Von den heroischen Leidenschaften: Zweisprachige Ausgabe 9783787335107, 9783787318070

Die Heroischen Leidenschaften, De gl’heroici furori, sind der letzte der in italienischer Sprache geschriebenen Dialoge

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Von den heroischen Leidenschaften: Zweisprachige Ausgabe
 9783787335107, 9783787318070

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GIOR DANO

WERKE

B RU N O

Meiner

G IOR DA N O BRU N O W E R K E



GIOR DANO

Mit der kritischen Edition von Giovanni Aquilecchia herausgegeben von Thomas Leinkauf

WERKE

B RU N O

BAND 7

F E L I X M E I N E R V E R L AG   ·   H A M B U R G

GIOR DA NO BRU NO DE GL I E ROIC I F U ROR I VON DE N H E ROI S C H E N L E I DE NS C H A F T E N Italienisch – Deutsch

Unter Verwendung der Übersetzung von Christiane Bacmeister grundlegend überarbeitet von Henning Hufnagel Einleitung von Maria Moog-Grünewald Edition des italienischen Originaltextes, Kommentar und Philosophisches Nachwort von Eugenio Canone

F E L I X M E I N E R V E R L AG   ·   H A M B U R G

Diese Ausgabe folgt der unter der Schirmherrschaft des Istituto Italiano per gli Studi Filosofici und des Centro Internazionale di Studi Bruniani bei »Les Belles Lettres« erschienenen kritischen Edition Œuvres Complètes de Giordano Bruno (Paris 1993 – 1999), ediert von Giovanni Aquilecchia, herausgegeben unter der Leitung von Yves Hersant und Nuccio Ordine, mit Ausnahme des vorliegenden Bandes BW VII, der den geringfügig über­ arbeiteten Text der Kritischen Ausgabe De gli eroici furori (Milano 2011), ­herausgegeben von Eugenio Canone, wiedergibt. Wir danken dem Verlag »Les Belles Lettres« für die freundliche Genehmigung zur Verwendung des italienischen Textes. Hervorzuheben ist auch die gute Kooperation mit dem Istituto Italiano per gli Studi Filosofici, dem Centro ­Internazionale di Studi Bruniani und dem Italienischen Außen­ ministerium. Schließlich danken wir der Fritz Thyssen-Stiftung, die auch diesen Band ­großzügig gefördert hat.

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblimographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN 978-3-7873-1807-0 eBook ISBN 978-3-7873-3510-7 Zitiervorschlag: BW VII

www.meiner.de © Felix Meiner Verlag Hamburg 2018. Alle Rechte vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Spei­cherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§  53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Gestaltung: Jens-Sören Mann. Satz: Type & Buch Kusel, Hamburg. Druck: Strauss, Mörlenbach. Bindung: Litges & Dopf, Heppenheim. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­papier (ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706), hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.

I N H A LT

Die Eroici furori – ein ›Poema eroico‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . vii Von Maria Moog-Grünewald I Praeliminaria vii | II  Poiesis. Sprache – Struktur – Genera  xlix |  III  Conclusio  cxxvii

giordano bruno de gli eroici furori von den heroischen leidenschaften Darlegung des Nolaners zu den heroischen Leidenschaften . . . . . 5 Gegenstand der fünf Dialoge des Ersten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Gegenstand der fünf Dialoge des Zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . 25 Gegenstand und Allegorie des Fünften Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . 31 Entschuldigung des Nolaners bei den höchst sittsamen   und anmutigen Damen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Erster Teil der heroischen Leidenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43          

Erster Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Zweiter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Dritter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Vierter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Fünfter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Zweiter Teil der heroischen Leidenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229          

Erster Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Zweiter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Dritter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Vierter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Fünfter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379

vi

inhalt

Notiz zur Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Editorische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Kommentar. Von Eugenio Canone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 Ikonographischer Anhang zum Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 Philosophisches Nachwort. Die Furori im Kontext der ›nolanischen Philosophie‹: Grundthematiken des Werkes und der Schlüsselbegriff der Relation. Von Eugenio Canone . . . . . 633 1. Vorbemerkung  633  |  2. Die autobiographischen Elemente. Das Rätsel der Giulia  646  |  3. Die intellektuelle Liebe  670  |  4. Der Begriff der Relation  683

Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 707 Glossar / Begriffsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 709

DIE EROICI FUROR I – EI N ›POEM A EROICO‹

I Praeliminaria Die heroischen Leidenschaften – so die geläufige Übersetzung von De gli eroici furori – übertreffen an Ruhm alle übrigen Werke Giordano Brunos – und dies zu Recht: Sie sind Höhepunkt und Summa zugleich der italienischen Dialoge und der lateinischen Traktate, der vorgängigen und der nachfolgenden. Der Grund liegt in ihrer Besonderheit: Sie ist in aller Knappheit zu kennzeichnen als poietisch-ästhetische Ausfaltung der spezifisch brunianischen Theoreme, der metaphysischen wie der moralischen, in einem als Dialog gestalteten Text. Performanz ist sein Signum. Es ist die Absicht der nachfolgenden Zeilen aufzuweisen, daß die Eroici furori Repräsentation und Präsenz zugleich sind: Sie repräsentieren in ihrer spezifischen Textualität die metaphysisch begründete Erkenntnistheorie des Nolaners, und sie sind ineins unmittelbarer Ausdruck des ihm eigenen Ingeniums, eines Ingeniums, das sich in Struktur und Bildlichkeit des Textes geradezu entäußert, seine Anschauung gewinnt wie in einem Spiegel. Es ist gleichermaßen unmöglich wie notwendig, Thema und Struktur der Eroici furori zu skizzieren. Unmöglich, weil der Text sich jeglicher thematischen wie strukturellen Linearität absichtsvoll widersetzt, insofern in unterschiedlicher Gewichtung immer ›alles in allem‹ ist. Jede größere Passage ist geeignet, exemplarisch die Intention des gesamten Textes herauszustellen: in ihrer jeweiligen Aussage wie in ihrer der Aussage analogen, ja sie geradezu manifestierenden sprach-bildlichen Gestalt. Und das heißt – in leichter Überbietung: Jede Passage steht in einer bestimmten Weise in Korrespondenz zu allen übrigen Passagen, gewinnt nicht zuletzt aus dieser Korrespondenz mit den übrigen ihren komplexen Sinn. Und dennoch ist es notwendig, von Thema und Struktur eine erste Vorstellung zu vermitteln, um in der Folge die spezifische Literarizität bzw. Poetizität der Eroici furori als partizipatives

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maria moog-grünewald

Analogon1 der in ihnen verhandelten Ontologie und ­Epistemologie zu erweisen. Die Heroischen Leidenschaften, De gli eroici furori, sind der letzte der insgesamt sechs ›italienischen Dialoge‹ Brunos, die sämtlich zwischen 1583 und 1585 in England verfaßt wurden. Sie können nicht nur als Höhe- und Kulminationspunkt des brunianischen Œuvres insgesamt gelten, vielmehr zugleich als ein Werk, in dem sich wie in einem Brennspiegel Philosopheme des ausgehenden Mittelalters – hier ist insbesondere Cusanus2 zu nennen – und der Frühen Neuzeit – hier vor allem der Neuplatonismus – bündeln und in neue Konstellationen treten.3 Sie verfügen zudem über ein hohes Maß an Literarizität, ja Poetizität und reflektieren damit das Selbstverständnis Brunos, das er in seiner Explicatio triginta sigillorum4 in dem Satz formuliert: »[…] philosophi sunt quodammodo pictores atque poëtae, poëtae pictores et philosophi, pictores philosophi et poëtae […] non est enim philosophus, nisi qui fingit et pingit.«5 Poetische Gestaltung Zum Aspekt der Partizipation siehe Schneider: Kosmos, Seele, Text (2012). Forschung zu Cusanus und Bruno seit Mitte des 19. Jahrhunderts (Clemens: Giordano Bruno und Nicolaus von Cusa [1847]) bis auf den heutigen Tag ist zu reich, um hier aufgeführt zu werden. Die prominenteste Studie dürfte die von Blumenberg sein: Aspekte der Epochenschwelle: Cusaner und Nolaner (1976). 3  Vgl. bspw. Spruit: Il problema della conoscenza in Giordano Bruno (1988), S. 298: »Si può dire […], che la strategia filosofica di Bruno sia complessivamente caratterizzata da una contaminazione, in genere difficilmente risolvibile, di pensieri provenienti dalle scuole tradizionali.« Spruit bringt in seiner Studie zahlreiche Belege für die Bezugnahmen Brunos auf die philosophische Tradition – wie im übrigen zahlreiche weitere Forschungsarbeiten. Hervorzuheben ist Thomas Leinkauf: Einleitung, in: Giordano Bruno: De la causa, principio et uno / Über die Ursache, das Prinzip und das Eine. Übersetzung, Einleitung und Kommentar von Thomas Leinkauf, Hamburg 2007 [= BW III], S. ix–cliii. 4  Erschienen 1583 in London: Erläuterung der Gedächtniskunst in der Tradition des Raimundus Lullus. 5  Explicatio triginta sigillorum, in: Opera latine conscripta, ed. F. Fiorentino et al., 3 Bde., Neapoli/Florentiae 1879–91; ND Stuttgart 1962, II/2, S. 133, Z. 20–24. 1 

2  Die



die eroici furori – ein ›poema eroico‹

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und anschauliche Darstellung sind demnach dem Philosophen aufgegeben.6 Welche Gestalt haben die Eroici furori – nüchterner gesagt: Welche Struktur haben sie? Die Eroici furori weisen rein äußerlich zwei Teile auf, deren jeder fünf Dialoge enthält. In den fünf Dialogen des ersten Teils sind Cicada und Tansillo die Gesprächspartner; die fünf Dialoge des zweiten Teils kennen verschiedene Figuren: Cesarino und Maricondo wechseln ihre Worte im ersten und zweiten Dialog; es folgen Liberio und Laodonio, Severino und Minutolo und schließlich Laodomia und Giulia, zwei weibliche Figuren also. Diese äußere Gliederung in zwei Teile entspricht allerdings nicht einer inneren. Die ersten vier Dialoge des ersten Teils bilden eine erste Einheit, der fünfte Dialog des ersten Teils und die beiden ersten Dialoge des zweiten Teils eine weitere und schließlich die letzten drei Dialoge je eine eigene: ein Widerstreit also zwischen äußerer und innerer Gliederung. Das hindert wiederum nicht, daß alle Dialogpartien in ihrer Aussage ausein­ ander hervorgehen, einander variieren und auch in der Folge präzisieren, zudem sämtlich eine formale Besonderheit aufweisen: Die Dialoge nehmen – mit Ausnahme des letzten, zehnten Dialogs – jeweils Bezug auf Gedichte – meist Sonette, zudem Sestinen, eine Kanzone –, die von den Dialogpartnern gelesen, ausgelegt und kommentiert werden. In der Regel wird in dem Sonett eine Aussage in bildhafter Anschaulichkeit, zugleich – paradoxerweise – in Verschlüsselung formuliert, die des Kommentars bedarf, der wiederum in einem nachfolgenden Sonett auf den konzeptistischen Punkt gebracht oder argumentativ weitergeführt wird, um danach erneut kommentiert zu werden. Wiederholung in Variation, zugleich Steigerung im Wechsel sind das Merkmal der Dialoge, die in ihrer Bewegung und Bewegtheit Einheit im Unendlichen erstreben, ohne sie je erreichen zu können.7 Jeder Dialog und DialogSiehe dazu u. a. Ordine: La soglia dell’ombra (2003), insbes. S. 163–229. Auf Nachweise durch genauere Textanalysen ist allerdings verzichtet. 7  Bruno nimmt philosophisch wie ästhetisch-poietisch Konzepte vorweg, die zum Beispiel in der deutschen Romantik und Frühromantik, unter anderem im Konzept der »progressiven Universalpoesie«, wieder aufgenommen 6 

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teil setzt andere Akzente, jede Passage hat einen eigenen und je einzig­ artigen Aussagemodus und die diesem Modus eigene Form. Die ersten vier Dialoge weisen prima vista die Struktur eines kommentierten petrarkisch-petrarkistischen Canzoniere8 auf, insofern die beiden Dialogpartner wechselnd Gedichte, näherhin petrarkisch-petrarkistisch semantisierte Sonette, lesen und jeweils mit wiederum verteilten Rollen interpretieren. Die nachfolgenden zwei bzw. drei Dialoge fingieren die Lektüre und die Kommentierung von insgesamt achtundzwanzig Impresen, die ihrerseits von einem Kommentar in Sonettform begleitet sind. Der vorvorletzte Dialog präsentiert wiederum dialogisch erörterte Sonette, die als ein Frage-Antwort-Widerspiel zwischen Augen und Herz konstelliert sind; der vorletzte Dialog erläutert neun Sonette von neun Blinden, und der letzte Dialog bildet im wesentlichen eine hymnisch-narrative Cauda. Damit wird deutlich: Die Dialoge sind ihrerseits nach dialogunspezifischen Genera und Diskursen modelliert.9 Doch bei aller Vielfalt der Formen verhandeln jeder einzelne Dialog und der Text als ganzer das selbige Thema in immer variierten Zugängen, ja in Umkreisungen, genauer in einkreisenden Bewegungen10: das große Thema der heroischen Leidenschaften. Im Argomento ist zu lesen – der Sprecher ist Bruno selbst11:

werden, ohne daß freilich von einem ›Einfluß‹ gesprochen werden könnte. Der romantische Begriff des Unendlichen bzw. der Unendlichkeit ist von der Vorstellung einer ›Vollendung im Unendlichen‹ bestimmt, er postuliert eine Zusammenführung von Endlichem und Unendlichem, mithin die Einheit von beidem im Unendlichen. Genau dieser Vorstellung entsprechen die eroici furori als Bestrebungen des eroe und die Eroici furori als Text bzw. als Textur.  8  Dazu Genaueres weiter unten S. lxxix ff.  9  Zur Frage der Genera siehe unten S. xlix ff. 10  Zum ›moto metafisico‹ s. u. S. xl; S. xlvii, Anm. 86; S. lxii, Anm. 105 u. ö. 11  Zur Frage der (Nicht-)Identität von Autor und Erzähler siehe Andreas Kablitz: Literatur, Fiktion und Erzähler nebst einem Nachruf auf den Erzähler, in: Irina Rajewski und Ulrike Schneider (Hgg.): Im Zeichen der Fiktion. Aspekte fiktionaler Rede aus historischer und systematischer Sicht. Festschrift für Klaus W. Hempfer zum 65. Geburtstag, Stuttgart 2008, S. 13–44.



die eroici furori – ein ›poema eroico‹

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[…] mi protesto che il mio primo e principale, mezzano et accessorio, ultimo e finale intento in questa tessitura fu et è d’apportare contemplazion divina, e metter avanti a gli occhi et orecchie altrui furori non de volgari, ma eroici amori […] (16/18)

Absicht des Dialogs De gli eroici furori ist es, die Schau des Gött­lichen zu ermöglichen (»apportare contemplazion divina«) und ›andere Begeisterungen‹ zur Vorstellung zu bringen (»metter avanti a gli occhi et orecchie altrui furori«): nicht die gewöhnlichen ›Begeisterungen‹ (»furori non de vulgari«), vielmehr heroische Liebesleidenschaften (»eroici amori«). Es geht zum einen um die Schau des Göttlichen, mit Platon gesprochen: um die Einsicht des Wahren, Guten, Absoluten. Und es geht zum anderen um furori, um ›Begeisterungen‹, enthousiasmoi, die näherhin bestimmt werden als heroische Liebesleidenschaften. Diese Liebesleidenschaften sind heroisch, weil sie ›begeistert‹, ›enthusiasmiert‹ danach streben, das Göttliche zu schauen, wie anderseits die heroischen Begeisterungen ihren Impuls erhalten durch eine Liebe, einen Eros, der seinerseits heroisch ist, weil er auf die Schau des Göttlichen sich richtet. Das ist der Grund, weshalb die in Rede stehenden ›Begeisterungen‹ nicht ›gewöhnlich‹ sind: Sie sind nicht identisch mit den vier furores, den vier maníai, die Platon in Phaidros12 nennt und voneinander unterscheidet, und doch sind auch sie furores, ›Begeisterungen‹, die allerdings in ihrer eigenen Vielzahl und als heroische sich absondern, zudem auf Eros als der treibenden Kraft verwiesen sind. Die neuartige komplexe Relation und Interaktion von ›furore‹, ›amore‹ und ›eroico‹ formuliert Bruno in immer neuen Sach-, Wortund Sprachbildkonstellationen, die nie identisch sind, vielmehr vielfältige Variationen der gedanklichen und sprachlichen Annäherung an das letztlich Undenkbare und Unsagbare: das absolute Eine. Dem entspricht die Wahl des Begriffs ›intento‹: »il mio primo e principale, mezzano ed accessorio, ultimo e finale intento […] fu et è […] d’apportare contemplazion divina, e metter avanti a gli occhi et orecchie altrui furori non de volgari, ma eroici amori […]« Die Schau des Gött12 Platon, Phaidros 265b; vgl. auch 245a (manía der Dichter); Näheres dazu

siehe weiter unten S. lxxvii.

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lichen zu ermög­lichen (»apportare contemplazion divina«) und ›andere Begeisterungen‹ zur Vorstellung zu bringen (»metter avanti a gli occhi et orecchie altrui furori«) ist eine stetige geistige Unternehmung, eine Bestrebung, die letztlich nie an ihr Ziel kommt. Sie ist ineins eine literarische, ja poetische Unternehmung, die mit dem Begriff tessitura13 als Work in Progress gekennzeichnet ist. Demgemäß wird weder hier noch in der Folge eine wie immer statische Deskription, gar Definition der heroischen Leidenschaften selbst gegeben, vielmehr die dynamische Darstellung des Weges – zu Beginn des vierten Dialogs des ersten Teils zutreffend mit dem Wort »discorso« (von lat. discursus, discurrere) bezeichnet –, den die heroischen Leidenschaften, die ›Begeisterungen‹, wie der diesen ›Begeisterungen‹ Gestalt gebende Text nehmen, um das ihnen eigene und gemäße Ziel zu erreichen: Cossì si descrive il discorso de l’amor eroico per quanto tende al proprio oggetto, ch’è il sommo bene; e l’eroico intelletto che gionger si studia al proprio oggetto che è il primo vero o la verità absoluta. (118)

Was im Argomento als Thema und als Form der Eroici furori annonciert ist, wird zu Beginn des vierten Dialogs des ersten Teils noch einmal in Variation aufgenommen – als vorläufiges Ergebnis des bisher zur Sprache und in Sprache Gebrachten (»cossì si descrive il discorso«): Hier sind es die heroische Liebe (»l’amor eroico«) und deren enger Gefährte, der heroische Intellekt (»l’eroico intelletto«)14, die die heroischen Leidenschaften als eine affektiv-kognitive Bewegung qualifizieren. Deren Intention (»tende« und »si studia« im Sinne von ›orientiert sein hin‹ und ›bestrebt sein nach‹) ist es, sich dem höchsten Gut bzw. dem absoluten Wahren in höchstem Maße anzunähern, ja mit ihm identisch zu werden. ✳ ✳ ✳

Furori, Argomento (16/18): »il mio primo e principale […] intento in questa tessitura«. 14  Üblicherweise wird der Intellekt mit dem ihn anspornenden Willen verbunden; die Verbindung des ›amor eroico‹ mit dem ›eroico intelletto‹ ist, wie die weiteren Ausführungen zeigen, eine Variante im semantischen und sprachbildlichen Spektrum der Eroici furori. 13 



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Das Streben des Intellekts nach der Vereinigung mit dem ersten und absolut Wahren, ein platonisches und auch neuplatonisches Konzept, findet sein prägnantestes Anschauungsbild in dem vielkommentierten Sonett über Aktaion15, das sich unmittelbar an die soeben zitierten Sätze anschließt: Alle selve i mastini e i veltri slaccia il giovan Atteon, quand’ il destino gli drizz’ il dubio et incauto camino, di boscareccie fiere appo la traccia.   Ecco tra l’acqui il più bel busto e faccia che veder poss’ il mortal e divino, in ostro et alabastro et oro fino vedde: e ’l gran cacciator dovenne caccia.   Il cervio ch’a’ più folti luoghi drizzav’ i passi più leggieri, ratto voraro i suoi gran cani e molti.   I’ allargo i miei pensieri ad alta preda, et essi a me rivolti morte mi dan con morsi crudi e fieri. (118) 15 

Es dürfte – neben zahlreichen Aufsätzen – kaum eine Monographie zu Giordano Bruno geben, die nicht wenigstens kursorisch auf die brunianische Aufnahme des Aktaion-Mythos einginge. Unter den vielen seien e. g. genannt Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 140–158; Sabbatino: Giordano Bruno e la »mutazione« del Rinascimento (1993), S. 128–157; Mancini: La sfera infinita (2000), S. 75–92; Canziani: Le metamorfosi dell’amore (2001), 213 ff. – Barberi Squarotti: Selvaggia dilettanza (2000) untersucht die Jagd als Topos in der italienischen Literatur von den Anfängen bis zu Marino und vermag so unter anderem, die brunianische Version in die philosophische und literarische Tradition des Topos der Jagd und der mythischen Figur des Aktaion zu stellen. – Eine vielhundertseitige, einläßliche, doch auch verbose Studie zur Bedeutung der Jagdmetapher und zum Aktaion-Mythos bei Bruno hat Bombassaro: Im Schatten der Diana (2003) vorgelegt. In der Prägnanz philosophischer Reflexion unübertroffen bleiben allerdings Beierwaltes: Actaeon (1978), sowie Fellmann: Heroische Leidenschaften und die Entstehung der philosophischen Anthropologie (1989), S. xxviii–xxxiii. – Überflüssig, da ohne einen einzigen neuen Gedanken, ist Gonzales y Reyero: Il «disquarto» di Atteone (2005).

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In intensivster Form wird der Mythos von Aktaion in einem Sonett konfiguriert, ein Mythos, der in einer reichen Überlieferungstradition immer neue Ausprägungen gefunden hat.16 Doch die brunianische Version ist in ihrer eigenwilligen Transkription des Mythos ohne Beispiel. Das Aktaion-Sonett ›kontrahiert‹ – um einen zentralen Begriff Brunos aufzunehmen – Kosmologie, Epistemologie, Anthropologie und ist zugleich in seiner kühnen Bildlichkeit Ausdruck dessen, was Bruno unter philosophischer pictura und poetischer philosophia versteht. Als pars pro toto ist es geeignet, die metaphysischen und erkenntnistheoretischen Voraussetzungen der ästhetischen Gestalt der Eroici furori zu benennen, ihre Textualität – Sprache und Struktur, Metaphorik und Bildlichkeit – als poietische Manifestation der in ihnen verhandelten Metaphysik und Epistemologie zu erweisen.17 Eine Trennung der 16 

Zur Wirkung und Rezeption des Aktaion-Mythos in der europäischen Renaissance siehe vor allem Cziesla: Aktaion polypragmon (1989). Weiterhin u. a. Margolin: Sur quelques figures d’Actéon à la Renaissance (2002); Murphy: The Death of Actaeon as Petrarchist Topos (1991); Ordine: La soglia dell’ombra (2003), S. 144–153; Sabbatino: Giordano Bruno e la »mutazione« del Rinascimento (1992), S. 128–148; Schlam: Diana and Actaeon: Metamorphoses of a Myth (1984). 17  In der jüngeren Forschung ist durchaus hervorgehoben worden (so bspw. Ordine: La soglia dell’ombra [2003], S. 209–229), daß in Brunos italienischen Dialogen Philosophie und Poesie aufeinander verwiesen sind, mithin der poetische Diskurs nicht Akzidens des philosophischen und vice versa ist; allerdings blieb diese Einsicht für die Beschreibung des spezifischen Verhältnisses von Philosophie und Poesie mehr oder minder folgenlos. So berücksichtigt Sabbatino: Giordano Bruno e la »mutazione« del Rinascimento (1993) zwar in entschiedenem Maße die literarischen – rhetorischen, poetischen, thematischmotivlichen, metrischen usw. – Besonderheiten des brunianischen Werkes, insbesondere des Candelaio und der Eroici furori, doch versteht er sie nicht als spezifischen ästhetischen Ausdruck und Folge der brunianischen ›neuen Philosophie‹. Analoges gilt für Ordine: La soglia dell’ombra (2003), der zwar zahlreiche treffende Beobachtungen zu Sprache, Stil, Metrik usw. formuliert, doch wie die übrigen die genaue Analyse für die folgende grundlegende Einsicht schuldig bleibt (216): »Bisogna attivare anche sul piano dell’estetica lo stesso processo di liberazione avviato nelle sfere dell’etica, della cosmologia e della gnoseologia.« Und: »Dal lessico alla sintassi, dal verso alla struttura metrica



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Bereiche – und sei es aus Gründen der Heuristik – ist schwerlich möglich, insofern die Poietik ein strukturelles Analogon der durch sie zur Darstellung gebrachten metaphysischen und epistemischen Theoreme ist, insofern – um es genauer zu formulieren – Metaphysik, Epistemologie und Poetologie auf denselben ontologischen Prinzipen gründen bzw. aus ihnen hervorgehen. Dies exemplarisch im Ausgang des Aktaion-Sonetts und mit Ausgriff auf De gli eroici furori, darüber hinaus auf De la causa, principio et uno und auf De l’infinito, universo et mondi sowie auf De umbris idearum, Sigillus sigillorum und De imaginum, signorum et idearum compositione zu erweisen18, ist die Absicht der nachfolgenden Ausführungen. Sie sind Ausgangspunkt und Basis der Beschreibung der philosophisch begründeten Literarizität der Eroici furori. Dabei könnte es sich allerdings herausstellen, daß der Literarizität eine Bildtheorie zugrunde liegt, die die brunianischen Philosopheme erst ermöglicht hat. Das Verhältnis wäre invers. Das Aktaion-Sonett ist gekennzeichnet als »tutta la somma di questo [sc. discorso]«, während die nachfolgenden fünf Sonette die ihm eignende Ordnung, »l’ordine della quale vien descritto«, zur Vorstellung bringen sollen. Das Aktaion-Sonett ist somit ein Brennspiegel: Es enthält geradezu komplikat, was die nachfolgenden Sonette und jeweiligen Prosatexte ›explizieren‹, indem sie seine ganze Fülle ›ausfalten‹. Mehr

ogni singolo elemento espressivo viene piegato a questa eroica funzione.« – Eine Ausnahme ist der Beitrag von Otto: Die Augen und das Herz (2000). – Die umfangreiche Monographie von Farinelli: Il Furioso nel labirinto (2000) beeindruckt durch die Fülle an Einzelbeobachtungen zu Sprache, Stil, Form(en) der Eroici furori, die Einbeziehung weiterer Werke Brunos und zeitgenössischer literarischer und theoretischer Texte zur Erklärung von Aus­sagen, Bildern, u. ä. Doch auch hier werden die Phänomene eher im Neben- und Nacheinander präsentiert, als in ihrer Bezogenheit aufeinander begründet. 18  Daß die Erkenntnislehre der Eroici furori auf den genannten Grundlagentexten basiert, haben Ciliberto: L’occhio di Atteone (2002), S. 95–109 [dort das Kap. III: »Il gioco degli occhi e del cuore negli Eroici furori«] und sodann Leinkauf: Metaphysische Grundlagen (2005) gezeigt. Ästhetik und Literarizität der Eroici furori bleiben unberücksichtigt.

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noch: Es konfiguriert in nuce die Eroici furori als Ganzes.19 Das Sonett ist in zwei Teile geteilt: Der erste, die beiden Quartette und das erste Terzett umgreifende Teil, referiert auf den Mythos des Aktaion.20 Die mythische Figur des Aktaion ist weniger eine Allegorie, denn eines der vielen Bilder, die die brunianische Philosophie veranschaulichen. Und so ist auch der zweite Teil des Sonetts, das letzte Terzett, nicht so sehr eine Allegorese in bezug auf den ersten Teil, als vielmehr eine präzisierende Applikation. Denn schon Aktaion, der Jäger, il gran cacciator, ist ein Bild für den eroico, den nach dem Wahren, Guten und Schönen Strebenden, seine Jagd ist Metapher für das Streben des heroischen Ich. Das Bild des Jägers, im ganzen die Metaphorik des Jagens kennt in der griechischen und – in Übernahme – römischen Literatur eine lange Tradition21. Philosophisch geht sie auf Platons ›Jagd nach dem Sein‹ (τοῡ ὄντος ϑήρα 22) zurück »als dem Index des Versuchs, die Idee denkend zu erreichen«23. Die Metapher steht für die διαλεκτικὴ μέϑοδος, die sich auf die ἀλήϑεια τῶν ὄντων richtet, zugleich aber auch das Schöne zum Ziel hat, mithin auch Jagdbild für den Eros sein kann. 19 

Nicht nur das Aktaion-Sonett, sondern auch viele andere, ja in gewisser Hinsicht alle Poeme reflektieren die basalen brunianischen Philosopheme in je verschiedenen Sprach- und Bildkonstellationen. 20  Die Geschichte von Aktaion ist mit ihrer ersten sprachlichen bzw. bildliterarischen Gestaltung Mythos, und das heißt: sie ist von Anbeginn funktionalisiert für eine bestimmte Aussage. Genau hierin besteht die Besonderheit dessen, was Mythos zu nennen wir übereingekommen sind: in der Generierung einer Evidenz aus der funktionalen Inanspruchnahme einer Geschichte, die Tradition hat, näherhin die ihre Tradition auf die griechisch-römische Antike zurückführt. Der Mythos ist nicht, er wird gemacht, und er wird immer wieder neu gemacht: mittels einer sprachlich (auch bildlich) und strukturell intentional geordneten Geschichte, deren Funktion es ist, eine bestimmte Aussage zu machen und sie zu evidenzieren. Hierfür ist Brunos Aktaion-Sonett ein ebenso schlagendes wie eigenwilliges Beispiel. 21  Siehe dazu Classen: Untersuchungen zu Platons Jagdbildern (1960) und zuletzt Bombassaro: Im Schatten der Diana (2003), S. 23–194, der »Jagd als Praxis, Metapher und Begriff« sowie »Die Jagd und die Einführung der venatorischen Methode in der Philosophie« darstellt. 22  Phaidon 66c2. 23 Beierwaltes: Actaeon (1978), S. 428.



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Brunos Wahl des Aktaion-Mythos ist somit begründet in der Möglichkeit, die in der platonischen und sodann neuplatonischen Ontologie so omnipräsente Jagd-Metapher24 wieder aufzunehmen, jedoch in einem entscheidenden Aspekt zu transformieren und dergestalt für die ihm eigene Erkenntnistheorie wie Poetologie figurativ fruchtbar zu machen. Die Aktaion-Figuration und ihr Kommentar machen die ontologisch-epistemologische Wendung quasi unter der Hand evident. So ist Aktaion der Intellekt, der die göttliche Weisheit oder Wahrheit zu erjagen intendiert, diese in der Ansehung göttlicher Schönheit zu erfassen sucht.25 Die beiden Satzteile »l’intelletto intento alla caccia della divina sapienza, all’apprension della beltà divina« insinuieren eine Beiordnung von »caccia della divina sapienza« und »apprension della beltà divina«. Tatsächlich aber stehen zwei differente epistemologische Modi in Rede, wie die Folge des Kommentars deutlich macht: Aktaion »macht die Bluthunde und Windhunde los«, die – schneller und kräftiger als der Jäger, mithin als der Intellekt – ihrerseits für den Willen stehen: »Denn die Tätigkeit des Intellekts geht der Tätigkeit des Willens voraus.«26 Wenn Bruno sodann feststellt, daß der Wille kräftiger und wirksamer sei als der Intellekt, es dem menschlichen Verstand aber eher gelinge, »die göttliche Güte und Schönheit zu lieben als zu begreifen«, dann sucht er, ›die schwache Sache stark zu machen‹: In einem scheinbar unvermittelten Argumentationsumschlag ist es nicht mehr Im Schatten der Diana (2003) hat in Kap. 3 und in Kap. 4 seiner Studie das geradezu ubiquitäre Vorkommen der Jagdmetapher und des Aktaion-Mythos in den lateinischen und den italienischen Schriften Brunos aufgewiesen. 25  Furori I,4 (118): »Atteone significa l’intelletto intento alla caccia della divina sapienza, all’apprension della beltà divina.« Die Intentionalität, mithin das Streben, und eben nicht die Verwirklichung findet Ausdruck in den Begriffen ›intendere‹ und ›apprendere‹ bzw. ›apprension‹, letzterer in Unterscheidung von ›comprendere‹ bzw. ›comprension‹: Für den menschlichen Intellekt ist nurmehr ein ›comprendere‹, eine ›comprension‹ möglich, nicht ein ›apprendere‹, eine ›apprension‹. 26  Furori I,4 (118/120): »Costui slaccia ›i mastini et i veltri‹: de quai questi son più veloci, quelli più forti. Perché l’operazion de l’intelletto precede l’operazion della voluntade; ma questa è più vigorosa et efficace che quella: […].« 24 Bombassaro:

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das Intelligible, das der Verstand zu erkennen trachtet und – platonisch – prinzipiell auch zu erkennen vermag, vielmehr ist es »die göttliche Güte und Schönheit, die der Intellekt liebt«. »Zudem – so fährt Bruno fort – ist es die Liebe, welche die Vernunft dazu bewegt und antreibt, daß sie ihr wie eine Laterne vorangehe.«27 Bruno kontaminiert, ja hybridisiert platonische Erkenntnistheorie, die in der Jagdmetapher ihre Anschauung gewonnen hat, mit der Eroslehre der Diotima in Platons Symposion, die ihrerseits wiederum Ficino in seinem Symposion-Kommentar aufgenommen hat.28 Nach Ficino erzeugt die göttliche Schönheit die Liebe in der Welt und damit auch in der Seele des Liebenden, der seine Liebe wiederum auf die göttliche Schönheit richtet und in dieser Liebe das Göttliche erfährt. Die sichtbare Schönheit der Welt verweist dabei auf die letztlich unsichtbare göttliche Schönheit, nach der – wie Ficino in Commentarium in Con­ vivium Platonis De amore formuliert – »alle Wesen Verlangen tragen, in dessen Besitz sie alle Ruhe finden«29. Ganz in diesem Verständnis liest man bereits im dritten Dialog des Ersten Teils: Furori I,4 (120): »[…] atteso che a l’intelletto umano è più amabile che comprensibile la bontade e bellezza divina, oltre che l’amore è quello che muove e spinge l’intelletto acciò che lo preceda come lanterna.« 28  Vgl. dazu Spruit: Il problema della conoscenza (1988), S. 236–251 (2. Amor & cognitio). Spruit berücksichtigt außer Ficino auch Thomas von Aquin. Zum Problem insgesamt vgl. die differenzierte Studie von Leinkauf: Liebe als universales Prinzip (2009). 29  Marsilio Ficino: Commentarium in Convivium Platonis De amore II, ii: »Divina vero hec speties in omnibus amorem, hoc est, sui desiderium procreavit. Quondam si deus ad se rapit mundum mundusque rapitur, unus quidam continuus astractus est a deo incipiens, transiens in mundum, in deum denique desinens, qui quasi circulo quodam in idem unde manavit iterum remeat. Circulus itaque unus et idem a deo in mundum, a mundo in deum, tribus nominibus nuncupatur. Prout in deo incipit et allicit, pulchritudo/; prout in mundum transiens ipsum rapit, amor; prout in auctorem remeans ipsi suum opus coniungit, voluptas. […] Idem enim deus est, cuius spetiem desiderant omnia, in cuius possessione omnia requiescunt.« – »Die göttliche Schönheit hat in allen Dingen die Liebe, d. i. das Verlangen nach ihr selbst, erzeugt. Da eben Gott die Welt zu sich hinzieht und die Welt zu ihm hingezogen wird, so besteht eine dauernde Anziehung zwischen Gott und der Welt, welche von 27 



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Tutti gli amori (se sono eroici e non son puri animali […]) hanno per oggetto la divinità, tendeno alla divina bellezza, la quale prima si comunica all’anime e risplende in quelle, e da quelle poi o (per dir meglio) per quelle poi si comunica alli corpi: onde è che l’affetto ben formato ama gli corpi o la corporal bellezza, per quel che è indice della bellezza del spirito. […] Questa mostra certa sensibile affinità col spirito a gli sensi più acuti e penetrativi […] (98)

Die Bedeutung der oben zitierten Eingangssätze des vierten Dialogs wird damit ebenso evident wie die der Aktaion-Figuration: Aktaion, der Jäger, strebte danach, das höchste, das absolute Gut zu erkennen, doch – »ecco« – was er tatsächlich mit den inneren Augen sah (»vedde«), ist allein die äußere schöne Erscheinung – »il più bel busto e faccia« (118) –, »das Mensch und Gott je wohl zu seh’n vermögen« – und dies »zwischen den Wassern«, »tra l’acqui«, und das heißt: ›im Wasser gespiegelt‹. So auch der Kommentar: »nel specchio de le similitudini, nell’opre dove riluce l’efficacia della bontade e splendor divino« (120). Die sinnenfällige Schönheit als Spiegel göttlicher Gutheit und gött­ lichen Glanzes aufzufassen, mithin als Simulacrum30, folgt durchaus Gott ausgeht, auf die Welt sich überträgt und in Gott zum Abschluß kommt, demnach sozusagen im Kreislauf zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt. Ein und derselbe Kreislauf also, nämlich von Gott zur Welt und von der Welt zu Gott hin, wird auf dreifache Weise benannt. Insofern er in Gott entspringt und zu ihm hinzieht, heißt er Schönheit, insofern er auf die Welt sich erstreckt und sie an sich reißt, wird er Liebe genannt; insofern er, zum Urheber zurückkehrend, diesen mit seiner Schöpfung verbindet, heißt er Genuß. […] denn es ist derselbe Gott, nach dessen Schönheit alle Wesen Verlangen tragen, in dessen Besitz sie alle Ruhe finden.« – Marsilio Ficino: Über die Liebe oder Platons Gastmahl (= Commentarium in Convivium Platonis de amore). LateinischDeutsch. Übers. von Karl Paul Hasse. Hg. und eingel. von Paul Richard Blum, Hamburg 31994, S. 38 f. 30  Um bereits hier einem möglichen Mißverständnis vorzubeugen: Simulacrum ist bei Bruno wie in der gesamten platonisch-neuplatonischen Tradition im Sinne von Bild, Abbild zu verstehen, nicht im postmodernen Sinne des Trugbilds. Das bedeutet allerdings nicht, da die Postmoderne die Tradition, auf der sie aufruht, nicht kennte; sie leugnet sie allerdings bzw. verkehrt sie intentional.

