifischen Rechtfertigungstatbestand des Art. 106 Abs. 2 AEUV zurück und ist nicht Teil des Almunia-Pakets, wird aber häufig auch im DAWI-Bereich herangezogen werden, da viele der in der AGVO freigestellten Gruppen von Beihilfen DAWI darstellen dürften und somit die Voraussetzungen für die Rechtfertigung nach DAWI-Grundsätzen nicht einhalten müssen. In Kapitel I der AGVO werden allgemeine Voraussetzungen aufgestellt. Art. 1 AGVO regelt zunächst den sachlichen Geltungsbereich und legt in Ziffer 1 fest, welche Gruppen von Beihilfen den Vorteil einer Freistellung genießen dürfen. Es sind verschiedenste Gruppen wie etwa Regionalbeihilfen, Umweltschutzbeihilfen oder Beihilfen für Forschung und Entwicklung aufgeführt. Von den als DAWI besonders in Betracht kommenden Gruppen der Beihilfen für Breitbandinfrastrukturen, für Sportinfrastrukturen und für lokale Infrastrukturen wird im Folgenden auf letztere Gruppe eingegangen, da nach dem Ergebnis des Konsultationsprozesses zur Vorbereitung des Altmark-Pakets DAWI häufig lokal erbracht werden, diese Fallgruppe also besonders relevant sein dürfte.152 Art. 2 AGVO enthält Begriffsbestimmungen, Art. 4 Abs. 1 Anmeldeschwellen; nur bis zu dem dort niedergelegten Betrag ist eine Freistellung möglich, ansonsten ist eine Anmeldung nach Art. 108 Abs. 3 S. 1 AEUV bei der Kommission erforderlich. Für lokale Infrastrukturen gilt eine Begrenzung für Investitionsbeihilfen von 10 Mio. EUR oder, wenn es sich um die Gesamtkosten der Infrastruktur handelt, 20 Mio. EUR. 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) 651/2014 in Bezug auf Beihilfen für Hafenund Flughafeninfrastrukturen, in Bezug auf Anmeldeschwellen für Beihilfen für Kultur und die Erhaltung des kulturellen Erbes und für Beihilfen für Sportinfrastrukturen und multifunktionale Freizeitinfrastrukturen sowie in Bezug auf regionale Betriebsbeihilferegelungen für Gebiete in äußerster Randlage und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 702/2014 in Bezug auf die Berechnung der beihilfefähigen Kosten, ABl. EU v. 20.6.2017, L 156/1. 152 Der 2017 spezifisch für Flughafenbeihilfen eingeführte Art. 56a – der neue Art. 56b betrifft Beihilfen für Hafeninfrastrukturen – wird im Rahmen des Kapitels 4 untersucht.

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

Nur bestimmte Arten von Beihilfen, sog. transparente Beihilfen, sind nach Art. 5 AGVO zulässig, etwa Zuschüsse, Kredite oder Garantien. Es muss sich die Beihilfeintensität (Art. 7 – Betrag vor Steuern und sonstigen Abgaben) durch die Berechnung eines sog. Bruttosubventionsäquivalents (Art. 5 Nr. 1 AGVO) berechnen lassen. Die Beihilfe muss einen Anreizeffekt nach Art. 6 AGVO aufweisen. Dazu muss der Beihilfeempfänger entweder vorab einen Antrag mit den Angaben von Art. 6 Nr. 2 AGVO gestellt haben oder die Beihilfe muss zu einer Ausweitung der geförderten Tätigkeit nach Art. 6 Nr. 3 AGVO führen. Art. 8 enthält Kumulierungsverbote mit auf Grundlage anderer Regelwerke geförderter Beihilfen, Art. 9 Veröffentlichungspflichten. Im Kapitel II (Art. 10–12) sind Regelungen enthalten, die die Sicherstellung der in der AGVO aufgeführten Voraussetzungen bezwecken, insbesondere Berichtspflichten an die Kommission und Aufbewahrungspflichten. Die weiteren Voraussetzungen für Beihilfen für lokale Infrastrukturen sind in Art. 56 genannt, eine Definition der lokalen Infrastruktur erfolgt insoweit nicht. Art. 56 findet nur Anwendung, wenn die Infrastruktur nicht anderen Beihilfengruppen (mit Ausnahme von Regionalbeihilfen) zuzuordnen ist und gilt nicht für Flughafen- oder Hafeninfrastrukturen, Art. 56 Nr. 2. Die Beihilfen dürfen nur zur Investition in den Bau oder die Modernisierung lokaler Infrastrukturen, die einen Beitrag zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmer und Verbraucher leisten, verwendet werden. Die Infrastruktur muss Nutzern zu offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Bedingungen zur Verfügung gestellt werden, wobei der Nutzungspreis dem Marktpreis entsprechen muss (Art. 56 Nr. 3). Dabei ist der Beihilfebetrag durch die Differenz zwischen den beihilfefähigen Kosten – Kosten in Investitionen in materielle und immaterielle Vermögenswerte – und dem Betriebsgewinn begrenzt.153

II. Monti-Paket und Zielvergaben bei dessen Überarbeitung hin zum Almunia-Paket In Reaktion auf die Altmark-Rechtsprechung hat die Kommission ein Maßnahmenpaket erlassen, das nach dem damaligen EU-Wettbewerbskommissar auch Monti-Paket154 oder, wenn man den Namen der Nachfolgerin mit einbezieht, auch Monti-Kroes-Paket155 genannt wird. Es legt die Kriterien für eine Rechtfertigung von DAWI-Beihilfen unter Art. 106 Abs. 2 AEUV (damals Art. 86 Abs. 2 EGV) nieder, also in den Fällen, in denen die Tatbestandsausnahme nach Altmark nicht greift.

153 Auf die spezifische Vorschrift des Art. 56a AGVO 651/2014 wird im Rahmen von Kapitel 4, C. III. eingegangen. 154 So auch Wiemer, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppe Daseinsvorsorge, Rn. 676. 155 Hirsbrunner, EuZW 2011, 742.

C. DAWI in der beihilfenrechtlichen Rechtfertigungsprüfung

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Dazu zählt zunächst die sog. Freistellungsentscheidung156 und der sog. Gemeinschaftsrahmen.157 Maßnahmen, die die Voraussetzungen der Freistellungsentscheidung erfüllen, sind nach Art. 3 der Freistellungsverordnung von der Pflicht zur Notifizierung nach Art. 88 Abs. 2 EGV (jetzt Art. 108 Abs. 3 AEUV) befreit und damit genehmigungsfrei. Dogmatisch handelt es sich trotz dieser Rechtsfolge um Maßnahmen, die den Tatbestand der Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen, jedoch bei Erfüllung der Voraussetzungen als nach Art. 86 Abs. 2 EGV (jetzt Art. 106 Abs. 2 AEUV) als gerechtfertigt gelten, ohne dass es einer Genehmigungsentscheidung durch die Kommission bedarf. Für Maßnahmen, die nicht in den Anwendungsbereich der Freistellungsentscheidung fielen, galt der Gemeinschaftsrahmen, es sei denn es handelte sich um Dienstleistungen im Verkehrssektor oder im öffentlichen-rechtlichen Rundfunk, da hier Sonderregeln bestehen.158 Der Gemeinschaftsrahmen legte die Grundsätze nieder, nach denen die Kommission die Genehmigungsfähigkeit von Beihilfen im Hinblick auf Art. 86 Abs. 2 EGV (jetzt Art. 106 Abs. 2 AEUV) untersucht.159 Auf den näheren Inhalt der beiden Regelwerke wird bei der Analyse des neueren Almunia-Pakets eingegangen, es lässt sich jedoch die Aussage treffen, dass die aufgestellten Voraussetzungen für eine Rechtfertigung unter Art. 86 Abs. 2 EGV im Wesentlichen die ersten drei Altmark-Kriterien widerspiegeln und diese konkretisieren, während auf das vierte Kriterium verzichtet wird. Im Vordergrund stehen die Bestimmungen zur Vermeidung von Überkompensierung durch Vorgaben zur Berechnung der Erforderlichkeit der Ausgleichszahlungen. Die innere Rechtfertigung dafür, dass Beihilfen unter bestimmten Beträgen und an bestimmte Unternehmen (in der Freistellungentscheidung insbesondere an Krankenhäuser und für den sozialen Wohnungsbau (nach Art. 2 lit. b)) von einer Notifizierung freigestellt werden, wird dabei darin gesehen, dass von einem geringeren Ausmaß an Wettbewerbsverfälschung in diesem Bereich ausgegangen wird.160 Teilweise wird auch die geänderte Transparenzrichtlinie zum Monti-Paket gezählt.161 Derzeit ist eine konsolidierte Fassung der Transparenzrichtlinie in Kraft, 156 Entscheidung der Kommission vom 28. November 2005 über die Anwendung von Art. 86 Absatz 2 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen, die bestimmten mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrauten Unternehmen als Ausgleich gewährt werden, ABl. EU 2005, L 312/67. 157 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen gewährt werden, ABl. EU 2005, C 297/4. 158 Ziffer 1.3 des Gemeinschaftsrahmens. 159 Ziffer 1.2 des Gemeinschaftsrahmens. 160 Erwägungsgründe 15 u. 16 des Gemeinschaftsrahmens. 161 Richtlinie 2005/81/EG der Kommission vom 28. November 2005 zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen, ABl. EU 2005, L 312/47, dafür Hirsbrunner, EuZW 2011, 742.

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

die die ergangenen Änderungen in einem Dokument zusammenfasst.162 Während die Transparenzrichtlinie sich ursprünglich darauf beschränkte, die Mitgliedstaaten zur Offenlegung der Finanzbeziehungen zu öffentlichen Unternehmen zu verpflichten, bezog sich die Richtlinie ab der dritten Änderung auch auf private Unternehmen, zudem wurde hier auch eingeführt, dass Unternehmen, die Beihilfen für eine DAWI gem. 106 Abs. 2 AEUV erhalten, wenn sie daneben anderen wirtschaftlichen Aktivitäten nachgehen, eine Buchführung vorsehen müssen, die zwischen diesen beiden Bereichen trennt. Damit soll eine Kontrolle zur Vermeidung von Quersubventionierungen von dem Sonder-DAWI-Bereich in das normale Geschäft ermöglicht werden. Mit der im Zusammenhang mit dem Monti-Paket eingeführten Änderung erstreckt sich die Verpflichtung zur getrennten Buchführung auch auf solche Unternehmen, die Ausgleichszahlungen für DAWI erhalten, die im Endeffekt keine Beihilfe darstellen, weil die Altmark-Voraussetzungen erfüllt sind, damit auch in diesen Fällen die Einhaltung dieser Voraussetzungen überprüft werden kann.163 In der Freistellungsentscheidung und dem Gemeinschaftsrahmen war bereits angelegt, dass diese nach einiger Zeit evaluiert und evtl. überarbeitet werden. So galt der Gemeinschaftsrahmen nach Ziffer 25 nur für sechs Jahre und war nach vier Jahren vor allem anhand der Anhörung der Mitgliedstaaten zu evaluieren. In der Freistellungsentscheidung war eine Folgenabschätzung nach dem 19. Dezember 2009 (Artikel 9) vorgesehen. Zudem waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, nach drei Jahren, also zunächst zum 19. Dezember 2008 in Bezug auf die Anwendung der Freistellungsentscheidung einen Bericht abzuliefern (Art. 8). Darauf basierend, fand im Hinblick auf eine Reform des Maßnahmenpakets im Jahr 2010 eine öffentliche Konsultation statt. Die Mitgliedstaaten haben entsprechende Berichte abgeliefert,164 ebenfalls wurden weitere Kreise beteiligt wie andere öffentlich-rechtliche Körperschaften und sonstige Organisationen und Verbände.165 Nach Abschluss dieser Konsultationen stellte die Kommission einen Bericht vor, der die wesentlichen Ergebnisse

162 Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen, ABl. EU 2006, L 318/17. 163 Zum Ganzen Klasse, Transparency Directive, in: Heidenhain (Hrsg.), European state aid law, Rn. 3 f. 164 Abrufbar auf der Homepage der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission, http://ec.europa.eu/competition/consultations/2010_sgei/reports.html (letzter Abruf am 29.4.2019). 165 Abrufbar auf der Homepage der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission, http://ec.europa.eu/competition/consultations/2010_sgei/index_en.html (letzter Abruf am 29.4.2019).

C. DAWI in der beihilfenrechtlichen Rechtfertigungsprüfung

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der Konsultation zusammenfasst,166 zudem wurde auch eine Mitteilung veröffentlicht, die die Grundsätze und Ziele der Reform erörtert.167 Nachfolgend wurden die Entwürfe für die verschiedenen Dokumente des neuen Pakets vorgelegt, inklusive einer Impact-Assessment-Analyse,168 auf deren Grundlage dann wiederum die zweite Runde der Konsultation erfolgte,169 die dann in das Almunia-Paket mündete. In der Mitteilung der Kommission wird hervorgehoben, dass in den Stellungnahmen der ersten Konsultation sehr oft der Wunsch nach mehr Klarheit geäußert wurde. Zentrale Konzepte, die für die Erbringung von DAWI von Bedeutung sind, sollen genauer definiert werden. Klärungsbedarf wird zum einen bzgl. des Anwendungsbereichs der Beihilfevorschriften, d.h. im Hinblick auf den Tatbestand nach Art. 107 Abs. 1 AEUV gesehen. Insbesondere geht es um die Frage, wann eine wirtschaftliche Tätigkeit und damit ein Unternehmen vorliegt bzw. wann der Anwendungsbereich des EU-Beihilferechts mangels wirtschaftlicher Tätigkeit nicht eröffnet ist; außerdem wurden Unklarheiten dabei geäußert, ab wann man von einer Handelsbeeinträchtigung sprechen kann und ab wann dies wegen der lokalen Natur oder der geringen Größe der Dienstleistung zu verneinen ist. Der Wunsch nach Klarheit wurde auch im Hinblick auf den Begriff der DAWI und der Kriterien, nach denen eine Tatbestandausnahme vorliegt (Altmark) bzw. eine Rechtfertigung in Betracht kommt, geäußert.170 Die Kommission weist im Bericht bereits selbst darauf hin, dass die Möglichkeiten zur Schaffung von Rechtsklarheit zumindest für den Bereich des Art. 107 Abs. 1 AEUV begrenzt sind, da hierfür die Definitionshoheit bei dem EuGH liegt; die Kommission ist daher darauf beschränkt, die Begriffe und Kriterien des Primärrechts klarzustel-

166 Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Anwendung der EU-Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse seit 2005 und die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation vom 23.03.2011, SEC (2011) 397, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/legislation/sgei_report_ de.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019). 167 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Reform der EU-Beihilfevorschriften über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, KOM (2011) 146 endg., abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/ legislation/sgei_communication_de.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019). 168 Entwürfe und Impact assessment abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/ consultations/2011_sgei/index_en.html (letzter Abruf am 29.4.2019). 169 Stellungnahmen abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/consultations/ 2011_sgei/index_en.html (letzter Abruf am 29.4.2019). 170 Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Anwendung der EU-Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse seit 2005 und die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation vom 23.03.2011, SEC (2011) 397, Ziffer 4.3.2.

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

len und auszulegen.171 Kritisch betrachtet kann man den vielfachen Wunsch nach Klarstellung auch als generelle Ablehnung der Anwendung des EU-Beihilfenrechts deuten172 bzw. als Wunsch nach Begrenzung des Anwendungsbereichs, der aber schon aus kompetenziellen Gründen von der Kommission nicht befriedigt werden kann.173 Andere Kritikpunkte an dem Monti-Paket bzw. Anregungen für die Neuregelungen sind zum einen die stärkere Berücksichtigung der Besonderheiten bei Sozialdienstleistungen, was auf einen Wunsch nach Lockerung der Beihilfevorschriften für diesen Bereich hinausläuft. Spezifisch wurde der Wunsch genannt, die Freistellungsentscheidung auch für diese Dienste für anwendbar zu erklären.174 Von lokalen Behörden wurde das Problem geäußert, dass die Einhaltung der Voraussetzungen des Monti-Pakets zu einer administrativen Belastung führt, die zu den Wettbewerbsstörungen, die aus lokalen Ausgleichsmaßnahmen resultieren, außer Verhältnis stehen. Dem könne etwa mit der Schaffung einer eigenständigen De-minimis-Verordnung begegnet werden, die über die Freistellungsgrenze der allgemeinen De-minimis-Verordnung175 hinausgeht.176 Der hohe administrative Aufwand war – neben den erläuterten Rechtsunsicherheiten – auch das Ergebnis einer Studie, bei der Städte in Nordrhein-Westfalen mit mehr als 30.000 Einwohnern befragt wurden.177 In eine andere Richtung, nämlich strengere Regeln fordernd, gehen die – wohl von Konkurrenten von potentiellen Beihilfeempfängern stammenden – Stellungnahmen zu umfangreicheren, eher dem kommerziellen Bereich zuzuordnenden DAWI. Es wird moniert, dass die Anzahl umfangreicher Maßnahmen, die nach der DAWI-Entscheidung von einer Prüfung durch die Kommission freigestellt sind, zu hoch sind. Zudem wurde bemängelt, dass ungleich zu den sektorspezifi-

171 Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Anwendung der EU-Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse seit 2005 und die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation vom 23.03.2011, SEC (2011) 397, Ziffer 4.3.2. 172 Siehe Fazit bei Auswertung des Reports Sinnaeve, EStAL 2011, 211, 217. 173 Sinnaeve, EStAL 2012, 347, 349. 174 Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Anwendung der EU-Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse seit 2005 und die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation vom 23.03.2011, SEC (2011) 397, Ziffer 4.3.3. 175 Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf De-minimis-Beihilfen, ABl. EU 2006, L 379/5. 176 Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Anwendung der EU-Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse seit 2005 und die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation vom 23.03.2011, SEC (2011) 397, Ziffer 4.3.4. 177 Bogumil et al., S. 75 ff.

C. DAWI in der beihilfenrechtlichen Rechtfertigungsprüfung

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schen Bestimmungen im Verkehrsbereich keine Effizienzprüfungen vorgenommen werden.178 Die Mitteilung zum Konsultationsprozess nimmt diese Auswertungsergebnisse ebenfalls auf und formulierte Zielvorstellungen, die mit der Reform des MontiPakets erreicht werden sollen: Dies ist zum einen im Wesentlichen die Schaffung von mehr Rechtsklarheit über die bisherigen Maßnahmen (Fragenkatalog, Informationsdienst) hinaus. Die Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, dem entgegenzuwirken und die Schlüsselkonzepte im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Beihilferechts und die Genehmigungsvoraussetzungen genauer darzulegen, wenngleich die Kommission für den Bereich des Art. 107 Abs. 1 AEUV aus kompetenziellen Gründen auf die Auslegung der durch den EuGH aufgestellten Kriterien zu den Tatbestandsmerkmalen beschränkt ist.179 Zum anderen soll mit den reformierten Vorschriften eine Diversifikation umgesetzt werden – der Umfang der beihilfenrechtlichen Prüfung soll sich nach der Art der DAWI richten. Zusammengefasst gesprochen, soll für lokale Dienste kleineren Umfangs und bestimmte Arten sozialer Dienste eine Vereinfachung umgesetzt werden, um den Verwaltungsaufwand in ein angemessenes Verhältnis zu den hiervon ausgehenden geringeren Wettbewerbsstörungen zu bringen. Dagegen soll für große, kommerzielle Dienste, die mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betraut sind, aufgrund des größeren Potentials für Wettbewerbsstörungen ein größeres Augenmerk auf Effizienz- und Qualitätsaspekte gelegt werden soll.180

III. Almunia-Paket: Freistellungsbeschluss und DAWI-Rahmen Am 20. Dezember 2011 wurden schließlich die reformierten Regelungen des Almunia-Pakets vorgestellt, ein Teil des Paketes, die neue De-minimis-Verordnung im Bereich DAWI folgte am 25. April 2012. Es besteht im Kern aus den vier Dokumenten DAWI-Mitteilung, DAWI-De-minimis-VO, Freistellungsbeschluss und DAWI-Rahmen. Ebenfalls hinzu gerechnet werden der Qualitätsrah178 Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen über die Anwendung der EU-Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse seit 2005 und die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation vom 23.03.2011, SEC (2011) 397, Ziffer 4.3.5. 179 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Reform der EU-Beihilfevorschriften über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, KOM (2011) 146 endg, S. 8 f. 180 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Reform der EU-Beihilfevorschriften über Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, KOM (2011) 146 endg, S. 9 ff.

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

men und der DAWI-Leitfaden.181 An dieser Stelle wird lediglich auf die im Rahmen der Rechtfertigung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV beachtlichen Maßnahmen des Freistellungsbeschlusses und des DAWI-Rahmens eingegangen. 1. Freistellungsbeschluss a) Rechtsgrundlage Der Freistellungsbeschluss ist ein gem. Art. 288 Abs. 4 AEUV verbindlicher Rechtsakt. Er ist auf Art. 106 Abs. 3 AEUV gestützt, der die Kommission ermächtigt, für die Anwendung des Art. 106 AEUV erforderliche Richtlinien und Beschlüsse an die Mitgliedstaaten zu richten. Der Grund dafür, dass die Kommission diesen Weg (auch schon für die Freistellungsentscheidung von 2005) eingeschlagen hat, kann darin gesehen werden, dass die alternative Rechtsgrundlage des Art. 109 AEUV für Durchführungsverordnungen zu den Artikeln 107 und 108 AEUV nur den Rat zum Handeln ermächtigt. Auch nach der Ermächtigungsverordnung VO 994/98 ist die Kommission nicht zuständig, da diese nur zu bestimmten Freistellungen für bestimmte Sachgebiete ermächtigt (Art. 1) und die Möglichkeit zum Erlass von De-minimis-Verordnungen daran geknüpft ist, dass gewisse Beträge nicht überschritten werden (Art. 2). Es wird daher die Frage aufgeworfen, ob nicht Art. 109 AEUV die einschlägige Rechtsgrundlage sei und die Kommission daher kompetenzwidrig gehandelt habe.182 Zunächst könnte man Art. 109 AEUV wegen des Regelungsgegenstands des Freistellungsbeschlusses für vorrangig anwendbar halten, denn Freistellungen sind gerade in dieser Vorschrift vorgesehen, während es bei Art. 106 Abs. 3 AEUV um die Konkretisierung der Anwendung des Art. 106 AEUV geht. Durch die Beteiligung des Rats soll eine demokratische Legitimation für den wichtigen Bereich der Freistellung erreicht werden, die eben bei dem Weg über Art. 106 Abs. 3 AEUV umgangen wäre. Die Stützung auf Art. 106 Abs. 3 AEUV wäre demgemäß kompetenzwidrig.183 Allerdings hat auch der EuGH festgestellt, dass die beiden Vorschriften sich auf unterschiedliche Regelungsgegenstände beziehen.184 Entscheidend für die Abgrenzung ist daher nicht die Rechtsfolge, sondern das Sachgebiet der getroffenen Regelung. Der Freistellungsbeschluss beschränkt sich auf den Bereich des Art. 106 Abs. 2 AEUV, daher kommt der Kommission zumindest gegenständlich eine Kompetenz für den Freistellungsbe-

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Vgl. bereits Kapitel 1, E. Rixen, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Verantwortung für Gesundheit und Pflege, S. 105, 125 und jüngst Cremer, ZWeR 2018, 185, 209. 183 Vgl. zur Freistellungsentscheidung Czerny, S. 177 f. So auch Leupold, 360, nach der Art. 86 Abs. 2 EGV (nun Art. 106 Abs. 2 AEUV) die Rechtsfolge einer Freistellung nicht hergibt. 184 EuGH, U. v. 19.3.1992, verb. Rs. 188–190/80, Slg. 1982, 2545, Rn. 14. 182

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schluss zu.185 Zwar hat sich die Kommission entschlossen, eine für DAWI spezifische De-minimis-Verordnung auf Grundlage von Art. 109 AEUV bzw. der Ermächtigungsverordnung zu erlassen. Dies muss jedoch nicht notwendigerweise als Zugeständnis gesehen werden, dass Art. 109 AEUV für Freistellungen auch im DAWI-Bereich die richtige Rechtsgrundlage ist; vielmehr kann es auch so gesehen werden, dass hierfür zwei Möglichkeiten offen stehen. Art. 106 Abs. 3 AEUV konnte daher als spezielle Ermächtigungsnorm für den Freistellungsbeschluss herangezogen werden. Diese Vorschrift postuliert auch kein Gebot, dass darauf nur Verpflichtungen gegenüber den Mitgliedstaaten gestützt werden dürfen, Verfahrenserleichterungen jedoch unzulässig sind, zumal der Freistellungsbeschluss die materiellen Anforderungen an eine Rechtfertigung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV nur dargelegt, nicht aber abschwächt.186 Eine Kompetenzverletzung könnte jedoch insofern vorliegen, wenn der Freistellungsbeschluss der Sache nach keinen Beschluss, sondern eine Verordnung darstellt und aus diesem Grund nur auf Art. 109 AEUV gestützt werden kann. Dafür, dass es sich tatsächlich um einen Beschluss handelt, spricht zunächst die Bezeichnung. Zudem ist nicht Voraussetzung, dass es sich bei dem Beschluss um einen konkreten Fall handelt, es kann sich auch um eine abstrakte Regelung handeln. Nach dem Vertrag von Lissabon ist nicht einmal mehr Voraussetzung, dass ein Beschluss an bestimmte Adressaten gerichtet ist, vgl. den neu eingefügten Satz 2 zu Art. 288 Abs. 4 AEUV. Es handelt sich bei dem Freistellungsbeschluss jedoch nicht um einen solchen adressatenunabhängigen Beschluss, der hauptsächlich für die Regelung des Innenbereichs der Union eingesetzt wird187 sondern um einen adressatenspezifischen Beschluss, da er gem. Art. 13 des Freistellungsbeschlusses explizit an die Mitgliedstaaten gerichtet ist. Die Abgrenzung zur Verordnung geht gerade danach, ob die Maßnahme nur individuelle Geltung hat, also ob der Kreis der Adressaten begrenzt ist. Das Zurückgreifen auf das Instrument des Beschlusses erscheint zwar ungewöhnlich, da für die Gestaltung des Rechtsverhältnisses zu den Mitgliedstaaten eigentlich die Richtlinie zur Verfügung steht, staatengerichtete Beschlüsse entsprechen jedoch der gängigen Praxis.188 Dennoch ist die Frage nach der Rechtsnatur damit noch nicht beantwortet, 185 Zweifelnd, aber im Ergebnis zustimmend Czerny, S. 177 f.; so auch für die Freistellungsentscheidung Koenig/Vorbeck, ZEuS 2008, 207, 216 ff. 186 Anders Cremer, ZWeR 2018, 185, 209. Dessen Kritik zielt u. a. darauf, dass der Freistellungsbeschluss gegenüber den Altmark-Kriterien geringere materielle Vorgaben macht; allerdings ist insbesondere das vierte Altmark-Kriterium der Effizienz – nur bei dessen Vorliegen liegt bei Ausgleichszahlungen für DAWI Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht vor – im Bereich des Art. 106 Abs. 2 AEUV nicht zu fordern, s. EuG, U. v. 7.11.2012, Rs., T-137/10, Rn. 292, juris IRIS. 187 Zum adressatenunabhängigen Beschluss Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV, Rn. 195. 188 Zum adressatenspezifischen Beschluss ebenfalls Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Art. 288 AEUV, Rn. 173 ff.

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da sich diese nicht nach der äußeren Form, sondern nach dem Gegenstand und Inhalt beurteilt.189 Insoweit wird teilweise davon ausgegangen, dass es sich bei dem Freistellungsbeschluss um eine Maßnahme mit Verordnungscharakter handele, da es zum einen an einer Einzelfallregelung fehle, zum anderen der Freistellungsbeschluss allgemeinen Charakter habe. Zwar sei er nur an die Mitgliedstaaten gerichtet, entfalte jedoch Rechtswirkungen auch für begünstigte Unternehmen, da der unmittelbar anwendbare Art. 106 Abs. 2 AEUV damit konkretisiert werde.190 Diese Ansicht verkennt aber, dass es in Art. 288 AEUV gerade nicht vorgesehen ist, dass einem Beschluss Einzelfallcharakter zukommen muss. Die Abgrenzung erfolgt damit rein danach, ob eine allgemeine Geltung vorliegt. Es ist zuzugeben, dass der Freistellungsbeschluss zumindest faktisch Rechtswirkungen entfaltet, die nicht nur die Mitgliedstaaten betreffen. Allerdings ist das Beihilferecht als ein Verfahren zwischen Mitgliedstaaten und der Kommission ausgestaltet, so es nicht als Umgehung des Art. 109 AEUV angesehen werden kann, den Beschluss lediglich an die Mitgliedstaaten zu richten. Der Freistellungsbeschluss ist daher zwar nicht lediglich einzelfallbezogen, jedoch ist der Adressatenkreis begrenzt, so dass keine Verordnung vorliegt. Eine allgemeine Geltung lässt sich daher nicht bejahen.191 Möglicherweise wäre mit der Einführung des Art. 14 Satz 2 AEUV auch die darin vorgesehene Rechtsgrundlage zur Festlegung von Grundsätzen und Bedingungen durch Verordnung für das Funktionieren von DAWI vorrangig heranzuziehen gewesen. Zuständig dafür wäre dann der Rat und das Europäische Parlament.192 Allerdings gilt Art. 14 AEUV gerade unbeschadet u. a. des Art. 106 AEUV. Zudem ermächtigt Art. 14 Satz 2 AEUV gerade nicht zu Beschlüssen, was dafür spricht, dass die beiden Rechtsgrundlagen komplementär nebeneinander stehen. Die Kommission durfte den Freistellungsbeschluss daher auf Art. 106 Abs. 3 AEUV stützen. b) Wirkungsweise und Darstellung der einzelnen Regeln im Vergleich zur Freistellungsentscheidung Maßnahmen, die die Voraussetzungen des Freistellungsbeschlusses erfüllen, gelten als mit dem Binnenmarkt vereinbar nach Art. 106 Abs. 2 AEUV (vgl. Erwägungsgrund 7); zugleich ist eine Freistellung von der Anmeldepflicht nach Art. 108 Abs. 3 AEUV angeordnet, durch Art. 1 des Freistellungsbeschlusses. Al189

EuGH, U. v. 9.6.1964, verb. Rs. 55–59 u. 61/63, Acciaierie, Slg. 1965, 453, 492. Leupold, S. 368 f. 191 Etwas weitgehend nimmt Czerny, S. 179 an, da der Freistellungsbeschluss nur das Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten und der Kommission betreffe, dürfe ein mitgliedstaatliches Gericht eine Freistellung von der Notifizierungspflicht auf Grundlage des Freistellungsbeschlusses nicht bejahen. 192 Hierzu Rixen, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Verantwortung für Gesundheit und Pflege, S. 105, 125. 190

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lerdings greift diese Freistellung nur, wenn auch anderes Unionsrecht eingehalten wurde, vgl. Art. 3 des Freistellungsbeschlusses. Der Anwendungsbereich ist in Art. 2 geregelt. Zunächst muss es sich bei der zu prüfenden Maßnahme um eine Ausgleichsleistung für eine echte DAWI handeln, Art. 2 Abs. 1. Weiterhin muss die Maßnahme einer der folgenden Kategorien entsprechen: Anwendbar ist der Freistellungsbeschluss zunächst für Ausgleichsleistungen von nicht mehr als 15 Mio. EUR pro Jahr, mit Ausnahme der Bereiche Verkehr und Verkehrsinfrastruktur (Art. 2 Abs. 1 lit. a)). In der Parallelnorm der Freistellungsentscheidung war noch eine Ausgleichszahlung bis zu 30 Mio. EUR im Jahr zulässig, allerdings durfte der Umsatz des Unternehmens 100 Mio. EUR nicht überschreiten. Nach Art. 2 Abs. 1 lit. b) ist der Freistellungsbeschluss für DAWI durch Krankenhäuser einschließlich Notdiensten ohne betragsmäßige Begrenzung anwendbar; im Gegensatz zur Freistellungsentscheidung ist explizit aufgeführt, dass die Erbringung von Nebenleistungen, die unmittelbar mit der Haupttätigkeit verbunden ist, inkl. Forschung, unschädlich ist. Neu eingeführt ist die betragsmäßig unbeschränkte Anwendbarkeit für DAWI zur Deckung des sozialen Bedarfs im Hinblick auf Gesundheitsdienste und Langzeitpflege, Kinderbetreuung und den Zugang und die Wiedereingliederung zum Arbeitsmarkt sowie die Betreuung und soziale Einbindung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen in Art. 2 Abs. 1 lit. c). In dieser Vorschrift wurde auch der bislang in Art. 2 Abs. 1 lit. b) der Freistellungsentscheidung geführte soziale Wohnungsbau aufgenommen. Mit dieser Neuerung will die Kommission der Tatsache Rechnung tragen, dass im Hinblick auf soziale Dienstleistungen nach dem bisherigen Entwicklungsstand des Binnenmarkts Beihilfen angesichts ihrer Besonderheiten wie bei Krankenhäusern notwendig sein können, ohne dass es zu einem Risiko von Wettbewerbsverzerrungen kommt, auch wenn der Beihilfebetrag insoweit nicht gedeckelt ist (Erwägungsgrund 11 des Freistellungsbeschlusses). Es handelt sich insoweit um eine erschöpfende Liste der sozialen Dienstleistungen, für die der Freistellungsbeschluss anwendbar ist. Allerdings ist im Hinblick auf die Bestimmung, dass die Betreuung und die soziale Einbindung sozial schwacher Bevölkerungsgruppen als sehr allgemein gehaltene Kategorie umfasst ist, der Anwendungsbereich sehr weit gezogen; die meisten sozialen Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten dürften darunter fallen.193 Der Freistellungsbeschluss ist ebenfalls, wie schon die Freistellungsentscheidung (dort Art. 2 Abs. 1 lit. c)) für Flug- und Schifffahrtsverbindungen zu Inseln anwendbar, wenn innerhalb von zwei Jahren nicht mehr als 300.000 Passagiere transportiert wurden, Art. 2 Abs. 1 lit. d)). Weiterhin ist der Freistellungsbeschluss anwendbar für Ausgleichszahlungen an Flughäfen mit bis zu 200.000 Passagieren pro Jahr und an Seehäfen mit bis zu 300.000 Passagieren pro Jahr, Art. 2 Abs. 1 lit. e; zusätz193 DAWI-Leitfaden, Ziffer 93–94; vgl. auch Rixen, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Verantwortung für Gesundheit und Pflege, S. 105, 117.

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lich müssen die sektorspezifischen Voraussetzungen der VO (EG) Nr. 1008/2008 und der VO (EWG) Nr. 3577/92 eingehalten werden, Art. 2 Abs. 4; in der Freistellungsentscheidung war noch eine Freistellung für Ausgleichszahlungen an Flughäfen mit bis zu 1.000.000 Passagieren pro Jahr vorgesehen. Für den Landverkehr findet der Freistellungsbeschluss nach Art. 2 Abs. 5 des Freistellungsbeschlusses generell keine Anwendung. Im Freistellungsbeschluss findet sich nunmehr erstmals eine zeitliche Begrenzung für die Dauer der Betrauung auf 10 Jahre, die nur bei erheblichen Investitionen überschritten werden darf, Art. 2 Abs. 2. Damit soll das Ausmaß möglicher Handelsbeeinträchtigungen durch DAWI-Beihilfen beschränkt werden, als ausdrücklicher Ausnahmefall wird etwa der soziale Wohnungsbau genannt, s. Erwägungsgrund 12. Die Voraussetzungen an den Betrauungsakt sind in Artikel 4 des Freistellungsbeschlusses geregelt und mit den Voraussetzungen der Vorgängernorm in der Freistellungsentscheidung fast wortgleich. Geregelt ist, dass der oder die Betrauungsakte, die die Verpflichtung zur DAWI übertragen (hinsichtlich der Wahl der Form sind die Mitgliedstaaten frei) Gegenstand und Dauer der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen aufführen, das Unternehmen und gegebenenfalls das betreffende Gebiet sowie die Art etwaiger dem Unternehmen übertragener ausschließlicher oder besonderer Rechte bezeichnen. Weiterhin muss der Ausgleichsmechanismus und die Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistungen genannt werden, ebenso Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung von Überkompensationszahlungen. Im Unterschied zur Freistellungsentscheidung muss der Betrauungsakt jedoch auch einen Verweis auf den Freistellungsbeschluss enthalten, vgl. Art. 2 lit. f), zur Sicherung der Transparenz, vgl. Erwägungsgrund 14. Das „Herzstück“ des Freistellungsbeschlusses bilden die Vorschriften über die Berechnung der Ausgleichsleistung in Art. 5, die in weiten Teilen den Vorschriften in Art. 5 der Freistellungsentscheidung ähneln, punktuell jedoch einige wichtige Änderungen enthalten. Das einfache Grundprinzip, dass der Ausgleich als Differenz zwischen den für die DAWI angefallenen Kosten und den insoweit angefallenen Einnahmen berechnet wird, bleibt gleich, vgl. jeweils Art. 5 Abs. 2. Allerdings ist nun auch eine Kostenermittlung nach der sog. Kostenvermeidungsmethode zulässig, also im Wege eines Vergleichs zwischen den Kosten einer Dienstleistungserbringung mit und ohne gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen, vgl. Art. 5 Abs. 2. Dieser im Freistellungsbeschluss nicht weiter erläuterte Ansatz kann bei Regulierungsverpflichtungen empfehlenswert sein, wo sich gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen nur einnahmeseitig auswirken, vgl. Erwägungsgrund 17. Welche Kosten ansatzfähig sind, ist in Art. 5 Abs. 3 des Freistellungsbeschlusses geregelt. Erbringt das Unternehmen rein DAWI, können alle Kosten angesetzt werden, andernfalls nur der auf die Erbringung von DAWI entfallende Teil. In diesem Fall müssen Kosten für DAWI und Nicht-DAWI in der Buchführung getrennt ausgewiesen werden, Art. 2 Abs. 9 des Freistellungsbeschlusses.

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Als Kosten können neben den unmittelbaren Kosten für die DAWI auch ein angemessener Teil der Fixkosten und auch Investitionskosten für Infrastruktur, die für die DAWI erforderlich ist, angesetzt werden. Neben sämtlichen Einnahmen für die DAWI sind sämtliche weitere Mittel, die für die DAWI benutzt werden, anzusetzen, egal ob es sich insoweit um Beihilfen handelt oder nicht, etwa Quersubventionierungen aus Nicht-DAWI-Bereichen oder auch Erträge aus ausschließlichen oder besonderen Rechten, die über einem angemessenen Gewinn liegen. Im Rahmen der Ausgleichszahlung dürfen neben den Kosten auch ein angemessener Gewinn gewährt werden, Art. 5 Abs. 1 des Freistellungsbeschlusses. Nach Art. 5 Abs. 4 der Freistellungsentscheidung war der angemessene Gewinn definiert als der Kapitalertrag, der im Vergleich zu Unternehmen im selben Sektor bzw. vergleichbaren Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten als angemessen gilt. Die Ermittlung eines angemessenen Gewinns war daher mit einem gewissen Aufwand verbunden und in denen Fällen nicht möglich, in denen keine Vergleichsunternehmen existierten. Der Freistellungsbeschluss schafft in diesem Punkt eine echte Vereinfachung, in dem er zum einen mit dem Bezug auf die Kapitalrendite eine anerkannte finanzmathematische Kenngröße zur Bemessung des angemessenen Gewinns festlegt (Art. 2 Abs. 5), allerdings auch andere Kenngrößen zulässt (Art. 2 Abs. 8). Vor allem aber schafft er eine sog. safe-harbour Regelung in Art. 2 Abs. 7. Danach gilt eine Kapitalrendite, die den sog. relevanten Swap-Satz nicht um einen Prozentpunkt übersteigt, als angemessen. Der relevante SwapSatz ist derjenige, dessen Fälligkeit und Währung der Dauer und Währung des Betrauungsakts entspricht.194 Der Freistellungsbeschluss eröffnet zudem die Möglichkeit, bei der Höhe des angemessenen Gewinns Anreizkriterien zugrunde zu legen, die sich auf die Qualität der erbrachten Dienstleistungen beziehen und Effizienzgewinne bei der Produktivität zulassen, Art. 2 Abs. 6. Die Kontrolle von Überkompensationen ist jeweils in Art. 6 geregelt. Es sind regelmäßige Kontrollen durchzuführen; im Gegensatz zum Freistellungsbeschluss ist explizit vorgesehen, dass diese nicht nur zum Ende des Betrauungszeitraums, sondern alle drei Jahre durchgeführt werden müssen. Die Kommission kann insoweit Nachweise verlangen. Übermäßige Ausgleichszahlungen sind zurückzufordern, es sei denn die Überkompensation beträgt nicht mehr als 10 %, dann kann sie von der Ausgleichszahlung in der nächsten Periode abgezogen werden. Ein wesentliches Novum ist die nach Art. 7 eingeführte Transparenzpflicht. Demnach muss bei Ausgleichszahlungen von über 15 Mio. EUR an Unternehmen, die auch Nicht-DAWI ausüben, der Betrauungsakt bzw. eine Zusammenfassung sowie der jährliche Beihilfebetrag im Internet oder in sonst geeigneter Weise veröffentlicht werden.

194 Die aktuellen Swap-Sätze können unter http://ec.europa.eu/competition/state_ aid/legislation/sgei.html abgerufen werden (letzter Abruf am 29.4.2019).

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In Art. 8 ist vorgesehen, dass Unterlagen über Betrauungen mindestens 10 Jahre aufzubewahren sind und auf Verlangen der Kommission zu übermitteln sind. Nach Art. 9 müssen die Mitgliedstaaten der Kommission alle zwei Jahre, erstmals bis zum 30.6.2014 einen nach Kategorien geordneten Bericht über die Anwendung des Freistellungsbeschlusses inkl. des Gesamtbetrages der insoweit gewährten Beihilfen, aufgeschlüsselt nach Wirtschaftsbereichen, übermitteln. Nach Art. 10 kann der Freistellungsbeschluss auch rückwirkend angewendet werden. Er hebt die Freistellungsentscheidung auf (Art. 11) und trat am 31.1.2012 in Kraft (Art. 12). c) Würdigung Der Freistellungsbeschluss ist ein relativ übersichtliches Regelwerk mit klaren und verbindlichen Vorschriften. Er enthält gegenüber der Freistellungsentscheidung, deren Regelungsgehalte überwiegend übernommen werden, einige Ausdifferenzierungen, vor allem im Hinblick auf die Vorschriften zur Bemessung eines angemessenen Gewinns, die nicht nur für mehr Rechtsklarheit, sondern auch für eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung sorgen; umgekehrt dürfte die vereinfachte Regel einen Anreiz dafür bieten, überhaupt eine Gewinnzahlung auszuschütten. Für eine erhebliche Vereinfachung sorgte auch die sehr weit gefasste Einbeziehung von sozialen Dienstleistungen in den Anwendungsbereich des Freistellungsbeschlusses. Unerklärt bleibt in dem Freistellungsbeschluss weiter, was unter DAWI zu verstehen ist; die Ausführungen zum Betrauungsakt bleiben knapp. Hier schafft jedoch die den Freistellungsbeschluss ergänzende DAWI-Mitteilung Erläuterung, auch wenn hinsichtlich der Konzepte einige Fragen offen bleiben. Dies gilt ebenso für die Frage, ob eine soziale Dienstleistung überhaupt eine unternehmerische Tätigkeit darstellt und/oder den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigt und überhaupt eine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Hier muss ebenso auf die, allerdings nicht hinreichend klaren Ausführungen der DAWI-Mitteilung zurückgegriffen werden. Möglicherweise besteht durch die Aufnahme der sozialen Dienstleistungen in den Freistellungsbeschluss sogar eher die Tendenz, den Beihilfentatbestand diesbezüglich zu bejahen. In der Praxis wird es sich daher empfehlen, im Hinblick auf Ausgleichszahlungen an soziale DAWI lieber einen Betrauungsakt zu formulieren, möglicherweise wird die Welt für Sozialdienstleistungen daher gerade nicht einfacher. Der Kommission ist es konstruktiv dennoch gelungen, den Spagat zwischen Vereinfachung und einem erhöhten Augenmerk auf den Wettbewerbsschutz innerhalb des Freistellungsbeschlusses zu schlagen: Im Gegenzug zu dem erweiterten Anwendungsbereich durch die Einbeziehung sozialer Dienstleistungen sind für sonstige als die ausdrücklich aufgezählten Fälle nur noch Ausgleichszahlungen bis zu 15 Mio. EUR statt 30 Mio. EUR zulässig. Von erheblicher Bedeutung dürfte auch die neu geschaffene Veröffentlichungspflicht für Betrauungsakte und Betrag der Ausgleichszahlung bei Ausgleichszahlungen über 15 Mio. EUR (wenn das Unternehmen nicht ausschließlich DAWI erbringt) nach Art. 7 sein. Dies ergänzt die Kon-

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trolle gegen Überkompensation nach Art. 6. Denn so wird überhaupt erst eine Kenntnis von Wettbewerbern von Ausgleichszahlungen an DAWI ermöglicht. Gehen die Wettbewerber etwa davon aus, bei der geförderten Tätigkeit handele es sich nicht um eine DAWI – dann wären nicht alle Voraussetzungen des Freistellungsbeschlusses eingehalten und somit die Anmeldepflicht des Art. 108 Abs. 3 AEUV verletzt – können sie mit einer Beschwerde auf eine Prüfung durch die Kommission einwirken. Da die Anmeldepflicht Wettbewerber im Wege einer subjektiven Rechtsstellung schützt, ist in diesem Fall auch ein Vorgehen vor den nationalen Gerichten gegen die Ausgleichszahlung möglich. Hier können beispielsweise Rückzahlungen der Subvention oder Schadensersatzzahlungen begehrt werden.195 2. DAWI-Rahmen a) Rechtswirkungen von Mitteilungen Im Hinblick auf den als Mitteilung erlassenen DAWI-Rahmen ist fraglich, welche Rechtswirkungen davon ausgehen. Der Rechtsakt der Mitteilung ist im AEUV nicht vorgesehen (vgl. Art. 288 AEUV), ist jedoch von der Kommission besonders im Beihilferecht ein gebräuchliches Mittel der Regelsetzung neben Freistellungsverordnungen. Die Mitteilungen sollen Auskunft darüber geben, wie die Kommission ihr Ermessen im Rahmen von Genehmigungsentscheidungen nach Art. 107 Abs. 3 AEUV ausübt und somit Transparenz herstellen und die Ermessensausübung objektivieren.196 Da der Art. 107 Abs. 1 AEUV und Art. 106 Abs. 2 AEUV jedoch nicht im Ermessen der Kommission stehen, steht bei den beiden Mitteilungen der interpretative Charakter und die Transparenz über die Auslegung durch die Kommission im Vordergrund.197 Für den Erlass von Mitteilungen wird zumindest eine Zuständigkeitsnorm als für nötig erachtet;198 diese wäre dann hier dementsprechend aus den zuletzt zitierten Vorschriften zu entnehmen, da die Kommission zur Prüfung der Einhaltung der dort genannten Voraussetzungen zuständig ist. Da die Mitteilungen als Rechtsinstrument nicht vorgesehen sind, werden sie auch als sog. „soft law“ bezeichnet und Ihnen teilweise nur der Charakter von Absichtserklärungen zugesprochen, denen keinerlei Rechtswirkungen zukomme. Es ist allerdings anerkannt, dass sich die Kommission über Mitteilungen selbst bindet, da auch sie an den Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden ist. Es handelt sich somit um Vorschriften, die allgemeinen Verwaltungsvorschriften 195 Siehe zu den Rechtsschutzmöglichkeiten von Konkurrenten auf Unionsebene und vor nationalen Gerichten den Überblick von Bungenberg, Beihilfenrecht, in: Immenga/ Mestmäcker (Hrsg.). 196 Zu dem Einsatz von Richtlinien im Beihilferecht Schweda, S. 151. 197 Vgl. Czerny, S. 207 zu dem Gemeinschaftsrahmen. 198 Schweda, S. 151, Rn. 33.

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nahe kommen. Daher wird von EuG und EuGH auch überprüft, ob sich die Kommission bei einer Entscheidung an ihre sich selbst gesetzten Grenzen gehalten hat. Im Rangverhältnis sind die Mitteilungen unter dem Primär- und Sekundärrecht einzuordnen und müssen sich daher an die dort aufgezeigten Grenzen halten, die Mitteilungen können daher auch von EuG und EuGH verworfen werden. Aus der Rechtsnatur der Richtlinien als rein ermessensleitende bzw. interpretative Bestimmungen folgt auch, dass sowohl die Mitgliedstaaten als auch begünstigte Unternehmen und eventuelle Wettbewerber grundsätzlich nicht an die Mitteilungen gebunden sind, sie können sich jedoch darauf verlassen, dass die Kommission sich in ihrer Prüf- und Genehmigungspraxis danach richtet.199 Daher wird zwar keine rechtliche Bindung, aber eine faktische Bindung erzeugt.200 Allerdings hat die Kommission den DAWI-Rahmen als sog. zweckdienliche Maßnahme nach Art. 108 Abs. 1 AEUV ausgestaltet (Ziffer 71)201 und die Mitgliedstaaten haben sich damit einverstanden erklärt,202 so dass daher eine direkte Bindung der Mitgliedstaaten an die Vorgaben des DAWI-Rahmens gegeben ist. Die Kommission unterscheidet in ihren soft-law-Dokumenten unter anderem zwischen gewöhnlichen Mitteilungen und den sog. Rahmen, wie auch im Almunia-Paket. Dabei wird die Bezeichnung Rahmen benutzt, um zu zeigen, dass es sich um Regelungen handelt, die in einer gewissen standardisierten Form ergehen und üblicherweise konkrete Maßnahmen von dem Beihilfegeber verlangen. Unterschiede in der rechtlichen Beurteilung ergeben sich jedoch nicht. b) Wirkungsweise und Darstellung der Regelungen im Vergleich zum Gemeinschaftsrahmen Der DAWI-Rahmen tritt an die Stelle des alten Gemeinschaftsrahmens. Er legt fest, unter welchen Voraussetzungen Beihilfen, die nicht nach dem Freistellungsbeschluss von der Notifizierung freigestellt sind, nach Art. 106 Abs. 2 AEUV genehmigt werden können.203 Grob gesprochen, sieht der EU-Rahmen gegenüber der Vorgängerregelung ausgefeiltere Bestimmungen zur Ermittlung der ausgleichspflichtigen Kosten vor, vor allem aber ist nunmehr die Einführung von Effizienzanreizen verpflichtend. Damit soll dem Ziel Rechnung getragen werden, 199

Schweda, S. 151, Rn. 40. Czerny, S. 200. 201 Hierzu bereits Kapitel 1, B. 202 Mitteilung der Kommission – Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (2011) – Bestätigung aller Mitgliedstaaten, dass sie mit den von der Kommission für die Zwecke der Anwendung von Artikel 108 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgeschlagenen Maßnahmen einverstanden sind, ABl. EU v. 12. Oktober 2012, 2012/C 308/02. 203 Siehe insbesondere Ziffer 7 des EU-Rahmens. 200

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für größere Maßnahmen eine genauere Prüfung einzuführen und einen diversifizierten Ansatz je nach Art der Maßnahme zu verfolgen.204 Im ersten Abschnitt des DAWI-Rahmens ist dessen Anwendungsbereich festgelegt. Der DAWI-Rahmen gilt für DAWI-Ausgleichsleistungen, die einer Anmeldung nach Art. 108 Abs. 3 AEUV bedürfen, verdrängt jedoch nicht sektorspezifische EU-Rechtsvorschriften, insbesondere im Hinblick auf Ausgleichsleistungen im Luft- oder Seeverkehr. Der DAWI-Rahmen kommt insoweit ergänzend zur Anwendung (Ziffer 8, 10). Ausgenommen vom Anwendungsbereich des DAWI-Rahmens ist neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur der Landverkehr (Ziffer 8), im Gemeinschaftsrahmen war neben dem öffentlichrechtlichen Rundfunk der komplette Verkehrsbereich ausgenommen (Ziffer 3). Das erste Rechtfertigungskriterium ist das Vorliegen einer echten DAWI. Der DAWI-Rahmen verweist insofern auf die DAWI-Mitteilung (Ziffer 13), fügt jedoch in Ziffer 14 die auch gegenüber dem Gemeinschaftsrahmen neue Anforderung hinzu, dass der Bedarf an einer DAWI vorab anhand einer öffentlichen Konsultation oder anderer angemessener Mittel ermittelt werden sollte, wenn nicht kurz zuvor eine angemessene Konsultation stattgefunden habe. Die Ausführungen im DAWI-Leitfaden erhellen, dass es sich hier um eine verpflichtende Anforderung handeln soll, bei der im Wege einer Nutzerbefragung überhaupt der Bedarf für eine DAWI ermittelt und zudem die Anforderungen an die zur Verfügung gestellte Dienstleistung genauer herausgearbeitet werden sollen. Die Anforderungen an den Betrauungsakt (Ziffer 15–16) sind im Wesentlichen identisch mit den im Gemeinschaftsrahmen und Freistellungsbeschluss niedergelegten, nur dass im Betrauungsakt nicht auf den DAWI-Rahmen verwiesen werden muss. In Ziffer 17–21 führt der DAWI-Rahmen gegenüber dem Gemeinschaftsrahmen zusätzliche Anforderungen ein: Die Dauer des Betrauungszeitraums muss durch objektive Kriterien, bzw. die Notwendigkeit der Amortisierung von Sachanlagevermögen begrenzt werden und darf den für die Abschreibung notwendigen Zeitraum nicht überschreiten (Ziffer 17). Mit der verpflichtenden Einhaltung der sog. Transparenzrichtlinie, der Richtlinie 2006/111/EG der Kommission über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen wird ein zusätzliches Rechtsfertigungskriterium für die Rechtfertigung nach Art. 106 Abs. 2 AEUV eingeführt (Ziffer 18). Gleiches gilt für die EU-Vergabevorschriften. Werden diese nicht beachtet, kommt ebenfalls eine beihilfenrechtliche Rechtfertigung nicht in Betracht (Ziffer 19). Diese An204 Pesaresi et al., S. 3; s. auch die Präsentation der Kommission zum neuen DAWIPaket, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/overview/public_ser vices_en.html#package (letzter Abruf am 29.4.2019).

