Wandel im Journalismus autoritärer Regime: Das Beispiel Jordanien [1. Aufl.] 9783839431399

How does journalism change in authoritarian regimes? This study gives a nuanced analysis of the potential for change for

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Wandel im Journalismus autoritärer Regime: Das Beispiel Jordanien [1. Aufl.]
 9783839431399

Table of contents :
Inhalt
Danksagung
Vorbemerkung
Einleitung
I. THEORETISCH-ANALYTISCHER RAHMEN
Indikatoren des Wandels im Journalismus
1. Veränderung des normativen Referenzrahmens
2. Folgen gezielter Veränderungen
3. Positionierung gegenüber dem normativen Referenzrahmen
4. Folgen der Positionierung
5. Grundannahmen und Umsetzung der Fragestellung
Analysedimensionen
1. Normenkontext
2. Ressourcenkonstellation
Protonormen als Strukturierungsdimension
1. Wahrheit
2. Freiheit
3. Verantwortung
Ausblick auf das Forschungsdesign
II. FORSCHUNGSDESIGN UND METHODEN
Forschungsdesign
Feldforschung in Jordanien
Rekonstruktion von Wandelpotentialen
1. Rekonstruktion gezielter Transformationsversuche
2. Rekonstruktion von Wandelpotential durch journalistische Akteure
III. GEZIELTE TRANSFORMATIONSVERSUCHE: REFORMRHETORIK ODER WANDELINITIATIVE?
Normenkontext seit 1989
1. Gesetze: Von der Verfassung zum Informationszugangsgesetz
2. Berufskodizes: Zwischen Quasi-Gesetz und unabhängigem Redaktionskodex
3. Typen gezielter Transformationsversuche
Normativer Referenzrahmen seit 1989
1. Freiheit: Zwischen Garantie und Beschränkung
2. Verantwortung: Vom Staat zum Bürger
3. Wahrheit: Zwischen Suche und Verkündung
4. Zusammenfassung
Zusammenführung: Potentiale des Wandels durch gezielte Transformationsversuche
IV. JOURNALISTISCHE AKTEURE: AGENTEN DES WANDELS ODER HÜTER DES STATUS QUO?
Ressourcen als Bedingungen des Feldes
1. Organisationsbezogene Ressourcen im jordanischen Journalismus
2. Akteursbezogene Ressourcen im jordanischen Journalismus
3. Zwischenfazit
Resonanzen auf den normativen Referenzrahmen
1. Normenrekurs: Zwischen Wahrnehmung und Ignoranz
2. Normenbewertung: Zwischen Zustimmung und Ablehnung
Zusammenführung: Potentiale des Wandels durch verschiedene Akteurstypen
1. Oppositioneller Freiheitskämpfer
2. Ökonomischer Wahrheitsverkünder
3. Ambivalent Unabhängige
4. Verantwortungsvolle Wahrheitssucherin
5. Regime-nahe Verantwortungswahrer
Fazit
Quellen
Anhang

Citation preview

Judith Pies Wandel im Journalismus autoritärer Regime

Kultur und soziale Praxis

Judith Pies, geb. 1977, promovierte bei Kai Hafez an der Universität Erfurt und leitet die Redaktion der Website »Europäisches Journalismus Observatorium« (EJO). Die Kommunikations- und Nahostwissenschaftlerin arbeitete zunächst am Kompetenzzentrum Orient-Okzident Mainz (KOOM) und lehrt und forscht seit 2008 am Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus und am Institut für Journalistik der TU Dortmund. Ihre Forschungsschwerpunkte sind zivilgesellschaftliche Medienbeobachtung, Medienentwicklungszusammenarbeit und arabische Mediensysteme.

Judith Pies

Wandel im Journalismus autoritärer Regime Das Beispiel Jordanien

Zugleich Dissertation an der Universität Erfurt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: vorn: Judith Pies, Salt in Jordanien, 2007; hinten: Judith Pies, Regieraum von Roya TV, 2007 Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3139-5 PDF-ISBN 978-3-8394-3139-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Danksagung | 7 Vorbemerkung | 9 Einleitung | 11

I. THEORETISCH-ANALYTISCHER RAHMEN Indikatoren des Wandels im Journalismus | 39

1. Veränderung des normativen Referenzrahmens | 46 2. Folgen gezielter Veränderungen | 53 3. Positionierung gegenüber dem normativen Referenzrahmen | 57 4. Folgen der Positionierung | 61 5. Grundannahmen und Umsetzung der Fragestellung | 63 Analysedimensionen | 65

1. Normenkontext | 65 2. Ressourcenkonstellation | 81 Protonormen als Strukturierungsdimension | 93

1. Wahrheit | 93 2. Freiheit | 97 3. Verantwortung | 100 Ausblick auf das Forschungsdesign | 103

II. FORSCHUNGSDESIGN UND METHODEN Forschungsdesign | 107 Feldforschung in Jordanien | 111 Rekonstruktion von Wandelpotentialen | 117

1. Rekonstruktion gezielter Transformationsversuche | 117 2. Rekonstruktion von Wandelpotential durch journalistische Akteure | 122

III. G EZIELTE TRANSFORMATIONSVERSUCHE: REFORMRHETORIK ODER W ANDELINITIATIVE ? Normenkontext seit 1989 | 137

1. Gesetze: Von der Verfassung zum Informationszugangsgesetz | 138 2. Berufskodizes: Zwischen Quasi-Gesetz und unabhängigem Redaktionskodex | 166 3. Typen gezielter Transformationsversuche | 179 Normativer Referenzrahmen seit 1989 | 183

1. Freiheit: Zwischen Garantie und Beschränkung | 186 2. Verantwortung: Vom Staat zum Bürger | 205 3. Wahrheit: Zwischen Suche und Verkündung | 228 4. Zusammenfassung | 240 Zusammenführung: Potentiale des Wandels durch gezielte Transformationsversuche | 247

IV. J OURNALISTISCHE AKTEURE: AGENTEN DES W ANDELS ODER H ÜTER DES STATUS QUO ? Ressourcen als Bedingungen des Feldes | 257

1. Organisationsbezogene Ressourcen im jordanischen Journalismus | 259 2. Akteursbezogene Ressourcen im jordanischen Journalismus | 300 3. Zwischenfazit | 318 Resonanzen auf den normativen Referenzrahmen | 321

1. Normenrekurs: Zwischen Wahrnehmung und Ignoranz | 322 2. Normenbewertung: Zwischen Zustimmung und Ablehnung | 331 Zusammenführung: Potentiale des Wandels durch verschiedene Akteurstypen | 351

1. Oppositioneller Freiheitskämpfer | 351 2. Ökonomischer Wahrheitsverkünder | 355 3. Ambivalent Unabhängige | 358 4. Verantwortungsvolle Wahrheitssucherin | 360 5. Regime-nahe Verantwortungswahrer | 363 Fazit | 367 Quellen | 379 Anhang | 409

Danksagung

Dieses Buch entstand im Rahmen meiner Promotion am Seminar für Medien- und Kommunikationswissenschaften der Universität Erfurt. Es stellt nur einen kleinen Ausschnitt dessen dar, was ich auf dem Weg zu seiner Formvollendung geschaffen habe. Ich möchte deshalb an die zahlreichen Vorversionen, verworfenen Skizzen und nicht weiter verfolgten Ideen erinnern, die diesem Text vorausgingen. Ihnen gebührt ebenfalls Aufmerksamkeit. Denn sie sind der Beleg dafür, dass ich eine lange, manchmal mühsame aber sehr abwechslungsreiche Strecke zurückgelegt habe. Wie beim Reisen war für mich beim Promovieren der Weg das Ziel. Und so möchte ich all denjenigen danken, die mich begleitet, unterstützt und auf die spannenden Dinge am Wegesrand aufmerksam gemacht haben. Die Grundlagen für meine Lust am Reisen, die Suche nach Wissen und die Ausdauer für mühsame Strecken verdanke ich meinen Eltern. Sie haben auf vielfältige Weise für mein Vorankommen gesorgt und mir unter anderem orthographische Steine im Manuskript aus dem Weg geräumt. Die größte Einsicht in die Zahl der zurückgelegten Kilometer, Umwege und Sackgassen auf dem Weg der Promotion hatte mein Erstgutachter Prof. Dr. Kai Hafez. Er stand als weithin sichtbarer Wegweiser an vielen Kreuzungen. Gäbe es ein Navigationsgerät für Dissertationen, die Software stammte von ihm. Der Höhepunkt meines Forschungsweges war Jordanien, wo mich die vertrauensvollen Einblicke in die Arbeit zahlreicher Gesprächspartner auch in der Rückschau immer wieder vom Sinn der Reise überzeugten. Es waren vor allem Philip Madanat, Aida Tawil und Imad Nuseir die mich sicher über mir unbekannte Pfade während der Feldforschung leiteten. Unterwegs die Vielfalt der wissenschaftlichen Landschaften erkunden zu dürfen, verdanke ich vorrangig meinen beiden Arbeitsstätten am Institut für Geographie der Universität Mainz und dem Institut für Journalistik der TU Dortmund. An beiden Orten fand ich Weggefährten die mir Neues zeigten, auf Altes verwiesen und mir Überflüssiges zu entledigen halfen. Hervorheben möchte ich in Mainz Dr. Jörn Thielmann, der mir den Reiseführer »Dissertation« in die Hand gab und damit

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mein Interesse für diesen Weg erst weckte. In Dortmund stand meine Zweitgutachterin Prof. Dr. Susanne Fengler immer wieder an der Strecke und sorgte mit aufmunternden Worten, spannenden gemeinsamen Abstechern und viel Unterstützung für die notwendige Motivation zum Weitergehen. Beim Reisen sind Pausen unerlässlich. Sie bringen neue Energie, erlauben schweifende Blicke und sorgen für die notwendige Ruhe. Hätte die gemeinsame Zeit mit Erik nicht für wohltuende Auszeiten gesorgt, ich wäre schon früh umgekehrt. Sein Blick auf Fahrpläne und Wegekarten haben mich außerdem aus mancher Verirrung sicher zurückgeführt. Dass ich am Ende das Lauftempo deutlich erhöhte, verdanke ich vor allem meinen beiden Söhnen. Ohne die bevorstehende Geburt von Johann und ohne Jakobs eindringliches Fragen, wann denn »das Buch« endlich fertig sei, würde ich womöglich heute noch meinen PC mit Skizzen und Vorversionen füllen. Judith Pies Stuttgart im August 2015

Vorbemerkung

Die Umschrift arabischer Begriffe in dieser Arbeit folgt den Regeln der deutschen Behörden, die eine Anpassung von internationalen Standards ans Deutsche darstellen. Ziel dieser Umschrift ist es, benutzerfreundlich für Leser, die des Arabischen nicht mächtig sind, zu sein und zugleich für Sprachkundige eine Rückführbarkeit auf die arabische Aussprache und Schreibweise zu gewährleisten. Der Benutzerfreundlichkeit dient der Verzicht auf Sonderzeichen und auf diakritische Zeichen zur Darstellung emphatischer Laute und langer Vokale. Bei den Konsonanten erfolgt die Umschrift nach den Regeln in Tabelle 1. Es werden lediglich die der arabischen Schriftsprache bekannten Vokale »a«, »u« und »i« geschrieben. Auf Striche zur Markierung einer Längung wird verzichtet. Die beiden Diphthonge werden als »au« bzw. »ai« wiedergegeben, z.B. Ash-Sharq Al-Ausat. Hamza wird im Wortinnern mit ' transkribiert, am Wortanfang und -ende verzichte ich darauf. Doppelte Konsonanten werden auch doppelt wiedergegeben. Der arabische Artikel wird mit Bindestrich dem Wort vorangestellt und wo erforderlich, assimiliert, z.B. Ar-Ra'i, As-Sabil. Sofern es sich um Eigennamen und -begriffe handelt, erfolgt eine Großschreibung sowohl des Artikels als auch des Wortes selbst. Ansonsten schreibe ich alles klein. Präpositionen wie »wa« oder »fi« werden mit dem Artikel »al« zusammengeschrieben, wenn dieser folgt. Auf die grammatikalische Flexion verzichte ich und die weibliche Endung auf -t (ta marbuta) des ersten Worts wird analog zur Aussprache nur in einer Genitivverbindung geschrieben, z.B. risalat al-ikhwan. Eingedeutschte Begriffe wie Koran, Scharia, Schia etc. werden in der Schreibweise des Duden übernommen. Geläufige Ortsnamen verwende ich ebenfalls in der deutschen Schreibweise, z.B. Kairo, Ägypten, Jordanien etc. Bei Personennamen verwende ich grundsätzlich die Eigenschreibweise, sofern sie in einem Dokument verschriftlicht vorliegt. Organisationen, die eine offizielle englische Übersetzung ihres Namens haben, verwende ich in ihrer englischen Version unter Verweis auf den arabischen Originalnamen und die deutsche Übersetzung.

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Tabelle 1: Regeln für die Umschrift arabischer Konsonanten Arabisch

Transkription

(ungefähre) Aussprache

‫ث‬

th

Stimmloses »th« wie engl. »thing«

‫ج‬

j

Stimmhaft wie engl. »Jim«

‫ح‬

h

Kein Dehnungs-h, stets hörbar

‫خ‬

kh

Wie dt. »ch« in »Bach«

‫ذ‬

dh

Stimmhaftes »th« wie engl. »this«

‫ز‬

z

Stimmhaftes »s« wie dt. »Sahne«

‫ش‬

sh

Wie dt. »sch« in »Schach«

‫س&ص‬

s

Stimmloses »s« wie dt. »Fass«

‫د&ض‬

d

Wie dt. »d« in »Dach«

‫ت&ط‬

t

Wie dt. »t« in »Tee«

‫ع‬

'

‫غ‬

gh

Wie dt. Rachen-r

‫ق‬

q

Kehlig gesprochenes »k«

‫و‬

w

Wie engl. »w« in »wet«

‫ي‬

y

Wie dt. »j« in »Jahr«

‫ ؤ‬،‫ ئ‬،َ‫ ا‬im Wortinnern

'

Stimmabsatz wie dt. »be'achten«

Ähnlich Stimmabsatz bei »be'achten«

Quelle: Eigene Zusammenstellung

Zitate habe ich grundsätzlich in ihrer Originalschreibweise belassen. Die Zitate aus meinen arabisch-, englisch- und französischsprachigen Primärquellen (Dokumente, Gesprächsnotizen, Interviews, Ethikkodizes und Gesetzestexte) habe ich ins Deutsche übersetzt. Sie sind aus Gründen des besseren Leseflusses nicht gesondert als meine Übersetzungen ausgezeichnet. Mit Nennung der männlichen Funktionsbezeichnung ist in diesem Buch, sofern nicht explizit gekennzeichnet, immer auch die weibliche Form gemeint.

Einleitung

Als die Proteste gegen die Regierungen in Tunesien und Ägypten Anfang des Jahres 2011 an Stärke gewannen, ignorierte die nationale Medienberichterstattung der beiden Länder sie fast vollständig. Informationen über Demonstrationen und die aktuellen Ereignisse wurden überwiegend mittels Sozialer Netzwerkmedien (SNM) wie Facebook und Twitter, Mobiltelefone und die panarabischen Nachrichtensender Al-Jazeera und Al-Arabiya verbreitet. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass die auf die Proteste folgenden Regimewechsel in der Wissenschaft einen regelrechten Forschungsboom zu der Frage erzeugt haben, welche Rolle die Nutzung von SNM und anderen Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) für politische Umbrüche spielen. Eine von McCurdy herausgegebene »(Working) Arab Spring Reading List« sammelt akademische und nicht-akademische Literatur, die sich mit der Rolle der Medien während des Arabischen Frühlings beschäftigt.1 Anfang 2013 nannte diese Liste allein 45 wissenschaftliche Artikel, die sich mit der Rolle von SNM, dem Internet oder Internettechnologien für den Ausbruch und den Verlauf der Revolutionen befassten. Die Sammlung unterstreicht ein (wiedererwachtes) Interesse an der Beziehung zwischen Medienwandel und politischem Wandel. Die meisten Publikationen stellen vor allem individuelle Kommunikationsformen in der Vordergrund und beleuchten die Zusammenhänge zwischen politischen Entwicklungen und dem Aufkommen von Internettechnologien wie SNM. Die in der Reading List aufgeführte Zahl der Publikationen, die sich mit herkömmlichen Massenmedien befassen, ist hingegen verschwindend gering.2 Die Beziehungen zwischen dem traditionellen Journalismus und individuellen Kommunikationsformen via SNM, die nicht nur in autoritären Systemen eine wichtige Rolle spielen,

1

Vgl. McCurdy, Patrick (Hg.) (2013): »A (Working) Arab Spring Reading List.« https://docs.google.com/document/d/1DU8AOlkTV6F0ZyoGcbk_060iBZG5tWKwj_n97 EJPe9M/edit vom 20.4.2015.

2

Ausnahmen sind: Dahdal 2012; Khamis/Gold/Vaughn 2012; Osman/Abdel Samei 2012; Hamdy/Gomaa 2012; Nanabhay/Farmanfarmaian 2011.

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werden somit in der aktuellen Publikationslage weitgehend vernachlässigt. Nur wenige Beiträge verweisen auf das jahrzehntelange Versagen nationaler Medien, professionell und unabhängig über Proteste, Regime-Opposition oder soziale Probleme zu berichten. Dieses Versäumnis hat jedoch den Bedeutungszuwachs von SNM als alternative Form des Informationsaustauschs in vielen autoritären Regimen begünstigt. Ein Beispiel aus Syrien in der Zeit vor dem Bürgerkrieg verdeutlich, dass sich mithilfe von Facebook die oftmals engen Räume der freien Informationsverbreitung besser nutzen ließen als über die streng kontrollierten Massenmedien. So gründete sich im Jahr 2009 eine Facebook-Gruppe – zum Teil bestehend aus syrischen Journalisten – die auf ein massives Binnenflüchtlingsproblem aufmerksam machte. Die überwiegend vom Regime kontrollierten Massenmedien hatten über das Problem der Binnenflüchtlinge, die aufgrund dauerhafter Dürre aus ihrer Heimatregion in Nordostsyrien fliehen mussten, nicht berichtet. Die Thematisierung galt als Bloßstellung des Regimes. Die Facebook-Gruppe nahm sich des Themas indes an und trug kollektiv Informationen von Hilfsorganisationen, Rechtsanwälten und Betroffenen zusammen (vgl. Pies/Madanat 2011b: 20). Weitaus bekannter sind FacebookInitiativen wie Kulna Khaled Sa'id (Wir sind alle Khaled Said) oder Harakat Shabab 6 Abril (Jugendbewegung des 6. April), die in Tunesien und Ägypten den Revolutionen vorausgingen und ebenfalls zeigen, wie SNM alternative Informationskanäle auch in strikt autoritären Regimen ermöglichen (vgl. Khamis/Gold/Vaughn 2012: 12ff.; Aouragh/Alexander 2011: 1345ff.).3 Vor diesem Hintergrund verweist der Aufschwung von Facebook, Twitter und Co nicht nur auf eine neue Form der Protestkommunikation. Er symbolisiert auch das große Vertrauensdefizit weiter Teile der Bevölkerung in den gesellschaftlichen Auftrag des Journalismus, der die Herstellung einer nationalen Öffentlichkeit, die Informationsbereitstellung, die Kritik und Kontrolle der Herrschenden und die Thematisierung gesellschaftlich relevanter Probleme erreichen soll. Die Angriffe und Belagerungen der staatlichen Fernsehstationen in Ägypten und Tunesien im Zuge der Proteste von 2011 und 2012 bringen dieses Defizit in besonders brutaler Weise zum Ausdruck. Doch schon die Etablierung des Satellitensenders Al-Jazeera als wichtiger globaler und vor allem panarabischer Nachrichtenkanal hatte zu Beginn des Millenniums auf den Mangel an Vertrauen der Bevölkerung in die nationalen Mediensysteme hingewiesen. Die große Beliebtheit des Senders in den meisten arabischen Ländern hatte zum einen mit der Einführung neuer publikumsorientierter journalistischer Formen zu tun, zum anderen aber auch mit seiner erstmals offenen Kritik an

3

Aouragh und Alexander sprechen in diesem Zusammenhang von »Sphären der Dissidenz« (spheres of dissidence) (2011: 1345), die die Bürger dadurch geschaffen hätten, dass sie sich an einen generellen Ungehorsam gegenüber religiösen und politischen Autoritäten gewöhnt und diesen über das Internet ausgelebt hätten (vgl. auch Hofheinz 2011).

E INLEITUNG | 13

Autokraten und politischen wie sozialen Zuständen der Region. Mit seiner an einem transnationalen Massenpublikum orientierten Produktionsstrategie hatte Al-Jazeera viele nationale Fernsehsender erstmals in Konkurrenzsituationen gedrängt. Fernsehsender, deren vorrangiges Ziel es bis dato gewesen war, die Politik des Regimes zu verkünden und zu begründen, wurden plötzlich nach ihren Publikumszahlen und ihrer Beliebtheit bewertet. Neue journalistische Stile und Programme fanden Einzug in die Politikdarstellung der nationalen Medien und berühmte Moderatoren gaben Vorbilder ab für angehende Journalisten überall in der arabischen Welt. Der Einfluss Al-Jazeeras und anderer panarabischer Fernsehsender für die nationalen Mediensysteme in der arabischen Welt lässt sich nicht leugnen. Doch das Ausmaß des während des Arabischen Frühlings offenbarten Vertrauensverlusts in die traditionellen Massenmedien gibt Anlass, erneut darüber nachzudenken, wie tiefgreifend die Veränderungen der letzten zehn Jahre für den Journalismus der Region tatsächlich waren. Zwar hat sich gezeigt, dass das Satellitenfernsehen, allen voran Al-Jazeera, offensichtlich die Autokraten der Region dazu zwingen konnte, ihre bis dato überwiegend strikte Medienpolitik zu überdenken: Die Reaktionen der Machthaber fielen unterschiedlich aus und umfassten Maßnahmen, wie das Verbot von Satellitenschüsseln in Syrien oder eine vorsichtige Reformpolitik des staatlichen Rundfunks wie in Jordanien. Zugleich lässt sich aber auch feststellen, dass Reformen – so sie denn erfolgten – tatsächlich eher Anpassungen an die autoritären Strukturen darstellten. Viele der scheinbaren »Al-Jazeera Effekte« (Armbrust 2005) erweisen sich auf den zweiten Blick als Imitation, ohne an den Grundsätzen des Journalismus in den autokratischen Ländern zu rütteln. Jordanische Rundfunkstationen etwa übernahmen gern die Formate des sogenannten Hörer-Telefons, behielten ihre altbekannten Zensurmaßnahmen jedoch aufrecht. Medienorganisationen praktizierten somit zwar vermehrt Publikumsnähe, verschlossen sich aber gegen eine Repräsentation gesellschaftlicher Diversität, indem sie nur Regime-freundliche Stimmen zu Wort kommen ließen. Nicht immer waren die Veränderungen so augenfällig kosmetischer Natur wie in Syrien, wo im Jahr 2006 programmatisch-inhaltlicher Stillstand mit neuen Richtlinien zum Aussehen der Moderatorinnen kaschiert werden sollte.4 Auch die Einrichtung von angeblich unabhängigen Medienräten oder Lizenzierungsinstitutionen erweisen sich bei genauerer Betrachtung als Trugschluss. Gleiches gilt für die Liberalisierung der Mediengesetzgebung, die durch eine Verschärfung der Regelungen an anderer Stelle ad absurdum geführt wird. Die politikwissenschaftliche Autoritarismusforschung spricht bei solchen Entwicklungen von

4

Zu den Richtlinien der syrischen Strukturreform im staatlichen Fernsehen zählten u.a. das Verbot von zu starkem Make-up und ein Maximalgewicht im Verhältnis zur Größe für Moderatorinnen (vgl. Kraidy 2006).

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»imitierten Institutionen«, die als ein Mechanismus unter anderen wesentlich zum Erhalt der autoritären Regime beitragen (vgl. Schlumberger 2008: 158ff.; Heydemann 2007). Die Existenz bestimmter Institutionen, Reformprogramme oder journalistischer Genres reicht deshalb nicht aus, um dem Journalismus einen Wandel zu attestieren. Grundlegende Fragen für die Rolle des Journalismus in der Gesellschaft sind nämlich nach wie vor nicht geklärt. So stehen trotzt vieler Veränderungen in den letzten 20 Jahren »Zensur, journalistische Selbstzensur und die Debatten vergangener Jahrzehnte um journalistische Freiheiten und die Ethik von Objektivität unter autoritärer Herrschaft immer noch hoch auf der Agenda« (Hafez 2008b: 4, Übersetzung J.P.). Angesichts der erwähnte Unschärfe bei der Betrachtung von Veränderungen im Journalismus stellt sich also die Frage: Wie wandelt sich Journalismus in autoritären Regimen und wie lässt sich ein solcher Wandel erkennen? Die Beantwortung dieser forschungsleitenden Frage erfordert eine besondere Sorgfalt bei der Auswahl von Indikatoren, die einen Wandel anzeigen können. Zudem stellt sich die Frage, inwiefern politische Entscheidungen von autoritären Regimen tatsächlich zu einem Wandel beitragen können – sei es gewollt oder ungewollt – und welche weiteren Faktoren möglicherweise Einfluss auf einen Wandel im Journalismus nehmen können. Bevor ich zur Beantwortung dieser Fragen komme, möchte ich zunächst Anknüpfungspunkte zur vorhanden Forschung vorstellen, um dann anhand des Untersuchungsfalls Jordanien die Fragestellung zu konkretisieren. Journalismus und Wandel Die Beantwortung der Frage, wie Wandel im Journalismus autoritärer Regime funktioniert und wie er untersucht werden kann, setzt die Klärung zweier Aspekte voraus: Erstens bedarf es einer Bestimmung dessen, wie sich die Beziehung zwischen Wandel im Journalismus und gesellschaftlichem Wandel generell gestaltet. Daraus ableitend stellt sich die zweite Frage, welche Faktoren als Indikatoren des Wandels im Journalismus zu betrachten sind. Da die Kommunikationswissenschaft nicht über ein »geschlossenes Konzept zur Analyse von Wandlungsprozessen« im Journalismus verfügt (Behmer et al. 2005: 7), möchte ich mit den folgenden Ausführungen Anknüpfungspunkte an die bisherige Journalismusforschung aufzeigen, um das von mir gewählte theoretische Konzept und den Untersuchungsfokus besser einzuordnen. Besonders für die Betrachtung autoritärer Regime und die Potentiale eines Wandels im Journalismus gibt es nur wenige Anhaltspunkte in der bisherigen Forschung, sodass ich zunächst auf grundlegende Betrachtungen zum Wandel von Journalismus blicken und diese mit Erkenntnissen aus wissenschaftlichen Untersuchungen zum Journalismus in autoritären Regime – besonders der arabischen Welt – ergänzen werde. Um Wandel im Journalismus zu untersuchen, hat die Forschung nach Rosengren vier unterschiedliche Ausgangspositionen, die die Beziehung von Medien und

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gesellschaftlichem Wandel bestimmen, eingenommen: Das Verhältnis wurde entweder als voneinander unabhängig (Autonomie), als sich gegenseitig bedingend (Interdependenz), als beeinflusst durch die Medien (Idealismus) oder als beeinflusst durch den sozialen Wandel (Materialismus) betrachtet (Rosengren 1981: 249). Während von einer völligen Autonomie heute kaum jemand mehr spricht, bestehen Idealismus und Materialismus als Tendenzen einer interdependenten Beziehung – wenn auch oft nur implizit – fort. So verweisen Formulierungen wie »FacebookRevolution« (z.B. El-Nawawy/Khamis 2012), »Youtube-Aufstand« (z.B. Khamis/ Gold/Vaughn 2012) oder »Wiki-Revolution« (z.B. Ferron/Massa 2011) auf ein idealistisches Beziehungsverhältnis, das medientechnische Entwicklungen in der Lage sieht, politische Verhältnisse zu verändern. Auch wenn die Betrachtungen der oben genannten Werke realistisch genug sind, die politische Situation vor und während der Revolutionen als einen wichtigen Faktor des Wandels zu betrachten, so bleibt dennoch – allein durch die Auswahl des Forschungsfokus – der euphorische Blick auf die Rolle von neuen Technologien erhalten. Auch die Betrachtung AlJazeeras weist oft idealistische Züge auf. So wird etwa argumentiert, dass durch die panarabischen Medien auch eine panarabische Öffentlichkeit geschaffen würde, die die autoritären Regime in der Region erschüttern und herausfordern könnten (vgl. z.B. El-Nawawy/Iskandar 2003). Zugleich stehen für die Untersuchung autoritärer Regime oft politische Entwicklungen als Auslöser für Medienwandel im Fokus. In einem solchen Verständnis dominiert die Auffassung, dass Wandel im Journalismus bzw. im Mediensystem vor allem durch Veränderungen des politischen Systems selbst erfolgt, ohne zwangsläufig einem Determinismus zu verfallen. In diesen Forschungszweig lassen sich viele der Arbeiten einordnen, die im Nachgang des Zusammenbruchs der Sowjetunion (1991) und der einsetzenden Demokratisierungswelle vor allem in Osteuropa entstanden. Hier wurden häufig materialistische Tendenzen vertreten, die den Ursprung des Wandels im Journalismus vor allem in den gesellschaftlichen Veränderungen, die durch die Perestroika Gorbatschows eingeleitet worden waren, sahen. Diese Sicht wurde dadurch unterstrichen, dass sich zunächst nur wenige Studien überhaupt intensiv mit der Entwicklung der Medien und ihrer Rolle für die Transformationsprozesse auseinandersetzten, was auch daran lag, dass sich die Kommunikationswissenschaft bis dahin nur wenig für dieses Themengebiet interessiert hatte (vgl. Thomaß 2001; Tzankoff 2001a, 2001b). Mit einem Anwachsen der Forschungsliteratur zum Wandel der Medien in autoritären Regimen und in unterschiedlichen Transformationsphasen wurde schließlich deutlich, dass politischer und medialer Wandel sich nicht voneinander trennen lassen und dass die jeweiligen Beziehungsrichtungen sich nach dem je zeitgeschichtlichen, nationalen Kontext unterschiedlich ausgestalten (vgl. Jones 2002a; Price/Rozumilowicz/Verhulst 2002; Price/Rozumilowicz 2002).

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Zu dieser Erkenntnis gelangt auch Stöber (2005), der anhand historischer Entwicklungen in Europa den Einfluss von vier äußeren Faktoren für Prozesse des Wandels im Journalismus diskutiert: Recht und Politik, Ökonomie, Kultur sowie Technik. Er unterscheidet die Rolle dieser Faktoren nach ihrer Auslöser- (Apriori des Wandels) bzw. Verstärkerfunktion (Agent of Change) für Wandel im Journalismus. Sein historischer Rückblick kommt zu dem Schluss, dass sich in der Geschichte für alle Faktoren beide Funktionen finden lassen und dass zudem aus dem Journalismus selbst Anstöße für Wandel in anderen Bereichen erfolgten. So sieht er bisweilen kommunikationspolitische Veränderungen als Antreiber medialer und journalistischer Veränderungen, aber weitaus häufiger hätten »mediale und journalistische Veränderungen Politik und Gesetzgebung zu Reaktionen gezwungen« (ebd.: 31). Den Faktor Kultur als kulturellen Diskurs beschreibt er in erster Linie als Verstärker, nicht jedoch als Auslöser eines Wandels im Journalismus. Ökonomische und technische Entwicklungen hingegen seien eher Wandelauslöser und verstärker als selbst beeinflusst durch Entwicklungen im Journalismus (vgl. ebd.: 25ff.). Hallin und Mancini fokussieren bei ihrer Betrachtung zum Wandel europäischer Mediensysteme vor allem auf politische und wirtschaftliche Entwicklungen und kommen zu dem Schluss, dass »ohne einen signifikanten Wandel in Politik und Gesellschaft eine Transformation der europäischen Mediensysteme nicht plausibel [sei]« (Hallin/Mancini 2004: 261, Übersetzung J.P.). Als Vergleichskategorien (mit historischer Perspektive) schlagen sie deshalb folgerichtig »politischen Parallelismus« und die »Rolle des Staates« als politischen und die »Struktur des Medienmarktes« als ökonomischen Faktor vor (vgl. ebd.: 21ff.). Neben diesen externen Anstößen zum Wandel in den Mediensystemen Europas verweisen sie auf journalismusinterne Faktoren, die den Wandel des Journalismus in einzelnen Ländern vorangetrieben hätten. Ihre Vergleichsdimension »Professionalismus« unterstreicht diese Argumentation. Zu den journalismusinternen Faktoren, die an einem Wandel des Journalismus in Europa beteiligt waren, zählen sie einen gestiegenen Ausbildungsgrad der Journalisten, eine Vergrößerung der Medienorganisationen, die Entwicklung eigener professioneller Standards, die Nutzung technischer Neuerung für die Informationsproduktion und ein gestiegenes Prestige des Journalismus als legitimer Repräsentant der Öffentlichkeit (vgl. ebd.: 272f.). Blöbaum, der von einem autopoietischen Journalismussystem ausgeht, betrachtet den Wandel des Journalismus seit dem 17. Jahrhundert als eine Ausdifferenzierung eines eigenständigen Systems parallel zur gesellschaftlichen Entwicklung, wobei er die Beziehung zur Gesellschaft nicht weiter bestimmt (vgl. Blöbaum 2004: 205). Für ihn erfolgte der Wandel des Journalismus vor allem durch drei journalismusinterne Bereiche, die diese Ausdifferenzierung vorangetrieben hätten. In Teilen überschneiden sie sich mit denen von Hallin und Mancini. In einer systemtheoretischen Begrifflichkeit unterscheidet er journalistische Organisationen, journalisti-

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sche Programme und journalistische Rollen. Dabei spielen unter anderem ein Wachsen der Medienunternehmen, die Herausbildung von Ressorts und verschiedenen Darstellungsformen, Recherchetechniken oder Selektionskriterien sowie die Aufgabenspezialisierung in den Redaktionen eine Rolle für die Ausdifferenzierung des journalistischen Systems (Blöbaum 2004: 207ff., 2005: 48ff.). Da sich solche Grundgedanken zur Beziehung zwischen Wandel im Journalismus und gesellschaftlichem Wandel explizit auf historische Entwicklungen beziehen, lassen sie sich auch auf heutige autoritäre Regime anwenden. Denn ein Großteil der angesprochenen Entwicklungen rekurriert auf nicht-demokratische Epochen der europäischen Geschichte. Neben der Grundannahme einer interdependenten Beziehung werde ich mich deshalb nicht allein auf politische Entwicklungen als mögliche Wandel-Initiatoren konzentrieren, auch wenn die Beziehung des Journalismus zur Politik in autoritären Regimen einer besonderen Betrachtung bedarf. Wirtschaftliche und technische Entwicklung verdienen ebenso Aufmerksamkeit wie journalismusinterne Veränderungen. Die oben angedeutete Betrachtung technischer Neuerungen wie panarabisches Satellitenfernsehen und SNM in der arabischen Welt verweisen – trotz aller kritisch zu hinterfragenden Euphorie – auf diese Notwendigkeit. Ein ideales Fallbeispiel zur Betrachtung des Wandels im Journalismus autoritärer Regime ist deshalb dann gegeben, wenn sowohl Veränderungen in allen drei journalismusexternen als auch in verschiedenen journalismusinternen Bereichen anzunehmen sind. Welche dieser Faktoren dann tatsächlich einen Wandel im Journalismus zu beeinflussen vermögen, muss Gegenstand einer empirischen Untersuchung des jeweiligen historischen Kontextes sein. In der wissenschaftlichen Literatur zum Journalismus in der arabischen Welt wurde neben dem Einfluss von technischen Entwicklungen häufig die Beziehungen zwischen politischen Entwicklungen, insbesondere einer Demokratisierung, und einem Wandel des Journalismus thematisiert. Eine der älteren Arbeiten hierzu stammt von Rugh, der die arabische Presse in den 1980er Jahren in drei Typen einteilt: die mobilisierte, die loyale und die diverse Presse (Rugh 1987). Liest man dieses Werk parallel zu Rughs aktualisierter Typologie arabischer Medien (Fernsehen und Presse), so lassen sich viele Veränderungstendenzen in den Mediensystemen aufzeigen, die aufgrund von Veränderungen im politischen System entstanden sind (vgl. Rugh 2004). Jordanien gruppiert er zusammen mit Ägypten, Tunesien und Algerien in die neue Kategorie der »Mediensysteme im Übergang«. Charakterisiert wird dieser Typus durch seinen nicht endgültig fixierten Status. Neben die alten Mechanismen von Restriktion und Kontrolle hätten sich vor allem in den 1990er Jahren Element der freien Meinungsäußerung und der Diversität gesellt, die von den Regimen zumindest geduldet würden (vgl. ebd.: 121ff.). Während Rugh die Richtung des Wandels eher von der Politik hin zum Mediensystem betrachtet, beleuchten Autoren wie Hafez, Lynch oder El-Nawawy und Iskandar die Beziehung von der entgegengesetzten Seite und stellen damit die These der Transformations-

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wissenschaft in Frage, die Massenmedien lange Zeit gerade nicht als Avantgarde für politische Transformation gesehen hat (vgl. Hafez 2008c: 323ff.). Hafez (2005a, 2006) etwa diskutiert, ob sich die panarabischen Satellitensender als eine Art Ersatz für politische Parteien etablieren können und Lynch (2006, 2008) führt aus, wie arabische Medien, allen voran Al-Jazeera, in bestimmten Situationen über die Schaffung einer panarabischen Öffentlichkeit die ›arabische Straße‹ mobilisieren können. El-Nawawy und Iskandar (2003) gehen sogar so weit zu behaupten, dass sie einen revolutionären Einfluss hätten, der in der Lage sei, autoritäre Regime herauszufordern und zu stürzen. Für die arabische Welt wurden daneben verstärkt die veränderten Eigentümerstrukturen, die mit einer kontrollierten Privatisierung des Fernsehsektors einhergehen, untersucht (vgl. Sakr 2001, 2007; Boyd 2001; Ayish 1997). Als Auslöser für diese Veränderungen wurde sowohl internationale und regionale Politik angeführt (z.B. die Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) oder die regionalen Machtbeziehungen nach dem Golfkrieg von 1991) als auch die technischen Entwicklungen einer globalisierten Medienindustrie (z.B. die Verbreitung von Satellitensendern wie CNN oder Al-Jazeera) (Hafez 2001: 8). Diese strukturellen Veränderungen wurden vor dem Hintergrund diskutiert, ob mit ihnen eine Liberalisierung des Journalismus einhergeht. Hafez verweist in diesem Zusammenhang und mit Blick auf die internationale Medienlandschaft jedoch darauf: »Private Eigentümerschaft führt nicht notwendigerweise zu einer Liberalisierung, ebenso wenig wie staatliche Eigentümerschaft nicht zwangsläufig mit Zensur und Informationskontrolle gleichgesetzt werden kann.« (Ebd.: 9, Übersetzung J.P.) Die teilweise ökonomische Öffnung der Mediensysteme in der arabischen Welt wie auch die technischen (Satellitenfernsehen, Rundfunk, Internet) scheinen deshalb wichtige Entwicklungen zu sein, auf die man neben den politischen Entwicklungen bei der Auswahl von Fallbeispielen achten sollte. Die Situation in Syrien vor dem Bürgerkrieg mit ihrer politischen Kontrolle der sogenannten privaten Presse und den hemmenden Eingriffen in technische Entwicklungen gibt deshalb ein weniger plausibles Szenario für Wandel im Journalismus autoritärer Regime ab als diejenige, in autokratischen Ländern wie Jordanien und Marokko, wo kommerzielle Medienunternehmen zwar nicht vollkommen frei, aber dennoch nach ökonomischen Prinzipien agieren können und wo zudem die technische Entwicklung gefördert wird, etwa beim Zugang zum Internet oder durch die Schaffung neuer Frequenzen im Rundfunk. Wie ich unten noch ausführen werde, trage ich mit der Wahl Jordaniens als Fallbeispiel deshalb der Erkenntnis Rechnung, dass für die Untersuchung des Wandels im Journalismus autoritär regierter Staaten ein theoretisch wandelaffiner Kontext vorhanden sein muss. Die zweite, grundsätzlich zu beantwortende Frage lautet: Wie lässt sich Wandel im Journalismus erkennen? Während die Wissenschaft sich mit der Beantwortung dieser Frage schwer tut, scheint die internationale Medienentwicklungszusammen-

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arbeit (MEZ) bereits eine Antwort gefunden zu haben. Schließlich verfolgt sie das Ziel, Journalismus in Entwicklungsländern und autoritären Regimen zu einem demokratischen Stützpfeiler bzw. Wandelfaktor zu entwickeln. Für viele Projekte und Organisationen der MEZ ist die Beeinflussung des einzelnen Journalisten quasi der Garant für einen Wandel im Journalismus. Professionelle Ausbildung, Sensibilisierung für ihre Rolle in der Gesellschaft und/oder für den demokratischen Wandel sollen sie in ihrer Funktion als Agenten des Wandels stärken. Dieser, auf journalistische Akteure zentrierte, Ansatz hat seine Wurzeln in einer personenorientierten Journalismusforschung, die eine Wirkungskette in folgender Weise annimmt: Besser ausgebildete und motivierte Journalisten sollen die Standards in den Redaktionen heben und die Entstehung unabhängiger Mediensysteme befördern. Diese wiederum können dann Informationen für Demokratisierung und eine sich öffnende Wirtschaft liefern und somit zu einem wichtigen Pfeiler der Zivilgesellschaft werden (vgl. Becker/Vlad 2008; Becker/Lowrey 2000). Dieses Model mutet zwar eher wie eine nachträgliche Rechtfertigung entwicklungspolitischer Entscheidungen an, beinhaltet jedoch einige Aspekte, die auch in der wissenschaftlichen Diskussion um den Wandel im Journalismus lange Zeit vorherrschend waren. Die seit den 1960er Jahren besonders in den USA und Deutschland stärker werdende personenbezogene, empirische Journalismusforschung5 betrachtete etwa demographische Merkmale von Journalisten, Ausbildungs- und Berufswege im Journalismus, Berufsrollen, Publikumsbilder, Arbeitsbedingungen etc. (vgl. im Überblick Pürer 1997: 94; Böckelmann 1993: 564). Zwar wird eingeräumt, dass Journalisten in redaktionelle Abläufe eingebunden sind, doch die empirische Betrachtung fokussiert auf individuelle Journalisten. So bestimmt etwa Donsbach in seinem Model vier »Einflusssphären« auf die journalistische Arbeit (Subjekt-, Professions-, Institutions- und Gesellschaftssphäre) und versucht damit, die individuellen Handlungsmöglichkeiten von Journalisten auszuloten (Donsbach 1987: 111ff.). Wandel im Journalismus wird innerhalb der personenorientierten Journalismusforschung als eine Veränderung »objektiver Dimensionen« wie Arbeitsbedingungen des journalistischen Berufs oder der »subjektiven Dimensionen« wie berufliches Selbstver-

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In Abgrenzung zu der systembezogenen Journalismusforschung existieren weitere Abgrenzungsbegriffe wie »individuumbezogenes« (Klaus/Lünenborg 2000: 188), »subjektbezogenes« (Rühl 2004: 77-89; Klaus 2004: 377ff.) oder »akteursbezogenes« (Neuberger 2004: 287ff.) Forschungsparadigma. Ich habe den Begriff des personenbezogenen Forschungsparadigmas von Raabe übernommen, da die Vertreter des angesprochenen Paradigmas eine »Explikation der wissenschaftlichen Vorstellung von den journalistisch Handelnden in der Regel schuldig bleiben und keine begründete Akteurskonzeption entwickelt haben« (Raabe 2005a: 19).

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ständnis untersucht.6 Die von Weaver in den 1990er Jahren angeleitete internationale Journalistenstudie »The Global Journalist« (Weaver 1998a) und sein auf Wandeltendenzen im 21. Jahrhundert blickender Sammelband (Weaver/Willnat 2012) sowie seine Untersuchungen zum Wandel amerikanischer Journalisten, »The American Journalist«, (Weaver 2007; Weaver/Wilhoit 1996, 1986) stellen gewissermaßen den Prototyp dieser Forschungsrichtung dar. In ihrer »wirkungsorientierten« Form (Raabe 2005a: 38ff.) geht die personenbezogene Journalismusforschung über die reine Beschreibung von Veränderungen von Berufsbedingungen oder beruflichen Selbstverständnissen noch hinaus. Da die Vertreter dieser Richtung (auch »Mainzer Schule« genannt) von einem Zusammenhang zwischen Merkmalen von Journalisten und Arbeitsbedingungen einerseits und spezifischen Folgen für die Medieninhalte andererseits ausgehen (vgl. ebd.: 38ff.), werden auch Forschungen zum sozialen Wandel mit individuellen Einstellungsmerkmalen von Journalisten verknüpft (z.B. Wilke 1986; Ehmig 2000; Peiser 2003; Pasti 2005). Ehmig stellt beispielsweise für den deutschen Journalismus fest, dass ein Wandel in der Bedeutung und Interpretation des Objektivitätskonzepts stattgefunden habe (2000: 305). So würde etwa die jüngere Generation unter Objektivität eher die »Jagd nach harten Fakten« und die ältere die »faire Wiedergabe verschiedener Standpunkte« verstehen und somit langfristig einen Wandel in der Berichterstattung erwirken (ebd.: 307). Eine Beeinflussung der Entwicklung des Journalismus lässt sich in dieser Tradition über den einzelnen Journalisten ›regeln‹, etwa durch entsprechende Ausbildungsschwerpunkte. An dieser Stelle knüpft gedanklich die MEZ an, die jedoch im Laufe der Zeit – wie die Wissenschaft auch – ein zunehmendes Unbehagen darüber entwickelt hat, dass dem individuellen Journalisten quasi allein die Verantwortung für einen – wie auch immer gearteten – Wandel des Journalismus auferlegt wird. In der MEZ gelten die Palästinensischen Autonomiegebiete als ein eindrückliches Beispiel für die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ihres Tuns. Obwohl sie große Geldsummen von internationalen Geldgebern für die Medienentwicklung erhielten, haben sich beispielsweise die Werte in den internationalen Presserankings kontinuierlich verschlechtert (vgl. Fengler et al. 2010). Dies geht vor allem darauf zurück, dass eine allein akteurszentrierte Sichtweise die Probleme, denen die Akteure in ihrem alltäglichen Handeln ausgesetzt sind, verdeckt (vgl. Nazzal 2006). Analog zu dieser in der Praxis der MEZ erwirkten Erkenntnis hat sich auch die Journalismusforschung in Deutschland zunehmend einer Struktur-orientierten Sichtweise zugewandt. Innerhalb der Journalismusforschung wuchs die Kritik an der starken Fokussierung auf Personen und damit auf mikrosoziologische Aspekte des Journalismus und führte in Deutschland – zunächst bei einzelnen Fachvertretern – zu einer stärke-

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Böckelmann verweist darauf, dass sich bis 1990 allein 160 Studien mit der journalistischen Berufsrolle beschäftigt haben (1993: 557).

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ren Hinwendung zu makrosoziologischen Zusammenhängen. Als Ausgangspunkt dienten vor allem die von Rühl eingeführte Systemtheorie und der mit ihr verbundene Blick auf den Journalismus als Organisation (vgl. Rühl 1979, 1980). Die Gemeinsamkeit der systemtheoretisch-orientierten Ansätze in der Journalismusforschung besteht in der Akzeptanz eines Ordnungssystem durch ein System/UmweltParadigma und der Identifikation einer Journalismus-spezifischen Funktion (vgl. Löffelholz 2004: 53), die zunächst von Rühl als die »Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation« formuliert wurde (Rühl 1980: 323). Journalismus kann in einer solchen Sichtweise als »strukturdeterminiertes System angesehen werden, das sich in der modernen Gesellschaft vor allem durch Differenzierungsprozesse entwickelt hat« (Blöbaum 2005: 50). Wenn Wandel im Journalismus stattfindet, kann er nur über Strukturveränderungen begriffen und empirisch erfasst werden. Allerdings scheiden sich an der Konzeption der Strukturen des Journalismus die akademischen Geister. Blöbaum verweist auf drei Strukturelemente, in denen Wandel festgestellt werden kann: der Organisation, der Rollen und der Programme (vgl. ebd.: 56f.). Altmeppen wiederum, der eine stärker handlungsorientierte Sichtweise einnimmt, sieht in Entscheidungen und Koordinationen die relevanten Strukturen des Journalismus (vgl. Altmeppen 2004, 1999). Die Prämisse der systemtheoretischen Forschung, dass – eine wie auch immer definierte – Struktur in irgendeiner Form verändert oder zerstört werden muss, wenn wir von einem Wandel sprechen wollen, erlaubt eine klarere Abgrenzung des Wandels von rein oberflächlichen Veränderungen. Allerdings bleibt die Frage, wer für diesen Wandel von Struktur sorgt, in der System-fokussierten Forschung unbeantwortet (vgl. Raabe/Behmer 2003: 255). In der Untersuchung des Wandels im Journalismus zeigt sich deshalb in besonderer Weise eine Problematik, die die grundsätzliche, theoretische Konzeption von Struktur und Handeln berührt. Die Systemtheorie bleibt eine Antwort darauf schuldig, wie Akteure zu einem Wandel im System beitragen können. »Einem System ist man […] ausgeliefert, es läßt sich kaum oder gar nicht vom Einzelnen beeinflussen, sondern wird allenfalls von der Umwelt und von sich selbst in einem Prozeß wechselseitiger Rückkopplung und Anpassung gesteuert.« (Fengler/Russ-Mohl 2005: 34) Die Kluft zwischen strukturalistischen und handlungsorientierten Theoriemodellen, deren künstliche Trennung auch in der Forschung zunehmend als Problem angesehen wird, zeigt sich also besonders plastisch in der Frage nach einem Wandel im Journalismus. Sogenannte integrative Theoriekonzepte versuchen genau diese Beziehung zwischen Akteurshandeln und Strukturen aufzugreifen. Sie erweitern systemtheoretische Ansätze um den Konstruktivismus (vgl. Weischenberg 2004: 61ff.; 1994), um Elemente der Rational-Choice-Theorie (vgl. Neuberger 2004) oder um strukturationstheoretische Überlegungen, vor allem nach Giddens (vgl. Altmeppen 2004, 1999; Quandt 2001). Andere Ansätze haben sich von der Systemtheorie verabschiedet und stützen sich auf eine Chaostheorie (vgl. Frerichs 2004), die Cul-

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tural Studies (vgl. Renger 2004), eine ökonomische Theorie (Fengler/Russ-Mohl 2005) oder die Gesellschaftstheorie Bourdieus (vgl. Schäfer 2004, Raabe 2005a, 2005b, 2004). Für die Erforschung des arabischen Journalismus sehen Mellor und Sakr dieselbe Problematik, die auch die deutsche Journalismusforschung beschäftig. So kritisiert Mellor die derzeitige Forschung zum arabischen Journalismus, die vor allem auf »Strukturen« fokussiere und damit das Wandlungspotential der Akteure selbst negiere. Anstatt allein auf Strukturen zu blicken schlägt sie vor, den handelnden Akteur in zukünftige Analysen des arabischen Journalismus mit einfließen zu lassen (Mellor 2007: 43). Als Beispiel führt Mellor die Journalistin Rana Husseini von der jordanischen Tageszeitung Jordan Times an, die nach langer, intensiver Recherche ein Tabu in der jordanischen Berichterstattung brach, indem sie die in Jordanien häufig verwandte Praxis des Ehrenmordes als unislamisch und als ein gesellschaftliches Problem anprangerte (vgl. ebd.: 62). Andere Journalisten in der arabischen Welt, die mit ihrem Leben oder ihrer Freiheit bezahlten, weil sie die Grenzen der Meinungsfreiheit weiter setzten als die jeweiligen Regime und damit zugleich »Vorbilder« ihres Berufes wurden (z.B. Samir Kassir oder Ghassan Tweini im Libanon), können als weitere Beispiele für die Bedeutung einzelner Akteure für den Wandel im Journalismus gelten. Das gleiche gilt jedoch auch für Medienorganisationen, die neue Wege in der Programmgestaltung einschlagen, wie die Medienorganisation AmmanNet, die sich eine konsequente Nutzereinbindung zur Aufgabe gemacht haben (vgl. Pies/Madanat 2011a). Die Impulse, die von Medienorganisationen ausgehen, verdeutlichen, dass eine Rückkehr zur ›klassischen‹ personenbezogenen Journalismusforschung keine Alternative darstellt. Mellor schlägt deshalb als Lösung eine theoretische Orientierung an Bourdieu vor, da sie Akteurshandeln und Struktur versöhne (Mellor 2007: 43ff.). Auch Naomi Sakr kommt in ihrem Überblick über die Entwicklungsdynamiken im arabischen Journalismus zu einem ähnlichen Schluss: »Zwar ist die Analyse von Strukturen unerlässlich für das Verständnis von Trends im arabischen Journalismus. Ebenso wichtig ist es jedoch, die individuellen Beiträge von Journalisten zu betrachten, die, indem sie die Strukturen herausfordern, sie zugleich auch verändern. Journalisten passen ihren Output den existierenden Bedingungen der organisierten Produktion an, aber es wäre irreführend davon auszugehen, dass sie sich nicht auch manchmal dagegen wehren.« (Sakr 2005: 142, Übersetzung J.P.)

Es sind selbstverständlich nicht allein einzelne Journalisten, die Strukturen verändern, sondern Akteure, die gesellschaftlich und im System Journalismus verankert sind. Aufgrund sich öffnender Möglichkeiten können sie Veränderungen herbeiführen. Mit dem Einbezug von handelnden Akteuren wird die Journalismusforschung auch anschlussfähig an politikwissenschaftliche Theorien, die Akteuren außerhalb

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der autokratischen Regime-Eliten ein Wandelpotential einräumen. Aus der SocialMovement-Theorie gibt es etwa den Begriff der »political opportunity structures« (Tarrow 2011: 32f.), der darauf verweist, dass für eine Protestbewegung bestimmte Bedingungen gegeben sein müssen, d.h. der Zugriff auf bestimmte Ressourcen gewährleistet sein muss, um als soziale Bewegung agieren zu können und politische Gegebenheiten zu verändern. Regime sind in den wenigsten Ländern so autoritär und stabil, dass sich keine Bedingungen für (demokratischen) Wandel herausbilden könnten (vgl. Hafez 2009: 109ff.). Selbst in Tunesien, das lange Zeit als die härteste Autokratie der Region galt, konnten sich Proteste Bahn brechen. Gleichzeitig gibt es autoritäre Regime wie Marokko und Jordanien, die schon seit Jahren mit einer sanften Reform von oben versuchen, das politische System wie auch das Mediensystem zu verändern, ohne ihre eigenen Machtansprüche vollständig aufzugeben. Zusammenfassend lassen sich für eine Untersuchung des Journalismus in autoritären Regimen deshalb einige grundlegende Aspekte herausstellen, die es bei der Auswahl eines theoretischen Rahmens zu berücksichtigen gilt: Die oben dargestellte Interdependenz gesellschaftlicher Entwicklungen zwingt eine Studie über den Wandel des Journalismus erstens zu einem Konzept, das der gesellschaftlichen Verankerung des Journalismus Rechnung trägt. Dazu gehört auch, dass Journalisten nicht als homogene, vom Rest der Gesellschaft getrennte Gruppe angesehen werden, sondern als soziale Akteure. Um die Potentiale eines Wandels in autoritären Regimen auszuloten, bedarf es darüber hinaus eines Ansatzes, der beidem, Handlungspotential der Akteure und Begrenzungen des Handelns durch gesellschaftliche Strukturen, gerecht wird. Denn sonst könnten Veränderungen trotzt restriktiver Rahmenbedingungen nicht erklärt werden. Somit muss gewährleistet sein, dass Strukturen als restringierend und ermöglichend von Handlungen konzipiert werden. Infolge dieser Überlegungen muss eine theoretische Rahmung schließlich auch berücksichtigen, dass Strukturen nicht nur Bedingungen für Handeln, sondern auch Folge von Handeln sind. Damit wird indirekt eine dritte Forderung an einen theoretischen Rahmen gesetzt, nämlich, dass Struktur nicht als Fixum, sondern als kulturelle Dimension sozialer Wirklichkeit betrachtet wird. »Schließlich kann Wandel auch eintreten, wenn die gesellschaftlichen Akteure objektiv unveränderte Lagen in einem neuen Licht zu sehen beginnen.« (Raabe/Behmer 2003: 257) Dazu bedarf es einer Erfassung der Wahrnehmungen und Bedeutungszuweisungen der potentiell relevanten Akteure. Diese Forderung wird schließlich viertens unterstrichen durch die Notwendigkeit, einen theoretischen Rahmen zu finden, der eine offene, empirische Untersuchung zulässt, um nicht mit zu vielen Vorabannahmen die kontexttypischen Wandelpotentiale im Vorfeld einzuschränken.

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Jordanien: Wandel in einem autoritären Regime Analog zum Motto Machills für die Entschlüsselung einer spezifischen journalistischen Kultur gilt auch für die Erforschung des Wandels im Journalismus: Es bedarf der richtigen Schlüssel, mit denen sich das Verständnis für einen Wandel im Journalismus eröffnet. »Da diese Schlüssel jedoch erst im Laufe der Arbeiten gefunden werden können, sind vorab vereinheitlichte Instrumentarien kontraproduktiv.« (Machill 1997: 20) Eine nähere Betrachtung der konkreten Bedingungen eines Falls kann deshalb eine erste Annäherung daran bringen, was untersucht werden soll. Die folgende Beschreibung der potentiell Wandel auslösenden Bedingungen in Jordanien soll also nicht nur zur Begründung der Fallauswahl dienen, sie soll auch eine Konkretisierung der Fragestellung ermöglichen. Zur Erklärung politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Entwicklungen wird häufig auf die schwierigen Umstände verwiesen, denen der durch die Briten geschaffene, 1946 in die Unabhängigkeit entlassene Staat ausgesetzt war. Jordanien ist ein relativ kleines Land mit wenigen Rohstoffen, permanentem Wassermangel und einem Staatsgebiet, das überwiegend aus Wüste besteht. Palästinensische Flüchtlinge, die infolge der Kriege gegen Israel nach Jordanien gekommen waren, veränderten das soziale wie ethnische Gefüge der Gesellschaft maßgeblich. Spannungen zwischen transjordanisch- und palästinensisch-stämmigen Bevölkerungsteilen waren eine Folge. Bis heute ist die genaue Zahl palästinensisch-stämmiger Jordanier ein Politikum. Schätzungen über ihren Anteil an der 6,3 Millionen zählenden Gesamtbevölkerung variieren je nach politischem Standpunkt zwischen 40 bis 70 Prozent. Kriege mit und in den Nachbarstaaten Israel, Syrien und Irak, ein Bürgerkrieg und schließlich der Friedensvertrag mit Israel im Jahr 1994 stellten das kleine Land vor große Belastungsproben. Die wechselnden regionalen Konstellationen hatten oft massive innenpolitische Auswirkungen, ermöglichten dem Land außenpolitisch aber eine zentrale Stellung im arabisch-israelischen Konflikt (vgl. z.B. Bank 2007: 205; Robins 2004: 5ff.; Köndgen 1999: 9; Salibi 1998: 3ff.). Nach der Verfassung von 1952 ist Jordanien eine konstitutionelle Monarchie der Haschemitischen Dynastie, die ihre Legitimation mit der angeblichen Abstammung aus der Prophetenfamilie Mohammeds begründet. Sowohl in der Verfassung als auch in der politischen Praxis wird die Rolle des Königs als letzte Entscheidungsinstanz unterstrichen. Da auch eine Abwahl der Regierung nicht möglich ist, muss das politische System Jordaniens heute als autoritär bezeichnet werden. Zwar lassen sich Elemente einer Demokratie wie die Wahl von Parlamenten oder die Zulassung von Parteien und ein gewisses Maß an Meinungsfreiheit finden, doch selbst beim Anlegen einer Minimaldefinition kann von Demokratie nicht die Rede sein

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(vgl. Hafez 2009: 85ff.).7 Wirtschaftlich galt Jordanien bis in die 1990er Jahre als Rentierstaat, der vor allem von Transferzahlungen seiner Emigranten in den arabischen Golfstaaten, Europa und den USA lebte. Weder Landwirtschaft (3% des BIP) noch Industrie (30% des BIP) konnten bislang zentrale Elemente der jordanischen Wirtschaft werden, sodass heute zwei Drittel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Dienstleistungssektor erwirtschaftet werden. Die Öffnung der Wirtschaft durch König Abdallah II. nach seiner Inthronisierung im Jahr 1999 konnte die Eigenständigkeit der jordanischen Wirtschaft etwas vergrößern. Dennoch besteht nach wie vor eine große Abhängigkeit von ausländischen Geldgebern, allen voran von den USA und der Weltbank. Die Lebensbedingungen haben sich nur für einen kleinen Teil der Jordanier verbessert. Noch immer sind Armut, große Arbeitslosigkeit, hohe Nahrungsmittelpreise und eine starke Inflation eine große Belastung für weite Teile der Bevölkerung (vgl. Muasher 2011; Bustani 2009; Lenner 2009, 2006; Alissa 2007). Für die Frage nach einem Wandel im Journalismus ist Jordanien besonders interessant, weil die jüngere Geschichte des Landes zahlreiche Versuche der Reform oder Veränderungen des politischen und des wirtschaftlichen Systems aufweist. Somit lassen sich viele der oben angesprochenen potentiellen Impulse für einen Wandel im Journalismus finden. Anstöße für solche Veränderungen gingen in der Vergangenheit vor allem von drei Akteursgruppen aus, die sich als Herausforderer des Regimes verstehen: einer urbanen (unorganisierten) Mittelschicht, den Muslimbrüdern und ihrer Partei sowie von lokalen Protestgruppen aus dem ländlichen Süden des Landes (vgl. Bank 2009). Aus diesen drei Rekrutierungskanälen speisten sich auch die jüngsten Proteste im Rahmen des ›Arabischen Frühlings‹. In Anlehnung an die Ereignisse in anderen arabischen Ländern rief eine Gruppe von jungen, überwiegend urbanen Männern und Frauen am 24. März 2011 zu einem zeitlich offenen Sitzstreik am Dakhliyah-Kreisel in Amman auf. Die Organisatoren, die sich selbst als Shabab 24 Adhar (Jugend des 24. März) bezeichneten, forderten das Regime zu echten Reformen auf, ohne die nationale Einheit oder das Haschemitische Königshaus infrage zu stellen. Zu den zentralen Forderungen zählten ein die Bevölkerung repräsentierendes Parlament, eine gewählte nationale Regierung, echte Verfassungsreformen, eine Verfolgung aller Korruption, eine Reform des Steuerrechts, eine Aufhebung der strikten Sicherheitsgesetze sowie die Verwirklichung der nationalen Einheit.8 Die Gruppierung beteiligte sich auch an Protesten in den folgen-

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Auch wenn Jordanien über eine gewählte Kammer des Parlaments verfügt, so ist so doch nicht mit legislativen Aufgaben in einem demokratischen Sinne betraut (s. hierzu ausführlich Buchteil III, Gezielte Transformationsversuche, 1).

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Vgl. die Forderungen der Gruppe auf ihrer Facebookseite https://www.facebook.com /shbab.march.24/info vom 20.4.2015.

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den Jahren und ergänzte damit die traditionellen, oppositionellen Kräfte der Muslimbrüder und tribal geprägter Gruppen im Süden Jordaniens. Der politische Zweig der Muslimbrüder in Jordanien, die Islamische Aktionsfront (IAF)9 ist die einzige nennenswerte Oppositionspartei. Sie hat die größte Mitgliederzahl aller jordanischen Parteien und ist vergleichsweise gut organisiert. Im Gegensatz zu anderen arabischen Ländern wie etwa Tunesien unter Ben Ali, in denen die Muslimbrüder systematisch aus dem politischen System ausgeschlossen wurden, konnten sie sich in Jordanien nach der Öffnungspolitik König Husseins von 1989 als Partei im politischen System integrieren. In der ersten Wahl nach der Öffnung errungen sie ein Drittel der Parlamentssitze und erhielten dadurch vergleichsweise großen Einfluss. König Hussein veränderte die Wahlgesetze jedoch so, dass die IAF in der Folge keine dominierende Fraktion im Parlament mehr stellen konnte (vgl. Wiktorowicz 2001; Boulby 1999; Krämer 1994). Seitdem hat die Bereitschaft der Partei, an Wahlen teilzunehmen, massiv nachgelassen. In den Jahren 2007, 2010 und 2013 boykottierte sie die Wahlen, weil sich an dem »diskriminierenden« Wahlsystem (Wahlrecht, Zusammensetzung der Wahlkreise, proportionale Verteilung der Parlamentsrepräsentanten) trotz Reformen nichts Wesentliches geändert hatte. Nach wie vor sind die urbanen Regionen Jordaniens, wo sich vor allem die Wählerschaft der IAF findet, stark benachteiligt gegenüber Regime-loyalen tribalen, ländlichen Regionen (vgl. Wehler-Schöck 2013; Abu-Rumman 2007). Die Mobilisierungskanäle, urbane Mittelschicht und Muslimbrüder, sind vor allem in den nördlichen, urbanen Gebieten Jordaniens zu finden. Daneben besteht ein Rekrutierungspotential für Proteste in den ländlichen Regionen Südjordaniens unter verschiedenen Arbeiterbewegungen der niedergehenden Industriezweige (Phosphatund Schwerindustrie) und unter bestimmten Stämmen (vgl. Bank 2009: 22). In der Vergangenheit waren die tribal dominierten Gebiete Südjordaniens, mit Zentrum in Ma'an, ein wichtiger Rückhalt der Haschemitischen Monarchie. Nachdem die Stadt jedoch zum Ende der 1980er Jahre ihre wirtschaftlich bedeutsame Position als Zentrum des Transportwesens eingebüßt hatte, wuchsen Arbeitslosigkeit und Armut der lokalen Bevölkerung. Proteste, die auch als »Brotunruhen« bezeichnet wurden, entluden sich aus sozio-ökonomischen Gründen besonders prägnant in Ma'an 1989, 1996 und 1998 (vgl. Schwedler 2003, Ryan 1998; Andoni/Schwedler 1996). Im Jahr 2002 nahmen die Proteste erstmals eine dezidiert politische, gegen das Regime gerichtete Wendung, die Bank mit dem Erstarken eines »tribalen Islamismus« im Süden des Landes erklärt (vgl. Bank 2009: 22). Auf der Basis dieser »Protestkultur« entwickelten sich schließlich auch im Jahr 2011 lokale Gruppen, die sich dem allgemeinen Protest gegen die überfälligen Reformen anschlossen.

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Die arabische Bezeichnung lautet Jabhat Al-‘Amal Al-Islami, im Englischen bekannt unter Islamic Actionfront, von der sich auch die Abkürzung IAF ableitet.

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Während zahlreiche autokratische Regime der Region mit Gewalt auf die Massenproteste der eigenen Bevölkerung im Nachgang des Sturzes der langjährigen Diktatoren Ben Ali in Tunesien und Mubarak in Ägypten reagierten, duldete der Monarch Jordaniens die Demonstrationen und kündigte einen schrittweisen Reformprozess an. Von ›oben‹ verordnete Verfassungsreformen sollten das Überschwappen der Dynamik des Regimewechsels aufhalten (vgl. Bank 2012). Dass die Protestbewegung des Jahres 2011 von den vom Regime angekündigten Reformen zwar enttäuscht, aber nicht überrascht war (ebd.: 32), liegt vor allem daran, dass die Reformpolitik in Jordanien seit den frühen 1990er Jahren die Überlebensstrategie einer »liberalisierten Autokratie« darstellt (Brumberg 2003).10 Diese Liberalisierungsstrategie des jordanischen autoritären Regimes beginnt mit dem Jahr 1989. Im April desselben Jahres waren im Süden Jordaniens Unruhen ausgebrochen. Es kam zu Demonstrationen und Angriffen auf Symbole der Regierungsmacht. Die Regierung ihrerseits ließ gewaltsam gegen die Demonstranten vorgehen und verursachte damit zahlreiche Tote und Verletzte. Die Unruhen waren eine Folge langanhaltender Entwicklungen, die als »der Höhepunkt einer politischen und sozioökonomischen Krise« gesehen werden müssen (Dieterich 1999: 147). Neben außenpolitischen Entscheidungen – allen voran der Verzicht auf das 1950 annektierte Westjordanland zugunsten eines palästinensischen Staates – waren den Unruhen auch wirtschaftliche und innenpolitische Entscheidungen vorausgegangen, die von weiten Teilen der Bevölkerung nicht mehr mitgetragen wurden. So hatte der König angesichts massiver wirtschaftlicher Probleme die von der Bevölkerung als zu streng empfundenen Auflagen des Internationalen Währungsfonds akzeptiert und war unter anderem mit einem zunehmend repressiven Vorgehen gegen Oppositionelle und palästinensische Jordanier immer mehr in die Kritik geraten. Die mangelhaften Kommunikationsmöglichkeiten gegen diese Entscheidungen waren eine weitere wichtige Ursache für den Ausbruch der Unruhen. Seit dem Krieg gegen Israel von 1967 hatten der Ausnahmezustand und das Kriegsrecht die Artikulationsräume der Massenmedien massiv eingeschränkt. Im Jahr 1988 gipfelte die staatliche Repressionspolitik in der Enteignung aller nichtstaatlichen Tageszeitungen (vgl. ebd.: 146ff.).

10 Brumberg spricht von »liberalisierten Autokratien« (liberalized autocracy) und »umfassenden Autokratien« (full autocracy), wobei der entscheidende Unterschied darin liege, dass erstere ein gewisses Maß an Opposition zulasse: »Liberalisierte Autokratien nutzen auch Geld und Einschüchterung um potentielle Opponenten sowohl zu kooptieren als auch zu unterdrücken. Aber im Gegensatz zu umfassenden Autokratien weisen sie ein relativ hohe Toleranzschwelle für politische Offenheit auf.« (Brumberg 2003: 4, Übersetzung J.P.)

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König Hussein, der einen Legitimations- und Machtverlust fürchtete, stimmte schließlich den Forderungen der Protestbewegung weitgehend zu. Er ließ im November 1989 Wahlen abhalten, hob den Ausnahmezustand und das Kriegsrecht 1992 vollständig auf und setzte 1993 ein neues Pressegesetz in Kraft, das für die Entwicklung der Medien von besonderer Bedeutung war: Der erzwungene Verkauf der Tageszeitungen an den Staat wurde rückgängig gemacht und die alten Chefredaktionen wieder eingesetzt (Najjar 2001: 85f.; Al-Sharif 1994: 12). Parteizeitungen durften nach jahrelangem Verbot wieder publizieren, zahlreiche neue Zeitungen wurden gegründet und ein neues journalistisches Format der usbu'iya (Wochenzeitung) entstand. Die neuen Zeitungen zeichneten sich durch eine kritischere Haltung gegenüber der Regierung aus und brachten gleichzeitig erstmals boulevardeske Elementen in den jordanischen Journalismus ein.11 Auch wenn viele der Neugründungen kurzlebig waren, so wiesen die Printmedien in der Mitte der 1990er Jahre doch deutlich mehr Diversität auf als noch vor dem Öffnungsprozess (Jones 2002a: 291ff.). Allerdings folgten sehr bald – nicht nur für die Medien – erneut restriktive Schritte, die vor allem die Kritik an dem im Land umstrittenen Friedensvertrag mit Israel und die 1996 erneut aufflammenden Proteste im Süden des Landes eindämmen sollten. Jones spricht von einer durch den Friedensprozess eingeleiteten Eindämmung (post-peace crackdown) der Medien, die den ersten großen Rückschritt seit 1989 symbolisiere (ebd.: 289). Bis heute setzt sich das damals vom Regime begonnene Wechselspiel zwischen Öffnungsschritten und Restriktionen fort. Auch der mit Hoffnung auf tiefgreifende Reformen verbundene Königswechsel 1999 änderte an dieser wechselhaften Politik nichts. Der Sohn und Nachfolger des verstorbenen König Hussein, König Abdallah II., initiierte in den ersten Jahren seiner Regentschaft zwar eine Liberalisierung der Wirtschaft, tat dies aber höchst autoritär. Ein Großteil der dafür notwendigen Gesetze erließ er als »Übergangsgesetze« in Abwesenheit des Parlaments, das er zuvor aufgelöst hatte.12 Sein verstärktes Engagement für ökonomische Liberalisierungen setzte er zugleich als Mittel der Stabilisierung und Verbreiterung seiner Machtbasis ein. Symbolisiert wurde dies durch die Schaffung eines politischen Beratergremiums, des Wirtschaftlichen Beratungsgremiums (ECC)13, das sich aus einer jun-

11 Zu der Bezeichnung usbu‘iya und ihren Implikationen s. Teil IV, Kapitel »Ressourcen«. 12 In Zeiten, in denen das Parlament keine Gesetze verabschieden kann, ist es dem König laut Verfassung gestattet, sogenannte »Übergangsgesetze« zu erlassen, die jedoch, sobald das Parlament wieder aktiv ist, bestätigt werden müssen. Da sich das Parlament nie gegen den Willen des Königs stellt, ist eine Änderung von Übergangsgesetzen kaum je praktiziert worden. 13 Die arabische Bezeichnung lautet Al-Majlis Al-Iqtisadi Al-Istishari, die Abkürzung ECC geht auf die englische Bezeichnung Economic Consultative Council zurück.

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gen, neo-liberalen und königstreuen Wirtschaftselite zusammensetzte. In den Anfangsjahren seiner Regentschaft konnte dieses Gremium politischen Einfluss geltend machen und zugleich seine wirtschaftlichen Geschäfte voranbringen (vgl. Alissa 2007: 13ff.; Bank/Schlumberger 2004: 40ff.).14 Während Abdallah II. die Privatisierung von staatlichen Betrieben und die Investitionsleistungen vorantrieb, erwies sich die Reformierung der aufgeblähten Administration bislang als nicht durchsetzbar bzw. nicht gewollt. Der Grund dafür ist, dass Reformen den Kern eines sozialen Vertrages berühren würden, mit dem die politischen Eliten sich zur Loyalität gegenüber dem Regime verpflichten, um im Gegenzug soziale Absicherung zu erhalten, ein Prinzip das auch als Neopatrimonialismus bezeichnet wird. Obwohl sich die ökonomische Liberalisierung kaum bis gar nicht für das Gros der Bevölkerung auszahlte, führten Privatisierung staatlicher Betriebe und steigende Investitionen zu einem zunehmenden Werbebedarf der Unternehmen, der sich wiederum vorteilhaft auf den Pressemarkt auswirkte. Während in Europa die Zeitungen zu Beginn des Jahrtausends vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen standen, erfreuten sich die jordanischen Zeitungen eines Anzeigenaufkommens, das vor allem aus dem Banken-, Immobilien- und Kommunikationssektor stammte und zu einer Zuwachsrate von 20 Prozent in den Jahren 2007 bis 2008 führte (Dubai Press Club 2010: 126). Die verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten durch Werbung trugen u.a. dazu bei, dass neue Zeitungen gegründet wurden. Auch für den Rundfunksektor, den Abdallah II. 2004 öffnen ließ und damit erstmals private Investitionen in Rundfunkunternehmen erlaubte, entpuppte sich die wirtschaftliche Liberalisierung als vorteilhaft. Zwar konnten die Jordanier Satellitenfernsehen bereits seit Beginn der 1990er Jahre nutzen, doch die staatliche, terrestrisch ausstrahlende Jordanische Radio- und Fernsehanstalt (JRTV)15, hatte bis zur Öffnung keinerlei erstzunehmende Konkurrenz auf dem Markt für audio-visuelle Informationen über Jordanien zu fürchten. Investitionen in die IT-Infrastruktur brachten neue technische Möglichkeiten für die Arbeit der Medien mit sich. König Abdallah II. duldete im Gegensatz zu seinem Vater nicht nur informationstechnologische Entwicklungen wie seinerzeit das Satellitenfernsehen, er unterstützte sie aktiv. Er initiierte einen Plan, nach dem Jordanien zum IT-Zentrum des Nahen Ostens ausgebaut und der Zugang zum Internet erleichtert werden sollte. Zugleich förderte er die Jordan Media City, eine Freihandelszone für Medien. Mit der Einrichtung einer solchen bemüht sich Jordanien, Satellitensender mit ihrer Produktion ins Land zu locken. Als eine steuerfreie Zone sollen in ihr Produktionsfirmen und Fernsehsender zu günstigen Bedingungen operieren

14 Das von König Abdallah II. 1999 eingesetzte Gremium ist heute nicht mehr aktiv. 15 Die offizielle Abkürzung bezieht sich auf die englische Bezeichnung als Jordan Radio and Television Corporation (JRTV).

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können. Die Idee der Jordan Media City war es, die ökonomischen Perspektiven des Landes zu erweitern (vgl. Sullivan 2001). In der nationalen Strategie für Informationstechnologie heißt es, man wolle zur ökonomischen und sozialen Entwicklung beitragen, indem man »die rechtlichen, institutionellen und kommerziellen Voraussetzungen schaffe, unter denen der Markt für Informationstechnologie gestärkt, vergrößert und verstetigt« werden könne (National ICT Policy, O.J.: 1, zitiert nach: Quinn/Walters/Whiteoak 2004, Übersetzung J.P.). Als Teil der ökonomischen Veränderungen seit der Inthronisierung König Abdallahs II. ist die Media City deshalb ein Symbol für die Bestrebungen Jordaniens, ein wichtiger »Medienspieler auf der Weltbühne« zu werden (Quinn/Walters/Whiteoak 2004, Übersetzung J.P.). Auch wenn eine Vielzahl von Gründen bislang die Erfolge noch begrenzt (z.B. die geringe Breitbandverbreitung in den ländlichen Regionen, ein geringes Durchschnittseinkommen der jordanischen Bevölkerung, geringe Computerkenntnisse etc. (vgl. UN 2009)), so gehen von diesen Entwicklungen doch Impulse aus, die als potentielle Wandelinitiatoren fungieren können. Seit 2001 hat sich die Jordan Media City etwa von der 100 prozentigen Nutzung durch den saudischen Sender ART lösen und weitere – auch zahlreiche jordanische – Medienunternehmen anlocken können. Auch die Gründung international erfolgreicher Unternehmen im Bereich des Internets wie das soziale Netzwerkmedium Jeeran, die panarabische Nachrichtenseite Al-Bawaba oder die Kommunikationsplattform Maktoob, wurden durch eine gewisse technologische Offenheit und die ökonomische Liberalisierung ermöglicht. Doch sämtliche Öffnungstendenzen wurden begleitet von zahlreichen Widerständen innerhalb und außerhalb des Regimes. So ist es bislang nicht gelungen, das Staatsfernsehen Jordanien TV (JTV)16 zu reformieren, auch deshalb, weil es als staatliche Institution einer neopatrimonialen Logik folgt. Ähnlich verhält es sich mit der längst überfälligen, vollständigen Privatisierung der beiden teilstaatlichen Zeitungen Ar-Ra'i und Ad-Dustur, die zu Anteilen von 60 Prozent bzw. 30 Prozent noch immer über die Allgemeine Sozialversicherungsgesellschaft (SSC)17 in Regierungshand sind. Auch lehnte im August 2007 – kurz vor der bevorstehenden Parlamentswahl – die zuständige Lizenzbehörde in letzter Sekunde die Etablierung des ersten privaten terrestrischen Fernsehsenders ab, so dass das nationale Monopol des Staatssenders JTV bis heute fortbesteht. So kommen in allen gesellschaftlichen Bereichen die Mechanismen, die wesentlich für den Erhalt eines autoritären Regimes sind, bis heute zum Tragen. Dazu zählt Schlumberger einen partiellen Wandel der politisch relevanten Eliten, den Aufbau sogenannter »imitierter« Institutionen, den

16 Auf Arabisch heißt JTV Tiliwizyun Al-Urduni. Die Abkürzung geht auf die englische Bezeichnung des Senders als Jordan Television (JTV) zurück. 17 Die arabische Bezeichnung lautet Al-Mu’assasa Al-‘Amma Lid-Daman Al-Ijtima’i, die geläufige Abkürzung SSC geht auf das Englische Social Security Corporation zurück.

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Wandel von Mechanismen der Kooptation, das strategische Auftreten nach außen und die Gewährung partieller politischer Freiräume (2008: 158ff.).18 Ein Instrument, das besonders auch im Mediensektor in Jordanien in den letzten 20 Jahren gern eingesetzt wurde, ist das Regieren mit Gesetzen. Anstelle des rechtstaatlichen Prinzips »Herrschaft des Gesetzes« habe sich das Prinzip »Herrschaft mit Gesetzen« gesetzt (vgl. Valbjørn 2010, Brumberg 2003: 8).19 Dennoch haben die liberalen Phasen der wechselhaften Politik immer wieder Räume für Proteste, wirtschaftliche Entwicklung und technologischen Fortschritt eröffnet, die unterschiedlich von gesellschaftlichen Akteuren genutzt wurden. Mit den politischen, ökonomischen und technologischen Entwicklungen seit 1989 weist Jordanien deshalb trotzdem eine Vielzahl möglicher Wandelimpulse für den Journalismus auf. Diese lassen sich besonders für den Printsektor auf das Jahr 1989 (Beginn der Öffnungspolitik) bzw. 1993 (Einführung eines neuen Mediengesetzes) und für den Rundfunksektor auf das Jahr 2003 (Öffnung für private Rundfunkanbieter) konzentrieren. Aus diesem Grund ist es plausibel, davon auszugehen, dass im Journalismus Jordaniens sowohl Potentiale des Wandels als auch der Beharrung existieren. Wie genau sich diese darstellen und in welcher Beziehung sie zueinander stehen, soll Fokus dieser Arbeit sein, denn eine systematische Betrachtung der Veränderungen des Journalismus in Jordanien fehlt bislang. Die einzigen Forschungsarbeiten, die den Wandel von Strukturen des Journalismus in Jordanien und die Beiträge verschiedener Akteure ansatzweise in den Blick genommen haben, stammen von Najjar und Jones. Najjar repräsentiert eine Sichtweise, die den Blick auf den Wandel von Strukturen und deren strategische Transformation durch das Regime richtet. Er untersucht die Entwicklung des Presserechts in Jordanien von 1927 bis 1998 (vgl. Najjar 2001) und vergleichend in Ägypten und Jordanien mit Fokus auf neuere Entwicklungen

18 Mit einer etwas anderen Fokussierung kommt auch Heydemann (2007) zu ähnlichen Ergebnissen. 19 Aufgrund dieser ständigen Fort- und Rückschritte in der politischen, ökonomischen wie auch medialen Entwicklung kann von einer Vor-Zurück-Transition seit 1989 gesprochen werden (vgl. Sakr 2002). Die politikwissenschaftliche Literatur zu Jordanien spricht aufgrund der einzig auf den Machterhalt ausgerichteten endlosen Schleifen von Liberalisierung und De-Liberalisierung auch von einer »Transition ins Nirgendwo« (transition to nowhere) (Brumberg 2003: 13, Übersetzung J.P.). Der Politik liberalisierter Autokratien fehle der entscheidende Schritt zu einer Verhandlung zwischen Opposition und Regime über ein neues System (ebd.). Valbjørn ist der Auffassung, dass der Arabische Frühling erstmals in einigen Ländern der Region einen Schritt zur Verhandlung mit der Opposition erzwungen habe, weshalb er einen Wechsel von einer »Transition ins Nirgendwo« zu einer »Transition ins Irgendwo« (transition to somewhere) gekommen sieht (vgl. Valbjørn 2012, Übersetzung J.P.).

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(vgl. Najjar 2008). Sein Betrachtungsschwerpunkt liegt in beiden Publikationen auf der Entwicklung der Pressefreiheit, deren Geschichte in Jordanien eine von zahlreichen Wechseln zwischen Liberalisierung und Restringierung ist. Allerdings stellt er auch fest, dass einmal gewährte Freiheiten, wie aus dem Pressegesetz von 1993, nur unter öffentlichem Protest gegen die Regierung wieder zurückzunehmen sind (vgl. Najjar 2001: 93). Auch habe die Justiz sich in den letzten zehn Jahren in puncto Rechtsprechung gelegentlich auf die Seite der Presse geschlagen und der Zugang zu Informationen sei nicht mehr so leicht zu unterbinden. Dennoch habe sich an der Art und Weise, wie Pressegesetze gemacht werden, über die Jahre wenig verändert (vgl. Najjar 2008: 230). Die Gesetze selbst seien jedoch – wenn auch nicht linear – liberaler geworden (vgl. Najjar 2001: 77). Als Auslöser für diesen Wandel betrachtet Najjar vor allem veränderte Beziehungen und Interessen von Regime-internen Akteuren (z.B. dem Königshaus oder politische Parteien) und Regime-externen Akteuren (z.B. religiöse Autoritäten, ausländische Akteure oder Menschenrechts- und Journalistenorganisationen) (vgl. Najjar 2008: 219). Damit verweist er darauf, dass selbst in einer vom Regime stark kontrollierten und strategisch eingesetzten Domäne wie der Gesetzgebung, ein Einfluss von Akteuren außerhalb des Regimes möglich ist. Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Jones (2002a, 2002b), der allerdings die Potentiale eines Wandels aus dem Journalismus heraus stärker in den Blick nimmt. Er vergleicht die Entwicklung von Zeitungen im Übergang von »harten« zu »weichen« autoritären Regimen in Nicaragua, Süd-Afrika, Russland und Jordanien. Dabei stellt die englischsprachige Tageszeitung Jordan Times den Vergleichsfall für Jordanien dar, die jedoch – wie er selbst einräumt – wenig repräsentativ für die jordanische Zeitungslandschaft ist (vgl. Jones 2002a: 357). Weitaus spannender für die hier verfolgte Fragestellung sind deshalb seine Ausführungen zu den Wochenzeitungen, die infolge der Öffnungspolitik von König Hussein seit 1989 einen enormen Aufschwung erhielten. Gleichzeitig seien die Wochenzeitungen auch die Medien, gegen die sich die Restriktionspolitik des Regimes am stärksten gewandt hatte. Trotz diverser Fort- und Rückschritte hinsichtlich einer Liberalisierung der Medien hätten einmal eröffnete Freiräume nur schwer wieder geschlossen werden können. Von ihrer teils politischen, teils boulevardesken Berichterstattung seien zahlreiche Themen auf die Medienagenden und neue Stile in den Journalismus gelangt, die vor der Öffnung unmöglich zu veröffentlichen bzw. zu verwenden gewesen waren (vgl. Jones 2002a: 302ff., 2002b). Neben diesen direkten Anknüpfungspunkten für meinen Forschungsfokus existieren Studien, die – ohne theoretische Anbindung und ohne Fokussierung auf den Wandel – Überblicke über das jordanische Mediensystem und die Geschichte des jordanischen Journalismus verschaffen. Hierzu zählen etwa 'Abidad (2003), der eine Chronologie der Presseentwicklung in Jordanien vorgelegt hat, die hilfreiche Hintergrundinformationen liefert, für die Beantwortung der Forschungsfrage aber

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nicht direkt relevant ist. Gleiches gilt für Überblicksbeiträge über das Mediensystem und bestimmte Phasen in der Geschichte des Journalismus (vgl. Rugh 2004: 121ff.; Dajani/Najjar 2003; Sakr 2002; Ayalon 1994: 101ff.; Ayish/El-Sarayrah/Rifai 1994; Hawatmeh 1994a; Boyd 1993) oder einzelne Aspekte darin (z.B. Braune (2005) zum Journalistenverband JPA20, bei Pies (2008) zur Journalistenausbildung, Badran (1988) zur Presse-Regierungsbeziehung, Al-Shalabi/ Mahaftha (2005) zur Tageszeitung Ar-Ra'i, Pies (2014), Hawatmeh/Pies (2011), Pies/Madanat (2011a) zu Praktiken der media accountability). Daneben liefern zahlreiche Berichte von jordanischen und internationalen Nichtregierungsorganisationen (NROs) Einblicke in die Auswirkungen repressiver Politik auf den Journalismus. Beispielhaft seien hier die regelmäßigen Publikationen von Reporter ohne Grenzen, Article 19, Internews oder Amnesty International genannt. Das jordanische Zentrum zur Verteidigung der Freiheit von Journalisten (CDFJ)21 publiziert jährliche Berichte zur Situation der Pressefreiheit in Jordanien (vgl. CDFJ 2011, 2010, 2009, 2008a, 2007, 2006a, 2005). In vielen der erwähnten Publikationen zeigt sich, dass in der Betrachtung des Journalismus in Jordanien vor allem der Aspekt der Pressefreiheit eine wichtige Rolle spielt. Allerdings schränkt dieser Fokus die Erkenntnisse über einen Wandel im Journalismus ein, da es sich um einen Aspekt handelt, der besonders stark vom Regime bestimmt wird und journalistische Akteure vor allem als ›Spielbälle des Regimes‹ erscheinen lässt. Auch wenn die Forschungslage zum Wandel des Journalismus in Jordanien dünn ist, so zeigt sie doch, dass die Frage, wie sich Journalismus in autoritären Regimen wandeln kann, nur unter Rückbezug auf das Handeln journalistischer Akteure – in Form von Organisationen wie Einzelakteuren – und Regime-Akteure untersucht werden kann. Die Suche nach sinnvollen Wandelindikatoren sollte deshalb den Blick nicht allein auf die Entwicklung der Pressefreiheit richten. Sie sollte vielmehr verschiedene, vom Regime ausgehende Strategien des Machterhalts (inklusive Restriktionen und Freiheitsräume) und ihre Auswirkungen für die Strukturen des Journalismus betrachten. Zugleich müssen Strukturindikatoren gefunden werden, die es erlauben, die Einflussmöglichkeiten von Akteuren aus dem Journalismus zu erkennen.

20 Auf Arabisch heißt der Journalistenverband Niqabat As-Sahafiyin Al-Urduniyin, die Abkürzung JPA geht auf die englische Bezeichnung Jordan Press Association zurück. 21 Auf Arabisch nennt sich das CDFJ Markaz Himayat wa Hurriyat As-Sahafiyin, die Abkürzung bezieht sich auf die englische Bezeichnung Center for Defending the Freedom of Journalists.

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Journalismuswandel in Jordanien? Aus den vorangestellten Überlegungen heraus soll die forschungsleitende Frage für diese Arbeit, wie sich Journalismus in einem autoritären System wandelt, nun für Jordanien konkretisiert werden: Welchen Wandel kann Journalismus in einer liberalisierten Autorkatie nehmen, deren Ziel zwar die Systemstabilität ist, die jedoch nur mithilfe einer Strategie der Eröffnung von – wenn auch kontrollierten – Handlungsfreiräumen erreichbar ist? Die Erkenntnisse aus der Journalismusforschung haben gezeigt, dass es zunächst einmal notwendig ist, zu bestimmen, welche Strukturen des Journalismus untersucht werden sollen, um gezielten oder auch unintendierten Wandel indizieren und von oberflächlichen Veränderungen abgrenzen zu können. Eine solche Perspektive bedarf einer theoretischen Betrachtung, wie Wandel im Journalismus grundsätzlich vollzogen werden kann, die jedoch die Besonderheiten autoritärer Herrschaft berücksichtigt. Der Überblick über den jordanischen Fall hat gezeigt, dass sich der dortige Journalismus als Fallbeispiel für die Fragestellung besonders gut eignet. Deshalb wird im Anschluss an die theoretische Erörterung des Wandels im Journalismus konkret zu beantworten sein: • Welche gezielten Veränderungsversuche vonseiten des Regimes und vonseiten

journalistischer Akteure existieren, um die Strukturen des Journalismus zu verändern? • Welche Auswirkungen haben diese gezielten Transformationsversuche für die Praxis des Journalismus, d.h. welche Bestätigung oder auch Widersetzung erfahren sie? Eine Forschungsarbeit, die die Einflussmöglichkeiten von außerhalb und innerhalb des Journalismus auf die journalistischen Strukturen ausloten möchte, muss eine empirische Umsetzbarkeit zulassen. Da – wie gezeigt – die Forschungslage zum Untersuchungsfall insgesamt gering ausfällt, erfordert eine solche empirische Betrachtung ein in weiten Teilen exploratives Vorgehen. Die Arbeit wird deshalb verschiedene qualitative Methoden der Sozialforschung verbinden, die eine umfassende Beantwortung der Forschungsfragen ermöglicht. Um die Wechselbeziehungen zwischen Regime-initiierten Veränderungsversuchen und Handlungsmöglichkeiten der Akteure angemessen zu berücksichtigen, bedarf es eines ausreichend komplexen theoretisch-analytischen Rahmens, der beide Aspekte, Struktur und Akteurshandeln, berücksichtigt und zugleich nicht ausschließlich auf demokratische Gesellschaften zugeschnitten ist (Buchteil I). Ein solcher Rahmen muss offen für Wandelprozesse und eine empirische Umsetzung sein. Mit der Feldtheorie nach Bourdieu beschreibe ich im Kapitel »Indikatoren des

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Wandels« eine theoretische Rahmung, die in der Formulierung von zwei Indikatoren für Wandel im Journalismus mündet: die Veränderung journalistischer Regeln im normativen Referenzrahmen und die Resonanz dieser Veränderungen bei journalistischen Akteuren im Feld. Diese beiden Indikatoren werden theoretisch unterfüttert, um erste Annahmen über den Wandel im Journalismus autoritärer Regime zu formulieren. Dabei definiere ich präskriptive Regeln als Mittel des Regimes und der Akteure im Feld, gezielte Transformationen in den journalistischen Regeln herbeizuführen. Kognitiv-evaluative Regeln der Akteure hingegen repräsentieren die Strukturen des Feldes, die für die Bestätigung oder Widersetzung gegen solche Veränderungsversuche ausschlaggebend sind. Die so generierten Grundannahmen und empirischen Umsetzungsmöglichkeiten fasse ich zum Ende des Kapitels zusammen. Darauf baut das zweite theoretische Kapitel »Analysedimensionen« auf, das die beiden Analysedimensionen »Normenkontext« und »Ressourcenkonstellation« näher fasst. Während die erste Analysedimension dazu dienen soll, die Veränderungen im normativen Referenzrahmen klarer zu fassen und innerhalb bzw. außerhalb des Regimes zu verorten, unterstützt die zweite Analysedimension die Rekonstruktion von Aktualisierungspotentialen durch journalistische Akteure. Um eine direkte empirische Verknüpfung der beiden Wandelindikatoren zu garantieren, erarbeite ich in meinem dritten theoretischen Kapitel »Protonormen als Strukturierungsdimension«. Sie sollen die Normen des Referenzrahmens im jordanischen Journalismus erfassen helfen, ohne von vornherein zu sehr auf einen bestimmten Journalismustyp einzuengen. Um im Umkehrschluss nicht vollständig meinen persönlichen Denkkategorien zu erliegen, skizziere ich unter den Protonormen Freiheit, Wahrheit und Verantwortung Aspekte aus der wissenschaftlichen Diskussion, die meine empirische Kategorienbildung angeleitet haben. Wie genau die empirische Untersuchung ausgesehen hat, erkläre ich im Buchteil II, »Forschungsdesign und Methoden«. Zunächst erläutere ich die Voraussetzung für die Verknüpfung des theoretisch-analytischen Rahmens und den während meiner Feldforschungsaufenthalte in Jordanien gesammelten Daten im Kapitel »Forschungsdesign «. Die Besonderheiten dieser Aufenthalte mit Bezug zu den Ergebnissen meiner Studie reflektiere ich im zweiten Methodenkapitel »Feldforschung in Jordanien«. Im darauf folgenden Kapitel »Rekonstruktion von Wandelpotentialen« lege ich offen, wie ich die Untersuchung der beiden Wandelindikatoren vorgenommen habe und gehe ausführlich auf die gewählten Methoden der qualitativen Inhaltsanalyse sowie der dokumentarischen Methode ein. Dabei beschreibe ich jeweils den Prozess der Datengewinnung und der Auswertung. Die Ergebnisse meiner empirischen Forschung stelle ich in zwei getrennten Buchteilen vor. Dabei stellt Buchteil III mit der Betrachtung der Potentiale des Wandels durch »Gezielte Transformationsversuche« quasi die Voraussetzung für Buchteil IV dar, in dem die Potentiale des Wandels durch »Journalistische Akteure« beschrieben werden. Die beiden Kapitel sind zwar in sich geschlossen, werden aber

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über die drei Strukturierungsdimensionen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung immer wieder miteinander verknüpft. Daraus ergibt sich eine aufeinander aufbauende Beantwortung der Forschungsfragen: Ob gezielte Transformationsstrategien tatsächlich einen Wandel initiieren konnten, gehe ich in den Kapiteln »Gezielte Transformationsversuche seit 1989« und »Normativer Referenzrahmen seit 1989« nach. Sie stellen für das Verständnis der Antwort die notwendigen Hintergründe bereit, indem ich in ersterem die Normensetzungs- und Durchsetzungsprozesse analysiere und in letzterem die strukturelle Entwicklung des normativen Referenzrahmens nachzeichne. Ein ähnlicher Aufbau erfolgt in Buchteil IV, »Journalistische Akteure«, das die Frage beantworten soll, welche Akteure eine Wandelaffinität und das entsprechende Wandelpotential aufweisen. Auch hier führe ich die Ergebnisse meiner empirischanalytischen Arbeit zunächst detailliert aus. Im ersten Kapitel »Ressourcen des Feldes« beschreibe ich die Bedingungen des journalistischen Feldes in Jordanien und die mit ihnen verbundenen organisations- und akteursbezogenen Ressourcenkonstellationen. Das Kapitel »Resonanzen auf den normativen Referenzrahmen« schließlich umfasst die Ergebnisse meiner Befragung jordanischer Journalisten zum Rekurs auf und zur Bewertung von journalistischen Regeln. Die Ergebnisse beider Kapitel führe ich im Kapitel »Zusammenführung: Potentiale des Wandels durch verschiedene Akteurstypen« zusammen, indem ich anhand von fünf journalistischen Idealtypen die tatsächlichen Potentiale des Wandels im Journalismus Jordaniens erläutere. In der Abschlussdiskussion, dem »Fazit«, fasse ich schließlich die Ergebnisse der beiden empirischen Buchteile systematisch zusammen und nehme noch einmal Bezug zur Fragestellung der Arbeit.

I. Theoretisch-analytischer Rahmen

Indikatoren des Wandels im Journalismus

In der Einleitung habe ich vier Voraussetzungen für einen theoretischen Rahmen zur Untersuchung des Wandels im Journalismus autoritärer Regime benannt: Erstens eine Journalismusvorstellung, die von einer gesellschaftlichen Einbettung des Journalismus ausgeht und keine vollständige Autonomie voraussetzt; zweitens eine Verzahnung von Struktur und Handlung, die auch Akteuren die Möglichkeit zur Veränderung einräumt; drittens ein Handlungskonzept, das sowohl strukturbedingende als auch struktur(re-)produzierende Aspekte berücksichtig und viertens eine Offenheit gegenüber empirischer Forschung. All diese Aspekte vereinen journalismustheoretische Ansätze, die auf Pierre Bourdieus Gesellschaftstheorie basieren, wie das folgende Kapitel zeigen soll. Dazu gehören Arbeiten von Bourdieu selbst (vgl. Bourdieu 2005, 1998, 1994a, 1994b), aber auch die Erkenntnisse der französischen Journalismusforschung, die sich seit Mitte der 1990er Jahre zunehmend die Theorie Bourdieu zunutze macht (vgl. Bastin 2003: 258).1 In Deutschland und in der angelsächsischen Journalismusforschung ist die Theorie Bourdieus hingegen nur selten weiterentwickelt oder angewandt worden. Ausnahmen stellen für die USA beispielsweise Benson und Neveus Sammelband zum journalistischen Feld (vgl. Benson/Neveu 2005a) und für Deutschland die Arbeiten von Schäfer (2004) und Raabe (2005a, 2005b, 2004, 2003) dar. Insgesamt ist die an Bourdieu angelehnte Theoriearbeit für den Gegenstandsbereich des Journalismus unterentwickelt, was zum einen darauf zurückzuführen ist, dass Journalismus nie Gegenstand aufwändiger Forschungsarbeiten Bourdieus selbst gewesen ist. Zum anderen fokussiert die an ihn anschließende Forschung vor allem auf das theoretische Instrument des Feldes, das ohne Einbezug anderer Konzepte, wie den Habitus oder Kapitalien, keinen großen Mehrwert für die Journalismusforschung liefert (vgl. Raabe 2003). Aus diesem Grund wird die Bourdieu‘sche Theorie und Begrifflichkeit über das feldtheore-

1

Einen Einblick in und Überblick über die französische Journalismusforschung in Anlehnung an Bourdieu geben beispielsweise Averbeck (2003), Bastin (2003) und Raabe (2003).

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tische Konstrukt hinausgehen und meine Arbeit als theoretischen Rahmen umschließen. Besonders für eine analytische Anleitung zur Untersuchung des jordanischen Fallbeispiels werde ich aber weitere Erkenntnisse aus anderen theoretischen Perspektiven der Journalismusforschung hinzuziehen müssen. Mit Bezug auf Bourdieu betrachte ich Journalismus als ein Feld, das als gesellschaftliches Subfeld einen Mikrokosmos innerhalb des gesellschaftlichen Makrokosmos darstellt und seinen eigenen Spielregeln folgt (Bourdieu 1998: 55). Das journalistische Feld steht in besonders enger Beziehung zum politischen und wirtschaftlichen Feld (vgl. z.B. Heikkilä et al. 2012; Bourdieu 2005, 1998; Champagne 2005; Marlière 1998). Wie genau sich diese Beziehungen darstellen, kann sich von Land zu Land, aber auch von journalistischem Subfeld zu Subfeld (z.B. Wirtschaftsberichterstattung, Fernsehen) unterscheiden (vgl. Marchetti 2005). Bourdieu etwa stellt in seinem Werk »Über das Fernsehen« vor allem die ökonomischen Abhängigkeiten in den Vordergrund (vgl. Bourdieu 1998).2 Hallin und Mancini zeigen mit ihrer Typisierung von Mediensystemen in der Vergleichsdimension des politischen Parallelismus eindrücklich die unterschiedlich ausgeprägten Beziehungen zum politischen Feld in verschiedenen nationalen Kontexten (vgl. Hallin/Mancini 2004).3 Mit der Betrachtung beider Beziehungen, zum politischen und wirtschaftlichen Feld, lässt sich leichter auch solchen journalistischen Feldern begegnen, deren Autonomie von einem der beiden Felder stark begrenzt wird, wie es in autoritären Regime häufig durch die Politik der Fall ist, aber auch in Feldern, die stark durch ökonomische Logiken bestimmt sind. Dabei hat Bourdieus Feldtheorie zwar eine normative Präferenz für autonome Felder, aber sie geht nicht von einem linearevolutionären Prozess aus, der in einer größeren Differenzierung und vollständigen Autonomie enden muss. Aus diesem Grund betrachtet Hallin die Feldtheorie als »einen potentiell offeneren Rahmen [als die Systemtheorie, J.P.], um Wandel in den Beziehungen der Medien oder anderen sozialen Strukturen zu verstehen« (Hallin 2005: 230f., Übersetzung J.P.). Diese Offenheit ist gerade für die Betrachtung autoritärer Regime von Vorteil, denn sie unterstellt nicht implizit eine »Unterentwicklung« des Journalismus aufgrund mangelnder Autonomie vom politischen Feld.

2

Bourdieus Werk »Über das Fernsehen« ist eher als politische Schrift, denn als wissenschaftliche Grundlegung einer Theorie des journalistischen Feldes zu sehen. Denn in dem Werk vernachlässigt Bourdieu beispielsweise feldinterne Dynamiken zwischen verschiedenen Akteursgruppen und stellt einen starken (wenn nicht überdimensionierten) Einfluss des »Marktes« in den Vordergrund (vgl. Marlière 1998).

3

Theoretisch favorisiert das Werk Hallin und Mancinis (2004) zwar den new institutionalism nach Alexandre, doch gerade Hallin verweist in späteren Publikationen auf die Gemeinsamkeiten und teilweisen Vorzüge der Feldtheorie nach Bourdieu (z.B. Hallin 2005).

I NDIKATOREN

DES

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Autonomie wird vielmehr als ein permanenter Prozess der Auseinandersetzung zwischen den Feldern gesehen: »Die Geschichte könnte in großen Teilen auch die Geschichte einer unerreichbaren Autonomie sein – oder um es in einer weniger pessimistischen Weise zu formulieren, die unendliche Geschichte von Autonomie, die ständig wiedergewonnen werden muss, weil sie immer bedroht ist.« (Champagne 2005: 50, Übersetzung J.P.). Eine auf Bourdieu fußende Feldtheorie berücksichtigt zudem Bedenken gegenüber einer zu großen Autonomie im Journalismus wie sie immer wieder formuliert wurde. Schudson beispielsweise betont, dass ein zu viel an Autonomie im demokratietheoretischen Sinne auch dysfunktional sein kann: Nachrichtenentscheidungen, die von einem »Korps von Medienprofessionellen, die jenseits des staatlichen und marktökonomischen Einflusses stehen«, seien nicht unbedingt im Interesse einer demokratischen Gesellschaft (Schudson 2005: 219). Auch Bourdieu merkt an, Autonomie könne zu einer egoistischen Abschottung der Feld-spezifischen Interessen führen, sei jedoch gleichzeitig eine Bedingung für Freiheit in einem grundsätzlich eher schwach autonomen Feld wie dem Journalismus (Bourdieu 2005: 45). Dies gilt umso mehr für Journalismus in autoritären Regimen, denn genau in diesem Spannungsfeld zwischen Autonomie als Kampf für Freiheit und Autonomie als Ablösung von gesellschaftlicher Funktionalität, müssen die Dynamiken in nichtdemokratischen Gesellschaften betrachtet werden. Die interne Konstitution eines Feldes stellt sich in Bourdieus Worten als ein »Netzwerk oder eine Konfiguration von objektiven Relationen zwischen Positionen« dar (Bourdieu/Wacquant 2006: 127). Diese Positionen, die gleichzeitig auch bestimmte Machtpositionen innerhalb des Feldes repräsentieren, ergeben sich aufgrund spezifischer Ressourcenverteilungen der Akteure im Feld. Die Feldspezifischen Spielregeln, die auch häufig als »Feldlogik« bezeichnet werden, stellen Regeln oder Handlungsprinzipien dar, die die Praxis der Akteure im Feld strukturieren. Wie stabil oder wandlungsbereit ein Feld ist, hängt maßgeblich von den in ihm agierenden Akteuren ab, die um aktuelle und potentielle Machtbeziehungen und um die in ihren Augen legitimen Spielregeln kämpfen. Die Strategien, die Akteure in diesem Kampf verfolgen, sind abhängig »von der Sicht auf das Feld […], die sie von einem bestimmten Punkt im Feld aus haben« (Bourdieu/Wacquant 2006: 132). Eine Strategie versteht Bourdieu dabei nicht zwangsläufig als eine intentionale Interessensverfolgung, sondern sie kann auch verstanden werden als »aktive Entfaltung von objektiv gerichteten ›Handlungsverläufen‹, die Regelmäßigkeiten unterliegen und kohärente und sozial intelligible Konfigurationen bilden, obwohl sie keiner bewußten Regel folgen und keine vorausgeplanten Ziele ansteuern« (Wacquant 2006: 48). Die Positionen im Feld lassen sich anhand des Beziehungsgegensatzes dominant und dominiert hinsichtlich der Möglichkeiten einer Umsetzung der eigenen Sicht auf das Feld beschreiben. Dahingegen lässt sich die Sichtweise auf das Feld in

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orthodoxe, d.h. positionsbewahrende und heterodoxe, d.h. positionsverändernde Sichtweisen unterscheiden. Grundsätzlich tendieren die dominanten Kräfte eher zu einer Bewahrung der Feldstrukturen und somit eher zu einer Unterstützung der herrschenden Spielregeln (Orthodoxie), während die dominierten Kräfte bestrebt sind, diese Strukturen bzw. Spielregeln in ihrem Sinne zu verändern (Heterodoxie). Diese Gegensätze bewirken eine für alle Felder potentielle Dynamik. Da die dominanten Kräfte mehr Macht zur Durchsetzung ihrer Regeln besitzen, führen die meisten Aktivitäten innerhalb eines Feldes jedoch eher zur Reproduktion der Verhältnisse als zu deren Veränderung und verleihen damit zugleich dem Feld eine gewisse Stabilität (Bourdieu 1988: 286ff.). Stabilität wird auch dadurch gewährleistet, dass die im Feld agierenden Akteure den Sinn des Spiels nicht in Frage stellen. So werden Akteure im journalistischen Feld ihren Glauben (illusio) an die Sinnhaftigkeit des journalistischen Spiels, das in der Erstellung und Verbreitung von Beschreibungen der Welt besteht, nicht in Frage stellen. Sie werden die notwendigen Einsätze für das Spiel für sinnvoll erachten (Raabe 2005a: 194, 2005b: 74; Bourdieu 2005: 37). Diese illusio scheint für den Journalismus universell, d.h. sie gilt sowohl in demokratisch wie auch in autoritär regierten Ländern.4 Unterschiede zwischen dem Journalismus in verschiedenen Gesellschaften können indes hinsichtlich der Art der Verfolgung der illusio bestehen, z.B. hinsichtlich der Methoden der Erstellung, der Modalitäten der Verbreitung oder der Art der Beschreibung von Wirklichkeit. Folglich können alle Regeln, die den Glauben an die Sinnhaftigkeit des Spiels nicht gefährden, im Zentrum der feldinternen Machtkämpfe stehen. Feld-spezifische Spielregeln stehen deshalb im Zentrum der Frage nach einem Wandel und sind die Strukturen, die es zu untersuchen gilt. Sie sind es, gegenüber denen sich die Spieler positionieren müssen und die somit als Indikator sich ändernder Sichtweisen auf das Feld dienen können. Zugleich können sie selbst zum Objekt des Wandels werden. Wandeln kann sich auch eine zweite Strukturdimension in Bourdieus Theorie, die Ressourcenkonstellationen der Akteure innerhalb eines Feldes, die in der Begrifflichkeit Reckwitz‘ »Regelmäßigkeitsstrukturen« darstellen (vgl. Reckwitz 1997: 32ff.). Akteuren ist ein Set an Ressourcen (Bourdieu verwendet den Begriff Kapital) zu Eigen, das sie mehr oder weniger gewinnbringend in ihr Handeln im journalistischen Feld einbringen können. Je nach Ressourcenkonstellation und der Positionen, die Akteure innerhalb der Gesellschaft innehaben, nehmen sie unterschiedliche Positionen in einem spezifischen Feld ein. Im Gegensatz zu den Regeln

4

Schon Altschull geht in einem der ›Klassiker‹ international vergleichender Mediensysteme davon aus, dass die Presse in allen Gesellschaften ein einendes »Leitmotiv« habe. Für ihn ist dieses »Leitmotiv« die Vorstellung, dass Medien eine erziehende Funktion übernehmen müssten (1984: 279).

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im Feld, erkennen die Akteure die Regelmäßigkeitsstrukturen oft nicht. Sie werden deshalb von den Akteuren nicht zwangsläufig sinnhaft angewandt (vgl. Raabe 2005b: 66). Es sind – wie Reckwitz betont – in erster Linie Konstruktionen des Forschers und nicht, wie im Falle der Regeln, die der Akteure (vgl. Reckwitz 1997: 34ff.). Dennoch sind es gerade die Regelmäßigkeitsstrukturen, die »die jeweiligen Handlungsspielräume festlegen und die Chancen mitbestimmen, Handlungsziele auch zu erreichen« (Raabe 2005b: 67). Verändert sich die Bedeutung von Ressourcen eines Feldes beispielsweise durch die Auf- oder Abwertung einer bestimmten Ressource, so können sich die Kräfteverhältnisse und damit zugleich die dominanten Sichtweisen auf das Feld verändern. Für die Auslotung von Wandelpotentialen im Journalismus autoritärer Regime sind sie also eine wichtige Strukturdimension und müssen neben den Regelstrukturen in eine Untersuchung integriert werden. Dies lässt sich über die Konzeption von Journalisten als sozialen Akteuren erreichen, deren Handeln sich sowohl aus bereits bestehende Strukturen innerhalb und außerhalb des Feldes speist (Ressourcenkonstellation) als auch die Möglichkeit zur Hervorbringung von Strukturen (journalistische Regeln) bietet (vgl. Raabe 2005b: 70ff.; Raabe 2004; Raabe/Behmer 2003). Mit einer solchen Konzeption wird nicht nur die Trennung von Struktur und Akteur obsolet, sondern auch eine grundsätzliche Offenheit gegenüber Wandelpotentialen durch Akteure im Feld demonstriert. Anstöße für Wandel können nach Bourdieu sowohl von außerhalb als auch von innerhalb des Feldes kommen. Sie können über eine Verstärkung der im Feld vorhandenen Dynamiken wirken. Als eine externe Wandeldynamik beschreibt er die gesellschaftliche Krise, die dadurch wirkt, dass sie »in der Wirklichkeit selbst oder in der Vorstellung die Struktur der objektiven Chancen (zu Profit, sozialem Erfolg usw.) erschüttert, an der sich das vorgeblich vernünftige Verhalten [der Akteure des Felds, J.P.] spontan orientiert« (Bourdieu 1988: 286). Generell vermutet Bourdieu, dass vor allem Krisen und gravierende Veränderungen in den stark am Geschehen des journalistischen Feldes beteiligten Feldern (v.a. dem politischen und dem ökonomischen) dazu geeignet sind, die Strukturen im journalistischen Feld zu verändern (vgl. Bourdieu 2005). Benson und Neveu verweisen konkret auf neue politische Ordnungen, Wandel von demokratischen Prozessen, gravierende Änderungen in der Justiz- oder Wirtschaftspolitik, ökonomische Krisen oder die Entstehung kultureller und sozialer Bewegungen, die bei den Akteuren des journalistischen Feldes eine Art »Schock« auszulösen vermögen (Benson/Neveu 2005b: 6). Der Krisenzustand kann sich als Stärkung von Wandel-affinen Kräften im Feld auswirken. Genauso gut ist es aber auch möglich, dass zur Positionswahrung die dominanten eher orthodoxen Kräfte zu Veränderungen bereit sind. Krisen im Nachbarfeld legen einen Wandel des journalistischen Feldes zwar nahe, müssen ihn aber nicht zwangsläufig nach sich ziehen. So sieht Hawatmeh beispielsweise mangelnde Konkurrenz im Journalismus als einen Grund für die geringen Veränderungen im journalistischen Feld in Jordanien nach dem Liberalisierungsschub von 1989: »Die Repräsen-

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tanten der shareholder im Direktionsgremium, das die Chefredakteure bestimmt, sahen weder einen Grund für Unruhe zu sorgen, noch die notwendige Konkurrenz, um Veränderungen zu forcieren.« (Hawatmeh 1994b: 7, Übersetzung J.P.). Damit spricht er eine zweite von Bourdieu angeführte Wandeldynamik an. Neu ins Feld eintretende Akteure sind besonders dafür prädestiniert, eine Wandelinitiierende Rolle zu übernehmen. Neueinsteiger können sowohl einzelne Journalisten als auch Organisationen darstellen. Da sie sich ihre Position im Feld erst noch erkämpfen müssen, bauen sie eine neue Dynamik für die etablierten Machtbeziehungen auf. Bourdieu vergleicht diese Dynamik mit der physikalischen Verdrängungskraft von Masse durch neu hinzutretende Masse. Gleichzeitig müssen neue Akteure aber auch unter Beweis stellen, dass sie die illusio der anderen Akteure teilen und somit überhaupt berechtigt sind, am Spiel teilzunehmen, was zu Anpassungserscheinungen führen kann. Ob Neueinsteiger eher zu einer Transformation oder zu einem Erhalt der Feldstrukturen beitragen werden, hängt folglich von den Bedingungen des Feldeintritts, der Reaktionen der etablierten Spieler sowie ihrer Sicht auf das Feld und ihrer Machtpotentiale ab. Es ist davon auszugehen, dass die Neueinsteiger – um überhaupt aufzufallen – zu einer eher heterodoxen Sicht tendieren, während die Etablierten (dominante wie dominierte) – um ihre Positionen fürchtend – zu eher orthodoxen Sichtweisen tendieren und damit zu einer Stabilisierung der bestehenden Feldstrukturen beitragen. Diese generelle Funktionsweise von Wandel in gesellschaftlichen Feldern verweist auf eine notwendige Verknüpfung von Strukturen in Form von Spielregeln und gesellschaftlich verankerten Feldakteuren für die Untersuchung von Wandel im Journalismus. Zu den als Spielregeln bezeichneten Regelstrukturen gehören »präskriptive Regeln« (Reckwitz 1997: 121) oder Normen, die Erwartungen an handelnde Akteure stellen. Für die meisten gesellschaftlichen Felder existieren sie in zweierlei Form: explizit und implizit. Explizit sind präskriptive Regeln dann, wenn sie sprachlich formuliert sind. Als »Prototyp« expliziter Normen bezeichnet Reckwitz Gesetze. Implizite Normen existieren in »unausgesprochener« Form und stellen informelle Erwartungen an die Handelnden. Beide Formen präskriptiver Regeln stellen »externe Erwartungen dar; sie sind mit Sanktionen verknüpft; sie setzen ihrerseits ›Erwartungserwartungen‹ vonseiten der Normadressaten voraus« (Reckwitz 1997: 122, Hervorhebung J.P.). Externalität bedeutet, dass Normen generalisierte, situationsübergreifende Erwartungen sind, die von außen an Akteure herangetragen werden. Dabei ist zunächst einmal offen, von wo aus diese Erwartungen in welcher Form gehegt werden. Für die Frage der Akzeptanz ist es aber bedeutsam, welche Position derjenige, der Erwartungen formuliert, einnimmt. Stammen die Erwartungen vom Publikum, von der Redaktionsleitung, von der Politik oder vom einzelnen Journalisten? Sanktionierung bezieht sich auf die Konsequenzen einer Nicht-Erfüllung der Erwartungen in Form von Sanktionsandrohung oder Sanktion. Externalität und Sanktionierung werden häufig mit einem ›Zwangscharakter‹ von Normen assozi-

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iert, der jedoch angesichts der Bedeutung von Erwartungserwartungen relativiert wird. Handeln kann durch bloße Existenz von externen Erwartungen und Sanktionierung allein nicht angeleitet werden, denn es bedarf eines Bewusstseins, einer Anerkennung und schließlich einer Aktualisierung der Erwartungen durch die Handelnden (vgl. Reckwitz 1999: 122ff.). Die Aktualisierung von Normen stellt also einen Prozess dar, der darauf verweist, dass die Existenz von präskriptiven Regeln nicht zwingend auch ein regelkonformes Handeln hervorbringt. Wenn sich nämlich Akteure der Erwartungen nicht bewusst sind, sie nicht interpretieren können oder nicht gewillt sind, sie als legitim zu erachten, können sie in der Praxis wenig bewirken. Präskriptive Regeln sind für die Akteure in einem Feld also lediglich Handlungsoptionen, die ihnen mehr oder weniger zwingend erscheinen können. Sie sind nur eine Kategorie der Spielregeln, die die Praxis im Feld strukturieren. Trotz dieser Einschränkung in ihrer Wirkungsweise bilden alle für das Handeln in einem Feld relevanten präskriptiven Regeln einen normativen Referenzrahmen, einen Pool an Normen, aus dem Handelnde einen »Sinn« für ihr Tun schöpfen können (Reckwitz 1997: 112). Ändert sich der normative Referenzrahmen, so können Akteure für sich »sinnvolle«, neue Handlungen im Feld vollführen. Aus diesem Grund ist es plausibel, davon auszugehen, dass eine Veränderung des normativen Referenzrahmens einen Wandel im Journalismus herbeiführen kann. Die Veränderung des normativen Referenzrahmens kann folglich als Indikator eines Strukturwandels im Journalismus erachtet werden (Wandelindikator 1: Veränderung des normativen Referenzrahmens). Zugleich bedarf es jedoch auch der Berücksichtigung der Grenzen, die einem Wandel des normativen Referenzrahmens vonseiten der Feldakteure gesetzt sind. Journalisten müssen sich gegenüber den an sie gerichteten Erwartungen positionieren. In welcher Weise sie dies tun, hängt entscheidend von »kognitiv-evaluativen Regeln« ab (Reckwitz 1997: 128), die die Akteure erst befähigen, die Feldspezifischen Normen wahrzunehmen, zu bewerten und umzusetzen. Kognitivevaluative Regeln stellen dabei »kollektives Wissen« dar, was Reckwitz und Raabe an Bourdieus Habitus anlehnen (vgl. Raabe 2005a: 158ff.; Reckwitz 1997: 128ff.). Dieses kollektive Wissen geht aus einem sozial erworbenen, impliziten Wissen hervor und befähigt die Akteure quasi erst zum Handeln. Es generiert sich nicht willkürlich, sondern ist eng verbunden mit der jeweiligen Position des Akteurs im Feld. Kognitiv-evaluative Regeln sind somit eine zweite analytische Kategorie von Regelstrukturen, die es zu betrachten gilt, wenn es um die Aktualisierung von Normen geht. Jedoch ist die Trennung der beiden Regeltypen (präskriptiv und kognitivevaluativ) für das Handeln rein analytischer Natur, denn in der Handlungspraxis sind die beiden untrennbar miteinander verbunden. Akteure müssen auf handlungsleitende Normen zurückgreifen, die ihnen jedoch nicht zwingend bewusst sind, aber durchaus als Rechtfertigung ihres Handelns reflektiert und artikuliert werden können. Die notwendige Bedingung für die Erzeugung sozialer Praktiken liegt aller-

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dings in den kognitiv-evaluativen Regeln der Akteure, nicht in den präskriptiven Regeln, die weder »notwendige noch hinreichende Bedingungen für die Produktion sozialer Praktiken« darstellen (Reckwitz 1997: 129). Die alleinige Betrachtung präskriptiver Regeln reicht aus diesem Grund nicht aus, um einen Wandel zu proklamieren. Sie würde voraussetzen, dass ihre Umsetzung in der Praxis auch tatsächlich erfolgte. Damit wäre »das journalistisch-praktische Handeln nichts anderes als die strikte Ausführung solch vorgegebener Regeln, wären Wandel und Veränderung im Journalismus lediglich durch Faktoren in der Umwelt des Journalismus zu erklären« (Raabe 2005a:16). Stattdessen ist davon auszugehen, dass Normen, die gewisse Erwartungen an die Handelnden richten, von diesen aufgegriffen und bewertet werden müssen. Sie müssen sich ihnen gegenüber positionieren. Diese Positionierung bewirkt einen Moment der Unsicherheit für die Durchsetzung von Normen und kann ebenfalls Potentiale des Wandels eröffnen. Die Positionierung der Akteur gegenüber dem normativen Referenzrahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt kann folglich darüber Aufschluss geben, ob und wenn ja, welche Veränderungen des Referenzrahmens, welche Resonanz im Feld erzeugen. Die Positionierung der Akteure gegenüber dem normativen Referenzrahmen des journalistischen Feldes dient deshalb als ein weiterer Indikator für Wandel im Journalismus (Wandelindikator 2: Positionierung der Akteure). Wandel im Journalismus kann somit durch die Veränderung von Regelstrukturen (präskriptive und kognitiv-evaluativen Regeln) indiziert werden. Es sind nämlich diese Strukturen, die für die »Aufrechterhaltung der Ordnung des Journalismus sorgen« (Raabe 2005b: 77). Eine Veränderung dieser stabilitätsgarantierenden Mechanismen kann deshalb als maßgeblich für einen Wandel gelten. Sie sind aber nicht zwangsläufig als Auslöser für einen solchen zu sehen und dürfen nicht ohne Berücksichtigung der Entwicklung von Regelmäßigkeitsstrukturen betrachtet werden (vgl. Raabe 2005b: 77ff.), denn die Ressourcenausstattung einer Medienorganisation beispielsweise kann entscheidend dafür verantwortlich sein, ob die Einhaltung bestimmter Regeln überhaupt möglich ist und wie sich deren Akteure ihr gegenüber positionieren.

1. V ERÄNDERUNG DES

NORMATIVEN

R EFERENZRAHMENS

Im Folgenden möchte ich erörtern, wie der normative Referenzrahmen theoretisch zu fassen ist und was er über die Möglichkeiten einer Untersuchung von Wandel im Journalismus aussagen kann. Normen oder präskriptive Regeln habe ich oben als externe Erwartungen, die mit Sanktionen verknüpft sind und deren Aktualisierung Erwartungserwartungen vonseiten der Akteure voraussetzt, definiert. Die Journa-

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lismusforschung hat sich eingehend mit solchen Regelstrukturen beschäftigt. Ein Forschungszweig, der sich explizit mit Normen des Journalismus beschäftigt, ist die Journalismus- oder Medienethik. Normen werden hier als Handlungsmaximen betrachtet, die ›gutes‹ journalistisches Handeln anleiten sollen. Bucher benennt mit Verweis auf Grice vier Handlungsmaximen für den Journalismus: die Maxime der Qualität (Nichts soll gesagt werden, was nicht wahr ist!), die Maxime der Quantität (Es soll nicht informativer und nicht weniger informativ als nötig berichtet werden!), die Maxime der Relation (Sei relevant!) und die Maxime der Modalität (Berichte nicht unklar und mehrdeutig, sondern kurz und geordnet!) (vgl. Bucher 2004: 274). Es ließen sich zahlreiche weitere Maximen aus der Journalismusethik anführen, die – je nach normativer Verortung – unterschiedlich ausfallen, die aber unabhängig von ihrer Ausformulierung in theoretischer Hinsicht immer wieder dieselbe Frage aufwerfen: Folgt die journalistische Praxis tatsächlich diesen Anleitungen? Die Journalismusethik versucht mit dieser Frage den Kern des Dilemmas zwischen Norm und Wirklichkeit zu beleuchten, ohne jedoch systematisch theoretisch zu erklären, warum es zu diesem Dilemma kommt. Dies liegt unter anderem daran, dass sie die Überlagerung von verschiedenen, teilweise widersprüchlichen Maximen, was auch als »Matruschka-Syndrom« (Haller 1992: 208) bezeichnet wurde, als problematisch betrachtet. So haben Rühl und Saxer darauf verwiesen, dass die Überlagerung der verschiedenen Maximen von Individualethik, Professionsethik und Institutionsethik mit ihren widersprüchlichen Anforderungen und Zwängen nicht lösbar scheint (vgl. Rühl/Saxer 1981). Um dennoch allgemeingültige Kriterien für ›gutes‹ journalistisches Handeln zu formulieren, das in einem Werte-Pluralismus breiten Zuspruch findet, müssten die Kriterien so umfassend und abstrakt formuliert werden, dass sie große Unschärfen zur Folge hätten und eine Unterscheidung kaum noch zuließen (vgl. Leschke 2003: 57f.). Was für die Journalismusethik ein theoretisch-konzeptionelles ›Problem‹ darstellt, ist für die Frage nach der Wandelfähigkeit des journalistischen Feldes jedoch geradezu notwendige Voraussetzung. Denn nur die Existenz widerstreitender Normen ermöglicht nicht-uniformes Handeln und somit erst einen potentiellen Wandel. Dennoch kann die Journalismusethik gewinnbringend für die Untersuchung von Wandel im Journalismus in Stellung gebracht werden. Dafür muss sie jedoch einen normativen Pluralismus akzeptieren und damit verbunden eine Kontextualisierung der an den Journalismus gerichteten Normen vornehmen. Leschke verweist auf dieses Potential, indem er aufzeigt, dass Wandel häufig Anlass für medienethische Debatten und somit auch für Auseinandersetzungen über die Normen des Journalismus ist. Wandel oder Umbrüche im Mediensystem würden typischerweise zwei Reaktionen hervorrufen: die der Apokalyptiker und die der Integrierten. Während die ersten im Wandel den Verfall eines ethischen Journalismus sehen, integrieren die zweiten die mit dem Wandel einhergehenden veränderten Normen. Diese Reaktionen verweisen auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen der Akteure,

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die sich an solchen Debatten beteiligen. Die Debatten haben somit nicht nur eine Reflexionsfunktion, die »irritieren« und »orientieren« soll (Debatin/Funiok 2003: 10), sie bilden immer auch gesellschaftliche Gewichtungen und Kräfteverhältnisse ab (vgl. Leschke 2003: 52ff.). Akzeptiert man diese Erkenntnis, so lässt sich auch die Steuerungsfunktion, die zweite der Hauptfunktionen von Journalismusethik, theoretisch besser fassen. Öffentliche Debatten und Journalismuskritik sind dabei ebenso Mittel einer Steuerung des Journalismus über Normen wie (ethische) Journalistenausbildung, Grundsätze organisationellen Handelns (z.B. redaktionelle Ethikkodizes) oder die normativ-orientierte Wissenschaft zum Journalismus selbst. Sie können folglich als probate Indikatoren dafür dienen, wer, mit welchem Ziel, den Journalismus wie verändern will. Auf diese Konzeption verweisen auch empirische Untersuchungen wie etwa die zu Ethikkodizes. Hafez macht auf diesen Umstand aufmerksam, wenn er die scheinbar kollektivistischen Aspekte islamischer Kodizes (z.B. besondere Verantwortung gegenüber der Nation) eher auf die hinter der Kodifizierung liegenden Machtstrukturen zurückführt als auf eine kulturelle Besonderheit der Konsensorientierung (vgl. Hafez 2003: 61). Besonders für autoritär regierte Staaten haben auch andere Kommunikationswissenschaftler eingefordert, den Kontext der Formulierung von journalistischen Normen stärker zu beachten (vgl. Kunczik 1999: 146ff.; Nordenstreng 1998: 128ff.). Indirekt spricht Bertrand diese Notwendigkeit auch für Demokratien an, indem er zwischen den verschiedenen Akteuren unterscheidet, die journalistische Ethikkodizes formulieren (vgl. Bertrand 2000: 41ff.). Die Journalismusethik lehrt uns folglich, dass Normen als Instrumente genutzt werden können, um den Journalismus gezielt in eine Richtung zu beeinflussen – sei es in Form einer Veränderung oder dessen Bewahrung. Diese Erkenntnis korrespondiert mit den Beobachtungen der Autoritarismusforschung, nach der besonders liberalisierte autoritäre Regime wie in Jordanien zu einem »Regieren mit Gesetzen« neigen, um für sie kontrollierbare Veränderungen einzuleiten und notfalls wieder zurückzunehmen (vgl. Valbjørn 2010, Brumberg 2003: 8). Die Beschreibungen zu Jordanien in der Einleitungen haben bereits darauf verwiesen, dass diese Regime-Strategie für den Mediensektor eingesetzt wird. Auch die negative Assoziation innerhalb der Journalistenschaft von ›Ethikdebatten‹, die häufig von autoritären Regimen angestoßen werden, um ihrem Unmut über zu kritische Berichterstattung Ausdruck zu verleihen, zeugt von der Instrumentalisierung journalistischer Normen aufseiten des Regimes (vgl. Ferjani 2011: 182; Hafez 2008a: 148). Zugleich verweist die strategische Nutzung von Normen zur Beeinflussung des Journalismus auf Erkenntnisse aus der Journalismusforschung zu Medienselbstregulierung oder zur Qualitätssicherung. Denn auch hier wird versucht, über eine strategische Veränderung präskriptiver Regeln (z.B. Einführung von Qualitätskriterien, Ethikkodizes etc.) verschiedene Ziele wie etwa eine Qualitäts- oder Autonomiesicherung zu erreichen. Die ›Nutzung‹ von Normen als Steuerungsinstrument in die-

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ser Forschungsrichtung geht jedoch eher von Akteure aus dem Feld, wie Journalistenorganisationen oder Medienunternehmen aus. Wir müssen also davon ausgehen, dass verschiedene Akteure innerhalb und außerhalb des journalistischen Feldes versuchen, den Journalismus in ihrem Sinne zu beeinflussen. Wer diese Akteure sind und wie diese Beeinflussungsversuche aussehen können, muss näher betrachtet werden. Für die Frage nach einem Wandel des Journalismus in autoritären Regimen stellt sich also die Frage, welche Versuche der Beeinflussung des normativen Referenzrahmens untersucht werden sollen. Dabei ist es hilfreich, zunächst einmal eine Systematisierung zu schaffen, die es erlaubt zu erkennen, von wo Einflüsse auf den normativen Referenzrahmen erfolgen können und welche Instrumente schließlich als Beeinflussungsversuche angesehen werden können. Eine Verortung von Versuchen, den Journalismus über den normativen Referenzrahmen zu beeinflussen, lässt sich mithilfe des Models von Shoemaker und Reese (1996) erreichen. Als Eigenschaften von Normen hatte ich oben die Existenz von Erwartungen, von Sanktionen und Erwartungserwartungen genannt. Während die Existenz von Erwartungserwartungen auf der Seite der journalistischen Akteure zu verankern ist, können Erwartungen und Sanktionen auch von außerhalb der Akteure stammen. Dabei lassen sich in Anlehnung an das Modell von Shoemaker und Reese (1996) verschiedene Ebenen ausmachen, denen generell ein Einfluss auf die journalistische Praxis der Informationsproduktion unterstellt wird und von denen dementsprechend eigene Erwartungen ausgehen. Auf der Ebene der individuellen Einflüsse verorten Shoemaker und Reese Normen, die sich aus persönlichen Einstellungen, Meinungen und Werten ergeben (vgl. Shoemaker/Reese 1996: 63ff.). Die Ebene der Profession (oder der Routinen) umfasst Normen, die sich aus der Zugehörigkeit zu einer Gruppe von professionals ergeben und die den meisten Medienorganisationen in einem Feld zu Eigen sind (vgl. Shoemaker/Reese 1996: 106f.). Als solche lassen sich etwa Normen zur Auswahl von Nachrichten (Nachrichtenfaktoren) oder Normen zum Konzept der Objektivität nennen. Eine Form explizierter Normen auf dieser Ebene stellen professionelle Ethikkodizes dar, die Erwartungen an ein professionelles Verhalten von Journalisten formulieren, sich an Akteure aus verschiedenen Medienorganisationen richten und häufig durch Journalistenverbände definiert werden. Eine dritte Ebene, von der aus Erwartungen an die journalistische Praxis gerichtet werden und die Shoemaker und Reese als sehr einflussreich neben der Professionsebene betrachten, ist die Organisationsebene. Diese unterscheide sich von der Professionsebene vor allem darin, dass innerhalb eines journalistischen Feldes Unterschiede hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse von Medien bestehen, durch die sich unterschiedliche Organisationsziele und -politiken ergeben. Normen, die von der Organisationsebene ausgehen, stehen für Shoemaker und Reese vor allem unter einer primär ökonomischen Logik. Die Norm, Profit zu machen, stehe über den meisten anderen Normen einer Organisation (vgl. Shoema-

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ker/Reese 1996: 145). An dieser Sichtweise zeigt sich deutlich, dass die Autoren vor allem den US-amerikanischen Journalismus im Blick haben, denn sowohl öffentlich-rechtliche als auch staatliche Medienorganisationen – insbesondere in autoritären Regimen – verweisen oft auf starke politische oder ideologische Erwartungen. Auf der Organisationsebene gibt es zahlreiche Formen explizierter Normen, etwa Redaktionsstandards, redaktionelle Kodizes, schriftlich fixierte Redaktionsleitbilder (mission statements) oder Stilfibeln (style books). Eine vierte Ebene sehen Shoemaker und Reese in extramedialen Einflüssen, die Erwartungen von Akteuren aus verschiedenen Bereichen, die nicht direkt zur Profession oder Medienorganisationen gehören, beinhalten können, z.B. vonseiten des Publikums, der Anzeigenkunden, Öffentlichkeitsarbeitern, Regierungen, Politikern, Lobbygruppen, aber auch journalistischen Quellen (vgl. Shoemaker/Reese 1996: 175ff.). Normen, die die diese Ebene repräsentieren, sind entsprechend der Unterschiede bei den erwartenden Akteuren sehr facettenreich und reichen von unausgesprochenen Publikumswünschen bis zu kodifizierten Gesetzen. Je nach gesellschaftlichem Kontext können sich die Einflüsse innerhalb dieser Ebene in ihrer Wirksamkeit unterscheiden. Für autoritär regierte Länder muss somit ein deutlich höherer Einfluss von Regierungen und Politikern angenommen werden als etwa in liberal-demokratischen, wo ökonomische Einflüsse möglicherweise eine größere Rolle spielen. Schließlich verweisen Shoemaker und Reese auf eine fünfte Ebene, die sie als ideologische betrachten. Hinter ihr verbergen sich Normen, die über spezifische Akteursgruppen und nationale Grenzen hinausgehen. Aus diesem Grund bezeichnen verschiedene Wissenschaftler sie auch als »transnationale Ebene« (Fengler et al. 2014; Hanitzsch et al. 2010). Mit Blick auf explizite Normen ließen sich hier etwa journalistische Kodizes von regionalen oder internationalen (Journalisten-)Organisationen, transnationale Regulierungsabkommen ebenso wie implizite Normen, die aus verschiedenen Journalismuskonzepten wie etwa einem development journalism, aber auch aus politischen Ideologien (z.B. Panarabismus), nennen. Den fünf Ebenen lassen sich nicht nur die Akteure zuordnen, die Erwartungen an den Journalismus implizit oder explizit setzen, sondern auch diejenigen, die ihre Einhaltung beobachten und – im Falle einer Nicht-Berücksichtigung durch die Akteure im journalistischen Feld – ihre Sanktionierung veranlassen. In der Kommunikationswissenschaft lassen sich verschiedene Forschungsstränge ausmachen, die Formen der Beobachtung und Sanktionierung im Journalismus untersuchen. Während die Forschung zur Medienselbstregulierung lediglich auf die drei Ebenen Individuum, Profession und Organisation blickt, bezieht die Forschung zur media accountability die Öffentlichkeit als extramediale Ebene ein. Dort lassen sich dann Akteure wie Medien-NROs, das Publikum, einzelne Blogger oder Gruppen auf sozialen Netzwerken einbeziehen (vgl. Fengler et al. 2014: 20). Die Forschung zu Medienregulierung und media governance betrachtet vor allem die Einflüsse, die

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von staatlichen und vom Staat beauftragten Akteuren (Co-Regulierung) zur Einhaltung von Normen ausgehen, d.h. also von einer extramedialen Ebene. Das Einflussebenen-Modell von Shoemaker und Reese unterstreicht noch einmal, was ich oben bereits erwähnt habe: Der normative Referenzrahmen journalistischer Akteure in einem Feld weist angesichts der unterschiedlichen Akteure, die Erwartungen an den Journalismus hegen, eine hohe Diversität auf. Zugleich lassen sich mithilfe des Modells auch die verschiedenen Akteure, die bei der Beobachtung und Sanktionierung von Normen beteiligt sind, strukturieren. Die Einbeziehung der beteiligten Akteure ist wichtig, um die hinter den Erwartungen liegenden Machtstrukturen besser erkennen zu können. Die Betrachtung des normativen Referenzrahmens von verschiedenen Ebenen aus, öffnet zudem den Blick für gezielte Versuche, den Journalismus von innen und von außen zu verändern. Die Frage jedoch, ob diese Versuche Erfolg versprechend sind oder nicht, lässt sich allein im journalistischen Feld selbst beantworten. Allerdings muss berücksichtig werden, dass in autoritär regierten Ländern dem Staat, bzw. dem Regime eine höhere Einflussmöglichkeit zuzusprechen ist als in demokratischen. Dies drückt sich etwa in unterschiedlichen Mechanismen aus, Journalisten und journalistische Organisationen für Ihr Tun zur Rechenschaft zu ziehen, aber auch in vielfältigen, direkten und indirekten Beziehungen zwischen dem Regime und dem journalistischen Feld. Im Fokus stehen hier in der Literatur häufig direkte (de-liberalisierende) Eingriffe wie Verhaftungen, Drohungen, Zensurmaßnahmen etc., die sich in einer schlechten Bewertung des Pressefreiheitsstatus von Reporter ohne Grenzen oder Freedom House ausdrücken.5 Die Resonanz, die diese enge Beziehung im Feld erzeugt, wird meist in zwei unterschiedlichen Szenarien dargestellt: Das eine rekurriert auf die Ergebnisse von Journalistenbefragungen, die zeigen, dass Akteure im Feld solch staatliche Eingriffe ablehnen und anprangern (vgl. CDJF 2011, 2010, 2009, 2008a, 2007, 2006a, 2005). Diese Ergebnisse suggerieren, dass eine scheinbar unüberwindbare Diskrepanz zwischen der staatlichen Repression und dem Freiheitswillen der Akteure existiert. Das andere Szenario basiert im Wesentlichen auf strukturellen Analysen, die zu dem Schluss kommen, dass Journalisten in arabischen Gesellschaften meist vom Regime instrumentalisiert, zumindest aber loyal ihm gegenüber stehen (vgl. z.B. Rugh 2004, Amin 2003). Eine solche Sicht geht von einem impliziten Einverständnis der Akteure mit ihrer gesellschaftlichen (dem Regime dienenden) Rolle aus. Beide Szenarien verstellen jedoch den Blick dafür, dass autoritäre Regime keine einheitlichen Akteure sind, sondern ebenso wie der Journalismus von komplexen, internen Beziehungen bestimmt werden (vgl. Hallin/Mancini 2012: 298f.). Einen

5

Vgl. die Pressefreiheitsrankings von Reporter ohne Grenzen auf deren Website http://en.rsf.org/press-freedom-index [20.4.2015] und von Freedom House auf deren Website http://www.freedomhouse.org/report-types/freedom-press vom 20.4.2015.