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platonisch-neuplatonischem Verständnis. Doch die entscheidende Differenz – auch zu Ficino und darüber hinaus zu Plotin31 – besteht darin, da die göttliche Güte und der göttliche Glanz überhaupt nur in ihrer Wirkung, mithin mittelbar erfahrbar sind: in der äußeren Erscheinung des schönen Körpers und Antlitzes, hier eine Metonymie für Diana, ineins eine Metapher für das Universum, die Natur, die Welt. An keiner anderen Stelle in den Eroici furori wird die Spezifik und die Reziprozi31 

Von Interesse ist gerade in diesem Zusammenhang eine der eindrucksvollsten Passagen aus Plotins Enneades (Ennead. I,6,8, in: Plotins Schriften, übers. von Richard Harder, Bd. 1, Hamburg 1956, S. 20): ἰδόντα γὰρ δεῖ τὰ ἐν σώμασι καλὰ μήτοι προστρέχειν, ἀλλὰ γνόντα ὥς εἰσιν εἰκόνες καὶ ἴχνη καὶ σκιαὶ φεύγειν πρὸς ἐκεῖνο οὗ ταῦτα εἰκόνες. εἰ γάρ τις ἐπιδράμοι λαβεῖν βουλόμενος ὡς ἀληθινόν, οἷα εἰδώλου καλοῦ ἐφ᾽ ὕδατος ὀχουμένου, ὁ λαβεῖν βουληθείς, ὥς πού τις μῦθος, δοκῶ μοι, αἰνίττεται, δὺς εἰς τὸ κάτω τοῦ ῥεύματος ἀφανὴς ἐγένετο – τὸν αὐτὸν δὴ τρόπον ὁ ἐχόμενος τῶν καλῶν σωμάτων καὶ μὴ ἀφιεὶς οὐ τῷ σώματι, τῇ δὲ ψυχῇ καταδύσεται εἰς σκοτεινὰ καὶ ἀτερπῆ τῷ νῷ βάθη, ἔνθα τυφλὸς ἐν Ἅιδου μένων καὶ ἐνταῦθα κἀκεῖ σκιαῖς συνέσται. (»Denn wer die körperliche Schönheit betrachtet, der darf sich nicht an sie verlieren, sondern er muß erkennen, daß sie ein Bild und eine Spur und ein Schatten ist, und fliehen zu dem, dessen Abbild sie darstellt. Denn wenn einer hinstürmte und das als etwas Wahres erfassen wollte, was doch nur ein schönes Spiegelbild im Wasser ist, dann wird es ihm ebenso gehen, wie dem­jenigen, von dem ein Mythos zu berichten weiß, daß er ebenfalls ein Spiegelbild ergreifen wollte und dabei in der Tiefe des Gewässers verschwand; auf dieselbe Weise wird der, der an der körperlichen Schönheit festhält und nicht von ihr lassen will, nicht mit dem Körper, sondern mit der Seele in finstere und dem Geiste grauenvolle Abgünde versinken, wo er als ein Blinder im Orkus weilt und, dort wie hier, mit Schatten verkehrt.« (In der Übersetzung folge ich nicht Harder, sondern Erwin Panofsky: Idea. Ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie, Berlin 51985, S. 16.) Der Mythos, auf den Plotin verweist, ist der Mythos von Narziß. Bruno nimmt dessen Bildlichkeit auf – das Erblicken eines schönen Spiegelbildes im Wasser –, ordnet sie Aktaion und Diana zu und gibt ihr eine gänzlich differente Valenz: Nicht nur daß das Bild, die Spur, der Schatten das Einzige sind, das überhaupt erkannt werden kann, vielmehr werden sie gnoseologisch aufgewertet, ja umgewertet. In dieser Umwertung wird einmal mehr die Differenz der nolana filosofia zu Platonismus und Neuplatonismus deutlich. Gleichwohl bleibt aber auch für Bruno das »abita[re] il mondo intelligibile« (Furori I,4 [146]) das Ziel des heroischen discorso.



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tät der brunianischen Erkenntnistheorie und Kosmologie bzw. Ontologie derart knapp und präzise zugleich ins Bild gesetzt – ins Bild von Aktaion und Diana als deren poetisches Analogon. Wie ist dies im einzelnen zu verstehen? Beginnen wir mit der Kosmologie bzw. Ontologie. Was der Intellekt, repräsentiert durch Aktaion bzw. durch den Heros, tatsächlich zu sehen vermag, ist nicht das Absolute, das Eine, mithin das Göttliche selbst, an anderer Stelle figuriert in Apollo32, vielmehr ist es das Universum, die Welt, die Natur, figuriert in Diana und im Sonett umschrieben mit »più bel busto e faccia«. Was darunter zu verstehen ist, erläutert der Kommentar: […] cioè potenza et operazion esterna che vedersi possa per abito et atto di contemplazione et applicazion di mente mortal o divina, d’uomo o dio alcuno. (120)

Die Begriffe »potenza et operazion esterna« rekurrieren auf den scholastischen Begriff der Potenz und dessen Unterscheidung von bzw. Übereinstimmung mit Akt. In ihrer tradierten Bedeutung sind die auch an anderen Stellen von Bruno gebrauchten Begriffe Akt und Potenz ontologische Begriffe für Seinsmodi: Das absolute göttliche Sein ist bestimmt durch die Identität von Potenz und Akt. In Brunos Schrift De la causa, principio et uno liest man dazu: […] ogni essenzia, necessariamente è fondata sopra qualche essere: eccetto che quella prima che è il medesimo con il suo essere, perché la sua potenzia è il suo atto, perché è tutto quel che può essere […].33 Vgl. hierzu eine der zahlreichen Stellen aus Furori II,2 (314): »[…] a nessun pare possibile de vedere il sole, l’universale Apolline e luce absoluta per specie suprema et eccellentissima; ma sì bene la sua ombra, la sua Diana, il mondo, l’universo, la natura che è nelle cose, la luce che è nell’opacità della materia: cioè quella in quanto splende nelle tenebre.« 33  Causa, dialogo 4, in: BW III, S. 194. Zum Verhältnis von absolutem Sein, Weltseele und Universum siehe Leinkauf in: Einleitung (2007), lxix–cxiii [= BW III], insbesondere S. lxxiii–xci des systematischen Grundrisses von De la causa. Vgl. auch ebd., S. 438 f., Anm. 68 zur oben zitierten Passage. 32 

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Das göttliche Sein ist, was es sein kann.34 Diese Prämisse fundiert das göttliche Sein, das ›Eine‹, als die absolute Transzendenz gegenüber der Welt, der Natur, dem Universum. Und das heißt: Das Universum verfügt nicht über eine konstitutive Möglichkeit, die zugleich der Grund seiner Verwirklichung wäre, sondern verweist über sich hinaus auf die absolute Identität von Akt und Potenz.35 Zwischen der göttlichen Identität und ihrer Effektuierung in der Weltmaterie kennt Bruno aber eine vermittelnde Instanz, die neuplatonische Konzeption einer Weltseele, die als das ›Auge der Welt‹ alle Dinge intrinsisch in sich enthält und zugleich extrinsisch von der göttlichen Substanz getrennt ist. So ist sie nicht nur Wirkursache (causa efficiente), sondern auch Formalursache (causa formale), insofern sie alles Seiende in seiner jeweiligen Eigenart hervorbringt. Damit aber erhält die scholastische Konzeption von Akt und Potenz eine neue ontologische Valorisierung: Um die Potenz der Materie zur Aktualität der Weltform hervorzutreiben, muß die Weltseele alle Formen des Seins immer schon als mögliche präfigurieren: […] per tanto questo intelletto36 che ha facultà di produre tutte le specie, e cacciarle con sì bella architettura dalla potenza della materia a l’atto, bisogna che le preabbia tutte, secondo certa raggion formale, senza la quale l’agente non potrebe procedere alla sua manifattura […].37 34 Vgl. Causa, dialogo 3, in: BW III, S. 168–173 sowie der Kommentar dazu.

Vgl. dazu auch die zentrale Stelle aus Causa, dialogo 3, in: BW III, S. 170/172: »Lo universo che è il grande simulacro, la grande imagine e l’unigenita natura, è ancor esso tutto quel che può esser per le medesime specie e membri principali e continenza di tutta la materia; alla quale non si aggionge e dalla quale non si manca, di tutta et unica forma: ma non già è tutto quel che può essere per le medesime differenze, modi, proprietà et individui; però non è altro che un’ombra del primo atto e prima potenza, e per tanto in esso la potenza e l’atto non è assolutamente la medesima cosa, per che nessuna parte sua è tutto quello che può essere. Oltre che in quel modo specifico che abbiamo detto, l’universo è tutto quel che può essere, secondo un modo esplicato, disperso, distinto: il principio suo è unitamente et indifferentemente; perché tutto è tutto et il medes­mo semplicissimamente, senza differenza e distinzione.« 36  Intelletto hier verstanden als Funktion der Weltseele. 37  Causa, dialogo 2, in: BW III, S. 98. 35 



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Die im scholastischen System nurmehr transzendent verortete Identität von Akt und Potenz wird über die neuplatonische Konzeption der vermittelnden Weltseele immanentisiert – freilich nicht dergestalt, daß das Seiende eine Reduplicatio des absoluten Seins wäre, mithin in dem Sinne, daß es gleichfalls alles ist, was es sein kann. Vielmehr wird das Seiende zum Vorgriff auf die Vollkommenheit einer ontologischen Aktualität, die sich in der Potentialität des unendlich individuierten Seienden gleichsam abspiegelt. Somit realisiert sich die Potenz nicht mehr im mit ihr identischen Akt, vielmehr entäußert sie sich in der unendlichen Vielheit des individuierten Seienden und wird als »operazion esterna«38 sichtbar.39 Es ist nun diese Sichtbarkeit des Gött­ Vgl. dazu auch den Kommentar zu dieser Stelle in Giordano Bruno: Dialoghi filosofici italiani, a cura e con un saggio introduttivo di Michele Ciliberto, Milano 2000, S. 1400, n. 14, der die in Frage stehende Passage allerdings nicht vor dem Hintergrund der ontologischen Seinsmodi Akt und Potenz liest, sondern erkenntnistheoretisch: »questo significa che l’eroe contempla Dio nella totalità dell’universo esplicato, senza cogliere l’intimo della sostanza divina, strutturalmente estraneo alla comprensione umana.« 39  Dazu die zentrale Stelle aus dem dritten Dialog von De la causa: »Or contempla il primo et ottimo principio, il quale è tutto quel che può essere; e lui medesimo non sarebe tutto, se non potesse essere tutto: in lui dumque l’atto e la potenza son la medesima cosa. Non è cossì nelle altre cose, le quali quantumque sono quello che possono essere, potrebono però non esser forse; e certamente altro, o altrimente che quel che sono: perché nessuna altra cosa è tutto quel che può essere. Lo uomo è quel che può essere, ma non è tutto quel che può essere. […] Quello che è tutto che può essere, è uno, il quale nell’esser suo comprende ogni essere. Lui è tutto quel che è, e può essere qualsivogli’altra cosa che è e può essere. Ogni altra cosa non è cossì: però la potenza non è equale a l’atto, perché non è atto assoluto ma limitato; […] Ogni potenza dumque et atto che nel principio è come complicato, unito et uno, nelle altre cose è esplicato, disperso e moltiplicato. Lo universo che è il grande simulacro, la grande imagine e l’unigenita natura, è ancor esso tutto quel che può esser per le medesime specie e membri principali e continenza di tutta la materia; alla quale non si aggionge e dalla quale non si manca, di tutta et unica forma: ma non già è tutto quel che può essere per le medesime differenze, modi, proprietà et individui; però non è altro che un’ombra del primo atto e prima potenza, e per tanto in esso la potenza e l’atto non è assolutamente la medesima cosa, per 38 

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lichen in der Immanenz und seine Wahrnehmung40, die den ›Jäger‹ zur ›Jagdbeute‹ werden läßt. Die Kernstelle des Sonetts: »e’l gran cacciator dovenne caccia« – »und der große Jäger wurde selbst zur Jagdbeute« – und der darauf bezogene erläuternde Kommentar sind in diesem Verständnis zu lesen: Cossì Atteone con que’ pensieri, que’ cani che cercavano estra di sé il bene, la sapienza, la beltade, la fiera boscareccia, et in quel modo che giunse alla presenza di quella, rapito fuor di sé da tanta bellezza, dovenne preda, veddesi convertito in quel che cercava; e s’accorse che de gli suoi cani, de gli suoi pensieri egli medesimo venea ad essere la bramata preda, perché già avendola contratta in sé, non era necessario di cercare fuor di sé la divinità. (122)

Wenigstens drei Begriffe der zitierten Passage sind von Belang: raptus41, conversio42 und contractio43, Begriffe, deren jeder geradezu paradigmatisch für die metaphysisch begründete Epistemologie im allgemeinen, des ›heroischen‹ Intellekts im besonderen einsteht und die zugleich aufeinander verwiesen sind. Zunächst: Ein raptus ergreift den ›Jäger‹ – nicht angesichts des Göttlichen, mithin des absoluten Einen, des Wahren, Guten und Schönen selbst, vielmehr in Reaktion auf die Wahrnehmung seiner Erscheinung in der Natur: »[…] nel specchio de che nessuna parte sua è tutto quello che può essere. Oltre che in quel modo specifico che abbiamo detto, l’universo è tutto quel che può essere, secondo un modo esplicato, disperso, distinto: il principio suo è unitamente et indifferentemente; perché tutto è tutto et il medesmo semplicissimamente, senza differenza e distinzione.« Causa, dialogo 3, in: BW III, S. 168–172. – Verwiesen sei auf die überzeugende Strukturierung des ordo rerum von Leinkauf in: Einleitung (2007), lxix–cxiii [= BW III]. 40  Hier ist einer der vielen Hinweise darauf, daß in Brunos Ontologie und Kosmologie »das Eine zugleich transzendent und immanent ist, sofern es einerseits absoluter Grund allen Seins ist und sofern andererseits alles, was ist, nur eingeschränkter, abbildhafter, kontrakter Ausdruck ebendieser Einheit selbst ist«. (Leinkauf: Einleitung [2007], lxxvii, n. 153 [= BW III].) – Dazu Näheres weiter unten. 41  Furori I,4 (122): »rapito fuor di se da tanta bellezza«. 42  Ebd.: »veddesi convertito«. 43  Ebd.: »la bramata preda […] già avendola contratta in se«.



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le similitudini, nell’opre dove riluce l’efficacia della bontade e splendor divino.« (120)44 Der raptus wird ausgelöst nicht sowohl durch die reine Erscheinung des Göttlichen bzw. der göttlichen Wahrheit selbst als durch deren Plötzlichkeit: »[…] la divina verità« – so an anderer Stelle – »non proviene con misura di moto e tempo […]; ma subito e repentinamente secondo il modo che conviene a tale efficiente.« (364) Erblindung kann die Folge sein. Ihre spezifische Figuration findet sie im dritten der neun Blinden, »il qual dice esser dovenuto cieco per essere repentinamente promosso dalle tenebre a veder una gran luce […]« (348). Plötzlich – »subito« – habe eine himmlische Schönheit, eine göttliche Sonne seinen Augen sich dargeboten (ebd.), und er, gewohnt nur gewöhnliche Schönheiten zu erblicken, sei erblindet. Doch anders als der ›dritte Blinde‹45 verliert Aktaion bei Ansehung der göttlichen Schönheit nicht sein Augenlicht, vielmehr wird er ›hingerissen‹ (»rapito fuor di sé da tanta bellezza«): Aktaion ›gerät außer sich‹. Der raptus, die Ekstasis löst eine conversio aus – »veddesi convertito«. Indes ist der raptus und die durch ihn ausgelöste conversio bei aller offensichtlichen semantischen und sachlichen Übereinstimmung keine mystische Erfahrung, sondern ein Erkenntnisakt. Nicht eine unio mystica findet statt, mithin die Vereinigung der Seele mit dem Einen selbst, vielmehr ist es der vom Willen getriebene Intellekt, der die Schönheit des Universums als Abbild des Göttlichen wahrnimmt46 und der, von Vgl. hierzu eine der vielen möglichen Äußerungen in Causa, dialogo 2, in: BW III, S. 88: »[…] della divina sustanza, sì per essere infinita, sì per essere lontanissima da quelli effetti, che sono l’ultimo termine del corso della nostra discorsiva facultade, non possiamo conoscer nulla, se non per modo di vestigio […], di remoto effetto […], di spechio, ombra et enigma […].« – In den Eroici furori ist neben vielen weiteren Passagen die Bezugnahme auf Platons Höhlengleichnis von Interesse, ohne daß allerdings die platonischen Konsequenzen gezogen würden: »[…] perché veggiamo non gli effetti veramente, e le vere specie de le cose, o la sustanza de le idee, ma le ombre, vestigii e simulacri de quelle, come color che son dentro l’antro et hanno da natività le spalli volte da l’entrata della luce, e la faccia opposta al fondo: dove non vedeno quel che è veramente, ma le ombre de ciò che fuor de l’antro sustanzialmente si trova.« (368) 45 Siehe Furori II, 4 (348/350). 46  Erhellend ist eine Passage am Ende des zweiten Dialogs des Ersten Teils, 44 

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deren Wahrnehmung ›hingerissen‹, sich in ebendie wahrgenommene Schönheit verwandelt, konvertiert.47 Letzteres bedarf einer Erläuterung: Es ist offensichtlich, daß Begriff und Sache der conversio – im weiteren Text werden die Wörter »converte« bzw. »si converte« noch einmal aufgenommen – neuplatonische Philosopheme sind. ›Conversio‹ und ›converti‹, ›Umkehr‹ im Sinne von ›Rückkehr‹, ist das späte lateinische Äquivalent des griechischen Wortes epistrophê48. Bei Platon (Timaios) hat epistrophê einen zugleich kosmologischen und noologischen Sinn: Der Kreis ist die vollkommene die einmal mehr ein Beispiel ist für die den ganzen Text kennzeichnenden Verweisungen, Wiederaufnahmen in Veränderung, Präzisierungen durch Sinn­ erweiterungen – es ist die Rede von den drei Modalitäten des platonischen raptus: »Sai bene che come il rapto platonico è di tre specie, de quali l’uno tende alla vita contemplativa o speculativa, l’altro a l’attiva morale, l’altro a l’ociosa e voluptuaria: cossì son tre specie d’amori; de quali l’uno dall’aspetto della forma corporale s’inalza alla considerazione della spirituale e divina; l’altro solamente persevera nella delettazion del vedere e conversare; l’altro dal vedere va a precipitarsi nella concupiscenza del toccare.« Furori I, 2 (84). Liebe ermöglicht Erkenntnis, nicht anders als der Intellekt auf den Willen als Motor angewiesen ist. Das Verhältnis von amor und cognitio wird immer wieder neu austariert, die Gewichtungen sind variabel. 47  Aus der Fülle der Beispiele sei aus Furori II,1 der Kommentar zur zehnten Imprese zitiert, eine Passage, die über das Thema der Liebe deutlichen Bezug zum Aktaion-Sonett und dessen Kommentar hat: »L’amor dunque […] viene ad esser presto, furtivo, improvisto e subito. […] ogni cosa naturalmente appete il bello e buono, e però non vi bisogna argumentare e discorrere perché l’affetto si informe e conferme; ma subito et in uno instante l’appetito s’aggionge a l’appetibile, come la vista al visibile.« (284) 48  Siehe dazu H. Jacobsohn: ›Conuersio‹, in: TLL 4 (1906–1909), Sp. 853– 856; ders.: ›Conuerto‹, in: ebd., Sp. 858–869; Henry Pinard de la Boullaye: ›Conversion‹, in: Dictionnaire de Spiritualité ascétique et mystique […], II, Paris 1953, S. 2224–2265; Pierre Hadot: ›Conversio‹, in: HWPh 1 (1971), Sp. 1033–1036; ders.: Conversion, in: Exercices spirituels et philosophie antique, Paris 1981 [= Études Augustiniennes], S. 175–182; ders.: Epistrophè et metanoia dans l’histoire de la philosophie, in: Histoire de la philosophie. Méthodologie, antiquité et Moyen Âge, Amsterdam 1953 [= Actes du Xième Congrès international de philosophie, Bruxelles, 20–26 août 1953 – vol. Xii].



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Bewegung, und er ist gleichursprünglich das Symbol für die den Geist kennzeichnende Rückkehr zu sich selbst. Für die Neuplatoniker ist die epistrophê das grundlegende Gesetz der sinnenhaften wie der intelligiblen Welt. Für Plotin wie für Porphyrios ist die Konstituierung des Seins Hervorgang und Rückkehr der Dinge zu ihrem Ursprung, ist – um bereits mit den Begriffen der Patristen zu reden – progressio und regressus, creatio und conversio. Wie in der neuplatonischen Tradition bedeutet auch bei den Patristen der Begriff conversio Rückkehr zu dem im Innersten der Seele gegenwärtigen Gott, der Wahrheit, Licht und Vernunft ist. In diesem Verständnis scheint durchaus der bereits zitierte Satz formuliert: »[…] veddesi convertito in quel che cercava; e s’accorse che de gli suoi cani, de gli suoi pensieri egli medesimo venea ad essere la bramata preda, perché già avendola contratta in sé, non era necessario di cercare fuor di sé la divinità.« (122) Doch der Unterschied zum traditionellen neuplatonischen conversio-Verständnis ist markant: Das brunianische ›Göttliche in uns‹, »la divinità«, ist nicht gleichzusetzen mit dem neuplatonischen ›Einen in uns‹, insofern das neuplatonische ›Eine in uns‹49 nicht eine Folge des Ansichtigwerdens des Göttlichen im Spiegel der Natur, des »schönsten Körpers und des schönsten Gesichts« ist. Eine minime, doch von der Sache her entscheidende Umakzentuierung des neuplatonischen conversio-Verständnisses hat stattgefunden. Darauf weist zunächst die Figura etymologica, die im Sonett gebraucht ist: »e ’l gran cacciator dovenne caccia«. Sie versteht die conversio in der Variation der Sememe ›caccia-‹ als ein Rückgang in das, was bereits als selbiges potentiell angelegt ist: der »cacciator« konnte zur »caccia« werden, weil er das, was er zu erjagen gedachte, mithin mit seinem »intelletto« erkannte und seiner »voluntade« erstrebte, bereits in sich selbst hatte: »perché avendola contratta in sé, non era necessario di cercar fuor di sé la divinità«. Eindeutiger noch: Die conversio, i. e. die ›Rückkehr‹, ereignet sich in dem Augenblick, als der ›Jagende‹, i. e. der Strebende, die Gottheit in ihrer Schönheit und Wahrheit als Spiegelung, als Simulacrum erkennt, eine Schönheit, die als Abglanz der Gottheit in ihrer Immanenz auf die Transzendenz verweist. Dies ist auch der Grund, weshalb die ›Hunde‹, also die »pensieri«, die ›Gedanken‹, die als ›Jagd49 

So Beierwaltes: Actaeon (1978).

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helfer‹ ausgesandt wurden, die erstrebte Beute zu erfassen, sich auf den zur Jagdbeute ›konvertierten‹ Jäger selbst stürzen: Das Erstrebte ist als das Transzendente in der Immanenz selbst zu finden: »perché avendola contratta in sé, non era necessario di cercar fuor di sé la divinità«. Nicht also eine neuplatonisch konzipierte Rückkehr in das transzendent Eine mittels des ›Einen in uns‹ ist hier in Rede gebracht, mithin eine Reflexion auf ›das wahre Selbst‹50; vielmehr findet eine conversio im Modus der contractio statt. Im Begriff der contractio wiederum werden die Stufen der Wirklichkeit aufgerufen, die in der Tradition des Cusanus verstanden werden als complicatio des Einen, Absoluten, Göttlichen, als dessen explicatio im Universum, in der Natur, und wiederum als dessen contractio im einzelnen, im Individuum.51 Alles, was das absolute Eine in vollkommener Weise, und das heißt als umfassende Einfaltung (complicatio) des Seienden, in sich enthält, ist entfaltet im Universum als unendliche Vielheit, als Allheit der Einheit; es ist Bild, imago, similitudo, simulacrum des Einen.52 Das Einzelseiende wiederum kontrahiert in sich das ganze Universum, partizipiert am Universum und am ins Universum entfalteten Einen. Das Raffinement des kontextuellen Gebrauchs des Begriffs der contractio, näherhin der Formulierung »avendola [sc. la bramata preda, i. e. Diana bzw. das Universum] contratta in sé«, liegt wiederum darin, daß eine ontologische Kategorie epistemologisch fruchtbar gemacht wird: Im Begriff der contractio wird das Teilhabeverhältnis des Intellekts am Universum evidenziert, ineins die spezifische ›heroische‹ Erkenntnistheorie figuriert. Denn folgendes geht voraus: Aktaion – so das Bild – macht die Bluthunde und die Windhunde los, damit sie die wilden Waldestiere aufspüren. Und das heißt: Der vom Willen befeuerte Intellekt sucht die intelligiblen Erscheinungen der idealen Begriffe zu (er)fassen  – »le specie intelliTitel und Argumentation des Buches von Beierwaltes: Das wahre Selbst (2001). 51  Siehe dazu Leinkauf: Die Bestimmung des Einzelseienden (1994). 52  Vgl. dazu bspw. Causa, dialogo 3 [in: BW III, S. 170/172]: »Lo universo che è il grande simulacro, la grande imagine e l’unigenita natura, è ancor esso tutto quel che può esser […] però non è altro che un’ombra del primo atto e prima potenza […] l’universo è tutto quel che può essere, secondo un modo esplicato, disperso, distinto […].« 50  So



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gibili de concetti ideali« (120). Wie das Eine im Universum sich als Spur und im Spiegel manifestiert53 – hier im Bild der Diana –, sind die Ideen als species intelligibiles, als Schatten, erkennbar.54 Kosmologie – das Universum, die Natur, ›Diana‹ als Objekt des Intellekts, des ›jagenden Aktaion‹ – und Epistemologie – die species intelligibiles – werden erneut in ihrem analog-partizipativen Verhältnis ins Bild gesetzt: Denn die species intelligibiles sind die Begriffe, die sich der menschliche Intellekt vom Universum als dem Spiegel des Einen macht. Doch als Schatten der Ideen haben sie sowohl teil am Universum, näherhin an dessen Weltintellekt, als sie ineins vom mensch­lichen Intellekt hervorgebracht werden. In diesem Verständnis nimmt die Dialogfigur Tansillo jene zentrale Passage des Aktaion-Sonetts in der ihr eigenen Bildlichkeit auf und gibt eine erste Erläuterung: »›Vedde il gran cacciator‹: comprese quanto è possibile, e › dovenne caccia‹: andava per predare e rimase preda, questo cacciator, per l’operazion de l’intelletto55 con cui converte le cose apprese in sé.« (120/122) Und die Dialogfigur Cicada führt weiter aus: »Intendo, perché forma le specie intelligibili a suo modo e le proporziona alla sua capacità, perché son ricevute a modo de chi le riceve.« (Ebd.) Das be­deutet: Das im Universum ›gespiegelte‹ absolute Eine erfaßt der menschliche Intellekt dank der ›umbratilen‹ speFurori I,4 (120): »[…] nel specchio de le similitudini, nell’opre dove riluce l’efficacia della bontade e splendor divino […]«. – Eindringlich wird in Cena und vor allem in Causa das Verhältnis zwischen dem Einen, Göttlichen, Absoluten und dem Universum, der Natur als Spur (vestigio) und Spiegel (specchio) dargestellt. 54  Zum analogisch-partizipativen Verhältnis von absolutem Einen, unendlichem Universum und menschlichem Intellekt vgl. bspw. De umbris idearum, ed. Rita Sturlese, Firenze 1991, S. 43–44 (= n. 52): »Analogiam enim quandam admittunt methaphysica, physica, et logica seu ante naturalia, naturalia, et rationalia, sicut verum, imago, et umbra. Caeterum idea in mente divina est in actu toto simul, et unico. In intelligentiis sunt ideae discretis actibus. In coelo, in potentia activa multiplici et successive. In natura per vestigii modum quasi per impressionem. In intentione, et ratione per umbrae modum.« 55  In raffinierter Weise ist hier – wie absichtsvoll auch immer – Bezug genommen auf den das Bild »più bel busto e faccia« erläuternden Kommentar »cioè potenza ed operazion esterna«. Siehe dazu oben S. XXI. 53 

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cies intelligibiles. Rezeptivität und Spontaneität stehen in einem Wechsel-, ja Abhängigkeitsverhältnis zueinander; der menschliche Intellekt nimmt »die von ihm ergriffenen Dinge« (»le cose apprese«) gemäß des ihm eigenen Fassungsvermögens auf und verwandelt sie (»converte«), formt sie nach seiner Weise, ›kontrahiert‹ sie in sich56. Was an dieser Stelle nurmehr knapp formuliert ist, ist an anderer Stelle ausführlich in Rede gebracht: Cicada  Il »divo« dumque »e vivo oggetto«, ch’ei dice, è la specie intelligibile più alta che egli s’abbia possuto formar della divinità; e non è qualche corporal bellezza che gli adombrasse il pensiero come appare in superficie del senso? Tansillo  Vero: perché nessuna cosa sensibile, né specie di quella, può inalzarsi a tanta dignitade. Cicada  Come dunque fa menzione di quella specie per oggetto, se (come mi pare) il vero oggetto è la divinità istessa? Tansillo  La è oggetto finale, ultimo e perfettissimo; non già in questo stato dove non possemo veder Dio se non come in ombra e specchio, e però non ne può esser oggetto se non in qualche similitudine; non tale qual possa esser abstratta et acquistata da bellezza et eccellenza corporea per virtù del senso: ma qual può esser formata nella mente per virtù de l’intelletto. (104)

Die species intelligibiles werden vom Intellekt bzw. dem Geist (la mente) aufgenommen und zugleich hervorgebracht. Durch sie vermag der Intellekt das Intelligible »in ombra e specchio« zu erkennen. Sie sind das Medium, durch das und in dem das Höchste, Absolute sich dem Intellekt vermittelt und durch das und in dem der Intellekt sich das Höchste, Absolute anverwandelt. Rezeptivität und Spontaneität, ja Konstruktivität sind unverbrüchlich aufeinander verwiesen.

56 

An dieser Stelle spätestens wird deutlich, daß die Figura etymologica – »il gran cacciator dovenne caccia« – nicht reine rhetorische Übung ist, vielmehr das komplexe Theorem einer conversio im Modus der contractio prägnant auf den Punkt bringt: Rhetorik hat wie selten eine semantische Funktion.



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Die conversio im Modus der contractio ist ineins eine reformatio des Intellekts und des Willens, denn die Gottheit – so die Replik von Ci­cada  – »wohnt in uns, kraft der neuen Gestalt von Intellekt und Wille«57. So wird aus einem gewöhnlichen und gemeinen Menschen ein besonderer und heroischer, ja ein ›neuer‹ Mensch: »da quel ch’era un uom volgare e commune, dovien raro et eroico, ha costumi e concetti rari, e fa estraordinaria vita« (122). Die Dialogfigur Tansillo faßt die Aktaion-Figuration – das Sonett wie die Erläuterungen – in aller Klarheit zusammen, indem sie sich ein weiteres Mal auf das Sonett in Paraphrase und Kommentar bezieht: […] l’Atteone, messo in preda de suoi cani, perseguitato da proprii pensieri, corre e drizza i novi passi: è rinovato a procedere divinamente e più leggiermente, cioè con maggior facilità e con una più efficace lena a’ luoghi più folti, alli deserti, alla reggion de cose incomprensibili; da quel ch’era un uom volgare e commune, dovien raro et eroico, ha costumi e concetti rari, e fa estraordinaria vita. »Qua gli dan morte i suoi gran cani e molti«: qua finisce la sua vita secondo il mondo pazzo, sensuale, cieco e fantastico; e comincia a vivere intellettualmente: vive vita de dèi, pascesi d’ambrosia et inebriasi di nettare. (122)

Bis hierhin sollte deutlich werden: Im Aktaion-Sonett und in dessen unmittelbar nachfolgendem Kommentar ist konzis und prägnant die Ontologie aufgerufen, die der Struktur des heroischen Intellekts zugrunde liegt. Aktaion, Bild des heroischen Subjekts, ›kontrahiert‹ als Einzelseiendes die Gottheit, i. e. das Universum in seiner Totalität – hier im Bild der Diana – in sich und verwandelt sich selbst in einen ›neuen‹, heroischen Menschen, der dank seines von Eros getriebenen Intellekts ein ›göttliches‹ Leben führt. Indes: ›Vivere vita de dei‹ bedeutet nicht, da Aktaion, Figuration des Heros, an sein Ziel gekommen wäre, mithin das absolute Höchste, die Gottheit mit dem geistigen Auge zu erkennen vermöchte. Vielmehr ist er nurmehr mental in den Stand gesetzt, sein Ziel in unermüdlicher Anstrengung zu verfolgen – im Wissen, nie Furori I,4 (122): »Cicada […] ben si dice il regno de Dio esser in noi, e la divinitade abitar in noi per forza del riformato intelletto e voluntade.« 57 

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an ein Ende zu kommen, und im Bewußtsein, daß gerade hierin seine Besonderheit, sein ›Heroismus‹ beruht. Der Grund liegt im Gegenstand, auf den sich das leidenschaftliche Begehren, der furore, richtet: Unendlichkeit ist das Prädikat des göttlichen Einen und – als dessen partizipatives Derivat – des Universums. In der hier in Rede stehenden Aktaion-Figuration ist auf diese für die brunianische Ontologie und Epistemologie basale Qualität und Quantität nur implizit verwiesen: in der Kennzeichnung des »più bel busto e faccia« als »potenza et operazion esterna«, mithin in der Kennzeichnung des Universums als der Einheit, in der die ontologisch aktuale Unendlichkeit sich in die Potentialität unendlicher Vielheit entäußert. Im Dialog De l’infinito, universo et mondi, der zusammen mit De la causa, principio et uno die metaphysischen Grundlagen der Eroici furori formuliert58, ist die Unendlichkeit unter anderem mit folgenden Worten bestimmt – die Bezugnahme auf Philosopheme des Cusaners ist offensichtlich: […] per esser differente la infinità dell’uno da l’infinità dell’altro; perché lui [sc. Dio] è tutto l’infinito complicatamente e totalmente: ma l’universo è tutto in tutto (se pur in modo alcuno si può dir totalità dove non è parte né fine) explicatamente, e non totalmente; per il che l’uno ha raggion di termine, l’altro ha raggion di terminato, non per differenza di finito et infinito, ma perché l’uno è infinito e l’altro è finiente […].59 58  Wir

werden darauf – wie einleitend annonciert – in der Folge immer wieder referieren. – Auch wenn in der Forschung auf die ontologisch-erkenntnistheoretischen Bezüge insbesondere dieser drei italienischen Dialoge verwiesen wird, haben Spruit: Il problema della conoscenza (1988) und insbesondere Leinkauf: Metaphysische Grundlagen (2005) die wesentliche Aspekte der metaphysischen Fundierung der in den Eroici furori verhandelten Erkenntnislehre herausgestellt. 59  Giordano Bruno: De l’infinito, universo et mondi – Über das Unend­liche, das Universum und die Welten. Ital. – Deutsch. Übers., kommentiert und hg. von Angelika Bönker-Vallon, Hamburg 2007, S. 72 (= BW IV). In Übers.: »[…] die Unendlichkeit des einen ist von der Unendlichkeit des anderen unterschieden; denn Gott ist das gesamte Unendliche auf eingefaltete Weise und in vollkommener Ganzheit; das Universum hingegen ist alles in allem (wenn man überhaupt von Allheit sprechen kann, wo es weder Teil noch Grenze gibt)



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Die unverbrüchliche Verwiesenheit der Seinsmodi Akt und Potenz auf das Theorem der Unendlichkeit, zudem den Ort des Intellekts in der Hierarchie der aufeinander bezogenen ›drei Welten‹, der göttlichen, der natürlichen und der menschlichen Welt, bringt Tansillo im dritten Dialog des Ersten Teils und unmittelbar vor der Aktaion-Figuration im vierten Dialog mit Blick auf den Heros auf den Punkt: Né per questo che l’obietto è infinito, in atto simplicissimo, e la nostra potenza intellettiva non può apprendere l’infinito se non in discorso, o in certa maniera de discorso, com’è dire in certa raggione potenziale o aptitudinale, è come colui che s’amena a la consecuzion de l’immenso onde vegna a constituirse un fine dove non è fine. (106/108)

Um das Vorstehende zusammenzufassen: Das Eine ist alles, was es sein kann, und dies auf unendliche Weise; das Universum als Bild des Einen ist alles, was es sein kann, und dies auf endliche Weise; die Dinge im Universum, also die Einzelseienden und damit auch der Mensch, sind nicht alles das, was sie sein können. Letztere vermögen allein in einer sukzessiven Annäherung, in einem nie endenden discorso ihre Vollendung im Unendlichen anzustrengen, ohne sie je zu verwirklichen – sie ist stets potentiell, nie aktual60. Dieser Vorstellung auch textuell Ausdruck zu geben, endet die Aktaion-Figuration nicht mit dem Constat, auf ausgefaltete Weise und nicht gänzlich. Deshalb hat Gott die Maßgabe der Grenze und das Universum hat die Maßgabe des Begrenzten, nicht wegen eines Unterschiedes zwischen Endlichem und Unendlichem, sondern weil der Erste unendlich ist und das Zweite in der Weise der Beendigung wirkt.« (Ebd., S. 73) 60  In aller Klarheit wird dieser Zusammenhang noch einmal im Dialog zwischen Cicada und Tansillo zur Sprache gebracht in Furori, I,5 (212): Cicada  Come l’intelletto nostro finito può seguitar l’oggetto infinito? Tansillo  Con l’infinita potenza ch’egli ha. Cicada  Questa è vana, se mai sarrà in effetto. Tansillo  Sarebbe vana se fusse circa atto finito, dove l’infinita potenza sarrebe privativa; ma non già circa l’atto infinito, dove l’infinita potenza è positiva perfezione. Cicada  Se l’intelletto umano è una natura et atto finito, come e perché ha potenza infinita?