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forderung stellt kein „beihilfenrechtliches“ Gebot der Durchführung eines Vergabeverfahrens auf, sondern knüpft nur an bestehende vergaberechtliche Verpflichtungen an. Muss allerdings ein Vergabeverfahren durchgeführt werden, so kommt, wenn nicht Verfahrensarten gewählt werden, die ohne Ausschreibung auskommen, allerdings ohnehin die Altmark-Rechtsprechung zum Tragen. Mangels Vorliegens des Art. 107 Abs. 1 AEUV bedarf es dann ohnehin keiner Rechtfertigung.205 Daneben gilt es nunmehr das Gebot der Nichtdiskriminierung zu beachten, eine Behörde muss, wenn sie mehrere Unternehmen mit derselben DAWI betraut, den Ausgleich nach derselben Methode berechnen. Gegenüber dem Gemeinschaftsrahmen sind die Bestimmungen zur Berechnung der Höhe der Ausgleichsleistungen und zur Überkompensationskontrolle wesentlich detaillierter (Ziffer 21–50). Der DAWI-Rahmen lässt im Gegensatz zu den Bestimmungen des Gemeinschaftsrahmens (Ziffer 14–21) eine Berechnung der Kosten auf Grundlage der erwarteten Kosten und Einnahmen statt der tatsächlichen angefallenen Kosten und Einnahmen zu (Ziffer 22). Die erwarteten Kosten müssen auf Grundlage schlüssiger und nachvollziehbarer Parameter im Hinblick auf das wirtschaftliche Umfeld, im Optimalfall unter Zuhilfenahme von Sachkenntnis bzw. möglicherweise zuständiger Aufsichtsbehörden berechnet werden (Ziffer 23). Eine derartige Kostenschätzung ermöglicht es, eine pauschale Ausgleichsleistung für die Dauer der Betrauung festzulegen, dies ist dann eine Möglichkeit, die nach dem DAWI-Rahmen ebenfalls gegenüber dem Gemeinschaftsrahmen nun verpflichtend vorgesehenen Effizienzanreize umzusetzen (Ziffer 40), da der Dienstleistungserbringer gegenüber der Kostenschätzung geringere Kosten als Effizienzgewinn behalten darf, sofern der Gewinn nicht unangemessen hoch erscheint (Ziffer 50). Für die Ausgleichsberechnung stellt der DAWI-Rahmen die sog. Net-avoided-cost-Methode und die Kostenallokationsmethode zur Verfügung. Die gegenüber dem Gemeinschaftsrahmen ein Novum bildende und im Freistellungsbeschluss nur fakultativ vorgesehene Net-avoidedcost-Methode (Ziffer 25–27) soll für den DAWI-Rahmen den Regelfall bilden und nur in ungeeigneten Fällen nicht zur Anwendung kommen, da sie als genaueste Methode angesehen wird (Ziffer 27). Bei dieser Methode wird die Differenz zwischen der Diensterbringung mit und ohne gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen errechnet (Ziffer 25). Bei der Kostenallokationsmethode (Ziffer 28–32) wird die Differenz zwischen den für die DAWI angefallenen Kosten und den Einnahmen gebildet. Wie schon im Gemeinschaftsrahmen und auch im Freistellungsbeschluss vorgesehen, sind alle Kosten ansatzfähig, wenn das Unternehmen nur eine DAWI erbringt (Ziffer 30), werden auch andere Tätigkeiten übernommen, dann neben den auf die DAWI entfallenden unmittelbaren Kosten ein angemessener Teil der Fixkosten (Ziffer 31). In einem solchen Fall bedarf es einer

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Vgl. insoweit Ziffer 168–169 DAWI-Leitfaden.

C. DAWI in der beihilfenrechtlichen Rechtfertigungsprüfung

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getrennten Buchführung zwischen DAWI und Nicht-DAWI-Bereichen (Ziffer 45). Als angemessener Gewinn gilt die Kapitalrendite, die ein typisches Unternehmen zugrunde legt, um unter Berücksichtigung des jeweiligen Risikos zu entscheiden, ob es die betreffende DAWI für die gesamte Dauer des Betrauungsaktes erbringt; (Ziffer 33) hierfür muss ein Nachweis erbracht werden (Ziffer 35). Wie im Freistellungsbeschluss und anders noch im Gemeinschaftsrahmen sind andere Renditekennziffern zulässig (Ziffer 34) und es existiert eine identische safe-harbourRegelung, wonach eine Kapitalrendite, die den relevanten Swap-Satz zuzüglich eines Aufschlags von 100 Basispunkten nicht überschreitet, als angemessen gilt (Ziffer 36). Der Ausgleich muss verpflichtend Effizienzanreize vorsehen, es sei denn, dies ist nicht möglich oder angemessen (Ziffer 39). Neben der bereits diskutierten Festlegung einer pauschalen Ausgleichshöhe ist auch möglich, im Betrauungsakt konkrete Ziele für Effizienzgewinne festzulegen und deren Erreichung mit einer höheren Ausgleichsleistung zu quittieren, deren Nichterreichung in einer Kürzung der Ausgleichsbeträge resultiert (Ziffer 41). Die Kontrolle von Überkompensation ist in den Ziffern 47–50 geregelt. Überschüssige Ausgleichszahlungen, ausgenommen erzielte Effizienzgewinne, müssen zurückerstattet werden; die Mitgliedstaaten haben zum Ende des Betrauungszeitraums, jedenfalls alle drei Jahre Überkompensationskontrollen durchzuführen (Ziffer 49). Nach Ziffer 51–59 ist die Kommission in außergewöhnlichen Umständen vor der Genehmigungsentscheidung zu zusätzlichen Voraussetzungen durch Auflagen oder Verpflichtungserklärungen berechtigt, um so Wettbewerbsstörungen entgegen zu wirken, etwa bei stark wettbewerbsbeschränkenden besonderen oder ausschließlichen Rechten (Ziffer 57) oder wenn die Beihilfe den Aufbau einer nicht reproduzierbaren Infrastruktur ermöglicht, die auf dem Markt, auf dem die DAWI erbracht wird oder auf benachbarten Märkten zur Marktabschottung verwendet werden kann (Ziffer 58). Auf die Möglichkeit zu Bedingungen und Auflagen durch die Beihilfeverfahrensordnung weist auch Ziffer 66 hin. Nach Ziffer 60 des DAWI-Rahmens sind Transparenzanforderungen zu beachten, es sind bei jeder Maßnahme die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation, Gegenstand und Dauer der Verpflichtungen zur Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen, das Unternehmen und ggf. das betreffende Gebiet und der jährliche Beihilfenbetrag im Internet oder in sonst angemessener Weise zu veröffentlichen. Ziffer 62–65 regelt Berichtspflichten der Mitgliedstaaten, die alle zwei Jahre einen Bericht über die Anwendung dieser Mitteilung, aufgeschlüsselt nach Dienstleistersektoren bei der Kommission vorlegen müssen. In Ziffer 67–71 finden sich Schlussbestimmungen, die u. a. den zeitlichen Anwendungsbereich des DAWI-Rahmens betreffen. c) Würdigung Wie von der Kommission in der Reformagenda avisiert, sind die Regelungen des DAWI-Rahmens von einem verstärkt wettbewerblichen Ansatz geprägt, da nicht unter den Freistellungsbeschluss bzw. die DAWI-De-minimis-VO fallende

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

Maßnahmen als große, kommerzielle Dienste eingeordnet werden – der DAWIRahmen sieht ja keine betragsmäßige Begrenzung vor. Dieser Ansatz äußert sich zunächst darin, dass für das Vorliegen einer DAWI eine Bedarfs- und Anforderungsermittlung im Wege einer öffentlichen Konsultation oder in sonstiger geeigneter Weise verlangt wird. Dieser Verfahrensschritt stellt zwar einen Aufwand dar, ein dadurch dokumentierter Bedarf erhöht jedoch auch die Rechtssicherheit für die mit der DAWI betrauenden Behörde und den Dienstleistungserbringer. Ein Einschnitt in die Definitionshoheit der Mitgliedstaaten im Hinblick auf DAWI ist dadurch nicht zu erblicken. Zwar kann die Frage, ob ein Bedarf für eine DAWI vorliegt, nicht mehr aus eigener Autorität bejaht werden. Das Vorliegen eines Bedarfs nach einer DAWI, sprich besonderen Verpflichtungen an eine marktmäßig sonst nicht erbrachte Leistung ist jedoch auch sonst ein von der Kommission überprüfbares Kriterium bei der Definition einer DAWI. Der wettbewerbliche Ansatz kommt weiterhin vor allem in dem Vorschreiben von verpflichtenden Effizienzanreizen zur Geltung, da damit Anreize geschaffen werden, die DAWI kostengünstig zu erbringen. Dies ähnelt daher dem vierten Altmark-Kriterium, dem Effizienz-Kriterium. 206 Die Effizienzanreize sind jedoch insofern problematisch, dass die mit dem vierten Altmark-Kriterium verfolgte kostengünstige DAWI-Erbringung gerade nicht erreicht wird, da die Effizienzgewinne beim Dienstleister verbleiben; es wird damit zwar gegenüber dem Gemeinschaftsrahmen die Wirtschaftlichkeit der DAWI erhöht, allerdings rein zugunsten des Dienstleistungserbringers. Die Effizienzanreize sind auch insofern problematisch, als Art. 106 Abs. 2 AEUV im Gegensatz zum in Art. 107 Abs. 1 AEUV verorteten Altmark-Test gerade nicht die Anforderung aufstellt, dass die DAWI effizient erbracht werden muss.207 Die Kommission stellt damit im DAWI-Rahmen, der eine Konkretisierung des Art. 106 Abs. 2 AEUV darstellt, schärfere Anforderungen als es das Primärrecht erlaubt. In den wettbewerblichen Ansatz kann auch die Veröffentlichungspflicht der Betrauung und des gewährten Ausgleichsbetrags eingeordnet werden, da dies den Wettbewerbsschutz verbessert – im Rahmen des DAWI-Rahmens herrscht zwar eine Anmeldepflicht, so dass die Kommission zur Prüfung berufen ist, die Veröffentlichungspflicht stellt jedoch eine Kenntnis von Wettbewerbern sicher, die dann gegen Genehmigungsentscheidungen vorgehen können.208 Zugleich ist mit dem DAWI-Rahmen eine Vereinfachung im Hinblick auf die Einführung einer sog. safe-harbour-Regelung erreicht worden. Gleichzeitig führen die vielfach detaillierteren Regelungen auch zu einer Steigerung des Verwaltungsaufwands und der Komplexität. Dies gilt insbesondere für die Neuerungen der Notwendigkeit der öffentlichen Konsultation für die 206 Rixen, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Verantwortung für Gesundheit und Pflege, S. 105, 114 spricht daher insofern auch vom vierten Altmark-Kriterium in gelockerter Form. 207 EuG, U. v. 7.11.2012, T-137/10, juris, Rn. 297 – IRIS. 208 Bungenberg, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, Rn. 162 ff.

D. Fazit

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DAWI-Definition, die Ausgleichsberechnung nach der net-avoided-cost-Methode und den notwendigen Effizienzanreizen. Im Verhältnis dazu, dass der DAWIRahmen nur bei Ausgleichszahlungen von über 15 Mio. EUR anwendbar ist (darunter fallen die Maßnahmen in den Anwendungsbereich des DAWI-Beschlusses, Art. 2 Abs. 1 lit. a) ist dies angemessen, da es bei diesen Summen auch vertretbar erscheint, fachmännischen Rat einzuholen. Allerdings mag es dennoch sein, dass diese komplexen Regelungen einen Anreiz dafür bilden, eine DAWI (ungeachtet vergaberechtlicher Anforderungen) auszuschreiben, um so die Voraussetzungen der Altmark-Rechtsprechung einzuhalten (und damit sogar die Genehmigungspflicht zu Fall zu bringen), aber gerade nicht die darüber hinausgehenden Anforderungen des DAWI-Rahmens.

D. Fazit Im aktuellen Rechtsstand des EU-Beihilfenrechts zu DAWI spiegelt sich der von der Kommission mit dem Almunia-Paket avisierte diversifizierte Ansatz deutlich wieder: Für betragsmäßig geringe DAWI-Ausgleichszahlungen greift die an geringe Voraussetzungen geknüpfte DAWI-De-minimis-VO, die schon den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV entfallen lässt, für kleine bis mittelgroße DAWI-Ausgleichszahlungen bis zu 15 Mio. EUR im Kalenderjahr sowie an Sonderbereiche wie Krankenhäuser und soziale Dienstleistungen, bei denen nach Ansicht der Kommission durch Ausgleichszahlungen nur geringe Wettbewerbsverfälschungen zu befürchten sind, ist der auf Art. 106 Abs. 2 AEUV gestützte Freistellungsbeschluss einschlägig. An dieser Stelle könnte man auch die AGVO einordnen, weil auch diese bei Einhaltung ihrer Voraussetzungen zu ihrer Freistellung führt und auch diese betragsmäßig begrenzt ist, etwa im Hinblick auf lokale Infrastrukturen auf 10 Mio. EUR, vgl. Art. 4 AGVO. Für betragsmäßig höhere Ausgleichszahlungen gilt dann der DAWI-Rahmen; hier ist auch eine Rechtfertigungsprüfung in einem Genehmigungsverfahren durchzuführen. Etwas außerhalb von dieser Reihung steht die Altmark-Tatbestandsausnahme, die unter der in den aufgeführten Dokumenten nicht enthaltenen Voraussetzung der Auswahl des Dienstleistungserbringers über eine Ausschreibung oder im Wege einer Kostenanalyse im Vergleich zu einem durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen steht (Effizienzkriterium). Dogmatisch ergibt sich daraus folgendes Prüfungsschema: Zunächst ist zu prüfen, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt ist. Dabei kann zunächst auf die DAWI-Deminimis-VO eingegangen werden und sodann auf die einzelnen Tatbestandsmerkmale des Art. 107 Abs. 1 AEUV, insbesondere auf im Zusammenhang mit DAWI häufig problematischen Merkmale der unternehmerischen Tätigkeit und der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels, schließlich auf das Vorliegen der Altmark-Tatbestandsausnahme. Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllt, könnte die AGVO geprüft werden; im Hinblick auf die DAWI-spezifischen

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Kap. 2: DAWI im EU-Beihilfenrecht

Rechtsakte empfiehlt sich die Prüfung des Freistellungsbeschlusses (engerer Anwendungsbereich) vor dem DAWI-Rahmen.209 Insgesamt ist das Ziel der Schaffung von mehr Rechtsklarheit nur zum Teil erreicht. Dies gilt zumindest, insoweit DAWI auf der Tatbestandsebene des Art. 107 Abs. 1 relevant werden. Insbesondere bei den problematischen Tatbestandsmerkmalen der unternehmerischen Tätigkeit und der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels ist aus der Rechtsprechung keine klare Grenzziehung erkennbar. Die DAWI-Mitteilung schafft hier durch eine knappe Zusammenstellung der Rechtsprechung zwar Übersicht, kann dem aber naturgemäß nicht abhelfen, da die Kommission sich nicht über die Auslegung der Unionsgerichte hinwegsetzen kann; nur bei der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels liefert die Kommissionspraxis einige hilfreiche Konkretisierungen. Im Hinblick auf einige Konzepte sorgt die Kommission jedoch eher für Verwirrung als für Klarstellung: So dehnt die Kommission den Begriff der unternehmerischen Tätigkeit noch über den Stand der Rechtsprechung hinaus aus, im Hinblick auf die Altmark-Tatbestandsausnahme verengt die Kommission deren Anwendungsbereich. So schafft sie an diesen Stellen für eine Verunklarung statt einer Klarstellung. Das Ziel der Vereinfachung wurde teilweise erreicht. So wurde für sehr kleine Ausgleichszahlungen die sehr einfach gehaltene DAWI-De-minimis-VO geschaffen, die allerdings häufig wegen der Begrenzung auf eine Ausgleichshöhe von 500.000 EUR in drei Kalenderjahren nicht häufig zur Anwendung kommen dürfte. Der Vereinfachung soll auch der neu gefasste Freistellungsbeschluss dienen, der nunmehr auch für soziale Dienstleistungen anwendbar ist, allerdings nur noch bis zu einem Ausgleichsbetrag von 15 Mio. EUR und nur noch für Flughäfen bis zu 200.000 Passagieren. Der Vereinfachung dient auch die im Freistellungsbeschluss und im DAWI-Rahmen festgeschriebene safe-harbour Regelung zur Frage des angemessenen Gewinns. Der verkleinerte Anwendungsbereich des Freistellungsbeschlusses, der zu einem erweiterten Anwendungsbereich des DAWI-Rahmens führt, der im Gegensatz zur Vorgängerbestimmung des Gemeinschaftsrahmens wesentlich detailliertere Regelungen aufweist, verwirklicht jedoch auch die konkurrierende Zielvorstellung eines diversifizierten, im Hinblick auf große, kommerzielle Dienste verstärkt wettbewerblichen Ansatzes. Betrachtet man die beihilfenrechtlichen Regelungen zur Erbringung von DAWI in abstrakter Weise, so ist zu konstatieren, dass es insoweit zu einer Fortentwicklung gekommen ist und die im Rahmen der Almunia-Reform gesetzten Zielvor209 Vgl. hierzu auch das von der Kommission vorgeschlagene Prüfschema – ohne AGVO – unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/overview/analysis_tree_en.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019).

D. Fazit

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gaben weitestgehend erreicht wurden. Eine abschließende Beurteilung ist allerdings erst möglich, wenn die Regelungen in der Rechtsanwendung untersucht wurden, wie es im Folgenden für Krankenhäuser und Flughäfen unternommen wird. Hier werden sich im Hinblick auf das Konzept der DAWI noch einige Unsicherheiten bzw. Inkonsistenzen zeigen, zudem wird problematisiert, dass der Freistellungsbeschluss im Krankenhausbereich den Zielen der Vereinfachung noch dem Wettbewerbsschutz eher weniger gerecht wird. Im Hinblick auf den Flughafenbereich ist fraglich, ob insoweit noch Raum für die Finanzierung nach den im DAWI Rahmen niedergelegten, an sich maßgeblichen DAWI-Grundsätzen verbleibt.

Kapitel 3

Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Krankenhauswesen A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe – Sachverhaltsdarstellung I. Fragestellung, Krankenhauslandschaft und -finanzierung in Deutschland Für das (deutsche) Krankenhauswesen wird diskutiert, ob bestimmte Erscheinungsformen der Finanzierung einen Verstoß gegen das Beihilferecht darstellen. Brisant ist diese Frage immer dann, wenn eine Wettbewerbssituation besteht und bestimmte Akteure Zugang zu Geldquellen haben, auf die andere keinen Zugriff haben. Die Diskussion hat dabei zwei Schwerpunkte: Zum einen geht es um die Deckung von Betriebskostendefiziten zugunsten kommunaler Krankenhäuser durch deren Träger, ein solcher Ausgleich findet zugunsten privater und freigemeinnütziger Häuser regelmäßig nicht statt. Zum anderen ist fraglich, inwiefern dieser Defizitausgleich sowie die staatliche Förderung von Investitionen insofern eine Beihilfe darstellt, wenn beides als Quersubventionierung für den Bereich der ambulanten Versorgung durch Krankenhäuser eingesetzt werden kann, während niedergelassene Ärzte für ihre ambulante Tätigkeit keine staatliche Investitionsförderung erhalten.1 1. Grundlagen der Krankenhausfinanzierung In Deutschland gilt seit 1972 das Prinzip der dualen Finanzierung von Krankenhäusern, welches die vorherige monistische Finanzierung, bei der nur Vergütungen für Pflegeleistungen gezahlt wurden, abschaffte, da dies zu hohen Defiziten geführt hatte.2 Grundgedanke des dualistischen Systems ist die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser (§ 1 KHG) durch eine dualistische Finanzierung 1 Zur Diskussion Cremer, GesR 2005, 337; Cremer, ZIAS 2008, 198; Koenig/Vorbeck, GesR 2007, 347; Koenig/Paul, EuZW 2008, 177; Koenig/Paul, EuZW 2009, 178; Koenig/Paul, EStAL 2010, 755; Knütel et al., EWS 2008, 497; Lehmann, passim; Leupold, passim; Rüdiger, passim; Vollmöller, in: Bauer (Hrsg.), S. 205 ff.; spezifisch für die ambulante Tätigkeit der Krankenhäuser Seitz, S. 272 ff.; aus der europäischen Perspektive mit Blick auf Belgien Hancher, in: Szyszczak/Van de Gronden, S. 249 ff. 2 Prütting, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 1 ff.

A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe

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(§ 4 KHG) mittels Förderung der Investitionskosten und durch die Erlöse aus Pflegesätzen. Die Pflegesätze der Krankenkassen, um die es fortan gehen soll, werden in erster Linie auf Grundlage der Krankenkassenbeiträge finanziert,3 wobei Zielvorgabe für die Krankenhauspflegesätze ist, dass die Krankenkassenbeiträge sozial tragbar sind und möglichst beitragsstabil. Die Vergütung aus den Pflegesätzen dient der Deckung der Betriebskosten. Die Investitionskosten sind aus den Pflegesätzen herausgenommen. Die Investitionskostenförderung fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer, wobei das KHG in § 8–11 bundesrechtliche Vorgaben enthält. Eine dritte Finanzierungsquelle wie die hier unter anderem diskutierten Ausgleichszahlungen der Träger für den Krankenhausbetrieb ist somit nicht vorgesehen. Die Investitionskostenförderung steht unter Haushaltsvorbehalt, ist heute in der Regel nicht mehr kostendeckend und die Mittel werden tendenziell geringer. Die Pflegesätze waren ursprünglich allgemeiner Natur, bemaßen sich nach der Länge des Krankenhausaufenthaltes und es herrschte zudem ein Kostendeckungsprinzip, so dass die Krankenhäuser weitgehend sicher sein konnten, ihre Kosten erstattet zu bekommen. Eine Kostenbegrenzung bestand also nicht und über die Zeit kam es zu erheblich steigenden Ausgaben für die stationäre Krankenhausversorgung.4 Das Finanzierungssystem steht im Zusammenhang mit der Krankenhausplanung der Länder, da gem. § 5 KHG nur die in den jeweiligen Krankenhausplan aufgenommenen Krankenhäuser Anspruch nicht nur auf Behandlung der Patienten der Krankenkassen und damit Erlösen aus Pflegesätzen haben, sondern auch auf die Investitionskostenförderung. Die Krankenhausplanung hat das Ziel, den in § 1 KHG niedergelegten Auftrag, eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern sicher zu stellen, mittels einer Bedarfs- und Versorgungsplanung. Das Verfahren, für welches in §§ 6 bis 8 des KHG bundesrechtliche Vorgaben bestehen, die in den Landeskrankenhausgesetzen weiter ausgeformt werden, läuft im Wesentlichen so ab, dass in einem ersten Abschnitt, als verwaltungsinterne Maßnahme der Krankenhausplan erstellt wird. Dabei werden die Ziele des Plans festgelegt, eine Bedarfsanalyse hinsichtlich der erforderlichen Versorgung, insbesondere der nötigen Krankenhausbetten durchgeführt, eine Aufstellung der insoweit geeigneten Krankenhäuser gemacht und entschieden, durch welche Krankenhäuser dieser Bedarf gedeckt werden soll. Rechtsschutz gegen die mit dem Plan getroffenen Entscheidungen besteht praktisch nicht. In einem zweiten Schritt werden die jeweiligen 3 Neben den Beitragsmitteln, die zunächst an den Gesundheitsfonds weitergeleitet werden und dann durch Zuweisungen des Gesundheitsfonds an die Krankenkassen verteilt werden, speisen sich die Einnahmen des Gesundheitsfonds und damit letztlich der Krankenkassen auch aus anderen Finanzmitteln, insbesondere aus dem Bundeszuschuss nach § 221 SGB V, s. dazu Rixen/Kluckert, in: Sodan (Hrsg.), Handbuch des Krankenversicherungsrechts, Rn. 5 ff., insb. Rn. 23 ff. 4 Siehe insgesamt Prütting, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 1, 14 ff.

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

geeigneten und den Bedarf nicht überschreitenden Krankenhäuser mittels Feststellungsbescheid in den Krankenhausplan aufgenommen, bei einer Konkurrenzsituation zwischen mehreren geeigneten Krankenhäusern in einem Versorgungsbereich wird eine Auswahlentscheidung getroffen, die gerichtlich auf Ermessensfehler überprüfbar ist. Dabei gehen viele Stimmen davon aus, dass es sich bei dem System um eine Angebotsplanung handelt, das das jeweilige Plankrankenhaus zur Behandlung und zur Vorhaltung bestimmter Kapazitäten berechtigt, jedoch nicht verpflichtet.5 Um als Einrichtung von beiden Finanzierungsarten profitieren zu können, muss begrifflich ein Krankenhaus vorliegen. Nach § 2 Nr. 1 KHG sind Krankenhäuser „Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistungen Krankheiten, Leiden, Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können“. Allerdings sind nicht alle Einrichtungen, die diesem Begriff unterfallen, nach dem KHG förderfähig, da § 3 (Polizeikrankenhäuser und Krankenhäuser der Renten- und Unfallversicherung) und § 5 KHG (vor allem die Gruppe der Universitätskliniken nach Nr. 1 und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen nach § 107 Abs. 2 SGB V) bestimmte Häuser davon ausnehmen. Um diese nicht dem KHG unterfallenden Häuser soll es im Folgenden nicht gehen. Der Rest bildet den Kernbestand der Krankenhäuser, der für die flächendeckende Gesundheitsversorgung gedacht ist und für den die Finanzierung nach dem KHG vorgesehen ist.6 Man unterscheidet insofern zwischen Plankrankenhäusern, Krankenhäusern, die in den Krankenhausplan des jeweiligen Bundeslandes aufgenommen wurden (§ 6 KHG) und Krankenhäusern mit gesondertem Versorgungsvertrag, die erst durch gesonderten Versorgungsvertrag die Berechtigung zur Abrechnung von Patienten der Krankenkassen erhalten.7 Im Folgenden soll es nur um Plankrankenhäuser gehen, da Krankenhäuser mit Versorgungsvertrag für die Praxis relativ unbedeutend sind und im Rahmen der beihilfenrechtlichen Prüfung immer die Aufnahme in den Krankenhausplan als Begründungsansatz herangezogen wird.8 5

Siehe insgesamt Stollmann, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Rn. 1 ff., 111 ff. Münzel/Zeiler, S. 17 f. 7 Münzel/Zeiler, S. 17 f. 8 Krankenhäuser mit Versorgungsvertrag nach § 108 Nr. 3 SGB V nehmen zwar an der Versorgung der Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung teil, erhalten gem. § 5 KHG jedoch keine Investitionskostenförderung; von 1818 im aktuellen Krankenhausverzeichnis erfassten Krankenhäusern sind 1530 Plankrankenhäuser, also nicht Universitätskliniken, Privatkliniken oder Bundeswehrkrankenhäuser und nur 92 Krankenhäuser sind solche mit gesondertem Versorgungsvertrag. Unter diesen gibt es auch einige Krankenhäuser in öffentlich-rechtlichem Eigentum, wenn auch wenige. Die Ergebnisse der hiesigen Untersuchung dürften auf etwaig durch kommunale Träger geförderte Krankenhäuser mit Versorgungsvertrag gleichwohl – erst recht – übertragen werden können. 6

A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe

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Zudem wird im Rahmen der beihilfenrechtlichen Prüfung der Rechtfertigung immer die Aufnahme in den Krankenhausplan als Rechtfertigungsgrund herangezogen. Die Aufnahme in den Krankenhausplan ist auch formale Voraussetzung der Investitionsförderung, § 8 KHG. Die Aufnahme in den Krankenhausplan gilt auch als Abschluss eines Versorgungsvertrages, § 109 Abs. 1 SGB V. Der Versorgungsvertrag nach § 108 Nr. 3 SGB V umfasst die Berechtigung wie auch die Verpflichtung zur Krankenhausbehandlung der durch die Krankenkassen versicherten Patienten und daher auch die Berechtigung zur Abrechnung der Leistungen über die Pflegesätze. Es geht also im Folgenden auch nur um Krankenhausbehandlungen für Patienten innerhalb der Sozialversicherung, nicht um Privatpatienten. Die Bedeutung der Aufnahme in den Krankenhausplan wird auch dadurch unterstrichen, dass auf den Abschluss eines Versorgungsvertrags durch Vereinbarung, der neben dem Zustandekommen des Versorgungsvertrags durch Aufnahme in den Krankenhausplan möglich ist, kein Anspruch besteht (§ 109 Abs. 2 SGB V). 2. Vielfalt der Krankenhausträger Unter den Plankrankenhäusern – wie teilweise auch bei den anderen Krankenhaustypen – herrscht eine Vielfalt der Träger. Die Träger lassen sich in die Gruppen der öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser, der freigemeinnützigen Häuser und der privaten Krankenhäuser einteilen. Dabei ist die Trägervielfalt nicht nur ein faktischer Befund, sondern in § 1 Abs. 2 KHG auch rechtlich verankert. Nach § 1 Abs. 2 KHG muss nach Maßgabe des Landesrechts insbesondere die wirtschaftliche Sicherung freigemeinnütziger und privater Krankenhäuser gewährleistet sein. Dies wirkt sich so aus, dass die Planungsbehörde bei Aufstellung des Krankenhausplans diese Trägergruppen (objektiv-rechtlich) nicht nur bei der Auswahl des Versorgers in einem gewissen Versorgungsgebiet gleichberechtigt berücksichtigen muss, sondern u. U. diesen den Vorzug einräumen muss, um insgesamt die Trägervielfalt zu gewährleisten.9 Kennzeichnend für die öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser ist die Eigentümerstellung einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts, auf die Rechtsform kommt es dagegen nicht an. Zumeist handelt es sich um eine kommunale Trägerschaft, also eine Trägerschaft von Gemeinden und Gemeindeverbänden,10 die Rechtsform ist dabei wiederum beliebig. Gebräuchlich sind Regie- und Eigenbetriebe, eine Anstalt öffentlichen Rechts oder eine privatrechtliche Rechtsform.11 Die Gruppe der privaten Häuser befindet sich, wie der Name 9

Szabados, in: Spickhoff, § 1 KHG, Rn. 15 ff. Öffentlich-rechtliche Plankrankenhäuser sind fast ausschließlich in kommunaler Trägerschaft, so dass es auch angesichts der kommunalrechtlichen Rechtfertigungsansätze um die Frage eine Defizitausgleichs zugunsten kommunaler Krankenhäuser geht, s. Kapitel 1, G. 11 Leupold, S. 34. 10

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

schon sagt, in privater Trägerschaft. Kennzeichnend ist das freie Unternehmertum und die Gewinnerzielungsabsicht dieser Trägergruppe, wobei der Gewinnerzielungsabsicht dadurch Grenzen gesetzt sind, dass Krankenhäuser nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 KHG die Voraussetzungen des § 67 Abgabenordnung (AO) erfüllen müssen, um in den Genuss der Investitionsförderung und der Abrechnungsmöglichkeit der Pflegesätze zu kommen.12 Nach § 67 AO müssen zumindest 40 Prozent der Belegungstage auf sozialversicherte und damit nicht Privatpatienten entfallen. Von den vorgestellten Trägergruppen lässt sich die freigemeinnützige Trägerschaft abgrenzen. Diese grenzt sich gegenüber den öffentlich-rechtlichen Häusern durch ihre organisatorische Unabhängigkeit vom Staat ab, gegenüber den privaten Krankenhäusern durch die fehlende Gewinnerzielungsabsicht. Die öffentliche Finanzierung wird ausschließlich für die Gesundheitsversorgung eingesetzt, es besteht daher eine Gemeinwohlorientierung. Träger dieser Gruppe sind daher gemeinnützig im Sinn der AO und profitieren von den dort vorgesehenen Steuererleichterungen. Die meisten Häuser in diesem Bereich sind kirchlich, d.h. in der Hand der katholischen Caritas und der evangelischen Diakonie. Auch die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz und der Paritätische Wohlfahrtsverband zählen zu den bekannten Trägern unter den freigemeinnützigen Trägern.13 Von den im Krankenhausverzeichnis erfassten 1.530 Plankrankenhäusern mit 425.524 Betten sind 502 öffentlich-rechtlich, mit 185.851 Betten, also ein Anteil von 33 % mit allerdings 44 % und den meisten Betten. 390 Krankenhäuser sind privat, mit 77.365 Betten, also 25 % mit 18 % der Betten. Damit bilden die freigemeinnützigen Krankenhäuser mit 638 Häusern die größte Gruppe (41 %) mit allerdings gegenüber den öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern weniger Betten, 162.308 (38 %). Bei Einführung der bundeseinheitlichen Krankenhausstatistik 1991 waren noch 46 % der Krankenhäuser in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft, während die privaten Krankenhäuser bei 14,8 % lagen, die Freigemeinnützigen bei 39,1 %.14 Es besteht daher eine Tendenz zur Privatisierung und angesichts von 1991 noch vorhandenen insgesamt 2.411 Krankenhäusern (2016 1.951 Krankenhäusern) und 665.565 Betten (2016 498.700 Betten) eine Tendenz zur Konsolidierung, wobei in jüngerer Zeit die Anzahl der Häuser geringfügig mehr zurückging als die Anzahl der Betten.15 Die Untersuchung fokussiert dabei auf den Defizitausgleich zugunsten kommunaler Krankenhäuser, da sich die allermeisten öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft befinden und nur insoweit der sog. kommu12

Wernick, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 1–3. Heinig, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 1 f. 14 Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser 2016; im Rahmen der Statistik von 1991 sind jedoch noch alle Krankenhäuser erfasst. 15 Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser 2016. 13

A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe

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nale Sicherstellungsauftrag als Argument für die Rechtfertigung dieser Praxis herangezogen werden kann.16

II. Defizitausgleich an kommunale Krankenhäuser strukturell notwendig? 1. Ausmaß des Defizitausgleichs Zur Verbreitung und zum Ausmaß des sog. Defizitausgleichs existiert immer noch keine verlässliche, detaillierte Statistik bzw. Dokumentation:17 Der Verfasser hat vielmehr den Eindruck gewonnen, dass von offizieller Seite keinerlei Interesse besteht, entsprechende Dokumentationen über Ausmaß und Verbreitung bzw. unionsrechtskonforme Handhabung des Defizitausgleichs anzufertigen bzw. zu veröffentlichen. Vorgeblich gebe es dazu keine Daten, eher geht es aber wohl darum, Nachforschungen zu erschweren, um Diskussionen oder Verfahren zur beihilfenrechtlichen Zulässigkeit des wohl als erhaltenswert erachteten status quo, mithin der Stützung und damit Existenzsicherung einzelner kommunaler Krankenhäuser oder kommunaler Krankenhäuser im Generellen nicht nachverfolgt werden.18 Freilich belegen einschlägige Presseberichte die weitgehende Verbreitung des Defizitausgleichs. Schätzungen zur Höhe des Defizitausgleichs gehen von 400 Mio. EUR19 bis 3 Mrd. EUR20 jährlich aus. Die Kommission hat von der Bundesregierung Informationen dazu eingefordert, in welcher Höhe aufgrund des Freistellungsbeschlusses an Krankenhäuser Beihilfen gewährt wurden. Für das Jahr 2013 wurden hier 873 Mio. EUR, für 2015 1,17 Mrd. EUR angegeben.21 Zu einer höheren Schätzung gelangt man, wenn man davon ausgeht, dass ein Großteil der 7 % an den Krankenhausausgaben von 89,5 Mrd. A (2015), die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung (ca. 83 %) oder der privaten Krankenversicherung (ca. 10 %) getragen werden, auf den Defizitausgleich durch Kommunen entfielen.22 16

Siehe hierzu bereits Kapitel 1, G. So auch Cremer, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 46 ff. 18 Diesen Eindruck hat der Verfasser bei einem Gespräch im Bayerischen Gesundheitsministerium am 15. Mai 2013 gewonnen. 19 Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 128. 20 Cremer, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 46 ff. 21 Siehe die von der Kommission angeforderte Mitteilung der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission vom 30.6.2014 und vom 23.6.2016, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/public_services/ (letzter Abruf am 29.4.2019), wonach für andere soziale Dienste nur Summen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich ausgegeben wurden, nur für Kinderbetreuung wurde ein höherer Betrag von über 380 Mio. EUR (2015) ausgegeben. Als Quelle weist die Bundesregierung „Angaben aus, die von deutschen Behörden gemacht wurden“. Die Formulierung legt nahe, dass die Zahlen nicht notwendigerweise auf vollständigem Datenmaterial beruhen. 22 Siehe Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 30 f. zu den Zahlen. 17

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

Die strukturelle Bedeutung des Defizitausgleichs, der angesichts der aus dieser Trägergruppe betriebenen einschlägigen Verfahren gerade den Trägern privater Krankenhäuser ein Dorn im Auge ist,23 wird daran deutlich, dass nach dem Krankenhaus Rating Report 2015 nur 4 % der dort als öffentlich-rechtlich bezeichneten Krankenhäuser Überschüsse erzielten, allerdings 80 % der freigemeinnützigen und 94 % der privaten und 2014 16,5 % der öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser stark insolvenzgefährdet waren und noch weitere 22 % insolvenzgefährdet waren gegenüber etwa 14 % insgesamt insolvenzgefährdeter Kliniken bei den anderen Krankenhaustypen. Weiter wiesen 2015 36 % der öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser ein negatives Betriebsergebnis aus, jedoch nur 20 % der freigemeinnützigen und 6 % der privaten Krankenhäuser.24 Insgesamt haben die kommunalen Krankenhäuser 2015 nach dieser Analyse ein Defizit von 450 Mio. EUR ausgewiesen, das auch bei Anpassungen in den nächsten zehn Jahren fast auf das doppelte steigen dürfte, nach Analyse der Bilanzen – Betriebskostensubventionen werden dort nicht ausgewiesen – wird dort von Betriebskostenzuschüssen für kommunale Krankenhäuser von 170 bis 400 Mio. EUR 2015 ausgegangen; dass dieser Betrag in Wahrheit weit höher ausfallen dürfte, wurde soeben ausgeführt. Bei den Defizitausgleichen handelt es sich überdies um ein westdeutsches Phänomen, da in den ostdeutschen Bundesländern die Krankenhäuser aller Trägergruppen vergleichbar abschneiden. Gerade die öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser in reichen Kommunen im Süden wiesen die höchsten Defizite aus, womöglich weil diese es sich leisten können, den Betrieb problematischer Krankenhäuser (ohne Reformen) aufrecht zu erhalten.25 2. Ursachen der Defizite kommunaler Krankenhäuser: Positionen der verschiedenen Trägergruppen Diese Situation bringt die Praxis des Defizitausgleichs unter Rechtfertigungsdruck und wirft die Frage auf, ob kommunale Krankenhäuser derartiger zusätzlicher Finanzierungen in der Sache bedürfen, etwa wegen den (rechtlichen) Besonderheiten dieser Trägerstruktur und besonderen Eigenschaften bzw. Notwendigkeiten bei den geförderten kommunalen Krankenhäusern.

23 Auch Bürgschaften, die kostenlose oder verbilligte Überlassung von Grundstücken oder Vorteile, die aus der steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit resultieren, die auch den freigemeinnützigen Krankenhäusern zu Gute kommen, kommen in Betracht, s. Leupold, S. 91 ff. Die freigemeinnützigen Trägen stören sich womöglich angesichts letzterer Vorteile oder ihrer bereits beträchtlichen Marktsituation gegenüber den expansiven privaten Krankenhäusern weniger daran. 24 Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 176; analysiert wurden aus dem Jahr 2014 506 Jahresabschlüsse, aus dem Jahr 2015 201. 25 Siehe insgesamt Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 175 ff.; so wiesen im Osten nur ca. 13,5 % der öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser ein negatives Betriebsergebnis aus.

A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe

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Recherchiert man zu dieser wohl existenziellen Frage in Publikationen der Beteiligten bzw. Kontrahenten und führt mit Vertretern Gespräche26, begibt man sich bildlich gesprochen in ein umkämpftes Gebiet der Desinformation und Manipulation mit sachlich kaum unterfütterten und daher nur schwer überprüfbaren, naturgemäß gegensätzlichen Positionen: Die kommunalen Träger führen für sich ins Felde, sich in einer rechtlichen Zwickmühle zu befinden. Kommunalrechtlich seien sie aufgrund des Sicherstellungsauftrags im Rahmen der Daseinsvorsorge zur Aufrechterhaltung einer bedarfsgerechten Versorgung verpflichtet und müssten daher den Betrieb defizitärer Krankenhäuser aufrechterhalten. Gerade wenn sich kein anderer Träger finde, müssten die Kommunen dem Sicherstellungsauftrag selbst nachkommen;27 hinter vorgehaltener Hand räumen kommunale Krankenhausmanager jedoch auch ein, dass es für die Versorgung nicht jedes Krankenhauses bedürfte und viele nur aus kommunalpolitischen Motiven am Leben erhalten würden. Dem wird von Seiten der privaten Krankenhäuser entgegen gehalten, ursächlich für die Defizite sei nicht mangelhafte öffentliche Finanzierung, da dies bei Krankenhäusern aller Trägergruppen zutreffe, sondern vielmehr unwirtschaftliche Arbeitsweise und das Bestehen von Überkapazitäten, da nicht an jedem Standort und in der Fläche jede Fachabteilung vorhanden sein müsse, sondern dagegen eine Konzentration und Spezialisierung der Behandlungsangebote vonnöten sei. Auch der Sicherstellungsauftrag spreche nicht für eine Bezuschussung kommunaler Häuser, da dieser auch durch Übertragung des öffentlichen Krankenhauses auf einen privaten Träger im Rahmen einer materiellen Privatisierung erfüllt werden könne.28 Demgegenüber führen auch kommunale Häuser für sich ins Feld, mittlerweile als wirtschaftlich geführte Unternehmen zu arbeiten.29 Aus Kreisen von kommunalen Krankenhausmanagern wurde zudem auch geäußert, dass im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit zwischen den Krankenhäusern von Trägern kein großer Unterschied bestehe, die kommunalen Häuser sich jedoch wegen der Beeinflussung durch die Kommunalpolitik weniger leicht steuern lassen. Zudem sei es oft so, dass sich private Häuser auf profitable Fachbereiche beschränken, während die kommunalen Krankenhäuser die Hauptlast der Versorgung tragen würden. Außerdem fiele es den privaten Häusern, die in

26 Im Frühjahr 2013 wurden für diese Arbeit mit Vertretern der Deutschen Krankenhausgesellschaft, des Bundesverbandes der privaten Krankenhäuser, des Bayerischen Gesundheitsministeriums sowie mit Geschäftsführern kommunaler Krankenhäuser im Rahmen eines Seminars der Hanns-Seidel-Stiftung am 17. März 2013 „Das erfolgreiche kommunale Krankenhaus“ mit Referaten des Geschäftsführers der Bayerischen Krankenhausgesellschaft BKG Siegfried Hasenbein Gespräche geführt. 27 Leupold, S. 37; zweifelnd Cremer, ZIAS 2008, 198 , S. 210. 28 Bundesverband Deutscher Privatkliniken e. V., Beihilfen helfen nicht. 29 Kramer, Kommunale Krankenhäuser sind zukunftsfähig; nach den Erfahrungen des Autors bei Gesprächen mit kommunalen Krankenhausmanagern ist dies allerdings erkauft durch Subventionen und durch wie überall zu findende Rationalisierungs- und Outsourcingmaßnahmen.

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

einem Konzernverbund zusammengeschlossen sind, unter Umständen leichter, umsatzschwächere bzw. defizitäre Einheiten mitzutragen. Weiterhin könne der Betrieb bei privaten Krankenhäusern bei Defiziten gegenüber kommunalen Krankenhäusern, die durch den Sicherstellungsauftrag verpflichtet sind, eben auch eingestellt werden, wie ein Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft äußerte; nach seinen Angaben hätten ostdeutsche Krankenhäuser nach der Wende zudem von besonderer Infrastrukturfinanzierung profitiert. 3. Die Gründe für die Defizite nicht nur kommunaler Krankenhäuser a) Ungenügende Investitionskostenförderung und Überkapazitäten als systemische Probleme Unabhängig von der Frage, welche Gründe es hat, dass gerade kommunale Krankenhäuser im Vergleich zu Krankenhäusern anderer Trägergruppen defizitär wirtschaften, lassen sich Problemlagen im Krankenhausfinanzierungssystem sowie in der Struktur des Krankenhausmarktes identifizieren, die wirtschaftliche Probleme für Krankenhäuser unabhängig von der Frage der Zugehörigkeit zu einer Trägergruppe verursachen können; dies neben den steigenden Ausgaben für den Krankenhausbereich, die aufgrund der demographischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts abzusehen sind.30 Zum einen decken die von den Bundesländern für die Investitionskostenförderung zur Verfügung gestellten Mittel den Bedarf nicht: Die in § 4 KHG erstrebte wirtschaftliche Sicherung durch Pflegesätze und eine Investitionskostenförderung, die den notwendigen Investitionsbedarf (§ 9 Abs. 5 KHG a. E.) abdecken soll, wird nicht erreicht. Denn auf die praktisch wichtige Förderung der Errichtung von Krankenhausinfrastruktur (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 KHG) besteht kein Rechtsanspruch, da gem. § 8 Abs. 2 KHG kein Rechtsanspruch auf Aufnahme in das dafür (§ 8 Abs. 1 S. 1 KHG) erforderliche Investitionsprogramm des jeweiligen Landes besteht.31 Zudem ermöglicht § 8 Abs. 1 S. 2 KHG den Ländern im Übrigen eine anteilige Förderung und neben der Vorschrift des § 8 Abs. 2 KHG stellen die Vorschriften der §§ 9 Abs. 5, 11 KHG die Investitionskostenförderung, insbesondere hinsichtlich ihrer Höhe unter den Haushaltsvorbehaltsvorbehalt des jeweiligen Landes, da sie eine Bemessung der Fördermittel durch das Landesrecht ermöglichen. In der Regel wird insoweit keine Vollfinanzierung gewährt.32

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Siehe hierzu Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 18 ff. Hierzu Prütting, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Rn. 16 und BVerfGE 83, 363, 383, welches daher nur von einer Anwartschaft auf eine künftige Förderung bei Aufnahme in den Krankenhausplan spricht. 32 Siehe insgesamt Prütting, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Rn. 20 f. 31

A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe

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So wird von einem jährlichen Investitionsbedarf von 5,4 Mrd. A ausgegangen, wenn das vorhandene Sachanlagevermögen erhalten werden soll, während etwa im Jahr 2015 nur etwa die Hälfte, 2,8 Mrd. A, von den Bundesländern an Investitionsmitteln zur Verfügung gestellt wurde.33 Die Summe der von den Ländern zur Verfügung gestellten Investitionsmittel liegt unter dem jährlichen Durchschnitt der Jahre 1991–2015 (3,15 Mrd. A). Es wird weiter davon ausgegangen, dass die Zahlungen im Jahr 2015 gegenüber denen aus dem Jahr 1991 einen realen Wertverlust von etwa 50 % widerspiegeln.34 Dabei kommen die einzelnen Länder der Investitionskostenförderung in unterschiedlichem Maße nach. So verzeichnete Baden-Württemberg im Jahr 2015 mit 5,4 % die höchste Investitionskostenquote (KHG-Fördermittel/bereinigte Krankenhauskosten), Sachsen-Anhalt mit 2,1 % die niedrigste.35 Ob sich der Umstand der Unterdeckung mit Investitionskostenförderung durch die Möglichkeit, neben der klassischen Einzelförderung (§ 9 KHG)36 durch leistungsorientierte Investitionspauschalen zu fördern, ändern wird, ist fraglich, zumal die Länder bei der bisherigen Praxis bleiben dürfen (§ 10 Abs. 1 S. 5 KHG).37 Angesichts der geschilderten Zahlen dürfte sich an der Unterdeckung durch den mit dem Krankenhausstrukturgesetz38 eingeführten Strukturfonds (§ 10 KHG), der aus Mitteln des Gesundheitsfonds 500 Mio. A für Infrastrukturmaßnahmen zur Verbesserung von Versorgungsstrukturen zur Verfügung stellt (Abbau von Überkapazitäten, Konzentration von Standorten) kaum etwas ändern.39 Zum anderen existieren in der deutschen Krankenhauslandschaft Überkapazitäten: Obwohl die Anzahl der Krankenhäuser40 und der Krankenhausbetten kon-

33 Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 18 ff.; der Investitionsbedarf dürfte demnach noch höher ausfallen, wenn man davon ausgeht, dass bereits ein Investitionsstau vorliegt. 34 Zu den beiden zuletzt genannten Daten Deutsche Krankenhausgesellschaft, Bestandsaufnahme zur Krankenhausplanung und Investitionskostenfinanzierung in den Bundesländern, S. 73. 35 Siehe die Tabelle bei Deutsche Krankenhausgesellschaft, Bestandsaufnahme zur Krankenhausplanung und Investitionskostenfinanzierung in den Bundesländern, S. 81. 36 Eine Pauschalförderung ist jedoch für kurzfristige Anlagegüter und kleiner bauliche Maßnahmen nach § 9 Abs. 3 KHG zulässig. 37 Bislang haben sich nur drei Länder für die Einführung dieses Modells entschieden, so Deutsche Krankenhausgesellschaft, Bestandsaufnahme zur Krankenhausplanung und Investitionskostenfinanzierung in den Bundesländern, S. 11. 38 G. v. 10.12.2015, BGBl. I S. 2229. 39 Die Maßnahme belegt vielmehr die schon bisher bestehende Finanzierungslücke, so Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens (Hrsg.), Medizinrecht, Rn. 154; überdies ist Voraussetzung für den Mittelabruf die Beteiligung des jeweiligen Landes mit 50 %, s. § 12 Abs. 2 Nr. 2 KHG. 40 Die zurückgehende Anzahl der Krankenhäuser lässt sich zu einem großen Teil jedoch auch durch die Fusion von Einrichtungen erklären, Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 71.