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totalen Antagonismus zwischen Regime und Journalismus anzunehmen, ist deshalb ebenso wenig weiterführend wie die Annahme einer absoluten Übereinstimmung. Für die Frage, wie sich Journalismus in einer Autokratie wandeln kann, obwohl er engmaschig durch das Regime kontrolliert wird, bedarf deshalb eines detaillierten Vergleichs von divergierenden und übereinstimmenden Erwartungen innerhalb des Regimes, innerhalb des journalistischen Feldes und zwischen beiden. Aus diesem Grund bietet sich ein Vergleich zwischen Normen, die von Akteuren auf der professionellen, organisationellen und extra-medialen Ebene an den Journalismus herangetragen werden, an. Weiter oben hatte ich bereits gesagt, dass präskriptive Regeln in explizite und implizite Regeln unterschieden werden können. Explizite Normen zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Gegensatz zu impliziten Normen leichter zum Objekt »zielgerichteter Transformationen« werden können (Reckwitz 1997: 126). Sollen implizite Normen modifiziert werden, müssen sie zunächst versprachlicht werden. Regime tendieren also zur Einflussnahme über explizite Normen wie Gesetze, weil es für sie ein einfacher, schneller und möglicherweise sogar der einzige Weg ist, die Spielregeln in einem Feld gezielt und kontrolliert zu verändern. Dabei machen sich Regime die relativ hohe Durchsetzungsmacht kodifizierter Normen zunutze. Die Kodifizierung von Normen, wie sie in Gesetzen vorkommt, sieht Bourdieu nämlich in enger Verbindung zur »Disziplinierung und Normierung« (Bourdieu 1992a: 103), da sie eine besondere Legitimität qua impliziter oder expliziter Übereinstimmung suggeriert: Gesetze erweckten in besonderer Weise den »Anschein der Universalität, der Vernunft oder der Moral« (Bourdieu 1992a: 109). Die Kodifizierung trägt demnach zur größeren Verpflichtung auf die favorisierten Spielregeln bei: »Wie jede Rationalisierung – erspart [sie einem], sich Neues ausdenken, improvisieren, schöpferisch tätig sein zu müssen. Formales Recht sichert Berechenbarkeit und Vorhersehbarkeit (um den Preis der Abstraktionen und Vereinfachungen, die bewirken, daß unter formalen Gesichtspunkten mit den formalen Rechtsregeln vollkommen übereinstimmende Urteile in absolutem Widerspruch zu den Wertungen des Billigkeitsempfindens stehen kann: summum jus summa injuria).« (Bourdieu 1992a: 108)

Eine Kodifizierung von Normen für den Journalismus erfolgt aber nicht nur auf der extramedialen Ebene, sondern, wie oben bereits angedeutet, auch auf anderen Ebenen wie die der Profession und der Organisation. Das Ziel solcher Kodifizierungen kann ebenfalls eine gezielte Transformation, aber auch eine gezielte Zementierung des Status Quo sein, denn auch für explizite Normen auf anderen Ebenen gilt, dass die Kodifizierung das »Moment an Mehrdeutigkeit und Unschärfe besonders in Interaktionen« (Bourdieu 1992a: 104) mindern und gleichzeitig Homogenität innerhalb des Feldes oder einer Organisation schaffen soll. Für Demokratien wird deshalb argumentiert, dass Ethikkodizes als Teil eines Selbstregulierungs- oder ac-

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countability-Systems (Bertrand 2000) dazu beitragen können, dem Feld eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber dem Staat zu gewähren, zur Professionalisierung oder zur Eindämmung missliebiger Entwicklungen innerhalb des eigenen Berufsstandes beitragen zu können (vgl. Bertrand 2000: 42; Nordenstreng 1998: 128f.). Die Kodifizierung von professionellen Regeln durch Akteure des Feldes kann deshalb ebenfalls als ein auf die Veränderung der Spielregeln des journalistischen Feldes abzielender Transformationsversuch definiert werden. Dabei müssen Strategien als bewusste und damit zielgerichtete Versuche zur Veränderung des Journalismus betrachtet werden. Für die Frage danach, ob journalistische Akteure lediglich Erfüllungsgehilfen des Regimes oder tatsächlich an einem Wandel interessiert sind, bietet sich ein Vergleich zwischen gezielten Veränderungsstrategien aus dem Feld und vonseiten des Regimes an. Dazu bedarf es eines differenzierten Vergleichs zwischen den tatsächlichen Veränderungen im normativen Referenzrahmen und den dahinter stehenden Wandelinteressen, gewissermaßen dem Kontext des normativen Referenzrahmens. Gehen wir also von dem oben genannten Aktualisierungsprozess von Normen aus, dann stehen die Akteure und Instrumente der Normensetzung, Beobachtung und Sanktionierung im Vordergrund einer Analyse. Erst eine solche Kontextualisierung der Normen, die den normativen Referenzrahmens des Journalismus bilden, lässt verlässliche Aussagen darüber zu, von wo Wandel im normativen Referenzrahmen ausgehen kann (Analysedimension 1: Normenkontext). Aussagen darüber, welche Veränderungen im normativen Referenzrahmen tatsächlich einen Wandel darstellen und somit ein Aktualisierungspotential auf Wandel im Journalismus bieten, kann dieser Normenkontext jedoch nicht machen. Aus diesem Grund möchte ich im Folgenden darauf eingehen, welche theoretischen Konstellationen einen Wandel im normativen Referenzrahmen indizieren können. Konkret stellt sich dabei die Frage: Welche Folgen können die oben erwähnten gezielten Transformationsversuche für die Ausgestaltung des normativen Referenzrahmens haben?

2. F OLGEN GEZIELTER V ERÄNDERUNGEN Zur Beantwortung dieser Frage muss ich noch einmal zurückgehen zum Verhältnis zwischen Normen und Akteuren. Normen hatte ich als externe Erwartungen beschrieben, die einer Akzeptanz und Aktualisierung durch die Akteure bedürfen. Die Forderung nach Erfüllung einer Norm geht folglich immer mit einem, mal mehr, mal weniger großen Maß an Unsicherheit über die tatsächlich zu erwartende Umsetzung einher. Diese Unsicherheit erhöht sich durch den Umstand, dass der normative Referenzrahmen der Akteure aus einem vielfältigen Pool von Erwartungen (implizite und explizite) besteht, die sich durchaus widersprechen können. Dieser

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Widerspruch kann eine neue Dynamik dadurch entwickeln, dass eine Pluralisierung derjenigen Akteure inner- und außerhalb des Feldes stattfindet, die Erwartungen an den Journalismus hegen. Führen nun Transformationsversuche zu einer Diversifizierung des normativen Referenzrahmens, so vergrößern sich die Optionen der Akteure für ein sinnvolles und durch Normen legitimiertes Handeln. Für die Machtbeziehungen innerhalb eines Feldes kann diese Erweiterung von Möglichkeiten Konsequenzen haben, denn die Frage danach, wer welche Erwartungen hegt und aktualisiert, gewinnt an Bedeutung. Für die Frage nach einer Wandeldynamik im journalistischen Feld eines autoritären Regimes wie in Jordanien ist es deshalb wichtig, zunächst einmal eingehend zu beschreiben, wie sich der normative Referenzrahmen in Bezug auf die für das Feld relevanten Praktiken darstellt und welche Veränderungen er durch die Transformationsversuche der letzten Jahre erfahren hat. Woodman (1999: 16ff.) verweist auf drei Beziehungsmodi, in die ein Normenträger (body of law) in einer spezifischen Situation eintreten kann. Auch wenn Woodman diese Modi nicht explizit auf eine Veränderung des normativen Referenzrahmens bezieht, scheint es doch vielversprechend, diese drei Beziehungsmodi zur Nachzeichnung der Entwicklung von gesetzlichen und professionellen Normen heranzuziehen. In Anlehnung an Woodman (s. Abbildung 1) kann der normative Referenzrahmen für eine Situation ausgeweitet (agglomeration) werden, ohne dass dabei Inkonsistenzen hinsichtlich der Erwartungen entstehen würden. Die Einführung eines Gesetzes zum Recht auf Informationszugang hat etwa in einigen Ländern neue Erwartungen geschaffen, ohne dabei in Konkurrenz oder Widerspruch zu existierenden Normen zu stehen. Konkurrenz und Widerspruch zeigen sich hingegen in einer Beziehung des Konflikts (conflict), die für Akteure zur Folge hat, dass sie bei Erwartungserfüllung der einen Norm, der anderen widersprechen. Eine solche Situation ist beispielsweise denkbar, wenn ein professioneller Ethikkodex die absolute Geheimhaltung von Quellen fordert, das Gesetz hingegen in bestimmten Situationen eine solche aufgrund nationaler Interessen nicht duldet. Eine Integration (integration) schließlich bezieht sich auf unterschiedliche Erwartungen, die aber nicht miteinander kollidieren, sondern sich gegenseitig anerkennen. Eine Integration hat beispielsweise im jordanischen Journalismus für die Praxis der Autorenangabe bei Artikeln stattgefunden. Das bestehende Presse- und Publikationsgesetz forderte von Journalisten eine Autorenangabe, um die Haftbarkeit für Inhalte zu gewährleisten. Die Angabe der Autorenschaft wird vom Urheberrechtsgesetz nicht gefordert, stellt aber auch keine widersprüchliche Forderung an die Akteure. Im Gegenteil, die Akzeptanz der einen Norm ermöglicht gleichzeitig die Garantie der Urheberschaft auf einen Beitrag.

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Abbildung 1: Potentielle Folgen für den normativen Referenzrahmen

Quelle: Eigene Darstellung

Für die Frage nach einem Wandel des normativen Referenzrahmens sind besonders konflikthafte und erweiternde Relationen von Interesse, da sich hieran Potentiale für neue bzw. konfligierende Praktiken ablesen lassen. Um die Entwicklung des normativen Referenzrahmens auf Veränderungen hin zu prüfen, bedarf es eines Vergleichs zwischen ›alten‹ und ›neuen‹ Normen. Dabei müssen die Normen als alt gelten, die bereits vor dem Eintritt in den vom Regime ausgehenden, kontrollierten Transformationsprozess von 1989 existierten (vor 1989). ›Neue‹ Normen hingegen sind Normen, die in den Jahren nach der Öffnung durch König Hussein und nach der Machtübernahme von König Abdallah II. 1999 hinzugekommen sind (nach 1989). Soll ein solcher Vergleich darüber hinaus Erkenntnisse bringen, von wo tatsächlich Veränderungen ausgehen, so bedarf es einer kontextuellen Betrachtung der Normen tragenden Texte. Von welchen Texten und damit verbundenen Akteuren gehen Veränderungs- bzw. Beharrungstendenzen aus?

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Ein Vergleich sollte deshalb entlang dreier Fragen verlaufen: • Welche Transformationsversuche weiten durch neu hinzutretende Normen den

normativen Referenzrahmen aus und in welche Richtung? • Welche Transformationsversuche fordern durch neu hinzutretende Normen den

bestehenden normativen Referenzrahmen mit widersprüchlichen und konfligierenden Normen heraus? • Welche Transformationsversuche bestärken durch neu hinzutretende Normen den bestehenden normativen Referenzrahmen und stärken dadurch eher beharrende Tendenzen? Eine vollständige Untersuchung des normativen Referenzrahmens im Journalismus Jordaniens ist im Rahmen dieser Arbeit nicht zu leisten. Die Fragestellung der Arbeit macht dies auch nicht nötig, denn mit den zielgerichteten Transformationsversuchen vonseiten des Regimes und aus dem Journalismus heraus habe ich bereits zwei Vergleichsdimensionen gefunden, die verschiedene Akteursgruppen berücksichtigen, von denen Tendenzen des Wandels im Journalismus ausgehen können. Welche Normen nun aber genau untersucht werden sollen, steht noch zur Klärung offen. Angesichts der Forderung aus der Einleitung, eine offene Untersuchung des Wandels im journalistischen Feld durchzuführen, stellt sich die Frage, welche Strukturierungsdimensionen für einen Vergleich herangezogen werden können. Eine solche Strukturierung ist notwendig, um überhaupt Aussagen darüber treffen zu können, wo ein Wandel hinführt, d.h. welche Unterschiede zwischen dem Vorher und Nachher bestehen. Die Forschung zum politischen Wandel in der arabischen Welt, die zugleich auf den Bereich der Liberalisierung der Medien eingeht, konzentriert sich auf die Frage nach Freiheiten für den Journalismus, auf Presse- und Meinungsfreiheit (vgl. z.B. Schlumberger 2008), die – durchaus zurecht – als konstitutiv für eine Demokratisierung angesehen werden. Die Konzentration auf Aspekte wie »Inhaftierung«, »Schließung von Medienorganisationen« (Schlumberger 2008: 148) verstellt indes den Blick auf journalistische Praktiken, die auf andere Weise Möglichkeiten des Wandels bieten können, z.B. durch Eröffnung neuer Informationskanäle durch veränderte Regeln der Recherche. Anstatt vom Demokratisierungskontext her zu argumentieren und Strukturierungskategorien zu entwickeln, die genau diese Demokratisierung als Ziel haben, möchte ich hier Abstand nehmen und zunächst einmal davon ausgehen, dass der jordanische Journalismus wie überall auf der Welt drei Grundnormen bedient, die die Erfüllung der feldspezifischen illusio ermöglichen: die Forderung nach Wahrheit, das Bedürfnis nach Verantwortung und das Verlangen nach Freiheit (Cooper 1989: 21). Cooper bezeichnet sie als »übergreifende Normen« (1989: 20, Übersetzung J.P.), Christians spricht von »Proto-Normen«, zu denen er analog zu Cooper »ein Wahrheitsbekenntnis, Verantwortungsbewusstsein

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und die freie Meinungsäußerung« zählt (Christians 1997: 19, Übersetzung J.P.). Cooper räumt allerdings ein, dass diese übergreifenden Normen im jeweiligen nationalen Kontext sehr unterschiedlich mit Leben gefüllt werden können (1989: 21f.). Konzepte wie Präzision und Ausgewogenheit können völlig unterschiedliche Konsequenzen für die journalistische Praxis haben, fallen aber dennoch unter eine Protonorm »Wahrheit«. Ich kann präzise meine Meinung vertreten, ohne dabei im Geringsten ausgewogen zu sein. Aus diesem Grund ist es notwendig, die Protonormen auf die primären journalistischen Praktiken zu beziehen, die in Anlehnung an Altmeppens journalistische Arbeitsprogramme als das Redigieren, Moderieren, Recherchieren, Schreiben und Produzieren identifiziert werden können (vgl. Altmeppen 2004: 425f., 1999: 41ff.). Für die vorliegende Untersuchung ist es deshalb hilfreich, zunächst von drei offenen Kategorien, den »Protonormen«, auszugehen, die im Verlaufe der empirischen Untersuchung dann spezifiziert werden. Sie sollen als Strukturierungsdimension für Normen dienen, die die wichtigsten journalistischen Praktiken anleiten. Einen Überblick, wie groß die Spannweite dieser Strukturierungsdimensionen sein kann, soll anhand aktueller Diskussion um Normen im Journalismus im Kapitel »Protonormen als Strukturierungsdimension« aufgezeigt werden.

3. P OSITIONIERUNG

GEGENÜBER DEM NORMATIVEN R EFERENZRAHMEN

Weiter oben habe ich bereits erwähnt, dass die Untersuchung von Wandel über die alleinige Betrachtung des normativen Referenzrahmens hinausgehen muss. Als eine weitere Perspektive habe ich dabei die Positionierung der Akteure gegenüber diesem Referenzrahmen genannt. Ohne die Akzeptanz und Aktualisierung bestimmter Erwartungen durch die Akteure ist jede Änderung präskriptiver Regeln ohne Relevanz für die Konstitution des Feldes. Zugleich stellt der normative Referenzrahmen jene Struktur dar, auf den die Akteure rekurrieren und ihren Handlungen Sinn verleihen können. Deshalb soll im Folgenden ein theoretisches Gerüst dargestellt werden, das die Wechselwirkungen zwischen normativem Referenzrahmen und der Praxis der Akteure aufzeigen kann. Es berührt eine der zentralen Fragen der Sozialwissenschaften nach dem Zusammenhang von Struktur und Handeln, die Bourdieu mit seinem Konzept des Habitus zu beantworten versucht. Für Bourdieu ist der Habitus ein Praxis-generierendes Prinzip, das zugleich ein Produkt vorhergehender Praktiken ist. Beim Habitus handelt es sich um ein »System von Dispositionen […], das heißt von Virtualitäten und Potentialitäten«, das sich erst im Verhältnis zu bestimmten Situationen manifestiert (Bourdieu/Wacquant 2006: 168). Der Begriff der Dispositionen verweist darauf, dass der Habitus nicht

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nur eine Praxis-generierende Rolle spielt, sondern auch Produkt spezifischer gesellschaftlicher Strukturen ist. Der Habitus repräsentiert die sozialen Strukturen in den individuellen Lebensgeschichten der Akteure, weshalb Bourdieu darauf verweist, dass »die soziale Realität sozusagen zweimal [existiert], in den Sachen und in den Köpfen, in den Feldern und in den Habitus, innerhalb und außerhalb der Akteure« (Bourdieu/Wacquant 2006: 161). Die Konstruktion des Habitus ermöglicht es, in der Untersuchung von Akteurshandeln zugleich auch Strukturen zu betrachten, denn die Akteure sind »nichts anderes als Verkörperungen, Personifizierungen von Strukturen« (Krais/Gebauer 2010: 57). Zugleich verweist Bourdieu mit dem Bezug zur Situativität von Handeln darauf, dass der Habitus kein starres, immer gleiche Handlungen hervorbringendes Konstrukt ist. Er verweist vielmehr auf tief im Gedächtnis der Akteure verankerte Wahrnehmungs- Denk und Handlungsmuster, die zur selben Frage in unterschiedlichen Situationen zu unterschiedlichen Antworten führen können. Eine Untersuchung der Habitus von Akteuren kann folglich Aussagen dazu machen, welche Rolle welche Teile des normativen Referenzrahmen für die journalistischer Praxis spielen und ob womöglich über die gezielten Transformationsversuche hinausgehende Potentiale des Wandels existieren. Um den Habitus rekonstruieren zu können, bedarf es der Berücksichtigung beider Aspekte: dem Habitus als Praxis-generierendes Prinzip und dem Habitus als Produkt der gesellschaftlichen Strukturen. Als Praxis-generierendes Prinzip ist der Habitus ein Generator für das Handeln, Denken, Wahrnehmen, Urteilen und Bewerten. Er stellt tief in den Akteuren verankerte Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmustern dar, die eine intuitive Entscheidung in einer bestimmten Situation als »legitim« oder »vernünftig« erscheinen lassen.6 Diese Muster konstituieren den Habitus, der nicht strukturiert, was gedacht und wahrgenommen wird, sondern wie etwas gedacht, wahrgenommen oder im praktischen Handeln umgesetzt wird (Raabe 2005a: 184). Ob ich eine gewalttätige Szene im Fernsehen abstoßend finde und deshalb das Fernsehprogramm wechsele oder nicht, ist ein Produkt meines Habitus. Die Habitus von Akteuren lassen sich deshalb an ihren Handlungen erkennen und rekonstruieren (vgl. Krais/Gebauer 2010: 26). Wie Akteure auf den normativen Referenzrahmen rekurrieren und ihn bewerten, d.h. welche Normen, welche Änderungen sie akzeptieren und welche nicht, kann als Folge einer Aktualisierung eines bestimmten Habitus verstanden werden. Die Bewertung journalistischer Praktiken oder die Prioritätensetzung innerhalb des normativen Referenzrahmens durch die Akteure ist also Ausdruck eines bestimmten Habitus. Die systematische Erfassung solcher Rekurs- und Bewertungsmuster muss folglich Teil einer Rekonstruktion kognitiv-evaluativer Regeln,

6

Bourdieu spricht auch von der »praktischen Vernunft« oder dem »praktischen Sinn« (vgl. Wacquant 2006: 42).

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d.h. des Habitus sein. Sie kann Aussagen darüber machen, welche Sichtweise ein Akteur auf die verschiedenen Normen des Referenzrahmens hat. Während der Rekurs und die Bewertung von Normen, d.h. die Positionierung gegenüber dem normativen Referenzrahmen, erste Aussagen über eine Wandelbereitschaft machen können, sagen sie noch nichts darüber aus, ob diese Bereitschaft tatsächlich ein Wandelpotential darstellt. Denn nicht jede Formulierung von Dissens hat auch tatsächlich Folgen für den Status Quo. Das in der politikwissenschaftlichen Forschung zur Demokratisierung von autoritären Regimen verwandte SKOG-Model verweist auf diesen Umstand, in dem es zwischen Konfliktbereitschaft und Konfliktpotential bzw. Machtressourcen von Akteuren unterscheidet (vgl. Schubert/Tetzlaff/Vennewald 1994). Es reicht deshalb nicht aus, den sogenannten »manifesten« oder »latenten« Wissensgehalt der Akteure zu betrachten, unter dem etwa Zustimmung oder Ablehnung einer bestimmten Norm subsumiert werden kann. Man muss auch wissen, wie diese Bewertung zustande kommt und von welcher Position im Feld sie herrührt. Im Bourdieu’schen Konzept des Habitus ist diese analytische Trennung mitgedacht. Denn die Sicht auf das Geschehen eines Feldes ergibt sich aus der Position, die ein Akteur im Feld einnimmt. Diese Position wiederum ist die Folge einer bestimmten Ressourcenkonstellation, die das Produkt gesellschaftlicher Strukturen darstellt. Wie oben dargestellt bewirkt die unterschiedliche Positionierung gegenüber dem normativen Referenzrahmen im Feld allein zunächst keine Veränderung. Erst wenn sich die Bedingungen im Feld verändern, die neuen oder bislang marginalisierten Positionierungen an Gewicht verleihen oder dominierenden an Macht nehmen, kann von einem Einfluss unterschiedlicher Positionierungen gesprochen werden. Dazu bedarf es einer näheren Betrachtung dessen, was ich in Anlehnung an das SKOG-Modell als Konflikt- bzw. Wandelfähigkeit bezeichnen möchte. Das theoretische Konzept des Habitus verweist hier auf die soziale Einbettung der Akteure. Aufgrund der sozialen Entstehung des Habitus vertritt Bourdieu die These, dass der Habitus von Akteuren mit ähnlichen Dispositionsmustern ähnliche Sichtweisen auf das Feld und seine Spielregeln hervorbringt. Solch ähnliche Dispositionsmuster ergeben sich aus gemeinsamen Erfahrungen in der Gesellschaft und im Feld.7 Sie können entlang gemeinsamer »Erfahrungsräume« oder Milieus wie einer gemeinsamen Ausbildung, einer gemeinsamen regionalen Herkunft, einer gemeinsamen Generation u.v.m. bestehen (vgl. Bohnsack 2011a: 43f.). Journalisten aus dem eher wohlhabenden Ammaner Westen teilen möglicherweise Sichtweisen auf die Regeln des journalistischen Feldes, die sich von denen unterscheiden, die Journalisten aus

7

In seinem Werkt »Die feinen Unterschiede« arbeitet Bourdieu diese Ähnlichkeiten minutiös heraus und stellt damit wesentlich die Weichen für die Substantiierung der Milieuforschung (vgl. Bourdieu 1982).

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dem ländlichen Südjordanien zeigen; solche mit einer Ausbildung im Ausland unterscheiden sich möglicherweise von solchen mit einer Ausbildung in Jordanien. In der personenbezogenen Journalismusforschung sind solche Erfahrungen in soziodemographischen Merkmalen erfasst worden. Hierzu zählen zum Beispiel Herkunft, Ausbildung, politische Zugehörigkeit etc. Zugleich ist der Habitus das Produkt einer spezifischen Position im Feld. Im journalistischen Feld lassen sich beispielsweise Unterschiede hinsichtlich der Hierarchie innerhalb einer Redaktion, Unterschiede hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse von Medienorganisationen oder des Mediensektors annehmen. Die Arbeit in einem privaten Radiosender erzeugt möglicherweise Habitus, die sich von denen in einem staatlichen Radiosender unterscheiden. Die Habitus von Chefredakteuren in einer Qualitätszeitung weisen vermutlich wenige Ähnlichkeiten mit Redakteuren im Boulevardblatt auf (vgl. Benson/Neveu 2005b: 4f.). In der Journalismusforschung wurden diese Aspekte vor allem unter die journalistischen Rollen oder Positionen subsumiert. Hierbei wird zwischen Rollen unterschieden, die sich vertikal hinsichtlich des Mediums und horizontal hinsichtlich der innerbetrieblichen Hierarchie unterscheiden (vgl. Weischenberg 2002: 423f.; Altmeppen 1999: 45f.). Um den Habitus zu rekonstruieren, bedarf es deshalb der Berücksichtigung der Erfahrungsräume der Akteure. Für die Aktualisierung der Habitus im journalistischen Feld sind besonders die Erfahrungsräume, die in Zusammenhang mit den Positionen im Feld stehen, von Bedeutung. Denn Erfahrungen dienen der Aneignung spezifischer Ressourcen, die in einem Feld mehr oder weniger gewinnbringend eingesetzt, gemehrt und transformiert werden können. Dabei sind diese Ressourcen – Bourdieu spricht von Kapital – nicht nur im Sinne ökonomischer Ressourcen gemeint, sondern können in verschiedenen Formen vorliegen: Kulturelles, ökonomisches und soziales Kapital sind dabei die am häufigsten zitierten.8 Generell versteht Bourdieu unter ökonomischem Kapital alle monetären und materiellen Güter wie Vermögen, Einkommen, aber auch Besitztümer (vgl. Bourdieu 1992b). Das kulturelle Kapital ist schwieriger zu bestimmen und taucht im Bourdieu‘schen Verständnis in drei Zuständen auf: Das inkorporierte kulturelle Kapital sieht er als »dauerhafte Dispositionen des Körpers« (Bourdieu 2001: 112), die unübertragbar an die eigene Person gebunden ist. Den objektivierten Zustand erlangt das kulturelle Kapital in Form von kulturellen Gütern, die im Gegensatz zum inkorporierten kulturellen Kapital übertragbar im Sinne des »juristischen Besitztums« sind (ebd.: 112). Zu dieser Kapitalform zählen etwa Bilder, Bücher, Instrumente, Maschinen etc. Schließlich wirkt das institutionalisierte kulturelle Kapital in Form von Titeln wie Schul- oder Ausbildungsabschlüssen. Soziales Kapital meint im Allgemeinen die sozialen Bindungen eines Akteurs, die er je nach Bedeutung für

8

Im Folgenden verwende ich Kapital und Ressourcen äquivalent, lehne mich in der Konzeption jedoch an das Bourdieu‘sche Kapital an.

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sich einbringen kann. Unterschiedliche Kapitalsorten und Kapitalkonstellationen können unterschiedliches Machtpotential verleihen, da ihre Bedeutung und ihr Tauschwert davon abhängen, in welchem Feld der Akteur gerade agiert. Besonders machtvoll für ein Feld – wenn nach Bourdieu auch nicht als eigene Kapitalsorte behandelt – ist das symbolische Kapital. Es stellt vielmehr die Form des Feldspezifischen Kapitals dar, das von den Akteuren im Feld als besonders erstrebenswert angesehen wird (Bourdieu/Wacquant 2006: 151). Es dient quasi als Verstärker anderer Kapitalsorten durch Anerkennung und Hervorhebung und kann Akteuren und Gruppen dauerhaft Anerkennung verbürgen (Schwingel 2000: 91f.).

4. F OLGEN DER P OSITIONIERUNG Zunächst einmal verändern unterschiedliche Positionierungen innerhalb des Feldes gegenüber dem normativen Referenzrahmen noch nicht zwingend Feldstrukturen. Sie sind lediglich Ausdruck der sowieso vorhandenen Dynamiken und Machtkämpfe innerhalb des Feldes. Verändert sich die Bedeutung bestimmter Ressourcenkonstellationen im Feld, so ist es möglich, dass sich auch die im Feld dominanten Regeln ändern. Akteure, die bislang eine eher dominierte Position im Feld einnahmen, können an Macht hinzugewinnen und ihre (zu diesem Zeitpunkt) Wandel-affine Sichtweisen auf das Feld erfolgversprechender in Stellung bringen. Akteure in bis dato dominanten Positionen hingegen, können durch eine erhöhte Wandelbereitschaft ihre Stellung im Feld zu wahren versuchen. Die in der Einleitung beschriebenen Entwicklungen in Jordanien lassen vermuten, dass es durch die Zunahme an Akteuren im Feld seit 1989 zu einer verstärkten Konkurrenzsituation gekommen ist. Nicht nur die Zahl an Journalisten ist seither deutlich gestiegen, sondern auch die Anzahl der Medienorganisationen. Die vom Regime initiierte Öffnung des Printsektors 1989 und die des Rundfunksektors 2003 haben möglicherweise zusammen mit den generellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen eine solche Veränderung der Ressourcenkonstellationen angestoßen. Ob diese eine Durchsetzung der gezielten Transformationsversuche begünstigt oder behindert haben, muss anhand des konkreten jordanischen Falls bestimmt werden. Dazu müssen Positionierungen gegenüber dem normativen Referenzrahmen innerhalb des Feldes rekonstruiert werden, die spezifische Ressourcenkonstellationen mit den Bewertungen von den Protonormen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung kombinieren. Die Ressourcenkonstellation kann dabei mithilfe einer Analyse der Feldbedingungen beschrieben werden, die im Kapitel »Analysedimension: Ressourcenkonstellation« näher erläutert werden wird. Die Erfassung von Bewertungen der Akteure hingegen muss auf empirische Methoden zurückgreifen. Aus der Zusammenführung der beiden analytischen Kategorien »Ressourcenkonstellation« und »Positionierung gegenüber dem

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normativen Referenzrahmen« lassen sich sodann verschiedene Idealtypen rekonstruieren, die ein mehr oder weniger großes Wandelpotential aufweisen (s. Abbildung 2). Abbildung 2: Wandelpotentiale als Folge von Positionierung und Position

Quelle: Eigene Darstellung

Dabei können eine hohe Übereinstimmung zu neu hinzugetretenen (ergänzenden) und die alten herausfordernden (konfligierenden) Normen als hohe Wandelaffinität eingeschätzt werden. Eine damit einhergehende machtvolle Ressourcenkonstellation verbindet diese Bereitschaft schließlich zu einem insgesamt hohen Wandelpotential. Umgekehrt verweist eine hohe Übereinstimmung zu alten Normen auf eine geringe Wandelbereitschaft und lässt Typen dieser Kategorie zu erfolgreichen Status-Quo-Wahrern werden, wenn ihre Position im Feld zugleich eine dominante ist.

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5. G RUNDANNAHMEN UND U MSETZUNG DER F RAGESTELLUNG Der theoretische Rahmen hat folgende Grundannahmen und Umsetzungsmöglichkeiten für die weiteren Kapitel aufgezeigt: Ich gehe davon aus, dass sowohl Akteure des Regimes als auch des Journalismus versuchen, die Spielregeln des journalistischen Feldes mithilfe einer Veränderung des normativen Referenzrahmens gezielt zu verändern. Welche Instrumente welchem Akteur zuzuordnen sind, muss anhand einer Analyse der Akteure und Prozesse von Normensetzung, Normenbeobachtung und -sanktionierung, d.h. dem Normenkontext erfolgen. Es ist anzunehmen, dass der normative Referenzrahmen sich innerhalb der drei Strukturierungsdimensionen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung diversifiziert hat. In welcher Weise und ausgehend von welchen Transformationsversuchen muss Teil einer empirischen Untersuchung von Normen sein. Abbildung 3: Theoretisch-konzeptioneller Rahmen der Arbeit

Quelle: Eigene Darstellung

Aufgrund eines veränderten normativen Referenzrahmens eröffnen sich neue Optionen für Feld-adäquates, sinnhaftes Handeln der journalistischen Akteure. Die generelle Existenz einer feldinternen Dynamik zwischen eher dominanten und eher dominierten Positionen verweist darauf, dass sich Akteure des Feldes unterschiedlich gegenüber bestimmten Teilen des normativen Referenzrahmens positionieren werden. Welche Positionierungen tendenziell eher Aussicht auf Durchsetzung haben, muss zunächst anhand einer Analyse der im Feld vorhandenen Ressourcenkonstellationen beschrieben werden. Es ist anzunehmen, dass Akteure mit verschiede-

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nen Ressourcenkonstellationen sich unterschiedlich positionieren gegenüber den durch gezielte Transformation hervorgerufenen Veränderungen des normativen Referenzrahmens. Welche Akteure eine Kongruenz zu welchen Transformationsversuchen aufweisen, muss Teil einer empirischen Untersuchung von Bewertungs- und Rekursivitätsmustern journalistischer Akteure sein. In Anlehnung an diese Grundannahmen werde ich in den folgenden Kapiteln die beiden Analysedimensionen, Normenkontext und Ressourcenkonstellation sowie die drei Strukturierungsdimensionen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung ausführen, um darauf aufbauend die konkrete analytisch-empirische Arbeit am jordanischen Fall aufnehmen zu können.

Analysedimensionen

1. N ORMENKONTEXT Um die Potentiale eines Wandels durch gezielte Transformationsversuche auszuloten, habe ich oben beschrieben, dass es einer Kontextualisierung des normativen Referenzrahmens bedarf. Im Folgenden geht es deshalb darum, diese gezielten Transformationsversuche analytisch so zu fassen, dass sich am konkreten jordanischen Fall Aussagen darüber treffen lassen, welche Instrumente, von welchen Akteuren eingesetzt werden. Dabei stehen die Versuche im Vordergrund, die von Regimeakteuren und Akteuren des journalistischen Feldes angestrengt werden und sich auf die Veränderung des normativen Referenzrahmens des Journalismus beziehen. Explizierte Normen hatte ich bereits als geeignete Instrumente, um eine solche Veränderung anzustrengen, identifiziert. Sie verkörpern einerseits eine besonders starke Durchsetzungsmacht und sind andererseits empirisch gut zu erfassen sind. Diese Instrumente werde ich deshalb noch einmal konkretisieren und näher auf die Akteure der Transformationsstrategien eingehen, um schließlich deren Verortung vornehmen zu können. 1.1 Instrumente gezielter Transformationsversuche Die Journalismusforschung weist eine Vielzahl von Betrachtungen explizierter Normen für das journalistische Feld auf, die vor allem auf den drei Einfluss-Ebenen medienextern, organisationell und professionell zu verankern sind. Im theoretischanalytischen Rahmen hatte ich darauf verwiesen, dass sich die extramediale Ebene zur Betrachtung von Strategien des Regimes anbietet, die der Organisation bzw. der Profession hingegen zur Betrachtung von Strategien durch Feldakteure. Zuallererst sind auf der extramedialen Ebene Mediengesetze zu nennen, die in fast jeder Länder-spezifischen Betrachtung als Einflussfaktoren des Journalismus zu finden sind. Weischenberg etwa verweist auf sie im »Normenkontext« seines Zwiebelmodells zur Erfassung der Kontexte des Journalismus (vgl. Weischenberg 2004: 71). Esser und Machill betrachten sie als einen wichtigen Einflussfaktor für die

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unterschiedliche Ausgestaltung journalistischer Kulturen (vgl. Esser 1997: 111ff.; Machill 1997: 19f.). Grundsätzlich beziehen sich die Normen in Mediengesetzen auf die Formulierung struktureller und inhaltlicher Erwartungen. Zu den strukturellen Normen zählen in Demokratien vor allem Wettbewerbsrecht, Regeln zur Eigentümerschaft, zum Marktzugang, zur Lizenzierung etc. Sie versuchen also, Einfluss darauf zunehmen, welche Bedingungen die journalistische Praxis formen und können zu einem gewissen Grad auch darauf hinwirken, wie die Machtpositionen in einem Feld verteilt sind. Nicht umsonst schränken autoritäre Regime die Pressefreiheit häufig nicht direkt ein, sondern auf dem Umweg der Lizenzierungs- bzw. Zulassungsbeschränkung für das Feld. Neben diesen vor allem auf Ressourcenzugänge und -verteilung ausgerichteten Normen existieren in den meisten Ländern auch Normen, die die Inhalte journalistischer Produkte beeinflussen sollen. Diese Einflussversuche beziehen sich zumeist auf den Respekt der Persönlichkeit, der Ehre oder des Privatlebens der Berichterstattungsobjekte, auf Fragen des geistigen Eigentums, auf die Gewährung oder Förderung von Diversität der journalistischen Inhalte, auf politische Werbung vor allem während Wahlkämpfen, auf den Schutz von Minderjährigen oder den Staatsschutz (vgl. Psychogiopoulou/Anagnostou 2012: 12f.; Braman 2004: 176ff.). Daneben existieren Gesetze, die nicht als Mediengesetze firmieren, aber über »versteckte Regeln« die Durchführung und Ergebnisse journalistischer Arbeit beeinflussen. Solche finden sich in europäischen Ländern beispielsweise in den Normen zum Informationszugang (Psychogiopoulou/Anagnostou 2012: 14). Für autoritäre Regime wurden Gesetze vor allem vor dem Hintergrund ihrer Relevanz für die Presse- und Meinungsfreiheit betrachtet. Während es für arabische Staaten an systematischen Rechtsbetrachtungen und -vergleichen mit Bezug auf die Mediengesetzgebung mangelt,1 sind die geltenden Mediengesetze in Länderspezifischen Darstellungen als Kontext des Mediensystems fast immer vertreten und werden zumeist auch mit der journalistischen Praxis abgeglichen.2 Der Fokus

1

So hat sich beispielsweise die Zeitschrift Arab Law Quarterly seit ihrer Gründung 1985 nur zweimal mit Mediengesetzen befasst: mit dem libanesischen Rundfunkrecht (Nasser 1996) und einer Betrachtung des jemenitischen Presserechts und seiner Anwendung (Ghanem 2002). Das Werk Derradjis (1995) ist das bislang einzige, das sich systematisch vergleichend mit dem Presserecht in arabischen Staaten befasst. Er vergleicht die Verfassungen und Pressegesetze 17 verschiedener arabischer Länder – darunter auch Jordanien – unter dem Aspekt der Garantien und Einschränkungen von Pressefreiheit. Die Beiträge von Najjar (2008, 2001, 1998) sind für Jordanien die einzigen, die Medienrecht explizit und systematisch analysieren.

2

Exemplarisch für die arabischen Länder seien hier im Überblick Richter/El Difraoui (2015), Nazzal (2006) oder Reuter/Seebold (2000) für Palästina, Richter (2004) für Liby-

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liegt dabei fast immer auf rechtlichen Reglungen zur Pressefreiheit und Lizenzierung. Dies verstellt zwar den Blick auf andere Aspekte des Rechts, wie beispielsweise den Persönlichkeitsschutz oder das Zeugnisverweigerungsrecht, die für die journalistische Praxis ebenfalls von Bedeutung sind (vgl. Weischenberg 2004: 130ff.). Doch zugleich verweist die Betrachtung der Rechtsnormen zur Pressefreiheit auch am eindrücklichsten auf die Möglichkeiten des Regimes, durch gezielte Transformationen des normativen Referenzrahmens den Journalismus zu beeinflussen. Najjar stellt für Jordanien heraus, dass die Veränderungen der Pressefreiheit im Pressgesetz immer auch an politische Zielsetzungen gekoppelt waren (vgl. Najjar 2001, 1998). Die politikwissenschaftliche Forschung betont ebenfalls, dass Veränderung der Mediengesetze, vor allem des Presse- und Publikationsgesetzes (PPL), in Jordanien seit 1989 zum Repertoire Regime-stabilisierender Maßnahmen gehören. Lucas bezeichnet diese Änderungen als Teil der »Überlebensstrategie« des Regimes (vgl. Lucas 2003a). Tatsächlich gilt das PPL seit seinem Inkrafttreten 1993 bis heute in politischen Analysen als ein Indikator für die Richtung politischer Entwicklungen (vgl. Muasher 2011; ICG 2003; Najjar 2008, 2001, 1998). Rechtliche Normen des Journalismus scheinen sich folglich besonders als Indikator für Transformationsstrategien des Regimes zu eignen. Diese Schlussfolgerung korrespondiert mit der Erkenntnis aus der Autoritarismusforschung, nach der Regime von liberalisierten Autokratien wie Jordanien generell mithilfe eines Regierens per Gesetz Freiräume schaffen und wieder schließen, um Veränderungen der Gesellschaft im Sinne ihrer Herrschaftsstabilisierung zu beeinflussen (vgl. Valbjørn 2010, Brumberg 2003: 8). Jedoch muss berücksichtigt werden, dass auch innerhalb des Regimes unterschiedliche Ansichten darüber bestehen, wie solche Transformationsversuche aussehen können und ob sie überhaupt stattfinden sollen. Um diese Differenzen besser analysieren zu können, hilft ein vertiefender Blick auf die Erkenntnisse aus der politikwissenschaftlichen Forschung. Schubert, Tetzlaff und Vennewald (1994) beschreiben in ihrer Theorie der strategischen und konfliktfähigen Gruppen (SKOG) verschiedene Konstellationen innerhalb eines Regimes, die zu einem (demokratischen) Wandel führen können. Grundsätzlich geht das SKOG-Modell auf eine ähnliche Vorstellung von Wandel zurück, wie ich sie oben skizziert habe. Transformationsstrategien lassen sich in Anlehnung an das SKOG-Konzept sowohl von Regime- als auch von Feldakteuren annehmen. Gezielte Veränderungen der Strukturen des Journalismus sollen je nach Perspektive entweder einen Wandel ohne Verlust

en, Nesemann (2001) für den Libanon, für Jordanien Al-Zubaidi/Fischer/Abu-Fadil (2012); Al-Zubaidi (2004), Sakr (2002), Kilani (2001) sowie diverse Jahresberichte und laufende Dokumentationen von Reporter ohne Grenzen auf deren Website genannt, http://en.rsf.org/jordan.html vom 20.4.2015.

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der Macht oder einen mit Gewinn von Macht bewirken. Sogenannte strategische Gruppen (Regimekoalition) folgen der ersten, konfliktfähige Gruppen (Opposition) folgen der zweiten Zielsetzung der Wandelstrategien. Grundsätzlich unterscheidet das SKOG-Model sechs makrosoziologische Akteursgruppen, die sich in beiden, strategischen und konfliktfähigen Gruppen finden lassen: Militärs, Unternehmer, Landbesitzer, Staatsbeamte, professionals und religiöse Spezialisten. Ob einzelne Akteure nun der einen oder anderen Gruppen zugehörig sind, hängt zum einen von deren Position innerhalb der Akteursgruppen und zum anderen von deren politischen Orientierungen (progressiv oder konservativ) ab (vgl. Schubert/Tetzlaff/Vennewald 1994: 76ff.). Die Differenzen innerhalb der Regime-Koalition treten vor allem dann zutage, wenn Reformer innerhalb des Regimes in Teilen den Forderungen der Opposition, d.h. der konfliktfähigen Gruppen, zustimmen und sich damit in Konkurrenz zu den Hardlinern innerhalb des Regimes stellen (vgl. ebd.: 100f., 409f. und Bos 1996). Für Jordanien verweist Zaidah darauf, dass das Königshaus unter Abdallah II. (der sich selbst gern als der Reformer innerhalb des Regimes präsentiert) oft in Fragen der Medienfreiheit eine im Vergleich zur Regierung und zum Parlament liberale Haltung vertritt (Zaidah 2006: 1). Diese reformorientierte Regime-Position missfällt mitunter nicht nur Hardlinern im Regime, sondern auch oppositionellen Akteure wie etwa der Islamischen Aktionsfront (IAF). Während strategische und konfliktfähige Gruppen in Bezug auf einen politischen Wandel, d.h. eine Demokratisierung, in empirischen Studien ausführlich beschrieben wurden, gibt es solche für die Zielsetzungen hinsichtlich des Journalismus nicht. Allerdings lässt sich davon ausgehen, dass die auf den Journalismus gerichteten Zielsetzungen von Regime-Akteuren mit ihren politischen korrespondieren und dass umgekehrt, die Zielsetzung zur Teilhabe am Staat aufseiten der Feldakteure nicht ganz auszuschließen ist, wie etwa die Medienstrategien konfliktfähiger (politischer) Akteure wie den Muslimbrüdern zeigen lässt (vgl. Richter 2011 und 2008). Kodifizierte Normen auf der professionellen Ebene werden von der Journalismusforschung schon seit den 1970er Jahren in Form von Ethikkodizes untersucht. Eine der ersten international vergleichenden Untersuchungen zu journalistischen Ethikkodizes stammt von Bruun (1979), der viele weitere folgten (vgl. z.B. Himelboim/Limor 2011, 2008; Hafez 2003; Latila 1995). Dabei wurden die in solchen Kodizes festgehaltene Normen unterschiedlich konzipiert: bei Hafez (2003) etwa als Teil eines Diskurses über journalistische Ethik, bei Himelboim und Limor (2011) als Repräsentation journalistischer Werte oder bei Bertrand (2000) als Teil eines Selbstregulierungs- bzw. media accountability-Systems. Die meisten international vergleichend angelegten Studien nahmen vor allem Kodizes in den Blick, die von regionalen, nationalen oder internationalen Journalistenorganisationen verabschiedet wurden und deshalb als relevant für die gesamte Profession gelten können. Die Verabschiedung von professionellen Ethikkodizes in Demokratien wird zumeist aus einer normativen Zielsetzung heraus betrachtet. Sie nimmt Bezug auf die Auf-

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fassung, dass Journalismus einer (wie auch immer gearteten) gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen sollte, die sich aus der weitgehenden, staatlichen Gewährung von Freiheiten und den gesellschaftlichen Aufgaben des Journalismus ergibt (vgl. McQuail 2003). Funktionalistisch betrachtet können professionelle Ethikkodizes aber auch als Abwehrmechanismus gegen staatliche und teilweise wirtschaftliche Einflussnahme gesehen werden. Zugleich dienen sie als Strategie zur Professionalisierung des Journalismus, wenn sie etwa »Solidarität innerhalb der [Berufs]gruppe erzeugen und das Ansehen des Berufsstandes erhalten« (Bertrand 2000: 42). Löst man sich von einer normativen Zielsetzung und begreift Ethikkodizes als Instrumente zur Erzeugung von Erwartungen an den Journalismus durch Akteure auf der professionellen Ebene, so sind Ethikkodizes wie auch Gesetze nichts anderes, als der Versuch, die journalistische Praxis zu beeinflussen. Eine solche Konzeption hat zur Folge, dass die Frage danach, wer welche Erwartungen hegt, eine besonders relevante für die Untersuchung von Wandelpotentialen wird. Allerdings hat Kunczik für nicht-demokratische Länder darauf verwiesen, dass Ethikkodizes auch als Instrumente zur Kontrolle durch autoritäre Regime genutzt werden können (vgl. Kunczik 1999). Diese Beobachtung verweist vor allem darauf, dass die professionellen Akteure, die für die Formulierung dieser Kodizes verantwortlich sind, nicht – wie im demokratischen Selbstregulierungskonzept idealisiert (vgl. z.B. Stapf 2006: 57) – als vom Staat oder vom Regime autonome Akteure agieren. Journalistenorganisationen in autoritär regierten Ländern sind oft Teil der Regime-Eliten oder sehen sich massivem Druck vonseiten des Regimes ausgesetzt (vgl. Vogt 2003). So können professionelle Ethikkodizes in autoritär regierten Ländern vom Regime selbst initiiert werden oder müssen von ihm bestätigt werden (vgl. Hawatmeh/Pies 2011: 106; Vogt 2003: 175). Während Gesetze also eindeutig Regime-initiierte Transformationsversuche darstellen, so muss die Zuordnung von Transformationsversuchen durch Ethikkodizes in jedem Einzelfall geprüft werden. Das SKOG-Modell gibt zu bedenken, dass in Autokratien nur wenige soziale Gruppen vollständig als konfliktorientiert bzw. als Regime-nah einzuordnen sind. So zählen beispielsweise staatliche Funktionsträger nicht zwangsläufig zur Koalition des Regimes und Intellektuelle nicht gleich zur Opposition (vgl. Schubert/Tetzlaff/Vennewald 1994: 74ff.). Auf das journalistische Feld übertragen bedeutet dies, dass beispielsweise nicht alle Mitarbeiter in staatlichen Medien zur Regime-Koalition zählen müssen und nicht alle in den Wochenzeitungen Tätigen Oppositionelle sind. Allerdings verfügt das Regime über eine Vielzahl an Mitteln, besonders Akteure aus der Gruppe der professionals, der Staatsbeamten und der Unternehmer – alle drei relevante Akteursgruppen für das journalistische Feld – an die Regime-Koalition zu binden (vgl. ebd.: 83ff., 88ff., 90ff.). Zu diesen Mitteln zählen die grundlegenden Mechanismen zur Sicherung autoritärer Herrschaft: Legitimation, Repression und Kooptation. Legitimation lässt sich über ideologische Nähe, Ressourcen- und Sicherheitsgarantie schaffen, während Repression durch An-

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drohung von Ressourcenentzug, Versperrung des Zugangs zu den für die Akteure relevanten Ressourcen erfolgt. Kooptation wiederum erfolgt über die Integration in staatliche Institutionen und/oder politische Prozesse (vgl. Merkel/Gerschewski 2011). Die Schaffung neuer Medienmärkte kann also auch als Regime-Strategie verstanden werden, Unternehmer an die Regime-Koalition über die Möglichkeit zur Produktions- und Investitionserweiterung zu binden oder neue Integrationsmöglichkeiten für Journalisten als Vertreter der professionals zu schaffen. Ethikkodizes können in autoritären Regimen also entweder feldintern getarnte Transformationsversuche durch das Regime oder tatsächlich feldinterne durch Feldakteure indizieren. Dies gilt in gleichem Maße für explizierte Normen auf Organisationsebene. In der Journalismusforschung wurden verschiedenen Instrumente explizierter Normen aufgezeigt, die von einzelnen Medienorganisationen ausgehen. Russ-Mohl hat die Instrumente zur Beobachtung normadäquaten journalistischen Handelns in Redaktionen an drei Stellen des journalistischen Produktionsprozesse verortet: vor der eigentlichen Produktion (präventiv), während der Produktion (redaktionell) und der Publikation nachgeordnet (korrektiv) (Russ-Mohl 2010: 272). In einer späteren Publikation verweist er schließlich auf redaktionelle Instrumente, die Normen für die organisationelle Ebene setzen und entsprechend auch verändern können. Zu diesen zählen an erster Stelle redaktionelle Kodizes, style books, Redaktionsstatute oder conflict-of-interest statements. Als Ziel solch kodifizierter Normen wird häufig eine Qualitätssicherung oder -steigerung postuliert (vgl. z.B. Funiok 2006; Bertrand 2000). Russ-Mohl führt dieses Ziel am Beispiel von redaktionellen Ethikkodizes in den USA aus. Neben der Anregung von redaktionsinterner Diskussion über ethische Fragen, der Vermeidung von Interessenskonflikten und vermeintlich diskriminierenden Ausdrücken hätten Ethikkodizes auch eine Public Relations-Funktion (vgl. Russ-Mohl 2007: 149ff.). Hinzu kommt jedoch, wie bereits angedeutet, die Funktion einer organisationsinternen Kontrolle. In einer international vergleichenden Studie zum Einfluss von media accountability Instrumenten bewerteten Journalisten länderübergreifend redaktionelle Kodizes neben Gesetzen als die einflussreichsten »Kontrollinstrumente« für die journalistische Arbeit (vgl. Fengler et al. 2013). Diese Kontrollfunktion kann gerade in Ländern, in denen eine hohe Politisierung der Medienorganisationen vorherrscht, dazu führen, die Mitarbeiter auf eine strikte Redaktionslinie zu verpflichten.3 Deshalb ist auch hier eine genaue Analyse derjenigen Medienorganisationen notwendig, die kodifizierte Normen als Transformationsversuche ihrer redaktionellen Praxis oder des Journalismus insgesamt einsetzen. Me-

3

Die Existenz von »Ausstiegsklauseln« für Journalisten beim Wechsel der redaktionellen Linie in den von Hallin und Mancini als polarisiert-pluralistisch bezeichneten Mediensystemen (2004: 116) verweist auf diese Tatsache.

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dienorganisationen können beispielsweise in direkter oder teilweise staatlicher Hand liegen sowie Mitgliedern der Herrscherfamilie oder anderen Regime-Eliten wie Parteigenossen, Unternehmern usw. gehören. Für die arabische Welt ist die Betrachtung von redaktionellen Kodizes am vielversprechendsten, denn in den vergangen Jahren zeichnet sich ein Trend ab, nach dem sich immer mehr Medienunternehmen einen eigenen Ethikkodex geben. Den Beginn machte Al-Jazeera 2004 mit der Verabschiedung eines Textes, den der damalige Generaldirektor als »Verfassung« des Senders bezeichnete (vgl. Zayani/Sahraoui 2007: 151). Dem panarabischen Sender folgten verschiedene panarabische Zeitungen und auch bei nationalen Medienorganisationen lassen sich solche mittlerweile finden (vgl. Hawatmeh/Pies 2011: 107). Abbildung 4: Instrumente gezielter Transformationsversuche

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Shoemaker/Reese (1996: 64)

Aufgrund der oben beschriebenen zwiespältigen Rolle, die Akteure auf professioneller und organisationeller Ebene in autoritären Regimen spielen, müssen ihre Instrumente Ebenen-überlappend gedacht werden. Während Gesetze klar auf der ex-

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tramedialen Ebene anzusiedeln sind und damit eindeutig als Regime-initiierte Transformationsstrategien konzipiert werden können, ist eine eindeutig Zuordnung von vornherein für die Instrumente auf professioneller und organisationeller Ebene nicht möglich. Deshalb stellt sich analog zu den Versuchen aus dem Regime auch für die Versuche aus dem Feld die Frage, ob sie tatsächlich Herausforderungen an den bestehenden normativen Referenzrahmen darstellen oder lediglich Scheinreformen sind. Dazu bedarf es einer näheren analytischen Betrachtung der Akteure und Mechanismen, die die Prozesse der Normensetzung und -beobachtung bestimmen. 1.2 Akteure und Mechanismen der Normensetzung und -beobachtung Auf die analytische Trennung in Prozesse der Normensetzung und -beobachtung habe ich bereits mehrfach verwiesen. In der Kommunikationswissenschaft wurden diese Prozesse vor allem von der Forschung um die Konzepte media policy, media (self-)regulation und media governance beleuchtet. Während media policy den »Zirkulationsprozess verschiedener Ideen und Annahmen über wünschenswerte Strukturen und Verhalten im Feld« (Freedman 2008: 13, Übersetzung J.P.) bezeichnet und sich damit besonders für den Normensetzungsprozess eignet, bezieht sich regulation stärker auf die »spezifisch-institutionellen Mechanismen, die diese Ergebnisse [des Zirkulationsprozesses, J.P.] realisieren« (ebd.), also den Beobachtungs- und Sanktionierungsprozess. Die beiden Konzepte beziehen sich vor allem auf die Rolle des Staates im Prozess der Regelsetzung und -einhaltung. Weil bei der Regelsetzung wie bei deren Einhaltung in Demokratien zunehmend auch Akteure aus anderen Feldern involviert sind, schlagen einige Wissenschaftler vor, von media governance statt von regulation zu sprechen (vgl. z.B. Puppis 2007; Latzer 2007). Die Forschung zu media governance reklamiert eine stärkere Verknüpfung von drei Prozessschritten der Normendurchsetzung: dem Setzen, Implementieren und Sanktionieren von Regeln (Campell 1999: 714f.; Puppis 2010: 51). Dennoch fokussiert sie vor allem auf die Prozesse der Implementierung (implementing) und Sanktionierung (sanctioning) und vernachlässigt den Prozess der Normensetzung (setting). Die analytische Trennung der Setzungs- und Beobachtungsprozesse in meiner Arbeit ist vor allem der Tatsache geschuldet, dass ich einen Rahmen aufzeigen möchte, mit dem sich sowohl verschiedene Akteure differenzieren lassen, die den Journalismus gezielt verändern wollen, als auch die Fragen nach den unterschiedlichen Durchsetzungschancen von Transformationsprozessen präzisieren lässt. Für die erste Zielsetzung eignet sich die Normensetzung besser, für die zweite die Normenbeobachtung. Trotz dieser analytischen Trennung muss für die tatsächliche Ak-

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tualisierung durch die Akteure davon ausgegangen werden, dass erst das Zusammenspiel beider Prozesse als einflussreich gelten kann. Aus der media policy Forschung stammend bietet Freedman (2006) einen hilfreichen Analyserahmen, um den NORMENSETZUNGSPROZESS unter Berücksichtigung divergierender Akteursinteressen zu untersuchen. Er formuliert vier grundlegende Fragen für jede Analyse von Normensetzungsprozessen: Wo lassen sich die Normensetzungsprozesse innerhalb der Regierung verorten? Welche nichtstaatlichen Interessengruppen innerhalb der nationalen Grenzen nehmen am Prozess teil? Wo wird Normensetzung außerhalb nationaler Grenzen betrieben? Welche Formen der Aushandlung gibt es? Freedmans Fragen ermöglichen eine Verortung gezielter Transformationsprozesse mithilfe von Normensetzung, womit er einer Erkenntnis aktueller media policy Forschung nachkommt: »Entscheidungsfindungen im policy approach sind durch eine Vielzahl konkurrierender Interessen gekennzeichnet, die ihre Werte und Ziele in die Politikagenda und die Art, wie Medienpolitik gemacht wird, einschreiben wollen.« (Psychogiolpoupou/Anagnostou 2012: 3, Übersetzung J.P.) So kann der Setzungsprozess differenziert werden nach der faktischen politischen Macht desjenigen, der einen (Neu-)Definitionsprozess initiiert. Während Freedman mit Blick auf demokratische Gesetzgebungsprozesse vor allem die Regierung im Blick hat, muss für autoritäre das Regime mit seiner internen Machtstruktur betrachtet werden. Für Jordanien etwa stellt sich die Frage, welche Prozesse vom König, von der Regierung oder vom Parlament ausgehen? Zugleich muss eine Abwägung erfolgen, welchen Stellenwert der Normendefinitionsprozess innerhalb der jeweiligen Machtsphären einnimmt. Dies lässt sich nach Freedman nicht nur daran erkennen, welche Rolle der Normensetzungsprozess für den Journalismus im Vergleich zu anderen Politikbereichen spielt, sondern auch daran, wer ihn verantwortet, welches Ministerium, welche Behörde oder Organisation (vgl. Freedman 2006: 920f.). Aber auch für die Normendefinition von professionellen und organisationellen Kodizes muss geschaut werden, wer den Prozess initiiert: Stammt der Initiator aus den Reihen der Regime-Institutionen (z.B. Königshaus, Premierminister, Parlament) oder aus dem Kreis der Feldakteure? Für letzten Fall muss schließlich geklärt werden, welche Beziehung die Akteure zum Regime pflegen: Können sie als Teil der Regime-Eliten zählen oder gehören sie zu den NichtKooptierten? Für die Fragen nach der Einbindung nicht-staatlicher Interessensgruppen in den Definitionsprozess von Gesetzen stellt sich für Autokratien das Problem, dass eine solche Einbindung im System nicht vorgesehen ist. Allerdings verweist die Autoritarismusforschung wie auch die Forschung zur demokratischen Transformation darauf, dass Regime, die unter Legitimationsdruck geraten, dazu tendieren, Personengruppen zu kooptieren und in politische Prozesse zu integrieren. Eine solche Einbindung beinhaltet auch, ausgewählte Feld-Akteure in den Prozess der Normenset-

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zung einzubinden (vgl. Schlumberger 2008: 158ff., Heydemann 2007: 9). Dabei ist besonderes Augenmerk darauf zu legen, um welche Akteure es sich handelt: Sind es Akteure, die aufgrund ihrer Positionen und ihrer ideellen und allokativen Bindung sowieso als Teile der Regime-Eliten gelten können (z.B. Chefredakteure von staatlichen Medien, Leiter von NROs oder Verbänden, die über ihre Struktur oder Schirmherrschaft dem Regime gegenüber loyal sind) oder handelt es sich um neue, möglicherweise konfliktorientierte Akteure (z.B. Chefredakteure von Oppositionsmedien, Leiter unabhängiger oder reformorientierter Organisationen etc.)? Die Autoritarismusforschung nimmt hier eine pessimistische Haltung hinsichtlich eines tatsächlichen Wandels ein. Sie beschreibt die Einbindung als ein verändertes Prinzip der Kooptation, von einer allokativen zu einer inklusiven Einbindung, mit dem Ziel, die »soziale Basis [des Regimes, J.P.] aus[zu]weiten und gleichzeitig auf sanfte Weise ihre Kontrollkapazitäten weiter in die Gesellschaft hineinstrahlen [zu] lassen« (Schlumberger 2008: 164). Zugleich hat sich aber auch gezeigt, dass diese Einbindung die Konfliktlinien innerhalb verschiedener gesellschaftlicher Felder zu verstärken vermag. Wiktorowicz und Heydemann verweisen hier auf die Dynamik innerhalb des NRO-Sektors in ausgewählten arabischen Ländern, die sich durch die Zweiteilung in kooptierte und konfliktorientierte Akteure ergeben habe (vgl. Wiktorowicz 2000, Heydemann 2007: 5ff.). Doch auch die Konfliktlinien innerhalb des Regimes – häufig zwischen Reformern und Hardlinern – können durch diese Strategie stärker zutage treten, wenn nämlich im Sinne des SKOG-Modells eines der Lager innerhalb des Regimes durch die neu eingebundenen Akteure gestärkt wird. Dieselben Fragen müssen in einer Autokratie auch an den Normensetzungsprozess von Ethikkodizes gestellt werden. Dies mag für demokratische Kontexte widersprüchlich erscheinen, doch mussten in vielen arabischen Ländern beispielsweise die von Journalistenverbänden ausgearbeiteten Ethikkodizes von Regierungen gebilligt werden (vgl. Vogt 2003: 175). Konkret weist Freedman als relevante, nicht-staatliche Akteure im Definitionsprozess von Normen für das journalistische Feld in den USA und Großbritannien vor allem Unternehmenslobbyisten und Berufsverbände aus. Doch in den vergangen Jahren verzeichnet er einen Anstieg an weiteren Gruppen, die nur schwer zu systematisieren sind (vgl. auch Braman 2004: 169). Allerdings bezweifelt Freedman, dass diese tatsächlich Einfluss auf die Entscheidungen haben: »Erstens gibt es keinen notwendigen Zusammenhang zwischen der Zahl der Beteiligen in einem Entscheidungsfindungsprozess und der Entscheidung, die letztendlich gefällt wird. Ein ›stakeholder‹ zu sein und sich als jemand zu definieren, der ein Interesse an dem Ergebnis der Entscheidung hat, sagt noch lange nichts darüber aus, welche Macht derjenige tatsächlich hat. Die Explosion von ›stakeholders‹ ist eher auf das Wachsen der Medienindustrie zurückzuführen als auf die Fähigkeiten dieser ›stakeholders‹, die Machtbalance im Entscheidungsfindungsprozess zu verändern.« (Freedman 2006: 912, Übersetzung J.P.)

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Neben dieser grundsätzlichen Skepsis hinsichtlich des Einflusses nicht-staatlicher Akteure, muss für autokratische Regime berücksichtigt werden, dass Medienorganisationen nicht notwendigerweise private Unternehmen sind, sondern zu Teilen als staatliche oder teilstaatliche Medien existieren. Es muss also zwischen der Einbindung dieser unterschiedlichen Medientypen differenziert werden. In Demokratien gelten zudem zivilgesellschaftliche Organisationen wie Berufsverbände, NROs oder Gewerkschaften als weitere potentielle Lobbyisten. Allerdings stehen in autoritären Staaten viele zivilgesellschaftliche Organisationen unter direkter Kontrolle des Regimes beispielsweise durch die Schirmherrschaft von Königshausmitgliedern oder durch indirekte Kontrollmechanismen und Registrierungsprozeduren (vgl. Heydemann 2007: 8). In autoritären Regimen ist deshalb nicht nur die Kategorie der eingebundenen Akteure von Belang (z.B. Unternehmen, NROs, Verbände), sondern auch deren Beziehungen zum Regime. Hier gilt es, erstens die Position innerhalb des Feldes zu bestimmen und zweitens ihre Beziehung zum Regime offen zu legen. Dies kann über die Betrachtung der involvierten Personen, über Finanzierungskanäle und Entscheidungsinstanzen erreicht werden. Eine weitere Akteurskategorie, die es für den Definitionsprozess von Normen zu betrachten gilt, sind internationale Akteure. Wo wird media policy außerhalb der nationalen Grenzen durch bilaterale Handelsabkommen, regionale und multilaterale Direktiven oder andere betrieben und wer sind mögliche Akteure? (Freedman 2006: 911ff.) Obwohl der größte Einfluss bei der Mediengesetzgebung nach wie vor auf der Ebene der Nationalstaaten zu verorten ist, spielen internationale Organisationen wie die Welthandelsorganisation (WTO) vor allem bei Themen wie dem Urheberrecht eine wichtige Rolle (Freedman 2006: 911, Hafez 2005b: 196). In Jordanien wird die Frage an die Definitionsprozesse von Gesetzen und Ethikkodizes gerichtet werden müssen. Für die Formulierung von Ethikkodizes spielen zudem internationale Medienorganisationen und NROs eine wichtige Rolle (vgl. Pintak 2007, Stanley 2007, Pies 2008). Ein sehr präsentes Beispiel ist die internationale Organisation Article 19, die den Prozess der wechselhaften Mediengesetzgebung in Jordanien bereits seit 1998 kritisch begleitet (vgl. Article19 2010, 2009a, 2009b, 2007, 2006, 2005a, 2005b, 2005c, 2005d, 1999, 1998). Doch auch hier ist wie bei den nationalen Akteuren zweifelhaft, ob sie jenseits der Äußerung von Kritik einen direkten Einfluss auf den Definitionsprozess nehmen können. Schließlich stellt sich für den Prozess der Normendefinition die Frage, welche Formen der Aushandlung bestehen. Dabei spielt sowohl eine Rolle, welche und wie viele Konsultationen in welcher Reihenfolge folgen, als auch wer zu welcher Runde eingeladen ist? Eine Transparenz über diesen Prozess zu erlangen, ist selbst in den USA schwierig (Freedman 2006: 916), sodass davon auszugehen ist, dass dies für autoritäre Regime eine noch erheblich größere Herausforderung darstellt. Sofern

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dazu Erkenntnisse vorliegen, kann diese Analysedimension über policy-making Prozesse für andere Themenbereiche abgeleitet werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Normensetzungsprozess für Journalismus-betreffende Gesetze verschiedene analytische Elemente bei einer empirischen Untersuchung beinhalten muss, wenn er Aussagen darüber zulassen will, welche Normen welcher Transformationsstrategie entstammen. Dazu zählt die Beantwortung dreier Fragen: • Wer sind die Initiatoren des Definitionsprozesses und auf welcher Einflussebene

lassen sie sich verorten (extramedial, professionell oder organisationell)? • Welche Akteure sind an der Ausarbeitung des Normenkanons beteiligt (staatliche

oder nicht-staatliche, kooptierte oder unabhängige)? • Wie findet die Einbindung statt (integrativ oder autoritär)?

Letztendlich gibt die Betrachtung nach einem solchen Schema auch erste Hinweise darauf, welche Rolle Akteure aus dem journalistischen Feld für die Herausbildung des normativen Referenzrahmens spielen können. Doch hierfür bedarf es nicht allein der Berücksichtigung des Definitionsprozesses, sondern auch des Beobachtungsprozesses, denn selbst wenn Feldakteure in den Definitionsprozess eingebunden sind, so bedeutet dies noch lange nicht, dass sie auch die Einhaltung der definierten Normen beobachten und gegebenenfalls sanktionieren. Während der Analysevorschlag zum Normensetzungsprozess vor allem darauf abzielt, Aussagen über die Verortung der in ihn involvierten Akteure vorzunehmen und somit zu bestimmen, von wo Transformationsversuche ausgehen, soll der folgende Analyserahmen für NORMENBEOBACHTUNGSPROZESSE vor allem präzisieren, wie solchen Versuchen zur Durchsetzung verholfen werden kann. Zunächst einmal ist zu klären, was unter Normenbeobachtung verstanden werden soll. Im Zentrum des Prozesses der Beobachtung von Normen steht die Frage danach, wer mit welchen Mitteln die Einhaltung der Normen beobachtet und sanktioniert. Der eigentlichen Sanktionierung geht also die Beobachtung voraus. Beide Prozesse können von einer Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Sanktionsmitteln vollführt werden. Aus diesem Grund lassen sich mehrere Ansätze in der Forschung finden, die verschiedene Akteure für die Einhaltung von Normen in den Blick nehmen. Diese lassen sich einerseits entlang einer Achse von journalismusinternen und journalismusexternen und andererseits einer Achse von hoch institutionalisierten und gering institutionalisierten Akteuren auffächern (vgl. Fengler/Eberwein/Leppik-Bork 2011: 12). Dabei werden je nach Forschungsrichtung unterschiedliche Grenzen hinsichtlich der zu betrachtenden Akteure gezogen. Die Forschung zur Medienregulierung nimmt vor allem staatliche und teilstaatliche (coregulative) Akteure in den Blick; die zur Selbstregulierung journalismusinterne. Die

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media accountability-Forschung ergänzt die selbstregulativen noch um zivilgesellschaftliche Akteure (vgl. ebd.; Fengler 2012). Da es in dieser Arbeit um die Möglichkeiten der Steuerung journalistischer Praxis vonseiten des Regimes und der Feldakteure geht, sind vor allem die Forschungen zur Medienregulierung, CoRegulierung und Selbstregulierung von Interesse. Das Publikum wird hier nicht mit einbezogen.4 Ausgehend vom Untersuchungsgegenstand, der die zu beobachtenden Normen in Form von Gesetzen und Ethikkodizes in den Blick nimmt, lassen sich verschieden stark institutionalisierte Akteure der Normenbeobachtung und Durchsetzung identifizieren (vgl. Fengler/Eberwein/Leppik-Bork 2011: 12).5 Die für Gesetze wohl dominanteste Form sind Gerichte und Regulierungsbehörden, beides hoch institutionalisierte staatliche Akteure. In der Forschung zum Medienrecht wird unterschieden, wer die Einhaltung von Rechtsnormen einfordern kann. Dabei unterscheiden sich die entsprechenden Akteure je nach Norm und Regelungsbereich. Für Deutschland und die meisten Demokratien besteht diese Möglichkeit einerseits für jede natürliche Person, d.h. für jeden Bürger und andererseits für staatliche Institutionen. Die zuständige Gerichtsbarkeit, d.h. die Entscheidung darüber, ob eine Normenverletzung vorliegt und eine Sanktionierung erfolgen soll, liegt bei den für den jeweiligen Regelungsbereich zuständigen Gerichten. So ist beispielsweise die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts ebenso möglich wie die der Landgerichte oder der Verwaltungsgerichte. Die Regelungsbereiche in Zusammenhang mit der Gerichtsbarkeit bestimmen auch die möglichen Sanktionen für eine Nichteinhaltung der Regeln (vgl. Branahl 2006: 249ff.). Auch wenn die Justiz in autoritär regierten Ländern zumeist weder ausreichend unabhängig noch in dem Maße ausdifferenziert ist wie in Demokratien, so lassen sich an dem Prozedere doch grundsätzliche – auch für Autokratien relevante – Fragen anschließen: Wer kann die Einhaltung von Normen einfordern, d.h. wer kann die Gerichte anrufen? Welches Gericht entscheidet? Welche Sanktionsmittel stehen zur Verfügung? Nach einem ähnlichen Fragenmuster lassen sich auch die Prozesse der Beobachtung durch staatliche Regulierungsbehörden betrachten. Staatliche Regulierungsbehörden sind den Ministerien zugeordnet, die für die Regelung des jeweiligen Normenbereichs zuständig sind. Sie lassen sich nach Mediensektoren unterscheiden, in

4

Zur Rolle des Publikums für den Prozess der media accountability in Jordanien vgl. Pies 2014.

5

Die Typologie von Instrumenten der media accountability von Fengler/Eberwein/ Leppik-Bork (2011) unterscheidet sich an zwei Stellen von der hier dargestellten. Sie umfasst nämlich die Beobachtung und Sanktionierung sowohl expliziter wie impliziter Normen, beschränkt sich aufgrund der Konzeption von media accountability auf der medienexternen Ebene aber auf Akteure der Zivilgesellschaft.

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der Regel Presse- und Telekommunikationsangelegenheiten. Während die Ministerien bei der Normensetzung mitwirken, sind sie zumeist bei deren Beobachtung nicht direkt involviert und setzen deshalb Regulierungsbehörden ein, um diese Aufgabe zu erfüllen. Staatliche Regulierungsbehörden unterscheiden sich von coregulativen vor allem durch die Besetzungspraxis ihrer Leitungen (vgl. Puppis 2010: 109ff.). In den meisten europäischen Ländern ist die Exekutive zuständig für die Leitung bzw. Leitungsauswahl von Regulierungsbehörden (vgl. Donges 2010). Zu den Aufgaben der Behörden gehören überwiegend die Vergabe von Lizenzen, die Überwachung der Einhaltung von mit der Lizenzvergabe verbundenen Regeln und die Beobachtung der Einhaltung gesetzlicher Normen. Daneben gibt es auch Regulierungsbehörden, die in den Normensetzungsprozess eingebunden sind und Verordnungen oder Kodizes ausarbeiten (vgl. Puppis 2010: 111ff.). Die Einhaltung von Normen kann in einigen Ländern auch von den Bürgern eingefordert werden, wie bei der Ofcom in Großbritannien. Weitaus häufiger veranlassen dies staatliche Stellen. Auch die Sanktionsmöglichkeiten unterscheiden sich von Behörde zu Behörde und von Land zu Land. In den meisten Fällen sind Lizenzentzug oder Bußgelder im Sanktionsrepertoire enthalten. Aufgrund der Abhängigkeit von Ministerien oder anderen Organen der Exekutive wird in Demokratien häufig über die Legitimation solcher Regulierungsbehörden diskutiert, sind sie doch teilweise in den Normensetzungs- und entscheidend in den Normenbeobachtungsprozess eingebunden. Zwar können »substantielle« und »prozedurale Legitimation« keine direkte Legitimation ersetzen, doch erlauben sie zumindest aufgrund einer gewissen Transparenz der Entscheidungen oder einer gesellschaftlich relevanten Outputs eine gesellschaftliche Akzeptanz (vgl. Puppis 2010: 114). Von staatlicher Seite aus müssen für autokratische Systeme wie Jordanien auch wenig bis gar nicht institutionalisierte Durchsetzungsversuche durch Geheim- und Sicherheitsdienste, aber auch einzelne politische Akteure berücksichtigt werden (vgl. Choucair 2006: 10; Al-Quds 2009). Je nach machtpolitischer Konstellation innerhalb des Regimes können stark und gering institutionalisierte Formen der Normenbeobachtung sich unterscheiden, was zu der Situation führen kann, dass Gerichte ein regelkonformes Handeln beobachten, während beispielsweise Geheimdienstmitarbeiter darin eine zu ahndende Praxis sehen. An solchen Differenzen zeigen sich oft auch Regime-interne Fraktionierungen. Um das oben erwähnte Legitimationsdefizit staatlicher Regulierungsbehörden zu reduzieren, gibt es noch eine weitere Möglichkeit, die zunehmend in Demokratien eingesetzt wird: die Einbindung feldinterner Akteure. Diese Art der Regulierung wird als Co-Regulierung oder auch regulierte Selbstregulierung bezeichnet. In Co-Regulierungsprozessen beauftragt der Staat entweder private Akteure, in seinem Namen Normen zu definieren und/oder zu sanktionieren oder er arbeitet mit diesen Akteuren zusammen. Die Regelungsbereiche in demokratischen Ländern stellen meist journalistische Inhalte dar. Die Zusammenarbeit gestaltet sich von Land zu

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Land unterschiedlich. In einigen europäischen Ländern ist der Staat an der Finanzierung von Presseräten beteiligt (z.B. Deutschland). Weitaus häufiger lässt sich aber eine Konstruktion finden, in der der Staat für Bereiche des Jugendschutzes, der Verhinderung von Diskriminierung oder von Gewaltverherrlichung die Einrichtung sogenannter »Freiwilliger Selbstkontrollen« einsetzt.6 Die Normensetzung erfolgt – meist als Gesetzesnormen – von Staatsseite aus, wohingegen die Beobachtung auch von Bürgern ausgehen kann. Die Entscheidung über eine Sanktionierung und den Einsatz verschiedener Sanktionsmittel trifft die Co-Regulierungsinstitution selbst (vgl. Puppis 2010: 115ff.). Vertreter einer Co-Regulation sehen in dieser Form der Beobachtung und Sanktionierung eine erhöhte Durchsetzungschance – vor allem im Gegensatz zu selbstregulativen Aktivitäten – da sie einen Kompromiss zwischen einer hohen Legitimität durch die Involvierung der Akteure aus dem Feld und einem relativ hohen Sanktionspotential repräsentieren (vgl. Puppis 2007; Donges 2007). Aufgrund der Möglichkeiten einer staatlichen Beeinflussung ist die Autonomie solcher Einrichtungen grundsätzlich fraglich und besonders mit Blick auf autoritär regierte Staaten problematisch. Aus dieser Sicht scheint das für CoRegulierung von Lauk und Denton hervorgehobene Kriterium der »vom Staat an die Co-Regulierungsinstitution abgegeben Verfügungsgewalt« (2011: 219, Übersetzung J.P.) hier besonders wichtig.7 Denn sonst können unter einer nach außen suggerierten Selbstkontrolle (Lauk und Denton sprechen von »light touch regulation«) staatliche Kontrollmechanismen aufrecht erhalten werden (ebd.). Co-regulative Prozesse scheinen deshalb besonders geeignet, Legitimations- Repressions- und Kooptationsversuche vonseiten des Regimes erfolgreich zu verwirklichen. Die Beobachtung und Sanktionierung von Normen aus professionellen Ethikkodizes kann ebenfalls durch unterschiedlich stark institutionalisierte Akteure erfolgen. Die am häufigsten im Zusammenhang mit Kodizes auf der professionellen Ebene genannten Akteure sind Presse- oder Medienräte (vgl. Fengler et al. 2011). Je nach Zusammensetzung dieser Räte können sich verschiedene Einflusssphären überlappen. Es gibt nämlich Presseräte, in denen neben Vertretern der Journalistenschaft (professionelle Ebene) und Vertretern der Medienunternehmen (organisationelle Ebene) auch medienexterne Vertreter wie Bürger oder auch Politiker teilha-

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Für einen Überblick über derartige Einrichtungen in Deutschland vgl. den Band von Baum et al. (2005).

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Lauk und Denton (2011) beziehen sich auf Helds Definition von Co-Regulierung, die vier Kriterien enthält: 1. Ziel der Co-Regulierung ist die Erfüllung gesellschaftlich relevanter Politikziele. 2. Es besteht eine rechtliche Verbindung zwischen nicht-staatlichen und staatlichen Akteuren. 3. Der Staat überlässt nicht-staatlichen Akteuren die Verfügungsgewalt über staatliche Aufgaben. 4. Der Staat stellt Ressourcen zur Verfügung, um den Regulierungsprozess zu gewährleisten (Held 2007: 357).

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ben. Die Überlappung verstärkt sich noch dadurch, dass auch die Akteure der Beobachtung variieren können. So gibt es Presseräte, die jedem Bürger die Möglichkeit bieten, eine Beschwerde einzulegen, aber auch solche, die es nur ausgewählten Personen gestatten (vgl. Fengler et al. 2011: 165f.; Puppis 2010: 115f., 2009). Geringer institutionalisierte Formen der Beobachtung und Sanktionierung von Ethikkodizes auf organisationeller Ebene sind beispielsweise redaktionsinterne Diskussionen, redaktionelle oder professionelle Disziplinarkomitees oder Ombudspersonen, die redaktionseigene oder professionelle Regeln beobachten (vgl. im Überblick z.B. Fengler/Eberwein/Leppik-Bork 2011: 10ff.; Lauk/Denton 2011: 220ff.; Bertrand 2000: 111ff.). Die wenigen genannten Beispiele verdeutlichen bereits, dass eine Vielzahl von Akteuren in den Prozess der Beobachtung und Sanktionierung involviert sein kann. Dabei stellt sich besonders deutlich die Frage, welche Sanktionsmittel eingesetzt werden. Die Sanktionierung von Verstößen gegen Normen aus Ethikkodizes unterscheidet sich auf den ersten Blick – zumindest in demokratischen Systemen – von denen aus Gesetzen unter anderem dadurch, dass ihr Sanktionspotential scheinbar geringer ausfällt. Ganz allgemein gesprochen handelt es sich bei einer Sanktion um den Entzug oder die Nicht-Gewährung von Ressourcen. Wie hoch dieser Ressourcenentzug ausfällt und welche Ressourcen zur Disposition stehen variiert: von Freiheitsentzug über Geldstrafen bis hin zu weniger sichtbaren Folgen wie dem Entzug von Anerkennung, Verweigerung von Informationen etc. Für demokratische Gesellschaften gilt, dass der immaterielle Ressourcenentzug im Journalismus eine wenigstens ebenso große Bedeutung hat wie der materielle (vgl. Fengler 2012: 181f.). Dies liegt vor allem daran, dass immaterieller Ressourcenentzug die Legitimation journalistischen Handelns im journalistischen Feld selbst reduziert. Für autokratische Regime ist diese Einschätzung jedoch zu relativieren, denn zahlreiche Gesetzesnormen können nicht nur professionelle Ressourcen, sondern auch individuelle Ressourcen entziehen, z.B. durch individuelle Geldstrafen oder Freiheitsentzug. Doch mit voranschreitender Liberalisierung ist auch für autoritäre Herrschaftsformen davon auszugehen, dass der materielle Ressourcenentzug in den Hintergrund und der immaterielle bzw. symbolische in den Vordergrund rückt. Auf diese Weise lässt sich nämlich möglicherweise der Schein einer Liberalisierung wahren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Durchsetzungspotential der Versuche, den normativen Referenzrahmen gezielt zu verändern, vor allem durch zwei Faktoren bestimmt wird: erstens den Grad der Institutionalisierung und den damit verbundenen Sanktionsmitteln und zweitens die Legitimation durch Einbindung von Feldakteuren. Für eine analytische Erarbeitung potentieller Durchsetzungschancen verschiedener Transformationsversuche wird also zu konkretisieren sein, wer in den Beobachtungsprozess involviert ist und wer auch Sanktionen einfordern kann. Hier wird zwischen verschieden hoch institutionalisierten Akteuren und ihrer Beziehung zum Regime zu unterscheiden sein. Außerdem muss geklärt werden, wer

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über die Sanktionsverhängung entscheidet und welche Sanktionen verhängt werden können. Auch hier muss wieder die Nähe bzw. Ferne zum Regime unterschieden werden. Daraus ergeben sich analog zum Analysemuster für die Mechanismen der Normensetzung drei Fragen für die Mechanismen der Normendurchsetzung: • Welche Akteure sind in den Beobachtungsprozess involviert, können auch Sank-

tionierungen einfordern und auf welcher Einflussebene lassen sie sich verorten (extramedial, professionell, organisationell)? • Welche Akteure entscheiden über eine Sanktionierung und auf welcher Einflussebene lassen sie sich verorten? • Welchen Institutionalisierungsgrad weisen die in den Beobachtungs- und Sanktionsprozess involvierten Akteure auf (hoch oder gering) und welche Sanktionen stehen ihnen zur Verfügung (materieller oder immaterieller Ressourcenentzug)?

2. R ESSOURCENKONSTELLATION Während die Analyse der Positionierung von Akteuren gegenüber dem normativen Referenzrahmen des Journalismus aufzeigen soll, wo Wandelbereitschaft besteht, kann die Betrachtung der Ressourcenkonstellation Aufschluss darüber geben, wo Wandelfähigkeit zu finden ist. Die Durchsetzungspotentiale stehen in Verbindung mit einer spezifischen Sicht auf das Feld, von der Position im Feld und der mit ihr verbundenen Ressourcenkonstellation. Für die Frage nach einem Wandel im Journalismus muss deshalb zunächst geklärt werden, wie sich diejenigen Akteure identifizieren lassen, die besonders dazu befähigt sind, die eigenen Sichtweisen auf das Feld auch durchzusetzen. Dazu soll ein analytischer Rahmen geschaffen werden, durch den die Betrachtung der Bedingungen des jordanischen Journalismus erfolgen soll. Für den Journalismus ist immer wieder betont worden, dass es sich um ein stark arbeitsteiliges Feld handelt, in dem die Redaktion und das Medienunternehmen eine wichtige Rolle für die journalistische Praxis einnehmen. Das führte in der Journalismusforschung dazu, dass in erster Linie die Ressourcen betrachtet wurden, die für die alltägliche journalistische Arbeit offensichtlich relevant sind, etwa zeitliche, sachliche und redaktionelle Ressourcen (vgl. Altmeppen 1999: 60ff.). Auch wenn Altmeppen in der Ausformulierung seiner Ressourcen nur die berufsbezogenen anführt, so kommen in seinem theoretischen Konzept des journalistischen Handelns doch auch außerberufliche Ressourcen ins Spiel. Er weist explizit darauf hin, dass vorjournalistisch erworbene Ressourcen wie Ausbildung oder sprachliches Vermögen nicht »an der Garderobe der Redaktion« abgelegt würden, subsumiert sie jedoch unter dem »Erfahrungswissen« der Akteure (vgl. Altmeppen 1999: 54). Ausdrücklich als Ressourcen benennt Raabe solche Erfahrungen wie Ausbildung, jour-

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nalistische Fertigkeiten oder Prestige, die er im Gegensatz zu organisationsbezogenen Ressourcen als akteursbezogene Ressourcen bezeichnet (vgl. Raabe 2005a: 164). Da die Positionierung gegenüber Normen nicht allein einer beruflichen Sozialisation und den dort erworbenen Erfahrungen und Ressourcen entstammt, sondern auch aus denen einer außerberuflichen Sozialisation, werde ich akteurs- und organisationsbezogene Ressourcen betrachten. Zugleich müssen beide Ressourcenarten auch hinsichtlich des Durchsetzungspotentials als relevant erachtet werden: »Wenn ein Journalist sehen will, was er bewirken kann, muß er sich eine Reihe von Parametern bewußt machen: einerseits die Position seines Unternehmens innerhalb des journalistischen Feldes, ob er also im Fernsehen oder für eine Tageszeitung arbeitet, zweitens seine eigene Position im Raum seines Presseorgans oder seines Senders.« (Bourdieu 1998: 57)

Diese analytische Trennung von akteurs- und organisationsbezogenen Ressourcen kommt auch der Forderung aus der Einleitung nach, die Journalisten als soziale Akteure konzipiert sehen möchte, deren Handeln nicht allein aus Feld-spezifischen Erfahrungen und Ressourcen herrührt. Da die Bedeutung von Ressourcen von Feld zu Feld und von Land zu Land variieren kann, berücksichtigt die folgende Diskussion von potentiell relevanten Ressourcen für den Journalismus autoritärer Regime vor allem Erkenntnisse aus der Journalismusforschung zu arabischen Ländern. 2.1 Akteursbezogene Ressourcen Auf der Akteursebene lassen sich nicht alle Kapitalien mehren. Das Geschlecht, das Alter oder die familiäre Herkunft sind per se durch die Akteure nicht zu beeinflussen. Allerdings können sie durch den Erwerb anderer Ressourcen ausgeglichen oder verstärkt werden (Raabe 2005a: 191). Daneben sind die Ressourcen Ausbildung und Einkommen wichtig, um Handlungspotentiale im Journalismus zu bestimmen. Welche Bedeutung das GESCHLECHT für das Handlungspotential eines journalistischen Akteurs hat, zeigt sich an verschiedenen Ergebnissen der Genderforschung im arabischen (wie europäischen) Kontext. Sowohl Sakr (2004) als auch Mellor (2007) weisen darauf hin, dass es für Frauen in den arabischen Medien oft schwieriger ist, Tabuthemen anzusprechen, weil ihre Position in den Redaktionen insgesamt eine schwächere ist als die der Männer. Dazu gehört beispielsweise die Beobachtung, dass Frauen seltener als Männer in den »harten« Themenressorts wie Politik und Wirtschaft zu finden sind, die eine größere Anerkennung genießen als Kultur oder Gesellschaft, in denen Frauen häufiger beschäftigt sind (vgl. Abu-Fadil 2004). Gleichzeitig sind Frauen seltener in leitenden Positionen in Medienunternehmen zu finden (vgl. Mellor 2007: 62; Abu-Fadil 2004: 181). Auch scheinen in den meisten arabischen Ländern die finanziellen Zuwendungen und Unterstützun-

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gen nach Geschlechtern unterschieden. Frauen verdienen vergleichsweise weniger als ihre männlichen Counterparts in ähnlichen Positionen.8 Finanziell würden Männer eher Unterstützung für die Ausbildung ihrer Kinder oder für Versicherungen erhalten, während Frauen Make-up oder Friseurkosten erstattet bekämen (vgl. Mellor 2007: 61). Es gibt aber auch »Ausnahmejournalistinnen«, die sich aufgrund ihres Geschlechts ein gewisses Renommee und eine finanzielle und / oder politische Unabhängigkeit geschaffen haben, die ihre Handlungsfreiräume erweitern.9 So sind beispielsweise einige Frauen im arabischen Fernsehen als Moderatorinnen zu »Traumfrauen für Millionen von arabischen Männern« (Mellor 2007: 59) geworden, was ihnen Bewunderung und Anerkennung einbringt. Dies gibt den Moderatorinnen gleichzeitig eine bessere Verhandlungsposition und größere Handlungsfreiräume gegenüber ihren Medienunternehmen, die von dem Ruhm ebenfalls profitieren. Positiv wirkt sich das ›Frau-Sein‹ auch in manchen Fällen als Reporterin aus. Beispielsweise waren weibliche Reporter während der ersten Intifada in Palästina besonders gefragt, weil sie als weniger bedrohlich galten und besser Zugang zu den Leuten fanden (vgl. Somiry-Batrawi 2004: 111). Dennoch muss davon ausgegangen werden, dass männliche Journalisten aufgrund ihres Geschlechts tendenziell eher in der Gruppe der dominierenden Akteure zu finden sind als Frauen und aufgrund dessen weniger dazu geneigt sind als Frauen, die Spielregeln des Feldes zu verändern. Für die Annahme, dass Frauen in journalistischen Feldern eher heterodoxe Tendenzen vertreten, spricht auch, dass Journalistinnen eher in einem journalistischen Milieu zu finden sind, das sich an einem Berufsverständnis orientiert, das von Hanitzsch als »kritische Wandelagenten« charakterisiert wird (2011: 488).10 Dieses Berufsverständnis zeichnet sich durch eine kritische Haltung gegenüber politischen

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Alle drei Benachteiligungspunkte lassen sich auch für Deutschland benennen, das haben die beiden Studien zum Journalismus in Deutschland unter Federführung von Siegfried Weischenberg ergeben (vgl. Weischenberg/Scholl 2001, Weischenberg/Scholl/Malik 2006).

9

Als Beispiel seien hier genannt: für Jordanien Rana Husseini, Journalistin bei der Jordan Times, oder Rana Sabbagh, Leiterin der Organisation Arabische Reporter für investigativen Journalismus (ARIJ), für den panarabischen Kontext, Montaha al-Romhei, ehemals Moderatorin bei Al-Jazeera, heute Al-Arabiya oder May Chidiac, Nachrichtensprecherin beim libanesischen Fernsehsender LBC (vgl. Mellor 2007:62).

10 Hanitzsch (2011) unterscheidet zwischen vier journalistischen Milieus: dem »populistischen Verbreiter« (populist disseminator), dem »distanzierten Wachhund« (detached watchdog), dem »kritischen Wandelagenten« (critical change agent) und dem »opportunistischen Bereitsteller« (opportunist facilitator). Allerdings konstruiert er die Milieus lediglich auf unterschiedlichen »Orientierungen« hinsichtlich dreier Faktoren: Interventionismus, Distanz zur Macht und Marktorientierung.

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Eliten sowie Wirtschaftseliten und der Befürwortung eines aktiv einflussnehmenden Journalismus aus (Hanitzsch 2011: 486). Als von den Akteuren unbeeinflussbare Ressource muss neben dem Geschlecht auch das ALTER betrachtet werden. Es gibt nicht nur Aufschluss über Lebens- und Berufserfahrung, sondern weist auch auf besondere gemeinsame historischer Erfahrungen hin, die für die Sicht auf das Feld entscheidend sein können. So können politisch-gesellschaftliche Umbrüche wie 1989 in Jordanien oder andere historische Ereignisse Folgen für journalistisches Handeln haben. Zu Letzteren gehören besonders kollektive Traumata eines Bürgerkriegs wie für Jordanien der »Schwarze September« von 1970 bis 1971 oder Terroranschläge wie der »jordanische 9/11« im Jahr 2005. Eine Folge solch kollektiver Traumata kann beispielsweise Angst eines erneuten Gewaltausbruchs in Form von Selbstzensur hinsichtlich gesellschaftlich umstrittener Themen sein (vgl. für Libanon Nötzold 2007: 378ff.). Das Alter – übertragen als Konzept der Generation – haben deshalb Studien genutzt, die dem Wandel von Journalismus nachgehen wollen. Dabei nehmen sie unterschiedliche Sozialisationsprozesse als Unterscheidungskriterium der jeweiligen Generationen an, ziehen aber auch zeitgeschichtliche Entwicklungen und Ereignisse als Abgrenzungsmodi mit hinzu (vgl. Peiser 2003, Ehmig 2000). Ehmig stellt beispielsweise für den deutschen Journalismus fest, dass ein Generationenwechsel mit einer Veränderung der Bedeutung und Interpretation des Objektivitätskonzepts einhergeht. So würde die ältere Generation unter Objektivität eher die »faire Wiedergabe verschiedener Standpunkte« und die jüngere eher die »Jagd nach harten Fakten« verstehen (Ehmig 2000: 307). Auch mit Blick auf das Verständnis des Persönlichkeitsschutzes führt sie aus, dass sich der Journalismus mit neuen Generationen verändert hat. Dies zeige sich unter anderem in den unterschiedlichen Wertungen von fragwürdigen Recherchemethoden oder in der Enthüllung von Informationen über Personen. Beide Aspekte wurden von den jüngeren eher gebilligt als von den älteren (Ehmig 2000: 307f.). Auch Hanitzsch hat in seiner international vergleichenden Studie über journalistische Milieus herausgefunden, dass ein Milieu des »distanzierten Wachhundes« eher bei den älteren Journalisten zu finden ist, die im Schnitt vier bis fünf Jahre älter sind als die Journalisten in anderen Milieus (Hanitzsch 2011: 488). In einem solchen Milieu bewegen sich Journalisten, die besonders großen Wert auf ihre Distanz zu Regierungs- und Wirtschaftseliten legen und sich als deren Kontrolleure betrachten. Peiser geht sogar so weit zu vermuten, dass Journalisten durch historische Ereignisse überdurchschnittlich (im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Akteuren) geprägt werden. Allerdings schränkt er selbst ein, dass diese These nicht belegt ist (2003: 204). Jüngere Journalisten werden also Regeln und die Art ihrer Einhaltung tendenziell anders wahrnehmen und deuten – und dadurch möglicherweise zu einer entsprechend veränderten Handlungspraxis gelangen als ältere (vgl. Raabe 2005a: 192). Das heißt allerdings nicht, dass sich der Journalismus zwangsläufig mit einer jeden Generation ändern muss, denn zur selben Zeit

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sind die (älteren) im Feld schon lange aktiven Akteure darauf bedacht, das Umschreiben ›ihrer Regeln‹ nicht zuzulassen. Da sie üblicherweise zugleich über längere Berufserfahrung verfügen und bereits mehr Feld-relevantes Kapital akkumulieren konnten, nehmen sie eher dominante Positionen im Vergleich zu den jüngeren Kollegen ein. Die Wandelbereitschaft von jüngeren Journalisten ist vermutlich also größer, nicht aber zwingend ihre Wandelfähigkeit. Darüber hinaus dürfen Unterschiede zwischen den Akteuren einer Generation nicht vernachlässig werden wie neo-konservative Strömungen in einem Feld eindrücklich belegen. Eine dritte von den Akteuren unveränderliche Ressource ist die familiäre HERKUNFT, die vor allem für einen spezifischen Besitz von sozialem Kapital relevant ist. Wichtig für die Betrachtung der Herkunft als Ressource in der arabischen Welt ist die Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen oder bestimmten Familienstrukturen. In Ländern, in denen die ethnische Herkunft eine wichtige Ressource im gesellschaftlichen Machtkampf insgesamt darstellt wie etwa im Libanon, im Irak oder in Jordanien, drängt sich die Vermutung auf, dass auch im journalistischen Feld diese Ressource von Bedeutung ist. Dies auch deshalb, weil sie häufig mit einem anderen, die Handlungspotentiale der Akteure beeinflussenden Faktor verbunden ist, dem sogenannten wasta. Das arabische Wort wasta kann als »Vermittlung« oder auch als »Fürsprechen« übersetzt werden und meint den Prozess, in dem andere für einen selbst etwas ermöglichen, das man ohne ihn/sie nicht erreicht hätte. Dabei kann es sowohl um die Beilegung eines Streites als auch um die Gewährung von materiellen Vorteilen gehen. Wasta kann als soziales Kapital verstanden werden, das auf der Grundlage von familiären Bindungen, aber auch aufgrund von Zugehörigkeiten zu einer religiösen oder ethnischen Gruppe, einer politischen Partei oder seltener auch anderer Freundschaften eingefordert werden kann und als Teil dieser Bindung auch erbracht werden sollte (vgl. Cunningham/Sarayrah 1993). Für den Journalismus ist wasta vor allem in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: zum einen beim Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis und damit dem Feldeintritt und zum anderen bei der Suche nach Informationen. Wasta kann sowohl die Handlungsoptionen erweitern, wenn beispielsweise eine ›schützende Hand‹ ermöglicht, die bestehende Pressefreiheit auszunutzen oder gar zu erweitern. Gleichzeitig verpflichtet wasta aber auch zu einer besonderen Loyalität, die mit einer größeren Abhängigkeit einhergehen kann.11 Die AUSBILDUNG wird häufig in Zusammenhang gebracht mit einem Eintritt ins Feld. Im Gegensatz zu Befunden aus deutschen Studien, in denen der Journalismusbezogene universitäre Abschluss an Bedeutung für den Eintritt und die berufliche Entwicklung gewonnen hat (vgl. Schäfer 2004), scheint sich dieses Phänomen in der arabischen Welt bislang noch nicht durchgesetzt zu haben. Dies liegt wohl vor

11 Zu Chancen und Problemen von wasta vgl. auch Al-Ramahi 2008.

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allem daran, dass lange Jahre die universitäre Journalistenausbildung bis auf wenige Ausnahmen wie Libanon oder Ägypten kaum ausgeprägt war. In den letzten Jahren sind jedoch viele Journalismus-bezogene Studiengänge in verschiedenen arabischen Staaten entstanden und durch eine Zunahme an Praxis-bezogenen Ausbildungen ergänzt worden. Auch die panarabischen Medien bemühen sich, ihre Mitarbeiter besser auszubilden, z.B. Akhbar Al-Yaum, Al-Jazeera, An-Nahar etc. Dennoch bleibt das on-the-job-training wichtigstes Element der Journalistenausbildung und ermöglicht so den Eintritt zum Journalismus auch ohne vorherige Journalismusspezifische Ausbildung (Mellor 2007: 56). Für das Wandlungspotential stellt die medieninterne Ausbildung allerdings eher eine Ressource für Beharrungs- denn für Transformationstendenzen dar. Die spezifischen Habitus einer Organisation werden auf diese Weise stärker an Neulinge herangetragen als ein von außen geschulter (kritischer) Blick aus der externen Ausbildungsorganisation. Die Probleme zwischen Theorie und Praxis, die nach einer universitären Ausbildung beim Einstieg in den Beruf regelmäßig beschrieben werden, sind ein Beispiel für diese Uneinigkeiten zwischen jungen und erfahrenen Kollegen beispielsweise im Hinblick auf innovative Techniken oder journalistische Freiheiten (vgl. exemplarisch für Frankreich Baisnée/Ballande 2011: 12). Zugleich ist jedoch auch ein besonderes Augenmerk auf die Art der außer-redaktionellen Ausbildung zu richten. Über ein Ausbildungssystem, das quasi die Sichtweise derer vertritt, die im Feld die dominanten Positionen einnehmen, führt tendenziell ebenfalls eher zu Beharrung. Auch für die berufliche Weiterentwicklung spielt die Ausbildung eine Rolle. Turkestani behauptet gar für den Journalismus in der arabischen Welt, dass man persönliche Kontakte brauche, um in den Job zu kommen, um in der Hierarchie aufzusteigen, benötige man jedoch »Beherrschung der Stimme« und »Redakteursfähigkeiten« (zitiert nach Mellor 2007: 64, Übersetzung J.P.). Demnach würde der Wert der Aus- und Weiterbildung im Kampf um höhere Positionen im Feld steigen. Es fehlen allerdings wissenschaftliche Befunde, die den Zusammenhang zwischen Ausbildung und Wandel-freudigen Positionen belegen würden. Mellor führt lediglich an, dass eine zunehmende Zahl von Journalisten, die ihre Ausbildung im Westen oder in westlich-orientierten Universitäten ihrer Heimatländer erhalten haben, als Katalysatoren für neue Genres zu betrachten sind (2007: 51). Auch Journalistenpreise, die als Titel oder Ausbildungskapital in west-europäischen Journalismuskarrieren als positionsstärkend eingesetzt werden können, spielen in der arabischen Welt erst seit Kurzem eine Rolle und sind noch nicht näher erforscht. Seit 1999 gibt es etwa den Arab Press Award (Dubai), den Middle East Broadcasting Award (Libanon) oder die Auszeichnung der NRO Arabische Reporter für investigativen Journalismus (ARIJ) für besonders gute investigative Recherchen. Mellor betrachtet das Gewinnen eines Preises zwar als Auszeichnung durch die Peers (2007: 67f.). Allerdings vergeben auch autokratische Regime solche Preise wie den King Abdallah Award in Jordanien, die einen Zusammenhang zwischen Preisvergabe und

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Wandelpotential in Frage stellen und eine genauere Betrachtung der Wertschätzungen der Preise innerhalb des Feldes erfordern. Das SYMBOLISCHE KAPITAL ist nach Bourdieu keine eigenständige Kapitalsorte. Vielmehr ist es die Form eines Feld-spezifischen, besonders machtvollen Kapitals (Bourdieu/Wacquant 2006: 151). Für den Journalismus besteht die wichtigste symbolische Ressource in der öffentlichen Aufmerksamkeit.12 Doch gibt es innerhalb dieser symbolischen Ressource feine Abstufungen, die sich von Feld zu Feld unterscheiden. Eine wohl für die meisten journalistischen Felder relevante Unterscheidung ist der Ort der Veröffentlichung. Für die arabische Welt ist hier die Unterscheidung zwischen sahafi (Printjournalisten) und i'lami (Rundfunkjournalisten) als Distinktion zwischen der gedruckten und der elektronischen Veröffentlichung journalistischer Werke hervorzuheben. Während sich die sahafi als die »wahren« Journalisten mit Expertenstatus sehen, gestehen sie den i'lami lediglich den Ruf als »Unterhalter« zu (vgl. Mellor 2007: 63ff.).13 Es spielen jedoch nicht nur die jeweils prestigeträchtigen Medien eines Feldes eine Rolle, sondern auch die Ressorts, in denen veröffentlicht wird. Im Kontext mit dem Geschlecht wurde bereits erwähnt, dass die ›harten‹ Ressorts, wie Politik oder Wirtschaft, einen höheren symbolischen Wert haben als ›weiche‹ Ressorts, wie etwa Kultur oder Soziales. Diese Unterscheidung gilt auch für den arabischen Journalismus. Auch wird der Auslandsberichterstattung im arabischen Journalismus eine besondere Bedeutung beigemessen: Journalisten tendierten dazu, die »große Politik«, das heißt die Außenpolitik und außenpolitische Themen, zu bevorzugen (vgl. ebd.: 113). Dies hieße, dass die Veröffentlichung derartiger Beiträge eine zusätzliche symbolische Macht entfalten könnte. Gleichzeitig lassen sich jedoch Tendenzen erkennen, die genau diese symbolische Macht herauszufordern versuchen. So führt Sakr beispielsweise eine Reihe von Journalisten an, die eine Fokussierung auf Auslandsthemen und -fokusse kritisieren (2007: 54). Nötzold und Pies (2010) zeigen auf, wie nationale Medienunternehmen im Libanon und Jordanien Lokalberichterstattung als Strategie nutzen, um auf dem Fernsehmarkt mit panarabischen Sendern wie Al-Jazeera und Co. zu überleben. Hier scheint sich also ein Spannungsfeld aufzutun. Für viele westliche Länder gilt, dass Journalisten ein – im Vergleich zu anderen Akademikerberufen – geringes monetäres EINKOMMEN erzielen. Die Motivation für viele Journalisten, ihren Beruf dennoch auszuüben, führen Fengler/Russ-Mohl dar-

12 Bastin spricht von einem »Prestigemetier« (Bastin 2003: 268) und Fengler/Russ-Mohl führen die öffentliche Aufmerksamkeit sogar als wichtigeren Anreiz für journalistisches Handeln als Geld an (2005: 11). 13 Braune berichtet aus ihrer Forschung, dass sie in einem Interview auf Englisch nach »journalists« fragte, die Interviewpartner aber lediglich auf die sahafi eingingen und die i'lami völlig ausklammerten (Braune 2005: 56).

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auf zurück, dass Journalisten ein »überdurchschnittlich hohes ›Einkommen‹ an Aufmerksamkeit« (2005: 112) erhalten. In seiner international vergleichenden Studie hat Weaver jedoch festgestellt, dass Journalisten aus unterschiedlichen Ländern den materiellen Interessen unterschiedlich großen Wert beimessen. Während beispielsweise Journalisten aus Brasilien oder Ostdeutschland ihrem monetären Auskommen große Bedeutung beimaßen, konnte dies bei Journalisten aus Frankreich, Chile oder Mexiko nicht gezeigt werden (Weaver 1998b: 474f.).14 Allerdings ist auch bei denjenigen, die der Bezahlung einen geringeren Wert beimessen als etwa der »Berufsautonomie« oder der Möglichkeit, »Menschen zu helfen«, die finanzielle Belohnung ihres beruflichen Tuns ein großer Anreiz für ihr Handeln. Große Gehaltsdifferenzen innerhalb des Berufsstandes eines Landes, so Fengler und RussMohl, schaffen einen höheren Anreiz zu »Grenzüberschreitungen und kriminellem Verhalten« (2005: 177). Sie erklären damit Überschreitungen von Berufsnormen wie der Unbestechlichkeit, der Fälschung von Informationen oder der unsauberen Recherche (vgl. Fengler/Russ-Mohl 2005: 177ff.). In Ländern, in denen Arbeitnehmerrechte beispielsweise in Form von Kündigungsschutz nicht stark ausgeprägt sind, die Arbeitsmarktlage für Journalisten extrem prekär ist oder das Einkommen kaum zur Existenzsicherung reicht, muss eine gute finanzielle Ausstattung der Akteure grundsätzlich als Ressource der Macht betrachtet werden. Rana Sabbagh, eine bekannte Journalistin in Jordanien, gab in einem Interview frei zu, dass sie ohne ihre finanzielle Unabhängigkeit, die durch die gute Situierung ihres Ehemannes gewährleistet wurde, niemals einen derart professionellen Journalismus hätte betreiben und vermutlich niemals die erste Chefredakteurin in Jordanien hätte werden können.15 2.2 Organisationsbezogene Ressourcen Nach den oben angeführten Wandel-Dynamiken muss generell eine Situation der Konkurrenz auf dem Medienmarkt und gleichzeitig die Möglichkeiten des Zugangs zum Medienmarkt als besonders spannungsgeladen für ein Feld eingeschätzt werden. Doch auch andere organisationsbezogenen Ressourcen erweitern die Handlungsoptionen von Akteuren, die in diesen Organisationen arbeiten.

14 In Brasilien sagten 91 Prozent der Befragten dass die Bezahlung sehr wichtig sei, in Ostdeutschland (73%), in Chile (2%), in Mexiko (7%), in Frankreich (16%). Im einzigen arabischen Land der Studie, Algerien, betrug der Prozentsatz 40 (Weaver 1998: 474f.). 15 »Wir müssen professionell sein, wir müssen kritisch gegenüber jedem sein und schreiben können, was immer wir wollen. [...] Wenn ich keinen wohlhabenden Mann gehabt hätte, hätte ich das niemals so tun können. Was ich sagen will, in gewisser Weise hatte ich einfach Glück.« (Interview mit Rana Sabbagh, 19.6.2006, Amman).

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Das ökonomische Kapital eines Medienunternehmens setzt sich aus unterschiedlichen Faktoren zusammen. Dazu gehören zuallererst die BESITZVERHÄLTNISSE: staatlich, privat oder gemischt (vgl. Duval 2005). Diese grundlegende Ressource hat Konsequenzen für eine Reihe von weiteren Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten. So kann beispielsweise der Staatsbesitz Vorzüge bei der Subventionsvergabe oder dem Generieren von Anzeigen bringen (vgl. Derradji 1995: 100). Je nach konjunktureller Entwicklung kann sich ein Staatsbesitz als Vorzug erweisen, wenn beispielsweise die Anzeigen aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage einbrechen und eine staatliche Finanzierung ein Fortbestehen garantiert. Staatsbesitzt wirkt jedoch als Nachteil, wenn etwa Staatshaushalte überschuldet sind. Die direkte und ausschließliche Finanzierung durch den Staat ist jedoch nur noch selten anzutreffen. Selbst in autoritären Regimen wie dem vor-revolutionären Tunesien wurden kostenaufwendige Medienorganisationen ›privatisiert‹. Da die Eigner nach der ›Privatisierung‹ jedoch Familienmitglieder oder loyale Unterstützer des Regimes waren, muss von einer Scheinprivatisierung gesprochen werden (vgl. hierzu Sakr 2007). Sowohl wirkliche als scheinbare Privatisierung haben zur Folge, dass die Medienorganisationen sich im Anzeigenmarkt positionieren müssen und die Bedeutung von Publikumszahlen und -struktur zunimmt. Anzeigeneinnahmen, Verkaufs- oder Abonnentenzahlen sowie Reichweiten haben allesamt – über das daraus ableitbare ökonomische Kapital – Einfluss auf die Feldposition der Organisationen (vgl. Benson 2005). Die Produktionsrhythmen, die räumliche Verteilung der Medienorganisationen eines Landes, die Erscheinungsweise bei Zeitungen bzw. die Ausrichtung im Rundfunkbereich als Sparten- oder Vollprogramm spielen ebenfalls eine Rolle bei den PRODUKTIONSKAPAZITÄTEN (vgl. Duval 2005). Auch die Struktur der Redaktionen ist entscheidend für die Position im Feld. So haben die Zahl der Mitarbeiter insgesamt, die Ausstattung mit Technik, die Anzahl der Ressorts und Korrespondenten eine Auswirkung darauf, was die Produktion leisten kann. Letztendlich wirken die finanzielle Ausstattung und die Produktionskapazitäten der Medienorganisation zurück auf ihre Mitarbeiter. Ob ein Journalist eine aufwendigere Recherche finanzieren kann oder in der Lage ist, publikumswirksame Fotos von Agenturabonnements der Medienorganisation zu nutzen, hängt nicht zuletzt von den finanziellen Möglichkeiten des Arbeitgebers zusammen. Symbolisches Kapital innerhalb des journalistischen Feldes zu erlangen, braucht Zeit, weshalb das Alter einer Medienorganisation ein wichtiges Kriterium für den Besitz dieses Kapitals ist (vgl. Duval 2005: 152). Für die Frage nach dem Potential für Wandel scheint sich deshalb auch hier eine Opposition zwischen Medienorganisationen aufzutun, die sich schon lange im Feld befinden und denen, die neu eintreten. Schäfer führt weiterhin das Beispiel der Meinungsführerschaft ins Feld. In Deutschland wird für die tagesaktuellen Printmedien v.a. Süddeutsche Zeitung (SZ) und Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) eine größere journalistische Qualität

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angenommen als für viele andere Tageszeitungen, die ihnen eine Meinungsführerschaft ermöglicht (vgl. Schäfer 2004: 324). Das Kapital dieser REPUTATION ermöglicht den genannten Zeitungen und den in ihr arbeitenden Journalisten größere Handlungsspielräume als beispielsweise Lokalmedien. So können PremiumAnzeigenkunden vermutlich eher von SZ oder FAZ gewonnen werden als von einer kleinen Lokalzeitung. Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass der Politikjournalist einer Qualitätszeitung ein Interview mit der Bundeskanzlerin führen wird als der Journalist der Lokalzeitung. Akteure, die in diesen Qualitätszeitungen arbeiten, haben also einen größeren Handlungsspielraum als die Kollegen in der Lokalzeitung. Journalistische Qualität kann an verschiedenen Strukturkriterien abgefragt werden, etwa durch die Weiterbildung von Journalisten in der eigenen Organisation und der Rekrutierung gut ausgebildeter Journalisten. Mellor (2007: 65f.) ist der Auffassung, dass sich die Einstellung der großen panarabischen Medien hinsichtlich ihrer Verantwortung zur eigenen Ausbildung von Mitarbeitern gewandelt hat. Während in den Anfangsjahren von Al-Jazeera und anderen panarabischer Satellitensender die meisten Medienunternehmen fertig ausgebildete Journalisten von nationalen Medien rekrutiert hätten, würden sie nun zunehmend auf eigene Ausbildung setzen. Als Beispiele sind Al-Jazeera, Akbar Al-Yaum oder An-Nahar zu nennen, die mittlerweile ihre eigenen »Journalistenakademien« eröffnet haben. Diese können als Aushängeschilder das symbolische Kapital der Professionalität einer Medienorganisation erhöhen. Im Hinblick auf ein Wandlungspotential kann dieser Trend zwar als ›Emanzipation‹ von den meist staatlichen oder Regime-nahen Ausbildungsstätten in der Region interpretiert werden, zugleich ist es jedoch auch eine Strategie, die eigene Sicht auf das Feld zu verteidigen und somit die aktuelle Position zu sichern. Für die autokratischen Regime in der arabischen Welt muss neben dem Kriterium der journalistischen Qualität auch die Frage nach der POLITISCHEN OPPOSITION für die Rolle von Meinungsführerschaften gestellt werden. Richter zeigt in ihrer Studie über die Medienstrategien ägyptischer Islamisten, dass islamistische Medien aufgrund ihrer oppositionellen Haltung gegenüber dem Mubarak-Regime als wichtige Quelle und zum Teil mit ihren eigenen Frames in den Mainstream-Medien Eingang gefunden haben. Der symbolische Wert der islamistischen Medien im journalistischen Feld ist also aufgrund ihrer oppositionellen Haltung gestiegen (vgl. Richter 2011). Auch andere Studien zum Zusammenhang von Medien und politischem Wandel haben auf eine Dichotomie Regime-nah versus Opposition gesetzt und herausgefunden, dass hier ein gewisses Wandlungspotential zu finden ist, das sich allerding nicht zwangsläufig in eine demokratische Transition ummünzen lässt (vgl. Richter 2011, Khamis 2007, von Korff 2003). Selbst wenn die oppositionellen Medien einen demokratischen Wandel nicht zwangsläufig vorantreiben, so müssen sie dennoch als relevante den Journalismus verändernde Akteure betrachtet werden. Als Indizien für eine solche Opposition können beispielsweise die Betonung von

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durch Regime-nahe Medien vernachlässigte Themen sein, die organisatorische Verknüpfung mit oppositionellen Parteien oder gezielte verbale und/oder exekutive Angriffe vonseiten des Regimes. Für den französischen Wirtschaftsjournalismus sieht Duval zudem die Verpflichtung von Gastautoren als wichtige medienbezogene Ressource (2005: 153). Fengler/Russ-Mohl beschreiben diese Kategorie etwas allgemeiner als »CELEBRITIES DES JOURNALISMUS« – schließen also Moderatoren, Starautoren etc. mit ein – und betrachten sie ebenfalls als eine wichtige symbolische Ressource von Medienunternehmen (Fengler/Russ-Mohl 2005: 117). Sie garantieren eine hohe Aufmerksamkeit und repräsentieren zugleich das Profil des Mediums. Mellor greift diese Ressource auch für die arabische Welt auf und verweist auf den Expertenstatus und damit auf das an die Person und das Medium gebundene Prestige von Printjournalisten, die in Satellitensendern auftreten (2007: 63f.). Auch die Möglichkeit, besonders beliebte oder einflussreiche Kolumnisten regelmäßig verpflichten zu können, muss als eine wichtige Ressource angenommen werden. Für Radio und Fernsehen übernehmen diese Rolle besonders beliebte Moderatoren. Die Möglichkeit, die nationale und internationale politische Elite als Quelle heranziehen zu können, sie als Studiogäste zu engagieren, sieht Mellor als prestigeträchtig für den einzelnen Journalisten (2007: 68). In vielen Fällen können gute individuelle Kontakte zur politischen Elite hilfreich sein. Allerdings ist bei dieser Einschätzung die Zuordnung von akteurs- und organisationsbezogenen Ressourcen nicht eindeutig. Denn die Kontakte sind auch vom Prestige des Mediums abhängig, wie etwa im Fall von Einladung bzw. Nichteinladung zu Pressekonferenzen oder in der Gewinnung von Hintergrundgesprächen und Interviews mit den Staatsobersten deutlich wird. Eine weitere wichtige Ressource sieht Duval in der BESETZUNG VON MANAGEMENTPOSITIONEN (2005: 153). Auch diese Ressource bestätigt Mellor für den Journalismus der arabischen Welt. Die Besetzung von Chefredakteursposten hat weitreichende Folgen für die Ausrichtung eines Medienunternehmens im Feld. Der Wechsel eines Chefredakteurs kann, so Mellor, zu einer völlig veränderten Redaktionslinie führen (2007: 67). Die beiden vorangehenden Kapitel haben gezeigt, dass eine intensive Betrachtung der Ressourcenkonstellation hinsichtlich akteurs- und organisationsbezogener Ressourcen notwendig ist, um Aussagen über die Wandelfähigkeit von journalistischen Akteuren zu machen. In Kombination mit der empirisch zu erhebenden Wandelbereitschaft anhand von Positionierungen gegenüber dem normativen Referenzrahmen, lassen sich somit Potentiale des Wandels im Feld erkennen und auf Akteurswie Organisationsebene verorten.

Protonormen als Strukturierungsdimension

1. W AHRHEIT Die illusio des Journalismus erfordert die »sinnstiftende Konstruktion einer objektiv beobachtbaren und beschreibbaren sozialen Wirklichkeit« (Raabe 2005b: 74). Denn Journalisten beobachten die Welt, deuten sie und schreiben ihnen eine Bedeutung zu. Sie können dabei zwar kein Abbild der Realität schaffen, dennoch ist der Wirklichkeitsbezug eine der zentralen Bestandteile des Journalismus. »Regeln sind nichts anderes als Instrumente der ›Objektivierung‹. Mit spezifischen Kontrollmechanismen und Prüfverfahren soll der Anspruch auf die Richtigkeit und Wahrhaftigkeit der Beschreibungen sozialer Wirklichkeit sichergestellt werden. Journalismus ist darauf angewiesen, dass man auf die Richtigkeit bzw. ›Faktizität‹ seiner Darstellungen im Prinzip vertrauen kann.« (Raabe 2005b: 75)

Dieses Vertrauen ist in autoritären Regimen durchaus zweifelhaft, wie im einleitenden Kapitel problematisiert wurde. Die Frage danach, welche Regeln welche Mechanismen der Objektivierung ermöglichen, ist deshalb fundamental für die Frage danach, welche Rolle Journalismus in autoritären Regimen spielt und spielen kann. Eine zentrale Frage ist dabei die Beziehung journalistischer Normen zur Protonorm Wahrheit. Doch bereits die Formulierung der Wahrheitsnorm bei Christians und Cooper verweist auf unterschiedliche Aspekte, die innerhalb dieser Protonorm Betrachtung finden. Während Cooper von der »Suche oder dem Bestreben« nach Wahrheit spricht (Cooper 1990: 3), verweist Christians auf das Bedürfnis danach, die »Wahrheit zu sagen« (1989: 10). Küng wiederum behauptet, »truthfulness« (Aufrichtigkeit / Wahrhaftigkeit) sei eine universelle Norm, die auch im Journalismus Anwendung finde (Küng 2003: 22-23). Die »Wahrheit zu sagen« impliziert, dass es die Wahrheit gibt und dass der Sprecher die Wahrheit kennt. Strebt oder sucht jemand hingegen nach der Wahrheit, so unterstreicht dies zunächst eine Offenheit, die im Verlauf der Suche zu der Wahrheit führen, diese aber genauso gut unerreichbar

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bleiben kann. Ayish und Sadigh (1997) behaupten beispielsweise, dass das arabisch-islamische Erbe einer Kommunikationsethik »Wahrhaftigkeit« (truthfulness) über »Wahrheit sprechen« (truth telling) setzt. Solch unterschiedliche Konzepte von Wahrheit stellen auch eine Kategorie in Altschulls Systematik von Journalismussystemen dar: Zwar leite alle Journalismusideologien die philosophische Frage um Wahrheit und Wissen, doch je nach Ideologie vertrete sie unterschiedliche Standpunkte: Während in einem marxistisch orientierten Journalismus (Marxist journalism) »die Suche für die Wahrheit« im Vordergrund stehe, dominiere das Konzept »Suche nach der Wahrheit« im Markt orientierten Journalismus (market journalism) und das »der Wahrheit dienen« im Entwicklung-orientierten (advancing) Journalismus (Altschull 1984: 284). Die drei Typen von Wahrheitskonzepten in unterschiedlichen Journalismusideologien nach Altschull (1984) lassen sich mit Miehts Wahrheitshermeneutik (1996) wie folgt beschreiben: Die »Suche für Wahrheit« beinhaltet das Vorhandensein der Wahrheit (die Vorteile des sozialistischen Gesellschaftsordnung im Falle des marxistischen Journalismus nach Altschull (1984: 287)) und die schlüssige Präsentation dieser Wahrheit. Die »Suche nach Wahrheit« hingegen geht davon aus, dass die Wahrheit erst noch gefunden werden muss und dass es Aufgabe des Journalismus ist, diese zu finden. Schließlich beinhaltet das »Dienen der Wahrheit« ebenfalls das Vorhandensein von Wahrheit, auf die sich die Gesellschaft jedoch im Dialog zwischen Journalismus und seinem Publikum erst noch verständigen muss. Neben diesen drei – bei Altschull bereits angelegten – Wahrheitskonzepten im Journalismus, »Wahrheit als Annäherung an die Wirklichkeit«, »Wahrheit als Kohärenz« und »Wahrheit als Kommunikation und Konsens«, sieht Mieth zwei weitere Variationen, die unterschiedliche journalistische Praxis erklären können: das Konzept der »Wahrheit als Kontextualität« und das der »Wahrheit als Narration«. Die Wahrheitshermeneutik, die diese unterschiedlichen Perspektiven berücksichtigt, geht davon aus, dass »Wahrheit mehr als bloße Information« (Mieth 1996: 21) ist. Sie begründet dies aus den unterschiedlichen Möglichkeiten der Wahrnehmung: der affektiven (etwas als echt empfinden), der kognitiven (etwas als schlüssig erkennen) und der praktischen (etwas operational nachvollziehen). Wenn es also darum geht, nach Wahrheit zu streben oder wahrhaftig sein zu sollen, dann müssen wir – wollen wir etwas sinnhaft nachvollziehen – diese verschiedenen Ebenen der Wahrheit mitberücksichtigen (vgl. Mieth 1996: 20f.). Für den praktischen Journalismus hat nämlich der Zugang zum Konzept der Wahrheit in der täglichen Arbeit weitreichende Konsequenzen. So akzeptiert ein Wahrheitsbegriff, der Narration einschließt, auch Darstellungen aus der Imagination. Ein Journalismus, der einem Konzept von Kommunikation und Konsens folgt, akzeptiert auch Parteinahme, wenn quasi zwischen Publikum und Produzent Konsens über die Darstellung der ›Wirklichkeit‹ besteht. Mieth weist aber auch darauf hin, dass diese Konzepte von

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Wahrheit nicht als »exklusive Alternativen« zu verstehen sind, sondern »miteinander konvertibel« sein können oder gar müssen (ebd.: 20). Das wohl am häufigsten im Journalismus diskutierte Wahrheitskonzept Objektivität ist an einer »Annäherung an die Wahrheit« orientiert. Die Idee des objektiven Journalismus geht zurück auf die Phase der Kommerzialisierung von Zeitungen in den USA in den 1830er Jahren. Um ein möglichst großes Publikum zu erreichen, vertraten Herausgeber und Chefredakteure die Ansicht, möglichst neutral oder ausgewogen berichten zu wollen. Die Entwicklung des Konzepts resultierte in verschiedenen Modifikationen. In den 1960er Jahren wurde Objektivität definiert als die Trennung von Nachricht und Meinung, die emotionsfreie Präsentation von Nachrichten und das Bemühen um Fairness und Ausgewogenheit, die den Rezipienten die Möglichkeit bietet, mehr als eine Seite einer Information zu sehen (vgl. Donsbach/Klett 1993: 54ff.). Damit wurde die Protonorm Wahrheit auf praktizierbare Regeln herunter gebrochen, die sich weiter ausdifferenzierten. Meyer etwa fasste sie in den 1980er Jahren in vier Hauptregeln zusammen: Die attributionRegel verpflichtet den Journalisten darauf, seine Quellen, sofern es wichtige Fakten sind, immer anzugeben (vgl. Meyer 1987: 50f.). Die get-the-other-side-of-the-storyRegel besagt, dass, wann immer jemand eine Aussage macht, die nicht direkt beobachtet werden kann, der Journalist dazu verpflichtet ist, andere Standpunkte einzuholen. Das bedeutet, dass immer mindestens zwei Positionen vertreten sein müssen. Eine dritte Regel ist nach Meyer die equal-space-Regel, die besagt, dass jeder Position der gleiche Platz eingeräumt werden soll. Schließlich benennt er noch die equal-access-Regel, die sich auf den Anspruch bezieht, dass alle Mitglieder einer Kommunität die gleiche Chance haben sollten, ihre Interessen in den Medien zu vertreten (vgl. Meyer 1987: 52).1 Diese praktischen Regeln, die Objektivität als journalistische Methode betrachten, ermöglichen es, den schwierigen Begriff der Wahrheit zu ersetzen. Dieser pragmatische Zugang hat den Vorteil, dass er für den journalistischen Alltag sehr gut anzuwenden ist. Doch gerade dieser Pragmatismus verschleiert auch, dass es durchaus andere – ebenso legitime und der illusio dienende – Zugänge zur Wahrheit gibt. Kritisiert wurde das Konzept zum Beispiel von Roshco, der die Verantwortung vom Journalisten auf die Quellen verlagert und den Journalisten von der Sammlung von Informationen befreit sieht (1975: 29, zitiert nach Donsbach/Klett 1993: 55). Dadurch diene das Objektivitätspostulat der Reproduktion von Machtstrukturen (vgl. Bennett 1996: 376). Seit der Kritik in den 1960er Jahren vor allem angesichts des WatergateSkandals und der Berichterstattung über den Vietnamkrieg werden alternative Journalismuskonzepte diskutiert, die zumeist das Konzept der »Annäherung an die

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Es gibt unzählige weitere Ausführungen zu den Regeln der Objektivität, die für den hier zu betrachtenden Zusammenhang jedoch nicht weiter ausgeführt werden können.

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Wahrheit« modifizieren, es aber nur in seltenen Fällen in Gänze ablehnen. Mit Hafez lässt sich dieser Umstand damit erklären, dass unter Objektivität mehr als nur Ausgewogenheit und Neutralität verstanden werden kann. Objektivität beinhalte aufgrund ihres tatsächlich intersubjektiven Charakters im umfassendsten Sinne das »geteilte Wissen der gesamten Menschheit über ein Thema« (Hafez 2008a: 151, Übersetzung J.P.). Eine solche Konzeption von Objektivität bedeutet eben auch, dass Journalisten hinter die Kulissen der gerade verfügbaren Informationen blicken müssen und dass sie entsprechende Formen des investigativen Journalismus, des interpretierenden und kommentierenden Journalismus umfasst. Im Grunde stellen diese Formen des Journalismus unterschiedliche Arbeitsmethoden in den Vordergrund und verändern somit den Weg, auf dem sich der ›Wahrheit‹ angenähert werden kann. Das grundsätzliche Wahrheitskonzept bleibt also unangetastet, wenn es nicht sogar vertieft wird wie im Falle des investigativen Journalismus. Die strenge Betonung der Objektivitätsnorm als »Annäherung an die Wahrheit« wird in anderen Journalismuskonzepten jedoch stärker aufgeweicht. So zählt Haller beispielsweise den »Objektivitätsjournalismus« als nur einen von sechs Typen des Informationsjournalismus auf, neben einem interpretativen, anwaltschaftlichen und literarischen Journalismus sowie einem Präzisions- und einem Recherchejournalismus (vgl. Haller 2004: 89ff.). Der sogenannte public journalism lässt sich als Beispiel für ein Verständnis anführen, das Wahrheit als Kommunikation und Konsens durch »Rückkopplung« an die Bürger versteht und damit an eine demokratietheoretische Kritik anknüpft, nach der weite Teile der Bevölkerung am Meinungsbildungsprozess nicht beteiligt seien (vgl. Forster 2006: 149). Für den Journalismus in der arabischen Welt haben in diesem Zusammenhang El-Nawawy und Iskandar (2003, 2002) das Konzept der »kontextuellen Objektivität« im Nachrichtenjournalismus am Beispiel der Berichterstattung von Al-Jazeera ausgeführt. Im Sinne ElNawawys und Iskandars bedeutet kontextuelle Objektivität, dass sich Journalisten zwar nach wie vor um eine ausgewogene Darstellung des Geschehens bemühen, gleichzeitig aber auch die Werte, den Glauben und die Gefühle des Zielpublikums berücksichtigen müssten (vgl. El-Nawawy/Iskandar 2002, 2003). Diese Kontextualisierung der journalistischen Darstellung führen sie darauf zurück, dass »die Medien mit ihren Frames bestimmen, was wichtig für die Öffentlichkeit zu wissen ist, wobei sie selbst von der öffentlichen Meinung beeinflusst sind« (ElNawawy/Iskandar 2002: 2, Übersetzung J.P.). Auch wenn die Autoren an dieser Stelle ihre Perspektive vom Publikum auf eine öffentliche Meinung erweitern, so verweisen sie doch sonst zumeist auf die Interessen des Zielpublikums und begründen so eine Aufweichung des Objektivitätskonzepts durch Kontextualisierung aufgrund ökonomischer Interessen. Diese Konzeptionalisierung wirft kritische Fragen nach der Unabhängigkeit des Journalismus auf, die vor allem den nicht dem Objektivitätskonzept zugewandten Journalismus betreffen. Im Falle der kontextuellen Objektivität ist beispielsweise fraglich, ob bei einer strikten Orientierung am Publikum

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die größere Unabhängigkeit von autokratischen Regierungen nicht zugleich ein neues Dilemma der Abhängigkeit von ökonomischen Interessen aufwirft. Das Objektivitätskonzept mit dem Verweis der Unerreichbarkeit zu verwerfen, ist also genauso wenig hilfreich, wie andere Wahrheitskonzepte im Journalismus als unprofessionell zu brandmarken. Denn erstens existieren verschiedene Wahrheitskonzepte innerhalb eines journalistischen Feldes. Sakr veranschaulicht etwa am Kampf ägyptischer Journalisten für die Erweiterung der Grenzen von Pressefreiheit, dass das Konzept der Objektivität mit facettenreichen Wahrheitskonzepten im Journalismus der arabischen Welt existiert (vgl. Sakr 2010). Zweitens kann, je nach gesellschaftlicher Problemlage, das eine oder andere Wahrheitskonzept funktionaler sein. So lässt sich beispielsweise hypothetisieren, dass auf Imagination basierende Wahrheitskonzepte – z.B. in Form von Karikaturen – in Autokratien durchaus Möglichkeiten der politischen Unabhängigkeit bieten können. Dahingegen ist für lokalpolitische Probleme möglicherweise ein Kommunikation- und Konsens-orientiertes Wahrheitsverständnis zielführender für Partizipation in der Demokratie. Eine Beschränkung auf das Konzept der Objektivität für eine Analyse journalistischer Regeln würde deshalb zu kurz greifen, schließt sie doch andere Konzepte der Wahrheit aus, die möglicherweise relevant für den jordanischen Kontext sind. Von einer weiter gefassten Protonorm Wahrheit auszugehen, ist folglich im Sinne der eingangs geforderten Offenheit gegenüber dem jordanischen Untersuchungsfall.

2. F REIHEIT Ambivalenter als die Wahrheitsnorm im Konglomerat der Protonormen stellt sich die Freiheit dar. Cooper selbst räumt ein, dass der Universalwert Freiheit auf der Grundlage von Ethikkodizes eine Grenzposition einnimmt. Einerseits sei der Ruf nach Kommunikationsfreiheit2 tatsächlich eine anthropologische Konstante, doch herrsche andererseits Uneinigkeit darüber, »wessen Stimmen gehört werden sollten, in welchem Umfang und mittels welcher Medien« (Cooper 1990: 10, Übersetzung J.P.).Die Protonorm Freiheit ist eng verbunden mit der Frage nach der Verantwortung und eine Analyse journalistischer Regeln sollte dies berücksichtigen. Um zu vermeiden, dass lediglich die freiheitsbeschränkenden Aspekte betrachtet werden, bedarf es zudem einer Unterscheidung zwischen Freiheitsgarantien und Freiheitsbeschränkungen. Diese Einteilung harmoniert mit der weiter oben formulierten grundsätzlichen Eigenschaft von Regeln, die Handeln ermöglichen und beschränken. Es wird also zu analysieren sein, inwiefern sich Garantie und Beschränkung von

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Im Englischen spricht Cooper von freedom of expression, was in der deutschen Fachliteratur zumeist unter dem Begriff Kommunikationsfreiheit diskutiert wird.

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Kommunikationsfreiheiten die Waage halten und welche Begründungen für die Beschränkung von Kommunikationsfreiheiten angeführt werden. Die empirische Forschung zum Journalismus in der arabischen Welt weist einen Fokus auf Meinungs- und Pressefreiheit auf. In einem Beitrag zur Freiheit als Wert arabischer Medien spricht Amin (2003) allerdings von einem »Paradoxon«, in dem sich die Journalisten der arabischen Welt befänden. Auf der einen Seite erführen sie durch globale Informationsmedien von den Werten der Meinungs- und Pressefreiheit, auf der anderen operierten sie weiterhin in autoritären Systemen, die genau diese Werte nicht zuließen. Gleichzeitig stellt er jedoch die Bedeutung der Protonorm »Streben nach Kommunikationsfreiheit« für arabische Journalisten in Frage, wenn er darlegt, dass die autoritären Gesellschaftsstrukturen stark auf Journalisten abfärbten: »Der Staat agiert als Unterdrücker und Journalisten wie autoritäre Staatsschützer.« (Amin 2003: 107, Übersetzung J.P.) Meinungs- und Pressefreiheit wird in einer solchen Lesart einer Verantwortung gegenüber dem Staat untergeordnet und Journalisten die Verinnerlichung des Werts der Freiheit abgesprochen. Eine solche Sichtweise auf arabische Journalisten scheint besonders angesichts der derzeitigen Umbruchsituation in der arabischen Welt nicht angemessen. Auch bedarf es einer differenzierteren Betrachtung aufgrund von unterschiedlichen Ausprägungen autoritärer Regime mit unterschiedlich starker Kontrolle der Medien. Um Aussagen über die Bedeutung der Protonorm Freiheit für Journalisten zu erlangen, müssen deshalb unterschiedliche Aspekte von Kommunikationsfreiheiten berücksichtigt werden. Schon in einer der ersten Streitschriften für die Pressefreiheit aus dem Jahr 1644 verwies, laut Wilke (1984), John Milton in seiner Areopagitica auf zwei bis heute gültige Unterschiede, die verschiedene Gründe für die Gewährung von Pressefreiheit ableiten lassen: Erstens verfolge Milton eine »individuell-anthropologische« Argumentation, die den subjektiven Wert der Pressefreiheit in den Vordergrund stelle. Mit der Vernunft habe Gott dem Menschen die Freiheit gegeben zu wählen. Freiheit erfordere demnach einen subjektiven Willensakt. Ein erzwungenes Wohlverhalten sei moralisch deshalb nichts wert und verletze die Würde des Menschen. Milton argumentiere zweitens »kollektiv-soziologisch« über einen objektiven Wert der Pressefreiheit: Zensur habe nicht nur keinen Nutzen, sondern schade sogar erheblich der Gesellschaft, denn Wahrheitsfindung sei ein kollektiver, kumulativer Prozess. Darüber hinaus verbreite Zensur Trägheit, Stumpfsinnigkeit, Hemmnis aller Gelehrsamkeit und Wahrheit und verhindere den Fortschritt (vgl. Wilke 1984: 8ff.). Auch heute noch unterscheidet die Rechtswissenschaft zwischen individuellen und institutionellen Kommunikationsfreiheiten, wie etwa Breunig (1994) in seiner international vergleichenden Untersuchung von verfassungsmäßig verankerten Kommunikationsfreiheiten. Zu ersteren zählt er die Gedankenfreiheit, die Redeund Meinungsfreiheit, die Informationsfreiheit, die Kommunikationsfreiheit und die Veröffentlichungs- und Herausgabefreiheit. Letztere umfasst in seiner Lesart die

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Presse-, die Rundfunk- und die Filmfreiheit, wobei alle drei auch als individuelle Freiheiten interpretiert werden können (Breunig 1994: 89ff.). Welche und wie institutionelle und individuelle Kommunikationsfreiheiten in Gesetzen gewährt und beschränkt werden, unterscheidet sich von Verfassung zu Verfassung. Um unterschiedliche Konzepte von Pressefreiheit vergleichen zu können, bedarf es deshalb einer näheren Betrachtung des Bekenntnisses zu ihr. Denn zur Gewährung institutioneller Kommunikationsfreiheiten gehören beispielsweise auch Verbote von Zensur oder die Gewährung des Zugangs zu den relevanten Kommunikationsmitteln, Lizenzen, Informationszugang etc. Die Einschränkung von Freiheiten lässt sich vor allem an der Beschränkung der Ressourcen ablesen, die in der Regel staatliche Akteure den journalistischen Akteuren auferlegen. Breunig zählt folgende Mittel zur Beschränkung der Pressefreiheit auf: verfassungsimmanente und gesetzliche Schranken, Besitztum der Medien (Staatsmedien), Zensur, Beschlagnahmung, Schließung der Medien durch den Staat, Abhängigkeit der Medien von der Staatsideologie, Unterdrückung der Massenmedien in Zeiten des Ausnahmezustandes (vgl. Breunig 2005: 35f.). Zugleich lassen sich aber auch die Zusicherung bestimmter Ressourcen als Freiheit beschränkend einstufen, denn mit ihnen kann eine Abhängigkeit zu verschiedenen Akteuren etabliert werden. So können beispielsweise Regeln zum Medienbesitz einerseits dazu führen, dass eine Monopolisierung vermieden wird, andererseits dienen sie aber auch zur Exklusion bestimmter Akteure (vgl. Psychogiopoulou/Anagnostou 2012: 12). Neben diesen vor allem auf Ressourcenzugänge und -verteilung ausgerichteten Normen, existieren in den meisten Ländern auch Normen, die die Freiheit der Inhalte limitieren. Diese Limits beziehen sich vor allem auf den Respekt der Persönlichkeit, der Ehre, des Privatlebens der Berichterstattungsobjekte, der Gewährung oder Förderung von Diversität in Inhalten, politische Werbung vor allem während Wahlkämpfen oder den Schutz von Minderjährigen (vgl. Psychogiopoulou/Anagnostou 2012: 13f.). »Versteckte Regeln« die die Durchführung journalistischer Arbeit aber auch den Inhalt betreffen, finden sich in europäischen Ländern beispielsweise in den Normen zum Informationszugang. Diese können einerseits Freiheiten gewähren, indem sie beispielsweise die Herausgabe von Informationen regeln und zusichern. Gleichzeitig können sie Freiheiten aber auch beschneiden, wenn es um die Herausgabe und Publikation von Informationen geht, die dem Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, den internationalen Beziehungen, den Geheimdiensten oder Wirtschaftsgeheimnissen dienen sollen (vgl. Psychogiopoulou/ Anagnostou 2012: 14f.).