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daß der Jäger nach seiner conversio sein Ziel erreicht habe – genau dies trifft auf die augustinische conversio, wie sie im achten Buch der Confessiones dargestellt ist, zu –, daß er vielmehr von nun an ein Leben der Götter lebe (»vive vita de dei«), intellektuell, qua Intellekt, zu leben beginne (»comincia a vivere intellettualmente«), mithin ein anderes Leben, das Leben des furioso eroico führe. So ist denn ganz in diesem Sinne das nachfolgende Sonett – »Mio pàssar solitario« (124) – eine Fortsetzung des Aktaion-Sonetts und ein Neuanfang zugleich: Im Bild des Sperlings bzw. des geflügelten Herzens wird nicht anders als im Bild Aktaions das Streben des endlichen menschlichen Intellekts nach dem ihm eigenen unendlichen Objekt61, dem Einen, Absoluten, Höchsten zur Vorstellung gebracht: »Il progresso sopra significato per il cacciator che agita gli suoi cani, vien qua ad esser figurato per un cuor alato […]« (124) Und doch findet eine Verschiebung statt: Aktaion ist eine Figur der griechisch-römischen Mythologie, der einsame Sperling hingegen ein Bild aus einem Psalm des Alten Testaments (Ps 101,8), das bereits Petrarca in Rerum vulgarium fragmenta (CCXXVI, 1–4) aufgenommen hat; das geflügelte Herz, für das der Sperling einsteht, findet sich wiederum in Platons Phaidros (249d).62 Die komplexen intertextuellen Verweise und Aufnahmen haben die Funktion, gerade im scheinbar Gleichen der Begriffe bzw. der Bilder – Bruno gebraucht ausdrücklich die Wörter »significato« und »figurato« – die Differenzen in der Filiation selbst deutlich zu machen. Der Sperling, den der furioso aus dem Käfig ausfliegen läßt, damit er ein Nest baue und die Küken aufziehe, und das heißt »seine Gedanken«63 auf das Höchste, Absolute richte, Tansillo  Perché è eterno, et acciò sempre si dilette, e non abbia fine né misura la sua felicità; e perché, come è finito in sé, cossì sia infinito nell’ oggetto. Cicada  Che differenza è tra la infinità de l’oggetto et infinità della potenza? Tansillo  Questa è finitamente infinita, quello infinitamente infinito. 61  Und das heißt: nach dem Objekt, an dem der Intellekt partizipiert. Eine Variante des Sonetts »Mio pàssar solitario«, erweitert auf insgesamt drei Sonette, eröffnet den Dialog De l’infinito, universo et mondi. 62  Siehe dazu Sabbatino: »A l’infinito m’ergo« (2004), S. 151–159 (»Le ali dell’anima e il ›passer solitario‹: un fitto dialogo intertestuale«). 63  Furori I, 4 (124): »[…] ad allievar gli pulcini suoi pensieri […]«. »Suoi pensieri« nimmt »i miei pensieri« aus dem Aktaion-Sonett wieder auf; damit



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ist in der Bedeutung nicht identisch mit dem Sperling des Psalms und dem Sperling Petrarcas; gleichwohl gewinnt er das ihm eigene Profil im Horizont der jüdisch-christlichen wie der petrarkischen Tradition: Das Bild des Sperlings wird aufgerufen und reformuliert, doch in der Reformulierung (neu)platonisch reformiert im Bild eines geflügelten Herzens – »un cuor alato«. Das Bild des geflügelten Herzens behält wiederum die auf den Sperling bezogene Bildlichkeit bei und führt sie weiter mit dem Ziel, den Sperling als eine »altra similitudine« (122) des Jägers Aktaion auszuweisen. Die jeweilige und ineins aufeinander verwiesene Bildlichkeit des Jägers und des Sperlings erfüllt somit zwei Funktionen: Zum einen bringt das Bild des Jägers und das Bild des Sperlings, ineins des geflügelten Herzens, jeweils die Verwandlung des furioso von einem gewöhnlichen in einen außergewöhnlichen, gottgleichen Menschen zur Vorstellung – Verwandlung im Verständnis von conversio; zum anderen ist das eine Bild selbst eine Verwandlung des anderen Bildes – Verwandlung im Verständnis von transmutatio und vicissitudo. So wird die metaphysisch fundierte Erkenntnislehre, das Streben nach dem absolut Einen, Unendlichen, im jeweiligen und jeweils differenten Bild des Jägers und Sperlings zur Anschauung gebracht, zugleich in der Folge der jeweiligen differenten Bilder die sie tragende Vorstellung der Ausfaltung des Einen im unendlich vielen Einzelnen qua Text realisiert – und dies durch Verwandlung, transmutatio und vicissitudo, der einzelnen Bilder. Es dürfte kein Zufall sein, daß das textuelle Verfahren des fortgesetzten Wechsels der Bilder selbst wiederum Bild geworden ist in einem Sonett, das dem AktaionSonett unmittelbar vorausgeht: im Metamorphosen-Sonett, dem letzten Sonett des dritten Dialogs des Ersten Teils: Quel dio che scuot’ il folgore sonoro, Asterie vedde furtivo aquilone, Mnemosine pastor, Danae oro, Alcmena sposo, Antiopa caprone; fu di Cadmo a le suore bianco toro, wird über einen einzigen erkenntnistheoretisch zentralen Begriff das SperlingSonett mit dem Aktaion-Sonett in Verbindung gebracht und zugleich variiert.

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a Leda cigno, a Dolida dragone: io per l’altezza de l’oggetto mio da suggetto più vil dovegno un dio.   Fu cavallo Saturno, Nettun delfin, e vitello si tenne Ibi, e pastor Mercurio dovenne, un’uva Bacco, Apollo un corvo furno:   et io (mercé d’amore) mi cangio in dio da cosa inferiore. (112/114)64 Die Aussage scheint ebenso evident wie einfach: Die Götter verwandeln sich in Tiere oder Pflanzen, auch Früchte, mithin in niedere Dinge; der Sprecher, der furioso, verwandelt sich in einen Gott. Tatsächlich werden zwei Arten der Verwandlung – »due specie de metamorfosi« (112) – ins Bild gesetzt: Die eine verweist auf den beständigen Wechsel der unendlich vielen Einzelseienden, jene unendliche zeit-räum­ Ronsard hat in den frühen Amours de Cassandre (1552) ein Sonett verfaßt, in dem der Sprecher den Wunsch zum Ausdruck bringt, verschiedene Gestalten anzunehmen, um der Geliebten nahe zu sein; es sind zum Teil jene Metamorphosen der antiken Götter, auf die auch Bruno in seinem Metamorphosen-Sonett anspielt: »Je voudroy bien richement jaunissant / En pluye d’or goutte à goutte descendre / Dans le giron de ma belle Cassandre, / Lors qu’en ses yeux le somne va glissant. // Puis je voudroy bien en toreau blanchissant / Me transformer pour sur mon dos la prendre, / Quand en Avril par l’herbe la plus tendre / Elle va fleur mille fleurs ravissant. // Je voudroy bien alleger ma peine, / Estre un Narcisse et elle une fontaine, / Pour m’y plonger une nuict à séjour: // Et si voudroy bien que ceste nuict encore / Fust eternelle, et que jamais l’Aurore / Pour m’esveiller ne rallumast le jour«. (Pierre de Ronsard: Œuvres complètes I, éd. établie, présentée et annotée par Jean Céard, Daniel Ménager et Michel Simonin, Paris 1993, S. 34 f.) Der Unterschied besteht nun darin, daß das französischsprachige Sonett im Rückgriff auf die antike Mythologie, näherhin auf einige fabulae aus den Metamorphosen Ovids, die Liebessemantik mit Hilfe bekannter Mythologeme erweitert, ineins immer neue Weisen poie­ tischer Sprache in den Metamorphosen-Bildern thematisiert und im Sonett wie im Gesamtwerk ästhetisch realisiert; daß das italienischsprachige Sonett in den Metamorphosen-Bildern eine Ontologie und Epistemologie aufruft, die den Eroici furori zugrunde liegen und ihrerseits die Struktur des Dialogs bestimmen. 64 



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liche Veränderung – vicissitudine und transmutazione –, durch die die Einheit potentiell eingeholt, wenn nicht ›wiederhergestellt‹65 wird; die andere auf die Verwandlung in Erkenntnis, den Überstieg in die intelligible Welt – wie sie Aktaion, der ein Bild des furioso ist, als conversio vollzieht. Vicissitudo und conversio werden nicht gegeneinander ausgespielt, vielmehr ergänzen sie einander.66 Zudem: Das Bild des geflügelten Herzens wird hier, am Ende des dritten Dialogs des Ersten Teils, in der Variante der Flügel vorweggenommen: »[…] il furioso eroico inalzandosi per la conceputa specie della divina beltà e bontade, con l’ali de l’intelletto e voluntade intellettiva s’inalza alla divinitade lasciando la forma de suggetto più basso.« (116). Das Ziel, die größtmögliche Angleichung an das Göttliche, scheint auch hier schon erreicht – in den von Tansillo wiedergegebenen Worten des furioso: »›Da suggetto più vil dovegno un Dio, Mi cangio in Dio da cosa inferiore.‹« (116) Und so scheint der discorso an dieser Stelle abgeschlossen, umso mehr, als der bereits oben zitierte erste Satz des nachfolgenden vierten Dialogs des Ersten Teils direkt darauf Bezug nimmt: »Cossì si descrive il discorso de l’amor eroico per quanto tende al proprio oggetto ch’è il sommo bene; e l’eroico intelletto che gionger si studia al proprio oggetto che è il primo vero o la verità absoluta.« Indes resümiert dieser Satz nicht nur den letzten Teil des dritten Dialogs, vielmehr eröffnet er zugleich den vierten Dialog, der mit dem Aktaion-Sonett einsetzt und in der Folge das Verhältnis von Intellekt und Willen, die Rezeptivität und Spontaneität der species intelligibiles, die Verwandlung des gewöhnlichen Menschen in einen Heros thematisiert – und damit in Variation wiederholt, was zu Ende des dritten Dialogs nicht anders als in allen übrigen Dialogen der Eroici furori in eine immer andere und neue Begriffskonstellation und Bildlichkeit gebracht ist. So wird aus der oben zitierten Passage aus Dialog I 3 deutlich, daß die Flügel des SperRaimondi: Il sigillo della vicissitudine (1999), S. 165 f. – Zitiert nach Leinkauf: Einleitung (2007), xcii [= BW III]. 66  Daß der den furioso repräsentierende Sprecher hier wie in den ersten vier Dialogen die Verwandlung in Erkenntnis für sich in Anspruch nimmt, ist im Thema dieser Dialoge begründet: den Weg und das Ziel der heroischen Leidenschaften zu beschreiben. 65  Hierzu

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lings und damit auch die Flügel des Herzens der Wille und der Intellekt sind, die im Aktaion-Sonett im Bild der Jagdhunde wiederaufgenommen werden. In der Wiederholung der Sprachbilder in Variation werden die basalen Philosopheme, wie sie insbesondere in den beiden Dialogen De la causa, principio et uno und De l’infinito, universo et mondi verhandelt werden – die Analogisierung von absolutem Sein, von Natur und von allem Einzelseiendem, das Konzept der Unendlichkeit, das in unterschiedlicher Weise von Sein, Natur und Einzelnem sich realisiert, die Vorstellung, daß nur im permanenten Wechsel (›trasmutazione‹ und ›vicissitudine‹) alles Einzelseienden das absolute Eine potentiell ›eingeholt‹ wird –, reflektiert, durchaus im brunianischen Verständnis ›gespiegelt‹ und als ›Schatten‹ sichtbar. Es sind die (Sprach-)Bilder, die in ihren unendlich vielen Wandlungen eine Anschauung vermitteln von der Ausfaltung des Einen im Universum und die jeweils einstehen für das Einzelseiende. Und es ist die Textur, die tessitura, die ihrerseits der Teilhabe des Einzelseienden am Universum und am ins Universum ausgefalteten Einen eine ›Ähnlichkeit‹ gibt, indem sie durch steten Wechsel der Perspektivierung ›alles mit allem‹ verbindet und damit gerade in der Vielheit der Modellierungsmodalitäten eine Einheit des Werkes intendiert. Die vorstehenden Beobachtungen bleiben freilich unvollständig ohne hinreichend genaue Bestimmung der ›modellierenden‹ Instanz. Denn – so das bisherige Ergebnis – die strukturelle Analogie der Textur der Eroici furori zu den in ihr zur Darstellung gebrachten metaphysischen und epistemischen Theoremen verdankt sich einem Ingenium, das im Spiegel des Universums teilhat am Einen und dies mittels der species intelligibiles, der Begriffe, die im menschlichen Geist partizipativ gebildet werden und die zugleich der menschliche Geist sich selbst bildet. Die Frage, die sich stellt, ist folgende: Ist Poietik und Poetologie der Eroici furori – und in anderer Weise auch des Spaccio und der Cena – nurmehr die logische Konsequenz der brunianischen Ontologie und Epistemologie oder verhält es sich gerade umgekehrt – am Anfang stünde eine allen metaphysischen Spekulationen vorgängige Poietik? Die Frage wird nicht eindeutig zu beantworten sein, doch folgendes ist zu sehen: Die seiner Poietik zugrunde liegende Bildgebungs- und



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Zeichentheorie formuliert Bruno insbesondere in seinem ersten und in seinem letzten von ihm besorgten Werk: in De umbris idearum und in De imaginum, signorum et idearum compositione.67 Die Reflexion über die Bilder umschließt nicht nur sein philosophisches Werk, sie ist vielmehr dessen Fundament, hat selbst philosophischen Anspruch68. Demnach begründete nicht die Ontologie die Zeichentheorie, vielmehr ermöglichte die Zeichentheorie allererst die Ontologie. Das ›Denken in Bildern‹, wie Bruno selbst seine Zeichen- und Bildgebungstheorie, seine ihm eigene ars memoriae, benennt, wäre somit nicht Folge der spezifisch brunianischen Ontologie und Epistemologie, es wäre deren Voraussetzung, ja Basis. In diesem Sinne wären Sprache und Struktur der drei sog. ›moralischen‹ Dialoge – des Spaccio, der Cabala, der Eroici furori –, wären ihre eigenwillige Komposition und überraschende Bildlichkeit Träger und Ausdruck der nolana filosofia, die sich als nova filosofia versteht. Dies zu fundieren, ist es nützlich, noch einmal auf die Figur des Aktaion, allgemeiner den Intellekt zurückzukommen: Der durch den Willen angetriebene Intellekt intendiert, sich dem Einen, Göttlichen anzunähern, und er vollzieht die immer neuen und differenten Annähe­ rungen in einer unendlichen Bewegung. Diese als »moto metafisico«69 ontologisch begründete Bewegung des heroischen Intellekts hat aber

67 

Beide Werke zählen zur ars memoriae, die mit den übrigen mnemotechnischen Werken – sämtlich in lateinischer Sprache verfaßt – Schwerpunkt und Zentrum des brunianischen Œuvres bildet. 68  In diesem Sinne, wenn auch nicht mit Blick auf die ästhetischen Konsequenzen, argumentiert Michele Ciliberto: »… Per speculum et in aenigmate…«, in: Giordano Bruno: Opere mnemotecniche. Ed. dir. da Michele Ciliberto. A cura di Marco Matteoli, Rita Sturlese, Nicoletta Tirinnanzi, Bd. II, Milano 2009, xii: »Dall’inizio alla fine Bruno si interroga sulle immagini, sul loro valore, su ciò che esse significano per l’uomo che vuole mettersi alle tracce della verità. […] Bruno nasce alla filosofia discutendo di immagini e chiude la sua attività pubblica con un libro sulle immagini. Ma in entrambi casi […] le opere mnemotecniche sono il terreno su cui nasce e si sviluppa una riflessione nella quale precipitano, e si concentrano, motivi fondamentali di tutta la ›nova filosofia‹.« 69  Furori I,4 (130).

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die Qualität dessen, was Bruno in De imaginum compositione70 als Phantasie bezeichnet: ›intelligere nostrum (id est operationes nostri intellectus) aut est phantasia aut non sine phantasia‹, rursum: ›non intelligimus, nisi phantas­ mata speculemur‹.71 Die Abhandlung De imaginum, signorum et idearum compositione ist eine für Brunos Bildgebungs- und Zeichentheorie zentrale Schrift. Sie ist 1591 bei Johann Wechel in Frankfurt erschienen, etwa zeitgleich mit den Schriften der sog. Frankfurter Trilogie De minimo, De monade und De immenso. Sie nimmt Reflexionen auf und führt sie weiter, die bereits anfangs der 1580er Jahre in Sigillus sigillorum und De umbris idearum formuliert wurden. 71  De imaginum, signorum et idearum compositione, in: Opera latine conscripta, ed. F. Fiorentino et al., 3 Bde., Neapoli/Florentiae 1879–91; ND Stuttgart 1962, II/3, S. 91, Z. 13–16. (Übersetzung: »unser Erkennen [i. e. die Tätigkeiten unseres Intellekts] vollzieht sich entweder mittels der Phantasie oder doch nicht ohne Phantasie; mithin: ›wir erkennen nur durch/in Phantasmata‹ [= in Bildern].«) – Vgl. auch ebd., S. 198, Z. 18–24: »Alibi dixi de cognatione quadam mira, quae est inter veros poetas, qui ad eandem speciem referuntur atque musici, veros pictores et veros philosophos; quandoquidem vera philosophia musica seu poesis et pictura est, vera pictura et est musica et philosophia, vera poesis seu musica est divina sophia quaedam et pictura.« (Übersetzung: »An anderer Stelle habe ich über eine erstaunliche Verwandtschaft gesprochen, die zwischen den wahren Dichtern, die ja zur gleichen Spezies gehören wie die Musiker, den wahren Malern und den wahren Philosophen besteht; ist doch die wahre Philosophie Musik oder Dichtung und Malkunst, die wahre Malkunst ist sowohl Musik als auch Philosophie, die wahre Dichtung bzw. Musik ist gewissermaßen eine göttliche Weisheit und Malkunst.«) – Die oben zitierte Formulierung in De imaginum compositione findet sich bereits in Explicatio triginta sigillorum, in: Opera latine conscripta, II/2, S. 133, Z. 24 – S. 134, Z. 6.: »›intelligere est phantasmata speculari, et intellectus est vel phantasia vel non sine ipsa‹; non est pictor nisi quodammodo fingat et meditetur; et sine quadam meditatione atque pictura poëta non est. Phantasiam ergo pictorem, cogitativam poëtam, rationem philosophum primum intelligito, qui quidem ita ordinantur et copulantur, ut actus consequentis ab actu praecedentis non absolvatur. Quomodo haec contemplatio ad inquirendum, inveniendum, disponendum et iudicandum faciat, ipse considera.« (Übersetzung: »Erkennen ist ein (theoretisches) Betrachten in Vorstellungsbildern (in Phantasmata), und 70 



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XLI

Denken – so die Aussage – ist Vorstellen, ist Imaginieren, ist Denken in Bildern: Hoc est quod non in simplicitate quadàm, statu et unitate, sed in compositione, collatione, terminorum pluralitate, mediante discursu atque reflexione comprehendimus.72

Das Denken ist ein phantasmatischer Prozeß – »phantasmata specu­ lemur« –, mittels dessen das endliche menschliche Denkvermögen sich seinem Objekt, dem Einen, Unendlichen, Absoluten annähert. Denn nur in diesem phantasmatischen Prozeß, der ja nichts anderes ist als das fortgesetzte Entwerfen von Bildern und Zeichen, vermag das Denken die Natur, das Universum zu erfassen, zugleich ex negativo eine Vorstellung zu gewinnen vom unvorstellbaren Einen. Denn die »Verfertigung von Bildern, Zeichen und Ideen« ist »eine universale, alle Seinsformen betreffende Tätigkeit (opus)«73 – wie Bruno gleich eingangs seiner Abhandlung herausstellt: Idea, imaginatio, adsimulatio, configuratio, designatio, notatio est universum Dei, naturae et rationis opus, et penes istorum analogiam est ut der Intellekt ist entweder Vorstellen oder nicht ohne dieses. Nur der ist ein Maler, der zu gestalten und nachzudenken vermag, und ohne ein gewisses Nachdenken und ohne bildnerische Gestaltung ist man auch kein Dichter. So hat man sich also allererst die Einbildungskraft (Phantasia) als Maler, das Denkvermögen als Dichter, den Verstand als Philosophen vorzustellen, die alle in der Weise angeordnet und verbunden sind, daß der Akt des Nachfolgenden von demjenigen des Vorangehenden nicht abgetrennt werden kann.«) Mit dem zitierten Satz gibt Bruno vor, auf Aristoteles, De anima III, cap. 5–8 (insbesondere 432 a 8 f.), zurückzugehen, tatsächlich deutet er ihn absichtlich fehl, um ihn so für seine eigenen Interessen in Anspruch zu nehmen. Vgl. dazu Borsche: Denken in Bildern (1993). 72  De imaginum compositione II/3, S. 91, Z. 16–19. (Übersetzung: »Dies ist der Grund, weshalb wir nicht auf eine wie immer geartete einfache, ein für allemal feststehende und einheitliche Weise, vielmehr aufgrund von komplexen Fügungen, Zusammenstellungen und durch eine Vielheit der Begriffe diskursiv und reflexiv verstehen.«) 73  Grundlegend der Aufsatz von Leinkauf: Die epistemische Funktion der ›imaginatio‹ bei Giordano Bruno (2010), hier S. 16.

XLII

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divinam actionem admirabiliter natura referat, naturae subinde operationem humanum (quasi et altiora praetentans) aemuletur ingenium.74

Die göttliche, die natürliche und die menschliche Welt stehen daher auch in der Verfertigung von Bildern, Zeichen und Ideen in einem Verhältnis der Ähnlichkeit und zugleich der Teilhabe zueinander. Die göttliche Tätigkeit (actio divina) konstituiert das Sein in seiner urbildlichen, idealen Form; die Natur bezieht sich (referat) auf das göttliche Sein; und das menschliche Ingenium ahmt seinerseits die Natur nach, ja es ›konkurriert‹ in wörtlichem Sinne mit ihr, insofern es »zu Höherem strebt«75. Und das bedeutet: Das menschliche Ingenium partizipiert nicht nur an der Natur, vielmehr ist es in gewisser Weise der Natur überlegen, insofern es prätendiert76, unmittelbar am göttlichen Sein teilzuhaben, das göttliche Sein zu erfassen. Voraussetzung ist die prinzipielle Gleichheit in der Ungleichheit zwischen den drei Welten und ihrer jeweiligen Effektuierung77. Dies aber hebt die gleicher­maßen prinzipielle Differenz nicht auf: Weil nämlich nur die göttliche Welt (universum Dei) vollkommen ist, insofern sie alles ist, was sie sein De imaginum compositione II/3, S. 89, Z. 20 – S. 90, Z. 4. (Übersetzung: »Die Idee, die Imagination, die ›Anähnlichung‹, die Konfiguration, die Designation, die Notation ist das Werk Gottes, der Natur und der Vernunft, und sie stehen im Verhältnis folgender Analogie zueinander: die Natur stellt auf wunderbare Weise das göttliche Handeln vor, das Ingenium des Menschen hingegen eifert [gleichsam Höheres erstrebend] der Vollzugsform der Natur nach.«) 75 Leinkauf: Die epistemische Funktion der ›imaginatio‹ bei Giordano Bruno (2010), S. 17, Anm. 4, diskutiert die Übersetzung von altiora praetentans und entscheidet sich mit guten Gründen für die oben zitierte Übersetzung. 76  Und dies heißt eben nicht, daß es das göttliche Sein tatsächlich zu ›erfassen‹ vermag. 77  De imaginum compositione II/3, S. 94, Z. 8–11: »Ens in tria capita distributum intelligitur, metaphysicum, physicum et logicum universaliter dictum; ut tria sunt omnium principia, Deus, natura atque ars; et tres sunt effectus, divinus, naturalis, artificialis.« (Übersetzung: »Das Seiende wird als in drei [Haupt-]Bereiche unterteilt gedacht, als metaphysisch, als physisch und als logisch im allgemeinen Sinne; so wie auch die Prinzipien von allem Gott, die Natur und die Kunst sind; und wie es auch drei Wirkungen gibt: die göttliche, die natürliche, die künstlerische.«) 74 



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kann, und dies wiederum auf unendliche Weise, die menschliche Welt und damit auch das Ingenium nicht alles das ist, was es sein kann, bleibt letzterem allein die Möglichkeit, in einer unendlichen Bewegung der Annäherung an die göttliche Welt Vollkommenheit zu prätendieren. Die Prätention ist gerechtfertigt durch die ontologische Grundstruktur, die Bruno in De imaginum compositione noch einmal darlegt78 in der Absicht, sie ausdrücklich für das imaginative Potential des menschlichen Geistes und die wiederum davon abgeleitete Zeichentheorie fruchtbar zu machen. Und das heißt: de potentia vermag der menschliche Intellekt dank seines ontologischen Status das absolute Eine zu repräsentieren – und dies mittels der Bilder und Zeichen, die er in partizipierender Ähnlichkeit zur göttlichen idea und zum vestigium idearum der Natur als umbra idearum entwirft79. Es sind jene Vorstellungsbilder, mentale Akte, mit denen in den Eroici furori der furioso, repräsentiert durch die Figur des Aktaion, das Universum, repräsentiert durch die Figur der Diana, erfaßt und zugleich entwirft und die mit dem Begriff der specie intelligibili gekennzeichnet sind80. De imaginum compositione II/3, S. 94, Z. 12–18: »Omne agens proposito et non necessitate quadam constitutum speciem rei efficiendae ut praeconcipiat oportet. Quae sane species ante naturalia appellatur idea, in naturalibus forma sive vest ig iu m idea r u m, in postnaturalibus rat io seu i ntent io, quae in primam atque secundam distinguitur, quam nos aliquando idea r u m umbram consuevimus appellare.« (Übersetzung: »Jedes Tätige, das durch Vorsatz und nicht durch irgendeine Notwendigkeit bestimmt ist, muß notwendig zuvor die Artform der hervorzubringenden [zu bewirkenden] Sache erfassen, welche Artform, sofern sie vor den natürlichen Dingen [anzusetzen] ist, Idee genannt wird, sofern sie in den natürlichen Dingen [anzusetzen] ist, Form oder K leid der Ideen genannt wird, sofern sie nach den natürlichen Dingen [anzusetzen] ist, Beg rif f oder Intent ion genannt wird, welch letztere in erste und zweite Intention unterschieden wird, die wir manchmal als Schatten der Ideen zu bezeichnen gewohnt waren.«) Diese ontologische Grundstruktur ist insbesondere in De la causa reflektiert und in den Eroici furori poietisch realisiert. 79  Siehe dazu das Zitat in Anm. 78. 80  Furori, passim. Über die Häufigkeit des Aufkommens des Begriffs specie intelligibile in den Werken Brunos und insbesondere in den Eroici furori siehe Ciliberto: Lessico di Giordano Bruno II (1979), S. 1146–1148. 78 

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Was allerdings in den Eroici furori nurmehr mit dem Begriff der specie intelligibili epistemologisch81 gekennzeichnet ist, ist in ebendiesem Werk bereits in einer Weise poietische Praxis82 geworden, die erst in 81  Es

verdient einen Hinweis, daß in Brunos früheren Schriften zur Ars memorativa das bilderschaffende Vermögen nicht Imaginatio heißt, vielmehr Ratio, Verstand. Die Begrifflichkeit sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Ars memorativa als Ars inventiva bzw. imaginativa eine neue Bestimmung erhält: als Kunst freien geistigen Experimentierens und unendlicher schöpferischer Möglichkeiten. (Siehe dazu Sturlese: Brunos Gedächtniskunst [1993].) So heißt es an entscheidender Stelle in De umbris idearum: »Ratio novas atque noviter in infinitum species format, componens, dividens, abstrahens, contrahens, addens, subtrahens, ordinans, deordinans.« (De umbris idearum, a cura di Rita Sturlese, Firenze 1991, S. 52, n. 64. – Übersetzung: »Der Verstand formt unendlich viele neue Artformen/-gestalten [mentale Bilder] und auf neuartige Weise, indem er zusammensetzt, teilt, abstrahiert, zusammenzieht, hinzufügt, wegnimmt, ordnet, auflöst.«) Die produktive Erkenntnismethode des menschlichen Verstandes (Ratio) wird unterschieden von den Tätigkeiten des ›ersten Intellekts‹ und denjenigen der Natur: »Primus intellectus« – so die unmittelbar vorausgehende Bestimmung – »foecunditate sua modo suo propagat ideas non novas, nec noviter. Natura novas res producit in numero, non noviter tamen – modo suo – si semper eodem modo operatur.« (Übersetzung: »Der erste Intellekt bringt aufgrund seiner Fruchtbarkeit in seiner ihm eigenen Art Ideen hervor, die weder neu sind noch auf neue Weise entstehen. Die Natur schafft neue Dinge in Form der Zahl (als Zählbarkeit), allerdings nicht auf neue Weise – insofern sie immer auf dieselbe Weise vorgeht.«) Als unendliche Produktivität ist die Ratio eine Kraft, die als das innere Prinzip ihrer Verwirklichungen unendliche Aktualität ist. Seine Verfahren, strukturanalog der Unendlichkeit alles Seienden, vermögen ebendiese Unendlichkeit aufgrund ihrer Teilhabe am Göttlichen, vermittelt durch die Natur, zur Darstellung zu bringen. Als schöpferische Kraft steht sie im Dienste der Kunst, der Poesie. (Siehe dazu Wels: Zur Vorgeschichte des Begriffs der ›Kreativen Phantasie‹ [2005].) 82  Allerdings formuliert Bruno bereits in Explicatio triginta sigillorum seine Vorstellung in aller Deutlichkeit: »›Pictoribus atque poëtis quaelibet audendi semper fuit aequa potestas.‹ Primus praecipuusque pictor est phantastica virtus, praecipuus primusque poëta est in cogitativae virtutis adpulsu, vel connatus vel inditus noviter quidam enthusiasmus, quo vel divino vel huic simili quodam afflatu ad convenienter aliquid praesentandum excogitatum concitantur. Idem ad utrumque proximum est principium; ideoque philosophi sunt



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De imaginum compositione systematisch erörtert wird. Vorausgenommen sind deren bildtheoretische Reflexionen allerdings schon in dem ausnehmend langen Kommentar zur Blindheit des fünften Blinden im vierten Dialog des Zweiten Teils. Die Blindheit des fünften Blinden ist bedingt durch die »Unverhältnismäßigkeit der Mittel unserer Erkenntnis dem Erkennbaren«83 gegenüber. Die Dialogfigur Severino weist daraufhin, daß zur Betrachtung der göttlichen Dinge die Augen geöffnet werden müssen durch Figuren und Gleichnisse, die die Peripatetiker Phantasmen nennen.84 Da die göttlichen Dinge nicht unmittelbar erkannt werden können, bedarf es der Vermittlung, die wiederum nurmehr ex negativo möglich und wirklich wird: […] credere vogliamo che la più alta e profonda cognizion de cose divine sia per negazione e non per affirmazione, conoscendo che la divina beltà e bontà non sia quello che può cader e cade sotto il nostro concetto: ma quello che è oltre et oltre incomprensibile; massime in questo stato quodammodo pictores atque poëtae, poëtae pictores et philosophi, pictores philosophi et poëtae, mutuoque veri poëtae, veri pictores et veri philosophi se diligunt et admirantur; non est enim philosophus, nisi qui fingit et pingit […].« (Explicatio triginta sigillorum II/2, S. 133, Z. 13–24.) (Übersetzung: »›Die Maler und die Dichter verfügten stets gleichermaßen über die Möglichkeit, jedwedes Wagnis einzugehen.‹ Der erste und herausragende Maler ist das Vermögen der Einbildungskraft; der herausragende und erste Dichter ist im Antrieb des Denkvermögens zu sehen, und es ist ebendieser gewisse Enthusiasmus, sei er angeboren oder gerade erworben, durch den sie [sc. die Dichter und Maler] dank einer göttlichen oder dieser ähnlichen Eingebung angetrieben werden, ihre Gedanken und Vorstellungen in angemessener Weise zur Darstellung zu bringen. Für beide ist das nächste Prinzip dasselbe; und daher sind die Philosophen gewissermaßen Maler und Dichter, die Dichter Maler und Philosophen, die Maler Philosophen und Dichter, und so schätzen und bewundern sich gegenseitig die wahren Dichter, die wahren Maler und die wahren Philosophen; denn es gibt keinen Philosophen, der nicht dichtet und malt […].«) 83  Furori II,4 (366): »La qu i nta [sc. cecità] procede dalla improporzionalità delli mezzi de nostra cognizione al cognoscibile; […]« 84  Furori II,4 (366): »[…] essendo che, per contemplar le cose divine, bisogna aprir gli occhi per mezzo de figure, similitudini et altre raggioni che gli Peripatetici comprendono sotto il nome de fantasmi […].«

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detto »speculator de fantasmi« dal filosofo, e dal teologo »vision per similitudine speculare et enigma«; perché veggiamo non gli effetti veramente, e le vere specie de le cose, o la sustanza de le idee, ma le ombre, vestigii e simulacri de quelle […] (368)

In Differenz zur zitierten Stelle aus Paulus an die Korinther85 und damit in Differenz zur christlichen Theologie eröffnet sich dem furioso nicht die Möglichkeit, Gott im Jenseits zu schauen, er bleibt auf das Diesseits verwiesen und damit auf die Wahrnehmung der Spuren und Simulakren des Göttlichen mittels der Bilder, der Phantasmen, die seine Einbildungskraft hervorbringt. Wie in einem Brennspiegel werden die basalen Konzepte aus De umbris und aus De imaginum compositione ›gebündelt‹ und die erkenntnistheoretisch komplementärgegenwendigen Begriffe der Spur und des Schattens zusammengeführt im Begriff des Phantasmas. Das Phantasma, Ausdruck des bildschöpferischen Vermögens, vermittelt zwischen Wahrnehmungsfähigkeit und wahrzunehmendem Objekt (»il mezzo over intermedio tra la potenza e l’oggetto« [368]). Ihm kommt damit die Funktion zu, die bislang den species intelligibiles zugeordnet war. Hierin allerdings einen erkenntnistheoretischen Paradigmenwechsel von intellectus zu phantasia zu sehen, verbietet sich schon deshalb, weil auch der Intellekt zur Hervorbringung der mentalen Bilder, der species intelligibiles, auf den Willen als Motor angewiesen ist, um in immer neuen und wechselnden Bewegungen sich dem Einen, Absoluten, Wahren so weit wie möglich anzunähern. Einmal mehr wird diese für den eroe spezifische Korrelation von Intellekt und Wille in Fortsetzung der Aktaion-Figuration thematisiert:

85 

Bruno setzt die ›Vision‹ des Philosophen mit der des Theologen gleich: »massime in questo stato detto ›speculator de fantasmi‹ dal filosofo, e dal teologo ›vision per similitudine speculare et enigma‹«; tatsächlich aber heißt es in 1 Kor 13,12: »videmus nunc per speculum et in aenigmate, tunc autem facie ad faciem«. Die entscheidende Ergänzung in der Paulus-Stelle unterschlägt Bruno – nicht anders als in der Bezugnahme auf Aristoteles in der Bestimmung der Rolle der Phantasia für das Denken.