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tinuierlich zurückging, die Krankenhäuser immer produktiver werden41 und die durchschnittlichen Verweildauern, bedingt durch eine Vergütung, die pro Fall gezahlt wird, und die zunehmenden Möglichkeiten ambulanter Behandlung am Krankenhaus immer weiter auf derzeit nur knapp über sieben Tage zurückging,42 spricht man immer noch, auch von Seiten von Vertretern der Krankenhausgesellschaften von Überkapazitäten bei Krankenhäusern. Dabei geht es zum einen um die Bettenauslastung, die zwar gestiegen ist, aber derzeit bei etwa 77 % stagniert. Nimmt man angesichts notwendiger Notfallkapazitäten eine volle Auslastung bereits bei 85 % an, ergibt sich eine reale Überkapazität von etwa 8 %, die in Zukunft bei vermehrter ambulanter Krankenhaustätigkeit und zurückgehenden Belegungstagen eher zunehmen dürfte.43 Das wirkliche Problem sei jedoch, dass es zu viele Standorte gibt, gerade in manchen Regionen gebe es eine hohe Standortdichte bei kleinen Einheiten mit niedrigem Spezialisierungsgrad. Nimmt man die Krankenhausdichte der OECD-Staaten zum Maßstab oder etwa die Krankenhausdichte von Sachsen, dem Land mit der geringsten Dichte, wäre ein Anteil von 11 bis 14 % der Krankenhäuser überflüssig.44 b) System der Pflegesatzfinanzierung mittels DRG-Fallpauschalen führt systembedingt zu wirtschaftlichen Schieflagen einer Gruppe von Krankenhäusern Auch die Wirkungsweise der Vergütung der Pflegeleistungen mittels Pflegesätzen über DRG-Fallpauschalen setzt Krankenhäuser, zunächst unabhängig von ihrer Trägerschaft wirtschaftlich unter Druck und führt systemimmanent zu wirtschaftlichen Problemen einer Reihe von Krankenhäusern: Befasst man sich mit diesem im vorherigen Abschnitt bereits skizzierten System der Krankenhausfinanzierung für Pflegeleistungen etwas näher, wird deutlich, dass dieses ziemlich genau auf die dargelegten generellen strukturellen Probleme des generellen Kostenanstiegs im Gesundheitswesen und der vorgebrachten Überkapazitäten reagiert, zugleich aber dergestalt ist, dass es wirtschaftliche Probleme bei einzelnen Krankenhäusern geradezu zwangsläufig entstehen lässt. Letzteres scheint der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Krankenhausfinanzierungssystems also gewollt zu haben, um Marktaustritte bzw. Schließungen – durch die Hintertür – zu erzwingen und so die Krankenhausstruktur in gewünschtem Maß zu formen:45 41

Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 25. Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 87. 43 Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 89. 44 Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 19, 76, 89 f. Demnach existieren in Deutschland 210 Krankenhäuser pro 10 Mio. Einwohner, in Sachsen etwa 180 Krankenhäuser pro 10 Mio. Einwohner. 45 Die wirtschaftswissenschaftlichen Verfasser des Krankenhaus Rating Reports 2017 Augurzky et al. sprechen insoweit auf S. 18 ff. typisch euphemistisch von „Strukturoptimierung“ und „Marktbereinigung“. 42

A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe

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Eigentlich soll die dualistische Krankenhausfinanzierung nach dem KHG durch die Förderung von Investitionen und durch die Förderung, vielmehr Vergütung durch Pflegesätze dafür Sorge tragen, dass Krankenhäuser wirtschaftlich gesichert sind, um eine hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen, § 1 Abs. 1 KHG. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die eine Säule der Krankenhausfinanzierung, die Investitionskostenförderung durch die Bundesländer – die Pflegesätze bilden Investitionskosten nicht ab – den Investitionsbedarf nicht vollständig deckt.46 Die zweite Säule der Finanzierung bildet die Vergütung über Pflegesätze. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass pro Behandlung ein landesweiter Einheitspreis gezahlt wird, gleichzeitig jedoch das Mengenwachstum durch Budgets beschränkt ist – ein Mengenwachstum ist nur gegen Abschläge möglich. Dies unterscheidet sich erheblich von dem früheren, bis 1995 geltenden System. Hier wurden zwar ebenfalls Budgets vereinbart, Überschreitungen des Budgets des einzelnen Krankenhauses wurden jedoch ausgeglichen bzw. kamen dank großzügiger Bemessungen praktisch nicht vor. Die Vergütung erfolgte durch tagesgleiche Pflegesätze, also einer Vergütung pro Unterbringungstag; zudem wurden die Pflegesätze für jedes Krankenhaus einzeln verhandelt. Es bestand daher keine wirkliche Begrenzung des Mengenwachstums und es bestanden auch keine Anreize dazu, kostengünstig zu arbeiten.47 Ein ähnliches System mit tagesgleichen Pflegesätzen gilt noch bzw. aktuell wieder in der psychotherapeutischen Medizin,48 welche allerdings nur etwa 5 % aller Krankenhausfälle ausmacht (2015)49 und hier nicht weiter vertieft wird. Das geltende Pflegesatzrecht dient primär dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 Abs. 1 SGB V, s. § 17 Abs. 1 KHG. Es sieht nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften § 17b KHG, § 9 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) eine Vergütung nach Diagnosis Related Groups (DRG) – Fallpauschalen vor. Die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben einen DRG-Fallpauschalenkatalog entwickelt, der jährlich, unter Mitwirkung des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus weiterentwickelt wird. Jede Fallgruppe, also eine Gruppe vergleichbarer Krankenhausfälle erhält ein Relativgewicht, also einen ökonomischen, die Behandlungskosten widerspiegelnden Schweregrad, mit dem die verschiedenen Fallgruppen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Zur Erstellung und Aktualisierung

46

Kapitel 3, A. II. 3. a). Siehe hierzu Prütting, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 1 ff. und sehr instruktiv und detailliert die einschlägige Darstellung Fragen und Antworten zu DRG aus dem Jahr 2017 des Spitzenverbandes der Krankenkassen, www.gkv-spit zenverband.de/krankenversicherung/krankenhaeuser/drg_system/fragen_und_antworten_ drg/fragen_und_antworten_drg.jsp (letzter Abruf am 29.4.2019). 48 Prütting, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 98 ff. 49 Siehe die Statistik bei Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report, S. 46. 47

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

des Fallpauschalenkatalogs werden die Daten von etwa 200 Krankenhäusern gem. § 21 KHEntgG erhoben und auch die entsprechenden ökonomischen Daten bzw. Kosten zu den erfassten Fällen erhoben. Das so errechnete Relativgewicht wird im Rahmen einer vergleichenden Analyse der erfassten Fälle ermittelt. Das Relativgewicht entspricht dem durchschnittlichen Schweregrad einer Fallgruppe, was anhand der dafür notwendigen Aufwendungen ermittelt wird. Das Relativgewicht entspricht daher einer durchschnittlichen Vergütung.50 Dieses Relativgewicht wird zur Errechnung des Preises pro Fall mit dem Landesbasisfallwert51 (§ 10 KHEntgG), einer auf Landesebene zwischen den Krankenkassen und Krankenhäusern vereinbarten Rechengröße multipliziert, um so die Vergütung pro Fall zu errechnen.52 Bereits hier wird die erhebliche strukturelle und wirtschaftliche Problemlagen auslösende Wirkung des Krankenhausfinanzierungssystems deutlich: Es bestehen mit den landesweit einheitlichen Preisen erhebliche Anreize, kostensparend, etwa mit wenigen Belegungstagen zu arbeiten. Das kostensparende Arbeiten erhöht jedoch insgesamt den Kostendruck, weil Effizienzgewinne in die Weiterentwicklung bzw. Anpassung der DRG-Relativgewichte einfließen, die relative Vergütung also sinkt. Zudem bekommen zwangsläufig immer manche Krankenhäuser bzw. manche Abteilungen Probleme, mit den DRG-Vergütungen ihre Kosten zu decken, unabhängig davon, ob man sie als ineffizient arbeitend einstufen kann oder nicht: Da es sich bei den DRG-Pauschalen um eine Durchschnittsvergütung handelt, wird immer ein Teil der Krankenhäuser mit den Pauschalen nicht zurechtkommen, da die Krankenhäuser unterschiedliche Kostenstrukturen haben und wohl nie alle Krankenhäuser, schon bedingt durch unterschiedliche Löhne und das unterschiedliche Preisniveau gleiche Kostenstrukturen haben werden.53 Diese Problematik wurde verstärkt durch Begrenzung der Erlöse durch Budgets: Für jedes Krankenhaus wird gem. § 4 KHEntgG ein Erlösbudget vereinbart, das Art und Menge der allgemeinen Krankenhausleistungen festlegt. Für zusätzliche Leistungen wurde ein Mehrleistungsabschlag von 25 % gem. § 4

50 Siehe hierzu Prütting, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 50 ff. und sehr instruktiv und detaillierter die einschlägige Darstellung Fragen und Antworten zu DRG des Spitzenverbandes der Krankenkassen, www.gkv-spitzenverband.de/kran kenversicherung/krankenhaeuser/drg_system/fragen_und_antworten_drg/fragen_und_ antworten_drg.jsp, (letzter Abruf am 29.4.2019). 51 Ab 2021 gilt gem. § 10 Abs. 8 KHEntgG ein einheitlicher Bundesbasisfallwert. 52 Neben den Fallpauschalen gibt es noch Zusatzentgelte und Zuschläge in besonderen Fällen, § 7 KHEntgG; zudem kann gem. § 5 KHEntgG und § 17b Abs. 1a KHG ein Sicherstellungszuschlag, der den hier auch interessierenden Besonderheiten bei der Unterversorgung ländlicher Regionen Rechnung tragen soll, vereinbart werden. Allerdings erhöht dieser gem. § 10 Abs. 1, 3 KHEntgG die landesweite Erlössumme nicht und muss daher von den anderen Krankenhäusern mitfinanziert werden; er wurde nach Äußerungen von Vertretern der BKG aus dem Jahr 2013 auch noch nie in Anspruch genommen. 53 Auf diesen Effekt wiesen den Verfasser Krankenhausmanager in Gesprächen hin.

A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe

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Abs. 2a Satz 1 KHEntgG erhoben. Bis Ende 2016 kam es bei Mengensteigerungen zudem dazu, dass der Landesbasisfallwert, also der Faktor, der die Vergütung pro Fall für alle Krankenhäuser bestimmt, nicht in dem Maß mitstieg. Denn nach § 10 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 4 KHEntgG errechnet sich der Landesbasisfallwert aus der bisherigen Erlössumme aus Pflegesätzen im Jahr geteilt durch die Fallzahlen. Die Budgetierung wirkt dadurch, dass die Erhöhung der Erlössumme für das nächste Jahr nicht ohne weiteres zulässig ist und bei Mengensteigerungen nur die variablen Kosten neu berücksichtigt werden konnten. Bei Mengensteigerungen nahm der Landesbasisfallwert daher ab; die Krankenhäuser, die ihre Mengen steigerten, profitierten noch durch zusätzliche Einnahmen, die mit geringeren, aber noch vorhandenen Fixkostenbeiträgen einhergingen, während die Krankenhäuser, die ihre Menge konstant ließen, letztlich in der Summe geringere Vergütungen bekamen.54 Dieser Effekt sollte mit dem sog. Krankenhausstrukturgesetz55 behoben werden, um Kostenvorteile von Mehrleistungen verursachungsgerecht bei der Budgetvereinbarung des einzelnen Krankenhauses und nicht auf Landesebene zu berücksichtigen:56 So wurde mit Wirkung vom 1.1.2016 in § 4 Abs. 2b und § 10 Abs. 13 KHEntgG ein Fixkostendegressionsabschlag eingeführt, also ein pauschaler Abschlag für zusätzliche abgerechnete Leistungen auf Ebene des einzelnen Krankenhauses, der im Prinzip die Vergütung anderer Krankenhäuser unberührt lässt, da der Landesbasisfallwert bei Mengensteigerungen im DRG-Bereich nicht mehr, auch nicht um die Fixkosten gekürzt wird – § 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 KHEntgG wurde mit dem Krankenhausstrukturgesetz gestrichen.57 Mit dieser Maßnahme wird der wirtschaftliche Druck durch Mengensteigerungen auf der Ebene einzelner Krankenhäuser auf Krankenhäuser ohne derartige Steigerungen zwar praktisch beendet58, es bleibt aber der Befund, dass 54 Zu dieser „doppelten Degression“ Bayerischer Krankenhaustrend zur Jahreswende 2013, s. dazu die Pressemitteilung der bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG) http://www.bkg-online.de/presse-oeffentlichkeitsarbeit/pressemitteilungen/fast-jedeszweite-krankenhaus-in-bayern-schreibt-rote-zahlen (letzter Abruf am 29.4.2019); so auch der Vortrag des Geschäftsführers der BKG, Siegfried Hasenbein am 7.3.2013 auf dem kommunalpolitischen Aufbauseminar „Das erfolgreiche kommunale Krankenhaus“ der Hanns-Seidel-Stiftung (e. V.) in Kloster Banz; siehe auch die „Berliner Petition für eine faire Krankenhausfinanzierung“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) 2013, abrufbar auf http://www.dkgev.de/media/file/13283.2013-02-19_Berliner-Peti tion-fuer-eine-faire-Krankenhausfinanzierung.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019). 55 G. v. 10. 12. 2015 (BGBl. I S. 2229). 56 So die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/5372, S. 59 f. 57 Zur Wirkungsweise Prütting, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 80. 58 Für Leistungen, die mit DRG-Fallpauschalen vergütet werden, räumt dies auch die vor Verabschiedung des Krankenhausstrukturgesetzes geäußerte Kritik ein, s. Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V., Hintergrundpapier zum Krankenhausstrukturgesetz. Die gesetzlichen Ausnahmen vom Fixkostendegressionsabschlag gem. § 4 Abs. 2a KHEntgG, etwa für Transplantationen, wollen durch den Verzicht auf Abschläge die betroffenen Krankenhäusern in diesen Fällen gerade nicht belasten.

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unabhängig von der Frage der Budget- bzw. Mengensteuerung die Systematik der Vergütung über DRG-Fallpauschalen, die Durchschnittspreise abbilden und bei denen Effizienzsteigerungen potentiell zu niedrigeren Preisen führen, darin resultiert, dass Pflegeleistungen teilweise nicht kostendeckend erbracht werden können, was systemisch die Entwicklungen zu Schließungen von Abteilungen oder Standorten fördert.59 Hinzu kommt, dass der Fixkostendegressionsabschlag von derzeit 35 % (§ 4 Abs. 2a KHEntgG i. d. F. vom 1.1.2019) auf zusätzliche Leistungen einzelne Krankenhäuser mit Mehrleistungen wirtschaftlich stärker unter Druck setzen kann als der bisherige Mehrleistungsabschlag von 25 %.60 Ein genereller Ausgleichsmechanismus für aus den geschilderten Problematiken resultierenden Defiziten einzelner Krankenhäuser ist im Krankenhausfinanzierungsrecht gerade nicht vorgesehen; vorgesehen ist lediglich ein sog. Sicherstellungszuschlag nach § 5 Abs. 2 KHEntgG für einzelne, defizitäre Krankenhäuser für Leistungen, die aufgrund geringen Versorgungsbedarfs nicht kostendeckend finanzierbar sind, aber versorgungsnotwendig sind. Dieser Sicherstellungszuschlag spielt angesichts seiner streng gehandhabten Anwendungsvoraussetzungen in der Finanzierungspraxis bzw. auch im Hinblick auf die Finanzierung von Betriebskostendefiziten soweit ersichtlich praktisch keine Rolle,61 ebenso wenig spielt er bzw. die Tatsache, dass er praktisch soweit ersichtlich kaum zur Anwendung kommt, bislang in der beihilfenrechtlichen Diskussion eine Rolle.62

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Monopolkommission, S. 378. Insoweit weist die vor Verabschiedung am Krankenhausstrukturgesetz geäußerte Kritik, s. Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V., Hintergrundpapier zum Krankenhausstrukturgesetz, zu Recht darauf hin, dass Mengensteigerungen nicht zwangsläufig auf kommerziellen Gründen beruhen. Die dort geäußerte Kritik, die Annahme, die Unterfinanzierung der Krankenhäuser sei mit dem Krankenhausstrukturgesetz gelöst, sei realitätsfern – s. hierzu auch Prütting, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 80 – bezieht sich im Schwerpunkt darauf, dass bis zum 31.12. 2018 der Mehrleistungsabschlag von 25 % gem. § 4 Abs. 2a KHEntgG a. F. parallel zum Fixkostendegressionsabschlag erhoben wurde. Diese Problematik wurde mit der Streichung dieser Vorschrift m.W. v. 1.1.2019 durch das sog. Pflegepersonal-Stärkungsgesetz vom 11.12.2018 (BGBl. S. 2394) behoben; zugleich wurde mit § 4 Abs. 2a KHEntgG n. F. die Höhe des Fixkostendegressionsabschlag gesetzlich auf 35 % festgelegt und die Möglichkeit, die Höhe des Fixkostendegressionsabschlags auf Landesebene zu vereinbaren (§ 10 Abs. 13 KHEntgG) gestrichen. 61 Diesen Eindruck hat der Verfasser in einem Gespräch im Bayerischen Gesundheitsministerium am 15. Mai 2013 gewonnen, wonach der Sicherstellungszuschlag bislang noch nicht angewendet wurde; dies hängt möglicherweise damit zusammen, dass derartige Zuschläge gem. § 10 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 KHEntgG den Landesbasisfallwert und damit die Vergütungsbasis der anderen Krankenhäuser verringern können; aus der Rechtsprechung ist nur ein Fall ersichtlich, in dem ein Sicherstellungszuschlag gewährt wurde, für ein Inselkrankenhaus, s. VG Oldenburg, U. v. 23.10.2018, 7 A 8276, juris. 62 Dies obgleich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 KHEntgG möglicherweise eine gewisse Nähe zu Gesichtspunkten, die für die Definition einer DAWI eine Rolle spielen könnten, haben. 60

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c) Strukturelle Nachteile für zumeist in kommunaler Trägerschaft stehende Krankenhäuser, die Versorgung in der Fläche anbieten Nachdem dargelegt wurde, dass die nicht ausreichende Investitionskostenförderung, die Überkapazität im Krankenhausmarkt sowie der Kostendruck durch ein darauf reagierendes Pflegesatzrecht, das auf Fallpauschalen basiert, Gründe sind, die wirtschaftlichen Druck auf Krankenhäuser unabhängig von der Trägerschaft produzieren, bleibt die Frage offen, welche Gründe dazu führen, dass speziell kommunale Krankenhäuser im Verhältnis zu Krankenhäusern anderer Trägergruppen defizitär wirtschaften.63 Ob kommunale Krankenhäuser überproportional häufig Überkapazitäten aufweisen, auch im Übrigen häufiger, möglicherweise wegen ihrer Eigentümerstrukturen oder aus kommunalpolitischen Motiven unwirtschaftlich arbeiten bzw. aus kommunalpolitischen Motiven am Leben erhalten werden64 und Defizite darauf beruhen, kann nicht pauschal beantwortet werden, da es hier jeweils auf den Einzelfall und die Wirtschafts- und Strukturdaten des einzelnen Krankenhauses ankommt. Angesichts dessen, dass sich defizitäre kommunale Krankenhäuser überproportional häufig im Süden und Südwesten der Republik befinden, also dort wo tendenziell reichere Kommunen beheimatet sind,65 erscheint es möglich, dass Defizite kommunaler Krankenhäuser häufig damit zusammentreffen, dass man sich etwas (Kapazitäten) leistet, weil man es sich leisten kann. Dies kann man so deuten, dass die Tragung von Defiziten kommunaler Krankenhäuser mit der Vermeidung von notwendigen Anpassungen zur Optimierung von Krankenhausstrukturen zusammenhängt, zumal sich in anderen, ärmeren Regionen weniger defizitäre kommunale Krankenhäuser finden, möglicherweise also nur noch die überlebensfähigen kommunalen Krankenhäuser am Markt sind;66 damit ist jedoch noch nicht allgemein belegt, dass derartige Defizite auf Überkapazitäten beruhen. Eine Reihe von Faktoren führen jedoch dazu, dass kommunale Krankenhäuser mit dem durch das Krankenhausfinanzierungssystem aufgebauten Kostendruck strukturell größere Probleme haben als Krankenhäuser anderer Trägergruppen. Wirtschaftlich am stärksten sind spezialisierte Krankenhäuser, große Häuser und Krankenhäuser, die in einer Kette zusammen geschlossen sind. Dies leuchtet angesichts der Größenvorteile, den Vorteilen der Mitgliedschaft in einem Verbund bzw. der Renditeträchtigkeit der Konzentration auf profitable Geschäftsfelder ein.67 Kommunale Krankenhäuser sind jedoch selten spezialisiert und, anders als

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Siehe dazu bereits Kapitel 3, A. II. 1. So die Kritik, s. Kapitel 3, A. II. 2. 65 Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 183: Über 35 % defizitäre kommunale Krankenhäuser in Südhessen, Baden-Württemberg und weiten Teilen Bayerns, unter 7,5 % in den neuen Bundesländern. 66 Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 183. 67 Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 20. 64

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

private Krankenhäuser selten einer Kette zugehörig: Kommunale Krankenhäuser sind überdurchschnittlich oft Solisten, dagegen gehören 75 % der privaten Krankenhäuser zu einer der vier großen Ketten Helios, Rhön, Asklepios und Sana;68 ein Blick in das aktuelle Krankenhausverzeichnis des statistischen Bundesamtes zeigt, dass private Krankenhäuser häufig klein sind und wenige Abteilungen vorweisen, also spezialisiert sind. Krankenhäuser, die darüber hinaus Versorgung in der Fläche anbieten, haben zusätzliche strukturelle Probleme. Derartige Krankenhäuser sind häufig nicht sehr groß, halten jedoch viele verschiedene Abteilungen zur Versorgung vor und sind daher wenig spezialisiert. Man erkennt dies daran, dass die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser in den westdeutschen Flächenländern mit teilweise geringer Bevölkerungsdichte Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Niedersachsen im Verhältnis am schlechtesten ist.69 In diesen Ländern ist die Dichte der Krankenhäuser am höchsten, zudem weisen diese Länder im Verhältnis einen sehr hohen Anteil von kleinen Krankenhäusern bis 150 Betten (über 50 %) und mittleren Krankenhäusern bis 400 Betten auf.70 Kommunale Krankenhäuser sind zwar allgemein im Schnitt relativ groß, gerade die kleinen bis mittleren Krankenhäuser in den angesprochenen Flächenländern mit einer hohen Dichte an Krankenhäusern pro Einwohner, also ungünstigen Strukturmerkmalen (geringe Größe, geringer Spezialisierungsgrad) sind jedoch sehr häufig in kommunaler Trägerschaft: So ist nach dem Krankenhaus Rating Report die Quote kommunaler Krankenhäuser in diesen Ländern sehr hoch.71 Zwar wird in dieser Auswertung keine Auskunft über einzelne Fälle oder die Verteilung kommunaler Krankenhäuser in Gegenden mit besonders hoher Dichte an Krankenhäusern pro Einwohner, typischerweise dünner besiedelten Gebieten gegeben. Bei Durchsicht des aktuellen Krankenhausverzeichnisses des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2016 wird jedoch deutlich, dass die Mehrzahl der kleinen bis mittelgroßen Krankenhäuser in der Fläche in den westdeutschen Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft ist; diese Krankenhäuser verfügen – notwendigerweise – über eine Vielzahl von Krankenhausabteilungen mit kleiner Fallzahl. Es sind damit – zumindest in den angesprochenen Teilen Deutschlands – gerade häufig kommunale Krankenhäuser, die ungünstige Strukturmerkmale (geringe Größe, wenig Spezialisierung) aufweisen, da gerade sie ein (unattraktives) Geschäftsfeld, die Versorgung in der Fläche anbieten, dessen Aufrechterhaltung angesichts der Bevölkerungsstrukturen legitim erscheint. Dieser Aspekt kann daher für die folgende (beihilfenrechtliche) Diskussion eine Rolle spielen, zumal die Patientenzufriedenheit in kleinen Krankenhäusern überdurchschnittlich hoch ist.72 Dies mag 68 69 70 71 72

Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 185. Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 20. Siehe insgesamt Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 172 ff. Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 86, 192. Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 22.

A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe

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auch vor dem Hintergrund gelten, dass Betriebsdefizite bei Krankenhäusern, die Versorgung in der Fläche leisten, nicht zwangsläufig mit der Einwohnerdichte zusammenhängen,73 sondern eher mit der Krankenhausdichte, also der Anzahl der einzelnen Krankenhäuser in dem betreffenden, ggf. dünn besiedelten Gebiet; so finden sich in den neuen Bundesländern mit einer vergleichbaren Betten-, aber geringeren Krankenhausdichte wenig defizitäre (kommunale) Krankenhäuser.74 Denn es mag weitere Gründe geben, diese Strukturen aufrecht zu erhalten, wenngleich medizinisch gesehen Abteilungen mit geringen Fallzahlen kein Qualitätsmerkmal sind.75

III. Ökonomische Dimension der Investitionskostenförderung im Verhältnis zur ambulanten Versorgung durch niedergelassene Fachärzte Während sich die vorstehenden Überlegungen auf das Wettbewerbsverhältnis zwischen öffentlichen Krankenhäusern und Häusern anderer Träger beziehen, geht es nachstehend um das Wettbewerbsverhältnis zwischen Krankenhäusern und den niedergelassenen Haus- und Fachärzten. Im Bereich der Gesundheitsversorgung (durch die gesetzliche Krankenversicherung) stehen sich die Bereiche der ambulanten und der stationären Versorgung gegenüber, wobei für die ambulante Behandlung klassisch die niedergelassenen Ärzte, für die stationäre Versorgung klassisch die Krankenhäuser stehen. Man spricht auch von dem ambulanten und stationären Sektor. Gegenüber der ambulanten Gesundheitsversorgung zeichnet sich die Krankenhausbehandlung dadurch aus, dass sie die Unterbringung und Verpflegung der Patienten mit einschließt (sog. Hotelleistungen, siehe § 2 Nr. 1 KHG, § 107 Abs. 1 Nr. 4 SGB V).76 Während die Krankenhäuser sich dualistisch aus den Pflegesätzen und der Investitionskostenförderung finanzieren, erhalten die Landesverbände der kassenärztlichen Vereinigung eine Vergütung rein von den Krankenkassen (sog. EBM-Vergütung), die sie wiederum auf die Ärzte verteilen. Mit dieser Vergütung sollen auch die Investitionskosten für die Praxen abgegolten werden. Die strikte Unterscheidung zwischen dem stationären und ambulanten Sektor ist vor allem historisch zu erklären, wird jedoch heute nicht mehr in dem Maße durchgehalten.77 Das SGB V sieht eine Reihe von Ausnahmen vor, in denen die Krankenhäuser auch ambulant tätig werden können. Zu nennen sind vor allem die vor- und nachstationäre Behandlung gem. § 115a SGB V, das ambu73

Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 192. Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 86, 171 f. 75 Hierzu das immer noch aktuelle, viele leider nur verwaltete Missstände im teuren und gleichzeitig qualitativ nur mittelmäßigen und bei der Verteilung der Kapazitäten ungerechte deutsche Gesundheitssystem aufzeigende Buch von Lauterbach, S. 127. 76 Siehe zur Sektorentrennung und der Planung, dem Zugang und der Finanzierung der getrennten Sektoren Seitz, S. 49 ff. 77 Seitz, S. 77 ff. 74

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

lante Operieren im Krankenhaus gem. § 115b SGB V, die ambulante fachärztliche Versorgung nach § 116 SGB V, die ambulante Behandlung im Krankenhaus bei Unterversorgung nach § 116a SGB V, die spezialfachärztliche Behandlung gem. § 116b SGB V, die Hochschulambulanz gem. § 117 SGB V, die Psychiatrische Institutsambulanz nach § 118 SGB V und die sozialpädriatischen Zentren nach § 119 SGB V. Zum Bereich der ambulanten Versorgung durch Krankenhäuser können auch die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) nach § 95 Abs. 1a SGB V gezählt werden.78 Dabei handelt es sich um Einrichtungen, in denen mehrere Ärzte fachübergreifend in der vertragsärztlichen bzw. ambulanten Versorgung tätig sind. Dadurch soll eine möglichst integrierte Versorgung sichergestellt werden.79 Die Einrichtung muss dabei unter ärztlicher Leitung stehen (§ 95 SGB V Abs. 1 S. 2, Abs. 1a). Ein MVZ muss eine eigene Rechtspersönlichkeit in Form einer Personengesellschaft, einer eingetragenen Genossenschaft oder einer GmbH haben, als Träger kommen neben Vertragsärzten jedoch auch Krankenhäuser in Betracht, § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V. Diese ursprünglich nicht vorgesehenen Aufweichungen der Sektorentrennung sind von dem Gedanken der Verzahnung der Versorgungsbereiche getragen. Dahinter steht zum einen der Gedanke der besseren Gesundheitsversorgung des Patienten quasi aus einer Hand, zum anderen der Aspekt der Kosteneffizienz durch die Vermeidung von Doppeluntersuchungen.80 Die Krankenhäuser machen von diesen Möglichkeiten Gebrauch und stoßen verstärkt in den ambulanten Bereich vor. Angesichts des Kostendrucks, dem die Krankenhäuser ausgesetzt sind, sollen so neue Geschäftsfelder in lukrativen Bereichen erschlossen werden. Weitere wirtschaftliche Motive stellen auch eine bessere Auslastung der vorhandenen Kapazitäten und die Erzielung zusätzlicher Einweisungen in der Folge der ambulanten Tätigkeit und damit mittelbar die Stärkung des stationären Bereichs dar, was vor allem im Hinblick auf MVZs relevant ist. Letztlich geht es in vielen Fällen auch darum, Krankenhäuser durch die zusätzlichen Einrichtungen so aufzuwerten, dass sie für die medizinische Versorgung unverzichtbar sind und nicht als Ganzes eingestellt werden können. Die Konkurrenz, die dadurch zu den niedergelassenen Ärzten entsteht, wird dadurch erhellt, dass Krankenhäuser in den erwähnten Fällen jeweils ohne besondere Zulassung ambulant tätig werden können und grundsätzlich aus dem Topf der ambulanten Ärzte-Vergütung bezahlt werden.81 Damit tritt den niedergelassenen Ärzten ein neuer Wettbewerber gegenüber, der ebenfalls auf das Budget für die ambulante Gesundheitsversorgung zugreifen 78 Auswahl nach Seitz, S. 283 ff. u. 313 ff. Siehe auch Cremer, ZIAS 2008, 198, S. 224. 79 Joussen, in: Becker/Kingreen, SGB V, § 95, Rn. 9. 80 Seitz, S. 87 ff. 81 Siehe hierzu auch bereits die Ausführungen im Kapitel 1, G. III.

A. Defizitausgleich und Investitionskostenförderung als Beihilfe

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kann. Die im Bereich der ambulanten Gesundheitsversorgung tätigen Krankenhäuser können daher unter Umständen auf weitere nur Ihnen zugängliche Vorteile zugreifen, wie die bereits beschriebene Defizitfinanzierung für öffentliche Häuser. Die Möglichkeit, Betriebskostendefizite decken zu lassen, ermögliche es öffentlichen Krankenhäusern verstärkt – auch nicht gewinnbringend – im ambulanten Sektor tätig zu werden und so neue Geschäftsfelder zu erschließen. Diesen Gesichtspunkt hatte auch die bereits zitierte Beschwerde des MEDI-Verbands zur EU-Kommission zum Gegenstand. Die Kommission hat in dieser Sache auch eine Entscheidung getroffen, die jedoch nicht veröffentlicht wurde, so dass über den Inhalt spekuliert werden muss. Unter Berufung auf die Einschätzung des Deutschen Ärzteblatts, die sich auf die Aussage eines Kommissionssprechers stützt, gehen Koenig und Paul davon aus, dass die Kommission in der Sache der Rechtmäßigkeit des Defizitausgleichs nicht entschieden hat und sich lediglich dahingehend äußerte, dass zur Einhaltung des Monti-Pakets, insbesondere der Transparenzrichtlinie, zur Vermeidung von Quersubventionierungen eine getrennte Buchführung zwischen DAWI und Nicht-DAWI und damit zwischen stationären und ambulanten Tätigkeiten erforderlich sei.82 Neben der Defizitfinanzierung steht eine mögliche Besserstellung durch die Investitionsförderung für Krankenhäuser im Vordergrund der Bearbeitung. Diese kommt vor allem dadurch in Betracht, wenn gefördertes Material (Räumlichkeiten, medizinische Geräte u. a.) auch für die Zwecke der ambulanten Tätigkeit verwendet wird, wozu die Krankenhäuser natürlich ein Interesse haben und wie es nach Auskunft eines Vertreters der KHG wohl auch gängige Praxis ist – es steht damit eine Querfinanzierung des ambulanten Bereiches mit Mitteln in Rede, die lediglich für den stationären Bereich gedacht sind. Dabei hat sich die Diskussion zunächst auf die Mitnutzung von Räumlichkeiten des Krankenhauses durch ein Krankenhaus-MVZ konzentriert.83 Auch die Bundesregierung geht in einem Schreiben an die DKG, das wohl durch das MEDI-Verfahren ausgelöst wurde, lediglich auf MVZ ein. Sie fordert darin dazu auf, sämtliche vom Krankenhaus bezogenen Leistungen, insbesondere öffentlich geförderte Räume und Geräte auf Basis der Kosten in sachgerechter Höhe oder marktüblicher Entgelte in Rechnung zu stellen.84 Zu Recht ist der Fokus jedoch insoweit auch auf die 82 Koenig/Paul, EuZW 2009, 178, S. 845; in der Falldatenbank der Kommission finden sich zu dieser Beschwerde keine Daten; es gibt Hinweise, dass dieser Forderung in der Praxis Folge geleistet wird, da das Bundesgesundheitsministerium in der Folge eine derartige Trennung empfahl, s. Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppen, Krankenhausfinanzierung, Rn. 789, 792, in Bezug auf ein entsprechendes Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 28.5.2009. 83 Koenig/Paul, EuZW 2008, 177; Koenig/Paul, EuZW 2009, 178, in der Folge auch Knütel, EWS 2008, 497. 84 Bundesministerium der Gesundheit, Auswirkungen des EU-Monti-Paketes auf die Kostenzuordnung bei MVZ in Trägerschaft von Krankenhäusern, http://ec.europa.eu/ competition/consultations/2010_sgei/de_7_de.pdf (letzter Abruf 29.4.2019).

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

ambulante Gesundheitsversorgung durch das Krankenhaus selbst, also ambulante Versorgung, die nicht durch ein Krankenhaus-MVZ erbracht wird (§ 115 ff. SGB V), zu richten.85 Grundsätzlich werden die Krankenhäuser hier aus der EBMVergütung wie die niedergelassenen Ärzte finanziert. Ein Rückgriff auf mit Mitteln der Investitionskostenförderung geförderten Infrastruktur aus dem stationären Bereich führt jedoch nicht automatisch zu einer Besserstellung einer ambulanten Krankenversorgung durch Krankenhäuser. Denn in der Regel enthält die EBM-Vergütung, die an die Krankenhäuser in diesen Fällen gezahlt wird, einen – allerdings regelmäßig pauschalen – Abschlag, der den möglichen Vorteil der Krankenhäuser ausgleichen soll.86 Zudem stellen Krankenhäuser im ambulanten Bereich oftmals auch zusätzliche Leistungen kostenlos zur Verfügung, die im Rahmen einer Versorgung durch niedergelassene Ärzte gesondert abgerechnet werden können bzw. vom Patienten selbst zu tragen sind, etwa im Bereich der ambulanten Versorgung ausgegebene Medikamente aus der Krankenhausapotheke.87

B. Tatbestandsmäßigkeit I. Überblick über den Meinungsstand Im Hinblick auf den sog. Defizitausgleich zugunsten kommunaler Krankenhäuser konzentriert sich die Diskussion nach der Frage von dessen Zulässigkeit nach EU-Beihilfenrecht mittlerweile auf die Frage der Rechtfertigungsmöglichkeit nach Art. 106 Abs. 2 AEUV bzw. auf Grundlage des Freistellungsbeschlusses,88 nachdem die in jüngerer Zeit dazu ergangenen Entscheidungen die Tatbestandsmäßigkeit knapp beantwortet haben und sich im Schwerpunkt mit der Frage der Rechtfertigung befassten.89 Bei näherer Betrachtung lässt sich die Frage zur Tatbestandsmäßigkeit jedoch nicht so einfach beantworten. Das Meinungsbild lässt sich insofern wie folgt charakterisieren: Die Kommission geht im Hinblick auf den Fall der öffentlichen Brüsseler Krankenhäuser, die Mittel erhalten, die mit dem diskutierten Defizitausgleich vergleichbar sind, von einem Vorliegen des Art. 107 Abs. 1 AEUV aus.90 Gleiches gilt auch für die vorläufige Kommissionsentscheidung in der Sache Asklepios aus dem Jahr 2010 betreffend

85

Cremer, ZIAS 2008, 198; Seitz, S. 272 ff. Seitz, S. 283 ff. 87 Diesen Aspekt betonte ein Vertreter der Rechtsabteilung der Deutschen Krankenhausgesellschaft in einem Gespräch im Mai 2013. 88 Siehe hierzu Heise, EuZW 2015, 739. 89 EuG, U. v. 7.11.2012, T-137/10, juris. – IRIS; BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493. 90 Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016 [SA19864 (2014/C) (ex 2009/NN54)], Rn. 103–133. 86

B. Tatbestandsmäßigkeit

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das deutsche Krankenhaussystem.91 In der Literatur ist das Stimmungsbild gespalten, überwiegend wird ebenfalls das Vorliegen von Art. 107 Abs. 1 AEUV bejaht.92 Im Hinblick auf die Verwendung des Defizitausgleichs für ambulante Tätigkeiten eines Krankenhauses bzw. MVZ und die Verwendung von Sachmitteln, die mit der Investitionskostenförderung für stationäre Krankenhausleistungen finanziert wurden, für ambulante Tätigkeiten bzw. MVZ existieren keine aktuellen Verfahren. Von offizieller Seite wird dies jedoch als ein Verstoß gegen Art. 107 Abs. 1 AEUV eingeordnet; so schätzt die Bundesregierung die beschriebenen Phänomene als beihilfenrechtlich unzulässige Quersubventionierung ein.93 Diese Einschätzung wird in der Literatur geteilt.94

II. Die Prüfung im Einzelnen 1. Begünstigung Der Begriff der Begünstigung ist nicht an bestimmte Formen geknüpft und geht weiter als der klassische Subventionsbegriff; er umfasst jeden Vorteil, den ein privater Investor nicht gewährt hätte.95 Im Hinblick auf den Ausgleich von Defiziten ist festzuhalten, dass die Tatsache, dass Verluste übernommen werden, noch nicht per se zu dem Schluss führen muss, ein privater Investor hätte dies nicht ebenso getan.96 Findet jedoch eine anhaltende Übernahme von Betriebs91 Vorläufige Kommissionsentscheidung in der Sache CP 6/2003, Erwägungsgrund 55 ff., Schreiben der Kommission an Füßer & Kollegen Rechtsanwälte betreffend der Beschwerde wegen angeblichen Verstoßes gegen Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (CP 6/2003) vom 25.8.2010, abrufbar unter http://www.fuesser.de/fileadmin/dateien/ service/aktuelles/Subventionierung_Krankenhaeuser/00115-02__8844-0157-CP6-03DE-LEMC_-_Aid_to_Public_hospitals.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019), Erwägungsgrund 59. 92 Siehe das Ergebnis der Analyse bei Leupold, 2009, S. 346 und Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppe Krankenhausfinanzierung, Rn. 740 ff. 93 Bericht der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 8 der Entscheidung der Europäischen Kommission zur Freistellung von Diensten von allg. wirtschaftlichem Interesse (2005/842/EG vom 28.11.2005), S. 12, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/public_services/2009_2011/germany_de.pdf (letzter Abruf am 29.4. 2019). 94 Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppe Krankenhausfinanzierung, Rn. 782 ff.; Seitz, S. 324 ff. 95 Siehe Kapitel 2, B. I. 96 Vorläufige Kommissionsentscheidung in der Sache CP 6/2003, Erwägungsgrund 62 f., Schreiben der Kommission an Füßer & Kollegen Rechtsanwälte betreffend der Beschwerde wegen angeblichen Verstoßes gegen Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (CP 6/2003) vom 25.8.2010, abrufbar unter http://www.fuesser.de/fileadmin/dateien/ service/aktuelles/Subventionierung_Krankenhaeuser/00115-02__8844-0157-CP6-03DE-LEMC_-_Aid_to_Public_hospitals.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019).

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

kostendefiziten statt und sind Gewinne auch mittel- und langfristig nicht zu erwarten, so ist eine Begünstigung im Hinblick auf die Defizitfinanzierung zu bejahen.97 Im Bereich der ambulanten Tätigkeit ist eine Begünstigung dann zu erblicken, wenn gefördertes Gerät bzw. Räumlichkeiten umsonst benutzt werden können. Dies ist der Fall, wenn ein Krankenhaus-MVZ ohne Ausgleich auf die Infrastruktur des Krankenhauses zugreifen kann.98 Schwieriger ist dies zu beurteilen, wenn innerhalb der Rechtspersönlichkeit des Krankenhauses ambulant behandelt wird. Da hier nur ein pauschaler Abschlag von der EBM-Vergütung gemacht wird, um die Nachteile der niedergelassenen Ärzte, die nicht auf eine Investitionsförderung zugreifen können, auszugleichen, ist es jedoch denkbar, dass die Krankenhäuser hier im Einzelfall günstigere Bedingungen für ihre ambulante Leistungen als niedergelassene Ärzte haben.99 Eine Begünstigung liegt damit hinsichtlich der Deckung von Betriebskostendefiziten wie auch der Investitionsförderung im Hinblick auf die Mitbenutzung von Gerät und Räumlichkeiten im ambulanten Bereich, insoweit bei der Vergütung kein Investitionskostenabschlag von den Pflegesätzen für die ambulante Tätigkeit gemacht wird, vor.100 Die Frage, ob diese Maßnahmen von der Altmark-Tatbestandsausnahme profitieren und daher keine Begünstigung darstellen, wird weiter unten gesondert erörtert. 2. Unternehmen Die Begünstigung muss an ein Unternehmen erfolgen. An der Frage, was ein Unternehmen darstellt, entscheidet sich, ob das Beihilfenrecht anwendbar ist – dies gilt hier ebenso wie beim Kartellrecht (Art. 101, 102 AEUV), wo der Unternehmensbegriff die gleiche Bedeutung hat.101 Der EuGH geht, wie erwähnt von einem funktionalen Unternehmensbegriff aus, wonach jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, ein Unternehmen darstellt, unabhängig von ihrer Rechtsform und Finanzierung. Prägend ist 97 Vorläufige Kommissionsentscheidung in der Sache CP 6/2003, Erwägungsgrund 64, Schreiben der Kommission an Füßer & Kollegen Rechtsanwälte betreffend der Beschwerde wegen angeblichen Verstoßes gegen Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (CP 6/2003) vom 25.8.2010, abrufbar unter http://www.fuesser.de/fileadmin/dateien/ service/aktuelles/Subventionierung_Krankenhaeuser/00115-02__8844-0157-CP6-03DE-LEMC_-_Aid_to_Public_hospitals.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019). Zu diesem Ergebnis kommt auch Cremer, ZIAS 2008, 198, S. 231; Rüdiger, S. 203 f. 98 Dazu vor allem Koenig/Paul, EuZW 2009, 178, S. 203 f. 99 Seitz, S. 283. 100 Vgl. auch Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016 [SA19864 (2014/C) (ex 2009/NN54)], Rn. 118 f. 101 Lübbig/Martin-Ehlers, Rn. 151.

B. Tatbestandsmäßigkeit

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damit die wirtschaftliche Tätigkeit, worunter das Anbieten von Gütern oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt verstanden wird,102 auf die Gewinnerzielungsabsicht kommt es dabei jedoch gerade nicht an.103 Das Vorliegen eines Unternehmens wird zudem dann verneint, wenn dieses rein solidarisch geprägt ist.104 Bedeutung hat dies vor allem für Sozialversicherungsträger, denen es an der Unternehmenseigenschaft fehlt, wenn sie eine rein soziale Aufgabe erfüllen und rein solidarisch geprägt sind, also üblicherweise gleiche Leistung bei nach Einkommen gestaffelten Beiträgen gewähren. Weiterhin darf die Versicherung nicht auf Gewinn ausgerichtet sein und über die Höhe der Beiträge und den Leistungsumfang nicht selbst bestimmen.105 Auch für die deutschen Krankenkassen wurde diesen Grundsätzen folgend die Unternehmenseigenschaft verneint.106 Zu dem Zeitpunkt der Entscheidung hatten die Krankenkassen noch höhere Spielräume in der Beitragsfestsetzung, während derzeit eine gewisse Differenzierung im Leistungsangebot und durch Zusatzbeiträge bzw. Prämienausschüttungen möglich ist. Interessanterweise überwiegt nach dem EuGH trotz dieser wettbewerblichen Elemente das Solidaritätsprinzip, da der Spielraum bei den Beiträgen und damit die Möglichkeit zum Wettbewerb lediglich als Instrument zur Erreichung von Kosteneffizienz eingesetzt werde.107 Aus dieser Rechtsprechung kann der Grundsatz abgeleitet werden, dass die Unterscheidung zwischen Wettbewerb und Solidarität dann zugunsten letzterem ausfällt, wenn der Wettbewerb nur als Mittel zur Erreichung von Kostengünstigkeit im Gesundheitswesen eingesetzt wird und eine gewisse Intensität nicht überschreitet.108 Diesem Gedanken folgend, wurde im zitierten Fall dem AOK-Bundesverband die Unternehmenseigenschaft abgesprochen. Die Kostenträger der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen daher nicht dem EU-Beihilfenrecht. Im Gegensatz109 dazu wird in der Literatur überwiegend davon ausgegangen, dass die Leistungserbringer, die Krankenhäuser, Unternehmen darstellen: Die Krankenhäuser böten eine unternehmerische Dienstleistung, nämlich die Krankenbehandlung an. Auf die Gewinnerzielungsabsicht käme es gerade nicht an, so dass auch an gemeinnützigen Zielen orientierte Häuser (freigemeinnützige und 102 EuGH, U. v. 12.9.2000, Rs. C-180–184/98, Pavlov u. a., Slg. 2000, I-6451, 6520, Rn. 74 f.; EuGH, U. v. 11.7.2006, Rs. C-205/03 P, FENIN/Kommission, Slg. 2006, I6259, Rn. 25. 103 Lübbig/Ehlers, Rn. 151. 104 Dazu Leupold, S. 107 ff. 105 Kriterien nach EuGH, U. v. 17.2.1993, Rs. C-159–160/91, juris, – Poucet und Pistre zu französischen Krankenversicherungen. 106 EuGH, U. v. 16.3.2004, verb. Rs. C-264, 306, 355/01, AOK Bundesverband u. a., juris. 107 EuGH, U. v. 16.3.2004, verb. Rs. C-264, 306, 355/01, AOK Bundesverband u. a., juris, Rn. 51 ff. 108 Leupold, S. 110. 109 Dies stellen u. a. Koenig/Paul, EStAL 2010, 755, S. 758 heraus.

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

öffentlich-rechtliche Krankenhäuser) umfasst seien. Das Dienstleistungsangebot erfolge auch gegen Entgelt. Dass die Entgelte, zumindest im Hinblick auf die Betriebskosten, von den Sozialversicherungsträgern stammen, und nicht von den Patienten direkt, darauf komme es nicht an. Es spiele auch keine Rolle, dass es sich dabei um staatlich reglementierte Pflichtversicherungen handelt. Die Dienstleistung werde zudem auch auf einem Markt erbracht. Ausschlaggebend sei, dass die Krankenhausleistungen eben nicht nur durch staatliche Häuser erbracht werden, sondern auch durch private Häuser (hier sind damit auch die freigemeinnützigen Häuser gemeint).110 Es gibt jedoch auch Stimmen, nach denen ein Markt nicht vorliegt. Prägend dafür sei ein Wettbewerb. Ein echter Wettbewerb finde im Krankenhaussektor in Deutschland jedoch nicht statt, da es sich um einen Bereich handele, der wie kaum ein anderer staatlich reglementiert sei. Zudem könne ein Wettbewerb über den Preis, der für einen Markt prägend sei, wegen der Einheitspreise des DRGSystems für Pflegesätze nicht stattfinden.111 Dem steht jedoch entgegen, dass Krankenhäuser, auch aufgrund den Zwängen des Krankenversicherungssystems, ein Interesse daran haben, mehr Patienten zu behandeln und größere Fallzahlen zu generieren, was, wenn die absolute Anzahl an Patienten nicht steigt, zwangsläufig zu einer Wettbewerbssituation zu anderen Krankenhäusern führt.112 Die Monopolkommission hat zudem in einem Gutachten nachgewiesen, dass die Patienten eine Auswahl zwischen Krankenhäusern vornehmen, zumindest in dem Bereich der geplanten Eingriffe im Gegensatz zu den Notfallmaßnahmen. Es findet damit ein Qualitätswettbewerb zwischen den Krankenhäusern statt.113 Nach der Praxis der Kommission ist davon auszugehen, dass diese hinsichtlich der deutschen Krankenhäuser von einer Unternehmenseigenschaft ausgeht, ohne dass sie problematisiert, ob der Begriff der marktmäßigen Leistung einen echten Preiswettbewerb voraussetzt. So nahm die Kommission in der (vorläufigen) Entscheidung in der Rechtssache Asklepios die Unternehmenseigenschaft ohne weiteres an.114 Ebenso fiel die ursprüngliche Entscheidung zu den belgischen Krankenhäusern, deren Finanzierungsstruktur den deutschen Krankenhäusern ähnelt,

110 Einordnung der Gesundheitsdienste als Aktivitäten auf einem Markt Koenig/Paul, EStAL 2010, 755 , S. 757; Rüdiger, S. 200 f.; Cremer, ZIAS 2008, 198, 210–212; Lehmann, 2008, S. 105–108; Becker, NZW 2007, 167, 174. 111 Bruckenberger/Klaue/Schwintowski, S. 1 ff. 112 Siehe Leupold, S. 120 ff. 113 Monopolkommission, S. 372 ff. 114 Vorläufige Kommissionsentscheidung in der Sache CP 6/2003, Erwägungsgrund 59 u. 62 f., Schreiben der Kommission an Füßer & Kollegen Rechtsanwälte betreffend der Beschwerde wegen angeblichen Verstoßes gegen Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (CP 6/2003) vom 25.8.2010, abrufbar unter http://www.fuesser.de/fileadmin/da teien/service/aktuelles/Subventionierung_Krankenhaeuser/00115-02__8844-0157-CP603-DE-LEMC_-_Aid_to_Public_hospitals.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019).

B. Tatbestandsmäßigkeit

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aus.115 Auch das EuG ging in der Aufhebungsentscheidung der Kommissionsentscheidung zu den belgischen Krankenhäusern implizit von einer wirtschaftlichen Tätigkeit aus.116 Möglicherweise kann auch die Tatsache, dass Krankenhäuser explizit in den Anwendungsbereich der Freistellungsentscheidung bzw. des Freistellungsbeschlusses einbezogen werden, als Festlegung dafür, dass diese eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, gewertet werden. Damit ist festzuhalten, dass deutsche Krankenhäuser geradezu einhellig als Unternehmen im Sinne des Beihilfenrechts eingestuft werden. Im Gegensatz dazu wird die Unternehmenseigenschaft von Krankenhäusern in Mitgliedstaaten, in denen diese ausschließlich in staatlicher Hand sind und aus Steuermitteln finanziert werden, verneint. Obgleich der staatliche Einfluss durch die Krankenhausplanung und -finanzierung in Deutschland ebenfalls sehr groß ist, wird als der entscheidende Unterschied gesehen, dass die Erbringung von Krankenhausleistungen eben auch durch private Häuser möglich ist.117 Diese Differenzierung nimmt auch die DAWI-Mitteilung vor.118 Sie findet sich auch in der nach dem EuG-Urteil in Sachen belgische Krankenhäuser ergangenen positiven Genehmigungsentscheidung der Kommission wieder:119 Danach hindere eine rein soziale Zwecksetzung die Einordnung als wirtschaftliche Tätigkeit nicht. Krankenhäuser, die eine Vergütung für die jeweilige Gesundheitsleistung erhalten, sei es auch von einer Krankenkasse, übten im Gegensatz zu rein staatlich organisierten Gesundheitssystemen eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, da zwischen ihnen ein gewisser Wettbewerb um die Patienten bestehe. Dass die die Gesundheitsleistungen finanzierenden Körperschaften (Krankenkassen) wegen des solidarischen Prinzips, auf denen sie beruhen, selbst keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, sei unschädlich, da die Sphäre der Krankenhäuser (Leistungserbringer) davon zu trennen sei. Letztlich überzeugt die Einordnung als Unternehmen wegen des zwischen den deutschen Krankenhäusern generell herrschenden Wettbewerbs um Patienten im Ergebnis. Die Begründung dafür hat allerdings Schwächen, da hinter der Finanzierung über die Krankenkassen – der Markt für Privatpatienten ist also ausgeklammert – im Wege der Fallpauschalen, wie dargelegt, ebenfalls ein staatlich festgelegtes Budget steht und der Preis für die Leistungen ebenfalls staatlich verordnet ist. Als Begründung für die Einstufung als wirtschaftliche Tätigkeit steht zwar der Wettbewerb um Patienten zur Verfügung. Dieses Argument ermöglicht zwar eine rechtlich eindeutige Einordnung aller Krankenhäuser in Deutschland 115 Kommission, 28.10.2009, NN 54/2009 (ex CP244/2005), Finanzierung der öffentlichen Krankenhäuser des IRIS-Netzwerks in der Region Brüssel. 116 EuG, U. v. 7.11.2012, T-137/10, juris – IRIS. 117 So auch Cremer, ZIAS 2008, 198, S. 210–212. 118 Kapitel 2, B. I. 2. 119 Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016 [SA19864 (2014/C) (ex 2009/NN54)], Rn. 108 ff.