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3. V ERANTWORTUNG Kein Staat der Welt gewährt die Medienfreiheit oder andere Kommunikationsfreiheiten grenzenlos. Es gibt unzählige Einschränkungsgründe, die sich darin unterscheiden, dass sie für unterschiedliche Bereiche moralische Verantwortung einfordern. Die in Verfassungen kodifizierte moralische Verantwortung bezieht sich überwiegend auf den Staat und die Gesellschaft. Der häufigste Grund für eine Freiheitsbeschränkung ist deshalb der innere (64 Nennungen) und äußere Frieden (54) eines Landes, gefolgt von der allgemein formulierten Einhaltung moralischer und ethischer Werte (61), den Rechten anderer (49), der persönlichen Ehre bzw. dem Ruf einer Person (47), dem Staatsschutz (43), dem Privatleben (34), besonderen Gewaltverhältnissen (29), dem Ausnahmezustand (20), dem Gesetzesvorbehalt (15) und dem Jugendschutz (6) (Breunig 1994: 363). Solch verfassungsmäßig verankerte Verantwortung gibt einen Anhaltspunkt, welche Bereiche die Gesetzgeber als besonders verantwortungswürdig betrachten. Unter dem Deckmantel der Kodifizierung erheben sie einen universalmoralischen Anspruch, der sich allerdings nicht zwangsläufig mit der Aufgabenverantwortung von Journalisten decken muss (vgl. Debatin 2005: 119). Journalisten können sich anderen Verantwortungssubjekten stärker gegenüber verantwortlich fühlen und andere Instanzen als Entscheidungsgrundlage ihres Handelns heranziehen (z.B. das Gewissen, religiöse Vorschriften, professionelle Normen), auch wenn das hohe Sanktionspotential von gesetzlich verankerten Normen eine Widersetzung gegen sie erschwert. Aus der Sicht von Journalisten lassen sich folgende Akteure nennen, denen gegenüber sie aufgrund ihrer Berufsausübung besonders zur Verantwortung verpflichtet sind (vgl. Debatin 2005: 117; Richards: 2005: 52; Thomaß 2003: 160): • den Lesern, Zuschauern und Zuhörern, d.h. dem Publikum • denjenigen, die Subjekte der journalistischen Arbeit sind, d.h. die Objekte der Be-

richterstattung • denjenigen, die sie mit Informationen versorgen, d.h. den Quellen • denjenigen, die ihre Arbeit kontrollieren, d.h. Vorgesetzte und Kollegen • denjenigen, denen die Medieninstitution, für die sie arbeiten, gehört, d.h. Verle-

ger, shareholder etc. Die Verantwortung gegenüber der Unversehrtheit der eigenen Person müsste mit Blick auf autoritäre Regime ebenfalls berücksichtigt werden, denn nicht selten können journalistische Entscheidungen zu solchen über die eigene Freiheit oder sogar über das eigene Leben werden. Die Dokumentation über getötete, misshandelte, entführte oder gefangene Journalisten von internationalen Organisationen wie Re-

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porter ohne Grenzen, Amnesty International oder Freedom House unterstreichen diesen Aspekt eindrücklich. Diese »individuenbezogene Verantwortung« unterscheidet Debatin von einer allgemeinen »gesellschaftlichen Verantwortung« der Medien (2005: 120). Letztere begründet sich aus der Tatsache, dass Journalismus ein Feld innerhalb der Gesellschaft konstituiert, das mit anderen Feldern in Wechselwirkung steht. Die Beziehungen und Abhängigkeiten des Journalismus zu anderen Feldern variieren je nach Gesellschaft. Somit ist davon auszugehen, dass auch die Verantwortung, die journalistische Akteure den sie umgebenden Feldern zubilligen, variiert. Die am häufigsten betrachtete Beziehung ist hierbei das politische Feld. Insbesondere Journalistenbefragungen zu beruflichen Rollenbildern haben dies in den Blick genommen. Während in den meisten Studien dieses Verantwortungsempfinden nur implizit anklingt, operationalisieren Himelboim und Limor es mithilfe des Verhältnisses von Journalisten zur »Macht« im Vergleich zur »Gesellschaft« (2011: 78). Sie subsumieren so die in älteren Studien verwendeten Rollenbeschreibungen in zwei Kategorien. Die stärker dem Machtzentrum verantwortlichen Rollen sind demnach der »investigator« und »adversary« in Weavers Studien zu Journalisten in den USA (Weaver/Wilhoit 1986, 1996) oder der »bloodhound« bei Köcher (1985) (vgl. Himelboim/Limor 2011: 78). Rollenbilder, die sich stärker an einer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft orientierten, sehen sie etwa in Weavers »disseminator«, »interpreter« oder »populist mobilizer« oder in Köchers (1985) »Missionar« (vgl. Himelboim/Limor 2011: 78). Unter diese Kategorien ließen sich auch die folgenden Rollenbeschreibungen fassen, die in Studien zur arabischen Welt verwendet wurden: Algerische Journalisten fanden die folgenden Rollenbeschreibungen besonders wichtig:3 »Unterstützung zum Erreichen der Ziele und Grundsätze des Entwicklungsplans« (65%), »Erziehung und Formung eines algerischen Bürgers« (69%) und »Parieren ausländischer Propaganda« (73%), drei Rollenbeschreibungen, die eine Nähe zum algerischen Regime der späten 1980er und frühen 1990er erkennen lassen (Kirat 1998: 340, Übersetzung J.P.). Allerdings zeigt sich hier auch die Unschärfe dieser Rollenbilder und die Schwierigkeit einer eindeutigen Trennung nach Verantwortung gegenüber dem Machtzentrum und der Gesellschaft. Denn in wessen Interesse sind die Ziele der Entwicklungspläne? Sie können einerseits natürlich die Interessen der Bürger berühren, d.h. Verantwortung gegenüber der Gesellschaft anzeigen, gleichzeitig aber auch die der autokratischen Regime, d.h. Verantwortung gegenüber dem Machtzentrum. Besonders deutlich wird dies in Rollenbildern wie dem »kritisch Wandel bewussten« Journalisten bei Hanitzsch, der dieses als in Ägypten dominierendes Rollenverständnis beschreibt (2011: 487f.). Pintak und

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Ich beziehe mich hier lediglich auf die als »sehr wichtig« ausgewiesenen Angaben bei Kirat (1998: 340).

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Ginges verweisen ebenfalls auf die Problematik solcher Rollenbilder. Verantwortung dürfe nämlich nicht mit Loyalität gegenüber dem Machtzentrum verwechselt werden, wie sie in ihrer Umfrage unter Journalisten aus 14 arabischen Ländern feststellen: Arabische Journalisten wollten zwar die gesellschaftliche Entwicklung unterstützen, allerdings nicht im Sinne des in den 1980er Jahren postulierten »Entwicklungsjournalismus«. Während der Entwicklungsjournalismus dadurch geprägt war, dass sich Journalisten loyal zu den von ihren Regierungen erarbeiteten Entwicklungsplänen positionierten, stünden arabische Journalisten heute durchaus kritisch zur Politik der eigenen Regime (Pintak/Ginges 2008: 214f.). Mit Blick auf die Ergebnisse von Studien zu arabischen Ethikkodizes sollte auch die Betrachtung von Verantwortung für das religiöse Feld und eine internationale bzw. regionalen Öffentlichkeit in Erwägung gezogen werden. Zwar konnte Hafez in seinem Vergleich nicht in allen arabischen Ethikkodizes eine Aufforderung zur Verantwortung gegenüber Religionen, religiösen Sitten und Traditionen feststellen. Doch der ägyptische Kodex und der des Rats Arabischer Informationsminister verweisen auf die korrekte Verwendung des Standardarabisch (fusha) und die gemeinsame arabische Geschichte. Der Saudi Arabische Kodex zusammen mit dem neo-salafistisch bzw. neo-wahabitisch orientierten Kodex der Islamic Mass Media Charter of Jakarta fordern als einzige eine explizite Orientierung am Islam.4 Darüber hinaus zeigte der Vergleich eine besondere Verantwortung gegenüber panarabischen Belangen (vgl. Hafez 2003: 51f.), die auch durch Journalistenbefragungen unterstrichen werden. So stellen Ramaprasad und Hamdy in ihrer Auswertung der ägyptischen Daten aus der World of Journalism Studie heraus, dass ägyptische Journalisten die Unterstützung islamischer Werte, des Panarabismus und der palästinensischen Sache als wichtige Funktionen ihres Berufes ansehen (2006: 176f.). Im theoretischen Kapitel zu den »Indikatoren des Wandels« habe ich dargelegt, dass es für die empirische Untersuchung des normativen Referenzrahmens einer Strukturierungsdimension bedarf, die ich mit den drei Protonormen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung benannt habe. Ich habe ebenfalls darauf hingewiesen, dass diese drei Protonormen die Kategorisierung der Normen des Referenzrahmens im jordanischen Journalismus umrahmen sollen, ohne von vornherein zu sehr auf einen bestimmten Journalismustyp einzuengen. Um im Umkehrschluss nicht vollständig meinen persönlichen Denkkategorien zu erliegen, habe ich in der vorangehenden Diskussion einige Aspekte von Freiheit, Wahrheit und Verantwortung in der wissenschaftlichen Diskussion offengelegt, die auch meine empirische Kategorienbildung zur Ausdifferenzierung der Protonormen anleiten sollten.

4

In beiden Kodizes wird beispielsweise gefordert, dass Journalisten dem Islam folgen und der umma (der Gemeinschaft der Gläubigen) und der da'wa (Mission) dienen sollen.

Ausblick auf das Forschungsdesign

Die vorangehenden Kapitel hatten zum Ziel, zwei grundlegende Fragen zur Beantwortung der Forschungsfrage zu klären: Wo bestehen theoretisch Potentiale des Wandels im Journalismus autoritärer Regime und wie können diese Potentiale analytisch erfasst und empirisch untersucht werden? Mit Bourdieus Feldtheorie als meta-theoretischem Rahmen habe ich ausgeführt, dass sich zwei eng miteinander verwobene Indikatoren für einen Wandel besonders anbieten: • die gezielten Versuche einer Veränderung des normativen Referenzrahmen, die

von verschiedenen Akteuren außer- und innerhalb des Journalismus betrieben werden und • die Positionierung der Akteure im Feld zum existierenden, möglicherweise veränderten normativen Referenzrahmen. Für den ersten Indikator habe ich ausgeführt, dass Gesetze und Kodizes als Träger von Normen, Instrumente für gezielte Transformationsversuche unterschiedlicher Akteure darstellen. Für die Frage nach der Verortung von Wandel sind die Akteure, die hinter den Erwartungen stehen, von großer Bedeutung. Um diese eindeutig identifizieren zu können, habe ich eine Analysedimension »Normenkontext« vorgeschlagen. Mit Hilfe dieser sollen die Prozesse der Normensetzung, Normenbeobachtung und Sanktionierung für den jordanischen Fall analysiert werden. Die so gewonnen Erkenntnisse sind die eine Grundlage für die Rekonstruktion der gezielten Transformationsversuche mithilfe von Gesetzen und Kodizes. Die andere Grundlage stellt die empirische Betrachtung der Normenstruktur dar, die den normativen Referenzrahmen in seiner Bandbreite entlang der drei Protonormen aufzeigen soll. Der zweite Wandelindikator »Positionierung der Akteure« bedarf ebenfalls einer Rekonstruktion mithilfe zweier analytischer Teile, der Bewertungen der Protonormen durch die Akteure und deren Ressourcenkonstellationen. Ersterer erfordert eine empirische Erhebung von Positionierungen gegenüber dem normativen

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Referenzrahmen. Letztere soll über die Wandelbereitschaft von Akteuren hinaus Auskünfte über deren Wandelfähigkeit ermöglichen. Die Analysedimension »Ressourcenkonstellation« schlägt deshalb eine Beschreibung des jordanischen Kontextes entlang akteurs- und organisationsbezogener Ressourcen vor. Die Zusammenführung des analytischen und empirischen Teils kann schließlich in der Beschreibung spezifischer Positionierungen von Akteuren gegenüber dem normativen Referenzrahmen münden und Aufschluss über Potentiale des Wandels aus dem journalistischen Feld heraus geben. Für die Umsetzung dieses komplexen theoretisch-analytischen Rahmens bedeutet dies zum einen eine Trennung von zwei Perspektiven, die voneinander unabhängig bearbeitet werden. Die erste Perspektive bezieht sich auf die Rekonstruktion des Wandels im normativen Referenzrahmen und hat die Beschreibung unterschiedlicher gezielter Transformationsversuche zum Erkenntnisziel. Die zweite Perspektive bezieht sich auf die Rekonstruktion von Journalistentypen des Wandels, die Erkenntnisse über die Resonanz gezielter Transformationsversuche im Feld und darüber hinausreichende Potentiale des Wandels durch die Praxis journalistischer Akteure erbringen sollen. Das verbindende Element dieser zwei Perspektiven stellt die »Strukturierungsdimension« der drei Protonormen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung dar, deren Bedeutung in präskriptiven wie kognitiv-evaluativen Regeln herausgearbeitet werden soll.

II. Forschungsdesign und Methoden

Forschungsdesign

Das vorrangige Ziel der Arbeit ist es, Potentiale des Wandels im Journalismus Jordaniens auszuloten. Dabei stehen vor allem die Wechselwirkungen zwischen gezielten Veränderungsstrategien durch Akteure des Regimes und des journalistischen Feldes und deren Resonanz im journalistischen Feld im Vordergrund. In der Theorie habe ich deshalb zunächst die grundsätzlichen Wandelmöglichkeiten von Journalismus in einem autokratischen Regime herausgearbeitet. Dabei habe ich gezeigt, dass davon auszugehen ist, dass sowohl Regimeakteure als auch journalistische Akteure versuchen, bestimmte Erwartungen an Journalisten gezielt zu bestärken und neu zu etablieren. Diese Transformationsversuche zielen auf eine Veränderung des normativen Referenzrahmens ab und werden mithilfe von Gesetzen und Kodizes durchzusetzen versucht. Wer dabei tatsächlich Veränderungen bewirkt, muss Gegenstand einer empirischen Untersuchung sein. Aus diesem Grund besteht eine Forschungsperspektive in der Rekonstruktion des normativen Referenzrahmens, wie er sich bis zum Jahr 2007 entwickelt hat. In diese Rekonstruktion gehen zwei Fragen ein, die mit unterschiedlichen Methoden bearbeitet werden müssen: • Wer versucht einen Wandel im normativen Referenzrahmen zu erwirken? • Wie verändert sich der normative Referenzrahmen hinsichtlich der drei Proto-

normen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung? Für die erste Frage kann eine Beschreibung entlang der dargelegten Analysekategorien zu den Prozessen der Normensetzung, Beobachtung und Sanktionierung erfolgen. Die zweite Frage erfordert hingegen eine Textanalyse von Gesetzen und Kodizes, die zunächst entlang der Protonormen darlegt, wie sich der normative Referenzrahmen in Jordanien seit 1989 verändert hat. Um zu zeigen, von wo diese Veränderungen ausgegangen sind und damit die übergeordnete Frage zu beantworten, »Wer erwirkt welche Veränderungen?«, bedarf es eines übergeordneten Rekonstruktionsprozesses, in dem die Erkenntnisse der beiden Teilfragen miteinander verwoben werden. Daraus lassen sich schließlich unterschiedliche Typen von Trans-

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formationsstrategien ableiten, deren Resonanzen im Feld in einer zweiten Forschungsperspektive beleuchtet werden sollen. Diese zweite Forschungsperspektive beruht auf den theoretischen Erkenntnissen, dass eine Veränderung der präskriptiven Regeln allein noch keinen Wandel ausmacht. Erst wenn die Akteure diese Veränderungen akzeptieren und aktualisieren kann von einer erfolgreichen Transformationsstrategie gesprochen werden. Aus diesem Grund bedarf es der Rekonstruktion von Kongruenzen bzw. Divergenzen zwischen den kognitiv-evaluativen Regeln der Akteure und den normativen Regeln des normativen Referenzrahmens. Dafür sollen zwei Fragen untersucht werden: • Wer rekurriert auf und bewertet welche Protonormen wie? • Wer besitzt welches Durchsetzungspotential für seine Bewertungen?

Auch hier bedarf es zweier Methoden. Frage zwei kann mithilfe einer Beschreibung entlang der beschriebenen Analysekategorie »Ressourcenkonstellation« beantwortet werden, während für Frage eins eigene Daten erhoben werden müssen. Diese sollten Bewertungen der Protonormen der Akteure abbilden und idealerweise aus verschiedenen Positionen des Feldes stammen. Um nun aufzuzeigen, von wo welche Aktualisierungspotentiale der Transformationsversuche ausgehen, müssen auch hier die aus der Beantwortung der beiden Fragen gewonnen Erkenntnisse verbunden werden. Mit der Rekonstruktion unterschiedlicher Feld-spezifischer Habitus (kognitiv-evaluative Regeln) lassen sich Typen entwickeln, die schließlich auf eine Kongruenz zu den unterschiedlichen Transformationsstrategien hin geprüft werden müssen. Die übergeordnete Frage dieses Rekonstruktion lautet deshalb: welche Transformationsversuche haben eine Chance auf Akzeptanz und Aktualisierung? Abbildung 5: Forschungsdesign der Arbeit

Quelle: Eigene Darstellung

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Das in Abbildung 5 beschriebene Forschungsdesign verweist auf verschiedene Grundprinzipien, die ich für die Beantwortung der Forschungsfragen berücksichtigen möchte. Zum einen erfordert es ein rekonstruktives Verfahren, das über die Erfassung von manifesten Informationsgehalten hinausgeht. Das bedeutet, es bedarf einer Interpretationsleistung meinerseits, deren Zustandekommen ich in den folgenden Kapiteln transparent machen möchte. Ein solch rekonstruktives Verfahren basiert – wie implizit bereits mehrmals angeklungen – wesentlich auf dem Vergleich als Strategie des Erkenntnisgewinns (vgl. Bohnsack 2007, 1992; Nohl 2007). Um über die beiden Forschungsperspektiven hinweg eine Verbindung zu schaffen, die es erlaubt die Erkenntnisse aus beiden aufeinander zu beziehen, bediene ich mich der im theoretisch-analytischen Rahmen (Kapitel 3) beschriebenen Strukturierungsdimension, den Protonormen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung. Diese sollen ein häufig im Zusammenhang mit Methodentriangulation erwähntes Problem, dem Nebeneinander schwer miteinander kombinierbarer Datengewinnung, beheben. Triangulation verstehe ich dabei als eine Strategie, die »Erkenntnisse durch die Gewinnung weiterer Erkenntnisse zu begründen und abzusichern« (Flick 2003: 311) versucht. Aus diesem Grund analysierte ich zunächst die Entstehungskontexte und Beobachtungsmechanismen der Gesetze und Ethikkodizes, die in Jordanien von 1989 bis 2007 eingeführt wurden. Ergänzend zu der Analyse von bereits vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnissen führte ich Experteninterviews. Die Texte (Mediengesetze und Ethikkodizes) selbst unterzog ich anschließend einer qualitativen Inhaltsanalyse, auf deren Erkenntnisse ich die Auswertungsergebnisse meiner Leitfaden-gestützten Interviews mit Akteuren aus dem journalistischen Feld zu deren Positionierung gegenüber dem normativen Referenzrahmen aufbaute. Mit diesem Ansatz knüpfe ich zugleich an die Forschungslogik Bourdieus an, dessen theoretisches Konzept ich in weiten Teilen als Rahmen für die Forschungsfrage verwendet habe. Bourdieu verwahrt sich bewusst dagegen, sein theoretisches Konzept mit speziellen Methoden oder Methodologien zu verknüpfen, weil Forscher damit Gefahr liefen, den Kontakt zum Gegenstand und zu interessanten Forschungsfragen zu verlieren. Seine theoretischen Konzepte versteht er vielmehr als »Werkzeugkästen«, die dabei helfen sollen, Probleme zu lösen. Entsprechend arbeitet er mit verschiedenen Methoden – quantitative wie qualitative, ohne jedoch in ein »anything goes« zu verfallen (vgl. Waquant 2006: 51ff.). In meiner empirischen Forschung habe ich ausschließlich mit Methoden der qualitativen empirischen Sozialforschung gearbeitet. Da ich eigene Daten in Jordanien erheben musste, unternahm ich zwei Feldforschungsaufenthalte, die neben der Datengewinnung auch der Schulung der eigenen Interpretationsleistung dienten. Denn Forschung, die nicht in der eigenen Gesellschaft bzw. dem eigenen Milieu stattfindet, kann die Verstehensleistung – ein wichtiges Qualitätskriterium qualitativer Forschung – der Forschenden vermindern und bedarf deshalb einer intensiven Reflexion.

Feldforschung in Jordanien

Verglichen mit anderen arabischen Ländern wie Ägypten, Libanon oder Palästina ist Jordanien ein in der Wissenschaft wenig beachtetes Land. Das gilt in besonderer Weise auch für Jordaniens Journalismus, dessen Erforschung noch in den Kinderschuhen steckt. Diese Außenseiterrolle hat zur Folge, dass viele Informationen mühsam zusammengetragen werden müssen und oft lückenhaft bleiben. Figenschou verweist auf das Beispiel der Zuschauerzahlen für arabische Fernsehsender, für die es keinerlei Messinstrument gebe und folglich verlässliche Zahlen nicht existierten (vgl. Figenschou 2010: 967). Auch andere Forscher problematisieren die mangelhafte Datenlage (vgl. z.B. Lynch 2008; Zayani 2008), die gekoppelt mit einem schnell wachsenden Interesse an arabischen Medien eine »essayistische Forschungskultur« von »Analysen mit gravierenden theoretischen und empirischen Defiziten hervorgebracht habe« (Hafez 2008b: 9, Übersetzung J.P.). Diese Problematik erfordert häufig ein exploratives Vorgehen und Improvisation. Meine empirische Feldforschung profitierte jedoch auch von dieser Situation: Ich konnte weder »Ermüdungserscheinungen« bei den Erforschten feststellen, dass Journalisten etwa verärgert darüber waren, schon wieder mit Wissenschaftlern sprechen zu müssen; noch begegneten mir als Wissenschaftlerin Vorbehalte oder gar Feindseligkeiten. Ein von Figenschou beschriebenes Unverständnis aufseiten der Journalisten gegenüber Forschungsmethoden aufgrund fehlender akademischer Publikationen und kommunikationswissenschaftlicher Forschungseinrichtungen (vgl. Figenschou 2010: 967) kann ich nicht bestätigen. Dennoch gab es während meiner Feldforschungsaufenthalte einige Umstände und Situationen, die für die Einordnung meiner empirischen Forschungsergebnisse von Bedeutung sind. Meine Feldforschung erfolgte in einem ersten zweiwöchigen Aufenthalt im Juni 2006 und in einem dreimonatigen Aufenthalt von September bis Dezember 2007. Der Zugang zum Feld gelang mir in fast allen Fällen problemlos. Mein Status als ausländische Frau, den Schwedler als »third-sex effect« bezeichnet (2006: 425), ermöglichte mir die Teilnahme an Situationen, an denen eine Jordanierin dies vermutlich nicht gekonnt hätte. Zugleich hatte ich kein Problem, die für meine For-

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schung relevanten weiblichen und männlichen Interviewpartner zu finden. Es wäre allerdings naiv anzunehmen, dass dieser einfache Feldzugang allein aufgrund meines Geschlechts zustande gekommen wäre. Schwedler führt als weitere wichtigere Ressourcen Kenntnisse der Landessprache, ein respektvolles Auftreten, eine generell hohe Bildung, weitreichendes Wissen über das Land und den Forschungsbereich sowie ein hohes Maß an sozialen Fähigkeiten an (vgl. Schwedler 2006: 425). Allerdings müssen diese Ressourcen in eine praktikable Forschungsstrategie umgewandelt werden, die in meinem Fall wie folgt aussah: In einer ersten zehntägigen Feldforschungsphase vom 15. bis zum 25. Juni 2006 führte ich Gespräche mit Experten, um mein Wissen und Verständnis über das Feld zu vertiefen und erste Kontakte zu knüpfen. Die Auswahl der Gesprächspartner hatte ich überwiegend vorab recherchiert, sie dann aber vor Ort nach Erweiterung meines Kenntnisstandes ergänzt. Für die zweite dreimonatige Feldforschungsphase vom 30. September bis zum 15. Dezember 2007 entschied ich mich für einen vollständigen Verzicht auf Vorab-Kontakte. Stattdessen stattete ich, in Amman angekommen, den Zeitungsredaktionen einen unangekündigten Besuch ab und trug mein Anliegen eines Forschungsbesuchs mit Interviews zunächst dem Pförtner vor. In allen Fällen wurde mir der Zugang gewährt und eine Kontaktperson innerhalb der Redaktion damit beauftragt, mit mir auszuhandeln, was genau ich untersuchen und mit wem ich sprechen wolle. In allen Redaktionen ging ich nach demselben Muster vor. Ich vereinbarte zunächst ein Interview mit dem Chefredakteur oder der Chefredakteurin aus Gründen des Respekts vor der Hierarchie in der Redaktion, aber auch um mich für weitere Interviews und Besuche ihres Einverständnisses zu versichern. Bis auf die Tageszeitung Ar-Ra'i funktionierte dieses Prinzip gut. Ich verzichtete darauf, meine Kontaktpersonen in den Redaktionen selbst zu interviewen. Stattdessen führte ich informelle Gespräche mit ihnen und konnte sie teilweise bei ihrer täglichen Arbeit – auch zu Auswärtsterminen – begleiten. Bei diesen lernte ich Journalisten aus allen Mediensegmenten kennen und knüpfte so Kontakte in Radio- und Fernsehredaktionen. In den beiden regierungsnahen Medienorganisationen Ar-Ra'i und JTV wandte ich eine andere Strategie an. Hier übernahmen bereits vertraute Kontaktpersonen für mich die Verantwortung und ermöglichten mir so überhaupt erst einen physischen Zugang.1 Im Fall von JTV trug das Vertrauen schließlich soweit, dass der Nachrichtenchef persönlich dafür sorgte, dass ich vom Innenministerium einen Presseausweis erhielt, mit dem ich die JTV-Berichterstattung über die Parlamentswahlen begleiten durfte.2

1

Das Gelände JTV ist militärisch gesichert und ein Zugang ist nur nach vorheriger Anmeldung und Bestätigung durch hochrangige JTV-Angestellte möglich.

2

Zur Parlamentswahl im Jahr 2007 waren keine internationalen Wahlbeobachter zugelassen, was einige Personen zu einer gewissen Skepsis über meine Anwesenheit in den

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Die forschungstragenden Interviews mit Journalisten fanden alle in den Redaktionsräumen statt. Nicht immer konnte ich die Anwesenheit von Vorgesetzten oder Status-gleichen Kollegen verhindern. Diese besonderen Situationen habe ich in der Auswertung berücksichtigt. In allen Fällen, erwies sich die Gruppendynamik jedoch als bereichernd, besonders in der Diskussion umstrittener Normen. Informelle Gespräche und Beobachtungen fanden immer im beruflichen Umfeld (z.B. auf Fahrten zur Pressekonferenz, zum nächsten Drehort, beim Mittagessen während eines Journalistentrainings) statt, nie privat bei Interviewten zu Hause. In der Regel fanden die Gespräche und Interviews auf Englisch statt, in wenigen Fällen auf Arabisch ohne Dolmetscher. Bei einigen Gesprächen zog ich bewusst eine Dolmetscherin hinzu, die ich privat kannte und die nichts mit Journalismus zu tun hatte. Odendahl und Shaw (2001: 311) verweisen außerdem auf die potentielle Relevanz für die Gesprächsführung, die das Geschlecht der Interviewpartner bzw. der Interviewer hat. Figenschou spricht konkret den Effekt der männlichen Unterschätzung von Frauen als Gesprächspartner vor allem in patriarchalen Gesellschaften und in Interviews mit Eliten an (vgl. Figenschou 2010: 970ff.). Von derartigen Erlebnissen kann ich lediglich aus zwei Gesprächen berichten. Während ich im ersten Fall das Gespräch durch kritische Nachfragen und gezielte Provokation in eine Richtung lenken konnte, die dem Interviewpartner Informationen jenseits der einstudierten Sätze entlockten, gelang mir dies im zweiten Fall nicht. Die anderen Interviews verliefen mit – teilweise unerwartet hohem – Vertrauen und gegenseitigem Respekt. Für weitaus bedeutsamer als meine Rolle als Frau betrachte ich die Sprache, in der ich die Interviews führte. In Fällen, in denen ich mit Dolmetscherin arbeitete, war es von großem Nutzen, auf Datenträgern sowohl die englische Übersetzung als auch das arabische Original zu hören. Insbesondere aus diesen Interviews konnte ich begriffliche Analogien in anderen Interviews ableiten. Grundsätzlich behindert die Gesprächsführung in einer Fremdsprache die Ausdrucksfähigkeit und Präzision der Sprecher. Da wir jedoch beide, ich als Interviewerin und meine Interviewpartner, dieses Hindernis zu bewältigen hatten, stellte sich gewissermaßen eine Chancengleichheit ein. Das Sprechen in einer Fremdsprache hat oft sogar den Vorteil, dass mangels passender Begriffe viel mehr umschrieben und expliziert wird. Für die Interpretation der Interviews war das oft ein Vorteil. Dennoch kam es im Gesprächsverlauf an einigen Stellen zu Irritation, die zum Teil auf sprachliche und/oder kulturelle Missverständnisse verweisen. So entstand in einem Interview eine Diskussion über den Begriff des ›Öffentlichen‹. Mein Interviewpartner erklärte

Wahlbüros veranlasste. Ich hatte mich aus diesem Grund dazu verpflichten müssen, keine aktuellen Beiträge über die Wahl in deutschen oder internationalen Medien zu veröffentlichen. Für meine Forschungsarbeit durfte ich diese Informationen jedoch nutzen.

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mir, dass er die Anonymisierung der Gesichter beim Stimulusmaterial Anonymisierte Gesichter gut heiße. Wenn es sich hingegen um öffentliche (»public«) Szenen handeln würde, könne man die Gesichter ruhig zeigen. Für mich war dies zunächst unverständlich, weil eine Marktszene für mich eine öffentliche Szene darstellte. Ich zeigte auf das Marktfoto und sagte: »Aber das ist doch öffentlich.« Worauf er antwortet: »Nein, das ist privat.« Ich hakte noch einmal nach: »Aber das ist doch auf der Straße, ist das nicht öffentlich?« Darauf entgegnete er: »Aber es ist im souq (auf dem Markt). Vielleicht könnte die Frau Ansprüche gegenüber der Zeitung erheben. Warum habt ihr mich nicht um Erlaubnis gefragt?« Diese Gesprächssituation zeigt die Herausforderungen, aber auch die Chancen solch sprachlicher oder kultureller Differenzen. In diesem Fall brachte die sprachliche Differenz eine wichtige Erkenntnis zutage: Wir sprechen hier von unterschiedlichen Grenzen der Öffentlichkeit. Sie verdeutlicht aber auch, wie wichtig es ist, die Aussagesituation bei der Interpretation der Interviews genauestens zu betrachten. Immer wieder stellt sich die Frage nach dem Einfluss von Aufnahmegeräten auf das Gespräch, besonders in autoritären Regimen. Hier kann die Aufnahme von Gesprächen einen starken Einfluss auf die Äußerung von kritischen Bemerkungen haben, der mitunter zu ethischen Fragen wie dem Schutz der Interviewpartner führen kann. Während meiner Feldforschung kam es jedoch nicht ein einziges Mal zu einer zögerlichen Antwort auf meine Frage um Erlaubnis zur Aufzeichnung.3 Dies lässt sich mit dem Journalistenstatus meiner Interviewpartner erklären. Als Journalisten kennen sie Interviewsituation aus ihrem beruflichen Alltag und betrachten es als ›normal‹, dass Gespräche aufgezeichnet werden. Darüber hinaus sind sie sich möglicherweise mehr als andere Berufsgruppen darüber im Klaren, was öffentlich gesagt werden darf und was nicht. Dies führt zu einem Dilemma für eine Forschung, in der es darum geht, ob Journalisten möglicherweise über das vom Regime Gewünschte und Erlaubte hinausgehen. Aus diesem Grund habe ich besonders bei ›heiklen‹ Themen auf non-verbale Äußerungen geachtet und sie ggf. nach dem Interviewtermin notiert. Allerdings waren die meisten Interviews von einer großen Offenheit geprägt, die sogar die System- und Königskritik einschloss. Dennoch erforderte die Interpretation der Interviews die Berücksichtigung dieses Dilemmas, da es für die Fragestellung relevante Erkenntnisse bringen kann. So wurde beispiels-

3

Die im Quellenverzeichnis als Interviews ausgewiesenen Gespräche habe ich alle mit einem digitalen Aufnahmegerät aufgezeichnet und transkribiert. Bei Hintergrundgesprächen, die häufig im informellen Rahmen stattfanden, habe ich auf Aufnahmen verzichtet und stattdessen im Anschluss an das Gespräch Notizen angefertigt.

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weise das Thema Religion weitgehend aus den Interviews ausgeklammert. In manchen Fällen wurde dieses Thema jedoch in informellen Gesprächen angesprochen.4 Meine Teilnahme an verschiedenen Pressekonferenzen, einem Journalistentraining, der Wahlberichterstattung des Staatsfernsehens, diversen von Journalisten stark besuchten Veranstaltungen (v.a. zur Wahl) und der alltäglichen Arbeit in der Redaktion (Redaktionsbesprechungen, Produktionsprozesse, Hintergrundgespräch etc.) haben meine Interpretationsfähigkeit geschärft. Auch wenn ich diese Beobachtungen nicht systematisch in die Auswertung mit einbezogen habe, so dienten sie mir doch in vielen Fällen in Form »selektiver Beobachtung« (Spradley 1980: 34) als Vertiefung, Bestätigung oder Korrektur der in der Befragung gewonnen Erkenntnisse. Bohnsack sieht teilnehmende Beobachtungen als eine Strategie, die Interviewten durch die Einbettung der Forschung in ihren Handlungskontext besser zu verstehen (vgl. Bohnsack 2010: 21). So bat ich im Rahmen meiner Chefredakteursinterviews jeweils um eine Führung durch die Redaktionsräume. Bei diesen Rundgängen konnte ich die Produktionskapazitäten selbst in Augenschein nehmen und mir ein Bild davon verschaffen, was die Chefredakteure meinten, wenn sie beispielsweise von einer mangelhafte Technikausstattung sprachen. Meine Beobachtungen notierte ich in einem Forschungstagebuch, das ich im gesamten Forschungsprozess immer wieder als Gedächtnisstütze, Interpretationshilfe und Mittel der Eigenreflexion nutzte.

4

Bei Aussagen meiner Interviewpartner, in denen es um die Bewertung des normativen Referenzrahmens geht, arbeite ich deshalb mit Kürzeln, um die Anonymität meiner Gesprächspartner zu wahren.

Rekonstruktion von Wandelpotentialen

1. R EKONSTRUKTION GEZIELTER T RANSFORMATIONSVERSUCHE Wie oben beschrieben, habe ich die Rekonstruktion des normativen Referenzrahmens auf zwei Methoden der Erkenntnisgewinnung gestützt. Um die verschiedenen gezielten Transformationsversuche zu systematisieren, habe ich die Prozesse der Normensetzung, Beobachtung und Sanktionierung analysiert. Die Struktur des normativen Referenzrahmens habe ich mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse erfasst und schließlich die Ergebnisse beider Untersuchungsschritte zusammengeführt. Als Analyseraster dienten mir bei der BESCHREIBUNG DES KONTEXTES GEZIELTER TRANSFORMATIONSVERSUCHE, die im theoretisch-analytischen Rahmen (Kapitel »Analysedimensionen«, 1) aufgeführten Fragen. Da sich diese Prozesse nur unzureichend durch bereits bestehende Forschungsliteratur behandeln ließen, musste ich zu einigen Fragen gezielt eigene Daten erheben. Für die vor 1989 kodifizierten Normen konnte ich lediglich auf Sekundärliteratur aus Politik- und Kommunikationswissenschaft zurückgreifen. Über den Kontext der jüngeren Texte ließ sich neben der Fachliteratur auch die laufende und teilweise zurückliegende Berichterstattung in jordanischen Medien einbinden. Hierfür waren in erster Linie die jordanischen Tageszeitungen Jordan Times und Ad-Dustur sowie das medienjournalistische Portal Sahafi.jo wichtige Quellen.1 Die Medienberichterstattung konnte jedoch meist nur über die Ergebnisse von Definitions- oder Beobachtungsprozessen Auskunft geben, weshalb ich zusätzlich im Rahmen meiner Feldforschungsaufenthalte 2006 und 2007 Experteninterviews mit solchen Personen führte, die in die

1

Allerdings sind im Online-Archiv der Jordan Times nur Artikel seit dem 27.7.2007 und bei Ad-Dustur nur bis 3.1.2007 verfügbar. Das Archiv von Sahafi.jo geht zwar bis Juli 2005 zurück, ist aber für eine systematische Recherche unbrauchbar, da nicht nach Stichworten gesucht werden kann.

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Prozesse der Definition, Beobachtung und Sanktionierung eingebunden waren. Die folgenden Personen wurden für diese Exploration des Normenkontexts befragt: • Sawsan Zaidah, damalige Chefredakteurin von AmmanNet (2007) • Zakariya Al-Sheikh, Chefredakteur von Al-Haqiqa Al-Duwaliya (2007) • Tariq Al-Moumani, damaliger Direktor des Jordanischen Journalistenverbands

(2007) • Nidal Mansour, Direktor des Zentrum zur Verteidigung der Freiheit von Journa-

listen (2006) • George Hawatmeh, Mitglied des Freiheitskomitees des Hohen Medienrats (2010) • Adel Ziadat, Journalistik-Professor an der Yarmouk Universität (2006) • Samer Zureikat, Anwalt bei der Medienrechtsstelle MELAD (2007) Der Interviewleitfaden wurde an die einzelnen Personen und ihre jeweiligen Organisationen angeglichen. Die Befragungsschwerpunkte bildeten die Funktionsweise der Beobachtungs- und Sanktionierungsinstitutionen, das Involvieren von Akteuren aus dem Feld sowie die Hintergründe zur Entstehung der jeweiligen Texte. Eine strenge Vergleichbarkeit musste aufgrund der Zielrichtung der Experteninterviews als »Explorationsinstrumente« nicht gewährleistet sein (vgl. Bogner/Menz 2002: 37).2 Da es um Beschreibungen von Prozessen ging, paraphrasierte ich die relevanten Passagen der Interviews lediglich und behandelte die dortigen Informationen als manifestes Wissen der Akteure. Eine darüber hinausgehende Interpretation war nicht notwendig. In der ANALYSE PRÄSKRIPTIVER REGELN ging es in einem ersten Schritt um eine Strukturierung der normentragenden Texte, d.h. der Gesetze und Kodizes, entlang der drei Protonormen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung und wie sie sich von 1989 bis 2007 entwickelt haben. Zunächst stellte sich die Frage, welche Texte analysiert werden sollten. Das Hauptkriterium war dabei, dass die Texte Erwartungen an das Handeln journalistischer Akteure richten, sodass ihre Erfüllung oder Nichterfüllung in einem weiteren Schritt auch überprüfbar wäre. Die Auswahl der Gesetzestexte erforderte eine komplexe Herangehensweise. Mithilfe bereits existierender Literatur zur medienrechtlichen Lage in Jordanien eruierte ich, welche Gesetzestexte die journalistische Praxis berühren.3 Meine Forschungsaufenthalte in Jordanien nutze ich dazu, eine erste Aufstellung der Textauswahl mit Experten zu diskutieren

2

Da ich die meisten Personen auch zu anderen Themen befragte, finden sich die Angaben zum Normenkontext in den jeweiligen Interviews eingebettet.

3

Hier waren die folgenden Beitrage von besonderer Bedeutung: Vorversionen von IREX (2011) bzw. Griffin/Morgan (2009); Halsa (2008); Najjar (2008, 2001, 1998); CDFJ (2008b) und Shukair (2004).

R EKONSTRUKTION W ANDELPOTENTIALE | 119

und wenn notwendig, zu ergänzen.4 Die umfangreichen Gesetzestexte des Strafgesetzes (Penal-L), der Verfassung (Const.) und des Geheimdokumente-Gesetzes (SecrDoc-L) konnte ich so auf die für die journalistische Praxis relevanten Passagen reduzieren. Die übrigen Texte, das Presse- und Publikationsgesetz (PP-L), das Informationszugangsgesetz (AtI-L), die beiden Gesetze zu audio-visuellen Medien (AV-L02; AV-L03), das Telekommunikationsgesetz (TC-L) sowie die Gesetze des Hohen Medienrates (HMC)5 und des Jordanischen Journalistenverbandes (JPA) gingen komplett in die finale Textauswahl ein. Alle in der Inhaltsanalyse erfassten Gesetze waren online auf den Websites von Ministerien, den jeweiligen Institutionen wie Audio-visuelle Medienkommission (AVC)6, Regulierungsbehörde für Telekommunikation (TRC)7 und Hoher Medienart (HMC) oder dem jordanischen Journalistenverband (JPA) verfügbar. Allerdings stand das Informationszugangsgesetz nur auf Arabisch zur Verfügung, weshalb ich selbst eine Übersetzung ins Deutsche anfertigte. Bei den Ethikkodizes entschied ich mich für eine Vollerhebung all jener Texte, die sich explizit an Journalisten in Jordanien richteten. Für die Auswahl nahm ich im Rahmen des ersten Feldforschungsaufenthalts Kontakt zu den für das journalistische Feld relevanten Institutionen auf, um in Erfahrung zu bringen, ob sie einen Ethikkodex für Journalisten besitzen bzw. diskutieren. Bei meinen Recherchen erhielt ich den Kodex des Jordanischen Journalistenverbandes (JPA-C) ausgehändigt und wurde auf den Kodex zum professionellen Verhalten von Journalisten während Parlamentswahlen vom Zentrum zur Verteidigung der Freiheit von Journalisten (CDFJ-C) hingewiesen. Beide Kodizes waren online abrufbar. Die redaktionellen Kodizes waren deutlich schwerer zugänglich. Bei meinem zweiten Jordanienaufenthalt 2007 fragte ich die von mir interviewten Chefredakteure, ob sie ein schriftlich fixiertes Regelwerke besäßen. Auf diese Weise erhielt ich Zugang zum Kodex von AmmanNet (AmmanNet-C) und Einblick in das Verhaltenshandbuch von AlHaqiqa Al-Duwaliya, das mir jedoch nicht ausgehändigt wurde und deshalb nicht in die Analyse einging. Den Kodex des Hohen Medienrats (HMC-C) nahm ich auf, obwohl die eigentliche ›Inkraftsetzung‹ durch Vertreter der Rundfunkbranche erst 2008 erfolgte. Dies lässt sich damit begründen, dass für meine Forschungsfrage die Phase der Normendefinition bei den Kodizes bedeutender ist als die der Implemen-

4

Interviews mit Mansour (CDJF) 2006, Ziadat (Yarmouk Universität) 2006 und Zureikat, S. (CDFJ/MELAD) 2007.

5

Die Abkürzung geht auf die englische Bezeichnung als Higher Media Council zurück.

6

Die Abkürzung geht auf die englische Bezeichnung Audio-visual Commission zurück.

7

Die Abkürzung geht auf die englische Bezeichnung Telecommunication Regulatory Commission zurück.

120 | F ORSCHUNGSDESIGN UND M ETHODEN

tierung. Der HMC-Kodex sowie der AmmanNet-Kodex lagen lediglich auf Arabisch vor, so dass ich auch hier eine eigene Übersetzung ins Deutsche vornahm. Die Endauswahl für die Textanalyse umfasste schließlich elf Gesetzestexte und vier Ethikkodizes, die ich als Quellen im Text jeweils mit Kürzeln benenne und in Tabelle 2 aufliste.8 Für die Inhaltsanalyse arbeitete ich mit den englischen, autorisierten Textversionen und den eigenen deutschen Übersetzungen, zog jedoch bei problematischen Übersetzungen und Begrifflichkeiten die arabischen Versionen als Kontrolle hinzu. Die Textanalyse führte ich mithilfe der Software für qualitative Datenanalyse, MAX.QDA, durch, die ich zur Strukturierung und Kodierung der Texte verwendete. Um die zwei Ziele der Analyse, Strukturierung und Entwicklung des normativen Referenzrahmens von 1989 bis 2007 zu erreichen, galt es eine Methode zu finden, die dem Anspruch genügt, eine inhaltliche Strukturierung der Texte über die Protonormen vorzunehmen und zugleich eine mögliche Ausdifferenzierung zu erfassen. Bei der Suche nach einer passenden Auswertungsmethode ging ich zunächst davon aus, dass es legitim ist, auch für Dokumente wie Gesetze und Kodizes eine gesprächsanalytische Herangehensweise zu verwenden. Dies begründet sich daraus, dass die Texte als »institutionalisierte Spuren« angesehen werden können und aus ihnen »legitimerweise Schlussfolgerungen über Aktivitäten, Absichten und Erwägungen ihrer Verfasser bzw. der von ihnen repräsentierten Organisation gezogen werden können« (Wolff 2003: 503). Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring (2003) schien mir für den Gegenstand als besonders geeignet, weil sie zwischen einer »klassifikatorischen und einer sinnrekonstruierenden Vorgehensweise« angesiedelt werden kann (Meuser 2011: 90). Problematisch für die hiesigen Belange ist bei Mayring jedoch die stark an einem deduktiven Kategoriensystem orientierte Herangehensweise (vgl. Steigleder 2008; Mayring 2003), weshalb ich mich an einer, an Mayring angelehnten, modifizierten Analysestrategie von Steigleder orientierte (vgl. Steigleder 2008: 185ff.). Steigleder schlägt vor, die bei Mayring geforderte theoriegeleitete Strukturierung als »Strukturierungsdimensionen« beizubehalten, was ich in Form der Protonormen umsetzte. Im Vergleich zu Mayring erweist sich Steigleders Vorgehen als offener gegenüber dem empirischen Material, weil sie eine Ausdifferenzierung des theoriegeleiteten Kategoriensystems mit empirischen Kategorien ermöglicht (vgl. ebd.: 186f.).

8

Die Kürzel beziehen sich auf die englische Bezeichnung der Texte (z.B. audiovisual = AV), die Art der Texte (L= law, C=code) und den Zeitpunkt der offiziellen Inkraftsetzung (z.B. 02 = 2002, 60= 1960).

R EKONSTRUKTION W ANDELPOTENTIALE | 121

Ethikkodizes

Gesetzestexte

Tabelle 2: Übersicht über den Textkorpus der explizierten Normenanalyse Name des Textes (englische Bezeichnung bzw. Übersetzung J.P.)

Kürzel

Gesetz für audio-visuelle Medien (Provisional Law No. (71) for the Year 2002: Audiovisual Media Law)

AV-L02

Ergänzungsgesetz für audio-visuelle Medien (Bylaw No. (163) for the Year 2003 and it's Amendments for the Audiovisual Media Law)

AV-L03

Verfassung (Constitution of the Hashemite Kingdom of Jordan)

Const-L52

JPA-Gesetz (Jordan Press Association Law No.15 for the Year 1998)

JPA-L98

HMC-Gesetz (Law No. 26 of the Year 2004 for the Higher Media Council)

HMC-L04

Urheberschutzgesetz (Copyright Law 2001)

CopyR-L01

Presse- und Publikationsgesetz (Press and Publications Law of 2007)

PP-L07

Strafgesetz (Penal Code for the Year 1960)

Penal-L60

Informationszugangsgesetz (Gesetz Nr. 47 für das Jahr 2007 zur Garantie des Rechts auf Informationszugang)

AtI-L07

Geheimdokumente-Gesetz (State Secret and Documents Provisional Law No. 50 for the Year 1971)

SecrDoc-L71

Telekommunikationsgesetz (Telecommunications Law No. 13 of 1995 as Amended by the Temporary Law No.(8) of 2002)

TC-L02

Redaktionskodex von AmmanNet

AmmanNet-C07

CDFJ-Kodex (CDFJ Code of Ethics for Covering Parliament Elections)

CDFJ-C07

HMC-Kodex (Ethikkodex für private audio-visuelle Medien im Haschemitischen Königreich Jordanien)

HMC-C08

JPA-Kodex (Code of Ethics for the Jordanian Journalists)

JPA-C03

Quelle: Eigene Zusammenstellung

Mit dem Hintergrundwissen zur Diskussion um die Protonormen erarbeitete ich nach mehrmaligem, intensivem Lesen ein induktives Kategoriensystem mit diversen Subkategorien und formulierte Definitionen und Kodierregeln. Dann kodierte ich das gesamte Material. Entgegen der Vorgaben von Mayring (2003: 53) legte ich keine konkreten Kodier-, Kontext- und Auswertungseinheiten fest, sondern orientierte mich an Sinnabschnitten, die in den Gesetzen deutlich durch Paragraphen und

122 | F ORSCHUNGSDESIGN UND M ETHODEN

ihre Abätze bestimmt waren und in den Ethikkodizes zwischen Paragraphen, Absätzen und einzelnen Sätzen variierten. Für die Interpretation vollzog ich einen systematischen Vergleich zwischen den einzelnen Texten. Dabei galt jeder Text als ein Einzelfall. Vergleichsdimensionen waren das Jahr der Kodifizierung (vor 1989 vs. 1989-2007) und die Textgattung (Gesetze vs. Kodizes). Für die REKONSTRUKTION, wie sich der normative Referenzrahmen aufgrund unterschiedlicher Transformationsversuche seit 1989 entwickelt hat und von wo aus, welche Veränderungen ausgegangen sind, verknüpfte ich in einem übergeordneten Interpretationsschritt die Erkenntnisse der beiden vorhergehenden Analysen. Dafür verglich ich die Ergebnisse der Strukturierung des normativen Referenzrahmens entlang der verschiedenen Typen von Transformationsversuchen mit dem Ziel, die Folgen dieser Veränderungsversuche für den normativen Referenzrahmen zu erfassen. In Anlehnung an die in der Theorie aufgeführten Fragen (s. Kapitel Analysedimension: 2) verglich ich die Textgruppen danach: • welche Transformationsversuche den normativen Referenzrahmen durch neu hin-

zutretende Normen ausweiten; • welche Transformationsversuche den normativen Referenzrahmen mit widersprüchlichen und konfligierenden Normen herausfordern; • welche Transformationsversuche den bestehenden normativen Referenzrahmen durch Integration bestärken. Die Ergebnisse geben nicht nur Auskunft darüber, wie sich die Struktur des normativen Referenzrahmens von 1989 bis 2007 verändert hat und von wo diese Veränderungen ausgegangen sind (Buchteil III, Kapitel »Gezielte Transformationsversuche seit 1989«). Sie geben auch Aufschluss darüber, welche Normen möglicherweise im Feld zu Spannungen führen (Buchteil III, Kapitel »Zusammenführung«), da sie sich widersprechen oder neue Erwartungen hinzufügen. Damit geben die Ergebnisse auch erste Anhaltspunkte dafür, wo Wandel zu verorten ist und welche Rolle feldinterne bzw. feldexterne Akteure für den Wandel des Journalismus in Jordanien spielen.

2. R EKONSTRUKTION VON W ANDELPOTENTIAL DURCH JOURNALISTISCHE AKTEURE Die zweite, empirisch zu erkundende Perspektive meiner Arbeit ist die Resonanz, die Versuche, den normativen Referenzrahmen des Feldes zu verändern, bei den Akteuren im Feld erzeugen. Welche Veränderungsversuche haben Aussicht auf Erfolg, welche nicht? Basierend auf den empirischen Ergebnissen zur Entwicklung

R EKONSTRUKTION W ANDELPOTENTIALE | 123

des normativen Referenzrahmens konnten bereits bestimmte Normen extrahiert werden, die Potentiale für einen Wandel bereithalten. Ob diese nun von den Akteuren aktualisiert werden, hängt maßgeblich von den Bewertungsmustern und der Durchsetzungsmacht der Akteure aufgrund ihrer Ressourcenkonstellation ab. Diese beiden analytischen Aspekte gilt es deshalb, methodisch zu beschreiben und zu verorten. Um die Bedingungen des Feldes zu beschreiben, habe ich im theoretischen Teil als analytische Dimension dominante und dominierte Ressourcenkonstellationen herausgestellt. Anhand dieser Ressourcenkonstellationen lassen sich potentiell eher durchsetzungsstarke bzw. -schwache Positionen hypothetisieren. Um diese RESSOURCENKONSTELLATIONEN UND IHRE POTENTIELLE DURCHSETZUNGSMACHT zu beschreiben, stützte ich mich auf verschiedene Datenquellen: In einem ersten Durchgang sichtete ich die vorhandene deutsch-, englisch-, französisch- und arabischsprachige Forschungsliteratur zum Journalismus in Jordanien. Im darauffolgenden Schritt wertete ich alle quantitativen Umfragen aus, die entweder die Medien und den Journalismus in Jordanien zum Thema oder Journalisten als Befragte zum Untersuchungsgegenstand hatten. Eine besondere Rolle spielte die komparative MediaAcT-Studie (2011), bei deren Datengewinnung und -interpretation ich im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Leiterin des jordanischen Projektteils involviert war. Da mir der Originaldatensatz zur Auswertung zur Verfügung stand, konnte ich hieran eigene Berechnungen durchführen, um die Bedeutung verschiedener Ressourcen mit quantitativen Daten zu untermauern. Die so erarbeiteten Daten werde ich im Text gesondert ausweisen als Quelle »MediaAcT 2011«.9 Da trotz dieser Möglichkeiten die Datenlage zum Journalismus in Jordanien sehr gering ist, konnte ich für die Ressourcenbeschreibung nicht allein auf Sekundärdaten zurückgreifen, sondern musste eigene Daten über teilstandardisierte Experteninterviews gewinnen.

9

Das Ziel der MediaAcT-Journalistenbefragung in zwölf europäischen Ländern, Jordanien und Tunesien war es, die Perzeption und Bewertung verschiedener Instrumente und Praktiken der media accountability zu erfassen. Neben Einstellungs- und Evaluationsfragen rund um das Thema media accountability umfasste der Fragebogen auch Angaben zu sozio-demographischen Merkmalen der befragten Journalisten. Dazu gehörten Ausbildung, Einkommen, Arbeitsbedingungen und Position in der Medienorganisation. Besonders diese sozio-demographischen Angaben waren von großem Wert für meine Dissertation, da ein nach strengen statistischen Vorgaben erfasstes, repräsentatives Sample jordanischer Journalisten befragt wurde. Die methodologischen Grundlagen der Journalistenbefragung finden sich bei Eberwein et al. (2014), eine Übersicht über die Ergebnisse für Jordanien bei Pies (2014, 2012a).

124 | F ORSCHUNGSDESIGN UND M ETHODEN

Das Ziel der Datengewinnung durch teilstandardisierte Interviews war, ein möglichst detailliertes Bild der Funktionsweisen des journalistischen Feldes in Jordanien über die Rekonstruktion von akteurs- und organisationsbezogenen Ressourcen zu erlangen. Dafür benötigte ich Daten aus verschiedenen Mediensegmenten und von potentiell verschiedenen Positionen im Feld, die ich nach der Lektüre der wissenschaftlichen Literatur als bedeutsam für das Ansinnen extrahiert hatte. Dazu zählten die Chefredakteure möglichst vieler und unterschiedlicher jordanischer Medienunternehmen, Journalistenausbilder aus verschiedenen Ausbildungsorganisationen sowie feldexterne Medienexperten.10 Mein finales Sample umfasste schließlich die folgenden 27 Interviewpartner, die mithilfe eines überwiegend einheitlichen Interviewleitfadens (s. Anhang) geführt wurden: Chefredakteure von vier Tageszeitungen, von sechs Wochenzeitungen, von einem Magazin, Chefredakteure und Programmchefs von zwei Radiostationen, Chefredakteure und Programmchefs von drei Fernsehstationen, sechs Dozenten von drei universitären Journalistenprogrammen, Trainer von zwei jordanischen Weiterbildungsangeboten, Direktoren der Journalistenorganisationen CDFJ und JPA. Als feldexterne Experten interviewte ich den Leiter des Al-Urdun Al-Jadid (Das neue Jordanien) Forschungszentrums, einen Anwalt von MELAD, einer juristische Beratungsstelle für Journalisten, die Leiterin des Medienzentrums arabischer Frauen (AWMC)11 und die Projektleiterin im Themenbereich Medien der deutschen politischen Konrad Adenauer Stiftung.12 Der Interviewleitfaden enthielt Fragen zur Positionierung der eigenen und anderer Medienorganisationen im journalistischen Feld (z.B. Ziele, Ressourcenausstattung), zum Freiheits-, Wahrheits- und Verantwortungskonzept des eigenen und der anderen Medien, zu herrschenden Regeln und Normen in der eigenen bzw. in anderen Organisationen sowie die Außenbetrachtung der genannten Aspekte bei den feldexternen Experten. Der Umgang mit den Experteninterviews im hier beschrieben Kontext muss sich von dem bei der Beschreibung der zielgerichteten Transformationsversuche unterscheiden. Während es beim letztgenannten Fall lediglich darum ging, Informa-

10 Darüber hinaus fanden viele Hintergrundgespräche mit weiteren Akteuren aus den genannten Personenkreisen im Rahmen meiner ergänzenden Beobachtungen statt. 11 Die Abkürzung geht auf die englische Bezeichnung Arab Women Media Center zurück. 12 Im Einzelnen interviewte ich für diesen Schritt folgende Personen: Abu-Arjah 2006, Abu-Baydar 2007, Abu Ousbah 2006, Al-Adwan 2007, Al-Emam 2007, Al-Ghantisi 2007, Al-Julani 2007, Al-Moumani 2007, Al-Muhtaseb 2006, Al-Safadi 2007, Al-Sharif, Maha 2007, Al-Sharif, Nabil 2007, Al-Sheikh 2007, Hijazeen 2007, Hourani 2007, Hroub, Rula 2007, Jadaan 2006, Majallis 2007, Mansour 2006, Masannat 2006, Mourad 2007, Nejadat 2006, Qaqish 2007, Rimawi 2007, Sabbagh 2006, Zaidah 2007, Ziadat 2006, Zureikat, Hala 2007, Zureikat, Samer 2007.

R EKONSTRUKTION W ANDELPOTENTIALE | 125

tionslücken bei der Prozessbeschreibung zu füllen und auf manifestes Wissen der Experten zurückzugreifen, bedurfte es bei den hier beschriebenen Experteninterviews einer Einbettung der Informationen in die jeweilige Position der Sprechenden im Feld. Denn Äußerungen der Experten erhalten erst in ihren institutionellorganisatorischen Handlungsbedingungen eine Bedeutung (vgl. Meuser/Nagel 2002: 81). Ich orientierte mich bei der Auswertung an dem von Meuser und Nagel vorgeschlagenen Vorgehen für Experteninterviews, deren Erhebungsziel das »Kontextwissen« der Befragten sein sollte (2002: 76). Das Interesse am Kontextwissen resultiert dabei aus dem »Interesse an der empirischen Bestimmung der Beobachtungskategorien« (ebd.: 82), was in meinem Fall die im Kapitel »Analysedimension« beschriebenen akteurs- und organisationsbezogenen Ressourcen des journalistischen Feldes waren. Die Bedeutung dieser Ressourcen für verschiedene Positionen innerhalb des Feldes erarbeitete ich mir in drei Schritten: Der erste Schritt umfasste ein intensives Lesen aller Interviewtranskripte mit einer ersten Paraphrasierung aller Ressourcen-relevanten Textstellen. Dabei konzentrierte ich mich bereits auf das Auffinden der im journalistischen Feld relevanten Ressourcen und strukturierte die Ergebnisse hinsichtlich der in der Theorie aufgezeigten Ressourcenkategorien. Wurden Ressourcen genannt, die nicht in dieses Schema einzubauen waren, notierte ich sie und untersuchte in einem zweiten Schritt alle wichtigen Texte nach weiteren Belegen für möglicherweise neue, in der Theorie nicht erfasste Ressourcen. Nachdem ich so ein Set an Bewertungen verschiedener Ressourcen entwickelt hatte, verglich ich diese Bewertungen miteinander. Gemeinsamkeiten in der Bewertung der Ressourcen interpretierte ich in der Folge als Ausdruck ähnlicher Positionen, Unterschiede als Ausdruck unterschiedlicher Positionen im Feld. So ließ sich – in Kombination mit den anderen, oben genannten Informationsquellen – eine kohärente Beschreibung der aktuellen Ressourcenkonstellationen verfassen und Positionen entlang eines dominant-dominiert Schemas extrahieren, die für die Auswahl der Interviewpartner zur Erfassung der Positionierungen gegenüber dem normativen Referenzrahmen von großer Bedeutung war. Für die Untersuchung der Resonanz auf Transformationsversuche verschiedener Akteure sind neben den Umsetzungspotentialen durch bestimmte Ressourcenkonstellationen vor allem die BEWERTUNGEN VON PROTONORMEN der Akteure von Bedeutung. Welche der in Gesetzen und Kodizes verankerten Normen stoßen auf Akzeptanz bzw. Widerspruch innerhalb des Feldes? Es geht also zunächst einmal darum, manifeste Bewertungen der in Gesetzen und Ethikkodizes geforderten professionellen Normen zu beschreiben. Diese Beschreibung lässt eine erste Erkenntnis darüber zu, hinsichtlich welcher Normen eine konforme bzw. non-konforme Aktualisierung zu erwarten ist. Um diese Frage zu beantworten, habe ich Interviews mit jordanischen Journalisten aus unterschiedlichen Positionen des Feldes geführt. Im Folgenden beschreibe ich, wie diese Interviews angelegt waren und wie ich sie ausgewertet habe.

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Der vorbereitende Schritt der Erfassung von Ressourcenkonstellationen diente u.a. auch der theoretisch geleiteten Auswahl von Fällen, die nicht, wie Nohl idealisiert, aus einem Verfahren entstammt, das sie sukzessive von den geführten Gesprächen ableitet. Für ihn geht es darum, das eine Gespräch mit dem nächsten zu vergleichen, um daraus jeweils weitere, möglicherweise relevante Erfahrungsdimensionen zu extrahieren und entsprechend neue Interviewpartner zu generieren (vgl. Nohl 2007: 257ff.). Da die meisten Forschungen, die mit der dokumentarischen Methode arbeiten, in räumlicher Nähe des Forschers erfolgen, lässt sich ein ›Nachfassen‹ der Gespräche relativ leicht organisieren. Dahingegen bedarf es bei einer Forschung im Ausland mit einem begrenzten Feldforschungszeitraum einer Ersatzstrategie. Diese erfolgte in meinem Fall durch eine vorgelagerte Feldforschungsphase im Jahr 2006 und der Exploration potentiell relevanter Erfahrungsräume. Wie in Kapitel »Ressourcen als Bedingungen des Feldes« beschrieben, ließen sich als Ergebnis verschiedene, theoretisch potentiell relevante Fälle extrahieren. Dies waren Akteure mit eher dominanten bzw. eher dominierten Positionen im Feld. Das konkrete Auswahlverfahren sah so aus, dass ich zunächst die Medienorganisationen identifizierte, die es zu betrachten galt und darin ein Sample aus mindestens zwei Journalisten auswählte. Hauptkriterien bei der Auswahl waren auf Organisationsebene: oppositionelle und Regime-nahe Redaktionslinie, hohe und geringe Produktionskapazitäten, Neueinsteiger und ›Alteingesessene‹. Auf Akteursebene galten die folgenden Merkmalen als Auswahlkriterien: weiblich und männlich, geringe und große Berufserfahrung. Nicht immer ließen sich alle Kriterien erfüllen, wenn wie bei der Tageszeitung Al-Anbat, überwiegend unerfahrene Journalisten beschäftigt waren. Im Radio Watan wiederum waren überwiegend Frauen beschäftigt, sodass auch hier das Geschlechterkriterium unberücksichtigt blieb. Von den 21 im Jahr 2007 geführten Interviews gingen die folgenden 19 in die Auswertung ein: Abu Own, Ahmad, Al-Karmy, Al-Khawaldah, Al-Omari, Al-Qaruti, AlRawashdeh, Al-Saida, Al-Zaru, Al-Zyond, Azzouni, Dahous, Habashneh, Kouri, Malkawi, Nimri, Rawabdeh, Tubeileh, Turky Ali Rababeh. Mit der Wahl einer teilstrukturierten Form meiner Interviews wollte ich dem Anspruch qualitativer Sozialforschung nach Offenheit nachkommen, zugleich die Vorteile einer thematischen Vergleichbarkeit aber nicht aussparen (vgl. Bohnsack 2003: 380). Die Offenheit von Interviews bedarf immer auch eines situativen Handelns der Interviewerin, was damit einhergeht, dass die Inhalte verschiedener Interviews nicht im strengen Sinne miteinander vergleichbar sind. Um einen Kompromiss zwischen Offenheit einerseits und Vergleichbarkeit andererseits zu erzielen, habe ich mich zu einer strukturellen Zweiteilung der Interviews entschieden: Eine offene Einstiegsfrage mit einer anschließenden Diskussion verschiedener journalistischer Normen anhand von Stimulusmaterialien. Dies entspricht dem empfohlenen Vorgehen für Gesprächsführung im Rahmen der dokumentarischen Methode, wonach zunächst nur immanente Nachfragen (d.h. zu bereits vom Interviewten vorge-

R EKONSTRUKTION W ANDELPOTENTIALE | 127

geben Themen) und später vom Forscher initiierte exmanente Nachfragen (d.h. für die Forschung relevante bislang aber nicht angesprochene Themen) erfolgen (vgl. Bohnsack 2003: 382). Da diese Zweiteilung sich auf die Möglichkeiten der Interpretation der erhobenen Daten auswirkt, möchte ich gesondert auf beide Teile eingehen. Den offenen Teil startete ich mit der Einstiegsfrage danach, wie die Gesprächspartner zum Journalismus gekommen sind. Diese Frage evozierte sowohl Erzählungen über den beruflichen Werdegang als auch über die Motive, den Journalistenberuf zu ergreifen und gab den Befragten die Möglichkeit, mit einer einfachen Frage Vertrauen zu fassen. Die zweite Frage zielte darauf ab zu erfahren, welche journalistischen Normen den Befragten wichtig sind, ohne bereits bestimmte vorzugeben. Die Antworten waren sehr oft metaphorisch und gerade für die Interpretation des strukturierten Teils äußerst wertvoll. Sie brachten auch Normen in die Diskussion, die in dieser Form im normativen Referenzrahmen (und somit auch im strukturierten Teil des Interviews) nicht auftauchten wie etwa der Umgang mit Quellen und der Frage nach der eigenen Identifizierung als Journalisten. Darüber hinaus ergaben die Erzählungen der Interviewten oft bereits Anknüpfungspunkte zu den Stimulusthemen, die anhand des Materials dann vertieft werden konnten. Den strukturierten Teil leitete ich mit der Bemerkung ein, dass ich nun gern einige Beispiele aus der journalistischen Praxis mit den Befragten diskutieren würde. Diese Beispiele sollten als Stimulus dienen, um eine Diskussion über die durch gezielte Transformation veränderten Normen anzustoßen. Der Einsatz von Stimulusmaterial wird in der Methode der Gruppendiskussion als »Grundreiz« empfohlen (vgl. Lamnek 2005: 440f.; Loos/Schäffer 2001: 51), um eine Diskussion zu entfachen. Ich setzte das Stimulusmaterial aus verschiedenen Gründen ein, vorrangig, um eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Interviews herzustellen, um besser an die Ergebnisse aus der Rekonstruktion des normativen Referenzrahmens anknüpfen zu können und weil es sich um abstrakte Fragen handelte, auf die mit offenen Fragen nur wenig Rücklauf zu erwarten war, wenn die Befragten sie nicht von sich aus angeführt hatten. Die Nutzung von Beispielen aus dem jordanischen Kontext erschien mir als eine Möglichkeit, »ganz abstrakte Probleme in ganz praktische wissenschaftliche Operationen umzuwandeln« (Bourdieu 2006: 255). Darüber hinaus ermöglicht das Arbeiten mit Fallbeispielen auch eine bessere Berücksichtigung der Situativität von Normenbewertungen. Aus diesem Grund werden Fallbeispiele in der Diskussion moralischer Fragen und ethischer Dilemmata nicht nur in der Journalistenausbildung (vgl. Russ-Mohl 1988: 191), sondern auch in der Journalistenbefragung eingesetzt.13 Schließlich war der Einsatz von Stimulusmaterial auch

13 Köcher beispielsweise arbeitete in einer Umfrage zu ethischen Standards von Journalisten in Deutschland und Großbritannien mit Fallbeispielen, die sie von den Journalisten beider

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eine forschungsstrategische Entscheidung, die der Situation geschuldet ist, dass meine Forschung in einem autoritären Land stattfand. Gerade von Journalisten ist eine besondere Sensibilität für die Grenzen des ›Sagbaren‹ zu erwarten. Ein Testen dieser Grenzen – so meine Befürchtung – würde durch Fragen nur schwer erreichbar sein. Voraussetzung, diese Hürde zu umgehen, war jedoch die Verwendung von Material, das aus dem Handlungskontext der Befragten stammte. Deshalb legte ich sowohl inhaltliche als auch formale Kriterien an die Auswahl des Materials: Für die Befragten sollte die Möglichkeit bestehen, mindestens zwei Protonormen ansprechen zu können. Es sollte zeitnah am Interviewtermin im jordanischen Kontext publiziert worden sein und es sollte sowohl potentiell kontroverse als auch potentiell konsensorientierte Normen repräsentieren. Die ausführliche Beschreibung des Stimulusmaterials mit meinen Erkenntnissinteressen und den dazugehörenden Bewertungen durch die Akteure erfolgt im Buchteil IV, Kapitel »Resonanzen«, 2. Die Auswertung der Interviews erfolgte mit dem Ziel, Bewertungsmuster hinsichtlich verschiedener journalistischer Normen im jordanischen Journalismus zu rekonstruieren, um diese in einem weiteren Schritt mit bestimmten Ressourcenkonstellationen in Verbindung zu bringen. Das Auswertungsinstrumentarium sollte also manifeste und latente Sinngehalte der Akteure erfassen können. Dieses Kriterium erfüllt die dokumentarische Methode, die zudem auch in ihrer theoretischen Fundierung an meine Arbeit anknüpft.14 Das methodische Problem, Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsmuster empirisch zu untersuchen, wenn sie den Akteuren selbst nicht bewusst sind, nicht sichtbar und deshalb nicht offen zu beobachten sind (Raabe 2005a: 186), löst die dokumentarische Methode wie folgt: Der Forscher interpretiert stellvertretend für die Erforschten deren Orientierungsmuster, was als »dokumentarische Interpretation« bezeichnet wird.15 Bohnsack be-

Länder bewerten ließ (vgl. Köcher 1985). Alsius (2010) verwendete ein ähnliches Verfahren, um Journalisten verschiedene, in Ethikkodizes erwähnte journalistische Werte, beurteilen zu lassen. Auch Bourdieu arbeitete in seinem Werk »Die feinen Unterschiede« zum Habitus mit umfangreichem Stimulusmaterial, das er den Interviewten zur Bewertung vorlegt (vgl. Bourdieu 1982). 14 Meuser argumentiert, dass rekonstruktive, sozialwissenschaftliche Methoden für die empirische Untersuchung des Bourdieu’schen Habitus von großer Bedeutung sind, obwohl Bourdieu selbst seine Erkenntnisse vielfach auf quantitative Datenanalysen basierte. Die theoretischen Parallelen des Boudieu’schen Habitus und der Mannheim’schen Wissenssoziologie – auf die die dokumentarische Methode fußt – zeigten, dass die dokumentarische Methode auch für die Bourdieu‘schen Begrifflichkeiten nutzbar ist (vgl. Meuser 2007; Meuser/Sackmann 1991: 21ff.). 15 Bohnsack trennt Orientierungsmuster analytisch in Orientierungsschemata und Orientierungsrahmen. Orientierungsschemata können in meiner Begrifflichkeit als die für ein

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zeichnet dies auch als »die theoretische Explikation der wechselseitigen (intuitiven) Verstehensleistungen der Erforschten« (Bohnsack 2003: 375). Nicht die individuellen Muster interessieren, sondern die an ihre im Feld gebundenen Positionen.16 Aus diesem Grund ist es wichtig, erste Annahmen über verschiedene Positionen im Feld und somit verschiedene »Erfahrungsdimensionen« (Nohl 2007: 261) vorab zu formulieren, was ich im vorbereitenden Schritt der Ressourcenanalyse vollzogen habe. Für eine Interpretation, die latentes Wissen der Akteure, d.h. Orientierungsrahmen erkennen soll, wird in der dokumentarischen Methode ein mehrstufiges Interpretationsvorgehen vorgeschlagen, das sich in zwei Interpretationsmodi ausdrückt: einer formulierenden und einer reflektierenden Interpretation (vgl. Bohnsack 1992). In der formulierenden Interpretation geht es zunächst um die Erfassung manifesten Wissens der Akteure, also dessen was die Akteure sagen. Sie erfordert zunächst eine Auswahl bestimmter Passagen, die als besonders ergiebig für die Interpretation erscheinen. Dazu gehören einerseits besonders dicht beschreibende und erzählerische Darstellungen, sogenannte »Fokussierungsmetaphern« und andererseits thematisch relevante Passagen (Bohnsack/Schäffer 2007: 310). Während sich Fokussierungsmetaphern vor allem in den Antworten auf meine offenen Fragen finden ließen (s. das Beispie in Tabelle 3), waren die thematischen Passagen durch die Diskussion des Stimulusmaterials weitgehend vorgegeben (s. das Beispiel in Tabelle 4). Allerdings beschränkte ich mich bei der thematischen Auswahl nicht auf die im Rahmen der Stimuli angesprochenen Normen, sondern suchte im gesamten Text nach Aussagen zu den drei Protonormen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung. Dieses Vorgehen hatte zum Ziel, für die Akteure relevante Normen, die nicht im normativen Referenzrahmen aufgegriffen wurden, ausfindig zu machen. Die so ausgewählten Passagen habe ich dann unter Berücksichtigung des Interviewverlaufs paraphrasiert und in Anlehnung an die dokumentarische Methode thematisch gegliedert in Oberthemen (OT), Unterthemen (UT) und Unter-Unterthemen (UUT) (vgl. Bohnsack/Nohl 2007; Bohnsack/Schäffer 2007): Was formulieren die Inter-

Feld konstitutiven präskriptiven Regeln bezeichnet werden, wohingegen Orientierungsrahmen sich auf die kognitiv-evaluativen Regeln beziehen. Bohnsack verwendet für Orientierungsrahmen auch den Begriff »Habitus« (vgl. Bohnsack 2011b: 132, 2007: 230). 16 Aus diesem Grund stellen auch die Interviews, in denen mehrere Interviewte aus einer Medienorganisation diskutierten, kein methodisches Problem, sondern eher eine Bereicherung dar. Indem sich die Interviewten wechselseitig aufeinander beziehen, lassen sich sehr gut über den gemeinsamen Erfahrungsraum desselben Arbeitgebers übereinstimmende oder divergierende Orientierungsstrukturen erkennen. In diesen Fällen habe ich in Anlehnung an Auswertungsverfahren von Gruppengesprächen besonders auf den Gesprächsfluss und die Diskursgestaltung geachtet (vgl. Przyborski 2004; Froschauer/Lueger 2003: 100ff.; Loos/Schäffer 2001).

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viewten, wann und in welchem Zusammenhang? Was lässt sich aus der Abfolge und Häufigkeit der Argumentation ablesen? Was sagen die Interviewten zu verschiedenen journalistischen Normen? Tabelle 3: Formulierende Interpretation bei offenen Fragen am Beispiel Af18

JP

Transkription

Formulierende Interpretation

What do you think is important for your work?

OT: Voraussetzungen für die Arbeit

Af16 For me, I think it is the voice. I am try- UT: Stimmbildung ing to improve my voice when I read. NQ ist es wichtig ihre Stimme zu trainieren Af17 For me, I like that everything is connected to people. I like that the reporter has to be in contact with the people. He has to tell the people what happened.

And he has to give him an idea about why something happened. And the things behind the news. It is my job to tell what is behind the news and what might happen. To analyze the news. Why something happened and what it will be in the future. That is important. Our job is for people.

UT: Kontakt zu Menschen Für WA ist es wichtig als Journalist nah an den Menschen dran zu sein. OT: Aufgaben eines Journalisten UT: Informieren WA wechselt vom Thema , was die Voraussetzungen eines Journalisten sind, zum Thema welche Aufgaben ein Journalist hat. Ein Journalist muss die Menschen informieren UT: Analyse und Prognose Die Arbeit eines Journalisten muss über das Informieren hinausgehen. Er muss analysieren und prognostizieren. »Er muss hinter die Nachrichten schauen.« UT: Arbeit für die Menschen

Quelle: Eigene Zusammenstellung

Die so generierten Themen fasste ich zunächst für jeden Einzelfall zusammen und strukturierte sie entlang der drei Protonormen. Die so beschriebenen Einzelfälle verglich ich untereinander und mit den in der Textanalyse entwickelten Kategorien. Daraus ließ sich ein Bild über die Rekurse der Feldakteure auf die Normen des normativen Referenzrahmens nachzeichnen. Die Frage danach, ob die ErwartungsErwartungen der Akteure im Feld mit denen der Gesetze und Ethikkodizes kongruieren, konnte so beantwortet werden. In einem weiteren Schritt ging es nun darum, Bewertungsmuster der einzelnen Fälle zu erfassen und systematisch miteinander zu vergleichen. Hierzu bedurfte es eines weiteren Interpretationsschrittes, den die dokumentarische Interpretation als

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reflektierende Interpretation bezeichnet. Als Textpassagen für diesen intensiven Auswertungsschritt beschränkte ich mich auf die Reaktionen der Befragten auf die Stimuli. Bei der Interpretation der Bewertungen des Stimulusmaterials unterschied ich zwischen einer zustimmenden, ablehnenden und ambivalenten Bewertung gegenüber dem Material. Diese Bewertung stellt gewissermaßen den »immanenten« (Bohnsack/Nohl 2007: 303) oder »manifesten« (Froschauer/Lueger 2003: 102) Wissensgehalt der Akteure dar. Darüber hinaus galt es aber auch, die Begründungen für diese Bewertungen aufzunehmen. Dafür wurden die Textpassagen auch hier zunächst thematisch gegliedert. Tabelle 4: Formulierende Interpretation bei Stimulusmaterial am Beispiel Af07 Af07 I don’t understand the meaning of this picture [Karikatur Wahlen]. Because there are just two hands. It is not clear. What do we need for your ID?

OT Bewertung der Karikatur Wahlen UT1: Bedeutung der Karikatur unverständlich UUT: Fehlende Komplexität (nur zwei Hände) UUT: Fehlende Inhalte (fehlender Gegenwert für die ID Karte)

JP

UT2: Intention der Karikatur

But you know what the meaning is supposed to be?

Af07 Yes, the buying of votes. But I don’t want the readers to see it. The picture doesn’t give an idea of what is going on. I don’t understand the acclamation mark, here. I wouldn’t publish it because it has no content.

UT2: Intention der Karikatur klar (Stimmenkauf) UT3: Publikum soll nicht mit Karikatur konfrontiert werden UUT: Keine Abbildung der Realität UT4: Unverständliche Verwendung von Satzzeichen (Ausrufezeichen) Konklusion: Nicht publizierbar wegen fehlendem Inhalt

Quelle: Eigene Zusammenstellung

Da die Betrachtung unterschiedlicher Begründungsebenen bereits auf die Art und Weise der Bewertungen verweist, gehören sie im Sinne der dokumentarischen Methode bereits zum zweiten Interpretationsschritt, der reflektierenden Interpretation.

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Unterschiede in der Bewertung verweisen nämlich auf die latenten Sinngehalte der Aussagen, die vom Habitus generierten Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster. Die reflektierende Interpretation unterscheidet sich von der formulierenden hauptsächlich darin, dass sie nicht erfasst, was gesagt wird, sonder wie etwas gesagt wird (s. das Beispiel in Tabelle 5). Es geht darum, eine implizite Regelhaftigkeit zu erschließen und zu explizieren. Es wird »nach der Klasse von Reaktionen gesucht […], die nicht nur als thematisch sinnvoll erscheinen, sondern die auch homolog oder funktional äquivalent zu der empirisch gegeben Reaktion sind« (Bohnsack/Nohl 2007: 303). Für die oben genannte Textpassage von Af07 zur Bewertung der Karikatur Wahlen ließ sich etwa Folgendes formulieren: Tabelle 5: Reflektierende Interpretation der Passage »Wahlen« bei Af07 Die Art und Weise wie die ablehnende Bewertung begründet wird, verweist darauf, dass Af07 großen Wert auf präzise Darstellung legt (fehlender Gegenwert, unverständliches Verwendung des Ausrufezeichens). Eine solche ist notwendig, um dem Publikum eine möglichst genaue Abbildung der Realität zu bieten (die Karikatur zeigt nicht, was in Jordanien passiert). Die Argumentation und Konklusion verweist auf ein permanentes ›Mitdenken‹ der Wirkung beim Publikum. Die von Af07 imaginierte Wirkung auf das Publikum führt zur Entscheidung über eine Publikation bzw. Nichtpublikation. Der fehlende Inhalt wird als weitere Ablehnungsbegründung hinzugezogen, wobei sich »fehlender Inhalt« sowohl auf mangelnde Präzision beziehen kann – der Inhalt ist ihr ja trotz der mangelhaften Darstellung klar – als auch auf mangelnde inhaltliche und damit gesellschaftliche Bedeutung. (Auszug aus der reflektierende Interpretation der Passage Wahlen bei Af07) Quelle: Eigene Zusammenstellung

Die reflektierende Interpretation enthält bereits implizit Vergleiche, die zunächst innerhalb eines Falls erfolgen (fallinterner Vergleich). Für das Beispiel lassen sich an anderen Stellen die beiden Bewertungsmuster ›Imagination der Wirkung beim Publikum‹ und ›fehlende inhaltliche Relevanz‹ erneut feststellen. Dabei zeigt sich in der Gesamtbetrachtung des Falls, dass ›fehlende inhaltliche Relevanz‹ als Metapher für ein aus (organisations-)politischen Gründen nicht publizierbares Thema verwandt wird. Die Interpretation ergibt sich aber auch aus einem Vergleich mit anderen Fällen (inter-Fallvergleich). Die beiden Bewertungsmuster ergeben sich auch in Abgrenzung zu einem Bewertungsmuster bei Am06, der seine Bewertung mit der gesellschaftlichen Bedeutung des Themas begründet und nicht mit der Darstellung. Nicht eine imaginierte Wirkung auf das Publikum leitet seine Bewertung, sondern seine Auffassung von öffentlichem Interesse. Die Imagination der Wirkung auf das Publikum zeigt sich also im Vergleich als ein Bewertungsmuster, das präzise Abbildung der Realität vor eine Beeinflussung dieser setzt. Ein VerständlichMachen für das Publikum steht vor dem Konsens mit dem Publikum. Denn Am06 setzt voraus, dass seine Abscheu gegen den Kauf von Stimmen von seinem Publi-

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kum geteilt wird. Ein derartiges Vorgehen (s. Abbildung 6) unterstreicht die Bedeutung des Vergleichs als methodische Kontrolle in der Interpretation (vgl. Bohnsack/Nohl 2007: 304; Nohl 2007: 256). Abbildung 6: Vorgehen bei der Rekonstruktion von Bewertungsmustern

Quelle: Eigene Darstellung

Allerdings geht die reflektierende Interpretation noch nicht über eine Darstellung der Bewertungsmuster einzelner Fälle hinaus, auch wenn bereits ein fallübergreifender Vergleich stattfindet. Eine solche Typenbildung findet erst im nächsten Schritt, der Rekonstruktion verschiedener Wandelpotentiale im Feld, statt. Der Rekurs auf den normativen Referenzrahmen und die Bewertungsmuster anhand ausgewählter Normen sagen allein noch nichts aus über eine Aktualisierung verschiedener Normen. Hierfür bedarf es eines Hinzuziehens der Ressourcen, mit denen bestimmte Bewertungen durchgesetzt werden können oder auch nicht. Deshalb griff ich in einem letzten Schritt zur REKONSTRUKTION VERSCHIEDENER TYPEN entlang ihrer Potentiale des Wandels im Journalismus. Dazu bedurfte es einer Abstraktion vom Fall-spezifischen auf das Feld-spezifische. Als Ergebnis eines systematischen Vergleichs der Einzelfälle formulierte ich schließlich verschiedene Idealtypen, die sich auf unterschiedlichen Positionen im Feld und für Wandelpotentiale in unterschiedlichen Bereichen im journalistischen Feld Jordaniens finden lassen. Die Typenbildung basierte auf der Zusammenführung der Ergebnisse von Normenrelevanzstrukturen, Normenbewertungsstrukturen und Ressourcenkonstellationen, zu denen sich jeweils eine Überblickstabelle im Anhang findet.

III. Gezielte Transformationsversuche: Reformrhetorik oder Wandelinitiative?

Normenkontext seit 1989

Die Entwicklung der Mediengesetze in Jordanien ist in den letzten zehn Jahren häufig thematisiert worden. Nicht nur von wissenschaftlicher Seite (vgl. z.B. Sakr 2002, Najjar 1998, 2001, 2008), sondern auch von Praktikern, allen voran Watchdog-Organisationen wie Reporter ohne Grenzen (RSF), Article 19, Free Media, Center for Protection of Journalists (CPJ), IREX. In allen Fällen werden die geltenden Gesetze auf ihre Veränderungen im Hinblick auf die Pressefreiheit betrachtet. Dies liegt in der Natur der genannten Watchdog-Organisationen begründet, die sich ja auf die Beobachtung der Pressefreiheit konzentrieren. Aus diesem Grund liegt ihr Betrachtungsfokus zumeist auch auf dem restriktiven Charakter von Normen, der jedoch den Blick auf mögliche Veränderungen im Journalismus insgesamt verstellt. Andere ebenso für den Journalismus relevante Normen bleiben unberücksichtigt und lassen nur schwer eine Antwort auf die Frage zu, wie und ob sich der Journalismus in einem Land wandelt. Dabei soll die Bedeutung der Pressefreiheit keinesfalls in Abrede gestellt werden. Vielmehr geht es hier um eine Erweiterung der Perspektive auf Normen, die sich in den Protonormen des Journalismus, Wahrheit, Freiheit und Verantwortung, finden lassen. Die Fokussierung auf die Entwicklung der Pressefreiheit in einem Pressefreiheitsranking bringt beispielsweise zum Ausdruck, dass Jordanien 2012 eine negative Entwicklung mit einem Statusverlust von acht Plätzen im Vergleich zum Vorjahr durchlaufen habe.1 Gleichzeitig ist es mittlerweile zaghaft möglich, das System der Monarchie öffentlich zu kritisieren, ohne dafür im Gefängnis zu landen, ein noch vor wenigen Jahren undenkbares Unterfangen. Diese qualitativen Veränderungen lassen sich nur mit einer umfassenden Betrachtung des normativen Referenzrahmens im jordanischen Journalismus herausfiltern. Das folgende Kapitel verfolgt deshalb das übergeordnete Ziel, der Frage nachzugehen, wie gezielte Transformationsversuche vonseiten des jordanischen Re-

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Vgl. Report zum Pressefreiheitsindex von Reporter ohne Grenzen http://en.rsf.org/IMG /CLASSEMENT_2012/C_GENERAL_ANG.pdf vom 20.4.2015.

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gimes und feldinterner Akteure den Referenzrahmen für Journalisten verändert haben. In der Theorie habe ich dargelegt, dass davon auszugehen ist, dass beide Akteursgruppen die journalistische Praxis in Jordanien gezielt zu verändern versuchen. Als Instrumente solch gezielter Transformationsversuche habe ich Gesetze und Ethikkodizes identifiziert. Doch im Gegensatz zu Demokratien lassen sich in autokratischen Regimen die Trennlinien zwischen Regime-initiierten Transformationsversuchen und solchen, die aus dem Feld selbst heraus kommen, nicht eindeutig anhand der Form der Normenträger erkennen. Dies liegt vor allem an den Prozessen der Normensetzung, -beobachtung und -sanktionierung, in deren Verlauf Akteure des autokratischen Regimes versuchen, mithilfe von Kooptation oder Repression die Kontrolle über das journalistische Feld aufrecht zu erhalten. Zugleich versuchen Akteure des Feldes ihren Selbstregulierungsanspruch für das journalistische Feld zu behaupten. Aus diesem Grund muss zunächst der Prozess der Normendefinition genauer beschrieben werden, um daraus schließen zu können, welche Normen für welche Akteursinteressen stehen. Da in einem weiteren Schritt die Resonanz der Transformationsversuche im Feld beleuchtet werden soll, um Aufschluss darüber zu geben, welche Versuche erfolgversprechend sind und welche nicht, bedarf es außerdem einer Analyse der Prozesse der Normenbeobachtung und -sanktionierung. Die im theoretischen Buchteil dargelegten Analyseraster sollen deshalb im Folgenden auf den jordanischen Kontext angewandt werden. Nicht alle Punkte dieses Rasters lassen sich im Rahmen der Arbeit zufriedenstellend ausführen, denn der Zugang zu notwendigen Quellen war nicht immer gegeben. Aufgrund des explorativen Charakters erhebt das folgende Kapitel deshalb keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es soll vielmehr weitere Forschungsarbeiten inspirieren, in erster Linie aber Arbeitshypothesen für die weitere empirische Untersuchung dieser Arbeit formulieren helfen.

1. G ESETZE : V ON DER V ERFASSUNG ZUM I NFORMATIONSZUGANGSGESETZ Für die nachfolgenden Ausführungen zu den Prozessen der Normensetzung sowie der Normenbeobachtung und -sanktionierung betrachte ich den Zeitraum von 1952 bis 2007. Den Beginn dieser Zeitspanne markiert die Verabschiedung der jordanischen Verfassung, den Abschluss, das Jahr meiner Feldforschung in Jordanien. In dieser Zeit wurden die Verfassung (1952), weite Teile des heute geltenden Strafgesetzes (1960) sowie das Gesetz zum Umgang mit Geheimdokumenten (1971) erlassen. Für die Zeit zwischen der Öffnung 1989 und König Husseins Tod 1999 lassen sich lediglich zwei Gesetze, die das journalistische Feld betreffen, erfassen: eine neue Fassung des Pressegesetzes (1993), die auch den Kern des heutigen Gesetzes

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darstellt und nach fünf Jahren das erste Mal geändert wurde (1997/98), sowie das Gesetz des Jordanischen Journalistenverbandes (1998). Eine deutliche Zunahme von Transformationsversuchen mittels Gesetzen zeigt sich für die Zeit nach der Inthronisierung König Abdallahs II. im Jahr 1999. Von diesem Jahr bis 2007 wurden das Urheberschutzgesetz (2001), das Telekommunikationsgesetz (2002), das Gesetz für audio-visuelle Medien (2002) und seine Ergänzung (2003), das Gesetz über den Hohen Medienrat (2004), das Informationszugangsgesetz (2007) sowie zwei Änderungen des Pressegesetzes (1999 und 2007) verabschiedet.2 1.1 Akteure und Mechanismen der Normendefinition Unabhängig von den jeweiligen Herrschern hat sich seit Inkrafttreten der Verfassung im Jahr 1952 nichts an dem verfassungsrechtlich verankerten Gesetzgebungsprozess geändert. Danach gehören zur Legislative das Oberhaus, das Unterhaus und der König. Ein Gesetz muss, bevor es Gültigkeit erlangt, durch Ober- und Unterhaus in einfacher Mehrheit akzeptiert werden. Was zunächst wie ein demokratisches Prozedere scheint, ist in Wirklichkeit stark durch die Macht und den Willen des Königs begrenzt. Zum einen wird lediglich das Unterhaus (in stets umstrittenen Wahlen)3 gewählt, während sich das Oberhaus aus vom König benannten Senatoren zusammensetzt. Zum anderen muss der König alle Gesetze bestätigen. Ohne den Willen des Königs lässt sich also kein Gesetz in Jordanien verabschieden (vgl. Dieterich 1999). Dennoch ist davon auszugehen, dass zumindest die Meinung des Parlaments – wenn auch mit wechselndem Einfluss – Berücksichtigung findet, denn das Parlament ist Teil eines neopatrimonialen Systems, dessen Akteure je nach Konstellation mal mehr und mal weniger für den Machterhalt des Königs von Belang sind.4 Das Parlament gilt dem König zudem als »Stimmungsbarometer«, mit-

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Seit meiner Feldforschung 2007 erfolgte zudem eine Neufassung des Presse- und Publikationsgesetzes, das cyber-crime-Gesetz und ein Gesetz zur Korruptionsbekämpfung. Alle drei Gesetzesentwürfe sind heftig vor allem von Online-Journalisten kritisiert worden, da sie offensichtlich zur Regulierung und Beschränkung ihrer journalistischen Praxis gedacht waren. Da diese Gesetze aus methodischen Gründen (s. Buchteil II, Methoden, Rekonstruktion Wandelpotentiale, 1) nicht in die Analyse einflossen, wird hier nicht weiter auf sie eingegangen.

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Die Kritik richtet sich hauptsächlich gegen das kontroverse Wahlrecht, das vor allem »unabhängige«, d.h. parteilose Kandidaten gegenüber politischen Parteien, ländliche Regionen gegenüber den Städten und Transjordanier gegenüber Palästinensern bevorzugt (vgl. Valbjørn 2010).

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In dem im Januar 2013 neu gewählten Parlament, das nach Ansicht des Regimes einen großen Reformschritt darstellt, sind zwei Drittel aller Abgeordneten ›Königstreue‹ und

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hilfe dessen er eine mögliche Akzeptanz seiner Politik bei den einschlägigen Eliten testen kann. Massiv geschwächt wird die Stellung des Parlaments im Normendefinitionsprozess dadurch, dass es keine Befugnis hat, Gesetzesinitiativen einzubringen oder Vetos gegenüber Entscheidungen des Königs einzulegen (vgl. Schlumberger 2008: 162). Je nach machtpolitischer Konstellation können in den dem Gesetzgebungsverfahren vorgeschalteten Prozess der Normenaushandlung andere gesellschaftliche Akteure gehört oder involviert werden. Da dies aber auf ›Einladung‹ geschieht, stellt sich die Frage, inwieweit Akteure aus dem journalistischen Feld in den Aushandlungs- und Definitionsprozess eingebunden werden und welche Positionen sie repräsentieren. Dies soll nun für die einzelnen Gesetze nachgezeichnet werden. Da eine aktive Beteiligung von nicht-staatlichen Akteuren im Regelsetzungsprozess für Gesetze sehr begrenzt ist, werde ich ergänzend die öffentliche Diskussion um bestimmte Gesetzesvorhaben skizzieren, um so weitere Anhaltspunkte für die Verortung der mit den Gesetzen verbundenen Erwartungen zu ermöglichen. 1952-1989 Die Verfassung wurde im Jahr 1952 noch unter König Talal, dem Großvater des heutigen König Abdallah II., erlassen. Sie wird für die Zeit ihrer Entstehung als liberaler Schritt gedeutet, da sie erstmalig in der Geschichte des unabhängigen Jordaniens der Regierung eine Verantwortung gegenüber dem Parlament und nicht nur gegenüber dem König zusprach (vgl. Dieterich 1999: 39, Masaad 2001: 41, Robins 2004: 80). Im Kern blieb die Verfassung in den folgenden Jahren unverändert, auch wenn sie mehrmals durch weitere Paragraphen ergänzt wurde. Dies zeigt, dass grundsätzlich eine Verfassungsänderung kein Tabu ist. Häufig waren aber Krisen der Anlass für Änderungen. Umso überraschender ist es, dass das angebliche Umbruchsjahr 1989 keine solche mit sich brachte.5 Der für die journalistische Praxis relevante Artikel 15 zur Pressefreiheit existiert unverändert seit dem Erlass im Jahr 1952. Die Verfassung ist damit der älteste und beständigste Normenträger für den Journalismus in Jordanien. Allerdings ist seine Entstehung und Definition in erster

lediglich ein Drittel ›Oppositionelle‹ (vgl. Bank/Sunnik 2013; Wehler-Schöck 2013; Seeley 2013). 5

Für Dieterich ist dies ein Grund unter anderen, warum nicht von einer Demokratisierung gesprochen werden kann. Denn besonders in den Jahren nach der sogenannten »Öffnung« stieß die fehlende Verfassungsreform auf Kritik (Dieterich 1999: 154f.). Auch die neuerlich im Zuge des Arabischen Frühlings erfolgten Änderungen sind vorwiegend kosmetischer Art, denn eine wirkliche Stärkung des Parlaments gegenüber dem König blieb aus (vgl. Bank/Sunnik 2013, Wehler-Schöck 2013; Seeley 2013).

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Linie ein Produkt der zu diesem Zeitpunkt ungeteilten Macht des Königs, das jedoch in weiten Teilen der Bevölkerung und auch der politischen Elite auf Anerkennung stieß (vgl. Robins 2004: 80ff.). Robins weist darauf hin, dass sogar die Kommunisten, die zu diesem Zeitpunkt die fundamentalste Opposition bildeten, sich zufrieden mit der Verfassung zeigten (ebd.: 80, Fußnote 3). Die Verfassung von 1952 garantiert in Artikel 15 die Meinungs- und Pressefreiheit. Da alle Gesetze im Land konform mit ihr gehen müssen, ist sie grundlegend für alle anderen Mediengesetze. In den Jahren zwischen der Verabschiedung der Verfassung und dem Strafgesetz von 1960 gab es zwei weitere Gesetzestexte, die für den damaligen Journalismus von Bedeutung waren, heute aber nicht mehr aktuell sind: zum einen das AntiKommunismusgesetz von 1953, das sämtliche kommunistische Publikationen verbot, und zum anderen die Erneuerung des osmanischen Pressegesetzes von 1953, das weitere Einschränkungen für Zeitungen hinterließ (vgl. Najjar 2001: 81). In der Folge wurden Änderungen des Pressegesetzes 1955 und 1967 vorgenommen, die aber vor allem Veränderungen der Lizenzbedingungen mit sich brachten. Das Strafgesetz wurde verabschiedet zu einer Zeit, in der das Parlament zwar existierte, in der von einem »demokratischen Leben im Land jedoch nicht die Rede sein konnte« (Dieterich 1999: 35). Parteien waren nach einem Putschversuch 1957 verboten und die Herrschaft König Husseins stützte sich vor allem auf die Unterstützung der dem Königshaus nahestehenden Eliten. Somit ist von einer Diskussion über die Verabschiedung des Strafgesetzes nichts zu lesen. Lediglich die deutlich geschwächte Opposition – besonders in Form der Berufsverbände – hob in ihren Kernforderungen immer wieder die Einhaltung der Meinungs- und Pressefreiheit hervor, die sie zum damaligen Zeitpunkt vor allem durch die Sanktionsmöglichkeiten des Strafgesetzes gefährdet sah (ebd.: 140f.). Die meisten wissenschaftlichen Studien, die sich mit dieser Zeit beschäftigen, erwähnen die Verabschiedung des Strafgesetzes nicht. Erst später, im Zusammenhang mit der Diskussion um das Pressegesetz und seinen zahlreichen Änderungen, bezogen auch Akteure aus dem journalistischen Feld Stellung zum Strafgesetz. So wurde beispielsweise darauf verwiesen, dass bestimmte inhaltliche Restriktionen im Strafgesetz bereits festgelegt seien und demnach nicht gesondert im Pressegesetz aufgeführt werden müssten (s. unten).6 Interessant mit Blick auf die Verortung des Normensetzungsprozess in-

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Auch heute noch bestehen widerstreitende Positionen hinsichtlich des Strafgesetzes, wobei nicht klar auszumachen ist, ob die Differenzen innerhalb des journalistischen Feldes verlaufen oder hauptsächlich zwischen Journalismus und Politik. Mit Verweis auf die Regelung im Strafgesetz sollen weitere unter Umständen konkurrierende Gesetze abgeblockt werden. Zuletzt in der Diskussion um ein Anti-Korruptionsgesetz im Jahr 2011 und 2012 übten der Journalistenverband und Medien-NROs Druck auf die Gesetzgeber aus, dass der ursprünglich vorgesehene Paragraph 23 des Anti-Korruptionsgesetzes ge-

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nerhalb des Regimes ist, dass die Änderung des Pressegesetzes von 1967 den Informationsminister als Definitionsinstanz für das bestimmte, was Verleumdung und die entsprechenden strafgesetzlichen Strafen dafür seien (vgl. Najjar 2001: 97). Dieser Schritt, zusammen mit der Verlagerung der Verantwortung der Zensurbehörde zum Premierminister, zeigt, dass der König offensichtlich eine Zentralisierung und damit eine besser Kontrolle über die den Journalismus bestimmenden Normen erlangen wollte. Von 1967-1989 fanden in Jordanien keine Wahlen statt. Die Amtszeit des 1967 gewählten Parlaments wurde unter dem Kriegsrecht immer wieder bis 1974 verlängert, sodass eine parlamentarische Einbindung in den Normensetzungsprozess vollends fehlte, als das Geheimdokumente-Gesetz 1971 verabschiedet wurde.7 Die Verabschiedung des Gesetzes fügte sich in die politische Gesamtlage der späten 1960er und 1970er Jahre. Spätestens seit dem Krieg mit Israel im Jahr 1967 war die jordanische Innenpolitik besonders geprägt von der Auseinandersetzung mit den Palästinensern und um Palästina. Noch während des Kampfes der jordanischen Armee mit palästinensischen Kämpfern, die mehrere Jahre von jordanischem Boden aus gegen Israel agiert hatten, setzte im Staatsapparat – allen voran in der Armee – eine »Jordanisierungswelle« ein.8 Im Kontext der militärischen Auseinandersetzungen zwi-

strichen werden sollte, da er durch die Gesetze im Strafgesetz abgedeckt sei. Paragraph 23 besagt: »Jede Person oder Partei, die öffentlich und explizit ohne stichhaltigen Beweise jemand anderen mit dem Ziel der Üblen Nachrede oder der Verleumdung der Korruption beschuldigt, sowie character assassination muss mit Strafen von mindestens 30.000 JD und maximal 60.000 JD rechnen.« Journalisten hatten bereits im Vorfeld der parlamentarischen Diskussion massiv gegen diesen Passus protestiert, da sie darin einen Schutzwall für Korruptionsverdächtige gegen kritische Berichterstattung sahen, denn der Begriff »character assasination« war bis dahin juristisch in Jordanien nicht bekannt (vgl. Jordan Times, 5.1.2012, Senate committee rejects controversial ACC law provision, http://jordantimes.com/senate-committee-rejects-controversial-acc-law-provision vom 20. 4.2015 und Jordan Times, 19.19.2011, Press freedom advocates seek withdrawal of ACC draft law, http://jordantimes.com/press-freedom-advocates-seek-withdrawal-of-accdraft-law vom 20.4.2015). 7

1974 löste König Hussein das Parlament endgültig auf und berief einen Konsultativrat ein, der aber nur Beratungsfunktion hatte. Lenner weist darauf hin, dass seine Zusammensetzung die »staatliche Selektivität«, die 1967 eingesetzt hatte, widerspiegelt. Der Prozess der Gesetzgebung unterschied sich folglich in den Jahren 1974-1989 von dem oben beschriebenen durch eine noch geringere und selektivere Involvierung von Akteuren (vgl. Lenner 2006: 50).

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Beispielsweise wurden palästinensische Jordanier aus wichtigen Posten der Administration und des Militärs entlassen und durch transjordanische Jordanier ersetzt. Auf einer

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schen der jordanischen Armee mit Israel (1967), Syrien (1971) und palästinensischen Kämpfern (1968-1971) sowie der Nationalisierungspolitik entstand das Geheimdokumente-Gesetz, das die sowieso schon eingeschränkten Freiheiten von Journalisten weiter beschnitt und vor allem die nationale Sicherheit stärker in den Mittelpunkt stellte. Diese Fokussierung spiegelt sich auch in der Medienpolitik König Husseins und seiner Einstellung gegenüber einer freien Presse wider. Pressefreiheit war für ihn kein unantastbares Recht, sondern hatte sich immer den Interessen des Staates unterzuordnen. Pressefreiheit, so betonte er in einer Ansprache an das Parlament 1986, sei synonym mit Presseverantwortung und dürfe die Sicherheit des Staates nicht gefährden (vgl. Badran 1988: 337). Von offener Opposition gegen das Gesetz ist zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung in der Literatur nichts zu lesen, was angesichts der repressiven Politik des Regimes nicht verwundert. Interessanterweise wurde in den 1980er Jahren kein weiteres Gesetz erlassen, das den Journalismus in Jordanien betroffen hätte. Offensichtlich hatte König Hussein andere Vorstellungen davon, wie das Feld des Journalismus zu regeln sei. Jones datiert den Beginn der repressiven Phase König Husseins für die Medien auf 1985 (2002a: 297). In einem offenen Brief beschuldigte der König die Presse, Angriffe auf die sozialen Institutionen, ihre Gepflogenheiten und Werte auszuführen und Frustration und Entmutigung zu schüren (vgl. Anonym 1987: 33). Die Unterdrückung von Opposition und die Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit waren zwar zum Teil auch durch die 1973 erlassenen Änderungen zum Pressegesetzt gedeckt.9 Viele Maßnahmen gingen aber weit über die rechtlich festgelegten Regeln hinaus. Der Ausnahmezustand erlaubte besonders den Sicherheitsapparaten, allen voran den Geheimdiensten, mit vielfältigen Mitteln gegen unliebsame Journalisten vorzugehen. Passentzug, sogenannte »Verbannungen« oder Verhaftungen von Journalisten und direkte Kontrolle der Medieninhalte waren an der Tagesordnung (vgl. ebd.). 1988 schließlich nahm das Regime alle Zeitungen unter seine administ-

symbolpolitischen Ebene wurde vermehrt Bezug zu den »beduinischen Formen« der jordanischen Gesellschaft genommen, die auch auf die Medien übertragen wurde. So sollte das Fernsehen verstärkt beduinische Folklore ausstrahlen und alle Medien über symbolische Handlungen König Husseins, die auf eine Re-Traditionalisierung abzielten, ausgiebig berichten (vgl. Dieterich 1999: 34, Massad 2001: 240, Brand 1995: 53). 9

Schon im Februar 1967 wurden Änderungen am Pressegesetz vorgenommen, die darauf abzielten, den Zugang zum Medienbesitz auf loyale Staatsbürger zu beschränken. In einer Änderung wurde bestimmt, dass Lizenzbewerber ab sofort ein Führungszeugnis des Geheimdienstes vorlegen müssten (vgl. Najjar 2001: 97). Die Änderungen von 1973 legten noch einmal nach, indem sie hohe Geldstrafen festlegten für den Fall, dass Lizenzbewerber »ausländische finanzielle Unterstützung« akzeptieren oder eine Politik verfolgen würden, die »schädlich für das Land« sei (vgl. Najjar 2001: 98).

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rative und redaktionelle Kontrolle, indem es die Chefredaktionen kurzerhand entließ und durch regierungstreue Manager und Chefredakteure ersetzte. Die Chefredakteure von Ar-Ra'i und Jordan Times traten aus Protest gegen diesen Schritt zurück (vgl. Jones 2002a: 297). Die Repressionspolitik hatte zur Folge, dass Kritik an der Regierung in der Öffentlichkeit kaum noch geäußert wurde. Entsprechend sind Einschätzungen darüber, inwiefern Akteure im journalistischen Feld mit den Gesetzestexten der damaligen Zeit übereinstimmten, nur schwer möglich. Einen kritischen Einblick in den Zustand des Journalismus der 1980er Jahre bietet der anonym in der Zeitschrift Middle East Report (MERIP) veröffentlichte Beitrag eines Journalisten oder einer Journalistin, nach dem sich in der Jordanian Writers Association viele Oppositionelle sammelten, darunter auch einige Journalisten. Mit öffentlichen Aktionen äußerten sie gelegentlich ihren Unmut über die miserable Situation der Meinungsfreiheit (vgl. Anonym 1987: 30). Während die meisten Berufsversbände zum Ersatz für die verbotenen Parteien geworden waren, stand der Journalistenverband zumeist aufseiten des Regimes, so dass auch hier nur mäßig bis keine Opposition zu erwarten war. Erst in den Jahren zwischen Husseins Öffnungspolitik 1989 und seinem Tod 1999 entstanden zwei weitere Gesetze, die den Journalismus berührten: das neue Pressegesetz und das Gesetz für den Jordanischen Journalistenverband. Für den Zeitraum vor der politischen Öffnung von 1989 stellen Gesetze ein eher untergeordnetes Mittel dar, den Journalismus zu beeinflussen. Wenn sie eingesetzt wurden, dann vor allem aus Repressionsgründen, nicht jedoch zur Liberalisierung. Das Prinzip der »Herrschaft mit Gesetzen« lässt sich für diese Herrschaftsphase für den Journalismus in Jordanien deshalb noch nicht feststellen. Dies begann erst, als mit der politischen Öffnung Liberalisierungen notwendig für den Machterhalt des Regimes wurden. 1989-1999 Das Presse- und Publikationsgesetz (PPL) ist das Mediengesetz, welches seit 1989 die meisten Veränderungen durchlaufen und für die meisten Diskussionen gesorgt hat.10 Seine Veränderungen markieren Entwicklungsschritte der Medien in Jordanien und stehen darüber hinaus oft stellvertretend für den wechselhaften Transfor-

10 Auch wenn die Vorgängerversionen des aktuellen Pressegesetzes nicht in die Textanalyse mit eingegangen sind, so ist es doch für dessen Interpretation und Akzeptanz bedeutsam, in welchem Kontext der Kern des Textes entstanden ist und wie sich die Änderungen in den Entwicklungskontext dieses Textes einbetten lassen.

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mationsprozess in Jordanien insgesamt.11 Im Zuge seiner Reformpolitik initiierte König Hussein 1989 ein vollständig neues Presse- und Publikationsgesetz. Es eröffnete Privatleuten (wieder) die Möglichkeit, Zeitungen zu besitzen und herauszugeben und entzog den staatlichen Autoritäten das Recht, Zeitungen zu schließen (vgl. Article 19 2005a: 7). Es trat 1993 in Kraft, symbolisierte das Ende des Ausnahmezustandes in den jordanischen Medien und löste das Pressegesetz von 1973 ab, das den Geist des Kriegszustandes widergespiegelt hatte.12 Hussein hatte 1989 Wahlen abhalten lassen, die in der Rückschau als die bis heute freiesten gelten, da sie tatsächlich Raum ließen für eine nennenswerte Opposition im Parlament. Der Gesetzentwurf für ein neues Pressegesetz, der im Jahre 1992 von der Regierung ins Parlament gebracht worden war, durch zahlreiche Änderungen, die offensichtlich der zusätzlichen Freiheitsbeschneidung der Presse dienen sollten. Die Version, die schließlich verabschiedet wurde, war eine deutlich schlechtere in den Augen von Vertretern aus dem Feld13 und ein Indikator für das angespannte Verhältnis von Parlament und Presse zu jener Zeit (vgl. Jones 2002a: 308f.). Aufgrund seines Kodifizierungsprozesses hat Jones das Gesetz als »schizophrenes Dokument« (ebd.: 308) bezeichnet. Den von der Regierung vorlegten Entwurf modifizierte das Parlament stark zu Lasten einer freien und unabhängigen Presse (ebd.). Damit spielte das Parlament eine außergewöhnlich starke Rolle im Prozess der Normendefinition, konnte bei den feldinternen Akteuren jedoch keine eindeutige Akzeptanz finden. Als der Gesetzentwurf öffentlich wurde, versammelten sich 40 Journalisten zu einer Demonstration gegen den Entwurf und vor allem gegen die Verschärfungen durch das Parlament. In der Jordan Times wurde der Entwurf mehrfach vernichtend bedacht (vgl. ebd.: 311). Den Tag der Verabschiedung nannte die Jordan Times »einen schwarzen Tag für die Presse.«14 Hauptaugenmerk der Kritik vonseiten der Journalisten waren die inhaltlichen Bestimmungen des §40, der die Behandlung folgender Themen restringierte: Nachrichten über das Königshaus (1) oder die Armee (2), Beiträge, die die Religion herabstufen (3), die nationale Einheit gefährden (4), Hass oder Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft schüren (5), die nationale Währung gefährden (6), befreundete Staaten und deren Staats-

11 Aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive vgl. Najjar 1998, 2001, 2008 oder Sakr 2002. In der Politikwissenschaft wird die Mediengesetzgebung auch als Indikator eines Demokratisierungsprozesses betrachtet vgl. Dietrich 1999, ICG 2003 oder Muasher 2011. 12 Zum Pressegesetz von 1973 vgl. Najjar 2001. 13 Adam Jones zitiert Mohammed Ayish, damals Professor an der Yarmouk Universität in Irbid und George Hawatmeh, damals Chefredakteur der Jordan Times (2002a: 308). 14 Jordan Times, 28.12.1992, Black day for the press (zitiert nach Jones 2002a: 311, Übersetzung J.P.).

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chefs beleidigen (7) oder die die Freiheit oder den Ruf einer Person schädigen könnten (8) sowie Beiträge, die allgemeine ethische oder unanständige Texte oder Bilder beinhalten (9) wurden verboten. Zudem standen die hohen Lizenzgebühren und finanziellen Rücklagen, sowie die Einschränkungen im Zeugnisverweigerungsrecht in der Kritik (Kilani 2001: 11f.). Insgesamt, so kritisierte Ayman Safadi in der Jordan Times, seien die »Restriktionen lähmend, die Terminologie elastisch, die Definitionen vage.« Damit lasse es der Regierung zu viel Macht und die Presse mit zu vielen Schwierigkeiten zurück.15 Doch es wäre falsch davon auszugehen, dass die Journalistenschaft eine einheitliche Meinung zu diesem Gesetz vertrat. Interessant ist besonders die Rolle des Journalistenverbandes beim Gesetzgebungsprozess, der im Normensetzungsprozess für seine Monopolstellung als offizielle Repräsentanz der Journalistenschaft kämpfte. Der §2 des damaligen Presse- und Publikationsgesetzes, der als Journalist diejenigen bezeichnete, »die Mitglieder im Journalistenverband sind«, enthielt in der dem Parlament vorgelegten Ursprungsversion den Zusatz »oder den Journalismus als ihren Beruf wählen«. Die Lobbyarbeit des JPA war dahingehend erfolgreich, dass dieser Zusatz durch das Parlament gestrichen wurde und der JPA fortan über seine Mitgliedschaftsbestimmungen die Definition dessen, was Journalismus ist, kontrollieren konnte (vgl. Jones 2002a: 327, Übersetzung J.P.). Trotz des eher restriktiven Charakters konnte das Gesetz in der Folge nicht verhindern, dass zahlreiche Publikationen gegründet wurden, vor allem Wochenzeitungen. Diese verursachten dem Monarchen jedoch schon bald zu viele »Probleme« und er veranlasste vier Jahre nach Verabschiedung des Pressegesetzes von 1993 Änderungen. Unter dem Premierminister Abdul Salam Majalli erließ die Regierung Änderungen für das Gesetz, das neue bzw. alte Begrenzungen der Meinungsfreiheit enthielt. Diesen Schachzug interpretierten Jordanier wie ausländische Beobachter als Strategie, die Kritik einzudämmen, die an der Politik der Regierung und des Königs in der Presse geübt wurde. Besonders der Friedensschluss mit Israel, die vom IWF vorgegebene Wirtschaftspolitik und die Manipulationen der bevorstehenden Wahlen standen in der Kritik (vgl. Campagna 1998: 44, Dieterich 1999: 196, IREX 2011: 25 FN14). Die Liste der Inhalte, die nicht berichtet werden durften, wurde erweitert, die Geldstrafen für Zuwiderhandlungen erhöht, das Recht der Regierung, Zeitungen zu schließen, wiederhergestellt und die finanziellen Rücklagen für Wochenzeitungen um das vielfache erhöht. Der ›Erfolg‹ war umgehend. Nach nur drei Monaten hatten bereits zwölf der 13 Wochenzeitungen aufgeben müssen (vgl. Article 19 2005a: 7, Campagna 1998: 46).16 Die Gesetzesänderungen wurden

15 Ayman Safadi in Jordan Times, 20-21.8.1992, The draft press law: A giant step backwards (zitiert nach Jones 2002a: 311, Übersetzung J.P.). 16 Vgl. hierzu auch die Entwicklung der Neugründungen bei Abidad 2003: 243ff.

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ohne parlamentarische Zustimmung – das Parlament war in der Sitzungspause – von der Regierung unternommen und vom König unterstützt.17 Wie Campagna (1998) nachzeichnet, war es der König selbst, der die Änderungen am Gesetz eingefordert hatte. Bereits im Juni 1996 habe er sich an das Parlament gewandt und gesagt: »Ich bin fest davon überzeugt, dass das Gesetz bald ins Parlement gesandt werden wird. Dann werden die Medien, so Gott will, in verantwortungsbewussten Händen liegen. Sie können dann ihre Rolle als Dienstleister für Heimat und Nation wahrnehmen, indem sie ein wahres Bild dieses Landes zeichnen.« (zitiert nach Campagna 1998: 45f., Übersetzung J.P.) Sein Ärger über die Presse hatte sich seit dem Jahr 1993 immer weiter gesteigert. Vor allem die neu entstandenen Wochenzeitungen hatten der Opposition eine Stimme verliehen und waren vom Regime mit Anklagen überzogen worden (vgl. Jones 2002a, 2002b). Allein in den Jahren 1993 bis 1996 hatte der Staat 63 Klagen gegen Zeitungen erhoben, wovon alle, bis auf fünf, gegen die Wochenzeitungen gerichtet waren (vgl. Kilani 1997: 99ff.). In regelmäßigen Abständen erklärte Hussein öffentlich seinen Unmut über die Presse (vgl. Campagna 1998). Die Änderungen des Pressegesetzes riefen erneut eine Welle der Empörung sowohl innerhalb des journalistischen Feldes als auch außerhalb hervor. Etwa 50 Journalisten nahmen an einem Sitzstreik teil und der Aufruf oppositioneller Parteien und aller Berufsverbände zum Boykott der Wahlen von 1997 wurde maßgeblich mit den Restriktionen der Pressefreiheit begründet. Der Jordanische Journalistenverband konnte sich jedoch nicht offiziell gegen die Veränderungen des Gesetzes stellen, da sich auch nach mehreren Anläufen kein ausreichend großes Quorum für einen Entschluss zur Ablehnung der Gesetzesänderungen finden ließ (vgl. Campagna 1998: 46). Da zum damaligen Zeitpunkt ein Großteil der etwa 450 Mitglieder zugleich Mitarbeiter der staatlichen Nachrichtenagentur und der Tageszeitungen – die außer Al-Arab Al-Yaum in Teilen in staatlicher Hand lagen – waren, verwundert dieses Agieren nicht. Der Druck und die Drohungen vonseiten der Regierung, die in den Jahren seit 1993 ausgeübt worden waren, zeigten ihre Wirkung. Die Tatsache, dass sich der JPA nicht offiziell gegen die Gesetzesänderungen stellte, weist aber auch auf die innerjournalistischen Spannungsfelder hin. Die neu etablierten Wochenzeitungen und ihre als freizügig betrachtete Berichterstattung (im moralischen wie politischen Sinne) konnten offensichtlich bei vielen Kollegen aus anderen Mediensektoren nicht auf ausreichend Solidarität hoffen. Die Gesetzesänderun-

17 Das Parlament wäre also grundsätzlich einsatzfähig gewesen. Die Regierung berief sich jedoch auf §91(1) der Verfassung, nach der die Regierung in dringenden Fällen zeitlich befristete Gesetze ohne Zustimmung des Parlaments erlassen darf. Die Regierung konnte frei agieren, weil es keine unabhängige Instanz wie ein Verfassungsgericht gab, das die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung hätte prüfen können (Dieterich 1999: 196).

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gen wurden schließlich vom Obersten Gericht aufgrund von Formfehlern für verfassungswidrig erklärt. Die Modifikationen, die in der neuen Version von 1998 eingebracht wurden, fielen aber sehr geringfügig aus, sodass das neue Gesetz von 1998 nur in wenigen Punkten von dem Vorgängergesetz abwich. In punkto Meinungsfreiheit war es sogar noch verschärft worden. Doch nicht alle Journalisten sahen darin eine Verschlechterung ihrer Arbeitsgrundlage, denn im Gegensatz zu Journalisten aus den boulevardesk- und oppositionell-orientierten Wochenzeitungen hielten sie sich an die ›Anstandsregeln.‹ Die Wochenzeitungen (usbu'iyat) wurden so zu Beginn der 1990er zum Synonym für unqualifizierten, unmoralischen Journalismus (vgl. Jones 2002a, 2002b). Das Bemerkenswerte im Prozess der Normendefinition des Pressegesetzes ist, dass – im Vergleich zu den Vorgängergesetzen – sowohl das Parlament als auch erstmals Akteure aus dem Feld Einfluss zu nehmen versuchten und im Falle der Journalistendefinition auch Erfolg hatten. Der Journalistenverband zementierte so seine Monopolstellung für die kommenden Jahrzehnte und bot dem Regime eine gute Basis für Kooptierung. In diesem Sinne ist das JPA-Gesetz von 1998 denn auch als Indiz dafür zu sehen, dass das Regime ein Interesse an einer stärkeren Einbindung des JPA hatte. Bis zur Verabschiedung des JPA-Gesetzes von 1998 wurde der Journalistenverband durch das Gründungsgesetz von 1953 geregelt, das sich von dem der anderen Verbände nicht wesentlich unterschied (vgl. Hourani 2000; Braune 2005: 52). Die Verabschiedung eines neuen Gesetzes, das die internen Angelegenheiten im Detail behandelt, unterstreicht die staatliche Abhängigkeit des Journalistenverbandes und die gleichzeitige Zementierung und Legitimierung der Monopolstellung des JPA in Bezug auf den Feldeintritt. Da sich seit Verabschiedung des Gesetzes die Medienlandschaft in Jordanien grundlegend verändert hat, steht das Gesetz von 1998 heute als Relikt aus einer Zeit, in der Journalisten zu großen Teilen Mitarbeiter von staatlichen oder teilstaatlichen Medien waren.18 Abgesehen von diesen beiden Gesetzen wurden in der Zeit zwischen Husseins Öffnung und seinem Tod keine weiteren rechtlich verbindlichen Normen mehr gesetzt. Allerdings forderte im Jahr 1991 König Hussein dazu auf, einen »nationalen Pakt« für die Transition zu entwerfen, die sogenannte Nationalcharta. Er berief eine Kommission zur Ausarbeitung der Charta ein, in der auch der Präsident des Journalistenverbandes als einziger Vertreter der politisch bedeutsamen Berufsverbände, die Herausgeber der damals drei größten und teilstaatlichen Tageszeitungen ArRa'i, Ad-Dustur und Jordan Times sowie weitere Journalisten vertreten waren (Dieterich 1999: 159). Im Ergebnis benannte die Charta schließlich Rahmen und Richt-

18 Für das Jahr 1996 gibt Hamayil mit Bezug auf das Register des JPA an, dass 26 Prozent der Mitglieder aus den staatlichen Medien, 42 Prozent aus den teilstaatlichen Medien und lediglich 25 Prozent aus den privaten Printmedien stammten (2000: 76).

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linien, an denen sich die weitere demokratische Entwicklung des Landes orientieren sollte. In Kapitel sechs zu »Kultur, Erziehung, Wissenschaft und Information« geht die Charta auch auf die Medien ein. So besagt sie beispielsweise, dass die »Grundlage des jordanischen Informationsauftrages […] Freiheit, nationale Verantwortung, Respekt für die Wahrheit und die Werte der arabisch-islamischen umma« bilde (zitiert nach der Übersetzung von Dieterich 1999: 165). Weiterhin bestätigt sie die Pressefreiheit wie in der Verfassung verankert, formuliert für den Journalismus aber auch folgenden Auftrag: »Die Medien sind die Kanäle, durch die der Welt ein Bild von der jordanischen Nation vermittelt wird. Ihre Aufgabe ist es auch, eine Verbindung zwischen den Bürgern und der Nation zu knüpfen und den Stolz auf das arabisch-jordanische Erbe zu formen.« (Ebd.: 166) Von einer kritischen Begleitung der Politik durch die Medien ist an keiner Stelle die Rede. Die Charta stellt keine einklagbaren Forderungen und ist rechtlich nicht bindend. Von Regierung und König wurde sie jedoch regelmäßig genutzt, Warnungen an die Opposition zu richten, sich mit Kritik nicht zu weit hervorzuwagen. Dieterich charakterisiert die Charta als ein für neopatrimoniale Systeme typisches Instrument, die Machtbasis durch extraformale Zustimmung zu sichern (vgl. ebd.: 160ff.). Unter dem Deckmantel der Nationalcharta war es also gar nicht notwendig, weitere Gesetze zu erlassen, die das Regime höchstens in Verruf gebracht hätten, statt Demokratisierung weitere Restriktionsstrategien verfolgen zu wollen, wie sich anhand der Diskussion um das Pressegesetz gezeigt hatte. Für die Zeit zwischen 1989 und 1999 lassen sich gezielte Transformationsversuche des Journalismus mittels Gesetzen aufzeigen. Diese symbolisieren in besonderer Weise das Vor- und Zurück der liberalisierenden Autokratie durch Öffnung (PPL von 1993) und Restriktion (Änderung des PPL von 1997 bzw. 1998). Sie zeigen erstmals auch offensichtliche Kooptationen durch Integration in den Normendefinitionsprozess von Akteuren aus dem journalistischen Feld. 1999-2007 Am 7. Februar 1999 übernahm Abdallah II. die Macht als König von Jordanien. Seine erste Herrschaftsphase war gekennzeichnet durch die Konsolidierung seiner Macht. Abdallahs II. Inthronisierung hatte sein Vater, König Hussein, erst kurz vor seinem Tod bestimmt und ihn damit seinem Bruder und langjährigen Kronprinzen Hassan Bin Talal vorgezogen. Sicherheit und Sicherung wurde zum grundlegenden Argument, dem alle politischen Aktivitäten Abdallahs II. in den ersten Jahren standhalten mussten (vgl. ICG 2003: 5). Vor diesem Hintergrund sind die Veranlassung zweier Änderungen des Pressegesetzes (1999 und 2001) sowie die Veränderung des Paragraphen 150 des Strafgesetzes zu sehen. Das Parlament war zwischen 2001 und 2003 aufgelöst, sodass in dieser Zeit ›ungestört‹ zahlreiche königliche Dekrete zu vorläufigen Gesetzen umgewandelt wurden. Dem schließlich im Juli

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2003 neu gewählten Parlament legte der König insgesamt 211 vorläufige Gesetze zur Billigung vor, die im Zeitraum parlamentarischer Abwesenheit erlassen worden waren (ICG 2003: 5, Carnegie Endowment 2008: 4).19 Zu diesen gehörten für den hier relevanten Kontext das Urheberschutzgesetz von 2001, die beiden Gesetze für audio-visuelle Medien (2002 und 2003) und das Telekommunikationsgesetz von 2002. Alle vier Gesetzesentwürfe können vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass eine zweite große Maxime in Abdallahs II. Anfangsphase die wirtschaftliche Liberalisierung war. So waren die wichtigsten Regelungen zu Monopolen, Wettbewerb und Investitionen mit den in Abwesenheit des Parlaments erlassenen vorläufigen Gesetzen getroffen worden (ICG 2003: 5). Das Agieren Abdallahs II. stieß auf geteilte Meinungen: Während manche meinten, dass das Regieren ohne Parlament notwendig war, um diese Reformschritte einzuleiten, sahen andere darin einen groben Verstoß gegen demokratische Prinzipen und den Versuch die Opposition auszuschalten (vgl. ICG 2003: 6). Ein Teil von Abdallahs II. wirtschaftlichem Reformprogramm war die stärkere Integration in den Weltmarkt. Im Oktober 2000 unterzeichnete Jordanien drei Freihandelsabkommen mit den USA und wurde Mitglied der Welthandelsorganisation (WTO). Zwei Jahre später wurde das bereits 1997 unterzeichnete Freihandelsabkommen mit der EU implementiert (Alissa 2007: 5). Das Urheberschutzgesetz (2001) steht in direktem Zusammenhang mit diesen wirtschaftlichen Reformprozessen, denn die Mitgliedschaft in der WTO setzt die Anerkennung des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIP) voraus. Ziel des TRIP-Abkommens ist es, dass Regierungen den anderen WTOMitgliedern einen minimalen Grad des Schutzes geistigen Eigentums gewährleisten.20 Die Verabschiedung eines Urheberschutzgesetzes ist dafür die Grundvoraussetzung. Die Vorteile dieses Abkommens sollten darin liegen, dass Gesellschaften langfristig vom Schutz des intellektuellen Eigentums profitieren, da sie »Kreativität und Erfindungen anregten«.21 Tatsächlich fehlen bislang Untersuchungen darüber, ob sich diese Entwicklungen zum Wohl des Landes ausgewirkt haben, so wie auch grundsätzlich Belege dafür fehlen, dass das TRIP-Abkommen positive Impulse für das Investitionsklima in Entwicklungsländern gegeben hat (vgl. Hafez 2005b: 197).

19 Vorläufige Gesetze können in Abwesenheit des Parlaments von der Regierung mit dem Einverständnis des Königs erlassen werden. Diese Gesetze dürfen nicht der Verfassung widersprechen und gelten so lange, bis das Parlament sich mit ihnen befasst hat und sie entweder angenommen oder abgelehnt hat (vgl. Carnegie Endowment 2008: 4). 20 Vgl. Website der WTO unter der Rubrik »Understanding WTO« http://www.wto.org/ english/thewto_e/whatis_e/tif_e/agrm7_e.htm#basic vom 20.4.2015. 21 Ebd. (Übersetzung J.P.).

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Zu wirtschaftlichem Aufschwung sollte auch die Privatisierung von Staatseigentum führen. Zur Regelung des Marktes nach einer solchen Privatisierung im Telekommunikationsbereich wurde das Telekommunikationsgesetz 2002 erlassen. In weiten Teilen regelt es die Arbeit der zu reformierenden Telekommunikationsbehörde (Abschnitt 3), schreibt die Bedingungen für den Lizenzerwerb von öffentlichen Telekommunikationsnetzwerken vor (Abschnitt 4), die Vergabebedingungen von Frequenzen (Abschnitt 5) und in den folgenden Kapiteln die Bedingungen für Verlängerungen und Erweiterungen von Lizenzen sowie deren Kontrolle und schließlich die Sanktionen bei Verstößen gegen Lizenzbedingungen. An einigen Stellen scheinen Regeln durch, die Einfluss auf die journalistische Arbeit im Rundfunk besitzen. Deutlich stärker auf die journalistische Praxis fokussiert sind jedoch die Gesetze, die Abdallah II. 2002 und 2003 formulieren ließ. Abdallah II. hatte für deren Normendefinition auf ein aus Experten und Politikern bestehendes Gremium gesetzt. Im Dezember 2001 richtete er den Hohen Medienrat (HMC) mit dem Ziel ein, Vorschläge für die Medienpolitik zu entwerfen und den Mediengesetzgebungsprozess zu koordinieren und zu kontrollieren. Der König ernannte die Mitglieder des Gremiums, das sich aus ehemaligen Ministern, Armeeoffizieren, Herausgebern und Wissenschaftlern zusammensetzte und vom ehemaligen Außenminister Kamal Abu Jaber geleitet wurde (vgl. Sakr. 2007: 21). Nach Angaben von Nabil Sharif, dem Chefredakteur der Tageszeitung Ad-Dustur und Mitglied des Gremiums, hatte dieser erste Versuch der Etablierung des HMC keinen Erfolg, weil es eine exekutive Rolle spielen sollte und damit in Konkurrenz zur Regierung trat (Sharif zitiert in Sakr 2007: 22). Hier zeigten sich deutlich Diskrepanzen innerhalb verschiedener Gruppen der Regime-Koalition. Die Regierung wehrte sich gegen den offensichtlichen Machtentzug und die Einflussnahmeversuche des Königs durch die von ihm eingesetzten HMC-Mitglieder. Um die Legitimation ›seines‹ Gremiums zu erhöhen, setzte der König wenige Monate nach Auflösung des ersten HMC ein neues Gremium ein, dem er zusammen mit dem Premierminister die Aufgabe übertrug, Gesetze zu erarbeiten, die die Gründung unabhängiger Medienorganisationen ermöglichten. Die Etablierung des HMC war zwar eine demokratisch nicht legitimierte und zu diesem Zeitpunkt extra-formale Institution. Sie bezog allerdings ausgewählte Vertreter des journalistischen Feldes in den Normendefinitionsprozess mit ein und konnte somit auf eine größere Akzeptanz im Feld hoffen als dies durch alleinige Regierungsbeauftragung möglich gewesen wäre. Das Regime hatte zwar nach 1989 immer wieder über die Öffnung des Rundfunkmarktes diskutiert, aber offensichtlich Gründe gefunden, diesen Schritt nicht zu

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gehen.22 Im Juli des Jahres 2000 wurde schließlich ein Regierungsplan veröffentlich, nach dem das Informationsministerium abgeschafft und das Staatsfernsehen zumindest teilprivatisiert werden sollte (Sakr 2007: 21). Da bis zu diesem Zeitpunkt lediglich Staatsfernsehen und -radio in Jordanien existierten, hatte es keines Gesetzes bedurft, das allgemein verbindlich Regeln für die journalistische Rundfunkpraxis formulierte, also ein Äquivalent zum Pressegesetz dargestellt hätte. Schließlich wurde im Jahr 2002 in Form eines Übergangsgesetzes das Gesetz für audio-visuelle Medien erlassen. Es ermöglichte (theoretisch) erstmals die Eröffnung privater Rundfunkanstalten mit terrestrischer und Satelliten-basierter Ausstrahlung. Bis tatsächlich die ersten privaten Radios auf Sendung gingen, verstrichen weitere drei Jahre und auf einen privaten terrestrisch ausstrahlenden Fernsehsender warten die Jordanier noch heute. Immerhin senden seit dem Jahr 2004 einige private TVSatellitensender von jordanischem Territorium aus. Eine Ergänzung erfuhr das Gesetz bereits ein Jahre später durch das Ergänzungsgesetz für audio-visuelle Medien von 2003, das in erster Linie die Lizenzmöglichkeiten, -bedingungen und -gebühren ausführt. Die Öffnung des Rundfunkmarktes wurde überwiegend begrüßt, hob es doch die jahrzehntelange Monopolstellung der Jordanischen Radio- und Fernsehanstalt (JRTV) auf. Doch einige Aspekte des Gesetzes wurden auch von Akteuren des journalistischen Feldes scharf kritisiert, wie die Regierungsabhängigkeit der Audiovisuellen Medienkommission (AVC), die für die Vergabe von Lizenzen zuständig ist und durch das Gesetz manifestiert wurde. Weiterhin sind die Regelungen des Lizenzerwerbs, besonders die Differenzierung in teure Lizenzen für politische Inhalte und billigere Lizenzen für nicht-politische Inhalte, immer wieder ein wichtiger Kritikpunkt gewesen.23 Zaidah sieht in dieser Einschränkung eine eindeutig kommerziell ausgerichtete Medienpolitik, die nicht darauf abzielt, politische Vielfalt oder regional gleichwertige Medienversorgung zu fördern, sondern eine »Liberalisierung des Marktes mit inhaltlicher Kontrolle« zu erreichen (Zaidah 2006: 3, Übersetzung J.P.). Diese Einschätzung teilen auch diejenigen, die die verhinderte Einführung von ATV als Monopolwahrung für JTV kritisierten. Denn entgegen der im Jahr 2000 angekündigten Teilprivatisierung von JTV wurden lediglich kosmetische Veränderungen veranlasst. Anstelle des Informationsministers, der bis dahin dem Staatssender vorgestanden hatte, wurde ein neues JRVT Gremium eingerichtet, das die gesamte Verantwortung für die Programmqualität übernimmt. Diesem Gremium allerdings gehören neben fünf zivilen Mitgliedern der für JTV zuständige Minister (2006 der Minister für die Reform des öffentlichen Sektors), ein Brigadegeneral

22 Sakr führt die Verzögerung auf den Friedensprozess mit Israel und die angespannte innenpolitische Lage zum Ende der 1990er als Grund an (2007: 21). 23 Eine umfassende Kritik des Gesetzes zu audio-visuellen Medien (AV-L02 und AV-L03) findet sich bei Article 19 (2006).

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und der Chef der Abteilung für moralische Orientierung der jordanischen Streitkräfte an (vgl. Sakr 2007: 33). Angesichts der Einschränkungen stoßen die maßgeblich durch das Gesetz zu audio-visuellen Medien (AV-L) eingeläuteten Reformen im Rundfunksektor auf Kritik aus allen Bereichen des journalistischen Feldes, innerhalb wie außerhalb des Staatssenders. Selbst die Programmchefin von JTV benannte 2007 die fehlende direkte Konkurrenz als eines der größten Probleme JTVs, weil es dadurch an Anreizen für höhere journalistische Qualität mangele.24 Über die Gründe für die mangelhafte Vollendung der Reform wird viel spekuliert. Regional betrachtet stellt Jordanien keine Ausnahme dar, da in vielen arabischen Länder die Machteliten eine Öffnung des Rundfunkmarktes nur soweit zuließen, wie sie ihre Machtbasis nicht zerstörten. Ein wichtiges Instrument dieses Machterhalts besteht in der fortbestehenden Kontrolle über die Lizenzvergabe (vgl. Sakr 2007: 45). Gleichzeitig scheint sich in Jordanien innenpolitisch auf dem Feld des Rundfunks und besonders des Fernsehens ein Machtkampf zwischen verschiedenen Fraktionen innerhalb des Regimes abzuspielen. In diesem Kontext gibt Zaidah zu bedenken, dass das Königshaus unter Abdallah II. oft in Fragen der Medienfreiheit eine im Vergleich zur Regierung und zum Parlament liberale Haltung vertrete (Zaidah 2006: 1). Dieser Machtkampf spiegelt sich sowohl in der Reformträgheit JTVs, den Fällen der Lizenzverweigerung von ATV und AmmanNet als auch in der Etablierung und anschließenden Abschaffung des Hohen Medienrats wider. In Gegensatz zu den ökonomisch ausgerichteten und in Abwesenheit des Parlaments definierten Gesetzen, Urheberschutzgesetz, Telekommunikationsgesetz und das Gesetz für audio-visuelle Medien, war das Parlament beim HMC-Gesetz von 2004 in den Definitionsprozess eingebunden. Allerdings war die Einrichtung des Rates dem Gesetz schon drei Jahre vorausgegangen, was darauf schließen lässt, dass die endgültige Definition des Gesetzes einen langwierigen Aushandlungsprozess durchlaufen hat, der sich jedoch vor allem auf die Kompetenzen und Strukturen des Hohen Medienrates konzentrierte, da es in den Jahren zuvor zu Kompetenzgerangel zwischen Regierung und dem HMC gekommen war. So ist das HMCGesetz in erster Linie auch eine Festlegung der Strukturen des Gremiums, verankert jedoch in §7 einige grundlegende Aufgaben und Prinzipien der Medien in Jordanien und erlangte über diese inhaltlichen Vorgaben Relevanz für die journalistische Praxis. Im Jahr 2008 wurde das Gesetz durch das Parlament bereits wieder annulliert, weil auch das Gremium aufgegeben wurde.25

24 Interview mit Programmchefin Zureikat (JTV) 2007. 25 Jordan Times online, 3.11.2008, House endorses draft legislation annulling Higher Media Council Law, http://jordantimes.com/house-endorses-draft-legislation-annulling-highermedia-council-law vom 20.4.2015.

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Im Jahr 2007 wurden zwei weitere wichtige Gesetzestexte für den Journalismus auf den Weg gebracht, erneute Änderungen des Pressegesetzes und das Informationszugangsgesetz.26 Die Änderungen des Presse- und Publikationsgesetzes 2007 waren das Ergebnis eines langwierigen Diskussionsprozesses. Als Abdallah II. 1999 den Thron bestieg, veranlasste er sehr bald eine Überarbeitung des umstrittenen Pressegesetzes von 1998. Die einzigen nennenswerten Änderungen waren jedoch das Entfernen sämtlicher inhaltlicher Restriktionen aus der Vorgängerversion und die Reduzierung des bei Lizenzantrag vorzuweisenden Startkapitals für Printprodukte. Als 2001 die inhaltlichen Beschränkungen mehr oder weniger unverändert ins Strafgesetz wichen, wurde dies von vielen Journalisten mit Enttäuschung aufgenommen. Der neue §150 des Strafgesetzes umfasste unter anderem unter Androhung von drei bis sechs Monaten Gefängnisstrafe, das Publizieren von Beiträgen, die beispielsweise den Ruf des Landes gefährden oder innergesellschaftliche Spannungen auslösen könnten. Außerdem wurde in §195 für Majestätsbeleidigung eine Strafe von einem bis drei Jahren Gefängnis vorgegeben. Während die Änderungen in §150 im Jahr 2003 überwiegend rückgängig gemacht wurden, ist §195 unverändert in Kraft (vgl. Article 19 2005a: 9). Die erneute Verschärfung im Jahr 2001 wurde mit der regionalen und internationalen »Bedrohungslage« Jordaniens gerechtfertigt. Die Befürworter erneuter Restriktionen argumentierten mit der Angst vor dem Überschwappen der zweiten Intifada in Palästina und der terroristischen Bedrohung, die nach den Anschlägen auf mehrere Ziele in den USA am 11. September 2001 auch für Jordanien als Verbündeter der USA bestünde. Najjar zeichnet nach, dass der 11. September und der Schulterschluss Jordaniens in der Koalition gegen den Terrorismus keine nennenswerten Politikänderungen hinsichtlich der Medien ergeben hatten. Vielmehr folge die Entwicklung des Pressegesetzes auch unter Abdallah II. dem schon unter seinem Vater Hussein bekannten Muster eines Wechsels zwischen Restriktionen und Liberalisierung (vgl. Najjar 2008). Im Juni 2003 fanden erstmals unter Abdallah II. Wahlen statt27 und ein Jahr später wurde dem Parlament von der Regierung ein neuer Gesetzentwurf für das Pressegesetz unterbreitet. Die internationale NRO Artikel 19 fasst in einem Memorandum über den Entwurf die Kritik zusammen. Die Kritikpunkte waren allesamt bekannt: die Pflichtmitgliedschaft für Journalisten im JPA, die bürokratischen und finanziellen Hürden bei der Gründung einer Publikation sowie die strafrechtliche Verfolgung

26 Ein weiteres Änderungspaket zum Pressegesetz erfolgt erneut 2010 als §42 dahingehend geändert wurde, dass von nun an nicht mehr der Generalstaatsanwalt des Staatssicherheitsgerichts für presse- und publikationsbezogene Fälle zuständig ist, sondern dass die neu einzurichtenden Sonderbüros in den Distrikt- und Zentralgerichten zuständig sind (IREX 2011: 26). 27 Für eine Analyse dieser ersten Wahlen vgl. beispielsweise Russel E. Lucas (2003b).