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Essendo l’intelletto divenuto all’apprension d’una certa e definita forma intelligibile, e la volontà all’affezzione commensurata a tale apprensione, l’intelletto non si ferma là: perché dal proprio lume è promosso a pensare a quello che contiene in sé ogni geno de l’intelligibile et appetibile, sin che vegna ad apprendere con l’intelletto l’eminenza del fonte de l’idee, oceano d’ogni verità e bontade. (128)

Die Annäherung des endlichen Intellekts an das unendliche Eine und Absolute vollzieht sich notwendigerweise in unendlich vielen mentalen Bildern, species intelligibiles oder phantasmata, ohne daß je der »Ozean aller Wahrheit und Güte« ausgeschöpft würde. Unmittelbare materiale Manifestation der unendlichen Bewegung des endlichen Intellekts sind aber die Eroici furori, ihre Verfahren und ästhetische Figuration. Als Ausdruck der unendlichen Bewegung des Denkens in Bildern haben sie teil am »moto metafisico«86 und ermöglichen ihn zugleich: als Text bzw. als tessitura. So viel sollte bislang deutlich werden: Die spezifische Poetizität der Eroici furori ist in der nolana filosofia begründet, wie umgekehrt die Poetizität der Eroici furori die nolana filosofia erst sichtbar macht. Die Exuberanz der Bilder, die Vielfalt der literarischen Formen und die Wiederholung in Variation der Strukturen sind nicht Selbstzweck, vielmehr generieren sie eine Textur, deren Dickicht zu durchdringen dem Leser dieselbe Mühe abverlangt wie dem furioso der Weg zur Erkenntnis des Göttlichen in Gestalt der Diana. Denn Dichtung und Philosophie sind gleichursprünglich, und es sollte nach dem bislang Gesagten nicht erstaunen, wenn die der Dichtung zugrunde liegende Bildtheorie die Philosophie erst ermöglicht hätte. Das bedeutet allerdings nicht, daß die Hermeneutik auf den Kopf gestellt würde. Denn es gilt nach wie vor Folgendes: Die Eroici furori sind ein philosophischer Text, und sie sind zugleich ein poetischer Text. Die spezifische Ästhetik und PoieFurori I,4 (128/130): »[…] atteso che non è cosa naturale né conveniente che l’infinito sia compreso, né esso può donarsi finito: percioché non sarrebe infinito; ma è conveniente e naturale che l’infinito per essere infinito sia infinitamente perseguitato (in quel modo di persecuzione il quale non ha raggion di moto fisico, ma di certo moto metafisico; […]).« 86 

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tik des als Dialog gestalteten Textes zu erkennen und in ihrer Funktion zu bestimmen, ist es notwendig, die in ihm verhandelten Philosopheme auszuweisen. Die Ontologie, die insbesondere in den beiden Dialogen De la causa, principio et uno und De l’infinito, universo et mondi formuliert ist, wird in den Eroici furori epistemologisch reflektiert und ästhetisch-poietisch zur Anschauung gebracht. Doch gleichermaßen gilt, daß die spezifische brunianische Ontologie, Epistemologie und Anthropologie, wie sie insbesondere in den italienischen Dialogen und a fortiori in den Eroici furori reflektiert werden, sich erst über die den Dialogen eignende Sprache und Struktur, ihre Zeichen und Figuren erschließt. Das setzt die Behauptung einer Analogie der drei Bereiche der Ontologie, der Epistemologie und der Poetologie voraus und impliziert, daß das menschliche Vermögen schöpferisch hervorbringt, woran es seinshaft partizipiert. In diesem Verständnis macht bereits die dezidiert poetische Struktur der Eroici furori deutlich, daß gerade das schöpferische Vermögen poietisch ausstellt, was epistemologisch verhandelt wird. Deutlicher noch: Die Poiesis der Eroici furori ist geradezu der Garant der heroischen Erkenntnislehre und ihrer metaphysischen Begründung, sie verbürgt deren Wahrheit, die freilich als ästhetisch-poietische Wahrheit immer neu auszutarieren ist. Das hat Folgen für Sprache, Struktur, Genera.



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II  Poiesis. Sprache – Struktur – Genera Die Eroici furori gelten formal als Dialog – zu Recht: Es sind insgesamt zehn Dialoge in zwei Teilen. Bruno selbst bezeichnet im »Argomento […] sopra gli eroici furori« das in Rede stehende Werk als dialogo und seine Teile als dialogi. Jeder einzelne Dialog hat je zwei Dialogpartner – es sind nicht immer dieselben. Indes besteht die Besonderheit der Dialoge zunächst rein formal darin, daß die Prosapartien mit Poemen alternieren, genauer: auf Poeme Bezug nehmen bzw. zu Poemen überleiten. Es sind Sonette, auch Schweifsonette, Sestinen und eine Kanzone – Bruno bezeichnet sie im Argomento als articoli87, als ›Glieder‹, und macht damit deutlich, daß jeder einzelne articolo in seiner Bedeutung für sich steht. Und doch bilden die einzelnen articoli nur in ihrer Folge einen Text, weben sie jene tessitura, die den Sinn der Eroici furori generiert. So sind sie die sinnbildenden Elemente im engeren Sinn; ihre Evidenz gewinnen sie aus ihrer poetischen Form, der Form des Sonetts; sie geben den eroici furori Ausdruck und Anschauung – in potentiell unendlich vielen Variationen. Die Strophenformen und das Thema, die Liebe, wenngleich die heroische, haben denn auch zu der Annahme geführt, die Eroici furori seien ursprünglich ein Canzoniere gewesen, dem die Prosapartien nurmehr hinzugefügt seien.88 Auch wenn diese Annahme aus guten Gründen keine Fortüne hatte, wird man die Eroici furori zumindest im Kontext des Petrarkismus diskutieren müssen, nicht anders als sie in die Tradition der Impresenkunst und der Emblematik zu stellen sind. Allerdings wird es sich zeigen, daß der Verweis auf verschiedene literarische Formen und Gattungen keine eindeutige Zuweisung zu diesen Gattungen und Formen erlaubt. Denn für die Litterae gilt dasselbe So beispielsweise gleich eingangs der eigenwilligen, Argomento del Nolano betitelten Inhaltsangabe, die ihrerseits durch einen eigenen Titel – Argomento de’ cinque dialogi de la prima parte – von dem vorausgehenden allgemeinen Teil abgesetzt ist; dort heißt es: »Nel pri mo d ia logo della prima parte son cinque articoli […].« (18) Darüber hinaus werden die Gedichte, die die ›Impresen‹ erklären – in I 5 und II 1 – immer wieder als articoli bezeichnet. 88  So bspw. Sarno: Gli »Eroici furori« di Giordano Bruno come un canzoniere d’amore (1920) und ders.: La genesi degli »Eroici furori« di Giordano Bruno (1920). 87 

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nolanische Gesetz wie für Erkenntnis und Moral: die Aufnahme der Tradition und ihre Reform durch Transformation. Die Besonderheit der Eroici furori beruht nun darin, daß die Reform der Erkenntnis und der Moral nurmehr möglich wird durch einen Text, der die Reform ästhetisch-poietisch selbst vollzieht, mithin seinerseits ›reformiert‹ ist. Denn nur eine ›reformierte‹ Ästhetik und Poietik vermag unmittelbarer Ausdruck der nolana filosofia, einer nova filosofia, zu sein bzw. diese erst zu rechtfertigen. Das gilt nicht anders für den Gesamtaufbau der Eroici furori, den ihnen zugrunde liegenden Kompositionsplan. Aus heuristischen Gründen ist es geboten, die differenten literarästhetischen, auch generischen Merkmale des Textes in ihrer jeweiligen Besonderheit zu beschreiben und in ihrer Funktion zu bestimmen. Voraussetzung ist die Kenntnis der Rolle, die Bruno der Dichtung im allgemeinen, für die Eroici furori im besonderen zumißt. Darüber gibt bereits der Beginn der Eroici furori, der erste Dialog des Ersten Teils, Aufschluß. Tansillo spricht eingangs folgende Worte: Gli furori dumque atti più ad esser qua primieramente locati e considerati, son questi che ti pono avanti secondo l’ordine a me parso più conveniente. (42)

Leidenschaften also, denen es zukommt, an erster Stelle ›bedacht‹ zu werden, stellt Tansillo seinem ›interlocutore‹ Cicada in der Folge vor – »secondo l’ordine a me parso più conveniente«, mithin in einer Ordnung, die ihm am meisten angemessen zu sein scheint. Die Konvenienz der Ordnung – so das Raffinement der Formulierung – ist eine zweifache und wechselseitige: Sie ist sowohl dem Gegenstand, den furori, geschuldet als auch dem, der ihn ›in Betracht zieht‹ und in Sprache ›vor Augen stellt‹. Und das heißt: Was auch immer in der Folge über die furori gesagt wird, wird in einer dem Objekt und zugleich dem Subjekt konvenienten Ordnung und Sprache vorgetragen.89 Mit der Aussage »son questi che ti pono avanti« wird sodann das die gesamten Eroici Daß die Eroici furori ein Verständnis voraussetzen, das ihr Autor selbst einfordert, liest man bereits im Argomento (12): »Ma pensi chi vuol quel che gli 89 



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furori kennzeichnende Verfahren benannt: das Verfahren des VorAugen-Stellens, mithin der Ekphrasis. Die Intention – so wird damit gleich aus dem ersten Satz deutlich – ist Anschaulichkeit, Unmittelbarkeit der Darstellung, ist Simulation von Präsenz durch Repräsentation in Bildern. Der Grund liegt im Gegenstand, in den furori, die das erste Wort der Aussage überhaupt sind.90 Es sind Leidenschaften – so wird in der Folge näher ausgeführt werden –, die auf das absolute Eine und dessen Erkenntnis hinzielen, in nie nachlassendem Bemühen, in unendlicher Anstrengung – zugleich im Bewußtsein, daß dies, wenn überhaupt, nurmehr mediatisiert möglich ist: im ›Schatten‹ der Natur bzw. des Universums und im ›Spiegel‹ der Sprache, der Dichtung. Der Rang der Sprache als Medium des Intellekts bzw. des Ingeniums und die Rolle der Dichtung, näherhin der poetischen Darstellung, wird denn auch gleich mit dem ersten Wort des ersten Sonetts der Eroici furori explizit deutlich. Nicht die furori werden, wie nach dem Eingangssatz zu erwarten, als erste genannt und als solche thematisiert, vielmehr folgt unmittelbar ein Musenanruf in Form eines Sonetts: Muse che tante volte ributtai, importune correte a’ miei dolori, per consolarmi sole ne’ miei guai con tai versi, tai rime e tai furori, con quali ad altri vi mostraste mai, che de mirti si vantan et allori;   or sia appo voi mia aura, àncora e porto, se non mi lice altrov’ ir a diporto.   O monte, o dive, o fonte, ov’abito, converso e mi nodrisco; dove quieto imparo et imbellisco;   alzo, avviv’, orno il cor, il spirto e fronte: morte, cipressi, inferni cangiate in vita, in lauri, in astri eterni. (42) pare e piace, ch’alfine o voglia o non, per giustizia la deve ognuno intendere e definire come l’intendo e definisco io, non io come l’intende e definisce lui: […].« 90  Der Anfang der Eroici furori, im ganzen der erste Satz, könnte durchaus der Topik der Ilias, der Odyssee und der Aeneis nachgebildet sein.

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Der Sprecher des Sonetts ist der furioso, der eroe. Die Musen, die er anruft, hat er in der Vergangenheit immer wieder von sich gewiesen; nun sollen sie ihm in seinem Leid Trost spenden mit Versen, Reimen und Leidenschaften, wie sie sie bislang keinem anderen gewährten. In asyndetischer Reihung haben versi, rime, furori gleiche Valenz und gehören als solche zusammen, sie bilden eine Kombinationsfolge, die in Variation im zweiten Terzett aufgenommen wird: Die ihrerseits asyndetische ternäre Reihe der Verben und Substantiva, näherhin Prädikate und Objekte, in der zwölften Zeile nimmt mit alzo […] il cor und avvivo […] il spirto Bezug auf furori, mit orno […] [sc. il] fronte auf versi und rime, um in der letzten Zeile die erstrebte Metamorphose vom Tod – morte, cipressi, inferni – in das ewige Leben nicht allein den furori, vielmehr zugleich den versi und rime zuzuschreiben: der Tod soll sich in Leben, die Hölle bzw. die Unterwelt in ewige Gestirne, die Zypressen in Lorbeer verwandeln. Daraus wird deutlich: Die Leidenschaften sind mit der Dichtung, die ihnen Ausdruck gibt, unverbrüchlich verbunden; alle Wörter und Bilder des ersten Sonetts sind semantisch entweder den furori oder den versi und rime zuzuordnen, und versi und rime sind auf furori bezogen und umgekehrt. Die Interrelation zwischen den furori und der sie zur Vorstellung bringenden Dichtung hebt der Kommentar des Sonetts – Cicada spricht – noch einmal hervor, indem er dem furioso die folgenden Worte beilegt: »O monte« Parnaso dove »abito«, Muse con le quali »converso«, »fonte« eliconio o altro dove mi »nodrisco«: monte che mi doni quieto alloggiamento, Muse che m’inspirate profonda dottrina, fonte che mi fai ripolito e terso; monte dove ascendendo »inalzo« il core; Muse con le quali versando »avvivo« il »spirito«; fonte sotto li cui arbori poggiando adorno la »fronte«; »cangiate« la mia »morte« in »vita«, gli miei »cipressi« in »lauri«, e gli miei »inferni« in cieli: cioè destinatemi immortale, fatemi poeta, rendetemi illustre, mentre canto di morte, cipressi et inferni. (50)

In der Bildlichkeit des Musenanrufs und seinem üblichen Apparatus – der Berg Parnassus, die Quelle am Fuße des Helicon – ist nicht allein eine Poetologie formuliert, vielmehr zugleich die den Eroici furori zugrunde liegende Metaphysik. Es sind die Musen, die tiefe Gelehrsam-



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keit eingeben, ineins den Geist beleben sollen, zudem jene im Bild des Aktaion verhandelte conversio herbeiführen, die hier nur erst mit dem Begriff des cambiamento – »cangiate la mia morte in vita« – bezeichnet ist91. Deutlicher noch wird die Referenz auf das Aktaion-Sonett im zweiten Poem des ersten Dialogs: Ein enger Zusammenhang, ja die Übereinstimmung von »muse« und »pensieri«, Erkenntnis und schöpferischer Einbildungskraft, von phantasia und cognitio wird postuliert: In luogo e forma di Parnaso ho ’l core, dove per scampo mio convien ch’io monte; son mie muse i pensier ch’a tutte l’ore mi fan presenti le bellezze conte; onde sovente versan gli occhi fore lacrime molte, ho l’Eliconio fonte: per tai montagne, per tai ninfe et acqui, com’ha piaciut’ al ciel poeta nacqui.   Or non alcun de reggi, non favorevol man d’imperatore, non sommo sacerdot’ e gran pastore mi dien tai grazie, onori e privileggi;   ma di lauro m’ infronde mio cor, gli miei pensieri, e le mie onde. (50/52)

Was im ersten Sonett, dem Musenanruf, nurmehr angedeutet wurde, wird in der Folge evident: Die Musen des furioso sind seine eigenen Gedanken – eine Inversion konventioneller Musenauffassung hat statt. Der musengegebene Enthusiasmos, traditionell verstanden als äußere göttliche Einwirkung, ist in die Gedanken, die pensieri, jenen vom Willen angespornten Intellekt, verlegt. Denn in der für die Schreibweise Brunos typischen Manier ist in Begriff und Sache der pensieri die oben analysierte Aktaion-Figuration im vierten Dialog des Ersten Teils vorweggenommen: dort sind die pensieri die cani92, »i mastini e i veltri«, 91 

Von conversione, cambiamento zu unterscheiden ist metamorfosi, trasmutazione. Siehe dazu insbesondere oben S. XXVI ff. 92  Furori I,4 (122): »Cossì Atteone con que’ pensieri, que’ cani che cercavano

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ihrerseits Bilder für intelletto und voluntade, wobei wiederum voluntade mit amore gleichgesetzt wird93; hier sind »gli miei pensieri« mit dem Herzen (»mio cor«) und »le mie onde«, Bild für die stets tränenden Augen, in Relation gebracht, ihrerseits wiederum Bild für den Intellekt und den Willen. Die Augen und das Herz sind immer wiederkehrende Figurationen des Intellekts und des Willens94, der Vernunft und des Gefühls, von amor und cognitio, wie anderseits Intellekt und Willen, Vernunft und Gefühl in immer neuen Figurationen wie den Augen und dem Herz oder den Waldestieren Ausdruck finden. So werden bereits in den ersten beiden Sonetten und den die Sonette kommentierenden Dialogen Bilder und Konzepte aufgerufen, die in immer neuen Variationen und Konstellationen das selbige Thema zur Vorstellung bringen. Abgesehen von der spezifischen Bildlichkeit, auf die zurückzukom­ men ist, ist die Aussage von Anbeginn eindeutig, ist das Signal gleich eingangs der Eroici furori stark: Der Intellekt des Heros ist aus eigenem Antrieb tätig, er ist – hierin der Weltseele analog – sein eigener Ursprung und seine eigene Ursache, und er ist derjenige, der den Heros zum Dichter macht und den Dichter zum Heros: »[…] di lauro m’ infronde / mio cor, gli miei pensieri e le mie onde.« (52) Der vom Willen getriebene Intellekt ist schöpferisch, ist poietisch tätig. Die Bildlichkeit der beiden ersten Sonette und die durch sie zur Vorstellung gebrachte Bedeutung – »son mie muse i pensier« – erschließen sich nicht ohne Kommentar. Allerdings besteht die Funktion der komestra di sé il bene, la sapienza, la beltade, la fiera boscareccia, et in quel modo che giunse alla presenza di quella, rapito fuor di sé da tanta bellezza, dovenne preda, veddesi convertito in quel che cercava; e s’accorse che de gli suoi cani, de gli suoi pensieri egli medesimo venea ad essere la bramata preda, perché già avendola contratta in sé, non era necessario di cercare fuor di sé la divinità.« 93  Furori I,4 (118/120): »[…] l’operazion de l’intelletto precede l’operazion della voluntade; ma questa è più vigorosa et efficace che quella: atteso che a l’intelletto umano è più amabile che comprensibile la bontade e bellezza divina, oltre che l’amore è quello che muove e spinge l’intelletto acciò che lo preceda, come lanterna.« 94  Die Tränen und das Herz sind als Bilder ubiquitär in den Eroici furori. Prominent ist der dritte Dialog des Zweiten Teils. Dazu Genaueres weiter unten S. XCvi–XCVIiI.



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mentierenden Dialoge keineswegs darin, die Poeme – diese und alle folgenden – zu erläutern und miteinander zu verbinden, aufeinander zu beziehen. Vielmehr sind die Poeme unmittelbarer bildlicher Ausdruck der nolana filosofia, die die kommentierenden Dialoge noch einmal darlegen. Die Poeme selbst, ihre ihnen jeweils eigenen (Sprach-)Bilder sind die Phantasmata, in denen und durch die das Denken sich artikuliert. Deutlicher noch: Die (Sprach-)Bilder, die Imagines und Signa, ermöglichen ein Denken, eine Philosophie, die als nolana filosofia Eigensinn beansprucht, der wiederum einer eigenen poetischen Sprache bedarf. Dies ist der Grund, weshalb von Anbeginn der Eroici furori die heroischen Leidenschaften und die Musen aufeinander verwiesen sind, weshalb der Heros, der sich den »philosophischen Studien« verpflichtet fühlte, schließlich die Einladung der Musen annimmt: »[…] accettasse l’invito di costoro [sc. de le Muse]« (44). Die herausragende Bedeutung der dichterischen Tätigkeit, im ganzen der Poiesis für die Eroici furori wird bereits aus dieser kleinen, nur scheinbar beiläufigen Fügung deutlich. Zusammen mit der Adhortatio der Musen zu Beginn des ersten Sonetts – »Muse […] correte a’ miei dolori / per consolarmi sole ne’ miei guai« – spielt sie offensichtlich auf De consolatione philosophiae des Boethius an. Auch dort werden die Musen eingangs in einer elegia flebilis in hoher Bedrängnis als Trösterinnen angerufen95. Allerdings sind sie hier dem Sprecher – Boethius – willkommen – »Solantur maesti nunc mea fata senis« –, während sie von der Philosophia als ›Theaterhuren‹, als »scenicae meretriculae«, tituliert und verjagt werden. Das hindert nicht, daß der Text der Consolatio philosophiae, ein dialogischer Monolog, ein in höchstem Maße poetischer Text ist, wobei ganz wie im Falle der Eroici furori Poesie und Prosa, Gedicht und kommentierende Reflexion, in wechselndem Bezug zuein­ander stehen.96 So könnte also die Apostrophe der Musen als Trösterinnen im Leid nahelegen, in Boethius’ Consolatio philosophiae das formale wie konzeptionelle Modell der Eroici furori zu sehen. Indes gibt es De consolatione philosophiae. Opuscula theologica, ed. Claudio Moreschini, Monachii/Lipsiae 2000 (= Bibliotheca Teubneriana), I.i, 1–8. 96  Dazu ausführlich Moog-Grünewald: Selbstsorge als ästhetische Reflexion (2004). 95 Boethius:

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bei aller Übereinstimmung in der Form97 einen ebenso minimen wie belangvollen Unterschied in der Konzeption. Während in der Consolatio philosophiae die Philosophie die Musen vertreibt, um deren Stelle einzunehmen, werden in den Eroici furori die Musen dem Heros zu Trösterinnen, obgleich – wie es heißt – »er sich zu philosophischen Studien verpflichtet fühlte, die, auch wenn sie nicht reifer sind, den Musen als deren Eltern vorangehen müssen«98; doch: »Al fine nel maggior fervor de fastidi nelli quali incorse, è avvenuto che non avend’altronde da consolarsi, accettasse l’invito di costoro […].« (44) Die Musen gewinnen die Oberhand über die Philosophie. Die jeweils unterschiedliche Stellung der Philosophie hat Folgen für die Funktion der Poesie – und genau dies zu zeigen, ist Absicht der Anspielung, des impliziten Zitats. Das Sprecher-Ich der Consolatio gelangt dank der Maieutik der Figur der Philosophia allmählich zu der Einsicht, daß das höchste Ziel, zugleich das wahre Glück des Menschen im Erreichen, ja im Besitz des höchsten, des vollkommenen Guten besteht, das wiederum identisch ist mit dem Einen, dem Unum. Diese Einsicht nicht nur im Argument herbeizuführen, vielmehr zugleich in der Bildlichkeit der Sprache zu evidenzieren, ist insbesondere die Aufgabe der den monologischen Dialog rhythmisierenden carmina. Damit tritt die Dichtung in den Dienst der Philosophie.99 Anders verhält es sich mit den Eroici furori: Der Heros nimmt die Einladung der Musen nicht nur an, sondern läßt sich von ihnen »trunken machen mit Leidenschaften, Versen und Reimen« – »[…] son dette inebriarlo de tai furori, versi e rime […]« (44). In der wiederholten Aufnahme der asyndetischen Reihe furori, versi e rime – so sahen wir – wird deutlich, daß Dichtung und Philosophie gleichursprünglich sind – im Ich des furioso: »son mie muse i pensier ch’a tutte l’ore / mi fan presenti le bellezze conte; […]« (50) Die Folge 97 

Rein äußerlich handelt es sich bei beiden Texten um ein Prosimetrum. 98  Furori I,1 (44): »[…] per trovarsi ubligato alla contemplazion, e studi de filosofia: li quali se non son più maturi, denno però come parenti de le Muse esser predecessori a quelle.«  99  Daß die carmina zugleich die Philosophie in den Dienst der Ästhetik nehmen, kann hier nicht weiter ausgeführt werden. Siehe dazu Moog-Grünewald: Selbstsorge als ästhetische Reflexion (2004).



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der Gleichursprünglichkeit von Dichtung und Philosophie ist, daß sich das in Rede stehende, mithin das das Werk schreibende Ich nicht allein von den Musen umworben sieht, sondern in herausragender Weise ausgezeichnet ist: anders als ihm sie sich den anderen nicht: »son dette inebriarlo de tai furori, versi e rime con quali non si mostraro ad altri.«100 Die besondere Auszeichnung ist der Grund dafür, daß das Werk »mehr glänzt durch Erfindung als durch Nachahmung«: »perché in quest’opra più riluce d’invenzione che d’imitazione« (44).101 Dem­ gemäß ist der Kommentar, der sich in der Folge auf einzelne Zeilen des Sonetts bezieht, eine harsche Abrechnung mit der Regelpoetik102 und eine vehemente Verteidigung des dichterischen Ingeniums: Ausgangspunkt ist die Bezugnahme auf die im Sonett erwähnten »mirti« und »allori«, die Myrte und den Lorbeer, die metaphorisch für die seinerzeit kanonisierten Gattungen der Liebeslyrik und des Heldenepos einstehen. Gegen eine Restriktion des generischen Kanons verteidigt 100 

Hervorhebung von MMG. 101  Poetische Invention als Ausdruck eines musenbegnadeten Enthusiasmus zu begreifen, ist durchaus konventionell, ein Topos antiker und rinascimentaler Dichtungslehre. Marsilio Ficino hat in Weiterführung platonischer Konzepte, wie sie insbesondere im Phaidros, sodann im Symposion formuliert sind, vor allem in De amore, seinem Kommentar zum platonischen Symposion, nichts anderes bemerkt. Und doch enthält die Rede des Nolaners wiederum eine Abweichung von der Tradition: in der Insistenz auf der Einzigartigkeit, in der sich die Musen dem Heros zeigen. 102  Nach Bruno kann die aristotelische Poetik nicht der Maßstab sein, an dem die Dichtung der Antike und der Gegenwart zu messen ist; ihre Regeln mögen allein tauglich sein für Dichterlinge, jene also, die über kein Talent verfügen, die »keine eigene Muse« (»non di propria musa«) haben und so auf »Nachäfferei« (»scimia de la musa altrui«) angewiesen sind. Größeren Schaden noch als die Untalentierten und deren Machwerke richten allerdings die Kritikaster an, die es unternehmen, herausragende literarische Werke auf der Waage der Regeln zu prüfen, zu bewerten und zu verwerfen – Mißgunst sei ihr Motiv: »[…] non san far cosa di buono, ma son nati solamente per rodere, insporcare e stercorar gli altrui studi e fatiche; e non possendosi render celebri per propria virtude et ingegno, cercano di mettersi avanti o a dritto o a torto per altrui vizio et errore.« (48) In der für Bruno typischen drastischen Manier wird der Gegner zugleich auch moralisch diskreditiert.

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Tansillo – durchaus im Einklang mit Cicada – die Vielfalt der literarischen Gattungen: Però corone a’ poeti non si fanno solamente de mirti e lauri: ma anco de pampino per versi fescennini, d’edera per baccanali, d’oliva per sacrifici e leggi; di pioppa, olmo e spighe per l’agricoltura; de cipresso per funerali: e d’altre innumerabili per altre tante occasioni. (48)

Die Begründung für diese unorthodoxe und auch leicht ironisch-spöttische Äußerung: […] la poesia non nasce da le regole, se non per leggerissimo accidente; ma le regole derivano da le poesie: e però tanti son geni e specie de vere regole, quanti son geni e specie de veri poeti. (46)

Und: »[…] dico che sono e possono essere tante sorte de poeti, quante possono essere e sono maniere de sentimenti et invenzioni umane […].« Der entscheidende Gesichtspunkt ist also die Unabhängigkeit, ja Eigenständigkeit des Ingeniums: die »propria virtude et ingegno«, der Besitz einer »eigenen Muse«. Mehr noch als dies: Das Ingenium des musenbegnadeten Dichters ist jeweils einzigartig103, nicht anders als das des furioso, genauer: des furioso als Dichter und vice versa. Und genau hierin ist der scheinbar so unvermittelte Übergang von der die Eroici furori eröffnenden Erklärung, die furori vorstellen zu wollen, in einen Musenanruf begründet: in der Identität des furioso mit dem wahren Dichter sowie in der Identität von Gegenstand und Form, von der Rede über die eroici furori und von den eroici furori als Rede.104 103 

Bruno greift auch in den Streit um Homer ein, näherhin um die Frage, ob Homer noch als Muster gelten könne angesichts der Romanzi eines Ariosto und eines Torquato Tasso. Bruno dürfte in seiner Zeit der einzige gewesen sein, der Homer – neben Vergil, Ovid, Martial, Hesiod, Lukrez – als eigenständigen und unverwechselbaren, zugleich unvergleichbaren Dichter verteidigte: weder befolge sein Werk Regeln noch könnten aus dessen Werk Regeln gezogen werden. Furori I,1 (46) Siehe dazu auch Georg Finsler: Homer in der Neuzeit von Dante bis Goethe, Leipzig 1912 (Repr. 1973), S. 33–82; zu Bruno: S. 81 f. 104  Es greift daher zu kurz, das erste Sonett der Eroici furori umstandslos in die Tradition des Musenanrufs zu stellen, wie es beispielsweise Mehltretter:



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Der Gegenstand der Rede ist von der Form seiner Präsentation nicht zu trennen, wie die Form der Präsentation zugleich Ausdruck des Ingeniums dessen ist, der den Gegenstand in Rede bringt. Die ungemein modern anmutende Behauptung, daß die Dichtung nicht aus den Regeln geboren werde, sondern die Regeln aus der Dichtung genommen würden, ist dann nurmehr die logische wie intendierte Folgerung der nolana filosofia, richtiger: der diese Philosophie grundierenden, ja sie erst hervorbringenden Bildtheorie. Das bedeutet nicht, daß die bildtheoretisch begründete Dichtung autonom im modernen Verständnis wäre – im Sinne einer Genieästhetik. Das bedeutet vielmehr, daß die Bilder, in denen und durch die das Denken statthat, und die Sprache, die den Bildern des Denkens Anschauung gibt, Ausdruck eines individuellen Ingeniums sind und a fortiori eines individuellen poietischen Ingeniums. Es sind die Bilder, die, Mittel der Erkenntnis, den discorso des eroico furioso ermöglichen und die, Mittel der Sprache, den discorso zur Erscheinung bringen und zugleich dessen Nachvollzug im Leser gewährleisten. Wie läßt sich das poetische Verfahren näherhin beschreiben? Vorab wird man den unterschiedlichen Formen der Dialoggestaltung Rechnung tragen müssen, eine Verallgemeinerung ist nicht möglich. Es gibt Dialoge, die eine Einheit bilden – so die ersten vier Dialoge des Ersten Teils, die Dialoge I,5 bis II,1 bzw. II,2 –, und es gibt Dialoge, die formal je für sich stehen – das trifft für die übrigen zu. Gleichwohl bauen die einzelnen Dialoge aufeinander auf, entwickeln sich strukturell und thematisch auseinander und gegeneinander. Daher wird es notwendig sein, die Dialoge bzw. Dialogeinheiten in der vom Text selbst vorgegebenen Reihenfolge zu beschreiben, ihre formalen und strukturellen Besonderheiten zu begründen, im ganzen auf ihre Funktion für Metaphysik und Erkenntnistheorie hin zu untersuchen. Giordano Bruno und der Petrarkismus (2003), S. 146–179, hier S. 156 f. getan hat. Mehltretter nimmt an, »daß die Form des Musenanrufes […] für die intendierte Allegorese bewußt gewählt ist, um von Anfang an eine canzoniere-Struktur im Sinne etwa Bembos zu erhalten […]« (S. 157). – Zur Frage der canzoniereStruktur siehe unten S. LXXIX ff.