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

als Unternehmen, ist aber sehr pauschal, da nicht darauf eingegangen wird, dass sich Patienten hinsichtlich mancher Leistungen wie der Notfallversorgung oder in manchen Regionen, in denen es nur ein Krankenhaus gibt eben nicht zwischen verschiedenen Krankenhäusern entscheiden können oder wollen, der behauptete Wettbewerb also nicht überall besteht. Die pauschale Einordnung aller Krankenhäuser als Unternehmen führt beihilfenrechtlich auch zu Folgeproblemen, die sich, wie zu zeigen sein wird, auch auf der Ebene der Rechtfertigung nicht befriedigend auflösen lassen. 3. Aus staatlichen Mitteln Die Beihilfe muss nach Art. 107 Abs. 1 AEUV staatlich sein oder aus staatlichen Mitteln stammen. Die beiden Kriterien sind kumulativ zu verstehen, entscheidend ist dabei, dass es sich um öffentliche Mittel handelt, es kommt nicht darauf an, ob die Mittel aus dem Haushalt des Zentralstaats oder lokalen oder regionalen Einrichtungen stammen. Problematisch sind die Fälle der Finanzierung von Beihilfen durch staatliche Unternehmen. Insoweit ist erforderlich, dass der Staat auch tatsächlich beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen hat.120 Der Defizitausgleich und weitere kommunale Vergünstigungen werden aus staatlichen Mitteln, den Kommunalhaushalten gewährt, die Investitionsförderung aus Landesmitteln. Das Kriterium ist damit in beiderlei Hinsicht erfüllt.121 4. Bestimmtheit Die Voraussetzung der Bestimmtheit beinhaltet ein Diskriminierungsverbot.122 Der Defizitausgleich ist als bestimmt einzuordnen, weil die zuwendende Kommune damit ein einzelnes Krankenhaus aus der Masse aller Krankenhäuser herausgreift.123 Im Bereich der Investitionsförderung, die im ambulanten Bereich mitverwendet wird, sind zunächst alle Krankenhäuser mit einbezogen, was zu120

Zum Ganzen Lübbig/Martin-Ehlers, Rn. 197 ff. und bereits Kapitel 2, B. II. Statt aller Cremer, ZIAS 2008, 198, 225, 230. Für den Defizitausgleich auch Vorläufige Kommissionsentscheidung in der Sache CP 6/2003, Erwägungsgrund 56 f., Schreiben der Kommission an Füßer & Kollegen Rechtsanwälte betreffend der Beschwerde wegen angeblichen Verstoßes gegen Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (CP 6/2003) vom 25.8.2010, abrufbar unter http://www.fuesser.de/fileadmin/dateien/ service/aktuelles/Subventionierung_Krankenhaeuser/ 00115-02__8844-0157-CP6-03DE-LEMC_-_Aid_to_Public_hospitals.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019). 122 Siehe zu diesem Kriterium Kapitel 2, B. IV. 123 Vorläufige Kommissionsentscheidung in der Sache CP 6/2003, Erwägungsgrund 65 f., Schreiben der Kommission an Füßer & Kollegen Rechtsanwälte betreffend der Beschwerde wegen angeblichen Verstoßes gegen Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (CP 6/2003) vom 25.8.2010, abrufbar unter http://www.fuesser.de/fileadmin/dateien/ service/aktuelles/Subventionierung_Krankenhaeuser/ 00115-02__8844-0157-CP6-03DE-LEMC_-_Aid_to_Public_hospitals.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019); Cremer, ZIAS 2008, 198, S. 231. 121

B. Tatbestandsmäßigkeit

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nächst für eine allgemeine Maßnahme spricht. Allerdings ist hier auf das Verhältnis zwischen Krankenhäusern im Rahmen ihrer ambulanten Tätigkeit und niedergelassenen Ärzten abzustellen. Wenn man hier davon ausgeht, dass die Vorteile, die Krankenhäuser aufgrund der Investitionsförderung dabei genießen, nicht durch Vergütungsabschläge ausgeglichen werden, stellt die Mitbenutzung des für den stationären Bereich geförderten Geräts und der Räumlichkeiten im ambulanten Bereich eine Diskriminierung dar, so dass auch hier das Merkmal der Bestimmtheit zu bejahen ist.124 5. Wettbewerbsverfälschung Im Bereich der Wettbewerbsstörung ist eine quantitative Ermittlung der Verbesserung der Wettbewerbsstellung des Beihilfeempfängers gerade nicht notwendig, ausreichend ist bereits die qualitative Besserstellung des Empfängers gegenüber einem Unternehmen im selben Markt.125 Dies ist im Hinblick auf die Ausgleichung von Defiziten daher unproblematisch zu bejahen, da dem empfangenden Unternehmen ein Vorteil zukommt, den Wettbewerber nicht haben und der beispielsweise zur Ausweitung oder Aufrechterhaltung des Angebots verwendet werden kann.126 Sehr fraglich ist, ob auch quantitativ eine Wettbewerbsstörung feststellbar wäre. Es müsste etwa überprüft werden, ob das einzelne Krankenhaus im sicheren Bewusstsein, dass die Verluste ausgeglichen werden, ein erweitertes Angebot anbietet um damit Patientenströme zu sich umzulenken. Weiterhin handelt es sich bei den Ausgleichszahlungen zwar oftmals um Millionenbeträge, aber ob diese im Hinblick auf das Gesamtbudget des Klinikums ins Gewicht fallen, ist ebenfalls fraglich.127 Selbst wenn dies der Fall ist, ist noch nicht gesagt, dass sich dies tatsächlich so auswirkt, dass andere Krankenhäuser ohne Defizitausgleich weniger Patienten haben.128 Wenn man trotz dieser Bedenken beim Konzept der qualitativen Besserstellung bleibt, überzeugt es dennoch nicht, pauschal für jedes begünstigte Krankenhaus auch eine Besserstellung im Wettbewerb anzunehmen, wie es die Kommission in der Sache Asklepios vor-

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Seitz, S. 40. Siehe dazu bereits Kapitel 2, B. V. 126 Vorläufige Kommissionsentscheidung in der Sache CP 6/2003, Erwägungsgrund 62 f.; Schreiben der Kommission an Füßer & Kollegen Rechtsanwälte betreffend der Beschwerde wegen angeblichen Verstoßes gegen Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (CP 6/2003) vom 25.8.2010, abrufbar unter http://www.fuesser.de/fileadmin/dateien/ service/aktuelles/Subventionierung_Krankenhaeuser/ 00115-02__8844-0157-CP6-03DE-LEMC_-_Aid_to_Public_hospitals.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019), Erwägungsgrund 69; Lehmann, 2008, S. 121 ff.; Leupold, S. 325; Rüdiger, S. 205; s. auch Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016 [SA19864 (2014/C) (ex 2009/NN54)], Rn. 132. 127 Auf diesen Aspekt wies ein Vertreter der Rechtsabteilung der Deutschen Krankenhausgesellschaft in einem Gespräch im Mai 2013 hin. 128 Zum Ganzen Bruckenberger/Klaue/Schwintowski, S. 1 ff., S. 185 ff. 125

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

nimmt.129 Denn dies setzt voraus, dass sich das begünstigte Krankenhaus auf einem gemeinsamen Markt mit anderen Krankenhäusern befindet. Dies kann jedoch nur im Einzelfall geprüft werden und muss ausscheiden, wenn innerhalb des Einzugsgebiets des Krankenhauses kein anderes Krankenhaus existiert bzw. keine Überschneidung von Einzugsgebieten vorliegt. Hierfür können Erwägungen aus der kartellrechtlichen Fusionskontrolle herangezogen werden: Nach einem Grundsatzbeschluss des BGH aus dem Jahr 2008 stellen Krankenhäuser im fusionskontrollrechtlichen Sinne Unternehmen dar.130 Das Bundeskartellamt hat in der Folge folgende Grundsätze für eine Marktabgrenzung entwickelt: In sachlicher Hinsicht stellen akutstationäre Krankenhausleistungen einen sachlichen Markt dar.131 In räumlicher Hinsicht ist der Markt jedoch gebietsspezifisch abzugrenzen. Der räumliche Markt für Krankenhausleistungen deckt jeweils im Regelfall nur ein bestimmtes, räumlich begrenztes Gebiet ab, da Krankenhausleistungen typischerweise wohnortnah nachgefragt werden. Denn so bestehen kurze Anfahrtswege, Besuche sind kostengünstig möglich, und es bestehen typischerweise gewisse Kenntnisse über die angebotene medizinische Qualität. Eine überregionale Marktabgrenzung ist nur dort vorzunehmen, wo Patienten, etwa wegen einem besonders attraktiven Klinikangebot nachweislich in nennenswertem Umfang zur Behandlung in ein anderes Gebiet einpendeln oder auspendeln. Krankenhäuser müssen sich also im selben Einzugsgebiet befinden, um in einer Wettbewerbssituation zu stehen, also als austauschbare Behandlungsalternative angesehen werden können.132 Es ist nicht einzusehen, warum für das EU-Beihilfenrecht eine andere Marktabgrenzung gelten sollte. Für das Verhältnis von Krankenhäusern, soweit sie ambulant tätig werden, und niedergelassenen Ärzten können folgende Überlegungen angestellt werden: Diese befinden sich zusammen mit den Krankenhäusern, sofern diese ambulant tätig werden, auf demselben Markt für ambulante Gesundheitsleistungen. Stellt man hier auf die Möglichkeit der Mitbenutzung der für den stationären Bereich geförderten Geräte und Räume ab, ohne dass dafür ein Abschlag von der Vergütung einbehalten wird, der diesem Vorteil entspricht sowie die Verwendung von weiteren Mitteln, etwa aus dem Defizitausgleich für ambulante Tätigkeiten am Krankenhaus, so lässt sich auch hier relativ leicht eine qualitative Verbesserung der 129 Vorläufige Kommissionsentscheidung in der Sache CP 6/2003, Erwägungsgrund 69, Schreiben der Kommission an Füßer & Kollegen Rechtsanwälte betreffend der Beschwerde wegen angeblichen Verstoßes gegen Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (CP 6/2003) vom 25.8.2010, abrufbar unter http://www.fuesser.de/fileadmin/dateien/ service/aktuelles/Subventionierung_Krankenhaeuser/ 00115-02__8844-0157-CP6-03DE-LEMC_-_Aid_to_Public_hospitals.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019). 130 BGH, Beschluss vom 16.1.2008 – KVR 26/07, NZS 2008, 653. 131 BKartA, Beschluss vom 12.03.2013 – B 3 – 86101 – Fa – 132/12, Rn. 53 = BeckRS 2016, 14183. 132 BKartA, Beschluss vom 12.03.2013 – B 3 – 86101 – Fa – 132/12, Rn. 57 ff. = BeckRS 2016, 14183.

B. Tatbestandsmäßigkeit

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Wettbewerbsposition der Krankenhäuser bejahen. Damit läge nach den Rechtsgrundsätzen des EuGH eine Wettbewerbsverfälschung vor.133 Würde man hingegen eine quantitative Verbesserung der Wettbewerbsposition verlangen, so ist fraglich, ob jeweils eine Patientenabwanderung zu befürchten wäre. In räumlicher Hinsicht wird ebenfalls nur von einer Wettbewerbssituation auszugehen sein, wenn die Leistungserbringer im selben Einzugsgebiet sind. Als Zwischenfazit ist daher zu ziehen, dass nach dem hergebrachten Verständnis eine Wettbewerbsstörung bejaht werden kann, dass der gebräuchliche Definitionsansatz jedoch sehr undifferenziert ist und unter Umständen zu einer Bejahung der Tatbestandsmäßigkeit führen kann, wo das Ziel des EU-Beihilferechts, der unverfälschte Wettbewerbs möglicherweise gar nicht gefährdet ist; die Problematik wird hinsichtlich dieser Fälle auf den falschen Standort, die Rechtfertigungsebene verlegt. 6. Handelsbeeinträchtigung a) Hergebrachte Grundsätze Wie in anderen Bereichen des unionsrechtlichen Primärrechts muss ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegen, damit das unionsrechtliche Beihilfenrecht zur Anwendung kommt. Dazu müssen die Auswirkungen der Wettbewerbsverfälschung die Grenzen des einzelnen Mitgliedstaats überschreiten. Eine Untergrenze, ab der wegen des geringen Umfangs einer Maßnahme eine Handelsbeeinträchtigung nicht vorliegt, existiert nicht, wenngleich die Kommission bei Unterschreiten der Schwelle der De-minimis-Verordnung nicht von einer Handelsbeeinträchtigung ausgeht. Nur für rein lokale Tätigkeiten kann eine Handelsbeeinträchtigung ausscheiden.134 Für den Bereich der Krankenhäuser lautet demnach die Frage, ob deutsche Krankenhäuser durch die Begünstigung durch den Defizitausgleich bzw. im Hinblick auf die Investitionskostenförderung gegenüber Konkurrenten in anderen Mitgliedsländern gestärkt werden, d.h. in die Lage versetzt werden, Patienten aus anderen Ländern anzuziehen oder Investitionshemmnisse zu errichten. An die Verwirklichung dieses Merkmals werden generell sehr niedrige Anforderungen gestellt und es wird von einer Indizwirkung der Wettbewerbsverfälschung ausgegangen. Nimmt man diesen Maßstab zugrunde, wird man vorliegend auch eine Handelsbeeinträchtigung bejahen können. So äußert sich auch die Kommission in der vorläufigen Entscheidung in der Rechtssache Asklepios im Hinblick auf den Defizitausgleich.135 Dieser traditio133 Cremer, ZIAS 2008, 198, S. 226 f.; Koenig/Paul, EuZW 2008, 177, S. 261; Rüdiger, S. 205 f. 134 Siehe hierzu bereits Kapitel 2, B. V. 135 Lapidar Vorläufige Kommissionsentscheidung in der Sache CP 6/2003, Erwägungsgrund 70 f., Schreiben der Kommission an Füßer & Kollegen Rechtsanwälte betreffend der Beschwerde wegen angeblichen Verstoßes gegen Bestimmungen des Wett-

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

nelle Ansatz wird trotz der zunehmenden Patientenmobilität 136 innerhalb der EU, die für einen Handelsbeeinträchtigung spricht, auch kritisiert, da sie zu wenig auf die tatsächlichen Umstände eingehe.137 Würde man die im Rahmen der Wettbewerbsverfälschung angesprochene Marktabgrenzung zugrunde legen, so hätten viele Krankenhäuser einen lokalen oder regionalen Einzugsbereich; befinden sich solche Krankenhäuser nicht im Grenzbereich, so hätten Förderungen insoweit keine tatsächlichen Auswirkungen auf den Handelsverkehr.138 b) Neuere Praxis der Kommission Wie in Kapitel 2, B. V. dargestellt, bietet die DAWI-Mitteilung keine klaren Richtlinien zur Frage, wann eine Handelsbeeinträchtigung wegen des lokalen Charakters der Maßnahme nach Aussage der Kommission auszuschließen ist, allerdings hat die Kommission am 29. April 2015 sieben Entscheidungen getroffen, die eine Orientierungshilfe bieten sollen, wann eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels ausscheidet: Die betreffende Dienstleistung darf zum einen nur in einem geographisch begrenzten Gebiet angeboten werden und daher wahrscheinlich keine Patienten aus anderen Mitgliedstaaten anziehen, zum anderen dürften die Stützungsmaßnahmen keine bzw. höchstens marginale Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen in dem Sektor haben.139 Weiter ins Detail geht auch die neue Bekanntmachung der Kommission zum Beihilfenbegriff nicht und drückt diese Grundsätze in den Worten aus, dass eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels nicht vorliege, wenn nur medizinische Leistungen für die örtliche Bevölkerung erbracht werden, die kaum für Kunden oder Investitionen aus anderen Mitgliedstaaten von Interesse sein dürften.140 Diese Grundsätze wendete die Kommission auch in der neuesten Entscheidung in der Sache der öffentlichen Krankenhäuser in Brüssel an. Die Kommission legt in ihrer Prüfung der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen bewerbsrechts (CP 6/2003) vom 25.8.2010, abrufbar unter http://www.fuesser.de/file admin/dateien/service/aktuelles/Subventionierung_Krankenhaeuser/00115-02__88440157-CP6-03-DE-LEMC_-_Aid_to_Public_hospitals.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019); im Ergebnis auch Cremer, ZIAS 2008, 198, 226 ff. 136 Dazu auch Rüdiger, S. 206 f. 137 Umfassend Leupold, S. 340 ff. 138 Leupold, S. 340 ff.; die Autorin nimmt im Ergebnis dennoch eine Handelsbeeinträchtigung an, da es ja eben nach dem EuGH nicht auf den regionalen oder örtlich begrenzten Charakter einer Maßnahme ankomme und die hier untersuchten Fälle in ihrer Dimension schwerer einzustufen sind als die untersuchten lokalen Fälle aus der Kommissionspraxis, in denen die Kommission eine Handelsbeeinträchtigung verneinte. 139 Kommission, Pressemitteilung vom 29.4.2015, http://europa.eu/rapid/press-re lease_IP-15-4889_de.htm (zuletzt abgerufen am 29.4.2019). 140 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU v. 19.7.2016, C 262/1, Ziffer 197.

B. Tatbestandsmäßigkeit

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Handels zunächst dar, dass sie nach der Rechtsprechung zwar nicht zu einer quantitativen Analyse verpflichtet ist, jedoch eine rein hypothetische Handelsbeeinträchtigung nicht genügen lässt. Im Fall wurde eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels angenommen, da die geförderten Krankenhäuser in Brüssel über einen Einzugsbereich verfügen, der andere Mitgliedstaaten mit einschließe. Zwar liegen sie nicht in unmittelbarer Grenznähe, jedoch sind andere Mitgliedstaaten von Brüssel aus zügig erreichbar, die Krankenhäuser verfügen wegen ihrer Spezialisierung über eine internationale Reputation und die Krankenhäuser werden von der Vielzahl der in Brüssel lebenden EU-Bürger benutzt.141 Im Gegensatz dazu wurde etwa in der Entscheidung im Fall der tschechischen Krankenhäuser, bei der es um als so bezeichnete DAWI-Ausgleichsleistungen auf Grundlage eines Betrauungsaktes ging – schwerpunktmäßig für Notfalldienstleistungen – eine Handelsbeeinträchtigung verneint.142 Gleiches galt für die Verlustübernahme zugunsten einer (kleinen) Reha-Klinik in Deutschland;143 aktuelle Fallpraxis zu deutschen Akutkrankenhäusern besteht nicht. In beiden Fällen, denen jeweils eine Beschwerde von Konkurrenten an die Kommission zugrunde lag, wurde die Handelsbeeinträchtigung aufgrund der Merkmale der begrenzten geografischen Wirkung der Maßnahmen und der höchstens geringen Auswirkungen auf grenzüberschreitende Investitionen geprüft und jeweils verneint. Denn in beiden Fällen waren nachweislich keine Patienten aus dem EU-Ausland (Reha-Klinik) bzw. nur in einstelliger Zahl in einem mehrjährigen Zeitraum zu verzeichnen (tschechische Krankenhäuser) und die Krankenhäuser verfügten nicht über ein spezialisiertes Angebot sondern Standardleistungen, die typischerweise wohnortnah nachgefragt werden.144 Da Patienten zudem bei Notfalldienstleistungen keine Auswahlentscheidung hinsichtlich eines Krankenhauses treffen, wurde eine Handelsbeeinträchtigung insoweit gänzlich ausgeschlossen.145 Eine Beeinträchtigung grenzüberschreitender Investitionen wurde ebenfalls verneint, da insoweit keine Hinweise auf grenzüberschreitende Investitionen bekannt waren bzw. genug andere Investitionsobjekte zur Verfügung standen; in der Region der geförderten Reha-Klinik gibt es über 20 andere Reha-Kliniken.146 141 Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016, SA 19864 – 2014/C (ex 2009/NN54), Rn. 133 ff. – IRIS. 142 Kommission, Entscheidung vom 29.4.2015, SA 37432 (2015/NN) – tschechische Krankenhäuser. 143 Kommission, Entscheidung vom 29.4.2015, SA 38035 (2015/NN) – Landgrafen Reha-Klinik. 144 Kommission, Entscheidung vom 29.4.2015, SA 37432 (2015/NN), Rn. 11 ff. – tschechische Krankenhäuser; Kommission, Entscheidung vom 29.4.2015, SA 38035 (2015/NN), Rn. 9 ff. – Landgrafen Reha-Klinik. 145 Kommission, Entscheidung vom 29.4.2015, SA 37432 (2015/NN), Rn. 19 – tschechische Krankenhäuser. 146 Kommission, Entscheidung vom 29.4.2015, SA 37432 (2015/NN), Rn. 23 – tschechische Krankenhäuser; Kommission, Entscheidung vom 29.4.2015, SA 38035 (2015/NN), Rn. 15 – Landgrafen Reha-Klinik.

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

c) Auch nach neuerer Kommissionspraxis löst die Förderung von Krankenhäusern, womöglich auch von Krankenhäusern mit lokalem Einzugsgebiet weiter Beeinträchtigungen des zwischenstaatlichen Handels aus Mit dieser neuen Entscheidungspraxis hat die Kommission Veränderungen im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels angestoßen, die sich auf die Prüfung des Defizitausgleichs bzw. der Investitionskostenförderung bei bzw. für Krankenhäuser auswirken. Ob dies mit der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Altmark in Einklang zu bringen ist, wonach der örtliche oder lokale Charakter einer Maßnahme eine Handelsbeeinträchtigung nicht ausschließt, ist zweifelhaft. Zwar geht die Kommission auf diese Rechtsprechung insofern ein, als sie eine begrenzte geographische Ausrichtung der geprüften Wirtschaftstätigkeit nicht genügen lässt, sondern eben auch zusätzlich fordert, dass wahrscheinlich keine Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen bestehen; dafür wollte auch der EuGH in der Altmark-Entscheidung Sorge tragen. Der EuGH bejahte dann aber eine Handelsbeeinträchtigung ohne eine tatsächliche Beeinträchtigung von Investitionen aus dem EU-Ausland festzustellen und obwohl die geprüften Maßnahmen an Dienstleistungen erfolgten, die einen wohl ähnlichen lokalen Bezug aufweisen, wie er in den jüngsten Fällen vorliegt, in denen die Kommission eine Handelsbeeinträchtigung verneint hat.147 Die soeben erörterte Frage ist möglicherweise unproblematischer als es scheint, weil der EuGH in einer anderen Konstellation urteilte, einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV, wo es um die abstrakte Auslegung des Unionsrechts geht, wenngleich vor dem Hintergrund eines konkreten Falles, nicht um die Überprüfung einer Kommissionsentscheidung. Es erscheint durchaus vorstellbar, dass der EuGH in letzterer Konstellation die aktuelle Auslegung der Kommission billigen würde, als sinnvoller Abgrenzungsmaßstab für die Unterscheidung zwischen Fällen mit und ohne unionsweiter Bedeutung. Falls es wegen einer DAWI-Ausgleichszahlung nur zu einem Kommissionsverfahren und nicht zu einem Gerichtsverfahren kommt, können sich die Rechtsanwender ohnehin auf die von der Kommission in ihrer Entscheidungspraxis entwickelten Grundsätze verlassen.148 Was heißt dies aber nun für den Defizitausgleich an Krankenhäuser bzw. die Investitionskostenförderung? Die neuere Praxis der Kommission hat hier in der 147 Siehe zur Vereinbarkeit der Kommissionspraxis mit der Rechtsprechung des EuGH bereits die Ausführungen bei Kapitel 2, B. V. mit weiteren Nachweisen. 148 Da die Kommission mit den sieben Entscheidungen vom 29.4.2015 bewusst eine Orientierungshilfe zur Auslegung des Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels schaffen wollte, tritt hinsichtlich der Grundsätze dieser Entscheidungen eine Selbstbindung ein, s. Herrmann, KommJur 2016, 201, 204.

B. Tatbestandsmäßigkeit

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Tat für einen Wandel gesorgt, weil sie anerkennt, dass die Förderung von Krankenhäusern mangels Handelsbeeinträchtigung aus dem Tatbestand von Art. 107 Abs. 1 AEUV fallen könnte. Bei Lichte betrachtet, bringt dies bisher jedoch nur für einen kleinen Teil der Fälle einen Gewinn. Bislang hat die Kommission nur glasklare Fälle entschieden, nämlich spezialisierte Krankenhäuser in einer Metropole mit einem hohen Bevölkerungsanteil von EU-Bürgern (Brüssel) und Krankenhäuser der Grundversorgung in entlegeneren Regionen (Tschechische Republik), in die sich in einigen Jahre höchstens eine Hand voll Patienten aus dem EU-Ausland verirrte bzw. Reha-Kliniken in Deutschland ohne jeglichen ausländischen Patienten. Wie es sich etwa bei mittelgroßen Krankenhäusern in mittelgroßen Städten mit normaler Spezialisierung verhält – oder auch normalen Akutkrankenhäusern in Deutschland – ist unklar, eher wird man hier aufgrund der extensiven Auslegung von einer Handelsbeeinträchtigung ausgehen müssen.149 Es empfiehlt sich daher, in derartigen Fällen Förderungen auf den Freistellungsbeschluss zu stützen; angesichts der nicht hinreichend klaren Kriterien für die Bejahung einer rein lokalen Tätigkeit und der Zweifel im Hinblick auf die Vereinbarung mit der Rechtsprechung des EuGH scheint dies auch bei Allgemeinkrankenhäusern in der „Provinz“ ratsam.150 Dies erscheint auch im Hinblick auf die der aktuellen, auf den Aspekt der möglicherweise fehlenden Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels hinweisenden BGH-Entscheidung151 zum Thema „Defizitausgleich“ folgenden Berufungsentscheidung, in welcher eine Handelsbeeinträchtigung bei einer Förderung der Kreiskliniken Calw im Hinblick auf sehr geringe Patientenzahlen aus dem Ausland und die geringe Attraktivität des Leistungsangebots verneint wurde,152 ratsam. Denn die weiteren Ausführungen, Hemmnisse auf grenzüberschreitende Investitionen bestünden wegen einer Vielzahl weiterer Krankenhäuser in der Region nicht, überzeugen nicht. Wenn der Blick von dem in Rede stehenden Krankenhaus auf weitere Krankenhäuser gelenkt wird, dann hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass der gerade im Süden Deutschlands flächendeckend praktizierte Defizitausgleich insgesamt bzw. auch für bestimmte Regionen potentiell die Wettbewerbssituation für Krankenhäuser ohne diese Finanzierungsquelle verschlechtert bzw. Investitionen für derartige Krankenhäuser bzw. in einem derartigen Markt weniger attraktiv macht.153 149

Auf diese Rechtsunsicherheiten weist auch Herrmann, KommJur 2016, 201 hin. Nach Soltész/Pflock, EuZW 2017, 207 wären der Kommission zwar rechtssichere und handhabbare Kriterien für die Bejahung einer rein lokalen Maßnahme bei Gesundheitsdienstleistungen gelungen; auf die Unschärfen hinsichtlich der Prüfung der Hemmung grenzüberschreitender Investitionen und die Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EuGH wird zwar hingewiesen, dies jedoch nicht in genügendem Maße für Gesundheitsdienstleistungen problematisiert. 151 BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493, Rn. 96 ff. 152 OLG Stuttgart, U. v. 23.3.2017, 2 U 11/14, juris, Rn. 77 ff. 153 Cremer, ZWeR 2018, 185, 205. 150

150

Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

Eine Handelsbeeinträchtigung kann nach Art. 2 Abs. 1 der DAWI-De-minimisVO dann ausgeschlossen werden, wenn die Ausgleichszahlung bzw. der Wert der Vorteile durch die Inanspruchnahme von Sachmitteln, die mit der Investitionskostenförderung gefördert wurden, den Betrag von 500.000 EUR in drei Kalenderjahren nicht überschreitet. 7. Altmark-Kriterien Die beschriebenen Maßnahmen des Defizitausgleichs und der Investitionsförderung könnten von der Tatbestandsausnahme im Sinne der Altmark-Rechtsprechung profitieren. Übereinstimmend wird jedoch davon ausgegangen, dass dies nicht der Fall ist, da die begünstigten Krankenhäuser im Rahmen eines Defizitausgleichs weder im Wege eines Vergabeverfahrens noch im Wege eines Effizienzvergleichs ausgewählt wurden; letzterer kann bei einem defizitär wirtschaftenden Betrieb wohl kaum gelingen, solange die Mehrzahl der Krankenhäuser kostendeckend arbeitet. Die vierte Altmark-Voraussetzung ist somit nicht eingehalten.154 Gleiches gilt auch für Mittel aus der Investitionskostenförderung, die in die ambulante Tätigkeit fließen. Ein Vergabeverfahren bzw. ein Kostenvergleich findet insoweit nicht statt.155

III. Fazit Auf Grundlage der Rechtsprechung, der Kommissionspraxis und den überwiegenden Stimmen in der Literatur können der sog. Defizitausgleich sowie die Verwendung von mit der sog. Investitionsförderung geförderten Sachmitteln im ambulanten Bereich als eine Beihilfe nach Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden. Eine Ausnahme gilt nach der neueren Kommissionspraxis seit dem 29. April 2015 nur für Krankenhäuser mit begrenztem geographischem Einzugsgebiet lokaler oder regionaler Natur, wenn die geprüften Maßnahmen zugleich keine oder kaum Hindernisse für Investitionen aus dem EU-Ausland errichten, wobei diese Ausnahme, wie dargestellt, bei den allermeisten Krankenhäusern nicht zum Tragen kommen dürfte. Diese Einordnung zu Art. 107 Abs. 1 AEUV überzeugt aufgrund ihrer Pauschalität vor allem bei der Frage der unternehmerischen Tätigkeit 154 Vorläufige Kommissionsentscheidung in der Sache CP 6/2003, Erwägungsgrund 72–74, Schreiben der Kommission an Füßer & Kollegen Rechtsanwälte betreffend der Beschwerde wegen angeblichen Verstoßes gegen Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (CP 6/2003) vom 25.8.2010, abrufbar unter http://www.fuesser.de/fileadmin/dateien/ service/aktuelles/Subventionierung_Krankenhaeuser/ 00115-02__8844-0157-CP6-03DE-LEMC_-_Aid_to_Public_hospitals.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019); so auch Cremer, ZIAS 2008, 198, 222 ff., der aber der Ansicht ist, dass das Effizienzkriterium im Hinblick auf die BUPA-Entscheidung im Gesundheitsbereich in seiner Strenge keine Anwendung finden dürfe; Leupold, 2009, S. 247; Rüdiger, S. 214 f.; Vollmöller, S. 211; s. auch Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016, SA 19864 – 2014/C (ex 2009/ NN54), Rn. 123 f. – IRIS. 155 Seitz, S. 291.

C. Rechtfertigung

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und der Wettbewerbsverfälschung nicht; bei ersterer überzeugt die Einordnung von aus Sozialversicherungssystemen finanzierten Krankenhäusern gegenüber steuerfinanzierten Krankenhäusern nicht, bei letzterer werden, da keine saubere Marktabgrenzung vorgenommen wird, zumindest im Hinblick auf den Defizitausgleich auch Fälle umfasst, in denen keine tatsächlichen Wettbewerbsstörungen vorliegen. Die Auflösung dieser Problematiken ist somit auf Rechtfertigungsebene verschoben.

C. Rechtfertigung I. Klärung des Rechtfertigungsmaßstabs: Freistellungsbeschluss 1. Nichteinschlägigkeit der AGVO 2014 – VO 651/2014 Wenn die hier zu prüfenden Maßnahmen unter die AGVO156 fallen, sind sie nach Art. 107 Abs. 2 oder 3 AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar und zugleich von der Anmeldepflicht des Art. 108 Abs. 3 AEUV freigestellt, vgl. Art. 3 AGVO. Dies setzt voraus, dass hinsichtlich des Defizitausgleichs und hinsichtlich einer für die ambulante Tätigkeit verwendeten Investitionskostenförderung die allgemeinen Freistellungsvoraussetzungen des Kapitels I der AGVO sowie die besonderen Voraussetzungen für die jeweilige Beihilfegruppe, der die geprüfte Maßnahme zugeordnet werden kann, erfüllt sind. Hinsichtlich des Defizitausgleichs, also des Ausgleichs eines Betriebskostenfehlbetrags ist eine Freistellung nach der AGVO nicht möglich. Denn die hierfür am ehesten passende Gruppe der Beihilfen für lokale Infrastrukturen sieht nur die Freistellung für Investitions- und nicht für Betriebsbeihilfen vor, s. Art. 56 AGVO. Auch eine Freistellung über den noch in Betracht kommenden, weil Betriebskostenfinanzierung zulassenden Art. 15 Nr. 2 b ist nicht möglich. Die Vorschrift gilt nur für Betriebsmehrkosten für Gebiete in äußerster Randlage. Nach Art. 15 Nr. 2 b sind jedoch nur Gebiete in äußerster Randlage nach Art. 349 AEUV gemeint, also französische Überseegebiete und einige portugiesische und spanische Inseln. Im Hinblick auf die Investitionskostenförderung ist ebenfalls eine Freistellung nicht möglich. Die Investitionskostenförderung verschafft Krankenhäusern bei ihren ambulanten Tätigkeiten einen Vorteil, wenn mit der allein für die stationäre Tätigkeit vorgesehenen Investitionskostenförderung finanziertes Gerät auch für die ambulante Versorgung vorgesehen ist und hinsichtlich der Vergütung für ambulante Gesundheitsleistungen der darin enthaltene Anteil für die Investitionskostenförderung nicht wieder abgeschöpft wird.157 Der Vorteil entsteht demnach 156 157

Zur AGVO siehe bereits Kapitel 2, C. I. Seitz, S. 283 ff.

152

Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

aus einer Mitnutzung der bereits geförderten Infrastruktur. Es ist daher fraglich, ob dieses Phänomen überhaupt als Investitionsbeihilfe und nicht als Betriebsbeihilfe eingeordnet werden kann. Der in Betracht kommende Art. 56 wäre dann gar nicht einschlägig. Ein Mitnutzungsvorteil lässt sich aber nicht einer der nach Art. 5 zulässigen, weil transparenten Beihilfenmodalitäten zuordnen, etwa Zuschüssen oder Krediten. Eine Freistellung nach der AGVO kommt daher insoweit nicht in Betracht. 2. Anwendungsbereich des Freistellungsbeschlusses eröffnet Maßgebliches Rechtfertigungsinstrument ist damit der Freistellungsbeschluss. Zeitlich ist dieser ab dem 31.1.2012 anwendbar, Art. 12. Maßnahmen, die nach der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG befreit waren, sind noch über einen weiteren Zeitraum von zwei Jahren von der Anmeldepflicht befreit. Sachlich ist der Freistellungsbeschluss anwendbar für Krankenhäuser, die medizinische Versorgung leisten, gegebenenfalls einschließlich Notdiensten. Fraglich ist, was unter Krankenhäusern in diesem Sinne zu verstehen ist. Denn nach nationalem Recht versteht man unter einem Krankenhaus bzw. einer Krankenhaustätigkeit nur solche medizinische Leistungen, die stationär, also inklusive Übernachtung und Verpflegung (Hotelleistungen) erbracht werden. Daher wurde in der Literatur angenommen, dass Beihilfen für Krankenhäuser per se nicht für die ambulante Tätigkeit verwendet werden dürfen, weil sie nicht unter diese Vorschrift fielen. Dabei bezog sich die Diskussion auf die wortgleiche Vorschrift in der Freistellungsentscheidung.158 Angesichts der gesetzlichen Ermächtigungen der Krankenhäuser zu ambulanten Leistungen und angesichts der Auflösung der Sektorentrennung und der zunehmenden Verzahnung könnten die in Deutschland erbrachten ambulanten Krankenhausleistungen als Krankenhausleistung im Sinne des Freistellungsbeschlusses anerkannt werden. Art. 2 Abs. 1 lit. b des Freistellungsbeschlusses, der die Anwendbarkeit des Freistellungsbeschlusses für Krankenhäuer anordnet, differenziert ebenfalls nicht nach ambulanten bzw. stationären Leistungen bei Krankenhäusern und sonstigen Einrichtungen, die medizinische Versorgung anbieten. Die Brisanz dieses Problems hat sich jedoch entschärft, weil nach dem Freistellungsbeschluss (Art. 2 Abs. 1 lit. c) nunmehr auch Dienstleistungen zur Deckung des sozialen Bedarfs im Hinblick auf Gesundheitsdienste dem Anwendungsbereich des Freistellungsbeschlusses unterfallen. Darunter lassen sich auch ambulante Gesundheitsleistungen subsumieren. Somit sind neben stationären auch ambulante Krankenhausleistungen, diese unter Art. 2 Abs. 1 lit. b oder c, vom Freistellungsbeschluss umfasst. Denn ein 158 Koenig/Paul, EuZW 2009, 844; Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppe Krankenhausfinanzierung, Rn. 782.

C. Rechtfertigung

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Gebot zu einer Sektorentrennung lässt sich dem Freistellungsbeschluss nicht entnehmen.

II. Lösungsansätze zur Umsetzung des Freistellungsbeschlusses 1. Musterbetrauungsakt Spätestens seit dem Erlass der Freistellungsentscheidung 2005 und den ersten Verfahren gegen den sog. Defizitausgleich an kommunale Krankenhäuser wurden die den Defizitausgleich gewährenden Körperschaften, insbesondere Kommunen, zunehmend für das Thema sensibilisiert und suchten nach Lösungen für eine beihilfenrechtskonforme Umsetzung unter der Freistellungsentscheidung. Die Umsetzungspraxis der Freistellungsentscheidung und des Freistellungsbeschlusses lässt sich jedoch nur schwer beschreiben. Denn es existieren keine Vorgaben des nationalen Rechts, wie die Freistellungsentscheidung bzw. der Freistellungsbeschluss umzusetzen ist, so dass die Kommunen unterschiedliche Wege zur Umsetzung gewählt haben. Außerdem besteht keine veröffentlichte Statistik über den Defizitausgleich bzw. die Fälle und Betrauungsakte.159 Daher wäre jeder Einzelfall gesondert zu betrachten und Kenntnisse von den Fällen nur über Presseberichte zu erlangen, falls die Fälle nicht zu Verfahren führen und nicht nunmehr die Veröffentlichungspflicht des Art. 7 Freistellungsbeschluss eingreift, die besagt, dass ein Betrauungsakt sowie der jährliche Beihilfenbetrag zu veröffentlichen sind, wenn eine Ausgleichszahlung von über 15 Mio. EUR im Jahr gewährt wird. Jedoch sind schon nach dem Erlass der Freistellungsentscheidung eine Fülle von (rechtlich unverbindlichen) Handreichungen, Empfehlungen und Leitfäden von Verbänden der Kommunen und den Ländern sowie dem Bundesgesundheitsministerium herausgegeben worden, die sich bemühen, Orientierung zu geben und somit zugleich für eine einheitliche Verwaltungspraxis zu sorgen. Aus diesen kristallisiert sich heraus, dass der nach der Freistellungsentscheidung bzw. dem Freistellungsbeschluss erforderliche Betrauungsakt nicht in bestehenden Gesetzen oder Verträgen zu finden sein soll, sondern dass der Erlass eines gesonderten, so betitelten Betrauungsakts für notwendig gehalten wird.160 Für einen

159 Bericht der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 8 der Entscheidung der Europäischen Kommission zur Freistellung von Diensten von allg. wirtschaftlichem Interesse (2005/842/EG vom 28.11.2005), S. 9, abrufbar unter http://ec.europa.eu/compe tition/state_aid/public_services/2009_2011/germany_de.pdf (letzter Abruf am 29.4. 2019). Der aktuelle Bericht zum Freistellungsbeschluss vom 23.6.2014, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/public_services/ (letzter Abruf am 29.4.2019) weist lediglich noch aus, dass im Jahr 2015 Beihilfen in Höhe von 1,17 Mrd. EUR gewährt wurden. 160 Bericht der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 8 der Entscheidung der Europäischen Kommission zur Freistellung von Diensten von allg. wirtschaftlichem Interesse (2005/842/EG vom 28.11.2005), S. 9, abrufbar unter http://ec.europa.eu/compe

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

derartigen Betrauungsakt hat der Deutsche Landkreistag im Jahr 2007 einen sog. Musterbetrauungsakt vorgeschlagen; dieser macht Regelungsvorschläge für den Inhalt eines Betrauungsakts, dessen Rechtsform frei gewählt werden kann und passend zu den Rechtsverhältnissen zwischen Krankenhäusern und den Trägern die Form eines oder mehrerer Verwaltungsakte, eines öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Vertrages oder einer Satzung einnehmen kann. Bei Regie- oder Eigenbetrieben, also in die Verwaltung eingegliederten Betrieben soll ein interner Organisationsakt ausreichen.161 Der Musterbetrauungsakt ist nach wie vor aktuell162 und dürfte als prägend für die Praxis angesehen werden, da es sich bei den Trägern defizitärer Krankenhäuser meistens um Kommunen handelt,163 die im Internet zu findenden Betrauungsakte164 und auch der Betrauungsakt, der der BGH-Entscheidung165 zu dieser Thematik zugrunde lag, dieses Muster im Prinzip übernehmen und da der Musterbetrauungsakt ein schlankes Regelungskonzept aufweist, welches an bestehende gesetzliche Regelungen und Instrumente des kommunalen Haushaltsrechts anknüpft. Die weitere Untersuchung fokussiert daher auf das Modell der Umsetzung des Freistellungsbeschlusses über einen gesonderten Betrauungsakt. 2. Regelungskonzept des Musterbetrauungsakts Durch den Musterbetrauungsakt wird folgendes Regelungskonzept zugrunde gelegt: Zu Beginn wird auf den sog. Sicherstellungsauftrag Bezug genommen, wie er in den Krankenhausgesetzen der Länder oder in den Kommunalgesetzen niedergelegt ist, also die Verpflichtung der jeweiligen Kommune, eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern sicher

tition/state_aid/public_services/2009_2011/germany_de.pdf (letzter Abruf am 29.4. 2019). 161 Musterbetrauungsakt abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/ public_services/reports_2009_2011_en.html (letzter Abruf 29.4.2019). 162 Der Landkreistag Baden-Württemberg hat am 16. Oktober 2013 einen aktualisierten, jedoch in den Grundzügen unveränderten, jedoch nicht öffentlich abrufbaren Muster-Betrauungsakt verabschiedet, wie die bei der Erstellung beteiligte Kanzlei Menold Bezler auf ihrem Interauftritt berichtete; ein Beispiel für einen auf dieser Basis erlassenen Betrauungsakt für die kommunalen Krankenhäuser findet sich auf www.landkreisgoeppingen.de 163 Vgl. Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppe Krankenhausfinanzierung, Rn. 789. 164 Siehe etwa den Betrauungsakt vom 21.11.2013 zugunsten des Krankenhauses im Main-Tauber Kreis, abrufbar unter http://www.main-tauber-kreis.de/media/custom/ 2177_1111_1.PDF?1387448581 (letzter Abruf am 29.4.2019) und den Betrauungsakt vom 26.11.2009 gegenüber dem Klinikum Ansbach, abrufbar unter http://www.ansbach. de/lc/upmedia/pdf/Betrauungsakt_gegenueber_dem_Klinikum_Ansbach.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019). 165 BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493.

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zu stellen.166 Es wird dann deklariert, dass es sich insoweit um eine DAWI handele. Als nächstes wird auf die Aufnahme des Krankenhauses in den Krankenhausplan durch entsprechende Feststellungsbescheide verwiesen.167 In einem weiteren Abschnitt wird die Verpflichtung des beauftragten Unternehmens mit einer im Folgenden spezifizierten DAWI ausgesprochen (Betrauung). Üblicherweise wird keine Betrauung mit einzelnen medizinischen Leistungen ausgesprochen, sondern eine Betrauung im Hinblick auf die Versorgung im Hinblick auf die im Krankenhaus stationär und ambulant behandelten Patienten ausgesprochen. Weiterhin erfolgen eine Betrauung mit Notfalldiensten und eine Betrauung mit unmittelbar mit der Haupttätigkeit des Krankenhauses verbundenen Nebenleistungen wie der Ausbildung von Pflegepersonal. Nicht als DAWI angesehene Tätigkeiten werden dann von der Betrauung explizit ausgenommen, etwa Essensleistungen an Dritte.168 Obwohl hinsichtlich der Notfallversorgung der Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht vorliegt, weil hier keine Auswahlentscheidung der Patienten erfolgt und somit insoweit kein Markt vorliegt,169 sind diese, obwohl dies entbehrlich wäre, inkludiert. Auch wird eine Betrauung mit ambulanten Leistungen für möglich gehalten. Dies hielt die Bundesregierung in ihrem

166 Dazu verpflichtet beispielsweise § 3 Abs. 1 des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg die Landkreise und die Stadtkreise; nach Art. 57 Abs. 1 der Bayerischen Gemeindeordnung sollen die Gemeinden in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit Einrichtungen der Gesundheit schaffen, nach Art. 56 Abs. 2 BayLKrO sind die Landkreise nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen auf den Gebieten des Gesundheitsweisens zu treffen. Dieser Sicherstellungsauftrag gilt in allen Bundesländern, vgl. Friedrich/Leber, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht Rn. 9 ff.; die Autoren rechnen die Krankenhausversorgung zum nach Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung, woraus für die Gemeinden eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur bedarfsgerechten Versorgung mit Krankenhäusern resultiere; für die Landkreise folge diese Verpflichtung daraus, dass sie ihnen jeweils durch die Landeskrankenhausgesetze übertragen wurde. 167 Siehe insgesamt Musterbetrauungsakt, abrufbar unter http://ec.europa.eu/compe tition/state_aid/public_services/reports_2009_2011_en.html (letzter Abruf am 29.4. 2019) und auch den Betrauungsakt vom 21.11.2013 zugunsten des Krankenhauses im Main-Tauber Kreis, abrufbar unter http://www.main-tauber-kreis.de/media/custom/ 2177_1111_1.PDF?1387448581 (letzter Abruf am 29.4.2019) und den Betrauungsakt vom 26.11.2009 gegenüber dem Klinikum Ansbach, abrufbar unter http://www.ansbach. de/lc/upmedia/pdf/Betrauungsakt_gegenueber_dem_Klinikum_Ansbach.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019) und BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493 zum Betrauungsakt vom 21.4.2008 und vom 16.10.2013 zugunsten der Kreiskliniken Calw. 168 Siehe Betrauungsakt vom 21.11.2013 zugunsten des Krankenhauses im MainTauber Kreis, abrufbar unter http://www.main-tauber-kreis.de/media/custom/2177_ 1111_1.PDF?1387448581 (letzter Abruf am 29.4.2019) und den Betrauungsakt vom 26.11.2009 gegenüber dem Klinikum Ansbach, abrufbar unter http://www.ansbach.de/ lc/upmedia/pdf/Betrauungsakt_gegenueber_dem_Klinikum_Ansbach.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019) und BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493 zum Betrauungsakt vom 21.4.2008 und vom 16.10.2013 zugunsten der Kreiskliniken Calw. 169 Siehe Kapitel 2, B. VI.

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

Bericht zur Freistellungsentscheidung noch für ausgeschlossen, da die ambulante Krankenhausversorgung nicht als DAWI anzusehen sei.170 Auch in der Literatur wird die ambulante Krankenhaustätigkeit nicht als DAWI eingestuft, eine Betrauung bzw. eine Förderung sei insoweit nicht möglich;171 nach hier vertretener Auffassung lässt jedoch der Freistellungsbeschluss eine Einstufung von ambulanten Krankenhausleistungen als DAWI zu. Praktisch dürfte es sich um eine Aufzählung der von dem jeweiligen Krankenhaus angebotenen, üblichen medizinischen Leistungen handeln, die als DAWI deklariert werden. Eine nähere Differenzierung oder Begründung, warum die jeweils einbezogenen Tätigkeiten eine DAWI darstellen, erfolgt nicht. Sodann folgen die Bestimmungen zur Berechnung der Ausgleichsleistung. Hier wird, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, der Ausgleich der Betriebsdefizite mit verschiedensten Förderinstrumenten sichergestellt. Zur Berechnung wird auf den jeweiligen Jahres-Wirtschaftsplan des Krankenhauses verwiesen, in dem das geschätzte Defizit jeweils im Vorhinein festgelegt wird, zusammen mit Angaben zur Berechnung des Defizits anhand der geschätzten Aufwendungen und Erträgen für die DAWI. Weiter wird noch statuiert, dass ein höheres Defizit als geschätzt ausgeglichen werden darf, wenn dies auf unvorhersehbaren Ereignissen beruht. Sodann wird in Übereinstimmung mit Art. 5 des Freistellungsbeschlusses darauf verwiesen, dass die Ausgleichszahlung nicht über die Kosten für die DAWI, zzgl. eines angemessenen Gewinns hinausgehen darf. Wenn das Krankenhaus auch Nicht-DAWI erbringt, muss es die der DAWI zuzurechnenden Kosten und Einnahmen getrennt ausweisen.172 In einem weiteren Abschnitt werden Regelungen zur Überkompensation getroffen. Zur Kontrolle gegen Überkompensation wird ein Abgleich mit dem Jahresabschluss des Krankenhauses durchgeführt, etwaig zu viel bezahlte Mittel sind zurückzufordern, es sei denn die Überkompensation überschreitet nicht 10 % der Ausgleichszahlung, dann kann sie mit der Ausgleichszahlung des nächsten Jahres

170 Bericht der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 8 der Entscheidung der Europäischen Kommission zur Freistellung von Diensten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (2005/842/EG vom 28.11.2005), abrufbar unter http://ec.europa.eu/compe tition/state_aid/public_services/2009_2011/germany_de.pdf (letzter Abruf am 29.4. 2019), S. 13. 171 Cremer, in: Huster/Kaltenborn, Rn. 49 ff.; Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/ Heinrich, Art. 107 Abs. 1 AEUV, Fallgruppe Krankenhausfinanzierung, Rn. 782 ff. 172 Siehe insgesamt Musterbetrauungsakt, abrufbar unter http://ec.europa.eu/compe tition/state_aid/public_services/reports_2009_2011_en.html (letzter Abruf 29.4.2019) und auch den Betrauungsakt vom 21.11.2013 zugunsten des Krankenhauses im MainTauber Kreis, abrufbar unter http://www.main-tauber-kreis.de/media/custom/2177_ 1111_1.PDF?1387448581 (letzter Abruf am 29.4.2019) und den Betrauungsakt vom 26.11.2009 gegenüber dem Klinikum Ansbach, abrufbar unter http://www.ansbach.de/ lc/upmedia/pdf/Betrauungsakt_gegenueber_dem_Klinikum_Ansbach.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019) und BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493 zum Betrauungsakt vom 21.4.2008 und vom 16.10.2013 zugunsten der Kreiskliniken Calw.

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verrechnet werden.173 In einem letzten Abschnitt wird üblicherweise eine Aufbewahrungspflicht im Hinblick auf die Unterlagen bis zu 10 Jahren nach Beendigung des Betrauungsakts festgelegt. Im Übrigen verweisen die Betrauungsakte auf die Freistellungsentscheidung bzw. den Freistellungsbeschluss als Rechtsgrundlage.174 3. Exkurs: Münchener Modell Die Bearbeitung fokussiert im Folgenden auf den gebräuchlichsten Lösungsansatz eines gesonderten Betrauungsakts nach dem Vorbild des Musters des Deutschen Landkreistages, der bei Lichte betrachtet neben dem Ausspruch der Verpflichtung des Krankenhauses gegenüber dem Träger zur Erbringung der näher bezeichneten Leistungen keinen eigenständigen Regelungsgehalt hat. Erwähnung soll hier noch ein im Folgenden nicht näher untersuchtes Modell der Beteiligungssteuerung der Stadt München finden. Dieses sog. „Münchener Modell“ unterscheidet sich insofern, als auf einen gesonderten Betrauungsakt verzichtet wird, sondern der Betrauungsakt in mehreren ohnehin existierenden Rechtsakten gesehen wird, vor allem in der Verpflichtung auf einen öffentlichen Zweck nach Art. 87 Abs. 1 BayGO (Bayerische Gemeindeordnung) in der Satzung der jeweiligen Gesellschaftssatzung des im Eigentum der Stadt befindlichen, fraglichen Unternehmens; diese Verpflichtung ist in Art. 92 Abs. 1 BayGO vorgeschrieben. Zudem wird der Betrauungsakt vor allem auf eine gesellschaftsrechtliche Weisung gestützt, mit der das Unternehmen auf die im Jahres-Wirtschaftsplan festgelegten Ziele verpflichtet wird.175 Sind diese Unterschiede gegenüber ei-

173 Siehe insgesamt Musterbetrauungsakt (noch ohne den Verzicht auf Rückforderung bei einer Überkompensation unter 10 %), abrufbar unter http://ec.europa.eu/com petition/state_aid/public_services/reports_2009_2011_en.html (letzter Abruf 29.4. 2019) und auch den Betrauungsakt vom 21.11.2013 zugunsten des Krankenhauses im Main-Tauber Kreis, abrufbar unter http://www.main-tauber-kreis.de/media/custom/ 2177_1111_1.PDF?1387448581 (letzter Abruf am 29.4.2019) und den Betrauungsakt vom 26.11.2009 gegenüber dem Klinikum Ansbach, abrufbar unter http://www.ansbach. de/lc/upmedia/pdf/Betrauungsakt_gegenueber_dem_Klinikum_Ansbach.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019) und BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493 zum Betrauungsakt vom 21.4.2008 und vom 16.10.2013 zugunsten der Kreiskliniken Calw. 174 Siehe insgesamt Musterbetrauungsakt, abrufbar unter http://ec.europa.eu/compe tition/state_aid/public_services/reports_2009_2011_en.html (letzter Abruf 29.4.2019) und auch den Betrauungsakt vom 21.11.2013 zugunsten des Krankenhauses im MainTauber Kreis, abrufbar unter http://www.main-tauber-kreis.de/media/custom/2177_ 1111_1.PDF?1387448581 (letzter Abruf am 29.4.2019) und den Betrauungsakt vom 26.11.2009 gegenüber dem Klinikum Ansbach, abrufbar unter http://www.ansbach.de/ lc/upmedia/pdf/Betrauungsakt_gegenueber_dem_Klinikum_Ansbach.pdf (letzter Abruf am 29.4.2019) und BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493 zum Betrauungsakt vom 21.4.2008 und vom 16.10.2013 zugunsten der Kreiskliniken Calw. 175 Duscher/Lang-Hefferle, Der Gemeindehaushalt 2012, 63.