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von vagen inhaltlichen Restriktionen wie etwa die Verpflichtung auf die »Werte der arabischen und islamischen Nation« oder auf »ausgewogene, objektive und ehrliche« Berichterstattung (Article 19 2005a: 18, Übersetzung J.P.). Wie auch in den Jahren zuvor waren Akteure im journalistischen Feld unterschiedlicher Meinung hinsichtlich des Gesetzentwurfs. Interessant ist an der in den folgenden Jahren stattfindenden Aushandlung der Definitionen, dass dieses Mal das Parlament relativ stark involviert war und außerdem erstmalig zwei Institutionen eingebunden waren, die explizit Akteure aus dem journalistischen Feld vertraten. Das war einerseits der Journalistenverband, dessen Ethikkodex in Teilen eins zu eins in den Gesetzestext übernommen wurde. Zum anderen war der Hohe Medienrat in den Definitionsprozess eingebunden, der offiziell den Auftrag hatte an der Ausarbeitung der die Medien betreffenden Gesetze mitzuwirken und der sich partiell aus Akteuren des Feldes zusammensetzte (s. oben). Allerdings müssen beide Organisationen – wie oben erwähnt – als vom Regime kooptiert betrachtet werden, sodass Legitimation im Feld durch vom Regime eingebundende journalistische Akteure erzeugt werden sollte. Dennoch verlief der Definitionsprozess alles andere als harmonisch. Dies verdeutlicht besonders gut der eigentliche Verabschiedungsprozess des Gesetzes. Schon im Jahr 2005 hatte König Abdallah II. die Diskussionssitzung über den Gesetzentwurf auf Anfang 2006 verschoben (vgl. Article 19 2005b), was darauf schließen lässt, dass er die Zeit für noch »nicht reif« einschätzte, weil das eher konservative Unterhaus den Entwurf womöglich verschärfen wollte. Dass das Unterhaus tatsächlich nicht einverstanden war, zeigte sich schließlich in der Abstimmung im Jahr 2007. Najjar zufolge hatte der Journalistenverband und »einige wagemutige Journalisten« (Najjar 2008: 225, Übersetzung J.P.) erfolgreich Druck auf König Abdallah II. ausgeübt, den §38 zu streichen. Dieser Paragraph umfasste die inhaltlichen Vorgaben, wie sie auch in den Vorgängerversionen zu finden waren. In einer ersten Abstimmung lehnte das Unterhaus den Gesetzesentwurf (ohne §38) ab. Das Oberhaus stimmte kurze Zeit später ab und entschied sich für die Version. Da das Oberhaus als Parlamentskammer des Königs und somit die entscheidende Instanz gilt, veranlasste das Ergebnis die Mehrheit der Abgeordneten des Unterhauses schließlich, in einer zweiten Lesung für den Entwurf zu stimmen. Bereits im Definitionsprozess des PPL von 1993 hatte das Unterhaus demonstriert, dass es ihm ein Bedürfnis ist, die Regelungen für die Presse fester in der Hand zu halten und damit Differenzen innerhalb des Regimes hinsichtlich der Normendefinition zum Ausdruck gebracht. Der Gesetzgebungsprozess zeigt auch, dass einerseits der König nach wie vor bei für ihn entscheidenden Themen die letzte Entscheidung behalten will, andererseits aber auch ausgewählte Organisationen aus dem journalistischen Feld wie den JPA in politische Prozesse einzubinden versucht. Doch auch diese kooptierten Organisationen haben nicht immer dieselben Interessen, wie sich am Beispiel des Informationszugangsgesetzes zeigen lässt, das ebenfalls im Jahr 2007 verabschiedet wurde. Mit der Verabschiedung dieses Geset-

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zes schuf Jordanien ein Novum in der arabischen Welt und präsentierte sich als besonders reformwillig. Doch auch in diesem Gesetz schreibt sich der ständige Kampf zwischen Reformbereitschaft und Status-Quo-Ambitionen fort. Während die Befürworter die Garantie des Informationszugangs unterstrichen, die das Gesetz biete, gab es Proteste von Journalisten, weil das Gesetz nicht weit genug gehe, zu viele Lücken lasse und die Klassifizierung von geheimen Dokumenten nicht eindeutig gehalten sei (vgl. Article 19 2005d; AAI 2005).28 Auch in diesem Definitionsprozess hatte das Parlament eine bedeutende Rolle in der Verschärfung der Bestimmungen gespielt. Der ursprüngliche Entwurf der Regierung zum Informationszugangsgesetz, den sogar Article 19 als »guten Grundstein«29 für freie Medien gelobt hatte, wurde vom Parlament mit Änderungen versehen. Diese bezogen sich vor allem auf ein Gremium, das die Einhaltung des freien Zugangs garantieren sollte. Während in der ursprünglichen Version ein unabhängiges Gremium vorgesehen war, enthielten die Änderungen die Vorgaben für ein Regierungsgremium, das den Prozess der Informationsfreiheit garantieren sollte (vgl. Article 19 2007d). Das Arab Archive Institute30 warnte deshalb, dass das Gesetz der Regierung noch mehr Macht über die Medien geben würde, da diese nun den Informationsfluss besser steuern könne. Der JPA und das Zentrum zur Verteidigung der Freiheit von Journalisten (CDFJ) hatten ebenfalls ihre Opposition zu dem Gesetz geäußert. Der Journalistenverband kritisierte unter anderem, dass er nicht als Vertreter der Journalistenschaft in das neu zu gründende Gremium einberufen werde, das sich mit Anfragen zum Informationszugang beschäftigt. CDFJ wies eher darauf hin, dass der Informationszugang eines der schwerwiegendsten Probleme des Journalismus in Jordanien sei und auch mit dem Gesetz nicht behoben würde.31 Damit unterstrich er zunächst die positive Entwicklung, dass der freie Informationszugang gestärkt werde, kritisierte aber die gleichzeitig erfolgende Einschränkung durch die Bestimmungen des Gesetzes. Der Hohe Medienrat hingegen schrieb sich die Verabschiedung als eigenen Erfolg und wichtigen Schritt hin zu freieren Medien in Jordanien auf die Fahne.32 Vor dem Hintergrund der Kritik aus der Journalistenschaft erscheint das Gebaren des Premierministers kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes als eine self-

28 Vgl. auch Jordan Times online, 24.6.2007 Journalists say Access to Information Law hinders press freedoms, online nicht mehr verfügbar. 29 Article 19 (2007) in einem offenen Brief an König Abdallah II. vom 30.4.2007. 30 Das Institut wird geleitet von Saeda Kilani, die sich in der Vergangenheit stark für eine Reform der Mediengesetzgebung eingesetzt hatte (vgl. Kilani 2001 und 1997). 31 Vgl. Jordan Times online, 24.6.2007, Journalists say access to information law hinders press freedoms, online nicht mehr verfügbar. 32 Vgl. Jordan Times online vom 27.8.2008, At a glance: HMC highlights access to information law, online nicht mehr verfügbar.

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fulfilling prophecy. In einem Rundbrief hatter er alle Angestellten des öffentlichen Dienstes und der Ministerien dazu aufgefordert, keine Informationen zu administrativer oder finanzieller Korruption in den Behörden an Journalisten ›durchsickern‹ zu lassen. Von Journalisten für diese ›Kampfansage‹ zur Rede gestellt, versuchte die Regierung den Imageschaden zu begrenzen. Der Staatsminister für Medien und Kommunikation, Judeh, erklärte: »Der Rundbrief beabsichtigt nicht, Beschränkungen des Informationszugangs für Journalisten einzuführen.«33 Stattdessen sei das Ziel des Rundbriefes gewesen, die Kommunikation und den Kontakt zwischen den Medien und der Regierung zu institutionalisieren. Der Premierminister habe sicherstellen wollen, dass die Medien mit Informationen versorgt würden, die nicht den allgemeinen Gesetzen und Regeln zuwiderlaufen.34 Wie auch immer der Rundbrief gemeint war, das Intermezzo und der Normendefinitionsprozess des Gesetzes veranschaulichen einmal mehr die Differenzen zwischen Teilen der Journalistenschaft, der Regierung und dem Parlament sowie den Spannungslinien innerhalb des journalistischen Feldes selbst. 1.2 Akteure und Mechanismen der Normenbeobachtung Einige der für die Analyse ausgewählten Gesetze unterliegen lediglich den juristischen Sanktionsmechanismen: die Verfassung, das Strafgesetz und das Presse- und Publikationsgesetz. Die Einhaltung der Regeln des Telekommunikationsgesetzes sowie des Gesetzes für audio-visuelle Medien werden darüber hinaus durch jeweils staatlich beauftragte Regulierungsbehörden beobachtet und ggf. sanktioniert. Das Informationszugangsgesetz soll ebenfalls durch eine solche Behörde geregelt werden, die jedoch erst im Jahr 2008 eingerichtet wurde und deshalb in dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt wird.35 Kernmerkmale dieser staatlichen Regulierungsbehörden im Sinne Puppis (2010: 111) sind, dass ihre Mitglieder durch Ministerien, Regierungen oder Parlamente bestimmt werden und sie im Wesentlichen die Vergabe von Lizenzen und die Einhaltung ihrer Bestimmungen als Aufgabe betrachten. Dahingegen obliegt in Jordanien keiner Co-Regulierungsbehörde die Beobachtung und Sanktionierung von Gesetzen.

33 Zitiert nach Jordan Times online, 2.3.2008, Circular not intended to place restraints on journalists – gov’t (Übersetzung J.P.), http://jordantimes.com/circular-not-intended-toplace-restraints-on-journalists---govt vom 20.4.2015. 34 Ebd. 35 Vgl. Jordan Times online, 23.8.2008, After year in service: Information council yet to receive complaints, http://jordantimes.com/after-year-in-service-information-council-yetto-receive-complaint vom 20.4.2015.

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Stattdessen kommt der JUSTIZ eine wichtige Rolle bei der Beobachtung und Sanktionierung von Gesetzesnormen zu. Bislang wurden die meisten Verfahren gegen Journalisten vor Zivilgerichten geführt, die von jedem Bürger angerufen werden können. Vor den Zivilgerichten werden beispielsweise Beleidigungs- oder Verleumdungsklagen von Privatpersonen, Ministern und anderen Staatsdienern gegen Journalisten oder Medienorganisationen verhandelt. Sie entscheiden sowohl über zivil- als auch über die meisten strafrechtlichen Angelegenheiten. Hier gibt es vier Instanzen (Amtsgericht, Gericht erster Instanz, Berufungsgericht, Kassationsgericht), von denen das Kassationsgericht – auch für die Religionsgerichte – die letzte Instanz darstellt. Wenn sich die Klagen auf das PPL beziehen, wird nicht nur gegen den Autor des zur Verhandlung stehenden journalistischen Beitrags, sondern auch gegen den juristisch Verantwortlichen des Medienunternehmens, meist den Chefredakteur, Anklage erhoben. Aus diesem Grund stehen vor allem die Zivilgerichte im Fokus der Betrachtung von Sanktionen journalistischer Normen. Auch Vergehen gegen das Informationszugangsgesetz werden von Zivilgerichten behandelt. Einige Paragraphen im Strafgesetz können jedoch von Sondergerichten, meist Militärgerichten behandelt werden.36 Dies trifft dann zu, wenn eine Anklage wegen Landesverrats auf der Grundlage des Strafgesetzes oder des GeheimdokumenteGesetzes vonseiten der Staatsanwaltschaft erhoben wurde. Die Sondergerichte sind

36 Zu den Sondergerichten zählen drei Formen: das Gericht für Staatsicherheit (mahkama amn ad-daula), das sich aus militärischen und zivilen Richtern zusammensetzt und über potentielle Straftaten entscheidet, die sich gegen den Staat richten oder mit Drogendelikten zu tun haben. Während die Sitzungen der anderen Gerichte öffentlich sind, finden die Verfahren vor den Sondergerichten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Daneben existieren zwei weitere Sondergerichte, das Oberste Tribunal (majlis al-ali) und das Spezialtribunal (diwan khass). Ersteres wird auf Anrufung des Oberhauses, des Kabinetts oder des Unterhauses aktiv und ist bevollmächtigt, die Verfassung zu interpretieren. Seine Entscheidungen sind bindend. Entscheidungsträger sind je drei Vertreter des Oberhauses und fünf Vertreter der Höchsten Zivilgerichte. Problematisch für die Unabhängigkeit der Justiz ist hierbei, dass das Oberhaus grundsätzlich als verlängerter Arm des Königs fungiert und der richterliche Rat sich nur zu 5/8 aus Richtern und zu 3/8 aus politischen Funktionsträgern zusammensetzt (vgl. Burgis 2007: 143f.). Die majlis al-ali ist kein Verfassungsgericht, dessen Einrichtung jedoch immer wieder – vor allem vom Berufsverband der Anwälte – gefordert wird (vgl. Carnegie Endowment 2008). Dem diwan khass obliegt die Auslegung sämtlicher noch nicht von den anderen Gerichten ausgelegter Gesetze auf Anfrage des Premierministers. Es setzt sich aus zwei vom Justizminister ernannten, politischen Vertretern und drei Richtern zusammen. Auch hier ist eine Trennung von Exekutive und Judikative schon auf Verfassungsebene nicht vorgesehen (vgl. Burgis 2007: 143).

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unter Journalisten gefürchtet, denn dort vorgeladen zu werden bedeutet, sich in einem höchst ›politischen Fall‹ verteidigen zu müssen. Die Verfahren vor dem Staatssicherheitsgericht gelten als besonders problematisch mit Blick auf die Einhaltung der Menschenrechte. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International verweisen immer wieder darauf, dass Folter bei Angeklagten vor diesem Gericht häufig vorkomme und Gefängnisstrafen deutlich länger ausfallen als vor normalen Gerichten (im Überblick Carnegie Endowment 2008). Oftmals sollen die Verfahren gegen Journalisten vor dem Sondergericht, besonders dem Staatssicherheitsgericht, Exempel statuieren wie im jüngsten Fall zweier Online-Journalisten der Nachrichtenwebsite Gerasa oder in älteren Fällen wie dem des Chefredakteurs der Wochenzeitung Al-Majd.37 Zwar werden diese Verfahren relativ selten angestoßen und in den meisten Fällen wurden die Verurteilten vom König begnadigt, doch hinterlassen sie einen bitteren Beigeschmack bei Journalisten, denn sie müssen sich als »Landesverräter« auf gleicher Stufe mit »Terroristen«, für die diese Gerichte nach dem 11. September 2001 in erster Linie eingerichtet wurden, verantworten. Die Verfahren kriminalisieren damit das Übertreten von Freiheitsgrenzen in besonderem Maße. Mit der Entscheidung im März 2011, dass in Zukunft nicht mehr das Staatssicherheitsgericht, sondern das Gericht erster Instanz zuständig ist für Fragen der internen und externen Sicherheit, kann somit als entscheidende Veränderung auch für die journalistische Praxis betrachtet werden.38 Darüber hinaus sollen nach den Änderungen des PPL im Jahr 2010 gesonderte Kammern der Zivilgerichte mit Verfahren gegen die Presse betraut werden (IREX 2011: 26). Problematisch für den gesamten Beobachtungs- und Sanktionsprozess von Normen ist, dass es der Justiz in Jordanien an Unabhängigkeit fehlt, auch wenn in den letzten Jahren einige »künstliche Versuche« (Burgis 2007: 137) unternommen wurden, diesen Zustand zu ändern. Eine CDFJ-Studie führt als grundlegende Probleme der Justiz in Jordanien an, dass sie in administrativer wie finanzieller Hinsicht von der Regierung abhängig, personell völlig unterbesetzt und außerdem anfällig für Begünstigungen und Vetternwirtschaft sei (CDFJ 2008b: 12ff.). Diese relativ große Unsicherheit in der juristischen Auslegung der Gesetze unterminiert die generelle Berechenbarkeit kodifizierter Normen, denn das Sanktionspotential ist nur

37 Vgl. dazu die Beschreibung des Falls »Geraza« auf der Website von Human Rights Watch, 25.4.2012, Jordan: publisher, journalist charged in state security court, http:// www.hrw.org/news/2012/04/25/jordan-publisher-journalist-charged-state-security-court vom 20.4.2015 und zum Fall »Al-Majd« Human Rights Watch, 23.12.2004, Jordan: Slander charge signals chill http://www.hrw.org/news/2004/12/22/jordan-slander-charge -signals-chill vom 20.4.2015. 38 Vgl. Jordan Times online, 3.3.2010, Cabinet endorses new press and publications law, http://jordantimes.com/cabinet-endorses-new-press-and-publications-law, 20.4.2015.

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schwer abschätzbar. Dennoch gaben in einer repräsentativen Journalistenbefragung 70,7 Prozent der Befragten an, dass sie bevorzugen, von Privatpersonen vor Gericht und nicht etwa auf informellen Wegen zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. Pies 2012a: 5). Dies mag auf eine zunehmend ›nur‹ auf Geldstrafen abzielende Rechtsprechung bei Vergehen von Journalisten zurück zu führen sein (vgl. CDFJ 2008b) und der gleichzeitigen Stärkung medienrechtlich geschulter Journalisten und Anwälte. Zwar ist die Ausbildung von Journalisten hauptsächlich darauf ausgelegt, sie mit Sanktionspotentialen von Gesetzesnormen und nicht mit deren Garantien vertraut zu machen (vgl. Pies 2008), doch bieten alle Journalistikstudiengänge in Jordanien Kurse in mass communication law (Yarmouk Universität) bzw. journalistic principles and law (Petra Universität) an. Zudem bildet das CDJF mit seinem Programm MELAD Journalisten im Bereich Medienrecht weiter. Anwälte MELADS versuchen, das Bewusstsein für die Rechte von Journalisten mit Publikationen und Vorträgen zu stärken.39 Auch bemühen sich NROs seit 2007, Juristen für Fragen des Medienrechts besser zu schulen. In die Juristenausbildung der Al-Isra Universität wurde 2007 erstmals ein Seminar für Medienrecht eingeführt, das vom USAID-finanzierten Jordan Media Strengthening Programme unterstützt wurde.40 Auf Medienrecht spezialisierte Anwälte haben es immer wieder geschafft, unklare Formulierungen medienrechtlicher Gesetze zu ihrem Vorteil zu nutzen. Als problematisch erweist sich allerdings, dass Anwälte nicht auf Präzedenzfälle zurückgreifen können. Grund dafür ist, dass Präzedenzfälle nur vom Obersten Gericht geschaffen werden können, dieses aber Vergehen gegen Medien nie behandelt. Eine einheitliche Rechtsprechung, etwa zum Tatbestand »nicht-objektiver Berichterstattung«, lässt sich deshalb nicht finden.41 Anwälte von MELAD versuchen sich dadurch zu behelfen, dass sie ihr eigenes Know-how und ihre Erfahrungen aus früheren Prozessen für Kollegen archivieren. Zur Verteidigung von Journalisten schreiten meist Anwälte, die in Beziehung zum Medienunternehmen stehen. Da in der Ausbildung von Juristen in Jordanien bis vor Kurzem jedoch eine Behandlung des Bereichs Medienrecht fehlte, ist die Zahl der Anwälte – wie auch der Richter – die auf Medienrecht spezialisiert sind, bislang gering.42 Die Theorie hat aufgezeigt, dass Normen Handlungen auch ermöglichen können. Entsprechend stellt sich die Frage, ob Journalisten gesetzliche Bestimmungen nutzen, um ihre Rechte oder ihre Interpretationen der Normen einzuklagen. Das Gesetz zum Recht auf Informationszugang beinhaltet zum Beispiel eine interne und

39 Vgl. Interview mit Medienanwalt Sami Zureikat (MELAD) 2007. 40 Jordan Times online, 3.6.2008, At a glance: USAID grant to support Al Isra University media law course, online nicht mehr verfügbar. 41 Interview mit Sami Zureikat, 2007. 42 Interview mit Sami Zureikat 2007 und Mansour 2006.

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eine externen Einspruchsmöglichkeit. Wenn die Bitte um Information von der Behörde abgelehnt wird, darf der Journalist Widerspruch einlegen (Artikel 11-20, vgl. dazu Article 19 2005:15f.). Außerdem fordert das Gesetz für die Ablehnung eine schriftliche, plausible Begründung (Article 19 2005:16). Auch andere Rechtsnormen wie das Recht auf Quellenschutz, auf Informationszugang oder auf Pressefreiheit, böten Möglichkeiten der Einklage vonseiten der journalistischen Akteure. Als Hauptproblem erweist sich hier jedoch, dass es kein Verfassungsgericht gibt, das entscheiden könnte, ob zum Beispiel Drohanrufe gegen das verfassungsmäßig verankerte Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit verstoßen. Dies ist wohl auch ein Grund, warum bislang die Garantien, die das jordanische Recht für Journalisten bereithält, nur selten eingefordert wurden. Ein interessanter Ausnahmefall ist in diesem Zusammenhang die Kampagne »Der Prophet Allahs vereinige uns!« Die Kampagne wurde vom Chefredakteur der Wochenzeitung und Website Fact International / Al-Haqiqa Al-Duwaliya ins Leben gerufen und von verschiedenen anderen jordanischen Medien unterstützt.43 Aus dem Protest verschiedener jordanischer Zeitungen und Internetseiten gegen die erneute Veröffentlichung der MohammedKarikaturen in dänischen Zeitungen entstand eine Anklage gegen die dänischen Chefredakteure und Karikaturisten und gegen die Online-Veröffentlichung des als den Islam beleidigend empfundenen Filmbeitrag des Niederländers Geert Wilders. Auch wenn diese Anklage eher symbolischen Wert als juristischen Erfolg hatte, kann sie als ein erster Versuch gesehen werden, die eigenen journalistischen Normen auf juristischem Wege durchsetzen und stärken zu wollen. Neben den juristischen Instanzen gibt es verschiedene STAATLICHE REGULIERUNGSBEHÖRDEN, die gesetzlich dazu beauftragt werden, über die Einhaltung der medienbezogenen Gesetze zu wachen und ggf. auch einen Verstoß zu sanktionieren. Zu diesen Behörden gehören die Presse- und Publikationsabteilung (DPP)44, die Audio-visuelle Medienkommission (AVC) und die Regulierungsbehörde für Telekommunikation (TRC). Bis zum Jahr 2001 war in Jordanien wie in den meisten arabischen Ländern das Informationsministerium bzw. der Informationsminister die

43 Zu den jordanischen Unterstützern der Kampagne gehörten die Tageszeitungen Al-Anbat und Ad-Diyar; die Wochenzeitungen Al-Haqiqa Al-Duwaliya, As-Sabil, Shihan, AlMajd, Al-Ikhbariya, Al-Muwajiha, Al-Hayat, Al-Mithaq, Al-Bilad, Al-Hawadith AsSa’ah, Al-Awtan, Al-Urdun, die Internetseiten Ammonnews, Islamouna und Factjo (vgl. Al-Haqiqa Ad-Duwaliya online, 26.2.2008, Der Prophet Allahs vereinige uns! Jordanische Zeitungen vereint in der Zurückweisung der Beleidigungen des Propheten (der Friede sei mit ihm) durch dänische Zeitungen (Übersetzung J.P.), online nicht mehr verfügbar. 44 Die Abkürzung DPP steht für die englische Bezeichnung Department for Press and Publication.

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oberste Entscheidungsinstanz in Sachen Medienregulierung, die durch die Presseund Publikationsabteilung und seit 1995 durch das TRC unterstützt wurde. Im Zuge seiner Medienentwicklungsstrategie ließ König Abdallah II. das Informationsministerium abschaffen und ersetzte den Informationsminister durch einen Staatssekretär für Medienangelegenheiten und Kommunikation (Minister of State for Media Affairs and Communications). Es entstanden Regulierungsbehörden, die auf unterschiedliche Weise dem Kabinett oder dem Premierminister unterstellt sind. So wurde neben dem AVC und TRC auch das DPP dem Premierminister wieder unterstellt. Seit der Einführung der AVC wird regelmäßig über die Umstrukturierung der Regulierungsbehörden gestritten. Ein medienpolitisches Positionspapier der Regierung aus dem Jahr 2007 fordert eine Zusammenlegung von TRC und AVC. Ende 2010 hatte die Regierung einen Gesetzentwurf fertig gestellt, der die beiden Gesetze zur AVC und TRC zusammenbringen sollte, doch – angeblich weil die AVC selbst sich dagegen wehrte – blieb dieser Versuch erfolglos. Stattdessen forderte die Regierung im März 2011 nun die Zusammenlegung von AVC und DPP. Eine Umsetzung dieser Fusionsideen hat bislang in keiner Form stattgefunden.45 Auch hier zeigen sich nämlich wieder deutlich die unterschiedlichen Interessen innerhalb des Regimes in Bezug auf Medienpolitik. Die Presse- und Publikationsabteilung (DPP) geht bereits auf das Jahr 1927 – noch vor der jordanischen Unabhängigkeit – zurück und wurde als administrative Behörde zur Regelung von Presse und Printprodukten gegründet. Nachdem sie diverse Veränderungen durchlaufen hatte, wurde sie schließlich 1964 dem damals neu gegründeten Informationsministerium unterstellt. Als Regulierungsbehörde im Dienste des Ministeriums agierte das DPP bis zur Auflösung des Informationsministeriums im Jahr 2001.46 Seither untersteht es der direkten Kontrolle des Kabinetts, reguliert Druckerzeugnisse wie Zeitungen, Zeitschriften und Bücher und kontrolliert die Verbreitung ausländischer Publikationen (IREX 2011: 60f.). Das DPP ist allerdings nicht mehr in den vollständigen Prozess der Lizenzierung involviert. Es nimmt lediglich Lizenzanträge entgegen, über deren Akzeptanz oder Ablehnung das Kabinett selbst entscheidet. Diese Entscheidung muss innerhalb von 30 Tagen erfolgen (PPL §17). Verschiedene Urteile haben bestätigt, dass Publikationen, die innerhalb dieser 30 Tage keine Absage erhalten haben, als akzeptiert gelten (IREX 2011: 27). Ablehnungen eines Lizenzantrags müssen begründet werden und können vor dem Obersten Gerichtshof angefochten werden. Die Kriterien für eine Neulizenzierung sind in §12 des PPL von 2007 festgelegt. Danach muss der Antragsteller seinen Namen, seine Adresse, den Namen der Publikation, den Druck- und Erscheinungsort sowie das Erscheinungsdatum angeben. Ferner werden Angaben über die

45 Eine ausführlichere Beschreibung der Diskussionsprozesse findet sich in IREX 2011: 59f. 46 Vgl. Homepage des DPP http://www.dpp.gov.jo/ vom 20.4.2015.

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Spezialisierung (falls vorhanden), die Publikationssprache, den Namen des Chefredakteurs (bei periodisch erscheinenden Publikationen) und den Namen des Managers (bei spezialisierten Publikationen) gefordert. Es bestehen insofern zwar keine inhaltlichen Beschränkungen oder Voraussetzungen für den Lizenzerwerb. Finanzielle Rücklagen müssen jedoch immer noch nachgewiesen werden. Diese haben sich immerhin mit der Änderung des PPL von 2007 für Zeitungen deutlich verringert. Im Gegensatz zu den Vorgängergesetzen gelten Presseunternehmen seit 2007 als ›normale‹ Unternehmen und werden wie diese klassifiziert: Für private Aktienunternehmen (shareholding companies) müssen Rücklagen von 50.000 Jordanischen Dinar (JD) (ca. 56.000 EUR) nachgewiesen werden, für Unternehmen mit begrenzt haftender Teilhabe (general and limited partnerships), öffentliche Unternehmen (civil companies) und non-profit-Organisationen fällt die Vorlage sogar ganz weg. Für eine private Shareholding-Zeitung müssen heute also nur noch 50.000 JD anstelle von 500.000 JD (ca. 563.000 EUR) nach dem alten PPL aufgebracht werden. Seit 2011 ist die DPP auch für die Registrierung von elektronischen Websites, die sich mit der Registrierung der gesamten Printgesetzgebung unterwerfen müssen, zuständig.47 Das Prozedere für den Lizenzerhalt ist einfach und transparent. Der Antrag wird bei der DPP eingereicht, welche dann über die Bewilligung der Lizenz entscheidet. In den letzten Jahren waren diese Entscheidungen nie Anlass zur Kritik. Kritisiert wird hingegen die rechtlich verankerte Vorzensur von nicht-periodisch erscheinenden Publikationen, die jahrzehntelang durch die verpflichtende Einreichung eines Druckexemplars erreicht wurde. Im Jahr 2005 stellte die DPP nach eigenen Angaben die Vorzensur für Zeitungen in der Praxis ein und mit den Änderungen des PPL im Jahr 2010 hat auch die Vorzensur von Büchern ein Ende gefunden (IREX 2011: 28). Das DPP hat damit auf direktem Wege keinen Einfluss auf die Sanktionierung journalistischer Normen mehr, da auch keine inhaltlichen Vorgaben für den Lizenzerwerb mehr existieren. Lizenzen entziehen kann nur noch das Gericht erster Instanz, wenn beispielsweise die Publikation nicht innerhalb von sechs Monaten nach Erhalt der Lizenz erschienen ist (PPL §19a(1)) oder eine Wochenzeitung drei Monate in Folge nicht publiziert wurde (ii). Während im Printsektor die Lizenzierung seit 1989 einfacher, transparenter und lukrativer gemacht wurde, wird im Rundfunkwesen noch viel über finanzielle Vorgaben geregelt. Zusätzlich ist die Lizenzvergabe dort an inhaltliche Kriterien gebunden. Einen Aufschlag von 50 Prozent der Grundkosten muss zahlen, wer politische Sendungen und Nachrichten senden will (AV-L03 §12). Zudem bestehen wei-

47 Vgl. Jordan Times online, 18.10.2011, At a glance: New regulations to facilitate electronic media’s access to information, online nicht mehr verfügbar.

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tere inhaltliche Vorgaben in §20 des Gesetzes zu audio-visuellen Medien, über deren Einhaltung die Audio-Visuelle Medienkommission (AVC) wachen soll: • Respekt der Freiheit und der Rechte anderer, einschließlich des Rechts auf geisti• • •



ges Eigentum Objektive Berichterstattung von Nachrichtenereignissen Berücksichtigung der öffentlichen Ordnung, der nationalen Sicherheit und des öffentlichen Interesses Verhinderung der Ausstrahlung jeglichen ethnischen und rassistischen Materials sowie der Ausstrahlung von Material, das die nationale Einheit gefährdet, Terrorismus, Rassismus oder Religionsdiskriminierung unterstützt oder die Beziehungen des Königreichs mit anderen Staaten gefährdet Verhinderung von Kommentaren oder Themen, die Jordaniens finanzielles oder wirtschaftliches System gefährden könnten

Diese Passagen sind – wie auch ihre Parallelen in anderen Gesetzen – aufgrund ihrer Vagheit problematisch. Noch unpräziser gestalten sich die im Ergänzungsgesetz formulierten Bedingungen an das beantragte Programm. Hier ist die Rede von der Einhaltung der »öffentlichen Moral« oder der Wahrung der »nationalen Werte« (AV-L §6). Bislang hat die AVC noch nie auf juristischem Wege eine Lizenz entzogen. Doch praktiziert sie informelle Wege, um die inhaltlichen Vorgaben durchzusetzen. Wenn sie einen angeblichen Verstoß gegen die inhaltlichen Vorgaben der Lizenzvergabe sieht, bestellt sie die Rundfunkbetreiber ein, um ihnen »weitere Probleme zu ersparen« (IREX 2011: 45, Übersetzung J.P.). Als besonders problematisch erweist sich bei diesem Vorgehen – wie auch bei anderen – die Struktur der AVC. Dem Kabinett unterstellt, wird der Direktor der Behörde auf Empfehlung des Premierministers benannt. Obwohl im Gesetz die finanzielle Unabhängigkeit zugesichert wird, wird diese unter anderem dadurch unterminiert, dass die Lizenzeinnahmen direkt dem nationalen Budget und nicht der AVC selbst zugehen. Das heißt, dass die Regierung direkt über Zuwendungen für das Budget der AVC entscheidet und zudem einwilligen muss, wenn die AVC zusätzliche Gelder einwerben will (ebd.: 43ff.). Während die AVC bei Verlängerung und Beobachtung der Einhaltung von Lizenzbedingungen allein zuständig ist, muss sich die Behörde bei der Lizenzerstbeantragung mit der Regulierungsbehörde für Telekommunikation (TRC) absprechen. Der Antrag auf eine Lizenz muss bei der AVC eingereicht werden, die ihn zunächst an die TRC weiterleitet. Dort wird über die technische Vergabe von Frequenzen entschieden. Die Entscheidung der TRC basiert darauf, ob eine der beantragten Frequenzen frei und somit technisch zugänglich ist. Inhaltliche Kriterien spielen für die TRC keine Rolle. Dennoch ist sie politisch manipulierbar, denn ihre Mitglieder werden vom Kabinett ernannt. Anschließend gibt der Direktor der Audio-visuellen

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Medienkommission seine Empfehlung (Ablehnung oder Akzeptanz des Antrages) an den Premierminister weiter, der wiederum seine eigene Empfehlung dem Ministerkabinett zur Entscheidung vorlegt. Das Kabinett kann schließlich eine Entscheidung treffen, ohne seine Gründe zu benennen. In einem weiteren Schritt gibt der Premierminister die Entscheidung an die AVC weiter, die wiederum den Antragsteller informiert. Damit bleibt die letztendliche Entscheidung über die Vergabe einer Lizenz bei der Regierung. Problematisch im Entscheidungsprozess sind zudem die fehlende zeitliche Begrenzung des Verfahrens sowie die Hürden bei der Anfechtung einer Entscheidung. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, einen Einspruch vor dem Obersten Gerichtshof einzulegen, in dessen Verlauf die Gründe für die Ablehnung offengelegt werden müssen. Allerdings hat im Falle AmmanNets der Oberste Gerichtshof entschieden, dass eine Begründung unter bestimmten Umständen nicht erfolgen muss: »Das Kabinett hat die Befugnis, die Lizenzvergabe unter bestimmten Umständen abzulehnen. Diese sind dann gegeben, wenn die Ablehnung in Einklang mit allgemeinen Interessen erfolgt. Die Entscheidung ist so lange gültig, bis das Gegenteil bewiesen ist.« (Akte 22/2008, Radio AmmanNet and Daoud Kuttab zitiert in IREX 2011: 44, Übersetzung J.P.).48

48 AmmanNet hatte die Audio-visuelle Medienkommission um die Erweiterung ihrer Lizenz auf die Region Zarqa ersucht. Im November 2007 erhielt der Radiosender eine negative Entscheidung, ohne die Gründe für die Ablehnung genannt zu bekommen. Die daraus folgenden Spekulationen der Chefredakteurin bewahrheiteten sich ein Jahr später: Parallel zu dem Antrag von AmmanNet reichte eine von der Königin unterstützte royale NRO (RoNRO) ebenfalls einen Antrag auf eine lokale Radiolizenz in derselben Region Jordaniens ein. Kurz bevor die Chefredakteurin von AmmanNet die Ablehnung erhielt, war dieser RoNRO-Sender zugelassen worden. Die inoffizielle Antwort vonseiten der AVC lautete deshalb, die Region benötige kein zweites Lokalradio in Zarqa, außerdem besitze AmmanNet ja bereits eine Lizenz. Diese Begründung war äußerst unplausibel, denn erstens gab es bereits andere Sender in Zarqa und zweitens besaß eben jener RoNRO Sender ebenfalls eine Lizenz für eine andere Region. AmmanNet erhob Einspruch gegen die Entscheidung vor dem Obersten Gerichtshof und erhielt zur Antwort, dass eine Begründung der Lizenzablehnung auch im Verlauf des Einspruchsprozesses nicht erfolgen müsse. Die Lizenz wurde nicht gewährt und eine offizielle Begründung gibt es deshalb in diesem Fall nicht (vgl. Interview mit Chefredakteurin Zaidah (AmmanNet) 2007; Jordan Times online 9.1.2008 Weakness of audiovisul law, http://jordantimes.com/weakness-of-audio visual-law vom 20.4.2015; Jordan Times online, 9.3.2008 Radio Al Balad sends letter of apology to Lower House, http://jordantimes.com/radio-al-balad-sends-letter-of-apologyto-lower-house vom 20.4.2015; IREX 2011: 44).

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Ein weiterer Fall von Lizenzverweigerung im Fernsehbereich, der für viel Aufsehen sorgte, ist der Fall ATV. Der Fernsehsender ATV wollte als erster privater, terrestrischer Sender im Jahr 2007 in den jordanischen Fernsehmarkt eintreten. Auch hierbei kam der AVC eine unrühmliche Rolle zu, denn zu diesem Zeitpunkt hatte der Generaldirektor von JRTV, der Konkurrenz ATVs also, den Posten des AVC-Direktors inne, was im Nachgang als ein Fall von klassischem Interessenskonflikt angeprangert wurde (IREX 2011: 43). Es zeigt sich hier, dass es nicht nur der Justiz an Unabhängigkeit mangelt, sondern dass auch die Regulierungsbehörden stark an die Interessen der Regierung gekoppelt sind.

2. B ERUFSKODIZES : Z WISCHEN Q UASI -G ESETZ UNABHÄNGIGEM R EDAKTIONSKODEX

UND

Gezielte Transformationsversuche, die Berufskodizes als Instrument zur Veränderung des normativen Referenzrahmens nutzen, sind ein junges Phänomen in Jordanien. Während in anderen arabischen Staaten schon in den 1970er Jahren die ersten Kodizes – meist von Journalistenverbänden – auf den Weg gebracht wurden, verabschiedete der Jordanische Journalistenverband einen journalistischen Ethikkodex erst 2003. Seither hat die Zahl der Kodizes stark zugenommen. Im Jahr 2007 folgten das Zentrum zur Verteidigung der Freiheiten von Journalisten mit einem Kodex zur Wahlberichterstattung und die ersten Ethikkodizes auf Medienorganisationsebene bei AmmanNet und Al-Haqiqa Al-Duwaliya (2007). Zudem war der Kodex des Hohen Medienrats bereits 2007 formuliert, auch wenn er erst im Mai 2008 offiziell in Kraft gesetzt wurde. In den Jahren nach meiner Feldforschung 2007 formulierten im Jahr 2009 AmmonNews, Al-Ghad und Petra jeweils einen Organisationskodex.49 Im selben Jahr verabschiedete die Regierung einen sogenannten »MedienRegierungskodex«, der die Beziehungen zwischen Regierung und Journalisten regeln sollte. Er war so umstritten, dass er im Jahr 2011 – anstatt überarbeitet zu werden – kurzerhand wieder abgeschafft wurde.50

49 Der redaktionelle Kodex von Haqiqa Al-Duwaliya ging nicht in die Analyse ein, da ich ihn nicht als Text ausgehändigt bekam, sondern lediglich einmalig Einblick nehmen durfte. Die Kodizes von Petra (Petra-C09), Ammonnews (Ammon-C09) und Al-Ghad wurden erst nach 2007 formuliert und konnten den Ende 2007 von mir befragten Journalisten folglich nicht bekannt sein. Sie sind deshalb nicht Teil der Untersuchung. 50 Vgl. AmmanNet online, 17.2.2011 At a glance: Govt./Media code of ethics under discussion again. Govt. announced to revise this code, online nicht mehr verfügbar.

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2.1 Akteure und Mechanismen der Normendefinition Im Gegensatz zu Gesetzestexten unterliegen Ethikkodizes keinem formalisierten Definitionsprozess. Dadurch ist es schwer, diesen Prozess nachzeichnen zu wollen. Meist sind die Diskussionen um die Definition und Kodifikation auf organisationsinterne Kommunikation beschränkt. Diese wird – besonders, wenn externer Druck auf ihnen lastet – nur selten offengelegt, was die Erforschung zusätzlich erschwert. Außerdem erhält die Normensetzung in Form von Ethikkodizes zumindest in autoritären Regimen nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die von Gesetzen, sodass nur sehr wenig bis gar nichts in der wissenschaftlichen Literatur oder Medienberichterstattung darüber zu finden ist. Hinzu kommt, dass Ethikkodizes in Jordanien noch keine lange Tradition besitzen. Vor dem Jahr 2003 existierten keine Ethikkodizes, obwohl der JPA im Jahr 1996 die Sana`a Declaration on Promoting Independent and Pluralistic Arab Media in seine Verbandsstatuten aufgenommen hatte, in der auch Leitlinien für journalistische Standards gefordert wurden: »Gute journalistische Praktiken sind der effektivste Schutz gegen Regierungsdruck und Restriktionen bestimmter Interessensgruppen. Leitlinien für journalistische Standards sind die Angelegenheiten von Professionellen der Nachrichtenmedien. Jeder Versuch, solche Leitlinien festzulegen, sollte von Journalisten selbst kommen. [...] Journalisten sollten ermutigt werden, unabhängige Medienunternehmen aufzubauen, die von Journalisten selbst besessen, gemanagt und finanziert werden sollten, notfalls mit transparenten Zuwendungen und Garantien, dass die Geldgeber nicht in die Redaktionspolitik eingreifen.« (UNESCO 1996: 6, Übersetzung J.P.)

Der Präsident des JPA hatte an der Konferenz in Sana`a, aus der die Deklaration hervorging, teilgenommen, sie offensichtlich aber nicht als Anstoß genommen, eine Kodexausarbeitung zu forcieren. Auch andere Organisationen hatten bis zum Jahr 2003 keine Versuche unternommen, journalistische Regeln zu kodifizieren (vgl. Hawatmeh/Pies 2011: 105). Dies liegt wohl auch daran, dass der Jordanische Journalistenverband (JPA) nach der politischen Öffnung von 1989 erfolgreich seine Monopolstellung als einzige, offiziell anerkannte Vertretung der Journalisten verteidigte und zudem der Regierung nahe stand (vgl. Braune 2005). Seit Beginn der 2000er Jahre bemüht sich der Verband jedoch, auch innerhalb der Journalistenschaft wieder stärker als Berufsvertretung denn als Regierungsvertretung wahrgenommen zu werden.51 In ihrer Studie zur zivilgesellschaftlichen Rolle des Verban-

51 Eines von vielen Beispielen für dieses Bemühen ist das gemeinsame Auftreten von JPA und CDFJ, wenn es darum geht, Attacken gegen Journalisten zu verurteilen, wie dies vor allem während des Jahres 2011 mehrfach erfolgte (vgl. z.B. Jordan Times online,

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des vertritt Braune die These, dass »im Rat der Berufsverbände [...] der Journalistenverband mehr durch reaktionäre denn durch progressive Maßnahmen« (2005: 109) auffällt. Hamayil bescheinigt dem JPA – im Gegensatz zu den anderen Berufsverbänden – während seiner gesamten Geschichte eine eher »apolitische« Haltung (2000: 86). Die Umbruchphase, die anderen Berufsverbänden mehr Freiheiten gebracht hatte, habe besonders mit dem PPL von 1993 für den JPA eher eine Phase der Institutionalisierung einer offiziell-staatlichen Rolle mit sich gebracht (vgl. Jones 2002a: 327f.). Tatsächlich ist der Journalistenverband auf vielfältige Weise verlinkt mit dem Regime und hat – insbesondere auch im Gesetzgebungsprozess – offen eine regierungsnahe Position vertreten.52 Dies blieb jedoch nicht ohne Folgen für seine Glaubwürdigkeit im journalistischen Feld, zumal er mittlerweile mit dem Zentrum zur Verteidigung der Freiheit von Journalisten, dem Hohen Medienrat sowie zahlreichen nationalen und internationalen Organisationen und Projekten im Medienbereich konkurrieren muss. Diese Organisationen sind auch in seinem eigenen angeblichen ›Revier‹ aktiv.53 So bezeichnet beispielsweise das CDFJ genau wie

16.10.2011 At a glance: JPA, CDFJ condemn attack on journalist, online nicht mehr verfügbar. 52 Direkte Abhängigkeiten bestehen beispielsweise in Bezug auf die Finanzierung. Der Verband finanziert sich zu (großen) Teilen aus staatlicher Unterstützung (vgl. Hamayil 2000, Braune 2005). So wurde im Jahr 2008 ein nagelneues Verbandsgebäude in Amman von der Regierung ›gestiftet‹. Auch die Tatsache, dass Urteile des Disziplinarkomitees nur vor dem höchsten Gericht, das sich ansonsten vor allem mit Regierungsangelegenheiten beschäftigt, revidiert werden können, unterstreicht eine explizit staatliche Rolle. Änderungen des JPA-Gesetzes (und damit grundlegende Strukturfragen des JPA) können nur im regulären Gesetzgebungsverfahren herbeigeführt werden. Im Falle der Mitgliedschaftsanerkennung hat dies zur Folge, dass letztendlich Parlament und König darüber entscheiden, wer als Journalist gelten darf. Die langjährige Verweigerung der Mitgliedschaft für Onlinejournalisten und Journalisten aus den privaten Rundfunkmedien diente u.a. auch dazu, die internen Verhältnisse zugunsten der staatlichen bzw. teilstaatlichen Medien zu wahren. Präsidenten des JPA sind bislang nur Mitarbeiter von den teilstaatlichen Tageszeitungen Ar-Ra’i und Ad-Dustur oder der staatlichen Nachrichtenagentur Petra geworden. 53 In Angelegenheiten, in denen es um die Verteidigung der Interessen jordanischer Journalisten geht, sitzt nicht mehr nur der Präsident des JPA, sondern auch Nidal Mansour, Direktor des CDFJ, mit am Verhandlungstisch. Ein Beispiel war die Verhandlung über die Garantie der Übernahme und Bezahlung der ATV-Journalisten nach dem Kauf des Senders durch den Arab Telemedia Service im Juni 2008. (vgl. Jordan Times online, 17.6.2008 ATV staff members suspend sit-in, http://jordantimes.com/atv-staff-memberssuspend-sit-in vom 20.4.2015).

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der JPA Entwicklung und Wahrung von Berufsnormen als ein zentrales Ziel ihrer Organisationen. Die Ausarbeitung eines Ethikkodexes wurde somit von beiden Organisationen – wenn auch zeitversetzt und mit unterschiedlichen Ansprüchen – angegangen. Die Erarbeitung eines Ethikkodex rechtfertigte der JPA damit, die Reihen schließen und für die Regierung eine geringere Angriffsfläche bieten zu wollen. Angeblich erwartete der Verband dadurch, eine zunehmende Lockerung der Gesetze zu erwirken.54 Aus diesem Grund sei es notwendig und legitim gewesen, die Beziehungen zum Regime offen einzusetzen, um damit die Durchschlagskraft zu erhöhen. Der Präsident äußerte im Gespräch 2007 allerdings erste Zweifel an dieser lange verfolgten Strategie.55 Auch ein Berater an der Philadelphia Universität, der in die Ausarbeitung des JPA-Kodex involviert war, bekannte ähnliche Zweifel.56 Schuld daran ist nicht zuletzt die zum Teil wortwörtliche Übernahme von Passagen aus dem JPA-Ethikkodex in das Presse- und Publikationsgesetz. Diese Übernahme erfolgte erstmals im Gesetzentwurf von 2003, der schließlich 2007 verabschiedet wurde. Wäre das Gesetz im gleichen Atemzug deutlich liberalisiert worden (was es in den Augen vieler Journalisten definitiv nicht wurde), hätte es dem JPA mit Sicherheit Glaubwürdigkeit eingebracht. Doch die gesetzliche Verankerung des Kodex unterstreicht einmal mehr die Regime-nahe Position des Journalistenverbandes, die noch zusätzlich durch die Entstehungsgeschichte des Ethikkodexes gestützt wird. Der Kodex entstand nämlich aus einem Kompromiss zwischen Regierung und Verband. Die Regierung wollte nach dem 11. September 2001 die Mediengesetze verschärfen, besonders §150 des Strafgesetzes. JPA und CDJ protestierten gegen diese Verschärfung. Als angebliches Entgegenkommen bot die Regierung an, die Verschärfung zu unterlassen, wenn der JPA einen Ethikkodex ausarbeite. Der Definitionsprozess unterlag also dem Druck, die Regierung zufrieden zu stellen und eine Grundlage für eine Übernahme ins Pressegesetz zu ermöglichen. Aus diesem Grund bezeichnet Nidal Mansour, Direktor des CDFJ, den Kodex als »Ersatzstrafgesetz«.57 Sowohl der Definitionsprozess als auch die Kodifizierung in Gesetzesform erweisen sich damit als Prozesse, die von der Regierung und regierungsnahen Kreisen bestimmt wurden. Neben dem JPA versteht sich das Zentrum zur Verteidigung der Freiheit von Journalisten (CDFJ) explizit als Organisation, die sich in an der Normendefinition beteiligen möchte. Es hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, die Mediengesetzgebung einer grundlegenden Prüfung zu unterziehen und mit Vorschlägen für neue Gesetzesentwürfe aufzuwarten. Wie oben bereits beschrieben wurde, ist die Mit-

54 Interviews mit JPA-Direktor Al-Moumani 2007 und CDFJ-Direktor Mansour 2006. 55 Ebd. 56 Interview mit Professor Abu Ousbouh (Philadelphia University) 2006. 57 Interview mit Mansour (CDFJ) 2006.

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wirkung von Organisationen wie dem CDFJ im Gesetzgebungsprozess zwar hin und wieder erwünscht, der tatsächliche Einfluss muss aber als eher gering eingestuft werden. Im Falle des CDFJ kommt hinzu, dass sich die Organisation als Konkurrenz zum JPA positioniert. Ein Grund hierfür ist u.a. die Person des Direktors Nidal Mansours selbst, der gemeinsam mit anderen Journalisten 1999 das CDFJ gründete. Zum damaligen Zeitpunkt war Mansour Vorstandsmitglied des Journalistenverbandes. Schon im Verlauf des ersten Gründungsjahres zeichnete sich eine Kluft ab, die bis heute zwischen den beiden Journalistenorganisationen besteht. Anfang 2000 schloss der JPA Nidal Mansour aus dem Verband aus mit der Begründung, er arbeite nicht mehr als Vollzeitjournalist. Dies ist zwar Kriterium für die Mitgliedschaft im Verband, wird in der Praxis aber nicht immer erfüllt. Viele Journalisten verdienen nämlich aufgrund der schlechten Bezahlung mit weiteren Jobs ein Zubrot. Ein Gericht machte den Ausschluss Mansours kurz darauf rückgängig. Doch der JPA ließ nicht locker. Im September desselben Jahres erfolgte ein erneuter Rauswurf, diesmal wegen der Annahme ausländischer Fördermittel zur Durchführung von Projekten des CDFJ (Braune 2005: 64). Dieser zweite Ausschluss hat bis heute Bestand und die Arbeit Nidal Mansours wird in Kreisen des dem JPA nahestehenden Journalisten teilweise misstrauisch verfolgt. Deshalb ist die Geschichte und Person Nidal Mansours ein Grund für die Konkurrenz der beiden Vereine. Schwerer wiegen jedoch noch die Aufgabenstellung des CDFJ, die hohe internationale Aufmerksamkeit und Geldzuwendung sowie die sich langsam entwickelnde Akzeptanz unter jordanischen Journalisten und der politischen Eliten. In offiziellen Beratungsgremien ist immer häufiger nicht nur der JPA, sondern auch das CDFJ vertreten. Eine weitere Einflussgröße für die Konkurrenz könnte auch die unterschiedliche Auffassung von Meinungsfreiheit und gesellschaftlicher Verantwortung sein, die es in der Analyse zu betrachten gilt. Mansour war Anfang der 1990er Kolumnist bei Shihan, Chefredakteur von Al-Bilad und Gründer von Al-Hadath, drei Wochenzeitungen, deren Einschätzung innerhalb der Journalistenschaft schwankt zwischen Verachtung aufgrund »unethischen« journalistischen Verhaltens und Bewunderung aufgrund ihres Kampfes für Pressefreiheit (vgl. Jones 2002a: 179). Um das Ziel der Normensetzung und -durchsetzung voranzutreiben, bietet das Zentrum Training für Journalisten an, beteiligt sich in offiziellen Regierungskomitees an der Diskussion medienpolitischer Fragen und schult Journalisten für die Wahlberichterstattung. Aus einer solchen Schulung entstand die Idee, einen Kodex für die Berichterstattung von Wahlkampf und Wahlen zu erarbeiten. Im Herbst 2007 nahmen 30 Journalisten aus verschiedenen Mediensegmenten an einer dieser Schulungen teil und arbeiteten den Wortlaut des Kodexes aus. Das CDFJ veröffentlichte ihn anschließend auf seiner Website.58 Er kann somit einerseits als Erwartungsformulierung für 58 Vgl. http://cdfj.org/look/en-article.tpl?IdLanguage=1&IdPublication=1&NrArticle=4047 &NrIssue=2&NrSection=1 vom 20.4.2015.

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alle Mediensegmente gelten, andererseits muss das CDFJ sich deutlich stärker um Bekanntmachung bemühen als der Kodex des JPA. Ein dritter Akteur auf dem Feld der Normensetzung in Form von Berufskodizes ist schließlich der Hohe Medienrat (HMC). Er operiert auf der Grundlage des HMC-Gesetzes, das 2004 in endgültiger Version in Kraft trat. Drei Jahre zuvor hatte die Regierung das Informationsministerium abgeschafft, das bis dahin als Kontrollinstanz für die Medien und gleichzeitig als Stratege für die Medienpolitik gedient hatte. Die Abschaffung erfolgte auf königlichen Wunsch, den Abdallah II. in einem Brief an den Premierminister am 19. Juni 2000 zum Ausdruck brachte.59 Die Regierung setzte den Wunsch um, indem sie zwei Medienbehörden, das AVC und das HMC, anstelle des Informationsministeriums installierte. Mit der Schaffung einer Kommission für audio-visuelle Medien (AVC) erfolgte der offizielle Schritt zur Öffnung des Rundfunkmarktes für private Anbieter (vgl. IREX 2008:12). Im Gegensatz zu der Regulationsbehörde AVC, sollte der HMC von Beginn an umfassendere Aufgaben erfüllen. In einem zweiten Brief konkretisierte Abdullah II. den Charakter des HMC: Er solle als »regulative, nicht der Exekutive unterstellte Kommission« arbeiten mit dem folgenden Ziel: »Es soll die Unabhängigkeit von Medienorganisationen unterstützen und danach streben, die Professionalität der Arbeit in den Medien zu heben, indem es die professionellen Leistungen, Fähigkeiten und die Kreativität sowie ein Klima des Pluralismus, der Freiheit und der Verantwortung fördert.«60 Mit diesem Brief und dem vom Parlament verabschiedeten Gesetz für den Hohen Medienrat – als Übergangsversion im Jahr 2001 und in endgültiger Form 2004 – wird die ambivalente Eigenschaft der Institution konstituiert. Von offizieller Seite lautet die Beschreibung und Zielsetzung des Hohen Medienrates wie folgt: »Jordan First strebt auch an ein Informationsmodell aufzubauen, das die nationalen Interessen in den Vordergrund stellt. Jordanien hat immer die Bedeutung und Relevanz der Presse verwirklicht, vor allem in seinen jüngsten Versuchen, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft zu modernisieren. Die Medien generell und die Presse im Besonderen formen nach wie vor einen integralen Bestandteil der Kommunikationsstrategie der Regierung mit den Menschen. […] Als solche und in Unterstützung dieser Politik, wurde ein unabhängiger Hoher Medienrat

59 Brief von König Abdallah II. an den Premierminister Ali Abul Ragheb am 19. Juni 2000, http://www.kingabdullah.jo/index.php/en_US/royalLetters/view/id/155.html vom 20.4. 2015. 60 Königlicher Brief vom 2.12.2002 an den Premierminister Ali Abul Ragheb zur Gründung eines Hohen Medienrates (Übersetzung J.P.), http://www.kingabdullah.jo/index.php/en_ US/royalLetters/view/id/138.html vom 20.4.2015.

172 | GEZIELTE T RANSFORMATIONSVERSUCHE gegründet als eine Institution bestehend aus öffentlichen und privaten Organisationen, die sich auf Medienangelegenheiten spezialisiert haben. Die Verantwortlichkeiten des Rates umfassen das Formulieren von Medienpolitikinhalten, die Aufsicht über die Regulierung des Mediensektors und die Unterstützung beim Aufbau einer verantwortungsvollen und rechenschaftspflichtigen Medienumgebung.«61

Eine genauere Betrachtung der Aufgaben und Strukturen des HMC offenbart jedoch nicht nur eine enge Verbindung zwischen Regierung und Hohem Medienrat, sondern auch die ambivalente Funktion, die es im Hinblick auf die Definition und Kontrolle journalistischer Normen einnimmt: Die neun Mitglieder des HMC, inklusive des HMC-Präsidenten, schlägt der Premierminister dem König vor, der sie dann durch königliches Dekret für drei Jahre ins Amt beruft. Neben dieser personellen besteht außerdem eine finanzielle Abhängigkeit. In §3 des HMC-Gesetzes wird zwar die finanzielle und administrative Unabhängigkeit festgeschrieben, doch im Detail zeigt sich, dass erstens das Kabinett die Gehälter der Ratsmitglieder festlegt (§4C) und die eingeworbenen Gelder bewilligt und zweitens der Premierminister das jährliche Budget ratifiziert (§12b). Eine personelle wie finanzielle Unabhängigkeit von der Exekutive ist somit nicht gewährleistet. Dahingegen untersagt das Gesetz jeglichen direkten oder indirekten persönlichen Profit aus kommerziellen Medienunternehmen und Investitionsprojekten im Laufe der HMC-Mitgliedschaft (§6). Allerdings muss sowohl die Zusammensetzung des Rates als auch die Aufgabenbeschreibung im Kontext der Entwicklung des journalistischen Feldes in Jordanien gesehen werden. Bereits anhand der rechtlich zugewiesenen Aufgaben und der Erfüllung dieser Aufgaben offenbart sich der Unterschied zu anderen staatlichen Regulierungsbehörden: Medienpolitik gestalten ist eine der Hauptaufgaben des HMC, sie soll in Kooperation mit den »beteiligten Parteien« (aus dem Feld) geschehen. Konkrete Aufgaben wie Gesetzesvorlagen und Vorschläge für Regulierungen im Mediensektor vorzubereiten (§9g), einen Ethikkodizes (§9c) auszuarbeiten oder für die Regulierung und Nachverfolgung der Medienselbstverpflichtung (selfresponsibility) Sorge zu tragen, sollte ebenfalls in Kooperation mit »beteiligten Parteien« erfolgen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Ausarbeitung des HMCEthikkodexes für Rundfunkbeschäftigte zwar in Zusammenarbeit mit Journalisten aus verschiedenen Rundfunkanstalten stattgefunden hat, aber nur mit vom Rat selbst »ausgewählten«. Immerhin hat die Gruppenzusammensetzung die Grenzen zwischen Journalisten aus staatlichen bzw. teilstaatlichen Medien auf der einen, und Journalisten aus privaten Medien auf der anderen Seite durchbrochen und erfährt

61 Offizielle Erklärung der Jordanischen Botschaft in Washington zur Gründung des HMC (Übersetzung J.P.), http://www.jordanembassyus.org/new/aboutjordan/er1.shtml, online nicht mehr verfügbar.

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dadurch eine größere Legitimationsbasis als beispielsweise der JPA-Kodex innerhalb des Rundfunksektors. Als Ende 2008 schließlich die Abschaffung des HMC erfolgte, wurde nicht geklärt, wie mit dem ausgearbeiteten Kodex verfahren werden soll. Wie die Theorie gezeigt hat, ist neben der professionellen Ebene, zu der Kodizes des JPA, des CDFJ und des HMC zählen, eine zweite, feldinterne Ebene von Bedeutung für die Normendefinition: die Redaktion auf organisationeller Ebene. Grundsätzlich werden in der Redaktion professionelle Normen eher durch nichtformalisierte Prozesse definiert. Sie sind aufgrund ihres impliziten Charakters weniger eindeutig. Dennoch gibt es in vielen Redaktionen der Welt explizierte Normen in Form von redaktionellen Kodizes, redaktionellen Statuten, style sheets etc. In Jordanien war die Verschriftlichung solcher Regeln im Jahr 2007 eher die Ausnahme. In der Tageszeitung Al-Arab Al-Yaum gibt es seit ihrer Gründung 1997 einen Vertrag zwischen dem Eigentümer Rijai Al-Muasher und dem Chefredakteur, der die redaktionelle Freiheit des Chefredakteurs garantiert, sowie eine kurze Handreichung für die Beschäftigten, wie bestimmte Phänomene benannt werden sollten.62 Der Umgang mit sprachlichen Konventionen auf Redaktionsebene wird aber in den meisten Medienhäusern sehr flexibel gehandhabt und an die jeweiligen politischen Gegebenheiten angepasst. So erklärten mir verschiedene Chefredakteure, dass sie bei wichtigen Ereignissen wie dem Irak-Krieg in redaktionellen Diskussionen sprachliche Vereinbarungen hinsichtlich der Charakterisierung und/oder Benennung von Anschlagsverursachern treffen. Eine stärker formalisierte Form der Bestimmung von Erwartungen offenbart sich bei JTV. Der Sender besitzt ein internes viewer committee, das als moralische Instanz alle Programme, bevor sie auf Sendung gehen, daraufhin bewertet, ob sie mit den »kulturellen Traditionen« vereinbar sind.63 Außerdem finden Normendefinitionen in Form von Instruktionen – nicht selten vonseiten der Regierung – an die Journalisten während redaktioneller Sitzungen statt. An einer solchen Sitzung nahm ich am 18. November 2007 teil. Zwei Tage vor der Parlamentswahl wurden alle Mitarbeiter des Senders detailliert instruiert, welche Bilder sie produzieren und welche sprachlichen Ausdrücke sie verwenden dürften.64 So wurde beispielsweise verboten, Sicherheitskräfte zu zeigen, die in großer Zahl die Wahllokale sicherten. Die Erklärung für diese Regel lautete: Es werde am Wahltag ein erhöhtes Polizeiaufgebot geben. Die ausländischen Sender, allen voran Al-Jazeera, werden versuchen, das als Zeichen eines Polizeistaates und der Unterdrückung der Bürger auszu-

62 Interview Chefredakteur Al-Adwan (Al-Arab Al-Yaum) 2007. 63 Interview mit der Programmchefin Hala Zureikat (JTV) 2007. 64 Vgl. Beobachtungsprotokoll »Wahlberichterstattung« 2007.

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legen. JTV solle eine solche Interpretation vermeiden. Die Polizei dürfe nur gefilmt werden, wenn dazu erklärt werde, dass sie zum Schutz der Bürger und Wähler da sei, da in den vergangenen Jahren ja schon einmal im Zusammenhang mit den Wahlen Gewalt ausgebrochen sei.65 Für die Regel, dass die Muslimbrüder und die Islamische Aktionsfront nur als »Bruderschaft« oder »Aktionsfront« (ohne »islamisch«) genannt werden dürften, gab es während der Sitzung keine Erklärung, was darauf hindeutet, dass es nichts Besonderes für die Beschäftigten ist. Der Nachrichtenchef reichte mir auf Nachfrage allerdings eine Erklärung nach: JTV wolle damit unterstreichen, dass die Partei und die Bruderschaft nicht den alleinigen Anspruch auf den Islam in Jordanien besitzt. Sie seien nicht die alleinigen Vertreter der Muslime in Jordanien und sollten deshalb nicht durch eine Benennung »islamisch« bzw. »muslimisch« besonders hervorgehoben werden.66 Sie sind allerdings auch – das sagt der Nachrichtenchef nicht – die einzig ernst zu nehmende oppositionelle Kraft in Jordanien. Angesichts dieser informellen Praktiken überrascht es nicht, dass 2007 außer AmmanNet und Al-Haqiqa Ad-Duwaliya keines der untersuchten Medienunternehmen einen Ethikkodex für ihre Redaktionen hatte. Seit der Feldforschungsphase scheint hier jedoch ein Umdenken stattgefunden zu haben. Seit 2007 sind weitere redaktionelle Kodizes hinzugekommen, vom Online-Nachrichtenportal Ammonnews, der Tageszeitung Al-Ghad und der staatlichen Nachrichtenagentur Petra.67 Um den Prozess der nicht-explizierten Normdefinition nachzuzeichnen, bedürfte es einer eigenständigen Forschungsarbeit, deshalb soll hier lediglich für AmmanNet skizziert werden, wie sich der Kodex in das Gesamtgefüge des Radiosenders einfügt. AmmanNet nimmt unter dem neuen Namen Balad Radio eine gewisse Ausnahmeposition in der jordanischen Medienlandschaft ein. Dies zeigt sich besonders im Hinblick auf selbstregulative und selbstreflektive Praktiken. So hat der Radiosender einen Hörerbeirat initiiert, der bei der Suche nach Themen, der Verbesserung des Programms, aber auch bei der Gestaltung des Programms mitwirkt. Der Beirat versteht sich selbst aber auch explizit als »Kontrollorgan« der Redaktion. Um diese Kontrolle nach professionellen Kriterien ausführen zu können, bedurfte es der Festschreibung bestimmter Regeln. Der Ethikkodex ist deshalb nicht nur ein von der Redaktion ausgearbeiteter Leitfaden für die Journalisten von AmmanNet resp. Balad Radio, sondern auch ein Leitfaden anhand dessen die Hörer die Arbeit des Sen-

65 Gespräch im Rahmen der Beobachtung »Wahlberichterstattung« 2007 mit Nachrichtenchef Majalli (JTV) 2007. 66 Ebd. 67 Die Nachrichtenagentur Petra präsentierte im Juni 2008 offizielle ein style book und 2009 einen Ethikkodex.

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ders evaluieren können (vgl. Pies/Madanat 2011a). Der Kontext der Normendefinition ist folglich einerseits als ein Produkt der Abgrenzung (Profession versus Hörer), aber auch als ein Produkt der Verantwortung gegenüber den Zuhörern zu sehen. Der Kodex von AmmanNet ist natürlich zunächst einmal auf die Mitarbeiter der Organisation beschränkt, da AmmanNet aber sowohl Internetinhalte als auch Radiobeiträge produziert, sind die Anforderungen des Kodex möglicherweise wegweisend für andere Rundfunk- und Online-Journalisten. 2.2 Akteure und Mechanismen der Normenbeobachtung Bei der Beschreibung der »Analysedimensionen« im theoretisch-analytischen Rahmen habe ich für den Beobachtungs- und Sanktionsprozess auf die Differenzierung zwischen selbst- und co-regulativen Institutionen hingewiesen. In Jordanien lassen sich nur sehr wenige Beispiele finden, die der einen oder der anderen Kategorie zugeordnet werden können. Formalisierte redaktionelle Selbstkontrollinstrumente, wie ein Genehmigungsverfahren für die Bewerbung bei Journalistenpreisen in der New York Times zur Verhinderung von Interessenkonflikten (vgl. RussMohl 2007: 152), gibt es in Jordanien bislang gar nicht. Zwischen 2001 und 2007 gab es allerdings eine Institution, den Hohen Medienrat (HMC), die sich als co-regulative Regulierungsinstitution einordnen lässt. Der staatliche Rahmen bestand aus finanziellen Zuwendungen und dem personellen Kern der Institution (s. oben). Die einzelnen Gremien zur Erfüllung der vielfältigen Aufgaben besetzten indes Journalistenausbilder, Journalisten, Juristen und andere »beteiligte Parteien« im Feld. Da sie sich dadurch von den anderen Regulierungsbehörden unterschied, ist es durchaus gerechtfertigt, von einer Co-Regulierung zu sprechen. Diese für Jordanien neue Form rief auch entsprechend widersprüchliche Reaktionen hervor. Während die einen den Hohen Medienrat als Handlanger des Regimes betrachteten, sahen die anderen ihn als probate Vertreter der Interessen des Berufsstandes gegenüber demselben. Entsprechend akzeptierten die Befürworter des Rates auch das normenbeobachtende und -sanktionierende Instrument, das Freiheitskomitee. Während dem HMC im Prozess der Normendefinition ein relativ großer Einfluss zugeschrieben werden muss, war die Sanktionsmacht als eher gering einzustufen. Das HMC-Gesetz sah in §9c vor, ein »Freiheitskomitee« einzusetzen, dessen Aufgabe darin bestand, in »Kooperation mit betroffenen Parteien« die Regulierung des Mediensektors zu koordinieren und die journalistische Selbstkontrolle zu »beaufsichtigen«. Wie diese Aufgaben erfüllt werden sollten, darüber machte das Gesetz keine Angaben. Besonders die Beaufsichtigung der »Selbstkontrolle« birgt eine gewisse Ironie, die möglicherweise der Co-Regulierung insgesamt innewohnt. Sie verdeutlicht aber auch das Misstrauen des Regimes, dem journalistischen Feld selbst die Verantwortung über sein Tun zu überlassen. Das HMC kann

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somit als Problemfall sogenannter Co-Regulierung betrachtet werden und wirft die Frage auf, ob in autoritären Regimen eine Unterscheidung zwischen co-regulativen und regulativen Mechanismen überhaupt sinnvoll ist. In der Praxis wurde das Freiheitskomitee zu einer Art Beschwerderat, dem gegenüber Beschwerden gegen einzelne Journalisten und ganze Medienorganisationen geäußert werden konnten. In Zusammenarbeit mit beiden Parteien sollte dann der Rat eine Einigung erzielen, ohne dass die Beschwerdepartei vor Gericht ziehen musste.68 Diese außerjuristische Schlichtung stellte im Grunde eine Wiederholung der im JPA eingerichteten Disziplinarräte dar, wobei der HMC eine größere Reichweite erzielte, da er im Gegensatz zum JPA auch Beschwerden gegen Rundfunk- und Online-Medien einbeziehen konnte. Aufgrund der geringen Lebensdauer dieses Rates gibt es kaum Informationen über die Arbeit. Den einzigen wirklich anspruchsvollen Fall, den der Rat laut eines Mitgliedes zu bearbeiten hatte, wurde nicht abgeschlossen, da das HMC vor Abschluss bereits abgeschafft worden war. Ali Sukkar, ein führendes Mitglied der Islamischen Aktionsfront (IAF), hatte behauptet, dass Ar-Ra'i ihn falsch zitiert habe mit Worten, die er nie gesagt habe. Sein Ansinnen, einen Korrekturbrief zu veröffentlichen, lehnte Ar-Ra'i ab, weshalb Sukkar bei anderen Tageszeitungen seine Sicht auf die Dinge veröffentlichen wollte. Aber keine der anderen Zeitungen wollte sein Statement abdrucken, nicht einmal als bezahlte Anzeige, mit der Begründung, er solle eine Klage gegen Ar-Ra'i einreichen. Sukkar reichte daraufhin eine Beschwerde beim Freiheitskomitee des HMC ein. Die Satzung des Freiheitskomitees sah jedoch vor, dass beide Seiten einwilligen müssen, um die Beschwerde zu behandeln. Ar-Ra'i willigte nicht ein, sodass auch ohne Abschaffung des HMC der Fall Sukkar vermutlich zu den Akten gelegt worden wäre (Hawatmeh/Pies 2011: 108). Der Fall zeigt somit eindrücklich die geringe Akzeptanz des Komitees im Feld aufgrund mangelnder Sanktionsmacht. In Jordanien existiert kein Presse- oder Medienrat, der Prototyp selbstregulativer Institutionen, obschon seit 2011 die Diskussion über die Gründung eines solchen an Fahrt gewonnen hat. Dies liegt wohl auch an der rasanten Zunahme von Beschwerden gegen Journalisten und Medienorganisationen, die beim JPA-internen Vermittlungsgremium eingehen.69 Zur Beilegung verbandsinterner Probleme haben alle Berufsverbände in Jordanien einen sogenannten Disziplinarrat (majlis attadibi), dessen Entscheidungen für die Mitglieder bindend sind. Die einzige Möglichkeit, Entscheidungen des Disziplinarrates anzufechten, besteht vor dem Obersten Gerichtshof (Hamayil 2000: 78f.). Das größte Sanktionsmittel ist dabei die Verweigerung oder der Entzug der Mitgliedschaft. Auch für den Journalistenver-

68 Gespräch mit dem ehemaligen Mitglied des Freiheitskomitees George Hawatmeh, Dortmund 2010. 69 Gespräch mit Sawsan Zaidah, Kairo 2013.

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band gibt es ein solches Komitee, das Verstöße gegen das JPA-Gesetz, den JPAKodex und in beschränktem Maße auch gegen das Presse- und Publikationsgesetz, eigenständig und ohne Beteiligung des staatlich-juristischen Apparates ahndet. Das Komitee ist rechtlich im JPA-Gesetz §33b(2) verankert und seine Aufgaben und Strukturen werden im §33b(3) und §§47-51 festgelegt. Das Komitee wird in der Regel aktiv, wenn eine Beschwerde gegen einen Journalisten oder eine Medienorganisation eingereicht wird. Die meisten Beschwerden kommen aus der breiten Öffentlichkeit, einige von Behörden und manchmal reichen auch Journalisten Beschwerden gegen ihre Kollegen ein.70 Somit spielt scheinbar die verbandsinterne Vermittlung, so wie sie in den anderen Berufsverbänden praktiziert wird, im JPA eine eher untergeordnete Rolle. Der von einer Beschwerde betroffene Journalist und/oder Chefredakteur darf sich innerhalb von 15 Tagen zu dem Vorwurf äußern. Schließlich beruft das Komitee eine Sitzung ein, bei der Journalist und »Ankläger« Rede und Antwort stehen müssen. Sie haben das Recht, Beweise vorzulegen, Zeugen und eigene Anwälte mitzubringen. Das Komitee, das aus mindestens drei Mitgliedern des JPA-Vorstandes sowie zwei bis drei »Persönlichkeiten« besteht71, entscheidet, ob ein Verstoß gegen eine Regel vorliegt. Wenn ja, hat es verschiedene Sanktionsmöglichkeiten, die von einer Verwarnung über ein vorrübergehendes bis hin zu einem endgültigen Arbeitsverbot reichen. Ein einziger Tag Arbeitsverbot hat bereits zur Folge, dass der Gestrafte nicht mehr Präsident des JPA oder Chefredakteur einer jordanischen Medienorganisation werden kann. Ein endgültiges Arbeitsverbot und ein Ausschluss aus dem Verband haben rechtlich zur Folge, dass der Betroffene nicht mehr in seinem Beruf als Journalist arbeiten darf. Da allerdings die rechtlich verpflichtende Mitgliedschaft im JPA in der Praxis kaum beachtet wird, bieten sich dem Betroffenen weiterhin Möglichkeiten der Beschäftigung. Allerdings ist eine solche Strafe unter Umständen mit gravierenden Einschränkungen für die tägliche Arbeit verbunden, wenn beispielsweise der Name des Bestraften an alle Behörden weitergegeben wird und diese Auskünfte verweigern dürfen oder keine Einladungen zu Pressekonferenzen mehr erteilen. Während in den 1990er Jahren die Sanktionierung durch Arbeitsverbote und deren Androhung häufig vom JPA eingesetzt wurde72, hat sich die Situation seit dem letzten Ausschluss im Jahr 2000 (Nidal Mansour) deutlich entspannt. Zeitlich be-

70 Interview mit JPA-Direktor Al-Moumani 2007 und Gespräch mit George Hawatmeh, Dortmund 2010. 71 Tariq Al-Moumani, damals Präsident des JPA, gab im Interview an, dass diese Persönlichkeiten oft aus dem Kreis der Journalistenschaft selbst stammen, aber manchmal auch Juristen sind (vgl. Interview mit Al-Moumani 2007). 72 Einen Überblick über die Sanktionsmechanismen des JPA in den 1990er gibt Kilani 1997: 91ff.

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schränkte Arbeitsverbote werden allerdings auch heute noch häufig ausgesprochen. Allerdings gab es laut Tariq Al-Moumani in den Jahren seiner Präsidentschaft (2002-2008) lediglich einen Fall, in dem ein mehrmonatiges Arbeitsverbot ausgesprochen wurde.73 Die Zahl der Beschwerden, die an den JPA gerichtet werden, hat jedoch enorm zugenommen, sodass im Jahr 2011 drei Disziplinarkomitees parallel aktiv waren. Ob dies auf eine Zunahme von Beschwerden oder einer veränderten Beschwerdepraxis zurückzuführen ist, ist schwer zu sagen. In der Tat haben die Klagen gegen Journalisten vor Gericht abgenommen (vgl. CDFJ 2008b). Da einem Beschwerdewilligen beide Wege offen stehen – entweder vor Gericht zu klagen oder beim JPA Beschwerde einzulegen – könnte diese Entwicklung darauf hinweisen, dass eine außerjuristische Klärung von »Pressevergehen« an Bedeutung gewonnen hat. Dies muss mit Blick auf die Pressefreiheit nicht unbedingt eine positive Entwicklung sein, denn – davon ist der JPA-Präsident überzeugt – »die Sanktionen des JPA wirken bei den Journalisten stärker als die der Gerichte«74, die zumeist mit Geldstrafen gegen die Medienorganisationen ahnden. Grundsätzlich können Entscheidungen des Disziplinarrates vor dem Oberster Gerichtshof angefochten werden. Seit den Änderungen im Pressegesetz von 2010 sollen diese Revisionen in Zukunft vor den Speziellen Gerichtskammern für Medien eingereicht werden, die ultimative Sanktion bleibt jedoch das Arbeitsverbot (IREX 2011: 37). Auch aus diesem Grund sehen sich Journalisten wohl lieber vor Gericht als vor dem Disziplinarrat. Rein strukturell ist der Disziplinarrat des JPA zwar eine selbstregulative Institution, betrachtet man jedoch die Regime nahe Stellung des JPA insgesamt, so stellt sich zumindest die Frage, wie weit seine Unabhängigkeit reicht. Problematisch für seine Stellung als selbstregulative Institution ist auch, dass die Beobachtung und Sanktionierung sich nicht auf Regeln beschränkt, die vom JPA gesetzt wurden, sondern auch auf Gesetzestexte. Aus diesem Grund kann auch nicht von einem Presserat im europäischen Sinne, sondern allenfalls von einem »Ombudskomitee« (Hawatmeh/Pies 2011: 107) gesprochen werden. Weitere formale Mechanismen der Regelbeobachtung und -sanktionierung gibt es in Jordanien mit Bezug auf den Journalismus nicht. Bei den Ethikkodizes des CDFJ und von AmmanNet lassen sich lediglich informelle Wege andeuten. Für den Kodex des CDFJ, der, wie oben dargestellt, aus einem einmaligen Projekt entstand, existiert nicht einmal ein Ansprechpartner, mit dem über die Auslegung der Regeln diskutiert werden könnte. Auch stellt er Regeln für eine Ausnahmesituation, die Wahlberichterstattung, dar, für die es keine gesetzlich festgeschriebenen Normen

73 In diesem Fall habe ein Journalist einer Wochenzeitung Anschuldigungen gegen einen bekannten Investor in Jordanien erhoben, für die er keine Belege hatte (vgl. Interview mit Al-Moumani 2007). 74 Interview mit JPA-Direktor Al-Moumani 2007.

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gibt. Jedoch benennt er als einziger der hier behandelten Kodizes nicht explizit bestimmte Mediensektoren, für die der Text gelten soll. Dies unterstreicht zusätzlich den Charakter des Kodexes, der aus Freiwilligkeit und individueller Akzeptanz besteht. Das CDFJ vertritt damit einen völlig anderen Ansatz als alle bisher genannten Institutionen der Normendefinition. Nur hier kann von einer individuellen Kontrolle ausgegangen werden, was den kreierten Normen entsprechend geringes äußeres Sanktionspotential mitgibt. Auch AmmanNet hat keine formalen Mechanismen, die die Einhaltung der im Kodex festgelegten Normen beobachten oder gar sanktionieren würden. Allerdings existieren im Gegensatz zum CDFJ-Kodex die einer Redaktion eigenen Sanktionsmechanismen sowie die mögliche Sanktionierung durch die Zuhörer. Wie bereits in der Theorie angedeutet, verfügen Medienorganisationen über ihre eigenen Sanktionsmechanismen, die nur in Ausnahmefälle öffentlich werden, da es sich häufig um personalpolitische und/oder ökonomische Sanktionen handelt. Die Chefredakteure und leitenden Redakteure spielen eine besondere Rolle im Hierarchiegefüge eines Medienunternehmens und können aufgrund ihrer Verquickung von redaktionellen wie leitenden Funktionen am ehesten als Sanktionsinstanz fungieren. Im Falle AmmanNets ist zu erwähnen, dass die Zuhörer als weitere Sanktionsinstanz eine große Rolle spielen. Sie können nicht nur aufgrund ihrer passiven Funktion als Konsumenten durch ›Wegschalten‹ strafen, sondern können direkt in die redaktionelle Arbeit eingreifen, indem sie entweder Diskussionen über in ihren Augen unprofessionelle Beiträge anregen oder direkt im Produktionsprozess korrigierend eingreifen (vgl. Pies/Madanat 2011a: 27ff.).

3. T YPEN GEZIELTER T RANSFORMATIONSVERSUCHE Aufgrund der Analyse des Normenkontexts in Form von Akteuren und Mechanismen der Normensetzungs- und Normendurchsetzungsprozesse lassen sich drei unterschiedliche Typen von Transformationsversuchen hypothetisieren. Deren Gehalt soll durch die Untersuchung des normativen Referenzrahmens im anschließenden Kapitel »Normativer Referenzrahmen seit 1989« überprüft werden. Im Folgenden werde ich zunächst noch einmal die Erkenntnisse zusammenfassen, indem ich die Typen näher beschreiben. Dies geschieht in Anlehnung an die dargelegten Analyseraster mit den folgenden Vergleichsdimensionen: Initiator der Normensetzung, Ausarbeiter der Normen, Einbindung nicht-staatlicher Akteure sowie die Art der Einbindung für den Prozess der Normensetzung; Verortung der Beobachtungs- und Sanktionsakteure sowie Grad der Institutionalisierung und Mittel der Sanktionierung für den Prozess der Normenbeobachtung und -sanktionierung.

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Die KÖNIGLICHEN TRANSFORMATIONSVERSUCHE gehen einzig von Akteuren des Regimes aus. Dabei kommen die Impulse für die Transformation und die Zielrichtung vom König (Hussein bis 1999 und Abdallah II. 1999-2007). Die Regierung übernimmt – zum Teil – unter Konsultation von ausgewählten Experten und in Rücksprache mit dem König die Ausarbeitung der Gesetzestexte. In allen Fällen hatte das Parlament ebenso wie Akteure aus dem Feld kein Mitspracherecht und folglich keinen Einfluss auf die Definition der Normen. Eine Einbindung erfolgt daher nur innerhalb des Regimes mit vom König kontrollierten Akteuren. Die Gesetze, die zu diesem Transformationsversuch zählen, sind die Verfassung, das Strafgesetz, das Geheimdokumente-Gesetz für die Zeit vor 1989 und das Urheberschutzgesetz, das Telekommunikationsgesetz und die beiden Gesetze für audiovisuelle Medien in der Herrschaft König Abdallahs II. Während die Normensetzung autoritär erfolgt, ist die Beobachtung und Sanktionierung der Normen nicht so stark beim König zentralisiert. Die Beobachtung findet überwiegend auf der extramedialen Ebene statt, wobei neben Regimeakteuren auch jordanische Bürger involviert sein können wie für manche Normen im Strafgesetz. Seit der Herrschaft König Abdallahs II. wurden Teile der Beobachtung und Sanktionierung von der Justiz an staatliche Behörden ausgelagert. So werden etwa die Einhaltung der Erwartungen für einen Lizenzerwerb im Rundfunksektor von den beiden Regulierungsbehörden AVC und TRC beobachtet und eingefordert, was die direkte Einflussnahme des Königs zwar verringert, die der Regierung jedoch erhöht hat. Diese Strategie der Einbindung von Regulierungsbehörden kann einerseits als Versuch interpretiert werden, einen Legitimationsgewinn zu erzeugen, der durch scheinbar ›unabhängige‹ Institutionen im journalistischen Feld und eine Einbindung konkurrierender Fraktionen innerhalb der Regime-Koalition erfolgen soll. Aufgrund der hohen Institutionalisierung des Beobachtungs- und Sanktionierungsprozesses und den in allen Fällen potentiell vorhandenen materiellen Ressourcenentzügen müssen diese Transformationsversuche als durchsetzungsstark angenommen werden. Die REGIME-KONTROLLIERTEN TRANSFORMATIONSVERSUCHE zeichnen sich dadurch aus, dass sowohl Akteure des Regimes als auch des journalistischen Feldes im Prozess der Normensetzung beteiligt waren. Die Art und Macht der Beteiligung variierte dabei. Bei den Gesetzesänderungen des Pressegesetzes von 2007 und dem Informationszugangsgesetz ging der Impuls vom König aus. Die Koordination des Definitionsprozesses lag jedoch in den Händen der Regierung und des Hohen Medienrates, einer Institution mit Akteuren des Regimes und des Feldes. In beiden Fällen waren außerdem Parlament und ausgewählte Akteure des Feldes in den Prozess der Definition eingebunden. Bei den Kodizes des HMC und des JPA findet zwar kein direkter Einfluss des Regimes auf die Normendefinition statt, die Umstände der Definition im Fall des JPA-Kodex und die Zusammensetzung des koordinierenden HMC-Rates im Falle des HMC-Kodex lassen jedoch auf eine indirekte Kontrolle des Regimes beim Setzungsprozess schließen. In Abgrenzung zu den königli-

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chen Transformationsversuchen können die Regime-kontrollierten Versuche auf eine größere Legitimität im Feld hoffen, da zumindest Teile der Journalistenschaft – wenn auch kooptierte – in den Prozess der Normendefinition eingebunden waren. Auch aufseiten der politischen Akteure weisen die Regime-kontrollierten Transformationsversuche eine größere Integration verschiedener Akteure in den Normensetzungsprozess (König, Regierung, Parlament) auf, wobei dem Parlament nur eine akklamierende Rolle zukommt. Die Normenbeobachtung kann sowohl auf extramedialer wie auch auf professioneller Ebene erfolgen, wobei den jordanischen Bürgern vor allem im Falle des JPA-Kodexes eine besonders starke Rolle zufällt, während für die anderen Texte vor allem Regime-Akteure relevant sind. Die Sanktionierung erfolgt in allen Fällen – wenn auch unterschiedlich stark – vom Regime kontrolliert. So ist die Justiz nicht nur natürlicherweise im Falle der Gesetzestexte involviert, sie ist auch die letzte Instanz für den JPA-Kodex, auch wenn dessen Einhaltung in erster Linie durch den Disziplinarrat des JPA beobachtet und ggf. sanktioniert wird. Dieser Prozess ist also dadurch gekennzeichnet, dass zwar Akteure aus dem Feld in den Prozess der Setzung von Erwartungen involviert sind, nicht aber in letzter Instanz über deren Einhaltung entscheiden können. Wie die königlichen Transformationsversuche zeichnen sich auch die Regime-kontrollierten durch einen hohen Grad der Institutionalisierung des Beobachtungs- und Sanktionierungsprozesses in Form von staatlichen und co-regulativen Institutionen aus. Die Sanktionsmittel umfassen in allen Fällen auch materielle Ressourcenentzüge. FELD-KONTROLLIERTE TRANSFORMATIONSVERSUCHE lassen sich in meinem Analysesample schließlich nur in zwei Fällen hypothetisieren. Lediglich die Kodizes von AmmanNet und CDFJ werden sowohl von Akteuren im Feld definiert als auch von ihnen beobachtet und ggf. sanktioniert. Angesichts der geringen Repräsentanz dieses Transformationsversuches ist eine Binnendifferenzierung nur schwer zu vollführen. Der Hauptunterschied besteht darin, dass der AmmanNet-Kodex von einer homogenen, institutionell gestützten Gruppe ausging, während der CDFJKodex im Rahmen eines Projektes und damit einer nicht-institutionellen Gruppe entstand. Dies hat vor allem Auswirkungen auf den Beobachtungs- und Sanktionierungsprozess, der im ersten Fall durch redaktionsinterne Kontrolle erfolgt, im zweiten durch eine des einzelnen Journalisten. Der Grad der Institutionalisierung ist demnach gering und die Sanktionsmittel sind vor allem immaterieller Art. Neu im Hinblick auf den Beobachtungsprozess ist die starke – im Fall AmmanNets sogar teilinstitutionalisierte – Einbindung des Publikums. Die eingangs erwähnte Zunahme redaktioneller Kodizes in Jordanien erfordert für weitere Forschungen eine stärkere Ausdifferenzierung dieser Transformationsversuche. Braman verweist darauf, dass der Prozess des media policy making im Laufe der Zeit zur Einbeziehung von immer mehr Akteuren geführt hat (2004: 169). Zwar lässt sich auch für Jordanien eine solche Zunahme feststellen, besonders nach der Festigung von Abdallahs II. Macht nach 2003, doch scheint hier – wie Freedman es

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auch für Demokratien beschreibt – der tatsächliche Einfluss auf die Entscheidungen von sehr wenigen Akteuren auszugehen. Diejenigen, die den politischen Entscheidern in ihren Ansichten und Werten am nächsten seien, hätten die besten Chancen, gehört bzw. erhört zu werden (Freedman 2008: 916ff.). Auch dies scheint mit Blick auf den Journalistenverband und Setzung von Gesetzesnormen für Jordanien zutreffend. Gerade deshalb stellt sich im Kontext einer autoritären Herrschaftsordnung die Frage, ob der normative Referenzrahmen für journalistische Akteure sich tatsächlich aufgrund der stärkeren Einbeziehung von Akteuren aus dem Feld verändert hat. Im folgenden Kapitel wird nun zu untersuchen sein, ob sich die Diversifizierung des Normenkontexts in Jordanien auch in der strukturellen Entwicklung des normativen Referenzrahmens widerspiegelt. Ich werde der Frage nachgehen, welche Veränderungen von welchen Transformationsversuchen ausgegangen sind. Sind die Versuche als tatsächliche Wandelinitiativen anzusehen oder stellen sie lediglich Reformrhetorik dar? Aus diesem Grund wird die folgende Beschreibung der Entwicklung des normativen Referenzrahmens bis zum Jahr 2007 nicht nur entlang eines zeitlichen Vergleichs, sondern auch entlang eines Vergleichs der verschiedenen Typen von hier hypothetisierten Transformationsversuchen erfolgen.

Normativer Referenzrahmen seit 1989

Im vorangehenden Kapitel habe ich aufgezeigt, dass sich aufgrund der Normensetzung, -beobachtung und -sanktionierung verschiedene Typen annehmen lassen, die den normativen Referenzrahmen des Journalismus in Jordanien zu beeinflussen versuchen. In diesem Kapitel soll nun die Frage beantwortet werden, welche Veränderungen diese Versuche für den normativen Referenzrahmen tatsächlich bewirkt haben. Dazu werde ich zunächst den normativen Referenzrahmen mithilfe der drei Strukturierungsdimensionen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung beschreiben. Diese Beschreibung basiert auf den Ergebnissen meiner qualitativen Inhaltsanalyse von elf Gesetzestexten sowie vier Ethikkodizes. Aus den Texten heraus habe ich ein Kategoriensystem entwickelt, das die Struktur des normativen Referenzrahmens innerhalb der drei Protonormen abbildet (s. Tabelle 6). Das Kategoriensystem enthält 19 Kategorien, die noch einmal in insgesamt 60 Unterkategorien gegliedert sind. Die Protonorm Freiheit habe ich zusätzlich in zwei Oberkategorien geteilt, Freiheitsgarantie und Freiheitsbeschränkung. Jeder Unterkategorie sind die entsprechenden Normen zugeordnet, die auch zugleich die Kodierungseinheiten darstellen. Im Folgenden werde ich entlang dieser Kategorien beschreiben, welche Veränderungen seit 1989 im normativen Referenzrahmen zu erkennen sind und von welchem der Texte sie ausgehen. Dabei werde ich bereits erste Anhaltspunkte dafür liefern, was sich als Wandel durch gezielte Transformationsversuche identifizieren lässt. Hierfür beziehe ich mich auf die im theoretisch-analytischen Rahmen beschriebenen »Folgen gezielter Transformationen«, nach denen nur dann von einem Wandel die Rede sein kann, wenn die neu hinzutretenden Normen eine Erweiterung oder einen Konflikt innerhalb des bestehenden Referenzrahmens zur Folge haben. Darauf aufbauend werde ich – mit Rückgriff auf die oben genannten Typen von Transformationsversuchen – zusammenfassen, welcher Versuch welche Veränderungen des normativen Referenzrahmens erbracht hat.

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Tabelle 6: Kategorien des normativen Referenzrahmens im Überblick Protonorm

Oberkategorie

Kategorie Garantie freier Kommunikation

Freiheitsgarantie

Garantie des freien Informationsflusses Garantie für Unabhängigkeit

Freiheit

Bedingungen der Freiheit Freiheitsbeschränkung

Kontrolle des Informationsflusses Regelbindung Politisches System Bürger Wirtschaft

Verantwortung

Göttliche Instanz Journalistische Profession Journalistische Quellen Objekte der Berichterstattung Ausgewogenheit Belegbarkeit Kontextualität

Wahrheit

Neutralität Richtigstellung Sorgfalt Transparenz

Quelle: Eigene Zusammenstellung

Auch wenn die Inhaltsanalyse die qualitative Entwicklung des normativen Referenzrahmens zum Erkenntnisziel hatte, lohnt ein Blick auf die quantitative Kodierungsverteilung zur ersten Einschätzung der Ergebnisse. Er weist auf Trends hin, die sich in der qualitativen Auswertung differenzieren lassen. Zunächst zeigt die Zahl der Kodierungen, dass kodifizierte Normen für die journalistische Praxis zugenommen haben: Für 1989 ließen sich lediglich 180 Regeln kodieren, im Jahr 2007 waren es bereits 846. Die stärkste Zunahme geht auf die Kodifizierung von Normen nach König Abdallahs II. Machtübernahme zurück. 72 Prozent aller Kodie-

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rungen stammen aus Gesetzen und Ethikkodizes, die zwischen 1999 und 2007 verabschiedet wurden.1 Die Zahlen bestätigen die Ergebnisse der kontextuellen Analyse, nach der seit Abdallahs II. Machtübernahme die Transformationsversuche mittels Gesetzen an Bedeutung gewonnen haben. Mit Blick auf die im theoretischen Rahmen dargestellten drei Protonormen zeigt sich folgendes Bild: Von insgesamt 846 Kodierungen wurde die Protonorm Freiheit am häufigsten (382 Kodierungen) erhoben. Mit insgesamt 333 Kodierungen folgte die Protonorm Verantwortung, während Wahrheit weit abgeschlagen mit nur 131 Kodierungen auf dem letzten Platz rangiert. Die Reihenfolge der Protonormen hat sich von 1989 auf 2007 allerdings verändert. Während 1989 die Protonorm Verantwortung mit 47 Prozent aller Kodierungen auf Platz eins, Freiheit mit 46 Prozent auf Platz zwei und Wahrheit mit sieben Prozent auf Platz drei lag, hat sich im Jahr 2007 die Reihenfolge auf den beiden vorderen Plätzen umgekehrt. An erster Stelle steht nun mit 45 Prozent aller Kodierungen die Freiheit, während Verantwortung lediglich auf 39 Prozent aller Kodierungen kommt. Die Wahrheit blieb auf dem letzten Rang. Allerdings hat sich der Anteil der Protonorm Wahrheit an allen Nennungen deutlich erhöht: von sieben Prozent im Jahr 1989 auf 15 Prozent im Jahr 2007. Diese Zunahme geht fast ausschließlich auf die Kodifizierung von journalistischen Normen nach Abdallahs II. Machtübernahme zurück. 88 Prozent aller Kodierungen unter der Protonorm Wahrheit gehen auf Texte nach 1999 zurück. Bei der Protonorm Verantwortung lässt sich ein gegenläufiger Trend erkennen: Während Verantwortung bis 1989 47 Prozent aller Kodierungen stellte, liegt ihr Anteil in 2007 nur bei 40 Prozent. Dennoch bleibt der Aspekt der Verantwortung auch nach 1999 bedeutsam. Gleiches gilt für die Protonorm Freiheit, deren Anteil an Kodierungen sich zwar kaum verändert hat (von 46% in 1989 auf 45% in 2007) deren Bedeutung aber auch nach König Abdallahs II. Machtübernahme noch wichtig bleibt. Ein erster Blick auf die quantitativen Ergebnisse der Textanalyse zeigt also, dass die bereits 1989 existente Fokussierung auf die Protonormen Freiheit und Verantwortung zwar bestehen bleibt, die Protonorm Wahrheit jedoch an Bedeutung gewinnt. Auch zeichnet sich ein Trend ab, der das vormals ausgewogene Verhältnis zwischen Freiheit und Verantwortung zugunsten der Freiheit verschiebt. Ob diese Entwicklung nun aber eine Bestätigung bereits 1989 existierender Normen ist oder tatsächlich Ergänzungen oder gar Differenzen aufweist, ist damit noch nicht gesagt. Hauptaugenmerk der folgenden Ausführungen liegt deshalb auf den folgenden zwei Fragen: Haben sich die Protonormen inhaltlich ausdifferenziert, d.h. sind neue Normen hinzugekommen oder wurden die bestehenden nur bestätigt? Welche Transformationsversuche haben wie zu einer Veränderung des normativen Referenzrahmens beigetragen?

1

Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass das Pressegesetz, das in Teilen natürlich auch schon 1993 existierte, lediglich einmal in der Version von 2007 kodiert wurde.

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1. F REIHEIT : Z WISCHEN G ARANTIE

UND

B ESCHRÄNKUNG

Analog zur theoretischen Diskussion um die Protonorm Freiheit ergibt sich für den normativen Referenzrahmen des jordanischen Journalismus eine Unterscheidung zwischen Normen, die Freiheit begrenzen und solchen, die Freiheiten garantieren. Die garantierenden Normen lassen sich für die untersuchten Texte in drei Kategorien zusammenfassen: die Garantie des freien Informationsflusses, die Garantie der freien Kommunikation und die Garantie der Unabhängigkeit journalistischer Praxis. Zu den Freiheit beschränkenden Normen gehören solche, die Bedingungen an die Freiheitsgarantie stellen, die den Informationsfluss kontrollieren und solche, die gesetzliche Garantien durch andere Regeln einschränken. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Freiheiten einschränkenden Normen quantitativ stärker vertreten sind (254 Kodierungen) als diejenigen, die Freiheiten garantieren (128 Kodierungen). Insgesamt hat sich seit 1989 die Zahl der Freiheit beschränkenden Regeln um mehr als das Dreifache erhöht, von 79 Kodierungen in 1989 auf 254 in 2007. Allerdings hat sich der Anteil deutlich verringert: Während 1989 Freiheit beschränkende Regeln noch 96 Prozent aller Freiheitskodierungen darstellten, sind es 2007 nur noch 67 Prozent, was sich zunächst als ein Trend zur Stärkung der Freiheitsgarantien interpretieren lässt. Es stellt sich jedoch die Frage, wie sich diese Zunahme von Garantien in den Normen darstellt: Lässt sich eine Stärkung uneingeschränkter Freiheitsgarantien feststellen oder sind diejenigen Normen, die Freiheiten garantieren gleichzeitig mit Einschränkungen behaftet? Haben sich neue Interpretationen und Felder der Freiheitsgarantie aufgetan und wenn ja, welche? Erfahren die Freiheitsgarantien eine Erhärtung auch durch königliche und Regime-kontrollierte oder vor allem durch Feld-kontrollierte Transformationsversuche? Zur Beantwortung der Frage sollen im Folgenden die unterschiedlichen Unterkategorien der Protonorm Freiheit näher beschrieben werden. 1.1 Freiheitsgarantie: Mehr Garantie durch mehr Kodifizierung? Ein erster Blick auf die Subkategorie Freiheitsgarantie deutet an, dass eine Ausdifferenzierung stattgefunden hat. Während 1989 lediglich Normen zur freien Kommunikation zu finden waren, sind seit der politischen Öffnung 1989 die Oberkategorien Unabhängigkeit und Freier Infofluss hinzugekommen, die vor allem in den Jahren nach dem Königswechsel 1999 an Bedeutung gewonnen haben. Welche Normen genau darunter zu fassen sind und wie ihre Zunahme zu erklären ist, soll im Folgenden näher erläutert werden.

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Garantie freier Kommunikation Die jordanische Verfassung garantiert in §15(1) die Meinungsfreiheit,2 auf die sich viele andere Texte berufen, z.B. HMC-L01 §7d; PP-L §3. Der Journalistenverband (JPA-L §4a) sieht die Garantie der Meinungsfreiheit als Ziel seiner Aktivitäten an. Alle Texte, die Meinungsfreiheit garantieren, garantieren auch zugleich der Presse oder den Medien die Freiheit, mit Ausnahme des Hohen Medienrats, der weder im Gesetzestext noch in seinem Ethikkodex explizit eine Garantie für die institutionelle Freiheit der Medien aufführt. Seine Texte verbleiben auf der Ebene einer individuellen Garantie der Meinungsfreiheit. Trotz dieser zahlreichen Freiheitsgarantien gibt es nur einen Text, der klar und ohne Einschränkungen eine Zensur verbietet, der Kodex von AmmanNet. In weiteren Texten wird gefordert, dass die Medien vor Eingriffen geschützt werden müssen. Im PPL ist etwa die Rede davon, dass »keine Einschränkungen eingeführt werden dürfen, die die Pressefreiheit derart beschränken, dass der Informationsfluss zu den Bürgern nicht mehr gewährleistet ist« (PP-L §8b). Mit Einschränkungen fordert zudem die Verfassung: »Zeitungen sollen nicht am Publizieren gehindert werden und ihre Zulassungen sollen nicht entzogen werden außer es geschieht im Einklang mit den Vorgaben des Gesetzes.« (Const.L§15). Auch das Gesetz zur Telekommunikation, das JPA- und das Pressegesetz schützen die journalistische Arbeit vor Eingriffen, indem sie die Behinderung oder Verhaftung von Journalisten verbieten, sofern sie nicht gesetzeswidrig handeln. Die Forderung nach einem uneingeschränkten Schutz vor Zensur und Eingriffen wird folglich erstmals nach 1989 durch den Ethikkodex von AmmanNet im Jahr 2007 laut. Darüber hinaus findet vor allem eine Fortführung der bereits in der Verfassung von 1952 festgelegten Garantien statt. In der Kategorie Garantie der freien Kommunikation hat also kein fundamentaler Wandel stattgefunden, vielmehr muss von einer Manifestierung der in der Verfassung festgeschriebenen Regeln gesprochen werden. Sowohl in Gesetzen als auch in Kodizes erfährt die individuelle und institutionelle Kommunikationsfreiheit eine Unterstreichung.

2

In den der Verfassung zur Seite gestellten, aber nicht rechtsverbindlichen Chartas von König Hussein und König Abdallah II., wird dieses Recht erneut unterstrichen, wie anhand der Nationalen Charta gezeigt werden kann: »Gedanken und Meinungsfreiheit und der Zugang zu Informationen muss als ein Recht für jeden Bürger sowie für die Presse und andere Medien betrachtet werden. Es ist ein Recht, das in der Verfassung niedergelegt wurde und das unter keinen Umständen eingeschränkt oder verletzt werden darf.« (Nationale Charta von 1990, Kapitel 6, 4.2, http://www.kinghussein.gov.jo/docu ments.html vom 20.4.2015).

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Garantie des freien Informationsflusses Die Forderung nach einem freien Informationsfluss lässt sich in zwei grundsätzliche Richtungen interpretieren. Seine Garantie erlaubt zum einen den freien Zugang zu Informationen (freier Infozugang) und zum anderen die freie Verbreitung von Informationen (freie Infoverbreitung). Beide Interpretationen finden sich in unterschiedlichen Varianten in vielen Texten wieder. Das Gesetz des Journalistenverbandes sieht den FREIEN INFORMATIONSZUGANG für Journalisten – nach JPA Definition – vor. Die Garantie der Ausstellung eines Presseausweises und der Journalistenstatus belegen dieses Recht. Auch das Pressegesetz garantiert einen Informationszugang als Teil der Pressefreiheit, doch im Gegensatz zum JPA-Gesetz wird hier die Garantie nicht durch den professionellen Status eingeschränkt.3 Damit unterstreicht das PPL die Garantien, die auch im Informationszugangsgesetzes (AtI-L §7) und in den Kodizes von AmmanNet (AmmanNet-C Präambel) sowie des Hohen Medienrats (HMC-C §II(3)) gewährt werden. Das PPL geht über die reine Garantie hinaus, indem es explizit Einschränkungen dieses Informationsrechts ausschließt (§8b). AmmanNet fordert Journalisten sogar dazu auf, sich gegen Einschränkungen dieses Rechts bei der journalistischen Recherche aufzulehnen (AmmanNet-C §V(1)). Darüber hinaus garantiert das PPL das Recht auf Information durch Behörden (PP-L §8a) und macht Vorgaben, dass Behörden Informationsgesuche in einem angemessenen Zeitraum bearbeiten müssen (PP-L §8c). Das Informationszugangsgesetz geht noch einen Schritt weiter und garantiert Beschwerdemöglichkeiten gegen die Ablehnung von Informationsgesuchen (AtI-L §4b, §17a).4 Spezifische Garantien des Zugangs zu Informationen gibt das PPL, das Journalisten innerhalb der für ihren Beruf festgelegten Grenzen, an öffentlichen Sitzungen des Parlaments, öffentlichen Veranstaltungen der Parteien und anderen gesellschaftlichen Organisationen sowie an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen erlaubt, sofern diese Veranstaltungen nicht geschlossen oder geheim sind. Offen bleibt hier, wann Sitzungen der öffentlichen Institutionen als geheim oder geschlossen deklariert werden können.5

3

»Informationen, Nachrichten und statistische Daten von den verschiedenen Quellen einholen, die von Belang für die Bürger sind.« (PP-L §6c).

4

Neben diesen allgemeinen Garantien bestimmt die Verfassung in §101(2): »Sitzungen des Gerichts sollen öffentlich sein, es sei denn das Gericht entscheidet, dass es geheim tagen muss aus Gründen des öffentlichen Interesses oder der Moral. […] Ein Verbot, den Gerichtsentscheid und die Gerichtsprotokolle zu publizieren ist nicht juristisch nicht gedeckt, es sei denn es handelt sich um Minderjährige oder Familienstreitigkeiten.« (zitiert nach IREX 2011: 18, Übersetzung J.P.).

5

So war im März 2010 während der Gerichtsverhandlung von Korruptionsvorwürfen gegen einen führenden Politiker und einen einflussreichen Wirtschaftsboss der Jordan Pe-

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Einige Texte garantieren ein allgemeines Recht auf FREIE INFORMATIONSVERBREITUNG, die meisten jedoch mit Einschränkungen. Während das Gesetz des Hohen Medienrats sehr allgemein die freie Zirkulation von Informationen fordert, benennt das PPL nur einen bestimmten Fall: Es garantiert den freien Informationsfluss über Gerichtsverfahren, indem es der Presse ungehinderte Verwendung von Gerichtsprotokollen garantiert, auch wenn hier ebenfalls Einschränkungen gemacht werden. Der Kodex des HMC kodifiziert die freie Informationsverbreitung explizit als »Bürgerrecht«, schränkt im gleichen Absatz aber ein, dass dieses Recht nur dann gilt, wenn es die »obersten Interessen des Vaterlandes« nicht tangiert (HMC-C §II(3)).6 AmmanNet interpretiert die Garantie des Infoflusses in einer ganz anderen Weise, nämlich als Abwehr von Einflüssen, die die Verbreitung von Informationen behindern könnten: »Als Journalist in den elektronischen Medien ist es verpflichtend, dass ich denen Widerstand leiste, […] die bei der Sammlung von Nachrichten oder deren Verbreitung einschüchtern wollen.« (AmmanNet-C §V(2)) Eine technisch orientierte Interpretation von freiem Informationsfluss stammt aus den Texten der Gesetze zu audio-visuellen Medien und zur Telekommunikation. Beide fordern zwar eine Lizenz für Radio- und Fernsehsender, garantieren nach Bewilligung dieser Lizenz jedoch den freien Zugang zu Frequenzen und die freie Verwendung von Verbreitungstechnik. Obwohl das Urheberschutzgesetz in erster Linie eher beschränkend auf den Informationsfluss wirkt, garantiert es dennoch in einigen Fällen eine freie Informationsverbreitung. Es zeigt die Fälle auf, in denen eine freie Zirkulation von Informationen eindeutig möglich ist. So hebt das Urheberschutzgesetz bestimmte Dokumente von der beschränkten Weiterverbreitung auf. Dazu zählen die in CopyR-L §7(1) und (2) genannten Informationen aus Gesetzen, offiziellen Dokumenten, Gerichtsentscheiden u.a. In §5(1) bestätigt es auch die Entbindung von Autorenrechten bei Informationen, die übersetzt oder in veränderter Form weiterverarbeitet wurden. Auch die Zitation garantiert eine freie Informationsverbreitung ohne die Rechte der Autoren zu beschränken (CopyR-L

troleum Refinery Company (JPRC) der Ausschluss der Öffentlichkeit ohne plausible Erklärungen und ohne rechtlichen Bezug bestimmt worden (vgl. Committee to Protect Journalists, 15.3.2010, Jordan’s security court bans coverage of corruption case http://cpj. org/2010/03/jordans-security-court-bans-coverage-of-corruption.php, vom 20.4.2015). 6

Zugang zur Öffentlichkeit kann aber durch die Möglichkeiten des Internets zunehmend auch direkt für Bürger gewährt werden. Dies spiegelt sich allerdings lediglich im nicht in der Analyse eingeflossenen Kodex von Ammonnews wider. Als Nachrichtenwebsite mit zahlreichen interaktiven Möglichkeiten (Kommentare, eigene Artikel posten etc.), garantiert der Kodex: »Wir verpflichten uns, sämtliche Beiträge, Kommentare und Artikel zu veröffentlichen.« Zwar wird diese Freiheit auch eingeschränkt, aber es ist die einzige Stelle, die tatsächlich den direkten Zugang der Bürger zur Öffentlichkeit garantiert.

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§17(4)). Das Urheberschutzgesetz regelt auch den Umgang bei der Verbreitung von Bildern. Grundsätzlich besagt es, dass Bilder nicht veröffentlicht werden dürfen, wenn die dort Abgebildeten nicht ihr Einverständnis gegeben haben. Eine Aufhebung dieser Beschränkung des Informationsflusses erfolgt allerdings im darauffolgenden Satz, in dem gesagt wird, dass die Verbreitungsbeschränkung keine Anwendung findet, wenn das Bild im Zusammenhang einer öffentlichen Situation entstanden ist, das Bild eine offizielle Person oder eine bekannte Persönlichkeit abbildet (CopyR-L §25). In einigen Texten wird den Medien eine wichtige Rolle im Demokratisierungsprozess zugesprochen, besonders im HMC-Gesetz und im HMCKodex. In diesem Kontext sollen Medien den gesellschaftlichen Pluralismus widerspiegeln, also verschiedenen Bevölkerungsteilen einen Zugang zu den Medien erlauben. Im Gegensatz zur Kategorie Garantie freier Kommunikation hat die Kategorie des Freien Informationsflusses einen bedeutenden Wandel erfahren. Bis 1999 ist sie nur in der Verfassung und im JPA-Gesetz als Gewährung des Zugangs zu Parlamentssitzungen zu finden. Normen der Unterkategorie Freie Informationsverbreitung tauchen bis dahin noch gar nicht auf. Dies lässt insgesamt auf eine Stärkung der Normen zu freiem Informationsfluss schließen. Besonders das Informationszugangsgesetz sowie das Urheberschutzgesetz haben das Thema (und die Anzahl der Kodierungen) groß gemacht. Etwa ein Viertel der Kodierung in der Norm Informationszugang geht auf das Gesetz über den Informationszugang zurück, ebenfalls ein Viertel in der Norm Informationsverbreitung auf das Urheberschutzgesetz. Allerdings verdankt die Kategorie ihre inhaltliche Ausdifferenzierung in erster Linie den Änderungen des PPL von 2007,7 den HMC-Texten und dem Kodex von AmmanNet. Aus dieser Tatsache lässt sich schließen, dass die Garantie des freien Informationsflusses durch die Einbindung feldinterner Akteure facettenreicher geworden ist. Die Einführung der Kategorie Freier Informationsfluss stammt jedoch auch aus königlichen Transformationsversuchen unter König Abdallahs II., sodass hier von einer Kongruenz der Interessen feldinterner und Regime-Akteure ausgegangen werden kann. Allerdings zeigt sich auch, dass nur in Ausnahmefällen weitreichende und uneingeschränkte Garantien des Informationsflusses gegeben werden. So garantieren das Gesetz zur audio-visuellen Kommunikation und das zur Telekommunikation zwar den Zugang zu Verbreitungstechniken, doch die Bedingungen, die daran geknüpft sind, beschränken ihn zugleich. Das Urheberschutzgesetz fordert als Normalfall die Beschränkung der Informationsverbreitung und fügt hierfür dann Ausnahmen hinzu. Auch mit Blick auf das Geheimdokumente-Gesetze von 1971 scheinen sich – wie noch zu zeigen ist – Konfliktlinien aufzutun. Generell lässt sich

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Auch das PPL nahm die Normen zum freien Informationsfluss erst in der Version von 2007 auf.

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feststellen, dass die Garantie des Informationszugangs in den meisten Texten weniger eingeschränkt gewährleistet wird als die Verbreitung von Information. Dennoch zeigt sich an den Normen der Kategorie Freier Informationsfluss, dass eine Veränderung im normativen Referenzrahmen stattgefunden hat, die zum Teil als Ergänzung zum Teil aber auch als Konfliktpotential anzusehen ist. Garantie für Unabhängigkeit Während sich die beiden vorangehenden Kategorien auf die Freiheit in Äußerung und Verbreitung von Informationen bezogen, stellt die Kategorie Garantie für Unabhängigkeit die Freiheit journalistischen Arbeitens in den Vordergrund. Dabei werden vier Sphären möglicher Beeinflussung unterschieden: ökonomische, politische, medieninterne und ausländische Einflussnahmen. Eine Abwehr dieser Einflüsse ist die Hauptforderung der Kategorie Unabhängigkeit. Darüber hinaus steht die Verpflichtung zu unabhängiger Berichterstattung im Vordergrund. Charakteristisch für die Normen des SCHUTZES VOR ÖKONOMISCHER EINFLUSSNAHME ist die Selektivität, mit der die Texte sie erwähnen. Keiner zeichnet ein umfassendes Bild verschiedener Schutzmaßnahmen. In der Betrachtung aller Texte zeigen sich jedoch zahlreiche Facetten: Die Formulierung im JPA-Gesetz, dass Journalisten nicht als Repräsentanten von Unternehmen arbeiten dürfen, impliziert den Schutz vor ökonomischer Einflussnahme. Der Interessenskonflikt, über das eigene Unternehmen positiv zu berichten oder den »eigenen« Informationen Vorrang zu gewähren, soll damit unterbunden werden. Es ist jedoch zu bemerken, dass hier lediglich auf eine Form der ökonomischen Interessenskonflikte hingewiesen wird, nämlich die gleichzeitige Arbeit als Journalist und Öffentlichkeitsarbeiter. Auf andere unabhängigkeitsbedrohende Konstellationen etwa dem Berichten über Unternehmen, die im eigenen oder familiären Besitz sind, wird nicht eingegangen.8 Das PPL wiederum legt Wert auf einen anderen Aspekt ökonomischer Unabhängigkeit von Journalisten: Chefredakteuren, Medieneignern, Managern und Journalisten verbietet das Gesetz in §40 jegliche Art von finanzieller Unterstützung durch jordanische oder ausländische Akteure neben dem Gehalt. Eine finanzielle Unterstützung durch den Berufsverband ist darin jedoch nicht enthalten, denn der verpflichtet sich in seinem JPA-Gesetz, für die finanzielle Absicherung seiner Mitglieder zu sorgen. Diese Verpflichtung trägt zwar teilweise dazu bei, ökonomische Ein-

8

Der Ethikkodex der staatlichen Nachrichtenagentur Petra, der aus den genannten Gründen nicht in die Analyse eingegangen ist, nimmt diesen Aspekt auf: »Es soll vermieden werden, über Aktien und Rentenpapiere zu schreiben, die bekannt dafür sind, dass die Journalisten oder direkte Verwandte davon profitieren würden« (Petra-C, §5f). Außerdem fordert er allgemein dazu auf, Informationen, für die ein Gewinn erzielt wurde, nicht zu publizieren.

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flüsse nicht überhand gewinnen zu lassen. (Angesichts der geringen Löhne und Renten ist diese Absicherung immerhin ein kleiner Schutz für eine ausgewählte Gruppe von Journalisten.) Allerdings bringt diese finanzielle Unterstützung Journalisten in ein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem Verband und trägt damit eher zu einer weiteren Abhängigkeit, denn zu einer Unabhängigkeit bei. Diese wird noch dadurch unterstrichen, dass der JPA-Kodex Geschenke und Dienstleistungen als Gegenleistung zulässt, aber nur unter der Bedingung, dass der Verbandsvorstand dem zustimmt. Damit schwingt sich der Journalistenverband zur wichtigen Entscheidungsinstanz auf, die über die Unabhängigkeit der Journalisten wacht und unterminiert zugleich durch die einseitige Betrachtung des Abhängigkeitsschutzes teilweise die Idee der Freiheitsgarantie. Ein weiterer wichtiger Aspekt zum Schutz vor ökonomischer Abhängigkeit ist der Umgang mit Geschenken, Dienstleistungen oder Geldwerten. Die Texte betonen hier unterschiedliche Formen: AmmanNet ruft Journalisten sehr grundsätzlich dazu auf, darauf zu verzichten, persönlichen Nutzen aus ihrem Beruf zu ziehen. Im Rahmen der Verpflichtung der Journalisten auf den Ethikkodex in §7e fordert das Presse- und Publikationsgesetz Journalisten dazu auf, auf den »Verdienst aus Anzeigen zu verzichten«. Hierdurch soll ein Interessenskonflikt verhindert werden, der beispielsweise das Platzieren von Anzeigen oder die Tendenz der Berichterstattung beeinflusst. Hier werden vor allem Journalisten angesprochen, obwohl sie in der Regel nicht direkt mit dem Anzeigengeschäft in Verbindung stehen. Der Hohe Medienrat hingegen fordert in seinem Kodex nicht den Verzicht auf Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft auf Organisationsebene, aber deren Kennzeichnung. Der Kodex tendiert in diesem Aspekt deshalb mehr zu einem Transparenzgebot als Mittel der Unabhängigkeitswahrung. Der CDFJ-Kodex geht auf den konkreten Kontext der Wahlberichterstattung ein und fordert von den Journalisten, sich nicht einladen zu lassen, die Wahlkampfzentren und -veranstaltungen nur zu professionellen Anlässen zu besuchen und keine Geschenke von Kandidaten anzunehmen. Als einziger Text sieht das Gesetz zur Telekommunikation den Schutz der Freiheit in der Notwendigkeit zur Regulierung. Durch die Aufsicht der TRC-Behörde soll verhindert werden, dass Monopolstellungen entstehen, die wiederum die Unabhängigkeit der Medien gefährden würden. Die Behörde sieht deshalb ihre Aufgabe darin, alle Praktiken der Lizenznehmer auf deren Wettbewerbsgebaren zu prüfen (TC-L §6e). In einer Wirtschaftsbranche wie den Medien, in der in autoritären Regimen Monopole eher durch den Staat denn durch die Wirtschaft entstehen, kann diese Regelung zum angeblichen Schutz vor ökonomischer Abhängigkeit zu einem mehr an politischer Abhängigkeit führen. Bemerkenswert ist die relativ geringe Beachtung des SCHUTZES VOR POLITISCHER EINFLUSSNAHME. Sowohl im JPA-Gesetz als auch im JPA-Kodex wird der Aspekt der politischen Beeinflussung komplett außen vorgelassen. Es kann zu Interessenskonflikten kommen, wenn ein Journalist beispielsweise gleichzeitig partei-

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politisch aktiv ist oder für öffentliche Institutionen arbeitet. Das JPA-Gesetz, das genau solche Konflikte eigentlich im Auge behalten sollte, da es auf die konkrete Arbeitssituation von Journalisten zugeschnitten ist, schweigt an diesem Punkt. Abgesehen von einigen sehr generellen Formulierung, die die nicht weiter spezifizierte Einflussnahme auf die journalistische Arbeit verbieten (s. PPL §8e; JPA-C §2d; JPA-L §42f), findet das Thema keine Beachtung. Eine Ausnahme bildet der AmmanNet-Kodex, der in mehreren Abschnitten auf die politische Unabhängigkeit eingeht. Erstens sollen Journalisten sich nicht an Aktivitäten beteiligen, die ihre »Aufrichtigkeit und Unabhängigkeit beeinflussen könnten« (AmmanNet §IVb(3)) und zweitens wird mehrfach dazu aufgerufen, Widerstand gegen politische Einflussnahmen von verschiedenen Seiten zu leisten. Bemerkenswert ist noch eine Textstelle im JPA-Gesetz, das die Mitgliedschaft in zwei Verbänden, d.h. Berufsverbänden verbietet. Was damit genau für die Unabhängigkeit der Journalisten bezweckt werden soll, bleibt unklar. Möglicherweise zielt diese Forderung auf eine politische (oppositionelle) Enthaltsamkeit der Journalisten in anderen jordanischen Berufsverbänden eine Rolle. Denkbar wäre auch die Absicht, direkte Konkurrenzorganisationen zu verhindern.9 Der SCHUTZ VOR AUSLÄNDISCHER EINFLUSSNAHME ist eine marginale Interpretation, die lediglich vom PPL verfolgt wird und als Relikt aus einer anderen Zeit interpretiert werden kann. In §9c verpflichten sich die Journalisten explizit darauf, dass sie sich in keinem Arbeitsverhältnis zu einem ausländischen Arbeitgeber befinden. Dieser Passus zielt vermutlich auf feindliche Einflussnahme durch ausländische Geheimdienstmitarbeiter. Er bringt eine über Jahre zur Tradition gewordene Angst des jordanischen Journalismus zum Ausdruck, der bis in die 1950er Jahre,

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Allerdings scheint der Aspekt Schutz vor politischer Einflussnahme als Freiheitsgarantie an Bedeutung zu gewinnen, denn schließlich erließ die Regierung im Jahr 2009 den Media/Gov-Kodex mit dem Ziel, die Unabhängigkeit der Medien zu stärken. »Jegliche einschüchternde Praxis« soll danach verhindert werden, was politische Einflussnahmeversuche inkludiert. Zudem sollen Journalisten keine Jobs mehr in Behörden annehmen, während sie gleichzeitig für Medien arbeiten: »Die Regierung verpflichtet sich, keine Journalisten oder irgendeine andere in den Medien beschäftigte Person in eine Regierungsbehörde oder die offizielle, öffentliche oder lokale Verwaltung zu berufen. Dies geschieht zur Wahrung der Unabhängigkeit der Medien, so dass sie ihre Rolle ohne Interessenskonflikte verrichten können. Vollzeitbeschäftigung soll Voraussetzung werden für eine Ernennung in Regierungsbehörden, Institutionen oder der lokalen Verwaltung.« In der Realität stellt sich das als schwierig dar, denn das Einkommen von vielen Journalisten ist so gering, dass sie sich ein Zubrot verdienen müssen. Die Jobs ohne Alternative zu streichen, erhöht möglicherweise die politische Unabhängigkeit, verringert aber die ökonomische.

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die Rivalität zu Ägypten, aber auch die kalten Kriegszeiten zurückgeht. Ferner zielt der Paragraph besonders auf israelische Spionageversuche ab und kann in jüngster Zeit auch als Abwehr gegen feindlich gesinnte arabische oder westliche Einflussnahme gesehen werden. Gleichzeitig ist es aber nicht unüblich, dass jordanische Journalisten gleichzeitig für ein jordanisches und ein ausländisches Medienunternehmen beispielsweise als Korrespondenten arbeiten. Auf die Ebene der Chefredakteure, Manager, Kolumnisten und Eigner beziehen sich noch zwei weitere Regeln des PPL, §20 und §41. Sie verbieten jeweils die Entgegennahme von finanzieller Unterstützung aus dem Ausland (PP-L §20) oder die finanzielle Unterstützung in Form von Fördergeldern oder Spenden durch jordanische oder ausländische Organisationen. Dieses Verbot von finanzieller Unterstützung ist einerseits eine Vorkehrung gegen externe Einflussnahme. Andererseits stellt dieser Paragraph in der Praxis für viele Medienunternehmen ein großes Problem dar, weil die privat erwirtschafteten Mittel für die Unternehmen oftmals nicht ausreichen, eine Zeitung oder Zeitschrift tatsächlich finanziell tragfähig zu machen. In erster Linie geht es in diesem Paragraphen wohl darum, ausländische Unterstützer in Form von westlichen NROs, religiösen Spenden oder arabischen Investoren klein zu halten. Den Geldhahn von außen zuzudrehen ist auch als Möglichkeit zu interpretieren, dem jordanischen Regime die Einflussnahme zu sichern und muss aus diesem Grund gleichzeitig als mögliches Mittel zur Etablierung von Abhängigkeiten betrachtet werden. Als wenig bedeutsam muss der SCHUTZ VOR MEDIENINTERNER EINFLUSSNAHME betrachtet werden. Lediglich der Kodex von AmmanNet stellt sie an drei Stellen in den Fokus als Schutz vor dem Versuch von Kollegen und/oder Medieneignern, Einfluss auf die eigene Berichterstattung zu nehmen. Zum einen sollen sich Journalisten dem Druck von Kollegen widersetzen, zum anderen die Beeinflussung der redaktionellen Arbeit durch den Inhaber des Unternehmens oder den Vorgesetzten ablehnen. Der HMC- und der CDFJ-Kodex bringen neue Impulse mit Normen zur VERPFLICHTUNG ZU UNABHÄNGIGER BERICHTERSTATTUNG. Journalisten sollten sich in ihrer Arbeit frei von politischen Überzeugungen oder Ämtern machen. Es wird kein Verzicht von politischer Aktivität gefordert, sondern eine Rollentrennung der Journalisten zwischen ihrer journalistischen und ihrer aktivistischen Rolle. Unabhängigkeit, interpretiert als Verpflichtung zu unabhängiger Berichterstattung, überschneidet sich in vielen Fällen mit Normen innerhalb der Protonorm Wahrheit. So wird in einigen Fällen die Unterscheidung von externem und redaktionellem Material gefordert. Der HMC-Kodex erwähnt Unabhängigkeit im Kontext von Darstellung verschiedener Meinungen und der CDFJ-Kodex stellt sie in Zusammenhang mit der Vermeidung persönlicher Vorlieben bei der Darstellung von Meinungen. Der AmmanNet-Kodex erwähnt als einziger Text neutrale Berichterstattung als Mittel zur Abgrenzung von äußerer Beeinflussung. Ein Aspekt, der bis 2007 keine derartige Erwähnung erfuhr, ist die Warnung vor einer konkreten Methode der Öf-

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fentlichkeitsarbeit, nämlich das zeitlich gezielte Lancieren von Informationen. Der CDFJ-Kodex verweist beispielhaft für den Wahlkampf auf Umfragen, die von bestimmten Gruppen zu gezielten Zeitpunkten an die Medien gegeben werden und fordert deshalb von Journalisten einen vorsichtigen Umgang mit solchen Materialien. Die Garantie von Unabhängigkeit ist eine Kategorie, die erstmals mit dem JPAGesetz von 1998 auftaucht, wenn auch noch sehr verhalten und nur mit den beiden Unterkategorien Schutz vor ökonomischer Einflussnahme und Schutz vor politischer Einflussnahme. Besonders nach 1999 zeigt sich nicht nur ein starker Anstieg von Normierung (5 Kodierungen bis 1999, 45 in 2007), sondern auch eine inhaltliche Ausdifferenzierung der Kategorie. Die Aspekte »medieninterne Unabhängigkeit« und »Verpflichtung zu unabhängiger Berichterstattung« fanden bis zur Einführung der ersten Kodizes keine Erwähnung. Der Schutz vor ausländischer Einflussnahme wird hier zwar auch unter den Normen nach 1999 gefasst, er bestand jedoch bereits in früheren Versionen des PPL und kann deshalb nicht als tatsächliche Neuerung gewertet werden. Im Gegenteil, er ist eher als eine Auslaufregel zu betrachten, da er von keinem weiteren Text aufgegriffen oder ausdifferenziert wird. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass die Garantie der Unabhängigkeit in keinem Text eine umfassende und systematische Behandlung erfährt, obwohl sie relativ häufig genannt wird. Der Schutz vor ökonomischen Einflüssen erlangt die höchste Beachtung. Vor allem die Gefahr ökonomischer Beeinflussungen auf der Ebene einzelner Journalisten in persönlichen Vorteilsnahmen steht im Vordergrund. Die Ebene der Redaktion beispielsweise als Schutz vor Beeinflussung durch Anzeigenkunden findet nirgendwo Erwähnung. Die Vernachlässigung der Ebene der Medienorganisation zeigt sich auch in der geringen Erwähnung und Ausdifferenzierung medieninterner Einflüsse. Lediglich AmmanNet thematisiert diesen Bereich. Die Forderung nach politischer Unabhängigkeit wird selten berührt und nur explizit in den Kodizes genannt. Insgesamt gehen die Normen in der Kategorie Garantie der Unabhängigkeit bis auf wenige (13 von 45) auf die Kodifizierung in Ethikkodizes zurück. Bis auf eine Ausnahme (TC-L) finden Normen zur Unabhängigkeit nur in Texten Eingang, an deren Formulierung auch feldinterne Akteure beteiligt waren. Es lässt sich also auch hier schließen, dass ihre Einbindung in den Normensetzungsprozess eine Wirkung gezeigt hat, auch bei den Transformationsversuchen, die vom Regime kontrolliert wurden. Jedoch muss zugleich hinterfragt werden, ob die inhaltliche Fokussierung auf den Schutz vor ökonomischen Abhängigkeiten, nicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ablenkt. Sowohl politische als auch medieninterne Abhängigkeit wird häufig als Problem des Journalismus in Jordanien identifiziert und kann durch eine Überbetonung der ökonomischen Unabhängigkeit sogar verstärkt werden.

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1.2 Freiheitsbeschränkung: Garantiert beschränkt? Die einzige inhaltliche Ausdifferenzierung der Subkategorie Freiheitsbeschränkung betrifft die Zunahme von Normen, die Bedingungen an die Freiheitsgarantie formulieren, die vor 1989 noch gar nicht kodifiziert waren. Unverändert bleibt die dominante Position der Normen zur Kontrolle des Informationsflusses über alle Jahre hinweg. Ob mit diesen Tendenzen der Status-Quo fortgeschrieben wird oder ob sich innerhalb der Oberkategorien Regelbindung, Kontrolle des Informationsflusses und Bedingungen der Freiheitsgarantie Veränderungen zeigen, werde ich im Folgenden beschreiben. Bedingungen der Freiheitsgarantie Unter der Oberkategorie Bedingungen der Freiheitsgarantie werden all jene Normen gefasst, die zwar eine Freiheit garantieren, sie im gleichen Passus aber auch wieder einschränken. Darunter lassen sich die Unterkategorien Gesetzesvorbehalt, Produktionsbedingungen, Bedingungen der Berufsausübung und Bedingungen des Informationszugangs fassen. Wie bereits in der Theorie angeklungen, gibt es überall in der Welt Gesetze, die Kommunikationsfreiheiten unter dem sogenannten GESETZESVORBEHALT gewähren. In fast allen untersuchten Gesetzestexten (Const., JPA-L, HMC-L, JPA-L, AtIL, TC-L) finden sich deshalb Verweise auf andere Gesetze, die die Bedingungen der Freiheitsgarantie näher bestimmen. Hinzu kommen Vorbehalte durch Regularien wie Lizenzverträge (AV-L02 §20c) oder andere Anweisungen (AtI-L §4b). Ethikkodizes referieren in keinem Fall auf andere Texte, um Freiheiten zu begrenzen. Die Gesetzestexte zu audio-visuellen Medien (AV-L 02 und AV-L 03), zur Telekommunikation (TC-L) und zu Presse- und Printprodukten (PPL) sind maßgeblich daran beteiligt, BEDINGUNGEN FÜR DIE PRODUKTION zu formulieren. Für den Rundfunksektor wird vor allem die Lizenzierung für verschiedene Dinge gefordert: eine generelle Rundfunklizenz (Erstlizenz, Verlängerungslizenz, Erweiterungslizenz) (AV-L), eine Frequenzlizenz (TC-L) und eine Lizenz für technisches Equipment (AV-L). Das Gesetz zu audio-visuellen Medien verbietet ausdrücklich die journalistische Arbeit ohne eine dieser Lizenzen (AV-L02 §15). Diese Lizenzbedingungen, die zunächst nur für Medienorganisation relevant erscheinen, berühren jedoch jeden einzelnen Journalisten. So muss technisches Equipment vor der Verwendung lizenziert sein (AV-L02 §4) und für Aufnahmen und deren Verbreitung wird ebenfalls eine Zulassung gefordert (AV-L02 §8f). BEDINGUNGEN FÜR DIE BERUFSAUSÜBUNG als Journalist oder Chefredakteur werden ausschließlich über Gesetze formuliert: Die grundlegendste Einschränkung der freien Berufsausübung für Journalisten beschreibt das Presse- und Publikations-

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gesetz in §5, der jedem das Praktizieren von Journalismus verbietet, der kein Journalist ist. Davon ausgenommen sind lediglich Kolumnisten. Mit der Definition, dass Journalisten diejenigen sind, die Mitglieder des Journalistenverbandes sind (PP-L §2e), obliegt die Entscheidung über einen freien Zugang zum Beruf dem Berufsverband. Der zählt in seinem JPA-Gesetz und im Pressegesetz zahlreiche Bedingungen auf, die ein Mitglied erfüllen muss. So sind gewisse berufliche Qualifikationen Voraussetzung für die Akzeptanz als Mitglied im JPA (JPA-L §5d) und damit theoretisch auch für die Ausübung des Berufs insgesamt. Zusätzlich fordert der Journalistenverband die jordanische Staatsbürgerschaft, ein tadelloses Verhalten, d.h. keine Gesetzesverstöße oder Verbrechen und die volle Rechtsfähigkeit als Voraussetzung für einen Eintritt in den Journalistenverband (JPA-L §§5a-c). Auch der Eid vor dem Minister und dem Vorsitzenden des Verbandes, loyal zum Land und dem König zu stehen, professionell zu arbeiten und die professionsbezogenen Gesetze zu achten, gehört zu den Bedingungen der Aufnahme im JPA (JPA-L §§12a-c). Das JPAGesetz verlangt zudem als Aufnahmekriterium in den Verband eine Vollzeitbeschäftigung. Darüber hinaus verbietet das PPL die Beschäftigung bei ausländischen Medien, wenn der Journalist für diese Medien nicht akkreditiert ist (PP-L §9c). Weiterhin verbietet das JPA-Gesetz in §42a Journalisten, für andere Unternehmen zu arbeiten und die Mitgliedschaft in mehreren Verbänden zu erlangen. Das JPAGesetz besagt sogar, dass nach einem Disziplinarverfahren durch den Verband ein temporäres Berufsverbot verhängt werden kann (JPA-L §48c). Wer dies nicht akzeptiert, muss mit Geldstrafen rechnen (JPA-L §51). Wer einmal von dem Disziplinarrat verurteilt wurde, darf kein Chefredakteur mehr werden, was eine von zahlreichen Bedingungen für die Besetzung einer Chefredakteursposition darstellt. Neben JPA- und Pressegesetz macht das Gesetz zu audio-visuellen Medien Vorgaben für die Ausübung eines leitenden Geschäftsführers. Da in Jordanien in kleinen Medienunternehmen die Aufgaben des Chefredakteurs identisch mit denen des Geschäftsführers sind, betreffen diese Vorgaben auch die journalistische Praxis. Auch müssen für einen Chefredakteursposten gute Sprachkenntnisse, eine »besondere Qualifikation« für den Posten und ein einwandfreies Führungszeugnis vorgewiesen werden (AV-L02 §7). Mit Ausnahme der Kodizes, die Informationszugang garantieren, stellen alle Texte auch BEDINGUNGEN AN DIE GARANTIE DES FREIEN INFORMATIONSZUGANGS. Die liberal anmutende Freiheit des Informationszugangs, garantiert vor allem durch das Informationszugangsgesetz, wird durch einige Normen eingeschränkt. So spielt einerseits die Journalisten-Definition des JPA eine Rolle: Nur im JPA registrierte Journalisten erhalten einen Presseausweis (JPA-L §18b) und somit Zugang zu vielen offiziellen Informationsveranstaltungen. Diese Regelung wird in der Praxis zwar nicht stringent durchgehalten, spielt jedoch eine Rolle, wenn es um die Teilnahme an offiziellen Presseveranstaltungen geht, zu denen oft nur die registrierten Journalisten eingeladen werden. Gleichzeitig grenzt das Informationszugangsgesetz

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selbst den freien Informationszugang ein, indem es die Garantie an die Intention der Informationsanfrage knüpft: »Jeder Jordanier hat das Recht auf den Zugang zu Informationen […] wenn sie [die Informationen] von berechtigtem Interesse sind oder die Anfrage aus einem berechtigten Grund erfolgt.« (AtI-L §7, Hervorhebung J.P.) Mit der vagen Formulierung eines berechtigten Interesses wird die Garantie einer willkürlichen Auslegung unterworfen. An anderer Stelle grenzt das Gesetz die Anfrageintention deutlich ein, indem es nicht gestattet ist, Informationen zu erbitten, die »den Charakter einer religiösen, rassischen, oder ethnischen Diskriminierung oder einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der Hautfarbe haben« (AtI-L §10). Einschränkend auf den freien Informationszugang wirkt zudem die Berücksichtigung eingestufter Informationen, vor allem kodifiziert im Geheimdokumente-Gesetz. Da dieses jedoch keine Freiheiten garantiert, sondern lediglich Einschränkungen formuliert, wird es unter der Protonorm Verantwortung diskutiert. Während im Jahr 1989 nur eine einzige Norm Bedingungen der Freiheitsgarantie formuliert, haben Normen hierzu seit Einführung des JPA-Gesetzes und in den Jahren nach 1999 stark zugenommen. Dies ist nicht verwunderlich angesichts der Tatsache, dass das Thema Garantie des freien Informationsflusses erst nach 1999 an Bedeutung gewonnen hat. Erst das Informationszugangsgesetz und die parallel dazu eingeführten Paragraphen im PPL von 2007 haben die Notwendigkeit geschaffen, die garantierten Freiheiten näher zu definieren. Das JPA-Gesetz benennt die meisten und facettenreichsten Bedingungen an die Freiheitsgarantie, 25 von 56 kodierten Normen. Der Journalistenverband ist somit der einzige Feldakteur, der solche Bedingungen stellt und etabliert sich als Wächter des Berufsstandes und besonders des Berufszugangs. Für die Frage nach einem Wandel in der Oberkategorie muss differenziert werden zwischen Bedingungen, die an einzelne Journalisten und denen, die an die Medienorganisation gestellt werden. Während bei ersteren seit 1989 vor allem durch das JPA-Gesetz eine deutliche Ausweitung der Bedingungen eingetreten ist, ist dies für die Ebene der Medienorganisation nur teilweise zutreffend. Wie Najjar (2001) bereits ausgeführt hat, haben sich besonders die Produktions- und Lizenzbedingungen im Printwesen wesentlich reduziert. Die Analyse des PPL von 2007 weist deutlich weniger Kodierungen für die Produktionsbedingungen auf, als dies das PPL von 1993 oder 1997 tat. Stattdessen haben die auf Rundfunkmedien bezogenen Gesetzestexte maßgeblich durch Formulierung von Lizenz- und Produktionsbedingungen dazu beigetragen, Freiheit beschränkende Normen zu stärken. Im Jahr 2007 unterscheiden sich folglich die Normen im Printsektor deutlich von denen im Rundfunksektor. Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass vor 1999 eine Garantie des freien Informationsflusses mit Hilfe des Rundfunks gar nicht vorgesehen war. Bemerkenswert ist auch, dass die Kategorie Bedingungen der Freiheit mit keiner einzigen Norm aus einem Ethikkodex vertreten ist – auch nicht bei denen, die einem Regime-kontrollierten Transformationsversuch zuzuordnen sind.

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Androhung von Kontrolle und Sanktionierung Die Kontrolle des Informationsflusses wird über verschiedene Normen gefordert: Zum einen lassen sich inhaltliche Vorgaben und Restriktionen finden durch Urheberschutz-Beschränkungen, durch die Klassifizierung von Informationen und durch explizite inhaltliche Beschränkungen. Daneben existieren Regeln, die verschiedene direkte und indirekte Kontrollmöglichkeiten dieser inhaltlichen Vorgaben über Vorzensur, Sanktionierung, finanzielle Bestimmungen, Lizenzbestimmungen und Bevorzugungen bestimmen. Die BESCHRÄNKUNGEN DES INFORMATIONSFLUSSES DURCH URHEBERSCHUTZBESTIMMUNGEN stammen fast ausschließlich aus dem Urheberschutzgesetz. Lediglich das PPL in §36, das Gesetz zu audio-visuellen Medien von 2002 und der Kodex des Hohen Medienrats in §III(6) verweisen jeweils ein Mal auf die Bestimmungen im Gesetz zum Urheberschutz. Urheberrechtsbestimmungen stellen für Journalisten sowohl eine Garantie (nämlich in ihrer Rolle als Urheber) als auch eine Beschränkung (in ihrer Rolle als Informationsverbreiter) dar. An dieser Stelle ist lediglich die Perspektive des Verbreiters von Bedeutung. Ein Großteil der Regeln in dieser Kategorie befasst sich entweder mit der Definition der unter den Urheberschutz fallenden Werke (CopyR-L §3) und Besitzer (Autor, Nachfahren etc.) oder auf die Zeiträume, auf die sich dieser Schutz jeweils bezieht (z.B. CopyR-L §31, §32, §23(4)). Da die Bestimmungen auf jeden Urheber eines – wie auch immer gearteten – geistigen oder künstlerischen Werkes zutreffen, stellen die hier genannten Normen des Gesetzes eine Beschränkung des Informationsflusses dar. Dies trifft auch auf zwei Bestimmungen zu, die sich explizit auf das Recht des Urhebers von Veröffentlichungen beziehen. In §25 des Urheberschutzgesetzes wird bestimmt, dass Bilder nur mit Einverständnis der auf ihnen Abgebildeten publiziert werden dürfen, es sei denn, sie sind Teil einer öffentlichen Szene oder bilden offizielle oder berühmte Personen ab. Zudem dürfen Bilder nicht die Ehre, den Ruf oder den sozialen Status der dargestellten Person verletzen. Darüber hinaus erhalten im Gesetz zum Urheberschutz in §18, §23(2) und §23(3) Journalisten (Zeitungs- und Rundfunkproduzenten) selbst das Recht, die Verbreitung ihrer Werke zu unterbinden. In einem solchen Fall beschränken die Vorgaben den Informationsfluss für die Kollegen. Die Regeln zur KLASSIFIZIERUNG VON INFORMATIONEN sind ausschließlich im Geheimdokumente-Gesetz kodifiziert. Die Paragraphen §3, §6, §8 und §10 geben Auskunft darüber, wann Informationen als »strikt geheim«, »geheim«, »beschränkt« und »normal« einzustufen sind. Die inhaltlichen Bereiche erstrecken sich hierbei vor allem auf Fragen der inneren und äußeren Sicherheit Jordaniens, aber auch auf die von befreundeten Staaten. So beinhalten »strikt geheime« Dokumente zum Beispiel Informationen, die Pläne und Details von militärischen Operationen, der öffentlichen Sicherheit oder der Geheimdienste enthalten (SecrDoc-L §3b). Unter die Klassifizierung »geheim« fallen unter anderem Informationen, die »Informationen über die Waffen und Streitkräfte von befreundeten arabischen Staaten«

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preisgeben (SecrDoc-L §6d). Zu den beschränkten Informationen gehören solche »deren Preisgabe an nicht autorisierte Personen zur Folge haben könnte, dass die Interessen des Staates Schaden nehmen könnten oder er [der Staat] bloß gestellt würde« (SecrDoc-L §8a). Dem Geheimdokumente-Gesetz zufolge sind nicht einmal die »normalen« Informationen frei zugänglich, denn sie dürfen nicht an »nichtbetroffene Personen« weitergegeben werden, wenn sie nicht ausdrücklich zur Veröffentlichung freigegeben sind (SecrDoc-L §10). Das Geheimdokumente-Gesetz steht hiermit in direktem Widerspruch zu den Normen im Informationszugangsgesetz oder anderswo formulierten Normen des freien Informationszugangs. Explizite INHALTLICHE KONTROLLANDROHUNG wird in verschiedenen Texten aufgeführt und lässt sich untergliedern in Veröffentlichungsverbote und Verpflichtung zur Veröffentlichung bestimmter Informationen. Zu den Verboten gehört laut Gesetz zu audio-visuellen Medien (AV-L §21a) die Veröffentlichung von Informationen, die nicht durch die Lizenzen gedeckt sind. Das heißt im Falle von Rundfunkmedien, die Veröffentlichung politischer Inhalte bei einer Lizenz ohne Zulassung von politischen Inhalten. Wesentlich expliziter sind die inhaltlichen Verbote, die im PPL und im Strafgesetz vorgegeben sind. Da sich die Verbote thematisch überschneiden, können sie unter den folgenden Themen zusammengefasst werden: • Imageschädigung und Beleidigung von politischen Institutionen und nationalen • • • • • •

Symbolen Imageschädigung und Beleidigung des Königs und seiner Familie Gefährdung der nationalen (territorialen) Einheit Gefährdung des innergesellschaftlichen Friedens und der Beziehung zu anderen Staaten Beleidigung der Religionen und ihrer Gründer Gefährdung der nationalen Wirtschaft und Währung Beleidigung, Verunglimpfung oder Herabwürdigung anderer Menschen

Je nachdem, in welchem Text diese thematischen Verbote auftauchen, können unterschiedliche Strafen zur Anwendung kommen. Die Berichterstattung über Gerichtsverhandlungen ist zwar nicht verboten, der freie Informationsfluss wird aber dadurch kontrolliert, dass bestimmte Informationen nur nach Bestätigung der Justiz veröffentlicht werden dürfen (PP-L §39a). Schließlich gibt es noch einige Normen, die die Veröffentlichung bestimmter Informationen für verpflichtend erklären. So etwa fordert das PPL, dass auf Anordnung der Richter ein Urteil, das aufgrund des PPL gegen eine Publikation erging, in dieser Zeitung veröffentlich werden muss (PP-L §45). Der HMC-Kodex verpflichtet die Akteure der Rundfunkmedien dazu, kostenlose Sendezeitung für »die Ausstrahlung spezieller Botschaften zur gesellschaftlichen Aufklärung und speziellen Anweisungen zum öffentlichen Frieden« bereitzustellen (HMC-C §III(4)).