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De gli eroici furori I 1–4 Die Absicht der Dialogfigur Tansillo, zugleich Repräsentant des Nolaners, ist es, die Leidenschaften in einer konvenienten Ordnung vorzustellen – »secondo l’ordine a me parso più conveniente«. Die ersten vier Dialoge beschreiben den Weg, den der furioso nimmt, bestimmen die furori in ihrer Besonderheit als heroische. Der Modus der Beschreibung, die Bildlichkeit der Bestimmung sind einzigartig in der Literatur – nicht nur des 16. Jahrhunderts. Dafür steht gleich das erste Sonett ein, näherhin dessen Terzette:   O monte, o dive, o fonte, ov’abito, converso e mi nodrisco; dove quieto imparo ed imbellisco;   alzo, avviv’, orno il cor, il spirto e fronte: morte, cipressi, inferni cangiate in vita, in lauri, in astri eterni. (42)

Auffällig ist eine jeweils ternäre Reihung von Verben und Substantiven bzw. von Prädikaten und Objekten, deren Sinn sich nicht in einer horizontalen, sondern vertikalen Lektüre erschließt – derart, daß monte, abito, quieto, alzo […] il cor aufeinander zugeordnet sind, nicht anders als dive, converso, imparo, avvivo […] il spirto und fonte, mi nodrisco, imbellisco, orno […] [il] fronte. Die jeweiligen Zuordnungen in der Vertikalen – zumindest gilt dies für die ersten vier Zeilen der beiden Terzette – sind Ergänzungen, Erweiterungen, Änderungen der Perspektive. Die Folge der Wörter in der Horizontalen hebt die Zuordnungen in der Vertikalen wiederum auf derart, daß jedes Wort einer Zeile jedem Wort der übrigen Zeilen zumindest als Möglichkeit zugeordnet werden kann. Die Wörter der beiden letzten Zeilen stehen jeweils in einem oppositiven Verhältnis zueinander, wobei auch hier wiederum zumindest potentiell jedes Wort des Verses morte, cipressi, inferni in jeder Wortfügung des Verses cangiate in vita, in lauri, in astri eterni eine sinngebende Entsprechung hat. Der Sinn der Terzette, in bestimmter Weise eine Fortführung der Quartette, ist bereits in tai versi, tai rime e tai furori buchstäblich ›intoniert‹: der furioso erlangt



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Unsterblichkeit als Dichter, nicht anders als der Dichter nurmehr als furioso ewigen Ruhm gewinnen wird. Das erste Sonett findet sodann eine Fortführung und in bestimmter Weise eine Präzisierung im zweiten Sonett: In luogo e forma di Parnaso ho ’l core, dove per scampo mio convien ch’io monte; son mie muse i pensier ch’a tutte l’ore mi fan presenti le bellezze conte; onde sovente versan gli occhi fore lacrime molte, ho l’Eliconio fonte: per tai montagne, per tai ninfe et acqui, com’ha piaciut’ al ciel poeta nacqui. (50)

Der Berg und der Quell – so die generischen Bezeichnungen im ersten Sonett – werden hier präzisiert als Parnass und Helikon, ihrerseits Bilder für das Herz und die tränenreichen Augen, die wiederum Bilder sind für Wille und Intellekt. Wille und Intellekt aber sind jene Gedanken, die der furioso als seine Musen erachtet; im Aktaion-Sonett schickt der furioso, figuriert im Jäger, seine Gedanken, jene cani, aus, um Beute zu machen – mit der Folge, daß er selbst zu ihrer Beute wird. Die Selbst­ affizierung der Gedanken, wie sie das Aktaion-Sonett ins Bild setzt, wird hier vorweggenommen in den letzten beiden Zeilen des Sonetts:   ma di lauro m’ infronde mio cor, gli miei pensieri, e le mie onde. (52)

Die Schlußverse variieren die beiden ersten Quartette – und sie nehmen dabei in Umkehrung insbesondere deren letzte Verse auf: »per tai montagne, per tai ninfe et acqui, / com’ha piaciuto al ciel poeta nacqui.« Berg, Quell, Musen, Parnaß, Helikon, Nymphen, Herz, Gedanken, Augen, zugleich Tränen und Wasser – dies sind die (Sprach-)Bilder, die in immer neue Konstellationen treten, um auf immer neue Weise die furori des furioso zu veranschaulichen. Dabei wird von Anbeginn der Eroici furori deutlich gemacht, daß die furori Ausdruck des vom Willen angespornten Intellekts sind, spekulativ das absolute Eine, das

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Göttliche zu erfassen. Dies gelingt – so überhaupt – nurmehr in jener »metaphysischen Bewegung«, in der sich Intellekt und Wille des Liebenden dem »höchsten Gut« anzunähern suchen.105 Da das höchste Gut unendlich ist, ist notwendigerweise die »metaphysische Bewegung« des Intellekts und des Willens, mithin der endlichen Seele des eroe, unendlich. Liberio bringt es ins Bild, wenn er im vierten Dialog des Zweiten Teils, dem dialogischen Widerspiel der Augen und des Herzens, im ganzen eine Variante und Weiterführung der ersten Sonette der Eroici furori, unter anderem bemerkt: »[…] gli occhi imprimeno nel core, cioè nell’intelligenza, suscitano nella volontà un infinito tor105 

Die »metaphysische Bewegung« auf das Unendliche hin ist eine Bewegung im Kreis – wie Tansillo in Kommentierung des dritten Sonetts des vierten Dialogs anmerkt: »[il moto metafisico] non è da imperfetto al perfetto: ma va circuendo per gli gradi della perfezione, per giongere a quel centro infinito il quale non è formato né forma.« (130) Die Frage Cicadas, wie denn der Mittelpunkt in Kreisbewegungen zu erreichen sei, läßt Tansillo unbeantwortet: »Cicada Vorrei sapere come circuendo si può arrivare al centro? / Tansillo Non posso saperlo. / Cicada Perché lo dici? / Tansillo Perché posso dirlo, e lasciarvel considerare. / Cicada Se non volete dire che quel che perséguita l’infinito, è come colui che discorrendo per la circonferenza cerca il centro, io non so quel che vogliate dire. / Tansillo Altro. / Cicada Or se non vuoi dechiararti, io non voglio intenderti. […].« (130) Die Antwort, die Tansillo verweigert, ist bereits in De l’infinito, universo et mondi gegeben. Im fünften Dialog nimmt Filoteo Stellung zu insgesamt zwölf ›Argumenten‹ des Aristoteles und bemerkt zu dessen drittem ›Argument‹, wonach es nur einen Ort, eine Welt und damit auch nur ein Zentrum gebe: »Quanto al terzo argumento, dico che nell’etereo campo non è qualche determinato punto a cui come al mezzo si muovano le cose gravi, e da cui come verso la circonferenza se discostano le cose lievi; perché nell’universo non è mezzo né circonferenza: ma (se vuoi) in tutto è mezzo, et in ogni punto si può prendere parte di qualche circonferenza, a rispetto di qualche altro mezzo o centro.« (De l’infinito, universo et mondi, dialogo 5 [BW IV, S. 284]. Übersetzung [S. 285]: »Was das dritte Argument betrifft, sage ich, daß es in dem Ätherfeld nicht irgendeinen bestimmten Punkt gibt, zu dem sich die schweren Dinge wie gegen eine Mitte hin bewegen und von dem sich die leichten Dinge wie gegen einen Umkreis entfernen, denn im Universum ist weder Mittelpunkt noch Umkreis. Vielmehr ist (wenn du so willst) die Mitte in allem, und in jedem Punkt kann man einen Teil irgend­eines Umkreises in bezug auf irgendeine



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mento di suave amore, dove non è pena, perché non s’abbia quel che si desidera: ma è felicità, perché sempre vi si trova quel che si cerca; et in tanto non vi è sazietà, per quanto sempre s’abbia appetito, e per consequenza gusto […].« (338)106 Die unendliche Annäherung der endlichen Seele an das unendliche Objekt findet also in einem Denken statt, das in Zeichen und Bildern zur Vorstellung gebracht wird, mithin in einem semiotischen Erkenntnisprozeß, der dem ihm zugrundeliegenden Seins- und Naturprozeß analog ist, und das heißt: in Zeichen und Bildern, die in unendlich fortgesetzter Variation ihrer selbst, in einem andere Mitte oder einen anderen Mittelpunkt annehmen.«) – Siehe auch dialogo 3 [BW IV, S. 196]: »Resta […] da sapere ch’è un infinito campo e spacio continente, il qual comprende e penetra il tutto: in quello sono infiniti corpi simili a questo, de quali l’uno non è più in mezzo de l’universo che l’altro, perché questo è infinito e però senza centro e senza margine; […]« (Übersetzung [S. 197]: »Es bleibt […] zu wissen, daß es ein unendlich weites Feld und einen unendlich enthaltenden Raum gibt, der alles umfaßt und durchdringt. In diesem befinden sich unendlich viele Körper, dem unseren ähnlich, von denen der eine nicht mehr in der Mitte des Universums ist als der andere. Denn dieses ist unendlich, ohne Mittelpunkt und ohne Begrenzung […].«) Von Belang ist für den hier interessierenden Aspekt der Textstruktur Tansillos Charakterisierung des unendlichen Zentrums (»quel centro infinito«): es ist weder geformt noch Form (»non è formato né forma«); doch, so ist hinzuzufügen, es ist formbar – durch Denken in Bildern. Dem unendlichen Zentrum ist durch eine begrenzte Anzahl an Bildern, die unendlich kombinierbar sind, eine Form zu geben, die ihrerseits durch eine unendliche Vielheit und Vielfalt von Formen geprägt ist. 106  In Ergänzung kann die vorausgehende Passage – Liberio kommentiert das unmittelbar vorausgehende Sonett – angeführt werden, es ist die »zweite Antwort der Augen an das Herz«: »[…] non senza raggione l’affezzion del core è detta infinito mare dall’apprension de gli occhi: perché essendo infinito l’oggetto de la mente, et a l’intelletto non essendo definito oggetto proposto, non può essere la volontade appagata de finito bene; ma se oltre a quello si ritrova altro, il brama, il cerca, perché […] il summo della specie inferiore è infimo e principio della specie superiore, o si prendano gli gradi secondo le forme le quali non possiamo stimar che siano infinite, o secondo gli modi e raggioni di quelle, nella qual maniera per essere infinito il sommo bene, infinitamente credemo che si comunica secondo la condizione delle cose alle quali si diffonde: però non è specie definita a l’universo […], non è specie definita a l’intelletto, non è definita la specie de l’affetto.« Furori II,4 (336).

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permanenten Wechsel aller möglichen Konstellationen das absolute Eine ›einzu­holen‹ intendieren, ihm ›ähnlich‹, mit ihm gar ›identisch‹ werden wollen – »wenn es denn möglich ist«, wie die Figur des Maricondo im ersten Dialog des Zweiten Teils einräumt: […] cossì sempre varrà tentando il spirito eroico, sin tanto che non si vede inalzato al desiderio della divina bellezza in se stessa, senza similitudine, figura, imagine e specie, se sia possiblile: e più se sa arrivare a tanto. (238)

Die Bilder des Geistes – »specie« und »similitudine« – und die von ihm hervorgebrachten Bilder der Sprache – »figura« und »imagine« – sind zwar an Zahl beschränkt, indes sind die Möglichkeiten der Kombination der (Sprach-)Bilder unendlich.107 Aus der potentiell unendlichen Kombination einer notwendigerweise beschränkten Zahl an (Sprach-)Bildern gewinnen die eroici furori, der Text und die Haltung, ihre Dynamik und simulieren ein nie enden wollendes Streben, eine immerwährende Bewegung. Die Simulation der Bewegung kann allerdings keine Mimesis sein, weder der Natur noch des absoluten Einen, vielmehr realisiert sie sich als Semiosis: in der spezifischen Fügung von (Sprach-)Bildern, die in ihrer Selbstbezüglichkeit gleichwohl zur Natur und dem Einen in einem partizipativ-analogen Verhältnis stehen. Die semiotische Bewegung gewinnt metaphysische Valenz. Die der unendlichen Bewegung inhärente Dynamik wird erzeugt durch strukturellen Wechsel und durch semantische Gegenstrebigkeit der Sprachfiguren. Als Semiosis der diversità und contrarietà, der vicissitudine und der varietà, der molteplicità und der metamorfosi reflekBruno entwickelt bereits in De umbris idearum eine Art kombinatorischer Semiotik, die in De imaginum compositione weitergeführt und in den Eroici furori textuell realisiert ist. Um die bereits oben [Anm. 81] zitierte Stelle aus De umbris idearum noch einmal aufzunehmen: »Primus intellectus foecunditate sua modo suo propagat ideas non novas, nec noviter. Natura novas res producit in numero, non noviter tamen – modo suo – si semper eodem modo operatur. Ratio novas atque noviter in infinitum species format, componens, dividens, abstrahens, contrahens, addens, subtrahens, ordinans, deordinans.« De umbris idearum, a cura di Rita Sturlese, Firenze 1991, S. 52 (= n. 64). 107 



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tieren sie das im Universum ausgefaltete unendliche Eine in seiner unendlichen Vielheit. In diesem Verständnis thematisiert der erste Dialog des Ersten Teils vornehmlich das absolute Sein als Ziel der heroischen Anstrengung; die vier bzw. sechs108 Sonette, die auf das exordiale Musen-Sonett und dessen explikativer Fortführung folgen, können in ihrer Variation der Bildlichkeit von Augen und Herz als Ausfaltung des Einen in die Vielzahl der Varianten erachtet werden, zugleich als Bestreben, das Eine aus dem Vielen zu restituieren. Das Sonett »Chiama per suon di tromb’ il capitano« (52/54) hat zum Thema den Willen – im Bild des Kapitäns –, der die Gedanken – im Bild der Krieger – zu ›konzentrieren‹ sucht, und es reflektiert dieses Thema rhetorisch und semantisch in der Rekurrenz von »un / una« und »un sol« in den beiden Terzetten. Geradezu ausgefaltet wird das Thema sodann in den nachfolgenden vier Sonetten (56–68) derart, daß auf das erste der vier letzten Sonette – »Amor, sorte, l’oggetto e gelosia« (56) – die drei folgenden Sonette Bezug nehmen, indem sie es, ganz wie die Prosapassagen, ihrerseits kommentierend ent-wickeln. Prosapassagen und Gedichte haben dieselbe Funktion: das Verständnis des ersten Sonetts zu gewährleisten, mit dem Unterschied allerdings, daß die Gedichte den Kommentar darüber hinaus poietisch evidenzieren. Hinzu kommt, daß die Ein- bzw. Ausfaltungsbewegung von einer internen semantischen Gegenwendigkeit getragen ist, die ihrerseits auf Einheit gerichtet ist. Beispiel ist jenes erste der vier letzten Sonette: Amor, sorte, l’oggetto e gelosia, m’appaga, affanna, content’ e sconsola; il putto irrazional, la cieca e ria, l’alta bellezza, la mia morte sola: mi mostr’ il paradis’, il toglie via, ogni ben mi presenta, me l’invola; tanto ch’il cor, la mente, il spirto, l’alma, ha gioia, ha noia, ha refrigerio, ha salma.   108 

Es sind vier Sonette, deren Sprecher der furioso ist, die mithin Bruno selbst verfaßt hat, und zwei ›eingeschaltete‹ Sonette des Dichters Tansillo.

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Chi mi torrà di guerra? Chi mi farà fruir mio ben in pace? Chi quel ch’annoia e quel sì mi piace ……………………………………..   farà lungi disgionti, per gradir le mie fiamme e gli miei fonti? (56)

Das Sonett hat eine quaternäre Struktur: Im ersten Quartett respondieren den vier Substantiven der ersten Zeile, den Subjekten des Satzes, vier Verben, die Prädikate, und vier erweiterte Appositionen, wobei die Appositionen zwei Verszeilen einnehmen. Die Reihung wird im zweiten Quartett durch vier weitere Prädikate, die wiederum in zwei Zeilen auf die vier Subjekte des ersten Verses Bezug nehmen, fortgeführt und in einem Konsekutivsatz, der seinerseits durch vier Subjekte und vier Prädikate in zwei Zeilen gebildet ist, erläutert. Das erste Terzett formuliert vier Fragen, wobei das Fragewort »chi« anaphorisch die drei Verszeilen einleitet; das zweite Terzett, dessen erste Zeile fehlt, endet in der Benennung des Ziels: »per gradir le mie fiamme e gli miei fonti?« In der Folge wird das Sonett erläutert, Wort für Wort, Satzteil für Satzteil, in Prosakommentaren und in drei Sonetten, wobei die Sonette die vier Wörter der ersten Zeile des ersten Sonetts – amor, sorte, oggetto, gelosia – in Variation wiederaufnehmen, dabei die Dynamik ihres Kontrasts herauspielen mit dem Ziel, die vier Prinzipien amor, sorte, oggetto, gelosia und die sie bestimmenden zwei Gegensätze auf zwei Prinzipien, amor und oggetto, und einen Gegensatz zurückzuführen und schließlich diese wiederum in einem einzigen Prinzip, das den Gegensatz in sich selbst austrägt, zu vereinen: Quattro principii et estremi de due contrarietadi vuol ridurre a doi principii et una contrarietade. […] Appresso, doi principii et una contrarietade riduce ad un principio et una efficacia […] (68)

Dem entsprechen die beiden letzten Verse des letzten Sonetts:   Non son doi dumqu: è una che fa gioconda e triste mia fortuna. (68)



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Die quaternäre Struktur des ersten der vier letzten Sonette – »Amor, sorte, l’oggetto e gelosia« (56) – ist im vierten Sonett auf eine binäre Struktur reduziert: Premi (oimé) gli altri, o mia nemica sorte; vatten via, gelosia, dal mondo fore: potran ben soli con sua diva corte far tutto nobil faccia e vago amore. Lui mi tolga de vita, lei de morte; lei me l’impenne, lui brugge il mio core; lui me l’ancide, lei ravvive l’alma; lei mio sustegno, lui mia grieve salma.   Ma che dich’io d’amore? se lui e lei son un soggetto o forma, se con medesm’ imperio et una norma fann’ un vestigio al centro del mio core?   Non son doi dumque: è una che fa gioconda e triste mia fortuna. (66/68)

Schicksal und Eifersucht sind ausgesondert, die Liebe und ihr Objekt bleiben zurück und werden eins – ›der Jäger wird zur Jagdbeute‹. So ist zusammenfassend zu sagen: Die konzentrierte Bildlichkeit des Aktaion-Sonetts ist in Variation in der Sprachbildlichkeit insbesondere der vier letzten, von Bruno verfaßten Sonette des ersten Dialogs vorweg­ genommen. Im Unterschied zum konzisen Aktaion-Bild-Sonett beruht ihre Besonderheit darin, daß die jeweilige Semantik in der Struktur der Sätze und in der Abfolge ihrer einzelnen Glieder reflektiert ist: die quaternäre Struktur des Sonetts »Amor, sorte, l’oggetto e gelosia« (56) wird  – nach Zwischenstationen – im oben zitierten Sonett auf eine Zweigliedrigkeit reduziert, die insbesondere im zweiten Quartett in den rhythmisierten Satzparallelismen bei chiastischer Stellung der Pronomina lui und lei ihre formale Entsprechung hat. Die chiastische Gegenwendigkeit zielt auf die Fügung eines komplementären Gegensatzes in der letzten und konkludierenden Zeile »Che fa gioconda e triste mia fortuna«. Der Gegensatz ist in der Einheit aufgehoben, die

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Einheit, soweit sie die Einheit des Universums ist, ist nurmehr als Gegensatz und als Vielheit möglich.109 Ganz in diesem Verständnis setzen die (Sprach-)Bilder des zweiten Dialogs die (Sprach-)Bilder des ersten fort: Der eine Gegensatz, auf den die zwei Prinzipien reduziert waren110, wird wiederum erweitert auf zwei Gegensätze.111 Denn es ist der äußerste Widerstreit der Gegensätze (»eccesso delle contrarietadi« [76]), in dem die heroische Leidenschaft zum Austrag kommt, insofern er der Garant ist für Bewegung, Verwandlung und Wechsel112: »Denn der eine Gegensatz ist der Grund dafür, daß der andere Gegensatz ersehnt wird und Freude bereitet.« Voraussetzung ist der metaphysische Grundsatz, daß »alle [Einzel-] Dinge aus Gegensätzen« bestehen113, und die erkenntnistheoretischethische Äquivalenz, daß »niemand sich mit seinem Zustand zufriedengibt«, am wenigsten der furioso. Diese permanente Unruhe, jene vicissitudo rerum, die dem Universum wie allen Einzelseienden, den 109 

In diesem Sinne ist das Argumentum zum fünften Articulus des ersten Dialogs zu verstehen – Bruno faßt zusammen: »[…] ogni contrarietà si riduce a l’amicizia: o per vittoria de l’uno de’ contrarii, o per armonia e contemperamento, o per qualch’altra raggione di vicissitudine; ogni lite alla concordia, ogni diversità a l’unità […]«. Furori, Argomento (20). 110  Furori I,1 (68): »Quattro principii et estremi de due contrarietadi vuol ridurre a doi principii et una contrarietade.« 111  Leinkauf spricht zu Recht von einer »strukturellen Duplizität aller Wirklichkeit« (in: Einleitung [2007], cvii u. ö. [= BW III]. 112  Den furioso charakterisiert Tansillo unter anderem wie folgt: »[…] quel ch’è vivo, vegghia et intende; il quale considerando il male et il bene, stimando l’uno e l’altro come cosa variabile e consistente in moto, mutazione e vicissitudine (di sorte ch’il fine d’un contrario è principio de l’altro, e l’estremo de l’uno è cominciamento de l’altro) […].« Furori I,2 (74). 113  Furori I,2 (70/72): »[…] nessuna cosa è pura e schetta […]; […] tutte le cose constano de contrarii: da onde avviene che gli successi de li nostri affetti per la composizione ch’è nelle cose, non hanno mai delettazion alcuna senza qualch’amaro; anzi dico, e noto di più, che se non fusse l’amaro nelle cose, non sarebbe la delettazione, atteso che la fatica fa che troviamo delettazione nel riposo; la separazione è causa che troviamo piacere nella congiunzione: e generalmente essaminando, si trovarà sempre che un contrario è caggione che l’altro contrario sia bramato et piaccia.«



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physischen wie den psychischen ›Dingen‹ (cose) gleichermaßen, doch in unterschiedlicher Weise eignet, hat aber ihren Grund im Verhältnis von Weltseele und Materie »als einer unendlich fruchtbaren, die Dinge aus sich in einen Kreis von Entstehen und Vergehen hervortreibenden Kraft«114. Bruno bezieht sich auf seine in De la causa formulierte Metaphysik, näherhin auf die geradezu revolutionäre Neubestimmung des Verhältnisses von Materie und Form bzw. Weltseele und ihrem Intellekt, wenn er die Figur des Cicada die Reflexionen zum ersten Sonett des zweiten Dialogs, insbesondere zum Vers »gelate ho spene, e gli desir cuocenti« noch einmal kommentieren und paraphrasieren läßt: […] non è nella temperanza della mediocrità, ma nell’eccesso delle contrarietadi ha l’anima discordevole: se triema nelle gelate speranze, arde negli cuocenti desiri; è per l’avidità stridolo, mutolo per il timore; sfav i l la dal core per cura d’altrui, e per compassion di sé versa lacrime da gli occhi; muore ne l’altrui risa, vive ne’ proprii lamenti; e […] altri ama, odia se stesso: perché la materia (come dicono gli fisici) con quella misura ch’ama la forma absente, odia la presente. (76/78)115

Die Materie ist der Grund aller möglichen Formen, ohne sich aktual zu erschöpfen; vielmehr ist sie imstande, immer neue Formen hervorzubringen derart, daß in deren permanentem Wechsel die unendliche Wirkung des unendlichen Einen in einer unendlichen Welt sich manifestiert. Das erste Sonett des zweiten Dialogs bringt den Wechsel als duplikes116 Verhältnis von Materie und Form in einer Bildlichkeit der Gegensätze, der contrarietadi, zur Anschauung – in einer Rhetorik der Oppositionen, Chiasmen, Parallelismen: Io che porto d’amor l’alto vessillo, gelate ho spene, e gli desir cuocenti: a un tempo triemo, agghiaccio, ardo e sfavillo, son muto, e colmo il ciel de strida ardenti; Einleitung (2007), cvii [= BW III]. Kursivierung von MMG. 116 Leinkauf: Einleitung (2007), lxxix f. [= BW III]. 114 Leinkauf: 115 

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dal cor scintill’, e da gli occhi acqua stillo; e vivo e muoio, e fo ris’ e lamenti: son vive l’acqui, e l’incendio non more, ch’a gli occhi ho Teti, et ho Vulcan al core.   Altr’amo, odio me stesso: ma s’io m’impiumo, altri si cangia in sasso; poggi’altr’al ciel, s’io mi ripogno al basso; sempr’altri fugge, s’io seguir non cesso;   s’io chiamo, non risponde: e quant’io cerco più, più mi s’asconde. (70)

Ganz offensichtlich nimmt der Nolaner in diesem Poem Bezug auf Petrarca.117 Dafür sprechen die typisch petrarkisch-petrarkistischen Lexeme, Antonyme und Antithesen, mehr noch die wörtlichen Zitate aus Sonett cxxxiv der Rerum vulgarium fragmenta118. Indes ist es die Absicht des intertextuellen Bezugs, in der scheinbaren Gleichheit der Sprachbildlichkeit die unüberbrückbare Differenz herauszustellen. Petrarcas contrari affetti geben der Spannung einer sündentheologisch motivierten dolendi voluptas, der Schmerzliebe, Ausdruck: Es ist das Leiden am Verlust einer (göttlichen) Ordnung und ineins die Lust einer Liebe zum Irdischen: Transzendenz und Immanenz stehen in einem 117 

Außer Petrarca zitiert das brunianische Sonett eines der bekanntesten Embleme Andrea Alciatos, das die Inscriptio »Paupertatem summis ingeniis ne provehantur« trägt und dessen Pictura einen Mann (in späteren Ausgaben einen Knaben) zeigt, an dessen einem Arm ein Stein hängt und dessen anderer Arm geflügelt ist. 118  Francesco Petrarca: Canzoniere (Rerum vulgarium fragmenta), edizione commentata a cura di Marco Santagata, Milano 1996, S. 649: »Pace non trovo, et non ò da far guerra, / e temo, et spero; et ardo, et son un ghiaccio; / et volo sopra ’l cielo, et giaccio in terra; / et nulla stringo, et tutto ’l mondo abbraccio. // Tal m’à in pregion, che non m’apre né serra, / né per suo mi riten né scioglie il laccio; / et non m’ancide Amore, et non mi sferra, / né mi vuol vivo, né mi trae d’impaccio. // Veggio senza occhi, et non ò lingua et grido; / et bramo di perir, et cheggio aita; / et ò in odio me stesso, et amo altrui. // Pascomi di dolor, piangendo rido; / egualmente mi spiace morte et vita: / in questo stato son, donna, per voi.«



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unauflöslichen Spannungsverhältnis. Brunos contrarietadi hingegen stehen ein für den beständigen Wechsel der Zustände, dem das heroische Individuum sich ausgesetzt sieht in seinem leidenschaftlichen Streben nach dem absoluten Einen, Göttlichen. Die reziproken Gegensätze, die die psychischen Zustände des furioso beherrschen, sind somit metaphysisch motiviert, und sie werden in der Seele ausgetragen. Das partizipative Verhältnis der Seele am Sein bzw. am Universum als dessen Spiegel wird in der scheinbar übergangslosen Begründung im oben angeführten Zitat deutlich gemacht: »altri ama, odia se stesso: perché la materia […] con quella misura ch’ama la forma absente, odia la presente«. Zudem unterscheidet Bruno den Kampf, den die Seele in ihrem Inneren führt, mithin den Kampf zwischen Wille und Intellekt – er ist in den beiden Quartetten ins Bild der Augen und des Herzens gesetzt –, und den Kampf der Leidenschaft, der sich in äußeren Gegensätzen abspielt.119 So hat das nachfolgende Sonett erneut die zwei Gegensätze, denen der furioso unterworfen ist, zum Gegenstand: der Zustand der äußeren und inneren Zerrissenheit, ob »Natur oder Geschick«, findet Anschauung in einer Fügung aus Chiasmus und Figura etymologica »In viva morte morta vita vivo.« (78) sowie im nicht korrekten, doch originellen mythologischen Bild der zwei (!) Räder des Ixion: »qual Ixion convien mi fugga e siegua: / perché al dubbio discorso / dan lezzion contraria il sprone e ’l morso«. Die Rhetorik der widerstreitenden Gegensätze des zweiten Sonetts nimmt in Variation die Rhetorik des ersten Sonetts auf – mit dem Unterschied freilich, daß in der Fügung »In viva morte morta vita vivo!« die Gegensätze zusammenfallen – im Moment ihrer Poiesis. Das bedeutet: Vollendung in der Einheit ist, wenn überhaupt, poietisch darstellbar, sie ist nicht moralisch realisierbar. Dabei bleibt auch die Vollendung der Darstellung im Potentialis, sie ist ihrerseits in Bewegung und vermag solchermaßen Vollendung nurmehr zu intendieren. So ist es ein rhetorisches Meisterstück, die poietisch-instantane Aufhebung der contrarietadi in »In viva morte Furori I,1 (78): »[…] cossì conclude nell’ottava la guerra ch’ha l’anima in se stessa; e poi quando dice ne la sestina ›ma s’io m’impiumo, altri si cangia in sasso‹ e quel che séguita, mostra le sue passioni per la guerra ch’essercita con li contrarii esterni.« 119 

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morta vita vivo« erneut in eine Bewegung der Gegensätze zu überführen in einem Kommentar, der in einem ersten Teil weniger erklärt als variiert: Non è morto, perché vive ne l’oggetto; non è vivo, perché è morto in se stesso: privo di morte, perché parturisce pensieri in quello; privo di vita, perché non vegeta o sente in se medesimo. (80)

und der in einem zweiten Teil variiert, indem er erklärt: […] è bassissimo per la considerazion de l’alto intelligibile e la compresa imbecillità della potenza; è altissimo per l’aspirazione dell’eroico desio che trapassa di gran lunga gli suoi termini, et è altissimo per l’appetito intellettuale che non ha modo e fine di gionger numero a numero; è bassissimo per la violenza fattagli dal contrario sensuale che verso l’inferno impiomba. (80)

Die Gegensätze werden in den beiden kommentierenden Passagen nicht aufgehoben in einer poietisch simulierten Einheit, vielmehr in ihrer Komplementarität ausagiert. Der Zwiespalt und die Zerrissenheit, die dem furioso eigen sind, ja ihn als solchen kennzeichnen  – »quel disquarto e distrazione in se medesimo« (78), werden in der Folge geradezu performativ in Szene gesetzt im Dialog zwischen Filenio und Pastore, der Vernunft und dem Leidenschaftlichen (82): Die Stichomythie ist zur Antilabe gesteigert und reflektiert in ihrem Tempo der knappen, bis auf ein einziges Wort reduzierten Redefolge »das leidenschaftliche Gefühl zu jenem Objekt, in dessen Verehrung er [sc. der furioso] gefangen ist«120. Hinzukommt, daß dieser kleine eingeschaltete fiktive Dialog in der Form und in der Sache, die in Rede steht, den dritten Dialog des Zweiten Teils in nuce vorausnimmt, ja geradezu motiviert: jenen höchst raffiniert komponierten Dialog der Augen und des Herzens.

Furori I,1 (80): »[…] l’affezione di quell’oggetto alla cui osservanza è fatto cattivo.« 120 



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Die Besonderheit des Textes der Eroici furori – so sollte die Analyse bislang deutlich machen – beruht darin, daß seine A-Systematik Sy­stem hat: jegliche Linearität sowohl der ›Geschichte‹ wie der Argumentation ist aufgehoben. An ihre Stelle treten Korrespondenzbeziehungen von (Sprach-)Bildern und von die (Sprach)Bilder begleitenden Reflexionen, die ihrerseits subtile Beziehungen schaffen, als roter Faden den Text durchwirken. Ein weiteres Beispiel dafür ist – neben den bisher genannten – die Weise des Übergangs vom zweiten zum dritten Dialog des Ersten Teils. Der zweite Dialog endet mit einer Reflexion über die differenten Liebesleidenschaften, näherhin mit der platonisch-ficinianischen Unterscheidung nach drei Amores bzw. drei Lebensarten – Tansillo bringt sie in die Diskussion: Sai bene come il rapto platonico è di tre specie, de quali l’uno tende alla vita contemplativa o speculativa, l’altro a l’attiva morale, l’altro a l’ociosa e voluptuaria: cossì son tre specie d’amori; de quali l’uno dall’aspetto della forma corporale s’inalza alla considerazione della spirituale e divina; l’altro solamente persevera nella delettazion del vedere e conversare; l’altro dal vedere va a precipitarsi nella concupiscenza del toccare. (84)121 Die Passage ist eine fast wörtliche Übernahme aus Ficinos Commentarium in Convivium Platonis de amore VI, viii: »Hinc triplex, ut diximus, subrepit amor. Aut enim ad contemplativam, aut activam, aut voluptuosam vitam prompti et proclives geniti educative sumus. Si ad contemplativam, statim a forme corporalis aspectu ad spiritalis atque divine considerationem erigimur. Si ad voluptuosam, subito a visu ad concupiscentiam tangendi descendimus. Si ad activam atque moralem in sola illa videndi et conversandi oblectatione perseveramus. Illi tam ingeniosi sunt ut altissime provehantur, isti tam ebetes ut deprimantur ad infima, hi tamquam medii in media remanent regione.« – »Jene drei Eroten entspringen daraus, daß wir zu einer von drei Lebensarten geboren und erzogen sind, nämlich der betrachtenden, der tätigen oder der genußsüchtigen. Wenn wir zu der betrachtenden neigen, so erheben wir uns durch die Anschauung der körperlichen sogleich zur Betrachtung der geistigen und übersinnlichen Form. Wenn wir zur Wollust neigen, so sinken wir vom Anschauen sogleich zum Gelüste des Berührens. Neigen wir aber zu der täti121 

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Es folgt eine weitere Differenzierung nach ›Mischformen‹ und ›Unterarten‹ der drei Liebes- und Lebensweisen – sie hat kein Vorbild bei Ficino oder Plato –, um zu dem Schluß zu kommen, daß nur »die Liebe zu würdigen Dingen«, »das Streben nach edlen oder gar gött­lichen Dingen« zu loben und zu rühmen seien. Dem Streben den nötigen Aufschwung zu verleihen, aber bedarf es der »Flügel« der heroischen Liebe122. Unterderhand und zunächst kaum merklich ist die heroische Liebe von allen übrigen Amores – den platonisch-neuplatonischen drei ›reinen‹ Arten und den unzähligen Mischarten – als eine weitere und besondere abgesetzt und in ihrer Besonderheit durch ihre »Flügel«, dem Bild für Wille und Intellekt, gekennzeichnet: als jene »wahrhaft heroische Liebe« (»l’amor suo […] veramente eroico« [84]). Sie ist – so der Befund – eben nicht gleichzusetzen mit der höchsten Form der Liebe nach platonisch-ficinianischem Verständnis, jener Liebe, »die sich vom Anblick der körperlichen zur Anschauung der geistigen und göttlichen Form« erhebt123, sie bedarf mithin nicht der Sinne und damit der sinnlichen Schönheit als Ausgang, um in die geistige Schönheit Einsicht zu gewinnen: Das aristotelisch-thomistische Theorem – per sensibilia ad intelligibilia124 – scheint kühn außer Kraft gesetzt. Diese Position wird gen und sittlichen Lebensart, so verharren wir bei der Freude des Anschauens und geselligen Umgangs. Die ersten sind so geistvoll, daß sie sich am höchsten erheben; die letzten sind so plump, daß sie zum Niedrigsten hinabsinken; die mittleren halten eine mittlere Richtung ein.« – Marsilio Ficino: Über die Liebe oder Platons Gastmahl (= Commentarium in Convivium Platonis de amore). Lateinisch-Deutsch. Übers. von Karl Paul Hasse. Hg. und eingel. von Paul Richard Blum, Hamburg 31994, S. 218/221.) 122  Furori I, 2 (86): »[…] amando cose degne, aspirando a cose illustri, e più alto a cose divine accomodando gli suoi studi e gesti, a i quali non è chi possa più ricca e commodamente suppetitar l’ali, che l’eroico amore […].« 123  Furori I,2 (84): »[…] l’uno dall’aspetto della forma corporale s’inalza alla considerazione della spirituale e divina; […]« 124  Siehe e. g. Thomas von Aquin: Summa theol. 1 q.1 a.9: »Est autem naturale homini ut per sensibilia ad intelligibilia veniat: quia omnis nostra cognitio a sensu initium habet.« (Übersetzung: »Es ist aber für den Menschen natürlich, vom Sinnlichen zum Geistigen zu kommen: denn all unsere Erkenntnis nimmt vom Sinn ihren Ausgang.«)



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in ihrer ganzen Tragweite erst zu Beginn des dritten Dialogs deutlich. Dort ist erneut von mehreren Formen der Leidenschaften die Rede, die sich aber im wesentlichen auf zwei Grundformen zurückführen ließen125: die eine zeuge von nichts anderem als Blindheit, Dummheit und unüberlegtem Ungestüm und könne bis zu tierischem Unverstand gehen; die andere aber bestehe in einer göttlichen Entrücktheit, die manchen besser als den gewöhnlichen Menschen werden lasse. Davon aber gebe es wiederum zwei Arten: […] altri per esserno fatti stanza de dèi o spiriti divini, dicono et operano cose mirabile senza che di quelle essi o altri intendano la raggione; […] quei non parlano per proprio studio et esperienza come è mani­ festo, séguite che parlino et oprino per intelligenza superiore […]. (90)

Die anderen hingegen seien in philosophischen Betrachtungen geübt und mit einem leuchtenden, einsichtsfähigen Verstand begabt: […] da uno interno stimolo e fervor naturale suscitato da l’amor della divinitate, della giustizia, della veritade, della gloria, dal fuoco del desio e soffio dell’intenzione acuiscono gli sensi, e nel solfro della cogitativa facultade accendono il lume razionale126 con cui veggono più che ordinariamente: e questi non vegnono al fine a parlar et operar come vasi et instrumenti, ma come principali artefici et efficienti. (90)

Fast unmerklich ist das Rayon gewechselt: Es geht nicht mehr wie zu Ende des zweiten Dialogs allein darum, verschiedene Arten der Liebe zu benennen und zu hierarchisieren – von der niederen Liebe zur höchs­ten, vielmehr die höchste geistige Liebe selbst noch einmal zu differenzieren und zugleich zu stufen. Das Kriterium ist nicht mehr das Maß an Spiritualität und Göttlichkeit allein, sondern das Maß an mehr oder minder großer Eigenständigkeit des Geistes. Um in den (Sprach-)Bildern Furori I,3 (90): »[…] più specie de furori, li quali tutti si riducono a doi geni […]« 126  Die bildliche Formulierung »nel solfro della cogitativa facultade accendono il lume razionale« zeigt noch einmal deutlich, daß zwischen Ratio und Phantasia kaum unterschieden wird. 125 

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des Textes zu bleiben: Die einen sind nurmehr Gefäße der göttlichen Eingebung, einer »intelligenza superiore«, die anderen aber »entzünden am Schwefel ihres Denkvermögens das Licht ihres Verstandes«. Sie sind nicht Empfänger göttlicher Inspiration, sie sind selbsttätige Künstler, »principali artefici et efficienti«, Prinzip und Wirkung ihrer selbst. Unversehens – so scheint es – sind die amores des Symposion zu den furores des Phaidros mutiert. Doch tatsächlich ist der Vorgang komplexer. Mit anderen Mitteln der Sprache und auf andere Weise der Argumentation wird einmal mehr das für die brunianische Erkenntnistheorie so einzigartige Verhältnis von furori eroici und eroici amori127 zur Vorstellung gebracht: Die eroici amori sind weder mit der höchsten Form der platonisch-ficinianischen Liebe kompatibel noch sind die furori eroici mit den maniai des platonischen Symposion oder auch nur den furores des Commentarium in Convivium Ficinos identisch. Vielmehr repräsentieren die furori den Intellekt, der das erste Wahre, das Absolute zu erkennen strebt, doch auf die Liebe, den Willen, angewiesen bleibt, das Eine wenn nicht zu erkennen, so zu lieben, nurmehr »im Spiegel der Gleichnisse« zu sehen; und das heißt: aufgrund seiner ihm eigenen Begrenztheit, aber zugleich aufgrund seiner ihm eigenen Möglichkeiten zu begreifen.128 Dies ist der Grund, weshalb Bruno zwei Arten (»due specie«) der göttlichen Entrücktheit (»divina abstrazione«) unterscheidet und die Rezeptivität als minder qualifiziert gegenüber der Spontaneität, die als wahrhaft »göttlich«, »als selbst heiliger Gegenstand« hervorgehoben ist und in der sich ein gesteigertes Menschsein manifestiert: Gli primi hanno più dignità, potestà et efficacia in sé: perché hanno la divinità. Gli secondi son essi più degni, più potenti et efficaci, e son Furori, Argomento: »[…] il mio primo e principale, mezzano et accessorio, ultimo e finale intento […] fu et è […] d’apportare contemplazion divina, e metter avanti a gli occhi et orecchie altrui furori non de volgari, ma eroici amori […].« (16/18) Die neuartige komplexe Relation und Interaktion von furore, amore und eroico formuliert Bruno in immer neuen Wort-, Sach- und Sprachbildkonstellationen, die nie identisch sind, vielmehr vielfältige Variationen der sprachlichen und gedanklichen Annäherung. 128  Ausführlicher dazu Moog-Grünewald: Leidenschaft und Überschreitung (2006). 127 



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divini. Gli primi son degni come l’asino che porta li sacramenti: gli secondi come una cosa sacra. Nelli primi si considera e vede in effetto la divinità e quella s’admira, adora et obedisce. Ne gli secondi si considera e vede l’eccellenza della propria umanitade. (92)