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

nem besonderen Betrauungsakt, für sich genommen, beihilferechtskonform? Die Verwendung von mehreren Rechtsakten, auch in Privatrechtsform ist zulässig, s. Art. 4 des Freistellungsbeschlusses. Die Verpflichtung auf einen öffentlichen Zweck enthält eine Verpflichtung, wie sie für die Betrauung mit einer DAWIZahlung erforderlich ist.176 Allerdings ist nicht gewährleistet, dass ein öffentlicher Zweck nach der Gemeindeordnung automatisch eine DAWI darstellt. Denn bei einem öffentlichen Zweck werden zwar ein Allgemeininteresse und eine Versorgungsfunktion übernommen, die erforderliche besondere Aufgabe gehört jedoch nicht zum Definitionsinhalt.177 Es fehlt bei dem Münchener Modell zudem eine zeitliche Begrenzung der Betrauung (nach Art. 2 Abs. 2 des Freistellungsbeschlusses sind maximal 10 Jahre zulässig), da über den Jahres-Wirtschaftsplan und den zu gewährenden Ausgleich zwar jährlich entschieden wird, die Verpflichtung der jeweiligen Gesellschaft in der Satzung jedoch unbefristet erfolgt. Auch ist entgegen der Auffassung von Duschner und Lang-Hefferle178 eine Kontrolle gegen Überkompensation durch den Jahres-Wirtschaftsplan, dessen Budgets vom jeweiligen Unternehmen nicht überschritten werden dürfen, nicht sichergestellt, da es nicht ausgeschlossen ist, dass diese Budgets unterschritten werden und daher eine Überkompensation stattfindet. Der Versuch, mit dem Münchener Modell gegenüber einem gesonderten Betrauungsakt mit Verwendungsnachweisprüfung einen zusätzlichen Verwaltungsablauf einzusparen179, ist zwar verständlich, aber nicht legal. 4. Investitionskostenförderung: Gesetzliche Ermächtigung zur Erbringung ambulanter Leistungen Hinsichtlich der Investitionskostenförderung und deren Verwendung für die ambulante Krankenhaustätigkeit für die Mitnutzung geförderten Geräts existieren, soweit ersichtlich, keine besonderen Lösungsansätze zur Vereinbarkeit rechtfertigungsbedürftiger Zahlungen mit dem Freistellungsbeschluss, so dass nur in Betracht kommt, dies auf die gesetzlichen Ermächtigungen zur Erbringung ambulanter Leistungen im Krankenhaus zu stützen.180

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BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493, Rn. 69. Zu der Definition des öffentlichen Zwecks äußern sich Duscher/Lang-Hefferle, Der Gemeindehaushalt 2012, 63. 178 Duscher/Lang-Hefferle, Der Gemeindehaushalt 2012, 63, 66. 179 So ausdrücklich Duscher/Lang-Hefferle, Der Gemeindehaushalt 2012, 63, 66. 180 Siehe zur Problematik Seitz, 283 ff. 177

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III. Prüfung des Freistellungsbeschlusses im Hinblick auf den sog. Defizitausgleich sowohl für die Verwendung für die stationäre als auch die ambulante Tätigkeit eines Krankenhauses und im Hinblick auf die für ambulante Krankenhaustätigkeit verwendete Investitionskostenförderung 1. Vorliegen einer echten DAWI a) Rechtliche Vorgaben Wie bereits ausgeführt, zeichnet sich der Begriff der DAWI als eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, die ohne Ausgleichszahlung auf dem Markt nicht oder nicht zu gleichen Bedingungen erbracht wird. Die Mitgliedstaaten genießen bei der Definition einer DAWI einen weiten Ermessensspielraum, der nur auf offensichtliche Fehler überprüft werden darf.181 Als Differenzierungsmerkmal zwischen DAWI und Nicht-DAWI und Kontrollmaßstab des mitgliedstaatlichen Ermessens greift die Kommission auf das Kriterium der besonderen Aufgabe zurück. Dieses in Art. 106 Abs. 2 AEUV verankerte Kriterium ist bislang durch die Rechtsprechung nicht inhaltlich ausgefüllt. Ohne die besondere Aufgabe würde das betreffende Unternehmen die Dienstleistung nicht oder nicht zu gleichen Bedingungen erbringen. Eine besondere Aufgabe liegt demgegenüber nicht vor, wenn die Dienstleistung, mit der das Unternehmen betraut ist, bereits durch von im Einklang mit den Marktregeln handelnden Unternehmen zu normalen Marktbedingungen, die sich z. B. im Hinblick auf den Preis, objektive Qualitätsmerkmale, Kontinuität und den Zugang zu der Dienstleistung mit dem vom Staat definierten öffentlichen Interesse decken, zufriedenstellend erbracht wird. Bei der Frage der zufriedenstellenden Erbringung durch den Markt genießen die Mitgliedstaaten wiederum einen weiten Ermessensspielraum. In der Sache handelt es sich bei der besonderen Aufgabe also zum einen um ein Diskriminierungsverbot gegenüber vergleichbaren, nicht mit einer Ausgleichszahlung geförderten Dienstleistern, zum anderen gleichzeitig um eine Bedarfsprüfung im Hinblick auf die Frage, ob die Dienstleistung bereits zufriedenstellend erbracht wird. Weitere Konkretisierungen liefert die Kommission nicht, lediglich aus der Erörterung, dass Breitbandverbindungen keine DAWI in Gebieten darstellen, in denen private Betreiber eine solche zur Verfügung stellen, kann hergeleitet werden, dass die DAWI im Hinblick auf die Versorgungssituation für einzelne Gebiete definiert werden kann; eine Dienstleistung gleicher Art kann daher je nach Gebiet eine DAWI darstellen oder nicht.182

181 182

Kapitel 2, A. Siehe insgesamt Kapitel 2, A. II. und Ziffer 47 f. der DAWI-Mitteilung.

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

Die Vorgabe, dass bei einer DAWI eine Gemeinwohlverpflichtung vorliegen muss, zu der jedoch zusätzlich Sonderaufgaben treten müssen, wenn andere Unternehmen mit derselben Gemeinwohlverpflichtung nicht gefördert werden, findet sich nunmehr in der Rechtsprechung des EuG183 und auch des BGH.184 Das EuG deutet in der zitierten Entscheidung unter Verweis auf entsprechende Ausführungen darüber hinaus auch an, dass eine Festlegung einer DAWI auch aus Gründen des Gesundheits- und Sozialwesens, zur Sicherheit des Fortbestands und der Lebensfähigkeit des Krankenhaussystems möglich sein könnte. Weitere Ausführungen erfolgten hierzu nicht und das EuG stütze die DAWI-Anerkennung auch nicht auf diese Überlegung.185 Wie das Kriterium der besonderen Aufgabe nach den Vorgaben der Rechtsprechung inhaltlich auszufüllen ist, darüber herrscht keine Klarheit. Als gesichert kann wohl nur gelten, dass sich, wie auch das EuG und der BGH an den entscheidungserheblichen Stellen ausführt, die besondere Aufgabe auch rechtlich niederschlagen muss, also das beauftragte Unternehmen besondere Rechtspflichten treffen müssen. Allein faktische Zusatzbelastungen genügen nicht. Letzteres Kriterium wäre praktisch wohl auch kaum handhabbar. b) Einordnung des für stationäre Tätigkeiten verwendeten Defizitausgleichs Die Frage, ob hinsichtlich der stationären Krankenhaustätigkeiten von kommunalen Krankenhäusern, für die ein Defizitausgleich gewährt wird, eine echte DAWI vorliegt, ist die Gretchenfrage bei der Einordnung des Defizitausgleichs unter den Freistellungsbeschluss. Hier entscheidet sich, ob es überhaupt möglich ist, den Defizitausgleich mit dem Freistellungsbeschluss in Einklang zu bringen; die weiteren formalen Anforderungen lassen sich dann relativ leicht umsetzen. (1) Die großzügige Praxis des BGH und der Kommission Der BGH ordnet die ganze stationäre Krankenhaustätigkeit von Krankenhäusern in kommunalem Eigentum als DAWI ein, weil die kommunalen Krankenhausträger eine Pflicht zur Aufrechterhaltung des Betriebs aus dem sog. Sicherstellungsauftrag treffe, welche eine besondere Aufgabe darstelle.186 Der BGH prüft zwar einen Einzelfall, der Argumentationsansatz ist jedoch so pauschal, dass er auf andere geförderte kommunale Krankenhäuser, bei denen die Förderung wie im streitgegenständlichen Fall nach dem Konzept des Musterbe183 184 185 186

EuG, U. v. 7.11.2012, T-137/10, juris, Rn. 121 f. – IRIS. BGH, Urt. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14, BeckRS 2016, 12493, Rn. 41. EuG, U. v. 13.11.2012, Rs. T-137/10, juris, Rn. 162 – IRIS. BGH, Urt. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14, BeckRS 2016, 12493, Rn. 41.

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trauungsakts erfolgt, übertragbar ist. Eine ähnliche Argumentation hatte schon die Kommission im Asklepios-Beschwerdeverfahren verfolgt.187 Das EuG verlangt im Hinblick auf den Defizitausgleich zugunsten der öffentlichen Krankenhäuser in Brüssel für deren Förderung nach DAWI-Grundsätzen das Vorliegen von Krankenhaussonderaufgaben im Sinne von besonderen Tätigkeiten; das Gericht hält jedoch auch ohne derartige Sonderaufgaben das Vorliegen einer DAWI für möglich, wenn ein Defizitausgleich aus Gründen des Fortbestands und der Überlebensfähigkeit des Krankenhaussystems erforderlich ist.188 Die Kommission, die sich in ihrer der EuG-Entscheidung folgenden Entscheidung für die Begründung einer DAWI auf den Ansatz von Sonderaufgaben stützte, bemüht sich nunmehr, derartige Sonderaufgaben im Einzelnen darzulegen. Im geprüften Fall bildete dann nach Ansicht der Kommission nicht der Bereich der Sonderaufgaben eine auf diesen Bereich begrenzte DAWI, sondern die gesamte Krankenhaustätigkeit wurde als DAWI angesehen, auch wegen der faktischen Nachteile, die aus dem Status als öffentliches Krankenhaus folgen sowie wegen der Garantie der Träger, den Fortbestand öffentlicher Krankenhäuser zu sichern.189 Der Begründungsansatz des BGH, die gesamte stationäre Krankenhaustätigkeit kommunaler Krankenhäuser als DAWI einzuordnen, ist geeignet, die bisherige Subventionierungspraxis pauschal aufrecht zu erhalten und steht im Widerspruch zu den unionsrechtlichen Grundlagen im Hinblick auf die Definition einer DAWI. Eine rechtliche Sonderstellung für Teile der stationären Tätigkeit oder die gesamte stationäre Tätigkeit lässt sich vor dem Hintergrund der sozialversicherungsrechtlichen Grundlagen der Krankenhausfinanzierung aufgrund des Sicherstellungsauftrags und der Aufnahme in den Krankenhausplan nicht überzeugend begründen. Diese Rechtsprechung ist als ein vom Ergebnis her gedachtes Unternehmen einzustufen, die Krankenhauslandschaft bzw. die Subventionierungspraxis durch die Kommunen in ihrer jetzigen Gestalt aufrecht zu erhalten.190 Auch die Kommission zeigt in ihrer Entscheidung im Fall der öffentlichen Brüsseler Krankenhäuser Tendenzen dazu, den DAWI-Begriff großzügiger auszulegen, als es der eigenen Maßgabe im Freistellungsbeschluss und in der DAWIMitteilung entspricht: Eine DAWI kann wohl auch dann vorliegen, wenn nur in gewissem Umfang Sonderaufgaben zu einer ansonsten auf dem Markt erhältlichen Leistung hinzukommen. Dies wäre insofern bedenklich, wenn die Tätigkeiten mit Sonderaufgaben vom Rest nicht abgrenzbar wären, da dann in diese Richtungen Quersubventionierungen nicht reguliert würden.

187

Kommission, Mitteilung im Verfahren CP 6/2003, Rn. 78 f. EuG, U. v. 7.11.2012, T-137/10, Rn. 162 f. 189 Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016, SA 19864 – 2014/C (ex 2009/NN54), Rn. 166 ff. – IRIS. 190 So auch Heise, EuZW 2015, 739. 188

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

(2) Rechtswidrigkeit der konfliktlösungsvermeidenden Praxis des BGH und der Kommission Damit ist insgesamt die Wertung erkennbar, dass Defizitausgleiche an öffentliche bzw. kommunale Krankenhäuser, obwohl sie im System der Krankenhausfinanzierung einen Fremdkörper darstellen, erlaubt sein sollen. Handhabbare Ansätze, dies unter dem Freistellungsbeschluss sauber im Sinne einer sauberen und rechtmäßigen Einordnung als DAWI zu begründen, existieren jedoch nicht. Das heißt: Die bisher vorliegenden Entscheidungen auf nationaler und Unionsebene lassen den sog. Defizitausgleich an kommunale Krankenhäuser zwar zu. Die Problematik ist damit jedoch noch nicht gelöst, da die vorliegenden Endentscheidungen des BGH und der Kommission den Freistellungsbeschluss nicht korrekt anwenden. Bei konsequenter Anwendung des Freistellungsbeschlusses wäre die Einordnung der Krankenhaustätigkeit als DAWI nicht möglich und der Defizitausgleich daher nicht mit dem Freistellungsbeschluss zu vereinbaren; bei einer erneuten Entscheidung des EuG oder einer Entscheidung des EuGH, etwa im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens bei einer Wettbewerberklage vor nationalen Gerichten oder im Rahmen einer Wettbewerberbeschwerde an die Kommission könnte dieser daher als nicht vereinbar mit dem Unionsrecht erklärt werden. In der Konsequenz ist die Praxis des Defizitausgleichs an kommunale Krankenhäuser in seiner Allgemeinheit nicht mit dem Freistellungsbeschluss zu vereinbaren und es bestehen daher insoweit rechtliche Risiken, da das Vorliegen einer DAWI bei Prüfung des Freistellungsbeschlusses nicht pauschal bejaht werden kann. Insofern Krankenhausleistungen durch kommunale Krankenhäuser erbracht werden, statuiert der Freistellungsbeschluss zwar kein Effizienzerfordernis oder verlangt nicht, dass die Krankenhausleistung ausgeschrieben wird, baut bei Betriebskostenzuschüssen jedoch einen indirekten Rechtfertigungsdruck auf, weil besondere Finanzierungquellen, die einzelne oder eine Gruppe von Krankenhäusern erhält, einer Rechtfertigung bedürfen, die im Grundsatz in Sonder- oder Zusatzaufgaben bestehen muss. Es mag weitere Gründe dafür geben, den Defizitausgleich in manchen Fällen zuzulassen, Gründe die auch den BGH oder die Kommission zu ihren Entscheidungen bewogen haben mögen. Es wäre dann aber wesentlich einfacher und klarer, derartige Fälle tatbestandlich zu definieren und von der Beihilfenkontrolle freizustellen, etwa durch die Einführung einer neuen Fallgruppe in der AGVO, statt Krankenhäuser in den Anwendungsbereich des Freistellungsbeschlusses zu ziehen. Derzeit stellt dieser im Hinblick auf den Defizitausgleich an kommunale Krankenhäuser einen unnützen Formalismus dar: Unter Berücksichtigung der rechtlichen und ökonomischen Grundlagen der Krankenhausfinanzierung in Deutschland kann eine Differenzierung hinsichtlich des „Ob“ der Förderung unter dem Freistellungsbeschluss, der Frage der Einordnung als DAWI, nicht sinnvoll geleistet werden, jedenfalls in der Allgemeinheit: Entweder man stuft alle Fälle mit dem BGH und der Kommission als DAWI ein oder man kommt nach konsequenter Anwendung des Freistellungsbeschlusses

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zum gegenteiligen Ergebnis. Käme man jedoch – mit nicht überzeugender Begründung – zur generellen Einordnung der stationären Krankenhaustätigkeit durch kommunale Krankenhäuser als DAWI, so sind die weiteren Voraussetzungen des Freistellungsbeschlusses unproblematisch zu erfüllen. Sie entfalten daher keine Steuerungsfunktion und verkommen zur unnötigen Bürokratie. (3) Stationäre Krankenhausleistungen sind keine DAWI Wie lässt sich diese These, dass stationäre Krankenhausleistungen keine DAWI im Sinne des Freistellungsbeschlusses sind, begründen? (a) Allein die Krankenhaustätigkeit als solche stellt keine DAWI dar Zunächst einmal verfolgen weder BGH, noch EuG, noch Kommission den Ansatz, das Vorliegen einer DAWI bei stationären Krankenhausleistungen schlicht damit zu begründen, Krankenhausleistungen aufgrund deren Aufnahme in den Anwendungsbereich der Freistellungsentscheidung in Art. 2 Abs. 1 lit. b) per se als DAWI zu einzuordnen, obwohl dies die Problematik deutlich vereinfachen würde; vielmehr käme es auf das Vorliegen von Krankenhaussonderaufgaben an. Dies ist auch sachgerecht, um eine Einordnung von Sondervorteilen, den DAWIBeihilfen in einem rechtlich gleich geordneten Marktumfeld, den Krankenhausleistungen leisten zu können. Zwar deutet die Kommission an, dass sie aus dem Freistellungsbeschluss kein Diskriminierungskriterium lese, was für eine mögliche pauschale Einordnung aller Krankenhausleistungen als DAWI sprechen könnte;191 dann könnte auch die Einordnung von durch privaten oder freigemeinnützigen Krankenhausträgern erbrachten Krankenhausleistungen als DAWI und deren Subventionierung möglich sein. Allerdings trennt der Freistellungsbeschluss begrifflich zwischen Krankenhausleistungen und den DAWI, die durch sie erbracht werden, Art. 2 Abs. 1 lit. b, geht also von einer Unterscheidung zwischen DAWI und Nicht-DAWI bei Krankenhäusern aus. Zudem beschreibt die DAWI-Mitteilung, die die Schlüsselkonzepte für DAWI-Beihilfen erläutern soll und daher für die Auslegung des Freistellungsbeschlusses herangezogen werden kann, DAWI ausdrücklich so, dass hierbei eine besondere Aufgabe vorliegen soll.192 Da dieses Erfordernis ausdrücklich in Art. 106 Abs. 2 AEUV enthalten ist, ist eine Auslegung des Freistellungsbeschlusses, die darauf verzichtet, nicht zulässig.

191 Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016, SA 19864 – 2014/C (ex 2009/NN54), Rn. 161 – IRIS. 192 Ziffer 46 der DAWI-Mitteilung.

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

(b) Der kommunale Sicherstellungsauftrag stellt keine besondere Krankenhausaufgabe dar und begründet nicht die System- bzw. Versorgungsrelevanz einzelner oder aller Krankenhäuser Eine Krankenhaussonderaufgabe wird nach Auffassung des BGH, des EuG und der Kommission nur durch eine rechtliche Sonderstellung im Sinne von Zusatzaufgaben begründet. Damit kommen Nachteile tatsächlicher Natur, etwa durch ein schwierigeres Marktumfeld gerade für die geförderten kommunalen Krankenhäuser, nicht in Betracht. Dem ist zuzustimmen, da tatsächliche Nachteile nur schwer zu benennen und für die juristische Prüfung kaum operabel sind. Die Kommission zieht zwar tatsächliche Nachteile, die aus dem Status als öffentliches Krankenhaus folgern, zur Begründung heran, insbesondere höhere Pensionszahlungen gegenüber Beschäftigten, die im privaten Sektor arbeiten, dies ist aber an rechtliche Verpflichtungen zurückgebunden.193 Es überzeugt, derartige Nachteile, die sich rechtlich verankern lassen, zur Begründung einer DAWI heranzuziehen, da sie die wettbewerbliche Position beeinträchtigen, auch wenn dies dogmatisch sauber unter dem Punkt Begünstigung zu verorten gewesen wäre. Der BGH hat in seiner einschlägigen Entscheidung das Vorliegen einer DAWI hinsichtlich des subventionierten Kreiskrankenhauses nicht tätigkeitsbezogen mit Hinblick auf besondere, nur von dem subventionierten Krankenhaus erbrachte Leistungen begründet, sondern mit dem gesetzlichen Sicherstellungsauftrag nach § 3 Abs. 1 des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg (LKHG BW), wonach die Landkreise und Stadtkreise verpflichtet sind, die nach dem Krankenhausplan notwendigen Krankenhäuser vorzuhalten. Konkretisiert sich der gesetzliche Sicherstellungsauftrag, so seien sie danach anders als freigemeinnützige und private Träger verpflichtet, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Da Kapazitäten nicht erst bei Eintritt einer Versorgungslücke geschaffen werden könnten, sei ein vorheriger Defizitausgleich zur Vorhaltung bestimmter Kapazitäten gestattet. Die Notwendigkeit zur Versorgung ergäbe sich aus dem Krankenhausplan.194 Dieser Ansatz erlaubt zum einen die pauschale Einordnung der gesamten Krankenhaustätigkeit als DAWI, zum anderen die Einordnung jedes kommunalen Krankenhauses als DAWI, weil die Kommunen (Städte, Landkreise und Gemeinden) in allen Bundesländern Adressaten eines Sicherstellungsauftrages sind, wonach sie zur Krankenhausversorgung verpflichtet sind, wenn die ausreichende Versorgung nicht durch Krankenhäuser mit privaten und freigemeinnützigen Trägern sichergestellt ist.195 Damit stellt sich der BGH in Gegensatz zu der Rechtsprechung des EuG, wonach zusätzlich subventionierte Krankenhäuser Krankenhaussonderauf193 Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016, SA 19864 – 2014/C (ex 2009/NN54), Rn. 42 – IRIS. 194 BGH, Urt. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14, BeckRS 2016, 12493, Rn. 44 f. 195 So die Charakterisierung zum Sicherstellungsauftrag bei Friedrich/Leber, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 9 ff.

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gaben wahrnehmen müssen, um als DAWI eingestuft zu werden, also unterscheidbare Merkmale aufweisen müssen. Der BGH beruft sich dabei auf das obiter dictum des EuG, wonach eine Einstufung eines Krankenhauses als DAWI auch dann in Betracht komme, wenn dies aus Gründen des Gesundheits- und Sozialwesens als notwendig erscheine, um den Fortbestand des Krankenhauswesens zu gewährleisten.196 Näher begründet wird die Stützung auf diese Ausnahme jedoch nicht. Das EuG ist wohl so zu verstehen, dass ein Krankenhaus dann gestützt werden kann, wenn ein Wegfallen dieses Krankenhauses negative Auswirkungen auf das Gesamtsystem hätte, das Krankenhaus also systemrelevant wäre. Dieser Gedanke erscheint bei der relativen Größe der in Rede stehenden öffentlichen Brüsseler Hauptstadtkrankenhäuser bei einem Land einer geringen Größe wie Belgien plausibel, jedoch dürfte die Insolvenz eines einzelnen Hauses in Deutschland auf das Gesamtsystem betrachtet angesichts von 1.951 Krankenhäusern in Deutschland im Jahr 2016 und einer Bettenauslastung von lediglich 77,9 % kaum ins Gewicht fallen.197 Selbst wenn man entgegen dem EuG bei der Prüfung eines Defizitausgleichs auf die Folgen abstellt, die eine Versagung desselben auf alle kommunalen Krankenhäuser hat, lässt sich eine Gefährdung für das Gesamtsystem der Krankenhausversorgung wohl kaum begründen. Denn zwar waren 2016 29,2 % der Krankenhäuser öffentlich-rechtlich, und 47,9 % der Betten öffentlich-rechtlich. 198 Defizitär haben im Jahr 2015 über 36 % der öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser gewirtschaftet. Der für die Ertragslage bzw. Gefährdung noch aussagekräftigere Anteil der starken Insolvenzgefährdung lag 2015 bei 16,5 % innerhalb dieser Trägergruppe.199 Zieht man letztere Gruppe für eine Näherungsrechnung heran, wären ohne Defizitausgleich für diese stark gefährdete Gruppe, dessen Entfallen womöglich zu einer Schließung der betroffenen Häuser führt, etwa 10 % aller Krankenhausbetten in Gefahr, was die Stabilität des Krankenhaussystems bei einer durchschnittlichen Bettenauslastung von 77,9 % nicht gefährden dürfte. Die Rechtsprechung des BGH lässt daher nicht nur eine exakte Befassung mit der Rechtsprechung des EuG, sondern auch eine Betrachtung der tatsächlichen Gegebenheiten vermissen. Die teilweise vertretene Ansicht, die Entscheidung des BGH sei als Abkehr von dem Kriterium einer spezifischen, besonderen Gemeinwohlaufgabe zu verstehen und dies sei aus Gründen der Versorgungssicherheit zugunsten kommunaler Krankenhäuser sinnvoll, da private Krankenhäuser wegen Insolvenzgefahr diese Versorgungssicherheit nicht böten,200 überzeugt daher nicht und wäre wohl offensichtlich fehlerhaft. 196 EuG, U. v. 7.11.2012, Rs. T-137/10, juris, Rn. 161 – IRIS; BGH, U. v. 24.3.2016, I ZR 263/14, BeckRS 2016, 12493, Rn. 44. 197 Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser 2016. 198 Statistisches Bundesamt, Grunddaten der Krankenhäuser 2016; die allermeisten öffentlich-rechtlichen Krankenhäuser sind kommunale Krankenhäuser, s. Kapitel 1, G. 199 Augurzky et al., Krankenhaus Rating Report 2017, S. 175 ff. 200 Cremer, ZWeR 2018, 185, 195 ff.

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

Denn zum einen lässt sich eine derartige Auslegung des Art. 106 AEUV bzw. des Freistellungsbeschlusses durch die Unionsorgane nicht beobachten, zum anderen ist die Versorgungssicherheit im Krankenhauswesen in Deutschland, wie dargelegt, nicht gefährdet, gerade im Hinblick auf die Behauptung, eine solche werde gerade durch kommunale Krankenhäuser gewährleistet. Dementsprechend überzeugt auch die Annahme des BGH, es bestünden keine vernünftigen Zweifel im Hinblick auf die Auslegung des Art. 106 AEUV201 und der Freistellungsentscheidung, so dass die Rechtsfrage nicht dem EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV vorzulegen ist, ist daher verfehlt und ein weiteres Beispiel für die nicht integrationsfördernde Taktik deutscher Bundesgerichte, wegen angeblich unionsrechtlicher klarer Fragen von einer Vorlage an den EuGH abzusehen, um ohne Einmischungen zum gewünschten Ergebnis zu kommen.202 Im Übrigen ist die Rechtsprechung des EuG, eine DAWI ließe sich allein mit der Sicherung des Fortbestehens des Krankenhaussystems begründen, wohl nicht mit Art. 106 Abs. 2 AEUV zu vereinbaren, da schon der Text des Art. 106 Abs. 2 AEUV eine besondere Aufgabe verlangt. Wenn jedoch bei der Prüfung des Art. 107 Abs. 1 AEUV bei der Bejahung der unternehmerischen Tätigkeit für Krankenhäuser von einem einheitlichen Krankenhausmarkt für alle Trägergruppen ausgegangen wird, muss für Sondervorteile, die nur für einen bestimmten Trägertyp gelten, ein Differenzierungsmerkmal vorhanden sein. Ansonsten wäre die Subventionierung von Krankenhäusern über einen Defizitausgleich unabhängig vom Trägertyp möglich. Dann erschiene die Bejahung eines Wettbewerbsmarktes bei der Prüfung des Art. 107 Abs. 1 AEUV fraglich. (c) Kommunaler Sicherstellungsauftrag sieht keine Sonderstellung von Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft vor Ungeachtet dessen, dass der Begründungsansatz des BGH nicht im Einklang mit Unionsrecht steht, ist der Argumentationsansatz sachlich nicht nachvollziehbar. Das „Besondere“ an kommunalen Krankenhäusern liege darin, dass die Kommunen nach dem sog. Sicherstellungsauftrag – im zu entscheidenden Fall nach § 3 Abs. 1 LKHG BW – verpflichtet sind, die nach dem Krankenhausplan notwendigen Krankenhäuser und Krankenhauseinrichtungen zu betreiben. Daher seien sie anders als die freigemeinnützigen und privaten Krankenhausträger auch zum Betrieb eines defizitär arbeitenden Krankenhauses verpflichtet, ohne es voll201 BGH, Urt. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14, BeckRS 2016, 12493, Rn. 94 unter Verweis auf EuGH, U. v. 6.10.1982, Rs. 283/81, Slg. 1982, 3415 – CILFIT, wo der EuGH erstmals anerkannte, dass die Vorlagepflicht für letztinstanzliche Gerichte nicht besteht, wenn keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts bestehen. 202 Hierzu Kühling/Drechsler, NJW 2017, 2950 insbesondere zur unrühmlichen Entscheidung des BVerwG, U. v. 16.12.2010, 3 C 44.09, juris, wonach die umlagefinanzierte Tierkörperbeseitigung trotz gegenläufiger vorheriger Einschätzung der Kommission ohne Vorlage an den EuGH nicht als Beihilfe eingestuft wurde.

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ständig oder teilweise schließen zu dürfen. Diese allein die Kommunen treffende Pflicht zur Aufrechterhaltung des Krankenhausbetriebes rechtfertige es, die medizinische Versorgung durch ein kommunales Krankenhaus als dem staatlichen Defizitausgleich zugängliche DAWI anzusehen. Da die Kapazitäten nicht erst bei einem Versorgungsengpass geschaffen werden, sei ein Verlustausgleich nicht erst bei Eintritt des Sicherungsfalls möglich.203 Sähe man darin und nicht nur in spezifischen Krankenhaussonderaufgaben eine besondere Aufgabe – die Tatsachen sprechen aufgrund bestehender Überkapazitäten entgegen – wäre auf den ersten Blick die Definition einer DAWI möglich: Der Freistellungsbeschluss verlangt eben gerade keinen Effizienztest wie die Altmark-Rechtsprechung bzw. keine Auswahlentscheidung im Hinblick auf den jeweiligen DAWI-Erbringer, so dass es den kommunalen Trägern unionsrechtlich freistünde, „ihre“ – möglicherweise ineffizienten – Krankenhäuser zu subventionieren.204 Sie wären somit nach dem Freistellungsbeschluss bzw. nach Art. 106 Abs. 2 AEUV zunächst nicht gehalten, bzgl. ihrer Krankenhäuser einen Defizitausgleich einzustellen oder diese zu privatisieren bzw. bei Gewährung von Defizitausgleichen eine Effizienzprüfung zu veranlassen. Nach dem Freistellungsbeschluss und Art. 106 Abs. 2 AEUV ist im Vergleich zu Dienstleistungserbringern ohne Zugang zu derartiger Finanzierung jedoch zumindest eine Rechtfertigung wegen einer besonderen Versorgungsaufgabe nötig. Die insoweit angeführte Begründung kann jedoch nicht überzeugen. Das nationale Recht verbietet einen Defizitausgleich (zugunsten aller möglichen Trägergruppen) zwar nicht, gebietet diesen jedoch keineswegs, insbesondere nicht im Wege einer Verpflichtung, nur bei öffentlichen bzw. kommunalen Krankenhäusern einen Defizitausgleich durchzuführen. Die Begründung einer DAWI ist aus diesem Grunde offensichtlich fehlerhaft und kann auch aus diesem Grunde unionsrechtlichen Vorgaben nicht genügen: Betrachtet man den Sicherstellungsauftrag, wie er beispielsweise in § 3 Abs. 1 LKHG BW nieder gelegt ist, so verpflichtet dieser die Kommunen, die nach dem Krankenhausplan notwendigen Krankenhäuser zu betreiben, soweit die bedarfsgerechte Versorgung nicht durch andere Träger sichergestellt ist. Gerichtet ist der Sicherstellungsauftrag also zunächst an die Kommunen. Es lässt sich aus dem Sicherstellungsauftrag in der Tat ableiten, die Kommunen dafür Sorge tragen müssen, dass versorgungsnotwendige Krankenhäuser ihren Betrieb aufrecht erhalten können; zugleich ist ein Krankenhaus selbst nicht dazu verpflichtet, bei Defiziten den Betrieb aufrecht zu erhalten.205 Daraus lässt sich jedoch nicht die Konsequenz ziehen, dass der nach 203

BGH, Urt. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14, BeckRS 2016, 12493, Rn. 44. EuG, U. v. 7.11.2012, Rs. T-137/10, juris, – IRIS im Rahmen von Art. 86 Abs. 2 EGV (nun Art. 106 Abs. 2 AEUV), insbesondere für Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser spielen Effizienzerwägungen ausdrücklich keine Rolle, s. Rn. 290. 205 Denn aus der Aufnahme in den Krankenhausplan ergibt sich nur ein Recht auf die Behandlung von gesetzlich versicherten Patienten § 108, § 109 Abs. 1 S. 2 SGB V, keine Pflicht, so die herrschende Auffassung, s. Stollmann, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht 2017, Rn. 3. 204

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

dem BGH zulässige, vorzeitige Defizitausgleich, der eine Insolvenz gerade verhindern soll, nur, wie der BGH meint, zugunsten Häusern in kommunaler Trägerschaft zulässig sei. Denn zur Definition auf die Notwendigkeit eines Krankenhauses greift § 3 Abs. 1 LKHG BW und der BGH206 auf den Krankenhausplan zurück. In diesen sind jedoch Krankenhäuser aller Trägergruppen aufgenommen und damit notwendig. Der Sicherstellungsauftrag der Kommunen greift damit unabhängig vom Träger. Wenn ein vorzeitiger Defizitausgleich zur Vermeidung von Ausfällen nach dem Krankenhausplan notwendiger Häuser zulässig ist, so muss dies für Krankenhäuser aller Träger gelten, unabhängig davon, ob die Kommune selbst Träger ist. Kommunen müssten bzw. dürften die Defizite aller Krankenhäuser unabhängig vom Träger übernehmen: Der Sicherstellungsauftrag gilt für die Versorgung mit allen im Krankenhausplan als notwendig angesehenen Krankenhäusern, daher greift er nicht nur hinsichtlich kommunaler Krankenhäuser ein. Die Sicherstellung des Krankenhausbetriebs erfolgt nach dem gesetzgeberischen Leitbild nicht durch kommunale Krankenhäuser als „Sicherheitsanker“, sondern durch die Kommunen selbst, unabhängig von der Trägerschaft der Krankenhäuser in ihrem Hoheitsgebiet. Der Sicherstellungsauftrag allein kann daher keine besondere Aufgabe für kommunale Krankenhäuser darstellen. Daran ändert auch der „Zaubertrick“ nichts, den der Musterbetrauungsakt insofern versucht, als darin – als einzigem wirklichem Regelungsinhalt des Musterbetrauungsakts – die jeweilige Kommune an das kommunale Krankenhaus den Sicherstellungsauftrag weiterleitet und diese zum Betrieb verpflichtet. Rechtlich ist es wohl im Ansatz denkbar, so eine besondere Betriebspflicht zu schaffen, wo allein die Aufnahme in den Krankenhausplan, die allein zur Behandlung berechtigt, aber nicht verpflichtet, eine solche nicht schafft.207 Überzeugend gelingt dies jedoch nicht. Denn der Sicherstellungsauftrag, der primär Kommunen verpflichtet, gibt eine solche gesonderte Pflicht bzw. Inpflichtnahme einzelner Krankenhausbetriebe nicht her, da er Kommunen zur Sicherstellung der Krankenhausversorgung unabhängig von der Krankenhausträgerschaft verpflichtet. Eine gesonderte Betriebspflicht kann daher nicht auf den Sicherstellungsauftrag gestützt werden. Auch aus den gerade bei kommunalen Krankenhäusern bestehenden Defiziten lässt sich nicht herleiten, dass der Sicherstellungsauftrag gerade für diese Gruppe eingreift. Allein das Defizit begründet keine besondere Bedeutung für die Versorgung, da auch nicht in den Genuss von Betriebskostenausgleichen kommende Krankenhäuser anderer Trägergruppen defizitär sein können und das defizitäre kommunale Krankenhaus möglicherweise durch einen anderen Träger profitabel betrieben werden kann. Im Übrigen dürfte es unionsrechtlich auf wackligen Beinen stehen, sich für die Versorgungsnotwendigkeit eines Krankenhauses ohne 206 207

BGH, Urt. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14, BeckRS 2016, 12493, Rn. 45. Stollmann, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 4.

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weitere Nachweise auf die Aufnahme in den Krankenhausplan zu stützen. Der Krankenhausplan wird für jedes Bundesland gesondert als verwaltungsinterne Maßnahme ohne unmittelbare Rechtswirkung erlassen;208 die Aufnahme des einzelnen Krankenhauses in den Plan erfolgt durch den bundesrechtlich (§ 8 Abs. 1 Satz 3 KHG) regulierten Feststellungsbescheid, ein Verwaltungsakt.209 Da die Krankenhausplanung eine Bedarfsfeststellungs- und Versorgungsplanung ist, bei der die für die Versorgung der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser nach Standort, Bettenzahl und Behandlungsplätzen, Fachrichtungen und Versorgungsstufen ausgewiesen werden,210 fügt sich der Krankenhausplan zwar augenscheinlich in die DAWI-Definition ein, die ein Element einer Bedarfsprüfung enthält.211 Angesichts der bestehenden Überkapazitäten (s. Kapitel 3, A. II.) scheint diese Bedarfsplanung jedoch nicht zu funktionieren. So kommt eine Studie aus dem Jahr 2015 – allerdings des Wissenschaftlichen Institutes der AOK – zu dem Ergebnis, dass sich die Krankenhausplanung der Länder nicht am Bedarf, sondern an arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Gründen orientiert.212 Es erscheint daher zumindest mit Rechtsunsicherheiten behaftet, den Bedarf eines Krankenhauses allein an der Aufnahme in den Krankenhausplan fest zu machen. (d) Landesgesetzlicher Sicherstellungsauftrag unterläuft bundesrechtliche Wertungen Selbst wenn man die Bedenken im Hinblick auf die DAWI-Definition beiseite wischt, so ist die Annahme, der Sicherstellungsauftrag gebiete oder erlaube eine Defizitfinanzierung zugunsten kommunaler Häuser deswegen nicht brauchbar, weil der Sicherstellungsauftrag inhaltlich zu unbestimmt ist, und diese Annahme bundesrechtliche Wertungen unterläuft. Zunächst liegt dieser Annahme wiederum eine Prämisse zugrunde, nämlich dass es sich bei den mit dem Defizitausgleich förderfähigen kommunalen Krankenhäusern gerade um die Krankenhäuser handelt, in denen eine Versorgung durch andere Krankenhausträger nicht möglich ist. Auch wenn für den fraglichen Standort eben gerade das zu fördernde kommunale Krankenhaus im Krankenhausplan vorgesehen ist und die Aufnahme eines Krankenhauses durch Konkurrenten anfechtbar ist,213 so heißt dies nicht automatisch, dass für diesen Standort nicht doch ein anderer Krankenhausträger in Betracht kommt, der die Versorgung kostendeckend erbringen kann. Inhaltlich ist der Sicherstellungsauftrag üblicherweise zu unbestimmt, um allein aus der 208

Stollmann, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 8. Stollmann, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 20. 210 Stollmann, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 2. 211 Vgl. hierzu Kapitel 2, A. 212 Klein-Hitpaß/Leber/Scheller-Kreinsen, Strukturfonds. 213 BVerfG, NJW 2004, 1648, 1649; darauf weist auch der BGH, Urt. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14, BeckRS 2016, 12493, Rn. 66, hin. 209

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

Festschreibung des Sicherstellungsauftrages im Gesetz die Aussage zu treffen, ein bestimmtes, bestehendes Krankenhaus sei von dem Sicherstellungsauftrag betroffen. Klar definiert ist der Sicherstellungsauftrag zwar etwa in § 3 Abs. 1 LKHG BW, da bzgl. der Erforderlichkeit eines Krankenhauses an die Aufnahme in den Krankenhausplan angeknüpft wird. Anders stellt sich die Lage beispielsweise in Bayern dar. Hier sind die Landkreise nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 Bayerische Landkreisordnung (BayLKrO; es existiert nur ein Sicherstellungsauftrag im Kommunalgesetz) in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, die erforderlichen Krankenhäuser zu errichten und unterhalten. Was „erforderlich“ meint, wird jedoch nicht näher definiert. Ein freilich sehr abstrakter Definitionsversuch geht dahin, dass der Sicherstellungsauftrag erfordere, dass ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung in angemessener Zeit und Entfernung für jeden Bürger zu erreichen sein müsse, es komme bei der Bestimmung der angemessenen Zeit und Entfernung immer auf die konkreten tatsächlichen Verhältnisse an.214 Die zweite Grenze des Sicherstellungsauftrags ist die im Gesetz genannte Leistungsfähigkeit der Kommune. Es ist also insgesamt weder gesagt, dass ein bestehendes Krankenhaus automatisch erforderlich im Sinne des Sicherstellungsauftrags ist noch dass jeder Landkreis ein eigenes Krankenhaus haben muss. Die Lesart, der Sicherstellungsauftrag erlaube eine zusätzliche Defizitfinanzierung neben dem sonstigen System der Krankenhausfinanzierung, fügt sich zudem nicht in besagtes Finanzierungssystem ein, insbesondere nicht in das bundesrechtlich determinierte System der Vergütung der Gesundheitsleistungen über Krankenhauspflegesätze bzw. DRG-Fallpauschalen nach §§ 16 ff. KHG und über die letztlich aus Landesmitteln stammende Investitionskostenförderung, die ebenfalls in den §§ 8 ff. KHG bundesrechtlich determiniert ist: Zunächst sagt der Sicherstellungsauftrag nichts über Art der Finanzierung der bedarfsnotwendigen Krankenhäuser aus, sondern nur über die notwendige Existenz der versorgungsnotwendigen Krankenhäuser. Zudem werden die Regelungen zum an die Landkreise gerichteten Sicherstellungsauftrag durch die Wertungen des bundesrechtlich determinierten Finanzierungssystems durch Pflegesätze und Investitionskosten überlagert. So bestimmt § 4 KHG, dass Krankenhäuser durch die Übernahme von Investitionskosten im Wege öffentlicher Förderung und durch leistungsgerechte Erlöse aus Pflegesätzen wirtschaftlich gesichert werden. Dabei gilt im Hinblick auf die Investitionskosten, dass, wenn diese nicht, wie es § 4 Nr. 1 KHG vorschreibt, durch die Länder (vgl. § 9 KHG) übernommen werden, dieser Umstand intern, d.h. durch eine Umsetzung der Verpflichtung zur Investitionskostenförderung durch die Länder ausgeglichen werden muss. Bzgl. der Vergütung über die Pflegesätze gilt, dass diese, wie unter Kapitel 3, A. I. und II. dargestellt, nur einen Durchschnittspreis für die Vergütung einer bestimmten Leistung abbilden, der aus den Durchschnittskosten errechnet wird und der zu-

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Friedrich/Leber, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 14 f.

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dem budgetgebunden ist. Es liegt dem System also der Gedanke zugrunde, dass manche Leistungserbringer, die ein höheres Kostenniveau haben als der Durchschnitt, zu gering entlohnt werden. Damit soll gerade Wettbewerbsdruck geschaffen werden. Es leuchtet daher ein, dass ein Teil der Leistungserbringer, die in vielen Fallgruppen ein überdurchschnittliches Kostenniveau haben, nach diesem System defizitär wirtschaften muss. Dieser dem DRG-System zugrundeliegende Kostendruck, der defizitär wirtschaftende Häuser, die damit letztlich zur Schließung gezwungen werden, implizit in Kauf nimmt oder sogar beabsichtigt, wird unterlaufen, wenn durch kommunale Haushaltsmittel der Betrieb defizitärer Häuser aufrecht erhalten wird. Hinzu kommt, dass das Pflegesatzrecht eine Lösung genau für den Fall kennt, für den der Defizitausgleich vorgesehen sein soll: Nach § 5 Abs. 2 KHEntG sind zur Sicherstellung einer für die Versorgung der Bevölkerung notwendigen Vorhaltung von Leistungen, die auf Grund des geringen Versorgungsbedarfs mit den auf Bundesebene vereinbarten Fallpauschalen und Zusatzentgelten nicht kostendeckend finanzierbar ist, sog. Sicherstellungszuschläge zu vereinbaren. Das Pflegesatzrecht kennt also bereits ein Instrument zur Defizitdeckung bei Versorgungsbedarf.215 Entgegen dem BGH216 ist das Krankenhausfinanzierungsrecht nach seinem Sinn und Zweck abschließend und sieht andere Finanzierungsformen nicht vor. Denn mit dem Sicherstellungszuschlag ist gerade ein Instrumentarium zum Defizitausgleich hinsichtlich bestimmter Leistungen – und damit auch im Hinblick auf ein Gesamtbetriebskostendefizit – vorhanden. Dass dieses System eine auskömmliche finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser gewährleistet oder will, ist gerade nicht gesagt.217 Angesichts dieser Überlegungen zur abschließenden Natur des – auf Grundlage des Kompetenztitels des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG – bundesgesetzlich geregelten Krankenhausfinanzierungsrechts erscheint die für die Unionsrechtskonformität des Defizitausgleichs angeführte Argumentation, kommunalen Krankenhäusern komme aufgrund des Sicherstellungszuschlags generell eine Sonderstellung zu, die im Falle eines Defizits eine weitere Finanzierungsquelle rechtfertige nicht nur nicht aus dem Wesen des Sicherstellungsauftrags heraus nicht begründbar [s. zuvor Kapitel 3, C. II. 1. c), 3. d)], sondern auch nicht stimmig, da sie den bundesgesetzlichen Wertungen zuwiderläuft. Dies schwächt dieses Argument für die unionsrechtliche Diskussion weiter, ohne die Frage weiter zu vertiefen, ob ein auf den jeweiligen Sicherstellungsauftrag gestützter Defizitausgleich die Kompetenzordnung des Grundgesetzes wegen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die wirtschaftliche Sicherung der

215 Dessen Voraussetzungen in der Praxis freilich selten bejaht werden, Kapitel 3, II. 3. b). 216 BGH, Urt. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14, BeckRS 2016, 12493, Rn. 60. 217 Eine auskömmliche Ausstattung wünscht sich jedoch der BGH, Urt. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14, BeckRS 2016, 12493, Rn. 61.

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

Krankenhäuser und der Regelung der Krankenhauspflegesätze gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG verletzt.218 (e) Rechtlich fundierte Krankenhaussonderaufgaben nicht begründbar Als sinnvolles Differenzierungskriterium zwischen DAWI und Nicht-DAWI setzt das EuG für selektive Vorteile an öffentliche Krankenhäuser im Grundsatz sog. Krankenhaussonderaufgaben voraus.219 Eine derartige Krankenhaussonderaufgabe, die der BGH über die Ausführungen zum Sicherstellungszuschlag hinaus nicht erörtert, lässt sich jedoch bei durch den Defizitausgleich geförderten kommunalen Krankenhäusern in Deutschland nicht begründen: Die Kommission hat in ihrer aktuellen Entscheidung im Fall der öffentlichen Brüsseler Krankenhäuser eine Krankenhaussonderaufgabe als eine de facto soziale Gesundheitspflege-DAWI definiert, die die gesamte Krankenhaustätigkeit der öffentlichen Brüsseler Krankenhäuser erfasst. Diese soll sich zusammensetzen aus den normalen Krankenhausaufgaben, die alle Krankenhäuser treffen; dazu treten jedoch besondere Aufgaben. Die Brüsseler öffentlichen Krankenhäuser träfen drei besondere Verpflichtungen, zum einen die Verpflichtung, alle Patienten zu behandeln, auch jene, die kein Geld für Gesundheitsleistungen haben, zum anderen die Verpflichtung, eine Krankenhausvollversorgung an mehreren Standorten anzubieten, zuletzt zusätzliche Verpflichtungen zu Sozialdienstleistungen, die über reine Krankenpflege hinausgehen, etwa psychosoziale Betreuungsangebote. Neben die so kreierte DAWI tritt die Verpflichtung der öffentlichen Hand, den Betrieb der öffentlichen Krankenhäuser aufrecht zu erhalten sowie weitere zusätzliche Belastungen, die durch den öffentlichen Status bedingt sind, etwa die Verpflichtung 218 Das Bundesverfassungsgericht leitet aus der Entstehungsgeschichte dieses Kompetenztitels ab, dass die Kompetenz der Länder zur Krankenhausorganisation und -planung unberührt bleibt, s. BVerfGE 83, 363, 380, nach einigen Literaturstimmen erlaube der Kompetenztitel jedoch auch bundesrechtliche Regelungen in diesen Bereichen, s. den Überblick zum Streitstand bei Kaltenborn, in: Huster/Kaltenborn, Rn. 2 f. Da die soziale Infrastrukturplanung als Daseinsvorsorgeaufgabe prinzipiell in die Länderzuständigkeit fällt, das einfache Bundesrecht den Ländern nach § 7 Abs. 2 KHG ohnehin Spielräume bei der Krankenhausplanung überlässt und die Ausgabenzuständigkeit gem. § 104a GG prinzipiell der Aufgabenzuständigkeit folgt (s. insoweit zu einer ähnlichen Problemlage bei Frauenhäusern Rixen, BT-Drs. 17/10500 vom 16.8.2012, S. 248 f. m.w. N.) erscheint ein Defizitausgleich zunächst kompetenziell unbedenklich. Allerdings betrifft der (Betriebskostendefizit-)Ausgleich gerade nicht Fragen der Infrastrukturplanung, sondern die von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG geregelte Finanzierung. Dennoch dürfte der Defizitausgleich durch eine Kommune eher nicht mit der Kompetenzordnung bzw. einer im Wege des Grundsatzes des bundesfreundlichen Verhaltens schonenden Kompetenzausübung des Grundgesetzes (s. hierzu Huster/Rux, Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, Art. 20, Rn. 36 ff.) in Konflikt treten, da er auf der jeweiligen Entscheidung der Kommune beruht und der landesrechtliche Sicherstellungsauftrag, wie in diesem Abschnitt exemplarisch dargelegt wurde, keine Regelungen zur Finanzierung der davon erfassten Krankenhäuser trifft. 219 EuG, U. v. 7.11.2012, T-137/10, Rn. 91 f. und Rn. 121 f. – IRIS.