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Die Mechanismen zur Kontrolle dieser inhaltlichen Vorgaben erfolgt auf verschiedenen Wegen. Die stärksten und explizitesten Kontrollen sind die Androhungen von Strafen bei Nichtbefolgung der inhaltlichen Vorgaben sowie die Vorzensur. Darüber hinaus kommen finanzielle Kontrollen, Kontrollen zur Einhaltung von Lizenzbestimmungen sowie die Bevorzugung bestimmter Akteure zum Tragen. Für den Journalismus besonders relevante VORZENSURBESTIMMUNGEN finden auf direktem Wege nur noch für audio-visuelle »Aufzeichnungen«10 statt. Die Verbreitung solcher Aufzeichnungen darf nur nach vorangehender Genehmigung und Lizenzierung durch die Audio-visuelle Medienkommission (AVC) erfolgen (AV-L02 §26, §27). Das heißt für die konkrete journalistische Praxis, dass beispielsweise ein Dokumentarfilm nur nach vorhergehender Genehmigung ausgestrahlt werden darf. Dies kann eine gravierende Einschränkung des Informationsflusses darstellen. In der Verfassung ist in §15(IV) für den Fall des Ausnahmezustandes eine begrenzte Zensur hinsichtlich Themen, die die öffentliche Sicherheit und die nationale Verteidigung betreffen, für alle Medien erlaubt. Darüber hinaus werden lediglich im PPL indirekte Vorzensuren formuliert. Zum einen sieht §30 vor, dass der Chefredakteur nur Beiträge veröffentlichen darf, von deren Autor er den richtigen Namen kennt. Zum anderen verpflichtet §36 Eigentümer und Manager von Druckereien dazu, dafür Sorge zu tragen, dass verbotene Publikationen nicht auf ihrer Presse gedruckt werden. Wenn sie dieser Anordnung nicht nachkommen machen sie sich strafbar. STRAFANDROHUNG BEI NICHTEINHALTUNG DER INHALTLICHEN VORGABEN erfolgen auf den zwei Ebenen des individuellen Journalisten und der Medienorganisation. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Arbeitseinschränkungen, Arbeitsverboten, Geldstrafen und Freiheitsentzug. Auch die Durchsuchung von Geschäftsräumen ist nach dem Gesetz zu audio-visuellen Medien von 2002 (AV-L02 §30) und dem Gesetz zur Telekommunikation (TV-L §59a) möglich, wenn sich die Medienunternehmen nicht an die inhaltlichen Bestimmungen, die in den Lizenzbedingungen niedergeschrieben sind, halten. Die Strafen bei Missachtung inhaltlicher Vorgaben im Gesetz zu audio-visuellen Medien umfassen sowohl den Lizenzentzug als auch Geldstrafen. Sowohl das Gesetz zu audio-visuellen Medien als auch das zur Telekommunikation erlauben die unangekündigte Inspektion und Durchsuchung der Räumlichkeiten und der Technik von Medienunternehmen. Das PPL in seiner Version von 2007 sieht im Gegensatz zu seiner Vorgängerversion keine Gefängnisstrafen mehr vor. Allerdings bestätigt es, dass inhaltliche Vergehen mit hohen Geldstrafen zu ahnden sind. So können Vergehen gegen das PPL §38 mit Geldstrafen bis zu 20.000 JD (ca. 22.000 EUR) bestraft werden. Unter diese Inhalte fallen vor allem

10 Das Gesetz zu audio-visuellen Medien definiert in §2 Aufzeichnungen als »jede Art von visuelle oder auditavie Elemente, aufgezeichnet auf jedweder Art von technische Mitteln wie Kasetten, Schalplatten, CDs, DVDs oder anderen.«

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Persönlichkeitsverletzungen und Respektlosigkeit gegenüber der Religion und Religionsgründern. Selbst Vergehen gegen den gesetzlich verankerten Ethikkodex des JPA können mit Geldstrafen bis zu 500 JD (ca. 550 EUR) geahndet werden (PP-L §47b). Das Strafgesetz formuliert in vielen Fällen eine Gefängnisstrafe für Nichteinhaltung inhaltlicher Vorgaben. So werden für die Verunglimpfung einer Religion oder eines Propheten Gefängnisstrafe zwischen einem und drei Jahren gefordert (Penal-L §273). FINANZIELLE KONTROLLANDROHUNGEN vonseiten des Staates sind eine der häufigsten Interventionen, um Zensur oder direktes Eingreifen in den Mediensektor zu verschleiern. Doch kann finanzielle Kontrolle auf verschiedene Weise auch direkt Einfluss auf die journalistische Arbeit nehmen. Nur bestimmte Einnahmequellen zur Vorbedingung für einen Lizenzerwerb zu machen, kann indirekt Auswirkungen auf die journalistische Arbeit haben. Wenn beispielsweise eine Medienorganisation in finanzieller Not ist und aus diesem Grund seinen Journalisten bestimmte Praktiken wie Reisen nicht erlauben kann, dann wenden sich die Vorgaben gegen die Freiheit der journalistischen Arbeit. Die Verfassung sieht vor, dass andere Gesetze die Finanzierung der Zeitungen regeln. Deshalb stellt das PPL ein klares Verbot von finanzieller Unterstützung von ausländischen Organisationen oder Personen auf (PP-L §20a). Das Pressegesetz verbietet auch den Akteuren der Medienorganisation die Annahme von finanziellen Hilfen, die im Zusammenhang mit der Medienorganisation stehen (§40) sowie das eigenständige Eintreiben von Werbemitteln (§7e). Die Tatsache allein, dass für eine Lizenz Geld gezahlt werden muss, stellt noch keine Einschränkung der journalistischen Praxis dar. Wenn die Summe der zu zahlenden Lizenzgebühr jedoch davon abhängig gemacht wird, welche Inhalte produziert werden, dann stellt dies eine Einschränkung des freien Informationsflusses dar. Sowohl das PPL als auch das Gesetz zu audio-visuellen Medien von 2002 verlangen außerdem von jedem Lizenznehmer ein jährliches Audit, dessen Einreichung und Rechtmäßigkeit an die Weiterführung der Lizenz gebunden ist. Auch die nichtfristgerechte Zahlung der Lizenzgebühren kann laut dem Gesetz zur Telekommunikation und dem zu audio-visuellen Medien von 2002 zum Lizenzentzug führen. Alle Texte, die Bedingungen an den Lizenzerwerb stellen und gleichzeitig die journalistische Praxis betreffen, können über finanzielle Bestimmungen zum Lizenzerwerb auch indirekt Einfluss auf die journalistische Arbeit haben. Wenn beispielsweise eine Medienorganisation aufgrund mangelnder Finanzen Geld aus dem Ausland beziehen würde, verlöre sie ihre Lizenz. Für Medienorganisationen, die nur eine Lizenz für nicht-politische Inhalte erworben haben, bedeutet dies eine Beschränkung der journalistischen Arbeit auf dem Wege der Lizenzbedingungen. Eine weitaus weniger weitreichende – wenn auch vor dem Hintergrund zahlreicher finanzieller Forderungen nicht zu vernachlässigende – Bestimmung, ist die Forderung von Geldmitteln für die Herausgabe von Informationen. So überträgt das Informationszugangsgesetz die Kosten von Kopien behördlicher Dokumente den an-

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tragstellenden Journalisten (AtI-L §18). Auch hier wird die Höhe der anfallenden Gebühren von der Regierung bestimmt, womit eine Unabhängigkeit und Angemessenheit politischer Willkür unterliegt. Neben finanziellen, existieren weitere KONTROLLANDROHUNGEN ZUR EINHALTUNG INHALTLICHER VORGABEN. Dazu gehören regelmäßige inhaltliche Kontrollen sowie die Begutachtung der Arbeitsräume (AV-L02 §4). Zu diesem Zweck sind die Lizenznehmer verpflichtet, ihre Arbeit für mindestens einen Monat zu archivieren und der Audio-visuellen Medienkommission jederzeit zur Verfügung zu stellen (AV-L02 §21c, §21d, §21g). Von der Kontrolle hängt schließlich ab, ob bestehende Lizenzen verlängert, erneuert oder verändert werden können. Die Telekommunikationsbehörde überwacht darüber hinaus die Einhaltung aller technischen Einrichtungen und hat ebenfalls das Recht, sich vor Ort davon zu überzeugen, dass nur das Equipment verwendet wird, das auch lizenziert wurde. Gleiches gilt für die Qualifikation des Personals in den Medienorganisationen (TC-L §37a(5)). Im PPL von 2007 werden die Eigentümer von Druckpressen dazu verpflichtet, von allen periodischen Druckerzeugnissen eine Kopie zu archivieren und bei Nachfrage der Presse- und Publikationsabteilung (DPP) vorzulegen (TC-L §34). Das Urheberschutzgesetz fordert in §42, dass Druckereien und Verlage alle sechs Monate eine Liste mit allen gedruckten Schriften an das »filing center«11 liefern, um Urheberrechtsbestimmungen überprüfen zu können. Als einziger Kodex fordert der HMC-Text die Mitarbeiter im Rundfunk dazu auf, sich an die Lizenzbedingungen zu halten und damit gleichzeitig an die mit ihnen verbundenen inhaltlichen, technischen und personellen Voraussetzungen (HMC-L §V(4)). Eine indirekte Bestimmung der Informationskontrolle ist die BEVORZUGUNG bestimmter Akteure im Feld. Darunter fallen zum einen die JPA-Mitglieder, die aufgrund ihrer Mitgliedschaft beim Informationszugang und bei anderen infrastrukturellen Ressourcen bevorzugt behandelt werden (JPA-L §17). Zum anderen erhält die Jordanische Radio- und Fernsehanstalt (JRTV) einen Vorteil daraus, dass im Gesetz zu audio-visuellen Medien verfügt wird, dass sie sich erstens nicht um eine neue Lizenz bewerben muss, ergo auch keine finanziellen Rücklagen vorweisen und keine Gebühren zahlen muss (AV-L02 §24b), zweitens muss sich JRTV keiner inhaltlichen Kontrollen durch die AVC unterziehen (AV-L02 §24a) und drittens bleiben alle Verträge und Konditionen, die bislang galten, auch nach Inkrafttreten des Gesetzes rechtmäßig (AV-L02 §24c). Dies beinhaltet für die Kontrolle des Informationsflusses vor allem eine bevorzugte Verbreitungsgarantie, z.B. in Form von Sonderregelungen für Reproduktionen.

11 Das »filing center« kann eine Sektion in der Nationalbibliothek oder jede vom Premierminister beauftragte offizielle Behörde sein (CopyR-L §2).

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Die Entwicklung in der Kategorie Androhung von Kontrolle des Informationsflusses lässt sich in zweierlei Hinsicht beschreiben: Zunächst sind Normen zur Beschränkungen des Informationsflusses fast ausnahmslos in Gesetzen kodifiziert. Dieses Ungleichgewicht spiegelt natürlich die unterschiedlichen Funktionen, Ziele und Sanktionsmöglichkeiten von Gesetzen und Kodizes wider. Gleichzeitig lässt sich auch feststellen, dass das Thema inhaltliche Vorgaben im journalistischen Feld nicht auf große Unterstützung hoffen kann. Lediglich der JPA-Kodex formuliert an einer Stelle inhaltliche Verbote. Der HMC-Kodex verweist einmal auf die Urheberschutz-Bedingungen und verpflichtet Journalisten zur Veröffentlichung von gesellschaftlichen Aufklärungsbeiträgen. Hier zeigt sich erstmals deutlich eine Diskrepanz zwischen den Interessen von Feldakteuren und Regime-Akteuren, die den hypothetisierten Typen von Transformationsversuchen nicht entspricht. Besonders die nach 1999 neu geschaffenen staatlichen Regulierungsinstitutionen sorgen für eine potentiell hohe Kontrolle der Normen und bestätigen damit die Annahme, dass die Einrichtung von Regulierungsbehörden vor allem eine Möglichkeit zur Repression darstellt. Dies verdeutlicht auch die große Zunahme der Kodierungen durch die nach 1999 verabschiedeten Gesetze. Auf Gesetzesebene spielt deshalb die Kontrolle des Informationsflusses immer noch eine sehr große Rolle. Insgesamt hat sich seit 1989 die Anzahl der Nennungen von Normen der Informationskontrolle mehr als verdoppelt (74 Kodierungen in 1989, 182 in 2007). Allerdings haben sich die verschiedenen Normen der Kategorie im Verlauf der letzten Jahre stark ausdifferenziert. Dabei sind zu Strafgesetz, Pressegesetz und Geheimdokumente-Gesetze vor allem durch das Urheberschutzgesetz und die Gesetze für audio-visuelle Medien neue Normen zur inhaltlichen Kontrolle gestoßen. Die Regelungen zum Rundfunk sind auch dafür verantwortlich, dass die Kontrollmechanismen deutlich in den Vordergrund gerückt sind. Selbst in den striktesten Versionen des Presserechts waren die Lizenzbedingungen nie so stark an inhaltliche Vorgaben gebunden wie dies durch das Gesetz zu audio-visuellen Medien geschieht. Auch der Aspekt der finanziellen Kontrolle wäre ohne die Regeln im Rundfunksektor zu vernachlässigen, da besonders mit den Änderungen des PPL im Jahr 2007 diese Kontrolle für den Printbereich gestrichen wurde. Auch die direkte Vorzensur, die im Jahr 2003 faktisch eingestellt wurde und auch im neuen PPL von 2007 nicht mehr vorkommt, bleibt wegen der Regelungen des Rundfunksektors nach wie vor in einigen Bereichen aktuell. Die direkten inhaltlichen Einschränkungen haben sich auch durch die Streichung des ehemaligen §38 des PPL von 1999 auf den Journalismus insgesamt im Jahr 2007 in keiner Weise geändert. Die restringierten Themenbereiche sind die gleichen wie vor 1989, die Häufigkeit der Sanktionierung durch Gefängnisstrafen für Vergehen gegen solche inhaltlichen Vorgaben hat sich jedoch verringert. Vor allem in dieser Kategorie bestätigen viele Normen schon existierende und tragen damit zu einer eher beharrenden Tendenz bei. Allerdings führen einige neu hinzugekommene Normen auch zu Widersprüchen im Referenzrahmen. Vor allem die

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Unterscheidung zwischen Rundfunkjournalisten und Printjournalisten bietet viel Anlass für inner-journalistischen Widerspruch. Die Diskrepanzen zwischen Erwartungen in Ethikkodizes und Gesetzen verweist auf Differenzen zwischen dem journalistischen Feld insgesamt (inklusive der kooptierten Akteure) und der (in diesem Punkt einheitlichen) Regime-Koalition.

2. V ERANTWORTUNG : V OM S TAAT

ZUM

B ÜRGER

Innerhalb der Protonorm Verantwortung ließen sich in der Textanalyse die folgenden Oberkategorien finden: Verantwortung gegenüber dem politischen System, den Bürgern, dem Wirtschaftssystem und einer göttlichen Instanz sowie Verantwortung gegenüber der Profession, den Quellen und dem Berichterstattungsobjekt. In einem autoritären Regime, in dem von einem starken Einfluss des Regimes auszugehen ist, erweist sich die Frage nach der Bedeutung einer Verantwortung gegenüber dem politischen System als besonders bedeutsam. Dies ist vor allem der Fall, wenn man diese Verantwortung in Relation zu anderen Bereichen setzt, die durch eine Öffnung des Mediensektors entstehen können. Dazu gehören beispielsweise Anreize zu wirtschaftlichem Handeln, die möglicherweise mit einer veränderten Verantwortung gegenüber dem Publikum oder dem Medienunternehmen einhergeht oder verstärkte Professionalisierungsbestrebungen aufseiten der Feldakteure, die möglicherweise eine Verantwortung gegenüber Berichterstattungsobjekten und Quellen stärkt. Während 1989 nur fünf Oberkategorien (Gegenstand, Wirtschaftssystem, göttliche Instanz, Bürger und politisches System) zu finden waren, hat sich der Kategorienkatalog 2007 um drei weitere (Quellen, Medienunternehmen und Profession) erweitert. Bemerkenswert ist vor allem die Zunahme der Kodierungen in den Oberkategorien Politisches System, Bürger, Profession und Berichterstattungsgegenstand. Die damit einhergehenden qualitativen Veränderungen werde ich nun ausführlich behandeln. Politisches System Eine besonders ausgeprägte Verantwortung wird gegenüber den POLITISCHEN INSTITUTIONEN des Landes in mal mehr mal weniger präziser Nennung gefordert. Das Strafgesetz (Penal-L §132) verbietet unter Androhung von Freiheitsstrafen sehr allgemein die »Verbreitung von falschen oder übertriebenen Informationen, die das Ansehen und Prestige des Staates schwächen könnten«. Das GeheimdokumenteGesetz definiert Informationen als »beschränkt« und somit nicht verbreitungsfähig, wenn sie den »Staat blamieren könnten« (SecrDoc-L §8a). Neben dieser sehr allgemeinen Verantwortlichkeit gegenüber dem Staat werden im Strafgesetz konkret das Parlament und seine Mitglieder genannt. Die Beleidigung eines Beamten oder

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Mitgliedes der Regierung oder des Parlaments unterscheidet sich von dem Straftatbestand der Beleidigung gegenüber jedem (normalen) Bürger nicht (vgl. IREX 2011: 38). Besonders geschützt sind jedoch nach dem Geheimdokumente-Gesetz sehr spezifische Informationen über die Regierung, etwa die Lagerstätten für Materialien für den Ernstfall, eingestuft als »geheim« (SecrDoc-L §7b) oder die Funkfrequenzen, eingestuft als »beschränkt« (SecrDoc-L §9e). Abgesehen von den im Strafgesetz verankerten Regeln garantiert das Geheimdokumente-Gesetz in einigen Passagen dem Parlament und den »Führern des Landes« einen besonderen Schutz. In §8f deklariert das Gesetz folgende Informationen als »beschränkt«: »Jede andere Information oder jedes geschützte Dokument, das das Ansehen irgendeines Offiziellen beschädigt.« Zu den ›Offiziellen‹ zählen natürlich die Regierungsmitglieder, aber auch andere Beamte. Der Kodex des HMC wiederholt diese Regel in fast demselben Wortlaut (HMC-C §V(8)). Unter den politischen Führern und Institutionen wird außerdem besonders die Verantwortung gegenüber dem KÖNIG UND DEM KÖNIGSHAUS hervorgehoben. Loyalitätsverpflichtungen sprechen das JPA- und das HMC-Gesetz aus. Letzteres fordert zudem das Bekenntnis zum Haschemitischen Königshaus und der Kodex des HMC verpflichtet Journalisten auf die »Visionen des Königs« (HMC-C §II(2)). Deutlich weiter in ihren Forderungen nach einer besonderen Verantwortung geht das Strafgesetz. Es verbietet in einem gesonderten Paragraphen die Beleidigung des Königs, der Königin und der Kronprinzen, obwohl Beleidigung sowieso gegen jeden anderen Menschen durch das Strafgesetz unterbunden werden soll (Penal-L §195a). Die Sonderstellung erfährt der König allerdings nicht nur durch die explizite Erwähnung, sondern auch durch die Sanktionen, die mit einem Vergehen gegen die Regel verbunden sind. Freiheitsstrafen zwischen einem und drei Jahren fordert das Strafrecht in §195(2) bei einer Beleidigung des Königs oder der anderen genannten Königshausmitglieder im Gegensatz zur Beleidigung von ›Normalbürgern‹, die lediglich zu Geldstrafen führt. Neben der im Strafgesetz ausdefinierten Straftat der Beleidigung nutzt das Gesetz im Zusammenhang mit dem König zusätzliche weichere Formulierungen, die zusammengefasst als ein Verbot der Imageschädigung des Königs bezeichnet werden können. So spricht das Strafgesetz in §132(2) von dem Fall, dass jemand wissentlich falsche oder übertriebene Nachrichten im Ausland über den König verbreitet und in §195b von Informationen, die »die Würde des Königs unterminieren könnten.« Ohne den König explizit zu nennen, fordert der Kodex des HMC in §V(8) allgemein das »Image der Führer des Landes« zu schützen. Eine Textpassage, die besonders in der Praxis Auswirkungen hat, ist das Verbot, den König »fälschlicherweise einer Aussage oder einer Handlung zu bezichtigen« (Penal-L §132(2)). Diese Regel hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass Journalisten nur das – meist wortwörtlich – publizierten, was das Königshaus als offizielle Statements an die Medien reichte.

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Die vergleichsweise hohe Zahl an Normen zur Verantwortung gegenüber der JUSTIZ geht darauf zurück, dass häufig eine Verpflichtung auf die bestehenden Gesetze gefordert wird. Es gibt sowohl generelle Verpflichtungen auf die Respektierung der Gesetze als auch die besondere Hervorhebung einzelner Gesetze, wie derjenigen, »die den Beruf regeln« (JPA-L §128a) oder die Verfassung (HMC-C §II(2)).12 Die Verpflichtung wird entweder generell ausgesprochen oder fungiert als Einschränkung einer Garantie wie der Pressefreiheit im HMC-Gesetz §7(h): »Garantie einer freien Zirkulation von Informationen […], die die nationale Sicherheit und ihre höheren Interessen nicht gefährdet.« An einer Stelle im PPL wird der Quellenschutz eingeschränkt durch die Möglichkeit der Justiz, die Offenlegung der Quellen zu fordern, wenn sie bestehendes Recht durchsetzen soll (PP-L §6d). Im JPA-Kodex und im HMC-Gesetz finden sich Normen wieder, die als Aufforderung zur Etablierung und Stärkung des Rechtsstaates verstanden werden können. So heißt es im HMC-Gesetz §7e: »Förderung von Gerechtigkeit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit.« Eine weitere Verantwortung wird gegenüber dem juristischen Verfahren dadurch formuliert, dass die Presse Untersuchungsprotokolle in laufenden Verfahren nur veröffentlichen darf, wenn der leitende Staatsanwalt eingewilligt hat (PP-L §40a). Gleichzeitig garantiert §40b des PPL grundsätzlich die Veröffentlichung von Gerichtssitzungsprotokollen, auch wenn diese Garantie durch Bewirken der Justiz ausgesetzt werden kann. Schließlich gilt es laut Strafgesetz auch, das Image und Ansehen der Justiz und der Gerichte zu wahren. Zur Verantwortung gegenüber dem politischen System gehört auch die Verantwortung gegenüber der NATIONALEN SICHERHEIT, die in einigen Texten gefordert wird, ohne konkretisiert zu werden, z.B. HMC-Kodex §V(8) oder §II(4). Ähnlich unpräzise sind die Formulierungen zur Verantwortung gegenüber Staatsgeheimnissen. Wer definiert, was ein Staatsgeheimnis ist, bleibt offen (HMC-C §III(5)). Auch die Formulierung – ebenfalls im HMC-Kodex – zur Achtung der »obersten Interessen des Vaterlandes« (HMC-C §II(3)) ist mehr als vage. Präzisierende Formulierungen, die Journalisten in der Praxis Entscheidungen über eine Veröffentlichbarkeit erleichtern könnten, stehen in den Gesetzen, nicht in den Kodizes. So formulieren das Strafgesetz und das Geheimdokumente-Gesetz eine konkrete Verantwortung gegenüber dem jordanischen Militär. Informationen, die Aussagen über Truppenbewegungen, Sicherheitsreserven, Waffen und Munition machen, sind als »geheim« eingestuft (SecrDoc-L §6, §6b, §7c). Als »streng geheim« gelten Informationen über militärische Operationen oder Pläne (SecrDoc-L §5b) oder die Arbeit der Geheimdienste (SecrDoc-L §5d). Informationen über die Funkfrequenzen verschie-

12 Der nicht in die Textanalyse eingeflossene Petra-Kodex verweist zudem als erster und einziger Text auf die Urheberrechte, auf die besondere Rücksicht zu nehmen ist (Petra-C §5a).

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dener Sicherheitsapparate sind nur »begrenzt« (SecrDoc-L §9e). Das Strafgesetz bezieht sich indirekt auf die Einstufungen durch das Geheimdokumente-Gesetz und beschreibt in §125(1) und §126(1-2) die Strafen, die ein Verbreiten aber auch eine widerrechtliche Inbesitznahme solcher Dokumente (SecrDoc-L §124) zur Folge hat. In jedem Fall ist ein Freiheitsentzug zu erwarten. Wenn die Informationen zudem einem feindlichen Staat dienen, kann sogar die Todesstrafe verhängt werden. Der HMC-Kodex verlangt von Journalisten, grundsätzlich nur solche Informationen zu veröffentlichen, die von offizieller Stelle bestätigt wurden (HMC-C §V(9)). Er ist damit der einzige Kodex, der überhaupt eine besondere Verantwortung gegenüber den Sicherheitskräften erwähnt. Im Strafgesetz wird in §191 explizit das Verbot einer »Beleidigung« der Armee aufgeführt. Das HMC fordert indirekt dazu auf, die Armee zu respektieren, denn sie stelle das »Schutzschild der Nation« dar und sei die »Garantie ihrer Sicherheit und Unabhängigkeit« (HMC-C §II(6)). Eine wichtige Norm innerhalb der Unterkategorie Verantwortung gegenüber der nationalen Sicherheit ist die Wahrung des innergesellschaftlichen Friedens. Der HMC-Kodex formuliert beispielsweise, dass Journalisten einen Verzicht auf »Anstiftung zu Gewalt und Hass und Aufhetzung zu regionaler, konfessioneller oder ethnischer Überheblichkeit« üben sollen (HMC-C §III(3)). Interessanterweise fordert das Strafgesetz eine Verantwortung gegenüber dem gesellschaftlichen Frieden nur in Kriegszeiten bzw. wenn von dem Ausbruch eines Krieges ausgegangen werden muss. Dann allerdings drohen Gefängnisstrafen, wenn Propaganda verbreitet wird, die die »nationalen Gefühlen verletzen« oder »Rassismus und konfessionsgebundene Differenzen wecken« könnten (Penal-L §130). In enger Verbindung mit dem gesellschaftlichen Frieden werden in einigen Texten auch der Verzicht auf »Anstiftung zu Gewalt und Hass« (HMC-C §III(3)) und auf »Verherrlichung von Straftaten« (HMC-C §IV(9)) gefordert. Das PPL verweist in §6d darauf, dass der Quellenschutz dann entfällt, wenn die Informationen einer Quelle zur Verhinderung einer Straftat eingesetzt werden können. Für die Wahrung der öffentlichen Ordnung darf laut Verfassung sogar die Pressefreiheit eingeschränkt werden (Const. §15(4)). Schließlich spielt die Verantwortung gegenüber der nationalen Sicherheit eine wichtige Rolle, wenn Beziehungen zu anderen Staaten betroffen sind. Besonders die Strafandrohungen des Strafgesetzes und die Höhe der Sicherheitseinstufung durch das Geheimdokumente-Gesetz wenden sich dem Fall zu, dass Informationen zum Nutzen feindlicher Staaten lanciert werden könnten (Penal-L §126(2), §124; SecrDoc-L §5c, §3a). Das Strafgesetz sieht hierfür härtere Strafen vor als für den nationalen Kontext und das Geheimdokumente-Gesetz stuft solche Informationen höher ein. Das Informationszugangsgesetz setzt zudem Informationen unter besonderen Schutz, die die Außenpolitik Jordaniens betreffen (AtI-L §13c). Innergesellschaftlicher Frieden wird noch in anderen Texten als verantwortungsbedürftig erwähnt, allerdings nicht mit der Konnotation der ›nationalen Sicherheit‹. Diese Texte

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werden unter der Verantwortung gegenüber den Bürgern in der Kategorie des innergesellschaftlichen Friedens zusammengefasst. Sowohl König Hussein (Nationalcharta) als auch König Abdallah II. (Jordanien zuerst!) haben jeweils in einer Charta die Eckpunkte der Rolle der Medien festgeschrieben. In den Gesetzen und Kodizes wird an verschiedener Stelle auf diese KÖNIGLICHEN DOKTRINEN Bezug genommen. An wenigen Stellen werden sie jedoch explizit genannt. Die inhaltlichen Leitlinien werden häufiger in indirekter Form aufgegriffen. So fordert die Nationalcharta von 1991, dass »die Grundlage des jordanischen Informationsauftrages […] Freiheit, nationale Verantwortung, Respekt für die Wahrheit und die Werte der arabisch-islamischen umma« bilde (zitiert nach der Übersetzung von Dieterich 1999: 165). Weiterhin bestätigt sie die in der Verfassung verankerte Pressefreiheit, formuliert für den Journalismus aber auch folgenden Auftrag: »Die Medien sind die Kanäle, durch die der Welt ein Bild von der jordanischen Nation vermittelt wird. Ihre Aufgabe ist es auch, eine Verbindung zwischen den Bürgern und der Nation zu knüpfen und den Stolz auf das arabischjordanische Erbe zu formen.« (Ebd.: 166) Das JPA- und das HMC-Gesetz sehen daran anlehnend als grundlegendes Prinzip der jordanischen Medien die »Stärkung des Bewusstseins von den bürgerlichen Pflichten und den humanitären Werten, die aus der arabisch-islamischen Zivilisation herrühren« (JPA-L §4c). Das HMC-Gesetz dekliniert dieses Prinzip noch aus, indem es die Medienschaffenden auf die Prinzipien der »Großen Arabischen Revolte«, der »islamischen umma« und der »Haschemitischen Botschaft« verpflichtet (HMC-L04 §7c). Mit diesen Verpflichtungen wird Internationalismus im Kontext der arabisch-islamischen Geschichte gefordert, aber auch die Unantastbarkeit der Haschemitischen Dynastie zementiert. Die Visionen zur nationalen Einheit stellen einen weiteren wichtigen Pfeiler königlicher Doktrinen dar. Darauf bezugnehmend fordern sowohl das Gesetz zu audio-visuellen Medien von 2002 als auch dessen Ergänzung von 2003 die Medienschaffenden dazu auf, die »nationale Einheit« zu wahren. Das PPL schließt sich an, indem es die Verbreitung von Informationen verbietet, die die nationale Einheit gefährden könnten. Das HMC-Gesetz fordert Journalisten dazu auf, sich zur »Nation zugehörig« zu fühlen. Diese Formulierung impliziert bereits, was im HMC-Kodex schwarz auf weißt steht: Die Medien haben die Aufgabe, eine nationale Einheit (die offensichtlich noch gar nicht so hergestellt ist, wie es in anderen Texten impliziert ist) zu schaffen, indem sie sich verpflichten, zur »Entwicklung des nationalen Bewusstseins« beizutragen (HMC-C §II(5)). Zwar spricht auch der HMC-Kodex in §II(4) von der »Unantastbarkeit der nationalen Einheit«, doch muss angesichts weiterer Aussagen zu dieser Regel davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um die territoriale Integrität handelt. Interessanterweise taucht ein Verbot der Verunglimpfung von Staatssymbolen nur einmal für die Nationalflagge auf, nämlich im Strafgesetz unter Androhung von Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und drei Jahren auf (Penal-L §197).

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Ebenfalls an einer königlichen Doktrin orientieren sich Normen, die auf die Bedeutung der Medien für eine politische Entwicklung verweisen. An mehreren Stellen spricht der Kodex des HMC von der Unterstützung einer politischen Entwicklung und unterstreicht sehr deutlich seinen normativen Anspruch, die Medien als Mittel der Entwicklung einsetzen zu wollen. So werden in §III(4) Medienschaffende dazu verpflichtet, Sendezeiten für »Aufklärungsbotschaften« zur Verfügung zu stellen. In §V(1) wird den Medien die Aufgabe zugeschrieben, ihren Beitrag zur Verankerung von Demokratie zu leisten oder »die Stärkung des demokratischen und pluralistischen Weges« voranzutreiben (HMC-C §II(2)). Auch die Kodizes von JPA und CDFJ unterstreichen die Rolle der Medien für die nationale und politische Entwicklung. Der JPA-Kodex fordert dazu auf, die nationale Einheit durch journalistische Arbeit zu bestärken (JPA-C §1d). In einem anderen Absatz verlangt er von Journalisten, die Bürger zur Teilnahme am demokratischen Prozess zu bewegen (JPA-C §1c). Der Kodex des CDFJ fordert dazu auf, die Bürger zur Wahl zu ermuntern (CDFJ-C) und damit zur Stärkung der Partizipation in einer Demokratie beizutragen. Über die nationalen Grundideen hinaus enthalten einige Texte auch besondere Verpflichtungserklärungen gegenüber den AUßENBEZIEHUNGEN des Landes. Ein großer Aspekt, der von Strafgesetz und Geheimdokumente-Gesetz unterstrichen wird, ist die Schädigung befreundeter Staaten durch die Beleidigung eines ihrer Führer (Penal-L §122(2)), ihrer Flaggen (Penal-L §122(1)) oder durch die Veröffentlichung militärischer Informationen (SecrDoc-L §6d). Daneben spielt auch die Imageschädigung Jordaniens im Ausland eine wichtige Rolle für die Interpretation der Verantwortung gegenüber den Außenbeziehungen. Dabei werden die Verantwortungsverpflichtungen gegenüber dem Ruf des Landes und des Königs auf Informationen, die außerhalb Jordaniens publiziert werden, ausgeweitet. Die Strafen, die dieser Tatbestand nach sich zieht, sind höher als die gleichen Taten im Inland. Hiermit soll unter anderem wohl ein allzu kritischer Exiljournalismus verhindert werden. Zur Verantwortung gegenüber den Außenbeziehungen zählt ferner die Einhaltung und »Verpflichtung auf internationale Gesetze und Verträge sowie auf die Menschenrechtscharta und Respektierung der für die Medien relevanten Verhaltensregeln«, wie es der Kodex des HMC fordert (HMC-C §III(1)). Das Geheimdokumente-Gesetz erwartet nicht nur eine besondere Verantwortung gegenüber solchen Dokumenten und Abkommen, sondern auch gegenüber den Diskussionen über sie (SecrDoc-L §3c). Schließlich fügt der Kodex des JPA noch eine eigene Norm hinzu. In §1e verpflichtet er Journalisten dazu, Freiheitsbewegungen in der Welt zu unterstützen und im Gegenzug rassistische Bewegungen abzulehnen. Diese Formulierung spielt auf die Forderung nach Unterstützung der Palästinenser und eine Anti-Normalisierungshaltung gegenüber Israel an. Anti-Normalisierungsakteure empfinden die israelische Politik nämlich als rassistisch und diskriminierend

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gegenüber den Palästinensern, während sie palästinensische Aktivitäten im Gegenzug als Befreiungsaktivitäten bezeichnen. Der Verantwortungsbereich Politisches System hat, gemessen am Verhältnis der übrigen Verantwortungsbereiche, an Bedeutung verloren. Innerhalb der Kategorie hat vor allem die Verantwortung gegenüber dem König und der Justiz zugenommen bei gleichzeitiger Abnahme im Bereich nationale Sicherheit und politische Institutionen. Besonders bei letzterem ist interessant, dass lediglich der HMC-Kodex nach 1989 noch einen Verweis auf die Verantwortung gegenüber dem politischen System hinzufügt. Alle anderen die Verantwortung gegenüber den politischen Institutionen betreffenden Regeln stammen aus den Texten vor 1989, dem GeheimdokumenteGesetz und dem Strafgesetz. Dies gilt auch für das Verbot der Imageschädigung politischer Institutionen, das Verbot der Publikation militärischer Informationen und den innergesellschaftlichen Frieden. Insgesamt spielt das HMC eine wichtige Rolle bei der Ausdifferenzierung und bei der Bestätigung bereits bestehender Normen. Besonders eindrücklich zeigt sich dies bei der Forderung nach Verantwortung gegenüber dem König. Zusammen mit dem JPA bestätigen sie zwar die bereits 1989 vorhandenen Normen, sie formulieren sie jedoch weniger als Verpflichtung denn als Loyalitätsgebot. Hier wird die Abgrenzung des Regime-kontrollierten Transformationsversuchs von dem des feldinternen deutlich. AmmanNet verweist nämlich gar nicht auf eine Verantwortung gegenüber dem politischen System, CDFJ lediglich ein Mal. Die Stärkung der Verantwortung gegenüber dem König wird zusätzlich durch die Verantwortungsverpflichtung auf königliche Doktrinen unterstrichen. Nicht nur Gesetzestexte, sondern auch alle Kodizes – mit Ausnahme von AmmanNet – tragen zur Stärkung und Diversifizierung des Verantwortungsbereichs Königliche Doktrinen bei. Damit weitet sich die Norm der Verantwortung gegenüber dem König und seinen Doktrinen auch durch die Einbindung feldinterner Akteure in den Normensetzungsprozess aus. Allerdings werden sie auch – mit Ausnahme der nationalen Verantwortung – durch die hinzutretenden Texte nur noch durch Institutionen der Co-Regulierung und den JPA beobachtet und sanktioniert. Zwar bleiben die durch die Justiz verfolgbaren Gesetze des Strafgesetzes und des GeheimdokumenteGesetzes nach wie vor stark mit Sanktionsandrohungen behaftet, doch besonders die Jahre 2011 und 2012 haben in der Praxis gezeigt, dass der König bei Missachtung Gnade walten lässt. In den meisten Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft gegen Journalisten auf Grundlage des Strafgesetzes Anklage erhob, mussten sie ihre Haftstrafen nach einer Begnadigung durch den König nicht antreten. Möglicherweise lässt sich vor diesem Hintergrund die Normenentwicklung als Zeichen einer vorsichtigen Loslösung von sanktionsstarken Normen hin zu sanktionsärmeren Formen interpretieren, die gleichzeitig aber verstärkt an die Loyalitätsverpflichtung gegenüber dem Königshaus erinnert.

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Ein weiterer Verantwortungsbereich im politischen System, der sich nicht nur verstärkt, sondern auch diversifiziert hat, ist die Verantwortung gegenüber der Justiz. Nach 1999 erscheint erstmals eine explizite Verpflichtung zum Rechtsstaat und auf die geltenden Gesetze auf. Möglicherweise ist auch das ein Resultat der Regime-Kontrolle, die ja bei den Kodizes von HMC und JPA gerade darin besteht, dass ihre Normen in letzter Instanz von Gerichten sanktioniert werden können. Dass dies nicht im Interesse aller Akteure im journalistischen Feld zu stehen scheint, lässt sich aufgrund der Tatsache annehmen, dass AmmanNet- und CDFJ-Kodex eine Verantwortung gegenüber der Justiz nicht erwarten. Nicht mehr bestätigt nach 1989 wird der Schutz des Ansehens der Gerichte. Möglicherweise ist diese Norm ein Auslaufmodell. Keine nennenswerten inhaltlichen Veränderungen hat es auch im Verantwortungsbereich Nationale Sicherheit gegeben. Alle im Jahr 2007 vorliegenden Normen existierten bereits 1989. Allerdings werden die Normen Schutz vor Terrorismus und Verbrechen sowie die besondere Berücksichtigung der Beziehungen zu ausländischen Staaten nun zusätzlich durch Regulierungsbehörden beobachtet und sanktioniert und damit wohl eher in ihrer Durchsetzungskraft gestärkt. Im Bereich der Außenbeziehungen hat lediglich der JPA in seinem Gesetz eine Norm ergänzt, die im Kontext der späten 1990er Jahre gesehen werden muss. Kurz nach dem Friedensschluss mit Israel musste der JPA sich von der Regierung mit ihrem ›Ja‹ zum Frieden distanzieren, um nicht weiter an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Der Schulterschluss mit anderen Berufsverbänden in der Anti-Normalisierungsbewegung war eine Strategie. Die Forderung an Journalisten, Freiheitsbewegungen (mit Blick auf Palästina) zu unterstützen, ist wohl deshalb hinzugekommen, nach 1998 aber nicht weiter bestätigt worden. Auch diese Norm scheint deshalb ein Auslaufmodell zu sein. Bürger In mehreren Texten wird allgemein die Forderung aufgestellt, die FREIHEITEN UND RECHTE DER BÜRGER zu respektieren. Die Formulierungen variieren zwischen »den Freiheiten der anderen« (z.B. HMC-C §V(2)), »den Bürgerrechten« (z.B. AV-L03 §6(4)), »den Menschenrechten« (z.B. PP-L §5), »dem Recht auf Leben« (HMC-C §IV(11)) oder der Absage daran, »andere zu verletzen« (JPA-C §2f). In anderen Textpassagen wird explizit dargestellt, dass die Medien den Bürgern die Möglichkeit geben sollen, ihre Meinungen zu äußern (PP-L §6b, §7b). Dies wird im PPL als Bestandteil der Pressefreiheit aufgefasst. Der JPA-Kodex formuliert in einem Paragraph, dass Journalisten dazu verpflichtet sind, das Bürgerrecht auf »positive Partizipation zum Nutzen des Landes und täglicher Belange« zu respektieren (JPA-C 1c). Diese Norm könnte als Aufruf zur Respektierung der Publikumsbelange interpretiert werden. Zu den allgemeinen Rechten der Bürger, die es bei der journalistischen Arbeit zu respektieren gilt, zählt auch das geistige Eigentum. Vor allem die Normen des Urheberschutzgesetzes unterstreichen eine Verantwortung gegenüber

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dem geistigen Eigentum der Bürger. So besagen die Bestimmungen, dass der Schutz des geistigen Eigentums Werke beinhalten soll, die in Form von Text, Ton, Zeichnungen, Fotografien oder bewegten Bildern vorliegen (CopyR-L §382). Neben diesen Medien-spezifischen Werken sind aber auch Forschung, Wissenschaft, Technik, ökonomische Ausschreibungen, Kunstwerke, Literatur sowie Briefe vom Urheberschutzgesetz geschützt. In weiteren Paragraphen wird ausgeführt, welche Teile wie geschützt sind. Im Gesetz zu audio-visuellen Medien, im PPL und im HMC-Kodex wird an die Regelungen des Urheberschutzgesetzes erinnert und an deren Achtung appelliert (AV-L02 §20k; AV-L03 §6b; PP-L §36b; HMC-C §III(6)). Neben dieser allgemeinen Forderung nach Verantwortung gegenüber den Bürgern werden in vielen Texten konkretere Verantwortungsbereiche genannt. Hierzu zählt auch die Einbeziehung der Bürger in den journalistischen Produktionsprozess. Der Kodex von AmmanNet versteht diese Einbeziehung als Teil der Kommunikationsfreiheiten. Diese Interpretation reicht von der allgemeinen Forderung, das Publikum zu respektieren (z.B. AmmanNet-C §IV) und der Verpflichtung darauf, die Verantwortung gegenüber dem Publikum anzunehmen, bis hin zu konkreten Anweisungen, wie dieser Respekt bzw. die Verantwortung auszugestalten sei. Es ist nicht verwunderlich, dass diese Normen besonders stark durch den AmmanNetKodex vertreten werden, der einem Bürgermedium zuzuordnen ist. Der AmmanNet-Kodex fordert nicht nur, dem Publikum die journalistische Arbeit näher zu bringen und transparenter zu machen (AmmanNet-C §VI(3), Präambel), sondern auch auf dessen Einwände in Form von Beschwerden oder Kommentaren einzugehen (AmmanNet-C §VI(2)). Der Berücksichtigung des Publikums soll laut der Kodizes von CDFJ und AmmanNet auch noch auf eine andere Weise erfolgen. Die Darstellung und Auswahl der Themen sollen die Bedürfnisse der Bürger respektive des Publikums berücksichtigen. Verständlichkeit der Darstellung, umfassende Erklärung von Sachverhalten und die Berücksichtigung des »Bewusstseins« des Publikums sind Aspekte, die erwähnt werden. Weiterhin wird als Verantwortung gegenüber den Bürgern auch die ERFÜLLUNG GESELLSCHAFTLICHER AUFGABEN DES JOURNALISMUS verlangt. Medien sollen Wissen und Informationen an die Bürger vermitteln. In diesem Aspekt dominiert das PPL. Es fordert uneingeschränkte Möglichkeiten für die Medien, den »Informationsfluss an die Bürger« zu gewährleisten (PP-L §8b) und begreift die Informationspflicht der Medien gegenüber den Bürgern sogar als Bestandteil der Pressefreiheit (PP-L §6a). Aus dieser Verpflichtung leitet sich auch das Recht auf Informationszugang ab, das ebenfalls im PPL verankert ist: »Pressefreiheit soll beinhalten: Informationen, Nachrichten und statistische Daten mit Relevanz für die Bürger von unterschiedlichen Quellen einzuholen, sie zu analysieren, zu zirkulieren , zu publizieren und sie zu kommentieren.« (PP-L §6c) Journalisten sollen darüber hinaus Bewusstsein schaffen für bürgerliche Verantwortung in verschiedenen Berei-

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chen. Der CDFJ-Kodex beispielsweise fordert eine Bewusstseinsförderung im Hinblick auf die Partizipation bei Wahlen (CDFJ-C). Der HMC-Kodex hingegen verpflichtet Medien darauf, nicht näher definierte Aufklärungskampagnen und »Anweisungen zum öffentlichen Frieden« kostenlos zu verbreiten (HMC-C §III(4)). Das HMC-Gesetz fordert eine Bewusstseinsentwicklung durch die Medien für die »Große Arabische Revolte« und »Haschemitische Botschaft« und deren Bedeutung für die Geschichte und Entwicklung des Landes und der Menschheit (HMC-L §7c). Diese Aufgabe wird noch einmal durch den HMC-Kodex unterstrichen, der Journalisten dazu verpflichtet, die »Kultur und das nationale Bewusstsein zu entwickeln« (HMC-C §II(5)). Als weitere Aufgabe schreiben einige Texte den Medien die Beobachtung gesellschaftlicher Prozesse zu. Der HMC-Kodex schreibt in der Präambel, dass die Medien »die vierte Gewalt und ein entscheidender Faktor beim Aufbau der Demokratie« seien (HMC-C §I). Diese Auffassung wird an anderer Stelle noch einmal unterstrichen. Dort wird explizit von den Medien gefordert, dass sie »konstruktive Kritik und Enthüllung von Korruption« (HMC-C §IV(10)) betreiben sollen. Auch AmmanNet fordert von Journalisten eine kritische Haltung und die Erfüllung ihrer Aufgabe als Wachhund. Der CDFJ-Kodex konkretisiert die kritische Beobachtung für den Wahlkampf: »[Es ist verpflichtend,] eine verantwortungsvolle Beobachtung aller Phasen der Wahlen zu gewährleisten, indem die Verstöße aller Seiten aufgezeigt und alle Unstimmigkeiten dokumentiert werden. [Es ist verpflichtend,] an der Beobachtung der Unstimmigkeiten von Kandidaten zu arbeiten, indem missbräuchliches Benehmen und Verhaltensweisen von allen Befürwortern, Unterstützern und Kampagnenmanagern gleichermaßen und fair beobachtet werden.« (CDFJ-C)

Eng mit den gesellschaftlichen Aufgaben des Journalismus verknüpft ist die Verantwortung gegenüber dem ÖFFENTLICHEN INTERESSE. Dieses verpflichtet Journalisten dazu, bestimmte Informationen zu publizieren, ohne beispielsweise die gesellschaftliche Stellung einer Person zu berücksichtigen (HMC-C IV(7)) und bestimmte Regeln bei der Darstellung zu beachten wie glaubwürdige, neutrale oder ausgewogene Darstellung (AmmanNet-C Präambel, CDFJ-C). Wie das PPL in §27b fordert, sind Chefredakteure aber auch dazu verpflichtet, Widersprüche und Richtigstellungen zu veröffentlichen, wenn die Informationen, die falsch berichtet wurden, von öffentlichem Interesse sind. Neben dieser Verpflichtung durch ein öffentliches Interesse dient das öffentliche Interesse als Garantie. So ermöglicht das Urheberschutzgesetz die Veröffentlichung von Fotos auch ohne Zustimmung von Abgebildeten, wenn ein öffentliches Interesse gegeben ist (CopyR-L §25). Das Informationszugangsgesetz garantiert den Zugang zu Informationen, wenn ihnen ein berechtigtes oder öffentliches Interesse zugrundeliegt (AtI-L §7). Die wohl bedeutendste Garantie mit der Begründung des öffentlichen Interesses gibt jedoch das

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Strafgesetz: »Die Veröffentlichung jeglichen Materials, das eine üble Nachrede oder eine Beleidigung darstellt, wird als illegal betrachtet, es sei denn die Substanz der üblen Nachrede oder Beleidigung ist wahr und dient dem öffentlichen Interesse.« (Penal-L §198(1)) Damit ist es schwieriger für Personen in offiziellen Ämtern, Klagen gegen die Berichterstattung zu erheben als für Normalbürger.13 Die Verantwortung gegenüber dem GESELLSCHAFTLICHEN FRIEDEN ist innerhalb der Kategorie Verantwortung gegenüber den Bürgern die am häufigsten kodierte Norm. Es gibt zahlreiche Überschneidungen mit der Regel Verantwortung gegenüber der nationalen Sicherheit (neun Doppelkodierungen). Generell lassen sich die beiden Kategorien dadurch unterscheiden, dass der gesellschaftliche Frieden als Verantwortung gegenüber den Bürgern in erster Linie zum Schutz der Gesellschaft und nicht der staatlichen Institutionen oder Landesgrenzen erfolgen soll. Der gesellschaftliche Frieden im Kontext der Verantwortung gegenüber dem politischen System taucht immer dann auf, wenn er mit ›nationaler Sicherheit‹ konnotiert wird. Zum Schutz des gesellschaftlichen Friedens gehört der Minderheitenschutz in Kombination mit dem Verbot von Rassismus. Das Strafgesetz verbietet »Propaganda, die darauf abzielt, die nationalen Gefühle zu verletzen oder rassistische oder konfessionelle Differenzen hervorzubringen.« (Penal-L §130) Interessanterweise lässt das Strafgesetz hier keinen Platz für die Frage nach der Intention. In §150 heißt es: »Jedes Schreiben, das auf die Hervorrufung konfessionsgebundener oder rassistischer Vorurteile abzielt oder tatsächlich hervorruft (Hervorhebung J.P.).« Damit befördert das Strafgesetz die absolute Tabuisierung des Themas der innergesellschaftlichen Zusammensetzung, denn sogar Veröffentlichungen, die unbeabsichtigt innergesellschaftliche Probleme hervorrufen, können mit Gefängnisstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr geahndet werden. Das PPL schließt sich dieser Interpretation in §38c an, stellt aber ansonsten deutlich stärker den Schutz der Konfessionen und der Religionen in den Vordergrund. Der Kodex von HMC stellt in §III(3) das Verbot von Veröffentlichungen in den Vordergrund, die sich auf ethnische und religiöse Diskriminierung beziehen. Der AmmanNet-Kodex geht noch einen Schritt weiter und fordert von seinen Journalisten nicht nur, auf Diskriminierung zu verzichten, sondern auch »vorurteilsfrei« zu berichten (AmmanNet-C §III(3)). Eine andere Perspektive nimmt das Informationszugangsgesetz ein. Es bestimmt, dass Informationen, die »den Charakter einer religiösen, rassistischen oder ethnischen Diskriminierung oder eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts oder der Hautfarbe haben«, nicht unter das Recht der Informationsfreiheit fallen (AtI-L §10). Dies entspricht einem vorgelagerten Eingriff in die Produktion, denn

13 Der Anwalt, Samer Zureikat, von MELAD weist im Interview (2007) darauf hin, dass die Argumentation von Medienanwälten zunehmend darauf abziele, das öffentliche Interesse als Garantie für eine Informationsverbreitung – oftmals mit Erfolg – einzufordern.

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gewisse Informationen können vonseiten der Behörde mit dieser Begründung einbehalten werden. Interessant ist, dass in nur einem Text die Religion ›an sich‹ als schützenwert gilt. Nur das Ergänzungsgesetz von 2003 für audio-visuelle Medien erwähnt einen grundsätzlich Schutz von Religion und Gott (AV-L03 §6a(1), indem es einen Angriff auf die Existenz Gottes und die Beleidigung der Religion verbietet. Im §37a(4) des alten PPL hieß es noch: »Es ist den Printmedien verboten in irgendeiner Form zu publizieren, die den Versuch beinhaltet oder tatsächlich dazu führt, eine der Religionen oder Glaubensgemeinschaften zu verletzen, deren Freiheit in der Verfassung garantiert ist.« Nach der Streichung ist dies aber die einzige Stelle. Es werden zwar in weiteren Texten »Religionsstifter« und »Propheten« (PP-L §38b) geschützt, aber Religionen selbst nicht. Ansonsten wird Verantwortung immer gegenüber den Gläubigen und deren »religiösen Gefühlen« oder deren »Glauben« gefordert (Penal-L §278(1), §278(2)). Überspitzt formuliert könnte man sagen, dass die Religion nur deshalb schützenswert ist, weil eine Missachtung die gesellschaftliche Ordnung stören könnte. In keinem Fall wird eine bestimmte Religion explizit hervorgehoben. Schließlich lassen sich unter dem Aspekt der Wahrung öffentlicher Ruhe zwei weitere Normen finden. Zum einen wird ein Verzicht auf Anstachelung zur Unruhe gefordert. Dies umfasst beispielsweise den Verzicht auf öffentliche Erregung durch Überspitzung oder Manipulation (AmmanNet-C §V(5); TC-L §75a; JPA-C §2g; Penal-L §131). Mit Ausnahme des Ergänzungsgesetzes zu audio-visuellen Medien von 2003 wird die »öffentliche Erregung« bzw. die »gesellschaftliche Sicherheit« in keinem Text spezifiziert. Das AV-L03 verbietet sexuelle und gewaltverherrlichende Programme (AV-L03 §6a(3)). Zudem fordert der HMC-Kodex in §IV(9) den Verzicht auf Verherrlichung von Straftaten und der JPA-Kodex sowie das PPL den Schutz der »nationalen Einheit« (JPA-C §1d). Journalisten sollen aber nicht nur den gesellschaftlichen Frieden nicht gefährden, sondern auch aktiv zum gesellschaftlichen Frieden beitragen. Dies wird an Stellen deutlich, an denen beispielsweise eine Veröffentlichungsverpflichtung von »Sendungen zum öffentlichen Frieden« gefordert werden (HMC-C §III(4)) oder eine »Demoralisierungen« zu vermeiden ist (SecrDoc §8d). Laut HMC-Kodex §V(1), wird den Medien und damit den Journalisten sogar zur Aufgabe gemacht, eine »ausgeglichene Gesellschaft zu realisieren.« Die Ambivalenz hinsichtlich gesellschaftlicher Verantwortung zeigt sich deutlich in den Normen, die allgemein fordern, MORAL UND TRADITIONEN zu achten. Viele Texte rufen dazu auf, die »öffentliche Moral« zu respektieren, ohne diese Moral näher zu beschreiben (JPA-L §4a; PP-L §28c, §40b; TC-L §75a; JPA-L §4a; HMC-C §V(10)). Einige ergänzen den Aufruf zur Berücksichtigung der öffentlichen Moral mit der Aufforderung, sich an die allgemein gültigen Gesetze zu halten (TC-L §58a; PP-L §28c; JPA-C §2g). Andere stellen die öffentliche Moral in den Kontext einer Wahrung der öffentlichen Ordnung (TC-L §75b; PPL §40b; AV-L03

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§6a). In einer Passage ist von dem Verzicht auf die Erregung der Öffentlichkeit die Rede (AmmanNet-C §IV(5)), aber nur das Ergänzungsgesetz zu audio-visuellen Medien von 2003 spricht konkret an, was dies bedeuten könnte: »Die öffentliche Ordnung und Moral stören, was sexuelle oder gewalttätige Programme beinhaltet.« (AV-L03 §6a). Neben der Verantwortung gegenüber der allgemeinen Moral spielt die Tradition eine Rolle in den Interpretationen. Tradition wird hier im Sinne von historischen Überlieferungen und Sitten verstanden (JPA-C §1e; JPA-L §3c). Der HMC-Kodex fordert in §IV(3) beispielsweise »Respekt für das positive volkstümliche und soziale Erbe der Sitten, Tradition und Ideale.« Gleichzeitig wird auch die Religion als Teil der Tradition verstanden und als solche unter dem Aspekt Tradition und Moral geschützt. Besonders eingängig formuliert der JPA-Kodex in §1b: »Religiöse Werte als Grundlage für das intellektuelle und kulturelle Erben zu respektieren.« Eine weitere Spezifizierung der Tradition erfolgt im HMC-Kodex. Dort wird der arabischen Sprache sowie dem volkstümlichen Liedgut eine besondere Stellung eingeräumt (HMC-C §V(5)). Verantwortung gegenüber den Bürgern ist die Kategorie, die die eindeutigsten Veränderungen innerhalb der Protonorm Verantwortung erfahren hat. Sie hat sich inhaltlich stark ausdifferenziert. Zwar kamen einige Normen der Verantwortung gegenüber den Bürgern bereits in den Texten von 1989 vor, doch hatten diese – bis auf eine Ausnahme – alle den gesellschaftlichen Frieden im Blick. Da diese Normen gleichzeitig auch Verantwortung gegenüber der nationalen Sicherheit hervorhoben, müssen sie wohl eher in Richtung einer Verantwortung gegenüber dem Staat interpretiert werden. Die vor allem nach 1999 hinzugestoßenen Normen hingegen betonen die Aufgaben, die der Journalismus für die Gesellschaft erfüllen soll. Sie fordern zum Respekt der Bürgerrechte ebenso auf wie zur Achtung von Tradition und Moral. Es ist bemerkenswert, dass die Verantwortung gegenüber den Bürgern nicht ausschließlich ein Interesse von Akteuren im Feld zu sein scheint, denn auch die Texte, die ohne Beteiligung interner Akteure definiert wurden, tragen zur Stärkung und Ausdifferenzierung der Kategorie bei. Einmal abgesehen von der Unterkategorie Achtung gesellschaftlicher Aufgaben sind in allen Unterkategorien Beobachtungs- und Sanktionsmechanismen aller Art beteiligt: von der Justiz bis hin zum individuellen Journalisten. Insgesamt scheint die Verantwortung gegenüber den Bürgern ein Anliegen, das alle drei Transformationsversuche verfolgen. Dies ist umso interessanter, als dass damit eine Zurückdrängung der Verantwortung gegenüber dem Staat erfolgte. Diese Verschiebung lässt sich darauf zurückführen, dass Einflussversuche auf den Journalismus durch das Regime eine höhere Legitimation erwarten können, wenn sie – angeblich – der gesamten Gesellschaft dienen. Dies drückt sich in der Bestätigung von Normen zum gesellschaftlichen Frieden oder zur Wahrung von Tradition und Moral aus. Aus der Perspektive des Regimes ist die Verantwortung gegenüber den Bürgern auch dann wünschenswert, wenn sie eine gesellschaftliche Entwicklung unterstützen kann, wie sie in der Norm Bewusst-

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seinsschaffung oder Wissensvermittlung zum Ausdruck kommt. Zugleich zeigt sich auch, dass Bürgerverantwortung im Sinne einer kritischen Begleitung der Politik nur von Texten gefordert wird, die eine starke Involvierung von Feldakteuren aufweisen, z.B. in Form der ›Kontrollfunktion‹ durch die Kodizes von HMC, CDFJ und AmmanNet. Eine Verantwortung zur Partizipation der Bürger in den medialen Kommunikationsprozess erwarten sogar nur unabhängige Feldakteuer in ihren Kodizes. Einen direkten Austausch mit den Bürgern fordert lediglich AmmanNet und der – nicht in die Textanalyse eingeflossene – Kodex der Nachrichtenwebsite Ammonnews. Möglicherweise zeichnet sich ein Wandel durch den OnlineJournalismus ab, der hier aber nur vermutet werden kann. Mehr Verantwortung gegenüber dem Bürger muss also nicht zwangsläufig mit einer ›Emanzipation‹ der Rezipienten einhergehen, die Journalismus als Kommunikationsplattform der Bürger betrachtet.14 Vielmehr dominieren Normen, die Journalisten als Informationsvermittler, Erzieher oder Hüter der Moral sehen. Aus diesem Grund sind auch die Normen zur Wahrung der Tradition und Moral mit Vorsicht zu betrachten, da sie teilweise dazu tendieren, Verantwortung nur gegen bestimmte (konservative) Gruppen von Bürgern zu fordern. Die einzigen vom Regime betriebenen Versuche, die Verantwortung gegenüber den Bürgern als echte Liberalisierung zu verändern, stellen die Forderungen von Urheberschutz- und Informationszugangsgesetz dar. Sie formulieren das öffentliche Interesse als eine Garantie für den Informationsfluss und tragen damit zu einer Neuerung bei, die u.U. in Konkurrenz zu anderen Normen treten kann. Wirtschaftssystem Gesetzestexte dominieren die Normen zur Verantwortung gegenüber dem jordanischen Wirtschaftssystem. Kein einziger Ethikkodex erwähnt eine Verantwortung gegenüber der Wirtschaft. Mehrfach wird die AKTIVE UNTERSTÜTZUNG DER JORDANISCHEN WIRTSCHAFT gefordert. Das Gesetz zu audio-visuellen Medien von 2002 verlangt in §20h, genau wie das HMC-Gesetz in §IV(6), eine Bevorzugung von jordanischen Arbeitskräften, was indirekt durch verschiedene Regelungen zum Lizenzerwerb und zur Anerkennung als Journalist im JPA unterstrichen wird. Viel aktueller im Alltagsgeschäft von Journalisten ist jedoch die Verpflichtung »zur Förderung der Produktion und Ausstrahlung lokaler Beiträge« (HMC-L §V(5)) und zur Bevorzugung der »jordanischen audio-visuellen Industrie« (AV-L02 §20m).

14 Der Kodex von Ammonnews unterstreicht aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem Medium mit starker Publikumsbeteiligung diese Art der Interpretation. Die Internetseite verpflichtet sich dazu, Kommentare vom Publikum zu veröffentlichen, fordert seine Journalisten allerdings nicht explizit dazu auf, auf diese oder in anderer Form geäußerte Beschwerden des Publikums einzugehen.

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Im Vordergrund der Kategorie Verantwortung gegenüber dem Wirtschaftssystem stehen Normen zur VERMEIDUNG VON NEGATIVEN ENTWICKLUNGEN FÜR DIE JORDANISCHE WIRTSCHAFT und die jordanische Währung. Das Gesetz zu audiovisuellen Medien von 2002 fordert ganz allgemein, dass Lizenznehmer keine Beiträge senden dürfen, »die die Integrität der nationalen Wirtschaft und des nationalen Währungssystems gefährden könnten.« (AV-L02 §20o). Detaillierter geht das Gesetz zur Klassifizierung von Informationen vor: Als »streng geheim« und »nicht zur Veröffentlichung erlaubt« sind Informationen eingestuft, die Sicherheitsvorkehrungen in den Feldern Wirtschaft, Produktion, Beschaffung, Bau und Transport betreffen (SecrDoc-L §3b). »Vertraulich« sind Informationen über Orte, an denen sich neben militärischen auch ökonomisch wichtige Lager befinden (SecrDo-L §6b) und »beschränkt« sind schließlich Informationen, deren Veröffentlichung zu administrativen oder ökonomischen Problemen für das Land führen könnten (SecrDoc-L §8a). Schließlich gelten grundsätzlich Informationen als »beschränkt«, welche in Verbindung mit finanziellen oder ökonomischen Angelegenheiten stehen, es sei denn »die Offenlegung deren Kontext ist zulässig.« (SecrDoc-L §8b). Diese vage Formulierung öffnet Tür und Tor für willkürliche Anwendung gegen unliebsame Veröffentlichungen (vgl. IREX 2011: 43). Schließlich werden in der Präambel des HMCGesetzes den Medien Aufgaben zugeschrieben, die sie für das Land und die Gesellschaft erfüllen sollen. Dazu gehört auch, »Möglichkeiten für Investitionen zu eröffnen [und] eine moderne Industrie und ein wirtschaftlicher Stützfeiler mit der weitreichender Bedeutung zu sein« (HMC-L Präambel). Die meisten Texte, die die Vermeidung negativer Entwicklungen der jordanischen Wirtschaft fordern, erwarten auch die VERMEIDUNG NEGATIVER ENTWICKLUNGEN FÜR DIE JORDANISCHE WÄHRUNG, etwa das Gesetz zu audio-visuellen Medien von 2002 in §20o oder das Geheimdokumente-Gesetz in §8b. Einzig das Strafgesetz geht in §152 konkreter auf die Ursachen für »negative Auswirkungen« ein. Fakten oder Anschuldigungen, die veröffentlicht werden, »um den Wert der nationalen Währung zu minimieren oder das Vertrauen in alle Vermögen, die im Zusammenhang mit staatlichen Zahlungsmitteln und -verpflichtungen stehen, zu schwächen.«, können Gefängnisstrafen bis zu drei Jahren nach sich ziehen. Das Strafgesetz legt jedoch auch fest, dass inkorrekte Fakten oder Anschuldigungen »mutwillig« veröffentlicht werden müssen, um die in §152 festgelegten Sanktionen hervorzurufen. Der Verantwortungsbereich Wirtschaft nimmt nur einen untergeordneten Stellenwert ein. Dabei ist bemerkenswert, dass kein einziger Kodex diesen Verantwortungsbereich erwähnt. Die relativ geringe Bedeutung hat sich über die Jahre auch nicht verändert. In seiner Interpretation variieren die Textstellen im Jahr 2007 nicht wesentlich von denen im Jahr 1989. Während die Vermeidung von negativen Entwicklungen für die jordanische Wirtschaft und Währung durch journalistische Berichterstattung in Gesetzestexten nach 1989 durch das Gesetz zu audio-visuellen

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Medien bestätigt wird, tritt nur ein weiterer Aspekt hinzu: Die aktive Unterstützung der jordanischen Wirtschaft wird im HMC-Gesetz sowie im Gesetz zu audiovisuellen Medien gefordert. Damit wird die wirtschaftspolitische Priorität, die mit der Öffnung des Rundfunkmedienmarktes einhergeht, unterstrichen. Überspitzt formuliert ließe sich sagen, dass die Rundfunkmedien in der Verantwortung stehen, die jordanische Wirtschaft zu fördern. Gleichzeitig geht kein Text auf die Auswirkungen der Berichterstattung auf wirtschaftliche Entwicklung wie die Aktienmärkte ein. Dies zeugt von einem freizügigen, wenn nicht sogar naiven Umgang mit Wirtschaftsberichterstattung. Der nicht in der Analyse berücksichtigte Kodex der staatlichen Nachrichtenagentur Petra ruft Journalisten dazu auf, eine Verzerrung des Wettbewerbs aufgrund persönlicher Vorteilnahme durch die Vorabnutzung von Wirtschaftsdaten zu vermeiden (Petra-C §5f) und tastet sich damit erstmals an diesen Aspekt der Verantwortung gegenüber dem Wirtschaftssystem heran. Weitere Normen, die in diese Richtung weisen, sind allerdings nicht auszumachen, weshalb der Aspekt nach wie vor als randständig und lediglich für die königliche Transformationsstrategie als relevant zu betrachten ist. Göttliche Instanz Vier Texte benennen explizit eine Verantwortung gegenüber Gott oder einem Religionsstifter. Während das HMC-Gesetz den Glauben an Gott als grundlegendes Prinzip der jordanischen Medien benennt (HMC-L §7a), verbietet das Gesetz zu audio-visuellen Medien von 2002 Programme, die einen Angriff gegen Gott darstellen (AV-L §6a). Im PPL §38b und im Strafgesetz §273 wird eine Verantwortung gegenüber Religionsstiftern erwartet. Sowohl das PPL als auch die anderen Texte wählen eine religionsoffene Formulierung, die einen Schutz von »Religionsgründern oder Propheten« fordert. Das besondere an diesen Textstellen ist, dass sie nicht unmittelbar in den Kontext zu gesellschaftlichem Frieden gesetzt werden. Hier kann tatsächlich eine direkte Verantwortung gegenüber Gott bzw. dem Propheten Mohammad oder Jesus abgelesen werden. Der Bereich der Verantwortung gegenüber Gott oder einem Propheten ist verschwindend gering ausgeprägt. Dies steht den gesellschaftlichen Debatten der letzten Jahre (z.B. die Kampagne »Der Prophet Allahs vereinige uns!« einiger Journalisten oder verschiedene Fälle, in denen Journalisten verurteilt wurden) entgegen. Möglicherweise sind aber genau diese Debatten auch ein Grund, warum Gesetzestexte überhaupt eine Verantwortung gegenüber Gott fordern müssen. Bis zum Jahr 2002, der Verabschiedung des Gesetzes zu audio-visuellen Medien, wurde eine solche nämlich gar nicht gefordert. Eine besondere Verantwortung gegenüber Gott oder den Propheten erwarten die Texte aus feldinternen Transformationsversuchen jedenfalls nicht.

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Profession Die Verantwortung gegenüber dem eigenen Berufsstand erfordert laut einiger Texte eine besondere KOOPERATION UNTER DEN KOLLEGEN, allerdings mit unterschiedlichen Zielrichtungen: Das JPA-Gesetz fordert kooperatives Verhalten zur »Verbesserung der Professionalität« (JPA-L §4d), der HMC-Kodex erwartet sich davon eine »Sicherung« der Professionalität (HMC-C §V(4)). Ob das Ziel lautet, die journalistische Tradition im Lande hochzuhalten oder zu verbessern, beide sehen den zielführenden Weg in einer Kooperation und einem Zusammenstehen. Dazu gehört auch, dass Probleme und Konflikte in kollegialer Weise geregelt werden sollen. Der AmmanNet-Kodex beispielsweise fordert, dass »ich Mitarbeitern, die moralische Einwände erheben, gut zuhöre, um eine Atmosphäre zu schaffen, die zu Diskussionen ermutigt« (AmmanNet-C §VI(6)). Auch das JPA-Gesetz erwartet von Journalisten, dass sie berufsbezogene Konflikte selbst lösen (JPA-L §4d, §42e). Um dieser Erwartung Nachdruck zu verleihen, fordert das JPA-Gesetz den Aufbau einer verbandsinternen Sanktionsmacht, den Disziplinarrat. Gleichzeitig appelliert es an die Geschlossenheit des Berufsstandes, externe Einflüsse möglichst gering zu halten und stattdessen Konfliktlösung selbst in die Hand zu nehmen. Eine Interpretation, die in eine ähnliche Richtung weist, ist die Forderung nach Unabhängigkeit des Berufsstandes auch gegenüber journalismusinternen Einflussversuchen, die sich aber lediglich im AmmanNet-Kodex mit drei Normen findet. Zum einen fordert der Kodex ein Standhalten gegen kollegiale Intervention, zum anderen gegen Einflussversuche durch Vorgesetzte oder Medienunternehmer. Gleichzeitig sollen Journalisten, das eigene Eingreifen in die Arbeit von Kollegen unterlassen. Schließlich soll kooperatives Verhalten auch das Ansehen des Berufsstandes und des Journalistenverbandes wahren. JPA-Gesetz und JPA-Kodex verwenden hier eine fast identische Formulierung, nach der Journalisten sich so verhalten sollen, dass sie nicht das Ansehen des Berufs oder des Journalistenverbands schädigen (JPA-L §42d; JPA-C §2b). Nur im JPA-Gesetz taucht die Norm auf, Solidarisierung und Kooperation mit Berufskollegen in anderen arabischen Ländern zu üben. Ein Großteil der Normen, die Verantwortung gegenüber der Profession fordern, bezieht sich auf die Forderung nach EINHALTUNG VON PROFESSIONELLEN REGELN in Gesetzen und Kodizes. Lediglich der JPA-Kodex verpflichtet Journalisten zur Einhaltung der Regeln des JPA-Gesetzes (JPA-C §1h) und verbietet das Zuwiderhandeln gegen Gesetze und Regularien, die den Beruf betreffen (JPA-C §2a, §2e). Dahingegen verpflichten mehrere Texte zur Einhaltung professioneller Regeln in Form von Kodizes. Daneben fordert der AmmanNet-Kodex im Absatz Verantwortung, die »Weiterverbreitung der Regeln« und die »Schaffung eines Raumes für die Praktizierung der Regeln« und somit eine aktive Verantwortung gegenüber der Formung einer Profession. Vor allem das Urheberschutzgesetz trägt dazu bei, die Verantwortung gegenüber dem GEISTIGEN EIGENTUM DER KOLLEGEN stärken zu wollen. Zwar werden die

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Normen dort als allgemein gültig formuliert, können bzw. müssen deshalb aber auch für die Mitglieder des Berufsstandes gelten. So besagen die Bestimmungen, dass der Schutz des geistigen Eigentums Werke beinhalten soll, die in Form von Text, Ton, Zeichnungen, Fotografien oder bewegten Bildern vorliegen (CopyR-L §382). In weiteren Paragraphen wird ausgeführt, welche Teile wie geschützt sind. An einigen Stellen werden explizit Nachrichtenmedien erwähnt, etwa in §18, der besagt, dass Zeitungen und Zeitschriften das Recht haben, Beiträge aus anderen Zeitungen zu reproduzieren unter der Bedingung, dass die ursprünglich verbreitende Medienorganisation dies nicht verboten hat und der Name des Autors genannt wird. Für Fernsehbeiträge wird ein Urheberschutz für 50 Jahre eingeräumt, für Fotos 25 Jahre (CopyR-L §31(1), §32(1)). Im Gesetz zu audio-visuellen Medien, im PPL und im HMC-Kodex wird an diese Regelungen erinnert und an die Achtung des Urheberrechts appelliert (AV-L02 §20k; AV-L03 §6b; PP-L §36b; HMC-C §III(6)). Eine explizit auf die Kollegen gerichtete Verantwortung wird im AmmanNet-Kodex genannt. Er fordert, dass »ich kein Medienmaterial anderer [Kollegen] stehle«, »ich die Informationsquelle deutlich offenbare und auf alle Inhalte, die anderen Massenmedien entnommen sind, hinweise« und »die erneute Ausstrahlung eines Programms eines anderen Senders nur mit dessen Genehmigung ermögliche.« (AmmanNet-C IIB(3); IIA(3); IVA(7)) Alle Normen der Kategorie Verantwortung gegenüber der Profession gehen auf Texte zurück, die nach 1989 entstanden sind. Lediglich das JPA-Gesetz führte bereits zwischen 1989 und 1999 Aspekte dieser Norm ein, die sich auf das Ansehen des Berufsstandes, die Solidarisierung mit Kollegen in der ganzen Welt und die Einhaltung professioneller Regeln beziehen. Der Aspekt der Achtung des geistigen Eigentums von Kollegen wird erstmals nach 1999 erwähnt und von allen Transformationsstrategien eingefordert. Das JPA-Gesetz spielt trotz der relativ geringen Anzahl an Kodifizierung dennoch eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Verantwortung gegenüber der Profession. Es bringt nämlich erstmals Normen auf, die eine Selbstregulierung zum Schutz der Profession fordern. Es führt überhaupt erst den Begriff der Profession ein, die eine abgeschlossene und solidarische Gruppe sein soll. Damit legt das Gesetz den Grundstein für eine feldinterne Regulierung, die zwar nicht unbedingt autonome Züge annimmt, aber die Idee der Selbstregulierung für andere Texte aufgreifbar macht. So sehen etwa alle Kodizes Kooperation innerhalb des Berufsstandes entweder als Mittel zur Qualitätssicherung oder zu größerer Unabhängigkeit. Einmal vom Schutz geistigen Eigentums der Kollegen abgesehen, unterstreichen alle Normen, dass die Kategorie Verantwortung gegenüber der Profession ein feldinternes Thema ist. In den meisten Fällen stammen die Normen von Akteuren aus dem Feld selbst und werden von diesen auch beobachtet und ggf. sanktioniert.

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Journalistische Quellen Die Verantwortung gegenüber den journalistischen Quellen zeigt sich in drei Unterkategorien. Am deutlichsten in den Gesetzen verankert ist der QUELLENSCHUTZ. Das PPL garantiert den Schutz der Quellen bis zu dessen Aufhebung durch ein Gericht zugunsten des Schutzes der Staatsicherheit, der Kriminalitätsprävention oder zur Durchsetzung von anderen Gesetzen (PP-L §6d). In einem weiteren Paragraphen bestätigt das PPL den Quellenschutz noch einmal, indem es Druck auf Journalisten zur Herausgabe von Quellen verbietet (§8d). Laut JPA-Gesetz muss der Journalist sich sogar dazu verpflichten, die Quellen geheim zu halten (JPA-L §43), was einem Transparenzgebot zuwiderläuft. Der Kodex des Journalistenverbandes schlägt die gleiche Richtung ein. Er fordert zwar eine Verifizierung der Informationen von einer Quelle, verpflichtet den Journalisten aber ebenfalls zur Geheimhaltung der Quelle (JPA-C §1a). AmmanNet fordert einen Quellenschutz nur in zwei bestimmten Fällen: »Wenn es um das Einholen oder Übermitteln von wichtigen Nachrichten von öffentlichem Interesse geht oder wenn die Sammlung oder Verbreitung dieser wichtigen Information der Quelle Schaden zufügen könnten. In diesem Fall ist es Pflicht, die geheime Quelle zu schützen.« (AmmanNet-C §IVa(1)) Der Fokus von AmmanNet liegt also auf der Bekanntgabe der Quellen und nimmt damit eine einzigartige Position innerhalb der Texte ein. Die Fokussierung auf die Transparenznorm im Zusammenhang mit Quellen unterstreicht die Gesamtausrichtung AmmanNets zu einer stärkeren Verantwortung gegenüber dem Publikum. Die Verantwortung gegenüber der Quelle liegt bei AmmanNet deshalb nicht in der Geheimhaltung sondern in der korrekten Wiedergabe. Als Folge der einseitigen Ausrichtung der anderen Texte auf den Quellenschutz gibt es bei ihnen keine Normen, die eine KORREKTE WIEDERGABE VON QUELLEN, d.h. zum Beispiel korrekte Zitation fordern. Der Kodex und das Gesetz des JPA fordern zwar die Prüfung der Informationen aus einer Quelle, was jedoch nicht auf eine Verantwortung gegenüber der Quelle schließen lässt, sondern entweder gegenüber der eigenen Profession oder dem Publikum. Diese Praxis schließt nämlich nicht zwingend ein, dass Quellen genannt oder diese korrekt wiedergegeben werden. Unterscheidet man Quellen nach persönlichen Informationsgebern und medial vermittelten Informationen, so weist ein weiterer Text auf die korrekte Wiedergabe hin. Das Urheberschutzgesetz bestimmt in drei Paragraphen, dass die Verwendung von Informationen aus anderen Werken dann gestattet ist, wenn der ursprüngliche Autor, also die Quelle, genannt wird. Die Nennung der Quelle wird für die in Jordanien weit verbreitete Praxis der Zweitverwertung fremder journalistischer Beiträge auf der eigenen Nachrichtenwebsite durch das Urheberschutzgesetz gefordert: »[…] alle Zeitungen dürfen Beiträge bringen, die in anderen Zeitungen im Zusammenhang mit politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Informationen stehen und die öffentliche Meinung widerspiegeln, es sei denn die andere Zeitung hat dies explizit verboten. In alle Fällen muss die Quelle genannt werden, von woher der Bei-

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trag stammt.« (CopyR-L §18) Auch dieser Norm liegt ein Quellenschutz zugrunde, der nicht die Geheimhaltung, sondern die Offenlegung in den Vordergrund stellt. Eine dritte Kategorie der Verantwortung gegenüber Quellen besteht im persönlichen UMGANG ZWISCHEN JOURNALIST UND QUELLE. Der JPA-Kodex fordert in §1a »Fairness« im Umgang mit Quellen, ohne dies weiter auszudifferenzieren. Unrechtmäßigen Umgang mit Quellen zu verhindern, erwartet nur der AmmanNetKodex. Er priorisiert allerdings auch das öffentliche Interesse vor dem »fairen« Umgang mit Quellen, denn er erlaubt »geheime Techniken wie versteckte Kameras oder Mikrofone für die Sammlung von Nachrichten nur [zu benutzen], wenn es keinen anderen Weg gibt, eine für die Öffentlichkeit wichtige Nachricht zu beschaffen und nur, wenn der öffentliche Nutzen, der (den Einsatz) geheimer Technik (rechtfertigt), erklärt wird.« (AmmanNet-C §IVa(6)) Die Verantwortung gegenüber den journalistischen Quellen bestand bis 1999 lediglich in dem Recht der Geheimhaltung (JPA-L) und hat sich seither um den Aspekt des Umgangs mit Quellen und der korrekten Wiedergabe von Quellen erweitert. Diese Entwicklung muss als teilweise Erweiterung des bis 1999 bestehenden normativen Referenzrahmens betrachtet werden. Lediglich AmmanNet fordert die korrekte Wiedergabe und plädiert für ein Primat der Offenlegung. Die anderen Texte formulieren weiterhin die Geheimhaltung als wesentlichen Bestandteil der Verantwortung gegenüber der Quelle. Nur AmmanNet vertritt einen offensiven Umgang mit Quellen in direkten Beziehungen zu ihnen. Diese Art des Umgangs impliziert auch den verdeckten Zugang zu Informationen, für welchen der Kodex wiederum Regeln für verantwortliches Handeln aufstellt. Ein weitreichender Wandel ist aufgrund dieses Alleinstellungsmerkmals bei AmmanNet auf der Grundlage explizierter Normen nicht zu konstatieren. Allerdings nehmen zwei weitere nach 2007 verfasste Kodizes, die nicht in die hier vorliegende Textanalyse eingeflossen sind, Stellung zum Umgang mit Quellen. Der Kodex der Nachrichtenagentur Petra verbietet grundsätzlich »nicht in den Besitz von Informationen oder Bildern zu gelangen, indem eingeschüchtert, schikaniert, verfolgt oder sich für jemand anderes ausgegeben wird, um Informationen zu erlangen.« Der Kodex der Nachrichtenwebsite Ammonnews verpflichtet sich darauf, Quelleninformationen fair zu diskutieren, »ohne ihren (Urheber) Verfasser zu beleidigen, verächtlich zu machen oder gering zu schätzen« (Ammonnews-C §2(2)). Dies gilt sowohl für Journalisten als auch für Beiträge von Nutzern. Möglicherweise hat hier der AmmanNet-Kodex Impulse für neue Normen in Bezug auf die Verantwortung gegenüber den Quellen gesetzt, die von nachfolgenden Kodizes aufgegriffen wurden. Objekte der Berichterstattung Die Verantwortung gegenüber den Objekten der Berichterstattung erfordert in bestimmten Fällen einen SONDERSCHUTZ. Die Kodizes von HMC und AmmanNet verlangen einen besonders sensiblen Umgang mit Beiträgen, in die Kinder invol-

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viert sind. AmmanNet sieht die Notwendigkeit, »ihre Persönlichkeit noch besser zu schützen als die der Erwachsenen« (AmmanNet-C §III(2)). Neben dem allgemeinen Persönlichkeitsschutz fordert der HMC-Kodex in §V(3) »Respekt für die Rechte und die Ehre der Frau, des Jugendlichen, des Kindes, des Senioren und desjenigen mit besonderen Bedürfnissen«. Diese Formulierung ist höchst unklar, denn es wird nicht begründet, warum ausgerechnet die genannten Personen einen besonderen Ehrschutz benötigen. Weiterhin fordert der HMC-Kodex, dass die genannten Personengruppen besonders in der Programmgestaltung berücksichtig werden. Diese Regel geht über den besonderen Schutz hinaus und muss als Bevorzugung oder positive Diskriminierung betrachtet werden. Positiv betrachtet kann sie auch als Forderung nach mehr Repräsentation der genannten Personen in der Berichterstattung gedeutet werden. Eine weitere Gruppe, die im AmmanNet-Kodex und HMCKodex besonderen Schutz genießt, umfasst Kranke und Opfer von Verbrechen oder Terrorismus. Hier fordert der AmmanNet-Kodex eine Bevorzugung, denn er verlangt von Journalisten, »eine besondere Sympathie mit Opfern von Kriminalität oder Tragödien zu zeigen« (AmmanNet-C §III(1)). Der HMC-Kodex bleibt auch hier in einer Begrifflichkeit sehr vage, wenn er fordert, dass Menschen mit persönlichen Unglücken eines Sonderschutzes bedürfen. Einen besonderen Schutz genießen in einigen Texten auch die Beteiligten in Gerichtsverfahren. Sowohl den Angeklagten als auch den Klägern wird in unterschiedlich konkreter Weise ein Schutz zugesprochen. Für beide Gruppen wird sowohl Respekt gegenüber der individuellen Ehre als auch der Ehre der Familie gefordert, wie der Kodex des JPA verdeutlicht: »Respektiere den Ruf von Familien und Individuen und respektiere das Leben der Bürger.« (JPA-C §1g) Das PPL schränkt darüber hinaus die Freiheit der Medien, über Gerichtsverfahren zu berichten in dem Fall ein, wenn »die Rechte des Individuums, der Familie, der Öffentlichkeit oder der öffentlichen Moral« gewahrt bleiben sollen (PP-L §40c). Während der individuelle und familiäre Ehrschutz der beiden Parteien durchaus in vielen Ländern üblich ist, öffnet der Schutz der Öffentlichkeit und der öffentlichen Moral Tür und Tor für die Erzwingung Regimefreundlicher Berichterstattung oder willkürlicher Publikationsverbote. Der HMCKodex wird sehr konkret, da er beschreibt, wie der Schutz aussehen soll: »Verzicht auf das Zeigen von Nahaufnahmen von Angeklagten, Kriminellen, Verurteilten oder ihren Verwandten sowie Verzicht auf die Bekanntgabe ihrer Identität« (HMCC §IV(13)). Neben einer eher vagen Aufforderungen »das Recht des Angeklagten auf einen fairen Prozess zu respektieren« (AmmanNet-C §III(6)), fordert der Kodex von AmmanNet auch ein Kontaktverbot zu Personen, die an Gewalttaten beteiligt sind oder waren (AmmanNet-C §IVa(4)). Eine weitere wichtige Norm im Bereich der Verantwortung gegenüber den Berichterstattungsobjekten ist der EHR- UND PERSÖNLICHKEITSSCHUTZ. In einigen Texten taucht der »Schutz des privaten Lebens« auf (PPL §4; HMC-C §V(2)). AmmanNet relativiert den Schutz des Privatlebens im Zusammenhang mit dem öffent-

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lichen Interesse. Auf die »Beobachtung von Ereignissen und Personen« sollen Journalisten verzichten, wenn »sie keine Relevanz für die Nachrichtengeschichte besitzen, nicht in den Kontext der Nachricht passen oder nicht dem öffentlichen Interesse dienen« (AmmanNet-C §IVa(3)). Das Informationszugangsgesetz sieht einen besonderen Schutz persönlicher Daten vor. Die Herausgabe von Daten, die Informationen über »persönliche Bildung, die Gesundheit, die Dienstakte, die finanzielle Situation, Banktransfers oder berufliche Geheimnisse« beinhalten (AtI-L §138e), ist verboten. Ebenso dürfen Dokumente (Briefe, Telefonnotizen, E-Mails) nicht herausgegeben werden, wenn sie persönliche Informationen enthalten (AtI-L §13f). Einen großen Teil der Normen zur Verantwortung gegenüber Ehre und Privatheit leistet das Strafgesetz. Im deutschen Strafgesetzbuch15 ist die Rede von »ehrenrührigen Tatsachenbehauptungen«, die Behauptung von Tatsachen voraussetzt, während für den Tatbestand der Beleidigung auch die Verbreitung von Meinungen und Werturteilen ausreicht (Branahl 2006: 96). Diese Unterscheidung findet auch im jordanischen Strafgesetz statt, ebenso wie die Unterscheidung zwischen »Verleumdung« (Penal-L §192(3)) (wissentlich falsche Tatsachenbehauptung) und »Übler Nachrede« (Penal-L §192(1), §192(2)) (unwissentlich falsche Tatsachenbehauptung). Der ›Beweis der Wahrheit‹ der getätigten Behauptungen kann Journalisten vom Straftatbestand der üblen Nachrede entlasten, allerdings nur, wenn es sich um Beamte oder offizielle Personen handelt, deren berufliches Handeln im Zentrum der ehrenrührigen Tatsachenbehauptung liegt. Für Privatpersonen besteht also ein umfassender Schutz vor Verletzungen der Ehre, der sogar dann gilt, wenn die Tatsachen sich als wahr erweisen. Fundamental unterscheidet sich das jordanische Recht zum Ehrschutz darin, dass Meinungen und Werturteile keinem besonderen Schutz unterliegen. Es gibt zwei Fälle, in denen der Ehrschutz durch Beleidigungsverbot aufgeweicht wird: Beamte und Offizielle müssen, wenn die Meinungen sich auf ihr amtliches Handeln beziehen, mehr akzeptieren als Privatpersonen. Allerdings müssen Beweise vorliegen, die eine bestimmte Meinung rechtfertigen. Damit wird der Unterschied zwischen Tatsache und Meinung – wie er im deutschen Strafgesetz existiert – aufgeweicht. Eine solche Beweislast betrifft auch Äußerungen, die sich auf vermeintliche Straftaten von Privatpersonen beziehen, deren Ehrschutz – sollte die Verwicklung in eine Straftat zutreffen – eingeschränkt ist (Penal-L §188). Berichterstattungsobjekte sind also auf unterschiedliche Weise vor Ehrverletzungen geschützt. Der Schutz für Privatpersonen ist höher als der für Beamte und Offizielle. Dass sich ein öffentliches Interesse auch auf Privatpersonen, beispielsweise

15 Im deutschen StgB §185 Beleidigung (libel), §186 Üble Nachrede (defamation), §187 Verleumdung (slander).

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Unternehmer beziehen könnte, wird nicht eingeschlossen.16 Das Recht am eigenen Bild als Ehrschutz wird einzig vom Urheberschutzgesetz expliziert, in dem es heißt: »Die Person, die ein Foto gemacht hat, darf weder das Originalbild noch Kopien davon zeigen, publizieren oder verbreiten, ohne die Zustimmung des auf dem Bild Abgebildeten.« (CopyR-L §25) In jedem Fall ist vorher zu beurteilen, ob das Bild die Ehre und Würde des Abgebildeten verletzt. Die Einwilligung der abgebildeten Personen gilt also als erste Regel und der Schutz der Ehre wird hoch gehalten. Ausnahmen sind jedoch erlaubt. So dürfen öffentliche Szenen und Personen der Öffentlichkeit auch ohne Einwilligung der dort Abgebildeten veröffentlicht werden. Das RECHT AUF RICHTIGSTELLUNG taucht in zwei unterschiedlichen Protonormen auf: als Norm für Wahrheitsfindung und als Interpretation von Verantwortung gegenüber journalistischen Berichterstattungsobjekten. Journalisten sollen das Recht auf Widerspruch bei falscher Darstellung derjenigen, über die sie berichten, respektieren. Das PPL verpflichtet den Chefredakteur zu einer kostenlosen Veröffentlichung der Richtigstellung (PPL §27a). Die Kodizes von HMC und JPA unterstreichen die Verpflichtung zur Richtigstellung und stellen sich somit hinter die Verantwortung der Berichterstattungsobjekte. Eine Entschuldigung wird in keinem Text gefordert.17 Die Verantwortung gegenüber dem Berichterstattungsobjekt existierte vor 1989 in Form des Ehr- und Privatschutzes. Die Aspekte eines Sonderschutzes für bestimmte Mitglieder der Gesellschaft sowie das Recht auf Richtigstellung tauchen hingegen erst nach 1999 in Texten auf. Die Bedeutung des Ehr- und Privatschutzes erfährt nach 1999 eine Unterstreichung, indem die Forderungen aus dem Strafgesetz zum Schutz vor Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede in mehreren Kodizes und Gesetzen erneut aufgegriffen werden. Es sind auch die Kodizes und somit die feldinternen Akteure, die den besonderen Schutz des Privatlebens hervorheben und damit den Ehr- und Privatschutz weiter stützen. Für die Unterkategorie des Ehr- und Privatschutzes hat keine weitreichende Ausdifferenzierung stattgefunden. Eine grundsätzlich veränderte Perspektive stellt hingegen das Recht auf Richtigstellung dar, das impliziert, dass die Darstellungen der Journalisten nicht unfehlbar und nicht unanfechtbar sind. Das Recht auf Richtigstellung wurde vor allem durch die Einbeziehung feldinterner Akteure in den Normensetzungsprozess untermauert. Interessanterweise setzt sich nur das Urheberschutzgesetz explizit mit dem Umgang von Abbildungen von Personen auseinander und bringt damit ebenfalls einen neuen Aspekt in die Diskussion. Eine Stärkung der Verantwortung gegenüber

16 Verleumdung und Beleidigung stellen die größte Zahl an Anklagen gegen Journalisten in Jordanien dar (IREX 2011: 38). 17 Der nicht in die Analyse eingegangene Kodex von Ammonnews fordert auch eine Entschuldigung bei den falsch Dargestellten.

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den Berichterstattungsobjekten spricht aber vor allem aus den Regelungen zum Sonderschutz. Der besonders sensible Umgang mit Beteiligten in Gerichtsverfahren wird an vielen Stellen betont.

3. W AHRHEIT : Z WISCHEN S UCHE

UND

V ERKÜNDUNG

In der Zeit zwischen 1999 und 2007 hat innerhalb der Protonorm Wahrheit eine enorme Ausdifferenzierung stattgefunden. Die Kategorien Neutralität, Richtigstellung, Sorgfalt und Transparenz als Variationen von Wahrheitssuche und kommunikation gehen alle auf Normensetzungen nach 1999 zurück. Lediglich Ausgewogenheit, Belegbarkeit und Kontextualisierung wurden bereits von Texten vor 1999 bedient. In der folgenden Beschreibung dieser Kategorien wird deshalb vor allem auf die Ausdifferenzierung und Verortung nach 1999 näher einzugehen sein. Ausgewogenheit Die Oberkategorie Ausgewogenheit lässt sich durch Normen in zwei Unterkategorien beschreiben: Darstellung verschiedener Meinungen und Ansichten sowie Vermeidung von Übertreibung und Sensationalisierung. Die Normen zur DARSTELLUNG VERSCHIEDENER MEINUNGEN UND ANSICHTEN werden in den Texten sehr unterschiedlich formuliert. Im AmmanNet-Kodex wird auf die »vielfältigen Ansichten und Ideen« eingegangen, die aufgeführt werden sollen. Dies spricht für einen Pluralismus an Meinungen und soll einen einseitigen Meinungsjournalismus vorbeugen helfen. Die Berücksichtigung unterschiedlicher Stimmen und Ideen wird auch vom Gesetz zu audio-visuellen Medien und vom HMC-Gesetz aufgeführt, steht bei beiden jedoch in enger Verbindung mit der nationalen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung (AV-L §20l; HMC-L §7h). Beide setzen einen starken Akzent auf die Berücksichtigung des Pluralismus mit Bezug auf alle gesellschaftlichen Gruppen. Dies bestätigt die Forderung nach Verantwortung gegenüber einer fragmentierten Gesellschaft Jordaniens und appelliert indirekt an die innere Sicherheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Gleichzeitig plädieren sowohl der HMC-Kodex als auch das Gesetz zu audio-visuellen Medien für einen Pluralismus als Teil der Meinungsfreiheit und für die Herstellung von Glaubwürdigkeit und Professionalität (HMC-C §IV(1); AV-L §20l). Der CDFJKodex rekurriert auf die Darstellung vielfältiger Meinungen im Kontext von Unabhängigkeit. Dahinter steht die Erwartung, dass die Darstellung unterschiedlicher Meinungen vor der Dominanz politischer oder ökonomischer Interessen der Journalisten schütze. Ausgewogenheit wird hier im Sinne von gleicher Berücksichtigung aller involvierten Parteien gesehen. Vor dem Hintergrund der Vermeidung von Ein-

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seitigkeit und Beeinflussbarkeit durch die politischen Akteure geht es dem Kodex darum, eine Kontrollfunktion der Medien mit einer umfassenden Informierung des Wählers zu gewährleisten, zu der eben auch die Darstellung unterschiedlicher Meinungen gehört (CDFJ-C §2). Einen weiteren Aspekt wirft das Presse- und Publikationsgesetz auf. Es fordert die Berücksichtigung »unterschiedlicher Quellen« (PP-L §6c) bei der journalistischen Produktion, die »analysiert, verbreitet, publiziert und kommentiert« werden sollen. Quellen werden dabei allerdings vor allem als schriftliche Quellen interpretiert und verweisen deshalb auf eine Orientierung an der Belegbarkeit, wie sie im Strafgesetz vertreten wird. Diese Fokussierung auf Schriftlichkeit bevorzugt auch die von staatlicher Seite besser steuerbaren Quellen. Das PPL scheint die Darstellung verschiedener Meinungen dann erfüllt zu sehen, wenn die »offizielle« Meinung vertreten ist. Die zweite Unterkategorie von Ausgewogenheit ist VERMEIDEN VON ÜBERTREIBUNG UND SENSATIONALISIERUNG, die von allen Ethikkodizes außer dem des CDFJ bedient wird. Unter den Gesetzen sticht das Strafgesetz mit drei Normen hervor, die Übertreibung als »exagerated news« mit Falschinformationen gleichsetzen (Penal-L §131(1), §133(2), §132(1), §132(2)). Als solche sind sie strafbar, wenn sie »möglicherweise die nationale Moral« schwächen, das »Image des Staates« schädigen oder sich gegen die Königsfamilie richten. Hier wird zwar auf die Wirkung Bezug genommen, aber nicht daran beurteilt. Es heißt nicht, dass die Strafe erfolgt, wenn die Nachricht die genannten Wirkungen gezeigt haben. Die Strafe erfolgt bereits, wenn die Nachrichten möglicherweise ihre Wirkung entfalten. Da nach dem Strafgesetz all jene Informationen als falsch gelten, die nicht belegt werden können, wird Übertreibung in den Kontext fehlender Belegbarkeit gerückt. Relativiert werden die Bestimmungen zur Übertreibung dadurch, dass sie eine falsche oder übertriebene Nachricht nur dann unter Strafe stellen, wenn sie »wissentlich« verbreitet wurden. Die Normen berücksichtigen somit zwar die Belegbarkeit der Informationen, aber auch die Intention des Verbreiters. Auch der JPA-Kodex setzt Sensationalisierung mit falschen und übertriebenen Informationen gleich (JPA-C §2g). Sowohl im Strafgesetz als auch im JPA-Kodex wird Übertreibung vor allem als Bedrohung der inneren Sicherheit gesehen. Der JPA spricht beispielsweise von »provozieren« und »reizen« und das Strafgesetz benennt explizit die »nationale Moral« die unter übertriebener Berichterstattung geschädigt werden könne. Darüber hinaus verwahren sich der Kodex von JPA sowie der von AmmanNet gegen eine unberechtigte Personalisierung, die dazu geneigt ist, Persönlichkeitsverletzungen zu erzeugen (JPA-L §1g, §2g; AmmanNet-C §IVa(3)). In beiden Texten steht die Vermeidung von Übertreibung erneut im Kontext der gesellschaftlichen Verantwortung, wenn auch nicht gegenüber dem Staat, sondern gegenüber den Berichterstattungsobjekten. Besonders AmmanNet weist einige weitere Normen zur Vermeidung von Übertreibung und Sensationalisierung auf. So wird eine Dominanz von Ästhetik und Technik gegenüber Inhalten abgelehnt. Um eine Verwechslung zwischen technischem

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Knowhow und journalistischem Handwerk zu vermeiden, wird eine Ausgewogenheit zwischen technischen Möglichkeiten, Ästhetik und Inhalten gefordert (AmmanNet-C §4a(5)). Weiterhin setzt der Kodex Übertreibung mit Vereinfachung gleich, die sich im Gegensatz zu einer komplexen und pluralistischen Realität befinde. Verzerrung ist somit das Gegenkonzept von realitätsgetreuer Abbildung von Ereignissen. Nur eine einzige Norm existierte 1989 in der Kategorie Ausgewogenheit, nämlich die Forderung, Übertreibung und Sensationalisierung in der Berichterstattung zu unterlassen. Das Strafgesetz betrachtete dabei Übertreibung als Falschinformation und somit als einen Verstoß gegen die Kommunikation der Wahrheit. Diese Norm wurde nach 1989 lediglich einmal durch den JPA-Kodex unterstrichen. Darüber hinaus gibt es noch die Normen des AmmanNet-Kodex, die dazu auffordern, von Sensationalisierung als Persönlichkeitsverletzung, als Simplifizierung oder als Ästhetikdominanz Abstand zu nehmen. Damit zeigt sich, dass der normative Referenzrahmen hier lediglich von einem feldinternen Transformationsversuch ergänzt wird, insgesamt aber eine marginale Stellung einnimmt. Die Kategorie Darstellung verschiedener Meinungen als Teil der Oberkategorie Ausgewogenheit wird vor allem von Regime-kontrollierten Transformationsversuchen ausdifferenziert. Die Forderung nach ausgewogener Berichterstattung muss insgesamt als eine Kategorie betrachtet werden, die Wahrheit als eine Form der Kommunikation und Darstellung betrachtet. In den Normen zur Darstellung verschiedener Meinung kommt insgesamt also eine Auffassung von Wahrheit zum Ausdruck, die aufgrund der Existenz verschiedener Meinungen zutage tritt. Aus diesem Grund ist hier besonders bedeutsam, welche Meinungen dargestellt werden sollen. Dazu macht jedoch lediglich das PPL eine Aussage, indem es die »offizielle« Meinung, d.h. die der Behörden und Ministerien als unbedingt darzustellende erwähnt. Die beiden Texte, Gesetz zu audio-visuellen Medien und HMC-Kodex, erweitern diese Perspektive auf alle Meinungen, ohne jedoch zu präzisieren, welche gemeint sind. In allen anderen Fällen wird die Darstellung verschiedener Meinungen eher in einer abwehrenden Form verwandt, also nicht zur Darstellung von Wahrheit, sondern zur Verhinderung von Unwahrheiten, etwa im CDFJ- oder im AmmanNet-Kodex. Belegbarkeit In der Kategorie Belegbarkeit lassen sich ebenfalls zwei Unterkategorien unterscheiden: die Forderung nach Veröffentlichung wahrer Informationen und nach der Nennung von Quellen. Die Normen zur VERÖFFENTLICHUNG WAHRER INFORMATIONEN sind vor allem im Strafgesetz zu finden, was daran liegt, dass das Strafgesetz eine klare Unterscheidung zwischen »wahren« und »falschen« Informationen kennt. In vielen Normen werden »falsche« und »übertriebene« Informationen als Vergehen gegen das Gesetz betrachtet (z.B. Penal-L §131, §132, §152, §192, §195, §198). Gleichzeitig gewährt das Gesetz Straffreiheit, wenn die angeklagten Journa-

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listen ihre Informationen als wahr, d.h. richtig beweisen können. Das Gesetz gibt sogar konkrete Situationen an, in denen von einer Klage abzusehen ist, weil die Informationen aufgrund bestimmter Umstände bereits als belegbar und damit »wahr« gelten. Zu diesen Umständen gehört eine schriftliche oder mündliche öffentliche Äußerung im Parlament, vor Gericht oder in einer Publikation. Liegt eine dieser Situationen vor, so ist es sogar egal, ob diese Äußerungen richtig oder falsch war, ob die Veröffentlichung derselben mit guten oder schlechten Absichten geschieht. Damit wird zum einen die Unterscheidung zwischen richtiger und falscher Aussage relativiert und zum anderen die sonst im Gesetz relevante Absicht (z.B. Penal-L §131(1) »wissentlich«, §152 »mit dem Ziel zu schwächen«, §195(1)a »wagen zu beleidigen«) des Autors außer Kraft gesetzt. Allerdings gibt es auch klare Einschränkungen, die auf die Belegbarkeit von Aussagen wirken. Die Umstände, unter denen diese Einschränkungen stattfinden, werden im Strafgesetz aufgezeigt und zeichnen ein verwirrendes Bild von der Belegbarkeit als Mittel der Wahrheitsartikulation: Es gibt Fälle, in denen »wahre« Informationen nicht verbreitet und andere, in denen unwahre Informationen trotzdem weiterverbreitet werden dürfen. Diese Konstellation stellt einen potentiellen Widerspruch im Normenkontext dar, dem andere Texte dadurch entgehen, dass sie wie das PPL und der JPA-Kodex lediglich eine Verbreitung »wahrer« Informationen fordern: »[Der Journalist soll davon Abstand nehmen,] falsche Daten oder Informationen zu publizieren.« (JPA-C §2h) Allerdings gesteht der JPA-Kodex im Gegensatz zu den beiden Gesetzestexten die Möglichkeit zu, Informationen, so sie denn »falsch« sind, zu korrigieren. Damit ergänzt der Kodex die Interpretation des Wahrheitsbegriffs durch die Möglichkeit, sich durch Korrektur der Wahrheit anzunähern. Im Gegensatz zu den zuvor genannten Texten spricht der CDFJ-Kodex nicht von wahrer oder falscher Information, sondern von »korrekter« Information. Er bringt zum Ausdruck, dass dies ein oberstes Ziel sein sollte und bietet Möglichkeiten an, wie dieses Ziel erreicht werden kann, z.B. durch eine »umfangreiche Sammlung von Daten und Informationen« (CDFJ-C §7). Der Kodex geht also nicht von einer beweisbaren, unverrückbaren Wahrheit aus, sondern betrachtet Wahrheit als die Sammlung möglichst umfassender Informationen, besonders vor und nach Wahlen. Wahrheit wird durch Dokumentation geschaffen und belegt. In der Unterkategorie QUELLENNENNUNG wird Belegbarkeit der Wahrheit in zweierlei Art gefordert, als uneingeschränkte und als eingeschränkte Quellenoffenlegung. Das Pressegesetz betrachtet wiederverwendetes und zitiertes Informationsmaterial als Quelle und fordert seine uneingeschränkte Offenlegung als »bearbeitetes« oder »zitiertes« Material (PP-L §37). Diese Norm unterscheidet sich dahingehend von den beiden anderen im Gesetz, als dass sie sich mehr in Richtung der Transparenznormen bewegt, denn sie spricht einerseits eine Nachvollziehbarkeit für den Nutzer an und verpflichtet andererseits Journalisten dazu, nicht nur die Belege zu nennen, sondern auch die Richtigkeit der Information zu prüfen. Derjenige, der

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andere Medien zitiert, wird juristisch behandelt als sei er der Autor der Information und ist deshalb auch haftbar für sie (PP-L §37). Damit fokussiert diese Norm sowohl auf die Suche nach Wahrheit als auch auf deren Kommunikation. Das Urheberrechtsgesetz hingegen unterstreicht lediglich die Forderung nach einer Kenntlichmachung von Informationsquellen (CopyR-L §8(1), §17(4), §18, §19). JPA-Kodex und JPA-Gesetz halten Journalisten explizit dazu an, Quellen zu schützen (JPA-L §43; JPA-C §1a). Damit gestehen sie zunächst einmal zu, dass es geheime Quellen gibt, denen eine Sonderrolle gebührt. Wann eine Quelle eine geheime ist, wird jedoch nicht notiert. Dies ist in der Realität problematisch, da viele Quellen um Anonymität bitten, obwohl es keinen plausiblen Grund dafür gibt. Journalisten in Jordanien stehen immer wieder vor der Herausforderung, einerseits die professionelle Norm der Quellennennung und andererseits die der Anonymitätsgarantie ihrer Quellen zu achten. Das JPA-Gesetz gibt dabei keine Hilfe. Als Einschränkung wird lediglich angeführt, dass die Glaubwürdigkeit der Quelle und ihrer Information geprüft werden muss. Hier berühren sich also Sorgfalt und Belegbarkeit mit der Verantwortung gegenüber Quellen. Die Suche nach Wahrheit durch Recherche steht vor der Kommunikation von Belegen und damit einem oben genannten Mittel der Wahrheitskommunikation. AmmanNet vertritt eine andere Position. Der AmmanNet-Kodex stellt heraus, dass die Bekanntgabe der Quelle die Regel ist und der Schutz bzw. die Nichtnennung die Ausnahme. Dies steht der Auffassung des JPA entgegen. Die »deutliche« Bekanntmachung ist Pflicht, »wann immer dies möglich ist« (AmmanNet-C §IVa(1)). Quellen dürfen nur dann verheimlicht werden, wenn es um »das Einholen oder Übermitteln von wichtigen Nachrichten von öffentlichem Interesse geht, oder wenn die Sammlung oder Verbreitung dieser wichtigen Informationen der Quelle Schaden zufügen könnte.« (AmmanNet-C §IVa(1)) AmmanNet verknüpft die Belegbarkeit nicht mit der Sorgfalt der Quellen- und Informationsprüfung, sondern mit Transparenz und Verantwortung gegenüber den Bürgern. Dies unterstreicht auch die Forderung, dass »Inhalte, die anderen Massenmedien entnommen sind« oder »Informationsmaterial, das schon einmal präsentiert wurde«, gekennzeichnet werden muss (AmmanNet-C §IIb(4)). Auch die Genehmigung des Urhebermediums muss eingeholt werden, wenn ein Programm eines anderen Senders ausgestrahlt wird (AmmanNet-C §IVa(7)). Die Ausrichtung dieser Interpretation der Belegbarkeitsnorm richtet sich an das Publikum, dem eine möglichst große Glaubwürdigkeit der Informationen geboten werden soll, indem die Belege kommuniziert werden. Gleichzeitig schützt diese Belegbarkeit auch vor der Gefahr, Informationen beweisen zu müssen, die nicht aus eigener Feder bzw. Kamera stammen. Im Gegensatz zum Pressegesetz bietet der Kodex damit einen Schlupfwinkel für die Veröffentlichung überprüfbarer, aber nicht notwendigerweise überprüfter Informationen. Die Kategorie Belegbarkeit wird in verschiedener Weise zu Wahrheit in Beziehung gesetzt. In den Forderungen nach Offenlegung von Quellen scheint eine eher

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auf Wahrheitskommunikation abzielende Interpretation von Wahrheit durch, während der Verweis auf die Verpflichtung zur Überprüfung von Informationen die Recherche und damit eine Wahrheitssuche in den Vordergrund rückt. Eine klare Zuordnung der beiden Kategorien und ihrer Normen zu einer bestimmten Transformationsstrategie ist nicht zu erkennen. Die Unterkategorie Veröffentlichung wahrer Informationen war mit dem Strafgesetz bereits 1989 vorhanden. Die Unterkategorie Quellennennung hingegen kam erst nach 1989 hinzu und wurde hier sowohl von Gesetzen als auch von Kodizes bedient. Kontextualität Kontextualität lässt sich in zwei Unterkategorien beschreiben: der Kontextualisierung der Aussage und der Kontextualisierung des Aussagenden. Dabei verweist erstere eher auf die Möglichkeiten der Wahrheitsdarstellung und letztere auf die Frage nach der Wahrheitsfindung. Lediglich der Ethikkodex von AmmanNet rekurriert auf die Kategorie der KONTEXTUALISIERUNG DER AUSSAGE als Möglichkeit der Wahrheitsdarstellung. Der Kodex verpflichtet Journalisten darauf, die Nachrichten »präzise und in ihrem Kontext zu berichten« (AmmanNet-C §II) und betrachtet dies als Teil der Wahrheitssuche, die durch eine möglichst sorgfältige Darlegung der Informationen inklusive der Kontexte erfolgt. Die Forderung nach Präsentation von kontextualisierendem Hintergrundmaterial grenzt sich deutlich ab vom reinen Wiedergeben unterschiedlicher Meinungen – wie die Normen der Kategorie Ausgewogenheit fordern. Die Einordnung und Analyse ist wichtig für das Verständnis durch die Nutzer. Die Kontextualisierung der Aussage wird durch AmmanNet auch als ein Instrument gefordert, das eine Entscheidung über Wichtigkeit und Unwichtigkeit einer Information anleitet. Wenn eine Information nicht zur Wahrheitsdarstellung (d.h. als Kontext), sondern beispielsweise lediglich der Sensationalisierung dient, soll sie weggelassen werden (AmmanNet-C §IVa(3)). Die Kontextualisierung der Aussage ist also auch stark mit einer Verantwortung gegenüber den Rezipienten und den Berichterstattungsobjekten verknüpft. Neben dem Kontext der Aussagen wird auch eine KONTEXTUALISIERUNG DES AUSSAGENDEN, d.h. des Journalisten gefordert. Hinter dieser etwas sperrig formulierten Unterkategorie verbirgt sich vorrangig der Appell an Journalisten, allgemeingültige menschliche Moral zu achten. Indem der Journalist quasi aus seinem professionellen in einen allgemein gesellschaftlichen Kontext gestellt wird, wird dessen Moralität betont. Der Journalist ist nicht nur den professionellen, sondern auch den »allgemeinen gesellschaftlichen Regeln« verpflichtet. Sowohl das Gesetz des Hohen Medienrats als auch das PPL fordern von Journalisten verschiedene allgemein moralische Prinzipien für ihr professionelles Handeln und ihre Suche nach und Darstellung von Wahrheit. Hierzu zählt die »ehrliche« Präsentation von Medienmaterial (PP-L §7c; AmmanNet-C Präambel; JPA-C §1a) oder die Forderung

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»aufrichtig […] zu berichten und die Verantwortung für das Handeln zu übernehmen« (AmmanNet Präambel). Sowohl in diesem wie in einem weiteren Absatz wird die Kontextualisierung des Aussagenden als entscheidend für die Wahrheitsfindung betrachtet. Der Journalist soll nichts berichten, von dem er weiß, dass es gelogen oder falsch ist. Diese Interpretation legt die Verantwortung für die Erfassung der Wahrheit in die Hände der Journalisten. Ihre Aufrichtigkeit ist gleichzeitig Garantie für eine ›wahre‹ Berichterstattung. Gleichzeitig entbindet diese Kontextualisierung sie indirekt von der Verpflichtung auf eine ›neutrale‹ Position. Ähnlich fordert das Strafgesetz an einigen Stellen, die Intentionalität von Journalisten zu berücksichtigen. Dahinter liegt eine Auffassung, dass journalistisches Handeln immer zielgerichtet ist. Weist diese Intention in die Richtung von Beleidigung oder Diffamierung, so wird selbige als strafbar angesehen. Wer jedoch Informationen, die als Beleidigung oder Diffamierung aufgefasst werden könnten, in »guter Absicht« veröffentlich hat, bleibt laut Strafgesetz §199 straffrei. Die Aussage eines Journalisten wird strafrechtlich also auch danach beurteilt, welche Position er innerhalb der Gesellschaft und gegenüber dem möglichen Ankläger einnimmt. Die in dieser Position aufscheinende Relativität von Wahrheit kommt in besonderer Weise im CDFJKodex zum Ausdruck, in dem der Journalist sich daran binden soll, »von dem wir glauben und davon ausgehen, dass es die Wahrheit ist.« (CDFJ-C §1). Diese Norm bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass es nicht die eine Wahrheit gibt, sondern die Wahrheit, die Journalisten als solche betrachten. Um dennoch keine Willkür herrschen zu lassen, erwartet der CDFJ-Kodex weiterhin von Journalisten, dass sie »so gut es geht daran arbeiten, die Wahrheit zu liefern« (ebd.). Diese Anstrengung soll zudem durch Ehrlichkeit und die Einhaltung ethischer Standards begleitet werden. Eine solche Subjektivität von Wahrheit in der journalistischen Arbeit wird in keinem anderen Text so deutlich benannt. Die CDFJ-Normen stellen sich damit fundamental gegen die gesetzliche Vorstellung von Wahrheit, die vor allem auf objektive Belegbarkeit aufbaut. Überspitzt könnte man die Erwartungen des CDFJKodex so formulieren: Nicht das Gesetz entscheidet, ob die Wahrheit ans Licht kommt oder nicht, sondern das im gesellschaftlichen Kontext stehende, ethische Handeln des individuellen Journalisten. Die Kategorie Kontextualität bringt in besonderer Weise eine Relativität zum Ausdruck, die zum Teil im Widerspruch zu den Normen der Kategorie Belegbarkeit steht. Diese Kategorie wird besonders durch Texte bedient, an deren Formulierung unabhängige Akteure aus dem Feld involviert waren. Allerdings berücksichtigt auch das Strafgesetz eine Form der Kontextualisierung, die im Falle guter Absichten, eine Kommunikation von möglicherweise als beleidigend aufzufassenden Informationen nicht sanktioniert. Es ist nicht verwunderlich, dass diese Normen vor allem aus den Transformationsversuchen feldinterner Akteure stammen, denn ihnen ist aus der Praxis heraus klar, wie schwer es ist, die Wahrheit zu erfassen und wahrheitsgemäß zu kommunizieren.

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Neutralität Neutralität ist eine häufig im Journalismus mit der Protonorm Wahrheit verbundene Kategorie. Aus meiner Analyse der Texte ließen sich zwei Unterkategorien extrahieren: die Vermeidung persönlicher Vorteile und die Abgrenzung von äußerer Einflussnahme. Die VERMEIDUNG PERSÖNLICHER VORTEILE durch Parteinahme oder Bevorteilung bestimmter Personen und Themen soll sowohl bei der Informationsbeschaffung als auch bei der Produktion eines journalistischen Beitrags berücksichtigt werden. So formuliert etwa der Kodex des CDFJ, dass Journalisten sich einen immer gleichen Umgang mit allen Kandidaten zulegen und sich um eine vollständige Neutralität bei der Berichterstattung bemühen sollten (CDFJ-C §4). Als einziger Text gibt der CDFJ-Kodex klar vor, wie eine Parteinahme konkret vermieden werden soll: Allen Kandidaten soll der gleiche Platz bei der Berichterstattung eingeräumt werden, alle Phasen des Wahlkampfes sollen gleichermaßen Berücksichtigung finden, alle Kandidaten sollen nach den gleichen Prinzipien behandelt werden (CDFJC §9). Andere Texte verweisen darauf, dass nicht die eigenen Vorlieben und Vorurteile bedient werden sollen, sondern »professionelle Standards« (z.B. AmmanNet-C §III(5)). Dadurch soll den Lesern ein umfangreiches und neutrales Bild geboten sowie verzerrende Entstellungen oder Auslassungen vermieden werden. In diesem Kontext erwartet der AmmanNet-Kodex, dass die Nachrichtenkriterien als Instrument der neutralen Wahrheitsdarstellung das journalistische Arbeiten leiten. Nachrichtenkriterien sollten angewandt werden, um zu verhindern, dass ein persönlicher Nutzen aus der Auswahl von Nachrichten entsteht. Gleichzeitig warnt derselbe Text davor, Nachrichtenfaktoren als alleinige Entscheidungsrichtschnur für die Nachrichtenauswahl walten zu lassen. Damit wird den Nachrichtenfaktoren sowohl eine wahrheitsfördernde als auch eine wahrheitsverhindernde Macht zugesprochen. AmmanNet-C formuliert Neutralität zudem als Vermeidung von manipulierenden Informationen zum eigenen Vorteil durch die Verwendung bestimmter Darstellungsformen wie Portraits oder die Quellenauswahl. Ausgeführt wird auch die Bezahlung von Quellen (AmmanNet-C §IVb(1)), eine Praxis, von der Abstand genommen werden soll, weil sie entweder dem eigenen Vorteil diene (indem die passende Aussage gekauft wird) oder zum Einfallstor für externe Einflüsse werde. Der Kodex von AmmanNet geht in besonderer Weise auf die ABWEHR ÄUßERER EINFLÜSSE ein und unterstreicht damit journalistische Unabhängigkeit als wichtige Voraussetzung für Neutralität. Neutralität schließt nach AmmanNets Verständnis verschiedene Dimensionen ein: Verzicht auf Aktivitäten, die die Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten. Da dieser Aspekt sehr vage bleibt, lässt er Raum für unterschiedliche, in anderen Texten nie erwähnte Interessendilemmata wie politisches Engagement, Parteimitgliedschaften, gleichzeitiges Arbeiten als Journalist und Public Relations-Agent, Familienbande. Neutralität erfordert laut AmmanNet-Kodex auch das offene Widersetzen gegen politische Einflussnahme, die explizit auch in

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Zusammenhang mit Einschüchterung bei der Informationssammlung in Verbindung gebracht wird. Diese Erwähnung zeugt ebenso wie vier weitere von der großen Besorgnis um journalistische Unabhängigkeit bei AmmanNet. Bemerkenswert ist vor allem, dass neben Politikern und »einflussreichen Individuen und Gruppen« auch Werbetreibende als mögliche Einflussakteure genannt werden. Die äußere Einflussnahme bezieht sich jedoch nicht nur auf Druck und Einschüchterung, sondern auch auf die den Journalisten möglicherweise nicht bewussten Manipulationen durch ihre Informationsquellen (AmmanNet-C §IVb(2), §V(1), §V(2)). AmmanNet-Kodex ist der einzige Text, der sich mit medieninternen Einflussnahmeversuchen befasst: Dem Druck von Kollegen, leitenden und geschäftsführenden Personen sollen Journalisten standhalten, weil sie potentiell zur Einschränkung journalistischer Unabhängigkeit und Neutralität beitragen können (AmmanNet-C §V(6)). Die Kategorie Neutralität geht eindeutig auf unabhängige feldinterne Akteure zurück, vor allem solche, die auf feldinternen Transformationsversuchen basieren. Aus den Regime-kontrollierten Versuchen lässt sich lediglich der JPA-Kodex als Verfechter dieser Normen finden. Besonders der Kodex von AmmanNet ergänzt hier den normativen Referenzrahmen um eine komplette Unterkategorie, nämlich der Abgrenzung von äußerer Einflussnahme. Gleichzeitig stehen die Normen der Neutralität möglicherweise aber auch im Konflikt mit anderen Normen der Wahrheitssuche und -kommunikation wie etwa der Kontextualität. Richtigstellung Die Oberkategorie Richtigstellung besteht aus zwei Unterkategorien, in denen eine Vorstellung von Wahrheit als Annäherung an die Wahrheit zutage tritt. Diese beiden Unterkategorien sind die Pflicht zur Gegendarstellung und die Pflicht zur Richtigstellung. Die PFLICHT ZUR GEGENDARSTELLUNG ist eine in den meisten Fällen eindeutig formulierte Norm. Sowohl das PPL als auch AmmanNet- und HMC-Kodex (PP-L §27a; HMC-C §V(7); AmmanNet-C §VI(2)) fordern die Garantie des Rechts auf Erwiderung und sehen damit Richtigstellung nicht nur als Korrektur redaktioneller Fehler, sondern auch als Möglichkeit, Gegenmeinungen darzustellen. Damit bewegt sich das Wahrheitsverständnis in eine Richtung, in der die Annäherung an die Wahrheit eine größere Rolle spielt als die von der Redaktion behauptete. AmmanNet geht noch einen Schritt weiter und bezieht das Publikum explizit in die Wahrheitsfindung mit ein. Allerdings verbleibt die endgültige Entscheidung über die Wiedergabe des Widerspruchs in der Hand der Redaktion: »Der Journalist verpflichtet sich […] seine [des Publikums] Beschwerden [zu] untersuchen.« (AmmanNet-C §VI(2)) Damit wird die Gegendarstellung zwar an professionelle Kriterien gebunden; grundsätzlich zählt jedoch die geprüfte Information des Widersprechenden genauso wie die redaktionelle Aussage, denn dem Widerspruch soll eine

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»gleichwertige Bedeutung wie dem Originalbericht« (AmmanNet-C §VI(2)) zugebilligt werden. Die gleiche Forderung wird vom PPL gestellt. Alle drei Texte unterstreichen eine weitere Norm innerhalb der Kategorie Richtigstellung. Aus der Verpflichtung, »Fehler schnellstmöglich zu beheben« (AmmanNet-C VI(2)) und aus der Bindung des garantierten Widerspruchs an »falsche Beiträge oder Artikel, die falsche Informationen beinhalten« (PP-L §27a), spricht ein Verständnis, das von der Existenz richtiger und falscher Informationen ausgeht. Diese PFLICHT ZUR RICHTIGSTELLUNG VON FEHLERN wird von allen Ethikkodizes außer dem des CDFJ gefordert. Fehler sollen schnellstmöglich behoben werden (AmmanNet-C §VI(2)), egal wer sie aufdeckt oder anprangert. Darin unterscheiden sich die Kodizes grundsätzlich vom PPL, das nur im Falle einer offiziellen Beschwerde Richtigstellung fordert. Dieser Unterschied liegt in der Natur der Texte. Das PPL befasst sich ausführlicher mit den Bedingungen, unter denen eine Richtigstellung juristisch verpflichtend ist. Interessanterweise führt das PPL hierbei explizit Behördenvertreter als Beschwerdeführer an (PP-L §27b), was die Norm in ein Licht rückt, in dem der Staat eine besondere Rolle bei der Wahrheitsfindung spielen sollte. Alle Texte, die Richtigstellung als Gegendarstellung kodifizieren, sehen gleichfalls die Pflicht zur Korrektur. Richtigstellung ist eine der wenigen Normen in der Protonorm Wahrheit, der das Presse- und Publikationsgesetz eine große Rolle einräumt und die zudem auch vom Gesetz zur Telekommunikation berührt wird. Die Kategorie Richtigstellung scheint angesichts der umfassenden Behandlung in allen Ethikkodizes ein wichtiges Anliegen feldinterner Akteure zu sein. Der Regimekontrollierte Transformationsversuch wird im PPL deutlich, dass die Verpflichtung zur Richtigstellung lediglich für offizielle staatliche Behörden fordert. Sorgfalt Die Kategorie Sorgfalt umfasst drei Unterkategorien: die Verpflichtung zur Quellenprüfung, zur Bestätigung (Autorisierung) und zur Verständlichkeit der Aussage. Die Normen zur QUELLENPRÜFUNG sind schnell umrissen. Alle Texte, die diese Norm aufstellen, verpflichten Journalisten darauf, die Glaubwürdigkeit der Quelle sowie die Nachhaltigkeit der Information zu prüfen (JPA-L §43; JPA-C §1a; HMCC §IV(4)). Die Texte unterscheiden sich lediglich darin, ob sie zusammen mit der Quellenprüfung den Quellenschutz nennen und damit indirekt das Problem der Offenlegung von Quellen berühren. In der Unterkategorie BESTÄTIGUNG VON INFORMATIONEN wird die Bestätigung oder Autorisierung vor allem durch staatliche Behörden als Beleg für die Wahrheit betrachtet. Das PPL verbietet Journalisten grundsätzlich, falsche Informationen oder Gerüchte zu verbreiten. Zur Unterstützung dieser Forderung sollen Informationen von offizieller Stelle bestätigt werden: Für die Gerichtsberichterstattung bedarf es einer Informationsbestätigung bzw. der Informationsfreigabe. Details aus

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einer Gerichtsverhandlung dürfen nur nach Erlaubnis durch den Staatsanwalt veröffentlicht werden (PP-L §39a). Die Referenz auf Gerichtverhandlungen kann zwar als Schutz für die Würde von Kläger und Angeklagtem gesehen werden, im hiesigen Kontext gilt die Forderung nach einer derartigen Bestätigung jedoch als Eingriff in den Wahrheitsfindungsprozess. Der HMC-Kodex fordert in einem weiteren Fall die strikte Informationsbestätigung durch offizielle Stellen: Über Streitkräfte und Sicherheitsdienste dürfen keine Nachrichten berichtet werden, solange sie nicht von der »zuständigen Stelle« offiziell bestätigt wurden (HMC-C §V(9)). Diese Kategorie ist deshalb eng verbunden mit der Forderung nach Belegbarkeit. Sie geht von der grundsätzlichen Existenz wahrer Informationen aus, die erst durch die Verlautbarung durch die Behörden »wahr« werden. Selbst wenn die Bestätigung von Informationen in den praktischen Bereich der Recherche gehört, so ist sie letztendlich doch nur ein Mittel der Wahrheitskommunikation einer »offiziellen« Wahrheit. Die Kategorie VERSTÄNDLICHKEIT DER AUSSAGEN findet sich in allen Kodizes. Einige Texte fordern sprachliche Präzision. Diese kann sich auf eine gute Sprachfertigkeit im Sinne sprachlicher Begabung, aber auch auf die Genauigkeit bei der Verwendung von Terminologien und Begriffen beziehen (CDFJ-C §5; HMC-C §V(5)). Korrekte Information wird in Zusammenhang mit akkurater Sprachverwendung gebracht. Die Vermeidung von Mehrdeutigkeiten wird von zwei Kodizes angesprochen, CDFJ und AmmanNet. Sie geht einher mit der Ablehnung von Verzerrungen und Manipulation. Techniken sollen so eingesetzt werden, dass sie die Wirklichkeit nicht verstellen (AmmanNet-C IVa(5)). Der CDFJ-Kodex führt aus, dass eine eindeutige Verwendung von Sprache die Vermischung von Nachricht und Meinung oder Nachricht und Public Relations verhindern soll (CDFJ-C §5). Diese Normen deuten auf ein Wahrheitsverständnis hin, das sich auf eine grundsätzlich mögliche Abbildbarkeit der Wahrheit bezieht. Während die Unterkategorien Quellenprüfung und Bestätigung von Informationen auf Ergänzungen durch Regime-kontrollierte Transformationsversuche zurückgehen, scheint die Forderung nach verständlicher Darstellung ein Anliegen der Feldakteure zu sein. Mit Blick auf die Vermittlung der Wahrheit erwarten sie einen verständlichen Ausdruck, der den Nutzern ihrer Produkte die Möglichkeit gibt, die Wahrheit zu erfassen. Vor allem der AmmanNet-Kodex und der CDFJ-Kodex legen hierauf besonderen Wert. Transparenz Transparenz ist in vier Unterkategorien zu gliedern: Verpflichtung zur Unterscheidung von Nachricht und Meinung, zur Unterscheidung von redaktionellem und externem Material, zur Identifizierung des Aussagenden und zur Erläuterung professioneller Arbeit. Transparenz beinhaltet das Offenlegen bestimmter Informationen und überlässt damit dem Publikum die Entscheidung darüber, was es als wahr er-

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achtet. Diese Auffassung orientiert sich stärker an einem diskursiven Verständnis von Wahrheit. Eine Norm der UNTERSCHEIDUNG VON NACHRICHT UND MEINUNG führt der Kodex von AmmanNet an, der dazu auffordert, »deutlich auf Meinung und Kommentar hinzuweisen« (AmmanNet-C §IVa(2)). Damit löst AmmanNet sich von der alleinigen Forderung nach Trennung von redaktionellem Material und externem Material wie Werbung oder PR, die häufiger und facettenreicher gefordert wird. Der CDFJ-Kodex erwartet einen anderen Umgang mit der Unterscheidung von Nachricht und Meinung. Während AmmanNet sich mit dem Hinweis auf Nachricht und Meinung (also auch innerhalb eines Textes) begnügt, fordert der CDFJ-Kodex in §5 eine tatsächliche Trennung beispielsweise in einer räumlichen Trennung durch Darstellungsformen wie Kommentar, Nachricht, Reportage. Geläufiger als die Trennung von Nachricht und Meinung ist die Forderung nach UNTERSCHEIDUNG VON REDAKTIONELLEM UND EXTERNEM MATERIAL. Der HMCKodex sowie der CDFJ-Kodex erwähnen diese Norm gleich zweimal. Dabei unterscheidet der HMC-Kodex drei Arten von Material: Informations-, Werbe- und Propagandamaterial. Informationsmaterial bezieht sich auf das redaktionelle Material, während Werbematerial gegen Bezahlung publiziert wird. Propagandamaterial wiederum beinhaltet Texte, die von bestimmten Interessengruppen lanciert werden (HMC-C §V(6)). Ob darunter auch die zahlreichen Kampagnen der Regierung gemeint sind, zu deren Veröffentlichung der HMC-Kodex explizit auffordert, bleibt offen. Allen Texten gemein ist die Verpflichtung zur Kennzeichnung von Material, für das die Redaktion Geld erhalten hat. Während das Presse- und Publikationsgesetz nur zur Kennzeichnung von Material verpflichtet, für das die Redaktion Geld erhalten hat (PP-L §30b), gehen die Forderungen von HMC und CDFJ darüber hinaus. Sie tragen der journalistischen Realität Rechnung, wenn sie PR-Material ansprechen, für das in der Regel kein Geld bezahlt wird, das aber dennoch bestimmte Interessen verfolgt. Besonders deutlich wird dies wohl im Wahlkampf, weshalb der CDFJ-Kodex in §14 besonders konkret wird: In der Wahlberichterstattung fordert er Journalisten auf, Vorsicht bei sogenannten »Werbeinterviews für Kandidaten.« walten zu lassen. Dies macht einerseits darauf aufmerksam, dass die in einer Wahl Interviewten in der Regel eine bestimmte Agenda vertreten, gleichzeitig wird aber auch die journalistische Form des Interviews als Ganzes als »Werbeformat« betrachtet. Die Normen der Unterkategorie IDENTIFIZIERUNG DES AUSSAGENDEN sind am stärksten in Gesetzestexten vertreten. Im Urheberschutzgesetz erlangt ein Produzent das Recht, sich als Autor bzw. Urheber zu bezeichnen, wenn er seinen Klarnamen angibt (CopyR-L §4). Das PPL verbietet Chefredakteuren, Beiträge anonym zu veröffentlichen, wenn sie den Klarnamen des Autors nicht kennen (PP-L §30a). Eine Verpflichtung zur Offenlegung der Autorenschaft in sogenannten Autorenzeilen verlangt keiner der Texte. Neben der Autorenangabe fordern einige Texte die Iden-

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tifizierung der eigenen Medienorganisation. So weist das Gesetz zu audio-visuellen Medien explizit darauf hin, dass TV- und Radiosender zur Identifizierung ihr Logo während der gesamten Sendezeit einblenden müssen. Radiosender sind darüber hinaus verpflichtet, während der gesamten Sendezeit ihre Frequenz anzuzeigen (AVL02 §21f). Dies dient der Transparenz und kann als Verantwortung gegenüber dem Publikum betrachtet werden. Analog zur Rundfunkwelt gilt im Printbereich die Impressumspflicht, die laut PPL folgende Angaben fordert: Name der Publikation, Name des Chefredakteurs, Name des Managers des Unternehmens (Geschäftsführer), Ort und Datum des Erscheinens, Abonnentenzahl und die Druckerei, in der die Publikation erstellt wird (PP-L §22). Neben der eigenen Identifizierung (Organisation und individueller Produzent) wird Transparenz auch als Quellentransparenz betrachtet. Sowohl Zitate als auch Reproduktionen sollen laut dem Urheberschutzgesetz (CopyR-L §17(4), §19) und laut den Kodizes von HMC (§IV(4)) und AmmanNet (§IIa(3)) mit der ursprünglichen Herkunft versehen werden. Eine weitere Norm von Transparenz lässt sich in der Unterkategorie ERLÄUTERUNG DER PROFESSIONELLEN ARBEIT finden, die auch als Produktionstransparenz bezeichnet werden kann.18 Einzig AmmanNet schreibt vor, die eigene Arbeit und das Vorgehen zu erklären, um dem Publikum gegenüber mehr Transparenz zu ermöglichen (AmmanNet-C §VI(3)). Auch die Oberkategorie Transparenz ist vornehmlich durch feldinterne Akteure ausdifferenziert worden. Lediglich die Forderung nach Identifizierung des Aussagenden wird von einem Gesetz gefordert. Allerdings lässt sich auch ein Unterschied ausmachen zwischen Regime-kontrollierten und feldinternen Transformationsversuchen: Die Erwartungen, dass Journalisten ihre professionelle Arbeit erläutern und zwischen Nachricht und Meinung trennen, geht einzig auf die Kodizes von AmmanNet und CDFJ zurück.

4. Z USAMMENFASSUNG Zunächst einmal lässt sich mit den Ergebnissen der Textanalyse bestätigen, dass sich der normative Referenzrahmen seit 1989 verändert hat. Dabei müssen die Entwicklungen als Wandel betrachtet werden, die eine Erweiterung oder einen Konflikt im normativen Referenzrahmen bewirkt haben. Der Wandel lässt sich in den drei Protonormen Freiheit, Verantwortung und Wahrheit wie folgt zusammenfassen:

18 Evers und Groenhardt unterscheiden zwischen Akteurs- und Produktionstransparenz. Produktionstransparenz bezieht sich dabei auf Praktiken, die dem Publikum Einblick in den Prozess der journalistischen Produktion geben (vgl. Evers/Groenhardt 2014).