Die Besonderheit des Heroischen gewinnt gerade durch das entschieden modifizierte Zitat der Modelle Platon und Ficino an Profil: Deren amores- und furores-Konzepte bilden den Horizont, vor dem – gleich einem Palimpsest – Bruno einmal mehr seine nolana filosofia als nova filosofia zur Anschauung bringt, vor dem er das andere, das grund­ legend Neue der heroischen Liebesleidenschaften gegenüber den platonisch-neuplatonischen Konzeptionen des Eros und des Enthousiasmos evidenziert. Es beruht – kurz gesagt – im intellektuellen Selbst- und Gegenentwurf, dem gleichwohl die Partizipation am Absoluten respondiert. Und das heißt konkret: Der ontologisch-erkenntnistheoretischen Fundierung der dignitas hominis im Konzept der heroischen Leidenschaften, mithin des furioso, entspricht die Vorstellung einer spontanen Kreativität. Und das bedeutet ja nichts anderes, als daß Poesie und Philosophie unverbrüchlich aufeinander verwiesen sind, die Poesie der Raum der Philosophie des furioso, der nolana filosofia, ist. So sind denn die »principali artefici et efficienti«, ihrerseits furiosi, Dichter und Denker ineins, sie denken als Dichter. So viel ist mit Blick auf die ersten vier Dialoge des Ersten Teils der Eroici furori zusammenfassend zu sagen: Die einzelnen Dialoge gehen auseinander hervor und stehen zueinander in bezug und dies weniger über ihre Aussage als über ihre (Sprach-)Bilder, die in den Sonetten bzw. Poemen figuriert sind. Die Poeme bilden die Paradigmen, die über ihre syntagmatische Folge, mithin über die die (Sprach-)Bilder tragenden Strukturen, die Bedeutung der Eroici furori generieren. Sie sind der Raum, in dem und durch den die brunianischen Philosopheme Anschauung gewinnen. Das die Eroici furori tragende und ihre Struktur prägende Philosophem ist das Philosophem der Unendlichkeit. Die Metaphysik des Unendlichen begründet nicht allein die furori des eroe, sie ist vielmehr zugleich figurativ präsent in den Eroici furori: als Ausdruck des endlichen Bewußtseins, das das Unendliche zu erfassen

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sucht, doch immer nur auf seine Erscheinung verwiesen bleibt: auf das unendliche Universum, das sich seinerseits in unendlichem Wechsel der Daseinsweisen, in den unendlich vielen modi di essere des Endlichen repräsentiert. Dementsprechend vermag das endliche Bewußtsein des eroe sich vom absolut Unendlichen nurmehr ›im Spiegel‹ ein Bild zu machen und es ›als Schatten‹ zu figurieren, und dies wiederum immer nur potentiell, nicht aktual. Es ist immer nur eine apprehensio, nicht eine comprehensio. Um eine wichtige Passage noch einmal aufzunehmen: Né per questo che l’obietto è infinito, in atto simplicissimo, e la nostra potenza intellettiva non può apprendere l’infinito se non in discorso, o in certa maniera de discorso, com’è dire in certa raggione potenziale o aptitudinale, è come colui che s’amena a la consecuzion de l’immenso onde vegna a constituirse un fine dove non è fine. (106/108)

Das hat zur Folge, daß der Text der Eroici furori ein Work in Progress ist, eine tessitura, die die unendliche Bewegung des Universums und dessen permanente Bewegtheit durch dauernden Formwechsel, die vicissitudo, präsentiert in ›Figuren‹ der Sprache, die ihrerseits ›Phantasmata‹ sind, Schöpfungen des Geistes bzw. des Ingeniums.129 Das durchaus chaotische Material der Sprache wird geformt durch den Geist, wobei das Material bereits alle Möglichkeiten der Formung in sich enthält und aus sich selbst hervorbringt.130 Insofern ist auch der Text der Eroici furori, seine Genese und seine Realisation, unmittel­barer Ausdruck der wechselseitigen Verwiesenheit von Potenz und Akt und der ihrem Verhältnis entsprechenden Entfaltungsbewegung.131 Das ist der Grund 129 

So wiederholt sich auf der Ebene der Sprache bzw. der (Sprach-)Bilder und (Sprach-)Figuren das ontologisch-epistemologische Konzept der species intelligibiles. 130  Vgl. dazu noch einmal Causa, dialogo 3, in: BW III, S. 170/172 [Zit. in Anm. 35] Vor allem aber sei hier verwiesen auf die einläßliche Darstellung zum Verhältnis von Form und Materie in De la causa von Leinkauf in: Einleitung (2007), lxxiii–cxiii [= BW III]. Auch hier ist allerdings erneut die Frage nach der Priorität von Semiologie und Ontologie zu stellen. 131  Zur ontologisch begründeten Relation von Materie und Form bemerkt



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dafür, daß der Text an keiner Stelle zu Ende kommt, vielmehr in Figurationen des Wechsels und der Gegensätze die unendlich vielen Möglichkeiten herausspielt mit dem Ziel, das Eine zu ›erfassen‹. Die tessitura intendiert, testo zu werden, ohne je testo sein zu können – und dennoch das Unendliche, das Absolute in der Sprache und als Sprache zu materialisieren. ✳ ✳ ✳

Abschließend ein Wort zur möglichen generischen Einordnung der ersten vier Dialoge der Eroici furori. Nicht selten werden die ersten vier Dialoge des Ersten Teils der Eroici furori, ja die Eroici furori insgesamt unter dem Rubrum ›Canzoniere‹ verbucht, im ganzen in die Tradition des Petrarkismus gestellt.132 Dafür gibt es Gründe. Nicht nur das Thema, die Liebe, ist durchaus petrarkistisch, sondern auch die Form der Gedichte – Sonette, Canzonen, Sestinen –, und insbesondere eine große Zahl an Topoi und an Sprachbildern scheinen einem petrarkisch-petrarkistischen Arsenal entnommen.133 Zudem trägt einer der Interlocutori des gesamten ersten Teils der Eroici furori den Namen Tansillo. Die Wahl des Namens verweist offensichtlich auf Luigi Tansillo, einen der seinerzeit bedeutenden Lyriker, Petrarkisten zumal, der ersten Hälfte des Cinquecento, der nicht allein in Italien, vielmehr auch in Spanien und in England bekannt und geschätzt war134. Es liegt daher Leinkauf in: Einleitung (2007), lxxxiv [= BW III] unter anderem: »[…] die Materie ist absolute Form in der Weise, daß sie die possibilitas absoluta jeglicher Form ist, die Form ist selbst Materie, in der Weise, daß sie die Wirklichkeit aller possibilitas absoluta ist, d. h. die Möglichkeit ist selbst schon eine Form des Aktes, der Akt ein Moment der Entfaltung des Möglichen […].« 132  Prominent für diese Einschätzung ist Sarno: Gli »Eroici furori« di Giordano Bruno come un canzoniere d’amore (1920) und ders.: La genesi degli »Eroici furori« di Giordano Bruno (1920); auch Schmidt: Zum Problem des Heros bei Giordano Bruno (1968) vertritt diese These. 133 Farinelli: Il Furioso nel labirinto (2000), S. 216–278 (»L’adesione al codice petrarchista: ruolo del pubblico e peso della tematica gnoseologica«). 134  Bruno fügt in die Eroici furori insgesamt vier Sonette von Tansillo in weitestgehend wörtlichem Zitat ein. Sie fallen allerdings gegenüber allen übrigen, von Bruno selbst verfaßten Sonetten ›aus dem Rahmen‹: im wörtlichen Sinne,

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nahe, die Eroici furori im ›System‹ des Petrarkismus zu verorten135, in ihnen eine eigenwillige Auseinandersetzung mit einer seit zwei Jahrhunderten von Petrarcas Canzoniere geprägten europäischen Lyrik zu erkennen, und dies umso mehr, als die Eroici furori keinem Geringeren als Sir Philip Sidney gewidmet sind. Und doch wird gerade aus den an Zahl keineswegs geringen petrarkisch-petrarkistischen Referenzen die Differenz deutlich. Der Musenanruf, so haben wir gesehen, ist invertiert in eine intellektuelle und poietische Selbstbehauptung. Auch ist es verfehlt – um nur ein weiteres Beispiel zu nennen –, aufgrund der Pfeilschuß-Motivik (»chi sì m’ha punt’ il cor è un sol dardo« [54]), im ganzen aufgrund der Bildlichkeit des Liebeskriegs das dritte Sonett des ersten Dialogs des Ersten Teils als innamoramento-Sonett zu typisieren136; denn in Rede steht nicht ein sich plötzlich Verliebender, sondern der furioso, dessen Begehren keinen Anfang und kein Ende kennt, insofern es sich auf das absolute Eine richtet – deutlich herausgestellt durch den rekurrenten Gebrauch der Wörter un/uno und sol/sola in

insofern sie in der Originalausgabe von 1585 nicht wie die übrigen – brunianischen – Sonette von einer Schmuckborte gefaßt, sondern in den Text integriert sind; im übertragenen Sinne, insofern sie keine Fortführung in Variation eines vorangegangenen Sonetts sind, sondern die Abfolge sistieren; sie haben eher illustrierende Funktion. Rowland: Giordano Bruno e Luigi Tansillo (2003) sucht die Aufnahme der Figur des Tansillo zu begründen und macht – neben anderen – den keineswegs überzeugenden und durch die Texte auch nicht belegten Vorschlag, daß sie eine maieutische Funktion für den Nolaner und die Eroici furori habe ganz wie Sokrates für Platon und das Symposion. 135  Insbesondere Mehltretter: Giordano Bruno und der Petrarkismus (2003), hat einlässlich den Versuch unternommen, Brunos Eroici furori, näherhin deren erste vier Dialoge, »als modifizierten canzoniere in freier Umprägung des Petrarkischen Musters [zu] lesen« (ebd., S. 170). Die Argumente scheinen vorderhand überzeugend, doch verkennt das akribische Aufzeigen von ›Systemreferenzen‹ die Besonderheit der Eroici furori: nicht nur, daß diese sich nicht auf ›Referenzen auf das petrarkistische System‹ reduzieren lassen, behaupten sie vielmehr in Gegenstand und Form uneingeschränkte Eigenständigkeit. Darauf wird im Folgenden zurückzukommen sein. 136  So wiederum Mehltretter: Giordano Bruno und der Petrarkismus (2003), S. 158–160.



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den beiden Terzetten.137 Die Bezüge bleiben auch dann, wenn sie offensichtlich scheinen wie im Falle des Passer-Sonetts, superfiziell. Erhalten doch die Bilder, so sie dem petrarkisch-petrarkistischen Inventar entnommen sind, eine gänzlich differente Validierung: Sie sind Ausdruck eines Denkens, das in der spekulativen Philosophie des Nolaners gründet und das gerade Petrarcas atra voluptas wie auch das petrarkistische Spiel mit einer auf sich selbst bezogenen Dichtung überwinden will. Das ist kurz zu erläutern. Bruno fällt über Petrarca gleich im Argomento ein harsches, ja bös­ artiges Urteil: E per mia fede, se io voglio adattarmi a defendere per nobile l’ingegno di quel tosco poeta che si mostrò tanto spasimare alle rive di Sorga per una di Valclusa, e non voglio dire che sia stato un pazzo da catene, donarommi a credere, e forzarommi di persuader ad altri, che lui per non aver ingegno atto a cose megliori, volse studiosamente nodrir quella melancolia, per celebrar non meno il proprio ingegno su quella matassa, con esplicar gli affetti d’un ostinato amor volgare, animale e bestiale […] (14)

Die Laura-Liebe als gewöhnlich, niedrig, gar tierisch zu bezeichnen, dürfte in der Hochzeit des europäischen Petrarkismus beispiellos sein. Nicht einmal die Antipetrarkisten wendeten sich mit ihrer ridikülisierenden Polemik direkt gegen den lorbeergeschmückten Dichter. Doch auch diese übersät Bruno mit Hohn und Spott: Sie hätten sich verstiegen, »das Lob der Fliege, der Küchenschabe, des Esels, des Silen, des Priapus«138 zu besingen, und deren Nachäffer hätten zum Lob des 137 

Der Kommentar: »Qua un ›oggetto riguarda‹, a cui è volto con l’intenzione. Per ›un viso‹ con cui s’appaga ›ingombra la mente‹. ›In una sola beltade‹ si diletta e compiace; e dicesi ›restarvi affiso‹, perché l’opra d’intelligenza non è operazion di moto, ma di quiete. E da là solamente concepe quel ›dardo‹ che l’uccide, cioè che gli constituisce l’ultimo fine di perfezione. ›Arde per un sol fuoco‹, cioè dolcemente si consuma in uno amore.« Furori I,1 (54). 138  Furori, Argomento (14): »[…] gli altri […] han parlato delle lodi della mosca, del scarafone, de l’asino, de Sileno, de Priapo […].«

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Nachtpotts, des Dudelsacks, der Saubohne, des Bettes, der Lüge, der Ehrlosigkeit, des Ofens, des Hammers, der Hungersnot Verse geschrieben139. Nun könnte man derartige Äußerungen als Strategien der Distanznahme werten, ihnen für die Beantwortung der Frage, ob die Eroici furori das petrarkisch-petrarkistische ›System aktualisieren‹140, wenig Belang beimessen, wenn sich nicht ganz offensichtlich andere Kriterien anböten: auch hier eine ausdrückliche Stellungnahme, auch hier der textuelle Befund. Der Argomento und mit ihm die Eroici furori setzen ein mit folgenden Worten: È cosa veramente, o generosissimo Cavalliero, da basso, bruto e sporco ingegno d’essersi fatto constantemente studioso, et aver affisso un curioso pensiero circa o sopra la bellezza d’un corpo femenile. Che spettacolo (o Dio buono) più vile et ignobile presentarsi ad un occhio di terso sentimento, che un uomo cogitabundo, afflitto, tormentato, triste, maninconioso: per dovenir or freddo, or caldo, or fervente, or tremante, or pallido, or rosso, or in mina di perplesso, or in atto di risoluto; un che spende il meglior intervallo di tempo, e gli più scelti frutti di sua vita corrente, destillando l’elixir del cervello con mettere in concetto, scritto, e sigillar in publichi monumenti, quelle continue torture, que’ gravi tormenti, que’ razionali discorsi, que’ faticosi pensieri, e quelli amarissimi studi destinati sotto la tirannide d’una indegna, imbecille, stolta e sozza sporcaria? (4)

Es scheint, als spotte Bruno über die Laura-Liebe Petrarcas, schmähe eine Liebe zu einer irdischen Frau als niedrige Fleischeslust. Die Wahl der Worte und der Bilder wiederum sind ganz in der Manier der zeitgenössischen Antipetrarkisten. Doch der Schein trügt. Bruno hat nicht vor allem Sprache, Stil, Bildlichkeit des petrarkischen Canzoniere im

Furori, Argomento (14/16): »[…] scimie de quali son coloro ch’han poetato a’ nostri tempi delle lodi de gli orinali, de la piva, della fava, del letto, delle bugie, del disonore, del forno, del martello, della caristia, de la peste; […].« 140  Zum ›petrarkistischen System‹ siehe unter anderen die Beiträge in Hempfer/Regn (Hgg.): Der petrarkistische Diskurs (1993). 139 



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Visier141; Bruno zielt aufs Ganze, auf das Konzept einer Liebe, die im Modus der contrari affetti die peinigende Abkehr von göttlicher Ordnung und die lustvolle Verfallenheit an die irdische Welt besingt – nicht ohne einer Reue Ausdruck zu geben. Der Nolaner unterstellt dem toskanischen Dichter die eifrige Pflege einer Melancholie142 – Voraussetzung und Gewähr dichterischer Kreativität143, und er hat damit den wesentlichen Punkt getroffen. Der physiologische und psychologische Befund entspricht aufs genaueste den Erkenntnissen, die das 16. Jahrhundert vom Melancholiker hatte144, und er nimmt in frappanter Weise Goethes Tasso-Figur145 voraus. Doch die physio-psychologische Oberfläche 141 

Letztlich werden Petrarkisten und Antipetrarkisten unterschiedslos in ihrem nichtigen Tun verhöhnt: »Ecco vergato in carte, rinchiuso in libri, messo avanti gli occhi, et intonato a gli orecchi un rumore, un strepito, un fracasso d’insegne, d’imprese, de motti, d’espistole, de sonetti, d’epigrammi, de libri, de prolissi scartafazzi, de sudori estremi, de vite consumate, con strida ch’assordiscon gli astri, lamenti che fanno ribombar gli antri infernali, doglie che fanno stupefar l’anime viventi, suspiri da far exinanire e compatir gli dèi, per quegli occhi, per quelle guance, per quel busto, per quel bianco, per quel vermiglio, per quella lingua, per quel dente, per quel labro, quel crine, quella veste, quel manto, quel guanto, quella scarpetta, quella pianella, quella parsimonia, quel risetto, quel sdegnosetto, quella vedova fenestra, quell’esclissato sole, quel martello; quel schifo, quel puzzo, quel sepolcro, quel cesso, quel mestruo, quella carogna, quella febre quartana, quella estrema ingiuria e torto di natura: che con una superficie, un’ombra, un fantasma, un sogno, un circeo incantesimo ordinato al serviggio della generazione, ne inganna in specie di bellezza.« (Furori, Argomento, 4/6) 142  Furori, Argomento (4): »Che spettacolo […] più vile et ignobile […], che un uomo cogitabundo, afflitto, tormentato, triste, maninconioso […].« 143  So bereits Aristoteles, Problemata Physica XXX,1. 144  Zur Melancholie in der Frühen Neuzeit siehe die weitestgehend noch immer gültige Studie von Klibansky / Panofsky / Saxl: Saturn and Melancholy (1964 u. ö.) – Grundlegend für die Melancholie-Diskussion des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts ist Robert Burton: The Anatomy of Melancholy, zuerst 1617. 145  Johann Wolfgang von Goethe: Torquato Tasso. Ein Schauspiel. Siehe dazu u. a. Maria Moog-Grünewald: Tassos Leid. Zum Ursprung moderner Dichtung, in: arcadia 21 (1986), S. 113–128.

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hat eine Tiefendimension. Die Laura-Liebe Petrarcas wird in dem ihr eigenen Wesen begründet: als Folge und Ausdruck einer Melancholie im Verständnis von acedia, wie sie insbesondere der Aquinate in seiner Summa theologica bestimmt: als »tristitia de bono spirituali in quantum est bonum divinum«146, als Betrübnis, ja Verzweiflung darüber, dem göttlichen Heil nicht zugänglich zu sein. Acedia ist eine der sieben Hauptsünden – und eine ihrer Töchter ist curiositas, Neugierde147. Als Reaktion auf die Körper und Geist lähmende acedia sucht curiositas nach Auswegen, indem sie auf das Viele in der Welt das Interesse lenkt und damit ablenkt von der Misere der Seele148. In diesem Verständnis ist der erste, bereits oben zitierte Satz des Argomento zu lesen: »È cosa veramente […] da basso, bruto e sporco ingegno […] [d’]aver affisso un curioso pensiero circa o sopra la bellezza d’un corpo femenile« (4). Die interessierte Neugierde aber, die nurmehr der Schönheit des weiblichen Körpers gilt, ist die Neugierde des Melancholikers: eines »uomo cogitabundo, afflitto, tormentato, triste, maninconioso« (ebd.). Und dieser Melancholiker ist kein anderer als Petrarca, jener toskanische Dichter, der sich an den Ufern der Sorgue nach einer Frau aus Vaucluse verzehrte, dessen Verstand (»il proprio ingegno«) zu nichts Besserem taugte, als seiner Melancholie eifrig Nahrung zu geben (»volse studiosamente nodrir quella melancolia«). Beweis dessen ist der Canzoniere und deutlicher noch das Secretum. In jenem lateinischsprachigen

Thomas von Aquin: Summa theol. 2–2 q. 35. – Quaestio 35 ist ›De acedia‹ übertitelt. Der systematische Ort der Erörterung von acedia bzw. tristitia bzw. dolor ist das Lehrstück über die drei theologischen Tugenden (2–2 q.1–44), das dem Lehrstück über die vier Kardinaltugenden vorausgeht. Die theologischen Tugenden sind Glaube (q.1–16), Hoffnung (q.17–22) und Liebe (q.23–44). Der Traktat über die Liebe fragt zunächst nach der Liebe selbst (q.23–27), sodann nach ihren Früchten (q.28–33) sowie nach den Haltungen und Affekten, die diesen entgegenstehen (q.34–43). Unter den Früchten der Liebe ist die erste Frucht die Freude, gaudium (q.28). Während der Haß, odium (q.34), der Liebe selbst entgegensteht, stehen der Freude zwei Haltungen entgegen, die Gleichgültigkeit, acedia (q.35), und der Neid, invidia (q.36). 147  So wiederum Thomas von Aquin: Summa theol. 2–2 q.35 a.4. 148  Zu diesem Komplex siehe Moog-Grünewald: Vorbemerkung (2002). 146 



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dialogischen Monolog149 mit dem genauen Titel De secreto conflictu curarum mearum150 erkennt die Figur des ›Franciscus‹ unumwunden an, von wenigstens zwei Hauptsünden befallen zu sein: der accidia151, wofür spätestens seit dem beginnenden 16. Jahrhundert in ungenauer Verwendung der Begriff ›Melancholie‹ steht, und der superbia; letztere äußert sich als Folge der ersteren in Ruhmsucht, gloria, und in amor, der Liebe zu Laura, i. e. zur Dichtung, ihrerseits Ausdruck der curiositas. Wenn ›Franciscus‹ am Ende des Secretum seinem Dialogpartner ›Augustinus‹ unumwunden zugesteht, daß er den Weg zurück zu Gott nicht mehr zu gehen vermag, auch wenn er solchermaßen seine Seelenruhe wiederfände, daß ihn vielmehr die geschäftige, unruhige Welt und das, was in ihr zu besorgen ist, das Dichten, die Dichtung, unwiderstehlich anziehen, fällt er eine Entscheidung, die Bruno als Ausdruck »eines niedrigen, groben und schmutzigen Geistes« verurteilt. Das Verlangen des ›Franciscus‹, zugleich des Francesco Petrarca, gilt den irdischen Dingen, nicht den himmlischen – so zumindest die vielleicht etwas vereinfachende Sicht Brunos. Allerdings könnte der das fiktive Gespräch beendende Satz des ›Franciscus‹ – »[…] desiderium frenare non valeo« – »[…] ich kann mein Verlangen nicht zügeln« auch von Bruno formuliert sein, wenn nicht der Gegenstand, auf den das Verlangen sich richtet, ein gänzlich anderer wäre: nicht die irdische Schönheit, gar eines weiblichen Körpers (»la bellezza d’un corpo femenile«), im besonderen weltlicher Ruhm durch Dichtung, vielmehr die göttliche Schönheit, das absolute Eine – jenseits der irdischen Welt. Deutlich grenzt Bruno die heroischen Leidenschaften von der in seinen Augen gewöhnlichen Leidenschaft eines Petrarca152 ab – der Unterschied liegt 149 

Er wurde in den Jahren zwischen 1348 und 1352 verfaßt. Aus der Vielzahl der Forschungsarbeiten zum Secretum siehe insbesondere Küpper: Das Schweigen der Veritas. (1991) sowie das Nachwort zu einer jetzt wieder vorliegenden zweisprachigen Ausgabe von Regn und Huss: Pluralisierung von Wahrheit im Individuum (2004). Zum Verhältnis von Melancholie und Kreativität jetzt Moog-Grünewald: Petrarcas Secretum (2014). 151  Petrarca wählt statt der gräzisierenden Schreibweise ›acedia‹ die lateinische Variante ›accidia‹. 152  Siehe dazu den deutlichen Hinweis auf die petrarkische ›atra voluptas‹ in Furori, Argomento (6): »La quale (i. e. die trügerische Schönheit) insieme 150 

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im Objekt wie im Subjekt: »[…] questi f u rori eroici ottengono suggetto et oggetto eroico: e però non ponno più cadere in stima d’amori volgari e naturaleschi […].« (10). Die Entschiedenheit, mit der der Nolaner die Liebeskonzeption der petrarkisch-petrarkistischen Lyrik153 im Argomento, dem liminalen Text der Eroici furori, zurückweist, könnte größer nicht sein. Die Absicht ist es, in der Differenz das eigene Liebeskonzept, jene Einheit aus amor und cognitio, zu profilieren, seine Andersheit herauszustellen. Der leidenschaftliche, ungebrochene Drang nach Erkenntnis, das Streben nach »contemplazion divina« (18) lassen für Melancholie, auch und gerade im Verständnis von acedia154, keinen Raum. Im Gegenteil: Die eroici furori des furioso sind in insieme viene e passa, nasce e muore, fiorisce e marcisce; et è bella cossì un pochettino a l’esterno, che nel suo intrinseco vera e stabilmente è contenuto un navilio, una bottega, una dogana, un mercato de quante sporcarie, tossichi e veneni abbia possuti produre la nostra madrigna natura; la quale dopo aver riscosso quel seme di cui la si serva, ne viene sovente a pagar d’un lezzo, d’un pentimento, d’una tristizia, d’una fiacchezza, d’un dolor di capo, d’una lassitudine, d’altri et altri malanni che son manifesti a tutto il mondo; a fin che amaramente dolga, dove suavemente proriva.« 153  Es muß hier nicht eigens darauf hingewiesen werden, daß der Petrarkismus selbst verschiedene Liebeskonzepte kennt, die – wie bspw. im Falle Ronsards – in einem einzigen Werk gegeneinander ausgespielt, zugleich miteinander ins Spiel gebracht werden. Siehe dazu Rainer Warning: Petrarkistische Dialogizität am Beispiel Ronsards, in: Wolf-Dieter Stempel/Karlheinz Stierle (Hgg.): Die Pluralität der Welten, München 1987, S. 327–358, und Terence Cave: The Cornucopian Text. Problems of writing in the French Renaissance, Oxford 1979; zu Ronsard: S. 223–270. 154  Daß Bruno den ›uomo maninconioso‹ als Sünder erachtet, mithin als der Hauptsünde der Melancholie im Verständnis von acedia verfallen, wird darüber hinaus deutlich in der langen Schelte gleich im zweiten Absatz des Argomento, in der acedia um eine Serie von Haupt- bzw. Todsünden ergänzt ist: »[…] che atto […], degno più di compassione e riso può esserne ripresentato in questo teatro del mondo […], che di tali e tanto numerosi suppositi fatti penserosi, contemplativi, constanti, fermi, fideli, amanti, coltori, adoratori e servi di cosa senza fede, priva d’ogni costanza […] e dove è più superbia, arroganza, protervia, orgoglio, ira, sdegno, falsitade, libidine, avarizia, ingratitudine et altri crimi exiziali […].« (4)



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ihrem glühenden Elan Kontrapost zur petrarkischen atra voluptas.155 Die vehemente Kritik an der petrarkisch-petrarkistischen Liebeskonzeption ist somit allererst philosophisch – und implizit auch theologisch – begründet, mit Folgen für Sprache, Bildlichkeit und Struktur. Dementsprechend hat der gesamte Text des Argomento letztlich zwei Intentionen, ineins zwei Themen bzw. Bereiche der Argumentation: die Ablehnung der petrarkisch-petrarkistischen Liebeskonzeption156 – und dies in all ihren Varianten insbesondere des 16. Jahrhunderts, und die Positionierung der nolana filosofia, jener neuen Liebestheorie, die eine metaphysisch begründete Erkenntnistheorie ist. Ihr Gegenstand ist das absolute Eine, auf das das Begehren sich beständig richtet, auch wenn und zugleich weil es als Unendliches sich entzieht.157 155 

In aller Deutlichkeit wird im dritten Dialog des Ersten Teils die göttliche Leidenschaft des furioso von der verirrten Leidenschaft der Schwarzgalligen unterschieden – die lange Passage ist zugleich ein glänzendes Psychophysiogramm des Melancholikers: »Doviene un dio dal contatto intellettuale di quel nume oggetto; e d’altro non ha pensiero che de cose divine […]; niente teme, e per amor della divinitade spreggia gli altri piaceri, e non fa pensiero alcuno de la vita. Non è furor d’atra bile che fuor di conseglio, raggione et atti di prudenza lo faccia vagare guidato dal caso e rapito dalla disordinata tempesta; come quei, qu’avendo prevaricato da certa legge de la divina Adrastia vegnono condannati sotto la carnificina de le Furie: acciò sieno essagitati da una dissonanza tanto corporale per sedizioni, ruine e morbi, quanto spirituale per la iattura dell’armonia delle potenze cognoscitive ed appetitive. Ma è un calor acceso dal sole intelligenziale ne l’anima e impeto divino che gl’impronta l’ali […].« Furori I,3 (92/94). Hervorhebung von MMG. 156  Um es noch einmal aufzunehmen: Es ist kein Widerspruch, daß Bruno gleichwohl aus dem Arsenal der petrarkisch-petrarkistischen Dichtung schöpft: Topoi, Bilder, Formen und Konzepte des Petrarkismus bestimmen in ihren Variationen den poetischen Liebesdiskurs im 16. Jahrhundert – eine andere poetische Sprache steht nicht zur Verfügung. Und doch ist ihre Verwendung different, ist ihr eine differente Semantik eingeschrieben. 157  Um so weniger überzeugt, wenn Mehltretter (Giordano Bruno und der Petrarkismus [2003]) »Brunos Dichten in den Furori als Intervention in einem Sprachspiel« (S. 147) versteht und zu folgendem Ergebnis kommt: »Bruno betreibt eine Neufassung des Spiels, in das er eintritt, indem er das Petrarkische und petrarkistische Liebeskonzept nach oben transponiert, vor allem durch die

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Noch ein weiteres, durchaus selbstgewähltes Modell weist Bruno zurück: Die neue Liebestheorie in ihrer Eigenheit, ja Einzigartigkeit158 herauszustellen, ihr die ihr zukommende Würde zu geben, wollte der Nolaner – so liest man – seine Dichtung Cantica nennen159 und damit in die Reihe der Lieder eingliedern, deren höchstes und schönstes das Hohelied ist, das Canticum canticorum.160 Doch zwei Gründe haben ihn davon abgehalten: Zum einen, weil er fürchtete, der Gotteslästerung geziehen zu werden, wenn er einen ›heiligen und übernatürlichen Titel‹ einem Poem gebe, dessen Gegenstand ›natürlich und materiell‹ sei161, mit anderen Worten: philosophisch und nicht theologisch; zum Zuweisung eines neuen Objekts. Sein Spielverhalten ist davon geprägt, daß er das zu modifizierende Spiel als ein systematisches Ganzes behandelt und begreift, dem er wichtige Umstrukturierungen angedeihen läßt. Dabei gelingt es ihm, die Grundoppositionen des übernommenen Spiels umzubauen, ohne sie einfach nur zu destruieren, wenn bei ihm nunmehr die diskurstypische Widersprüchlichkeit auch für den Liebesgegenstand gilt.« (S. 177) Mehltretter verfehlt die Eigenart der Eroici furori: Er geht von einem – vorgeblich – zuhandenen System, einem petrarkistischen System, aus und sucht, den brunianischen Text in das System zu integrieren – freilich nicht ohne »Spielräume« zu konzedieren. Indes liegt Bruno nichts ferner als die »Intervention in einem Sprachspiel«. Vielmehr schafft Bruno eine neue Philosophie auf der Basis einer neuen Dichtung. Genau dies zu zeigen, ist die Absicht der vorliegenden Ausführungen. 158  Es bedarf an dieser Stelle keiner größeren Einlassungen, daß die Liebestheorie der Eroici furori von Platon und insbesondere von Ficino, im ganzen vom Neuplatonismus geprägt ist. Und dennoch ist sie weder mit der platonischen noch der neuplatonischen Liebestheorie identisch. 159  Furori, Argomento (10): »Però per liberare tutti da tal suspizione [sc. di cadere in stima d’amori volgari e naturaleschi], avevo pensato prima di donar a questo libro un titolo simile a quello di Salomone, il quale sotto la scorza d’amori et affetti ordinarii contiene similmente divini et eroici furori […]; volevo (per dirla) chiamarlo Cantica.« 160  Zur intensiven Rezeption des Hohelieds (Übersetzungen, Kommentare, Auslegungen) insbesondere im 16. Jhd. in ganz Europa siehe die große Dokumentation von Engammare: »Qu’il me baise des baisiers de sa bouche« (1993). – Das Wort Cantica konnte auch – wie die reiche Dokumentation von Engammare deutlich macht – anstelle von Canticum canticorum gebraucht werden. 161  Furori, Argomento (10): »[…] per usurpar in mio naturale e fisico discorso titoli sacri e sopranaturali […].«



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andern – und dies ist nurmehr die logische Folge –, weil das Hohelied eine Allegorie sei162 – Bruno spricht von Figuren und Metaphern: »[…] ivi [sc. im Canticum canticorum des Salomo] le figure sono aperta e manifestamente figure, et il senso metaforico è conosciuto di sorte che non può esser negato per metaforico« (12) – und es folgen Beispiele wie ›den Augen, die Tauben gleichen‹, ›einem Hals wie ein Turm‹, ›einer Zunge aus Milch‹ und andere. Mit Blick auf die Eroici furori hingegen stellt Bruno fest: »[…] in questo poema non si scorge volto che cossì al vivo ti spinga a cercar latente et occolto sentimento […].« (Ebd.) Freilich – so wiederum der Einwand – könnte die »gewöhnliche Weise der Rede und der Vergleiche« (»l’ordinario modo di parlare e de similitudini«) bei den Unverständigen den Eindruck erwecken, daß es sich um die Rede gewöhnlicher Liebhaber handele, die in ihren Versen die Liebe zu Licoris, Cynthia, Lesbia, Laura sängen, daß es mithin der übliche Liebesdiskurs sei, den – so ist hinzuzufügen – petrarkistisch zu nennen die Literaturwissenschaft übereingekommen ist. Im Gegenteil aber sei es eine Rede, die in ihrer Weise den Cantica, deren schönstes das Hohelied ist, ebenbürtig sei, und die, ganz wie das Hohelied, einzig in ihrer Art von niemandem besser verstanden und erklärt werden könne als dem, der es geschaffen hat: […] come gli furori di quel sapiente Ebreo hanno gli proprii modi ordini e titolo che nessuno ha possuto intendere e potrebbe meglio dechiarar che lui se fusse presente; cossì questi Cantici hanno il proprio titolo ordine e modo che nessun può meglio dechiarar et intendere che io medesimo quando non sono absente. (12/14)

Die Cantici des Nolaners haben den Rang der Cantica Salomons, doch sie sind ihnen nicht gleich.163 Die entscheidende Differenz besteht darin, daß ihre Figuralität weder metaphorisch noch allegorisch ist, 162  Zur

Hermeneutik, näherhin zur Auslegung des Hohelieds nach dem mehrfachen Schriftsinn, stellt Engammare ( »Qu’il me baise des baisiers de sa bouche« [1993], S. 329) unter anderem fest: »La majorité des commentateurs proposent un double sens.« 163  Furori, Argomento (10): »[…] la grande dissimilitudine che si vede fra

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vielmehr wörtlich, ad litteras. Läßt man einmal unberücksichtigt, daß Bruno hier wie an anderen Stellen nicht klar unterscheidet nach Metapher, Allegorie, Vergleich und Bild, ist die Insistenz auf der Literalität der Figuralität seiner Dichtung von Belang. Was in der klassischen Rhetorik ein Widerspruch scheint, ist gerade das herausragende Charakteristikum der Bild-Zeichen-Theorie des Nolaners: Bild-Zeichen sind unmittelbarer Ausdruck des Denkens, des Ingeniums, wie die Bild-Zeichen das Denken erst ermöglichen.

De gli eroici furori I 5 bis II 2 Der fünfte Dialog des Ersten Teils und der erste Dialog des Zweiten Teils bilden die Mitte der Eroici furori, und sie sind im Wortsinn ihr Mittelpunkt: durch ihr Format und in ihrem Gegenstand. Durch ihr Format – nennen wir es hier vorerst verkürzt das Impresen-Format – bilden die beiden Dialoge eine Einheit und verbinden so den Ersten Teil mit dem Zweiten, ja schweißen die beiden Teile geradezu fest zusammen. In ihrem Gegenstand nehmen sie das vielfältig perspektivierte Thema der ersten vier Dialoge erneut auf, setzen es fort und vertiefen es, indem nachdrücklicher noch als in den ersten vier Dialogen die Philosopheme aus De la causa und De l’infinito zum Austrag kommen. Und doch kann von einem Neueinsatz die Rede sein. Während in den ersten vier Dialogen des Ersten Teils der discorso des amor eroico und des eroico intelletto, mithin der diskursive Weg der heroischen Leidenschaften, beschrieben wurde, werden in den beiden mittleren Dialogen deren Zustände, »le condizioni di questi furori« (160), vor Augen gestellt. Der zweite Dialog des Zweiten Teils wiederum bildet zu den beiden vorausgegangenen Dialogen eine Art Schlußstein und ist zudem Aufnahme und Variation des vierten Dialogs des Ersten Teils. Somit weisen der Canzoniere-Teil wie der Impresen-Teil164 zwar eine je eigene Komposition auf, doch das Thema, die heroischen Leidenschaften im il volto di questa opra e quella, quantumque medesimo misterio e sustanza d’anima sia compreso sotto l’ombra dell’una e l’altra […].« 164  Die Begriffe ›Canzoniere-Teil‹ und ›Impresen-Teil‹ werden ihrer Prakti-



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Spiegel des furioso eroico, ist dasselbe – freilich unterschiedlich figuriert. Im folgenden interessiert die spezifische Figuration des ImpresenTeils – nicht zuletzt in ihrem Verhältnis zum Canzoniere-Teil. Unvermittelt bittet die Dialogfigur Cicada ihren Gesprächspartner Tansillo, sie zu unterstützen bei der rechten Betrachtung der Zustände der Leidenschaften, wie sie der Reihe nach beschrieben und entfaltet werden165: Fate pure ch’io veda, perché da me stesso potrò considerar le condizioni di questi furori, per quel ch’appare esplicato nell’ordine […] qua descritto. (160).