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zu zweisprachigem Personal und Pensionslasten.220 Auch nach diesen Grundsätzen lässt sich jedoch nach den vorliegenden Informationen keine Krankenhaussonderaufgabe hinsichtlich deutscher kommunaler Krankenhäuser begründen. Im Hinblick auf den Sicherstellungsauftrag gilt das gesagte, dass sich hieraus keine Sonderstellung kommunaler Krankenhäuser ergibt. Unabhängig davon, ob kommunale oder öffentliche Krankenhäuser in Deutschland ähnliche Zusatzverpflichtungen tragen müssen wie die öffentlichen Krankenhäuser Brüssels, was wohl eher nicht der Fall sein dürfte, lässt sich die von der Kommission verfolgte Konzeption einer einheitlichen de facto sozialen Gesundheitspflege-DAWI nicht heranziehen; mit dieser einheitlichen DAWI, die einige mit Zusatzkosten behaftete Aufgaben mit einbezieht, wird ein Defizitausgleich im Hinblick auf ein Gesamtdefizit des Krankenhauses neben der normalen Krankenhausfinanzierung gerechtfertigt.221 Dieser Ansatz steht im Gegensatz zur Vorgabe des EuG, dass für Zusatzvergütungen Krankenhaussonderaufgaben erforderlich sind; es ist daher anzunehmen, dass die Entscheidung bei einer erneuten Anfechtung aufgehoben wird. Denn es werden zwar einige Sonderaufgaben herausgearbeitet, diese jedoch mit den anderen Aufgaben in einen Topf geworfen. Es ist dann nicht nachvollziehbar, in welchem Maß ein pauschaler Defizitausgleich dann diesen Sonderaufgaben zufließt bzw. für allgemeine Aufgaben verwendet wird. Es ist zwar nachvollziehbar, dass Sonderaufgaben in einer gewissen Einheit mit dem restlichen Krankenhaus stehen und nicht isoliert erbracht werden können. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Verzicht auf einen separaten Mittelfluss. Eine vernünftige Beihilfekontrolle mit insbesondere der nach Art. 106 Abs. 2 AEUV bzw. dem Freistellungsbeschluss vorgesehenen Überkompensationskontrolle ist ansonsten nicht möglich, wenn Ausgabenpositionen vermischt werden. Es kann sonst der Sachverhalt entstehen, dass Mittel aus dem Defizitausgleich für normale Krankenhausaufgaben verwendet werden. Die Kommission setzt sich damit, wohl aus politischen Erwägungen in Gegensatz zu den eigenen, in der DAWI-Mitteilung niedergelegten Grundsätzen. Für Sonderausgaben muss es auch eine besondere Finanzierung geben, die nicht anderen Ausgaben zufließen kann. Derartige Sonderaufgaben lassen sich auch im Übrigen für die Krankenhäuser in Deutschland nicht begründen. Allein die schlichte Aufnahme eine Krankenhauses in den Krankenhausplan stellt keine besondere Aufgabe dar; hierzu wird teilweise angenommen, allein die Aufnahme in den Krankenhausplan verpflichte zur Krankenbehandlung ohne Ablehnungsmöglichkeit,222 teilweise wird vertreten, die Aufnahme in den Kranken220 Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016, SA 19864 – 2014/C (ex 2009/NN54), Rn. 159 ff. – IRIS. 221 Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016, SA 19864 – 2014/C (ex 2009/NN54), Rn. 159 ff. – IRIS. 222 Rehborn, in: Huster/Kaltenborn, Rn. 29.

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hausplan wirke nicht imperativ, sie berechtige nur, verpflichte aber nicht zur Versorgung.223 Jedenfalls ist festzuhalten, dass jedes Krankenhaus, das in den Krankenhausplan aufgenommen wurde, dieselbe Rechtsstellung innehätte, nicht nur die kommunalen Krankenhäuser, so dass hieraus keine Sonderstellung abgeleitet werden kann. Bedeutet dies, dass eine stationäre Krankenhaustätigkeit nie eine DAWI darstellen kann und defizitäre Häuser in kommunaler Trägerschaft nach dem Unionsrecht nicht am Leben erhalten werden dürfen? Bestehen noch andere Lösungsansätze als die bereits diskutierten? Gerade bei kleineren Häusern auf dem Land kann man nachvollziehen, dass finanzkräftige Kommunen deren Betrieb subventionieren, um eine Versorgung in der Fläche zu gewährleisten, auch wenn das jeweilige Krankenhaus nicht für die Krankenhausversorgung insgesamt bzw. der Region systemrelevant ist und eine Privatisierung, die den Betrieb ohne Bezuschussung ermöglichen soll, nicht möglich bzw. opportun ist. Folgende Möglichkeiten kann man andenken: Möglich wäre die Definition einer DAWI für einzelne Häuser und nicht pauschal bei allen Krankenhäusern, wenn für das einzelne Krankenhaus eine spezifische Sonderaufgabe definiert werden kann. Denkbar wäre es, einzelne, defizitäre Abteilungen herauszugreifen, die man jedoch zur Versorgung weiter vorhalten möchte. Eine Definition hinsichtlich einer DAWI für eine spezifische Abteilung hätte den Vorteil, dass die dorthin fließenden Zahlungsströme transparenter ausgewiesen würden. Ein anderer Ansatz wäre, besondere, singuläre Gesundheitsangebote als DAWI zu definieren. Die Herausarbeitung einer Sonderstellung bzw. einer besonderen Verpflichtung, die zugleich eine besondere Finanzierung rechtfertigt, ist in beiden Fällen jedoch nicht denkbar. Denn bei derartigen Gesundheitsleistungen wird, um überhaupt kostendeckend arbeiten zu können, eine Zulassung zur Abrechnung über die Krankenkassen erfolgen und dann besteht auch insoweit Zugang zu einer Abrechnung über die Pflegesätze (und auch zu der Investitionskostenförderung), so dass sich eine Sonderstellung im Krankenhausfinanzierungssystem bei einer Angebotssteigerung bzw. -differenzierung nicht begründen lässt. (f) Lokale Versorgungsaufgabe als besondere Aufgabe in tatsächlicher Hinsicht Eine andere denkbare Lösung erschließt sich, wenn der Aspekt des Lokalen in den Blick genommen wird. In Konsequenz dazu, dass im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit überwiegend eine großzügige, zumindest nationale Marktabgrenzung, jedoch mit Einflüssen auf die Nachbarmärkte in anderen Mitgliedstaaten befürwortet wird, wurde im Rahmen der Prüfung der DAWI-Defini223

Heise, EuZW 2015, 739, 744.

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tion die Frage der Versorgungssicherheit im Hinblick auf Deutschland erörtert. Es gibt aber zwei zusätzliche Aspekte zu beachten. Greift man auf die Marktabgrenzung im Kartellrecht zu Krankenhäusern (Kapitel 3, B. II. 5.) zurück, erhellt sich, dass Krankenhäuser, gerade ländlich gelegene, nur einen Einzugsbereich von einer gewissen Größe haben, etwa im Rahmen eines Umkreises von 50–100 km. Dies bedeutet zum einen, dass Stützungsmaßnahmen an ein Krankenhaus, eher zu geringen Wettbewerbsstörungen und damit auch geringen Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel führen, wenn andere Krankenhäuser nicht in der Nähe sind, abgesehen davon, dass es Konkurrenten schwerer haben, (Teile der) Kapazitäten des geförderten Krankenhauses zu übernehmen, wenn dieses am Leben erhalten bleibt. Auch wenn dies medizinisch nicht zur Professionalisierung und Qualitätssteigerung (hierzu Kapitel 3, A. II.) beiträgt, kann es wünschenswert sein – und dies ist der zweite Aspekt – wohnortnah Kapazitäten vorzuhalten. Dies gilt nicht nur für Notfälle, bei denen ein kurzer Rettungsweg entscheidend ist; hinsichtlich von Notfällen entfällt mangels bewusster Auswahl eines Krankenhauses möglicherweise bereits der Beihilfentatbestand. Auch bei anderen medizinischen Leistungen kann eine derartige Versorgung geboten sein. Denn eine wohnortnahe Versorgung ermöglicht nicht nur eine Behandlung im gewohnten sozialen Umfeld durch erleichterte Besuchsmöglichkeiten, sondern erhöht auch den Stellenwert für die Region und damit das allgemeine Gefühl für die Versorgungssicherheit, was für die Lebensqualität mit entscheidend ist. Zudem wird damit die unionsrechtlich nicht zu beanstandende Zielvorstellung der Aufrechterhaltung der Regionalisierung gefördert. Zudem kann die unstrittig nötige und beihilfenrechtlich wohl unproblematische Krankenhausnotfallversorgung in der Fläche nicht aufrechterhalten werden, wenn nicht weitere Krankenhausabteilungen daneben ebenfalls aufrecht erhalten bleiben. Das Ziel der Sicherstellung einer wohnortnahen Krankenhausversorgung in der Fläche mag zwar nicht für die Gesundheitsversorgung zwingend sein, ist jedoch legitim und, zumindest wenn bei dem geförderten kommunalen Krankenhaus kein weiteres, insbesondere kein privates Krankenhaus in der Nähe ist, also eher nicht in Großstädten, wohl mit nur geringen Auswirkungen auf den Wettbewerb verbunden. Für dieses Ziel streitet auch der Versorgungsgesichtspunkt. Die Aufrechterhaltung der Versorgung mit Krankenhäusern wird wohl als Aspekt bei der beihilfenrechtlichen Prüfung eines einzelnen Falls kaum durchschlagen, da ein einzelnes Krankenhaus wohl kaum systemrelevant sein wird, in der Summe könnte ein Sterben einer Reihe von kommunalen Krankenhäusern durch Untersagung des Defizitausgleichs zwar nicht hinsichtlich des Gesamtsystems, jedoch regional zu Problemen führen, zumal sich wegen der unattraktiven Strukturmerkmale von Krankenhäusern, die Versorgung in der Fläche anbieten [Kapitel 3, A. II. 3. c)] für insolvente Krankenhäuser nicht immer zwingend ein (privater oder sonstiger) Konkurrent finden dürfte, der bereit ist, die Kapazitäten zu übernehmen bzw. seinerseits auf einer Ausgleichszahlung bestehen könnte, für die dann

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als Begründung wieder der zwischen Trägergruppen nicht differenzierende Sicherstellungsauftrag herangezogen werden könnte. Für die Fallgruppe der Krankenhäuser mit lokalem oder regionalem Einzugsbereich kann es daher anerkennenswerte Gründe geben, deren Betrieb mit einem Defizitausgleich aufrecht zu erhalten, die mit einer lokalen oder regionalen Versorgungsaufgabe und den typischerweise schwierigeren wirtschaftlichen Bedingungen dieser Krankenhäuser begründet werden, diese Aspekte könnten auch für eine individuelle, substantiierte Definition einer DAWI im jeweiligen Einzelfall herangezogen werden, um zu begründen, warum das jeweilige konkrete Krankenhaus, auch wenn es keine Effizienzprüfung oder kein Auswahlverfahren durchlaufen musste, eine besondere, vom Markt ansonsten nicht bereitgestellte Versorgungsaufgabe erfüllt. Im Hinblick auf den damit verbundenen Umsetzungsaufwand und der verbleibenden Rechtsunsicherheiten, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV bzw. der Freistellungsbeschluss eine derartige Lösung zulässt, bietet sich als rechtssichere, transparente und ehrliche Lösung die Schaffung einer weiteren Freistellungsmöglichkeit in der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) an. Die Kommission wäre hier auf Grundlage des Art. 108 Abs. 4 bzw. Art. 109 AEUV i.V. m. mit der sog. Ermächtigungsverordnung224 dazu berechtigt. Als Freistellungskriterium wäre denkbar, dass nur Krankenhäuser der Grund- und Regelversorgung ohne weiteres Krankenhaus im Einzugsgebiet erfasst sein sollen. Als räumliche Begrenzung des Einzugsgebiets bietet sich etwa das Gebiet der fraglichen Kommune oder eine Kilometerbegrenzung (etwa 30 oder 50 km) an, bzw. ein Gebiet, innerhalb dessen das Krankenhaus innerhalb einer halben Stunde oder Stunde mit dem PKW oder öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden kann. c) Einordnung des für ambulante Krankenhaustätigkeiten verwendeten Defizitausgleichs und der insoweit verwendeten Investitionskostenförderung Da es für die Definition einer Tätigkeit als DAWI nicht ausreicht, in den Anwendungsbereich der Freistellungsentscheidung einbezogen zu sein, kommt eine Einordnung von ambulanter medizinischer Versorgung als DAWI und damit eine zusätzliche Fördermöglichkeit durch Betriebskostendefizitdeckung oder durch die Mitbenutzung von Krankenhausinfrastruktur, die durch die Investitionskostenförderung gefördert wurde, nicht in Betracht, auch wenn dies politisch gewollt sein könnte, um zum einen die Krankenhäuser zu stärken, die ambulante Versorgung zu professionalisieren und die kostspielige „zweite Schiene“ der

224 Verordnung (EU) 2015/1588 des Rates vom 13. Juli 2015 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl. EU vom 24.9.2015, L 248/1.

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fachärztlichen Versorgung aufzuheben.225 Denn es existiert kein rechtlicher Ansatzpunkt für eine besondere Aufgabe der Krankenhäuser zur ambulanten medizinischen Versorgung, da – nach derzeitigem Begriffsverständnis – vom Sicherstellungsauftrag der Gemeinden bzw. Gemeindeverbände zur Versorgung mit Einrichtungen des Gesundheitswesens bzw. Krankenhäusern nur stationäre Leistungen umfasst sind.226 Trotz des oftmals beklagten Ärztemangels dürfte zudem eine Versorgung mit niedergelassenen Ärzten in der Fläche noch nicht gefährdet sein. 2. Betrauung Angenommen, die stationäre Krankenhaustätigkeit kommunaler Krankenhäuser lässt sich als DAWI qualifizieren, liegen dann die übrigen Voraussetzungen des Freistellungsbeschlusses vor? Angenommen, die ambulante Krankenhaustätigkeit lässt sich als DAWI qualifizieren, liegen dann die Voraussetzungen des Freistellungsbeschlusses nicht nur hinsichtlich des soeben geprüften Defizitausgleichs, sondern auch hinsichtlich der Gewährung der Investitionskostenförderung vor? a) Rechtliche Vorgaben Art. 4 des Freistellungsbeschlusses enthält die Vorschriften über den Betrauungsakt. Hier heißt es, dass die Erbringung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Wege eines oder mehrerer Betrauungsakte übertragen wird, wobei die Mitgliedstaaten in der Bestimmung der Form frei sind. In den Akten muss Gegenstand und Dauer der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen angegeben sein (lit. a), das Unternehmen und gegebenenfalls das betreffende Gebiet (lit. b), die Art etwaiger dem Unternehmen durch die Bewilligungsbehörde gewährter ausschließlicher oder besonderer Rechte (lit. c), die Beschreibung des Ausgleichsmechanismus und Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistungen (lit. d), Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung von Überkompensationszahlungen (lit. e) und einen Verweis auf diesen Beschluss (lit. f). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass im Fall von Ausgleichsleistungen von mehr als 15 Mio. EUR, die einem Unternehmen gewährt werden, das außerhalb von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse noch andere Tätigkeiten ausübt, durch den Mitgliedstaat im Internet oder in sonstiger geeigneter Weise der Betrauungs-

225 Auf diese Motivation deuten die im Mai 2013 geführten Gespräche im Bayerischen Gesundheitsministerium hin. 226 Friedrich/Leber, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 11; Wolff, in: Beck’scher Online-Kommentar Kommunalrecht Bayern, Art. 51 LKrO, Rn. 43.

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akt oder eine Zusammenfassung und der jährliche Beihilfebetrag für das betreffende Unternehmen veröffentlicht werden muss. b) Würdigung Der Betrauungsakt dient lediglich dazu, die fragliche Gemeinwohlaufgabe zu übertragen und abzustecken, um so die Ermittlung eines angemessenen Ausgleichs möglich zu machen.227 Ausschlaggebend ist somit nicht die Form, sondern lediglich, dass der Rechtsakt verbindlich ist, nur dann kommt die Verpflichtung zur Erbringung einer DAWI zum Ausdruck.228 Die betrauende Behörde (staatlich, regional oder lokal) kann damit nach den nationalen Vorschriften, die die Festlegung einer DAWI und Finanzierung bestimmen, handeln, der Betrauungsakt kann damit der verwendeten Rechtsgrundlage aus dem nationalen Förderrecht entsprechen, solange die Mindestvoraussetzungen des Unionsrechts eingehalten sind.229 Formal gibt das Unionsrecht alle Freiheiten, das heißt, es muss das Wort Betrauungsakt nicht genannt sein,230 abhängig von der Gesetzgebung des Mitgliedstaates kann es sich bei dem Betrauungsakt um einen legislatives und regulatorisches Instrument oder einen Vertrag handeln.231 Daher kommt ein selbstständiger Betrauungsakt durch die Kommune gegenüber dem Krankenhaus als Betrauungsakt im Sinn des Freistellungsbeschlusses in Betracht. Dies gilt unabhängig davon, ob er – gegenüber einem rechtlich verselbstständigten Krankenhausträger – als Verwaltungsakt oder gegenüber einem Eigen- oder Regiebetrieb als Organisationsakt oder Weisung zu qualifizieren ist, weil jeweils der verpflichtende Charakter der Maßnahme unstrittig ist. Die Verwendung eines gesonderten Betrauungsakts ist ein tauglicher Weg, eine mögliche gesetzliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des Betriebs gegenüber dem Krankenhaus auszusprechen, gerade auch dann, wenn das Krankenhaus im kommunalen Eigentum steht und auch wenn es keine eigene Rechtspersönlichkeit hat, um so den Sicherstellungsauftrag an das Krankenhaus weiter zu reichen. Bzgl. ambulanten Leistungen ist zu sagen, dass der Investitionskostenförderbescheid selbst keine Verpflichtung zur Leistungserbringung enthält, geschweige denn zur Erbringung ambulanter Leistungen und daher als tauglicher Betrauungsakt ausscheidet. Andererseits wird angenommen, dass die gesetzlichen Ermächtigungen zur Erbringung ambulanter Leistungen bzw. darauf aufbauende Verwaltungsakte Betrauungsakte darstellen. Dies ist prinzipiell denkbar.232 227 228 229 230 231 232

DAWI-Leitfaden, Rn. 46. DAWI-Leitfaden, Rn. 47. DAWI-Leitfaden, Rn. 47. DAWI-Leitfaden, Rn. 47. DAWI-Leitfaden, Rn. 47, DAWI-Mitteilung, 52. Hierzu Seitz, S. 296 ff.

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c) Beschreibung des Ausgleichsmechanismus und Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistungen; Vermeidung von Überkompensation Im Betrauungsakt müssen der Ausgleichsmechanismus und die Parameter für die Berechnung, Überwachung, und Änderung der Ausgleichsleistungen beschrieben sein, Art. 4 lit. d. Näheres zur Berechnung des Ausgleichs regelt Art. 5. Die Höhe des Ausgleichs ist begrenzt durch das, was zur Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung angefallenen Nettokosten erforderlich ist, einschließlich eines angemessenen Gewinns, Art. 5 Abs. 1. Die Berechnung des Ausgleichs kann als Differenz zwischen den bei der DAWI angefallenen Kosten abzüglich der Einnahmen oder im Wege eines Vergleichs der Gesamtnettokosten mit und ohne DAWI erfolgen, Art. 5 Abs. 2. Berücksichtigungsfähig sind nur Kosten für die DAWI, falls das Unternehmen auch andere Tätigkeiten ausübt, dürfen die insoweit angefallenen Kosten nicht berücksichtigt werden, Art. 5 Abs. 3 lit. a, b. Insofern ist eine getrennte Kostenrechnung erforderlich, Art. 5 Abs. 9. Berücksichtigungsfähig sind neben den unmittelbaren Kosten auch ein angemessener Teil der Fixkosten, Art. 5 Abs. 3 lit. c und erforderliche Investitionskosten, Art. 5 Abs. 3 lit. d. Die Frage der Gewinnermittlung ist in Art. 5 Abs. 3–8 geregelt. Zugrunde zu legen ist die Kapitalrendite, die ein durchschnittliches Unternehmen zugrunde legen würde, Art. 5 Abs. 5, Anreizkriterien zur Belohnung von Effizienzgewinnen sind möglich, Art. 5 Abs. 6. Es kann auf den safe-harbor des sog. relevanten Swap-Satzes zuzügliches eines Aufschlags von 100 Basispunkten (die aktuellen Werte können auf der Webseite der Kommission nachgesehen werden) zurückgegriffen werden, Art. 5 Abs. 7. Der Kommission ist dabei wichtig, dass „die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufgestellt sein müssen, um zu verhindern, dass dem Unternehmen, dem der Ausgleich gewährt wird, ein wirtschaftlicher Vorteil erwächst, der es gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt.“ 233 Es ist nicht erforderlich, dass eine bestimmte Formel (etwa die Zahlung eines bestimmten Ausgleichsbetrags pro erbrachter DAWI-Einheit) festgelegt wird, solange von Anfang an feststeht, wie der Ausgleich bestimmt wird.234 Auch wenn der Ausgleich für alle Kostenpositionen vorgenommen werden soll, weil das Unternehmen nur DAWI erbringt, muss vorab festgelegt werden, wie die Kosten bestimmt und kalkuliert werden.235 233 234 235

Ziffer 54 der DAWI-Mitteilung. Ziffer 55 der DAWI-Mitteilung. Ziffer 56 der DAWI-Mitteilung.

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Obwohl also der Idealtyp ist, dass gewisse Kostenparameter vorgesehen werden, kommt es in der Sache nur darauf an, dass keine überhöhten Ausgleichszahlungen vorliegen.236 Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung findet nicht statt.237 Daher ist es auch möglich, dass vorab festgelegt wird, dass die jeweiligen Betriebsverluste im Wege eines Defizitausgleichs ausgeglichen werden, solange keine Überkompensation vorliegt.238 Dies gilt auch, wenn die DAWI teilweise vom Staat, teilweise von den Leistungsempfängern finanziert wird.239 Eine getrennte Buchführung für DAWI und Nicht-DAWI ist nicht erforderlich, wenn der Leistungserbringer ausschließlich DAWI erbringt.240 Voraussetzung ist jedoch eine minimale Vorsteuerung hinsichtlich der Errechnung bzw. Festlegung der erstattungsfähigen Kosten. So kann im Betrauungsakt auf den Jahreswirtschaftsplan eines Krankenhausplans Bezug genommen werden, der ein mögliches Betriebskostendefizit vorab ausweist, wenn der Jahreswirtschaftsplan zur Errechnung des Defizits die mit der DAWI zusammenhängenden Erträge und Aufwendungen vorab ausweist. Nicht ausreichend ist die Veranschlagung eines Defizits ohne vorherige Festlegungen, wie sich dieses errechnet oder gar ein nachträglicher Ausgleich von Defiziten ohne vorherige Festlegungen zu dessen Größe oder Errechnung.241 Denn im letzteren Fall wäre eine Überkompensierung nicht ausgeschlossen bzw. nicht anhand nachvollziehbarer Angabe zu kontrollieren. Es ist möglich, dass die Kosten nicht vorhersehbar sind, also die tatsächlichen Kosten abweichen, etwa weil ein festgesetztes Budget nicht eingehalten werden kann. Dem kann zulässigerweise dadurch entgegengetreten werden, dass ein Korrekturmechanismus eingeführt wird, bei dem die geschätzten Kosten nachträglich anhand der tatsächlichen Kosten berichtigt werden.242 Es muss zudem ein Kontrollmechanismus gegen Überkompensation vorgesehen sein, vgl. Art. 6. Hierfür müssen Nachweise geführt und regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden, zumindest alle drei Jahre während des Betrauungszeitraums und am Ende des Betrauungszeitraums, Art. 6 Abs. 1. Liegt der Ausgleich über den Kosten, so ist das Unternehmen zur Rückzahlung aufzufordern bzw. bei nicht mehr als zehnprozentiger Überkompensation kann dies auf die Ausgleichszahlungen in der nächsten Periode angerechnet werden. Die Parameter für eine künftige Ausgleichszahlung sind neu festzulegen, Art. 6 Abs. 2. Erfüllen die vorgestellten Lösungsansätze diese Vorgaben? Bei Verwendung eines gesonderten Betrauungsakts wird üblicherweise so vorgegangen, dass der 236 237 238 239 240 241 242

DAWI-Leitfaden, Rn. 122. DAWI-Leitfaden, Rn. 118. DAWI-Leitfaden, Rn. 122. DAWI-Leitfaden, Rn. 121. EuG, U. v. 7.11.2012, T-137-10, juris, Rn. 203 ff. – IRIS. BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493, Rn. 80 ff. DAWI-Leitfaden, Rn. 117.

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Jahresfehlbetrag der Tätigkeiten, die als DAWI definiert wurden, ausgeglichen wird. Der Jahresfehlbetrag ergibt sich aus dem vorab aufgestellten Jahreswirtschaftsplan.243 Weiter ist festgelegt, dass weitere Fehlbeträge aus nicht vorhergesehenen Ereignissen ebenfalls ausgeglichen werden, § 3 Abs. 3 des Musterbetrauungsaktes. Als Nachweis über die Verwendung der Mittel gilt der Jahresabschluss,244 Überzahlungen sind auszugleichen. Mögliche Einwände gegen die beihilfenrechtliche Vorgabe einer Trennungsrechnung im Hinblick auf Nicht-DAWI greifen nicht durch und eine solche muss und kann in der Praxis durchgeführt werden, falls nur ein Teil der Krankenhaustätigkeit eine DAWI darstellt. Schließlich schlägt dies auch die neue Handreichung aus dem Jahr 2014 zur Umsetzung des Almunia-Pakets vor.245 Dies gilt auch hinsichtlich der Verwendung des Defizitausgleichs im Hinblick auf die ambulante Krankenhaustätigkeit, da hier schon aufgrund Sozialrechts eine getrennte Buchführung einzuhalten ist.246 Bzgl. der Lösungsansätze bei ambulanten Tätigkeiten gilt folgendes: Mittels der Investitionskostenförderung werden entweder einzelne Vorhaben gefördert oder eine Pauschalförderung betrieben. Typischerweise kommt es dazu, dass die geförderten Vorhaben, obwohl diese nur für die stationäre Gesundheitsversorgung gedacht sind, für ambulante Tätigkeiten mitbenutzt werden. Wird dies nicht entsprechend vergütet bzw. abgerechnet – was so gut wie nie vorkommen dürfte und wohl kaum praktikabel sein dürfte – unterfällt dies dem Beihilfentatbestand. Eine Rechtfertigung unter dem Freistellungsbeschluss kommt prinzipiell dann in Betracht, wenn man die Erbringung ambulanter Gesundheitsleistungen durch Krankenhäuser als DAWI einordnet. Kriterien dafür, inwiefern und inwieweit die Mittel aus der Investitionskostenförderung für ambulante Leistungen verwendet werden dürfen, finden sich jedoch nicht im Fördermittelbescheid. Eine Kontrolle von Überkompensation ist daher nicht möglich. Auch soweit man die gesetzlichen Ermächtigungen der Krankenhäuser als Betrauung mit ambulanten Gesundheitsleistungen versteht, liegen insoweit keine vorab definierten transparenten und objektiven Ausgleichsparameter vor. Teils ist es so, dass eine Kürzung der Entgelte für ambulante Leistungen nicht vorgesehen ist und es daher natürlich zu Quersubventionierungen, aber auch zu einer Überkompensierung einer wie auch immer gestalteten Gemeinwohlaufgabe kommen kann, selbst wenn man jedwede ambulante Versorgung im Krankenhaus darunter versteht. Aber auch wenn ein Investitionskostenabschlag in Höhe von 10 % von der ambulanten Versorgung

243

§ 3 Abs. 2 des Musterbetrauungsaktes. § 4 Abs. 1 des Musterbetrauungsaktes. 245 http://www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/F/Finanzierung_der_Da seinsvorsorge/2014-02-05_Handreichung_DAWI_mit_Deckblatt.pdf. (letzter Abruf 29.4. 2019). Siehe dazu schon Koenig/Paul, EuZW 2009, 844. 246 Siehe dazu Prütting, in: Huster/Kaltenborn (Hrsg.), Krankenhausrecht, Rn. 122 f. 244

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vorgesehen ist, besteht keine ausreichende Kontrolle gegen Überkompensation. Denn bei einem solchen pauschalen, nicht auf tatsächliche Kosten abstellenden Abschlag, ist eine Überkompensierung nicht ausgeschlossen.247 3. Verbot der Überkompensierung Im vorherigen Abschnitt wurde bereits beschrieben, dass im Betrauungsakt festgeschrieben sein muss, wie der Ausgleich berechnet werden muss, um eine Überkompensierung zu vermeiden. Hierzu wurde bereits festgehalten, dass es zulässig sein kann, festzuschreiben, dass die jeweiligen Betriebsdefizite für eine DAWI-Tätigkeit übernommen werden, soweit nachgelagerte Kontroll- und Sicherheitsmechanismen greifen. Insofern können die Vorschriften zur Vermeidung der Überkompensation in den Randnummern 60–61 des Freistellungsbeschlusses durch das Modell eines gesonderten Betrauungsaktes bei entsprechender Regulierung eingehalten werden. 4. Effizienzvorgabe? Da der Freistellungsbeschluss im Gegensatz zu den Grundsätzen der AltmarkRechtsprechung kein Effizienzkriterium aufweist, sind die Mitgliedstaaten bzw. die betrauende Behörde in der Auswahl des Dienstleistungserbringers frei; eine Kontrolle der zugrundeliegenden politischen Entscheidung oder eine Wirtschaftlichkeitsprüfung findet insoweit nicht statt.248 Es ist daher zulässig, den Defizitausgleich an Krankenhäuser zu gewähren, ohne einen Wettbewerb oder eine wettbewerbliche Analyse darüber, welcher Träger das Krankenhaus betreiben darf, durchzuführen und ohne eine Wirtschaftlichkeitskontrolle zu eröffnen. Dies birgt zwar das Risiko von Misswirtschaft. Primäres Ziel des Beihilfenrechts ist jedoch der Wettbewerbsschutz und nicht haushaltsrechtliche Kostenkontrolle. Angesichts dessen, dass Wettbewerbsverzerrungen im regulierten Markt der Krankenhäuser nicht dasselbe Ausmaß erreichen wie in einem Markt, in dem auch der Preiswettbewerb eröffnet ist, sind mögliche, auch unter dem Freistellungsbeschluss noch mögliche Wettbewerbsverzerrungen durch ein subventioniertes Krankenhaus, welches eine echte DAWI erbringt, hinzunehmen, um einen durch die Einhaltung eines Effizienzkriteriums drohenden, zu hohen Regulierungsaufwand zu vermeiden. Der Verzicht auf ein Effizienzkriterium bedeutet umgekehrt auch, dass ein Wettbewerb um den Markt, also die Trägerschaft des Krankenhauses, welches von einem Defizitausgleich profitiert, nicht stattfindet und es dem jeweiligen politischen Willen der fraglichen Kommune überlassen 247 248

Seitz, S. 291. Siehe insoweit auch EuG, U. v. 7.11.2012, T-137/10, juris, Rn. 293–300 – IRIS.

D. Fazit

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bleibt, das Krankenhaus in eigener Trägerschaft oder nicht zu betreiben; nur eine indirekte Kontrolle findet im Rahmen der Definition einer DAWI statt, weil hierfür eine besondere Versorgungsaufgabe und ein Bedarf hierfür begründet werden muss. Dies ist letztlich Konsequenz der politischen Grundentscheidung der EUKommission, Krankenhäuser in den Freistellungsbeschluss aufzunehmen.

D. Fazit Bei der Untersuchung des Falles „Krankenhaus“ hat sich das Ausmaß der Problematik gezeigt, wenn eine Tätigkeit, die in ein mitgliedstaatliches Finanzierungssystem eingebunden ist, gleichzeitig eine DAWI darstellen soll, die Bejahung des Beihilfentatbestandes unterstellt, gerade wenn dieses System den Anspruch erhebt, die Finanzierung erschöpfend zu regeln bzw. die Unterfinanzierung mancher Leistungserbringer sogar systemimmanent und gewollt ist. Auf das gesamte Krankenhaussystem bezogen bzw. in genereller Weise lässt sich eine besondere Aufgabe und damit die Begründung einer DAWI für einzelne Leistungserbringer bzw. eine Gruppe von Leistungserbringern nicht begründen, die innerhalb des bzw. für das System besonders versorgungsrelevant sein sollen. Das EU-Beihilfenrecht sichert somit die Integrität des nationalen Finanzierungssystems und die damit verfolgten Zwecke. Zugleich dient das Beihilfenrecht damit dem Schutz des mit dem Finanzierungssystem verfolgten Zwecks des Wettbewerbs der Leistungserbringer: Der kommunale Sicherstellungsauftrag bildet zwar zunächst einen rechtlichen Ansatzpunkt zur Begründung einer Sonderstellung, um DAWI-Beihilfen von Kommunen, als Akteure außerhalb der sonstigen Krankenhausfinanzierung, an kommunale, im Prinzip auch an Krankenhäuser anderer Trägergruppen zu rechtfertigen. Dies gilt jedoch nur insoweit, als Krankenhäuser stationär tätig sind, da die ambulante Krankenhaustätigkeit von dem landesgesetzlich vorgesehenen Sicherstellungsauftrag nicht umfasst ist und eine wohnortnahe Versorgung im Prinzip durch ambulante Ärzte gewährleistet ist. Es ließe sich damit zunächst eine DAWI für die Vorhaltung des gesamten stationären Krankenhausbetriebs begründen. Der Ansatz über den Sicherstellungsauftrag verfängt jedoch nicht, da damit keine für die Definition einer DAWI notwendige Sonderstellung eines geförderten Krankenhauses oder einer Gruppe von Krankenhäusern verbunden ist, insbesondere auch nicht im Hinblick auf Krankenhäuser mit kommunalem Träger. Dieser Ansatz, der aber von der bisherigen Rechtspraxis, auch der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs gewählt bzw. gebilligt wird, steht nicht im Einklang mit den Vorgaben des Freistellungsbeschlusses bzw. von Art. 106 Abs. 2 AEUV und würde zudem dazu führen, dass das Beihilfenrecht insoweit einen bloßen Formalismus darstellen würde. Denn danach wäre es im Einzelfall zulässig, die bisherige Finanzierungspraxis ohne inhaltliche Änderung mithilfe eines gesonderten Betrauungsakts beihilfenrechtlich zulässig einzukleiden. Zweifel bestehen zwar insoweit, als der Betrauungsakt quasi einen In-

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Kap. 3: DAWI im Krankenhauswesen

Sich-Rechtsakt darstellt, was nach dem beihilfenrechtlichen Idealmodell der Beauftragung eines externen Dienstleisters nicht vorgesehen ist. Eine entsprechende Abwandlung ist aber vertretbar und muss möglich sein, um die grundsätzlich legitime Entscheidung, dass staatliche Unternehmen selbst wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben dürfen, nicht anzugreifen. Denn ein Privatisierungszwang ist im Rahmen des Freistellungsbeschlusses nicht vorgesehen, wie sich daran erkennen lässt, dass auf das vierte Altmark-Kriterium, das Effizienzkriterium, verzichtet wird. Die weiteren Kriterien die der Freistellungsbeschluss für Ausgleichszahlungen aufstellt, die Vorab-Definierung transparenter Ausgleichsparameter und die Vermeidung von Überkompensation dürften bei Defizitausgleichen nach dem Modell des Muster-Betrauungsakts unproblematisch zu erfüllen sein. Die Verletzung dieser Kriterien, deren Einhaltung mit dem Freistellungsbeschluss maßgeblich erreicht werden soll, wäre aber nach der bisherigen Finanzierungspraxis ohnehin nicht zu befürchten. Denn auch bei wirtschaftlich leistungsfähigen Kommunen dürfte überhaupt kein Interesse daran bestehen, mehr als die angefallenen Defizite auszugleichen. Dies ist ja die „Hauptsorge“ des Freistellungsbeschlusses, dass Überzahlungen zu Wettbewerbsvorteilen in Nicht-DAWI-Bereichen führen. Abseits der Notwendigkeit einer sauberen Festlegung eines Dienstes als DAWI – diese einzige echte Hürde wird von der Rechtspraxis zur Sicherung des status quo unterlaufen – sind die Regelungen des Freistellungsbeschlusses damit weitestgehend sinnentleert. Die geringe Relevanz des Freistellungsbeschlusses für Krankenhäuser, aber wohl auch für vergleichbare Förderfälle, zeigt sich auch daran, dass er eine Vielzahl von Regelungen enthält zur Frage, wie ein angemessener Gewinn im Rahmen der Ausgleichsleistung zu bemessen ist. Es ist aber völlig fernliegend dass Gebietskörperschaften ihren Krankenhäusern einen Gewinn bezahlen. Die Anforderungen des Freistellungsbeschlusses scheinen daher teilweise überflüssig, schaffen aber Umsetzungsaufwand und schaffen eher neue Fragen als alte zu klären. Denn weitere, „harte“ Anforderungen sind nicht enthalten, da das Effizienzkriterium fehlt und es daher in der Sache erlaubt ist, eine Krankenhausfinanzierung nach dem alten Krankenhausfinanzierungsmodell – Finanzierung der vorgehaltenen Kapazitäten statt Vergütung einzelner Leistungen249 – durch die Hintertür weiter zu betreiben, so eine DAWI-Definition möglich ist. Es sollte daher eine Freistellung in der AGVO nicht nur für den Bau, sondern auch den Betrieb lokaler Infrastrukturen, besser noch für die regionale Krankenhausversorgung geben, soweit damit die stationäre Tätigkeit gemeint ist bzw. dies sollte durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt werden. Dies würde nicht nur Rechtsunsicherheit und unnötigen Verwaltungsaufwand reduzieren, wenn ohnehin derzeit weder der BGH noch die Kommission den Willen aufbringt, die unionsrechtlichen DAWI-Regeln konsequent und mit einem genauen Blick für 249

Siehe Kapitel 3, A. I., II.

D. Fazit

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den zu untersuchenden Fall anzuwenden, ohne die Problematik angesichts möglicher zukünftiger Klagen von Wettbewerbern und möglicher Vorlagen an den EuGH dauerhaft zu befrieden. Soweit die insoweit geförderten Krankenhäuser keine oder kaum überschneidende Einzugsbereiche haben, ist dies auch in der Sache konsequent. Denn dem Beihilfenrecht geht es letztlich um Wettbewerbsschutz. Wie die dargestellte Marktabgrenzung des Bundeskartellamts zeigt, liegen bei Krankenhäusern im Regelfall nur regionale Märkte vor. Es kommt daher im Verhältnis zu anderen Krankenhäusern nicht zu Wettbewerbsstörungen. Höchstens kann es um die Frage des Wettbewerbs um den Markt, also wer die lokalen Krankenhäuser betreiben darf, gehen. Das Beihilfenrecht stellt aber insoweit keine Anforderungen, da nach dem Freistellungsbeschluss wegen des Verzichts auf das Effizienzkriterium die Auswahl des Leistungserbringers frei ist. Gesundheitspolitische und strukturpolitische Erwägungen mögen dafür sprechen, mittels des Beihilfenrechts die Aufrechterhaltung eher unprofessioneller kleinerer Einheiten zu unterbinden. Dem ist jedoch entgegen zu treten, da das Beihilfenrechts nicht den Charakter eines (Ersatz-)Haushaltsrechts hat. Soweit es um die Zweckmäßigkeit der Verwendung kommunaler Mittel geht, sind in erster Linie der Haushaltsgesetzgeber und die (kommunale) Öffentlichkeit zur Kontrolle berufen.

Kapitel 4

Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Flughafensektor A. Flughafenbeihilfen als DAWI? – Sachverhaltsdarstellung: Bau- und Betriebskostenzuschüsse an Flughäfen I. Entwicklung des Luftverkehrsmarktes und die Agenda der Kommission Die Liberalisierung1 des Flugverkehrs innerhalb der EU seit 1997 hat zu weitreichenden Veränderungen auf dem Luftverkehrmarkt geführt. Der Luftverkehrmarkt ist ein Wachstumsmarkt mit 973 Millionen Passagieren im Jahr (2016), gegenüber etwa 822 Millionen Passagieren im Jahr 2011.2 Zu den großen Luftverkehrsgesellschaften, die sich ehemals in Staatshand befanden, sind weitere Gesellschaften dazu getreten. Dabei lassen sich viele dieser Gesellschaften als sog. Billigfluggesellschaften klassifizieren; ihr Marktanteil liegt mittlerweile über dem der etablierten Fluggesellschaften. Die neu gegründeten Billigfluggesellschaften haben durch günstige Ticketpreise in beträchtlichem Umfang zum Wachstum des Marktes beigetragen.3 Die Flughäfen innerhalb der EU befinden sich zum größten Teil noch in öffentlichem Eigentum bzw. in Staatshand. Es kam in den vergangenen Jahren auch zu einer Reihe von Neugründungen im Flughafenbereich, vor allem im Hinblick auf sog. Regionalflughäfen, also kleinere Flughäfen in Gebieten abseits der Ballungszentren. Häufig werden diese Regionalflughäfen von den Billigfliegern bedient.4 Zumeist sind die Motive bei Neu1 Damit ist gemeint, dass jedes Luftfahrtunternehmen mit einer Genehmigung nach EU-Recht nun uneingeschränkten Marktzugang zu allen Flughäfen hat und die Beförderungspreise selbst festsetzen kann. Dazu und zu den Rechtsakten, die dazu geführt haben s. Anwendung der Artikel 92 und 93 des EG-Vertrages sowie des Artikels 61 des EWR-Abkommens auf staatliche Beihilfen im Luftverkehr, ABl. EG 1994, C 350/5, Ziffer 1 f.; Mitteilung der Kommission. Gemeinschaftliche Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihilfen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen, ABl. EU 2005, Ziffer 1 ff. 2 Mitteilung der Kommission, Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3, Ziffer 1. 3 Mitteilung der Kommission, Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3, Ziffer 1–17. 4 Mitteilung der Kommission, Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3, Ziffer 1–17.

A. Flughafenbeihilfen als DAWI?

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gründung von Regionalflughäfen die Nutzung andernfalls womöglich brachliegender ehemals militärischer Flughafeninfrastruktur, die Förderung der Erreichbarkeit der jeweiligen Region und erhoffte positive Effekte für die wirtschaftliche Entwicklung der Region.5 Derzeit lässt sich beobachten, dass es bei Flughäfen bei den großen Drehkreuzen zu zunehmenden Überlastungen kommt und es immer noch Gebiete gibt, die schlecht an den Rest der Union angebunden sind. Die zunehmende Dichte der Regionalflughäfen führt jedoch zu Überkapazitäten in Bezug auf die Passagiernachfrage und den Bedarf der Fluggesellschaften.6 Die Kommission verfolgt in diesem Zusammenhang im Rahmen ihrer Agenda zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum das Ziel weiteren Wachstums, bei dem allerdings die bestehenden Infrastrukturen besser genutzt werden sollen und ein freier und unverfälschter Wettbewerb ohne ungerechtfertigte Subventionen gewährleistet werden soll.7 Daher sollen Fluggesellschaften keine Beihilfen von Flughäfen mehr erhalten, mit Ausnahme von sog. Anlaufbeihilfen, für die Fälle, in denen eine neue Anbindung zu einer entlegenen Region geschaffen werden soll und andernfalls keine Fluggesellschaften für diese Anbindung gewonnen werden können.8 Die Kommission erkennt zwar an, dass die Mitgliedstaaten Flughafeninfrastrukturen primär als Mittel ihrer Infrastrukturpolitik ansehen, Beihilfen für den Bau von Flughafeninfrastruktur sollen jedoch nur noch in bestimmten Fällen und in bestimmten Maße zulässig sein. Strenger noch ist die Zielvorstellung bei Betriebsbeihilfen an Flughäfen. Diese sollen nach einem Übergangszeitraum, nach Ende 2024, generell unzulässig sein, da die Kommission erwartet, dass Flughäfen rentabel betrieben werden. Nur bei Flughäfen mit bis zu 700.000 Mio. Passagieren im Jahr behält sich die Kommission eine Neubewertung dieser Politik nach Ende des Übergangszeitraums vor; denn kleine Flughäfen, die am häufigsten in öffentlichem Eigentum stehen, hätten am häufigsten Schwierigkeiten, ihre Betriebskosten zu decken und deren Preispolitik sei am häufigsten von regionalen Zwecksetzungen mitbestimmt.9 Grund dieser Linie ist, dass Betriebsbeihilfen als enorm wettbewerbsverzerrend angesehen werden, gerade weil sie in der Vergangenheit – als Mittel mitgliedstaatlicher Infrastrukturpolitik – häufig dazu eingesetzt wurden, Fluggesellschaften zu fördern und dadurch zu binden, indem die staatlichen Mittel an den staatlichen Flughafen durch entsprechende Gestaltung an die Fluggesell-

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Guarrata, S. 3. Mitteilung der Kommission, Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3, Ziffer 1–17. 7 Mitteilung der Kommission, Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3, Ziffer 1–17. 8 Mitteilung der Kommission, Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3, Ziffer 15. 9 Mitteilung der Kommission, Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3, Ziffer 1–17, 130. 6

und und und und

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Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

schaften weitergereicht werden.10 Da Beihilfen an Fluggesellschaften nun im Prinzip unzulässig sind, bedürfte es dieser „doppelten“ Beihilfenkontrolle eigentlich nicht: Flughafenentgelte sind dann keine Beihilfen und nicht zu billig, wenn sie Marktpreisen entsprechen und eine Vorab-Analyse ergibt, dass sie einen Beitrag zum Gewinn des Flughafens liefern.11 Aufgrund der Verschiedenheit von Flughäfen und der Vielgestaltigkeit der Gestaltung von Flughafenentgelten lässt sich im jeweils zu beurteilenden Fall kaum mit einem für die rechtliche Prüfung ausreichenden Maß an Gewissheit sagen, dass Flughafenentgelte beihilferechtskonform sind oder nicht. Daraus erklärt sich letztlich, dass verstärkt das Augenmerk gelegt wird auf Beihilfen für den Betrieb von Flughafeninfrastruktur.12

II. Zur wirtschaftlichen Situation der Flughäfen in Deutschland In Deutschland existieren 39 Verkehrsflughäfen.13 Als Verkehrsflughäfen werden solche Flughäfen bezeichnet, die als solche von der zuständigen Behörde genehmigt wurden – als Flughäfen des allgemeinen Verkehrs, § 38 Abs. 2 Nr. 1 LuftVZO. Das statistische Bundesamt rechnet dabei 24 Verkehrsflughäfen zu den Hauptverkehrsflughäfen. Dies sind solche mit mehr als 150.000 Fluggasteinheiten (Ein- und Aussteiger, je 100 kg Fracht und Post) im Jahr.14 Hierzu zählen die Flughäfen in Sylt-Westerland, Lübeck, Hamburg, Bremen, Hannover, Berlin-Tegel, Berlin-Schönefeld, Münster/Osnabrück, Niederrhein, Dortmund, Paderborn/ Lippstadt, Düsseldorf, Köln/Bonn, Erfurt, Leipzig/Halle, Dresden, Hahn, Frankfurt/Main, Saarbrücken, Nürnberg, Karlsruhe/Baden-Baden, Stuttgart, München, Memmingen und Friedrichshafen.15 Man kann dabei zwischen Regionalflughäfen und größeren, internationalen Flughäfen unterscheiden.16 Eine einheitliche Begriffsdefinition dazu existiert nicht. Allerdings sind nach der Definition der EU-Kommission alle Flughäfen bis zu 3 Millionen Passagieren im Jahr Regionalflughäfen.17 Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) unter10 Mitteilung der Kommission, Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3, Ziffer 1–17. 11 Mitteilung der Kommission, Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3, Ziffer 53–66. 12 Mitteilung der Kommission, Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU vom 4.4.2014, C 99/3, Ziffern 1–17, 53–66. 13 http://flughafenkuerzel.blogspot.com/2012/08/alle-flughafen-in-deutschland.html (letzter Abruf am 29.4.2019). 14 Statistisches Bundesamt, Verkehr, Februar 2018. 15 Statistisches Bundesamt, Verkehr, Februar 2018; s. dort auch die Karte hierzu auf S. 3. 16 Vgl. Hösch, UPR 2016, 100, 105. 17 Mitteilung der Kommission. Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, 2014/C 99/03, ABl. EU C 99/3, Ziffer 2.2, Unterpunkt 26.

A. Flughafenbeihilfen als DAWI?

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scheidet zwischen internationalen Verkehrsflughäfen und regionalen Verkehrsflughäfen.18 Nach der derzeit aktuellsten Zählung des statistischen Bundesamts sind von den in der Statistik aufgeführten, sog. Hauptverkehrsflughäfen, die Definition der EU-Kommission zugrunde gelegt, Berlin-Schönefeld, Berlin-Tegel, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Köln/Bonn, München, Nürnberg und Stuttgart internationale Flughäfen mit über drei Millionen Passagieren pro Jahr; wobei Frankfurt/Main (61 Mio.) und München (41 Mio.) die mit Abstand meisten Passagiere haben. Danach zählen die Flughäfen Bremen, Dortmund, Dresden, Erfurt, Friedrichshafen, Hahn, Karlsruhe/Baden-Baden, Leipzig/ Halle, Lübeck, Memmingen, Münster/Osnabrück, Niederrhein, Paderborn/Lippstadt, Saarbrücken und Sylt-Westerland zu den Regionalflughäfen.19 Für die Fragestellung hier interessieren die wirtschaftlichen Kennzahlen, vor allem die Betriebsergebnisse, da Betriebskostendefizite zum einen eine Aussage über die Wirtschaftlichkeit des Flughafens erlauben, zum anderen darum, weil diese überhaupt erst den Anlass für Subventionierung bilden. Eine Überblicks-Statistik zu diesen Daten existiert jedoch nicht. Aus den im Internet erhältlichen Quellen, die auf den Geschäftsberichten der Flughafengesellschaften beruhen, ergibt sich jedoch das Bild, dass die Mehrzahl der Flughäfen in Deutschland, gerade die kleineren Flughäfen, teils erhebliche Verluste schreiben. Während etwa die großen Flughäfen Düsseldorf, Hamburg, München und Frankfurt im Jahr 2014 sehr hohe Gewinnmargen bis zu 20 % (Frankfurt) eingefahren haben und Gewinne bis in dreistelliger Millionenhöhe zu verzeichnen hatten,20 schrieben beispielsweise alle 18 deutschen „Regionalflughäfen“ außer Düsseldorf-Weeze im Jahr 2012 Verluste.21 Als Regionalflughäfen werden in dieser Statistik die Flughäfen Leipzig/ Halle, Dortmund, Saarbrücken, Dresden, Hahn, Münster/Osnabrück, Friedrichshafen, Zweibrücken, Erfurt, Bremen, Karlsruhe/Baden-Baden, Hannover, Nürnberg, Rostock-Lage, Paderborn/Lippstadt, Memmingen, Sylt und DüsseldorfWeeze gezählt, gegenüber den großen Flughäfen Frankfurt am Main, München, Düsseldorf, Berlin-Tegel, Hamburg, Stuttgart, Köln/Bonn, Berlin-Schönefeld. Die Flughäfen wiesen dabei überwiegend einstellige Millionenverluste aus, mit Ausnahme von Dortmund und Saarbrücken (18,5 Mio.) und Leipzig/Halle

18 Siehe die Auflistung bei http://adv.aero/der-verband/mitglieder/, wonach die meisten Flughäfen der Kategorie der internationalen Verkehrsflughäfen zugerechnet werden. Ausschlaggebend für die Einteilung sind die Anzahl der Passagiere und der Starts und Landungen auf einem Flugplatz. (letzter Abruf am 29.4.2019). 19 Siehe dazu insgesamt Statistisches Bundesamt, Luftverkehr auf allen Flugplätzen, 2016. 20 http://www.bdf.aero/news-wissenswertes/news/2015/deutsche-flughafen-mit-sehrguten-geschaftszahlen/ (letzter Abruf am 29.4.2019). 21 http://www.zukunft-mobilitaet.net/84759/flugverkehr/verluste-regionalflughaefen2012-weeze-dortmund-dresden-luebeck-kassel-calden-leipzig-frankfurt-hahn/ (letzter Abruf am 29.4.2019).

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Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

(66,4 Mio.).22 Ein ähnliches Bild liefert eine Statistik aus dem Jahr 2013, bei der auch der kurz zuvor fertiggestellte Flughafen in Kassel-Calden aufgeführt ist, der bislang nur ca. 50.000 Passagiere pro Jahr bedient – während in Frankfurt am Main etwa 150.000 Passagiere pro Tag abgefertigt werden –, aber ein Betriebsdefizit von 5,7 Mio. EUR einfuhr.23 Als Ursache für die Defizite der Regionalflughäfen werden die zu geringen Passagierzahlen und die daher fehlende Perspektive gesehen – allein die Zurverfügungstellung der Infrastruktur führt gegenüber den Großflughäfen nicht zu höherer Attraktivität. Dass es überhaupt zu einer derart großen Anzahl von (defizitären) Regionalflughäfen kommen konnte, läge daran, dass Landes- und Kommunalpolitiker Flughäfen frei planen dürfen und es kein bundesweites Bedarfskonzept gibt, etwa verglichen mit dem Bundesverkehrswegeplan im Straßenbau. Auch Versorgungsgesichtspunkte sprächen nicht für die Aufrechterhaltung defizitärer Flughäfen in Randlage, da es in Deutschland keine andernfalls nicht angebundenen Gebiete in geographischer Randlage gebe und die meisten Großflughäfen innerhalb einer Autostunde erreichbar seien.24 In der Tat liegen viele der defizitären Flughäfen nahe beieinander, gerade im Raum Nordrhein-Westfalen.25 So liegt etwa in räumlicher Nähe zum Flughafen Dortmund der Flughafen Paderborn/Lippstadt (75 km Entfernung) und der Flughafen Münster/Osnabrück (80 km Entfernung). Auch der im Hessischen gelegene Flughafen Kassel-Calden liegt nur 140 km vom Flughafen Dortmund entfernt.

B. Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV für Förderungen zugunsten Bau- und Betrieb von Flughafeninfrastrukturen I. Bau und Betrieb von Flughafeninfrastruktur als wirtschaftliche Tätigkeit – Entwicklungslinien In der Rechtssache Flughafen Leipzig/Halle26 entschied der EuGH, dass nicht nur der Betrieb, sondern auch der Bau von Flughafeninfrastruktur eine unternehmerische Tätigkeit darstellt – und nicht eine allgemeinpolitische Maßnahme und damit der Anwendungsbereich des Beihilfeverbotes nach Art. 107 Abs. 1 AEUV eröffnet ist. 22 http://www.zukunft-mobilitaet.net/84759/flugverkehr/verluste-regionalflughaefen2012-weeze-dortmund-dresden-luebeck-kassel-calden-leipzig-frankfurt-hahn/ (Abruf am 29.4.2019). 23 http://www.sellpage.de/reisenews/2014-flughafen-schulden.html (letzter Abruf am 29.4.2019). 24 Siehe zum Ganzen Kotowski, Der Regionalflughafen-Irrtum. 25 Statistisches Bundesamt, Verkehr, Februar 2018, s. dort auch die Karte hierzu auf S. 3. 26 EuGH, U. v. 19. Dezember 2012, Rs. C-288/11 P, juris – Flughafen Leipzig/Halle.

B. Tatbestand

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In dem ersten einschlägigen Regelwerk der Kommission, den Luftverkehrleitlinien 1994,27 in denen sich die Kommission vertieft nur mit der beihilfenrechtlichen Würdigung von Beihilfen an Fluggesellschaften befasste, ging die Kommission noch davon aus, dass der Bau und Ausbau von Flughäfen wie anderen Infrastrukturen wie Straßen nicht dem Beihilferecht unterfalle, weil er eine allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahme darstelle. Auf Betriebsbeihilfen wurde nicht eingegangen, freilich sollten Vorzugsbehandlungen bei der Nutzung der Infrastruktur dem Beihilferecht unterfallen.28 Diese Vorgabe wurde in der nachfolgenden Entscheidungspraxis auch durchgehalten.29 Dieser Ansatz wandelte sich jedoch mit den Luftverkehrleitlinien 2005,30 mit denen die Kommission auf die zunehmende Konkurrenz zwischen Flughäfen, unter anderem auf die neu aufgetretenen Billigfluggesellschaften reagierte und die Finanzierung von Flughafeninfrastuktur der Beihilfenkontrolle unterstellte, um im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung Gesichtspunkte des Wettbewerbsschutzes und der dann erstrebten Entwicklung von Regionalflughäfen zu berücksichtigen.31 Den Luftverkehrleitlinien 2005 ging die kartellrechtliche Entscheidung des EuGH in der Rs. Aéroports de Paris32 voraus, betreffend den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung des Flughafens gegenüber dort ansässigen Dienstleistungsunternehmern. Der EuGH hat insoweit entschieden, dass der Betrieb eines Flughafens wegen Anbietens von Flughafenanlagen gegen Entgelt gegenüber den Fluggesellschaften und Dienstleistungsunternehmern eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Im Einklang zur allgemeinen Definition einer wirtschaftlichen Tätigkeit (Kapitel 2, B. I.) geht der EuGH und auch die Kommission33 davon aus, dass hoheitliche Tätigkeiten am Flughafen der Gefahrenabwehr, Flugsicherung, Polizei und Zoll keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen. Die Kommission übernimmt diese Rechtsprechung für das Beihilfenrecht und geht noch einen Schritt weiter und ordnet neben dem Geschäftsbetrieb des Flughafens, dem Anbieten der Anlagen gegen Entgelt auch den Bau und die Errichtung der Flughafenanlagen und deren Instandhaltung als wirtschaftliche Tätigkeit ein: Flughafenbetreiber sollen nicht nur die Kosten des Betriebs, sondern auch der Errichtung der Infrastruktur aus eigener Kraft tragen können. Die Kommission zieht hier eine Paral27

Leitlinien der Kommission zur Anwendung der Artikel 92 und 93 des EG-Vertrages sowie des Artikels 61 des EWR-Abkommens auf staatliche Beihilfen im Luftverkehr, ABl. EG vom 10.12.1994, Nr. C 350/05. 28 Luftverkehrleitlinien 1994, Ziffer 12. 29 Guarrata, S. 16. 30 Mitteilung der Kommission. Gemeinschaftliche Leitlinien für die Finanzierung von Flughäfen und die Gewährung staatlicher Anlaufbeihilfen für Luftfahrtunternehmen auf Regionalflughäfen, ABl. EU v. 9.12.2005, C 312/1. 31 Luftverkehrleitlinien 2005, Ziffer 12. 32 EuGH, U. v. 24.10.2002, Rs. C-82/01, Slg. 2002, I-09297, Rn. 75–79 – Aéroports de Paris. 33 Luftverkehrleitlinien 2005, Ziffer 30 f.

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Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

lele zu Fällen, in denen Wirtschaftsunternehmen vom Staat Bauten oder Grundstücke zur Verfügung gestellt wurden bzw. zu Fällen, in denen Unternehmen im Rahmen von Privatisierungen Anlagen überlassen wurden. Dies dürfe nur zu Marktpreisen geschehen und auch dann müsse sichergestellt sein, dass die Überlassung an sich keine Begünstigung darstelle. Andernfalls liege eine rechtfertigungsbedürftige Beihilfe vor.34 Dieser rechtsschöpferische Ansatz der Kommission wurde vom EuGH in der Entscheidung Flughafen Leipzig/Halle35 gebilligt. Der Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass die DHL-Gruppe beschloss, ihr europäisches Luftfrachtdrehkreuz ab dem Jahr 2008 vom Flughafen Brüssel an den Flughafen Leipzig-Halle zu verlegen. Im Wege einer Rahmenvereinbarung mit der in Staatshand befindlichen Flughafengesellschaft wurde vereinbart, dass letztere eine neue Südbahn baut und während der Laufzeit der Vereinbarung gewährleistet, dass die DHL kontinuierlich von der Südbahn abfliegen kann. Weiterhin gab der Freistaat Sachsen eine Patronatserklärung gegenüber der Flughafengesellschaft und DHL ab, in der er sich verpflichtete, die finanzielle Leistungsfähigkeit der Flughafengesellschaft während der Dauer der Vereinbarung zu gewährleisten. Die Kommission entschied hinsichtlich der angemeldeten Maßnahmen, dass beide dem Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV unterfallen, die Rahmenvereinbarung allerdings gerechtfertigt werden kann. Diese Entscheidung wurde vom Freistaat Sachsen und der Flughafengesellschaft beklagt. Eingewandt wurde, dass der Bau der Südbahn deswegen keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen würde, da es sich bei dem Bau von Flughafeninfrastruktur um eine Maßnahme der Infrastrukturpolitik und nicht um eine unternehmerische Tätigkeit handele. Es sei auch nicht so, dass der Bau deswegen eine wirtschaftliche Tätigkeit sei, weil er untrennbar mit dem späteren wirtschaftlichem Betrieb zusammen hänge. Andernfalls müsste auch der Bau etwa von wirtschaftlich betriebenen Museen oder Theatern dem Beihilfenrecht unterliegen oder der Bau von Autobahnen, da ohne diese der wirtschaftliche Betrieb von Autobahnraststätten nicht stattfinden könne; staatliche Infrastrukturpolitik würde dann immer dem Beihilfenrecht unterfallen. Auch für Flughäfen gelte nichts anderes; denn kein Privater wäre in der Lage, die Kosten für derartige Investitionen zu stemmen und es wäre auch nicht möglich, die Kosten auf die Nutzer umzulegen.36 Der EuGH hielt die Entscheidung der Kommission und die überwiegend bestätigende Entscheidung des EuG. Maßgeblich sei, dass der Betrieb der fraglichen Infrastruktur wegen der kommerziellen Nutzung und wegen des nachweislichen Wettbewerbs der Flughäfen um Ansiedlung der DHL eine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle. Maßgeb34

Luftverkehrleitlinien 2005, Ziffer 53–60. EuGH, U. v. 19. Dezember 2012, Rs. C-288/11 P, juris – Flughafen Leipzig/Halle. 36 EuGH, U. v. 19. Dezember 2012, Rs. C-288/11 P, juris, Rn. 2–34 – Flughafen Leipzig/Halle. 35

B. Tatbestand

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licher Grund für die Einordnung des Baus der streitgegenständlichen Infrastruktur war für den EuGH, dass dessen Errichtung sich nicht von der späteren Nutzung trennen lasse. Im konkreten Fall läge dies darin begründet, da die Nutzungsgebühren für die Finanzierung der Infrastruktur verwendet wurden.37 Der EuGH stützte sich somit ersichtlich nicht auf den noch in der Vorinstanz verfolgten per se-Ansatz, wonach der Bau von Flughafeninfrastruktur als Vorbedingung für den wirtschaftlichen Betrieb sich generell hiervon nicht trennen lasse und daher selbst eine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle.38 Wegen der konkret vorliegenden Nichttrennbarkeit von Bau und Betrieb käme es darauf nicht an.39 Nach der Entscheidung des EuGH hat die Kommission eine Reihe von Verfahren betreffend Subventionen an Flughäfen, im Schwerpunkt Betriebsbeihilfen und Beihilfen an Fluggesellschaften durch den Staat direkt oder über die Flughäfen, aber auch Maßnahmen zum Bau von Infrastruktur, eröffnet. Nur in einem Fall wurde eine Beihilfe im Vorprüfverfahren genehmigt, zugunsten des einzigen Flughafens in Makedonien in Griechenland, der die Anbindung dieser Region an die EU gewährleisten soll.40 In allen anderen Fällen konnte die Genehmigungsfähigkeit im Vorprüfverfahren nicht bejaht werden, da die Förderung von Infrastruktur häufig vertraglich vereinbarte Gegenleistung für die Stationierung von Fluggesellschaften war und häufig die Entwicklung von kleineren Flughäfen in Regionen betroffen waren, die mit Flughäfen bereits gut erschlossen waren, so etwa der Flughafen Zweibrücken in unmittelbarer Nähe zum Flughafen Saarbrücken und der Flughafen Lübeck in der Nähe des Flughafens Hamburg.41 Im Rahmen der Luftverkehrleitlinien 201442 nimmt die Kommission die zitierte EuGH-Entscheidung auf und deutet diese – undifferenziert – so, dass der Bau von Flughafeninfrastruktur (immer) nicht vom Betrieb des Flughafens zu trennen sei und daher (immer) ebenfalls eine wirtschaftliche Tätigkeit darstelle.43 Diese Einschätzung der Kommission dürfte trotz des differenzierteren Ansatzes des EuGH das Ergebnis der beihilfenrechtlichen Würdigung der Unternehmenseigenschaft betreffend Flughäfen widergeben. Die Kommission dürfte in ihrer Praxis angesichts des momentanen Marktumfeldes kaum von ihren Leitlinien abweichen und erfahrungsgemäß billigt der EuGH extensivere Auslegungen des Beihilfebegriffs durch die Kommission im Streitfall am Ende. Weiter ist zu berück37 EuGH, U. v. 19. Dezember 2012, Rs. C-288/11 P, juris, Rn. 40–42 – Flughafen Leipzig/Halle. 38 EuGH, U. v. 19. Dezember 2012, Rs. C-288/11 P, juris, Rn. 47 – Flughafen Leipzig/Halle. 39 EuGH, U. v. 19. Dezember 2012, Rs. C-288/11 P, juris – Flughafen Leipzig/Halle. 40 Kommission, Entscheidung vom 19.12.2012, SA.35220 – Flughafen Makedonien. 41 Siehe dazu insgesamt Guarrata, S. 51 ff. 42 Mitteilung der Kommission. Leitlinien für staatliche Beihilfen für Flughäfen und Luftverkehrsgesellschaften, ABl. EU v. 4.4.2014, C 99/3. 43 Dort Ziffer 27.

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Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

sichtigen, dass der EuGH im zu entscheidenden Fall die Verbindung zwischen Bau und Betrieb wegen der Finanzierung des Baus aus den späteren Nutzerentgelten herstellte. Dies dürfte wohl kaum dazu führen, dass der EuGH in dem Fall, dass Infrastruktur für den Betrieb unentgeltlich überlassen wird, eine derartige Verbindung zwischen Bau und Betrieb nicht annehmen wird, da dies zu einer stärkeren Begünstigung des Flughafenbetreibers führt.

II. Die übrigen Tatbestandsmerkmale Begünstigung, Altmark-Tatbestandsausnahme, Selektivität, Staatlichkeit der Mittel, Wettbewerbsverfälschung und Handelsbeeinträchtigung Gegenüber der Frage, ob insbesondere der Bau von Flughafeninfrastruktur eine unternehmerische Tätigkeit darstellt und damit der Anwendungsbereich des Beihilfenrechts erfüllt ist, lassen sich die übrigen Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV bei denkbaren Maßnahmen zur Förderung von Bau und Betrieb von Flughafeninfrastruktur44 relativ leicht prüfen und bejahen: Eine Begünstigung liegt immer dann vor, wenn ein privater Investor, auch ein in langfristigen Rentabilitätserwägungen denkender, ein ähnliches Investment nicht vorgenommen hätte; lokale und regionale Erwägungen dürfen bei dieser Betrachtung keine Rolle spielen.45 Angesichts des beschriebenen Umstands, dass in der EU kein Flughafen ohne staatliche Hilfe errichtet werden konnte, wie von den Parteien in der Rs. Flughafen Leipzig/Halle dargelegt und kaum ein privater Investor eine Bereitstellungsgarantie für eine Infrastruktur auch bei anhaltenden Defiziten aussprechen würde, dürfte eine Begünstigung im Regelfall bei Bauund Betriebsbeihilfen vorliegen. Derartige Maßnahmen an einzelne Flughäfen wirken auch selektiv.46 Bei der Förderung von Bau und Betrieb von Flughafeninfrastruktur ist im Regelfall auch die Altmark-Tatbestandsausnahme47 nicht erfüllt. Kernpunkt ist die Frage, ob der Bau und Betrieb von Flughafeninfrastruktur überhaupt eine DAWI darstellen kann, was für Deutschland nicht der Fall ist.48 Unabhängig davon liegt auch die vierte Altmark-Voraussetzung, dass der Dienstleistungserbringer entweder über ein offenes Vergabeverfahren ausgewählt sein muss oder im Vergleich mit anderen Unternehmen als durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen gelten muss, nicht vor. Denn eine Ausschreibung des Baus oder des Betriebs eines 44 45 46 47 48

Hierzu genauer Kapitel 4, B. I. Luftverkehrleitlinien 2014, Ziffer 46 ff. So auch Guarrata, S. 87. Zu deren Voraussetzungen Kapitel 2, B. VI. Hierzu genauer Kapitel 4, C. IV.

B. Tatbestand

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Flughafens findet im Regelfall nicht statt oder ist nicht erwünscht, da der Flughafen im Regelfall von einem Unternehmen betrieben werden soll, welches im Eigentum des Staates als Beihilfegeber steht. Auch die Methode über einen Kostenvergleich dürfte aufgrund der Verschiedenheit der Flughäfen im Hinblick auf ihre Marktbedingungen, die zur Verfügung stehende bereits bestehende Infrastruktur und die Preisgestaltung kaum ein gangbarer Weg sein.49 Begünstigende Maßnahmen zugunsten von Bau und Betrieb von öffentlichen oder privaten Flughäfen stammen unproblematisch auch aus staatlichen Mitteln, im Gegensatz zu der schwieriger zu beantworteten Frage, ob derartige Mittel bei Weiterreichung an Fluggesellschaften noch dem Staat zurechenbar sind.50 Wie bereits erwähnt, stehen Flughäfen nach Liberalisierung des Luftverkehrmarktes angesichts nicht regulierter Flughafenentgelte im Wettbewerb zueinander, auch Flughäfen verschiedener Größengruppen. Zwar hat eine für die Kommission erstellte Studie aus dem Jahr 2002 noch ergeben, dass Kleinflughäfen nicht mit anderen Flughäfen in Konkurrenz stehen, außer die Märkte überschneiden sich.51 Dies lässt sich allerdings nun angesichts der zunehmenden Konkurrenz auch der kleinen Flughäfen um Billigflieger nicht mehr halten.52 Da der Flugverkehr international ist und die Fluggesellschaften zumindest unionsweit tätig sind, ist bei der Stärkung eines Flughafens auch eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels zu bejahen. In der Literatur wird zur Begründung dieses Ergebnisses darauf verwiesen, dass im Sektor der Flughäfen typischerweise eine grenzüberschreitende Tätigkeit vorliegt.53 Die Kommission54 führt zur Begründung die Altmark-Rechtsprechung an, wonach auch bei geringen Beiträgen an örtliche Verkehrsdienste eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels nicht ausgeschlossen werden kann, wegen des möglichen Hemmnisses für ausländische Investitionen. Bei Lichte betrachtet, stellt sich die Prüfung der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels als nicht derart leicht dar. Denn gefördert werden ja nicht örtliche Verkehrsunternehmen, sondern örtliche Verkehrsanlagen, die um internationale Verkehrsunternehmen buhlen. Ein negativer Einfluss der Subventionierung einer Verkehrsanlage auf eine solche in einem anderen Mitgliedstaat dürfte schwerpunktmäßig dann auftreten, wenn eine Fluggesellschaft dann keine Kapazitäten mehr für die andere Ver49 Dass Flughäfen kaum miteinander verglichen werden können, auch wegen des staatlichen Einflusses auf die Geschäftspolitik, führt die Kommission im Zusammenhang mit der Förderung von Fluggesellschaften aus, Luftverkehrleitlinien 2014, Ziffer 53–66. 50 Luftverkehrleitlinien 2014, Ziffer 38 ff., Guarrata, S. 88. 51 Hierzu Guarrata, S. 90. 52 Luftverkehrleitlinien, Ziffer 41 ff. 53 Guarrata, S. 95. 54 Luftverkehrleitlinien 2014, Ziffer 45.

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Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

kehrsanlage bereitstellen kann oder will. Die Tatsache, dass die Bedingungen an einer Verkehrsanlage besonders günstig sind, bedeutet jedoch noch nicht, dass von einer anderen Verkehrsanlage Kapazitäten abgezogen werden. Denn Flugzeugkapazitäten dürften im Personenflugverkehr weniger der limitierende Faktor sein als Passagiere. Es wird also eher darum gehen, ob durch die Förderung von Flughafeninfrastruktur Passagiere über Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg von anderen Flughäfen abgezogen werden. Dies dürfte angesichts der vielen Flughäfen in Grenznähe wohl letztlich zu bejahen sein, stellt sich aber als nicht so leicht dar, da gerade Touristen vermutlich eher den Flughafen innerhalb eines Landes wechseln als auf einen ausländischen Flughafen auszuweichen. Im Einzelfall kann es, im Einklang mit der neueren Kommissionspraxis zur fehlenden Zwischenstaatlichkeit bei Fällen mit rein lokalem Einzugsgebiet (Kapitel 2, A. V.) durchaus dazu kommen, dass die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels verneint wird, wenn nicht Passagiere aus anderen Mitgliedstaaten in den geförderten Flughafen wechseln bzw. neue Passagierströme generiert werden, die dann in die geförderte Destination und nicht anderswo hin gelenkt werden.

C. Rechtfertigungsmöglichkeit I. Fragestellung/Sachverhalt Die Frage der Rechtfertigung im Hinblick auf die Förderung von Flughafeninfrastrukturen stellt sich im Hinblick auf alle Maßnahmen, die den Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV erfüllen. Es gilt zwischen Investitionsbeihilfen und Betriebsbeihilfen zu differenzieren, da sowohl die Luftverkehrsleitlinien von 2014 als auch die Luftverkehrsleitlinien von 2005 insoweit unterschiedliche Rechtfertigungsanforderungen aufstellen. Die Unterscheidung ist auch für den zeitlichen Anwendungsbereich der jeweiligen Leitlinien wichtig. Rechtswidrige Investitionsbeihilfen, die vor dem Zeitpunkt der Geltung der Luftverkehrleitlinien 2014, vor dem 4. April 2014 gewährt wurden, werden auf Grundlage der Luftverkehrleitlinien 2005 untersucht, später gewährte Investitionsbeihilfen nach den Leitlinien 2014, siehe Ziffer 173 der Luftverkehrleitlinien von 2014. Dagegen werden rechtswidrige Betriebsbeihilfen, die vor dem 4. April 2014 gewährt wurden, unabhängig davon, ob insoweit Verfahren laufen, ebenso wie später gewährte Beihilfen einheitlich nach Maßgabe der Luftverkehrleitlinien 2014 geprüft, siehe insoweit Ziffer 172. Eine Investitionsbeihilfe ist in den Luftverkehrsleitlinien 2014 (Rn. 25 Buchstabe r) als „eine Beihilfe zur Finanzierung von Anlagevermögen, insbesondere zur Deckung der Kapitalkosten-Finanzierungslücke“ definiert. Demgegenüber decken Betriebsbeihilfen die operative Finanzierungslücke im Hinblick auf Betriebskosten.55 Diese sind „die mit der Erbringung von Flughafendienstleistun55

Ziffer 25 Buchstabe u der Luftverkehrleitlinien 2014.

C. Rechtfertigungsmöglichkeit

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gen verbundenen Kosten eines Flughafens; dazu gehören Kostenkategorien wie Personalkosten, Kosten für fremdvergebene Dienstleistungen, Kommunikation, Abfallentsorgung, Energie, Instandhaltung, Mieten und Verwaltung, jedoch weder Kapitalkosten, Marketingunterstützung bzw. andere Anreize, die der Flughafen den Luftverkehrsgesellschaften bietet, noch Kosten für Aufgaben mit hoheitlichem Bezug.“ 56 Gegenständlich kommen als Beihilfen so verschiedene Maßnahmen wie Kapitalerhöhungen durch öffentlich-rechtliche Gesellschafter, die Gewährung von Krediten oder Garantien/Bürgschaften der öffentlichen Hand, die Gewährung von (verlorenen) Zuschüssen zu den Betriebs- oder Investitionskosten, die Umwandlung eines Darlehens eines „öffentlich-rechtlichen“ Gesellschafters in Eigenkapital oder die Verschonung von Belastungen in Betracht,57 die je nach Zwecksetzung als Investitions- oder Betriebsbeihilfe einzuordnen sind, in Betracht.

II. Rechtfertigung unter den Luftverkehrleitlinien 2005 und 2014 1. Infrastrukturbeihilfen a) Luftverkehrleitlinien 2005 Die alten Luftverkehrleitlinien sehen folgende Genehmigungsvoraussetzungen vor: Zunächst muss der Bau und Betrieb der Infrastruktur einem klar definierten Ziel von allgemeinem Interesse, etwa der Regionalentwicklung dienen. Weiterhin muss die Infrastruktur für die Erreichung des beabsichtigten Ziels notwendig und angemessen sein. Die mittelfristigen Perspektiven für die Nutzung der Infrastruktur, insbesondere der bestehenden, müssen zufriedenstellend sein. Alle potenziellen Nutzer müssen einen einheitlichen und diskriminierungsfreien Zugang zur Infrastruktur erhalten. Schließlich darf die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem gemeinschaftlichen Interesse zuwiderläuft. Die Kommission sieht die Rechtsgrundlage für diese Anforderungen sowohl in Art. 87 Abs. 3 lit. a, b, c EGV (Vorläufer des Art. 107 Abs. 3 lit. a, b, c AEUV) als auch in Art. 86 Abs. 2 EGV (Vorläufer des Art. 106 Abs. 2 AEUV), nimmt also keine Differenzierung zwischen DAWI und Nicht-DAWI vor.58 56 57 58

Ziffer 25 Buchstabe v der Luftverkehrleitlinien 2014. Vgl. Hösch, UPR 2016, S. 101. Dazu insgesamt Ziffer 64 der Luftverkehrleitlinien 2005.

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b) Luftverkehrleitlinien 2014 Bei der Verabschiedung der Luftverkehrleitlinien 2014 hat sich die Kommission von dem Gedanken tragen lassen, dass die „Versorgung“ mit Flughäfen innerhalb der Union zugenommen hat und teils Überkapazitäten bestehen, auch wenn bestimmte Gebiete nach wie vor schlecht angebunden sind und große Drehkreuze immer häufiger überlastet seien.59 Vor diesem Hintergrund hat sich die Kommission dazu entschieden, Investitionsbeihilfen zwar weiterhin grundsätzlich unbefristet zuzulassen – im Gegensatz zu Betriebsbeihilfen, die nur noch für einen Übergangszeitraum zulässig sind60 – aber wesentlich differenziertere Kriterien aufzustellen, die zusätzlich nach der Größe des Flughafens differenzieren:61 Die Kommission beurteilt eine Investitionsbeihilfe als dann mit dem gemeinsamen Markt vereinbar nach Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV, wenn zunächst ein Beitrag zur Verwirklichung eines genau definierten Ziels von gemeinsamen Interesse geliefert wird. Die Beihilfe muss die Mobilität der Unionsbürger und die Anbindung von Gebieten erhöhen, der Überlastung des Luftraums an den Drehkreuzen entgegenwirken oder die regionale Entwicklung begünstigen.62 Allerdings muss eine Auslastungsperspektive bestehen, die mittels eines vorab erstellten Wirtschaftsplans dargelegt werden muss, um nicht innerhalb eines bestimmten Einzugsgebiets mehrere unrentable Flughäfen mit ungenutzten Kapazitäten zu schaffen oder aufrecht zu erhalten.63 Weiterhin muss die Beihilfe erforderlich sein, also wirksam zu dem verfolgten Ziel beitragen.64 Ob insoweit Beihilfen zulässig sind, wird dabei nach der Größe des Flughafens beurteilt:65 Es wird davon ausgegangen, dass Flughäfen mit bis zu 200.000 Passagieren im Jahr wohl nicht in der Lage sind, ihre Kapitalkosten selbst zu decken und daher auf Investitionsbeihilfen angewiesen sind. Für Flughäfen von 200.000 bis 1 Million Passagieren im Jahr gilt dies in der Regel; bei Flughäfen zwischen 1 bis 3 Millionen Passagieren wird davon ausgegangen, dass diese durchschnittlich den größten Teil ihrer Kapitalkosten selbst tragen dürften. Flughäfen von über 3 bis 5 Millionen Passagieren sollten nur im Einzelfall und unter besonderen Umständen auf öffentliche Förderung für die Kapitalkosten angewiesen sein, Flughäfen mit über 5 Millionen Passagieren nur unter besonderen Umständen. 59 60 61 62 63 64 65

Ziffer 6 der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 16 der Luftverkehrleitlinien 2014. Vgl. Ziffer 17 der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 84 der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 85 f. der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 87 ff. der Luftverkehrleitlinien 2014. Hierzu Ziffer 89 der Luftverkehrleitlinien 2014.

C. Rechtfertigungsmöglichkeit

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Das dritte Kriterium ist die Geeignetheit der staatlichen Beihilfe, dafür muss dargelegt werden, dass es kein weniger wettbewerbsverfälschendes Instrument gibt als eine Beihilfe, um das verfolgte Ziel zu erreichen;66 zudem soll von den möglichen Beihilfen rückzahlbaren Instrumenten der Vorzug gegenüber Direktzuschüssen gegeben werden.67 Nach dem vierten Kriterium muss ein Anreizeffekt vorliegen, d.h. die Beihilfe darf nur nach Antragstellung gewährt werden68 und das Vorhaben muss ohne Beihilfe nicht oder nicht im gleichen Umfang vorgenommen worden sein, was auf Grundlage einer sog. kontrafaktischen Analyse oder durch Nachweis einer „Kapitalkosten-Finanzierungslücke“ nachgewiesen werden muss.69 Das fünfte Kriterium ist die Angemessenheit des Beihilfebetrags, also das Kriterium der Beschränkung der Summe auf das erforderliche Minimum.70 Hierbei sind zulässige Beihilfehöchstbeträge festgeschrieben, die in Prozent der beihilfefähigen Kosten, also aller Infrastrukturkosten, die mit dem Luftverkehr zusammen hängen, ausgedrückt sind (Beihilfehöchstintensität). 71 Ungeachtet dessen, dass besondere Umstände des Einzelfalls geprüft werden, sind folgende Höchstintensitäten festgeschrieben: Für Flughäfen mit einer Größe zwischen drei und fünf Millionen Passagieren pro Jahr sind gegenüber größeren Flughäfen überhaupt Beihilfen, in der Größenordnung von bis zu 25 % der Gesamtinvestitionskosten möglich. Flughäfen mit einer Größe zwischen 1 und 3 Millionen Passagieren pro Jahr dürfen mit bis zu 50 % gefördert werden, Flughäfen mit unter 1 Million Passagieren pro Jahr mit bis zu 75 %.72 Das letzte Rechtfertigungskriterium ist die Vermeidung übermäßiger negativer Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten.73 Im Grundsatz müssen bestehende Flughäfen im Einzugsgebiet zumindest nahezu voll ausgelastet sein, der Flughäfen muss zudem allen potentiellen Nutzern offen stehen. c) Bewertung Die in den Leitlinien von 2014 niedergelegten Rechtfertigungskriterien sind insgesamt deutlich strikter und detaillierter als die Kriterien der Luftverkehrsleitlinien 2005. Dies wird bereits bei der Definition des Rechtfertigungsgrundes, der

66 67 68 69 70 71 72 73

Ziffer 90 der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 91 der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 93 der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 94–96 der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 97 ff. der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 97 der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 101 ff. der Luftverkehrleitlinien 2014. Hierzu Ziffer 106 ff. der Luftverkehrleitlinien.

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Verwirklichung eines genau definierten Ziels von gemeinsamen Interesse deutlich, wo die Leitlinien 2014 einen begrenzten Katalog von zulässigen Gründen vorsehen und eine positive Auslastungsperspektive nicht nur behauptet, sondern auch mittels eines Wirtschaftsplans nachgewiesen werden muss. Von besonderer Bedeutung ist das Kriterium der Angemessenheit der Beihilfe. Im Unterschied zu früher sind hier, gestaffelt nach Flughafengröße, nur Teile der Investitionskosten förderfähig; durch die Begrenzung der Intensität der Förderung besteht auch ein Zwang zur genauen Kalkulation der für das Vorhaben erforderliche Kosten. Berücksichtigt man noch, dass die Genehmigungspraxis zu den früheren Leitlinien wohl eher großzügig war,74 ist dies eine deutliche Verschärfung. Soweit ersichtlich, sind in aktuellen Fällen die neuen Leitlinien noch nicht angewendet worden, da die geprüften Investitionsbeihilfen vor dem 4. April 2014 gewährt wurden. Obwohl Grundlage der Prüfung daher die Leitlinien von 2005 waren, die kaum präzise Kriterien aufweisen, neigt die Kommission dazu, bei der Prüfung aktueller Fälle Kriterien anzuwenden, die in den neuen Leitlinien niedergelegt sind. So wird bei der Prüfung der Verwirklichung des Ziels von allgemeinem Interesse neben Aspekten wie der Anbindung der Region und der Schaffung von Arbeitsplätzen ein genaues Augenmerk darauf gerichtet, dass mit dem Flughafen keine überzähligen Kapazitäten geschaffen werden, was etwa anhand der Entfernung weiterer Flughäfen im Einzugsgebiet – nach den Leitlinien von 2014 liegt das Einzugsgebiet bei 100 Kilometern und 60 Minuten Reisezeit75, deren Auslastung oder Überlastung und der möglichen Überschneidung des Angebots der Flughäfen im Einzugsgebiet im Einzelnen geprüft wird;76 die Kommission bejahte bspw. die Rechtfertigungsfähigkeit im Hinblick auf Maßnahmen beim Flughafen Frankfurt-Hahn, da dessen Leistungsangebot sich von anderen Flughäfen in der Umgebung, die im Übrigen über 100 km entfernt waren, unterscheide und der Flughafen der Entlastung des Flughafens Frankfurt/Main diene, während der Flughafen Zweibrücken wegen selbst nicht ausgelasteter benachbarter Flughäfen in teilweise unter 50 km Entfernung keine Perspektive auf einen rentablen Betrieb habe.77 Insgesamt sind damit Investitionsbeihilfen zumindest durch die Beihilfehöchstbeträge definitiv Grenzen gesetzt.

74

Soltész, DVBl. 2010, 277. Ziffer 25.12 der Luftverkehrleitlinien 2014. 76 Siehe etwa Beschluss der Kommission vom 1.10.2014, C 29/2008 – Frankfurt-Hahn, Rn. 510 ff. und Beschluss der Kommission vom 1.10.2014, – Flughafen Zweibrücken, Rn. 257 ff. 77 Siehe etwa Beschluss der Kommission vom 1.10.2014, C 29/2008 – Frankfurt-Hahn, Rn. 510 ff. und Beschluss der Kommission vom 1.10.2014, – Flughafen Zweibrücken, Rn. 257 ff. 75

Flughafen SA 27339 Flughafen SA 27339

C. Rechtfertigungsmöglichkeit

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2. Betriebsbeihilfen a) Grundsätze der Luftverkehrleitlinien 2014 Die Leitlinien von 2005 enthielten einige wenige Regelungen zur Frage der Rechtfertigung von Betriebsbeihilfen als DAWI-Beihilfen über Art. 86 Abs. 2 EGV (nun Art. 106 Abs. 2 AEUV), hingegen keine eigenen Vorschriften zur Frage der Rechtfertigung nach Art. 87 Abs. 3 lit. a, c EGV (nun Art. 107 Abs. 3 lit. a, c AEUV), sondern verwiesen insoweit auf die einschlägigen Bestimmungen für Betriebsbeihilfen in anderen Leitlinien, insbesondere in den Leitlinien für Regionalentwicklung.78 Mit ihren wesentlich detaillierteren Vorschriften zu Betriebsbeihilfen in den Luftverkehrleitlinien 2014 verfolgt die Kommission das erkennbare Ziel, Betriebsbeihilfen nur noch in außergewöhnlichen Umständen und nur noch für einen Übergangszeitraum zuzulassen – nur bei Flughäfen mit weniger als 700.000 Passagieren im Jahr sollen die auf diesen Grundsätzen basierenden Regelungen vier Jahre nach der Verabschiedung der Luftverkehrleitlinien 2014 neu evaluiert werden, eine Weiterförderung über 2024 hinaus ist also nicht ausgeschlossen. Diesen Grundsätzen liegt der Gedanke zugrunde, dass Betriebsbeihilfen stark wettbewerbsverfälschend sind und Flughäfen im Prinzip in der Lage sein sollten, ihre Betriebskosten selbst zu decken.79 Mit der Erstreckung des zeitlichen Anwendungsbereichs der Regelungen für Betriebsbeihilfen auf Maßnahmen, die zeitlich vor Verabschiedung der Luftverkehrleitlinien 2014 lagen,80 wird erkennbar das Ziel verfolgt, einen einheitlichen Rahmen zur Beurteilung auch der Altfälle und laufenden Verfahren zu schaffen.81 Im Einzelnen gelten für Betriebsbeihilfen an Flughäfen folgende Regelungen: Zunächst müssen die Betriebsbeihilfen einen Beitrag zu einem genau definierten Ziel von gemeinsamem Interesse leisten; was die zulässigen Ziele und die das Verbot der Förderung unrentabler Flughäfen im selben Einzugsgebiet anbelangt, sind die Regelungen im Wesentlichen identisch mit den Regelungen für Investitionsbeihilfen.82 Im Rahmen des Kriteriums der Erforderlichkeit wird wie bei den Investitionsbeihilfen eine Abstufung des anerkannten Finanzierungsbedarfs nach Flughafengröße vorgenommen. Danach dürfen ausschließlich Flughäfen mit nicht mehr als 3 Millionen Passagieren überhaupt Betriebsbeihilfen erhalten.83 78

Ziffer 26 und 63 der Luftverkehrleitlinien 2005. Zum Ganzen Ziffern 13, 14 und 17 der Luftverkehrleitlinien 2014. 80 Ziffer 172 der Luftverkehrleitlinien. 81 Hierzu Vortrag von Carsten Jennert auf den 5. Speyerer Europarechtstagen am 23./24.9.2013, s. dazu den Tagungsbericht von Hoffmann, KommJur 2014, 132, 135. 82 Ziffer 113–115 der Luftverkehrleitlinien 2014. 83 Ziffer 116–119 der Luftverkehrleitlinien 2014. 79

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Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

Bei dem Kriterium der Geeignetheit der staatlichen Beihilfe als politisches Instrument muss dargelegt werden, dass das verfolgte Ziel mit anderen Politikmaßnahmen oder weniger wettbewerbsverfälschenden Beihilfeinstrumenten nicht ebenso erreicht werden kann. Weiterhin muss der Beihilfebetrag, der die Betriebskosten im Zeitraum 2014 (Verabschiedung der Leitlinien) bis zum Jahr 2024 (ab diesem Zeitraum sind Betriebsbeihilfen nicht mehr zulässig) abdecken soll, auf Grundlage eines Wirtschaftsplans vorab berechnet und angegeben werden, auch wenn eine Zahlung in Tranchen zulässig ist. Spätere Erhöhungen des Betrags sind nicht mehr zulässig.84 Des Weiteren ist ein Anreizeffekt erforderlich, d.h. ohne Betriebsbeihilfe müsste die Tätigkeit des Flughafens mit Wahrscheinlichkeit wesentlich geringer ausfallen.85 Dann muss der Beihilfebetrag angemessen sein, also auf das erforderliche Minimum beschränkt sein.86 Hierbei muss in einem Businessplan ein Weg zur vollen Deckung der Betriebskosten über den sog. Übergangszeitraum von 10 Jahren (Beginn 4. April 2014) aufgezeigt werden. Der maximal zulässige Beihilfehöchstbetrag für den gesamten Zeitraum errechnet sich aus dem Produkt der anfänglichen Finanzierungslücke mal 10 (Jahre) mal 50 %. Nur für Flughäfen mit nicht mehr als 700.000 Passagieren pro Jahr kann für die ersten fünf Jahre ein Prozentsatz von 80 % angesetzt werden. Das letzte Rechtfertigungskriterium ist die Vermeidung übermäßiger negativer Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten. Hierbei ist nachzuweisen, dass nicht nur der konkret geförderte Flughafen, sondern alle Flughäfen im Einzugsgebiet in der Lage sein müssen, am Ende des Übergangszeitraums die volle Betriebskostendeckung zu erreichen. Zudem muss der Flughafen allen potentiellen Nutzern offen stehen.87 b) Würdigung Die Luftverkehrleitlinien 2014 stellen für Betriebsbeihilfen sehr klare, aber auch sehr strikte Kriterien auf. Zwar sind Betriebsbeihilfen nach anderen horizontalen Beihilfevorschriften, insbesondere nach den Vorschriften über die Finanzierung von DAWI weiterhin zulässig,88 im Prinzip bedeuten die Grundsätze der Leitlinien 2014 jedoch die Beseitigung unrentabler Strukturen, entweder durch Steigerung der Profitabilität oder, wenn dies nicht möglich ist – dies wird für viele Regionalflughäfen zutreffen – durch Schließung.89 84 85 86 87 88 89

Ziffer 120–123 der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 124 der Luftverkehrleitlinien 2014. Hierzu Ziffer 125 ff. der Luftverkehrleitlinien 2014. Ziffer 131–134 der Luftverkehrleitlinien 2014. Siehe Ziffer 129 der Luftverkehrleitlinien 2014. Linke, EWS 2011, 456.

C. Rechtfertigungsmöglichkeit

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III. Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung Die geschilderten Fördermaßnahmen fielen nicht unter die AGVO aus 2014 in ihrer alten Fassung. Die einzige möglicherweise einschlägige Regelung des Art. 56 zu lokalen Infrastrukturen sah und sieht eine Freistellung für Betriebsbeihilfen nicht vor. Nach Art. 56 sind Investitionsbeihilfen zwar zulässig, jedoch ausdrücklich nicht für Flughäfen. Am 14. Juni 2017 wurde die AGVO geändert,90 um Investitionen unter anderem für Flughafeninfrastrukturen in den Fällen, in denen Wettbewerbsstörungen als gering angesehen werden, zu erleichtern, um so Wirtschaftswachstum zu generieren.91 Die spezifischen Vorschriften zur Förderung von Regionalflughäfen finden sich im neuen Artikel 56a. Danach gilt für Investitions- und Betriebsbeihilfen gleichermaßen, dass die geförderten Flughäfen keinen Nutzer ausschließen dürfen (Absatz 3) und für die Verlegung bzw. Schaffung von neuen Regionalflughäfen nicht zulässig sind (Absatz 4). Betriebsbeihilfen sind zudem nicht für Flughäfen mit über 200.000 Passagieren pro Jahr zulässig (Absatz 15). Für Investitionsbeihilfen für Flughäfen über 200.000 Passagiere gilt die Einschränkung, dass die Beihilfe nicht über den prognostizierten Verkehrsbedarf hinausgehen darf (Absatz 5) und nicht zulässig ist, wenn innerhalb von 100 km bzw. 60 Minuten Fahrtzeit bereits ein Linienflughafen vorhanden ist (Absatz 6). Bei Flughäfen von über drei Millionen Passagieren pro Jahr sind Investitionsbeihilfen generell nicht zulässig (Absatz 9). Ein Betriebsgewinn muss mit der Investitionsbeihilfe verrechnet werden (Absatz 11), die maximal zulässige Beihilfeintensität, sprich der förderungsfähige Anteil an den Investitionskosten beträgt 75 % bei Flughäfen bis zu einer Million Passagieren pro Jahr, 50 % bei Flughäfen bis zu 3 Millionen Passagieren pro Jahr (Absatz 13). Bei Einhaltung der klaren Voraussetzungen der geänderten AGVO stellt diese eine rechtssichere Möglichkeit dar, Bau- und Betriebsbeihilfen ohne Anmeldung bei der Kommission als mit dem Binnenmarkt vereinbar zu gestalten.92 Die praktische Bedeutung für die hier interessierenden Fallgestaltung bzw. die Situation in Deutschland dürfte jedoch gering sein.93 21 der vom statistischen Bundesamt erfassten 24 Hauptverkehrsflughäfen weisen mehr als 200.000 Passagiere pro Jahr 90 Verordnung (EU) 2017/1084 der Kommission vom 14. Juni 2017 zur Änderung der Verordnung (EU) 651/2014 in Bezug auf Beihilfen für Hafen- und Flughafeninfrastrukturen, in Bezug auf Anmeldeschwellen für Beihilfen für Kultur und die Erhaltung des kulturellen Erbes und für Beihilfen für Sportinfrastrukturen und multifunktionale Freizeitinfrastrukturen sowie in Bezug auf regionale Betriebsbeihilferegelungen für Gebiete in äußerster Randlage und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 702/2014 in Bezug auf die Berechnung der beihilfefähigen Kosten, ABl. EU v. 20.6.2017, L 156/1. 91 So die entsprechende Pressemitteilung der Kommission vom 17. Mai 2017 (abrufbar unter http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1341_de.htm, letzter Abruf am 29.4.2019.) 92 So auch Guarrata, S. 153. 93 So auch die Einschätzung von Soltész, EuZW 2018, 60.

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Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

auf 94 so dass Betriebsbeihilfen nach der AGVO hierfür nicht zulässig sind. Auch die Möglichkeit zur Freistellung von Investitionsbeihilfen dürfte uninteressant sein, da ein Neubau nach den vorgestellten rechtlichen Grundlagen nicht zulässig ist. Ein Ausbau der förderfähigen Flughäfen mit bis zu 3 Millionen Passagieren pro Jahr dürfte angesichts der durch die in diesem Bereich in Deutschland weit verbreiteten Defizite und der damit aufscheinenden Überkapazitäten kaum relevant sein. Zudem befinden sich einige der förderfähigen Flughäfen in einem Abstand von unter 100 km bzw. 60 min Fahrtzeit zueinander, so dass eine Förderung insoweit ohnehin nicht zulässig wäre.95

IV. Förderung nach DAWI-Grundsätzen 1. Bedeutung der Förderung nach DAWI-Grundsätzen und rechtliche Maßstäbe Wegen der Grenzen für die Förderung des Baus von Infrastruktur durch das Verbot der Duplizierung von Infrastruktur und des Verbots der vollständigen Übernahme der Investitionskosten ist eine Förderung insbesondere von neuen Infrastrukturen nur schwer möglich. Aufgrund der zeitlichen und betragsmäßigen Begrenzung von Betriebsbeihilfen ist eine Aufrechterhaltung des defizitären Betriebs von Flughäfen über den 3. April 2024 hinaus nach den Luftverkehrleitlinien 2014 nicht mehr möglich. Im Prinzip sind davon alle defizitär wirtschaftenden Flughäfen in Deutschland, mit Ausnahme der profitablen „Großen“ zumindest im Prinzip von der Schließung bedroht, auch wenn es möglicherweise einigen Flughäfen gelingen wird, zur Profitabilität zurückzukehren; möglicherweise profitieren einige Flughäfen von zusätzlichen Besucherströmen, die aus der Schließung anderer Flughäfen resultieren. Angesichts der steigenden Fluggastzahlen in Deutschland,96 der sehr guten Auslastung der Großflughäfen97 und deren Schwierigkeiten, zusätzliche Kapazitäten zu erlangen98 mag es aber auch darüber hinaus ein legitimes Bedürfnis geben, Flughafeninfrastrukturen weiter zu fördern, um auch in der Fläche weitere Kapazitäten vorzuhalten.

94 Statistisches Bundesamt, Verkehr, Februar 2018, S. 121; nach diesen Zahlen sind nur die Flughäfen Rostock, Saarbrücken und Erfurt klein genug, um von der AGVO zu profitieren. 95 Siehe insoweit die unter A) III) dargestellten Daten und die Karte bei Statistisches Bundesamt, Verkehr, Februar 2018, S. 3. 96 Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung 55 vom 19.2.2016, https://www.des tatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2016/02/PD16_055_464.html mit den Zahlen aus dem Jahr 2015 – Zuwachs von 7,5 Millionen Passagieren oder 4,0 % gegenüber 2014 (letzter Abruf am 29.4.2019) 97 http://www.bdf.aero/news-wissenswertes/news/2015/deutsche-flughafen-mit-sehrguten-geschaftszahlen/ (letzter Abruf am 29.4.2019). 98 Kotowski, Der Regionalflughafen-Irrtum.

C. Rechtfertigungsmöglichkeit

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Zur Umsetzung derartiger Gestaltungsvorstellungen liegt es nahe, eine Förderung auf DAWI-Grundsätze zu stützen. Ob und inwieweit über die in den Luftverkehrleitlinien 2014 zur Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 3 lit. a, b AEUV niedergelegten Grundsätze hinaus eine Förderung möglich ist, beurteilt sich daher danach, da dies der einzige andere Lösungsansatz ist. Die Luftverkehrleitlinien verweisen für die Prüfung der Rechtfertigung nach DAWI-Grundsätzen auf den DAWI-Freistellungsbeschluss und den DAWI-Rahmen.99 Sie treffen aber eine inhaltliche Aussage zu der Frage zu der Einstufung als DAWI: Es darf sich bei dem bei der Einstufung als DAWI verfolgten Ziel nicht schlicht um die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete handeln, da dies in Artikel 107 Abs. 3 lit. c AEUV widergespiegelt wird und diese Kriterien insoweit in den Luftverkehrleitlinien 2014 niedergelegt sind.100 Eine vorrangig zu berücksichtigende, inhaltliche Vorgabe zu der Einstufung eines Flughafens als DAWI insgesamt trifft auch Ziffer 72. Danach ist dies nur dann möglich, wenn das von dem Flughafen bediente Gebiet ohne den Flughafen in einem Maß von der übrigen Union abgeschnitten wäre, das seine soziale und wirtschaftliche Entwicklung beeinträchtigen würde, auch unter Berücksichtigung anderer Verkehrsmöglichkeiten. Dies kommt bei abgeschnittenen, oder abgelegenen Gebieten bzw. Gebieten in äußerster Randlage der Union oder auf Inseln in Betracht. Dann kann auch ein gesamter Flughafen als DAWI eingestuft werden. Maßgeblich ist also zum einen der Freistellungsbeschluss, der für alle Flughäfen bis zu 200.000 Passagieren pro Jahr anwendbar ist, vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. e. Dies ist eine deutliche Einschränkung gegenüber der Vorläuferregelung in der Freistellungsentscheidung 2005, die gem. Art. 2 lit. d) für Flughäfen bis zu 1 Mio. Passagieren pro Jahr galt. Für alle anderen Flughäfen gilt der DAWI-Rahmen. Daraus wird das Ziel erkennbar, ein schärferes Rechtsregime als zuvor im Bereich der Flughäfen aufzustellen. Die folgende Untersuchung fokussiert daher auf den DAWI-Rahmen, der angesichts von 40 Verkehrsflughäfen in Deutschland101 wovon 23 bei über 200.000 Passagieren pro Jahr liegen102 zum einen die Mehrzahl der Fälle, aber vor allem die relevanten Fälle der etwas größeren Regionalflughäfen mit größeren Defiziten erfasst. Zum anderen können die Erkenntnisse zum Vorliegen einer DAWI und zur Betrauung, auch auf eine Rechtfertigungsprüfung unter dem Freistellungsbeschluss übertragen werden, da sie sich insoweit ebenso stellen.