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Mit Bezug auf die Protonorm FREIHEIT lässt sich eine ambivalente Entwicklung feststellen. Zwar hat eine Stärkung und Ausdifferenzierung von Normen der Freiheitsgarantie stattgefunden, doch lässt sich diese Entwicklung auch für Normen der Freiheitsbeschränkung nachzeichnen. Dabei sticht vor allem das Wechselspiel zwischen erstmaliger Garantie des freien Informationsflusses und den Bedingungen bzw. der Kontrolle dieses Flusses hervor. Besonders das Informationszugangsgesetz sowie die Ethikkodizes haben einen neuen Impuls für Forderungen nach freiem Informationszugang gesetzt. Somit lässt sich festhalten, dass sowohl Regimekontrollierte als auch feldinterne Transformationsversuche dazu geführt haben, den normativen Referenzrahmen um Normen der Garantie des Informationsflusses zu erweitern. Die königlichen Transformationsversuche haben zwar ebenfalls zu dieser Erweiterung beigetragen (vor allem der Zugang zu Verbreitungstechniken durch die Öffnung des Rundfunkmarktes in den Bestimmungen des Gesetzes zu audiovisuellen Medien und des Gesetzes zur Telekommunikation), doch zugleich haben sie die Kategorie der Kontrolle des Informationsflusses sowie die Formulierung von Bedingungen an dessen Garantie bestärkt und sogar ergänzt. Hier hat vor allem die Öffnung des Rundfunkmarktes Regeln wieder eingeführt, die für den Printmedienmarkt vergessen schienen, wie eine Vorzensur oder auf Medieninhalte abzielende Lizenzvergabebestimmungen. Den beiden Regulierungsbehörden AVC und TRC bescheinigt dieses Ergebnis eine zunehmend wichtige Funktion für die Kontrolle des Informationsflusses. Damit bestätigt sich die Vermutung, dass staatliche Regulierungsbehörden unter autoritärer Herrschaft ein zusätzliches Mittel der Kontrolle des Informationsflusses darstellen. Mit der Einführung solcher, vom Regime kontrollierten Institutionen lässt sich die Reduzierung der Kontrolle durch die Justiz ohne große Machteinbußen bewerkstelligen. Ein solcher Schritt suggeriert eine Liberalisierung der Medienkontrolle, denn die repressiven Mittel des Freiheitsentzugs durch die Justiz werden minimiert. Dafür können im Gegenzug andere materielle Sanktionsmittel über die Regulierungsbehörden erhöht werden, z.B. finanzielle Auflagen und Strafen oder ein Lizenzentzug. Eine solche Strategie ist vor allem dann im Interesse des Machterhalts autoritärer Regime-Eliten, wenn die Justiz zunehmend im Sinne eines freien Informationsflusses entscheidet wie es in Jordanien in Ansätzen zu finden ist (vgl. CDFJ 2008b). Die Auslagerung der Normenkontrolle an staatliche Regulierungsbehörden kann deshalb auch mit Blick auf die Ausgestaltung des normativen Referenzrahmens als Scheinliberalisierung interpretiert werden. Eine wichtige Erweiterung des normativen Referenzrahmens mit Bezug auf die Protonorm Freiheit stellt die Forderung nach Unabhängigkeit dar. Die 1989 noch nicht kodifizierten Normen zur Unabhängigkeit als Garantie für Freiheit sind denn auch eine der wichtigsten Veränderung, die vor allem durch gezielte Transformationsversuche aus dem journalistischen Feld selbst kommt. Der dominierende Text für die Forderung nach politischer Unabhängigkeit ist der AmmanNet-Kodex als

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Teil einer Transformationsstrategie unabhängiger Feldakteure. Kooptierte Feldakteure wie der JPA oder der HMC fokussieren auch auf den Schutz der journalistischen Unabhängigkeit, was sich in den Ergebnissen zur Protonorm Wahrheit widerspiegelt, für die ebenfalls Forderungen nach einer Abgrenzung von journalismusexternen Einflüssen aufgestellt werden. Allerdings zeigt die Analyse der Kategorie Unabhängigkeit auch, dass von diesen Akteuren nicht vornehmlich eine politische oder medieninterne Unabhängigkeit erwartet wird, sondern eine ökonomische Unabhängigkeit, was möglicherweise der zunehmend privatwirtschaftlichen Organisation der Medien in Jordanien geschuldet ist. Zugleich lenkt dieser Fokus aber auch von den eigentlich problematischen Abhängigkeitsverhältnissen (medieninterne und politische Abhängigkeit) ab. Vor allem die Transformationsstrategien der unabhängigen Feldakteure lassen sich deshalb als tatsächliche Neuerung und möglicherweise auch Herausforderung an den bestehenden normativen Referenzrahmen interpretieren. Analog zur Ausdifferenzierung innerhalb der Subkategorie Freiheitsgarantie haben sich bei der Freiheitsbeschränkung Normen ausgebildet, die Bedingungen an die Freiheitsgarantie stellen. Im Jahr 1989 waren noch keine Normen dieser Kategorie zu finden, was angesichts der geringen und undifferenzierten Freiheitsgarantien nicht verwundert. Die Zunahme und Ausdifferenzierung von Bedingungen der Freiheitsgarantie ist folglich eine Begleiterscheinung zunehmend differenzierter Garantien. Von einer Stärkung der Freiheitsgarantie insgesamt kann deshalb nicht gesprochen werden. Allerdings bergen diese parallel verlaufenden Entwicklungen ein gewisses Konfliktpotential in sich, das im folgenden Kapitel näher beleuchtet wird. Die bereits 1989 existenten Kategorien Regelbindung und Informationskontrolle mit Normen der Freiheitsbeschränkung wurden überwiegend weiter bestätigt. In wenigen Fällen wurden neue Normen hinzugefügt, sodass sich in erster Linie eine Unterstreichung bereits vorhandener Normen feststellen lässt. Während die Veränderung des normativen Referenzrahmens in Bezug auf Freiheitsgarantien vor allem durch feldinterne Transformationsversuche erwirkt wurde, sind für die Freiheitsbeschränkungen ausschließlich königliche und Regimekontrollierte Versuche verantwortlich. Dabei nehmen das PPL und das JPA-Gesetz eine überragende Stellung innerhalb der Regime-kontrollierten Versuche ein. Dies unterstreicht die Regime-nahe Position des Journalistenverbandes, die er sich mit der Einwirkung auf die Normensetzung (Bestimmungen zur Journalistendefinition) zu Beginn der politischen Öffnungsphase in den 1990ern geschaffen hat. Auch die große Bedeutung des Pressegesetzes für die Formulierung von Normen der Freiheit drückt sich in dem Ergebnis aus. Zwar wurden zahlreiche andere Texte als Mittel der Transformation eingesetzt, das Zentrum für die Definition von Freiheitsnormen liegt jedoch beim PPL. Für die Beschränkungen im Rundfunk nimmt das Gesetz zu audio-visuellen Medien eine ähnlich gewichtige Rolle ein, bildet jedoch als königliche Strategie die Interessen einer bestimmten Gruppe der Regime-Elite ab. Insge-

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samt lässt sich festhalten, dass das Regime Repression und Kontrolle nicht mehr allein durch direkte Freiheitsbeschränkungen erwirken will, sondern durch eine verschleierte Form von beschränkten und bedingten Freiheitsgarantien. Insgesamt lässt sich ein Wandel des normativen Referenzrahmens mit Bezug zu den Beziehungen zwischen Journalisten und ihren stakeholdern ableiten, der vor allem in einer Ausdifferenzierung der Bereiche, denen gegenüber eine VERANTWORTUNG erwartet wird, zum Ausdruck kommt. Einmal abgesehen von der Verantwortung gegenüber dem politischen System haben alle Oberkategorien eine Ausdifferenzierung erfahren. Die Verantwortung gegenüber dem politischen System hat nur die Unterkategorie der Königshaus-bezogenen Verantwortungen seit 1989 hinzugewonnen. Dies kann als eine Bestätigung der Annahme gelten, dass besonders König Abdallah II. Einfluss auf den normativen Referenzrahmen des Journalismus über die Formulierung von Normen nehmen will. Dabei versucht er offensichtlich die Verantwortung gegenüber sich und seinen Regime-Koalitionären zu stärken, um an anderer Stelle Veränderungen ohne Machtverlust durchsetzen zu können. Im Bereich der Bürger-bezogenen Verantwortung sind alle Bereiche außer dem gesellschaftlichen Frieden, der stark mit der nationalen Sicherheit verknüpft ist, hinzugekommen. Besondere Aufmerksamkeit muss hierbei der Ausdifferenzierung innerhalb der Kategorie geschenkt werden, da ihre Stärkung allen drei Transformationsstrategien ein Anliegen zu sein scheint und mit einer Marginalisierung der Verantwortung gegenüber dem politischen System einhergeht. Wie oben bereits bemerkt, lässt sich diese Verschiebung darauf zurückführen, dass Einflussversuche auf den Journalismus durch das Regime eine höhere Legitimation erwarten können, wenn sie – angeblich – der gesamten Gesellschaft dienen und nicht nur dem Regime. Dabei kommen allerdings Erwartungen, die eine kritisch-distanzierte Rolle von Journalisten etablieren könnten, nur in Transformationsstrategien unabhängiger Feldakteure zum Ausdruck, sodass auch hier die tatsächlichen Wandelinitiativen nur aus dem Feld selbst und zwar vonseiten dominierter, unabhängiger Akteure zu erwarten sind. Der Wandel der Protonorm Verantwortung wird auch dadurch unterstrichen, dass die Verantwortungsbereiche, die spezifisch für die journalistische Arbeit sind, an Bedeutung gewonnen haben. Innerhalb dieser Journalismus-spezifischen Verantwortungsbereiche hat vor allem die Verantwortung gegenüber der Profession zugenommen und sich ausdifferenziert. Hier setzte mit der Kodifizierung des JPAGesetzes 1998 bereits eine Wende ein, die sich in den folgenden Jahren fortsetzte. Vor der politischen Öffnung 1989 bezog sich noch kein Text auf die Verantwortung gegenüber der Profession. Die Verantwortung gegenüber der Profession muss im Kontext der Qualitätssicherung einerseits und größerer Unabhängigkeit andererseits gesehen werden und stellt damit ein weiteres Indiz für die Forderung nach mehr Autonomie des journalistischen Feldes dar, die bereits durch die Forderung nach Unabhängigkeit als Freiheitsgarantie angeklungen ist. Auch hier sind es vor allem

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unabhängige feldinterne Akteure, die neue Normen in den normativen Referenzrahmen eingebracht haben. Die Entwicklung zu mehr Journalismus-spezifischen Verantwortungsbereichen hat sich nicht mit einer – zumindest explizierten – Verantwortung gegenüber dem Medienunternehmen entwickelt. In keinem der analysierten Texte wird eine Verantwortung gegenüber dem eigenen Medienunternehmen thematisiert. Dies kann mehrere Gründe haben: Entweder die Praxis hat bislang die Loyalität zum Medienunternehmen niemals in Frage gestellt, was eine explizierte Regelung nicht notwendig macht, oder die Kontrolle innerhalb der Medienunternehmen ist nach wie vor so groß, dass Loyalität ›selbstverständlich‹ ist und deshalb keiner Explizierung bedarf. Interessanterweise verpflichtet der hier nicht in die Analyse eingegangene Kodex der Website Ammonnews als einziger Normenträger seine Journalisten auf die eigene Redaktionslinie und erwähnt damit erstmals eine Verantwortung gegenüber dem Medienunternehmen.19 Möglicherweise ist dies ein erster Hinweis darauf, dass sich die Verantwortungsbereiche im Online-Journalismus noch einmal ändern werden. Zusammengenommen lässt sich konstatieren, dass sich der normative Referenzrahmen nicht – wie in einem liberalisierten Medienmarkt zu erwarten gewesen wäre – von einer Verantwortung gegenüber dem Staat zu einer Verantwortung gegenüber den Medienunternehmen oder der Wirtschaft entwickelt hat, sondern dass eine Ablösung des Staates als wichtigster Verantwortungsbereich durch die Bürger stattgefunden hat. Dies lässt sich zumindest aus den Texten lesen, die hier analysiert wurden. WAHRHEIT ist die Protonorm, die die größte Veränderung erfahren hat. Sie hat eine starke Ausdifferenzierung vor allem durch Ethikkodizes erfahren. Dies stellt für die Frage nach einem Wandel des normativen Referenzrahmens ein klares Indiz für die Bedeutung von Kodizes und die aktive Teilnahme von Feldakteuren bei der Normendefinition dar. Bis zum Jahr 1989 ließen sich lediglich die Unterkategorien Ausgewogenheit, Belegbarkeit und Kontextualität finden, nach der politischen Öffnung 1989 kamen mit dem JPA-Gesetz erstmals Normen zur Sorgfalt hinzu. Das Gros der Kodierungen und auch die Ausdifferenzierung der Protonorm erfolgten erst seit 1999. Neben den Kodizes waren vor allem vier Gesetze, das Pressegesetz, das Urheberschutzgesetz, das HMC-Gesetz sowie das Gesetz für audio-visuelle Medien, verantwortlich. Allerdings trug das PPL überwiegend zur Bestätigung der Normen in der Unterkategorie Belegbarkeit bei. Der Umgang und besonders die Of-

19 »Wir verpflichten uns, sämtliche Beiträge, Kommentare und Artikel zu veröffentlichen, solange sie sich innerhalb der Grenzen professioneller Standards und in Übereinstimmung mit der Redaktionspolitik bewegen, sofern die Speicher und Abrufungskapazitäten der Website dies erlauben und sie sich an das Folgende halten.« (Ammon-C09)

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fenlegung von Quellen wurden maßgeblich durch das Urheberschutzgesetz erweitert. Beide Kategorien bringen vorrangig Aspekte in den normativen Referenzrahmen ein, die erstens eine Wahrheitskommunikation in den Vordergrund stellen und zweitens als Kontrollmechanismen des Regimes genutzt werden können. So ist die Forderung nach Belegbarkeit häufig mit einer Bestätigung durch offizielle Stellen verbunden und bevorzugt zudem die Freiheit der Fakten vor der Freiheit der Meinung. Alle anderen Unterkategorien gehen auf die Transformationsversuche durch feldinterne – unabhängige wie Regime-kontrollierte – Akteure zurück. Allerdings verläuft die Ausdifferenzierung recht unsystematisch, was unter keinen Umstände auf ein einheitliches Wahrheitsverständnis von Akteuren im journalistischen Feld schließen lässt. Dies ist angesichts des erwähnten Nebeneinanders verschiedener Wahrheitskonzepte nicht verwunderlich. Es zeigt vielmehr, dass auch in autoritären Kontexten der Journalismus nicht einem einzigen Wahrheitsverständnis folgt. So wechseln die Fokusse der Normen vor allem zwischen Aspekten der Wahrheitskommunikation und der Wahrheitssuche. Besonders unabhängige Akteure bringen erstmals auch ein Wahrheitsverständnis von einer Annäherung an die Wahrheit durch Diskussion und Dialog mit dem Publikum in den normativen Referenzrahmen ein. Zugleich verlangen sie aber auch Transparenz als Mittel der Wahrheitskommunikation. Teilweise widersprechen sich die Normen, wenn beispielsweise einerseits Neutralität und andererseits die Berücksichtigung des gesellschaftlichen Kontextes von Journalisten gefordert wird. Die stärkste Reibung aber dürfte zwischen den Normen der Belegbarkeit in den Gesetzen und den übrigen Kategorien von Wahrheit erzeugt werden, weshalb alle anderen Wahrheitsaspekte als Herausforderungen an das Regime verstanden werden können. Mit den Transformationsversuchen innerhalb der Protonorm Wahrheit, die oftmals mit dem Konzept der Objektivität als das Kernstück professioneller Normen betrachtet wird, scheinen sich Feldakteure jeglicher Couleur vom Regime abgrenzen zu wollen. Dies muss unweigerlich auch zu Machtkämpfen um die Dominanz der eigenen Erwartungen innerhalb des journalistischen Feldes selbst führen.

Zusammenführung: Potentiale des Wandels durch gezielte Transformationsversuche

Neuerungen im normativen Referenzrahmen habe ich im vorangehenden Kapitel beschrieben, bin aber noch nicht darauf eingegangen, inwiefern die unterschiedlichen Transformationsversuche selbst bereits Potentiale des Wandels darstellen oder nicht, indem sie widersprüchliche bzw. neue Referenzen für Akteure im Feld bieten. Mithilfe der Analyse journalistischer Normen und ihrer Entstehungskontexte in Gesetzen und Ethikkodizes von 1989 bis 2007 habe ich Normen identifizieren können, die eine eher konforme Bewertung und Aktualisierung durch die Akteure erwarten lassen, weil sie von allen Transformationsstrategien ähnlich definiert werden und somit als dominierend zu betrachten sind. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass eine Reihe von Normen Spannungen innerhalb des Feldes zu erzeugen vermag, was sich in einem Nebeneinander konformer und non-konformer Bewertungen niederschlagen könnte. Diese potentiell gegensätzlichen innerjournalistischen Beurteilungen lassen sich überall dort vermuten, wo sich einerseits feldexterne und feldinterne Texte widersprechen oder innerhalb der feldinternen Texte Uneinigkeit herrscht. Ob und wie sich diese tatsächlich zeigen und was das für einen Wandel bedeutet, wird im Buchteil IV dargelegt. Hier sollen nun zunächst Übereinstimmungen und Widersprüche innerhalb des normativen Referenzrahmens nachgezeichnet werden, um daraus Fragen an die Untersuchung des Aktualisierungspotentials abzuleiten. Große ÜBEREINSTIMMUNG zwischen journalismusinternen und -externen Normendefinitionen kann in einer Reihe von Normenkategorien gesehen werden. So wird etwa die Garantie freier Kommunikation in allen Texten gefordert. Innerhalb der Kategorie hat seit 1989 keine fundamentale Veränderung stattgefunden, vielmehr muss von einer Manifestierung der in der Verfassung bereits festgeschriebenen Regeln gesprochen werden. Durch zusätzliche Kodifizierungen sowohl in Gesetzen als auch in Kodizes haben individuelle und institutionelle Kommunikationsfreiheiten eine Unterstreichung erfahren. Es ist also von einer großen Zustimmung

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durch die Journalisten zu diesen Normen auszugehen. Da diese Freiheitsnormen in der Praxis jedoch immer in Verbindung mit Beschränkungen stehen oder an die Verantwortung gegenüber verschiedenen Bereichen geknüpft sind, wird genauer darauf zu achten sein, wie die Akteure diese Verhältnisse gegeneinander abwägen. Sind sie etwa bereit, die Verantwortung gegenüber den politischen Institutionen als geringer einzustufen als ihre Garantie von Kommunikationsfreiheiten? Wie bewerten sie verschiedene – vor allem in Gesetzen niedergelegte – Beschränkungsnormen ihrer Freiheiten? Widersprüche sind etwa bei der Garantie des freien Informationsflusses insgesamt zu erwarten. Doch einen common sense scheint es darüber zu geben, dass ein Meinungspluralismus gewährleistet werden sollte. Dies korrespondiert mit den Ergebnissen der Wahrheitskategorie Ausgewogenheit, deren Normen als eher wenig Widerspruch erregend eingestuft werden können. Verknüpfen Akteure im Feld also die Freiheit des Informationsflusses in erster Linie mit einem Meinungspluralismus in Form von Darstellungen verschiedener Meinungen? Welche Meinungen akzeptieren sie unter einem solchen Freiheitsverständnis? Die meisten Normen zur Freiheitsbeschränkung dürften auf Grundlage der Normenanalyse eher zu Widerspruch innerhalb des Feldes führen. Eine Ausnahme bildet die Forderung nach Beachtung der Urheberrechte, die vom HMC-Kodex und vom PPL kodifiziert sind. Allerdings sind diese beiden Texte nur unter begrenzter Einbeziehung interner Akteure definiert worden und können nicht unbedingt auf eine breite Unterstützungsbasis zählen. Die Norm taucht jedoch auch in zwei weiteren Kontexten auf, in denen sie jeweils vom AmmanNet- und HMC-Kodex unterstützt werden: in der Wahrheitskategorie Transparenz sowie im Zusammenhang mit der Verantwortung gegenüber der Profession. Es gilt also besonders zu prüfen, ob sich diese theoretische Unterstützungsbasis in allen drei Kontexten tatsächlich im Feld widerspiegelt. Welche Bewertung erfahren die Urheberrechts-Normen mit Blick auf die Forderung nach beschränkter Kommunikationsfreiheit? Wie verhält sie sich zu Fragen der Transparenz und der Verantwortung gegenüber den Kollegen? Neben der Urheberrechtsnorm gibt es weitere Normen innerhalb der Protonorm Verantwortung, bei denen sich ein Konsens abzeichnet. Dazu gehören die Normen zur Wahrung der öffentlichen Moral und der Berücksichtigung des öffentlichen Interesses, die von Gesetzen sowie den drei Kodizes von JPA, HMC und AmmanNet erwartet werden. Wie bereits ausgeführt wurde, ist die Bandbreite dessen, was unter der allgemeinen Moral betrachtet werden kann, vielfältig: Von religiösen Vorstellungen, über volkstümliche Traditionen bis hin zu Sexualität und Gewalt wird alles erwähnt. Es stellt sich also für die Aktualisierung vor allem die Frage: Was betrachten Journalisten als moralisch schützenswert? Wann akzeptieren sie eine Beschränkung der Freiheit aufgrund dieser Verantwortung? Welche Schlussfolgerungen für die Protonorm Wahrheit ziehen sie aus dieser Verantwortung gegenüber der allge-

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meinen Moral? Interessant wird in diesem Kontext sein, wie Journalisten das Verhältnis zwischen einer Verantwortung gegenüber der allgemeinen Moral und ihrer Verpflichtung auf die Verantwortung gegenüber dem allgemeinen öffentlichen Interesse bewerten. Das öffentliche Interesse ist ebenso unscharf formuliert wie die allgemeine Moral. Deshalb wird auch hier zu klären sein: Was betrachten Journalisten als von öffentlichem Interesse? Wie verhält sich diese Betrachtung gegenüber der allgemeinen Moral von zum Beispiel Informationen aus dem Privatleben von Politikern? Wie wird das öffentliche Interesse in den Kontext der Freiheitsnormen gestellt? Das öffentliche Interesse steht in enger Verbindung mit einer Verantwortung gegenüber den Bürgern, der Wahrung des gesellschaftlichen Friedens und der gesellschaftlichen Ruhe. Auch hier stellt sich die Frage, wie die Relation zu Normen der freien Kommunikation und des freien Informationsflusses bewertet wird. Wichtig erscheint darüber hinaus die Abgrenzung zu Normen der Unterkategorie Verantwortung gegenüber der nationalen Sicherheit, die in die Kategorie Verantwortung gegenüber dem politischen System auftaucht. Während zahlreiche Gesetze und Ethikkodizes die Wahrung des gesellschaftlichen Friedens fordern, sind in der gesamten Kategorie Verantwortung gegenüber der nationalen Sicherheit nur der HMC-Kodex und das PPL an jeweils einer Stelle als Texte mit begrenzter feldinterner Involvierung vertreten. Schließt die Akzeptanz einer besonderen Verantwortung gegenüber dem gesellschaftlichen Frieden die nationale Sicherheit ein und unterstützt damit Regimeforderungen? In der Kategorie Verantwortung gegenüber Berichterstattungsobjekten gibt es drei Normen, die besonders große Einigkeit zu fördern scheinen: der besondere Schutz für Beteiligte in Gerichtsverfahren, der Schutz aller Berichterstattungsobjekte vor Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede sowie der Schutz des Privatlebens. Alle drei Normen zeichnen sich dadurch aus, dass sie in verschiedenen Gesetzen und mindestens zwei Kodizes – darunter mindestens ein ausschließlich feldintern gesetzter – formuliert werden. Wie werden diese Normen von Journalisten interpretiert? Wo setzen sie die Grenzen zwischen Verantwortung gegenüber den Berichterstattungsobjekten und einer möglichen Kollision mit dem öffentlichen Interesse, der Wahrheitskategorie Transparenz oder Sorgfalt? Diese Frage stellt sich vor allem dann, wenn beispielsweise Berichterstattungsobjekte zugleich auch Quellen von Journalisten sind. Welche Norm wiegt dann schwerer, die Forderung nach einer Geheimhaltung der Identität oder deren Preisgabe aus Gründen der Transparenz? In eine ähnliche Richtung bewegen sich die Fragen, die sich einer scheinbar innerjournalistischen, einheitlichen Auffassung in der Protonorm Wahrheit erfreuen wie das Zugeständnis von Gegendarstellungen oder die Genauigkeit im Ausdruck. Wie stehen Journalisten beispielsweise zu dem Recht der Gegendarstellung? Akzeptieren sie eine solche von grundsätzlich jedem Berichterstattungsobjekt? Das

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Beispiel von Ar-Ra'i und dem HMC-Freiheitskomitee lässt an einer solchen Auffassung zweifeln. Scheinbare Einigkeit herrscht auch über die Normen zur Genauigkeit im Ausdruck. Sie steht in Zusammenhang mit Sorgfalt als Weg zur Wahrheitsannäherung, aber gleichzeitig auch mit einer Verantwortung gegenüber den Bürgern. Hier stellt sich die Frage: Betrachten Journalisten diese Norm als universell und situationsübergreifend oder bevorzugen sie beispielsweise eine eher verschleiernde oder zweideutige Sprache, um möglichen Sanktionen durch das Regime zu entgehen? Schließlich kann für die Trennung von redaktionellem Material und Werbematerial eine homogene Bewertung erwartet werden, da sie vom PPL, dem HMC- und dem CDFJ-Kodex ausformuliert wurde. Allerdings bedarf es einer genaueren Betrachtung, ob diese Norm auch den Umgang mit PR-Material umfasst wie es einzig der CDFJ-Kodex fordert. Findet eine Reflexion darüber statt? Wie positionieren sich die Akteure ggf. dazu? Eindeutige EINIGKEIT im Normenkanon besteht seltener als Uneinigkeit, was grundsätzlich zunächst für eine gewisse Dynamik im Feld spricht. Konkret ist mit widerstreitenden Interpretationen und Aktualisierungen in folgenden Normen zu rechnen: Im Kontext der Protonorm Freiheit ist zu erwarten, dass vor allem die Unterkategorie Unabhängigkeit als Garantie für Freiheit im Fokus feldinterner Differenzen stehen wird. Während die Forderung nach ökonomischer Unabhängigkeit sich im Normenkanon als relativ weit ausdifferenziert herausgestellt hat, ist politische Unabhängigkeit vor allem kodifiziert in einer Forderung nach allgemeiner Unabhängigkeit, ohne konkret auf mögliche Unabhängigkeitskonflikte einzugehen. Wie steht es also um die Beurteilung ökonomischer und politischer Unabhängigkeit vonseiten der Journalisten? Wo setzen Journalisten den Schwerpunkt in ihrer Forderung nach Unabhängigkeit? Die Norm, sich vor Einflussnahme aus dem Ausland zu schützen, wird beispielsweise nur im PPL kodifiziert. Ist sie ein Auslaufmodell oder so ›selbstverständlich‹, dass es keiner Kodifizierung bedarf? Gleiches gilt für medieninternen Einfluss. Eine Studie zu soft containment hat ergeben, dass ein Großteil der Journalisten Einschüchterungen und damit verbundene Freiheitsbeschränkungen in ihrer Arbeit aus der eigenen Medienorganisation erfahren müssen (AlQuds 2009). Angesichts dieser Angaben ist es erstaunlich, dass lediglich der Kodex von AmmanNet eine Unabhängigkeit von der Redaktion oder dem Medieneigentümer fordert. Wie positionieren sich Journalisten zu medieninternen Abhängigkeiten? Beeinflussen sie die Bewertung journalistischer Unabhängigkeit insgesamt? In einem besonderen Verhältnis steht die Unabhängigkeit als Garantie der freien Kommunikation auch zu den Wahrheitskategorien Neutralität, Transparenz und Ausgewogenheit. Besonders die Normen zur Neutralität werfen die Frage auf, ob sie auf eine breite Unterstützung im Feld zählen können. In der Unterkategorie Abgrenzung von äußerer Einflussnahme in der Berichterstattung ist lediglich der AmmanNet-Kodex mit kodifizierten Normen vertreten. Interessant ist an dieser Stelle,

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dass zwei der nach 2007 kodifizierten Texte, der Kodex der Nachrichtenwebsite Ammonnews und der Media-Government-Kodex, genau diese Normen unterstützen. Möglicherweise tragen sie damit zu einer Verschärfung des Spannungsverhältnisses zwischen dem Verständnis von Neutralität als Vermeidung persönlicher Vorteilnahme (JPA, CDFJ, AmmanNet) und der Abgrenzung zu äußerer Einflussnahme (nur AmmanNet) bei. Wie interpretieren Journalisten also die beiden Unterkategorien von Neutralität? Wie bewerten sie die Beziehung zwischen einer Abwehr äußerer Einflüsse und den Möglichkeiten einer neutralen Berichterstattung? Betrachten sie etwa Transparenz als eine Alternative zu einer nicht erfüllbaren Neutralität, indem sie die Einflüsse in ihrer Arbeit offenlegen beispielsweise in Form einer Markierung von PR-Material? Der CDFJ-Kodex verweist auf eine weitere Option, die schwer umsetzbaren Normen der Neutralität zu erfüllen. Er fordert die Darstellung der verschiedenen Meinungen als einen Schutz vor Abhängigkeit, steht mit dieser Interpretation jedoch in der Textanalyse allein. Gerade deshalb wird es von Bedeutung sein, wie Journalisten sich zum Spannungsfeld Unabhängigkeit und Wahrheitssuche stellen. Die Normen zur Berücksichtigung von Klassifizierung von Informationen sowie die Bestätigungspflicht von Informationen dürften ebenfalls widersprüchliche Interpretationen innerhalb der Journalistenschaft erzeugen. Eine Klassifizierung von Informationen wird lediglich durch das Geheimdokumente-Gesetz gefordert, eine Bestätigungspflicht nur durch das PPL. Beide Texte sind mit einem hohen Sanktionspotential ausgestattet und erhalten weder Unterstützung durch weitere Gesetzestexte noch durch Kodizes. Das PPL setzt mit seiner Forderung nach (offizieller) Bestätigung von Informationen auch Erwartungen an die Wahrheitssuche. Sein Konzept von Sorgfalt und Ausgewogenheit basiert größtenteils darauf, dass als wahr nur das gelten kann, was von den Beteiligten bestätigt wurde. Diese Auffassung findet sich ebenfalls in keinem weiteren Text. Wie also positionieren sich die Journalisten zu dieser Norm? In welchen Fällen erachten sie eine Bestätigung (von offizieller Seite) als notwendig? Wird die Bestätigungsnorm überhaupt im Kontext der Wahrheitssuche gesehen oder ist sie nicht vielmehr Ausdruck eines bestimmten Verantwortungsverständnisses beispielsweise gegenüber dem Königshaus? Spannungen müssen auch erwartet werden für die Forderung nach bestimmten thematischen Verboten, die vor allem in Zusammenhang mit der Bewertung unterschiedlicher Verantwortungsobjekte stehen. Wie die Textanalyse eindrücklich gezeigt hat, hat sich der Normenkanon insgesamt stark verändert. Zwar existiert die Forderung nach Verantwortung für das politische System nach wie vor und wurde vor allem mit Blick auf die Verantwortung gegenüber dem Königshaus und gegenüber der Justiz ausgebaut und ausdifferenziert, doch haben zugleich die Normen zur Verantwortung gegenüber den Bürgern einen großen Aufschwung erfahren. Die Ergebnisse zeigen auch, dass vor allem journalismusinterne Texte für die Ausdifferenzierung und Neuerung der Kategorie Verantwortung gegenüber Bürgern maß-

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geblich verantwortlich ist, während die Verantwortung gegenüber dem politischen System vor allem von alten und nicht integrativen Gesetzestexten unterstützt wird. Generell wird deshalb für die Aktualisierung von Bedeutung sein, wie journalistische Akteure sich hinsichtlich dieser beiden Verantwortungsbereiche positionieren? Ist diese Positionierung eine Frage des entweder oder, d.h. politisches System oder Bürger? Gibt es Überschneidungen und wenn ja, wann wird welche Verantwortung bevorzugt? So hat sich etwa gezeigt, dass die Verantwortung gegenüber dem Königshaus vor allem von den integrativen Texten des HMC ausdifferenziert und stark gemacht wurde. Lässt sich dafür eine Entsprechung vonseiten der Journalisten finden? Wie verhält es sich mit der Verantwortung gegenüber der nationalen Sicherheit und den Außenbeziehungen? Die Textanalyse suggeriert, dass dem Thema nationale Sicherheit nach wie vor eine wichtige Bedeutung zukommt. Allerdings wird dies mit keiner Norm vonseiten der Kodizes des JPA; des CDFJ oder AmmanNets unterstützt. Zeichnet sich hier möglicherweise ein Aufbegehren gegenüber thematischen Einschränkungen der Kommunikationsfreiheit ab? Empirische Studien zu Einstellungen von Journalisten in der arabischen Welt haben gezeigt, dass Journalisten eine besondere Verantwortung gegenüber Palästina aufbringen würden (vgl. zuletzt Pintak/Ginges 2008: 212). Diese vermeintliche Verantwortung spiegelt sich jedoch nicht in der Kodifizierung von Normen wider. Nur der JPA-Kodex fordert in einer Norm die Unterstützung von Freiheitsbewegungen, die sich auch auf Palästina anwenden ließe. Daneben wird lediglich eine unspezifische Verantwortung gegenüber der islamischen umma oder arabischer Traditionen und Sitten gefordert. Muss die Verantwortung gegenüber Palästina deshalb als Auslaufnorm betrachtet werden? Oder stellt die Norm zur Unterstützung Palästinas eine Norm dar, die aufgrund ihrer Selbstverständlichkeit als nicht notwendigerweise zu kodifizieren betrachtet wird? Die bislang genannten Normen berühren vor allem die Beziehung zwischen den Protonormen Freiheit und Verantwortung. Die zwei Kategorien Verantwortung gegenüber Quellen und Verantwortung gegenüber Berichterstattungsobjekten betreffen hingegen die Beziehung zwischen Verantwortung und Wahrheit. So zeigen sich etwa zwei unterschiedliche Auffassungen zur Verantwortung gegenüber Quellen: eine Priorisierung des Quellenschutz versus der Quellenoffenlegung. Während sich erstere Position eher an einer Protonorm Verantwortung orientiert, tritt in letzterer Position vor allem die Forderung nach Transparenz und Sorgfalt, d.h. eine Protonorm Wahrheit in den Vordergrund. Die Spannungslinien verlaufen hier entlang den JPA-Normen, die eine Prüfung und einen nachfolgenden Schutz fordern und den Forderungen der AmmanNet-Normen, die die Nennung von Quellen zur Regel, den Schutz zur Ausnahme macht. Die Normen des HMC lassen sich keiner Position eindeutig zuordnen. Die Frage für das Aktualisierungspotential ist nun: Spiegeln sich diese Konfliktlinien auch in der Bewertung der Journalisten wider? Findet eine Priorisierung in dieser Frage überhaupt statt?

P OTENTIALE DES W ANDELS | 253

Widersprüchlich dürfte auch die Norm zum Recht am eigenen Bild aufgefasst werden. Einzig das Gesetz zum Urheberschutz nimmt überhaupt Bezug zu dem Thema Verantwortung gegenüber Berichterstattungsobjekten und ihrer bildlichen Darstellung. Ansonsten lässt sich lediglich – im weiten Sinne – die Norm des Gesetzes zu audio-visuellen Medien in diesem Kontext sehen. Sie untersagt eine Verbreitung von sexuellen oder gewaltverherrlichenden Programmen. Auch hier gilt die Frage: Sind die Regeln in der Praxis so klar, dass sie keiner Kodifizierung bedürfen? Wenn ja, sind die Interpretationen der Akteure anschlussfähig an die im Urheberschutzgesetz niedergelegten Regeln? All diese komplexen Beziehungslinien galt es, für die Ermittlung des Aktualisierungspotentials empirisch umzusetzen. Eine einfache Befragung, welcher Art auch immer, hätte diese vielfältigen Beziehungen, die häufig nur an konkreten Situationen manifest werden, schwer zu erfassen vermocht. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, mit Stimulusmaterial zu arbeiten, das die in diesem Kapitel aufgeworfenen Fragen weitgehend aufgreift und zur Diskussion stellt. Um die bislang eher theoretisch verbliebene Diskussion plastischer zu gestalten und um die Anschlussfähigkeit zum Kapitel Aktualisierungspotential herzustellen, wird das Material in Teil IV, Kapitel »Resonanzen auf den normativen Referenzrahmen« ausführlich beschrieben und mit den jeweiligen Fragen verknüpft.

IV. Journalistische Akteure: Agenten des Wandels oder Hüter des Status Quo?

Ressourcen als Bedingungen des Feldes

An mehreren Stellen habe ich bereits darauf hingewiesen, dass die alleinige Betrachtung von explizierten Normen im Journalismus in autoritären Regimen ein artifizielles Ergebnis hervorbringt, das der Realität nur selten gerecht wird. Sehr plastisch verweist Hafez auf dieses Problem: Seine Analyse von Kodizes erbrachte eine Dreiteilung von Freiheitsgarantien, auf deren Grundlage er den tunesischen Kodex unter den Typ »weitreichende Freiheitsgarantien« einordnen musste, obwohl Tunesien – zum Zeitpunkt der Untersuchung – zu einem der restriktivsten Mediensysteme weltweit gehörte (Hafez 2003: 53). Ferjani hat dieses Problem eindrücklich für den Journalismus in Tunesien unter Ben Ali herausgearbeitet und spricht von einem »Zusammenprall von Texten und Kontexten« (Ferjani 2011, Übersetzung J.P.). Aus diesem Grund habe ich im theoretischen Rahmen auf die Relevanz der Akteure im Feld und ihre Handlungen hingewiesen, die in Verbindung mit den kodifizierten Normen gebracht werden müssen. Um die Potentiale eines Wandels im Journalismus zu erfassen, reicht es nicht aus, Einstellungen, Rollenbilder oder Berufsfunktionen zu erfassen, wie sie in vielen Journalistenumfragen erfolgten (vgl. z.B. Hanitzsch 2011; Pintak/Ginges 2008; Ramaprasad/Hamdy 2006; Kirat 1998). Stattdessen gilt es, die Sicht der Akteure, die sie von einer bestimmten Position im Feld aus haben, näher zu betrachten. Deshalb zeige ich im Kapitel »Ressourcen als Bedingungen« zunächst, welche Ressourcen, welche Machtpotentiale innerhalb des journalistischen Feldes in Jordanien entfalten können und beschreibe damit die ›objektiven Bedingungen‹ des Feldes. Darauf aufbauend, werde ich im Kapitel »Resonanzen auf den normativen Referenzrahmen« die Ergebnisse meiner Journalistenbefragung präsentieren, die darauf abzielte, Bewertungen der drei Protonormen im Feld zu erfassen und in Beziehung zu den verschiedenen Transformationsversuchen zu setzen. Somit ergibt sich eine Darstellung der verschiedenen Sichten auf das Feld und seiner Regeln. Die Zusammenführung der Erkenntnisse beider Kapitel mündet schließlich in der Rekonstruktion der Wandelpotentiale von fünf verschiedenen Journalistentypen im Kapitel »Zusammenführung: Potentiale des Wandels durch verschiedene Akteurstypen«.

258 | J OURNALISTISCHE A KTEURE

Die Zahl der aktiven, hauptberuflichen Journalisten in Jordanien beträgt heute ca. 1400 (vgl. MediaAcT 2011 und Al-Quds Center 2009). Die Zahl der Medienunternehmen beläuft sich auf etwa 140 (Pies 2012a: 2). Für ein Land mit einer Gesamtbevölkerung von 6,2 Millionen ist dies eine beträchtliche Anzahl. Eine solch umfangreiche mediale Landschaft gab es allerdings nicht immer in Jordanien, das in seinem heutigen Staatsgebiet erst nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches 1918 – zunächst als eine Provinz unter britischem Mandat – entstand. Während der osmanischen Herrschaft hatte das Gebiet zur arabischen Peripherie gehört: Die Bevölkerung war sehr gering, es gab wenig städtisches Leben und Bildung sowie Alphabetisierung waren schwach entwickelt. Auch spielten politische Parteien, die in anderen arabischen Ländern zu einem Schub der Publikationsaktivitäten beitrugen, bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts keine Rolle. All diese Faktoren waren mit dafür verantwortlich, dass sich in der Region des heutigen Jordaniens Printmedien erst sehr spät entwickelten. Damit stand Jordanien im Gegensatz zu den Nachbarländern Syrien, Libanon, Irak und Palästina, die zwar – wie Jordanien – eine starke mündliche Tradition aufwiesen, aber besonders durch europäisch-christliche Missionstätigkeiten schon sehr früh eigene Druckerzeugnisse etabliert hatten. Als »journalistische Peripherie« begann deshalb die Herausbildung einer eigenen journalistischen Kultur in Jordanien erst mit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1947 (vgl. Ayalon 1994: 101ff.). Dies unterstreichen auch die Tatsachen, dass das osmanische Publikationsgesetz noch bis 1953 in Kraft war und die Briten die jordanischen Medien als zu unbedeutend erachteten, als dass sie sich davon zu Eingriffen hätten hinreißen lassen.1 Dass auch das Regime des jungen, unabhängigen Staates zunächst keine Änderungen des osmanischen Publikationsgesetzes veranlasste, deutet darauf hin, dass die Medien noch keine allzu große Rolle für die jordanische Politik spielten. Erst mit Beginn der 1960er Jahre, in denen innerarabische Rivalitäten für Jordanien an Bedeutung gewannen, der Krieg 1967 mit Israel in einem Desaster für die arabischen Armeen endete, aber auch das Radio durch Ägyptens Saut Al-Arab zum großen Propagandamedium wurde, entdeckte das jordanische Regime die Bedeutung der politischen Kommunikation via Massenmedien. Die 1970er und 1980er Jahre waren geprägt durch den Kriegszustand, der sich hemmend auf die Ausdifferenzierung des journalistischen Feldes auswirkte und außerdem eine Re-

1

Im Vergleich zu anderen Regionen der arabischen Welt stellt dies eine Ausnahme dar, denn in den Jahren des Zweiten Weltkriegs wurde die Zensur vor allem durch Großbritannien und Frankreich verschärft. Vorzensur war überall in den britischen und französischen Mandatsgebieten der arabischen Welt üblich, da die Stimmung im Volk oftmals den Deutschen Sympathien entgegenbrachte. Insgesamt waren die Medien in der arabischen Welt einer starken Propaganda von verschiedenen Seiten aus unterworfen (vgl. Ayalon 1994).

R ESSOURCEN

ALS

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gime-loyale journalistische Kultur hervorbrachte (vgl. Rugh 1987). Erst seit der Öffnung des Printmedienmarktes im Zuge der politischen Öffnung unter König Hussein von 1989 haben sich die Bedingungen im Journalismus so gewandelt, dass überhaupt von Konkurrenz die Rede sein kann. Konkurrenz ist eine wichtige Voraussetzung für die Dynamik in einem Feld und somit auch für einen Wandel. Im Theorieteil hatte ich bereits darauf verwiesen, dass die Dynamik eines Feldes grundsätzlich durch den Kampf dominanter und dominierter Akteure aufrecht erhalten wird. Welche Ressourcenkonstellationen eher eine dominante und welche eher eine dominierte Position im Feld wahrscheinlich machen, muss am konkreten Feld ermittelt werden.

1. O RGANISATIONSBEZOGENE R ESSOURCEN IM JORDANISCHEN J OURNALISMUS Die politisch-historischen Entwicklungen des Königreiches hatten und haben starken Einfluss darauf, wie sich die Medienlandschaft in Jordanien entwickelt und in welchem Ausmaß sie durch Konkurrenz gezeichnet ist.2 Wie oben schon erwähnt, war die Publikationsdichte und -aktivität in den Anfangsjahren nach der Unabhängigkeit sehr gering. Entsprechend wenig ausdifferenziert stellte sich die Medienlandschaft dar. Dies änderte sich mit der Annexion der Westbank und Jerusalems im Jahr 1948, mit der auch einige Medien in jordanisches Staatsgebiet ›integriert‹ wurden. Die bedeutendste Übernahme war die des 1936 von den Briten gegründeten Radiosenders, Palästinensischer Rundfunkdienst (PBS), der in Ramallah und Jerusalem residierte, in Haschemitischer Rundfunkdienst (HBS)3 umbenannt und schließlich 1985 mit Jordanien TV (JTV) zur Jordanischen Radio- und Fernsehanstalt (JRTV) fusioniert wurde. Mit dem Verlust der annektierten Gebiete nach dem Sechstagekrieg (1967) flohen nicht nur viele Journalisten aus den vormals palästinensischen Gebieten, sondern auch einige Medienunternehmer. Hier ist besonders der Umzug der bis heute existierenden Tageszeitung Ad-Dustur zu erwähnen. Die Familie Al-Sharif konnte ihr Unternehmen von Jerusalem nach Amman verlegen und dort – mit einer kurzen Unterbrechung wegen Enteignung – bis zum heutigen Tage publizieren. Unter dem Kriegsrecht bis zum Jahr 1989 gab es nur wenige weitere Mediengründungen, von denen heute noch die beiden Tageszeitungen Ar-Ra'i

2

Ausführlichere Übersichten über die Entwicklung der jordanischen Medienlandschaft finden sich bei Rugh 2004; Abidad 2003; Ayalon 1994; Ayish/El-Sarayrah/Rifai 1994; Boyd 1993).

3

Die offizielle Abkürzung bezieht sich auf die englische Bezeichnung als Hashemite Broadcasting Service.

260 | J OURNALISTISCHE A KTEURE

(gegründet 1971) und die englischsprachige Jordan Times sowie die Wochenzeitung Shihan (1984) existieren.4 Für die Konkurrenz im Medienmarkt stellt das Jahr 1993 einen wichtigen Meilenstein dar. Der Printmarkt wurde durch das neue Presse- und Publikationsgesetz geöffnet und führte in der Folge zu zahlreichen Gründungen von Wochenzeitungen und zum Aufblühen der Parteipresse (vgl. Abidad 2003: 263ff.; Jones 2002a: 302ff.; Kilani 1997: 25f.). Für den Rundfunksektor stellen die Machtübernahme von König Abdallah II. am 7. Februar 1999 und das im Jahr 2002 bzw. 2003 verabschiedete Gesetz für audio-visuelle Medien einen wichtigen Einschnitt dar, denn mit der neuen Regelung durften schließlich auch private Radio- und TV-Stationen – zumindest theoretisch – eröffnet werden. Eine Besonderheit des jordanischen Medienmarktes ist die Kurzlebigkeit vieler Medienunternehmen, weshalb die Gesamtmedienzahl schwankt und schwer zu ermitteln ist. Die MediaAcT-Studie kam über eine Schätzung zu den folgenden Zahlen für Sommer 2011: acht Tageszeitungen, 17 Wochenzeitungen, 15 Magazine mit jordanischen Redaktionen, drei staatliche und 23 private Radiosender, ein Staatsfernsehsender und fünf private mit jordanischen Redaktionen sowie 23 Online-Nachrichtenseiten (Pies 2012b: 1). Um die Bedeutung der im theoretischen Teil bereits eingeführten Ressourcen, finanzielle Ausstattung, Produktionskapazitäten, journalistische Qualität, Opposition und prominente Akteure fundiert ermitteln zu können, muss aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen der verschiedenen Medientypen eine Einteilung entlang der Mediengattungen erfolgen. Diese sieht die jeweilige Beschreibung der Ressourcen für Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Fernsehen und Radio vor, da dies zum Zeitpunkt der Feldforschung die Bereiche waren, in denen die meisten Neuzugänge im Feld erfolgt waren. Der Online-Sektor wird aufgrund seiner geringen Repräsentation im Jahr 2007 (Jahr der Feldforschung) nicht berücksichtigt, da hier lediglich zwei Online-Portale, Ammonnews und Saraya zu verzeichnen waren.5 Trotz der vorgenommenen Trennung der Mediensegmente werde ich jeweils auch auf die Beziehungen zu den je anderen Segmenten eingehen. 1.1 Tageszeitungen: Beständigkeit mit Prestige Die älteste Zeitung Jordaniens, die heute noch existiert, ist Ad-Dustur. Ihre Wurzeln gehen auf die 1911 in Jaffa (Palästina) gegründete Zeitung Filistin zurück, die im

4

Besonders die 1980er Jahre gelten als Presse-feindliche Zeit. Von 1976 bis 1990 wurden lediglich zwei Printmedien neu gegründet, Shihan und Sahafat Yarmouk (Abidad 2003: 259ff.).

5

Für die Entwicklung im Online-Journalismus und mögliche Implikationen eines Wandels vgl. Pies/Madanat 2011a.

R ESSOURCEN

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Jahr 1967 mit der Tageszeitung Al-Manar zur heutigen Ad-Dustur fusionierte. Die Familie Al-Sharif, die im Jahr 1964 Al-Manar gründete, hatte nach der israelischen Eroberung und anschließenden Annexion von Ost-Jerusalem 1967 den Produktionsstandort nach Amman verlegt und ist heute Haupteigner von Ad-Dustur.6 1971 schuf die damalige jordanische Regierung das heute noch existierende Konkurrenzblatt, Ar-Ra'i, das von der Jordan Press Foundation verlegt wird. Diese hatte kurz zuvor eine eigene Druckpresse gekauft und brachte vier Jahre nach Ar-Ra'i auch die erste englischsprachige Tageszeitung Jordan Times auf den Markt (Al-Shalabi/ Mahaftha 2005: 4f.). Bis zum Erscheinen von Al-Arab Al-Yaum im Jahr 1997 bildeten diese drei Zeitungen den jordanischen Tageszeitungsmarkt. Nach 1999 folgten vier weitere Tageszeitungen, Ad-Diyar (2002), Al-Ghad (2004), Al-Anbat (2005) und schließlich im Jahr 2008 die bereits seit 1993 wöchentlich erscheinende As-Sabil. Angesichts der relativ geringen Zeitungsleserschaft – nur 18,5 Prozent gaben in der JMS-Studie (2007a) an, eine der Tageszeitungen gestern gelesen zu haben – ist die Konkurrenz im Tageszeitungssektor seit 1999 stark gestiegen. Finanzielle Ausstattung und Produktionskapazitäten Ein wichtiges Charakteristikum, das sich auch in der finanziellen Ausstattung und den Produktionskapazitäten von Tageszeitungen niederschlägt, ist die Frage nach den Eigentümerverhältnissen. In der offiziellen staatlichen Lesart ist der Tageszeitungsmarkt vollständig privatisiert. Dies ist auch insofern zutreffend, als dass alle acht Zeitungen als Unternehmen registriert sind. Allerdings hält die Allgemeine Sozialversicherungsgesellschaft (SSC), eine staatliche Institution, 56 Prozent der Anteile an Ar-Ra'i und 34 Prozent der Anteile an Ad-Dustur. Die Allgemeine Sozialversicherungsgesellschaft wird vom Arbeitsminister geleitet, der auch die staatlichen Repräsentanten für die Chefredaktionen der beiden Zeitungen bestimmt. Somit sind sie zumindest teilweise staatlich und einige Studien sprechen von den »quasiRegierungsmedien« (Al-Quds Center 2009: 4), den »öffentlichen Medien« (AlShalabi/Mahaftha 2005: 6) oder den »etablierten Medien« (Hawatmeh 1994b: 6). Für Rugh war diese Eigentümerstruktur eines der wesentlichen Merkmale, das jordanische Mediensystem in den 1980ern als »loyal« zu typisieren (vgl. Rugh 1987). Die Verteilung der übrigen Eigentumsanteile lässt sich bei Ar-Ra'i und bei AdDustur nicht exakt bestimmten. Bekannt ist jedoch, dass bei Ar-Ra'i noch die Arab Bank Jordan und die First Finance Company Jordan Anteile halten.7 Bei Ad-Dustur trägt die Familie Al-Sharif, die ursprünglichen Eigner der Zeitung, den größten An-

6

Vgl. Interview mit Chefredakteur Al-Sharif, N. 2007 (Ad-Dustur).

7

Vgl. About the Companies: Jordan Press Foundation, auf Arabianbusiness.com, http://www.arabianbusiness.com/companies/jordan-press-foundation--67183.html?tab= Profile&view=markets vom 20.4.2015.

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teil am Unternehmen.8 Die übrigen sechs Tageszeitungen sind vollständig in privater Hand. Darüber, ob Al-Arab Al-Yaum nicht doch in teilstaatlichen Händen liege, da die Allgemeine Sozialversicherungsgesellschaft auch hier Anteile in unbekannter Höhe hält, wird regelmäßig diskutiert. Der größte Anteil liegt jedoch bei der Jordan Ahli Bank.9 Mangelnde Transparenz über die Eigentümerstrukturen der einzelnen Medien führt zu Spekulationen über deren Finanziers. Al-Ghad wird beispielsweise regelmäßig dem Gerücht ausgesetzt, es erhalte sein Geld vom Königshaus, wenn nicht sogar von der CIA. Eine unabhängige Prüfung ist nicht möglich. Nicht nur die Eigentümerstrukturen sind ein politisch geladenes Terrain, sondern auch die Angaben zu Auflagenzahlen. Dies liegt vor allem daran, dass es an unabhängiger Forschung zur Mediennutzung mangelt.10 So sieht sich beispielsweise Ad-Dustur nach wie vor als zweitgrößte Tageszeitung, obwohl laut JMS-Umfrage Al-Ghad deutlich mehr Leser auf sich vereinen kann (JMS 2007a: 65). Vergleicht man jedoch die von den Unternehmen selbst angegeben Auflagenzahlen, so steht Ad-Dustur mit 80.000 tatsächlich auf Rang zwei. Allerdings erklären die Konkurrenten bereitwillig, dass Auflagenzahlen von 90.000 (Ar-Ra'i) und 80.000 (AdDustur) unrealistisch seien und bei Weitem nicht auf annähernd hohe Leserzahlen kämen.11 Da die unternehmensinterne Marktforschung marginal ist, scheint auch kein Abgleich zwischen Nutzerzahlen und Auflagen stattzufinden. Der Geschäftsführer von As-Sabil gab mir Einblick in einige Ergebnisse der eigenen Marktforschung, hob aber hervor, dass diese Erhebung schon veraltet und eine Ausnahme sei.12 Während für Ad-Diyar und Al-Anbat wie auch für die erst seit 2008 als Tageszeitung erscheinende As-Sabil keine Auflagenzahlen vorliegen, gibt Al-Arab Al-Yaum seine mit 24.000, Al-Ghad mit 25.000 und Jordan Times mit 12.000 an.

8

»About the Companies: Jordan Press Publishing Company«, Arabianbusiness.com http://www.arabian

business.com/companies/jordan-press-publishing-company--67184.

html?tab=Profile&view=markets vom 20.4.2015. 9

»About the Companies: Jordan Printers Company«, Arabianbusiness.com http://www. arabianbusiness.com/companies/arab-printers-company--67185.html?tab=Profile&view =markets vom 20.4.2015.

10 Die einzigen Mediennutzungsstudien, die bislang existieren sind die Jordan Media Survey (JMS) von 2007 für Print-, Online- und Radio-Medien und 2010 für Online- und Radio-Medien. Da sie von einer internationalen NRO (IREX), die keine Anteile an Medienunternehmen in Jordanien hält, in Auftrag gegeben wurde, ist ein möglicher Interessenskonflikt als gering und die Daten als zuverlässig zu betrachten. Auch die methodische Vorgehensweise ist transparent und professionell. 11 Vgl. Interviews mit den Chefredakteuren Al-Adwan 2007 (Al-Arab Al-Yaum) und AlJulani 2007 (As-Sabil). 12 Vgl. Interview mit Chefredakteur Al-Julani 2007 (As-Sabil).

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Bis zum Erscheinen von Al-Ghad war der Straßenverkauf die übliche Verkaufsstrategie. Nachdem der newcomer jedoch erfolgreich seine Abonnement-Strategie einführen konnte, zogen andere nach. Ein wichtiger Absatzmarkt für die vier größten Zeitungen (Ar-Ra'i, Ad-Dustur, Al-Ghad und Al-Arab Al-Yaum) sind die Abonnements der öffentlichen Institutionen. Kleine Zeitungen wie Al-Anbat sehen ihren marktwirtschaftlichen Nachteil unter anderem in der Exklusion bei dieser Abonnementpraxis.13 Im Zuge der Diskussion um einen Medien-Regierungsethikkodex im Jahr 2010/2011 kündigte die Regierung deshalb an, alle Abonnements zu kündigen, um den staatlichen Einfluss auf den Zeitungsmarkt zu minimieren. Doch nach dem Einschreiten des JPA entschied die Regierung im Jahr 2011, dass sich nur die Abonnementpraxis ändern solle: Alle Ministerien sollten demnach zehn Kopien aller Tages- und Wochenzeitungen, andere öffentliche Einrichtungen je fünf Kopien abonnieren und im Gegenzug Rabatte auf Anzeigen erhalten.14 Dieser als Schritt zu größerer Autonomie für das journalistische Feld verkaufte Versuch der Regierung ist angesichts weiterer wirtschaftlicher Verflechtungen von Tageszeitungen und Regime nur ›ein Tropfen auf den heißen Stein‹. Er zeigt aber auch die Konfliktlinien innerhalb des Tageszeitungssektors auf. Ein weitaus größeres ökonomisches Ungleichgewicht im Tageszeitungsmarkt entstand nämlich dadurch, dass öffentliche Institutionen nach wie vor überwiegend und teilweise ausschließlich in Ar-Ra'i annoncierten und warben. Das kann auch in Zukunft nicht verhindert werden. Diese lukrative Einnahmequelle, zusammen mit der weiterhin dominanten Kleinanzeigenakquise, veranlasste Kritiker und Konkurrenten zu abschätzigen Bemerkungen über die journalistische Rolle von Ar-Ra'i. Die Zeitung werde nur deshalb von vielen Jordaniern gekauft, weil man wissen wolle, wer gestorben sei. Gleichzeitig hallen Vorkommnisse aus den späten 1990ern und frühen 2000ern nach, als die Regierung von Abdal Raouf Rawabdeh die Anzeigen für Al-Arab Al-Yaum komplett stoppte und die staatliche Nachrichtenagentur Petra dazu veranlasste, der Zeitung den Service zu entziehen. All dies geschah laut World Press Freedom Review wegen einer Reihe regierungskritischer Beiträge in der Zeitung (Rugh 2004: 128). Auch die Chefredakteurin von Al-Anbat kritisiert die Anzeigenpraxis als starken Nachteil für ihre Zeitung. Um die Relevanz dieser wirtschaftlichen Verflechtung zu unterstreichen zitiert sie einen ehemaligen Chefredakteur Ar-Ra'is, der ihr in einem vertraulichen Gespräch Folgendes riet: »›Ich gebe Dir einen Rat. Immer wenn Du die Gren-

13 Vgl. Interviews mit Chefredakteurin Hroub, Rula 2007 und Geschäftsführer Hroub, Riyadh 2007 (beide Al-Anbat). 14 Vgl. Jordan Times online, 30.12.2011, PM approves gov’t subscription system, http://jordantimes.com/pm-approves-govt-subscription-system vom 20.4.2015; Jordan Times online, 4.1.2012 Gov’T holds conference on online media regulation, http:// jordantimes.com/govt-to-hold-conference-on-online-media-regulation vom 20.4.2015.

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zen der Freiheit weiter setzt, wird die Anzeigenzahl runter gehen. Mein Rat ist deshalb, setze die Grenzen etwas enger, dann werden auch die Anzeigenzahlen steigen.‹ Das haben wir dann getan […] und mittlerweile haben wir auch unsere Anzeigen erhöht.«15 Da viele der einflussreichen Unternehmer ehemalige Politiker sind oder enge Bindungen zur Regierung oder zum Königshaus pflegen, sind auch die scheinbar wirtschaftlich motivierten Anzeigen oftmals an politische Interessen gebunden. Allerdings hat sich das Anzeigengeschäft insgesamt im Tageszeitungsmarkt stark verändert. Bis zum Jahr 2000 spielte Werbung aus der Privatwirtschaft keine oder lediglich eine untergeordnete Rolle. Seither erfreut sich der Anzeigenmarkt einer Blüte: Während 2000 lediglich 77 Millionen US Dollar für Werbung in Jordanien ausgegeben wurden, waren es 2007 bereits 275 Millionen (IAA 2008). Von den Gesamtausgaben fielen im Jahr 2000 nur 70 Prozent auf Zeitungen und 2006 bereits 82 Prozent. Auch wenn sich hier nicht zwischen Tages- und Wochenzeitungen differenzieren lässt, so zeigt sich doch deutlich, dass die wirtschaftliche Situation für Tageszeitungen insgesamt relativ gut ist und nach den Prognosen des Dubai Press Club (2010: 127) mit acht Prozent jährlichem Wachstum weiter einen positiven Trend erwarten lässt. Angesichts der globalen und der jordanischen Wirtschaftskrise ist es fraglich, ob diese Erwartungen erfüllt werden können. Entscheidend in diesem Zusammenhang wird auch sein, wie stabil das Land angesichts der regionalen Umbrüche und Krisen bleibt. Eine weitere wichtige ökonomische Ressource, die Auswirkungen auf die journalistische Produktion hat, ist der Besitz von Druck- und Verbreitungsmöglichkeiten. Während die großen Tageszeitungen eigene Druckmaschinen besitzen, sind kleinere Tageszeitungen wie Al-Anbat, Ad-Diyar und die Wochenzeitungen auf die großen Konkurrenten angewiesen. Die Chefredakteurin von Al-Anbat bezeichnet die Probleme, die sich daraus ergeben, als bedeutend für die unabhängige Berichterstattung. So sei ihre Zeitung beispielsweise anfangs nur mit Verzögerung ausgeliefert worden und erst um neun Uhr in die Verkaufsstände gelangt, was sich negativ auf den Verkauf ausgewirkt habe. Die Schuld gibt sie der Konkurrenz AdDustur, deren Vertrieb auch Al-Anbat habe ausliefern sollen. Auch die Möglichkeiten von Sicherheitsdiensten und Regierung, inhaltlich unliebsame Beiträge zu verzögern oder gar nicht drucken zu lassen, sei gegeben und stärke eine Selbstzensur innerhalb der Zeitung.16 Neben diesen finanziellen und technischen Grundausstattungen gibt es weitere Ressourcen, die die Produktionskapazitäten der größeren Tageszeitungen relativ komfortabel machen.

15 Interview mit Hroub, Rula 2007 (Al-Anbat). 16 Vgl. Interview Hroub, Rula 2007 (Al-Anbat).

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Der Bereich der Tageszeitungen ist wohl derjenige, in dem die Medienunternehmen auf redaktioneller Ebene am weitesten ausdifferenziert sind, wovon die hohe Zahl von 545 Tageszeitungsjournalisten zeugt. Sie stellen 41 Prozent aller Journalisten in Jordanien (Pies 2012b: 1), die sich auf acht Tageszeitungen verteilen. Ar-Ra'i stellt die Tageszeitung mit den meisten journalistischen Mitarbeitern (155), gefolgt von Al-Ghad (125) und Ad-Dustur (117). Weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigen Al-Arab Al-Yaum (70), As-Sabil (44), Jordan Times (20), Ad-Diyar (10) und Al-Anbat (4) (vgl. ebd.: 1). Eine hohe Zahl an Journalisten ermöglicht Unternehmen eine ausdifferenzierte Redaktionsstruktur: Die vier größten Zeitungen haben Reporter in verschiedenen Regionen Jordaniens und lassen ihre Journalisten in Spezialgebieten entsprechend der redaktionellen Sektionen arbeiten. Dies ermöglicht einen relativ großen Anteil selbst recherchierter Informationen, die den Zeitungen eine größere Unabhängigkeit zur staatlichen Nachrichtenagentur Petra ermöglichen. Auch die Differenzierung in Reporter und Redakteure und die Beschäftigung von Fotografen, Fotoredakteuren, Übersetzern oder Illustratoren sind Ressourcen, die die Produktionskapazitäten und die journalistische Qualität erhöhen. Hinzu kommt ein größerer Pool an Entscheidern (Chefredakteure, leitende Redakteure und Chefs vom Dienst), die insgesamt für eine größere organisationsinterne Unabhängigkeit sorgen, da Verantwortungen verteilt sind. Schließlich kann die finanzielle Ausstattung für die Beschäftigung von Kolumnisten genutzt werden, die das Prestige und die Nutzerzahlen erhöhen können. Al-Arab Al-Yaum und As-Sabil beschäftigen zwar vergleichsweise weniger Journalisten, weisen aber in den meisten Punkten eine ähnliche Redaktionsdifferenzierung auf. Interessanterweise behaupten mehrere befragte Chefredakteure, dass sie als einzige mit Auslandskorrespondenten arbeiten, die vor allem aus anderen arabischen Ländern berichten. Das Argument für diesen ›Luxus‹ begründen sie damit, dass sie der Voreingenommenheit der großen, westlichen Nachrichtenagenturen etwas entgegensetzen und vor allem aus den arabischen Ländern aus einer »arabischen Perspektive« berichten wollen.17 Die drei übrigen Tageszeitungen, Ad-Diyar, Al-Anbat und Jordan Times hingegen sind nicht in der Lage, eine derart differenzierte Redaktionsstruktur aufzubauen und müssen deshalb mit einer geringeren Produktionskapazität auskommen. Dies zeigt sich auch in der zur Verfügung stehenden Infrastruktur. So residieren AlGhad und Al-Arab Al-Yaum in großen modernen Bauten, die sich zwar in ihrem Äußeren deutlich von den in die Jahre gekommenen Bauten von Ar-Ra'i und AdDustur abheben, sich in ihrer Raumkapazität aber kaum unterscheiden. Das Gegenteil zum reichlichen Platzangebot und der Repräsentativität der Redaktionsräume stellt Al-Anbat dar. Die Zeitung agiert aus einem heruntergekommen Hinterhaus

17 Vgl. Interviews mit den Chefredakteuren Al-Sharif, N. 2007 (Ad-Dustur), Al-Julani 2007 (As-Sabil), Al-Adwan 2007 (Al-Arab Al-Yaum).

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mit sieben Räumen, das – vermutlich aus Image-Gründen – von außen keinerlei Hinweis darauf gibt, dass hier die Tageszeitung Al-Anbat beheimatet ist. Die Unterschiede zwischen den Zeitungen zeigen sich auch in der technischen Infrastruktur, die den Journalisten bei ihrer täglichen Arbeit bereit steht. Während sich bei Al-Anbat beispielsweise alle Mitarbeiter zwei PCs teilen müssen (einer für die Redaktion und einer für Administration und Management), hat bei Al-Ghad jeder Journalist seinen eigenen Arbeitsplatz mit PC.18 Interessanterweise hat sich der Tageszeitungssektor als sehr beständig erwiesen. Neben den drei etablierten Tageszeitungen Ar-Ra'i, Ad-Dustur und Jordan Times, die bereits vor 1989 existierten, konnten sich auch alle Neueintritte bislang auf dem Markt halten. Es ist jedoch anzunehmen, dass ein Erscheinen weiterer Produkte nur mit großen finanziellen Bürden zu meistern sein wird und eine herausragende Alternative zu den meist moderaten Tageszeitungen bieten müsste, wie dies seinerzeit As-Sabil mit seinem ›Oppositionsbonus‹ leisten konnte. Gleichzeitig erfreut sich der Zeitungsjournalismus generell – vor allem aufgrund der differenzierten Redaktionsstrukturen der großen Zeitungen – eines relativ hohen Ansehens im jordanischen Journalismus. Dies zeigt sich allerdings weniger in der allgemeinen Nutzung von Tageszeitungen als in den Nutzerzahlen der Meinungselite und der Journalistenschaft selbst.19 Die Mediennutzungsstudie Jordan Media Survey (JMS) hat gezeigt, dass 92 Prozent der befragten Meinungselite in den letzten dreißig Tagen und 58 Prozent gestern eine Zeitung gelesen haben (JMS 2007b: 13, 15). Dahingegen liegt der Anteil der Tageszeitungsnutzer, die gestern eine Zeitung gelesen haben, gesamtgesellschaftlich nur bei 18,5 Prozent (JMS 2007a: 68). Die Zeitungsnutzung innerhalb der Elite ist aber nicht nur höher als die der Gesamtbevölkerung, sondern auch die höchste aller Medien innerhalb der Elitegruppe. Diese Zahlen drücken eine gewisse Wertschätzung der Tageszeitungen unter der Meinungselite aus und werden durch Zahlen aus der Al-Quds Center-Studie (2009) unterstützt (s. Tabelle 7). Gefragt nach dem Grad der Zufriedenheit mit jordanischen Medien gaben 21 Prozent der befragten Journalisten an, dass sie mit den Tageszeitungen zufrieden seien. Nur die Nachrichtenagentur Petra (24%) und die Nachrichtenwebsites (22%) kamen auf wenig mehr Zustimmung. Allerdings zeigen die Zahlen, dass das Prestige in-

18 Vgl. Beobachtungsprotokolle »Redaktion Al-Anbat« 2007 und »Redaktion Al-Ghad« 2007. 19 Die JMS-Studie wurde in zwei unterschiedlichen Samples erhoben. Das sogenannte »national sample« stellt eine repräsentative Stichprobe der Gesamtbevölkerung dar. Das sogenannte »opinion leaders sample« umfasst die Personen aus sechs verschiedenen Gruppen der Meinungselite: hohe Beamte, Vorsitzende von Berufsverbänden und Gewerkschaften, Parteivorsitzende, Unternehmer, Universitätsprofessoren und Experten darunter auch Journalisten und Kolumnisten (vgl. JMS 2007b: 5).

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ALS

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nerhalb der Journalistenschaft relativ ist und angesichts der Konkurrenz aus dem Internet zu bröckeln droht. Denn nur im Vergleich zu den anderen Mediengattungen Radio (11%), JTV (6%) und Wochenzeitungen (8%) schneiden die Tageszeitungen vergleichsweise gut ab, wobei ein Zufriedenheitsanteil von 22 Prozent natürlich kein Aushängeschild für Professionalität ist. Tabelle 7: Zufriedenheit jordanischer Journalisten mit den Medien Medien

Zufriedenheit mit der professionellen Performance (Anteil der Journalisten in Prozent)

Petra

24%

Nachrichtenwebsites

22%

Tageszeitungen

21%

Radio

11%

Wochenzeitungen

8%

JTV

6%

Parteipresse

3%

Quelle: Al-Quds Center (2009: 14)

Journalistische Qualität, Opposition und prominente Akteure Das relativ hohe ökonomische Kapital der Tageszeitungen lässt sich gut in Feldspezifisches, symbolisches Kapital umsetzen. Dabei spielt das symbolische Kapital journalistische Qualität eine besondere Rolle für die Distinktion zu anderen Mediensegmenten, Opposition hingegen eher für die Distinktion innerhalb des Tageszeitungssegmentes.20 Das Image eines »Qualitätsjournalismus« geht laut Al-Shalabi und Mahaftha vor allem auf die beiden etablierten Tageszeitungen Ar-Ra'i und Ad-Dustur zurück: »[Sie] repräsentierten die vorherrschende Linie, was sich über die Jahre als erfolg-

20 Die Begriffe ›journalistische Qualität‹ und ›Professionalität‹ beziehen sich nicht auf externe Qualitätskriterien wie sie etwa in der wissenschaftlichen Qualitäts- oder Professionalisierungsforschung formuliert werden, sondern auf die Merkmale, die ich als feldinterne Wahrnehmungen herausgefiltert habe und auf den folgenden Seiten darstelle. Aus diesem Grund gelten auch Zeitungen innerhalb des Feldes als qualitätsvoll, die eine starke Abhängigkeit zur Regierung aufweisen und aufgrund dessen in der wissenschaftlichen Qualitätsforschung als eher weniger qualitativ bezeichnet würden. Gleiches gilt für den Begriff der ›Opposition‹, der nicht zwangsläufig für eine im politikwissenschaftlichen Sinne oppositionelle Haltung stehen muss.

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reich erwies. Der Standard von Ar-Rai und Ad-Dustur wurde zum akzeptierten Standard für den jordanischen Journalismus – trotz der Instabilität, die durch die Veränderungen von öffentlicher zu privater und wieder zu öffentlicher Eigentümerschaft verursacht wurde.« (2005: 6, Übersetzung J.P.). Im Vergleich zu dem lange Jahre strikt staatlich kontrollierten Rundfunksektor und den oftmals als »unethisch« und »unprofessionell« gebrandmarkten Wochenzeitungen konnte sich der Tageszeitungsjournalismus lange als die journalistische Elite installieren. Auch heute sprechen viele Journalisten und feldexterne Experten dem Tageszeitungsjournalismus als einzigem Journalismus eine »Professionalität« zu. Dies drückt sich in der von Mellor formulierten sprachlichen Distinktion von Printjournalisten als sahafi und den übrigen Journalisten als i'lami aus (Mellor 2007: 63). Ebenso weist die jahrelange alleinige Akzeptanz von Printjournalisten im Journalistenverband darauf hin. Verschiedene Ressourcen können in ein Qualitätsprestige umgesetzt werden. Dazu zählt eine relative hohe und spezifische Ausbildung der beschäftigten Journalisten, die zunehmend auch durch interne Schulungen und Ausbildungsprogramme gestärkt wird. Bevor Al-Ghad im Jahr 2005 startete, wurden die zukünftigen Mitarbeiter in einem Test ausgewählt und anschließend in einem mehrmonatigen Ausbildungsprogramm für die neue »professionelle« Tageszeitung weiterqualifiziert.21 ArRa'i hat ein neues Traineeprogramm entwickelt.22 Auch die anderen Tageszeitungen heben die Bedeutung ihrer institutionalisierten, internen Ausbildung hervor. Dennoch scheint das Thema Ausbildung organisationsintern ein kritisches zu sein, das eine Kluft zwischen Journalisten in führenden Positionen und den einfachen Journalisten aufdeckt. In verschiedenen Interviews und Gesprächen mit Chefredakteuren und leitenden Redakteuren wurde immer wieder der Unwille vieler Journalisten, sich weiterzubilden, angesprochen: »Die Journalisten lehnen leider Weiterbildung ab, im Glauben, dass sie den Zenit ihres Wissens bereits erreicht hätten und niemanden bräuchten, der ihnen noch sagt was und wie man schreibt.«23 Eine unterschiedliche Wahrnehmung hinsichtlich des generellen Problems der unzureichenden Ausbildung von Journalisten zwischen leitenden und ausführenden Journalisten hat sich in der MediaAcT-Umfrage jedoch als statistisch nicht signifikant erwiesen (MediaAcT 2011). Die Mehrheit (81%) der Journalisten in Jordanien sieht mangelhafte Ausbildung als Problem, was die oben beschriebene, unkritische Selbstbetrachtung vieler Journalisten, von denen die Chefredakteure berichten, natürlich

21 Vgl. Interview mit Journalistentrainerin Sabbagh 2006 (ehem. Al-Ghad). 22 Vgl. Interview mit internem Journalistentrainer Assaf 2007 (Ar-Ra’i). 23 Interview mit der Chefredakteurin Hroub, Rula 2007 (Al-Anbat). Ähnlich äußerten sich auch die Chefredakteure Al-Sharif, N. 2007 (Ad-Dustur), Al-Adwan 2007 (Al-Arab AlYaum) und Sabbagh 2006 (ehem. Jordan Times).

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nicht widerlegt. Denn ob, die Befragten auch für sich selbst mehr Ausbildung fordern, verraten die Daten nicht. Eine weitere Ressource, die Tageszeitungen in journalistische Qualität umwandeln können, ist die Verpflichtung von bekannten Kolumnisten. Auf ihren Mitarbeiterlisten führen Ar-Ra'i für das Jahr 2011 zehn und Al-Ghad 32 Kolumnisten auf. Aber nicht nur die Beschäftigung besonders beliebter Kolumnisten – die durch höhere Nutzerzahlen auch wieder in ökonomisches Kapital umsetzbar ist24 – sorgt für Prestige, sondern auch die ideologische Zusammensetzung der Kolumnistenriege. So kann die Einstellung von Kolumnisten verschiedener ideologischer Ausrichtungen als Ausgewogenheit gedeutet werden, was wiederum als Indikator für journalistische Qualität betrachtet wird. Der Chefredakteur von As-Sabil stellte etwa gleich zu Beginn meines Interviews mit ihm klar, dass As-Sabil – obwohl Chefredakteur und Geschäftsführer Mitglieder der IAF sind – keine rein islamische Zeitung sei, sondern dass bei ihnen auch ein griechisch-orthodoxer und ein maronitischer Kolumnist schreiben, da »wir […] verschiedene Sichtweisen aufzeigen [wollen].«25 In einem Interview mit der Jordan Times anlässlich des Segmentwechsels zur Tageszeitung unterstreicht er diese Tatsache erneut.26 Auch Gerichtsprozesse gegen das eigene Medium können zu größerem Prestige beitragen. Die meisten Chefredakteure führten in den Interviews mindestens einen Prozess als Beweis für ihre Unabhängigkeit oder ihre Qualität an. Besonders der Freispruch in Prozessen gegen das eigene Medienunternehmen wurde als Beweis

24 In der JMS-Studie (2008) gaben 23,1 Prozent der Befragten an, dass sie regelmäßig die Kolumnisten lesen (2008: 162). Die Studie unternahm auch ein Ranking der einzelnen Kolumnisten (ebd.: 163-166), was ein Indiz dafür ist, dass hinter einer solchen Bewertung ökonomische Interessen der Medienorganisation stehen. Denn selbst wenn die Jordan Media Survey nicht im Auftrag von bestimmten Medienunternehmen erfolgte, so war dennoch das Ziel des Auftraggebers, IREX, die Konkurrenz auf dem Markt schärfer zu konturieren, um eine »langfristige und nachhaltige Wirtschaftsgrundlage für Zeitungen, Radio, Fernsehen und Internet zu garantieren« (ebd.: 5, Übersetzung J.P.). Während ein Anteil von 23,1 Prozent der Leserschaft noch nicht für eine übermäßig große Bedeutung der Kolumnisten spricht, so lässt sich der Anteil von 70,6 Prozent der regelmäßigen Leser innerhalb der Meinungselite sehr wohl als ein solches Indiz lesen (JMS 2007b: 17). Diese hohe Leserschaft deutet auf eine hohe symbolische Ressource innerhalb des journalistischen Feldes. 25 Interview mit Chefredakteur Al-Julani 2007 (As-Sabil). 26 Jordan Times online, 11.2.2009, As-Sabil hits newsstands, http://jordantimes.com/assabeel-hits-newsstands vom 20.4.2015.

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für die Professionalität der Arbeit gewertet.27 Wenn die Klagen gegen Medienunternehmen von Regierungsmitgliedern oder anderen Politikern stammen, können sie im journalistischen Feld das symbolische Kapital der Opposition mehren. Rula Hroub macht dies mithilfe ihrer Beobachtung deutlich, dass die Regierung neuerdings ›Normalbürger‹ an ihrer statt klagen lasse: »[Die Regierung] wollte ihm [dem Autor von Al-Anbat] kein Ansehen entgegenbringen, deshalb ließen sie normale Leute gegen ihn klagen und ihn ins Gefängnis bringen. Das ist die neue Politik unserer Regierung.«28 Teil dieser Strategie ist möglicherweise auch, dass in den meisten Fällen die Zeitungen freigesprochen werden oder mit geringen Geldstrafen belegt werden (s. Tabelle 8). Tabelle 8: Tageszeitungen vor Gericht 2000-2006 Anzahl der Prozesse von 20002006

Freispruch

Ar-Ra'i

12

9

3

0

Al-Arab Al-Yaum

8

5

3

0

Ad-Dustur

7

4

3

0

Al-Ghad (ab 2004)

2

2

0

0

As-Sabil (als Wochenzeitung)

2

0

2

0

Al-Anbat (ab 2005)

1

0

1

0

Ad-Diyar

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

Jordan Times

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

32 (100%)

20 (63%)

12 (37%)

0 (0%)

Name der Zeitung

GESAMT

Geldstrafe

Gefängnisstrafe

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach CDFJ (2008b: 275ff.)

Zwischen 2000 und 2006 wurden gegen Tageszeitungen in 37 Prozent der Fälle Geldstrafen verhängt, in 63 Prozent der Fälle wurden die Medienorganisationen freigesprochen (vgl. CDFJ 2008: 275ff.). Dies ist möglicherweise auch ein Grund, warum eine große Mehrheit der jordanischen Journalisten (70,7%) der Meinung ist, dass, wer sich von den Medien angegriffen fühlt, vor Gericht gehen sollte (Pies 2012a: 5). Etwas anders stellt sich die Situation bei den Wochenzeitungen dar, de-

27 Vgl. Interviews mit Chefredakteuren Al-Sharif, N. 2007 (Ad-Dustur), Hroub, Rula 2007 (Al-Anbat), Al-Adwan 2007 (Al-Arab Al-Yaum). 28 Interview mit Chefredakteurin Hroub, Rula 2007 (Al-Anbat).

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ren Mitarbeiter auch Gefängnisstrafen erhielten (s. Tabelle 11). Die Ressource Gerichtsprozess wird allerdings nicht nur in das symbolische Kapital journalistische Qualität, sondern auch in Opposition umgesetzt. Wer welche Art der Umsetzung bevorzugt, hängt wesentlich von der Selbstplatzierung der Medienorganisationen im Feld des Tageszeitungsjournalismus ab. Opposition wird vor allem als Distinktion zu den direkten – ökonomisch starken – Konkurrenten verwendet. Ar-Ra'i, AdDustur und Al-Ghad reklamieren gar nicht erst für sich, oppositionell zu sein, sondern bauen allein auf ihr Prestige durch Qualität und Tradition. Ar-Ra'i wurde von der jordanischen Regierung gegründet vor dem Hintergrund, dass der damalige Premierminister Wasfi At-Tal glaubte, die bis dahin bestehende Presse, die überwiegend palästinensische Wurzeln hatte, könne mit dem Medieneinfluss des ägyptischen Präsidenten Nasser nicht konkurrieren. Zudem wurde Ar-Ra'i in eine Zeit größter politischer Spannungen zwischen dem jordanischen Regime und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) gegründet (Al-Shalabi/ Mahaftha 2005: 4). Ar-Ra'i wird deshalb heute noch häufig mit eher transjordanischen, Ad-Dustur hingegen eher mit palästinensisch-jordanischen Interessen assoziiert. Allerdings muss diese Einschätzung als grobe Vereinfachung betrachtet werden, die einer wissenschaftlichen Überprüfung noch nie standhalten musste. Da ArRa'i zu 56 Prozent in Händen der staatlichen, jordanischen Sozialversicherungsgesellschaft liegt, streiten selbst die dort arbeitenden Journalisten eine Regierungsnähe nicht ab. Eine ehemalige Mitarbeiterin beschreibt diesen Einfluss wie folgt: »Wenn sie [die Regierung] die Preise von Öl und Lebensmitteln erhöhen, sagen sie [Regierung und Chefredaktion] Dir nur: ›Bitte zeigt alle Meinungen aber zeigt dieses Argument zuerst und schreibt, dass die Preise nicht wirklich hoch sind, sondern die Leute gern übertreiben und immer sagen, die Preise seien hoch.‹«29 Ad-Dusturs Chefredakteur Nabil Al-Sharif streitet eine gewisse Abhängigkeit von der Regierung ebenfalls nicht ab: »Ich möchte nicht behaupten, dass wir unabhängig sind. Das würde nicht den Tatsachen entsprechen. Ich würde unsere Zeitung als eine semi-unabhängige Zeitung beschreiben, die professionelle Werte sehr hochhält. Wir versuchen, so ausgewogen wie möglich zu berichten und alle Ansichten zu zeigen […].«30 Der öffentlichen Wahrnehmung einer aktiven Unterstützung für palästinensische Themen stellt er jedoch eine unternehmensinterne Strategie zur Unterstützung der urdun-auwalan-Kampagne (Jordanien zuerst!) entgegen: »Wir geben der Palästinensischen Sache eine gewisse Prominenz, weil unsere Leser eine Extradosis dieser Sache erwarten, einfach aufgrund unserer historischen Anfänge. [Aber] wir konzentrieren uns nicht mehr auf internationale oder arabische Nachrichten [auf der

29 Interview mit den ehemaligen Ar-Ra’i Journalistinnen Nimri 2007 und Tubeileh (beide Al-Ghad). 30 Interview mit Chefredakteur Al-Sharif, N. 2007 (Ad-Dustur).

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ersten Seite] wir konzentrieren uns auf nationale Themen. Unsere Titelgeschichte muss ein nationales Thema sein.«31 Auch Al-Ghads Chefredakteur Ayman AlSafadi präsentiert die redaktionelle Linie als eine durch professionelle Visionen gekennzeichnete: Die Veränderung der journalistischen Kultur in Jordanien sei eines seiner Ziele, erklärt er. Objektive Berichterstattung in jedem einzelnen Artikel, Verzicht auf das Publizieren von Gerüchten, detaillierte Recherche und die Rückbindung an die Leser über das Internet, so definiert er seine Vision. Politische Statements bleiben außen vor. Dass die Zeitung mit dem Königshaus in Verbindung gebracht wird, liegt vor allem an der Rolle des Eigentümers, Mohammed Alayan, ein Geschäftsmann, der mit einer Verwandten des Königs verheiratet ist (Sakr 2007: 32). Eine offene Bestätigung für diese politische Richtung lässt sich aus dem Interview mit dem Chefredakteur nicht generieren. Er beharrt auf Qualität als wichtigste Distinktion und Ressource. Auf beide symbolischen Ressourcen, journalistische Qualität und Opposition, berufen sich indes Al-Arab Al-Yaum und As-Sabil. Erstere setzt sich bewusst als Oppositionszeitung mit klarer redaktioneller Linie in Position, die sich im Detail jedoch in der Innenpolitik nicht als so radikal wie vorgegeben entpuppt. So beschreibt der Chefredakteur, Taher Al-Adwan die Leitlinien der Zeitung wie folgt: »Wir sind für die politische Reform, die ökonomische Reform aber gegen Nepotismus. Während der Wahlen stehen wir für einen demokratischen, liberalen Wahlprozess. Wir fordern einen ganzheitlichen Demokratisierungsprozess in der Gesellschaft. Wir fordern Wahlen an Universitäten und in allen Parteien.«32 Das Oppositionsimage erhält die Zeitung wohl eher durch ihre außenpolitischen Standpunkte und vor allem aus ihrer Geschichte. Als erste Zeitung ohne Regierungsbeteiligung ebnete AlArab Al-Yaum seinerzeit Wege für Regierungskritik. Al-Adwan selbst kommt immer wieder auf diese Anfangszeit der 1990er Jahre zu sprechen, wenn er den oppositionellen Charakter der Zeitung beschreibt: »[Al-Arab Al-Yaum] war die erste Zeitung in Jordanien, die beide Meinungen, die Regierungs- und die Oppositionsmeinung, brachte. […] Sie veröffentlichte Sachen und Artikel, die vorher noch nie in einer Zeitung publiziert worden waren.«33 Die Selbstdarstellungsstrategie von As-Sabil ähnelt der von Al-Ghad. Anstatt politische Leitlinien zu formulieren, erklärt der Chefredakteur die professionelle Vision der Zeitung. Gleichwohl betont er die islamische Orientierung der Zeitung, durch die sich die Zeitung – neben dem professionellen Gebaren – von den anderen Zeitungen auf dem Markt unterscheide. Da As-Sabil zum Zeitpunkt des Gesprächs allerdings noch als Wochenzeitung erschien, muss die Selbstdarstellung im Kontext des Wochenzeitungsmarktes inter-

31 Interview mit Chefredakteur Al-Sharif, N. 2007 (Ad-Dustur). 32 Interview mit Chefredakteur Al-Adwan 2007 (Al-Arab Al-Yaum). 33 Interview mit Chefredakteur Al-Adwan 2007 (Al-Arab Al-Yaum).

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pretiert werden. Beide Zeitungen, As-Sabil und Al-Arab Al-Yaum, stehen mit ihren ökonomischen Ressourcen und Produktionskapazitäten zwischen den drei großen (Ar-Ra'i, Al-Ghad und Ad-Dustur) und den drei kleinen Zeitungen (Al-Anbat, AdDiyar, Jordan Times). Al-Anbat ist neben Ad-Diyar die Zeitung mit den geringsten ökonomischen Ressourcen und Produktionskapazitäten. Nicht zuletzt aus diesem Grund setzt die kleine Tageszeitung vollständig auf das Oppositionskapital. Als (zum Zeitpunkt des Interviews) jüngster Feldneuling schien dies offensichtlich die vielversprechendste Distinktion, denn eine professionelle Argumentation ist angesichts der offensichtlich professionellen Defizite, die die Chefredakteurin auch offen zugibt, nicht überzeugend. Stattdessen behaupten Chefredakteurin und Besitzer einstimmig, dass AlAnbat die größte redaktionelle Freiheit biete, da die Zeitung einzig ökonomischen Interessen diene. Allerdings gibt die Chefredakteurin, Rula Hroub, zu bedenken, dass die beschäftigten Journalisten diese Vision nicht teilten und die durch die Freiheit entstandenen Möglichkeiten nutzen würden, um Opposition zur Regierung zum Ausdruck zu bringen.34 Problematisch für diese alleinige Distinktion durch Opposition ist, dass sich Al-Anbat damit nicht nur in Konkurrenz zu den anderen Tageszeitungen setzt, sondern auch – wie noch zu zeigen ist – zu den Wochenzeitungen. Selbst wenn innerhalb der Journalistenschaft die Tageszeitungen eine relativ gute Position hinsichtlich der Zufriedenheit einnehmen, so sind 21 Prozent absolut gesehen, doch eher als Abwertung denn als besonderer Vertrauensbeweis zu sehen. Dies spiegelt sich in der öffentlichen Wahrnehmung der Medien insgesamt wider (s. Tabelle 9). Obwohl der staatliche Einfluss auf die Medien seit 1989 deutlich abgenommen hat, assoziieren die Nutzer die Medien immer noch mit mangelnder Regierungskritik. In der jährlichen Umfrage zur Demokratie in Jordanien des Zentrums für strategische Studien (CSS) gaben die Befragten den Medien im Jahr 2008 die schlechteste Note in Sachen Regierungskritik: 71 Prozent waren der Meinung, dass die Medien die Regierung nicht kritisieren können. Familie, Freunde und Kollegen waren die gesellschaftlichen Institutionen, in denen eine solche Kritik am ehesten geäußert werden könne (CCS 2008: 10). Diese skeptische Einstellung gegenüber den Medien wurde in einer Neuauflage der Studie von 2010 bestätigt, laut der nur 21 Prozent der Befragten sich trauen würden, die Regierung in den Medien oder im Internet zu kritisieren (CCS 2010: 12).

34 Vgl. Interview mit Chefredakteurin Hroub, Rula 2007 (Al-Anbat).

274 | J OURNALISTISCHE A KTEURE

Tabelle 9: Kritikunfähigkeit gesellschaftlicher Institutionen Institutionen, die nicht in der Lage sind, die Regierung zu kritisieren

Wahrnehmung in der Bevölkerung (in Prozent)

Demonstrationen, Sit-ins und Protest

69

Treffen, Seminare, Vorträge

68

Medienorganisationen inklusive Internet

71

Petitionen und Briefe

70

Familie, Verwandte, Stammesmitglieder

56

Freunde, Bekannte und Kollegen

57

Quelle: CSS (2008: 10)

Mit diesen Angaben lässt sich zumindest in Ansätzen erklären, warum besonders Feldneulinge versuchen, die Ressource Opposition auszubauen. Die etablierten Tageszeitungen Ar-Ra'i und Ad-Dustur, die zwar einerseits einen erheblichen Anteil am positiven Imageaufbau des Journalismus hatten, stehen doch zugleich auch für deren dauerhaft, geringes Wandlungspotential. Noch im Jahr 1987 klassifizierte Rugh das jordanische Pressewesen als dem Regime gegenüber »loyal« (vgl. Rugh 1987), befand jedoch 17 Jahre später, dass es sich im Wandel befinde (vgl. Rugh 2004). Die Loyalität bezog er dabei vor allem auf die Tatsache, dass die Tageszeitungen in Jordanien vor 1989 nicht direkt als Propagandainstrumente des Regimes genutzt wurden (wie die der mobilisierenden Presse z.B. in Syrien), sondern ihr Output über verschiedene indirekte politische Einflüsse opportun für das Regime gehalten wurde. Dazu zählte er beispielsweise die Eigentumsbeteiligung an Tageszeitungen sowie die enge persönliche Verbindung zwischen Regimeakteuren und den Herausgebern. Den Wandel vom »loyalen« zum »transitiven« Pressesystem sieht Rugh vor allem darin, dass sich die Artikulationsmöglichkeiten von Opposition zum Regime deutlich vergrößert haben. Dennoch konstatiert er für die sogenannten transitional systems: »Der Regierungseinfluss auf den politischen Diskurs und die Artikulationsmittel inklusive der Printmedien ist signifikant und unverhältnismäßig größer als der von Oppositionsakteuren.« (Rugh 2004: 152, Übersetzung J.P.) Daraus lässt sich schlussfolgern, dass besonders die Frage nach dem Einsatz der Ressource Opposition für die Frage nach einem Wandel im Journalismus eine wichtige Rolle spielen kann. Der Tageszeitungsjournalismus kann diese Rolle allerdings nicht zwingend herbeiführen. Dies zeigt auch die Tatsache, dass viele Kolumnisten und Chefredakteure regelmäßig zwischen den vier Tageszeitungen ArRa'i, Al-Ghad, Ad-Dustur und Al-Arab Al-Yaum und politischen Ämtern wech-

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seln.35 Gäbe es fundamentale Abweichungen zwischen den Zeitungen, würden solche Wechsel aus Glaubwürdigkeitsgründen von Kolumnisten und Chefredakteuren vermutlich als ›undenkbar‹ deklariert. 1.2 Wochenzeitungen: Herausforderung trotz Kurzlebigkeit Seit 1993 hat sich das Feld der Wochenzeitungen (arab. usbu'iya) sehr stark ausdifferenziert. Während 1989 Shihan die einzige Wochenzeitung war, gründeten sich schnell nach der Aufhebung des Kriegsrechts die ersten Parteizeitungen, von denen heute noch einige aktiv, aber unbedeutend sind. Im Jahr 1990 brachte die Familie Al-Sharif, die auch die Tageszeitung Ad-Dustur betreibt, die englischsprachige Wochenzeitung The Star auf den Markt, die heute noch existiert. Seit den 1990er Jahren wurden zahlreiche Wochenzeitungen gegründet, die sich mit einer soziopolitischen Ausrichtung zu etablieren suchten. Dazu zählen die bis heute publizierenden As-Sabil, Shahid, Hawadath As-Sa'a, Al-Liwa, Al-Jazira, Al-Hadath, AlUrdun, Al-Majd, Al-Mithaq, Al-Bilad und Al-Mihwar. Schließlich kamen auch Sportzeitungen wie Al-Faisali Ar-Riyadi oder Wihdat Ar-Riyadi und einige kostenlose Anzeigenblätter wie Al-Wassit oder Al-Mumtaz auf den Markt.36 Nicht nur die politische Öffnung König Husseins 1989 unterstützte einen Aufschwung der Wochenzeitungen, sondern auch die Rückkehr von zahlreichen Jour-

35 So ging beispielsweise der Kolumnist Mohammad Abu Rouman von Al-Ghad zu ArRa’i, der Kolumnist Samih Maaytah war Chefredakteur bei Ar-Ra‘i und wechselte in die Chefredaktion von Al-Arab Al-Yaum, der Ex-Chefredakteur von Al-Arab Al-Yaum wurde Kolumnist bei Al-Ghad oder George Hawatmeh besetze jeweils die Chefredaktionsposten von Ar-Ra‘i, Jordan Times und Al-Ghad. Auch der Weg vom Chefredakteur in die Politik und umgekehrt ist nicht ungewöhnlich und scheint – zumindest für die vier großen Tageszeitungen – Teil der Elitenrotation zu sein, die die Basis einer Loyalitätspolitik darstellt (vgl. Bank/Schlumberger 2004). So war der ehemalige Chefredakteur von Ad-Dustur, Nabil Al-Sharif von 2010 bis 2011 Sprecher der Regierung; der ehemalige Berater der beiden Premierminister Samir Rifai und Marouf Bakhit, Maaytha, wurde später Chefredakteur von Ar-Ra’i; Ayman Al-Safadi Chefredakteur von Al-Ghad im Jahr 2007 wurde anschließend Berater der Königs; Taher Al-Adwan ehemals Chefredakteur von Al-Arab Al-Yaum wurde Ende 2011 Staatssekretär für Medien und Kommunikation (vgl. z.B. Ammonnews, 1.1.2012, Maaytah to head Al Arab Al Yawm, Ghnaimat chief editor of Al Ghad daily, http://en.ammonnews.net/article.aspx?articleNO=15147; Ammonnews, 22.12.2011, Asfour appointed Al Rai chief editor after Maaytah's controversial resignation, http://en.ammonnews.net/article.aspx?articleNO=15038 vom 20.4.2015). 36 Eine umfassende Chronik über die Zeitungsgründungen in Jordanien von 1920 bis 2000 bietet Abidad (2003: 243-267).

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nalisten aus dem Irak und aus Kuwait infolge des Golfkrieges 1990. Wegen der loyalen Haltung der jordanischen und palästinensischen Führung gegenüber Saddam Hussein nach dessen Annexion Kuwaits, brachen die Golfstaaten (die Kuwait unterstützten) die Wirtschaftsbeziehungen zu Jordanien ab. Etwa 300.000 jordanische und palästinensische ›Gastarbeiter‹ kehrten deshalb innerhalb kürzester Zeit nach Jordanien zurück (vgl. Bank 2007: 315). Insgesamt stieg die Zahl der Journalisten von 150 registrierten Journalisten (d.h. zu diesem Zeitpunkt Printjournalisten) in 1989 auf 260 im Jahr 1994. Da der Wochenzeitungsmarkt zu diesem Zeitpunkt aktiver war als alle anderen Mediensegmente, landeten viele der ›Rückkehrer‹ als Journalisten in den Wochenzeitungen oder gründeten selbst eine Zeitung (Hawatmeh 1994b: 5). In den Folgejahren fielen die Wochenzeitungen jedoch immer stärker in die Missgunst des Regimes – besonders in die des Königs – weil sie angeblich unethischen und unprofessionellen Journalismus betrieben. Die neuen Publikationsmöglichkeiten hatten der Opposition eine Stimme verliehen und waren von Regimeseite mit Anklagen überzogen worden (vgl. Jones 2002a: 329f.). Allein in den Jahren 1993 bis 1996 hatte der Staat 63 Klagen gegen Zeitungen erhoben, wovon alle bis auf fünf gegen die Wochenzeitungen gerichtet waren (Kilani 1997: 99104). In regelmäßigen Abständen erklärte Hussein öffentlich seinen Unmut über die Presse (vgl. Campagna 1998: 46). Die Änderungen des Pressegesetzes von 1997 führten schließlich zu einem Wochenzeitungssterben und das Image des unprofessionellen und unethischen Journalismus in den usbu'iya war mit dieser Entwicklung geschaffen. König Abdallahs II. liberale Wirtschaftspolitik seit Beginn des 21. Jahrhunderts, die vorsichtige Öffnung des Rundfunkmarktes und die zunehmende Verbreitung des Internets können als ein Revival der Wochenzeitungen betrachtet werden, das jedoch zunehmend ins Internet verlagert wird. In Medienverbünden mit Radio- und Fernsehsendern oder Internetseiten entstanden einige neue, sozio-politisch orientierte Wochenzeitungen wie Al-Haqiqa Ad-Duwaliya oder Al-Watan. Im Jahr 2011 arbeiten 677 Journalisten im Printsektor (Tageszeitungen, Wochenzeitungen und Magazine), von denen etwa 80 Journalisten bei ca. 20 Wochenzeitungen beschäftigt sind, was sechs Prozent aller Journalisten und zwölf Prozent aller Printjournalisten darstellt (Pies 2012b: 1). Die Zahlen können sich schnell ändern, da der Wochenzeitungssektor auch derjenige mit der geringsten Beständigkeit ist, was vor allem an den prekären ökonomischen Bedingungen liegt. Finanzielle Ausstattung und Produktionskapazitäten Die Reichweite und Nutzung von Wochenzeitungen lässt sich nur schwer in verlässlichen Zahlen bestimmen. Wie bei den Tageszeitungen sind die Auflagenzahlen mit Vorsicht zu genießen, da sie – wenn sie überhaupt existieren – auf Selbstaussagen der Unternehmen basieren. Die folgenden Wochenzeitungen geben eine Auflage an: Ahali 4000, Al-Hadath 25.000, Al-Hilal 35.000, Al-Majd 8000, As-Sabil

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25.000, Shihan 15.000, The Star 11.000 (Smaley 2007: 28). Diese Auflagen sind – wie auch die der Tageszeitungen – viel zu hoch gegriffen, schaut man sich die Nutzerzahlen von Wochenzeitungen an (s. Tabelle 10). Tabelle 10: Nutzung von Wochenzeitung in der Bevölkerung Name der Zeitung (Kategorie)

Bevölkerungsanteil, der in den letzten 30 Tagen die Zeitung genutzt hat (in Prozent)

Al-Wassit (Anzeigenblatt)

18,3

Al-Mumtaz (Anzeigenblatt)

10,9

Shihan (sozio-politisch)

5,0

Wihdat Ar-Riyadiya (Sportzeitung)

5,0

A'rad wa Talab (Anzeigenblatt)

4,3

Al-Faisali Ar-Riyadi (Sportzeitung)

4,2

As-Sabil (sozio-politisch)

4,1

Amlak (Anzeigenblatt)

3,9

Madinat Al-Ilan (Anzeigenblatt)

2,4

Hawadath As-Sa'a (sozio-politisch)

1,9

Ash-Shahid (sozio-politisch)

1,3

Al-Jazira (sozio-politisch)

1,2

Al-Hadath (sozio-politisch)

1,1

Al-Bilad (sozio-politisch)

1,1

Sijjil (sozio-politisch)

1,1

Al-Urdun (sozio-politisch)

0,9

Al-Liwa (sozio-politisch)

0,8

Al-Majd (sozio-politisch)

0,8

Al-Mihwar (sozio-politisch)

0,7

Al-Mithaq (sozio-politisch)

0,5

The Star (sozio-politisch)

0,3

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach JMS (2008: 175ff.)

Nur 22,4 Prozent der Jordanier geben an, in den letzten 30 Tagen(!) eine der Wochenzeitungen gelesen oder durchgeblättert zu haben. Die beiden kostenlosen Anzeigenblätter Al-Wassit (18,3%) und Al-Mumtaz (10,9%) waren die meist genutzten Wochenzeitungen im Jahr 2008. Danach folgten die politischen Zeitungen Shi-

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han und die Sportzeitung Riyadiya mit je fünf Prozent. As-Sabil folgte Shihan als zweite politische Zeitung mit 4,1 Prozent. Alle weiteren Wochenzeitungen aus dieser Kategorie erreichten weniger als zwei Prozent der Bevölkerung (vgl. JMS 2008). Auf hohe Nutzerzahlen allein zu setzen, scheint folglich für Wochenzeitungen kaum eine ökonomische Überlebensstrategie zu sein. Die Eigentümerschaft ist in allen Wochenzeitungen – mit Ausnahme des Stars – rein privater Natur und nur in Einzelfällen transparent und beständig. In einigen Fällen stehen wohlhabende Geschäftsleute hinter den Zeitungen, die über ihr eigenes Presseorgan politisch Einfluss nehmen wollen. Ein gutes Beispiel für eine solche Strategie ist Al-Haqiqa Ad-Duwaliya: Der Chefredakteur und Eigentümer Zakariya Al-Sheikh ist erfolgreicher Pharmaunternehmer und führt ein Medienkonglomerat, zu dem neben der Wochenzeitung eine Internetseite, ein Fernsehsender und ein Thinktank gehören. Nach eigenen Angaben umfasst sein Mitarbeiterpool 20 Journalisten. Sein explizites Ziel ist, As-Sabil und der Muslimbruderschaft »das Monopol über die öffentliche Deutungshoheit des Islams« zu entziehen.37 In anderen Fällen stehen Parteien hinter den Zeitungen wie etwa im Falle von As-Sabil die Islamische Aktionsfront (IAF) oder Al-Ahali die Partei Hashd. Gratiszeitungen wie Al-Wassit oder Al-Mumtaz finanzieren sich vor allem über Kleinanzeigen und Werbung. Eine Offenlegung der Finanzierung, sei es in Form von Eigentümeranteilen oder Anzeigeneinnahme, ist nicht gewollt. Keine der Wochenzeitungen besitzt Druckmaschinen oder Distributionsagenturen, so dass sie zwar von den Tageszeitungen abhängig sind, aber auch ein geringeres finanzielles Risiko tragen. Die Kosten werden auch dadurch minimiert, dass Wochenzeitungen im Umfang selten mehr als 20 Seiten stark sind und nicht die Vielfalt der Ressorts einer Tageszeitung abdecken. Dafür rühmen sie sich gern mit ihren freien Auslandskorrespondenten, die besonders in den arabischen Ländern für sie berichten.38 Die meisten Wochenzeitungen agieren mit weniger als fünf journalistischen Mitarbeitern wie The Star oder Al-Watan. Etwa ein Drittel aller Wochenzeitungen beschäftigt zwischen fünf und zehn Journalisten, dazu gehören Shihan, Al-Hadath oder Ash-Shahid. Bei Al-Majd beispielsweise arbeiten lediglich der Chefredakteur und ein Redakteur in fester Anstellung. Große Teile des Inhalts werden von freien Korrespondenten geliefert.39 Viele der journalistischen Neueinsteiger starten in einer der Wochenzeitungen, wodurch für die Organisationen die Personalkosten sinken, da sie geringer Gehälter bekommen als erfahrenere Kollegen.

37 Interview mit Chefredakteur Al-Sheikh 2007 (Al-Haqiqa Ad-Duwaliya). 38 Vgl. Interviews mit den Chefredakteuren Abu Baydar 2007 (Shihan), Al-Julani 2007 (AsSabil), Rimawi 2007 (Al-Majd), Al-Sheikh 2007 (Al-Haqiqa Ad-Duwaliya). 39 Vgl. Interview mit Chefredakteur Rimawi 2007 (Al-Majd).

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Das wöchentliche Erscheinen trägt zusätzlich dazu bei, finanzielle Bürden zu verringern. Insgesamt ist deshalb das finanzielle Risiko für die Unterhaltung einer Wochenzeitung kleiner und überschaubarer für Neueinsteiger als beispielsweise im Tageszeitungsbereich. Gleichzeitig ist die ökonomische Ressourcenausstattung aber als sehr gering einzuschätzen, was die Handlungsoptionen von Wochenzeitungen tendenziell eher vermindert. Der im Wochenzeitungssegment erfahrene Chefredakteur von Al-Watan sieht den Wochenzeitungsmarkt deshalb auch eher als »Experimentierfeld«, auf dem es keiner großen Machbarkeitsstudien bedürfe, um eine Zeitung auf den Markt zu bringen.40 Journalistische Qualität, Opposition und prominente Akteure Der Begriff Wochenzeitung meint in Jordanien nicht allein die Erscheinungsweise. Zwar kommen die mit usbu'iya bezeichneten Zeitungen wöchentlich in den Verkauf, doch bei der Bezeichnung schwingt häufig eine Konnotation des Boulevardesken und Unprofessionellen mit.41 Journalisten aus dem Tageszeitungsgeschäft reden oft abwertend über ihre Kollegen in den Wochenzeitungen, besonders wenn es um Fragen der Moral geht. Den Ruf des Unprofessionellen erhalten die Wochenzeitungen vor allem aufgrund ihrer relativ schlechten Arbeitsbedingungen, die selbst von den dort arbeitenden Chefredakteuren als Problem für journalistische Qualität betrachtet werden. Das Gehalt der meisten Wochenzeitungsjournalisten reiche nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, weshalb zusätzliche, oft die Integrität beeinträchtigende Einnahmequellen nötig würden. Daneben beschäftigten die Wochenzeitungen überwiegend junge Universitätsabsolventen, die wenig journalistische Erfahrung hätten. Das Publizieren von Gerüchten ohne weitere Recherche sei deshalb weiter verbreitet als in den Tageszeitungen.42 Da die Wochenzeitungen im journalistischen Feld gegen die Tageszeitungen durch Qualität nicht bestehen können, ist die Hauptwährung des Mediensegments Opposition. Gerade das in den Augen vieler Kollegen »unmoralische« und »unprofessionelle« Verhalten der Wochenzeitungsjournalisten habe dazu geführt, dass Themen, die bislang nur als Gerüchte in der Gesellschaft kursierten, an die mediale Öffentlichkeit gelangten (Jones 2002a: 457; 2002b: 177ff.). Hawatmeh führt einige Beispielartikel an, die nach der politischen Öffnung von Wochenzeitungen publiziert wurden, die von keiner der damaligen Tageszeitungen gewagt worden wären. Ein solcher Artikel kritisierte beispielsweise den Kronprinzen dafür, dass er Shimon Peres getroffen hatte. Hawatmeh geht sogar so weit zu behaupten: »Die meisten, wenn

40 Vgl. Interview mit Chefredakteur Al-Ghantisi 2007 (Watan). 41 Im Englischen verwenden meine Interviewten die Begriffe tabloid und weeklies häufig synonym. 42 Vgl. Interview mit Chefredakteur Abu Baydar 2007 (Shihan).

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nicht sogar alle, dieser ›gewagten‹ Artikel und Meinungen wurden von der Boulevardpresse [d.h. den Wochenzeitungen, J.P.] gebracht, genau wie der Großteil der investigativen Berichte, die in den letzten fünf Jahren von der Partei- und Boulevardpresse veröffentlicht wurden.« (Hawatmeh 1994b: 6, Übersetzung J.P.) Er unterstreicht damit Jones These, dass die Wochenzeitungen als potentielle Herausforderer für das Regime und die gesamte Medienlandschaft fungieren können (2002a: 457; 2002b: 184). Das hohe symbolische Kapital Opposition wurde nicht zuletzt durch die Parteizeitungen verkörpert, die nach den ersten Öffnungstendenzen 1989 entstanden, sich aber aufgrund ihrer marginalen politischen Bedeutung – abgesehen von der Islamischen Aktionsfront – nur kurz einer Blüte Mitte der 1990er erfreuen konnten. Die Parteien, die es erfolgreich schafften, sich als (wenn auch meist außerparlamentarische) politische Opposition zu etablieren, konnten zumeist auch ihre Parteizeitungen aufrecht erhalten wie etwa As-Sabil, die der IAF oder Al-Majd, die den Panarabisten nahe steht. Neben parteipolitischen Aktivitäten gilt auch für die Wochenzeitungen juristische Verfolgung als Ressource, die in symbolisches Kapital umgewandelt werden kann. Während gegen Tageszeitungen in den Jahren zwischen 2000 und 2006 lediglich 32 Anklagen erhoben wurden (s. Tabelle 8), waren es gegen Wochenzeitungen 53 (s. Tabelle 11). Gefängnisstrafen trafen allein die Wochenzeitungen und der Anteil der Freisprüche war wesentlich geringer (63% bei den Tageszeitungen, 25% bei den Wochenzeitungen). Die Chefs einiger Wochenzeitungen heben ihre Strafprozesse im Interview gern hervor. Der Chefredakteur von Shihan, der ältesten Wochenzeitung, lässt im Interview immer wieder Anekdoten einfließen von den gegen ihn und die Zeitung geführten Prozessen und anderen Versuchen der Einschüchterung, z.B. einen Anschlag auf die Zeitung.43 Fahd Al-Rimawi, der Chefredakteur von Al-Majd, stellt seine Oppositionshaltung als die Grundlage der Zeitung dar und verweist mehrfach auf Prozesse gegen die Zeitung und auf seinen eignen dreimonatigen Gefängnisaufenthalt. Da die Wochenzeitungen im Vergleich zu den Tageszeitungen auf finanziell kleineren Füßen stehen, können Prozesse aber auch gravierende finanzielle Probleme bedeuten.

43 Vgl. Interview mit Chefredakteur Abu Baydar 2007 (Shihan).

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Tabelle 11: Wochenzeitungen vor Gericht 2000-2006 Zeitung

Anzahl der Prozesse 2000-2006

Freispruch

Geldstrafe

Gefängnisstrafe

Al-Mihwar

7

0

4

3

Shihan

4

1

2

1

As-Sabil (als Wochenzeitung)

2

0

2

0

Al-Hilal

2

0

1

1

Ash-Shahid

21

2

15

4

Al-Bilad

3

1

1

1

Al-Jazira

5

3

2

0

Al-Mithaq

1

1

0

0

Hawadith As-Sa'a

3

1

1

1

Al-Hadath

3

3

0

0

Al-Liwa

1

0

1

0

Al-Haqiqa Ad-Duwaliya (seit 2006)

1

1

0

0

k. A.

k. A.

k. A.

k. A.

53 (100%)

13 (25%)

29 (55%)

11 (21%)44

Al-Majd GESAMT

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach CDFJ (2008: 275ff.)

Das symbolische Kapital der Wochenzeitungen lässt sich zwar nur schwer in ökonomisches Kapital umwandeln, dafür erhalten sie eine besonders hohe Aufmerksamkeitsdividende im politischen Feld und bei den eigenen Kollegen. Immerhin 32 Prozent der politischen Meinungsführer Jordaniens geben an, eine der Wochenzeitungen in den letzten 30 Tagen gelesen oder durchgeblättert zu haben (JMS 2007b: 19). Im Sample der Meinungsführer erreichen die vier sozio-politischen Wochenzeitungen Shihan (8,8%), As-Sabil (8,8%), Al-Majd (6,6%) und Ash-Shahid (5,3%) mehr als fünf Prozent der Leser, die übrigen liegen zwischen 1,5 und drei Prozent (ebd.: 20). Hinzu kommt eine insgesamt überwiegend gebildete, junge, urbane und

44 Die Summe der Einzelprozente überschreitet 100 Prozent aufgrund von Rundungen.

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wohlhabende Leserschaft.45 Diese Aufmerksamkeit im politischen Feld und bei den Kollegen erhalten sie vor allem wegen ihrer Oppositionshaltung. Es gibt allerdings auch Anzeichen für den Versuch, eine neue symbolische Währung stark zu machen, die sich stärker an einer Konkurrenz mit den Tageszeitungen versucht und gleichzeitig eine Distinktion zu den bestehenden Wochenzeitungen darstellt. Einen solchen Versuch hat – offensichtlich erfolgreich – As Sabil unternommen, als sie im Jahr 2008 vom Wochenzeitungs- auf das Tageszeitungsformat wechselte. Bereits im Interview 2007 betonte der damalige Chefredakteur Atif Al-Julani die professionelle Seite und Orientierung der Wochenzeitung. Sie seien zwar »eine Zeitung mit islamischer Perspektive«, aber er genehmige keinen Artikel, »in dem nicht verschiedene Seiten zu Wort kommen«. Er betont zudem die Weiterbildungsmöglichkeiten, die er den Mitarbeitern ermöglicht, die eigenen Recherchen und die wechselnden Verantwortungen durch ein rotierendes Chef-vomDienst-System.46 Auch Al-Watan versucht, sich an journalistischer Qualität zu orientieren. Die Zielrichtung der 2007 neu gegründeten Zeitung erläutert der Chefredakteur wie folgt: »Sie wurde gegründet, um eine Balance im Wochenzeitungsjournalismus in Jordanien herzustellen und dem jordanischen Journalismus eine professionelle Note wiederzugeben.«47 Die Aussage unterstreicht, dass die Etablierung einer neuen Wochenzeitung einer neuen Art von Distinktion bedarf. Opposition allein reicht offensichtlich nicht mehr aus, um den bereits bestehenden Zeitungen Konkurrenz zu machen. Stattdessen wird auf Qualität gesetzt. Als drittes Beispiel für diese Tendenz kann Al-Haqiqa Ad-Duwaliya betrachtet werden. Mit Hilfe einer »islamischen Zeitung« möchte der Chefredakteur, Zakariya Al-Sheikh, ein Gegengewicht zu der (oppositionellen) As-Sabil errichten. Dass hier Opposition gegen die Opposition (d.h. die Konkurrenz) mit Professionalität gemacht werden soll, unterstreicht Al-Sheikh beispielsweise durch die Erwähnung von »langjähriger journalistischer Erfahrung« in seinem Mitarbeiterstamm, den redaktionellen Ethikkodex und die internen Trainingseinheiten.48 Alles in allem müssen die Wochenzeitungen als überwiegend dominierte Akteure im journalistischen Feld begriffen werden. Aufgrund des Experimentiercharak-

45 Mindestens einen Universitätsabschluss haben 46 Prozent der Leser. Dahingegen haben nur 14 Prozent der Leser kein Abitur (taujihi). Diese Struktur entspricht weitgehend den Zahlen zur Nutzung der Tageszeitungen. Im Unterschied zu den Tageszeitungen (25%) wohnen jedoch deutlich mehr Wochenzeitungsleser (42%) im wohlhabenderen Ammaner Westen und insgesamt kommt das Publikum zu 82 Prozent aus den Städten. 56 Prozent der Leser sind unter 30 Jahre alt, 44 Prozent darüber (JMS 2007a: 102ff.). 46 Vgl. Interview mit Chefredakteur Al-Julani 2007 (As-Sabil). 47 Interview mit Chefredakteur Al-Ghantisi 2007 (Watan). 48 Vgl. Interview mit Chefredakteur Al-Sheikh 2007 (Al-Haqiqa Ad-Duwaliya).

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ters und den zahlreichen Neueintritten, können die Wochenzeitungen zugleich als potentiell wandelaffin betrachtet werden. Dies auch deshalb, weil sich die dominanten Positionen des Sektors auf das Generieren von Oppositionsprestige fokussieren. Allerdings stellt sich die Frage, ob mit der Fokussierung auf das politische Feld in Form von Opposition heute tatsächlich noch ein Wandel innerhalb des Journalismus bewirkt werden kann. Interessant sind aus diesem Grund auch solche Zeitungen, die sich vom Oppositionellen abgrenzen wollen. 1.3 Radio: Auf dem Weg zur Etablierung Die Anfänge des Radios in Jordanien gehen auf das Jahr 1936 zurück, als die britische Mandatsregierung den ersten Radiosender des Nahen Ostens gründete. Das Ziel der Briten war, die Kommunikation mit den jüdischen und arabischen Gemeinschaften in Palästina zu unterhalten und der italienischen Propaganda im Nahen Osten entgegen zu wirken. Die Studios befanden sich in Jerusalem, der Transmitter in Ramallah (Boyd 1993: 93). Nach dem israelisch-arabischen Krieg von 1948 und der Annexion der Westbank durch das Haschemitische Königreich im selben Jahr, wurde der Sender von Jordanien übernommen. Zunächst stand er unter Militärverwaltung, bis er schließlich 1950 dem Informationsministerium unterstellt wurde (ebd.: 93). Als Haschemitischer Rundfunkdienst (HBS) existierte er fortan weiter (Ayish/El-Sarayrah/Rifai 1994: 133f) bis er schließlich 1985 mit dem Jordanien TV (JTV) zur Jordanischen Radio- und Fernsehanstalt (JRTV) zusammengefasst wurde (Rugh 2004: 193). Radiosender waren in Jordanien von Beginn an in Staatshand, wurden aber nicht – wie etwa in Ägypten – als aggressive Propagandainstrumente vom Regime genutzt. Vielmehr waren die Programminhalte eher selten politisch und deutlich unterhaltungsorientiert (ebd.: 194). Aufgrund ihrer direkten Regulierung in Bezug auf Verbreitung, Inhalt und Personal bedurfte es lange keiner übergreifenden, gesetzlichen Regelungen für den Rundfunk. Die Struktur des staatlichen Senders ist erst seit 2000 im Gesetz Nr. 35/2000 geregelt (IREX 2011: 62). König Hussein sah zum Zeitpunkt seiner Öffnungspolitik, im Gegensatz zum Printsektor, offensichtlich keine Notwendigkeit, den Rundfunksektor zu reformieren. Erst mit dem Entschluss Abdallahs II., eine Öffnung des Rundfunkmarktes in Jordanien einzuleiten, wurden die Gesetze für audio-visuelle Medien (AVC-L 2002 und AVC-L 2003) verabschiedete. Demnach ist die Etablierung privater Radio- und Fernsehstationen heute erlaubt, obschon sie an ein kompliziertes, politisch anfälliges Lizenzsystem gebunden ist. Finanzielle Ausstattung und Produktionskapazitäten Im Jahr 2004 eröffneten die ersten privaten Radiosender. Seither sind zahlreiche neue Radioanbieter hinzugekommen. Nachdem im ersten Jahr der Marktöffnung

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(2004) neun neue Sender eine Lizenz erhielten, hat sich die Zahl bis zum Jahr 2010 auf 25 erhöht.49 Daneben existiert der staatliche Sender, Radio Jordanien (AM, FM, Französisch und Englisch), der zur Jordanischen Radio- und Fernsehanstalt (JRTV) gehört und den Prozess der Lizenzbewerbung nicht durchlaufen musste. Von den lizenzierten Sendern sind acht auf staatliche Institutionen zugelassen: Amin FM (lizenziert und betrieben von der Behörde für Innere Sicherheit), Hawa Amman (lizenziert und betrieben von der Stadtverwaltung des Großraums Amman), Hala ehemals Fann FM (lizenziert durch die Abteilung für moralische Orientierung der jordanischen Streitkräfte), Quran (lizenziert vom Ministerium für religiöse Angelegenheiten) sowie die von staatlichen Universitäten betriebenen Radiosender Yarmouk (lizenziert von der Yarmouk Universität), Ma'an (lizenziert von der Hussein Bin Talal Universität), JU (lizenziert von der Jordanischen Universität) und Saut Al-Karak (lizenziert von der Mu'ta Universität). Im Falle Hala (vormals Fann FM) gehört der Sender zwar einem Privatmann, die Lizenz wurde aber von der Abteilung für moralische Orientierung der jordanischen Streitkräfte erwirkt. Bei allen acht Sendern muss deshalb von mindestens teilstaatlichen Medien gesprochen werden.50 Schließlich existierten im Oktober 2010 weitere 17 private Radiosender, von denen einige jordanische Tochterunternehmen von panarabischen Medienunternehmen sind wie Rotana oder Mood FM. Rotana beispielsweise ist Ableger eines der größten panarabischen Cross-Media-Unternehmen, das vom saudischen Prinzen Al-Walid betrieben wird (Sakr 2007: 174ff.). Darüber hinaus sind einige Radiosender als Teil eines Medienverbundes entstanden, wie Saut Al-Ghad oder Watan, die beide ein Printpendent besitzen. Schließlich gibt es noch den Ausnahmefall Balad Radio, das als Teil einer von Daoud Kuttab geleiteten NRO betrieben wird und damit gleich mehrere rechtliche Hürden umgeht. Eine für die finanzielle Ausstattung besonders bedeutsame ist die Tatsache, dass NROs Fördermittel aus dem Ausland akquirieren dürfen, während in Medienunternehmen keine ausländischen Gelder fließen dürfen. Diejenigen Radiosender, die etwa den großen panarabischen Sen-

49 Diese und die folgenden Angaben beziehen sich auf die Auflistung der lizenzierten Rdiosender in Jordanien der AVC vom 31.10.2010, http://www.avc.gov.jo/ vom 20.4.2015. Während des Zeitraumes 2004 und 2010 haben jedoch einige Radiostationen, die zwischenzeitlich lizenziert worden waren, aufgehört zu senden, so dass die Zahl der insgesamt von der AVC seit 2004 vergebenen Lizenzen höher liegt. Genaue Zahlen sind nicht verfügbar. 50 Interessanterweise erfolgt unter Experten und Journalisten in Jordanien die gängige Einteilung der Radiosender nach anderen Kriterien als die der Lizenzierung. Demnach gibt es für die meisten lediglich drei staatliche Sender, Radio Jordanien, Amin FM und Hawa, die auch als solche auftreten. Die MediaAcT-Studie lehnt sich an diese Interpretation an und zählt folglich nur diese drei als Staatssender.

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dern zuzuordnen sind, agieren deshalb über jordanische Mittlerunternehmen. Insgesamt hat sich nach 2003 also nicht nur der Radiosektor stark vergrößert, sondern auch die Eigentümerstrukturen diversifiziert (s. Tabelle 12). Tabelle 12: Entwicklung des Radiomarktes 2004-2010

Jahr der Lizenzvergabe

Anzahl neuer Lizenzen (gesamt)

Anzahl neuer Lizenzen an private Organisationen

Anzahl neuer Lizenzen an staatliche und teilstaatliche Organisationen

2004

8

7

1

2005

5

5

0

2006

4

0

4

2007

3

3

0

2008

4

1

3

2009

0

0

0

2010

1

1

0

Gesamt

25

17

8

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach AVC Dokument »Lizenzen« (2010a)

Erst seit der Etablierung privater Radiosender spielt Werbung im Radio überhaupt eine Rolle. Seit 2003 ist der Anteil an Werbung in jordanischen Radios von null Prozent (2003) auf drei Prozent (2008) gestiegen. Der Dubai Press Club erwartet jedoch für die darauffolgenden Jahre einen Zuwachs um acht Prozent (Dubai Press Club 2010: 127). Eine Trennung der Anzeigenanteile in private und staatliche Anbieter ist nicht möglich. Es ist jedoch zu vermuten, dass die Anteile der privaten deutlich höher liegen als die der staatlichen, da sie für viele der Sender die Haupteinnahmequelle darstellen. Mit dem Bedeutungsgewinn von Werbefinanzierung wächst auch die Bedeutung der Nutzerzahlen. Im internationalen Vergleich sind die Nutzerzahlen für das Radio relativ gering. Nur 44 Prozent gaben an, gestern Radio gehört zu haben. In den vergangenen 30 Tagen waren es 70 Prozent. Im Vergleich zu den Anteilen, die das Fernsehen insgesamt einnimmt, kann das Radio nicht mithalten. Doch liegt die Nutzung des Radios vor der von JTV und entscheidend vor der von Wochen- oder Tageszeitungen (JMS 2007a). Dies verspricht dem Medium Radio vonseiten der Nutzer insgesamt einen hohen Stellenwert und es verwundert, dass die Werbezunahmen so verhalten ausfallen. Mit insgesamt 14 Prozent aller Journalisten im Jahr 2011 stellt der Radiosektor nach den Tageszeitungen die meisten Journalisten, wobei neun Prozent (ca. 120 Journalisten) auf die privaten und teilstaatlichen und fünf Prozent (ca. 70 Journalis-

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ten) auf die staatlichen Radiostationen Radio Jordanien, Hawa und Amin FM fielen (Pies 2012b: 1). Bemerkenswert im Hinblick auf die Produktionskapazitäten ist, dass die drei staatlichen Radiostationen auf einen deutlich größeren Pool an Mitarbeitern zurückgreifen können als die privaten und teilstaatlichen. Während sich die ca. 70 Journalisten auf lediglich drei Sender verteilen, d.h. im Schnitt ca. 23 Mitarbeiter, haben die privaten Anbieter im Schnitt einen Mitarbeiterpool von fünf Journalisten. Dies schränkt die professionellen, journalistischen Arbeitsmöglichkeiten ein. Lediglich Farah An-Nas und Al-Madina gaben an, mehr als zehn Mitarbeiter zu haben (vgl. ebd.: 3). Die Mitarbeiter von Radio Jordanien sind wie bei Jordanien TV in der Regel Beamte. Diese Tatsache ermöglicht dem staatlichen Radio seinen Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz mit Beamtenvorzügen zu bieten, der allerdings nicht immer der besser bezahlte sein muss. Neben den personellen Produktionskapazitäten stellt der Besitz der Lizenzen eine wichtige ökonomische Ressource dar, denn für die Bereitstellung müssen die Sender hohe jährliche Lizenzgebühren zahlen. Da die Lizenzierung eines Radiosenders mit dem Recht auf Ausstrahlung von Nachrichten und politischen Programmen deutlich höher liegt (150% des Lizenzbetrages ohne das Recht), ist die Programmausrichtung häufig auch einer finanziellen Ressourcenausstattung geschuldete.51 Der Staatssender JRTV hat hier einen schwerwiegenden Vorteil, denn er musste sich nicht um eine neue Lizenz bewerben und darf ohne zusätzliche Kosten Nachrichten und politische Inhalte ausstrahlen. Dadurch besitzt er einen entscheidenden Vorteil vor den zur Lizenz verpflichteten Sendern. Dies führt zu einer ungleichen Verteilung in den Produktionskapazitäten und dem Potential, ökonomisches in feldeigenes Kapital zu transformieren. Finanzielle Mittel braucht es nicht nur für die inhaltliche Ausrichtung eines Radiosenders, sondern auch für deren geographische Reichweite. Denn je größer die Reichweite, umso höher ist die Lizenzgebühren. Während eine Lizenz für den Ballungsraum Amman 25.000 JD (ca. 28.000 EUR) pro Jahr kostet, müssen für Irbid und Zarqa (die zweit- bzw. drittgrößten jordanischen Städte) zusätzlich 15.000 JD (ca. 17.000 EUR) und für alle weiteren Regionen Jordaniens 10.000 JD (ca. 11.000 EUR) bereitgehalten werden.52 Da der Großraum Amman die mit Abstand bevölkerungsreichste und wohlhabendste Region Jordaniens ist und zudem Zentrum des politischen Lebens, erwägen nur wenige Radiosender, vollständig auf die Lizenz für Amman zu verzichten, was die Konkurrenz in Amman stark erhöht (s. Tabelle 13). Die meisten anderen Regionen hingegen leiden unter einer Unterversorgung. Nur Irbid und Zarqa können noch mit jeweils neun, respektive acht Sendern

51 Aus den online verfügbaren Informationen der AVC ist nicht erkennbar, welcher Radiosender über welche Lizenz verfügt. Ob Nachrichten und politische Inhalte lizenziert wurden lässt sich deshalb nur aus Beobachtungen erfassen. 52 AVC-L03 §12.

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eine gewisse Konkurrenz auf dem Markt aufweisen, während in Aqaba vier, in Salt und Ma'an je drei, in Karak zwei sowie in Ajloun und Madaba je ein Radiosender eine Lizenz besitzt. Gar nicht berücksichtigt wird etwa die Region des Jordantals (Al-Balqa), die Region um Mafraq und Tawfila. Lokale Nachrichten in der ›Peripherie‹ zu produzieren, scheint sich zumindest bei Saut al-Karak oder Ma'an FM auszuzahlen. Im Distrikt Karak weist Saut Al-Karak immerhin einen Höreranteil von 20 Prozent auf (JMS 2010: 73). Ma'an FM im Distrikt Ma'an liegt mit 15 Prozent Höreranteil fast gleichauf mit den zweitplatzierten Jordanien FM und Amin FM (ebd.: 75).53 Tabelle 13: Anzahl der Sendelizenzen nach Regionen Amman

Irbid

Zarqa

Aqaba

Salt

Ma'an

Karak

Ajloun

Madaba

23

9

8

4

3

3

2

1

1

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach AVC Dokument »Lizenzen« (2010a)

Trotz dieser regionalen Einschränkungen muss hervorgehoben werden, dass das Radio in Jordanien das einzige Medium ist, das überhaupt außerhalb Ammans produziert und eine ausführlichere Berichterstattung über lokale Themen ermöglicht. Allerdings ist dieser Vorteil verbunden mit erhöhten finanziellen Aufwendungen. Da die technische Ausstattung von Radiosendern komplexer und teurer ist als die von Wochen- oder Tageszeitungen, spielen finanzielle Ressourcen im Radiosektor eine erheblich größere Rolle als dort. Die teilweise großen finanziellen Bürden bergen deshalb vor allem für kleine Einsteiger wie Watan Radio, das nach drei Jahren Laufzeit wieder eingestellt werden musste, ein hohes Risiko. Eine daraus resultierende Unbeständigkeit des Sektors innerhalb der dominierten Akteure kann zwar Wandel befördernd sein, sie muss für diese Akteure aber auch als stark handlungsbeschränkend betrachtet werden, denn selbst die im Feld bedeutsamen symbolischen Ressourcen sind in vielerlei Hinsicht an ökonomisches Kapital geknüpft. Journalistische Qualität, Opposition und prominente Akteure Während die Nutzer dem Medium Radio einen relativ hohen Stellenwert einräumen, betrachten die Journalisten es eher skeptisch. In der Journalistenumfrage des Al-Quds Centers waren lediglich elf Prozent der befragten Journalisten mit dem professionellen Auftritt des Radios zufrieden. Nur JTV und die Wochenzeitungen erhielten noch weniger Zustimmung (Al-Quds 2009: 14). Ähnlich wie den Wochenzeitungen bescheinigt die Mehrheit der jordanischen Journalisten den Kollegen

53 Die Angaben beziehen sich auf die Nutzung der letzten 30 Tage.

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vom Radio eine eher geringe journalistische Qualität. Dies lässt sich zum einen mit der Fokussierung auf Unterhaltung im Radio generell erklären, aber auch mit der erst kürzlich möglichen Generierung des zweiten wichtigen symbolischen Kapitals Opposition. Wie oben beschrieben existierte bis ins Jahr 2004 lediglich das staatliche Radio, das nicht durch oppositionelles Agieren herausragte. Dabei scheint Opposition eine Größe, die erst allmählich innerhalb des Radiosegmentes Einzug hält. Aufgrund der finanziellen und administrativen Hürden des Lizenzerwerbs erweist sich politische Opposition als äußerst schwierig. Ein eindrückliches Beispiel ist der Fall Balad Radio. In einer Sendung im Jahr 2008, in der Zuhörer ihre Meinung kundtun durften, ließ eine Redakteurin einen Mann zu Wort kommen, der das Parlament als einen »Käfig voll von Affen« bezeichnete. Daraufhin verbot das Parlament dem Sender die Berichterstattung aus seinen Räumen und drohte ihm sogar mit dem ›Aus‹. »Unverantwortlich« und »unprofessionell« habe sich Balad Radio verhalten. Eine Entschuldigung durch die Chefredakteurin reichte letztendlich aus, weiteren Schaden vom Sender abzuwenden. Ob die Ablehnung einer geplanten Dependance in Zarqa durch die Regulierungsbehörde eine Folge des Vorfalls ist, kann nur gemutmaßt werden. Sicher ist, dass die Begründung der Regulierungsbehörde fadenscheinig ist. Zur gleichen Zeit hatte nämlich auch ein unter der Schirmherrschaft des Königshauses stehender Sender in Zarqa eine Lizenz beantragt. Ihm wurde sie gewährt, Balad Radio nicht (vgl. Pies 2009: 37). In gemäßigter Opposition hatte sich auch der Radiostar Mohammad Wakil geübt. Bis ins Jahr 2010 hatte er die morgendliche Radiosendung Bisaraha (in aller Offenheit) moderiert. Die Sendung hatte einen kritischen Ton gegenüber Politikern angeschlagen und großes Verständnis gegenüber den Problemen der Bürger gezeigt. Die zweistündige Show bot neben Musik, Nachrichten und den Zeitungsschlagzeilen einen Call-in-Part. Zuhörer wurden dazu aufgerufen, den Sender anzurufen und ihre Beschwerden vorzubringen. Wakil stellte daraufhin die mit den Beschwerden verbundenen Verantwortlichen zur Rede.54 Der Sender Fann FM verzeichnete vor allem in der Sende-

54 Der jordanische Blogger Khalaf schrieb über diesen Part: »Sie [die Zuschauerthemen] können Probleme sein mit streunenden Hunden, Wasserabstellungen, nicht fahrplanmäßig fahrenden Bussen oder Menschen mit fehlendem Geld für Operationen oder medizinische Behandlungen. Nachdem Al-Wakeel sich die Probleme angehört hat – oft nachdem er die Person nach ihren Vorschlägen für eine Lösung gefragt hat – ruft er die zuständigen Personen in der Regierung an und setzt sie in Kenntnis über das Problem. Das typische Gespräch mit den Offiziellen beginnt dann erst einmal mit den üblichen Höflichkeiten. Danach erläutert Wakeel das Problem und spielt die Aufzeichnung des Zuschaueranrufs ab. Der Offizielle kennt dann entweder das Problem und erklärt die Details, bittet um Zeit, um sich weiter über das Problem zu informieren oder bittet die anrufende Person, ihn in seinem Büro aufzusuchen. Manchmal nimmt Wakeel die Offiziellen

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zeit von Bisaraha die höchsten Nutzerzahlen (JMS 2010: 38) und in der Beliebtheitsskala der Radioprogramme hatte er 2007 als Bester abgeschnitten (JMS 2007a: 37). Auch hier konnte ich die genauen Hintergründe für die Aufgabe des Programms und die Umbenennung des Senders in Hala nur unzureichend erhellen.55 Der Fall Bisaraha und die Verhinderung einer Schließung von Balad-Radio verdeutlichen, dass eine entsprechende Rückendeckung des Königshauses die Handlungsspielräume im Radio vergrößert. Der Direktor der hinter Balad-Radio stehenden NRO ist ein kritischer, vom Königshaus geschätzter Experte in Fragen der Medienentwicklung. Er sitzt in Beratungsgremien beispielsweise zur OnlineEntwicklung und zur Einführung eines Medienrates.56 Der Besitzer von Fann FM war im Jahr 2007 Zayd Jumu'a, Ehemann von Prinzessin Aicha, König Abdallahs Schwester. Einige der Shareholder waren Mitglieder der königlichen Familie. Außerdem wurde die Nachrichtenredaktion vom militärischen Informationsservice geführt (PANOS 2006: 38) und die Lizenz des Senders lief über die Abteilung für moralische Orientierung der jordanischen Streitkräfte. Trotz dieser erweiterten Möglichkeiten zu Kritik, kann von Opposition keine Rede sein. Somit wird an den Beispielen auch klar, dass Opposition keine Ressource ist, die dominante Positionen im Radiosegment verspricht. Sie kann nicht wie im Wochenzeitungssegment konsequent gegen Einflussnahmeversuche vonseiten des Regimes umgewandelt werden. Möglicherweise ist es deshalb für Balad Radio keine explizite Strategie, sich gezielt gegen politische Akteure oder Agenden zu richten. Opposition richtet sich eher gegen Entwicklungen im Journalismus selbst. So ist es ein erklärtes Ziel von

aber auch in die Mangel über spezifische Details, was auch das Markenzeichen der Sendung ist. (Das ist der Grund, warum sie die Sendung bisaraha, in aller Offenheit nennen.)«, Eintrag des Bloggers Khalaf, 8.7. 2006 (Übersetzung J.P.), http://ajloun.blog spot.de /2006/07/in-all-frankness.html vom 20.4.2015. 55 Die Lizenz wurde offensichtlich nach Einstellung des Senders nicht aufgelöst, sondern an den Sender Hala, der heute unter derselben Lizenz jedoch unter einem anderen Eigentümer agiert als zuvor Fann FM. Jumu‘a, der Haupteigentümer des Medienunternehmens Al-Kaun lil bath al-ithai wal talfazi ist, eröffnete im Gegenzug 2008 einen neuen Sender, Energy FM, der jedoch keine Nachrichten und politischen Inhalte sendet. Medienexperten vermuten hinter diesem Wechsel bzw. der Ablösung Jumu‘as eine familieninterne Abrechnung, da sich zum Zeitpunkt der Einstellung des Senders die Scheidung Jumu’as von der Königsschwester vollzog (Madanat, E-Mailkorrespondenz, 20.12.2010). 56 Vgl. z.B. Daoud Kuttabs Blogeintrag in der Huffington Post, 23.6.2011, A Setback for Independent Media in Jordan, http://www.huffingtonpost.com/daoud-kuttab/a-setbackfor-independent_b_883035.html vom 20.4.2015.

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Balad Radio und der dahinter stehenden NRO Community Media Network (CMN), die Bevölkerung stärker in die Medienproduktion einzubeziehen und den Journalismus selbstkritisch zu begleiten. Ein Hörerbeirat beispielsweise sorgt für einen regelmäßigen Austausch zwischen den Mitarbeitern von Balad Radio und seinen Nutzern und das wöchentliche Programm A’yn Ala Al-Ilam (Blick auf die Medien) wirft medienkritische Fragen auf.57 Betrachtet man das Ansinnen innerhalb des Radiosegmentes, so kann es als Strategie der Qualitätssteigerung interpretiert werden. Ähnlich wie Balad Radio versuchten zum Zeitpunkt der Feldforschung 2007 Watan und Al-Madina journalistische Professionalität als Ressource aufzubauen. Alle drei besitzen bzw. besaßen eine Lizenz für Nachrichten und politische Programme und hatten einen vergleichsweise großen Pool an Mitarbeitern. Die Mitarbeiter wurden in einem mehrmonatigen Training ausgebildet, Reporter regelmäßig zu Pressekonferenzen, Weiterbildungen etc. geschickt, und regelmäßige Supervision war Teil der Redaktionskultur.58 Doch wie Balad Radio auch, konnten weder Watan noch AlMadina nennenswerte Zuhöreranteile auf sich vereinen, was möglicherweise der Grund für die kurze Lebenszeit von Watan war. Doch ähnlich wie im Tageszeitungssegment lässt sich journalistische Qualität als symbolische Ressource – transformiert aus Produktionskapazitäten – vor allem bei den etablierten Akteuren, d.h. den Staatssendern Jordanien FM und Jordanien AM, verorten. Unter den fünf meist genutzten Sendern befinden sich die alten staatlichen Sender Jordanien FM und Jordanien AM auf Rang vier und fünf (s. Tabelle 14) und sogar auf Rang eins bzw. drei der Meinungselite. Staatliche Lizenzierung und Politiklizenzierung erweisen sich somit als wichtigste Ressourcen zur Umwandlung in Qualitätsprestige. Die staatlichen Sender scheinen aufgrund ihrer langen Existenz eine große Nutzerbindung und einen gewissen Vertrauensvorschuss zu besitzen, was sie zu beständigen Akteuren macht. Gleichzeitig produzieren diese Sender Nachrichten und politische Inhalte, die aber wegen ihrer Besitzverhältnisse nicht als oppositionell zu betrachten sind. Sie haben vergleichsweise komfortable Produktionskapazitäten und verfügen somit auch über eine gewisse professionelle Reputation. Im Gegensatz zum Wochenzeitungsmarkt, wo Opposition eine wichtige symbolische Ressource darstellt, scheint im Radiomarkt politische Information (ohne oppositionelles Ansinnen) mehr zu wiegen. Dies unterstreichen eindrücklich die Nutzerzahlen: Die Nachfrage nach Nachrichten aus dem Inland nimmt den größten Stellenwert ein (28%), dicht gefolgt vom Musikhören

57 Ausführliche Beschreibungen zu den Praktiken von Balad Radio finden sich in Pies/ Madanat 2011a. 58 Die einzigen Radioreporter, die während meiner Feldforschung auf Pressekonferenzen und Weiterbildungen auftauchten, kamen von Watan oder Balad Radio (vgl. Beobachtungsprotokoll »Arbeitsalltag« 2007).

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(25%). Religiöse Inhalte bzw. Koranrezitationen folgen mit 13 Prozent, Nachrichten aus dem arabischen Ausland mit zehn Prozent und internationale Nachrichten mit sieben Prozent. Es folgen Talkshows (6%), soziale Themen (3%), Sport (3%), Wirtschaftsthemen (1%) und fiktive Programme (1%). Zählt man die Prozente für alle Nachrichten zusammen (45%), so zeigt sich, dass Nachrichten ein sehr wichtiger Stellenwert beigemessen wird (JMS 2010: 54). Daraus lässt sich schließen, dass Sender, die eine Lizenz für Nachrichten haben (also auch ein höheres ökonomische Kapital bereithalten), daraus wiederum einen ökonomisch Vorteil ziehen und gleichzeitig eine wichtige symbolische Ressource erwerben können. Tabelle 14: Radionutzung in der Bevölkerung und der Elite

Radiosender

Nachrichten

Lizenz durch staatliche / teilstaatliche Organisation

Jordanien FM

Ja

Ja

1

Fann FM

Ja

Ja

2

Jordanien AM

Ja

Ja

3

Hayat

Nein

Nein

4

7

Quran

Nein

Ja

5

2

Amin

Ja

Ja

6

8

Rotana

Ja

Nein

7

3

Saut AlGhad

Nein

Nein

8

Watan

Ja

nein

9

-

Mazaj

Nein

Nein

10

6

AmmanNet

Ja

nein

11

-

Melody

Nein

Nein

-

10

Al-Madina

Ja

Nein

-

11

Nutzerranking Bevölkerung

Nutzerranking Elite 4 1 5

9

Quelle: Eigene Zusammenstellung nach JMS (2007a;2007b)

1.4 Fernsehen: Zwischen Beharrung und Umbruch Die Bedingungen für die Etablierung von Fernsehsendern in Jordanien sind nach wie vor schwierig und unterscheiden sich je nach Art der Ausstrahlung. Sie gehen auf den Versuch des Regimes zurück, die Kontrolle über die Inhalte des am häu-

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figsten genutzten Mediums zu wahren. Die Reichweite der Fernsehtechnologie ist dabei entscheidend und lässt sich anhand einiger Zahlen belegen. Die scheinbar geringe Anzahl von 177 Personen pro 1000 Einwohner, die einen Fernseher besitzt, relativiert sich beim Betrachten des Fernsehzugangs pro Haushalt, der seit 2000 um einen Prozentpunkt von 96 Prozent auf 97 Prozent (2009) der Einwohner gestiegen ist.59 Damit ist eine flächendeckende Zugangsmöglichkeit gegeben. Die terrestrische Ausstrahlung hat in Jordanien nach wie vor einen besonderen Stellenwert, da mit ihr die meisten jordanischen Haushalte an den Fernsehempfang angeschlossen sind. Zwar besitzen 46,5 Personen pro 1000 Einwohner eine Satellitenanlage und 0,3 einen Kabelanschluss, doch setzt man diese in ein Verhältnis zu 177 Fernsehgeräten pro 1000 Einwohner, so stellt der Satellitenempfang nur für etwa ein Viertel der Bevölkerung den Zugang zum Fernsehen dar (s. Tabelle 15). Tabelle 15: Anteil der Fernsehzugänge nach Übertragungsart Art der Übertragung

Anteil der Fernsehzugänge in der Bevölkerung

Terrestrisch

73,56%

Satellit

26,27%

Kabel

0,17%

Quelle: Eigene Berechnung nach Zahlen der World Bank Indicators von 200960

Aus diesem Grund ist die Kontrolle über die terrestrische Ausstrahlung von Fernsehinhalte von größerer Bedeutung als die via Satellit und spiegelt sich entsprechend in der jordanischen Fernsehlandschaft wieder. Während die Hürden für die Etablierung eines Satellitensenders relativ gering sind, fehlt im Bereich der terrestrischen Ausstrahlung vor allem der Wille des Regimes, das Monopol JTVs aufzuweichen. Entsprechend müssen die Bedingungen des terrestrischen und des Satellitenfernsehens getrennt betrachtet werden. Terrestrischer Fernsehen: Finanzielle Ausstattung und Produktionskapazitäten Der terrestrische Fernsehsektor ist schnell umrissen. Nach wie vor stellt hier Jordanien TV (JTV) das Monopol für Informationen über Jordanien. Der Sender, der 1968 erstmals auf Sendung ging, war von Anfang an ein politisches Instrument. Seine Entwicklung und Programmgestaltung war immer wieder beeinträchtigt

59 ICT indicators at a glance, World Bank Indicators Jordan 2009, http://devdata.world bank.org/ict/jor_ict.pdf, online nicht mehr verfügbar. 60 Ebd.