Die Wahl des Wortes esplicato – im Sinne von ›entfaltet‹, ›ausgefaltet‹ – ist absichtsvoll: Die Zustände der furori werden in ihrer Wechselhaftigkeit und variierten Vielfalt beschrieben – es sind insgesamt siebenundzwanzig bzw. achtundzwanzig Zustände. Doch ist ihre Zahl beliebig, sie könnte ins Unendliche gehen. Denn wie das begehrte Objekt unendlich ist, sind auch die Zustände des Begehrens in unendlichem Wechsel

kabilität wegen gebraucht; sie kennzeichnen die beiden Dialog-Teile nur unzureichend, wie insbesondere aus den nachfolgenden Ausführungen deutlich wird. 165  Auch wenn Tansillo seine nachfolgende Erklärung eröffnet mit dem Hinweis: »Vedi come portano l’insegne de gli suoi affetti o fortune« (160) und damit insinuiert, daß es sich um jene persönlichen Abzeichen, jene signa handelt, mit denen Adlige ihre imprese (i. S. von ›Vorhaben‹, auch ›Haltung‹) zu erkennen gaben, ist in der Folge keineswegs die Rede von jenen individuellen Impresen, deren jeder sich nur eine einzige zu eigen machen konnte; vielmehr nimmt Bruno das Genus der Imprese auf, um in einer potentiell unendlichen Zahl die potentiell unendlich variierenden, auch widerstrebenden Zustände der furori, ineins des furioso zu figurieren. Der Verweis auf die insegne der milizia ist nurmehr ein Tribut an das Genus der Imprese – dazu zählen noch einige wenige weitere Allusionen, wie »ecco qua il primo che porta un scudo distinto in quattro colori« (160) –, das aber dann umso entschiedener für die eigenen erkenntnistheoretischen und ästhetischen Interessen eingesetzt und damit partiell alteriert wird. Dies zu zeigen, ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen.

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unendlich vielfältig. Ihre Anschauung finden sie auf Impresen, deren Bedeutung zu erschließen ist: […] basta che stiamo su la significazion de l’imprese et intelligenza de la scrittura, tanto quella che è messa per forma del corpo de la imagine, quanto l’altra ch’è messa per il più de le volte a dechiarazion de l’impresa. (160)

Das Format der beiden in Rede stehenden Dialoge – so viel wird aus der vorstehenden Aussage deutlich – ist gleichwohl intrikat. Es handelt sich durchaus um Impresen, die die Zustände des furioso zur Vorstellung bringen, also um jene Einheit aus Wort und Bild, aus Wahlspruch und Bildsymbol166, die wohl gegen Ende des Quattrocento in Italien in Mode kam167. Gleich eingangs ist die Rede von Schildern und Wappen, die die einzelnen Rittergestalten trügen und um deren Deutung sich Cicada und Tansillo bemühen. Ihre Bemühung wird dabei in jedem einzelnen Fall unterstützt durch ein Sonett – darauf weisen jeweils geradezu formelhafte Sätze wie: »Il che è molto bene esplicato ne le rime seguenti sotto la figura« (162) oder »[a]ssai bene s’esplica 166 

Darauf weist eindeutig die Formulierung ›intelligenza de la scrittura, tanto quella che è messa per forma del corpo de la imagine‹. 167  So in dem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien am meisten verbreiteten und daher wirkmächtigsten Dialog über die Impresen von Paolo Giovio: Dialogo dell’imprese militari e amorose (1551): »Ora in questa età più moderna, come di Federico Barbarossa, al tempo del quale vennero in uso l’insegne delle famiglie, chiamate da noi arme, donate da’ Principi, per merito dell’onorate imprese fatte in guerra, ad effetto di nobilitare i valorosi cavalieri, nacquero bizzarrissime invenzioni di cimieri e pitture negli scudi […]. […] a questi nostri tempi, dopo la venuta del re Carlo VIII e di Lodovico XII in Italia, ognuno che seguitava la milizia, imitando i capitani francesi, cercò di adornarsi di belle e pompose imprese, delle quali rilucevano i cavalieri, appartati compagnia da compagnia con diverse livree, perciò che ricamavano d’argento, di martel dorato i saioni e le sopraveste, e nel petto e nella schiena stavano l’imprese de’ capitani, di modo che le mostre delle genti d’arme facevano pomposissimo e ricchissimo spettacolo e nelle battaglie si conosceva l’ardire e il portamento delle compagnie.« (Paolo Giovio: Dialogo dell’imprese militari e amorose, a cura di Maria Luisa Doglio, Roma 1978, S. 36 f.)



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appresso« (164). Das die Impresenfiguration näher erklärende Sonett ist ganz offensichtlich auf einer beigefügten Tafel eingraviert – »[…] che è quel che sta scritto nella tabella?« (170), lautet diese oder eine ähn­ liche Formulierung, wenn Cicada und Tansillo ein ums andere Mal die Wort-Bild-Figuration genauer noch verstehen wollen und das Poem, das ja buchstäblich als Epigramm verstanden sein will, zu Rate ziehen. Motto, Icon und Epigramm könnten nun durchaus als jene dreiteilige Einheit aufgefaßt werden, die Emblem zu nennen man seit dem Erscheinen von Andrea Alciatos Emblematum liber im Jahre 1531 übereingekommen ist. Dementsprechend wurde denn auch das Format der Dialoge I 5, II 1 und mit Einschränkung des Dialogs II 2 als emblematisch charakterisiert168, ja die Eroici furori insgesamt als Emblembuch verstanden oder doch zumindest als nach dem Muster eines Emblembuchs gestaltet erachtet169. Indes widersprechen dieser Einschätzung So bspw. Memmo, Jr.: Giordano Bruno’s »De gli eroici furori« and the emblematic tradition (1964). Memmos Absicht ist es unter anderem, »to give adequate attention to the original and provocative way Bruno has included the emblems in the total design of De gli eroici furori«. Memmo unterscheidet nicht zwischen Emblem und Imprese und verkennt daher schon aufgrund dieses Mangels die Intention der in Rede stehenden Dialoge der Eroici furori. – Yates stellt ebenfalls die Eroici furori in die Tradition der Emblembücher: »Since Bruno uses Petrarchan conceits as emblems, and in conjunction with emblems, it seems obvious that the best way of trying to get at the historical flavour of his Petrarchism would be to relate his emblems to the history of emblem literature. In one of its aspects the Eroici furori is an unillustrated emblem book and as such has, or should have, a place in the history of emblem literature.« (The Emblematic Conceit in Giordano Bruno’s »De gli eroici furori« [1982] S. 186.) 169  So insbesondere Schmidt: Zum Problem des Heros bei Giordano Bruno (1968), dort das Kapitel II: »›furore eroico‹ und ›amore umano‹. Die Sprache der ›Emblem-Impresen‹«, S. 16–33. Die These lautet: »Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit eine Verknüpfung dieser intentionalen Elemente der Imprese und des Emblems von Giordano Bruno angestrebt wurde: Es scheint einsichtig, daß eine Verknüpfung von ›individueller Autonomie‹ und ›allgemein-gültiger Verbindung‹ eine Synthese bringen mußte, die intentionaliter für jeden einzelnen und zugleich den Einzelnen als Konzentration des Allgemeinen Gültigkeit haben will.« (S. 21) Die These überzeugt nicht, insofern sie weder die spezifi168 

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Textgestalt und Textintention der Eroici furori im ganzen wie die hier interessierenden Dialoge I 5 und II 1 im besonderen. Dazu ist zunächst anzumerken, daß ausdrücklich die Rede von Impresen170 ist, deren zwei Teile – Motto und Figur – nach der zeitgenössischen Theorie als Seele und Körper aufgefaßt werden.171 Demgegenüber ist das Poem in Sonettform eine epigrammatische Erläuterung, der allerdings die Funktion zukommt, die Impresenfiguration in einer eigenen Sprachbildlichkeit poietisch zu evidenzieren. Daß es sich in den Dialogen I 5 bis II 1 bzw. II 2 tatsächlich um ein Impresen-Format handelt, mithin das epigrammatische Sonett nicht per se die Imprese zu einem Emblem erweitert, kann ein Blick auf die Genese des Emblems selbst zeigen. So war es keineswegs die Absicht sche Textualität der Eroici furori berücksichtigt noch die erkenntnistheoretisch fundierte Bildtheorie Brunos, stattdessen allgemeine Merkmale der Imprese und des Emblems zugrunde legt und nicht zuletzt hieraus die ›Individualität‹ des eroe zu begründen sucht. 170  Imprese wiederum ganz im Verständnis Giovios, der im dedikatorischen Eingang seines Dialogo dell’Imprese dessen Gegenstand (»l’argomento del presente discorso«) mit folgenden Worten knapp benennt: »[…] ragionare della materia e arte dell’invenzioni e imprese, le quali i gran signori e nobilissimi cavalieri a’ nostri tempi sogliono portare nelle sopraveste, barde e bandiere per significare parte de’ lor generosi pensieri.« Giovio: Dialogo dell’imprese, ed. Doglio, S. 33 f. – In den Eroici furori findet sich außer imprese in gleicher Bedeutung divisa (»Questo non tanto dechiara il senso de la divisa […]« [166]; »[…] il senso di questa divisa è conseguente di quello de la prossima superiore […]« [208]), eine italianisierende Übernahme des französischen devise, und ieroglifico (»[…] però la vehemenza dell’aspirare è notata per quell’ieroglifico del forte spirare […]« [210]). 171  Um die entsprechende und bereits oben zitierte Passage noch einmal aufzunehmen: »[…] basta che stiamo su la significazion de l’imprese et intelligenza de la scrittura, tanto quella che è messa per forma del corpo de la imagine, quanto l’altra ch’è messa per il più de le volte a dechiarazion de l’impresa.« Furori I,5 (160). – Giovio: Dialogo dell’imprese, ed. Doglio, S. 37, formuliert als erste Regel einer ›perfetta imprese‹: »Prima, giusta proporzione d’anima e di corpo.« – Bruno unterscheidet nach forma (i. e. scrittura) und corpo (i. e. imagine).



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des Andrea Alciato, ein buechle der verschroten werck172 zu publizieren, vielmehr eine Sammlung von größtenteils aus dem Griechischen ins Lateinische übertragenen Epigrammen zum Druck vorzulegen. »[…] libellum composui epigrammaton, cui titulum feci Emblemata« – so Alciato in einem vielzitierten Brief an Francesco Calvi vom 9. Dezember 1522. Der Zweck der Epigrammsammlung wird unmittelbar genannt: […] singulis enim epigrammatibus aliquid describo, quod ex hixtoria [sic], vel ex rebus naturalibus aliquid elegans significet, unde pictores, aurifices, fusores, id genus conficere possint, quae scuta appellamus et petasis figimus, vel pro insignibus gestamus, qualis Anchora Aldi, Columba Frobenii et Calvi elephas tam diu parturiens, nihil pariens.173

Die einzelnen Epigramme, in denen Alciato etwas aus dem Bereich der Historiographie und der Natur beschreibt, verstehen sich als Anregung für künstlerische und kunsthandwerkliche Arbeiten: Schilder zum Anheften zum Beispiel oder auch Signete, wie sie die Buchdrucker und Verleger haben. Alciato nennt diese Epigramme, die in der Regel einen kurzen Titel hatten, Embleme. Eine Illustration der Epigramme war nicht beabsichtigt – dies besorgte knapp zehn Jahre später der Ver­ leger Heinrich Steiner: Er gab den Epigrammen bzw. den so genannten Emblemen Holzschnitte von Jörg Breu d. Ä. bei – ohne Wissen Alcia­ tos und auch ganz gegen dessen Intention.174 Denn Alciato wollte mit Wolfgang Hungers Übersetzung von libellus Emblematum in der zweisprachigen Ausgabe bei Wechel, Paris 1542. 173  Gian Luigi Barni: Le Lettere di Andrea Alciato giureconsulto, Firenze 1953, S. 46 (Brief No. 24, an Francesco Calvi, Mailand, 9. Dezember 1522). (Übersetzung: »In den einzelnen Epigrammen beschreibe ich nämlich etwas, das in der Geschichte oder der Natur etwas Besonderes bedeutet, woraus dann Maler, Goldschmiede oder Metallgießer das herstellen können, was wir ›Schildchen‹ nennen und an unseren Hüten befestigen oder als persönliches Zeichen tragen, wie – zum Beispiel – der Anker des Aldus, die Taube des Frobenius und der Elefant des Calvus, der so lange in Wehen lag, ohne etwas zu gebären.«) 174  Zur Entstehungsgeschichte des Emblems sowie dessen Differenz zur Imprese siehe Moog-Grünewald: Zwischen Kontingenz und Ordo. Das Emblem in Renaissance und Barock (2000). 172  So

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der Vorlage seiner Epigramme bzw. seiner Embleme nichts anderes als Impresen anregen.175 Gleichwohl emanzipiert sich das Emblem, die Emblematik als eigenständige bildliterarische Gattung von der Impresenkunst im Laufe des 16. Jahrhunderts, und im 17. Jahrhundert werden auch in den einschlägigen Traktaten und Poetiken Imprese und Emblem unterschieden. So gilt die Imprese, für die sehr viel genauere Regeln ausgearbeitet sind176, als ein Bild-Zeichen, in dem individuelle Lebensführung, Handlungsmaximen, Verhaltensregeln Ausdruck finden, das Emblem hingegen erhebt Anspruch auf allgemeine moralische, politische, religiöse Unterweisung. Die Imprese ist ingeniös-konzeptistisch, überraschend, das Motto ist zu seinem Verständnis auf die Icon, die Res picta177, angewiesen, und umgekehrt gewinnt die Icon nur durch das Motto ihren Sinn – ein Rest an Rätselhaftigkeit bleibt bestehen und ist beabsichtigt.178 Motto und Icon gewinnen in ihrer wechselseitigen Bezogenheit eine ästhetisch-konzeptistische Eigenwertigkeit, die den Verweis auf die Wirklichkeit ›einholt‹ in die Ästhetik eines Bild-Zeichens, dessen zwei Teile eine unauflösbare Einheit eingehen: Motto und Icon sind jeweils 175 

Von Interesse in diesem Zusammenhang ist, daß Alciato die Wendung ›emblematice scribere‹ gebraucht hat, um damit das Niederschreiben bzw. das Verfassen von Epigrammen zu kennzeichnen, die ihm geeignet erschienen, in bildliche Zeichen umgesetzt zu werden bzw. bildliche Zeichen anzuregen: Impresen zum Beispiel, jene konzeptistisch verfaßten Abzeichen aus rätselhaft aufeinander verwiesenen Wort- und Bildzeichen, die man durchaus ›Pictogramm‹ im eigentlichen Wortsinn nennen könnte. 176  Es dürfte wohl mehr als ein Dutzend Traktate zur Imprese allein im Italien des Cinquecento geben. Die bekanntesten Regeln – es sind deren fünf – sind die von Paolo Giovio, die in der Folge leicht verändert und vor allem ergänzt wurden. 177  So ist gleich eingangs von Dialog I, 5 beim ersten Beispiel zwischen ›Malen‹ und ›Schreiben‹ unterschieden: »[…] un scudo distinto in quattro colori, dove nel cimiero è depinta la fiamma sotto la testa di bronzo […], e vi è scritto in circa: at regna senserunt tria .« (Furori I, 5 [160]) 178  Siehe dazu die Regeln, die Giovio für eine vollkommene Imprese aufstellt und deren zweite heißt: »Seconda, ch’ella non sia oscura di sorte ch’abbia mestiero della sibilla per interprete a volerla intendere, né tanto chiara ch’ogni plebeo l’intenda.« Giovio: Dialogo dell’imprese, ed. Doglio, S. 37.



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Bezeichnendes u nd Bezeichnetes zugleich.179 Die Einheit von Motto und Icon ist die Voraussetzung dafür, daß die Imprese zum Bild-Zeichen werden kann, das die Eigenschaft, die Haltung, die Absicht eines Individuums bezeichnet. Mit anderen Worten: Die Inferenzialität der Imprese ist die Bedingung ihrer Referenzialität. Ercole Tasso hat diesen Sachverhalt in Della realtà e perfettione delle imprese wohl am genauesten formuliert: Impresa è Simbolo constante necessariamente di Figura naturale (toltane l’humana semplicemente considerata) overo artificiale, naturalmente prese, et di Parole proprie, o semplicemente translate: dalle quali Figura & Parole tra se disgiunte, nulla inferiscasi, ma insieme combinate, esprimasi non proprietà alcuna d’essa Figura, ma bene alcun nostro instante affetto, ò attione, ò proponimento.180

Ganz in diesem Verständnis formuliert der Argomento zum fünften Dialog des Ersten Teils: »Nel quinto dialogo si descrive il stato del furioso in questo mentre, et è mostro l’ordine, raggione e condizion de studii e fortune.« (22) Der ›Status‹ des furioso wechselt in unendlicher Folge, immer geht es von neuem um einen »instante affetto, o attione, o proponimento«, die – wie Tasso formuliert – in der Imprese ihren Ausdruck finden und denen Ausdruck zu geben, Eigenschaft und Funktion der Imprese sind, jener Einheit gewordenen Verbindung von Wort und Bild.181 Das Impresen-Format der Dialoge I 5 und II 1 erlaubt es also, 179 

Was Henkel und Schöne für das Emblem als Kennzeichen reklamierten, trifft weit mehr, wenn nicht ausschließlich, für die Imprese zu – nämlich das wechselseitige Darstellen und Deuten der einzelnen Teile. Vgl. dazu Henkel/ Schöne (Hgg.): Emblemata. (1967), S. xii f. (»Vorbemerkung der Herausgeber«) 180  Hercole Tasso: Della realtà, & perfettione delle imprese. Con l’Essamine di tutte le opinioni infino à qui scritte sopra tal Arte. La Seconda editione. In Bergamo, Per Comin Ventura. 1612, p. 24 (zit. nach Klein: La théorie de l’expression figurée [1957], S. 335). 181  In der Regel hatte eine – ranghohe – Persönlichkeit eine einzige Imprese, in der eine Haltung, ein Grundsatz, auch eine Unternehmung ihren je individuellen Ausdruck fand. Doch konnte sie auch mehrere Impresen haben, differenziert nach Anlaß und Unternehmung. Diese Möglichkeit nutzt auch Bruno, freilich indem stets die eine und einzige Unternehmung des furore

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den stets wechselnden stato des furioso und die vielfältigen condizioni der furori zu veranschaulichen, sie ins Wort-Bild bzw. – wie noch zu zeigen – ins Bild-Zeichen zu setzen, während das Canzoniere-Format der ersten vier Dialoge (I 1 bis 1 4) den discorso der Leidenschaften zur Vorstellung gebracht hat. Auf die Diskursivität der eroici furori folgt mithin eine Reflexion auf ihre Konditionalität. So wird auch im Wechsel der Formate, und das heißt auf der Ebene der Textur, das ontologische Prinzip der vicissitudo wirksam. Doch damit nicht genug. Brunos Wahl des Impresen-Formats hat einen weiteren, einen tieferen Grund. Ihn zu erkennen und zu bestimmen, ist es dienlich, zunächst den Aufbau und die Argumentationsfolge einer Impresen-Einheit in den Blick zu nehmen.182 Auffälligstes Merkmal des Impresen-Formats ist der Verzicht auf die Icon, die Figura183 als bildliche Darstellung184. Die Figurae werden von jeweils einem der beiden Dialogpartner nurmehr sprachlich evoziert.185 So beginnt Cicada eroico in ihren unendlich vielfältigen Erscheinungs- und Ausdruckformen herausgespielt wird. 182  Aufbau und Argumentationsfolge der einzelnen Impresen-Einheiten variieren nur geringfügig. 183  Bruno spricht durchgängig von figura, nicht von pictura oder icon. 184  Als Grund für die fehlenden Picturae wurde unter anderem ins Feld geführt, daß die Drucktechnik in England noch nicht so weit fortgeschritten war, Holzschnitte zu reproduzieren – so Levergeois: Giordano Bruno (2000), S. 357: »[…] les premiers livres d’emblèmes d’outre-Manche ne sont pas davantage illustrés, et ce à cause du retard technique de la gravure sur bois en Angleterre. La traduction de Giovio par Daniel […] ne contient aucune reproduction […]. Il faudra attendre 1612 et la parution de Minerva Britanna de Henry Peacham pour qu’un recueil d’emblèmes anglais dûment illustrés voie le jour.« Freilich wurde das erste illustrierte englische Emblembuch, Geoffrey Whitneys Choice of Emblems, bereits 1586, wenngleich in Antwerpen bei Platin gedruckt. 185  Es gibt Ausgaben der Eroici furori, die die Picturae ergänzen – so bspw. bereits die zweite Auflage der Übersetzung von Ludwig Kuhlenbeck: Eroici furori / Zwiegespräche vom Helden und Schwärmer, Jena 1907, V, S. 92 ff., wiederaufgenommen in Giordano Bruno: De gli eroici furori, a cura di Eugenio Canone, Milano 2011, S. lxvii–lxxvi. Auch die jüngste Übersetzung ins Englische von Rowland (Giordano Bruno: On the Heroic Frenzies. A Translation of ›De gli



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die Betrachtung und Deutung der Reihe der »insegne« mit folgenden Worten: […] ecco qua il primo che porta un scudo distinto in quattro colori, dove nel cimiero è depinta la fiamma sotto la testa di bronzo, da gli forami della quale esce a gran forza un fumoso vento, e vi è scritto in circa at regna senserunt tria. (160)

Tansillo beschreibt daraufhin, was er auf dem Schild dargestellt sieht bzw. zu sehen vermeint – in Wirklichkeit gibt er eine Interpretation: Per dichiarazion di questo direi che per essere ivi il fuoco che per quel che si vede scalda il globo, dentro il quale è l’acqua, avviene che questo umido elemento essendo rarefatto et attenuato per la virtù del calore, e per consequenza risoluto in vapore, richieda molto maggior spacio per esser contenuto: là onde se non trova facile exito, va con grandissima forza, strepito e ruina a crepare il vase. Ma se vi è loco o facile exito d’onde possa evaporare, indi esce con violenza minore a poco a poco; e secondo la misura con cui l’acqua se risolve in vapore, soffiando svapora in aria. (160)

Zu sehen – »per quel che si vede« – ist ein physikalischer Prozeß. Dessen Bedeutung oder richtiger: die Bedeutung, die Tansillo aus dem bildlich Dargestellten erschließt, ist folgende: Qua vien significato il cor del furioso, dove come in esca ben disposta essendo attaccato l’amoroso foco, accade che della sustanza vitale altro sfaville in fuoco, altro si veda in forma de lacrimoso pianto boglier nel petto, altro per l’exito di ventosi suspiri accender l’aria. (160/162) eroici furori‹ by Ingrid D. Rowland, Toronto 2012) reproduziert Picturae. – Die Picturae, die die Originalausgabe der Eorici furori nicht kennt, mögen unterhaltsam, anschaulich, ja ingeniös sein; sie in eine Ausgabe der Eroici furori aufzunehmen, entspricht nicht der Intention Brunos. Zudem trägt es für das Verständnis der brunianischen Impresen wenig bei, wenn auf ähnliche oder gleiche Picturae, wie in den Eroici furori beschrieben, in Emblembüchern der Zeit hingewiesen wird.

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Und genau dieser Sachverhalt ist in den vier Wörtern des Mottos benannt – es ist das bzw. ein Motto des furioso: »E però dice At regna senserunt tria.« Das nachfolgende Gedicht erläutert noch einmal Figura und Motto – »il che è molto bene esplicato ne le rime seguenti sotto la figura« – und trägt insbesondere der differenzierenden Bedeutung des Wörtchens ›at‹ Rechnung. Tatsächlich aber ist das nachfolgende Gedicht nurmehr ein weiteres (Sprach-)Bild, das jenen die furori bestimmenden Widerstreit der Augen und des Herzens, mithin des Willens und des Intellekts, erneut, doch auf wieder andere Weise figuriert. Ohne vorerst auf weitere Besonderheiten der ersten ›Imprese‹ einzugehen, ist folgendes festzuhalten: Die unverbrüchliche Einheit von Motto und Icon, die die Imprese üblicherweise kennzeichnet, scheint wenn nicht aufgegeben, so doch entschieden alteriert. Der bildliche Teil tritt hinter dem sprachlichen Teil gänzlich zurück bzw. existiert nurmehr sprachlich, ist seinerseits bildlich figurierte Sprache.186 Im Unterschied zu den variablen und kopiösen (Sprach-)Bildern, die die Sonette generieren – und dies gilt gleichermaßen für den CanzoniereTeil wie den Impresen-Teil der Eroici furori –, ist das jeweilige (Sprach-) Bild der Motti mit seinen zwei, drei, auch vier Wörtern höchst konzentriert. Sie sind ihrerseits signa, imagines und als solche Ausdruck der mentalen Bilder, mittels deren der Intellekt des eroe denkt187 und durch die der Intellekt des eroe zugleich figuriert ist. In ihrer Hermetik werden die Motti zu Hieroglyphen ganz eigener Art188: Sie stehen nicht für etwas anderes, sie sind keine Allegorien und keine Symbole

186 

Die Konzentration auf das Wort, die Sprache wird schon aus der Lektüreanweisung Tansillos deutlich, mit der die Impresen-Dialoge eröffnet werden: »[…] basta che stiamo su la significazion de l’imprese et intelligenza de la scrittura, tanto quella che è messa per forma del corpo de la imagine, quanto l’altra ch’è messa per il più de le volte a dechiarazion de l’impresa.« (160) 187  Gelegentlich der Imprese xiv (mit dem Motto Amor instat ut instans) des fünften Dialogs des Ersten Teils findet sich die Äußerung (die freilich zugleich ein Beispiel für eine widersinnige Tautologie ist): »[…] questa impresa costui [sc. il furioso] la ha finta come finta […].« (218) 188  Bruno gebraucht die Wörter Imprese, Devise und Hieroglyphe synonym.



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und keine Metaphern, sie stehen für sich selbst, richtiger: sie sind sie selbst.189 Dies recht einzuordnen, ist in aller Knappheit daran zu erinnern, daß schon in der frühen Renaissance das Interesse an den Hieroglyphen Ägyptens neu einsetzte.190 Neben antiken, neuplatonischen und allgemein spätantiken Quellen waren es insbesondere die Hieroglyphica des Horapollo, die die Hieroglyphomanie der Humanisten aus­löste – Christophorus de’ Buondelmonti hatte die griechische Handschrift 1419 nach Florenz gebracht, Aldus Manutius druckte 1505 die editio princeps; es folgten in kurzer Zeit dreißig weitere Ausgaben in lateinischer und in anderen Sprachen.191 Das Faszinosum der Hieroglyphica lag für die Humanisten und wiederum insbesondere für die Platoniker unter ihnen darin, daß »jede einzelne Hieroglyphe einen bestimmten Begriff darstelle und mit dessen Bedeutung innerlich zusammen­ hänge«192. So ist der Elefant ein starker oder ein redlicher Mensch; der Kranich mit einem Stein in der Kralle die Wachsamkeit; der Phönix die langlebige Seele; der Ibis das Herz. Die Begriffe – es sind deren insgesamt 189 in zwei Büchern – werden keineswegs als Bild-Zeichen repräsentiert, vielmehr werden die Bild-Zeichen, die für die Begriffe stehen, nurmehr beschrieben. Zwei Beispiele aus einer kommentierten und annotierten Ausgabe von 1595193 – dem griechischen Originaltext steht Für die brunianische Imprese gilt dasselbe, was Bruno zu seinen Eroici furori insgesamt angemerkt hat: Ihre Figuralität ist – im Unterschied zum Hohelied – nicht metaphorisch, vielmehr wörtlich. (Siehe dazu oben S. ­LXXXVIII–XC.) 190  Es ist weder möglich noch notwendig, die Voraussetzungen und die Folgen dieses Interesses hier darzulegen. Standardwerke sind noch immer Giehlow: Die Hieroglyphenkunde (1915); Volkmann: Bilderschriften der Renaissance (1923); Iversen: The Myth of Egypt and its Hieroglyphs in European Tradition (1961). Eine erste knappe Darstellung, die auf den vorgenannten Werken weitest­ gehend gründet, gibt Wittkower: Hieroglyphen in der Frührenaissance (1984). 191  Siehe dazu unter anderem die Einleitung zur Übersetzung der Hieroglyphica ins Englische von George Boas: The Hieroglyphics of Horapollo, transl. by George Boas, New York 1950, S. 15–54. 192 Volkmann: Bilderschriften der Renaissance (1923), S. 8. 193  Hieroglyphica Horapollinis, / a Davide Hoeschelio / Fide codicis Augustani ms. correcta, suppleta, illustrata; [horvm versio latina Ioan. Merceri; 189 

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eine Übersetzung ins Lateinische gegenüber – sollen hier um der Veranschaulichung willen angeführt werden, sie sind dem ersten Buch der Hieroglyphica entnommen; zitiert wird die lateinische Version: 34. Quomodo animam longo hîc tempore agentem. Animam quæ diutissimè in hac vitâ moram traxerit, aut etiam inundationem, commonstrare volentes, Phœnicem avem pingunt. Animam quidem, quòd omnium quæ toto orbe sunt animantium, hoc maximè diuturnae vitae est. Inundationem verò, quòd velut signum Solis sit Phœnix, quo nihil in orbe majus, cum Omnia subeat, omnes scrutetur & disquirat. Atq; adeo, πολυϛ, hoc est, multus vocitari solet.194 36. Quomodo Cor pingunt. Cor volentes indicare, Ibin pingunt, quod quidem animal Mercurio attributum ac dicatum est, cordis omnisq; rationis præsidi & moderatori. Nam & Ibis per se ipsa magna ex parte cordi adsimilis est, de qua re plurimi apud Ægyptios agitantur sermones.195

Bilder treten an die Stelle von (Sprach-)Zeichen – in unseren Texten ist von ›(zugleich) zeigen‹ (commonstrare), ›malen‹ (pingere) und ›hinweisen‹ (indicare) die Rede, und dennoch werden die Bilder nurmehr in (Spach-)Zeichen evoziert. Gleichwohl wird die Vorstellung vermittelt, daß res und verbum übereinkommen, eins sind in einem Bild-Zeichen, das in seiner absoluten Figuration das Eine, das Göttliche vergegenwärobservationes Ioan. Merceri ; notae Davidis Hoeschelii]. Avgvstæ Vindelicorvm / ad insigne pinus. / Cum privilegio Cæs. perpetuo. / Anno mdvc. 194 34. Die Seele, die hier (auf Erden) lange Zeit lebt. Wenn sie die Seele, die äußerst lange Zeit in diesem Leben zugebracht hat, oder eine Überschwemmung darstellen wollen, malen sie den Phoenix. Für die Seele ist er ein Zeichen, weil er von allen Tieren dieses Erdkreises am längsten lebt. Und für die Überschwemmung, weil der Phoenix das Zeichen für die Sonne ist, das Größte im ganzen Universum: sie steht über allem, durchsucht und erforscht alle. Und deswegen pflegt sie πολυϛ, das heißt ›viel(äugig?)‹ genannt zu werden. 195 36. Das Herz. Wenn sie das Herz bezeichnen wollen, malen sie einen Ibis, weil nämlich dieses Tier dem Merkur heilig ist, dem Herren und Lenker des Herzens und der Vernunft. Denn der Ibis sieht ja selbst weitgehend dem Herzen ähnlich, weshalb bei den Ägyptern äußerst viel geredet wird.



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tigt. Genau hierin ist das Interesse der Humanisten für die Hieroglyphen begründet: Als ›heilige Zeichen‹ sind sie Modell eines mittelalterlichen Analogismus, den es unter postnominalistischen Bedingungen zu restituieren gilt. Und das bedeutet für die Renaissance­hieroglyphik: Während die Bild-Zeichen der Ägypter, eingemeißelt in Stein, als ›heilig‹ galten, weil sie als Gabe des Gottes Theut erachtet wurden, sind die Bild-Zeichen der Renaissancehumanisten Schöpfungen ihres eigenen Ingeniums, ohne daß der Anspruch des ›Heiligen‹ aufgegeben wäre. Das splendideste Zeugnis ist die Hypnerotomachia Poliphili des Francesco Colonna196, jener phantasmatische ›Traumliebeskampf‹ in lateinisch-italienischer Kunstsprache, Schmelztiegel von Bild-Zeichen aus drei Jahrtausenden, gefundenen und erfundenen.197 Die Hieroglyphen der Hypnerotomachia und weit mehr noch die der Hieroglyphica des Pierio Valeriano198 sind Ausdruck eines komplexen Widerspiels von inventio und imitatio, von absolutem göttlichem Bild-Zeichen, das – vorgeblich – aufgenommen wird, und einem Bild-Zeichen, das der menschliche Geist konzipiert. In dieser Konstellation hat die Imprese ihre Origo und ihr Telos: Sie ist ein mentaler Akt, der der Materialität der Figura letztlich nicht (mehr) bedarf. Vom Bild-Zeichen avanciert die Imprese zur Bild-Idee199; und als Bild-Idee partizipiert sie am absoluten Göttlichen, am Sein. Alessandro Farra, der Platoniker unter den Impresen-Theoretikern, hat diese Vorstellung wohl am klarsten formuliert: […] essendo [sc. le imprese] le Imagini de’ nostri concetti più nobili, hanno necessariamente un’altissimo principio, perciochè nella formatione loro gli Animi humani vengono a farsi seguaci e imitatori dell’Anima Regia o gran Natura, della Mente prima, e finalmente d’Iddio sommo opefice, nella creatione del Mondo ideale, del ragionevole, e del sensibile.200 196 

Die Offizin des Aldus Manutius hat auch dieses Werk mit seinen vorzüglichen Holzschnitten im Jahre 1499 gedruckt. 197  Siehe dazu Volkmann: Bilderschriften der Renaissance (1923), S. 13–23. 198  Ioannes Pierius Valerianus: Hieroglyphica sive de sacris Aegyptiorum aliarumque gentium literis commentarii, Basileae 1556. 199  Dazu unter anderem Klein: La théorie de l’expression figurée (1957), passim. 200  Alessandro Farra: Settenario dell’humana riduttione, Venezia 1571, f. 157

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Als Bild-Ideen (Imagini de’ nostri concetti) sind auch die Impresen Simu­lacra, Schatten der Ideen und Spiegel des Absoluten (seguaci e imitatori dell’Anima Regia o gran Natura, della Mente prima, e finalmente d’Iddio sommo opefice). Hieraus gewinnen sie ihre metaphysische Dignität. Bruno schöpft die Möglichkeiten der Imprese aus201 und nimmt sie für seine nolana filosofia, näherhin seine ontologisch begründete Bildtheorie202 in Dienst. Demgemäß ist weniger die Figura von Belang als das Motto: Es ist eine (Sprach-)Bild gewordene Bild-Idee und als solche Ausdruck des heroischen Intellekts bzw. der heroischen Imagina­ tion.203 In den hermetisch verdichteten Bild-Ideen eines Idem semper ubique totum oder Mutuo fulcimur oder gar Circuit figuriert der heroische Intellekt sich selbst, er ›kontrahiert‹ sich in immer neuen Figurationen, die in ihrer Hermetik zu Hieroglyphen eigener Art werden: Als ro (= VII: ›Filosofia simbolica, ovvero dell’imprese‹). Zit. nach Klein: La théorie de l’expression figurée (1957), S. 338. – Die argumentative Nähe zu Brunos weiter oben zitiertem Satz ist evident – um es noch einmal aufzunehmen: »Idea, imaginatio, adsimulatio, configuratio, designatio, notatio est universum Dei, naturae et rationis opus, et penes istorum analogiam est ut divinam actionem admirabiliter natura referat, naturae subinde operationem humanum (quasi et altiora praetentans) aemuletur ingenium.« (De imaginum compositione II/3, S. 89, Z. 20 – S. 90, Z. 4.) 201  Es ist nicht nachzuweisen, welche Impresen-Traktate Bruno gekannt hat. Giovios Dialogo dell’imprese dürfte lange Zeit die bekannteste und am meisten verbreitete Impresen-Theorie gewesen sein. Daß Bruno den Settenario von Alessandro Farra gelesen hat, ist eher nicht wahrscheinlich. Umso auffallender sind die Übereinstimmungen, die aber letztlich auf die gemeinsame neuplatonische Basis zurückzuführen sind. 202  Hier ist neben den übrigen mnemotechnischen Schriften insbesondere auf De umbris idearum und De imaginum compositione zu verweisen. 203  Aufschlußreich ist nachfolgende Äußerung, die zwar im Kontext der Diskussion, ob instans Substantiv oder Adjektiv ist (Amor instat ut instans), als Tautologie formuliert ist, gleichwohl auf die eigenschöpferische Leistung des furioso ausdrücklich hinweist: »che ha medesima penuria di proposito, che se uno dicesse: ›questa impresa costui [sc. il furioso] la ha finta come finta […]‹.« (218)



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Ausdruck mentaler Akte geben sie ihrerseits Zeugnis von Partizipation und Konstruktion zugleich und werden somit auch zu (Ab-)Bildern des species intelligibiles. Die Wahl des Impresen-Formats ist nicht einer Mode geschuldet – Bruno hat für die Impresen-Manie nurmehr Spott übrig204. Sie ist vielmehr begründet in der Möglichkeit, auf eine weitere und andere Weise Ideae in und durch Imagines und Signa zur Vorstellung zu bringen, genauer: die unendlichen Ideae in einer unendlichen Vielzahl und Vielfalt an Imagines und Signa zu figurieren.205 Die Variation der Form ist wiederum im Gegenstand selbst begründet bzw. erlaubt, den Gegenstand in der Form selbst hervorzubringen: die Philosopheme der Einheit und der Unendlichkeit, die in den Impresen-Dialogen I 5 und II 1, zudem II 2 in besonderer Intensität zum Austrag kommen. Im ganzen aber gilt für den Impresen-Teil wie bereits für den Canzoniere-Teil206: Die brunianische Metaphysik und Erkenntnistheorie kann nicht anders, als sich in immer neuen Bildern der Sprache, in immer anderen Phantasmata zu artikulieren. Denn das ›Denken in Bildern‹ ist gleichermaßen konstitutiv für die nolana filosofia als nova filosofia, für die Eroici furori als Text wie die furori eroici als Haltung, als Ethos. So 204 

Nicht anders als für Petrarca, den Petrarkismus u. a. – siehe dazu gleich eingangs des Argomento (4/6): »Ecco vergato in carte, rinchiuso in libri, messo avanti gli occhi, et intonato a gli orecchi un rumore, un strepito, un fracasso d’insegne, d’imprese, de motti, d’epistole, de sonetti, d’epigrammi, de libri, de prolissi scartafazzi […].« 205  Aus diesem Grund ist es auch müßig, nach Vorbildern zu suchen, mithin festzustellen, daß das eine oder andere Motto, die eine oder andere Pictura sich bereits in einem vorgängigen Emblem-Buch finden. (So bspw. Memmo, Jr.: Giordano Bruno’s »De gli eroici furori« and the emblematic tradition [1964], passim.) Zum Verständnis des brunianischen Gebrauchs der Imprese und seiner Funktion tragen derartige ›Einflußforschungen‹ nichts bei. 206  In den Canzoniere-Dialogen wie in den Impresen-Dialogen sind das ›Schicksal, das Streben und der Zustand‹ des eroe das große Thema (Furori, Argomento: »[…] si mostra variamente la condizion di sua fortuna, studio e stato, con la raggione e convenienza di quelli […].« [22]); in beiden Teilen ist die Bewegung hin auf das Ziel, jenes höchste ›Objekt‹, nicht teleologisch, sondern ›metaphysisch‹.