99

Ziffer 68. Ziffer 69 der Luftverkehrleitlinien 2014. 101 http://flughafenkuerzel.blogspot.com/2012/08/alle-flughafen-in-deutschland.html (letzter Abruf am 29.4.2019). 102 Siehe dazu insgesamt Statistisches Bundesamt, Luftverkehr auf allen Flugplätzen, 2016, S. 9. 100

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Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

2. Prüfung des DAWI-Rahmens – Vorgeschlagene Lösungsmöglichkeiten In der Literatur gibt es verschiedene Ansätze, Investitions- und Betriebsbeihilfen an Flughäfen als DAWI zu qualifizieren. Nach einem älteren Ansatz von Deuster könne ein Flughafen immer als DAWI qualifiziert werden, da Flughäfen eine besondere Aufgabe erfüllen. Denn Verkehrsflughäfen dienten dem allgemeinen Verkehr, stünden grundsätzlich jedermann für den Luftverkehr zur Verfügung und dienten damit dem Gemeingebrauch der Luftfahrt. Damit dienten sie der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Flughafeninfrastrukturen. Diese Besonderheit unterscheide sie von anderen wirtschaftlichen Unternehmungen und insbesondere Sonderflughäfen, die gem. § 38 Abs. 2 Nr. 2 LuftVZO nicht dem allgemeinen Luftverkehr dienen.103 Die Betrauung läge dann in der Genehmigung des Baus und Ausbaus des Flughafens gemäß den Vorschriften des Luftverkehrsgesetzes, da zuvor eine Bedarfsprüfung stattfinden müsse und eine öffentliche Zulassung besteht: Die Genehmigungsbedürftigkeit richtet sich nach § 6 Abs. 1 LuftVG. Es muss ein öffentliches Verkehrsbedürfnis bestehen, § 6 Abs. 2 LuftVG, nebst weiteren Genehmigungsvoraussetzungen wie den Erfordernissen der Landesplanung und der Raumordnung. Um die weiteren durch das EU-Recht gestellten Anforderungen an den Betrauungsakt einzuhalten, sei aber eine Ergänzung im Genehmigungsakt oder durch einen weiteren Rechtsakt oder Vertrag mit den besonderen Betrauungsvoraussetzungen nötig.104 Vorbehaltlich der Anforderungen an die Berechnung und die Höhe der Ausgleichszahlung wäre damit immer eine Förderung nach DAWI-Grundsätzen möglich. Jennert schlägt vor, den Bau bzw. den Betrieb einer Flughafeninfrastruktur nach den Vorschriften über die öffentliche Auftragsvergabe auszuschreiben. Als Resultat des Vergabeverfahrens kann sich dann ergeben, dass auch der Bieter, der den Zuschlag erhält, der also das wirtschaftlichste Angebot abgibt, mithin das mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis (vgl. nunmehr § 127 Abs. 1 des GWB 2016) den Bau bzw. den Betrieb nur gegen die Zahlung eines Zuschusses übernimmt. Durch diesen Zuschussbedarf sei dann dokumentiert, dass es sich bei dem Betrieb des Flughafens um eine DAWI handele. Die Erfüllung der sonstigen Rechtfertigungskriterien müsste bei dem zu vergebenden Auftrag durch entsprechende Vertragsbedingungen sichergestellt sein.105 Hösch schlägt vor, die aus der luftfahrtrechtlichen Genehmigung nach § 6 LuftVG folgende Betriebspflicht nach den §§ 45, 53 LuftVZO zur Einordnung des Flughafens als DAWI heranzuziehen. Diese könne einen höheren Kostenauf103

Deuster, S. 247. Deuster, S. 241–243. 105 Vortrag von Carsten Jennert auf den 5. Speyerer Europarechtstagen am 23./ 24.9.2013, s. dazu den Tagungsbericht von Hoffmann, KommJur 2014, 132, 135. 104

C. Rechtfertigungsmöglichkeit

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wand durch Verpflichtung zur Vorhaltung eines Luftverkehrsanschlusses in einer gewissen Qualität erfordern, als sich auf Grundlage des tatsächlichen Betriebs finanzieren lässt. Der Betrauungsakt könnte in der Betriebspflicht nach § 45 LuftVZO gesehen werden; eventuell müssten in der Genehmigung noch Ergänzungen vorgenommen werden, um die weiteren Anforderungen an den Betrauungsakt zu erfüllen. Im Zusammenhang mit der Genehmigung hält Hösch auch eine Ausschreibung des Betriebs des Flughafens und einen Wettbewerb um den geringsten Zuschuss für möglich.106 Der Autor verweist zwar darauf, dass die Lösung auch im Einklang mit den Luftverkehrleitlinien 2014 stehen müsse, der Flughafen also im Prinzip in einer geografischen Randlage liegen müsse,107 bietet jedoch keine Lösung für das Konfliktpotential, das aus diesen Vorgaben für seinen Lösungsvorschlag folgt. Der Autor weist noch darauf hin, dass bei der fachplanerischen Zulassung von Flughäfen ein öffentliches Verkehrsinteresse geprüft wird und ob der Realisierung keine unüberwindlichen finanziellen Schranken entgegenstehen.108 Des Weiteren ist der Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Voraussetzung für die Erteilung der luftfahrtrechtlichen Genehmigung.109 Auch existiert ein Flughafenkonzept der Bundesregierung aus dem Jahr 2009, das vorgibt, dass derzeit Neubauten nicht veranlasst sind bzw. nur erfolgen dürfen wo ein Bedarf nachgewiesen wird, zudem muss die Infrastruktur mittelfristig ohne Zuschüsse tragbar sein.110 Diese Vorgaben des nationalen Rechts fügen sich scheinbar gut in die Vorgaben des Unionsrechts ein und ließen sich an sich für die Begründung einer DAWI verwenden. Allerdings ist das Flughafenkonzept der Bundesregierung nicht rechtlich verbindlich, das Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann auch und gerade durch Stützungsmaßnahmen des Staates erfüllt werden, worauf Hösch selbst hinweist111 und die nationalen Vorgaben haben offensichtlich die Problematik der Vielzahl defizitärer Flughäfen nicht verhindert. 3. Prüfung des DAWI-Rahmens – Die Voraussetzungen im Einzelnen a) Zur Definition einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Flughafen- und Luftverkehrsektor (1) Rechtliche Grundsätze Im Rahmen des Almunia-Pakets geht die Kommission davon aus, dass eine DAWI dadurch charakterisiert wird, dass es sich um Dienstleistungen handelt, 106 107 108 109 110 111

Hösch, UPR 2016, 100, 104. Hösch, UPR 2016, 100, 103 f. Hösch, UPR 2016, 100, 107. Hösch, UPR 2016, 100, 108. Hösch, UPR 2016, 100, 108. Hösch, UPR 2016, 100, 108.

208

Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

die zum Wohle der Bürger oder im Interesse der Gesellschaft als Ganzes erbracht werden müssen.112 Den weiten Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Definition einer DAWI überprüft die Kommission an dem Kriterium der „besonderen Aufgabe“, welche das mit einer DAWI betraute Unternehmen erbringen muss. Dies ist eine Aufgabe, welche ein im eigenen gewerblichen Interesse handelndes Unternehmen nicht oder nicht in gleichem Umfang oder zu den gleichen Bedingungen übernommen hätte.113 Zudem darf die Dienstleistung nicht bereits von im Einklang mit den Marktregeln handelnden Unternehmen zufriedenstellend erbracht werden.114 Der DAWI-Rahmen wiederholt diese Grundsätze,115 fordert darüber hinaus jedoch auch, dass der Bedarf an der DAWI vorab, anhand einer öffentlichen Konsultation oder anderer angemessener Mittel genau ermittelt wurde.116 In den Luftverkehrleitlinien von 2014 schließlich stellt die Kommission dazu zusätzlich die Bedingung auf, dass sich Flughäfen in äußerster Randlage befinden müssen.117 In der Kommissionspraxis sind, soweit ersichtlich, nur Betriebsbeihilfen nach DAWI Grundsätzen geprüft worden.118 Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Begriff der DAWI erfolgte nicht, es wurde vielmehr nur die Vorgabe der Luftverkehrleitlinien 2014 wiederholt, dass ein gesamter Flughafen nur dann als DAWI eingestuft werden kann, wenn er in äußerster Randlage liegt; zudem wurde analog zu den Grundsätzen der Definition eines Ziels von allgemeinem Interesse im Rahmen einer Rechtfertigung nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV nach den Luftverkehrleitlinien angenommen, dass eine DAWI dann nicht vorliegen kann, wenn es zu einer Duplizierung von Flughafeninfrastrukturen im selben Einzugsgebiet kommen kann. Dabei wird auf die Distanzen, die später in der geänderten AGVO Eingang fanden und deren Unterschreitung in den Luftverkehrleitlinien 2014119 als besonders wettbewerbsverzerrend gelten, Bezug genommen, eine Entfernung von 100 km oder 60 Minuten Fahrzeit ohne anderen Flughafen.120

112

DAWI-Mitteilung, Ziffer 50. DAWI-Mitteilung, Ziffer 47. 114 DAWI-Mitteilung, Ziffer 48. 115 DAWI-Rahmen, Ziffer 13. 116 DAWI-Rahmen, Ziffer 14. 117 Rn. 75. 118 EU-Kommission, Entscheidung vom 1.10.2014 [SA27339 (2012/C], Rn. 283 ff. – Flughafen Zweibrücken. 119 Flughafenleitlinien 2014, Ziffer 111. 120 EU-Kommission, Entscheidung vom 1.10.2014 [SA27339 (2012/C], Rn. 289 f. – Flughafen Zweibrücken. 113

C. Rechtfertigungsmöglichkeit

209

(2) Subsumtion und Bewertung In Anbetracht dieser Grundsätze wird deutlich, dass Ansätze zur Definition einer DAWI, die eine Flughafentätigkeit an sich als DAWI einstufen, nicht verfangen, ohne das Hinzutreten der genannten, besonderen Aufgabe. Die Luftverkehrleitlinien 2014 schieben jedoch der Einordnung eines gesamten Flughafens als DAWI in Deutschland generell einen Riegel vor, da es in Deutschland keine Gebiete in äußerster Randlage oder Inseln gibt, die nicht zumindest mit anderen Verkehrsmitteln so angebunden sind, dass man in angemessener Zeit in die Zentren Deutschlands bzw. der Union oder zu anderen Flughäfen kommt, wo eine derartige Anbindung möglich ist. Dies kann man jedenfalls für die allermeisten defizitären Regionalflughäfen sagen, mögen sich diese auch in der „Provinz“ befinden. Damit sind die DAWI-Regeln sogar strenger als die Rechtfertigungsregeln für Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV, die eine Rechtfertigung z. B. aus Gründen der Regionalentwicklung zulassen.121 Ungeachtet dessen verfangen Ansätze nicht, die eine DAWI ohne Bedarfsanalyse und einer Analyse der Zukunftsfähigkeit des Flughafens festlegen. Die Kommissionspraxis legt hier nahe, dass in beihilfenrechtlichen Verfahren eine eigenständige Prüfung, neben mitgliedstaatlichem Planungs- und Genehmigungsrecht nötig ist.122 Allerdings dürfte es relativ unproblematisch gelingen, dies unter Verzicht auf eine öffentliche Konsultation (Ziffer 14 des DAWI-Rahmens) nachzuweisen, etwa durch Wirtschafts- und Tourismusstatistiken oder die wirtschaftlichen Kennzahlen benachbarter Flughäfen.123 Nach dem Gesagten dürfte es kaum möglich sein, eine Flughafentätigkeit in Deutschland als DAWI zu qualifizieren. Dies liegt auch daran, dass eine DAWI nach dem rechtlichen Verständnis der Kommission sich nicht von einem Ziel von allgemeinem Interesse, was bei einer Rechtfertigung nach Art. 107 Abs.3 lit. c) AEUV zu prüfen ist, unterscheidet. Es bleibt wegen der Rückbindung von beiderlei Konzepten an eine Bedarfsanalyse zur Vermeidung von Überkapazitäten bzw. zur sinnvollen Schaffung von Kapazitäten und an eine Versorgungsfunktion kaum ein sinnvoller eigenständiger Anwendungsbereich für DAWI. Am ehesten wäre noch denkbar, dass an einem Flughafen eine besondere Infrastruktur vorgehalten wird, die ein spezielles Verkehrsbedürfnis bedient und dieser abgegrenzte Teil dann eine DAWI darstellt. Ein sinnvolles praktisches Beispiel ist aber hierfür kaum denkbar. 121 Vgl. EU-Kommission, Entscheidung vom 1.10.2014 [SA21121 (C 29/2008], Rn. 513 ff. – Flughafen Frankfurt Hahn, für die Rechtfertigung einer Infrastrukturbeihilfe unter den Luftverkehrleitlinien 2005. 122 EU-Kommission, Entscheidung vom 1.10.2014 [SA21121 (C 29/2008], Rn. 513 ff. – Flughafen Frankfurt Hahn, für die Rechtfertigung einer Infrastrukturbeihilfe unter den Luftverkehrleitlinien 2005. 123 EU-Kommission, Entscheidung vom 1.10.2014 [SA21121 (C 29/2008], Rn. 513 ff. – Flughafen Frankfurt Hahn, für die Rechtfertigung einer Infrastrukturbeihilfe unter den Luftverkehrleitlinien 2005.

210

Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

b) Betrauungsakt (1) Rechtliche Grundsätze Der DAWI-Rahmen schreibt die Übertragung der DAWI durch Betrauungsakt vor. Im Betrauungsakt muss Gegenstand und Dauer der Verpflichtungen zur Erbringung öffentlicher Dienstleistungen, das Unternehmen und gegebenenfalls das betreffende Gebiet, die Art etwaiger dem Unternehmen gewährter ausschließlicher oder besonderer Rechte, eine Beschreibung des Ausgleichsmechanismus sowie die Parameter für die Berechnung, Überwachung und Änderung der Ausgleichsleistungen sowie Maßnahmen zur Vermeidung und Rückforderung einer etwaigen Überkompensation enthalten sein.124 (2) Subsumtion und Bewertung Da als Betrauungsakt jeder Rechtsakt in Betracht kommt,125 kommt zunächst die Genehmigung mit der daraus resultierenden Betriebspflicht als denkbare Lösung in Betracht. Wie von Deuster126 und Hösch127 vorgeschlagen, bedarf es jedoch jedenfalls der Komplettierung mit den durch den DAWI-Rahmen vorgeschriebenen, soeben dargestellten, ergänzenden Angaben.128 Da die Betrauung durch mehrere Rechtsakte erfolgen kann129 steht der Weg zu dieser Lösung offen. Zweifel an dieser Lösung tauchen jedoch insofern auf, als der Betrauungsakt, die luftverkehrsrechtliche Genehmigung von der Luftfahrtbehörde des jeweiligen Landes stammt, § 39 Abs. 1 LuftVZO, die Finanzmittel jedoch von den Eigentümern der Flughafenbetreibergesellschaft. Hieran sind zwar häufig die Bundesländer (Mehrheits-)Eigentümer, aber häufig auch andere Gebietskörperschaften. Eine Kontrolle durch die finanzierenden Körperschaften ist damit möglicherweise nicht ausreichend sichergestellt. Möglicherweise bedarf es wegen des anderen Prüfprogramms bei der luftfahrtrechtlichen Genehmigung eines selbstständigen bzw. gesonderten Betrauungsakts. Ob die Betriebspflicht nach § 45 Abs. 1 LuftVZO überdies die Aussage enthält, eine gewisse Kapazität bzw. einen gewissen Standard vorzuhalten und damit ausreichend konkret ist, um eine gemeinwirtschaftliche Leistung zu definieren, ist ebenfalls zweifelhaft, da sich aus dem Inhalt der Genehmigung zwar der Gehalt der Infrastruktur (u. a. Richtung und Länge der Start- und Landebahnen) ergibt, aber nichts über die Benutzung ausgesagt wird, s. § 42 Abs. 2 LuftVZO. Während in manchen Entscheidungen

124 125 126 127 128 129

Ziffer 15 f. des DAWI-Rahmens. DAWI-Mitteilung, Ziffer 52. Deuster, S. 241–243. Hösch, UPR 2016, 100, 103. DAWI-Rahmen, Ziffer 16. DAWI-Mitteilung, Ziffer 52.

C. Rechtfertigungsmöglichkeit

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der Kommission nicht deutlich wird, ob diese Bedenken durchgreifen,130 geht aus anderen, älteren Entscheidungen hervor, dass die Betriebsgenehmigung nicht als Betrauungsakt akzeptiert wird, da diese die nötigen zusätzlichen Regelungen, etwa zur Berechnung des Ausgleichs nicht enthält,131 nicht zur Differenzierung einer DAWI taugt, da jeder Flughafen eine Betriebsgenehmigung hat132 und die Betriebspflicht nach § 45 Abs. 1 LuftVZO mit Schließung des Flughafens erlischt.133 Daher erscheint es am rechtssichersten, einen eigenständigen Betrauungsakt durch die Körperschaften, die die Flughafenbetreibergesellschaft halten, zu formulieren. c) Dauer des Betrauungszeitraums, Einhaltung der Richtlinie 2006/11/EG, Einhaltung der EU-Vorschriften für das öffentliche Auftragswesen, Nichtdiskriminierung, Transparenz Es ist die Dauer des Betrauungszeitraums festzulegen; dieser ist durch den Zeitraum, der für die Abschreibung der geförderten Vermögenswerte gebraucht wird, begrenzt.134 Zudem müssen bei der Beihilfengewährung die Anforderungen der Richtlinie 2006/111/EG, der Richtlinie der Kommission über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen eingehalten werden.135 Weiterhin müssen die geltenden Vergabevorschriften eingehalten werden.136 Dieses Kriterium will den Anwendungsbereich der Vergabevorschriften nicht vergrößern oder neue Ausschreibungspflichten auslösen, sondern lediglich die beihilfenrechtliche Rechtfertigung an die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften koppeln.137 Zum Tragen kommt diese Anforderung, wenn vergaberechtliche Regeln einschlägig sind, aber ein weniger als eine öffentliche Ausschreibung erfordern. Denn wäre eine öffentliche Ausschreibung vorgeschrieben und durchgeführt, wäre das vierte AltmarkKriterium erfüllt und läge bereits tatbestandlich keine Beihilfe vor.138

130 Vgl. Kommission, Entscheidung vom 1.10.2014 [SA21121 (C 29/2008], Rn. 513 ff. – Flughafen Frankfurt Hahn. 131 Kommission, Entscheidung vom 22.2.2012 [SA27339], Rn. 118 – Flughafen Zweibrücken. 132 Kommission, Entscheidung vom 22.2.2012 [SA27585], Rn. 179 – Flughafen Lübeck. 133 Kommission, Entscheidung vom 22.2.2012 [SA27339], Rn. 117 – Flughafen Zweibrücken. 134 DAWI-Rahmen, Ziffer 17. 135 DAWI-Rahmen, Ziffer 18. 136 DAWI-Rahmen, Ziffer 19. 137 DAWI-FAQ, Ziffer 168. 138 DAWI-FAQ, Ziffer 169.

212

Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

Das Gebot der Nichtdiskriminierung besagt, dass mehrere Unternehmen, die von einer Behörde mit derselben DAWI betraut wurden, einen Ausgleich erhalten, der nach derselben Methode berechnet wurde.139 Der DAWI-Rahmen stellt Transparenzanforderungen auf. Es müssen sowohl die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation zum Bedarf bzw. anderer Ermittlungsverfahren im Hinblick auf den Bedarf der DAWI, die auferlegten Verpflichtungen, das betraute Unternehmen sowie der jährliche Beihilfebetrag veröffentlicht werden.140 d) Berechnung der Höhe der Ausgleichsleistungen Der DAWI-Rahmen enthält, entsprechend dem dritten Altmark-Kriterium die Vorgabe, dass die Höhe der Ausgleichsleistung nicht über das hinausgehen darf, was erforderlich ist, um die Nettokosten für die Erfüllung der DAWI-Verpflichtung zu erfüllen.141 Dies ist entweder auf Grundlage der erwarteten Kosten und Einnahmen oder auf Grundlage der tatsächlich angefallenen Kosten und erzielten Einnahmen zu berechnen.142 Als Berechnungsmethode ist entweder die sog. Netavoided-cost-Methode, ein Vergleich zwischen der Kostenstruktur mit und (hypothetisch) ohne DAWI-Verpflichtung143 oder die sog. Kostenallokationsmethode anzuwenden. Bei letzterer wird eine Differenz zwischen den Kosten und Einnahmen bei Erbringung der DAWI gebildet.144 Die Zahlung eines angemessenen Gewinns ist zulässig, auch wenn dies bei der staatlichen Stützung defizitärer Strukturen, die in öffentlichem Eigentum stehen, fernliegend erscheint. Im Regelfall ist dabei die Kapitalrendite anzusetzen, die ein typisches Unternehmen, das die konkrete DAWI übernehmen würde, voraussetzen würde.145 Bei der Ausgleichsleistung müssen Effizienzanreize vorgesehen werden.146 Es handelt sich um das vierte Altmark-Kriterium in abgeschwächter Form,147 da zwar nicht vorgeschrieben wird, dass das betraute Unternehmen über ein Vergabeverfahren oder einen Vergleich mit einem durchschnittlichen, gut geführten Unternehmen ausgewählt werden muss, aber dennoch eine gewisse Kontrolle der Wirtschaftlichkeit erreicht wird bzw. im Lauf der Betrauung eine erhöhte Wirtschaftlichkeit erreicht wird. In der Ausgestaltung der Effizienzanreize sind die 139

DAWI-Rahmen, Ziffer 20. DAWI-Rahmen, Ziffer 60 f. 141 DAWI-Rahmen, Ziffer 21. 142 DAWI-Rahmen, Ziffer 22. 143 Siehe ausführlich zu dieser Methode Ziffer 25–27 des DAWI-Rahmens. 144 Hierzu ausführlich DAWI-Rahmen, Ziffer 28–31. 145 Siehe ausführlich DAWI-Rahmen, Ziffer 33–38. 146 Siehe DAWI-Rahmen, Ziffer 39–46. 147 Hierzu Rixen, in: Henneke (Hrsg.), Kommunale Verantwortung für Gesundheit und Pflege, S. 105, 114. 140

D. Würdigung

213

Mitgliedstaaten weitgehend frei. Steigerungen in der Wirtschaftlichkeit können z. B. vorab in der Ausgleichsleistung eingepreist sein148 oder es können gewisse Zielvorgaben im Betrauungsakt formuliert werden, auf deren Erreichung bzw. Nichterreichung mit einer Prämie oder einem Abzug reagiert wird.149 Im Wege einer Überkompensationskontrolle, die mindestens alle drei Jahre, bei Betrauungen ohne Vergabeverfahren alle zwei Jahre stattfinden muss, muss sichergestellt sein, dass überschüssige Ausgleichszahlungen festgestellt und zurückerstattet werden.150 Mit diesen ausgefeilten Mechanismen dürfte eine exaktere Kostenkontrolle möglich sein als unter dem Freistellungsbeschluss. Der Aufwand, die Kriterien umzusetzen, ist aber erhöht. Bei entsprechender Beratung dürfte dies aber gelingen. Von ökonomischer Seite her bilden die Kriterien den aktuellen Stand ab. e) Zusätzliche Voraussetzungen zur Vermeidung von übermäßigen Handelsbeeinträchtigungen Es gibt denkbare Fälle, in denen alle sonstigen Voraussetzungen des DAWIRahmens eingehalten sind, es aber dennoch zu übermäßigen Beeinträchtigungen des Handelsverkehrs innerhalb der Union kommen kann, etwa wenn kein Vergabeverfahren durchlaufen wird oder es Wettbewerbsmärkte gibt, auf denen Dienstleistungen erbracht werden, die der DAWI sehr ähneln. In solchen Fällen kann die Kommission bei der Genehmigung mit zusätzlichen Auflagen reagieren.151 f) Fazit zu den weiteren Rechtfertigungsanforderungen des DAWI-Rahmens Gegenüber der Frage, ob ein Flughafen überhaupt als DAWI eingestuft werden kann, dürften die weiteren Rechtfertigungsvoraussetzungen bei entsprechender Beratung und Gestaltung umsetzbar sein und kein Ausschlusskriterium für eine Förderung darstellen, da auf einen gesonderten Betrauungsakt nicht verzichtet werden kann, der die verlangten Kriterien dann festschreiben kann.

D. Würdigung Der EuGH und noch vielmehr die Kommission, die die Förderung des Baus und des Betriebs von Flughafeninfrastrukturen gegenüber dem EuGH undifferenziert als Maßnahme einordnet, die dem Beihilfetatbestand von Art. 107 Abs. 1 148 149 150 151

DAWI-Rahmen, Ziffer 41. DAWI-Rahmen, Ziffer 41. DAWI-Rahmen, Ziffer 47–50. DAWI-Rahmen, Ziffer 51–59.

214

Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

AEUV unterfällt, folgen dem üblichen Ansatz, den Beihilfentatbestand auf Kosten einer exakten juristischen, Folgeprobleme bedenkenden Prüfung denkbar weit zu fassen, um denkbar viele Maßnahmen in ihre Kontrollkompetenz zu ziehen. Die Kommission verfolgt damit ganz klar, wie in den Flughafenleitlinien 2014 deutlich gemacht wird, die eigene infrastrukturpolitische Agenda, den Luftverkehr auszuweiten und die großen Drehkreuze zu entlasten, jedoch gegen Doppelstrukturen in den Regionen vorzugehen, mit der Ausnahme von entlegenen Gebieten, die bislang noch keine Flughafenanbindung haben. Dabei mischt sie mittels des Wettbewerbsrechts beträchtlich bei einem Politikbereich mit, der in die Kompetenz der Mitgliedstaaten fällt und schmälert zugleich die Bedeutung der im AEUV gewährleisteten DAWI, da sie die Rechtfertigungsprüfung unter Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV der unter Art. 106 Abs. 2 AEUV bzw. dem DAWIRahmen annähert bzw. erstere sogar weniger streng ausfallen kann; zudem führt der rechtliche Ansatz der Kommission zu DAWI dazu, dass in zentralen, gut erschlossenen Mitgliedstaaten der EU wie Deutschland die DAWI-Förderung von Flughäfen praktisch tot ist. Während der Kommission zugute zu halten ist, dass sie insoweit für Klarheit gesorgt hat – ein wesentliches mit der Almunia-Reform verfolgtes Ziel – überzeugt der Ansatz der Kommission zu Flughäfen nicht nur in der Sache, um unnütze Doppelstrukturen und nicht nur öffentliche Haushalte zu schonen (wofür das EU-Beihilfenrecht nicht zuständig ist), sondern auch aus wettbewerblichen Gründen, also originären Zwecksetzungen des EU-Beihilfenrechts. Die dargelegte Marktsituation bzw. -entwicklung zeigt, dass es ohne wettbewerbliches Regulativ zu Subventionswettläufen zwischen Regionen und Mitgliedstaaten kommt, da Flughäfen gerade im Frachtbereich, wie in der Entscheidung Flughafen Leipzig/Halle versinnbildlicht wird, zueinander im Wettbewerb stehen, und zwar über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinaus. Dass die Kommission daher den Bau von Flughafeninfrastruktur als unternehmerische Tätigkeit immer dem Beihilfenrecht unterstellt, überzeugt bei der gegenwärtigen Marktsituation in der Sache, zumal die Rechtfertigungstatbestände prinzipiell den Ausbau neuer Infrastruktur, wenn nötig, nicht ausschließen. Die Kommission ist zudem den größten Bedenken, dass sie sich ausufernd in die Infrastrukturpolitik der Mitgliedstaaten einmischt (neben der AGVO 2014 mit der Freistellung für lokale Infrastrukturen) mit ihrer Bekanntmachung zum Beihilfenbegriff entgegengetreten. Danach sind Infrastrukturen, die der Öffentlichkeit unentgeltlich überlassen werden und daher nicht kommerziell genutzt werden wie Straßen, keine Unternehmen, ebensowenig natürliche Monopole wie bestimmte Netze (Abwasserleitungen), die nicht zueinander in Wettbewerb stehen, ebenfalls bestimmte lokale Infrastrukturen wie Mautstraßen.152 Juristisch überzeugend ist jedoch die Einordnung des Baus auch 152 Bekanntmachung der Kommission zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU v. 19.7.2016, C 262/1, Ziffer 199 ff. mit Beispielen.

D. Würdigung

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von später kommerziell genutzter Infrastruktur wie Flughäfen auch nicht mit der differenzierenden Begründung des EuGH, dass ein Zusammenhang zum Betrieb dann besteht, wenn dieser zur Finanzierung der Flughafeninfrastruktur mitverwendet wird. Generell kann ein privater Investor den Bau eines Flughafens und wohl auch anderer großer, später kommerziell genutzter Infrastruktur153 finanziell nicht stemmen, wenn die Benutzung noch zu für Kunden akzeptablen Preisen erfolgen soll; auch im Flughafen Leipzig/Halle-Fall war der Betrieb der Betreibergesellschaft nur wegen der staatlichen Patronatserklärung möglich. Warum aber jede derartige Maßnahme der Beihilfenkontrolle unterstellt werden soll, ist rechtlich und politisch schwer zu begründen. Damit werden nationale Infrastrukturprojekte als originäre Aufgabe des jeweiligen Nationalstaates, welche potentiell immer in einem gewissen Wettbewerb zu solchen anderer Mitgliedstaaten stehen, einer möglicherweise blockierenden oder zumindest verlangsamenden und damit innovationsfeindlichen supranationalen Kontrolle unterworfen, wo sich übermäßige Wettbewerbsverzerrungen durch die Kontrolle von Beihilfen des laufenden Betriebs sicherstellen ließen. Abgesehen davon, hat sich das Recht der DAWI im Bereich großer, kommerzieller Dienste positiv weiterentwickelt, auch oder gerade weil es zunehmend von sektorspezifischen Vorschriften überlagert wird. Im Zusammenspiel mit der ergänzten AGVO und der DAWI-De-minimis-Verordnung bietet es genügend Lücken, um unproblematische „kleine“ Fälle auszunehmen. So dürften auch die bisher noch nicht erwähnten bzw. erfassten Kleinstflughäfen wie der auf der Insel Usedom, die nicht wirtschaftlich betrieben werden können, deren Kosten jedoch durch zusätzliche Steuereinnahmen durch den Tourismus ausgeglichen werden und die daher für die Region häufig nichtig sind,154 dadurch ohne erhöhten Regulierungsaufwand vom Beihilfenverbot freigestellt sein. Die ausgefeilteren Voraussetzungen des DAWI-Rahmens zu der Berechnung des zulässigen Ausgleichs können durch größere Dienste leichter bewältigt werden, für kleinere Infrastrukturen wie Flughäfen unter 200.000 Passagieren im Jahr gilt dann der anwendungsfreundlichere Freistellungsbeschluss, der ohne Genehmigungsverfahren auskommt. Die Vorgaben an die Definition einer DAWI, die nur bei einem bestimmten Bedarf, der vorab ermittelt werden muss, vorliegt, sind möglicherweise strenger, aber auch klarer geworden. Dies gilt vor allem, soweit in Spezialmaterien wie dem Flughafenbereich konkrete Vorgaben gemacht werden, etwa dass eine Förderung eines Flughafen nach DAWI-Grundsätzen in Gebieten außerhalb den Randgebieten der Union und wenn in dem Einzugsgebiet (100 km, 60 Minuten Fahrzeit) bereits ein anderer Flughafen besteht, nicht in Betracht kommt. Dies wahrt das unionsrechtliche Kompetenzgefüge trotz der so eingeführten unionsrechtlichen

153 Man denke nur an die Transrapid-Strecke, die zum Münchner Flughafen führen sollte oder andere Bahnstrecken. 154 Siehe Guarrata, S. 5.

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Kap. 4: DAWI im Flughafensektor

Bedarfsprüfung, da die Mitgliedstaaten die Autonomie behalten, zu definieren, was eine DAWI darstellen soll und ausmacht, die Kommission jedoch mit handhabbaren Kriterien prüfen kann, ob diese vom Markt unter den definierten Bedingungen schon zufriedenstellend erbracht wird, um so Umgehungen des allgemeinen Beihilfenrechts unter dem Deckmantel der Daseinsvorsorge zu vermeiden. Angesichts positiver Entscheidungen der Kommission, wo die Förderung nach DAWI-Grundsätzen über den DAWI-Rahmen gebilligt wurde, etwa für Postdienste, ist auch davon auszugehen, dass den DAWI insoweit Geltung verschafft wird, wo nötig.155

155 Kommission, Entscheidung v. 28.3.2012, [SA 33054], Rn. 41 ff. – Post Office Limited UK; s. hierzu und auch zu anderen vergleichbaren Fällen Gayger, S. 356.

Fazit Seit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (spätestens) mit der Altmark-Entscheidung im Jahr 2003 in den Fokus des EU-Beihilfenrechts gerückt sind, hat sich das EU-Beihilfenrecht für DAWI beträchtlich weiterentwickelt. Die Bedeutung der rechtlichen Vorgaben, nach denen Beihilfen für DAWI zulässig sind, steigt mit der zunehmenden Ausdehnung des Anwendungsbereichs des EU-Beihilfenrechts gerade auf Gebiete, die im Zusammenhang mit Daseinsvorsorgeaufgaben stehen. Die vielfach unisono aus den Mitgliedstaaten gerade an der Kommission geäußerte, häufig grundsätzlich klingende Kritik1 wegen der Ausweitung des Anwendungsbereichs und der vorgeblich unklaren und die Praxis behindernden Regeln für DAWI-Beihilfen übersieht, dass eine supranationale Beihilfenkontrolle auch im Bereich der DAWI nicht nur wegen des Wettbewerbsschutzes sondern wegen der Gefahr der Umgehung der „normalen“ Beihilfenregeln durch die Berufung auf das DAWI-Argument notwendig ist. Die Unterbindung bestimmter Förderpraktiken ist auch in der Sache sinnvoll, zumal die Regulierung der Subventionierung der Daseinsvorsorge durch das Unionsrecht eine zwangsläufige Folge der seit den 1980er Jahren zunehmenden, wenngleich auch in Teilbereichen wieder zurückgenommenen Privatisierungen im Bereich der Daseinsvorsorge ist.2 Der bereits in Art. 106 Abs. 2 AEUV angestrebte Ausgleich zwischen der Gewährleistung von DAWI und dem Wettbewerbsschutz bzw. dem zwischenstaatlichen Handel wird durch die derzeitigen beihilfenrechtlichen Regeln für DAWI jedoch nur zum Teil erreicht. Mit dem Almunia-Paket wurde ein schlüssiges und hinreichend klares Regelungskonzept zu DAWI-Beihilfen geschaffen. Eine der wesentlichen Leistungen ist die mittels Anknüpfung an das volkswirtschaftliche Konzept des Marktversagens geschaffene Herausbildung eines konzeptionell klaren und zumindest in der

1 Wer einmal eine Tagung in Deutschland zu Fragen des EU-Beihilfenrechts besucht, wird wahrnehmen, dass die meist die Mehrzahl der Referenten stellenden Vertreter aus der in Deutschland und in Brüssel ansässigen Anwaltschaft und den deutschen Behördenvertretern im Chor eine häufig sehr grundsätzliche Kritik an aktuellen Maßnahmen der Kommission äußern und meist darauf hinweisen, dass die Vorstellungen der Kommission die Praxis unnötig verkomplizieren und die Recht der Mitgliedstaaten beschneiden würden. Vgl. etwa den Tagungsbericht zu den 5. Speyerer Europarechtstagen am 24.9.2013, s. dazu den Tagungsbericht von Hoffmann, KommJur 2014, 132. 2 Zu dieser Entwicklung Szyszczak, in: Szysczak/Van de Gronden (Hrsg.), Financing services of general economic interest, S. 4 f.

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Fazit

Theorie handhabbaren Ansatzes, wie eine DAWI definiert werden kann, also von auf einem Markt angebotenen Dienstleistungen, die ohne Beihilfen nicht oder nicht zu gleichen Bedingungen erbracht werden würden. Mit diesem funktionellen Ansatz wird eine Begriffskonzeption geschaffen, die die in den Mitgliedstaaten vorhandenen Daseinsvorsorge-Konzepte und Phänomene potentiell erfassen kann.3 Zudem ist dogmatisch nach den derzeitigen beihilfenrechtlichen Regeln für DAWI klar, an welcher Stelle innerhalb der beihilfenrechtlichen Prüfung DAWI eine Rolle spielen: Werden DAWI-Beihilfen nach Ausschreibung oder nach einem Marktvergleich gewährt, entfällt der Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV im Wege der Altmark-Tatbestandsausnahme, kleinere Beihilfen bzw. Beihilfen für soziale Dienste erfüllen bei Einhaltung gewisser Voraussetzungen aufgrund der DAWI-De-minimis-Verordnung nicht den Beihilfetatbestand bzw. sind bei Einhaltung der Voraussetzungen des Freistellungsbeschlusses von einer Anmeldepflicht freigestellt und gelten ohne Prüfung durch die Kommission als gerechtfertigt. Alle anderen DAWI-Beihilfen können nach vorheriger Anmeldung nach Maßgabe des DAWI-Rahmens durch die Kommission als gerechtfertigt erklärt werden. Die mit dem Almunia-Paket erstrebte Diversifikation der Rechtfertigungskriterien mit erleichterten Freistellungsvoraussetzungen für kleinere und soziale DAWI, jedoch strengeren, verstärkt wettbewerblichen Rechtfertigungsvoraussetzungen für größere, kommerzielle Dienste überzeugt im Ansatz. Die Analyse des Krankenhausmarktes stellvertretend für erste Fallgruppe sowie des Flughafenmarktes für die zweite Fallgruppe zeigt die Unterschiede zwischen diesen Gruppen deutlich auf. Soziale DAWI sind für das menschliche Dasein notwendiger, Beihilfen für kleine und soziale DAWI sind wegen deren geringeren Umfangs bzw. wegen der typischerweise gesetzlich geregelten Finanzierungs- und Wettbewerbsbedingungen bei sozialen DAWI typischerweise weniger wettbewerbsstörend. Gelungen ist sie jedoch eher nur für die zweite Fallgruppe, wie am Beispiel des Flughafenmarktes gezeigt. Insbesondere aufgrund der speziellen Anforderungen zur Definition einer DAWI, dürfte es in einem zentral gelegenen, mit Flughäfen bereits relativ gut versorgten Mitgliedstaat wie Deutschland praktisch ausgeschlossen sein, Beihilfen für DAWI zu rechtfertigen; dies dürfte in Mitgliedstaaten bzw. Regionen mit ähnlichen Merkmalen ähnlich sein. Angesichts dessen, dass der im Flughafenbereich gewählte kreative Ansatz des EuGH, der Bau von Flughafeninfrastruktur unterfalle dem EU-Beihilfenrecht, auf andere kommerziell genutzte Infrastrukturen übertragbar ist, ist es denkbar, dass das EU-Beihilfenrecht die Förderung von anderen Infrastrukturanlagen, auch nach DAWI-Grundsätzen unterbindet, wenn Überkapazitäten entstehen würden. Wenngleich damit weitreichende Eingriffe in die Infrastrukturpolitik der Mitgliedstaa3 Prägnant zum service public (Frankreich), zu services of general interest (Großbritannien), servizio pubblico (Italien), servicio público (Spanien), Guarrata, S. 122 ff.

Fazit

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ten möglich sind und die Erbringbarkeit von DAWI in diesem Bereich in Frage gestellt wird, überzeugt dieses Ergebnis bzw. diese Regulierungsmöglichkeit durch das EU-Beihilfenrecht in der Sache, da die mitgliedstaatliche Bedarfsplanung, möglicherweise zugunsten der Regionalförderung, in diesen Feldern nicht zu funktionieren scheint und derartige Infrastrukturen in einem Wettbewerb zu gleichartigen Infrastrukturen in anderen Mitgliedstaaten stehen. Des Weiteren zeigen Anwendungsfälle in anderen Bereichen großer, kommerzieller Dienste, dass dem DAWI-Rahmen ein Anwendungsbereich verbleibt und insbesondere die Vorgaben zur Ausgleichsberechnung umsetzbar sind.4 Insbesondere im Bereich der sozialen DAWI ist es jedoch nicht gelungen, diese beihilfenrechtlich sachgerecht zu erfassen und erleichterte, praktikable und klare Freistellungsvoraussetzungen bei gleichzeitiger Gewährleistung des Wettbewerbsschutzes zu schaffen. Dies wird deutlich beim Referenzfeld Krankenhausfinanzierung, insbesondere im Hinblick auf den Defizitausgleich zugunsten Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft in Deutschland. Dieses Phänomen soll vorbehaltlich dessen, dass es sich um rein lokale Fälle handelt5 – die Kriterien hierzu sind allerdings unklar –, dem Tatbestand des Art. 107 Abs. 1 AEUV unterfallen. Bei konsequenter Auslegung des Freistellungsbeschlusses bzw. der DAWI-Definition lässt sich jedoch angesichts der für Krankenhäuser aller Trägergruppen gleichen rechtlichen Bedingungen generell keine erforderliche besondere Versorgungsaufgabe für die mittels Defizitausgleich geförderten, regelmäßig kommunalen Krankenhäuser begründen; so verstanden, achtet und sichert das EU-Beihilfenrecht die Integrität und die Wertentscheidungen des nationalen Sozialversicherungssystems. Die Praxis des Bundesgerichtshofs (ähnlich die Praxis der Kommission zu Brüsseler Krankenhäusern) lässt jedoch aufgrund einer sehr pauschalen und unionsrechtlich diskutablen Argumentation die Praxis des Defizitausgleichs generell zu. Dies unterminiert nicht nur die Konzeption der DAWIDefinition – was für dogmatische Verunklarung sorgt – und die Zielsetzungen des in Konsequenz für Förderfälle ansonsten weitgehend wirkungslosen Freistellungsbeschluss, sondern bringt das EU-Beihilfenrecht entgegen dessen primärer Zwecksetzung gerade für die Rechtfertigung zusätzlicher, sozialrechtlich nicht vorgesehener Finanzierungsquellen in Stellung. Mit dieser – unionsrechtlich diskutablen – Lösung dürfte angesichts der Möglichkeit weiterer Wettbewerberklagen vor nationalen Gerichten und möglichen Vorlagen an den EuGH bzw. möglichen weiteren Beschwerden an die Kommission auch keine Rechtssicherheit erreicht sein. Die Fallpraxis der Kommission zu Brüsseler Krankenhäusern zeigt zudem, dass die Frage der beihilfenrechtlichen Einordnung besonderer Finanzierungsarten sich auch in anderen Mitgliedstaaten mit einem Nebeneinander 4 Kommission, Entscheidung v. 28.3.2012, [SA 33054], Rn. 41 ff. – Post Office Limited UK; s. hierzu und auch zu anderen vergleichbaren Fällen Gayger, S. 356. 5 Auf diese prinzipiell bestehende Rettungsmöglichkeit weist auch der BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493, Rn. 93 ff. hin.

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privater und öffentlich-rechtlicher Träger stellt. Eine ähnliche, soweit ersichtlich jedoch noch nicht diskutierte Problematik der beihilfenrechtlichen Zulässigkeit von bestimmten Zuwendungen bzw. deren Zuordnung zu einer DAWI dürfte sich auch hinsichtlich anderer sozialer Dienste wie der Pflege, die neben Leistungen der Sozialversicherung weitere Finanzierungsbeiträge staatlicher und kommunaler Stellen erhalten und in denen private neben öffentlich-rechtlichen Träger existieren,6 stellen, zumal die Bundesregierung insoweit gegenüber der Kommission auf den Freistellungsbeschluss gestützte Beihilfen in Millionenhöhe angibt.7 Diese Probleme auf Rechtfertigungsebene hängen in diesem Bereich damit zusammen, dass insoweit insbesondere die Kommission, teils gebilligt von der Rechtsprechung, bestrebt ist, auf Kosten von begrifflicher Klarheit und sachlicher Exaktheit den Anwendungsbereich des Beihilfenrechts und somit die eigene Kontrollkompetenz möglichst weit zu ziehen, etwa hier im Hinblick auf die Bejahung der Unternehmenseigenschaft von Krankenhäusern, die Teil eines Sozialversicherungssystems mit nicht nur öffentlich-rechtlichen Dienstleistungsbringern sind bzw. im Hinblick auf die generelle Bejahung eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Leistungserbringern; insoweit trifft die Kritik an der Ausweitung des Anwendungsbereichs des EU-Beihilfenrechts sachlich zu. Dabei dürfte die Schaffung einer Freistellungsmöglichkeit für Krankenhäuser und andere soziale Dienstleistungen die Tendenz, insoweit den Tatbestand zu bejahen, eher erhöhen bzw. möglicherweise (erst) eine beihilfenrechtliche Diskussion hierzu anstoßen. Zur Begrenzung der Fallzahlen wird dann insbesondere auf Rechtfertigungsebene ein einschränkender, jedoch nicht pauschal legalisierender Ansatz, etwa durch die angesprochenen Freistellungen verfolgt. Diese Vorgehensweise führt jedoch neben Umsetzungsaufwand vor allem zu Verunsicherung für die Rechtsanwender; die Kommission hat im Freistellungsbeschluss auch nicht durch weitere Konkretisierungen auf den sich insbesondere im Krankenhausbereich abzeichnenden Konflikt, der sich angesichts der Diskussionen zum Vorliegen einer Beihilfe bei Defizitausgleichen an Krankenhäuser abzeichnete, reagiert. Die Lösungsansätze der Praxis zur Umsetzung des Freistellungsbeschlusses beseitigen diese Unsicherheiten wegen der rechtlich nicht überzeugenden Begründung und dem Risiko weiterer Verfahren nicht und machen die Zielsetzungen des Freistellungsbeschluss, die Vermeidung von Wettbewerbsstörungen durch das Verbot von Überkompensierung, wegen des faktischen Verzichts auf eine saubere DAWI-Definition praktisch zunichte. Dies ist ein Zustand, der mit 6

Bühner/Sonder, NZS 2012, 688, 689. Siehe die von der Kommission angeforderte Mitteilung der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission vom 23.6.2016, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/state_aid/public_services/ (letzter Abruf am 29.4.2019), wonach für andere soziale Dienste Summen im niedrigen zweistelligen Millionenbereich ausgegeben wurden, für Kinderbetreuung wurde ein höherer Betrag von über 380 Mio. EUR (2015) ausgegeben. 7

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fehlender Konsequenz bei der Umsetzung der selbst aufgestellten Regeln oder mit der Zielsetzung, den status quo zu sichern, erklärt werden kann, wobei den Interessen der Wettbewerber bzw. der Träger der Sozialversicherung durch die Eröffnung einer beihilfenrechtlichen Kontrolle möglicherweise nur scheinbar nachgekommen wird. Gleichzeitig bleibt der (Veränderungs-)Druck auf die Empfänger von Beihilfen durch den Umsetzungsaufwand und verbleibende Rechtsunsicherheiten bestehen. Zur Lösung dieses unbefriedigenden Zustandes bietet es sich zum einen an, dass sich die Anwendungspraxis bei der Begründung einer besonderen Versorgungsaufgabe mehr Mühe gibt. Zum anderen bietet es sich für wettbewerblich eher unproblematische, jedoch versorgungsbedeutsame Fälle, etwa Krankenhäuser mit regionaler Versorgungsaufgabe, deren Einzugsgebiet sich nicht mit dem anderer Krankenhäuser überschneidet (etwa wenn im Umkreis von 30 oder 50 km kein weiteres Krankenhaus existiert) an, eine zusätzliche Freistellungsmöglichkeit in der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung zu schaffen, um klare Regeln für die Fälle zu schaffen, in denen Beihilfen strukturell nicht problematisch sind. Damit würde auch eher lokalen Phänomen bzw. lokalen Versorgungsaufgaben angemessen Rechnung getragen, ohne dass sich diese auf die rechtlich riskante Diskussion des Vorliegens einer echten DAWI bzw. des Entfallens der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels einlassen müssen. Dies würde für diese Bereiche auch dem Rechnung tragen, dass Art. 106 Abs. 2 AEUV keine Effizienzvorgabe kennt, mithin keine Auswahl eines bestimmten Dienstleistungserbringers verlangt, dies würde unterlaufen wenn eine Rechtfertigung ohne eine Auswahl oder Ausschreibung nicht möglich wäre. Es ergibt sich damit ein differenziertes Bild: Während die Weiterentwicklung des für die Daseinsvorsorge eminent wichtigen Rechts der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im EU-Beihilfenrecht im Allgemeinen konzeptionell gelungen ist, ist sie in praktischer Hinsicht für soziale und kleinere DAWI teilweise misslungen, für andere DAWI sachlich überwiegend gelungen.

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Sachverzeichnis Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) 31, 75, 92–94, 113, 151–152, 162, 176, 184, 203–204, 208, 214–215 Almunia-Paket 24–26, 34, 38–40, 42–43, 53, 61, 73, 92–95, 97, 99, 108, 113, 181, 207, 217–218 Altmark-Rechtsprechung, Altmark-Tatbestandsausnahme (EuGH, U. v. 24.7.2003, Rs. C-280/00, Slg. 2003, I-7747 – Altmark) 38, 50, 72, 74–75, 78–81, 83– 89, 91–94, 96–97, 110, 113–114, 138, 148, 167, 182, 194–195, 217–218 Ambulante Tätigkeit 50–51, 116, 137, 138, 144, 150–152, 159, 181 Art. 106 Abs. 2 AEUV 21–24, 34, 38, 40, 47, 56–58, 60–61, 76, 78, 81–82, 88, 91–102, 107–109, 112–113, 136, 159, 163, 166–167, 173, 183, 197, 201, 214, 217, 221 Ausgleichsparameter 87, 89, 181, 184 Ausschreibung 36, 64, 68, 89, 90–92, 110, 113, 194, 207, 211, 218, 221 Begünstigung 28, 63, 69, 71, 79, 82, 137, 138, 145, 164, 192, 194 Bekanntmachung zum Beihilfenbegriff 42, 66, 214 Besondere Aufgabe 48–49, 62–63, 84, 158, 160, 163, 166, 167–68, 172–174, 177, 183, 206 Betrauungsakt 48–49, 76, 89, 91, 104– 106, 109, 111, 147, 153–155, 157–158, 168, 177–184, 206–207, 210–211, 213 Betriebsbeihilfen 54, 151, 187, 191, 193–194, 196, 198, 201–204, 206, 208 BGH-Entscheidung zum Defizitausgleich für die Kreiskliniken Calw (BGH, U. v. 24.3.2016 – I ZR 263/14 – BeckRS 2016, 12493) 46, 49, 136, 144, 149,

154–158, 160–164, 166–169, 171–172, 180, 219 Daseinsvorsorge 19–21, 23, 34, 37, 53, 56–58, 60, 65–66, 80, 123, 216–218, 221 DAWI-Beschluss 24, 38, 41, 76, 77, 113 DAWI-De-minimis-Verordnung 75–78, 99, 111, 113–114, 150, 215, 218 DAWI-Leitfaden 39, 70, 91, 100, 109 DAWI-Mitteilung 24, 39, 41–42, 61–63, 66–67, 69, 71, 73, 88, 91–92, 99, 106, 109, 114, 141, 146, 163, 173 DAWI-Rahmen 24, 38, 41, 43, 55, 99, 100, 107–114, 205–210, 212–213, 215– 216, 218–219 De-minimis-Verordnung 41, 71, 76–77, 98–101, 145 Defizitausgleich 25, 44–48, 50, 116– 117, 119–123, 135–137, 142–145, 148– 153, 159–182, 184, 219, 220 Diagnosis related groups (DRG) 126– 130, 140, 170–171 Diversifizierung 41–43, 52, 99, 109, 113–114, 219 Effizienzanreize 108, 110–113, 212 Effizienzkriterium, Viertes Altmark-Kriterium 40, 81–82, 84–86, 87–88, 90– 92, 101, 112–113, 182, 184–185, 211 EU-Rahmen 24, 38, 108 EuG (Gericht erster Instanz der Europäischen Union), Entscheidung zu Brüsseler Krankenhäuser (EuG, U. v. 7.11.2012, Rs. T-137/10, juris – IRIS) 47–48, 50, 101, 112, 136, 160, 165, 167, 172, 180, 182. Europäischer Gerichthof, Entscheidung Flughafen Leipzig/Halle (EuGH, U. v. 19.12.2012, Rs. C-288/11 P, juris –

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Sachverzeichnis

Flughafen Leipzig/Halle) 36, 54, 64, 190, 192–193, 214–215 Flughafeninfrastruktur 25, 36, 44, 54, 64, 184, 187, 188, 190, 192–194, 196, 203–204, 206, 208, 213–215, 218 Freistellungsbeschluss 24, 38, 43–44, 49–50, 52–55, 76, 92, 99–111, 113–115, 121, 136, 141, 149, 151–154, 156–163, 166–167, 173, 176–178, 181–185, 205, 213, 215, 218–220 Freistellungsentscheidung 38, 40, 47, 49, 53–54, 92, 95–97, 100, 102–106, 141– 143, 156, 157, 162, 167, 176, 205 Gemeinschaftsrahmen 38–40, 92, 95–96, 107–112, 114 Große, kommerzielle DAWI 41, 43, 44, 98–99, 112, 114, 215, 218–219

Kommunale Krankenhäuser 46, 121–124, 131–132, 153, 160–163, 166, 168, 173 Kommunaler Sicherstellungsauftrag 166 Krankenhausplan 45, 49, 117–119, 155, 161, 164, 166–170, 173, 174, 180 Lokale Tätigkeit 145 Luftverkehrsleitlinien (2005/2014) 191, 193, 196–198, 201–202, 204–205, 207– 209 Monti-Paket 24, 38, 40, 53, 87, 92, 94– 96, 98, 135 Musterbetrauungsakt 153–155, 168, 181 Qualitätsrahmen 39, 56 Rechtsklarheit 25, 34, 42, 81, 97, 99, 106 Soziale DAWI 24–25, 106, 218

Handelsbeeinträchtigung 40, 71–74, 79, 82, 97, 104, 145–150, 194, 213 Infrastruktur 19, 25, 36–37, 43–44, 51– 52, 54, 58, 63–66, 74, 93–94, 103, 105, 111, 113, 124–125, 136, 138, 151–152, 172, 176, 184, 187–188, 189, 191–197, 199, 203–204, 206–210, 213–215, 219 Infrastrukturbeihilfen 54, 197 Investitionskostenförderung 25, 50–51, 116–117, 119, 124–125, 127, 130–131, 133, 136–137, 145, 148, 150–151, 158–159, 170, 174, 176, 177, 181 Kommission, Asklepios-Entscheidung 46, 136, 140, 143, 145, 166 Kommission, Entscheidungen zu Brüsseler Krankenhäusern (Kommission, 28.10.2009, NN 54/2009 (ex CP244/ 2005), Finanzierung der öffentlichen Krankenhäuser des IRIS-Netzwerks in der Region Brüssel) 141, 165, 219 Kommission, Entscheidung vom 5.7.2016 [SA19864 (2014/C) (ex 2009/NN54)] 136, 146, 147, 165, 173, 219

Überkompensierung 78, 95, 180–182, 220 Unternehmerische Tätigkeit/wirtschaftliche Tätigkeit 22–23, 35–36, 54, 62, 64–68, 90–91, 97, 106, 114–115, 138– 140, 141, 146, 159, 166, 184, 186, 190–194 Vergaberecht 27, 40, 68, 90, 110, 113, 211 Verhältnismäßigkeit 25 Viertes Altmark-Kriterium, Effizienzkriterium 40, 81–82, 84–86, 87–88, 90– 92, 101, 112–113, 182, 184–185, 211, 212 Weiterentwicklung 25, 43–44, 82, 85, 128, 221 Wettbewerbsverfälschung 32, 71–73, 95, 113, 143, 145–146, 151, 194 Wirtschaftliche/unternehmerische Tätigkeit 22–23, 35–36, 54, 62, 64–68, 90– 91, 97, 106, 114–115, 138–140, 141, 146, 159, 166, 184, 186, 190–194