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durch die Kriege mit Israel und die Auseinandersetzungen im Inneren. Da JTV auch in den umliegenden Staaten inklusive der annektierten und 1968 von Israel besetzten Westbank empfangen werden konnte, richtete sich der Fokus der Inhalte schon früh nach außen. Es gab beispielsweise Nachrichten auf Hebräisch und der inhaltliche Schwerpunkt der Nachrichten lag auf Auslandsthemen (vgl. Boyd 1993). Im Bereich der Unterhaltungssendungen konnte Jordanien bis in die 1990er Jahre eigene Produktionen noch erfolgreich in die Golfstaaten exportieren. Die konservativen Produktionen kamen dort besser an als die ägyptischen oder libanesischen, die in anderen arabischen Staaten deutlich erfolgreicher waren. Ein Großteil der Unterhaltungssendungen auf JTV wurde jedoch aus dem arabisch- und nicht-arabischsprachigen Ausland importiert (vgl. Boyd 1993: 103). So wurden auch auf diesem Weg nur wenige, spezifisch jordanische Inhalte ausgestrahlt. Ein wichtiges Element der ›Lokalität‹ auf JTV waren und sind nach wie vor traditionelle Liedbeiträge, die Lobeshymen auf das Land, den König und die Armee darstellen und Lücken im Programm füllen. Abgesehen von den Nachrichten auf Hebräisch haben sich die Grundmuster des Programminhalts nicht wesentlich verändert. Hinzu gekommen sind – in Anlehnung an erfolgreiche Programmformate der großen panarabischen Satellitensender – Talkshows, in denen stundenlang über diverse Themen gesprochen wird.61 Die Organisation JTVs als staatliche Behörde muss einerseits als Ressource für den Kanal betrachtet werden, andererseits aber auch als Hindernis für seine Reformfähigkeit. Durch die staatliche Finanzierung war JTV nie ernsthaft gezwungen, eigene finanzielle Ressourcen aufzutun. Entsprechend waren am Markt orientierte Angebote nicht Teil des Leitbildes der Organisation. Der Haushalt JTVs ist an die jeweiligen Interessen der Regierung und den Staatshaushalt insgesamt gekoppelt, sodass kein flexibles Agieren möglich ist und Investitionen nicht nach professionellen Erfordernissen, sondern nach politischen Interessenlagen erfolgen. Im Mai 1995 legte JTV der Regierung einen Fünf-Punkte-Reformvorschlag auf den Tisch, von dem auch heute noch nicht alle Forderungen umgesetzt wurden. Noch 1996 durften beispielsweise Mitarbeiter von JTV nicht ins Ausland reisen, was für die Berichterstattung zur Folge hatte, dass JTV nie zu Ereignissen im Ausland recherchieren, geschweige denn live berichten konnte (Taher 1994: 42). Auch die Tatsache, dass JTV bei den Wahlen von 2007 erstmals von außerhalb Ammans berichtete und damit einer großen logistischen Herausforderung gegenüberstand (Korrespondenten aus den Regionen gab es bislang nicht), zeugt von der jahrzehntelangen Inflexibilität des Senders auf finanzieller und organisatorischer Ebene.62 Die Mitarbeiter sind in der komfortablen Situation, Beamte zu sein und somit eine ökonomische Sicher-

61 Vgl. Beobachtungsprotokoll »Redaktion JTV« 2007. 62 Vgl. Beobachtungsprotokoll »Redaktion JTV« 2007.

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heit zu haben, was aber auch bedeutet, dass sie nicht vornehmlich nach professionellen Kriterien sondern nach denen für Beamte eingestellt werden und somit auch einer neopatrimonialen Logik folgen. (vgl. Alkhas 1994; Taher 1994). Die Zahl der bei JTV beschäftigten Journalisten wird auf etwa 50 geschätzt (Pies 2012b: 1). Im Jahr 2001 wurde der Informationsminister abgeschafft und durch den Hohen Medienrat ersetzt. Damit verschoben sich auch die Verantwortlichkeiten für JTV. War bislang der Informationsminister letzte Entscheidungsinstanz gewesen, so war es fortan ein angeblich unabhängiges Direktionsgremium (board of diretors), das aber nach wie vor von der Regierung bestellt wird. Dem Direktionsgremium stehen die JRTV-Direktoren zu Rate, die direkt vom Premierminister ernannt werden und alle Entscheidungen über die Praxis des Senders treffen.63 Ein weiteres Problem JTVs sei die Unbeständigkeit in der Führung. Bei Regierungswechseln wechsele häufig auch die Leitung von JTV und jede habe eine eigene Idee davon, wie sich der Sender entwickeln solle, so Beobachter aus dem Feld.64 Die Chefredakteurin von AmmanNet erwähnt als Beispiel die inhaltliche Ausrichtung: Während der eine JTV-Chef mehr auf internationale Themen fokussiere, verstehe sich der nächste mehr als Propagandainstrument des Regimes.65 Die bisherige Unfähigkeit zur Reform auf inhaltlicher wie struktureller Ebene innerhalb JTVs und die zunehmende Beliebtheit der panarabischen Satellitensender in Jordanien haben zu einem massiven Einbruch des Werbeaufkommens von JTV beigetragen. Während im Jahr 2000 noch 28 Prozent der Werbung insgesamt auf das Fernsehen abfielen, ist das Aufkommen kontinuierlich bis im Jahr 2006 auf sechs Prozent gesunken. Im Jahr 2008 brachte es das Fernsehen wieder auf sieben Prozent (IAA 2008: 6). Die schlechten Zahlen werden auch von Werbefachleuten mit der großen Konkurrenz der panarabischen Sender erklärt, die den Großteil der Werbeaufträge erhalten (Dubai Press Club 2010: 127). Ein unter dem Namen ATV geplanter neuer Sender hätte JTV inhaltlich, wie technisch Konkurrenz machen können. ATV wartete 2007 mit einem der modernsten Studios in Jordanien auf und wollte sich inhaltlich verstärkt der Lokalberichterstattung zuwenden. Technisch konnte ATV mit einem modernen Nachrichtenstudio sowie zwei großen Produktionsstudios glänzen.66 Neu in Jordanien wäre auch die redaktionelle Struktur gewesen: Neben dem Hauptstadtstudio in Amman sollten ein weiteres Studio in Aqaba sowie zwei Übertragungswagen für die anderen Lan-

63 Vgl. Interview mit der Programmchefin Zureikat, H. 2007 (JTV) und Beobachtungsprotokoll »Redaktion JTV« 2007. 64 Vgl. Hawatmeh Hintergrundgespräch 2010, Madanat Hintergrundgespräch 2010, Interview Zaidah 2007 (Balad Radio). 65 Vgl. Interview mit Chefredakteurin Zaidah 2007 (Balad Radio). 66 Vgl. Beobachtungsprotokoll »Redaktion ATV« 2007.

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desteile zur Verfügung stehen. Innerhalb von zwei Stunden sollte jeder Ort im Land erreicht werden können.67 Damit hätte ATV die für Jordanien typische Hauptstadtberichterstattung geographisch wie inhaltlich bereichert. Die inhaltliche Fokussierung auf jordanische Themen, sollte außerdem die Chance auf einen erfolgreichen Markteintritt erhöhen. Die Strategie Mohammed Alayans, Besitzer von ATV bis 2007, sah zum einen vor, eine marktfähige Alternative zu den äußerst beliebten panarabischen Satellitensendern zu schaffen, die jordanische Themen nur am Rande beachten. Zum anderen wollte er die kontinuierlichen Werbeeinbußen im jordanischen Fernsehgeschäft (d.h. bei JTV) mit der Etablierung eines modernen jordanischen Fernsehens stoppen. Das Problem sei, so Alayan, »ein Mangel an marktfähigen Programmen auf JTV« und die Lösung sei ebenso einfach: »Biete ein attraktives Programmangebot, das Werbende zur Beachtung zwingt!«68 Damit stellte er sich nicht nur zwangsläufig in Konkurrenz zu JTV, sondern übte auch Kritik an diesem. Dass dies ein Grund unter anderen war, warum aus dem ambitionierten Vorhaben nichts wurde, ist deshalb anzunehmen. Am 31. Juli 2007 hatte die Regulierungsbehörde AVC bekannt gegeben, dass ATV am nächsten Tag die Ausstrahlung beginnen solle. Doch am Tag des geplanten Starttermins erhielt der Sender lediglich eine Botschaft die lautete: »Beim Lizenzantrag fehlen angeblich technische Voraussetzungen noch und Dokumente sind zu spät eingereicht worden.«69 Verschiedene Gerüchte über die ›wahren‹ Gründe kursieren bis heute, denn noch immer darf der Sender nicht ausstrahlen (zum Fall ATV vgl. auch Pies 2009, Nötzold/Pies 2010). Mittlerweile ist der Sender zum zweiten Mal verkauft worden. Der erste Geschäftsführer Muhannad Khatib trat zurück, Personal wurde entlassen und die Inhalte, die zuvor schon auf ikbis.com publiziert worden waren, wurden entfernt. Die Studios werden an externe Produktionsfirmen vermietet. Bis heute ist also der Versuch, den jordanischen (terrestrischen) Fernsehmarkt zu betreten, gescheitert. Diejenigen Journalisten, die auch nach dem offiziellen Aus noch bei ATV beschäftigen waren, erwartete eine Zeit der Ungewissheit. Im Jahr 2008 traten sie in einen Streik und brachten damit das Thema ATV kurzzeitig wieder in die Öffentlichkeit. Das Interesse an diesem Streik verebbte schnell und das Projekt ATV ist seither aus dem Blick verschwunden.

67 Vgl. Interview mit dem designierte Programmchef Hejazeen 2007 (ATV). 68 Vgl. Interview mit Mohammed Alayan, ehemaliger Haupteigner von ATV, »Alayan’s ATV says Jordan is ready for his station«, in: Middle East Broadcasting Journal, 78/2007, (Übersetzung J.P.). 69 Jordan Times online, 3.-4.8.2007, Several reasons behind suspension of ATV launch (Übersetzung

J.P.),

launch vom 20.4.2015.

http://jordantimes.com/several-reasons-behind-suspension-of-atv-

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Für ein Wandlungspotential im Journalismus schien im Jahr 2007 ATV kurzfristig ein vielversprechendes Medienunternehmen. Ausgestattet mit großen finanziellen Ressourcen, und einem Pool an gut aus- und weitergebildeten Mitarbeitern, wäre das Handlungspotential beträchtlich gewesen. Im Hinblick auf einen Wandel im Journalismus gaben zudem die ambitionierten inhaltlichen und technischen Neuerungen Grund zu der Annahme, dass auch das Wandlungspotential hoch hätte ausfallen können. Als Distinktionsressource war journalistische Qualität und Lokalität angestrebt. Terrestrischer Fernsehen: Journalistische Qualität, Opposition und prominente Akteure Im Fall JTVs sind, wie bereits angeklungen, die ökonomischen und symbolischen Ressourcen stark miteinander verwoben. Besonders die strukturelle Abhängigkeit des Senders von der Regierung und dem Beamtenapparat haben Auswirkungen auf sein Handlungspotential. Die journalistische Qualität des Senders wird von allen Experten und den eigenen Mitarbeitern selbst als gering eingestuft. Hala Zureikat, die Programmleiterin von JTV kritisiert beispielsweise mangelnde Reflexionsbereitschaft ihrer Journalisten sowie unzureichende Arbeitsplanung und sieht in der schlechten technischen Ausstattung eine große Hürde für Veränderung.70 Die eigentlich spannenden und guten Beiträge mache sie bei ihrem zweiten, privaten, nicht-jordanischen Arbeitgeber, gab eine interviewte Mitarbeiterin von JTV zu bedenken.71 Selbst der Nachrichtenchef von JTV, Faris Majalli, machte sich über die folkloristischen Programmteile von JTV lustig.72 In Gesprächen betonten Kameraleute und Journalisten von JTV immer wieder, dass sie beim Zugang zu Menschen manchmal Schwierigkeiten hätten, wenn sie als JTV-Mitarbeiter aufträten. Bei einer der letzten Wahlen seien sie sogar angegriffen worden, weil sie aufgrund des Nummernschildes ihres Autos als »Regierungsmitglieder« erkennbar seien.73 Diese Anekdoten zur negativen Perzeption des Senders in der Bevölkerung und unter Journalisten lassen sich auch durch Zahlen belegen. So befindet sich das Vertrauen in die Berichterstattung von JTV in freiem Fall. Während 2008 immerhin noch 51 Prozent der Befragten einer Umfrage des Zentrums für strategische Studien JTV als zuverlässigste Fernsehquelle bei Themen über Jordanien einstuften, so sind es 2010 lediglich noch 38 Prozent. Bei internationalen und arabischen Themen hat JTV keine Chance gegen den panarabischen Sender Al-Jazeera (s. Tabelle 16).

70 Vgl. Interview mit der Programmchefin Zureikat, H. (JTV) 2007. 71 Vgl. Interview mit der Journalistin Melak Kouri (JTV). 72 Vgl. Beobachtungsprotokoll »Redaktion JTV« 2007. 73 Vgl. Beobachtungsprotokoll »Wahlberichterstattung« 2007.

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Tabelle 16: Vertrauen der jordanischen Bevölkerung in Fernsehsender Nachrichtenfokus / TV Sender

Nationale Politik

Panarabische Politik

Internationale Politik

2008

2010

2008

2010

2008

2010

JTV

51%

38%

16%

11%

14%

9%

Al-Jazeera

23%

18%

54%

59%

58%

60%

Al-Arabiya

6%

3%

16%

10%

17%

10%

Quelle: CSS (2010: 18f., 2008: 14)

Auch innerhalb der Journalistenschaft genießt JTV kein großes Ansehen. In der Journalistenbefragung des Al-Quds Centers von 2009 rangiert JTV an vorletzter Stelle bei der Bewertung der Zufriedenheit mit der professionellen Performance, nur noch gefolgt von den Parteizeitungen (3%). Lediglich sechs Prozent der Befragten sind mit dem professionellen Auftritt von JTV zufrieden (s. Tabelle 7). Angesichts dieses negativen Images von JTV verwundert es nicht, dass die Erwartungen an einen neuen Fernsehsender hoch gehalten werden. Ob ATV diese Erwartungen erfüllt hätte, kann nicht nachgeprüft werden. Betreiber und Management sahen aber offensichtlich keinen Grund dafür, die hohen Erwartungen zu dämpfen und schraubten sie womöglich sogar noch höher. Allein die Tatsache, dass der Eigentümer ATVs bis 2007 derselbe wie der der 2004 erfolgreich eingeführten Tageszeitung Al-Ghad war und neben dem für jordanische Verhältnisse hervorstechenden Tageszeitungsgebäude ein weiteres hochmodernes Fernsehgebäude errichten ließ, hatte einen hohen symbolischen Wert. Ein moderner Spiegelbau mit neuster Fernsehtechnik, drei moderne Studios, zwei Übertragungswagen, zahlreiche Redaktionsräume, individuelle Computerarbeitsplätze etc. sollten bereits Qualität und Transparenz suggerieren. Dagegen wirken die Baulichkeiten von JTV aus den 1970er Jahren alt und der massive Militärschutz, der das Geländer sichert, strahlt wenig Offenheit aus. Die offensive Vermarktung und Werbung für ATV vor dem offiziell geplanten Start sind ein weiteres Indiz.74 Alle Befragten waren einhellig der Meinung, dass ATV ein Akteur auf dem Fernsehmarkt werden würde, der die Medienlandschaft in Jordanien grundlegend verändern könnte. Doch diese Chance vergaben politische Akteure durch die Verweigerung des Feldzugangs. Angesichts der gescheiterten Betriebsaufnahme von ATV wirkt das Potential von JTV für einen Wandel noch geringer als zuvor, denn die Überwindung der mangelnden ökonomischen und professionellen Ressourcen scheint mehr als überfällig. Der nach wie vor einzige Akteur im Sektor des terrestrischen Fernsehmarktes

74 Vgl. Beobachtungsprotokolle »Redaktion JTV« 2007 und »Redaktion ATV« 2007.

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ist deshalb als eine der stärksten orthodoxen Kräfte im journalistischen Feld einzuordnen. Inwiefern sich diese Einschätzung angesichts eines etwas offeneren Marktes für Satellitenfernsehen bestätigt, zeigt das folgende Kapitel. Satellitenfernsehen: Finanzielle Ausstattung und Produktionskapazitäten Wie schon erwähnt, stellt die Produktion von Fernsehinhalten für die Satellitenausstrahlung auf jordanischem Boden eine weitaus geringere administrative Hürde dar als die für terrestrische. Dies ergibt sich aus den gebietsunabhängigen Produktionsund Ausstrahlungsmöglichkeiten, die Satellitensender haben. Da Jordanien keine Zensur des Satellitenempfangs und auch kein Verbot von Satellitenantennen kennt wie etwa lange Zeit die Nachbarländer Saudi Arabien oder Syrien, erreichen die Inhalte von Satellitensendern die jordanischen Haushalte, was immer sie senden. Begrenzt wird die Reichweite lediglich durch die Empfangsbedingungen. Ökonomische Ressourcen und Produktionskapazitäten werden jedoch – wie auch im Fall des Radiosektors – stark durch den Lizenzvergabeprozess in Jordanien und vor allem die Kosten der Lizenz vorgegeben. So gelten auch hier eine Staffelung der Lizenzpreise nach Ausstrahlungsweite und eine zusätzliche Lizenzgebühr von 50 Prozent der Grundlizenz für die Ausstrahlung von Nachrichten und politischen Programmen.75 Trotz dieser finanziellen Bürde haben zwischen 2004 und 2010 von insgesamt 41 Fernsehsendern zehn Sender eine Lizenz mit politischen Programmen und Inhalten erwerben können. Doch nicht alle Sender, die eine Lizenz erworben haben, strahlen auch tatsächlich aus. Al-Haqiqa TV beispielsweise hat zwar bereits 2006 eine Lizenz erhalten, begann seinen Sendebetrieb jedoch erst 2009. ATV, das ebenfalls eine Lizenz für Satellitenausstrahlung besitzt, hat diese nie genutzt. Zum Zeitpunkt der Feldforschung im Jahr 2007 waren lediglich drei Satellitensender aktiv: Nurmina, Seven Stars und RuyaTV, damals unter dem Namen WTV. Die lizenzierten Satellitensender sind alle in privaten Händen. Allerdings beschäftigen nur die wenigen Sender, die auch politische Programme und Nachrichten produzieren, auch Journalisten. Diese machen insgesamt etwa fünf Prozent aller Journalisten in Jordanien aus, wobei lediglich RuyaTV und Nurmina mehr als 20 Mitarbeiter haben. Die übrigen, etwa 50 Journalisten, fallen auf die anderen vier Sender: Josat, Seven Stars, Al-Haqiqa und A1TV (Pies 2012b: 1). Die Produktionsbedingungen sind – auch was die technische Ausstattung betrifft – eher bescheiden. Mein Besuch bei RuyaTV resp. WTV brachte den Chefredakteur in Verlegenheit, da ihm die unprofessionelle Ausstattung unangenehm war. Kurz nach dem Start des Senders gab es lediglich einen kleinen Technikraum und ein Wohnzimmer-

75 AVC-L03 §11.

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ähnliches Studio mit drei Sesseln sowie einen etwa 10m² großen, fensterlosen Raum mit einem Computerarbeitsplatz.76 Wie hoch der Prozentsatz ist, der von den geringen Werbeeinnahmen im jordanischen Fernsehmarkt insgesamt auf den privaten Fernsehmarkt abfallen, lässt sich nicht ermitteln. Der Dubai Press Club geht von einem sehr geringen Anteil des Werbeaufkommens (etwa 6% des Gesamtaufkommens in Jordanien) aus und schätzt auch im Vergleich zu anderen Medien die Entwicklungschancen für die Jahre 2009-2013 eher gering ein (9%). Die Begründung für diese schwache Prognose sieht der Dubai Press Club in der starken Konkurrenz panarabischer und anderer arabischer Fernsehsender, gegen die auch die wenigen privaten Satellitensender in Jordanien nichts auszurichten vermögen (2010: 127). Im Gegensatz zu den anderen Mediensegmenten gibt es auch keinerlei Aussagen zum Nutzungsverhalten oder welches Prestige sie innerhalb oder außerhalb der Profession besitzen. Dies kann als Ignoranz aufgrund nicht ernst zu nehmender Konkurrenz interpretiert werden. Satellitenfernsehen: Journalistische Qualität, Opposition und prominente Akteure Die geringen Kapazitäten, die für journalistische Produktionen vorgesehen sind, weisen darauf hin, dass die meisten Satellitensender, die über die AVC lizenziert wurden, vor allem eine Unterhaltungsorientierung aufweisen. Zum Zeitpunkt der Feldforschung stellte RuyaTV vormals WTV die einzige Ausnahme dar. Zwar brachten auch Nurmina und Seven Stars Nachrichten, jedoch mit sehr geringem Aufwand und ohne besonders großen Fokus auf Jordanien. Darin wollte sich Ruya unterscheiden, denn er wollte sich als explizit »jordanischer Sender« verstehen, der mehr als eine redaktionelle Bearbeitung von Agenturmaterial anbietet. Darüber hinaus stellte der Eigentümer Qaqish – ehemaliges Mitglied der Parlaments – klar, dass er im Hinblick auf die Wahlen einen besseren Job machen wolle als JTV, d.h. die Jordanier besser über die bevorstehenden Wahlen und die zur Wahl stehenden Kandidaten informieren als JTV. Zudem warb er damit, als einziger jordanischer Sender keine Zensur der Zuschauerkommentare, die via SMS beim Sender einlaufen, vorzunehmen.77 Aussagen wie diese lassen darauf schließen, dass der Sender sich ex-

76 Beobachtungsprotokoll »Redaktion WTV (heute RuyaTV)« 2007. 77 Vgl. Interview mit Eigentümer und Chefredakteur Qaqish 2007 (WTV). Diese Tatsache kam dem Sender im Frühjahr 2009 teuer zu stehen. Auf 30.000 JD (ca. 33.000 EUR) belief sich der Schaden, den er zu verkraften hatte, nachdem jugendliche Anhänger des Abadi-Clans Gebäude und Einrichtung demoliert hatten. Der Abadi-Clan, einer der einflussreichsten jordanischen Stämme, hatte sich durch eine eingeblendete SMS, die über 20 Minuten lang auf den Bildschirmen des Senders WTV zu sehen war, beleidigt gefühlt. Aufgrund eines Virus sei es den Mitarbeitern des Senders nicht möglich gewesen, die

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plizit als Konkurrenz zu JTV sieht, aber auch die symbolische Ressource journalistische Qualität für sich in Anspruch nehmen möchte. Dass ihm das angesichts der geringen ökonomische Ressourcen gelingen würde, war äußert zweifelhaft, denn vier Wochen vor den Unterhauswahlen im November 2007 strahlte der Sender erstmals via Nilesat aus, obwohl er zu diesem Zeitpunkt weder technisch, personell noch inhaltlich den angestrebten Ansprüchen genügt hätte.78 Ähnlich wie im Radiosektor hat sich die Ressource politische Opposition im Fernsehsektor noch nicht etablieren können. Stattdessen richtet sich auch im Satellitenfernsehmarkt die Opposition gegen die etablierten staatlichen Spieler. Die Fokussierung von WTV auf jordanische Themen gilt zwar als Oppositionsgebaren gegenüber JTV, aber Ankündigungen wie: »WTV ist Ihr Fenster zu Jordanien und darüber hinaus. Der erster in Jordanien, der Jordanien als ganzes Produkt präsentiert, von den Menschen bis zum Sand, vom Meer bis zum Himmel. Ein neuer, moderner Satellitensender, um das Beste von Jordanien zu fördern, voranzutreiben, zu erkunden und Licht darauf zu werfen.« (WTV-Dokument »Be inspired« 2007) lassen nicht darauf schließen, dass es dem Sender um (regime-)kritische Lokalberichterstattung geht.

2. AKTEURSBEZOGENE R ESSOURCEN IM JORDANISCHEN J OURNALISMUS 2.1 Alter, Herkunft und Geschlecht Das ALTER ist eine von den Akteuren unbeeinflussbare Ressource, die für das Handeln im journalistischen Feld aber relevant ist. Das Alter einer Person lässt sich zu-

Einblendung umgehend zu löschen, so Qaqish gegenüber der Jordan Times. Zusätzlich zum materiellen Schaden habe der Sender außerdem einen Rückgang der Werbeeinnahmen hinnehmen müssen, da Anzeigen zurückgezogen worden wären. Diese Tatsache bestärkte Qaqish in seiner Annahme, dass die Konkurrenz hinter der Message stecke, denn sie sei von einer anonymen Nummer verschickt worden und folgte zudem einem erfolgreichen Werbeabkommen mit internationalen Webanbietern über 400.000 JD (ca. 442.000 EUR). Was auch immer an dieser Vermutung dran ist, für den zensurfreien Ansatz des Senders hatte der Vorfall zur Folge, dass eine Software fortan eingehende Zuschauer-SMS zensiert. Insgesamt 600 Tabuwörter werden von dieser Software berücksichtigt, die zur sofortigen Löschung der Nachrichten führen (vgl. Jordan Times online, 24.5.2009, WTV attacked for ›offensive‹ message, http://jordantimes.com/wtv-attackedfor-offensive-message vom 20.4.2015). 78 Vgl. Beobachtungsprotokoll »Redaktion WTV (heue Roya)« 2007.

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nächst mit deren Lebenserfahrung in Verbindung bringen, die das Handlungspotential in verschiedener Weise verändert. Größere Lebenserfahrung geht in Jordanien mit einem grundsätzlichen Respektgewinn einher. Jüngere Kollegen beschweren sich, dass sie aufgrund ihres Alters von potentiellen Informanten und Gesprächspartnern nicht ernst genommen werden und ihnen so der Zugang zu Informationen im Vergleich zu älteren Kollegen schwerer fällt.79 Das Alter geht in den meisten Fällen auch mit einer größeren Berufserfahrung einher, die ebenfalls Einfluss auf das Handlungspotential im Feld hat: So arbeiten sie nicht nur routinierter und möglicherweise schneller, sondern haben sich im Laufe ihres beruflichen Lebens auch ein größeres Netzwerk an Kontakten aufbauen können. Gerade die jüngeren meiner Interviewpartner hoben die Bedeutung vom Aufbau zu vielen verschiedenen und »richtigen« Kontakten hervor, da sie sich selbst noch im Aufbau ihres Netzwerkes befanden.80 Die Mehrheit der jordanischen Journalisten (77,2%) sind davon überzeugt, dass die sozialen und politischen Beziehungen eines Journalisten sehr bedeutsame Faktoren für den journalistischen Erfolg seien. 16,8 Prozent maßen diesem Faktor mäßigen Einfluss bei und lediglich fünf Prozent sahen gar keinen Einfluss (CDFJ 2006b: 399). Das Alter lässt sich also in ein erhöhtes Handlungspotential transferieren, dann nämlich, wenn damit der Aufbau eines Kontaktnetzwerkes verbunden ist. Weiterhin spielt das Alter – vor allem über die Berufserfahrung – eine Rolle bei der Transformation in ökonomisches Kapital. Ältere Journalisten verdienen in der Regel mehr als ihre jüngeren Kollegen und sind darüber hinaus auch häufiger in höheren Positionen vertreten. Jüngere Kollegen schätzen folglich den Einfluss von wirtschaftlichem Druck auf die Qualität der Medien als größer ein als die älteren Kollegen (MediaAcT 2011). Ein höheres Alter – transferiert in Berufserfahrung – muss deshalb als Ressource für eine tendenziell eher dominierende Position in Erwägung gezogen werden. Dass diese Ressource auch zu unterschiedlichen Einschätzungen des journalistischen Feldes führen kann, belegen Ergebnisse aus einigen Journalistenstudien in Jordanien. So hat eine Studie zur Wahrnehmung des jordanischen Journalistenethikkodexes ergeben, dass diejenigen mit langjähriger Erfahrung im Feld deutlicher Stellung zu einzelnen inhaltlichen Aspekten des Kodex nehmen konnten. Der Verfasser der Studie Abu Arqoub (2010) interpretiert dieses Ergebnis dahingehend, dass die weniger erfahrenen Journalisten sich weniger mit ethischen Fragen auseinander gesetzt hätten. Auch die Daten der MediaAcTStudie (2011) zum Einfluss von Instrumenten der media accountability in Jordanien weisen Unterschiede zwischen den Einstellungen und Bewertungen von jüngeren

79 Vgl. Interviews mit den Journalistinnen Al-Khwalda 2007 (Al-Arab Al-Yaum) und AlZyond 2007 (Al-Arab Al-Yaum). 80 Vgl. Interviews mit den Journalisten Habashneh 2007 (Ad-Dustur), Al-Khwalda 2007 (Al-Arab Al-Yaum) und Al-Zyond 2007 (Al-Arab Al-Yaum).

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und älteren Journalisten auf. Die Bewertung von Transparenzinstrumenten differiert beispielsweise zwischen jüngeren und älteren. Während erstere vor allem die Offenlegung organisationsbezogener Informationen wie das Leitbild eines Mediums oder die Eigentumsverhältnisse fordern, legen die älteren Kollegen mehr Wert auf die Offenlegung der Quellen, einer ›klassischen‹ journalistischen Praktik. In beiden Studien lassen sich also Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Journalisten feststellen, die auf Differenzen in der Sicht auf das Feld schließen lassen. Jungbzw. unerfahren-Sein, muss zwar als potentielle Handlungsbeschränkung, aber durchaus – wie theoretisch vermutet – auch als potentielle Wandelaffinität begriffen werden. Wenn im europäischen Kontext die HERKUNFT als Ressource erwähnt wird, so bezieht sie sich zumeist auf die soziale Herkunft, d.h. je nach theoretischem Kontext auf Klassen, Schichten oder Milieus. Raabe hat beispielsweise herausgefunden, dass die bayerischen Journalisten zu Zweidrittel einem sozial höheren Milieu mit »eher modernen, eher postmaterialistischen Grundorientierungen« zuzuordnen sind (2005a: 268). Die Befunde zeigen nicht nur eine deutliche Abweichung der Milieuverteilung bei Journalisten im Vergleich zur gesamtgesellschaftlichen Milieuverteilung, sondern auch eine Konzentration auf nur fünf von zehn Milieus insgesamt. Für das Agieren im Feld bedeutet dies, dass die Übereinstimmung der Herkunft mit wenigen bestimmten Milieus die Chance auf ein erfolgreiches ›Mitspielen‹ im Feld erhöht, während die Zugehörigkeit zu einem anderen Milieu eher einen Außenseiterstatus bedeutet. Für Jordanien gibt es keine vergleichbaren Untersuchungen zu Milieus des Journalismus. Zudem hat die CDFJ-Umfrage (CDFJ 2006b) ergeben, dass Journalisten dem sozialen Status und dem Wohlstand eines Journalisten die geringste Bedeutung unter sieben Faktoren einräumen, die Einfluss auf den journalistischen Erfolg haben.81 Dahingegen betrachten jordanische Journalisten politische und soziale Beziehungen eines Journalisten mehrheitlich als sehr bedeutsam (77,2%). Besonders die Bedeutung der sozialen Beziehungen verweist auf die Relevanz der geographisch-ethnischen Herkunft, die allerdings auch mit bestimmten sozialen Milieus in Verbindung gebracht werden kann (vgl. Beal 2001). Die geographischethnische Herkunft bezieht sich in Jordanien auf Jordanier mit palästinensischen Wurzeln und Jordanier mit jordanischen Wurzeln. In der offiziellen Lesart sind sie alle jordanische Staatsbürger und haben die gleichen Rechte. Doch die Bezeichnung ›Jordanier‹ oder auch ›Transjordanier‹ im Gegensatz zu ›Palästinensern‹ bezieht sich meistens auf diejenigen, die zur Staatsgründung im Jahr 1946 auf dem

81 20 Prozent der Befragten sagten, dass der Wohlstand und der soziale Status eines Journalisten Einfluss auf seinen beruflichen Erfolg hätten, 32,7 Prozent maßen dem einen mäßigen und 43,6 Prozent keinen Einfluss bei (CDFJ 2006b: 399).

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Boden der Ostseite des Jordans lebten. Auch wenn diese Markierung sehr ungenau ist, so lebt doch die Unterscheidung zwischen denen, die meist im Zuge der israelisch-arabischen Kriege von der Westseite des Jordans nach Jordanien flohen und denjenigen, die dort bereits lebten, weiter. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass heute eine Mehrheit der Jordanier von Familien abstammt, die vor 1946 westlich des Jordans lebten (vgl. Bank 2007: 309; Beal 2001: 5). Allerdings ist es äußerst sensibel, die geographische oder ethnische Herkunft in Jordanien wissenschaftlich oder medial zu thematisieren. Die Volkszählung von 1995 schätzte zwar die Zahl der palästinensisch-jordanischen Bevölkerung, weigerte sich aber, diese öffentlich zu machen (Beal 2001: 5). Fast 20 Jahre nach dem Erscheinen einer ausnahmewürdigen, kritischen Auseinandersetzung durch das Zentrum für strategische Studien an der Jordanischen Universität (CSS 1996), stellt die Bevölkerungszusammensetzung noch immer ein sehr sensibles Thema dar. Die sehr vorsichtig formulierten Ergebnisse dieser Umfrage unter Jordaniern palästinensischer und trans-jordanischer Herkunft deuten auf verschiedene Probleme in der gegenseitigen Wahrnehmung hin: Diejenigen mit transjordanischer Herkunft sehen unter anderem die Konzentration privater Unternehmen in den Händen von Mitbürgern mit palästinensischen Wurzeln als Problem. Daneben spielt die generelle Angst der Illoyalität gegenüber dem jordanischen Staat eine Rolle. Letzteres wird durch die Wahrnehmung aufseiten der palästinensischen Jordanier gespiegelt, die ihrerseits die Konzentration von öffentlichen Ämtern auf transjordanische Jordanier als gravierendes Problem betrachten (vgl. ebd.). Das größte tatsächliche Problem, diese polarisierenden Wahrnehmungen auszugleichen, liegt u.a. in der politisch gewollten Beschränkung, ›objektive‹ Daten über diesen Zustand zu generieren. Somit können gegenseitige Beschuldigungen fortgeführt werden. Denn es findet weder eine Widerlegung dieser Vorurteile statt noch können Maßnahmen ergriffen werden, die eine mögliche Bestätigung auszugleichen vermögen. Auch für den Journalismus heißt es immer wieder, dass die staatlichen Medien von transjordanischen Jordaniern dominiert seien und die palästinensischen Jordanier vor allem in den privaten Medienorganisationen Anstellung finden. Belegen lassen sich diese Einschätzungen nicht. Ein Hinweis dafür, dass zumindest die Programmgestaltung JTVs transjordanisch dominiert ist, ist die starke Betonung einer transjordanischen Kultur. Eigenproduktionen betrachten häufig das beduinische Leben und die Programmzwischenzeiten werden dazu genutzt, beduinisches Liedgut und Lobeshymnen auf den König, die Nation, ihre Geschichte und die Armee auszustrahlen (vgl. Massad 2001: 250). Die Anstellung als Staatsdiener ist traditionell eher Transjordanier vorbehalten und stellt somit ein weiteres, häufig angeführtes Indiz für eine transjordanische Dominanz in den staatlichen Medien dar. Angesichts der Verteilung der Journalisten auf staatliche und teilstaatliche (46%) versus private (54%) Medienorganisationen (Pies 2012b) stellt sich die Frage nach der Relevanz der geographischen Herkunft für den Zugang zum Feld jedoch neu. Selbst wenn man davon aus-

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geht, dass innerhalb der privaten Medienorganisationen nicht alle gleichermaßen offen für palästinensische Jordanier sein sollten, so stünde dieser Bevölkerungsgruppe mit der Öffnung des Rundfunkmarktes für private Anbieter dennoch ein großer Teil des journalistischen Feldes offen. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie bzw. einem Klan stellt einen weiteren Aspekt der Ressource Herkunft dar. Die in der Theorie bereits erwähnte Feldzugangsressource wasta hängt eng mit der familiären Bindung eines Akteurs zusammen. Besonders die großen Familienclans spielen eine wichtige Rolle im gesellschaftlichen Kontrakt Jordaniens, der für das Verständnis des politischen Jordaniens von Bedeutung ist. Allein der Familienname oder der Verwandtschaftsgrad von Akteuren kann entscheidend sein, welche Positionen sie erreichen können oder welche Quellen ihnen zugänglich sind. Die familiäre Struktur kann aber auch eine Hürde darstellen, wenn man der ›falschen‹, rivalisierenden Familie angehört oder sich in der Berichterstattung durch seine familiären Verbindungen und damit verbundenen Verpflichtungen eingeschränkt fühlt. Zusammenfassend kann die familiäre Herkunft als Ressource im journalistischen Feld eingesetzt werden, wenn es a) um den Zugang zum Feld geht und b) wenn es um den Aufbau eine Netzwerkes und damit den Zugang zu Informationen geht. Dabei stellt sich eine transjordanische Herkunft als eher in ökonomische und soziale Kapitalien umwandelbar dar als eine palästinensische. Denn die staatlichen und teilstaatlichen Arbeitgeber sind aufgrund größerer Jobsicherheit und höhere Gehälter bzw. ergänzender Zuwendungen die attraktiveren. Auch als soziales Kapital ist sie generell mehr wert, da das jordanische Regime sich nach wie vor stark auf transjordanische Kräfte stützt.82 Somit kann eine transjordanische Herkunft den Zugang zu politischen Netzwerken – die für die prestigeträchtigere Politikberichterstattung von Bedeutung ist – erleichtern. Im Jahr 1999 waren in Jordanien nur zehn Prozent der 600 akkreditierten Journalisten Frauen, 90 Prozent waren Männer. Das Verhältnis der GESCHLECHTER hat sich jedoch gewandelt, da besonders in den privaten Rundfunkstationen zunehmend Journalistinnen aktiv sind. Der MediaAcT-Studie zufolge waren im Jahr 2010 23 Prozent der hauptberuflich tätigen Journalisten in Jordanien Frauen. Das entspricht exakt dem Anteil der arbeitenden Frauen in Jordanien insgesamt (23% in 2009) (Pies 2012a: 3). Damit steht Jordanien im internationalen Vergleich am untersten Ende zusammen mit seinen Nachbarländern Syrien, Saudi Arabien, Libanon und

82 Bestes Beispiel hierfür ist die unzureichende Wahlrechtsreform, die im Januar 2013 erstmals in der Praxis erprobt wurde. Entgegen der Forderung vieler Reformer im Land wurde die Stimmenverteilung nicht zugunsten der großen Städte, in denen die palästinensische Bevölkerung die Mehrheit hält, geändert (vgl. Bank/Sunik 2013, Seeley 2013 oder Wehler-Schöck 2013).

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Palästina.83 Die Situation der Frauen im jordanischen Journalismus ist nur schwer mit weiteren Zahlen zu belegen. Ein Problem, das viele Länder haben, ist die Tatsache, dass Frauen nur in wenigen Fällen in die obersten Führungspositionen aufsteigen. Laut MediaAcT-Studie (2011) besetzen Frauen nur zu 18 Prozent, Männer zu 82 Prozent Führungspositionen (d.h. Chefredakteure und leitende Redakteure). In nicht-leitenden Positionen beträgt der Anteil der Frauen 27 Prozent, der Anteil der Männer 73 Prozent.84 In Bezug auf ihr Einkommen sind Journalistinnen deutlich im Nachteil: Nur 13 Prozent der Frauen und 25 Prozent der Männer verdienen laut MediaAcT-Studie (2011) mehr als 1000 JD (ca. 1100 EUR).85 Die Direktorin des Medienzentrums arabischer Frauen (AWMC), Mahasan Al-Emam, nennt verschiedene Aspekte der Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern im jordanischen Journalismus: Neben dem geringeren Einkommen für dieselbe Arbeit schickten die Chefs überwiegend Männer zu Weiterbildungen und gäben Frauen meist die ›weichen‹, unwichtigen Themen. Darüber hinaus ließen die Chefs Frauen selten nach 16 oder 17 Uhr arbeiten, weil es danach dunkel wird und Frauen dann zu Hause sein sollten. Das Nachrichtengeschäft sei aber eine 24-Stunden-Angelegenheit. Diese Einstellung sei ein Grund, warum nur einzelne Frauen hohe Führungspositionen erreichten. Al-Emam bestätig aber auch, dass sich in den letzten 15 Jahren einiges zum Positiven gewendet habe. Zum einen seien die Kommunikationsmöglichkeiten gestiegen, was Frauen ermögliche, auch ohne externe Recherchen und Interviews zu arbeiten. Zum anderen sei es üblich geworden, dass Frauen auf Pressekonferenzen gehen, Interviews führen und in der Öffentlichkeit recherchieren. Dies führt AlEmam auf eine veränderte Einstellung der Chefetagen und der Gesellschaft insgesamt zurück.86 Im Jahr 2007 hatten eine Tageszeitung (Al-Anbat), eine Wochenzeitung (The Star) und ein privates Radio (AmmanNet) eine Chefredakteurin sowie Jordanien TV eine Programmchefin. Interessant ist an dieser Tatsache, dass zwei der Chefredakteurinnen Rula Hroub von Al-Anbat, die Ehefrau des Eigentümers Riyadh Hroub ist und Maha Al-Sharif von The Star die Tochter des Hauptanteileigners Nabil Al-Sharif. Familiäre Herkunft scheint in diesen beiden Fällen eine Ressource, die die generell nachteilige Ressource des ›Frauseins‹ auszugleichen ver-

83 Weltbank Datenbank: Indikator »Labor participation rate, female« http://data.world bank.org/indicator/SL.TLF.CACT.FE.ZS?order=wbapi_data_value_2009+wbapi_data_ value+wbapi_data_value-last&sort=asc vom 20.4.2015. 84 Es besteht aber kein statistisch signifikanter Zusammenhang (Korrelation nach Pearson -0.16) zwischen dem Geschlecht und der Position. 85 Es besteht eine statistische Signifikanz für die Korrelation zwischen Geschlecht und Einkommen (Pearson 0.446**). 86 Vgl. Interview mit der Leiterin Al-Emam 2007 (Medienzentrum arabischer Frauen, AWMC).

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mag. Sawsan Zaidah, Chefredakteurin von AmmanNet, Hala Zureikat, Programmchefin von JTV sowie Rana Sabbagh, ehemalige Chefredakteurin der Jordan Times, erwähnen andere Ressourcen, die ihnen diesen Ausgleich verschafften: finanzielle Absicherung durch die Familie und einen kritischen Blick auf die eigene Gesellschaft und den Beruf, die ihnen durch ihre Ausbildung und Arbeit im Ausland ermöglicht wurde. Auch wenn sich die Möglichkeiten für Journalistinnen dahingehend verbessert habe, dass sie mit anderen Ressourcen die Nachteile ihres Frauseins im Journalismus ausgleichen können, so muss dennoch davon ausgegangen werden, dass ihr Geschlecht – wie auch in vielen europäischen Ländern – vorwiegend negative Auswirkungen auf ihre Handlungspotentiale hat. 2.2 Qualifikationen, Titel und Preise Journalismus war anfangs in der Region des heutigen Jordaniens ein Beruf, der für alle offen war. Im osmanischen Pressegesetz von 1865 war lediglich vorgeschrieben, dass, wer eine Zeitung gründen wollte, mindestens 30 Jahre alt sein müsse und keinen kriminellen Hintergrund haben dürfe. Später (1909) wurden für Zeitungseigner Regelungen getroffen, etwa dass der Eigner die Sprache seiner Publikation beherrschen oder dass er mindestens sieben Jahre Grundbildung erworben haben müsse. Die transjordanische Gesetzesänderung des Osmanischen Pressegesetzes sah außerdem ein taujihi (jordanisches Abitur) als Voraussetzung für den Beruf vor. Was durch die Gesetzesänderung verbrieft wurde, war in der Praxis längst Normalität, denn der Journalistenberuf war auch schon früher ein Beruf der Gebildeten gewesen (vgl. Ayalon 1994: 218). Heute stellt der universitäre Abschluss den häufigsten Bildungstitel von Journalisten dar: Laut der beiden repräsentativen Journalistenstudien besitzen zwischen 62 Prozent und 66 Prozent der Journalisten in Jordanien einen Universitätsabschluss (BA), zwischen 21 Prozent und 23 Prozent einen Mastertitel und drei Prozent einen Doktortitel. Trotz der Tatsache, dass noch zwischen 11,5 und 14 Prozent der praktizierenden Journalisten keinen Universitätsabschluss haben, scheint der Universitätsabschluss eine wichtige Ressource für den Eintritt in den Journalistenberuf zu sein, aber keine zwingende. Anders stellt sich das Bild bei der Journalismusspezifischen Ausbildung dar. Hier überwiegt eindeutig der direkte Einstieg in den Beruf entweder ohne weitere Journalismus-spezifische Ausbildung (12%) oder mit einer internen Ausbildung in der Medienorganisation (68%) ohne weitere formale Spezialisierung. Einen universitären Journalismusabschluss weisen lediglich 37 Prozent der Journalisten auf (vgl. Pies 2012a: 3; Al-Quds 2009: 1). Ein statistisch signifikanter Zusammenhang besteht lediglich zwischen dem völligen Fehlen einer weiteren journalistischen Ausbildung und der Höhe des Einkommens: Journalisten,

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die keine Journalismus-spezifische Ausbildung genossen haben, verdienen weniger als die Journalisten mit einer solchen Ausbildung (vgl. MediaAcT 2011).87 Die geringe Zahl der Journalismusabschlüsse lässt sich unter anderem mit dem geringen Prestige des Journalismusstudiengangs in Jordanien erklären. Grundsätzlich folgt in Jordanien die Studienplatzvergabe nach einem klaren Ranking, das sich an der im taujihi erlangten Punktzahl orientiert. Begehrte Studienplätze wie Medizin oder Ingenieurswesen können nur die besten Abiturienten belegen (vgl. AlHamarneh 2009). Das Studium des Journalismus rangiert unten in der Liste des Prestiges und wird deshalb nur in Ausnahmefällen von guten und sehr guten Abiturienten als Studienfach gewählt. Das schlechte Image des Studienfaches Journalismus lässt sich mit den geringen Gehältern als Journalisten erklären und mit der defizitären Ausstattung der Institute. Eine Studie von Abdel Rahman (1991) stellte für die späten 1980er Jahre gravierende Defizite in der universitären Journalistenausbildung ausgewählter arabischer Länder – darunter Jordanien – fest. Dazu gehörten unter anderem ein Mangel an qualifiziertem Personal und schlechte Koordination zwischen verschiedenen Institutionen, die Vernachlässigung einer sprachlichen Ausbildung sowie ein Mangel an Studienliteratur für den eigenen sprachlichen und kulturellen Kontext. Viele dieser Defizite lassen sich auch heute noch bestätigen. Bis zum Ende der 1990er Jahre dominierte das bis heute größte Institut für Journalismus an der staatlichen Yarmouk-Universität in Irbid die universitäre Journalistenausbildung. Bis zu 50 Absolventen zählt der Studiengang heute pro Jahr. Das am Institut vertretene Professionalitätsverständnis basiert allerdings immer noch in Teilen auf der ›alten Schule‹ von Medien(entwicklungs-)theorien: Journalisten als Verbündete des Regimes für ökonomische und soziale Entwicklung, ein während der 1980er Jahre in den damaligen Entwicklungsländern weit verbreitetes Verständnis von Journalismus.88 Nur langsam verändert sich der Studiengang an der Yarmouk Universität. Diese Veränderungen konzentrieren sich vornehmlich auf eine ›Aufrüstung‹ der technischen Ausstattung. Erst seit 2008 gibt es auch inhaltliche Änderungen wie die Einführung eines Kurses zu Medienrecht.89 Zudem hat das Institut 2010 verlauten lassen, dass es einen Masterstudiengang für media studies

87 Pearson 0.339** 88 »Development Communication« wurde diese Richtung genannt und steht auch heute noch auf dem Curriculum der Yarmouk-Universität. Auch die in der Bibliothek vorhandene Literatur zu Journalismus und Medien stammt überwiegend aus den 1970er und 1980er Jahren. Einige der Mitarbeiter genossen ihre Ausbildung noch zu Sowjetzeiten in Moskau oder Kiew (vgl. Beobachtungsprotokoll »Ausbildung« 2006 und Dokument »Kommentiertes Vorlesungsverzeichnis Yarmouk« 2006). 89 Vgl. Jordan Times online, 27.10.2008 Yarmouk University to launch media law course http://jordantimes.com/yarmouk-university-to-launch-media-law-course, 20.4.2015.

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aufbauen wolle.90 Seit 1991 konnten sich drei private Universitäten in Amman etablieren, die die Möglichkeiten universitärer Journalistenausbildung in Jordanien erweitern: Die Philadelphia Universität bietet lediglich eine Spezialisierung in mass communication innerhalb ihres sozialwissenschaftlichen Programmes an, was für zukünftige Journalisten wenig unattraktiv ist.91 Dahingegen ermöglicht die Petra Universität einen praxisorientierten Abschluss in journalism und zukünftig möglicherweise auch in PR and advertising und radio and television.92 Allerdings hat auch der Journalismusstudiengang an der Petra Universität mit seinem Image zu kämpfen. Ein Mitarbeiter des Instituts für Journalismus äußerte sich selbstkritisch über die Qualität des Studienganges. Diese Kritik bezog sich vor allem darauf, dass zu ihnen als private Universität nicht die Studenten kämen, die besonders gut seien, sondern diejenigen, die die Aufnahme in die staatlichen Universitäten nicht geschafft hätten. Ihre Eltern verfügten jedoch über ausreichend Geld, um ihren Zöglingen das bevorzugte Studium zu finanzieren.93 Der dritte private Studiengang für Journalismus an der Middle East Universität wurde erst im Jahr 2010 eröffnet und muss sich erst noch beweisen. Während ein allgemeines Studium als wichtige Ressource für den Eintritt ins journalistische Feld gelten kann, variiert der Wert des journalistischen Universitätsabschlusses. Trotz des Imageproblems der universitären Journalistenausbildung in Jordanien bringt der Abschluss verschiedene Vorteile. Er kann darüber bestimmen, in welcher Medienorganisation angehende Journalisten ihren Job antreten. Denn Journalismus an der Yarmouk Universität zu studieren, sei immer noch der sichere Weg in die staatlichen jordanischen Medien.94 Ein Abschluss in Journalismus erleichtert zudem (theoretisch) die Mitgliedschaft im Jordanischen Journalistenverband (JPA), da weniger nachzuweisende Jahre der praktischen Arbeit erwartet werden. Wenn Anwärter auf die JPA-Mitgliedschaft einen Journalismus-spezifischen BA erworben haben, so müssen sie zusätzlich ein Jahr Praxis nachweisen. Dahingegen müssen diejenigen, die einen nicht-journalistischen BA-Titel besitzen, zwei Jahre Praxis nachweisen. Keinen Nachweis beruflicher Erfahrung brauchen diejenigen, die einen Doktortitel in Medien- oder Journalismusforschung besitzen.95 Diese

90 Vgl. Jordan Times online, 12.3.2010 At a glance: Yarmouk University looks to establish French, journalism MA programmes, online nicht mehr verfügbar. 91 Vgl. Interview mit der Dozentin Jadaan 2006 (Philadelphia Universität). 92 Dies kündigte der damalige Leiter des Studiengangs Professor Abu Arjah (Petra Universität) im Sommer 2006 an. Allerdings wurde bislang keiner der Pläne umgesetzt. 93 Vgl. Interview mit Professor Masannat 2006 (Petra Universität). 94 Vgl. Hintergrundgespräch mit dem ehemaligen Chefredakteur und Medienexperten George Hawatmeh 2010 (Ar-Ra‘i, Jordan Times und Al-Ghad). 95 JPA-L98, §5d.

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theoretischen Vorteile scheinen in der Praxis jedoch nicht unbedingt ausschlaggebend. Denn mit 68 Prozent Direkteinsteigern kann die Ressource Journalismusspezifischer, akademischer Titel für den Einstieg ins Feld als nicht sonderlich wertvoll betrachtet werden. Geht man von den Einschätzungen der Journalisten selbst aus, so müssen »politische und soziale Beziehungen« als erheblich bedeutsamer für »journalistischen Erfolg« betrachtet werden als »die Qualität und Titel der Ausbildung« (CDFJ 2006b: 399). Nur 41,6 Prozent der Befragten gaben an, dass die Ausbildung einen wichtigen Einfluss habe, während 77,2 Prozent Beziehungen als wichtig empfanden. Dies unterstreicht die Annahmen aus der Theorie, dass für Jordanien wasta – und damit die familiär-ethnische Herkunft – als bedeutsame Ressource für den Feldeintritt genauer betrachtet werden muss. In welcher Größenordnung diese Ressource Einfluss nimmt und in welchen Organisationen und Fällen in besonderer Weise, lässt sich für das journalistische Feld allerdings nur aus den für die jordanische Gesellschaft insgesamt bekannten Tendenzen ableiten. Hierfür verweist das Zentrum für strategische Studien (CSS 2006) auf die Ergebnisse einer Umfrage, nach der 96

• wasta als die häufigste Form von Korruption betrachtet (82%) und am zweihäu-

figsten als schädigend für die Gesellschaft gesehen wird (64%) • Korruption generell im öffentlichen Sektor als gravierender eingeschätzt wird als

im privaten97

96 Die der Studie zugrunde liegende Definition von wasta lautet: »[Wasta] ist ein Mechanismus des Machtmissbrauchs, der die ›Privatisierung‹ und eine stark einseitige Verteilung von Staatsressourcen – egal wie diese Ressourcen ursprünglich akkumuliert wurden – bezeichnet. In der Umgangssprache und manchmal auch im offiziellen Diskurs wird der Begriff ›wasta‹ missverständlich und leichtfertig für alle Arten und Formen korrupter Praktiken wie Bestechung, Veruntreuung, Betrug und Vetternwirtschaft verwandt. Begünstigung ist die natürliche, menschliche Neigung, Freunde, Verwandte und jeden, der einem nahe und vertrauenswürdig ist, zu bevorzugen ohne Rücksicht auf Leistung, professionelle Standards oder rechtliche Legitimation. Es ist der Hang von Staatsoffiziellen und Politikern, die Zugriff auf die Staatsressourcen haben und die Entscheidungsgewalt über deren Verteilung, bestimmte Personen bevorzugt zu behandeln.« (CSS 2006: 8, Übersetzung J.P.) 97 Die Studie wurde nach zwei unterschiedlichen Samples ausgewertet. Das sogenannte »public sample« stellt eine repräsentative Stichprobe der Gesamtbevölkerung dar. Das sogenannte »opinion leader sample« umfasst die folgenden Personengruppen: Vorsitzende von Parteien und Berufsverbänden, Akademiker, Journalisten, Kolumnisten, hohe Beamte und hochrangige Unternehmer. Die Ergebnisse der beiden Samples variieren hinsichtlich der Einschätzung von Korruption: Während 65 Prozent der Gesamtbevölkerung

310 | J OURNALISTISCHE A KTEURE • Korruption im privaten Sektor von 2002 bis 2006 als deutlich zunehmend einge-

schätzt wird. Übertragen auf das journalistische Feld wäre davon auszugehen, dass besonders die staatlichen und teilstaatlichen Medienorganisationen von dieser Praxis betroffen sind, doch die privaten mit zunehmender Präsenz auf dem Medienmarkt der Praxis folgen. Auch die seit Jahren schlechte Benotung Jordaniens im Corruption Perception Index weist auf ein ernsthaftes Problem hin.98 Während der Ressourcenwert von wasta für den Feldeintritt höher liegt als die Ausbildung, gilt dies nicht zwingend für die weitere Karriere. Die Chance, in gehobene Positionen zu kommen erhöht sich nämlich, wenn ein weiterer Journalismusbezogener Abschluss nach dem Bachelor erzielt wurde. Von den Befragten 13 Prozent der MediaAcT-Studie, die angaben, einen Master- oder Doktortitel in Journalismus zu besitzen, landeten 69 Prozent in leitenden Positionen. Allerdings lässt sich für die MediaAcT-Studie nicht feststellen, von welcher Universität die Titel stammten, sodass – wie bereits am Beispiel der drei Chefredakteurinnen Sabbagh, Hala Zureikat und Zaidah aufgezeigt – auch eine nicht-jordanische Hochschule den Titel verliehen haben könnte. Mit Blick auf den Feldeintritt ist eine Journalismusbezogene Ausbildung also keine Voraussetzung. Nichtsdestotrotz muss sie als vorteilhaft für die Umwandlung in ökonomische und soziale Ressourcen im Verlaufe der professionellen Karriere betrachtet werden. Zudem ist in Bezug auf eine solche Ausbildung die These, dass eine außer-redaktionelle Ausbildung zu eher heterodoxen Sichtweisen auf das Feld führt, in Frage zu stellen. In Jordanien muss zumindest zwischen den verschiedenen Instituten differenziert werden, wobei die Yarmouk Ausbildung wohl eher zu orthodoxen Sichtweisen führt. Eine Differenzierung muss auch für Weiterbildungsprogramme und Journalistenpreise vorgenommen werden. Im Jahr 2010 startete beispielsweise das Jordanische Medieninstitut (JMI) einen neuen Masterstudiengang in institutioneller Anbin-

Korruption in Regierung und dem öffentlichen Sektor als ein Problem einschätzten, taten dies 75 Prozent der Eliten. Mit Blick auf den privaten Wirtschaftssektor schätzten die Eliten das Problem ebenfalls höher ein (52% der Bevölkerung, 64% der Eliten) (CSS 2006: 3). 98 Jordanien erhielt in den vergangenen zehn Jahr zumeist Werte unter 5,0, was von Transparency International als Indiz für »ernsthafte Korruptionsprobleme« interpretiert wird. 2011: Rang 56: 4,5 Punkte; 2010: Rang 50: 4,7 Punkte; 2009: Rang 49: 5,0 Punkte; 2008: Rang 47: 5,1 Punkte; 2007: Rang 53: 4,7 (Punkte); 2006: Rang 40: 5,3 (Punkte); 2005: Rang 37: 5,7 (Punkte); 2004: Rang 37: 5,3 (Punkte); 2003: Rang 43: 4,6 (Punkte); 2002: Rang 40: 4,5 (Punkte); 2001: Rang 37: 4,9 Punkte (vgl. http://cpi.transparency.org /cpi2011/results/ vom 20.4.2015).

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dung an die Jordanische Universität. Das JMI wurde von der ehemaligen CNNKorrespondentin und Prinzessin Rym Ali gegründet und steht unter deren Schirmherrschaft. Die Verbindung zum Königshaus wird von Journalisten als problematisch betrachtet, da eine Unabhängigkeit nicht gewährleistet sei.99 Die Verbindungen zum Palast werden zusätzlich dadurch symbolisch unterstrichen, dass das JMI Räumlichkeiten im Gebäude des ehemaligen Hohen Medienrats bezogen hat. Der Rat sollte – bevor er 2008 wieder geschlossen wurde – auf Geheiß des Königs das Informationsministerium ersetzen und für eine Professionalisierung des Journalismus in Jordanien verantwortlich sein. Gleichzeitig – oder aufgrund seiner engen Bindung zum Königshaus – ist das JMI mit großzügigen finanziellen Mitteln und modernen Produktionsstätten ausgestattet. Da es vorwiegend schon Journalismus erfahrene Studenten aufnimmt, ist das JMI eher als Weiterbildungsstätte zu betrachten.100 Neben dieser institutionalisierten Form der Journalistenweiterbildung hat seit einigen Jahren auch die Zahl der Weiterbildungsangebote für Journalisten durch internationale oder jordanische NROs, westliche oder arabische Medienorganisationen oder nationale Journalistenvertretungen zugenommen. Inwiefern die Teilnahme an einem solchen Programm eine Ressource für Journalisten sein kann, lässt sich nur schwer einschätzen. Die Journalistenumfrage des Zentrums zur Verteidigung der Freiheit von Journalisten (CDFJ 2006b) zur Erfassung der Ausbildungsbedürfnisse von Journalisten in Jordanien und anderen arabischen Ländern zeigt ein ambivalentes Ergebnis.101 Einerseits scheint die Teilnahme an Weiterbildungsangeboten unter jordanischen Journalisten weit verbreitet zu sein: Von 101 Befragten gaben 80,2 Prozent an, mindestens einmal an einem Kurs im »Bereich Journalismus und Medien« teilgenommen zu haben. Allerdings glauben nur 17,8 Prozent der Befragten, dass sie von den bislang besuchten Weiterbildungen »profitiert hätten«. Daraus lässt sich eine geringe Wertschätzung von Weiterbildungen ablesen, doch es ist nicht eindeutig, auf welche Art des Profits sich diese Angabe bezieht. Immerhin sagen mehr als die Hälfte der Befragten (54%) die Weiterbildungen hätten ihre Chancen bei der Jobsuche verbessert. In Kombination mit Aussagen zu den Erwartungen der Befragten an die Weiterbildungen (36,6% der Teilnahmen waren »finanziell« und 26,7% »intellektuell« motiviert) lassen sich die widersprüchlichen Ergebnisse wie folgt interpretieren: Offensichtlich betrachten die Journalisten die Zertifizierung einer Weiterbildung als hilfreich für den Einstieg in den Beruf und den Positionswechsel, der sich allerdings weder finanziell lohnt noch höhere intellektuelle Ansprüche erfüllt.

99

Vgl. Hintergrundgespräch mit der Journalistin Tawil 2007 (Ad-Dustur).

100 Vgl. Beobachtungsprotokoll »JMI« 2008-2010. 101 Im Folgenden beziehe ich mich lediglich auf die Daten der jordanischen Befragten (vgl. CDFJ 2006b: 383-411).

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Auch die Zahl der Journalistenpreise, die sich speziell an arabische Journalisten 102 wenden, hat in den letzten Jahren zugenommen. Für die Anerkennung in der westlichen Welt und vor allem für internationale NROs scheinen solche Preise eine wichtige Ressource zu sein. Eingeladene Gäste zu Konferenzen oder Workshops werden gern mit Auszeichnungen geschmückt. Ob diese Preise jedoch auch – wie Mellor behauptet (2007: 67f) – tatsächlich innerhalb der Peers einen Ressourcenzuwachs bringen, ist fraglich. Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass die Medienorganisationen ihre Preisgewinner nicht veröffentlichen, wie dies beispielsweise von vielen Medien in Deutschland in sogenannten Hausmitteilungen gehandhabt wird. Da es keine speziellen Berufspublikationen gibt, wo Preisverleihungen mitgeteilt werden könnten, fällt auch diese Art der Veröffentlichung eines Preisgewinns aus. Manche der preisverleihenden Organisationen versenden Pressemitteilungen wie Arabische Reporter für investigativen Journalismus (ARIJ) an die Medienorganisationen, die dann allerdings nicht zwingend auch die Namen der Gewinner publizieren. Die aktuellen Gewinner des King Hussein Awards konnte mir keiner von den befragten Journalisten und Chefredakteuren nennen. Selbst im JPA – wo die Auswahl der Preisträger und die Verleihung stattfindet – musste der Präsident die Sekretärin anweisen, die Akten zu durchsuchen, bevor ich die aktuellen Namen erhielt. Die Einsicht in die Preisgewinner des King Hussein Awards seit seiner Etablierung zeigte dann auch, dass die meisten Gewinner an die staatlichen (oder teilstaatlichen) Medien gingen. Wenige Ausnahmen stellten die Tageszeitungen AlArab Al-Yaum und Al-Ghad. Vom privaten Rundfunk oder von Online-Medien war niemand auf der Liste.103 Angesichts dieser Beobachtung ist es äußerst fraglich, ob die Auszeichnung durch einen Journalistenpreis in Jordanien tatsächlich eine wichtige Ressource darstellt. 2.3 Einkommen und finanzielle Situation Auch wenn der Journalistenberuf ein Beruf der Gebildeten war, so gehörten Journalisten vor der Unabhängigkeit der meisten arabischen Staaten nicht zur ökonomischen Elite, denn die Einkommen waren vergleichsweise gering. Ayalon geht sogar so weit, die geringen Einkommen als einen wichtigen Grund für das schlechte Image, das Journalisten in der Bevölkerung genossen, zu betrachten. Er zitiert eine seiner Quellen mit der Aussage, dass ein Vagabundendasein, Armut und Entbehrung mit dem Journalistenberuf stärker konnotiert seien als irgendeine andere Qua-

102 Ein Überblick über die Preise für den arabischen Printjournalismus findet sich auf der Website des Arab Press Networks unter http://www.arabpressnetwork.org/rubriquesv2. php?id=273 vom 20.4.2015. 103 Vgl. Beobachtungsprotokoll »JPA« 2007.

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lifikation (Ayalon 1994: 221). So seien die Gründe, den Journalistenberuf zu erlangen, eher durch andere, persönliche und ideelle, Motivationen denn durch ökonomische bestimmt gewesen, etwa die Suche nach Berühmtheit, die Passion des Schreibens oder das Bedürfnis nach gesellschaftlichem Engagement. Gleichzeitig erwähnt er aber auch, dass es wenigen berühmten Journalisten gelungen sei, auch ökonomischen Profit aus ihrem Metier zu schlagen (ebd.). Laut der beiden Umfragen MediaAcT (2011) und Al-Quds Center (2009) verdient die Mehrzahl der Journalisten (73% bzw. 79%) unter 1000 JD (ca. 1100 EUR) Brutto im Monat, 35 bis 38 Prozent verdienen sogar weniger als 500 JD (ca. 560 EUR). Zwischen 18 und 19 Prozent der Journalisten können ein EINKOMMEN zwischen 1000 JD und 2000 JD aufweisen und immerhin drei Prozent verdienen mehr als 2000 JD (ca. 2300 EUR) im Monat. Im Vergleich zum Bruttonationaleinkommen pro Kopf und Jahr (3500 EUR in 2010) ist die Mehrzahl der Journalisten also deutlich besser gestellt. Nimmt man jedoch die Zahlen des Bruttonationaleinkommens pro Erwerbstätigem (12.800 EUR in 2008),104 dann sind die meisten Journalisten eher unterdurchschnittlich bezahlt. Das zum Leben notwendige Einkommen wird nicht selten durch das gleichzeitige Arbeiten für mehrere Arbeitgeber bestritten, zu dem in einigen Fällen (7%) auch nicht-journalistische Tätigkeiten gehören (Pies 2012b: 4).105 Laut der Al-Quds Center-Studie (2009: 1) arbeiten 41 Prozent der Journalisten für mehr als eine Medienorganisation. Leitende Positionen verdienen zwar auch nicht viel, aber der Anteil derer, die über 1000 JD monatlich verdient, liegt bei 39 Prozent im Gegensatz zu neun Prozent der Journalisten in nichtleitenden Positionen (MediaAcT 2011). Der Wechsel zwischen verschiedenen Arbeitgebern ist nicht ungewöhnlich und stellt in vielen Fällen einen symbolischen Aufstieg dar, wenn beispielsweise von den Wochenzeitungen zu den Tageszeitungen gewechselt wird. Ökonomisch ist ein solcher Wechsel nicht unbedingt lohnenswert. Auch wenn die Gehälter gering sind, einmal im Beruf angekommen, ist die Jobsicherheit relativ gut im Vergleich zu anderen Ländern. Die absolute Mehrheit von 93 Prozent der Journalisten ist nach der MediaAcT-Studie in fest angestellten Arbeitsverhältnissen. Lediglich sechs Prozent gaben an, »frei« zu arbeiten (Pies 2012a). Die Journalisten, die in den staatlichen Medien arbeiten (JRTV und Petra Nachrichtenagentur) sind zudem meist Beamte, sodass sie nicht nur eine Jobgarantie, sondern auch weitere ökonomische Vorteile in Form von Vergünstigungen und

104 Daten der Weltbank http://data.worldbank.org/indicator/NY.GNP.PCAP.CD und http://data.worldbank.org/indicator/SL.GDP.PCAP.EM.KD vom 20.4.2015. 105 Gefragt wurde danach, wie viel Prozent des Einkommens aus journalistischer Tätigkeit generiert wird. Die sieben Prozent beziehen sich auf diejenigen, die angaben, weniger als 50 Prozent ihres Einkommens aus dem Journalismus zu beziehen, obwohl sie eine Vollzeitanstellung im Journalismus haben.

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Absicherungen erhalten. Solche erhalten auch Mitglieder des JPA, denn laut JPAGesetz von 1998 besteht die Aufgabe des Verbandes auch darin: »die professionellen Rechte seiner Mitglieder zu schützen und sie mit sozialer Sicherheit im Alter, bei Berufsunfähigkeit und Tod zu versorgen, ohne ihr Recht auf anderweitige Renten zu verwirken; ihnen eine Gesundheitsversorgung zu gewährleisten und ihnen und ihren Familien ein anständiges Leben zu garantieren.«106 Konkret bedeutet dies, dass der JPA den Mitgliedern eine Krankenversicherung ermöglicht, Mitgliedern Häuser oder Bauland zur Verfügung stellt, Unterstützung bei der Arbeitssuche im Falle der Arbeitslosigkeit bietet oder die Kinder von Mitgliedern bei der Stipendienvergabe für Schule und Studium unterstützt. In welchem Umfang diese finanziellen Unterstützungen stattfinden und wie genau die Vergabekriterien sind, bleibt intransparent – auch für die Mitglieder.107 Die ökonomischen Transformationsmöglichkeiten der Ressource JPA-Mitgliedschaft hängen für einzelne Journalisten davon ab, wie es um die finanzielle Lage des Verbandes bestellt ist. Diese ist regelmäßig Streitpunkt, was wohl in erster Linie auf die Säumigkeit seiner Mitglieder zurückgeht, besonders der Medieninstitutionen.108 Problemtisch für den Erwerb der Ressource JPA-Mitgliedschaft ist, dass die Aufnahme im Verband beschränkt ist: Erst seit 2001 dürfen Mitarbeiter des staatlichen Radios und Fernsehens Mitglieder werden und bis zum Jahr 2011 war Online-Journalisten und Journalisten der privaten Rundfunkorganisationen der Zugang zur JPA-Mitgliedschaft verwehrt (vgl. Hawatmeh/Pies 2011: 104). Darüber hinaus ist die Mitgliedschaft an bestimmte individuelle Voraussetzungen geknüpft. Dazu gehören die jordanische Staatsbürgerschaft, ein einwandfreies Führungszeugnis, eine Journalismus-bezogene Ausbildung und eine hauptberufliche Beschäftigung als Journalist.109 2.4 Symbolische Ressourcen Im vorhergehenden Kapitel wurde bereits erwähnt, dass der Journalistenberuf keinen besonders guten Ruf in der arabischen Welt genoss. Ayalon erwähnt allerdings auch, dass es immer wieder Ausnahmefiguren gab, die eine besonders große Auf-

106 JPA-L 1998, §4f. 107 Vgl. Braune 2005: 59 und Interview mit dem damaligen Präsidenten Al-Moumani 2007 (JPA). 108 Die Finanzen des JPA setzen sich laut JPA-L98 §55 wie folgt zusammen: 1. Mitgliedsbeiträge und Eintrittsgebühren, 2. Ein Prozent der Werbeeinnahmen von Zeitungen, 3. Spenden von Stiftungen und Einrichtungen, die die Ziele des Verbandes unterstützen, 4. Finanzielle Hilfen von nationalen und internationalen Geldgebern, die vom Council des Verbandes genehmigt wurden. 109 JPA-L 1998, §5.

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merksamkeit und Reputation auf sich zogen. Dazu gehörten vor allem Literaten wie Ibrahim Al-Mazini und politische Aktivisten wie Rashid Ridda (Ayalon 1994: 215ff.).110 Was diese Journalisten auszeichnete, gilt – zumindest für den zweiten Grund – auch heute noch als spezifisches Akteurskapital: Sie hatten entweder einen geschliffenen Umgang mit der Sprache (im Falle der Literaten) oder zeichneten sich durch einen starken politischen Aktivismus besonders in Opposition zu den Herrschenden – was im historischen Kontext vor allem die Kolonialherren waren – aus. Eine gewisse Zweiklassengesellschaft des Journalismus in ›Berühmte‹ und ›Fußvolk‹ setzt sich bis heute im jordanischen Journalismus über die Klassifizierung in Kolumnisten und Reporter bzw. Editoren im Printjournalismus und in die Moderatoren und Reporter bzw. Editoren im Rundfunkjournalismus fort. Moderatoren erlangen aufgrund ihrer physischen Präsenz in der Berichterstattung quasi natürlich eine größere Berühmtheit als diejenigen hinter den Kulissen. Für sie stellen ihre Körper eine besondere symbolische Ressource dar, denn ihre Erscheinungsbilder und ihre Stimmen tragen wesentlich zu ihrem Erfolg als Moderatoren bei. Die Kolumnisten zeichnen sich hingegen vor allem durch explizit politische Stellungnahmen aus. Einige der Kolumnisten sind ›Externe‹, die mit dem Journalismus im Alltagsgeschäft nichts zu tun haben. Sie sind hauptberuflich Politiker oder Wissenschaftler und können sich somit den Spielregeln des journalistischen Feldes entziehen. Daneben gilt es als besonderes Vorrecht des Chefredakteurs und meist erfahrener (männlicher) Kollegen in Führungspositionen, als Kolumnisten aufzutreten. Die erstrebenswerte symbolische Ressource, die hinter dem Kolumnistendasein steht, ist das Recht, Meinungsstücke zu schreiben. Journalistenausbilder in Jordanien kritisieren diese symbolische Ressource meist im Zusammenhang mit der Tatsache, dass ihre Studenten oder Trainingsteilnehmer »immer nur Meinungsstücke« schreiben wollten und sich schon im frühen Stadium als »Kolumnisten« fühlten.111 In diesem Sinne kann dem Schreiben von Kolumnen ein handlungserweiterndes Potential zugeschrieben werden, mit Hilfe dessen sich die Kolumnisten den redaktionellen Praktiken und damit auch den internen Kontrollmechanismen entziehen können. Die Chefredakteurin von Al-Anbat brachte dies in der folgenden Aussage zum Ausdruck: »Die Kolumnisten sind die gefährlichsten Schreiber. Journalisten lassen

110 Ibrahim al-Mazini war ein erfolgreicher und bekannter Schriftsteller, der auch als Journalist arbeitete. Rashid Ridda war Herausgeber der Monatszeitung Al-Manar und einer der bedeutendsten Denker eines ›Reformislams‹ des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, der sich mit der Wiederfindung der ›muslimischen Identität‹ gegen den Kolonialismus seiner Zeit einsetzte. 111 Vgl. z.B. Interviews mit Journalistentrainerin Sabbagh 2006 (Al-Ghad, ARIJ) oder dem internen Ausbilder Assaf 2007 (Ar-Ra’i).

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sich meist gut kontrollieren. Aber die Kolumnisten, die für Dich schreiben, können Dir Ärger verursachen, sie können Dich sogar ins Gefängnis bringen.«112 Häufig und kontinuierlich in der Geschichte des Journalismus in Jordanien finden subtile Einflussnahmeversuche von außen statt, sogenannter ›sanfter Druck‹ (soft containment), den fast die Hälfte aller Journalisten schon einmal erlebt hat (Al-Quds Center 2009). Dabei erfolgt dieser Druck bei 81 Prozent der Betroffenen durch die eigene Medienorganisation und zu 32 Prozent durch den Verleger. Diese hohen Zahlen, ebenso wie die Berichte von Medien aktivistischen NROs, lassen vermuten, dass dieses Verhalten innerhalb des Feldes gängige Praxis ist und offensichtlich von einem Großteil der Journalisten als Regel toleriert, zumindest nicht opponiert wird. Entsprechend gilt die offene Opposition gegen solche Zensurversuche als »mutig« und bringt einzelnen Akteuren wie Organisationen symbolisches Kapital innerhalb des Feldes. Es mag zynisch klingen, aber Gerichtsprozesse, Anklagen und Gefängnisstrafen sind symbolische Ressourcen individueller Journalisten, die eine Anerkennung als »aufrechte Opponenten« begründen. Jordanien hat seit seiner Unabhängigkeit immer wieder Phasen durchlaufen, in denen die Strafverfolgung von Journalisten in Gefängnisstrafen mündete. Auch wenn Gefängnisstrafen eher die Ausnahmen bilden, so werden sie vonseiten des Regimes doch gern als Abschreckungsbeispiele inszeniert. Interessanterweise scheint diese Abschreckung gleichzeitig ein feldeigenes symbolisches Kapital zu produzieren, das sich in Aufmerksamkeit umwandeln lässt. Die Verhaftung ist gleichbedeutend mit einer uneingeschränkten, für die Pressefreiheit und journalistische Unabhängigkeit einstehenden Haltung, deren Beschränkung durch das Regime für eine Mehrheit der Journalisten eines der größten Probleme im jordanischen Journalismus darstellt (vgl. Pies 2012a: 4). Diejenigen, die für die Pressefreiheit kämpfen, gelten somit als ›Vorkämpfer‹ für den gesamten Berufsstand und werden von den Kollegen mit Achtung belegt.113 Selbst schillernde Persönlichkeiten wie der Al-Majd Herausgeber und Chefredakteur Fahd Al-Rimawi, dessen politische Ansichten von vielen nicht geteilt werden und dessen Zeitung ein Nischendasein fristet, erhält so einen hohen symbolischen Wert. Dies zeigt sich u.a. darin, dass die Zeitung in den JMSUmfragen im allgemeinen Sample als marginal eingestuft werden kann, d.h. 0,3 Prozent haben seine Zeitung während der letzten 30 Tage gelesen (JMS 2007a:

112 Interview mit Chefredakteurin Hroub, Rula 2007 (Al-Anbat). 113 Während meiner Feldforschung in Jordanien wurde dies immer wieder in verschiedenen Situationen bestätigt. So hoben beispielsweise die schon einmal rechtlich belangten Chefredakteure und Journalisten die sie betreffenden Fälle mir gegenüber gern hervor. Aber auch bei der Vorstellung durch Kollegen wurden solche Journalisten im ersten Satz als »ehemalige Gefangene« charakterisiert (vgl. z.B. Interviews mit Chefredakteur Abu Baidar (Shihan), Al-Adwan (Al-Arab Al-Yaum) und Rimawi (Al-Majd).

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107). Gleichzeitig gilt sie den Meinungsführern, unter dem zu einem Sechstel auch Journalisten vertreten sind, als drittwichtigste Wochenzeitung mit 6,6 Prozent Lesern in den letzten 30 Tagen (JMS 2007b: 20). Für die betroffenen Akteure haben Verhaftungen natürlich auch negative Folgen. Ihre Handlungsspielräume im journalistischen Feld werden nach der Entlassung stark dadurch eingeschränkt, dass sie als ›Vorbestrafte‹ einer besonderen Überwachung durch das Regime ausgesetzt sind und für einen Teil ihrer Kontakte zum Risiko werden. Sie werden nicht mehr zu offiziellen Pressekonferenzen eingeladen und haben größere Probleme, auf offiziellem Wege an Informationen zu kommen.114 Im Zusammenhang mit dem Aufbegehren gegen die Einflüsse von außen muss auch die Mitgliedschaft bzw. Nicht-Mitgliedschaft im Journalistenverband betrachtet werden. Über die finanziellen Zuwendungen besteht auch nach der Machtübernahme von König Abdallah II. eine enge Verbindung zur Regierung.115 Diese ist zwar nicht mehr so offensichtlich, lässt sich aber beispielsweise an der Kostenübernahme für das neue Verbandshaus ablesen. Die finanziellen und personellen Verbindungen116 tragen unter anderem deshalb für eine Wahrnehmung des JPA als regierungsloyale Organisation bei (vgl. Braune 2005). Welche Konsequenzen die Öffnung des JPA für das journalistische Feld haben wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Klar ist jedoch, dass die grundsätzliche Akzeptanz als gesetzlich zertifizierte Journalisten eine Aufwertung der bislang ausgeschlossenen Mediensparten und deren Mitarbeitern mit sich bringt. Schätzungen des Journalistenverbandes besagen, dass etwa zusätzliche 20 Prozent der derzeitigen Mitgliederzahl (ca. 950) einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen könnten. Ob dies geschehen wird, ist noch offen. Die oben erwähnte MediaAcT-Studie hat für Sommer 2011 die folgenden Verhältnisse zwischen Mitgliedschaft und Nicht-Mitgliedschaft erhoben: Demnach sind 57 Prozent der Journalisten Mitglieder und 42 Prozent keine Mitglieder im JPA. Unter den Nicht-Mitgliedern117 befinden sich nicht – wie zu vermuten wäre – überwiegend Online-Journalisten (6) und Journalisten aus dem privaten Rundfunk (8) und Fernsehen (5) sondern auch 23 Personen, die schon in den letzten Jahren die Möglichkeit gehabt hätten, Mitglieder zu werden (MediaAcT 2011). Trotz finanzieller Vorteile, die eine Mitgliedschaft im JPA mit sich bringt, scheint es Journalisten zu geben, für die eine solche keinen allzu großen Anreiz darstellt.

114 Vgl. Interview mit Journalist Azzouni 2007 (Al-Arab Al-Yaum). 115 Zur Situation vor 1999 vgl. Hamayil 2000. 116 Die Präsidentschaft des JPA wurde noch nie einem Mitglied übertragen, dass keine führende Funktion in einem der staatlichen oder teilstaatlichen Organisationen innegehabt hätte (vgl. Abidad 2003). 117 Diese Zahlen lassen keine Aussage darüber zu, wie viele der Nicht-Mitglieder bereits einen Antrag gestellt haben oder dies beabsichtigen.

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Ein Grund ist sicherlich, dass das Praktizieren des Journalistenberufs ohne Mitgliedschaft noch nie geahndet wurde.118 Zudem kostet sie Geld. Auch ein geringes Vertrauen in die professionelle Repräsentanz des Verbandes hält Journalisten davon ab, ihm beizutreten. Dies drücken Zahlen aus der CDFJ-Studie aus, nach der nur 30,7 Prozent der Befragten den Verband für wesentlich bei der Entwicklung eines professionellen Klimas im jordanischen Journalismus halten. Unwesentlich mehr Vertrauen haben die befragten Journalisten in »Persönlichkeiten des Journalismus« (31,7%) und NROs (32,7%), während deutlich mehr der Regierung (41,6%) zutrauen, den Journalismus weiter zu entwickeln (CDFJ 2006b: 402). Diese wenig optimistische Haltung gegenüber dem JPA hat auch Braune (2005: 56) beschrieben. Sie nennt drei Gründe, warum Journalisten nicht eintreten: entweder weil sie Nachteile durch eine Kontrolle durch den Verband erwarten, weil sie gegen die Pflichtmitgliedschaft opponieren wollen oder weil sie im JPA grundsätzlich keine Interessensvertretung des Journalistenschaft sehen. Eine Nicht-Mitgliedschaft bedeutet allerdings auch Nachteile für die journalistische Praxis: Ohne Mitgliedschaft gibt es keinen Presseausweis und an vielen offiziellen Pressekonferenzen dürfen Personen ohne Presseausweis nicht teilnehmen. Die Mitgliedschaft im Journalistenverband lässt sich folglich zwar in ökonomisches Kapital umwandeln, sie kann sich jedoch nachteilig für Aufmerksamkeit durch die symbolische Ressource Opposition auswirken. Zusammenfassend lässt sich deshalb sagen, dass als symbolische Ressourcen vor allem die Erlaubnis, Meinungsstücke schreiben zu dürfen, juristische Strafverfolgung in Form von Gefängnisstrafen, Anklagen und Gerichtsprozessen sowie eine Nicht-Mitgliedschaft im Journalistenverband gezählt werden können.

3. Z WISCHENFAZIT In der Theorie habe ich ausgeführt, dass manche Ressourcenkonstellationen von Akteuren in einem Feld eine größere Macht entfalten können als andere, ihre Sicht auf die Feld-spezifischen Spielregeln durchzusetzen. Ziel des Kapitels war es deshalb, verschiedene Ressourcen auf ihre Relevanz für tendenziell dominante Positionen bzw. dominierte Positionen zu erkunden. Dabei hat sich gezeigt, dass für die organisationsbezogenen Ressourcen vor allem die beiden symbolischen Ressourcen journalistische Qualität und Opposition Abgrenzungsbewegungen innerhalb der einzelnen Segmente, aber auch innerhalb des gesamten Feldes in Gang setze können. Die Wochenzeitungen waren mit ihrer oppositionellen Strategie in den frühen

118 Das PP-L07 §2e bestimmt, dass sich Journalist nur nennen darf, wer Mitglied im JPA ist.

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1990er Jahren offensichtlich in der Lage, die Tageszeitungen auf das Kapital Qualität festzusetzen. Opposition war nur noch begrenzt im Tageszeitungssektor als Kapital einzusetzen, denn die harte Oppositionshaltung der Wochenzeitungen ließ die Tageszeitungen generell als Regime-konform erscheinen. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass beispielsweise Al-Ghad gar nicht mehr versuchte, den Anschein von Opposition zu erwecken und von Anfang an rigoros auf ein Qualitätsimage setzte. Mit dieser Abgrenzungsstrategie zu den Tageszeitungen setzte sich Opposition indes als dominantes symbolisches Kapital im Wochenzeitungsmarkt durch. Hier erfolgt deshalb die Herausforderung durch Neueintritte ins Feld eher durch eine Orientierung an Qualität. Der Versuch, die beiden symbolischen Währungen zu verbinden und somit durch Distinktion an Einfluss zu gewinnen, scheint den Wochenzeitungsakteuren im Feld deshalb gegenwärtig als vielversprechender. Mit diesen Positionierungsversuchen treten sie jedoch nicht nur in Konkurrenz zu den dominanten Wochenzeitungen sondern auch zu sich neu etablierenden Tageszeitungen, die ebenfalls die Schnittstelle zwischen Opposition und Qualität suchen. Interessant ist, dass der Rundfunk nicht etwa auf Publikumsbeliebtheit setzt – eine Ressource, mit denen er beide Mediensegmente toppen könnte – sondern ebenfalls die Positionierung zwischen den beiden Printpolen Opposition und Qualität sucht. Im Fernsehsektor und in Ansätzen im Radiosektor zeigt sich bislang nur selten der Versuch, eine neue symbolische Ressource als Distinktion einzuführen, wie etwa die Fokussierung auf Lokalberichterstattung bei AmmanNet oder dem gescheiterten ATV. Unterhaltung spielt zwar eine große Rolle, wird für das journalistische Feld im Radiosektor jedoch nur selten als Ressource für die journalistische Berichterstattung eingesetzt, um sich gegen die dominanten Spieler durchzusetzen. Bislang ist es nicht gelungen, die staatlichen Sender in ihren dominanten Positionen ins Wanken zu bringen. Dies liegt auch an weiteren Ressourcenkonstellationen, die auf Organisationsebene ins Spiel kommen. Zum einen spielen die Eigentümerverhältnisse, die über alle Mediensektoren hinweg zwischen privaten und staatlichen bzw. teilstaatlichen unterschieden werden können, eine Rolle für die Dominanz im Feld. Letztere gehören vor allem aufgrund der unterschiedlich großen protektionistischen Interventionsmöglichkeiten durch das Regime zum eher dominanten Pol des Feldes. Doch eine Einteilung entlang von Staats- versus Privatbesitz greift nicht weit genug. Schließlich gelten auch auf Organisationseben die Produktionskapazitäten als eine der wichtigsten Ressourcen für Feldpositionen. Al-Ghad konnte sich nicht nur aufgrund seiner strengen auf Qualität fokussierten Strategie im Feld erfolgreich behaupten, sondern auch aufgrund des großen ökonomischen Kapitals, das die Zeitung in die Waagschale wirft. Deshalb war ATV ebenfalls eine ernst zu nehmende Konkurrenz für JTV und Radiosender wie Rotana konnten sich erfolgreich im Feld etablieren. Ob diese erfolgreichen Neueintritte tatsächlich zu einem Wandel des Journalismus haben beitragen können, soll später ausführlicher erörtert werden.

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Darüber hinaus müssen akteursbezogene Ressourcenkonstellationen stärker in den Blick genommen werden. Dazu gehören vor allem die Berufserfahrung, die ethnisch-familiäre Herkunft sowie die Ausbildung. Die in der Theorie aufgezeigte Spannungslinie entlang unterschiedlicher Ausbildungen kann in der Beschreibung des jordanischen Feldes als nicht besonders schwerwiegend bewertet werden. Während der Dualismus redaktionsexterne und redaktionsinterne Ausbildung kein besonders verlässlicher Indikator für den Nachweis von differierenden Regelinterpretationen zu sein scheint, vermag die Differenz zwischen staatlicher und privater Ausbildung eher zu Unterschieden zu führen. Daneben ist es die Herkunft, die weitere Spannungslinien erwarten lässt. Die Herkunft zu unterteilen in Palästinenser und Jordanier beruht nicht auf dem Anliegen, eine ethnische Trennung vornehmen zu wollen, sondern vielmehr auf den durch die ethnische Herkunft ermöglichenden und restringierenden Ressourcen, d.h. für den Journalismus vor allem den Zugang zum Berufsfeld. Die Position in der institutionellen Hierarchie scheint vor allem mit Blick auf die unterschiedlichen Verantwortungen und Berufserfahrungen im Feld von Interesse. Ein Journalist in leitender Funktion übernimmt die Verantwortung für die Inhalte anderer und agiert in dieser Verantwortung möglicherweise zurückhaltender als der ausführende Journalist. Da der Aufstieg in leitenden Funktionen zumeist mit einer erhöhten Felderfahrung einhergeht, ist auch hier von einem Spannungsfeld in Bezug auf Wandelpotentiale zu rechnen, das allerdings in den meisten Fällen auch in der bereits eingeführten Ressource der Berufserfahrung aufgeht. Das Geschlecht scheint vor allem bei Fragen der Position innerhalb des Medienunternehmens und des Einkommens relevant. Analog zu den organisationsbezogenen Ressourcenkonstellationen hat sich das symbolische Kapital der Opposition im Gegensatz zur Loyalität zum Regime auch für akteursbezogene Ressourcen als wichtige Spannungslinie gezeigt. Als akteursbezogene Ressource zeigt sie sich in ihrer deutlichsten Form als Opposition in durchgefochtenen Gerichtsprozessen und durchlebten Gefängnisstrafen. Große Berufserfahrung, eine transjordanische Abstammung, ein männliches Geschlecht sowie ein universitärer Abschluss scheinen also eher eine dominante Position zu garantieren. Entsprechend ist das Frau-Sein, ein geringeres Alter, eine palästinensische Abstammung sowie das Fehlen eines Universitätsabschlusses häufiger dafür verantwortlich, dass die entsprechenden Akteure zur dominierten Gruppe gehören. Aufgrund dieser Machtkonstellationen lassen sich in der dominanten Gruppe symbolische Ressourcen einfacher erwerben. Meinungen publizieren zu dürfen, geht beispielsweise mit einer gehobenen Position einher, die in der Regel eher ältere Männer erlangen. Auch die Umwandlung von Strafverfolgung in die symbolische Ressource Opposition ist in der Regel Männern vorbehalten.

Resonanzen auf den normativen Referenzrahmen

Im theoretischen Rahmen habe ich ausgeführt, dass gezielte Normenänderungen wie die Verabschiedung neuer Gesetze oder journalistischer Kodizes nur dann tatsächlich zu einem Wandel im Journalismus führen können, wenn die Akteure, an die sich die Normen richten, auf diese veränderten Normen auch rekurrieren, sie bewerten und sie aktualisieren. Eine solche Rekursivität und Aktualisierung ist stark an spezifische Habitus der Akteure gebunden. Aus diesem Grund habe ich im vorausgehenden Kapitel beschrieben, wie sich Feld-spezifische Ressourcenkonstellationen auf die Position im Feld und somit auch auf die Bewertung von Normen auswirken können. Zugleich beeinflusst die Ressourcenkonstellation auch die Möglichkeiten der Akteure, ihre Normenbewertungen tatsächlich in Handlungen umzusetzen. Wie dieser Normenrekurs und die Normenbewertungen aussehen, habe ich bislang nicht dargelegt. Sie ist deshalb Inhalt des folgenden Kapitels. Aus der Theorie habe ich außerdem abgeleitet, dass der Rekurs auf den normativen Referenzrahmen von den Akteuren im Feld, Erfolgspotentiale von gezielten Transformationsstrategien anzeigen kann. Der Rekurs der Akteure verweist auf das Vorhandensein von Erwartungserwartungen aufseiten der Normenadressaten. Wie die unterschiedlichen Normen bewertet werden, gibt wiederum Anhaltspunkte für eine Akzeptanz oder Ablehnung der Normen in der journalistischen Praxis. Aus diesem Grund werde ich zunächst einen Überblick geben, auf welche Normen die Akteure im Feld rekurrieren und wie sie Normen, die durch die gezielten Transformationsversuche Widersprüche im normativen Referenzrahmen erzielt haben, bewerten. Das Ziel dieser Beschreibungen ist es, Abweichungen zwischen normativem Referenzrahmen und den Normen der Akteure auf Potentiale der Beharrung und des Wandels innerhalb des Feldes abzuklopfen. Wie sich diese Potentiale in verschiedenen Journalistentypen innerhalb des Feldes widerspiegeln und welche Aktualisierungspotentiale sie dadurch erhalten, wird schließlich Inhalt des rekonstruktiven, zusammenführenden Kapitels sein. Somit stellt die Beschreibung der Resonanzen gezielter Transformationsversuche im Feld neben den Ressourcenkonstel-

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lationen einen zweiten Hintergrund für die Rekonstruktion von Wandelpotentialen dar.

1. N ORMENREKURS : Z WISCHEN W AHRNEHMUNG UND I GNORANZ In den folgenden Ausführungen steht im Vordergrund, auf welche Normen des normativen Referenzrahmens die Akteure rekurrieren und auf welche nicht. Sie fußen auf meinen Interpretationen der offenen Teile der Journalisteninterviews und lassen aufgrund der freien Strukturierung der Befragten eine Bewertung hinsichtlich ihrer Relevanz zu. Um eine möglichst gute Vergleichbarkeit zur Analyse von Gesetzen und Kodizes herzustellen, erfolgte die Interpretation auch hier entlang der Strukturierungsdimensionen Freiheit, Verantwortung und Wahrheit. 1.1 Freiheit Als besonders eindrücklich habe ich die Veränderung des normativen Referenzrahmens durch Transformationsversuche für die Kategorie Unabhängigkeit als Garantie für Freiheit beschrieben. Die bis 1989 noch gar nicht kodifizierte Kategorie hat eine Ausdifferenzierung und quantitative Stärkung erfahren, die vor allem auf feldinterne Transformationsversuche zurückgeht und eine große Akzeptanz im Feld erwarten lässt. Die Betrachtung der Akteursrekurse bringt jedoch eine Ernüchterung, denn nur selten wird Unabhängigkeit als eine relevante Norm artikuliert. Als Unabhängigkeit von der Politik wird lediglich eine Unabhängigkeit von der Regierung gefordert, die aber auch nicht näher ausgeführt wird. Keiner der Befragten verweist beispielsweise auf die Trennung von Ämtern (politische und journalistische) oder eine Vermeidung von Interessenskonflikten aufgrund familiärer Beziehungen in der Politik. Normen, die einen potentiellen Interessenskonflikt hinsichtlich ökonomischer Belange formulieren könnten, werden von den Journalisten ebenfalls nicht genannt. Auch der Schutz vor ausländischer Einflussnahme erfährt keine Relevanz bei den Akteuren. Eine Unabhängigkeit von redaktionellen Einflussversuchen wird in seltenen Fällen als Norm explizit formuliert. Wenn, dann stehen die Verantwortung gegenüber den Quellen und die daraus abgeleitete Verteidigung des Quellenschutzes gegenüber dem Chefredakteur im Mittelpunkt. Dies korrespondiert mit dem eigentlichen Fokus in dieser Normenkategorie, der auf der Unabhängigkeit von den eigenen Quellen liegt. Diese Unabhängigkeit lässt sich vor allem als die Erwartung verstehen, dass Journalisten die Informationen ihrer Quellen kritisch prüfen und sich ein breites Netz an Informanten schaffen sollten. Die Annahme, die häufig hinter der zweiten Erwartung steht, ist die, dass ein Journalist

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einen umso besseren Zugang zu Informationen besitzt, je mehr Informanten er kennt. Dies ergibt sich aus der potentiell größeren Masse und höheren Variation an Informationen. Diese Erkenntnis verweist auf die am stärksten rekurrierte Kategorie innerhalb der Protonorm Freiheit: die Forderung nach freiem Informationszugang. Für diese Kategorie habe ich ausgeführt, dass die gezielten Transformationsversuche einerseits zu einer Stärkung und Ausdifferenzierung der Kategorie beigetragen haben. Andererseits haben die königlichen Transformationsstrategien aber auch die Kategorie der Kontrolle des Informationsflusses sowie die Formulierung von Bedingungen an dessen Garantie bestärkt und sogar ausgeweitet. Für die Akteure im Feld sind die Normen der Garantie bedeutsam, was mit einer generellen Ablehnung von deren Beschränkung einhergeht. Die Forderung betrifft in erster Linie den Informationszugang zu Regierungsinformationen. Doch in vielen Fällen wird sie auch auf Informationen ausgeweitet, die das Königshaus betreffen – vorausgesetzt sie beziehen sich nicht auf die Privatsphäre des Königs und seiner Familie (s. Resonanzen auf Stimulus Königliche Langeweile). Der Schutz der Privatsphäre für Quellen und Berichterstattungsobjekte markiert generell die Grenze der Forderung nach freiem Informationszugang. Die Norm des JPA-Gesetzes, die den Zugang zu Pressekonferenzen mit Presseausweis garantiert, lehnen die Journalisten ab. Angesichts der mittlerweile hohen Zahl an Journalisten, die keine JPA-Mitglieder sind und entsprechend offiziell keinen Presseausweis ausgestellt bekommen, wird diese Norm eher als Freiheit beschränkend denn als garantierend wahrgenommen. Die Normen der freien Informationsverbreitung werden nicht explizit geäußert, schwingen implizit aber stark mit, wenn es etwa um die Abwägung der Publizierbarkeit bestimmter Themen geht. In vielen Fällen kollidiert die Antizipation der Reaktion ihrer Vorgesetzten, der Regierung oder des Königshauses mit den eigenen Vorstellungen von dem, was verbreitet werden darf und soll. In solchen Fällen tritt der Widerspruch gegen die Kontrolle der Informationsverbreitung durch inhaltliche Restriktionen zutage. Die Befürwortung von beschränkter Informationsverbreitung bezieht sich auf die jeweiligen Bereiche, denen gegenüber eine besondere Verantwortung empfunden wird wie etwa der nationalen Sicherheit, dem Schutz der Ehre von Berichterstattungsobjekten, den auswärtigen Beziehungen etc. Auch die Garantie des freien Informationsflusses durch ein Veröffentlichungsrecht von Bildern mit öffentlichen Szenen findet nur begrenzt Anklang. Während Beschränkungen der Informationsverbreitung nur implizit unterstützt werden, sprechen sich die meisten Journalisten explizit für Bedingungen der Garantie der Pressefreiheit aus. Zwar ist der Rekurs auf eine Garantie der individuellen Meinungsfreiheit stark, doch erfolgt er mit Bezug auf die institutionelle Medienfreiheit zumeist als bedingte Freiheit. Die häufigste Bedingung, die Journalisten an eine Garantie der Medienfreiheit stellen, ist eine »professionelle« Berichterstattung. Dabei unterscheidet sich stark, was unter professionell verstanden wird. Einige wollen die Pressefreiheit nur für solche Journalisten garantiert sehen, die ausgewogen,

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andere für solche, die (politisch) gemäßigt berichten. Eine weitere wichtige Bedingung für die Garantie von Pressefreiheit und den freien Informationsfluss sehen einige in der vorherigen Bestätigung von Informationen oder in der akkuraten Wiedergabe von Informationen. Die beiden Transformationsversuche durch das JPAGesetz und das PPL, die Berufsausübung nur für professionell Qualifizierte zu garantieren, scheinen folglich auf großen Anklang im Feld zu stoßen. Interessant an dieser Beobachtung ist, dass alle Bedingungen auf Normen der Wahrheit verweisen, weshalb der Blick auf die Wahrheitsnormen eine besondere Bedeutung für die Betrachtung von Medienfreiheit im Feld erhält. Insgesamt verweist die Relevanzstruktur der Akteure hinsichtlich des Rekurses auf die Normen der Protonorm Freiheit eher in Richtung einer »verantwortungsvollen Freiheit«, wie sie vom Regime immer wieder gefordert wurde. Dies lässt insgesamt ein eher geringes Wandelpotential hinsichtlich der Freiheitsnorm und eine große Bedeutung von Normen der Verantwortung erwarten. 1.2 Verantwortung Innerhalb der Protonorm Verantwortung spielt die Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem Verantwortungsgefühl gegenüber dem politischen System und dem gegenüber den Bürgern die wichtigste Rolle. Dies korrespondiert mit den Ergebnissen aus der Untersuchung der gezielten Transformationsstrategien, die gezeigt hat, dass die Bedeutung der Verantwortung gegenüber dem politischen System seit 1989 weniger bestärkt wurde als die gegenüber den Bürgern und somit heute eine – in Differenziertheit und Quantität – annähernd gleiche Bedeutung besitzt. Eine solch eindeutige Tendenz lässt sich für die Relevanzstruktur der Akteure im Feld nicht ausmachen. Die Verantwortung gegenüber dem politischen System scheint bei den Akteuren immer noch bedeutsam zu sein. Allerdings muss man differenzieren zwischen den einzelnen Unterkategorien der Verantwortung gegenüber dem politischen System. Die Verantwortung gegenüber der Regierung als politischer Institution schätzen Journalisten in den meisten Journalistenmilieus sehr gering, was sich zum einen in Form eines expliziten Widerspruchs zu den Normen in Gesetzen und Kodizes äußert und zum anderen in impliziter Form als Diskrepanz zwischen dem eigenen Verantwortungsempfinden und dem in den Medienorganisationen praktizierten. Diese Erkenntnis korrespondiert mit einer der dominierenden Normen der Protonorm Freiheit, nämlich der Freiheit, die Regierung zu kritisieren. Diese Freiheitsforderung wird jedoch durch weitere Normen, die eine Verantwortung gegenüber dem Königshaus und dem politischen System als Monarchie erwarten, relativiert. Während die Akzeptanz einer besonderen Verantwortung für den Erhalt des politischen Systems groß ist, besteht für die Verantwortung gegenüber dem Königshaus innerhalb des Feldes große Uneinigkeit. Diese entzündet sich vor allem an den

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Normen in Gesetzen und Kodizes, die eine Sonderrolle des Königs unterstreichen. Für einen Teil der Journalisten geht die Verantwortung gegenüber dem Königshaus über die Forderung von Gesetzen und Kodizes nach Loyalität und Respekt des positiven Images hinaus. Sie fordern nicht nur, dass Königshaus betreffende Informationen bestätigt werden müssen, sondern dass Informationen über das Königshaus nur von dort selbst kommen dürfen. An genau dieser Norm stoßen sich jedoch auch Teile der Journalistenschaft und sähen für das Königshaus lieber dieselben Normen wie für die Regierung. Hier zeigt sich einmal deutlich die Forderung nach einer Rechenschaftspflicht aller politischen Akteure gegenüber der Öffentlichkeit und den Medien. Relevant für die Akteure im Feld sind zudem die Verantwortungsbereiche nationale Sicherheit und Außenbeziehungen, wie sich auch in der Reaktion auf das Stimulusmaterial Thronfolger zeigt. Die schwierigen Beziehungen zu Syrien sollen nicht auf die Probe gestellt werden, da, so eine Journalistin, in Syrien noch einige hundert jordanische Staatsbürger im Gefängnis sitzen. Allerdings gibt es durchaus auch Stimmen im Feld, die Verantwortung gegenüber der nationalen Sicherheit und den Außenbeziehungen nicht als bedeutsam erachten. In Verbindung mit den beiden Verantwortungsbereichen steht eine Norm, die in Gesetzen und Kodizes an keiner Stelle expliziert wird: die besondere Verantwortung gegenüber Palästina. Sie lässt sich bei allen Akteuren erkennen, tritt bei einigen aber so deutlich in den Vordergrund, dass sich die meisten anderen Normen dieser Verantwortung unterordnen müssen. Dies zeigt sich besonders deutlich in der Reaktion auf Opferbilder: Die Würde von Toten und Verletzten sowie die Verantwortung gegenüber Angehörigen der Opfer muss hinter der Verantwortung für »die palästinensische Sache« zurückstehen. Die Verantwortung für die Außenbeziehung wird hier in besonders starker Form – wenn wohl auch nicht im Sinne der Regime-initiierten Transformationsversuche – empfunden. Ein Verantwortungsbereich, der von den Journalisten gar nicht berücksichtigt wird, ist die Justiz. Einmal abgesehen von der Akzeptanz, die Gesetze zu achten, kann dieser Bereich nicht auf ein besonders großes Verantwortungsempfinden der Journalisten setzen. Dies deutet darauf hin, dass die Transformationsversuche in diesem Bereich keine besonders starke Unterstützung erhalten und bestätigt die Diskrepanz zwischen feldinternen Transformationsversuchen und denen, bei denen das Regime mitwirkt. Die Unterkategorien Verantwortung gegenüber dem politischen System und gegenüber den Bürgern treten am deutlichsten in Konkurrenz, wenn es um die Verantwortung gegenüber einem öffentlichen Interesse geht. Ein solches öffentliches Interesse ist im normativen Referenzrahmen als Verpflichtung und als Garantie formuliert, wobei die Garantie eine Norm ist, die erst seit 1989 vor allem durch Kodizes expliziert wurde. Diese Entwicklung wird von allen Journalisten unterstützt, denn das öffentliche Interesse zu vertreten, ist in ihren Augen nicht nur Teil ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung, sondern auch eine Garantie für ihre Freiheit, die Regierung zu kritisieren. Das Verantwortungsempfinden gegenüber den Bürgern

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kann demnach auch als Schutz gegenüber Eingriffen von außen gesehen werden. Die Verantwortung gegenüber den Bürgern als Publikum steht aber auch in enger Verbindung mit einer Verantwortung gegenüber der eigenen Medienorganisation, deren ökonomisches Überleben gewährleistet werden muss. Nicht alle Journalisten rekurrieren in dieser Weise auf die Verantwortung gegenüber den Bürgern, sie scheint aber eine größere Bedeutung zu gewinnen. Mit dieser Perspektive geht oft eine Fokussierung auf eine verständliche und ansprechende Darstellung von Inhalten einher, die ein Halten oder ein Ausweiten des Publikums ermöglicht. Dieses Verantwortungsempfinden wird von vielen Journalisten als »Schutzmechanismus« erwähnt. Mit dem Verweis darauf, dass das Publikum ein Thema oder eine bestimmte Darstellung so wolle, lassen sich die eigenen Vorstellungen von Meinungsfreiheit besser durchsetzen. Hier scheint ein Widerstand gegen eine Verantwortung gegenüber der eigenen Medienorganisation auf, die in dieser Form nicht kodifiziert ist. Es handelt sich offensichtlich um dominante, aber nicht explizierte Normen des Feldes. Ob ein solcher Widerstand aber tatsächlich zu einer Emanzipation von Regimeeinflüssen und/oder der eigenen Medienorganisation beiträgt, hängt entscheidend davon ab, welche Vorstellung vom Publikum die Journalisten haben. Haben sie ein konservatives Publikum vor Augen, so bewerten sie etwa Fragen der Tradition und gesellschaftlichen Moral anders als diejenigen, die ein liberales als Zielgruppe im Kopf haben. Das Stimulusmaterial Olmerts Prostata etwa spaltet die Journalistenschaft in diejenigen, die eine Verantwortung gegenüber der gesellschaftlichen Moral empfinden und aufgrund der sexuellen Symbolik die Karikatur nicht veröffentlichen würden. Daneben stehen diejenigen, die ein liberales Publikum vor Augen haben, dem sexuelle Anspielungen egal sind. Eine Kategorie der Protonorm Verantwortung, die für die Akteure im Feld eine große Bedeutung hat, die sich im normativen Referenzrahmen nicht in gleicher Form widerspiegelt, ist die Verantwortung gegenüber den Quellen. Die Akteure weisen eine deutlich differenziertere Normenstruktur für diese Kategorie auf, als es der normative Referenzrahmen tut. Diese Verantwortung steht bei vielen Journalisten an erster Stelle, wenn es um die Benennung von Prinzipien im Journalismus geht. So wird erwartet, dass Journalisten ihre Quellen immer um Erlaubnis bitten, bevor sie deren Namen nennen. Diese Norm geht soweit, dass Journalisten davon berichten, dass sie selbst die Namen von Studenten, die ihre Meinung zu einem neuen Studienfach abgeben sollen, nicht veröffentlichen, weil sie darum gebeten wurden. Ein vertrauensvoller und ehrlicher Umgang mit Quellen wird zumindest für Nicht-Regierungsmitglieder von allen Journalisten unterstützt. Dies schließt in der Regel den Quellenschutz als dominante Norm ein. Die Verantwortung gegenüber den Quellen erhält aus verschiedenen Gründen eine große Relevanz: Sie wird als Voraussetzung für den Aufbau eines Informationsnetzwerkes betrachtet, das angesichts eines schwierigen Informationszugang zu offiziellen Quellen und Informationen eine besonders wichtige Ressource für die journalistische Praxis darstellt.

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Diese besondere Bedeutung der Quellen kann die Normen der Quellenverantwortung in Konflikt mit Unabhängigkeitsnormen bringen, dann nämlich, wenn eine allzu große Verantwortung gegenüber den Quellen verhindert, dass Informationen überhaupt oder zumindest nachvollziehbar veröffentlicht werden, eine Prüfung der Quellen unterbleibt oder die Höhe des persönlichen Vertrauens in eine Quelle die gesellschaftliche Relevanz ihrer Informationen dominiert. Das hohe Vertrauensbekenntnis für die journalistischen Quellen lässt sich außerdem als eine Reaktion auf den beschränkten Informationszugang interpretieren, auch wenn nicht alle Journalisten eine direkte Verbindung ziehen. Doch selbst diejenigen, die durch ihr gutes Netzwerk angeblich ausreichend informiert sind, erwähnen die Verantwortung gegenüber den Quellen im Kontext des – in ihren Augen überzogenen – Problems des Informationszugangs. Die starke Fokussierung auf die Verantwortung gegenüber den Quellen lässt sich auch dahingehend interpretieren, dass es sich um einen Verantwortungsbereich handelt, der konstitutiv für jede Art von Journalismus ist. In einem autokratischen Regime, in dem keine unabhängige Umfrageforschung existiert, in dem die Meinungsäußerung in der Öffentlichkeit zumindest ein gewisses Maß an Gefahr für die persönliche Freiheit in sich birgt, in dem das Recht auf Informationsfreiheit nur unzureichend gewährleistet ist, stellen Quellen ein wichtige Ressource für die journalistische Unabhängigkeit vom Regime dar. Aus diesem Grund lässt sich die hohe Verantwortung gegenüber den eigenen Quellen zumindest teilweise auch als Verweis auf die Bedeutung einer Unabhängigkeit vom Regime interpretieren, die in direkter Weise kaum geäußert wird. Sie klingt jedoch explizit dann an, wenn ein »kritischer Umgang mit Quellen« gefordert wird. Ein weiterer Verantwortungsbereich, der in der Natur journalistischer Arbeit liegt, ist der Umgang mit den Personen der Berichterstattung. Dieser Bereich ist mit den gezielten Transformationsversuchen nach 1989 stärker in den Fokus gerückt und hat sich deutlich ausdifferenziert. An dieser Ausdifferenzierung waren alle Typen von Transformationsstrategien beteiligt. Daraus könnte man schließen, dass die Normen auf große Akzeptanz bei den Akteuren stoßen. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Die Akteure des Feldes sind darin gespalten, welche Bedeutung sie der Verantwortung gegenüber den Berichterstattungsobjekten beimessen wollen. Während ein Teil der Journalistenschaft eine zu hohe Verantwortung als Einfallstor für Freiheitsbeschränkungen betrachtet, sieht ein anderer Teil die Verantwortung als gesellschaftliche und individuell-moralische Basis ihres Handelns. Erstere verweisen auf Beispiele, in denen Berichterstattungsobjekte Druck ausübten, um eine Veröffentlichung in ihren Augen negativer Informationen zu unterbinden. Entsprechend erwähnen diejenigen, die eine Stärkung der Verantwortung verhindern wollen, die Verantwortung gegenüber Berichterstattungsobjekten bei der Frage nach den wichtigsten journalistischen Prinzipien nicht. Diejenigen, die eine Stärkung wollen, verweisen auf Beispiele, in denen ihrer Ansicht nach das Ansehen von Personen geschädigt wurde, weil Journalisten ihre Verantwortung vernachlässigten.

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Für sie wiederum nimmt die Verantwortung gegenüber den Berichterstattungsobjekten – vor allem in Form eines Ehrschutzes – eine hohe Bedeutung ein. Besonders deutlich werden die Diskrepanzen im Feld am Beispiel der anonymisierten Gesichter (s. IV. Resonanzen, 2). An der grundsätzlichen Forderung nach Anonymisierung scheiden sich offenbar die Geister. Zu den eher untergeordneten Verantwortungsbereichen gehört interessanterweise auch die Profession. Auf die beiden Unterkategorien Verantwortung gegenüber professionellen Regeln und gegenüber dem geistigen Eigentum der Kollegen verweisen die Akteure gar nicht oder nur implizit. Einzig die Forderung nach kooperativem Verhalten und der Wahrung von Unabhängigkeit werden geäußert. Dabei steht entweder die Forderung nach einer größeren Solidarität unter den Kollegen im Fokus etwa durch Informationsaustausch oder die Forderung nach mehr Mut zum Widerstand. Der Widerstand bezieht sich auf die Forderung nach einer Emanzipation von Regierungseinflüssen und damit vor allem auf eine Forderung nach Solidarität für diejenigen Kollegen, die den Mut zum Widerstand aufbringen. Die Forderung nach mehr Unabhängigkeit der Profession stellt also in erster Linie eine Forderung nach mehr Unabhängigkeit von der Regierung dar. Im Kontext einer Forderung nach »Professionalisierung« wird zudem die Forderung nach einer Qualitätssteigerung des journalistischen Outputs aufgestellt. Da diese Qualitätssteigerung jedoch nicht ausschließlich als Aufgabe der Profession gesehen wird, kommt dieser Forderung eine ambivalente Rolle zu. Sie wendet sich zwar einerseits an mehr Qualitätssicherung innerhalb der Redaktionen, doch insbesondere die Qualitätssteigerung durch eine Veränderung der Rahmenbedingungen rekurriert eher auf eine ›Indie-Pflichtnahme‹ des Regimes beispielsweise durch verbesserte ökonomische Rahmenbedingungen, die Journalisten die Möglichkeit zu unabhängigerem Arbeiten bieten soll. Eine Norm, die in den Texten nicht auftaucht, für einen Teil der Journalisten aber eine Relevanz besitzt, ist die Verantwortung gegenüber sich selbst. Es wird erwartet, dass Journalisten sich der Folgen ihres Tuns bewusst sind und sich nicht selbst in Gefahr bringen. Diese Norm steht in gewissem Widerspruch zu der Forderung nach mehr Mut. Sie wird deshalb auch eher von denjenigen explizit geäußert, die sich selbst bereits zu den ›Mutigen‹ zählen. Implizit kommt diese Norm jedoch auch bei anderen zum Ausdruck, wenn etwa das Publizieren eines gewissen Beitrags abgelehnt wird, weil die Veröffentlichung zum Freiheitsentzug oder zur Entlassung führen könnte. Auf die beiden Verantwortungsbereiche Wirtschaft und Göttliche Instanz, die von Regime-kontrollierten und königlichen Transformationsversuchen bestärkt und ausgeweitet wurden, rekurrieren die Journalisten im Feld gar nicht. Eine Verantwortung gegenüber der Wirtschaft wird tatsächlich in keinem Fall formuliert oder implizit angedeutet. Auch eine herausgehobene Verantwortung gegenüber Gott oder einem Propheten wird nicht erwähnt. Auf eine Verantwortung gegenüber Reli-

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gionen und ihren Praktiken verweisen einige Akteure dennoch. Dann allerdings im Zusammenhang mit einer Verantwortung gegenüber religiösen Mitgliedern der Gesellschaft, gegenüber (religiösen) Tradition oder im Kontext der Wahrung des gesellschaftlichen Friedens. 1.3 Wahrheit Der Rekurs auf die Normen der Protonorm Wahrheit unterscheidet sich stark von Fall zu Fall. Eine Dominanz bestimmter Normen lässt sich kaum ausmachen. Diese Erkenntnis weist bereits auf ein wichtiges Ergebnis für die Bestimmung von Wandelpotentialen im Journalismus Jordaniens hin: Die gezielten Transformationsversuche, vor allem seit 1999, haben die Protonorm Wahrheit stark verändert. Dies spiegelt sich offensichtlich im Feld in einem Nebeneinander verschiedener Relevanzstrukturen der Akteure wider. Darunter finden sich solche, die die ›alten‹ Normen der Wahrheit als besonders relevant erachten, nämlich die Forderung nach unbedingter Bestätigung von Informationen durch offizielle, d.h. staatliche Quellen. Mit der Unterstützung dieser vor allem im Strafgesetz kodifizierten Norm geht zumeist auch die Erwartung einher, dass Journalisten nur ›wahre‹ Informationen publizieren sollten. Wie ich bereits in der Textanalyse dargelegt habe, impliziert dieser Normenrekurs die Existenz einer klaren Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Information, die durch Bestätigung von offizieller Stelle definiert wird. Wenn Journalisten diesen Teil des normativen Referenzrahmens akzeptieren, bestätigen sie zumeist auch die Vorstellung, dass übertriebene Darstellungen als Falschinformationen gelten müssen. Diese Vorstellung bringen sie als Forderung nach »aufrichtiger« oder »gemäßigter« Berichterstattung zum Ausdruck. Die Forderung Sensationalisierung zu unterlassen, weil sie die Realität zu sehr vereinfache, die Persönlichkeit verletze oder einer ökonomische Logik folge, wird aus dem Feld heraus nicht formuliert. Angeregt durch die Diskussion der Stimulusmaterialien Olmerts Prostata und Königliche Langeweile (s. IV. Resonanzen, 2) kommen sie dann doch vor. Der Rekurs auf die ›alten‹ Normen von Wahrheit wird in den meisten Fällen ergänzt durch weitere, sodass nur in Ausnahmefällen von einem strikten Beharren auf Belegbarkeit auszugehen ist. An erster Stelle ist hier die Forderung nach Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt zu nennen, die in gewisser Weise mit der aufrichtigen und gemäßigten Berichterstattung korrespondiert, zum Teil aber auch in Richtung Neutralität tendiert. Dann etwa, wenn Journalisten fordern, eine Parteinahme bei der Berichterstattung zu unterlassen. Allerdings zeigt sich hier auch, dass – analog zu den Ergebnissen der Kategorie Freiheit durch Unabhängigkeit – ein Rekurs auf Normen, die eine ökonomische Einflussnahme begrenzen sollen, ausbleibt. So werden weder der Verzicht auf den Einsatz von Geldmitteln oder auf eigene politische Aktivitäten, noch die Ablehnung von Geschenken als wünschens-

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werte Normen für eine neutrale Berichterstattung erwähnt. Erst in der Diskussion des Stimulusmaterials Wahlwerbung (s. IV. Resonanzen, 2) kommen diese Normen bei einigen Befragten zur Sprache. Während bei einem Teil der Akteure Belegbarkeit als Bestätigung durch Regierungsvertreter oder staatliche Institutionen dominiert, betrachten andere Belegbarkeit als Absicherung ihrer Rechercheergebnisse. In diesem etwas anderen Rekurs auf die Normen der Belegbarkeit offenbart sich ein vollkommen anderes Konzept von Wahrheit, das die eigenständige Recherche viel stärker in den Vordergrund stellt. Mit einem solchen Konzept gehen Normen einher, die etwa das Sammeln von Hintergrundinformationen oder die Formulierung von Analysen fordern. Zumeist rekurrieren Akteure, die einen solchen Fokus der Protonorm Wahrheit vertreten, auch stärker auf Normen, die der Kategorie Richtigstellung zuzuordnen sind. Recherche wird als Mittel der Wahrheitssuche betrachtete, zu deren Erfolg Feedback, Kritik und Interaktion mit dem Publikum und der Gesellschaft notwendig ist. Aus einem solchen Verständnis heraus beziehen sich Journalisten dann auch auf Normen wie etwa die Verpflichtung zur Korrektur oder den Dialog mit dem Publikum oder das Recht auf Gegendarstellung. Eine solche Relevanzstruktur befördert auch Normen der Ausgewogenheit, die jedoch eher in Richtung Darstellung verschiedener gesellschaftlicher Meinungen als Garantie für Pluralismus abzielt als auf eine vom politischen Feld dominierte Regierungs-Oppositionsdarstellung. Die Normen der Transparenz betrachten nur wenige Akteure als bedeutsam. Zwar rekurrieren die Journalisten in der Diskussion um den Stimulus Wahlwerbung auf diese Kategorie, aber lediglich mit der Norm der Trennung von Werbematerial und redaktionellem Material. Die Diskussion um die anonymisierten Gesichter wird eindeutig durch die Verantwortung gegenüber den Berichterstattungsobjekten oder ästhetische Normen dominiert, nicht aber durch die Frage nach einer Transparenz. In dieser Kategorie von Wahrheit zeigt sich eine Diskrepanz zwischen gezielten Transformationsversuchen, vor allem der Ethikkodizes und der Resonanz im Feld. In den meisten anderen Kategorien hingegen scheint eine Kongruenz zwischen den Interessen der gezielten Transformationsversuche und den Akteuren im Feld zu existieren. Aus diesem Grund lässt sich bereits hier konstatieren, dass Normen im Bereich der Protonorm Wahrheit derzeit auf ein großes Wandelpotential hoffen können. Da mit den Normen der Wahrheit auch häufig Normen der Freiheit verbunden sind, scheint die Protonorm Wahrheit eine Schlüsselnorm für den Wandel im Journalismus insgesamt einzunehmen.

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2. N ORMENBEWERTUNG : Z WISCHEN Z USTIMMUNG UND ABLEHNUNG Die Relevanzstrukturen der Akteure im Feld scheinen nicht immer in Kongruenz mit der von feldinternen Transformationsakteuren zu stehen wie die Auswertung der Rekursivität gezeigt hat. Wie es um die Bewertung ausgewählter Normen steht, soll im folgenden Abschnitt nachgezeichnet werden. Im Methodenteil des Buches habe ich dargelegt, dass die Stimulusmaterialien, die ich mit den Befragten diskutierte, darauf abzielen sollten, Bewertungsmuster anhand von Beispielen aus der jordanischen, journalistischen Praxis zu generieren. Das Stimulusmaterial wählte ich so aus, dass es die aus der Normenanalyse abgeleiteten Spannungslinien innerhalb des normativen Referenzrahmens repräsentieren konnte. Die Materialien, die ich einsetzte, beziehen sich alle auf den jordanischen und/oder regionalen Kontext. Mit Ausnahme eines Bildes und einer Meldung sind sie alle das Ergebnis jordanischer journalistischer Arbeit. Das Stimulusmaterial sollte somit als Initiierung eines Themas1 aus dem konkreten journalistischen Feld dienen, das die Journalisten bewerten konnten. Das Material und seine Themen werde ich nun zunächst beschreiben, um anschließend die Bewertungen darzustellen.2 In der Auswertung unterschied ich zwischen drei generellen Reaktionen: • ZUSTIMMUNG umfasste all jene Reaktionen auf das Stimulusmaterial, die es und

die damit angesprochenen Normen uneingeschränkt akzeptierten. Die Reaktionen enthalten keine Unterscheidung zwischen dem, was die Akteure persönlich als unterstützenswert und dem, was sie als realisierbar betrachten. • ABLEHNUNG umfasst all jene Reaktionen auf das Stimulusmaterial, die es und die damit angesprochenen Normen uneingeschränkt ablehnen. Diese Reaktionen enthalten ebenfalls keine Unterscheidung zwischen dem, was sie persönlich und dem, was sie als Journalisten im konkreten jordanischen Feldkontext als ablehnenswert erachten. • AMBIVALENZ unterscheidet sich von den zwei zuvor genannten darin, dass die Reaktionen eine strikte Trennung zwischen dem enthalten, was für sie akzeptabel und dem, was realisierbar ist.

1

Bohnsack weist darauf hin, dass Forscher Themen vorschlagen, nicht aber deren Bearbeitungsrichtung oder -art vorgeben sollten (vgl. Bohnsack 2003: 380).

2

Um die Anonymität meiner Gesprächspartner zu wahren, verwende ich im Folgenden Kürzel für die Interviewpartner, z.B. Af07. Dabei steht A für Akteur, m für maskulin bzw. f für feminin und die Zahl für eine von mir vergebene Zufallsbenennung.

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2.1 Wahlen Die Karikatur Wahlen war im Vorfeld der Parlamentswahlen 2007 in einer jordanischen Zeitung abgedruckt worden. Sie zeigt in Anlehnung an das Fresko »Erschaffung des Menschen« von Michelangelo zwei Hände. Die eine hält eine jordanische Identitätskarte, die sie der anderen Hand reicht. Die Überschrift lautet übersetzt: »Die Wahlen!« Abbildung 7: Stimulusmaterial Wahlen

Quelle: Imad Hajjaj

Die Karikatur spielt auf den Austausch von ID-Karten gegen Geld oder Sachwerte an, der im Vorfeld der Wahlen als eine der häufigsten Formen des Stimmenkaufs identifiziert worden war. Die Regierung hatte lange die Augen vor der Praxis des Stimmenkaufs verschlossen und damit Kritik auf sich gezogen. Als die ersten Nachrichten über diese Praxis in jordanischen Medien laut wurden, beschuldigten einige Politiker die Medien der Verbreitung von Gerüchten. Gleichzeitig beteuerte die Regierung, Wahlfälschung rechtlich zu verfolgen. Im Verlauf des Wahlkampfes wurden immer mehr Fälle des Stimmenkaufs und der Manipulation öffentlich. Die Karikatur ermöglichte somit die Diskussion verschiedener Themen: die umstrittene Praxis der Wahlmanipulation selbst, die persönliche Einschätzung der Darstellung wie auch die Veröffentlichungswürdigkeit. Das Material berührt außerdem die Fragen: Wiegt die Verantwortung gegenüber der Regierung und der Wahlkommission

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größer als die Verantwortung gegenüber dem öffentlichen Interesse? Welche Rolle spielt dabei die Norm der Wahrheit? Akzeptieren Journalisten die Veröffentlichung auch ohne offizielle Bestätigung vonseiten der Regierung? Die Karikatur ruft eindeutige Reaktionen hervor. Alle Journalisten betrachten das Thema Wahlbetrug, das in der Karikatur zur Sprache kommt, als bedeutsam und veröffentlichungswürdig. Die Journalisten sind sich auch einig darüber, dass eine Veröffentlichung aus politischen Gründen kein Problem darstellt. Eine Abwägung der Pressefreiheit mit einer Verantwortung gegenüber dem politischen System findet folglich nicht statt. Die Verantwortung gegenüber dem öffentlichen Interesse wird herangezogen, um eine Veröffentlichung einzufordern. Im Falle einiger reflexhafter Zustimmungen geht es zudem um eine ›Anti-Regime‹- oder eine ›Absolute-Freiheit‹-Entscheidung. Alles, was sich gegen das Regime richtet, muss publiziert werden und eine Einschränkung der Pressefreiheit darf es nicht geben. Dahingegen argumentieren diejenigen, die reflektiert auf das Stimulusmaterial reagieren, mit dem Wahrheitsgehalt der Aussage. Es gibt Belege für die Praxis des Stimmenkaufs und damit ist der Aussageinhalt der Karikatur nicht nur wahr, sondern hat auch eindeutig ein Recht auf Publikation. Dies wird grundsätzlich auch von den Ablehnenden akzeptiert. Doch wiegt für sie ein anderer Aspekt stärker: Die Karikatur enthalte keine klare Aussage, da in der zweiten Hand das Geld fehle. Sie sei fehlerhaft und deshalb nicht publizierbar. In dieser Reaktion überwiegt ein Entscheidungsmuster, das sich an Korrektheit und Eindeutigkeit orientiert. Die gesellschaftliche Bedeutung des Themas tritt hinter die professionelle Forderung nach korrekter Darstellung im Sinne der Sorgfalt zurück. Sie wird aber auch in Verbindung mit einer Verantwortung gegenüber den Bürgern bzw. den Mediennutzern gebracht: Die Nutzer sollen nicht mit einer verwirrenden Karikatur konfrontiert werden, deren Aussage nicht klar ist. Die Gewissheit der Publizierbarkeit scheint den Weg frei zu machen für andere Entscheidungsmuster, deren Fokus nicht auf der Beschränkung oder Gewährung von Freiheiten liegt. Diese Diskrepanz zeigt sich vor allem im Vergleich zu anderen Stimulusmaterialien, deren Publizierbarkeit die Journalisten nicht so eindeutig einschätzen. 2.2 Thronfolger Die Karikatur Thronfolger zeigt ein Baby in einem Kinderstuhl auf einem thronähnlichen Stuhl. Die Überschrift lautet: »Es leben die Führer!« Die Lehne des Stuhls trägt die Aufschrift: »Mein Sohn … mein Kind … mein Nachkomme! Freiheit … Sozialismus … Brüderlichkeit … Demokratie … Allah ist groß … ein besseres Leben!« Die Karikatur stammt vom 16. Juni 2000, also wenige Tage nachdem, Bashar Al-Assad am 10. Juni 2000 die Präsidentenmacht von seinem Vater übernommen hatte. Die syrische Armeemütze und die dunkle Sonnenbrille weisen direkt auf den neuen Präsidenten und somit auf den Machtwechsel in Syrien hin. Wenige Monate

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zuvor waren jedoch in Jordanien König Abdallah II. und in Marokko König Mohammed VI. ihren Vätern auf den Königsthron gefolgt. Abbildung 8: Stimulusmaterial Thronfolger

Quelle: Imad Hajjaj

Aus diesem Grund ist die Karikatur nicht nur im Kontext der syrischen Machtübernahme zu betrachten, sondern auch im Kontext des jordanischen politischen Systems als Erbfolgemonarchie. Diese Interpretation wird im Bild in den verschiedenen Kopfbedeckungen zum Ausdruck gebracht: die Krone, die kufiya (Kopftuch arabischer Männer) und die Armeemütze. Deshalb kann die Karikatur nicht nur als Kritik an dem (unbeliebten) Nachbarn Syrien, sondern auch am jordanischen System interpretiert werden. Die Diskussion über diese Karikatur zielte deshalb darauf ab auszuloten, ob die Verantwortung gegenüber dem Königshaus und dem politischen System mit einer kritischen Auseinandersetzung der fehlenden Legitimation von Herrschaft kollidiert. Wie weit tragen Normen der Unabhängigkeit, wenn sie gegen stark sanktionierte Normen der Verantwortung gegenüber dem politischen System bestehen müssen? Stellt die Norm der Verantwortung gegenüber arabischen Nachbarstaaten eine Auslaufnorm dar? Wie steht es um die Benennung von Fakten als Ausdruck der Wahrheitskommunikation? Der Stimulus Thronfolger unterscheidet sich von den anderen Stimulusmaterialien darin, dass die Karikatur in Jordanien bislang nicht veröffentlicht wurde. Der Karikaturist Imad Hajjaj gruppiert sie auf seiner Website unter die Kategorie »zen-

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sierte Karikaturen« ein, wobei nicht deutlich wird, durch wen die Zensur erfolgt.3 Ein Teil der Journalisten legt selbst eine ›Zensur‹ an, entweder in Form einer reflexhaften Ablehnung aufgrund der »roten Linie« Königshaus oder aufgrund der eigenen Überzeugung, dass die Karikatur dem nationalen Interesse schade. Eine reflexhafte Ablehnung der Karikatur erfolgt aufgrund der Kritik an der jordanischen Monarchie. Dabei wird deutlich, dass die Forderung nach einem anderen politischen System keinen Vorrang hat und somit keine Bereitschaft vorhanden ist, für eine solche Forderung negative Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Es erfolgt keine Abwägung zwischen Verantwortungsbereichen und Freiheiten, was darauf schließen lässt, dass eine Beschränkung der Freiheit nicht wahrgenommen wird. Die reflektierte Ablehnung aufgrund nationaler Interessen bezieht das jordanische System gar nicht erst mit ein. Für die Journalisten, die dieses Entscheidungsmuster aufweisen, ist eine Systemkritik offensichtlich undenkbar. Die Mehrdeutigkeit der Karikatur wird übersehen. Stattdessen beziehen sie die Kritik lediglich auf den ›problematischen‹ Nachbarn Syrien. Um die verbleibenden Jordanier in syrischen Gefängnissen nicht zu gefährden, solle man es sich mit Syrien durch solche Kritik nicht verprellen, heißt es in der Diskussion in Al-Ghad. Hier wird also eine Beschränkung der Pressefreiheit für die Wahrung der Verantwortung gegenüber den nationalen Interessen akzeptiert. Auch die Kommunikation der ›Wahrheit‹ muss hinter den nationalen Interessen zurückstecken. Die Zustimmung zur Karikatur Thronfolger basiert auf zwei unterschiedlichen Entscheidungsmustern. Während die einen – auch bei anderen Fragen – eine reflexhafte Zustimmung zu allem bekunden, was gegen das Regime gerichtet ist, besteht bei den anderen eine reflexhafte Verteidigung der Pressefreiheit. Die reflexhafte Verteidigung der Pressefreiheit führt zum gleichen Ergebnis wie der AntiRegimereflex, geht aber auf eine andere Orientierung zurück, die sich in einem Absolutheitsanspruch von Pressefreiheit zeigt. Die Akteure mit einem AntiRegimereflex fordern eine absolute Freiheit lediglich im Zusammenhang mit Kritik gegen das Regime. Wenn es beispielsweise um das Thema Religion geht, wird eine erhöhte Verantwortung gefordert. Die reflektierten Zustimmungen erfolgen hingegen aufgrund einer stark auf Wahrheitskommunikation fokussierenden Orientierung. Dabei ist es egal, ob sich das in der Karikatur zum Ausdruck gebrachte Legitimationsdefizit von Herrschaft auf Jordanien und/oder die gesamte arabische Welt bezieht. Entscheidend für ihre Reaktion ist, dass es sich um eine Tatsache handelt, die gesagt werden muss. Die uneingeschränkte Zustimmung der Akteure – die auch eine Publikation beinhaltet – ergibt sich aus der Mehrdeutigkeit der Karikatur. Die-

3

Vgl. Website von Imad Hajjaj http://www.mahjoob.com/en/archives/browse.php?cen sored=Y vom 20.4.2015.

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se Mehrdeutigkeit wird offen genannt als Möglichkeit, Probleme aufgrund bestehender Gesetze abzuwehren. Genau diese Überzeugung fehlt denjenigen, die eine ambivalente Reaktion auf die Karikatur zeigen. Sie sind der Auffassung, dass eine sowohl auf Jordanien als auch auf andere arabische Staaten bezogene Interpretation zu »Problemen« führen würde. Dabei unterscheiden sich die antizipierten Probleme dadurch, dass einige explizit auf die Gesetzeslage verweisen und davon ausgehen, dass sie bei einer Publikation im »Gefängnis enden« würden; andere wiederum sprechen lediglich von der »roten Linie«. Diese rote Linie, so wird sich auch noch an anderer Stelle zeigen, basiert nicht auf einem detaillierten Wissen der gesetzlichen Normen, sondern auf den von der Redaktion vorgegebenen Normen. Diese Erkenntnis verweist auf eine Hürde bei dem Versuch, den normativen Referenzrahmen von anderen als der redaktionellen Ebene zu verändern. So stellen besonders Akteure aus den regierungsnahen Medien fest, dass sie mit der Karikatur an ihrem Chefredakteur nicht vorbeikämen. Dass dennoch die ambivalente Reaktion mit einer persönlichen Zustimmung zu den Aussagen der Karikatur einhergeht, verweist auf eine Inkongruenz zwischen kodifizierten und nicht-kodifizierten Normen einerseits und individuellen Orientierungen der Akteure andererseits, bei denen sich die Entscheidungsmuster jedoch stark an die im Feld eingenommene Position angepasst hat. Hier zeigt sich ein Phänomen, das möglicherweise besonders in autoritären Regimen sichtbar wird: Gesetzliche Normen werden zwar nicht akzeptiert, aber dennoch aktualisiert. Offensichtlich vermag die spezifische Sozialisation im Beruf ein Orientierungsmuster zu erzeugen, dass eine Diskrepanz zwischen den eigenen Orientierungen und den externen Forderungen als ›normal‹ betrachtet. Ob hier die redaktionsexterne Ausbildung oder die Normierung durch die Redaktion eine stärkere Rolle spielt, wird in der Zusammenführung mit den Ressourcenkonstellationen zu klären sein. 2.3 Olmerts Prostata Um die Beziehungen zwischen Verantwortung gegenüber den auswärtigen Beziehungen, besonders zu Israel und Palästina und der Frage nach Unabhängigkeit nachzugehen, verwendete ich die folgende Karikatur. Das Bild ist mit »Olmert verkündet seine Prostata Erkrankung!!« überschrieben und zeigt den damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert in einem Panzer. Das Panzerrohr ist nach oben gerichtet und feuert in Richtung Gaza. Dies lässt sich anhand des Hinweisschildes erkennen, auf dem auf Arabisch »Gaza« steht. Hinter Olmert steht ein Palästinenser, der vermutlich den damaligen Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, darstellen soll. Dieser ruft Olmert zu: »Gute Besserung und hör mit dem vielen Schießen auf! Das ist nicht gut für die Prostata!«

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Abbildung 9: Stimulusmaterial Olmerts Prostata

Quelle: Imad Hajjaj

Aufgrund der phallusähnlichen Darstellung des Panzerrohrs in Zusammenhang mit Olmerts Prostata Erkrankung, sollte die Karikatur nicht nur eine Diskussionsgrundlage für die Berichterstattung des Konflikts zwischen Israel und Palästina darstellen, sondern auch die Frage nach der Verwendung sexueller Symbolik und den Grenzen der Privatsphäre berühren. Deren Unterlassung wird vor allem im Kontext von Verantwortung gegenüber der allgemeinen gesellschaftlichen Moral und der besonderen Verantwortung gegenüber den Berichterstattungsobjekten in Gesetzen und Kodizes gefordert. Unterstützen Journalisten diese Norm und sind bereit, dafür ihre Kommunikationsfreiheiten einzuschränken? Das Stimulusmaterial Olmert lehnen die Journalisten entweder rundheraus ab oder stimmen ihm ohne Einschränkung zu. Wie schon bei der Karikatur Wahlen stimmen alle darin überein, dass eine Publikation keine politischen Probleme mit sich bringen würde. Dies eröffnet eine Beurteilung des Materials auf inhaltlicher und darstellerischer Ebenen. Ein Teil der reflexhaft reagierenden Befürworter ist der Meinung, dass man alles, was gegen Israel gerichtet ist, publizieren könne und müsse. Der andere Teil beurteilt nach der Maxime ›absolute Freiheit‹. In den reflektierenden Zustimmungen kommt auch explizit zum Ausdruck, dass die so orientierten Journalisten unterschiedliche Regeln im Umgang mit Israel, dem Feind, und anderen (arabischen) Ländern befürworten. Implizit schwingt diese Orientierung wohl auch mit, wenn die Veröffentlichung der Karikatur als witzig und ansprechend für

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das Publikum bezeichnet wird. Gerade die sexuelle Symbolik mache die Karikatur publikationswürdig. Diese sexuelle Symbolik ist aber auch der Hauptgrund, warum andere Journalisten die Veröffentlichung der Karikatur ablehnen. Während die einen dem Material mit einer individuellen, moralischen Orientierung begegnen, stellen es die anderen in einen gesellschaftlichen Kontext. Die moralische Orientierung bezieht sich darauf, dass allen Menschen gleichermaßen das Recht auf Privatsphäre zustehe und ehrverletzende Aussagen vermieden werden sollten. Diese Regel ist zumindest im Kontext einer sexuellen Symbolik absolut. Journalisten, die hier mit der Verantwortung gegenüber der Ehre des Berichterstattungsobjekts argumentieren, nehmen diese Perspektive auch gegenüber dem Stimulusmaterial Königliche Langeweile ein (s. IV. Resonanzen, 2). Dieser absolute Schutz der Privatsphäre und der Ehre wird allerdings deutlich unterschieden von den öffentlich relevanten Handlungen der Person. In den Augen der Journalisten ist die Kritik der israelischen Politik auf jede Weise gestattet. Eine Verknüpfung der problematischen Politik Olmerts gegenüber den Palästinensern mit seiner persönlichen Krankheitsgeschichte akzeptieren sie jedoch nicht und weisen sie als »sensationalisierend« und »übertrieben« zurück. Möglicherweise gewähren die Journalisten dem israelischen Premierminister diesen absoluten Schutz auch deshalb, weil sie Respekt für seine öffentliche Bekanntgabe der Krankheit haben. Dies geschieht in einer Kontrastierung zu arabischen Herrschern, besonders Mubarak, der im selben Zeitraum mehrere Journalisten inhaftieren ließ, nachdem sie von ihm unbestätigte Informationen über seinen Gesundheitszustand veröffentlicht hatten. Ein anderes Orientierungsmuster innerhalb der Karikatur-Opponenten ist die Verknüpfung der »unmoralischen« Darstellung mit einer möglichen Störung der öffentlichen Moral. Dieses Orientierungsmuster basiert nicht auf einer Forderung nach einer besonderen Verantwortung gegenüber dem Berichterstattungsobjekt, sondern gegenüber den Bürgern. Aus dieser Orientierung geht zunächst einmal keine persönliche Ablehnung der sexuellen Symbolik hervor. Stattdessen entscheiden die Journalisten auf der Basis einer antizipierten gesellschaftlichen Rezeption und unterstreichen hiermit eine gewisse persönliche Distanzierung von dieser Ansicht. Bei denjenigen, die auf ihrer eigenen Moral basierend entscheiden, besteht hingegen eine Kongruenz der eigenen Orientierungen und denen ihres vorgeblichen Publikums. 2.4 Schafsubventionen Ein weiterer Stimulus befasst sich mit der jordanischen Wirtschaftspolitik und ihren willkürlichen Eingriffen in den Markt durch Subventionierung und Protektion, die sich im Herbst 2007 vor allem im Handel mit landwirtschaftlichen Produkten zeigte. Viele einheimische Produkte waren auf dem Markt nicht mehr konkurrenzfähig,

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weil die Regierung die Einfuhrzölle für die Nachbarländer Syrien und Saudi Arabien gesenkt hatte. Dadurch blieben jordanische Landwirte auf ihren Produkten sitzen, während ausländische einen regen Absatz verzeichnen konnten. Das Thema hatte die Medien in Jordanien schon mehrfach beschäftigt. Abbildung 10: Stimulusmaterial Schafsubventionen

Quelle: Imad Hajjaj

In den Wochen vor dem Opferfest (Id al-Adha) 2007, an dem traditionell Schafe geschlachtet werden, kam es an der jordanisch-syrischen sowie an der jordanischsaudischen Grenze zu langen Warteschlangen. Diese wurden von Hunderten von Schaftransportern in Richtung Jordanien verursacht. Die Karikatur, die ich den Journalisten zur Reflektion vorlegte, bezieht sich auf diese Situation. Auf der einen Seite des Zauns steht ein gut genährtes, genüsslich fressendes Schaf, auf dessen Pelz »einheimisches Schaf« steht. Auf der anderen Seite des Zauns stehen zwei magere, geschorene Schafe mit verbissenen Gesichtern, die aufgrund der Aufschrift auf dem Zaun als »ausländische Schafe« zu identifizieren sind. Diese beiden kommentieren die Szene auf der anderen Seite des Zauns und lästern über das einheimische Schaf. Der Dialog der beiden lautet wie folgt. Rechtes Schaf: »Das einheimische Schaf wird bevorzugt, Kollege! Es hat Verwandte in der Regierung! Ein exklusives Schaf! Es mag keinen Wettbewerb! Und es frisst nichts außer Gerste. Das ist echt eins mit Verbindungen!« Daraufhin ergänzt das linke Schaf: »Sein Preis ist hoch! Typisch: Viel fressen, nichts schaffen! Am besten, man schlachtet es nach all

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diesen Taten!« Das Stimulusmaterial zielt darauf ab, eine Abwägung zwischen der Verantwortung gegenüber der Regierung, gegenüber der jordanischen Wirtschaft und einem öffentlichen Interesse zu erwirken. Es soll die Bedeutung der Meinungsund Pressefreiheit im Verhältnis zu verschiedenen Verantwortungsbereichen erhellen. Da es sich auch um eine Kritik an der Außenbeziehungen Jordaniens handelte, nahm ich eine mögliche Berücksichtigung dieses Verantwortungsbereiches an. Zunächst einmal lässt sich feststellen, dass sich nur bei wenigen Stimulusmaterialien ein derart homogenes Bild innerhalb der Journalistenschaft zeigte wie bei der Karikatur Schafsubventionen. Die in der Karikatur angesprochenen Themen Preiserhöhung, Subventionspolitik und soziale Ungerechtigkeit seien von großer Bedeutung für die jordanische Gesellschaft und müssten in den Medien behandelt werden. Dabei wird die Bedeutung des Themas mit einer gesellschaftlichen Verantwortung begründet, die beinhalte, auf Missstände hinweisen zu müssen, um ein Auseinandertriften der Gesellschaft oder sogar Revolten oder gewaltsame Proteste zu verhindern. Da es sich um eine reale und auf Fakten basierende Darstellung handele, sei eine Publikation geradezu notwendig und könne trotz implizierter Regierungskritik veröffentlicht werden. Das Thema interessiere die meisten Leser und spreche sie zusätzlich durch die witzige und attraktiv gestaltete Karikatur an. Hier scheint zum ersten Mal eine dezidiert ökonomische Orientierung durch, die durch Überlegungen hinsichtlich des Veröffentlichungszeitpunkts noch unterstrichen wird: Die Karikatur sei bestens zur sofortigen Publikation geeignet, da sie perfekt zum Opferfest passe. 2.5 Anonymisierte Gesichter Ein Beispiel zur Stimulierung der Diskussion um Verantwortung gegenüber Berichterstattungsobjekten und einer Sorgfaltspflicht des Journalisten stellen zwei Artikel aus Ad-Dustur vom 23. Oktober 2007 dar. In der Rubrik »Reportage« erschienen zwei Beiträge. Der erste trug den Titel »Nach dem Regierungsbeschluss in den Schulen: Die Umsetzung der Evaluierungsstrategie sorgt derzeit in allen Schulen für Befürwortung und Ablehnung.« Darin geht es um aktuelle Schulreformen der Regierung und ihre Auswirkungen in der Realität. Der Beitrag ist mit zwei Bildern von Klassenzimmern in einer Totalen versehen, auf denen Schüler im Unterricht gezeigt werden. Ihre Gesichter wurden unkenntlich gemacht. Der zweite Beitrag der Zeitungsseite befasst sich mit der Preissteigerung, vor allem von Grundnahrungsmitteln. Die Überschrift des Beitrags lautet in ironischer Anspielung auf die Regierungspositionen und deren Jargon zu diesem Thema: »Herzlichen Glückwunsch zu den guten Preisen! Trotz der Ergreifung aller Maßnahmen zur Preisstabilisierung: Warum schafft die Regierung es nicht, die Welle der hohen Preise zu stoppen?« Auch hier werden Gesichter auf einem Bild, das eine Marktszene zeigt, anonymisiert.

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Abbildung 11: Stimulusmaterial Anonymisierte Gesichter

Quelle: Ad-Dustur vom 23. Oktober 2007

Wie reagieren die Kollegen auf eine solche Anonymisierungspraxis? Zeigen sie Verständnis im Sinne der Verantwortung gegenüber den Berichterstattungsobjekten oder lehnen sie diese Praxis aufgrund von Forderungen nach Transparenz oder Sorgfalt ab? Werden die – wenn auch leisen – kritischen Töne gegenüber der Regierung akzeptiert? Die Reaktionen auf den Stimulus Anonymisierte Gesichter sind in allen Fällen eindeutig zustimmend oder ablehnend. Diejenigen, die die Praxis der Anonymisierung, wie sie im Beispiel gezeigt wird, befürworten, sind von einem absoluten Schutz des eigenen Bildes überzeugt. Kein Bild darf ohne vorheriges Einverständnis abgedruckt werden. Sie begründen diese Einschätzung mit dem Schutz der Ehre der Abgebildeten und deren Familien. Wann dieser Schutz notwendig ist, liegt ganz allein in der Hand der Abgebildeten, besonders wenn es sich um Frauen handelt. Die Journalisten maßen sich nicht an, diese Entscheidung zu treffen. Tun sie es doch, so befürchten sie, dass eine Klage gegen die Zeitung oder in besonders schweren Fällen sogar eine Bedrohungen oder Tötungsversuche vonseiten der (Groß-)Familie des Abgebildeten drohe. In ihren Augen kann die Berichterstattung über individuelle Probleme klar identifizierbarer Personen wie Armut, Drogenabhängigkeit o.ä., eine solche Reaktion auslösen. Die Nennung des Familiennamens in Verbindung mit Fotos stelle ebenfalls ein großes Problem dar. Die worst-case Szenarien dienen den Journalisten mit einem solchen Orientierungsmuster als Begründung für ihre große Verantwortung gegenüber der Ehre der Berichterstattungsobjekte. Sie fühlen sich durch für sie scheinbar verbindliche professionelle Regeln bestätigt. Dazu gehören: Ein Einverständnis zum Fotografieren ist immer notwendig in Jordanien. Ein privater Ort (dazu zählen auch Schule und Markt) darf nicht einfach zum Objekt der Berichterstattung werden. Eine Abbildung in einem heiklen Berichterstattungskontext wie Regierungskritik bedarf eines größtmöglichen Schutzes der Abgebildeten. Diese Argumentation ist allen gemein, die der Praxis des Anonymisierens zustimmen. Nuancen lassen sich lediglich darin erkennen, welche Bedeutung die Journalisten der Abbildung von Menschen generell für die Bericht-

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erstattung zuschreiben. Einige sind der Meinung, man könne auf die Abbildung von Personen komplett verzichten und sie durch Symbolbilder ersetzen. Dahingegen befürworten andere die Abbildung von Menschen aus professionellen und ästhetischen Gründen. Sie verleihe der Berichterstattung Dynamik und könne – je nach Abbildung – eine Behebung von Missständen begünstigen. Das Unkenntlichmachen der Gesichter habe dabei weder negative Auswirkungen auf Ästhetik noch auf die Wirkung der Bilder. An diesem Punkt unterscheiden sie sich von denjenigen, die die Praxis des Anonymisierens ablehnen. Sie sind der Meinung, dass Zeitungen grundsätzlich auf ein Bild aus ästhetischen Gründen verzichten sollten, wenn eine Anonymisierung aus inhaltlichen Gründen notwendig wäre. Die Bedingungen für eine notwendige Anonymisierung beschreibt diese Gruppe von Journalisten ähnlich wie die Zustimmenden: heikle politische Kontexte, Gerichtsverhandlungen, private Orte. Da ihrer Auffassung nach jedoch keine der Bedingungen zutrifft, lehnen sie eine Anonymisierung im Fall des Stimulusmaterials ab. Charakteristisch für die Journalisten, die die Praxis ablehnen, ist eine persönliche Distanzierung von einer in ihren Augen übertriebenen Ehrauffassung. Amüsiert berichtet beispielsweise eine Gruppe von einem Fall, als ein aufgebrachter Ehemann in die Redaktion stürmte und die Journalisten beschimpfte, weil sie ein Foto seiner Frau (mit ihrer Einwilligung) veröffentlicht hatten, auf dem sie sich in Vorbereitung auf eine Silvesterfeier schminkte und die Haare richtete. Solche Reaktionen wie auch Klagen gegen Zeitungen führten ihnen aber auch vor Augen, dass sie eine besondere Verantwortung gegenüber der Moral und den Traditionen der Gesellschaft trügen. Diese Verantwortung rühre auch daher, dass die Öffentlichkeit einer Zeitung eine andere Qualität habe als die Öffentlichkeit der Straße. Sie habe eine größere Verbreitung und die »Gefahr« der Identifizierung – auch mit Namen – sei größer. Aus diesem Grund ist für einen Teil der Ablehnenden auch das Einholen des Einverständnisses vor dem Fotografieren unbedingt notwendig. Entlang dieser Orientierung differenziert sich die Gruppe der Ablehnenden aus, denn ein anderer Teil ist der Auffassung, dass öffentliche Szenen wie ein Markt keiner expliziten vorherigen Einwilligung bedürfen, wenn erkennbar ist, dass fotografiert oder gefilmt werde. Die Menschen müssten selbst dafür Sorge tragen, nach ihrer Einschätzung ausreichend verhüllt zu sein. Insgesamt verweisen die Reaktionen eher auf unterschiedliche Orientierungen hinsichtlich der Auffassung von Öffentlichkeit und Ehre als auf Spannungslinien zwischen einer Verantwortung gegenüber den Berichterstattungsobjekten und der Forderung nach Transparenz. Nur in einer Diskussion wird das Thema Transparenz mit Blick auf die Praxis des Anonymisierens überhaupt angerissen. In dieser Diskussion geht es darum, dass das Nennen mit Klarnamen von Opfer und Täter in einem Beitrag dazu geführt habe, dass sich die Lebensbedingungen einer jungen Frau verbessert hätten, nachdem die Verantwortlichen für die missliche Lage öffentlich kritisiert worden seien. Dass die Frage von Transparenz als Mittel der

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Wahrheitskommunikation vor allem im ausländischen Kontext auftaucht, zeigt ebenfalls die starke Fokussierung auf Ehr- und Privatfragen bei Themen, die Jordanien betreffen. 2.6 Opferbilder Zumeist in direktem Anschluss an den Stimulus Anonymisierte Gesichter diskutierte ich mit den befragten Journalisten drei weitere Bilder, auf denen Verletzte und Tote zu sehen waren. Das erste Bild, das am 24. August 2007 auf der Website der damaligen Wochenzeitung As-Sabil zu sehen war, stellt eine tote Mutter mit ihren Kindern dar (Tote Mutter), die gerade in die Kühlkammer eines Leichenhauses geschoben werden. Das zweite zeigt die Nah-Aufnahme eines verletzten Mannes (Verletzter), der noch am Leben ist, aber blutverschmierte Kleidung trägt und einen leidenden Gesichtsausdruck hat. Das Bild erschien am 5. September 2007 auf AlJazeera.net. Das dritte Bild wurde am 10. September 2007 auf der Website der jordanischen Tageszeitung Ar-Ra'i publiziert und bildet offensichtlich die Szene nach einem Anschlag ab (Anschlag). Im Vordergrund liegt ein Toter inmitten von Blut, Öl und Dreck. Im Hintergrund ist ein völlig zerstörtes Auto, ein weiterer ausgebrannter Laster und die Feuerwehr zu sehen. Abbildung 12: Stimulusmaterial Blutbilder

Quelle: As-Sabil (24.8.2007), Al-Jazeera (5.9.2007), Ar-Rai (10.9.2007)

Die Bilder sollten eine Diskussion darüber anregen, was Journalisten dem Publikum an Leid und Gewalt zumuten können, wie es um den Schutz der Ehre der Abgebildet steht und ob die Anonymisierungspraxis im zuvor gezeigten Beispiel auch hier angewendet werden sollte. Die Stimulusbilder sollten also Bezug nehmen zu den Normen Verantwortung gegenüber den Berichterstattungsobjekten, gegenüber den Bürgern und ihrer Verpflichtung zu transparenter und belegbarer Berichterstattung. In der an das Stimulusmaterial anschließenden Diskussion steht bei allen Journalisten an erster Stelle ein politisches Statement. Egal, ob die Journalisten der Gruppe der Befürworter oder Ablehnenden angehören, nehmen sie zunächst einmal Anteil am Leid der Palästinenser und Iraker. Diese Anteilnahme findet in mehr oder weniger emotionaler Weise statt, die zum Teil mit Anschuldigungen gegen Israel,

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die USA und Großbritannien verknüpft werden. Die Reaktionen hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildern, die Tote und Verletzte abbilden, fallen hingegen nicht gleichermaßen einstimmig aus. Unter den ablehnenden Positionen finden sich reflexhafte Reaktionen, die solche Bilder als wichtigen Bestandteil für die Unterstützung Palästinas betrachten. Bilder, die das Leid der Palästinenser oder Iraker unter der Besetzung zeigen, müssten aufrütteln, damit »die Reichen und Mächtigen der Welt« sähen, wie die Menschen leiden. Diese Reaktion setzt auf eine Wirkungskette, die wie folgt aussieht: Abbildung leidender Menschen weckt Anteilnahme bei Zuschauern und Politikern, die sich dadurch gezwungen fühlen, Palästinensern und Irakern zu helfen. Unter diesem übergeordneten Ziel müssen die Verantwortungen gegenüber der Würde der Abgebildeten oder der Angehörigen zurückstehen. Die grundsätzliche Haltung gegenüber solchen Bildern lautet deshalb: Die Bilder sind brutal, aber wenn sie notwendig sind, müssen sie gezeigt werden. Bilder können in dieser Sicht einem Text als »Beleg« für die Wahrheit dienen und sollten deshalb möglichst unverfälscht gezeigt werden, d.h. keine Anonymisierung der Gesichter, keine Einschränkung für Nahaufnahmen und Details. Die Gruppe der Befürworter ist jedoch intern gespalten darüber, ob solche Opferbilder für alle Kontexte gelten. Ein Teil befürwortet die Abbildung von Toten und Verletzten nur für den ausländischen Kontext, besonders Irak und Palästina, nicht aber für Jordanien. Sie gestehen ein, dass sie beispielsweise bei den Anschlägen auf zwei Hotels in Amman am 9. November 2005 solche Bilder von jordanischen Opfern nicht gezeigt hätten. Der andere Teil der Befürworter hingegen betrachtet Opferbilder als grundsätzlich probates Mittel, auf Leid und Verzweiflung hinzuweisen in jedem beliebigen Kontext und distanziert sich explizit von der Jordanier ausschließenden Praxis. Interessanterweise wird nicht darauf verwiesen, dass solche Opferbilder als Verkaufsstrategie eingesetzt werden. Die Journalisten verweisen zwar darauf, dass die Bilder ihre Texte »interessanter« machten, jedoch verstehen sie unter interessant »überzeugend« nicht »besser verkäuflich« oder »attraktiv«. Die ambivalente Reaktion unterscheidet sich von der zustimmenden vor allem dadurch, dass Journalisten bei der Auswahl von Bildern gewisse Regeln beachten müssten. Sie stimmen darin überein, dass zum Zeigen der Realität und als Wahrheitsbeleg auch gelegentlich brutale Bilder publiziert werden müssten. Aber Journalisten sollten abwägen und abstufen. Das Abwägen bezieht sich auf die Verantwortung gegenüber verschiedenen Bereichen: gegenüber besonders Schutzbedürftigen wie Kindern und Angehören, gegenüber der nationalen Sicherheit und dem gesellschaftlichen Frieden und gegenüber dem psychischen Wohlergehen der Zuschauer. Die Wirkung von Bildern wird dabei sehr hoch eingeschätzt: Eine häufige Rezeption von Gewalt bezogenen Bildern könne zu weiteren Gewalttaten aufstacheln und zu psychischen Schädigungen wie Angstzuständen oder emotionaler Verrohung führen. Besonders die Abstumpfung gegenüber Gewalt und dem Leid anderer wird

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als Argument angeführt, dass eine zu häufige Abbildung solcher Bilder kontraproduktiv für eine Lösung der Konflikte sei. In diesem Zusammenhang erfolgt eine Kritik an Al-Jazeera und seinem Umgang mit Gewaltbildern. In Abgrenzung zu dem panarabischen Sender formulieren die Ambivalenten Regeln, die einen Umgang mit solchen Bildern verantwortungsvoller gegenüber dem Publikum und der Gesellschaft machten: Es sollten Totalen statt Zoom-ins verwendet werden, weshalb das Bild Attentat befürwortet wird, während die Bilder Verletzter und Tote Mutter abgelehnt werden. Eine Beschränkung von Blut- und Gewaltbildern auf die späten Abendstunden, in denen Kinder nicht mehr fernsehen, sollte erwogen werden. Sowohl im Fernsehen als auch online sollten Bilder mit einem zeitlichen Abstand von vier bis fünf Stunden veröffentlicht werden, damit die Angehörigen die Chance hätten, die schreckliche Nachricht über den Tod oder die Verletzung eines Angehörigen, auf anderem denn dem medialen Weg zu erfahren. Journalisten sollten andere Wege suchen, der Opfer zu gedenken, sie nicht etwa in verletztem oder getötetem Zustand abbilden, sondern als Lebende. Hier kommt – allerdings eher marginal – eine Verantwortung gegenüber den Abgebildeten selbst zum Ausdruck. Diese Verantwortung gegenüber den Berichterstattungsobjekten steht für diejenigen im Vordergrund, die die Publikation solcher Bilder grundsätzlich ablehnen. Die Bilder verletzten die Würde der abgebildeten Toten, Verletzten und ihrer Angehörigen. Daneben führen sie negative psychologische und gesellschaftliche Folgen als Gründe für einen Verzicht auf solche Bilder an. Im Gegensatz zu den Ambivalenten steht die Verantwortung gegenüber den genannten Bereichen vor dem wahrheitsbelegenden Charakter von Bildern. Man könne Anteilnahme und Aufrütteln auch mit anderen textlichen und fotografischen Mitteln erzielen. 2.7 Wahlwerbung Da mein Feldforschungsaufenthalt in die Endphase des Wahlkampfes zum jordanischen Unterhaus fiel, bot sich ein Beispiel zur Wahlwerbung als Diskussionsgrundlage für den Umgang mit Werbung und Public Relations (PR) an. Am 7. November 2007 druckte die Wochenzeitung Al-Haqiqa Ad-Duwaliya auf der ersten Seite zwei – zwar nicht explizit gekennzeichnete – von ihrem Layout aber eindeutig als Werbung identifizierbare Kandidatenwerbungen (Seite 1). Einer der beiden Kandidaten, Mohammed Musa Abdallah, erhielt zudem auf Seite 13 derselben Zeitungsausgabe eine ausführliche Betrachtung, die nicht als Wahlwerbung gekennzeichnet war (Irreführende Wahlwerbung). Die Exklusivität und durch zahlreiche Bilder unterstrichene Präsenz des Kandidaten in der Zeitungsausgabe sowie eine sehr positive Berichterstattung über den Kandidaten und sein Programm legen die Vermutung nahe, dass es sich um PR, wenn nicht sogar um einen erkauften Bericht handelt.

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Abbildung 13: Stimulusmaterial Wahlwerbung

Quelle: Haqiqa Al-Duwaliya vom 7. November 2007

Das Material sollte eine Diskussion über Sorgfaltspflicht, Ausgewogenheit, Transparenz und Unabhängigkeit stimulieren. Wann ist der Abdruck eines solchen Beitrags gestattet, wann nicht? Beschneiden Journalisten sich ihrer Unabhängigkeit, wenn sie solche Beiträge produzieren? Wie wird eine ökonomische und politische Abhängigkeit reflektiert? Die Reaktionen auf das Stimulusmaterial umfassen alle drei Reaktionsdimensionen, wobei keine rein reflexhaft ist. Rundheraus ablehnend gegenüber der Praxis, Wahlwerbung auf der ersten Seite und in Artikelform im Innenteil zu drucken, reagieren diejenigen, die das Material stellvertretend für die Korrumpierbarkeit der Berichterstattung in Jordanien betrachten. In ihr schwingt eine grundsätzliche Kritik an der Dominanz des Geldes im Journalismus und in anderen Bereichen der Gesellschaft mit. Diese Orientierung beinhaltet eine Sensibilität für mögliche Beeinträchtigungen der journalistischen Unabhängigkeit durch Geldflüsse an Journalisten oder Medienorganisation inklusive Wahlwerbung. Indem Journalisten und Medienorganisationen auf bezahlte Werbung in der Berichterstattung über die Wahl komplett verzichteten, könne diese Beeinträchtigung verringert werden. Die Vorstellungen darüber, wie eine größere Unabhängigkeit umgesetzt werden könnte, variieren. Während die einen eine Art Protokoll der einzelnen Kandidatengespräche anfertigen würden, ist das Ziel von anderen, den Lesern eine konkrete Entscheidungshilfe (Wahlempfehlung) auf der Grundlage einer eigenen Analyse zu geben: Welcher Kandidat ist ein respektabler und welcher nicht? In beiden Umsetzungsvorschlägen kommt zwar eine Sensibilität gegenüber externer Einflussnahme zum Ausdruck, die jedoch in unterschiedlichen Praktiken der Wahrheitskommunikation mündet. Die Protokollierung der Wahlprogramme wäre eine eher auf Ausgewogenheit und

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Transparenz gerichtete Wahrheitskommunikation. Die Wahlempfehlung hingegen deutet auf ein kontextuelles Wahrheitsverständnis hin. Diese absolute Ablehnung von Geldflüssen in der Wahlkampfberichterstattung zur Wahrung der Unabhängigkeit unterscheidet sich von einem zweiten Ablehnungsmuster, das eine Entgegennahme von Geld gegen Werbung durchaus zulässt, allerdings nur unter der unumstößlichen Regel, Werbung und redaktionelles Material deutlich voneinander zu trennen und zu markieren. Mit Verweis auf Gesetze und professionelle Kodizes – und somit einer Verantwortung gegenüber professionellen Regeln – fordern Vertreter dieses Orientierungsmusters »Ehrlichkeit« und »Transparenz« gegenüber den Rezipienten. Da dies in dem gezeigten Beispiel nicht ausreichend gewährleistet sei, lehnen sie beide Stimuli, Wahlwerbung auf der ersten Seite und irreführende Wahlwerbung, ab. Darin unterscheiden sie sich von den Journalisten, die eine ambivalente Reaktion zeigen. Diese akzeptieren die Werbung auf der ersten Seite des Stimulusmaterials, obwohl sie nicht explizit den Schriftzug »Werbung« aufweist. Grundsätzlich sind sie der Meinung, dass diejenigen den meisten Platz zum Werben bekommen sollten, die am meisten zahlten – auch auf der ersten Seite. Für die Ambivalenten ist der Einsatz von Geld genauso akzeptabel wie die Praxis, sich für bestimmte Kandidaten stark zu machen, denn jeder habe schließlich die Chance, sich in irgendeinem Medium zu promoten. Außerdem sei Wahlwerbung für die Zeitungen eine wichtige Einnahmequelle. Die Regeln, die für kommerzielle Werbung gelten, werden offensichtlich eins zu eins auf Wahlwerbung übertragen. Da die Wahlen ohnehin nur eine Farce seien und Wahlwerbung keinen Einfluss habe, sei es auch nicht wichtig zu unterscheiden. Solange das Parlament nichts zu sagen habe, sei die Wahl der Abgeordneten politisch nicht bedeutsam. Aus diesem Grund ziehen die in diesem Reaktionsmuster zu verortenden Journalisten die im Material angesprochene Problematik der Unabhängigkeit gar nicht in Erwägung. Abhängigkeit wird immer nur im Zusammenhang mit politischer Macht verstanden. Wenn keine politische Macht von den Kandidaten ausgeht, liegt also auch kein Problem der externen Einflussnahme vor. Die Ambivalenz in der Reaktion zeigt sich in der Zustimmung zur Wahlwerbung auf der ersten Seite und einer gleichzeitig ablehnenden Bewertung des Kandidatenartikels. Hier wird die gefährdete Unabhängigkeit angesprochen und mit einer Abstinenz gegenüber einer Wahlberichterstattung insgesamt zu lösen versucht: Über keinen der Kandidaten solle geschrieben und mit keinem ein Interview geführt werden. In der ambivalenten Reaktion zeigt sich folglich eine Differenzierung zwischen dem Geldfluss an die Medienorganisation in Form von Werbung (zustimmend) und an den einzelnen Journalisten (ablehnend). Für die Journalisten, die zustimmend auf das Stimulusmaterial reagieren, gilt Geld als »neutrales« Kriterium für die Auswahl der Kandidaten, die beworben werden. Beides, gekennzeichnete Werbung und bezahlte Artikel, seien eine wichtige Einnahmequelle für Zeitungen und Journalisten. Da Geld nicht politisch sei, wird

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hier auch keine Beeinträchtigung der journalistischen Unabhängigkeit vermutet. Eine weitere Nuance dieser Interpretation ist, dass die Kandidaten, für die (in dem Beispiel) geworben wird, selbst »unabhängig«, d.h. keiner Partei angehörig seien. Unabhängigkeit wird also nicht vom Journalisten aus definiert, sondern vom Politiker her. Wenn jemand nicht für eine Partei kandidiert, ist dies – genau wie Geld – ein neutralisierendes Kriterium, was die journalistische Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt. Da eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit gar nicht gesehen wird, ist es auch nicht notwendig, bezahlte Artikel dem Publikum kenntlich zu machen. Das Publikum könne sowieso unterscheiden, was Werbung ist und was nicht. Hier zeigt sich, was bereits in der Text- und Relevanzanalyse zutage trat: Politische Unabhängigkeit wird in ihrer direkten Form zwar erkannt und kritisiert, nicht aber die ökonomische Einflussnahme, die durchaus selbst indirekt politisch sein kann. 2.8 Königliche Langeweile Einen weiteren Stimulus setzte ich ein, um zu diskutieren, inwieweit Journalisten Sensationalisierung akzeptieren. Welche Rolle spielt das öffentliche Interesse, wenn es um private Belange ranghoher Politiker geht? Wann ist es Journalisten möglicherweise auch erlaubt, Informationen zu veröffentlichen, die keine offizielle Bestätigung – wie hier vom Königshaus – erfahren haben? Es geht also um die Beziehung zwischen Transparenz, Ausgewogenheit, Belegbarkeit und der Verantwortung gegenüber den Bürgern und Berichterstattungsobjekten. Das ausgewählte Beispiel stellte einen gewollt provokativen Stimulus dar, denn es handelte sich um eine Meldung über private Interna des Königspaares ursprünglich aus der israelischen Zeitung Yedioth Ahronoth, abgedruckt von der New York Post am 7. Dezember 2006.4 In dieser Meldung wird darüber spekuliert, dass Königin Rania sich in ihrer Beziehung mit König Abdallah II. langweile und nach Wegen suche, sich aus der Beziehung zu befreien. Die beiden würden schon nicht mehr in einem gemeinsamen Gemach nächtigen. Ich schwärzte die Quelle Yedioth Aharonot der Meldung, um die Diskussion nicht unnötig in die Richtung ›feindliche Propaganda‹ zu lenken. Die Reaktionen auf den Stimulus Königliche Langeweile fallen sehr unterschiedlich aus. Bei den Journalisten, die der Publikation des Artikels zustimmen, lässt sich eine generell kritische Haltung gegenüber dem Königshaus feststellen. Mit dem Königshaus wird »Heuchelei« und »Anmaßung« assoziiert. Um diese anzuprangern und aufzudecken, müssten auch solche Artikel publiziert werden. Sie beziehen sich unter anderem auf die Aussagen des Königs zu Beginn seiner Amtszeit, dass kein Journalist für das, was er schreibt, ins Gefängnis kommen sollte.

4 Vgl. New York Post online, 7.12.2006, Royally bored http://www.nypost.com/seven/1207 2006/gossip/pagesix/royally_bored_pagesix_.htm, online nicht mehr verfügbar.

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Abbildung 14: Stimulusmaterial Königliche Langeweile

Quelle: New York Post online vom 7. Dezember 2006

Dass das Königshaus von dieser Freiheitsgarantie ausgenommen werde, stelle den Kern der »Anmaßung eines Sonderstatus« dar. Das öffentliche Auftreten als harmonisches Paar entspreche nicht der Wahrheit und symbolisiere die – auch für die Politik symptomatische – Heuchelei des Königshauses. Diese zustimmende Haltung ist zu einem gewissen Maß auch eine Trotzreaktion, denn den Journalisten ist durchaus bewusst, dass sie mit einer Publikation den König höchstpersönlich herausfordern und mit Sicherheit Probleme bekommen würden. Da sie jedoch neben der königskritischen eine freiheitskämpferische Position einnehmen, behaupten sie, die Konsequenzen in Kauf nehmen zu wollen. Die ablehnende Reaktion wird jedoch nicht allein dominiert durch die Angst vor den Konsequenzen einer Publikation solcher Interna. Zwar taucht das Argument auf, dass eine Publikation nicht erlaubt sei, doch wiegt die Überschreitung der Privatsphäre beim Berichten über Beziehungsinterna des Königspaares schwerer für eine Ablehnung des Materials als mögliche Sanktionen. Die Journalisten mit ablehnender Reaktion fordern einen absoluten Schutz der Privatsphäre für alle, auch für Pop Stars. Einzig die freiwillige, zur Publikation bestimmte Herausgabe solcher Informationen, dürfe veröffentlicht werden. Da dies mit Sicherheit nicht für den hier vorliegenden Artikel zutrifft und die Informationen auch nicht anderweitig verifiziert werden könnten, muss der Artikel aus mangelnder Belegbarkeit abgelehnt werden. Interessant an dieser Argumentation ist vor allem, dass sie die Praxis der offiziellen Verlautbarung für die Akteure logisch erscheinen lässt. Nur wenn das

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Königshaus offizielle Statements abgibt, dürfen diese auch publiziert werden. Dass dieses Prinzip für Informationen von öffentlichem Interesse möglicherweise nicht mehr gelten könnte, ist für sie undenkbar. Genau darin unterscheiden sie sich von denjenigen, die eine ambivalente Haltung gegenüber dem Stimulus einnehmen. Die Ambivalenten sagen zwar auch, dass es sich bei den hier vorliegenden Informationen um eine Privatsache handele, doch sollte diese Auswirkungen auf die Politik oder die Gesellschaft haben, wäre es durchaus gerechtfertigt, einen solchen Artikel auch ohne offizielle Verlautbarung zu publizieren. Allerdings müsse auch dann das Prinzip der Verifizierbarkeit der Informationen gelten. Eine Journalistin nennt ein fiktives Beispiel, wann ein solches öffentliches Interesse gegeben wäre: Sollte sie erfahren, dass die Königin sich für drei Millionen US-Dollar ein Armband kaufen würde, müsste sie die Öffentlichkeit informieren und klarstellen, woher das Geld stammt. Auch im Falle einer anstehenden Scheidung fordern sie zumindest einen Hinweis vonseiten des Königs. Die Ambivalenten fordern damit eine gleiche Behandlung von allen politisch Verantwortlichen. Allen Reaktionen ist gemein, dass sie sich gegen eine auf Sensationalisierung und damit auf Publikumsgewinnung abzielende Veröffentlichung wenden. In allen Reaktionen kommt zum Ausdruck, dass eine Berichterstattung wie sie etwa die britischen Boulevardblätter betreiben, komplett abgelehnt wird. Der Schutz der Privatsphäre scheint damit ein generell wichtiges Anliegen.

Zusammenführung: Potentiale des Wandels durch verschiedene Akteurstypen

In den beiden vorausgehenden Kapiteln habe ich die Hintergründe für die Generierung von Idealtypen im journalistischen Feld Jordaniens dargelegt. Auf dieser Basis konnte ich fünf Journalistentypen generieren, die sich in mehr oder weniger idealtypischer Form im journalistischen Feld in Jordanien finden lassen. Der Typ des Oppositionellen Freiheitskämpfers und der des Regime-nahen Verantwortungswahres entsprechen den im Feld aktuell dominanten Typen, wobei sich besonders der Oppositionelle Freiheitskämpfer im Auflösen befindet und die Grenzen hin zum Ökonomischen Wahrheitsverkünder fließend sind. Verantwortungsvolle Wahrheitssucher und Ambivalent Unabhängige sind zum Zeitpunkt der Untersuchung wohl eher auf der dominierten Seite des Feldes anzutreffen.

1. O PPOSITIONELLER F REIHEITSKÄMPFER Vor allem erfahrene, männliche Journalisten weisen den im Folgenden als Idealtyp beschriebenen Habitus des Oppositionellen Freiheitskämpfers auf. Sie sind in der Regel mit der Politikberichterstattung betraut, haben oftmals die Folgen eines repressiven Staates am eigenen Leib erfahren zum Beispiel durch Haftstrafen, Drohungen oder ›Kaltstellen‹ in der eigenen Redaktion. Sie haben ihre berufliche Sozialisation meist in Wochenzeitungen erfahren und waren oft vor oder während ihrer Ausübung des Journalistenberufs für die Belange der Palästinenser aktiv. Mit ihrer oppositionellen Haltung sind sie vornehmlich in solchen Tages- oder Wochenzeitungen beschäftigt, die sich selbst als »oppositionell« bezeichnen und bereits in den 1990er Jahren entstanden (z.B. Shihan, As-Sabil, Al-Arab Al-Yaum, Al-Bilad). Sie sind geprägt durch die Vorreiterrollen in Sachen Pressefreiheit, die sie persönlich und ihre Medienorganisationen in dieser Zeit spielten. Mit ihrer Ressourcen-

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konstellation korrespondiert ein Habitus, der sich als Oppositioneller Freiheitskämpfer bezeichnen lässt. Die Kampfsymbolik wird dabei von den Akteuren selbst immer wieder unterstrichen. So wird Journalismus beispielsweise definiert: »Ein wahrer Journalist ist auch ein Kämpfer« oder »Journalismus ist Kampf mit Worten« (Am01). In diesem Kampf sind (fast) alle Mittel erlaubt: falsche Angaben über sich und seinen Beruf machen, Regierungsmitglieder mit heimlich aufgenommenen Aussagen erpressen u.v.m. Dabei gilt als Kampfgegner das Regime (Regierung und Königshaus), Israel und teilweise eine neo-liberale Elite im Land. Der Wandel des Journalismus stellt keine explizite Strategie dar, deshalb ist die ›Kampfarena‹ das politische Feld. Diese Grundkonstellation erzeugt einen Habitus, der sich stark an einer politischen Logik orientiert. Der Oppositionelle Freiheitskämpfer trifft seine Entscheidung entlang einer antizipierten Reaktion des Regimes. Dabei ist der entscheidende Generator für eine journalistische Entscheidung die Positionierung gegen die Regierung. Stellt das betreffende Thema eine Regierungskritik dar, so ist eine Zustimmung sicher. Während andere Typen eingehend auch die professionelle Aufbereitung bewerten und in ihren Entscheidungen zwischen Inhalts- und Darstellungsebene abwägen, weiß der Freiheitskämpfer buchstäblich auf den ersten Blick, was publiziert werden muss. Und in dieser Art der Bewertung unterstreicht er ein Bewertungsmuster, das in besonderer Weise die Erfahrungen der Arbeit in einem autoritären Regime widerspiegelt, in dem Pressefreiheit an inhaltliche Bedingungen gebunden sind. Die Art und Weise, wie der Freiheitskämpfer journalistische Entscheidungen fällt, stellt immer eine Antizipation einer Publizierbarkeit im Sinne eines »Erlaubt-Seins« dar. Die Reaktion eines Vertreters dieses Typus (Am01) auf meine Frage, was er von der Karikatur Olmerts Prostata halte, ist beispielhaft hierfür: »Das ist Olmert und ich denke, sie würden nicht zustimmen.« Er antizipiert hier, dass das Regime eine solche Kritik an Olmert nicht zulassen würde, da Regierung und König den Frieden mit Israel nicht gefährden wollten. Auf meine Nachfrage, wie denn seine Meinung zu der Karikatur sei, sagte er »Ich? Ja! Ich würde mehr davon veröffentlichen!«. Diese Diskrepanz zwischen persönlicher Bewertung und antizipierter Publizierbarkeit ist der Kern der berühmten ›Schere im Kopf‹, einer Selbstzensur. Das Bewertungsmuster verweist auf einen Widerspruch zwischen den als in der Praxis dominant wahrgenommen Normen von Pressefreiheit und den eigenen. Es impliziert eine Distanzierung von Normen, die inhaltliche Bedingungen an die Freiheit stellen und grenzt sich damit von königlichen und Regime-kontrollierten Versuchen ab, die diese Normen bestärken bzw. erneut einführen wollen. Eine hohe Wertschätzung erlangen folglich solche journalistischen Praktiken, die mutig Themen ansprechen, die gegen die Regierung, gegen Minister oder gegen politische Entscheidungen gerichtet sind. Der Oppositionelle Freiheitskämpfer lehnt Verantwortung gegenüber der Regierung ebenso ab wie eine Verantwortung gegenüber dem politischen System insgesamt. Er stellt sich damit auch gegen jene Akteu-

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re im Feld, die an Regime-kontrollierten Transformationsversuchen teilnehmen, wie den Journalistenverband und den Hohen Medienrat. Eine Stärkung der Verantwortung gegenüber dem König, wie sie durch diese Versuche erfolgt, lehnt er klar ab und geht sogar so weit, auf die Wahrung der Privatsphäre des Königspaares zu verzichten, wenn es der Demontage des autokratischen Systems dient. Als Ausdruck dessen können die Reaktionen auf die Stimulusmaterialien Königliche Langeweile und Thronfolger betrachtet werden, die in den Augen des Oppositionellen Freiheitskämpfers unbedingt veröffentlicht werden müssen. »Manchmal muss man sowas veröffentlichen. Sie [die Königin] lächelt und ist hübsch. Das zeigt die Dinge, wie sie heutzutage sind. Heuchelei!«, meint etwa ein Vertreter dieses Typus zu Königliche Langeweile (Am01). Allerdings ist die Aktualisierung der eigenen Freiheitsvorstellung nur begrenzt möglich. Sie hängt für die Oppositionellen Freiheitskämpfer davon ab, wie vieldeutig sich Dinge ausdrücken lassen. Die Karikatur Thronfolger würden nur die Freiheitskämpfer veröffentlichen, denn sie erkennen die vielschichtigen Interpretationsmöglichkeiten der Abbildung, da sie sich nicht nur auf die jordanische Erbfolgemonarchie bezieht. Aus diesem Grund sehen (nur) Freiheitskämpfer eine Möglichkeit der Publikation dieser Karikatur. Dass das Erkennen von Mehrdeutigkeit ein wichtiges Denkschema darstellt, äußert sich auch in der Sprache und in der Vorstellung von Transparenz. Akteure des Regimes werden zum Beispiel nicht klar benannt. Wenn sie über die Regierung und/oder den König sprechen, reden sie von »ihnen« oder »der Macht«, im Fall des Königs etwa von dem »Entscheider« oder dem »Team des Sultans/Herrschers.« Die Bedeutung dieses Denkschemas drückt sich auch in einer kritischen Betrachtung von Transparenz und Klarheit im Ausdruck aus, beides neue Normen, die durch die Ethikkodizes feldinterner Akteure erstmals im normativen Referenzrahmen auftauchen. Im Gegenzug spielt der ›virtuose‹ Umgang mit der arabischen Sprache eine wichtige Rolle und unterstreicht die Bedeutung, die Traditionen und Moral für die Bewertung von Freiheit und Verantwortung spielen. Die Forderung nach absoluter Meinungs- und Pressefreiheit ist bei den Oppositionellen Freiheitskämpfern nämlich nur darauf gerichtet, das Regime kritisieren zu können. Wenn es um Fragen der Privatsphäre, den Ehrschutz oder die Religion der Bürger geht, nimmt der Oppositionelle Freiheitskämpfer eine stark auf Verantwortung fokussierende Position ein. Dabei entsteht diese Verantwortung aus einem Schutzbedürfnis der Bevölkerung vor dem Regime. Die Anonymisierung von Abbildungen oder Nennungen von Berichterstattungsobjekten wird befürwortet, wenn sie im Kontext eines in ihren Augen Regime-kritischen Beitrages erscheinen und/oder von den Beteiligten eingefordert werden. Dieser Schutzimpuls gilt auch für die Quellen der Journalisten, die jedoch strikt getrennt werden in Regime-Akteure und ›normale Bürger‹. Regime-Akteure sind Teil des Kampfes und werden entsprechend behandelt. Während der Wunsch von normalen Bürgern nach Anonymität oder Nicht-

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Publikation gewisser Aussagen respektiert wird, gilt dies nicht für Minister oder Chefs von Behörden, wenn es strategisch nützlich ist. Eine Textpassage aus dem Interview mit Am06 beschreibt das Vorgehen gut: »Es gab einmal einen Artikel über den Premierminister. Er hatte alle Stammesleute eingeladen und ich ging hin, lehnte es aber ab zu sagen, dass ich Journalist bin. Und ich hatte mein kleines Aufnahmegerät dabei. Ich sagte zu mir selbst, wenn es ein gutes Treffen ist, sage ich ihnen, dass ich Journalist bin, wenn nicht, werden sie in der Zeitung lesen, worüber sie gesprochen haben. Ein anderes Mal ging ich zu einem Treffen von Premierminister Bakhit mit ausländischen Investoren. Er sagte, dass das Ziel von Amerikas Jordanienpolitik sei, Produkte in Israel, in Tel Aviv, abzusetzen. Nach dem Treffen kam er zu mir und sagte, ich solle das nicht schreiben, ich solle es löschen und so tun, als hätte er es nicht gesagt. Aber ich bin Journalist! Ich schrieb es.«

Freiheitskämpfer schrecken auch nicht davor zurück, offiziell unbestätigte Informationen zu veröffentlichen, wenn sie zuvor Kontakt zur entsprechenden Behörde aufgenommen haben. Der Leitsatz im Umgang mit dem Versuch von Politikern, Informationen zu verweigern, lautet für Freiheitskämpfer: »Wenn ich Recht habe, sei still, wenn nicht, schicke mich vor Gericht!« (Am06). Auch im Umgang mit Quellen zeigt sich also ein Denksystem, das in zwei Klassen denkt: pro- und kontra Regierung. Während gegenüber den Pro-Regierungsquellen eine Unabhängigkeit demonstriert wird, erfolgt diese bei anderen Quellen nicht. Auch hier bleibt der Freiheitskämpfer dem politischen Feld im Denken von Regierung versus Opposition verhaftet, obwohl er sich darauf konzentriert, sich der im normativen Referenzrahmen vorgegebenen Verantwortung gegenüber dem politischen System zu widersetzen. Eine Verschiebung – analog zur Veränderung des normativen Referenzrahmens – von der Verantwortung gegenüber dem politischen System hin zu einer Verantwortung gegenüber den Bürgern, ist nur schwach ausgeprägt. Eine Verantwortung gegenüber den Bürgern erfolgt nur dann, wenn die Bürger als Verbündete bei der Verbreitung ihrer eigenen ›Wahrheit‹ auftreten. Das Denken im Antagonismus Regierung-Opposition verhindert auch eine Aktualisierung verschiedener Konzepte von Wahrheit, etwa Wahrheit als ein Prozess der Annäherung an die Wahrheit. Stattdessen besteht Wahrheit für den Freiheitskämpfer vor allem darin, Kritik an den Mächtigen zu äußern. Die eigene Meinung wird zum Ursprung für die Wahrheit und das Kommunizieren von der eigenen Wahrheit steht vor der Suche nach Wahrheit. Aus diesem Grund spielt die Recherche für den Freiheitskämpfer eine untergeordnete Rolle. Informationen müssen bestätigt (oder zumindest den Beteiligten vorgelegt) werden, bevor sie publiziert werden. Mit diesem Ansatz unterstützen sie indirekt die Normen der Wahrheit, die bereits 1993 durch das Regime festgelegt wurden: Eine wahre Information ist eine von offizieller Seite bestätigte. Das Presse- und Publikationsgesetz hat diese Norm

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bis heute beibehalten und erhält offensichtlich bei Teilen der Akteure Unterstützung. Neue, vor allem durch Ethikkodizes eingeführte Normen von Wahrheit, die in die Kategorien Transparenz, Neutralität und Ausgewogenheit fallen, unterstützen Freiheitskämpfer nicht. Stattdessen dominiert eine Unterstützung für Normen der Sorgfalt und Belegbarkeit. In der Zusammenschau erweist sich der Oppositionelle Kämpfer als wenig Wandel-affin für das journalistische Feld. Er arbeitet sich am politischen System ab und intendiert keine Veränderungen im Journalismus. Er zeigt eine große Kongruenz zu solchen Normen, die bereits 1989 existierten und/oder durch königliche und Regime-kontrollierte Transformationsversuche eingeführt wurden. Aufgrund der tiefverankerten Antizipation der Reaktion des Regimes beschränkt er auch sein Potential, unintendiert einen Wandel der Freiheitsnormen zu unterstützen und unterstreicht zugleich, dass Wandel vom Regime ausgehen muss. Eigene Spielregeln kreieren oder die der neuen feldinternen Akteure zu unterstützen, ist hier nicht zu erwarten. Die Ressource Opposition scheint deshalb auch nur wenig vielversprechend für die Eröffnung von Wandelpotentialen im Journalismus Jordaniens.

2. Ö KONOMISCHER W AHRHEITSVERKÜNDER Wie der Oppositionelle Freiheitskämpfer findet sich der Habitus des Ökonomischen Wahrheitsverkünders eher bei Männern und bei Journalisten, die eine berufliche Sozialisation in den Wochenzeitungen erfahren haben. Allerdings wird dieser Habitus durch deutlich jüngere Journalisten verkörpert als der des Freiheitskämpfers. Die längste Zeit ihres Berufslebens fällt in die Herrschaft König Abdallahs II. Auch wenn die Vertreter des Typus heute in verschiedenen Printmedien zu finden sind, so haben sie doch zumeist den Einstieg über Wochenzeitungen gemacht und sind dort mit der prekären ökonomischen Situation der Medienorganisationen und ihren Auswirkungen auf die journalistische Arbeit in Berührung gekommen. Sie vereint zudem der gemeinsame Wunsch, den Journalismus in Jordanien zu verändern. Die Veränderung des Journalismus zielt dabei auf eine Ökonomisierung und setzt an den schlechten Bedingungen in den Redaktionen an, die durch eine Effizienzsteigerung und bessere Ausbildung der Journalisten behoben werden soll. Dies kommt in der Verwendung zahlreicher betriebswirtschaftlicher Begriffe zum Ausdruck, etwa »human resources«, »budget control« oder »work plan«. Kernziel dieser Veränderungen ist, den Journalismus profitabler und professioneller zu machen. Beide Ziele entsprechen den dominanten Orientierungsmustern der Ökonomischen Wahrheitsverkünder. Im Gegensatz zu den Oppositionellen Freiheitskämpfern spielt das Orientierungsmuster Antizipation der Reaktion des Regimes keine so große Rolle wie die

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antizipierte Aufmerksamkeit des Publikums. Das Publikum wird als ökonomische Ressource betrachtet und Entscheidungen danach gefällt, wie die Reaktion des Publikums ihrer Einschätzung nach ausfallen wird. So verwenden die Wahrheitsverkünder Begriffe, die ihnen selbst als nicht neutral genug erscheinen wie shahid (Märtyrer) für Selbstmordattentäter, um den Leser nicht mit anderen Begriffen – die als Zugeständnis an den Westen interpretiert werden könnten wie intihar (Selbstmörder) – zu brüskieren. Auch die Bewertung des Stimulusmaterials folgt diesem Muster. Die Karikatur Wahlen wird abgelehnt, weil sie den Leser mit unvollständigen Informationen verwirre. Die Journalisten, die in einer teilstaatlichen Medienorganisation arbeiten, kritisieren ihre Redaktionen nicht etwa wegen mangelnder Freiheiten wie die Agenda nicht selbst bestimmt setzen zu können, sondern wegen der mangelnden Verantwortung gegenüber den Wünschen des Publikums und den Interessen der Bürger. Darin zeigt sich, dass Normen, die eine Verantwortung gegenüber den Bürgern fordern – besonders dem Publikum – eine wichtige Stellung für den Ökonomischen Wahrheitsverkünder einnehmen. Dies äußerst sich auch in der Aufgabenzuweisung für den Journalismus: Journalisten sollten in den Augen der Wahrheitsverkünder dazu beitragen, die Probleme der Bürger zu lösen. Sie verstehen sich mitunter als Politikerersatz und haben den Journalistenberuf gewählt, weil sie »etwas mit Politik« machen wollten (Am14). Sie zeigen deshalb auch eine größere Verantwortung gegenüber dem politischen System als etwa die Oppositionellen Freiheitskämpfer. Diese Verantwortung besteht aber vor allem in einer Verantwortung gegenüber dem König, dem Königshaus und königlichen Doktrinen wie etwa der gesellschaftlichen Entwicklung, nicht aber gegenüber der Regierung. So führt die Antizipation der Publikumsreaktionen nicht nur zu Praktiken, die eine Verantwortung gegenüber den Bürgern aufscheinen lassen, sondern auch gegenüber dem politischen System, wenn sie dem antizipierten Verantwortungsgefühl des Publikums entspricht. Dieses ambivalente Ergebnis einer Publikumsantizipation kommt besonders prägnant in der Bewertung der Klatsch- und Tratschgeschichte Königliche Langeweile zum Ausdruck. Der journalistische Beitrag wird nicht nur abgelehnt, weil das Publizieren von unbestätigten Informationen über König und Königshaus verboten ist, sondern auch weil es die Leser angeblich nicht interessiere. Im Gegensatz zu den Oppositionellen Freiheitskämpfern existiert keine Diskrepanz zwischen persönlichen Bewertungen und deren Umsetzungsmöglichkeiten. Es ist also nicht immer eindeutig, ob die Antizipation der Reaktion des Publikums wirklich das entscheidende Orientierungsmuster ist oder ob es nicht die Begründung für eine Kongruenz zwischen königlichen Vorgaben und dem eigenen Habitus ist, um den eigenen Erwartungen eines professionellen Journalisten zu entsprechen. Die Professionalität und Professionalisierung ist nämlich ein wichtiges Signalwort, das den Habitus des Ökonomischen Wahrheitsverkünders zum Ausdruck bringt. Professionalität wird als Bedingung für umfassende Pressefreiheit betrachtet. Nur

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wer professionell berichtet, kann in ihren Augen über alle Themen berichten. In diesem Punkt korrespondiert das Normensystem des Ökonomischen Wahrheitsverkünders mit dem der Regime-kontrollierten Gesetze und Ethikkodizes, die Pressefreiheit an zahlreiche Bedingungen knüpfen. Professionalität bedeutet für die Ökonomischen Wahrheitsverkünder eine Beachtung von Wahrheitsnormen, zu denen Sorgfalt und Belegbarkeit gehören, aber auch Ausgewogenheit, was eine klare Abgrenzung zu den Oppositionellen Freiheitskämpfern darstellt. In der Bestätigung der Normen der Belegbarkeit zeigt sich die Antizipation der Reaktionen des Regimes: Eine politische Information darf nur dann berichtet werden, wenn eine »offizielle« Reaktion darauf erfolgt. Ob diese Reaktion eine Bestätigung oder ein Dementi darstellt, ist indes für die Frage nach der Veröffentlichung zweitrangig. Diese Bewertung verweist auch auf das Wahrheitsverständnis der Ökonomischen Wahrheitsverkünder. Der Fokus liegt eindeutig auf der Wahrheitskommunikation. Normen von Ausgewogenheit, Neutralität und Sorgfalt gelten als Mittel, die Wahrheit überzeugend und möglichst »realitätsnah« zu kommunizieren. Dazu gehört in gewissem Maße auch eine Transparenz, die sich in der Reaktion zu anonymisierten Gesichtern zeigt. Für die Anonymisierung zeigen die Journalisten des Typs Ökonomischer Wahrheitsverkünder keinerlei Verständnis. In ihren Augen bedeutet es eine »Unterwerfung« unter konservative Sitten und Moral. In ihrer Verantwortung gegenüber den Bürgern wollen sie sich folglich nicht zu stark durch Normen der Tradition und Moral einschränken lassen. Die Antizipation ihres Publikums lässt dies aber auch zu, denn im Gegensatz etwa zu den Verantwortungsvollen Wahrheitssuchern erwarten sie Einverständnis für diese Praxis bei ihrem Publikum. Dies geht zurück auf ein Bild von einem eher liberalen, Regime-loyalen und an ausgewogenem, professionellem Journalismus interessierten Publikum. Dass die Wahrheitssuche keinen prominenten Platz im Denkschema der Ökonomischen Wahrheitsverkünder spielt, zeigt sich zum einen in der Priorität der Bestätigung von Informationen durch »Offizielle«, zum anderen im Umgang mit Quellen insgesamt. Quellen werden mit »Offiziellen«, d.h. Regierungsvertretern und hohen Beamten assoziiert. Zu diesen müsse man eine freundschaftliche Beziehung pflegen und Vertrauen bilden, um möglichst viele Informationen bestätigt zu bekommen. Interessanterweise werden die Bürger bzw. das Publikum, die doch nach außen die entscheidende Orientierung bei vielen Entscheidungen darstellen, nicht als Quellen einbezogen. Hier zeigt sich eine starke Abhängigkeit von Informationsquellen aus dem politischen Feld, die – zusammen mit der verpflichtenden Bestätigung – auf eine enge Bindung zum politischen Feld schließen lassen, obwohl die Orientierung am Publikum als hoch eingestuft wird. Der Typ Ökonomischer Wahrheitsverkünder lässt sich mit diesem ambivalenten Verhältnis zu Publikum und Regime nur schwer als ›Umsetzer‹ der Transformationsversuche aus dem journalistischen Feld charakterisieren. Normen zur Unabhängigkeit sind nur marginal ausgeprägt und das Wahrheitsverständnis zu stark fo-

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kussiert auf Bestätigung. Er gilt – vor allem auch aufgrund seiner Verantwortung gegenüber dem König und königlichen Doktrinen, aber auch gegenüber der Profession – als jemand dessen Normensystem eher durch Regime-kontrollierte Versuche aus dem Feld repräsentiert wird. Dennoch ist er nicht als Wandel-unwilliger Typ zu verstehen, denn er bezieht sich vor allem auf einen normativen Referenzrahmen, der durch ›Neuerungen‹ der Regime-kontrollierten Transformationsversuche entstanden ist.

3. AMBIVALENT U NABHÄNGIGE Den Typ des Ambivalent Unabhängigen verkörpern sowohl Männer als auch Frauen. Seine Bewertungen sind durch die Perspektive als ›Seiteneinsteiger‹ in den Journalismus geprägt. Sie haben, bevor sie Journalisten wurden, bereits in anderen Berufen gearbeitet, die von der Wissenschaft bis zu Ministerien reichen können. Sie haben dadurch ein Spezialwissen und ihre eigene Vorstellung von Journalismus erworben. Sie stammen häufig aus palästinensisch-stämmigen Familien und sind in privaten Radios und Wochenzeitungen zu finden, die stärker auf die symbolische Ressource Qualität als auf Opposition setzen. Aufgrund eines zweiten Standbeins, auf das sie jederzeit als Einkommensquelle zurückgreifen können, besitzen die Ambivalenten Unabhängigen eine größere Unabhängigkeit als die meisten anderen Typen. Akteursbezogene ökonomische Ressourcen nehmen bei ihnen nicht denselben Stellenwert wie bei Journalisten, die seit der Universität nichts anderes gemacht haben als Journalismus. Diese Unabhängigkeit ermöglicht ihnen, sich von einer redaktionellen Abhängigkeit zu lösen, was sich in ihren Bewertungsmustern widerspiegelt. Ihre Bewertungen fallen immer ambivalent aus, da sie nicht ›intuitiv‹ erfolgen wie bei den meisten Typen. Dies äußert sich in einer Pause des Nachdenkens und in einem (im Interview laut explizierten) Abwägen der Pro- und Kontraargumente vor einer endgültigen Entscheidung. Die Ambivalenten Unabhängigen wägen zwischen verschiedenen Verantwortungsbereichen ab und antizipieren dabei sowohl die Reaktionen der Bürger, des eigenen Publikums als auch des Regimes. Die Entscheidung fällt je nach Situation zugunsten von unterschiedlichen Verantwortungsbereichen. Das grundlegende Prinzip, nach dem sie entscheiden, spiegelt sich in einem Gegensatz wider: Schutz der Privatsphäre versus öffentliches Interesse. Die Entscheidung für das eine oder andere steht immer vor der Frage, ob etwas publizierbar, also umsetzbar ist. In einem Fall kommt dies besonders deutlich in der Reaktion auf die Bilder von Toten und Verletzten zum Ausdruck. Trotz einer stark emotionalen Bindung an das Leiden in Palästina (eigene Erfahrungen und familiäre Kontakte) fordern die Ambivalent Unabhängigen einen sehr vorsichtigen Umgang mit Opferbildern, der sowohl die Würde

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der Opfer berücksichtigt als auch das öffentliche Interesse, über die Ereignisse informiert zu werden. Die Publikation von Nah-Aufnahmen lehnen sie deshalb ab. Die Reaktion im Interview von einer Journalistin des Typs verkörpert das Bewertungsmuster in idealer Weise: Zunächst verwickelte sie mich in eine Diskussion über die Schuld des Westens am Leiden der Palästinenser, in der sie sehr emotional argumentierte und ihre Anteilnahme am Leiden darlegte. Sie kehrte dann zurück zu ihrer professionellen Aufgabe und argumentierte schließlich als Journalistin für den beschriebenen, sensiblen Umgang mit Bildern von Opfern und sprach sich gegen zwei der gezeigten Opferbilder (Tote Mutter und Verletzte) aus. Die Unabhängigkeit als Bestandteil von Freiheit äußert sich auch darin, wie sich die Ambivalent Unabhängigen die Rolle des Journalismus in der Gesellschaft vorstellen. Für sie ist Journalismus ein Bindeglied zwischen Bürgern und Regierung. Diese Vorstellung korrespondiert mit einem dialektischen Wahrheitsverständnis, das auf einem Austausch von Informationen basiert. Korrektur und Richtigstellung sind wesentliche Elemente der Wahrheitssuche, die sie durch die Einbindung des Publikums und einer inner-redaktionellen Diskussion verwirklicht sehen wollen. Hinzu kommt, dass sie vor allem Normen der Wahrheit unterstützen, die Hintergrundberichterstattung, verständliche Aussagen und Analyse in den Vordergrund stellen. Eine Kontextualisierung von Meinungen der Regierung und der Bürger sehen sie als ihre journalistische Aufgabe. Darin äußert sich ein stärker auf Recherche orientiertes Wahrheitsverständnis als es eine bloße Ausgewogenheit durch Erwähnung aller relevanter Meinungen implizieren würde. In Abgrenzung zu den Verantwortungsvollen Wahrheitssuchern, die die Wahrheitssuche quasi als Hauptziel ihres Tuns betrachten und einen starken Fokus auf eigeninitiierte Recherche legen, docken sich die Ambivalenten Unabhängigen an den bereits bestehenden Diskurs an und ergänzen ihn durch eigene Recherchen. Es geht also mehr um eine Begleitung der Agendasetzung als um deren direkte Beeinflussung. Aus diesem Verständnis spricht auch die grundlegende Orientierung dieses Journalistentyps, sich nicht mit den Berichterstattungsthemen und -objekten gemein zu machen. Allerdings lässt sich eine Dominanz des Verantwortungsempfindens für die Bürger feststellen, die sie sowohl als ökonomische als auch als politische Garantie ihrer eigenen Unabhängigkeit betrachten. Kritik an Regierung und Regime lässt sich in ihren Augen leichter durchsetzen, wenn man als Journalist die vermeintliche Meinung der Bürger hinter sich hat. Ebenso können sie mit dem Publikum im Rücken auf redaktioneller Ebene mit ökonomischen Argumenten ihre Beiträge leichter umsetzen. Ein weiteres Indiz für ihre unabhängige Orientierung ist der Umgang mit Werbung, besonders der Wahlwerbung. Sie vertreten eine strikte Trennung von redaktionellen Beiträgen und Werbebeiträgen sowie eine größtmögliche Transparenz zu deren Unterscheidung. Dabei sind sie grundsätzlich positiv gegenüber Werbung eingestellt, denn sie betrachten sie als wichtigste ökonomische Grundlage von Medienorganisationen. Auch die politische Relevanz von Wahlwerbung leuchtet ihnen

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ein, doch treten sie hier vehement für eine Unabhängigkeit ein, die zum Beispiel darin bestehen könnte, dass die erste Seite der Zeitung immer der Redaktion vorbehalten bleibt, dass alle Kandidaten gleichermaßen in der Berichterstattung berücksichtigt werden und dass Kandidaten in einer neutralen, nicht beeinflussenden Art, portraitiert werden. Die Ambivalenten Unabhängigen sind diejenigen Journalisten, die den feldinternen Transformationsversuchen die größte Chance auf Umsetzung ermöglichen. Mit der Konzentration auf ihre Unabhängigkeit weisen sie vielfach auf Normen, die mit den beiden Ethikkodizes von AmmanNet und CDFJ erstmals in den normativen Referenzrahmen eingegangen sind. Zugleich besteht eine große Kongruenz zu den neuen Wahrheitsnormen, die bislang nur vereinzelt im normativen Referenzrahmen auftauchen wie etwa Richtigstellung oder Kontextualität. Allerdings steht die Forderung nach freier Meinungsäußerung nicht an erster Stelle der Normenprioritäten.

4. V ERANTWORTUNGSVOLLE W AHRHEITSSUCHERIN Der Habitus der Verantwortungsvollen Wahrheitssucherin findet sich vor allem bei Frauen, deren Eintritt in den Journalistenberuf nach der Machtübernahme Abdallahs II. erfolgte. Sie kommen zumeist aus einflussreichen jordanischen Familien, die Teil der politischen Eliten sind oder enge Bindungen zu ihnen pflegen. Charakteristisch ist zudem, dass sie eine internationale Perspektive auf den Journalistenberuf haben, da sie entweder im Ausland studiert haben oder Erfahrungen in der Arbeit für ausländische Medienorganisationen besitzen. In Jordanien arbeiten sie vor allem in den nicht-oppositionellen Tageszeitungen und im staatlichen Rundfunk. Die Verantwortungsvollen Wahrheitssucher verbindet ein gleichzeitig starkes Verantwortungsgefühl gegenüber ihrem Publikum, den Berichterstattungsobjekten und dem politischen System, wobei sich diese Melange deutlich von dem des Ökonomischen Wahrheitsverkünders unterscheidet. Die Verantwortung gegenüber dem Publikum etwa orientiert sich stark an den antizipierten Folgen der Berichterstattung für den individuellen Leser oder Zuschauer. Besonders deutlich tritt diese Verantwortung in der Berichterstattung über Opfer in Erscheinung. Hier treten die möglichen psychologischen Schäden durch brutale und blutige Bilder beim Publikum oder die mögliche Ehrverletzung bei Berichterstattungsobjekten vor eine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit, das Leiden der Palästinenser zu kommunizieren. Sie lehnen die Bilder von Toten und Verletzten grundsätzlich ab, was innerhalb der Typologie eine Ausnahme darstellt. Dass hier die Verantwortung gegenüber dem Publikum und den Berichterstattungsobjekten überwiegt, ist aber auch durch ihre Herkunft geprägt. Als Mitglieder bedeutender transjordanischer Familien stehen sie möglicherweise in Konkurrenz zu politisch aktiven Palästinen-

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sern. Dies zeigt sich in deutlichen Ressentiments gegenüber der palästinensischen Bevölkerungsgruppe in Jordanien: Die antizipierten psychologischen Folgen palästinensischer Opfer werden in Zusammenhang mit möglichen gesellschaftlichen Unruhen gebracht. Nicht immer kommen diese Ressentiments so deutlich zum Ausdruck wie hier: »Wir müssen vorsichtig sein. Weil wenn wir diese emotionalen Bilder zeigen, […] macht das die Palästinenser nervös, noch aggressiver. […] Wir zeigen solche Bilder nicht, denn wir arbeiten für die Stabilität, Und wenn vielleicht Leute in Jordanien aus Palästina aggressiv werden, würde das Probleme machen. Das berührt Jordanien, den Frieden an diesem Ort.« (Af07) Diese Formulierung verweist zugleich auf eine andere Verantwortung, die die Verantwortungsvolle Wahrheitssucherin empfindet, nämlich gegenüber dem politischen System und darin besonders gegenüber der nationalen Sicherheit. Die Entscheidung über eine Publizierbarkeit politischer Themen wird eng mit der Frage nach einem möglichen Imageverlust Jordaniens und Konflikten mit den Nachbarn verknüpft. So ist es ›selbstverständlich‹, dass die Karikatur Thronfolger abgelehnt wird, denn sie könnte die prekären Beziehungen zu Syrien beschädigen. Dass die Karikatur sich auch gegen das jordanische System richten könnte, kommt ihnen gar nicht in den Sinn. Denn das Königshaus und die königlichen Doktrinen bedürfen ebenfalls eines besonders verantwortungsvollen Umgangs. Dahingegen spielt die Regierung für ihr Denken und Entscheiden eine untergeordnete Rolle. Regierungspolitik darf kritisiert werden und bedarf keiner besonderen Verantwortung, ebenso wenig wie Justiz oder Wirtschaft eine besondere Rolle spielen. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern stellt thematisch für die Verantwortungsvollen Wahrheitssucher eher eine ›Nebensache‹ dar. Aus diesem Grund lassen sich moralische Prinzipien auch für Israelis akzeptieren. Die Journalistinnen lehnen die Publikation der Karikatur Olmerts Prostata ab, da für alle Menschen gleichermaßen ein Respekt der Intimsphäre gelte. Dazu gehöre auch ein verantwortungsvoller Umgang mit Krankheiten – bei Herrschern wie Normalbürgern. Die starke Orientierung am Schutz der Privatsphäre zeigt sich auch an dem besonderen Verantwortungsgefühl gegenüber Berichterstattungsobjekten, was jedoch nicht auf die Praxis der Anonymisierung zutrifft, die im Namen der Transparenz abgelehnt wird. Der vorsichtige Umgang mit politischen Themen ermöglicht den Verantwortungsvollen Wahrheitssucherinnen zugleich ein stark auf Normen der Wahrheit rekurrierendes Denken. Dabei steht vor allem die Wahrheitssuche im Zentrum ihres Denkens und mit ihr verbunden Normen zu Sorgfalt, Transparenz, Kontextualität und Ausgewogenheit. Die Karikatur Wahlen beispielsweise wird als verwirrend und unklar empfunden und kann deshalb dem Publikum nicht zugemutet werden. Eine für das Publikum gut verständliche Berichterstattung wird gefordert. Nur gut recherchierte und auf Korrektheit geprüfte Beiträge haben das Recht auf Veröffentlichung. Auch stören sich die Vertreterinnen des Typus an allen Anonymisierungen (inklusive meiner Anonymisierung des Stimulusmaterials) und pochen auf Transpa-

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renz auch im Umgang mit Quellen. Die Verantwortungsvolle Wahrheitssucherin sieht außerdem als einziger Typ die Bürger als direkte Quelle ihrer Wahrheitssuche. Sie wird einerseits dadurch bedingt, dass ihr Themenspektrum stark auf Bürgerthemen fokussiert ist und andererseits durch ein Wahrheitsverständnis, das eine Dialektik der Wahrheitsfindung zulässt. So wird nur von ihnen hervorgehoben, dass Wahrheit durch Korrektur, Richtigstellung und Dialog mit dem Publikum erreicht werden kann. Dass die offiziellen Quellen keine so dominante Rolle spielen wie bei den Ökonomischen Wahrheitsverkündern, geht nicht allein darauf zurück, dass sie sich gern auf bürgernahe Themen konzentrieren. Sie versuchen auch, die Meinung der Bürger zu innen- wie außenpolitischen Themen ›einzufangen‹ und zu berichten. Diese Praxis ist für sie die Erfüllung der Forderung nach Ausgewogenheit. Diese bezieht sich also explizit nicht allein auf das Berichten von Statements der Regierung und der Opposition. Aufgrund der starken Fokussierung auf Verantwortung spielen Freiheitsforderungen bei der Verantwortungsvollen Wahrheitssucherin kaum eine Rolle. Das bedeutet indes nicht, dass sie keinen Wert auf ihre journalistische Unabhängigkeit legen würde. Die Forderung nach Unabhängigkeit erfolgt allerdings im Rahmen der Recherche. Darin unterscheiden sie sich von allen anderen Typen. In Einklang mit der Forderung an den Journalismus, soziale Missstände aufzudecken und zu kommunizieren, engagieren sie sich in besonderer Weise für soziale Themen. Bei der Recherche ihrer Themen fordern sie eine große Unabhängigkeit, die sie auch gegenüber politischen Widerständen ihrer eigenen Medienorganisationen durchzusetzen versuchen. Ein besonders eindrückliches Beispiel stammt von Af07: Ein Bericht über die Verfehlungen der UNHCR bei der Betreuung von Waisenkindern konnte sie in einem ausländischen, privaten Fernsehsender platzieren. Bei ihrem Hauptarbeitgeber, JTV, wurde der Beitrag jedoch so umgearbeitet, dass diese Verfehlungen verschwanden. Sie untersagte dem Sender daraufhin die Ausstrahlung ihres Beitrags. Auch mit ihrem Denken ›von der Recherche her‹ und der Einbeziehung von Quellen, die nicht nur dem politischen System entstammen, erreicht die Verantwortungsvolle Wahrheitssucherin eine gewisse Unabhängigkeit. Die Inkongruenz von individuellem Habitus und Prinzipien ihrer Medienorganisation bereitet ihr großes Unbehagen, das mitunter in Kündigung und Arbeitgeberwechsel mündet. Sie strebt eine größtmögliche Homologie mit den Prinzipien ihrer Medienorganisation an, die vor allem in der Ermöglichung von Recherche besteht. Die Verantwortungsvolle Wahrheitssucherin ist sicherlich keine, die großen Wandel im Bereich der Pressefreiheit bringen wird. Ihre Unterstützung für Normen wie Bedingungen an Pressefreiheit und die Akzeptanz von thematischen Verboten schließen dies aus. Allerdings hat sie ein großes Wandelpotential, wenn es um die Veränderung von Wahrheitsnormen geht. Sie kann als Hauptunterstützerin der feldinternen Transformationsversuche hinsichtlich eines Wahrheitsverständnisses, das

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sich auf Wahrheitssuche konzentriert, betrachtet werden und hat dabei die Dominanz der staatlichen bzw. teilstaatlichen Medienorganisationen im Rücken.

5. R EGIME - NAHE V ERANTWORTUNGSWAHRER In vielerlei Hinsicht ist der Regime-nahe Verantwortungswahrer das Gegenstück zum Oppositionellen Freiheitskämpfer. Journalisten, die diesem Typ angehören, können aus allen Tageszeitungen stammen, die sich auf das symbolische Kapital der Qualität und nicht auf das der Opposition stützen. Auch in den staatlichen Rundfunkanstalten lässt sich dieser Typ finden. Hinsichtlich Geschlecht und Alter lassen sich keine Spezifika erkennen. Es scheint sich hier um einen ‚›zeit- und geschlechtslosen‹ Typ zu handeln, der deshalb auch als Mainstream bezeichnet werden kann. In der Ausbildung und Berufskarriere lassen sich Gemeinsamkeiten ausmachen, die sich vor allem durch Staatsnähe auszeichnen, wie die Journalistenausbildung an der staatlichen Yarmouk Universität, oft ermöglicht durch staatliche Stipendien (z.B. Studienstipendien für Angehöre der Armee). Wasta ist häufig eine – oft mit Stolz explizit erwähnte – Ressource, die den Einstieg in eine der Medienorganisationen ermöglicht hat. Kurzum, die Regime-nahen Verantwortungswahrer weisen eine hohe Staatsnähe auf, die offen zum Ausdruck gebracht wird und die die Bewertungsmuster des Typs bestimmt. Ähnlich wie bei den Oppositionellen Freiheitskämpfern ist die Antizipation der Reaktion des Regimes das erste und dominierende Bewertungsmuster der Journalisten dieses Typs. Nur die Konsequenz, die sie aus dieser Antizipation ziehen, ist eine andere. Sie entscheiden sich quasi intuitiv für die Regime-adäquaten journalistischen Normen. Dazu gehört zuallererst die Verantwortung gegenüber dem politischen System. Wichtige Aspekte dabei sind die nationale Sicherheit und die Außenbeziehungen des Landes. Dieses Verantwortungsempfinden beeinflusst stark die Wahrnehmung und die Entscheidung über eine Publizierbarkeit. So wird beispielsweise die jordanische Dimension der Karikatur Thronfolger ausgeblendet bzw. gar nicht erkannt. Die Kritik an der undemokratischen Herrschaftsnachfolge wird lediglich auf Syrien bezogen. Aufgrund des angespannten Verhältnisses mit dem Nachbarn solle eine solche Kritik jedoch nicht publiziert werden, um die Beziehungen nicht zu belasten und jordanische Interessen zu wahren. Das Verantwortungsempfinden gegenüber dem Königshaus und königlichen Doktrinen ist ebenfalls stark ausgeprägt. Regime-nahe Verantwortungswahrer halten sich strikt an die implizite Norm, Informationen über das Königshaus nur dann zu publizieren, wenn sie vom Königshaus aktiv an die Medien herangetragen werden. Dies geschieht einerseits aus dem Bedürfnis heraus, das potentielle Risiko einer Klage zu minimieren, andererseits aber auch aus der tiefen Überzeugung, dass der Monarch das Recht

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habe, sein Image zu kontrollieren. Einem öffentlichen Interesse an Informationen, die nicht aus dem Königshaus selbst stammen, wird widersprochen, selbst wenn es sich nicht um Details aus dem Privatleben des Herrschers handelt. Hinter einer solchen Sonderrolle steht die umfassende Verantwortung gegenüber dem Status Quo des politischen Systems. Dies kommt nicht nur bei der Karikatur Thronfolger zum Ausdruck, sondern auch in einer ambivalenten Beurteilung von Regierungskritik. Diese ist grundsätzlich akzeptiert, es sei denn, sie fordert die herrschenden Machtverhältnisse heraus wie es in der Karikatur Wahlen anklingt. Die Karikatur stellt implizit die Legitimität der anstehenden Wahlen in Frage und bedient damit in erster Linie oppositionelle Forderungen nach transparenten und fairen Wahlen. Auch die Diskussion um den Schutz der Privatsphäre in Abwägung transparenter Berichterstattung wird mit einem Rekurs auf die potentielle Reaktion der Regierung beantwortet. Die Anonymisierung von Gesichtern ist in den Augen der Regime-nahen Verantwortungswahrer gestattet, wenn es sich in dem Artikel um Regierungskritik handelt. Um die Berichterstattungsopfer zu schützen, ist eine Anonymisierung zulässig, obwohl diese Regel nach Möglichkeit nicht angewandt werden sollte. Transparenz ist damit auch die einzige Wahrheitskategorie, die neben der Bestätigung von Informationen durch offizielle Stellen eine Rolle spielt. Auch Normen der Freiheit spielen nur am Rande eine Rolle. Wenn die redaktionellen Entscheidungen sich zu stark an Regimevorgaben orientieren, wie etwa ein copyand-paste von Königshaus-PR oder ein Verbot, offizielle Dokumente abzubilden, dann erhält auch Unabhängigkeit eine Relevanz und die Forderung nach mehr Freiheit kommt auf. Da in den meisten Situationen der Habitus der Journalisten sich homolog zu den Prinzipien der Organisationen, in denen sie arbeiten, verhält, empfinden sie selten ein Bedürfnis nach mehr Freiheit, denn sie sind in ihrem Sinne ja nicht beschränkt. Innerhalb des Typus Regime-nahe Verantwortungswahrer zeichnet sich eine zaghafte Differenz zwischen Vertretern aus staatlichen und teilstaatlichen auf der einen und privaten Medienorganisationen auf der anderen Seite ab. Diese äußert sich in der Bedeutung, die sie dem Publikum als ökonomische Ressource zuschreiben und rührt ›natürlicherweise‹ aus den unterschiedlichen Finanzierungsmodellen der Organisationen. Journalisten aus den privaten Zeitungen mit Qualitätsanspruch berücksichtigen die ökonomische Dimension des Publikums stärker als diejenigen aus den staatlichen und teilstaatlichen Organisationen. Diese ökonomische Orientierung zeigt sich etwa in einer Betonung von Akkuratesse und Sorgfalt im Ausdruck. Berichterstattung soll für das Publikum verständlich sein und die Themenagenda sich nicht nur an Regierung und König, sondern auch am Publikum orientieren. In dieser Differenzierung des Typs deutet sich der Übergang vom Regime-nahen Verantwortungswahrer zum Ökonomischem Wahrheitsverkünder und der Verantwortungsvollen Wahrheitssucherin an.

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Der hier beschriebene Typ stellt wohl die stärkste beharrende Kraft im journalistischen Feld dar. Die Kongruenz zum normativen Referenzrahmen von 1989 ist am deutlichsten zu erkennen. Sogar viele der königlichen und Regimekontrollierten Versuche einer zielgerichteten Transformation haben hier wenig Aussicht auf Erfolg. Als langjährige Antagonisten zu den Oppositionellen Freiheitskämpfern ziehen sie sich vor allem auf die Wahrung ihrer priorisierten Verantwortungsempfindungen zurück. In gegenseitigen Versäumnisvorwürfen neutralisieren sich die beiden Typen gewissermaßen. Die Oppositionellen Freiheitskämpfer werfen den Regime-nahen Verantwortungswahrern Opportunität, Regime-Abhängigkeit und Verrat an professionellen Freiheits- und Unabhängigkeitsnormen vor. Den Vorwurf der Abhängigkeit von politischen Akteuren und Ideologien spiegeln die Regime-nahen Verantwortungswahrer zurück und ergänzen ihn mit verantwortungslosem, unprofessionellem Agieren. In diesem Sinne haben beide Typen ein starkes Beharrungsvermögen und bieten wenig Potentiale für Wandel im Journalismus.

Fazit

Das Ziel der Untersuchung galt der Frage, wie Journalismus sich in einem autoritären Regime, das bereits kontrollierte Freiräume des Handelns ermöglicht hat, aber dennoch restriktiv agiert, wandeln kann. Im Zentrum eines solchen Wandels stehen die Regelstrukturen, die das journalistische Feld konstituieren und zum Ziel gezielter aber auch unintendierter Veränderungsversuche werden können. Zugleich müssen Regelmäßigkeitsstrukturen berücksichtigt werden, die journalistischen Akteuren erst ermöglichen, die konstitutiven Regeln als legitim und aktualisierungswürdig bzw. als illegitim und widersetzungswürdig zu betrachten. Als mögliche Wege eines solchen Wandels habe ich gezielte Veränderungsversuche durch die Kodifizierung journalistischer Normen und einen unintendierter Wandel durch Veränderungen in den Sichtweisen der Akteure auf das Feld angenommen. Während ich den ersten Weg mithilfe der Entwicklung des normativen Referenzrahmens seit 1989 betrachtet habe, fokussierte ich mich für die Veränderung von Sichtweisen auf das Feld auf die Positionierung unterschiedlicher Akteure gegenüber diesem Referenzrahmen. Diese beiden Perspektiven habe ich als Indikatoren des Wandels empirisch untersucht und über eine Strukturierungsdimension, die Protonormen Wahrheit, Freiheit und Verantwortung, miteinander verknüpft. Im Folgenden möchte ich die Ergebnisse der zwei Perspektiven systematisch zusammenführen. Veränderungen des normativen Referenzrahmens Für die Protonorm Freiheit hat sich gezeigt, dass viele Normen durch die gezielten Transformationsversuche nach 1989 zum normativen Referenzrahmen hinzugekommen sind, dass sie aber überwiegend in die bereits bestehenden integriert wurden und somit lediglich eine Bestätigung des Status-Quo erwirkten. Allerdings lässt sich auch feststellen, dass nur wenige direkte Beschränkungen der Freiheit hinzugekommen sind. Stattdessen findet ein Austarieren zwischen Freiheitsgarantien und Freiheitsbeschränkungen statt, das auf den ersten Blick eine Ausweitung der Freiheitsgarantien suggeriert, die bei genauerem Hinsehen jedoch fast immer beschränkte Garantien darstellen. Lediglich die Normen zum Informationszugang

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können als wirkliche Neuerungen gesehen werden und stehen in Teilen sogar im Konflikt mit den vor 1989 existierenden Normen. Darüber hinaus hat der Referenzrahmen sich um verschiedene Normen erweitert, die in die Kategorie Unabhängigkeit eingruppiert werden können. Sie lassen zumindest ein – wenn auch noch zaghaftes – Erwachen eines gezielten Veränderungswillens für diesen in autoritären Herrschaftsordnungen besonders relevanten Aspekt von Freiheit erkennen. Im Überblick sind diese Unabhängigkeitsforderungen auch vielfältig, weisen jedoch nur sehr vereinzelt auf die Unabhängigkeit vom politischen Feld und gar nicht auf die von der Medienorganisation hin. Hierin liegt eine klare Beschränkung des Wandels in der Protonorm Freiheit. Die Protonorm Verantwortung weist durchschlagendere Veränderungen auf als die der Freiheit. So wird die Verantwortung gegenüber dem Königshaus erweitert, während die Verantwortung gegenüber dem politischen System insgesamt unverändert bleibt. Auch die Verantwortung gegenüber dem Wirtschaftssystem verändert sich kaum. Dahingegen lassen sich deutlich erweiternde und teilweise konflikthafte Normen in der Kategorie Verantwortung gegenüber den Bürgern finden. Dazu gehört etwa die Forderung nach Berücksichtigung des öffentlichen Interesses als Garantie für Freiheiten, die den alten Normen, die öffentliches Interesse als Verantwortung beschreiben, entgegenstehen. Allerdings formuliert nur der Ethikkodex von AmmanNet Erwartungen, die auf eine Distanzierung vom Regime zugunsten einer Öffentlichkeit schließen lassen. Auch die Einbeziehung der Bürgerinteressen als Verantwortungskategorie wird nur von den unabhängigen Akteuren des Feldes, AmmanNet und CDFJ formuliert. Der Wandel der Protonorm Verantwortung wird auch dadurch unterstrichen, dass die Verantwortungsbereiche, die zum Kern journalistischer Arbeit zählen, an Bedeutung gewonnen haben. Innerhalb dieser Journalismus-spezifischen Verantwortungsbereiche hat vor allem die Verantwortung gegenüber der Profession zugenommen und sich ausdifferenziert. Vor der politischen Neujustierung von 1989 bezog sich noch kein Text auf die Verantwortung gegenüber der Profession, die heute im Kontext der Qualitätssicherung einerseits und größerer Unabhängigkeit andererseits gesehen werden muss. Sie stellt damit ein Indiz für die Forderung nach mehr Autonomie des journalistischen Feldes dar, die bereits durch die Forderung nach Unabhängigkeit als Freiheitsgarantie angedeutet ist. Auch hier sind es vor allem unabhängige, feldinterne Akteure, die neue Normen in den normativen Referenzrahmen eingebracht haben. Daneben haben sich die Normen zur Verantwortung gegenüber den Quellen und den Berichterstattungsobjekten erweitert und ausdifferenziert. Mit Blick auf die Quellenverantwortung zeichnet sich jedoch eine konflikthafte Beziehung zwischen dem Schutz der Quelle und der Forderung nach Offenlegung ab. Die Protonorm, die den umfassendsten Wandel erfahren hat, ist Wahrheit. Hier zeichnet sich ab, dass vor allem durch Kodizes ein gezielter Wandel herbeigeführt werden kann, dessen Zielrichtung jedoch noch nicht endgültig zu erkennen ist. Die

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Diversifizierung der Protonorm Wahrheit verläuft eher unsystematisch, was jedenfalls als Indiz für die Existenz verschiedener Wahrheitskonzepte innerhalb des journalistischen Feldes interpretiert werden kann. Es sind Normen hinzugekommen, die Aspekte der Annäherung an die Wahrheit durch Dialog mit dem Publikum in den Fokus stellen, genauso wie Normen, die eine Wahrheitskommunikation durch Transparenz oder Neutralität fordern. Am bemerkenswertesten sind die Versuche, die die bis 1999 dominanten, vom Regime formulierten Normen zu Belegbarkeit und Sorgfalt, zu kontern versuchen. Die beiden Kategorien umfassten bislang vor allem solche Normen, die eine Kontrolle journalistischer Arbeit durch das Regime ermöglichen wie die Erwartung einer offiziellen Bestätigung durch staatliche Institutionen. Die Protonorm Wahrheit bietet sich somit vor allem für feldinterne Akteure als Betätigungsfeld für gezielte Transformationsversuche, die sich unabhängig vom Regime entfalten können. Veränderungen der Feldbedingungen Die politische Öffnung von 1989 zusammen mit der Neustrukturierung des Pressemarktes hatte die Etablierung von neuen Printmedien zur Folge, die sich vor allem durch eine oppositionelle Haltung gegenüber dem Regime hervortaten. Die in kurzer Zeit entstandenen, zahlreichen Wochenzeitungen schafften es, Opposition als neue symbolische Ressource in das journalistische Feld einzubringen. Auch wenn ihre Handlungsmöglichkeiten beschränkt blieben – nicht zuletzt weil das Regime sie immer wieder zu verdrängen suchte – konnten sie einen Gegenpol zu den Regime-nahen, ökonomisch starken Tageszeitungen aufbauen. In der Folge mussten Tageszeitungen sich vor allem auf die symbolische Ressource Qualität stützen, um ihre dominante Position im Feld zu halten, da die Möglichkeiten der Opposition für sie – auch aus Kostengründen – zu riskant erschienen. Die Ausdifferenzierung von Produktionskapazitäten, die Betonung einer ausgewogenen Berichterstattung oder die Besinnung auf Lokalberichterstattung können als eine langfristige Folge dieser ›Neu-Justierung‹ verstanden werden. In diesem Sinn ließe sich die mit den Wochenzeitungen eingeführte Ressource Opposition als wandelweisend bezeichnen. Im heutigen Feld hat sie jedoch an Dynamik eingebüßt, da ihr Einsatz vor allem nach den Spielregeln des politischen Feldes funktioniert. Solange in diesem kein Platz für neue, radikalere Opposition eröffnet wird, muss politische Opposition für Wandel im journalistischen Feld als unwirksam angenommen werden. Dass mittlerweile sowohl im Tageszeitungs- als auch im Wochenzeitungssektor eine Mischung der beiden symbolischen Kapitalien Opposition und Qualität stattfindet, ist ein Beleg für diese Annahme. Ein anderer zeigt sich in der Charakterisierung des oppositionellen Journalismustypen, dessen Bewertungsmuster vor allem von politischen Denkmustern dominiert ist. Auch die Tatsache, dass die Währung Opposition bei der Öffnung des Rundfunkmarktes von 2003 bislang keine Rolle spielte, unterstreicht ihre zunehmende Marginalisierung.

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Stattdessen hat die Öffnung des Rundfunkmarktes die Ressource Unterhaltung eingeführt, die als ökonomisch rentable Gegenstrategie zum staatlichen Rundfunk an erster Stelle steht. Ökonomische Ressourcen spielen im Rundfunk eine generell größere Rolle als beispielsweise im Wochenzeitungssektor. Ihre Bedeutung wird noch dadurch unterstrichen, dass politische Berichterstattung ein deutlich höheres monetäres Kapital erfordert als Unterhaltung. Möglicherweise hat aber auch diese Ressourceneinführung bereits ihre Spuren im journalistischen Feld hinterlassen und kann auf lange Sicht einen Wandel bewirken. Die Betonung der Verantwortung gegenüber den Bürgern und vor allem gegenüber den Interessen des Publikums ist im normativen Referenzrahmen bereits angedeutet. Ein solcher Wandel wäre vermutlich sogar durchsetzungsfähiger, da er mit den Interessen des Regimes einhergeht, wie die Verortung der normativen Veränderungen gezeigt hat. Es ist jedoch fraglich, ob er über unterhaltende Formate hinausreichen und auf die politische Berichterstattung einwirken kann. Hier wird in Zukunft besonders der Online-Sektor von Interesse sein. Versuche, die über eine Etablierung von Unterhaltung als wichtige symbolische Ressource im Rundfunk hinausgehen, zeigen sich nur an wenigen Beispielen. AmmanNet etwa zeigt in der Formulierung neuer Normen und in der Schaffung neuer Institutionen (z.B. Hörerbeirat), dass es mit seiner Strategie der Lokalberichterstattung und Bürgerbeteiligung Impulse für den Journalismus in Jordanien setzen kann. Auch ATV hatte versucht, Lokalberichterstattung als Gegenstrategie zum staatlichen JTV einzuführen. Beide Versuche, an Macht im Feld (durch Lizenzerweiterung) zu gewinnen, wurden jedoch durch das autoritäre Regime gebremst. Dass diese Tendenzen, die Lokalberichterstattung und die Bürgerbeteiligung zu stärken, dennoch Aussicht auf Erfolg haben könnten, zeigt die – nach dem Untersuchungszeitraum – erfolgreiche Etablierung von zahlreichen Nachrichtenwebsites, die sich nicht nur auf jordanische Themen spezialisieren, sondern auch Publikumseinbezug groß schreiben, indem sie Kommentarfunktionen, Seiten für Berichte und Informationen von Bürgern oder ähnliches einrichteten. Handlungsräume wurden durch die Öffnung des Rundfunkmarktes auch noch auf andere Weise erweitert. Die Möglichkeit private Rundfunkunternehmen zu gründen, hat nicht nur zu einer Zunahme von Journalisten insgesamt geführt, sie hat auch das Feld für bislang marginalisierte Akteure stärker geöffnet. Vor allem Akteure anderer Berufsgruppen, Frauen und Jordanier palästinensischer Herkunft, erhalten durch die neuen Medien verstärkt Zugang zum Feld. Dass gerade diese Ressourcen zumindest eine Wandelbereitschaft im Feld stärken können, zeigt sich in den Journalismustypen Ambivalent Unabhängige und Verantwortungsvolle Wahrheitssucher, in denen weibliche und palästinensisch-stämmige Akteure stark vertreten sind.

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Resonanzen der Veränderungen im journalistischen Feld Gezielte Transformationsversuche kommen vor allem als Regimestrategien vor, um die Regeln des journalistischen Feldes mithilfe von Gesetzen in ihrem Sinne zu ›formen‹. Während in der Zeit vor 1989 solche Versuche einer Transformation eher selten vorkamen, haben diese mit der Machtübernahme König Abdallahs II. stark zugenommen. In seine Regentschaft zwischen 1999 und 2007 fällt die Verabschiedung von insgesamt sechs Gesetzen und zwei Änderungen des Pressegesetzes, die sich aufgrund ihrer Entstehungs- und Beobachtungsmechanismen unterscheiden lassen: Die königlichen Transformationsversuche König Abdallahs II. entsprachen einem autoritären Agieren ohne Einbindung des Parlaments oder von Akteuren aus dem Feld. Die Beobachtung von gesetzeskonformem Handeln wurde zugleich nicht mehr nur durch die Justiz gewährleistet, sondern teilweise an Regulierungsbehörden ausgelagert. Die Gesetze, die als Teil eines königlichen Transformationsversuches erlassen wurde, haben zwar mit Blick auf den normativen Referenzrahmen stark zur Bestätigung bestehender Freiheitsbeschränkungen beigetragen; So wurden etwa thematische Verbote unterstrichen, eine teilweise Vorzensur wieder eingeführt oder Bedingungen an eine Freiheitsgarantie formuliert. Doch zugleich hat die Garantie einer Etablierung von Rundfunkmedien durch das AVC-Gesetze dazu geführt, dass neue Handlungsspielräume innerhalb des journalistischen Feldes entstanden. Neue Akteure bekamen den Zutritt zum Feld und veränderten dadurch die Machtdynamiken innerhalb des Feldes. Wie die Beschreibung der verschiedenen Journalistentypen gezeigt hat, sind es oftmals diese neuen Akteure, die Wandel-affine Typen verkörpern und andere Sichtweisen auf die Regeln des Feldes entwickeln wie die Ambivalent Unabhängigen. Dies liegt vor allem daran, dass der private Rundfunksektor viele Journalisten rekrutierte, die zuvor in einem anderen Beruf gearbeitet hatten, die jung und häufig Frauen waren. Sie verfügten über Ressourcen, die sie zwar eher im dominierten Teil des Feldes positionieren, die aufgrund dessen aber auch eine, zu den Etablierten konkurrierende Sichtweise auf das Feld hegen. Trotz einer eher Freiheit beschränkenden Tendenz, die mit den Gesetzen der königlichen Transformationsversuche Einzug gehalten hat, eröffneten sie deshalb – ob gewollt oder ungewollt – durchaus Räume für Wandel. Bereits nach der Öffnungspolitik von König Hussein im Jahr 1989 hatte sich eine zweite Form von Transformationsversuchen etabliert, die ausgewählte Akteure aus dem Feld in den Prozess der Regeldefinition einbindet. Hinter dieser Strategie steht der Versuch, die Durchsetzungskraft der angestrebten Veränderungen durch erhöhte Legitimität innerhalb des journalistischen Feldes zu stärken. Allerdings findet die Einbindung sehr selektiv statt und die ausgewählten Akteure sind in der Regel Regime-loyal. Zudem obliegt dem Regime im Prozess der Normendefinition und der Kontrolle der Normeneinhaltung die letzte Entscheidungsinstanz, so dass allzu gewagte Veränderungsversuche – wenn sie denn existieren – vonseiten der eingebundenen Akteure verhindert werden können. In einer solchen Strategie ist

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das vom Regime losgelöste Agieren aus dem Feld heraus also äußert begrenzt. Dies zeigt sich auch in den überwiegend bestätigenden Tendenzen, die die Kodifizierung von Gesetzen und vor allem von Kodizes mit sich brachte. Die Bestätigung von bereits vor 1989 bestehenden Verantwortungsbereichen tritt vor allem in einer Betonung der Verantwortung gegenüber den jordanischen Außenbeziehungen, der nationalen Sicherheit, der jordanischen Wirtschaft und dem gesellschaftlichen Frieden auf. Einmal abgesehen von der Verantwortung gegenüber der Wirtschaft spielen diese Verantwortungsbereiche auch für die Akteure nach wie vor eine wichtige Rolle. Besonders bemerkenswert an dieser Regime-kontrollierten Strategie ist, dass nicht nur Gesetze sondern auch Ethikkodizes eingesetzt werden, um Einfluss auf die Regeln des journalistischen Feldes zu nehmen. Diese Strategie ist auch nach dem hier betrachteten Untersuchungszeitraum weiter fortgeführt worden, wie die Einführung eines Medien-Regierungskodexes durch die Regierung, der die Beziehungen zwischen Regierung und Journalisten regeln sollte, gezeigt hat. Allerdings zeigt sich in der kurz darauffolgenden Annullierung dieses Kodexes auch die Grenze eines zu offensichtlichen Einflussversuches durch die Regierung. Da Ethikkodizes in demokratischen Systemen mit einer journalistischen Selbstregulierung assoziiert werden, suggeriert der Begriff des Ethikkodex Freiwilligkeit und Autonomie. Beide Eigenschaften treffen jedoch bei den Regime-kontrollierten Kodizes des JPA und des HMC nicht zu. Zwar wurden die kodifizierten Normen von Journalisten und Journalistenausbildern definiert, doch geschah dies unter dem Druck des Regimes. Im Falle des JPA-Kodex zeigt sich dies besonders eindrücklich: Der Kodex entstand als Teil eines Kompromisses zwischen dem JPA und der Regierung und sollte eine Verschärfung der Pressegesetze verhindern. Folglich erzeugen die Normen des Kodex wenig Veränderung. Aber auch die Kontrollmechanismen zur Einhaltung der Normen sind stark vom Regime dominiert. Das HMC-Freiheitskomitee konnte aufgrund seiner Zusammensetzung, der JPA-Disziplinarrat aufgrund seiner Einbindung in das juristische System, nicht als Institution der Selbstregulierung fungieren. Allerdings sind diese hinter den Kodizes stehenden Machtkonstellationen nicht so leicht zu erkennen wie beim von der Regierung initiierten und ausgearbeiteten Medien-Regierungskodex. Trotz dieser starken Regime-Kontrolle lassen sich einige Normen in Gesetzen und Kodizes finden, die den normativen Referenzrahmen erweitert und somit verändert haben. Gerade diese Veränderungen finden häufig auch Anklang bei Journalisten wie etwa die Normen, die den freien Informationszugang garantieren. So besteht eine große Kongruenz zwischen den Normen der Regime-kontrollierten Transformationsversuche und denen, die Journalisten als relevant für ihre Arbeit erachten. Doch zugleich bestehen im normativen Referenzrahmen Beschränkungen des Informationszugangs fort und werden neu formuliert. Hiergegen zeichnet sich ein deutlicher Widerstand innerhalb des Feldes ab und lässt vermuten, dass Wandel

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im Hinblick auf Informationszugang nur aus dem Feld heraus entstehen kann. Das Comuniqué unmittelbar nach Erlass des Informationszugangsgesetzes des Premierministers an alle Ministerien, keine Informationen an Journalisten preiszugeben (s. IV. Resonanzen, 1), verweist symbolisch auf die Reibungspunkte die mit Bezug auf den Informationszugang zwischen dem journalistischen Feld und dem Regime bestehen. Aus diesem Grund, so meine These, wird sich ein wichtiger Wandel im Bereich der Recherchepraktiken vollziehen, für die die überdurchschnittlich hohe Akzeptanz kollaborativer Informationsbeschaffung mit den Bürgern im Jahr 2011 bereits ein erstes Indiz darstellt (vgl. Pies 2012a, 2013). Auch die hohe Bedeutung sozialer Netzwerke wie Facebook für den (Online-)Journalismus in Jordanien lässt sich in diese These einbetten. Sie verweist auf die Möglichkeiten des schnellen Informationsaustauschs, der die Mechanismen der Informationsvorenthaltung zu untergraben vermag.1 Doch einem Wandel in den Recherchepraktiken sind auch Grenzen gesetzt, die interessanterweise vor allem von den Akteuren im Feld gepflegt werden. Das PP-L fordert als einziger Text eine grundsätzliche Bestätigung von Informationen vor der Publikation, ohne genau auszuführen wie diese Bestätigung auszusehen hat. Nur für den Fall der Berichterstattung über Gerichtsverfahren führt es eine explizite Bestätigung bzw. Freigabe von offiziellen Behörden an. Aus dieser Ausnahme wird von den Akteuren eine grundsätzliche Regel gemacht: In drei von fünf Akteurstypen (Oppositionelle Freiheitskämpfer, Ökonomische Wahrheitsverkünder und Regime-nahe Verantwortungswahrer) dominiert die Auffassung, dass politische Informationen immer durch eine offizielle Behörde bestätigt werden müssten. Inhaltlich unterscheiden sich die Kodizes der Regime-kontrollierten Strategien nicht stark von denen der Gesetze. Lediglich in zwei Kategorien zeigt sich eine eindeutige Abweichung: Kodizes verweisen seltener auf Freiheitsbeschränkungen und sie tragen maßgeblich dazu bei, den Bereich der Verantwortung gegenüber den Bürgern auszuweiten und zu stärken. Im Gegensatz zu den feldinternen Strategien geht diese Betonung der Verantwortung gegenüber den Bürgern jedoch einher mit einer Bekräftigung der Verantwortung gegenüber dem politischen System. Betrachtet man dieses ambivalente Agieren zwischen Beharrung und Veränderung, so lässt sich ein weiterer Bereich hypothetisieren, der Veränderungen erwarten lässt: Die stärkere Berücksichtigung der Bürger und des Publikums aufseiten der Journalisten, die nicht zuletzt aufgrund steigender Konkurrenz im Feld notwendig wird. Gerade die Rundfunkmedien, die von einer – wenn auch nur partiellen – Öffnung des Feldes profitiert haben, können auf zahlreiche Beispiele der Publikumsinvolvierung im

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Vgl. hierzu Lynchs Erklärungen, welche Rolle SNM für das Aufbrechen der als so hart geglaubten autoritären Strukturen in der arabischen Welt gespielt haben können (Lynch 2011: 304f.).

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panarabischen Fernsehmarkt zurückgreifen. Die rasante Entwicklung eines OnlineJournalismus in Jordanien nach 2007 und die damit verbundene Stärkung von Praktiken, die das Publikum einbeziehen, bestätigen diese Entwicklung weiter. Allerdings muss für den Zeitpunkt meiner Untersuchung eine hohe Verantwortung gegenüber dem Publikum als Gegenpol zum Regime vor allem bei den Typen gesucht werden, die auf der dominierten Seite des Feldes stehen wie etwa die Ambivalent Unabhängigen, die Verantwortungsvollen Wahrheitssucher oder die Ökonomischen Wahrheitsverkünder. Vor allem die beiden letzten Typen verkörpern zugleich die Suche nach Balance zwischen Verantwortung gegenüber den Bürgern und gegenüber dem politischen System, das sich auch als Folge des Einsatzes von Ethikkodizes in den Regime-kontrollierten Transformationsversuchen gezeigt hat. Die MediaAcT-Studie aus dem Sommer des Jahres 2011 (also kurz nach dem Beginn des Arabischen Frühlings) zeigt bereits, dass 85,9 Prozent der jordanischen Journalisten sich gegenüber der Öffentlichkeit allgemein und 88,9 Prozent gegenüber ihrem Publikum verantwortlich fühlen und nur 25 Prozent gegenüber der Regierung und 19,5 Prozent gegenüber politischen Gruppen (vgl. Pies 2012a). Allerdings müssen diese Zahlen relativiert werden, vergleicht man sie mit den Daten europäischer Demokratien: Der Mittelwert liegt für Publikum und Öffentlichkeit in Jordanien zwar über dem Durchschnitt des MediaAcT-Samples und verweist somit auf ein überdurchschnittlich hohes Verantwortungsempfinden gegenüber dem Publikum. Doch auch in punkto Verantwortung gegenüber der Regierung und politischen Gruppierungen weicht das Antwortverhalten der jordanischen Journalisten nach oben ab, d.h. sie fühlen eine größere Verantwortung gegenüber diesen Bereichen als die Journalisten der anderen Länder des Samples (vgl. Pies 2014). Neben den vom Regime-kontrollierten lassen sich seit dem Jahr 2007 gezielte Transformationsstrategien erkennen, die von unabhängigen Akteuren aus dem Feld heraus eigenständig angestrengt wurden, wie im Falle der Ethikkodizes des Zentrums zur Verteidigung der Freiheit von Journalisten oder des Radiosenders AmmanNet. Aufgrund ihres Veränderungspotentials können sie als Herausforderung an das Regime und die dominanten Akteure im journalistischen Feld verstanden werden. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, den normativen Referenzrahmen des journalistischen Feldes auszuweiten und eine Alternative zu bestehenden Normen zu schaffen. Dazu gehört an erster Stelle die Formulierung zahlreicher Normen zur Unabhängigkeit von Journalisten und Medienorganisationen. Während die Forderung nach Wahrung der ökonomischen Abhängigkeit auch von Regimekontrollierten Gesetzen und Kodizes gefordert wird, erweitern die beiden feldinternen Kodizes den normativen Referenzrahmen um Normen der politischen und medieninternen Unabhängigkeit. Auf diese Normen wird von den Akteuren jedoch nur in Ausnahmefällen explizit rekurriert. Sie werden selten dazu genutzt die eigene Unabhängigkeit einzufordern. So gelten Diskrepanzen zwischen der persönlichen und der redaktionellen Einschätzung bestimmter Themen oder Darstellungsformen

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als ›normal‹ bei den Akteurstypen Oppositioneller Freiheitskämpfer, Ökonomischer Wahrheitsverkünder und Regime-naher Verantwortungswahrer. Der Akteurstyp Ambivalent Unabhängige bringt eine Forderung nach politischer Unabhängigkeit am stärksten zum Ausdruck. Diese Unabhängigkeit setzt jedoch eine gewisse Autonomie innerhalb des eigenen Medienunternehmens voraus, die entweder aufgrund der ›Zwischenposition‹ im Feld, z.B. im privaten Rundfunk, oder in einer hohen Position innerhalb der Medienorganisation, z.B. als leitender Redakteur von Tageszeitungen, gewährleistet wird. Der Akteurstyp Verantwortungsvolle Wahrheitssucher beschreibt vor allem Akteure, die sich auf unteren Ebenen der Redaktionshierarchie befinden und für die aus diesem Grund die medieninterne Unabhängigkeit einen größeren Stellenwert einnimmt. Bei ihnen lassen sich bewusste Strategien finden, die darauf abzielen ein Einvernehmen zwischen Redaktion und Habitus herzustellen etwa durch Wechsel in eine andere Medienorganisation oder ein zweites journalistisches Standbein. Insgesamt muss die Kategorie Unabhängigkeit dennoch als Beispiel für die Grenzen zielgerichteter Transformationsversuche aus dem Feld angeführt werden, was wohl auch daran liegt, dass die dominanten Akteurstypen im Feld nach wie vor einer politischen Logik von Opposition versus Regime folgen. Auch für Normen, die eine Wahrheitssuche vor eine Wahrheitskommunikation setzen, lässt sich bislang eher geringe Unterstützung – nur in den Akteurstypen Verantwortungsvolle Wahrheitssucher und Ambivalent Unabhängige – finden. Vielversprechender erweisen sich hingegen die feldinternen Versuche, Normen der Verantwortung gegenüber den Bürgern und dem Publikum durch Kodifizierung zu stärken. Hier stehen die Normen der Kodizes nicht im Widerspruch zu den Regimekontrollierten Veränderungsstrategien sondern bestärken ihre Richtung. Da die Normen zur Verantwortung gegenüber den Bürgern zumindest von Teilen der FeldAkteure wohlwollend aufgefasst werden, lässt sich hier möglicherweise tatsächlich ein Wandel einleiten. Aus der Zusammenführung dieser Ergebnisse lässt sich schlussfolgern, dass erfolgreicher Wandel im Journalismus autoritärer Regime dann stattfinden kann, wenn das Regime Freiräume für neue Akteure geschaffen hat, selbst wenn diese Freiräume kontrolliert und beschränkt sind wie im Fall des Rundfunks in Jordanien. Sie ermöglichen neuen Akteuren den Zugang zum Feld, die aber zugleich dazu gezwungen sind, neue symbolische Ressourcen zur Positionierung im Feld zu etablieren. Diese können aus dem dominierenden Schema von Opposition (wenn sie denn möglich ist) und Regime-nah ausbrechen. Sie sind einerseits aufgrund der Kontrolle des Regimes nicht in der Lage, politische Oppositionsaktivitäten zu etablieren. Sie können wegen mangelnder finanzieller Ressourcen aber oft auch nicht mit der professionellen Qualität (im Sinne ausdifferenzierter Arbeitsprozesse) mithalten. Aufgrund dessen suchen sie Nischen wie AmmanNet mit seiner konsequenten Publikumsanbindung oder seinerzeit Watan Radio und Watan Zeitung mit einem Fokus auf Analyse und Hintergrundberichterstattung, die die bestehende Balance zwi-

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schen den Protonormen und innerhalb der Protonormen des Journalismus zu erschüttern in der Lage sind. Die seit 2007 neu entstandenen Nachrichtenwebsites haben diese Nischenstrategien der Rundfunkneulinge teilweise aufgenommen und ihnen somit eine größere Durchsetzungskraft verliehen. Die Etablierung von Kommentarfunktionen oder kollaborativen Produktionsplattformen dokumentieren nicht nur eine neue Beziehung zum Publikum, sondern weisen auch auf ein verändertes Verständnis von Wahrheit hin, das sich weg von einem (durch das Regime) bestätigten Wahrheitsverkünden hin zu einem Verständnis von Wahrheit als Annäherung an die Wahrheit durch Widerspruch und Zustimmung bewegt. Dass von dort aus Sicht des Regimes tatsächlich eine ›Gefahr‹ des Wandels droht, zeigen die zahlreichen Maßnahme, die es ergriffen hat, um diesen Wandel zu bremsen. Die Maßnahmen reichen von dem Versuch, die Nachrichtenwebsites mithilfe eines Cyber Crime-Gesetzes und der juristischen Unterstellung unter das Pressegesetz stärker unter die Kontrolle des Regimes zu bringen bis hin zu dem Versuch über finanzielle Zuwendungen an Journalisten bestimmter Websites, den Sektor der Nachrichtenwebsites der alten Logik politischer Zugehörigkeit zu unterwerfen. Die Forschung zum Wandel im Journalismus autoritärer Regime sollte sich deshalb auf Phasen konzentrieren, in denen das Regime Freiräume geschaffen hat wie es in Jordanien mit der beschränkten Öffnung des Rundfunkmarktes erfolgte. Akteure, die in diesen Phasen das Feld versuchen zu betreten, können von besonderem Interesse sein. Auch wenn ihre Sicht der Dinge noch keine Chance auf Durchsetzung hat und Restriktionen des Regimes sie sehr schnell wieder einhegen können, so können sie doch als ›Ideengeber‹ oder ›normative Leitfiguren‹ für andere dienen, die in einer folgenden Liberalisierungsphase die Sichtweisen der dann alten Neuen unterstützen. Wandel aus dem journalistischen Feld heraus scheint dann erfolgversprechend, wenn es um Normen geht, die vom Regime selbst aufgeworfen wurden wie etwa eine Verantwortung gegenüber den Bürgern oder eine Garantie des Informationszugangs. In diesen Fällen lassen sich mit gezielten Transformationsstrategien – beispielsweise in Form von Kodizes – Rekursmöglichkeiten für die Akteure im Feld schaffen. Interessant ist hier etwa der Rekurs auf die Verantwortung gegenüber dem Publikum, der sowohl von Akteuren genutzt wird, um Regime-konforme (etwa die Ablehnung von regierungskritischen Beiträgen aufgrund verwirrender Darstellung für das Publikum) als auch Regime-kritische Entscheidungen (etwa mit Bezug auf das öffentliche Interesse) zu treffen. Auch die einmal durch das Regime bestätigte Garantie eines Informationszugangs – sei er auch beschränkt – eröffnet den Akteuren Möglichkeiten auf eine solche Norm Bezug zu nehmen. Ein genauer Blick auf die Reformrhetorik des Regimes kann folglich die Normenkategorien aufzeigen, die Spielräume in der Interpretation zulassen und somit den Akteuren im Feld Ansätze zur Modifikation bieten. Dass dies bei Normen zur Freiheit nur selten der Fall ist, stellt eine weitere Erkenntnis der Untersuchung dar. Die geringe Resonanz von Normen der Kategorie

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Unabhängigkeit bei den Akteuren im Feld, unterstreicht diese Erkenntnis. Eine Fokussierung auf die Normen der Freiheit allein sollte deshalb vermieden werden, denn sie bietet lediglich ein Bild eines eher beharrenden Feldes, das zudem auf das Wohlwollen des autoritären Regimes angewiesen ist. Es scheint, als habe das jahrzehntelange Hin- und Her von Freiheitseröffnung und Freiheitsbeschränkung im Mediensektor eine gewisse Ermüdung eintreten lassen. Opposition – ohne Rücksicht auf Verluste – wird vor allem noch von den ›alten Kämpfern‹ eingefordert, deren Journalistentypus zwar noch relevant, aber kaum noch von jüngeren Journalisten geteilt wird. Eine Untersuchung des Wandels im Journalismus autoritärer Regime sollte deshalb nicht darauf fokussieren, ob die Medien freier geworden sind, sondern mit welchen journalistischen Praktiken gerade experimentiert wird. Als solche lassen sich etwa Publikumseinbindung oder Recherchestrategien anführen. Dass sich ausgerechnet in Jordanien die erste Journalistenorganisation in der arabischen Welt für Investigativen Journalismus, ARIJ, etablierte, stellt ein Indiz für die Eröffnung solcher Experimentierfelder dar. Recherchestrategien könnten beispielsweise dahingehend untersucht werden, welchen Stellenwert der Recherche innerhalb einer Medienorganisation zukommt (z.B. wie viel Geld wird für Recherchereisen ausgegeben? Wie viel Zeit verbringen Journalisten mit Recherche im journalistischen Alltag?), welchen Stellenwert verschiedene Quellen einnehmen (z.B. schriftliche vs. mündliche, offizielle vs. private, hochrangige vs. niedrigrangige, online vs. offline) oder was Anlässe einer Recherche sind (z.B. ›Bestätigungsrecherchen‹ versus ›eigeninitiative Recherchen‹). Die Betrachtung der Publikumseinbindung könnte sich daran orientieren, wie auf Redaktionsseite mit Einwänden und Kritik des Publikums umgegangen wird, welche Strategien der Publikumseinbindung in den Produktionsprozess bestehen, wie Themenvorschläge des Publikums aufgegriffen werden etc. Eine Verschiebung des Fokus sollte auch im Hinblick auf die Positionierung der Akteure im Feld erfolgen. Eine wichtige Erkenntnis für den Wandel im Journalismus ist nämlich, dass eine Opposition-Regime-Dynamik innerhalb des Feldes kaum Wandel im Journalismus herbeiführen kann, da sie sich zu stark an einer politischen Logik orientiert. Diejenigen Akteure, die an den beiden ›Enden‹ der OppositionRegime-Achse stehen, schränken mit ihren antizipierten Regime-Reaktionen ihre eigenen Handlungsmöglichkeiten ein. Dabei erfolgt die Antizipation aufseiten der Oppositionellen Freiheitskämpfer oft in Orientierung an den restriktivsten Varianten des Regimes. Sie haben dadurch zum Teil jeglichen Realitätssinn für das Umsetzbare verloren. Berichte und Materialien, die längst an die jordanische Öffentlichkeit gelangt sind, bewerten sie immer noch als ›Unsagbar‹. Dies geschieht nicht zuletzt aus dem makaber anmutenden Grund, dass sich ihr symbolisches Kapital erhöht und damit ihre mögliche Position im Feld, je restriktiver sie die Reaktionen vonseiten des Regimes einschätzen. Auf der anderen Seite des Spektrums besteht häufig eine weitreichende Homologie zwischen der staatlichen Redaktion und den

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Journalisten. Ihre Antizipation der Regime-Reaktion fällt deshalb weniger explizit aus, da sie natürlicherweise auch die ihre ist. Die Konkurrenz Opposition – Regimenah ist deshalb eine Dynamik, die eher Beharrung denn Wandel im Journalismus fördert. Denn man könnte aufgrund des geringen Rekrutierungspotentials für den Typ des Oppositionellen Freiheitskämpfers die pessimistische Prognose wagen, dass ein Oppositionsjournalismus in Jordanien ein Auslaufmodell ist. Ob sich stattdessen eine neue Dynamik entlang von Differenzen innerhalb des Regimes herausbildet oder ein von politischer Logik distanzierterer Journalismus kann zum jetzigen Zeitpunkt nur gemutmaßt werden. Die Instrumentalisierung der Nachrichtenwebsites durch Politiker ist jedenfalls ein sehr bedeutsamer Versuch des Regimes, die Kontrolle über einen Wandel im Journalismus nicht zu verlieren und die Dynamik im Feld in ihre altbekannten ›Pseudo-Wandelbahnen‹ zu lenken, die den aktuellen politischen Dynamiken entsprechen.

Quellen

1. I NTERVIEWS

UND

H INTERGRUNDGESPRÄCHE

Abu Arjah, Teisir, Professor für Journalismus, Petra Universität, Amman, 21.6.2006. Abu Baydar, Jihad, Mitglied der Chefredaktion von Al-Anbat und Chefredakteur von Shihan, Amman, 25.10.2007. Abu Ousbah, Salih, Professor für Medien und Kommunikation, Philadelphia Universität, Amman, 20.6.2006. Abu Own, Wizal, Journalistin bei Watan Radio und Al-Watan, Amman, 30.11.2007. Ahmad, Izzedeen, Journalist bei As-Sabil, Amman, 18.11.2007. Al-Adwan, Taher, Chefredakteur von Al-Arab Al-Yaum, Amman, 17.10.2007. Al-Amad, Noor, Journalistin bei AmmanNet (heute Balad Radio), Amman, 21.11.2007. Alami, Dr. Dalad, Moderatorin bei WTV (heute Roya TV), Amman, 11.11.2007. Al-Emam, Mahasan, Direktorin des Medienzentrums arabischer Frauen (AWMC), Amman, 11.12.2007. Al-Ghantisi, Jihad, Chefredakteur von Al-Watan, Amman, 31.10.2007. Al-Julani, Atif, Chefredakteur von As-Sabil, Amman, 28.10.2007. Al-Karmy, Haitham, Journalist bei Al-Anbat, Amman, 4.12.2007. Al-Khwalda, Aya, Journalistin bei Al-Arab Al-Yaum, Amman, 15.11.2007. Al-Kwara, Nimat, Journalist bei Al-Anbat, Amman, 4.12.2007. Al-Moumani, Tariq, Präsident des jordanischen Journalistenverbandes (JPA) und Journalist bei Ar-Ra'i, Amman, 3.12.2007. Al-Muhtaseb, Muhammed, Dozent für Journalismus, Yarmouk Universität, Irbid, 25.6.2006. Al-Omari, Jawad, Journalist bei Al-Ghad, Amman, 1.12.2007. Al-Qaruti, Nisreen, Journalistin und Nachrichtensprecherin bei Watan Radio, Amman, 30.11.2007. Al-Ramini, Jolanar, Journalistin bei Shihan, Amman, 12.11.2007.

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Al-Rawashdeh, Mohammed Kheir, Journalist bei Al-Watan, Amman, 13.11.2007. Al-Saida, Rikan, Journalist bei Ar-Ra'i und Gewinner des King Hussein Awards 2007, Amman, 17.11.2007. Al-Safadi, Ayman, Chefredakteur von Al-Ghad, Amman, 20.10.2007. Al-Sharif, Maha, Chefredakteurin von The Star, Amman, 9.10.2007. Al-Sharif, Nabil, Chefredakteur von Ad-Dustur, Amman, 27.10.2007. Al-Sheikh, Zakariya, Direktor der Chefredaktion und Eigentümer von Al-Haqiqa Ad-Duwaliya, Amman, 7.11.2007 und 10.11.2007. Al-Zaru, Nawaf, Journalist bei Ad-Dustur, Amman, 28.11.2007. Al-Zyond, Mosherh, Journalistin bei Al-Arab Al-Yaum, Amman, 15.11.2007. Assaf, Omar, Leitender Redakteur bei Ar-Ra'i, Amman, 18.11.2007. Azzouni, Asad, Journalist bei Al-Arab Al-Yaum, Amman, 15.11.2007. Dahmous, Ahmad, Journalist bei Shihan, Amman, 12.11.2007. Habashneh, Fares Khalil, Journalist bei Ad-Dustur, Amman, 28.11.2007. Hawatmeh, George, ehem. Chefredakteur von Ar-Ra'i, Jordan Times und Al-Ghad, heute Medienexperte und Chefredakteur von Sahafi.jo, Hintergrundgespräche in Dortmund und E-Mailkorrespondenzen zwischen Januar 2010 und Dezember 2011. Hijazeen, Paul, Programm Direktor von ATV, Amman, 8.11.2007. Hourani, Nader, Direktor des Al-Urdun al-Jadid Research Centers, Amman, 1.11.2007. Hroub, Rula, Direktorin der Chefredaktion bei Al-Anbat, Amman, 18.10.2007. Hroub, Riyadh, Eigentümer von Al-Anbat, Amman, 11.10.2007. Jadaan, Razan, Dozentin für Medien und Kommunikation, Philadelphia Universität, Amman, 20.6.2006. Kouri, Melak, Journalistin bei JTV und Qatar TV, Amman, 3.12.2007, zahlreiche Hintergrundgespräche. Lauks, Lydia, Projektleiterin »Medienprojekte« der Konrad Adenauer Stiftung, Amman, 10.12.2007. Madanat, Philip, Projektkoordinator für Jordan Media Network (JMN) und IREX, zahlreiche Hintergrundgespräche in Dortmund, Breslau, Kairo, Toulouse und EMailkorrespondenzen zwischen 2008 und 2013. Majalli, Faris, Nachrichtenchef bei JTV, Amman, Hintergrundgespräche 19.11.2007 und 20.11.2007. Malkawi, Faisal, Journalist bei Ar-Ra'i, Amman, 17.11.2007. Mansour, Nidal, Direktor des Zentrums zur Verteidigung der Freiheit von Journalisten (CDFJ), Amman, 21.6.2006. Masannat, Ayman, Professor für Journalismus, Petra Universität, Amman, 21.6.2006. Mourad, Narmeen, Koordinatorin des Jordanischen Medieninstituts (JMI), 11.12.2007.

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Nejadat, Ali, Assistenzprofessor für Journalismus, Yarmouk Universität, Irbid, 25.6.2006. Nimri, Nadine, Journalistin bei Al-Ghad, Amman, 1.12.2007. Nuseir, Imad, Journalist bei JTV, Amman, zahlreiche Hintergrundgespräche zwischen November und Dezember 2007. Qaqish, Ra'id, Direktor und Eigentümer von WTV, Amman, 6.11.2007. Rawabdeh, Nidaa, Leitende Redakteurin bei JTV, Amman, 3.12.2007. Rimawi, Fahd, Chefredakteur von Al-Majd, Amman, 29.10.2007. Sabbagh, Rana, Geschäftsführerin von Arabische Reporter für investigativen Journalismus (ARIJ), ehem. Chefredakteurin von Jordan Times, ehem. Trainerin bei Al-Ghad, Amman, 19.6.2006. Sara, Martha, Mitarbeiterin »Medienprojekte« bei der Konrad Adenauer Stiftung, Amman, 10.12.2007. Shawahkeh, Issa M., Journalist und Kolumnist bei Shihan, Amman, 12.11.2007. Tawil, Aida, Journalistin bei Ad-Dustur, zahlreiche Hintergrundgespräche in Amman, Telefonate und E-Mailkorrespondenzen zwischen September und Dezember 2007. Tubeileh, Rasha, Journalistin bei Al-Ghad, Amman, 1.12.2007. Turky Ali Rababah, Maram, Leitende Redakteurin bei Al-Anbat, Amman, 4.12.2007. Zaidah, Sawsan, Chefredakteurin von AmmanNet (heute Balad Radio), Amman, 2.12.2007, Hintergrundgespräch in Kairo 25.-26.10.2012. Ziadat, Adel, Professor für Journalismus, Yarmouk Universität, Irbid, 25.6.2006. Zureikat, Hala, Programmdirektor von JTV, Amman, 26.11.2007. Zureikat, Samer, Anwalt bei MELAD, Amman, 30.10.2007. Zureikat, Sima, ehem. Chefredakteurin von JO Magazine, Hintergrundgespräch, Amman, 29.10.2007.

2. B EOBACHTUNGSPROTOKOLLE

UND

D OKUMENTE

(AmmanNet-C07) AmmanNet-Kodex von 2007. (Ammon-C09) Kodex der Nachrichtenwebsite Ammonnews, http://www.ammon news.net/formviewer.aspx?form=CodeOfEthics vom 20.4.2015. (AtI-L07) Informationszugangsgesetz von 2007. AVC Dokument »Lizenzen« 2010a: Radiolizenzen, http://www.avc.gov.jo/sumary arabic.html, online nicht mehr verfügbar. (AVC-L02) Gesetz für audio-visuelle Medien von 2002 http://www.global.asc. upenn.edu/fileLibrary/PDFs/AVC_Law_en.pdf vom 20.4.2015. (AVC-L03) Ergänzungen zum Gesetz für audio-visuelle Medien von 2003.

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Beobachtungsprotokoll »Arbeitsalltag« (2007) umfasst die Beobachtungen meiner Teilnahmen an Pressekonferenzen (Regierungspressekonferenz nach den Wahlen, Pressekonferenz der UNESCO, Pressekonferenz der Schwedischen Botschaft in Amman, Pressekonferenz der EU-Vertretung in Amman), einer Weiterbildung der UNESCO zur Berichterstattung über Flüchtlinge, diverse Recherchegespräche, Telefonate und Produktionsprozesse. Beobachtungsprotokoll »Ausbildung« (2006) umfasst die Beobachtungen meiner Besuche und Gespräche in den folgenden Ausbildungseinrichtungen: Yarmouk Universität, Philadelphia Universität, Petra Universität. Beobachtungsprotokoll »JMI« (2008-2010) umfasst Informationen zum Jordanischen Medieninstitut, die aus meinen Besuchen und Gesprächen im Institut 2007, unveröffentlichten Dokumenten und Gesprächen mit Mitarbeitern und Studierenden des JMI und anderen Mitgliedern des Curriculums-Beratungsgremiums zwischen 2008 und 2010 stammen. Zusammen mit Kollegen vom Institut für Journalistik der TU Dortmund war ich Teil des Curriculums-Beratungsgremiums und organisierte eine deutsch-jordanische Summer School mit Studierenden des JMI und des Instituts für Journalistik. Beobachtungsprotokoll »JPA « (2007) umfasst die Beobachtungen während meines Besuchs im Journalistenverband und mein Gespräch mit der Sekretärin des Verbandes, Amman, 13.11.2007. Beobachtungsprotokoll »Redaktion Al-Anbat« (2007) umfasst die Beobachtungen und Gespräche bei meinen Besuchen in der Tageszeitung zwischen September und Dezember 2007. Beobachtungsprotokoll »Redaktion Al-Ghad« (2007) umfasst die Beobachtungen und Gespräche bei meinen Besuchen in der Tageszeitung zwischen September und Dezember 2007. Beobachtungsprotokoll »Redaktion ATV« (2007) umfasst die Beobachtungen und Gespräche bei meinen Besuchen im Fernsehsender zwischen September und Dezember 2007. Beobachtungsprotokoll »Redaktion JTV« (2007) umfasst die Beobachtungen und Gespräche bei meinen Besuchen im Fernsehsender zwischen September und Dezember 2007. Beobachtungsprotokoll »Redaktion WTV« (heute Roya) (2007) umfasst die Beobachtungen und Gespräche bei meinen Besuchen im Fernsehsender zwischen September und Dezember 2007. Beobachtungsprotokoll »Wahlberichterstattung« 2007 umfasst die Beobachtungen und Gespräche während meiner Teilnahme an der Wahlberichterstattung mit JTV zwischen dem 18.11. und dem 20.11.2007, meinen Besuchen in Wahlkampfzelten, Wahlbüros und Wahlpartys zwischen September und November 2007.

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Anhang

1. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ARIJ AtI AVC AWMC CDFJ Const. CSS DPP EEC HMC IAF ICT IWF JD JMI JPA JRTV JTV MELAD MEZ NRO PPL SNM SSC TRC WTO

Arabische Reporter für investigativen Journalismus Informationszugang Audio-visuelle Medienkommission Medienzentrum arabischer Frauen Zentrum zur Verteidigung der Freiheit von Journalisten Verfassung Zentrum für strategische Studien Presse- und Publikationsabteilung Wirtschaftliches Beratungsgremium Hoher Medienrat Islamische Aktionsfront Informations- und Kommunikationstechnologien Internationaler Währungsfond Jordanische Dinar Jordanisches Medieninstitut Jordanischer Journalistenverband Jordanische Radio- und Fernsehanstalt Jordanien TV Abteilung Medienrecht (des CDFJ) Medienentwicklungszusammenarbeit Nicht-Regierungsorganisation Presse- und Publikationsgesetz Soziale Netzwerkmedien Allgemeine Sozialversicherungsgesellschaft Regulierungsbehörde für Telekommunikation Welthandelsorganisation

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2. L EITFÄDEN UND O RGANISATION DER I NTERPRETATION 1. Leitfaden für Journalisteninterviews Vorstellung meiner Person und des Projekts Beruflicher Hintergrund • Wie sind Sie zum Beruf des Journalisten gekommen? • Warum sind Sie Journalist geworden? • Was sind für Sie wichtige Prinzipien und Regeln im Journalismus? Diskussion Stimulusmaterial Ich habe ein paar Bilder und Beispiele mitgebracht, über die ich gerne mit Ihnen diskutieren würde. [Wenn es sich im Laufe der offenen Fragen thematisch ergibt, Stimulusmaterial je nach Gesprächsverlauf einfließen lassen.] Karikaturen • Was halten Sie von dieser Karikatur? [nacheinander die Karikaturen Wahlen, Thronfolger, Schafsubvention, Olmerts Prostata, Ramdan Karim zeigen] • [eventuell durch Nachfrage differenzieren zwischen persönlicher Meinung und tatsächlicher Veröffentlichung.] • Was halten Sie persönlich von der Karikatur? • Würden Sie die Karikatur veröffentlichen, wenn Sie Chefredakteur wären?

Anonymisierte Gesichter • Ich habe hier ein anderes Beispiel aus Ad-Dustur, aber es könnte auch eine andere Zeitung sein. Auf diesen Fotos wurden die Gesichter der Menschen vertuscht. Können Sie sich erklären warum? • [eventuell durch Nachfrage differenzieren nach persönlicher Meinung und tatsächlichem Umgang] • Was halten Sie davon?

A NHANG | 411

Opferbilder • Auf diesen Bildern wurden die Gesichter nicht vertuscht, was ist Ihrer Meinung nach der Unterschied zu den vorhergehenden? [die Bilder Verletzter, Tote Mutter und Attentat zeigen] • Wie ist Ihre generell Meinung zu den Bildern? • Wie würden Sie mit solchen Bildern umgehen, wenn Sie Chefredakteur wären? Wahlwerbung • Ich habe noch zwei aktuelle Beispiele zu den Wahlen mitgebracht. Es ist Zufall, dass es aus Al-Haqiqa Al-Duwaliya stammt. Es könnte ebenso gut aus einer anderen Zeitung kommen. Was halten Sie davon? [Gleichzeitig Stimulus Wahlwerbung 1. Seite und irreführende Wahlwerbung zeigen.] • [Eventuell nachfragen zum Unterschied Wahlwerbung und kommerzielle Werbung und zum Kenntlichmachen von Werbung.] Royally Bored • Ich habe noch ein letztes Beispiel. Ich weiß, es ist etwas sensibel. Aber ich würde gerne Ihre Meinung zu diesem Beitrag wissen. [Beitrag zum Lesen geben, eventuell zusammenfassen] • Denken Sie, dass dieser Beitrag eine Story wert ist? • [eventuell nachfragen] Sollte so etwas veröffentlicht werden – wenn es erlaubt wäre? [eventuell Verweis auf das britische Könighaus oder Prominente] Ressourcenbestimmungen [eventuell aus dem vorher Besprochenen bereits ablesbar] • Alter • Geschlecht • Religion • Ethnische Zugehörigkeit • Zeitung • Ressort • Erfahrungsjahre

412 | W ANDEL IM J OURNALISMUS AUTORITÄRER R EGIME

2. Leitfaden für Experteninterviews mit Journalistenausbildern Vorstellung meiner Person und des Projekts Ethischer Journalismus: Probleme, Ursachen, Lösungen • Definition • Bedeutung für die Gesellschaft • Wichtige ethische Probleme in arabischen Staaten und Jordanien • Ursachen ethischer Probleme • Herausforderungen für die nächsten Jahre und Lösungen • Unterschiede zwischen den Medien • Bedeutung von Kodizes • Bedeutung von Mediengesetzen Journalismusethik in der institutionellen Ausbildung • Ziele der Journalistenausbildung • Art der unterrichteten Kurse an der Universität • Themen der Kurse: Medienwirkung, Gesetze, Medienethik • Art des Unterrichtens: Rollenspiele, Diskussionen, Beispielfälle, Vorlesung • Verwendetes Material: Bücher, Filme, journalistische Beiträge, Einführungswerke auf Arabisch • Unterrichtende Personen: Journalisten, Philosophen, Intellektuelle, religiöse Autoritäten, Wissenschaftler Zustand der Journalistenausbildung in Jordanien • Schlussfolgeurng: Welche Rolle spielt Journalismusethik in der Journalistenausbildung? • Gibt es Änderungs- oder Reformpläne? • Welche inner-journatlistischen und gesellschaftlichen Diskussionen über die Journalistenausbildung gibt es: Berufszeitschrift, Organisationen, Treffen für Ausbilder, Konferenzen etc.? • Welche Möglichkeiten der Einbindung ethischer Fragen gibt es beim on-the-job-training? Hintergrundinformationen • Name, Themenfokus • Curriculum and Bibliographie für die Einrichtung

A NHANG | 413

• Weiter Institutionen, die Journalisten ausbilden • Statistiken über Journalisten in Jordanien • Statistiken über die Graduierten der Einrichtung oder Journalismus-

studierene allgemein • Information für angehende Journalisten (zukünftige Studenten) • Literatur über den Journalismus in Jordanien • Wichtige weitere Gesprächspersonen 3. Leitfaden für Experteninterviews mit Chefredakteuren Hintergrundinfos zum Medium • Anzahl der Journalisten • Anzahl der Redaktionsdepartments • Finanzierung, • Hintergrund der Gründung Leitlinien des Mediums • Politische Ziele • Professionelle Ziele • Grenzen der redaktionellen Freiheit Bedeutung des Mediums für die jordanische Gesellschaft und Medienlandschaft Professionalitätsbegriff Grenzen der Presse- und Meinungsfreiheit im Medium Wichtige Regeln und Prinzipien für Journalisten Spezielle Fragen zum jeweiligen Medium

[im Verlauf der Feldforschung ergänzt: offene Fragen nach weiteren Recherchen und Interviews].

Z Z Ab Ab Z Z Ab 0 Ab Ab Z 0 Am 0 Ab Z Z

Am01 Am02 Am03 Am04 Am05 Am06 Af07 Af10 Af11 Af12 Am13 Am14 Am15 Af16 Af17 Af18 Af19

Z = Zustimmung Ab = Ablehnung Am = Ambivalente Bewertung 0 = Keine Angabe

Wahlen

Akteur / Bewertung

Z Z Z Z Am Z Am Am Ab Ab Ab Ab Am Am Am Z Z

Thronfolger

Schafsubventionen Z Z Z Z Z Z Am Z Z Z Z Z Z 0 0 Z Z Z Z Z Z Ab Z Ab Z Ab Ab Ab Z Ab Z Z Ab Ab

Olmerts Prostata

4. Bewertungen des Stimulusmaterials: Fallübersicht Anonymisierte Gesichter Z Ab Ab Ab 0 Z Z Ab Ab Ab Ab Ab Ab Z Z Z Ab Z Am Z Z 0 Z Am Am Z Ab Z Z Am Z Am Z Ab

Opferbilder Ab Am Ab Ab 0 Z 0 0 Am Am Am Ab Ab Z Ab Z Ab

Wahlwerbung Z Z Ab Ab Ab 0 Ab Ab Ab Ab Ab Am Am Am Am Ab Ab

Königliche Langeweile

414 | W ANDEL IM J OURNALISMUS AUTORITÄRER R EGIME

hoch

mittel

mittel

mittel

hoch

hoch

mittel

hoch

mittel

mittel

mittel

mittel

hoch

gering

gering

gering

gering

Am01

Am02

Am03

Am04

Am05

Am06

Af07

Af10

Af11

Af12

Am13

Am14

Am15

Af16

Af17

Af18

Af19

Journalismus fern

Journalismus fern

Journalismus fern

Journalismus fern

Staatlich

Staatlich

Staatlich

Staatlich

Staatlich

Staatlich

Staatlich

Journalismus fern

Journalismus fern

Journalismus fern

Journalismus fern

Privat

Journalismus fern

Ausbildung

Berufserfahrung gering = 0-4 Jahre Berufserfahrung mittel = 5-10Jahre Berufserfahrung hoch = mehr als 10 Jahre

Berufserfahrung

Akteur /Bewertung

Trans-jord.

Trans-jord.

Paläst.

Paläst.

Trans.-jord.

Trans.-jord.

Trans.-jord

Trans-jord

Trans-jord

Trans-jord

Trans-jord.

Trans.-jord.

Paläst.

Trans.-jord.

Trans.-jord.

Paläst.

Paläst.

Herkunft

5. Ressourcenkonstellation: Übersicht über die Fälle

Tageszeitung

Tageszeitung

Priv. Radio

Priv. Radio

Tageszeitung

Tageszeitung

Tageszeitung

Tageszeitung

Tageszeitung

Staatl. Fernsehen

Staatl. Fernsehen

Wochenzeitung

Tageszeitung

Wochenzeitung

Tageszeitung

Wochenzeitung

Tageszeitung

Arbeitgeber

Frau

Frau

Frau

Frau

Mann

Mann

Mann

Frau

Frau

Frau

Frau

Mann

Mann

Mann

Mann

Mann

Mann

Geschlecht

Opposition

Opposition

Opposition

Opposition

Regime-nah

Regime-nah

Regime-nah

Regime-nah

Regime-nah

Regime-nah

Regime-nah

Opposition

Regime-nah

Opposition

Opposition

Opposition

Opposition

Politische Position (Tendenz)

A NHANG | 415

Kultur und soziale Praxis Marion Schulze Hardcore & Gender Soziologische Einblicke in eine globale Subkultur August 2015, 412 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2732-9

Marcus Andreas Vom neuen guten Leben Ethnographie eines Ökodorfes Juni 2015, 306 Seiten, kart., zahlr. Abb., 27,99 €, ISBN 978-3-8376-2828-9

Gesine Drews-Sylla, Renata Makarska (Hg.) Neue alte Rassismen? Differenz und Exklusion in Europa nach 1989 Mai 2015, 332 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2364-2

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Kultur und soziale Praxis Nadja Thoma, Magdalena Knappik (Hg.) Sprache und Bildung in Migrationsgesellschaften Machtkritische Perspektiven auf ein prekarisiertes Verhältnis April 2015, 352 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2707-7

Martina Kleinert Weltumsegler Ethnographie eines mobilen Lebensstils zwischen Abenteuer, Ausstieg und Auswanderung Januar 2015, 364 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2882-1

Jörg Gertel, Rachid Ouaissa (Hg.) Jugendbewegungen Städtischer Widerstand und Umbrüche in der arabischen Welt 2014, 400 Seiten, Hardcover, zahlr. z.T. farb. Abb. , 19,99 €, ISBN 978-3-8376-2130-3

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Kultur und soziale Praxis Désirée Bender, Tina Hollstein, Lena Huber, Cornelia Schweppe Auf den Spuren transnationaler Lebenswelten Ein wissenschaftliches Lesebuch. Erzählungen – Analysen – Dialoge Januar 2015, 206 Seiten, kart., 26,99 €, ISBN 978-3-8376-2901-9

Yasemin Shooman »... weil ihre Kultur so ist« Narrative des antimuslimischen Rassismus 2014, 260 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2866-1

Tatjana Thelen Care/Sorge Konstruktion, Reproduktion und Auflösung bedeutsamer Bindungen 2014, 298 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2562-2

Naime Cakir Islamfeindlichkeit Anatomie eines Feindbildes in Deutschland 2014, 274 Seiten, kart., 27,99 €, ISBN 978-3-8376-2661-2

Heidrun Friese Grenzen der Gastfreundschaft Die Bootsflüchtlinge von Lampedusa und die europäische Frage 2014, 250 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2447-2

Wiebke Scharathow Risiken des Widerstandes Jugendliche und ihre Rassismuserfahrungen 2014, 478 Seiten, kart., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-2795-4

Jens Adam, Asta Vonderau (Hg.) Formationen des Politischen Anthropologie politischer Felder 2014, 392 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2263-8

Yeliz Yildirim-Krannig Kultur zwischen Nationalstaatlichkeit und Migration Plädoyer für einen Paradigmenwechsel 2014, 260 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2726-8

Jonas Bens, Susanne Kleinfeld, Karoline Noack (Hg.) Fußball. Macht. Politik. Interdisziplinäre Perspektiven auf Fußball und Gesellschaft 2014, 192 Seiten, kart., 27,99 €, ISBN 978-3-8376-2558-5

Christa Markom Rassismus aus der Mitte Die soziale Konstruktion der »Anderen« in Österreich 2014, 228 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2634-6

Forschungsgruppe »Staatsprojekt Europa« (Hg.) Kämpfe um Migrationspolitik Theorie, Methode und Analysen kritischer Europaforschung 2014, 304 Seiten, kart., 24,99 €, ISBN 978-3-8376-2402-1

Henrike Terhart Körper und Migration Eine Studie zu Körperinszenierungen junger Frauen in Text und Bild 2014, 460 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2618-6

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