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werden in den beiden Impresen-Dialogen die »condizioni di questi furori« (160) der Reihe nach vorgestellt und zur Sprache gebracht, zudem eine Ordnung207 eingehalten, die die einzelnen Bild-Zeichen bzw. Bild-Ideen in ihrer Aufeinanderfolge auseinander hervorgehen und sich wechselseitig erläutern, sich verdichten läßt. Somit sind die condizioni in ihrer Abfolge – wie oben gezeigt – nurmehr eine Variante des discorso. Die Wiederaufnahme der Philosopheme der ersten vier Dialoge und deren Intensivierung in formal-figurativer Variation in den drei folgenden sollten allerdings eine bemerkenswerte Veränderung, die mit der Impresen-Figuration ganz offensichtlich in Zusammenhang steht, nicht übersehen lassen: Im Impresen-Teil ist ein neues Bildprogramm aufgelegt und damit verbunden eine modifizierte Perspektive eingenommen. Während im Canzoniere-Teil der eroe, sein Streben und sein Schicksal in den Bildern des Jägers, der Hunde und des Wildes, der Küken und des Nestes, der Felsen und der Höhle Anschauung finden, sind im Impresen-Teil die Bilder des Phönix 208 und der Sonne rekurrent: In vielfältiger Weise vergleicht sich der furioso mit jenem enigmatischen Vogel209, den die Ägypter verehrten und dem sie gemeinsam mit dem Sonnengott Heliopolis einen Kult errichteten. In Entsprechung wird im Impresen-Teil die mythische Figur des Phoebus Apollo, Relatidie ›Ordnung‹ in der Folge verweist Bruno im Argomento (»Nel quinto dialogo si descrive il stato del furioso in questo mentre, et è mostro l’ordine, raggione e condizion de studii e fortune« [22]) als auch zu Beginn von Furori I 5 (»[…] considerar le condizioni di questi furori, per quel ch’appare esplicato nell’ordine […] qua descritto.«[160]) – Hervorhebungen von MMG. Zudem wird mit »il stato del furioso in questo mentre« ausdrücklich Bezug genommen auf die vorausgegangenen Dialoge und insbesondere auf das Ende des vierten Dialogs des Ersten Teils, in dem vom »sì travaglioso conflitto« (22) des furioso die Rede ist. 208  Zu Phönix, seiner Herkunft und Verbreitung siehe das vorzüglich dokumentierende Werk von van den Broek: The Myth of the Phoenix (1972). 209  Während Aktaion eine Identifikationsfigur des furioso ist, ist der Phönix nurmehr eine Vergleichsfigur. Hingegen ist das Verhältnis des Phönix zur Sonne analog zum Verhältnis Dianas zu Apoll. 207  Auf



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onsfigur der Diana, unterderhand durch den Sonnengott der Ägypter, Re (hier: Sol), ersetzt – jeweils Bilder für »il sommo bene«, »il primo vero« oder »la verità absoluta«. Der Wechsel hat Methode. Mit Phönix und Sol (Re) tritt die ägyptische Kultur in den Horizont210: Das Repertoire der Bilder wird erweitert in eine Zeit und in einen Raum, die der griechischen Antike vorausliegen und die die Möglichkeit schaffen, Impresen, verstanden als Bild-Ideen, den Rang von Hieroglyphen zu geben.211 Dem neuen Bildprogramm entspricht die modifizierte Perspektive: Während im Canzoniere-Teil der furioso, mithin das ›Subjekt‹ (il suggetto), im Fokus stehen, tritt im Impresen-Teil das ›Objekt‹ (l’oggetto), das höchste Gut, die absolute Wahrheit, in den Mittelpunkt. Nicht mehr ist in erster Linie das unendliche Streben des eroe hin zum Einen vielfältig variiertes Thema, vielmehr das Sein und die Wirkung des Einen auf den eroe. Der Perspektivenwechsel ermöglicht freilich nurmehr weitere Variationen in der Wiederholung der die Eroici furori tragenden Philosopheme und eine Intensivierung wie Differenzierung des Konzepts der Unendlichkeit. Einige Beispiele sollen die genannten Besonderheiten erhellen, insbesondere ein weiteres Mal deutlich machen, daß die (Sprach-)Bilder in einer internen Logik auseinanderhervorgehen und zugleich die basalen philosophischen Konzepte buchstäblich hervortreiben. 210  Es

verdient zumindest eine Anmerkung, daß gerade der Anfang des Großen Sonnenhymnus des Echnaton (auch Hymnus an Aton; um 1351–1334 v. Chr. entstanden und erst 1884 erstmalig gedruckt), näherhin der Beginn der Aretalogie des Re bzw. Aton, Übereinstimmungen aufweist mit der Aretalogie des Sol bei Bruno: daß Gott eine kosmische Macht ist, die sich als Sonne und Licht den Menschen mitteilt. 211  Es ist wichtig zu betonen, daß Brunos Bild-Idee eine Inversion des neuplatonischen Bild-Symbols (Plotin, Iamblich, Proklos; siehe dazu Leinkauf: Bild-Symbol, Geometrie und Methode [2006]) ist: Während das Bild-Symbol und hier exemplarisch die ägyptische Bilderschrift für Plotin und die Neuplatoniker »den Versuch einer nicht-diskursiven Vergegenwärtigung göttlicher Einheit« (Leinkauf, S. 80) darstellen, ist die Bild-Idee Brunos (sprach-)bildlicher Ausdruck eines mentalen Aktes, in dem Spontaneität und Reflexivität übereinkommen.

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Kommen wir noch einmal auf die erste Imprese212 zurück: At regna senserunt tria. In Figura – sie stellt vorgeblich einen physikalischen Prozeß dar – und Motto – es verweist auf die »drei Reiche der Empfindung«, auf Tränen, Seufzer und innere Glut – wird die Leidenschaft des Leidenschaftlichen ins Bild gesetzt. Die Zustände des furioso – so die Aussage – sind wie eine Kugel, deren Inneres mit Wasser gefüllt ist und die erhitzt wird. Je nach Beschaffenheit der Kugel, ob offen oder geschlossen, sind die Reaktionen unterschiedlich. Im Sonett kommen Figura und Motto überein: Die Wort-Zeichen, die jeweils Psyche bzw. Natura kennzeichnen – cor, lacrime, suspiri, ardor und acqua, aria, fuoco –, werden zu Wort-Bild-Zeichen, die aufgrund ihrer je eigenen Wertigkeit in ein frei korrelierendes Verhältnis treten und somit die Übereinstimmung von Naturvorgängen und seelischen Zuständen evidenzieren: Dal mio gemino lume, io poca terra soglio non parco umor porgere al mare; da quel che dentr’ il petto mi si serra spirto non scarso accolgon l’aure avare; el vampo che dal cor mi si disserra si può senza scemars’ al ciel alzare: con lacrime, suspiri et ardor mio a l’acqua, a l’aria, al fuoco rendo il fio. (162)

Daß der furioso sich gleich eingangs des Sonetts als poca terra bezeichnet, die Wasser, Luft und Feuer aus sich entläßt, ist nicht allein ein Tribut an eine konsistente Bildlichkeit. Vielmehr gelingt mit diesen beiden kleinen Wörtern einer der zahlreichen raffinierten Übergänge von einem Bildbereich in den anderen – hier in den Bildbereich von Imprese II: Dort ist im Wappen die Sonne dargestellt, die ihre Strahlen auf dem Rücken der Erde ausbreitet. Und genau hier findet ein erster Perspektivenwechsel statt: vom ›Subjekt‹ auf das ›Objekt‹, dieses Mal im Bild der Sonne figuriert. Die Sonne, »immer dieselbe und immer 212 

Im folgenden wird auf die einzelnen articoli mit ›Imprese‹ und entsprechender römischer Zahl verwiesen.



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CIX

und an allen Orten alles zugleich bewirkend«213 – Idem semper ubique totum, so das Motto –, ist somit ein weiteres Bild des absoluten Einen, mit sich Identischen und Ubiquitären. Sie steht, wie bislang Apollo, für »il sommo bene«, »il primo vero« und »la verità absoluta«, und sie ergießt ihre Strahlen über die Erde.214 Es folgt der Vergleich, die Gleich­ setzung der Sonne mit dem ›Objekt‹ des furioso und der Erde mit dem furioso selbst: […] come il sole sempre dona tutte le impressioni a la terra, e questa sempre le riceve intiere e tutte: cossì l’oggetto del furioso col suo splendore attivamente lo fa suggetto passivo de lacrime, che son l’acqui; de ardori, che son gl’incendii; e de suspiri quai son certi vapori, che son mezzi che parteno dal fuoco e vanno a l’acqui, o partono da l’acqui e vanno al fuoco. (164)

Die Figurierung der Reaktion des furioso nimmt wiederum die Bildlichkeit von Imprese I, in der die Leidenschaft des Leidenschaftlichen durch die drei »(Be-)Reiche der Empfindung« (At regna senserunt tria – Tränen, Seufzer, innere Glut) veranschaulicht werden, auf und führt sie in Imprese IV in Variation weiter in der Figura der Feuerflamme, in der der Falter, angezogen und geblendet von ihrem Glanz, zu Tode kommt. In ihm sieht der furioso sein Ebenbild: […] a costui [sc. al furioso] non men piace svanir nelle fiamme de l’amoroso ardore, che essere abstratto a contemplar la beltà di quel raro splendore, sotto il qual per inclinazion di natura, per elezion di voluntade e disposizion del fato, stenta, serve e muore: più gaio, più risoluto e più gagliardo, che sotto qualsivogli’altro piacer che s’offra al core […]. (172) Furori I, 5 (164): »Dovete considerare che il sole benché al rispetto de diverse regioni de la terra, per ciascuna, sia diverso, a tempi a tempi, a loco a loco, a parte a parte; al riguardo però del globo tutto, come medesimo, sempre et in cadaun loco fa tutto: […]« 214  In ebendieser Weise wirkt der ägyptische Sonnengott, dessen Strahlen das Leben auf der Erde ermöglichen. Zahlreich sind die Darstellungen von Re bzw. Aton mit handförmig endenden Sonnenstrahlen. 213 

CX

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Der Unterschied freilich liegt darin, daß der Falter die Flamme vermiede, wenn er wüßte, daß er in ihr den Tod findet215. Doch nicht der Falter, sondern der Phönix wird recht unvermittelt in dem nachfolgenden Sonett, in dem wiederum der furioso der Sprecher ist, zur Referenzfigur. Mit ihm hat der eroe die Beständigkeit (constanza) gemein: »sempr’uno sarò ver l’unica fenice« (170) und »Cossì questo [sc. il furioso] è unico con la fenice unica.« (172) Die Funktion der Bezugnahme auf den mythischen Vogel erhellt allerdings erst aus Imprese VI, deren Figura eine fenice volante vorstellt216. Das Sonett auf der tavoletta wird zum besseren Verständnis gleich eingangs von Tansillo gelesen: Unico augel del sol, vaga Fenice, ch’appareggi col mondo gli anni tui, quai colmi ne l’Arabia felice: tu sei chi fuste, io son quel che non fui; io per caldo d’amor muoio infelice, ma te ravviv’il sol co’ raggi sui; tu bruggi ’n un, et io in ogni loco; io da Cupido, hai tu da Febo il foco.   Hai termini prefissi di lunga vita, et io ho breve fine, che pronto s’offre per mille ruine, né so quel che vivrò, né quel che vissi.   Me cieco fato adduce, tu certo torni a riveder tua luce.217 (178/180) Bereits in Furori I,3 (96) ist der Falter bzw. Schmetterling ein Bild des furioso und seiner brennenden Sehnsucht – mit der nämlichen Einschränkung. 216  Eingeleitet wird Imprese VI mit folgenden Worten Tansillos: »Appresso veggio descritta la fantasia d’una fenice volante […].« Was Tansillo sieht, ist ge- bzw. beschrieben, ist mithin eine Bild-Idee. 217  Aus der Fülle an Emblemen, die Phönix zum Gegenstand haben, ist das Epigramm eines Emblems aus Barthélemy Aneaus Picta Poesis dem brunianischen Sonett äußerst ähnlich: »Innvmerabilivm seclorum millia fertur / Viuere Arabs Phoenix vnica semper auis. / Ex se ipsa nascens, ex se reparabilis ales. / Quae exoriens moritur: quae moriens oritur. / Nam dum deficiens solis se torruit igni: / Nascitur e flammis mox rediuiua suis. / Credimvs? An vanum 215 



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CXI

Es scheint, als werde der Constat aus Imprese IV – »Cossì questo è unico con la fenice unica« (172) – aufgehoben, ja in sein Gegenteil gewendet: Die Konstanz wird hier allein dem Phönix zugeschrieben, die Wechselhaftigkeit und Unbeständigkeit dem eroe218. Aus der Analogie wird ein Gegensatz219, der wiederum in dem Motto Fata obstant seine ebenso prägnante wie überraschende220 Bild-Idee findet. Die Besonderheit von Sonett und Kommentar, im ganzen der zwei Impresen-Dialoge, ist aber reputamus quod peregrina / Dicere libertas audet in historia? / Credimvs. Et certe est volucris sub imagine, viuens / Aeternum Phoenix vnicus ipse Deus. / A se principium capiens resolutus et in se. / Semper et exoriens luminis igne sui.« (Barthélemy Aneau [Barptolemaeus Anulus]: Picta Poesis. Vt Pic­ tvra Poesis erit. Lvgdvni, Apud Mathiam Bonhomme. 1552, S. 93. Zit. n. Henkel/Schöne [Hgg.]: Emblemata, Sp. 794 f.) (Übersetzung, ebd.: »Tausende von unzählbaren Jahrhunderten soll der arabische Vogel Phoenix [sic!] leben, den es immer nur einmal gibt, der aus sich selbst geboren wird, aus sich selbst sich wiederherstellt, der entstehend stirbt, der sterbend entsteht. Denn sobald er sich, dahinschwindend, im Feuer der Sonne verbrannt hat, wird er sogleich erneut aus seinen Flammen wiedergeboren. Glauben wir’s? Oder halten wir’s für Erfundenes, das dichterische Freiheit in einer fremdartigen Geschichte zu sagen wagt? Wir glauben es. Denn sicherlich ist dieser ewig lebende Phönix unter dem Bilde eines Vogels der alleinzige Gott selbst: Von sich selbst nimmt er den Ursprung und löst sich auf in sich selbst und entsteht immer neu im Feuer seines Lichtes.«) 218  Auf der Figura – so Tansillo – sind ein Knabe und ein Phönix dargestellt, wobei der Knabe für den eroe steht. 219  Es ist näherhin der Gegensatz bzw. der Unterschied zwischen dem niederen Intellekt und dem höheren Intellekt, dem »intelletto di potenza o possibile« und dem »intelletto agente et attuante« (180/182), zwischen dem Intellekt, der – wie der Mond oder der Phönix – nur eine einzige Gestalt annimmt, die er stets durch seine Hinwendung zur Sonne, der ersten und universellen Intelligenz, erneuert, und dem individuellen und vielfältigen Intellekt des Menschen, der wechselhaft, schwankend, unbeständig ist, unendlich viele Formen annimmt und Stufen erklimmt (ebd.). Näheres dazu Eugenio Canone: Il fanciullo e la fenice, in: ders.: Il dorso e il grembo dell’eterno (2003), S. 53–78. 220  ›Fata obstant‹ ist üblicherweise im Sinne von widrigem Schicksal gebraucht (so bspw. das Motto eines Emblems in Gabriel Rollenhagens Nvclevs Emblematvum [1611], no. 90). Darauf verweist Tansillo gleich eingangs seiner Erklärung des Sonetts: »Fata obstant, non è per significar che gli fati siano contrarii

CXII

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darin zu sehen, daß die beiden mythisch-mythologischen Bildbereiche – der römisch-antike und der altägyptische – ineinandergeblendet sind, ineinander übergehen und austauschbar werden. Mit dem solchermaßen erweiterten Bildpotential – Sonne und Mond, Apoll und Diana, Sol und Phönix – werden unter anderem Augenblick, Zeit und Ewigkeit, Endlichkeit und Unendlichkeit, Akt und Potenz, Materie und Form und insbesondere die Seele221 zur Vorstellung gebracht – Philosopheme, die in der einen oder anderen Weise und in unterschied­ licher Intensität bereits in den ersten vier Dialogen, dem CanzoniereTeil, thematisiert sind. Und doch dominieren im Impresen-Teil die Philosopheme der Unendlichkeit und der Vollkommenheit, der Zeit, des Augenblicks und der Ewigkeit. In Sol und Phönix haben sie ihre ›Hieroglyphe‹, in der – potentiell unendlichen – Abfolge der Impresen, genauer der siebenundzwanzig Bild-Ideen wie Circuit, Talis mihi semper et astro, Novae ortae Aeoliae, Manens moveor sind sie figurativ ›entfaltet‹.222 Die Worte Cesarinos zu Beginn der Imprese VIII des ersten Dialogs des Zweiten Teils können für jede einzelne Imprese gelten: »[…] è tempo di procedere a considerar il seguente dissegno simile a questi prossimi avanti rapportati, con li quali ha certa conseguenza.« (266) o al fanciullo, o a la fenice, o a l’uno e l’altro; ma che non son medesimi, ma diversi et oppositi gli decreti fatali de l’uno e gli fatali decreti de l’altro: […]« (180) 221  Phönix gilt schon zu Hesiods Zeiten als Symbol der Seele (siehe dazu van den Broek: The Myth of the Phoenix [1972], S. 132–145.). In Furori II,1, Imprese VI führt Bruno den Neuplatoniker Iamblich mit nachfolgenden Äußerungen zur Seele an: »È tanta la virtù della contemplazione (come nota Iamblico) che accade tal volta non solo che l’anima ripose da gli atti inferiori, ma et oltre lascie il corpo a fatto.« (260). Dabei handelt es sich um eine Paraphrase aus Iamblich: De mysteriis Aegyptiorum III, 3 (siehe den Kommentar zur Stelle von Miguel Angel Granada in Giordano Bruno: Opere italiane II, Milano 2002, S. 663, Anm. 51). Marsilio Ficino übersetzte 1497 erstmals das Werk ins Lateinische und gab ihm den Titel De mysteriis Aegyptiorum. 222  Um nur noch ein weiteres Beispiel auszuwählen: Bereits die Motti von Imprese IX und Imprese X des ersten Dialogs des Zweiten Teils – Vicit instans und Subito, clam – weisen das Instantan-Plötzliche als Modus möglicher Erfahrung des Unendlichen und des Ewigen aus.



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CXIII

Doch nicht in erster Linie die Ähnlichkeit, vielmehr der unablässige Wechsel in der Ähnlichkeit, ja in der Selbigkeit ist das figurative Prinzip der ›Entfaltung‹. Ein Ende ist ausgeschlossen. Eine geradezu kongeniale Performanz dieses Prinzips ist die letzte Imprese des fünften Dialogs des Ersten Teils, Imprese XV. Die Figura zeigt eine Schlange, die im Schnee dahinsiecht, und einen nackten Knaben, der im Feuer brennt; das Motto zählt vier Wörter, hat drei semantische Einheiten: Idem, itidem, non idem – für Tansillo ein Rätsel, ein enigma. Auch die zwei Sonette scheinen keine Klärung zu bringen, den »Knoten nicht lösen zu können« – so jedenfalls Tansillo: »Andiamone, perché per il camino vedremo di snodar questo intrico, se si può.« (226) Tatsächlich aber könnten Wahl und Folge der drei semantischen Einheiten des Mottos nicht treffender sein, sie sind geradezu der Inbegriff der Bild-Idee, in der das brunianische Philosophem des Wechsels und der Gegenwendigkeit, der contrarietà, figuriert ist. Anders als die petrarkisch-petrarkistischen contrari affetti, die – so jedenfalls scheint es – vor allem im ersten der beiden Sonette im Gegenspiel von ›Eis‹ und ›Feuer‹ ausgetragen werden223, reflektiert die Wortfolge Idem, itidem, non idem in ihren nur leicht variierten Morphemen und Phonemen jenen dynamischen Wechsel und jene Diversität224, kurz jenes Selbige im Nichtselbigen, mittels derer die Unendlichkeit des komplikativen Einen in der unendlichen Vielheit des Universums ausgefaltet ist und die in strukturell gleicher Weise das Streben des furioso nach dem Absoluten bestimmen. Jede einzelne Imprese, jede einzelne Bild-Idee verdiente eine genaue Analyse. Nur so viel: Jede Bild-Idee enthält in nuce alle übrigen BildIdeen; sie ist jeweils alles in allem, freilich potentiell, nicht aktual. Entfaltet wird sukzessiv und instantan zugleich die nolana filosofia in 223 

Tatsächlich handelt es sich – gegen allen Anschein – um contrarietadi. 224  Die zögerliche Erklärung Tansillos trifft diesen Sachverhalt durchaus, bleibt allerdings der Bildlichkeit verhaftet: »[…] pur crederei che voglia significar medesimo fato molesto, che medesimamente tormenta l’uno e l’altro […], con diversi instrumenti o contrarii pincipii, mostrandosi medesimo freddo e caldo.« (222)

CXIV

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immer neuen Bildern des Lichts und des Schattens, des Todes und des Lebens, von Eros und Anteros. Wiederholung in Variation, Wechsel und Gegenwendigkeit sind das ontologische und das ästhetische Prinzip. Der moto metafisico hat sein Bild in einem moto poietico, der moto poietico generiert den moto metafisico. Diese poietisch-metaphysische Bewegung, die die Abfolge der einzelnen Bild-Ideen-Impresen bestimmt, wird noch einmal makrostrukturell reflektiert im Verhältnis der beiden Impresen-Dialoge I 5 und II 1 zueinander und wiederum im Verhältnis dieser Dialoge zu Dialog II 2. Die Dialoge I 5 und II 1 verlaufen in Abfolge und Entfaltung der Philosopheme parallel; ihr Ende weist jeweils ins Offene, Aporetische – Scheitern, ja Hoffnungslosigkeit ist das letzte Wort. »[…] lasciamo ogni speranza«225 (224) – so der Schluß des zweiten Sonetts der letzten Imprese von Dialog I 5; und die letzte Imprese von Dialog II 1 thematisiert die Schwäche des heroischen Geistes, der in seinem göttlichen Streben in den Abgrund gerissen wird.226 Verzweiflung ist Zustand und Verfassung, stato und condizion, des eroe. Unvermittelt setzt sodann Dialog II 2 ein mit einem radikalen Umschlag, einem absoluten Neubeginn. Er wird eröffnet mit dem Verweis der Figur des Maricondo auf eine weitere Imprese: Qua vedete un giogo fiammeggiante et avolto de lacci, circa il quale è scritto: LEVIUS AURA ; che vuol significar come l’amor divino non aggreva, non trasporta il suo servo, cattivo e schiavo al basso, al fondo: ma l’inalza, lo sulleva, il magnifica sopra qualsivoglia libertade. (296)

Und es folgt ein Schweifsonett, das ein Parodox zum Aktaion-Poem zu Beginn des vierten Dialogs des Ersten Teils ist. Die Perspektive ist wiederum dieselbe, die die beiden vorausgehenden Impresen-Dialoge bestimmt: Das Göttliche wird in seinem Verhältnis zum Menschlichen Leicht verändertes Zitat aus Dantes Inferno III, 9: »Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate!« 226  Selbst die Tageszeit, zu der Maricondo und Cesarino ihre ImpresenExegese beenden, entspricht dem Zustand und der Verfassung des eroe: es ist Nacht. 225 



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CXV

gesehen. Diana tritt als Jägerin dem Jäger Aktaion gegenüber, die Vereinigung zwischen Göttlichem und Menschlichem, die Ende I 4 sich ereignet in conversio, raptus und contractio, findet erneut statt, und es ist Amor, der eine Hymne auf den eroe im Bild Aktaions anstimmt:   […] »O fortunato amante, o dal tuo fato gradito consorte: che colei sola che tra tante e tante,   quai ha nel grembo la vit’ e la morte, più adorna il mondo con le grazie sante, ottenesti per studio e per sorte,   ne l’amorosa corte sì altamente felice cattivo, che non invidii a sciolt’ altr’uomo o divo.« (296)

Der Höhe- und Schlußpunkt heroischer Leidenschaft scheint ein weiteres Mal erreicht, insbesondere da Amor das letzte Wort hat. Es wird deutlich, weshalb auf die beiden textmittigen und in Form und Gegenstand weitgehend analogen Impresen-Dialoge noch ein weiterer folgt, der nur eine Imprese enthält und nur eine Imprese enthalten kann: Diese letzte, separierte Imprese ist Kontrapunkt und Aufgipfelung zugleich aller vorausgegangenen Impresen bzw. Bild-Ideen: Wechsel und Wandlung, Gegenstrebigkeit und Diversität sind Bedingung der Möglichkeit, das Eine Unendliche im Moment der contractio zu erfahren. In der Bild-Idee Levius aura hat sie ihre konzise Anschauung. Zugleich aber wird mit Levius aura und dem ihm folgenden Diana-Poem wiederum ein Bezug zum Aktaion-Sonett, zum vierten Dialog des Ersten Teils und insgesamt zum Canzoniere-Teil hergestellt: Das große Thema der ›Jagd nach Wahrheit‹, das den Canzoniere-Teil beherrscht, wird in Dialog II 2 aufgenommen und philosophiegeschichtlich wie geschichtsphilosophisch vertieft in durchaus polemischer Auseinandersetzung mit Aristoteles und den ›Pedanten‹ einerseits, den Vorsokratikern und Platon anderseits. Zweck dieser Auseinandersetzung ist es, die nolana filosofia als Höhe- und Endpunkt auszuweisen und ihr ein weiteres Mal im Bild von Diana und Aktaion prägnante Anschauung zu geben.

CXVI

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De gli eroici furori II 3 – II 4 – II 5 Was als Höhe- und Endpunkt erscheint, ist – ganz im Sinne der nolana filosofia, näherhin des furore eroico – nurmehr die Voraussetzung eines Neubeginns. Es folgen drei weitere Dialoge, Solitäre in ihrer jeweiligen und je eigenen Form, zugleich ein Novum in der Reflexion des heroischen Erkenntnisprozesses. Ingeniös ist der Einsatz des dritten Dialogs des Zweiten Teils: Der furioso hat – wie es am Ende von Dialog II 2 heißt – das Absolute Eine, das Göttliche in seinem Schatten gesehen, ist »ganz Auge und umfaßt den gesamten Horizont mit seinem Blick«227, und für eine kurze Zeit ist seine Seele »stillgestellt«: »Posando sotto l’ombra d’un cipresso il furioso, e trovandosi l’alma intermittente da gli altri pensieri (cosa mirabile) […]« (320)228 – so die Situation zu Beginn von Dialog II 3. Es ist ebenjener Moment, der am Ende von Dialog I 4 in der contractio des eroe-Atteone kulminierte und wiederum am Ende von Dialog II 2 im Diana-Aktaion-Bild229 aufgenommen und vorbereitet ist. Über diese rekurrente Bildlichkeit und die ihr eigene erkenntnistheoretische Implikation ist der Canzoniere-Teil mit dem Impresen-Teil verbunden, erweist sich der eine letztlich als eine Variation des anderen, ist zudem ein Bezug zu den letzten drei Dialogen geschaffen, deren jeder den heroischen Erkenntnisprozeß ein weiteres Mal auf je neue und höchst intensive Weise figuriert. Die Besonderheit von Dialog II 3 liegt nun darin, daß die »altri pensieri«, Intellekt und Wille, Augen und Herz, Furori, II,2 (316): »[…] è tutto occhio a l’aspetto de tutto l’orizonte.« Mit cipresso ist in Verweis und Aufnahme des ersten Sonetts in Furori I,1 (»morte, cipressi, inferni // cangiate in vita, in lauri, in astri eterni« [42]) der intermittierende Zutand der Seele des furioso zwischen ›Tod‹ und ›neuem Leben‹ veranschaulicht. 229  Furori, II,2 (314): »Rarissimi dico son gli Atteoni alli quali sia dato dal destino di posser contemplar la Diana ignuda: e dovenir a tale che dalla bella disposizione del corpo della natura invaghiti in tanto, e scorti da que’ doi lumi del gemino splendor de divina bontà e bellezza, vegnano trasformati in cervio, per quanto non siano più cacciatori ma caccia. […] in quella divina et universale [sc. caccia] viene talmente ad apprendere che resta necessariamente ancora compreso, assorbito, unito: […]« 227 

228 



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CXVII

»wie zwei Lebewesen und Substanzen mit jeweils unterschiedlichem Verstand und Gefühl«230 reagieren, sie sich verselbständigen und miteinander in Disput geraten; ein Dialog im Dialog hat statt: Augen und Herz klagen sich gegenseitig an, der Grund für die die Seele aufzehrenden Qualen zu sein231. Was in der Folge in den zwei mal zwei proposte und den zwei mal zwei risposte der Augen und des Herzens zum Austrag kommt, ist jene die brunianische Erkenntnistheorie charakterisierende und im ganzen die Heroischen Leidenschaften strukturierende Interdependenz von Intellekt und Wille. Liberio, der die proposte und risposte der Augen und des Herzens aus dem Gedächtnis referiert, bringt die Wechselbewegung auf den Punkt, wenn er unter anderem kommentiert: Gli occhi apprendono le specie e le proponeno al core, il core le brama et il suo bramare presenta a gli occhi: quelli concepeno la luce, la diffondeno, et accendeno il fuoco in questo; questo scaldato et acceso invia il suo umore a quelli, perché lo digeriscano. Cossì primieramente la cognizione muove l’affetto, et appresso l’affetto muove la cognizione. (340)

Es ist diese gegenwendige Bewegung von Erkenntnis und Affekt, die in der ungewöhnlichen Sequenz von zweimal je zwei proposte und zweimal je zwei risposte im jeweiligen Wechsel ihr Bild findet. Indem auf eine proposta des Herzens eine proposta der Augen folgt, sodann jeweils eine risposta und so fort, wird eine Übereinstimmung im Widerstreit figuriert. Sie ist nurmehr der Effekt einer wechselseitigen Hemmung entgegengesetzter Kräfte, die in der spezifischen Abfolge der acht Schweifsonette ausagiert wird. Augen und Herz, Intellekt und Wille, bilden als zwei gleich starke Kräfte ein Gleichgewicht in der Schwebe. Ein weiteres Mal wird der heroische Erkenntnisprozeß als 230 Furori,

II,3 (320): »[…] (come fussero animali e sustanze de distinte

raggioni e sensi) […].« 231  Furori, II,3 (320): »[…] si parlassero insieme il core e gli occhi: l’uno de l’altro lamentandosi come quello che era principio di quel faticoso tormento che consumava l’alma.«

CXVIII

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unendliche Wechselwirkung von Wille und Intellekt figurativ generiert: hier in der Doppelstruktur von proposte und riposte und in den Bildern von Augen und Herz, Wasser und Feuer. Während die Struktur des Dialogs II 3 eine geradezu ingeniöse Neuerung des Dialogs als Form ist, stellen die Bilder in ihrer Rekurrenz den Bezug zu allen vorausgehenden Dialogen her. Der vierte Dialog des Zweiten Teils verleiht über das Motiv der Blindheit dem Augen-Herz-Widerstreit in Dialog II 3 eine neue Dimension und schafft zugleich die Voraussetzung für den letzten Dialog. Im Bild von neun Blinden »werden die neun Gründe für die Unfähigkeit, Unverhältnismäßigkeit und Fehlerhaftigkeit der Anschauung und des Erkenntnisvermögens des Menschen göttlichen Dingen gegenüber versinnbildlicht und auf manche Weise erklärt«232, neun Gründe also des Scheiterns des menschlichen Intellekts im Bemühen, das Absolute, Eine, Göttliche zu erfassen. Das Scheitern ist ein heroisches Scheitern: unhintergehbar und gerade darum Ansporn zu immer neuer Bemühung. Die Gründe des Scheiterns bzw. – bildlich – der Blindheit sind in Ursache und Wirkung keineswegs homogen, hierin durchaus analog den condizioni des eroe, wie sie im Impresen-Teil vorgestellt sind. So sind die neun Weisen der Blindheit neun Weisen, in denen der von heroischer Leidenschaft angetriebene furioso scheitern kann und auch tatsächlich heroisch scheitert. Denn nicht eine je einzelne Weise der Blindheit kennzeichnet das heroische Bewußtsein, sondern immer andere, unterschiedene Weisen. Sie sind der Weg, der discorso, dem Einen Unwandelbaren sich anzunähern, ohne es je zu erkennen, ohne je von der Blindheit geheilt zu werden233. In der Reihung Furori, Argomento (28): »[…] son figurate et alcunamente ispiegate le nove raggioni della inabilità, improporzionalità e difetto dell’umano sguardo e potenza apprensiva de cose divine.« 233  Furori, II, 4 (372): »Il moto è alterità, quel che si muove sempre è altro et altro, quel che è tale, sempre altri et altrimente si porta et opra, per che il concetto et affetto séguita la raggione e condizione del suggetto. E quello che altro et altro, altri et altrimente mira, bisogna necessariamente che sia a fatto cieco al riguardo di quella bellezza che è sempre una et unicamente, et è l’istessa unità et entità, identità.« 232 



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CXIX

der Sonette, der articoli, die die Blinden einer nach dem anderen vortragen und die jeweils eingeleitet sind durch ein Parla il primo cieco, Parla il secondo cieco etc. etc., werden »Bewegung, Wandel und Veränderung«234 des heroischen Bewußtseins figuriert, nicht anders als in der Folge der differenten Gründe der Blindheit, die in den Sonetten einer nach dem anderen thematisiert werden, das »Rad der unaufhörlichen Wandlungen«, die das »Subjekt mit seinem Sinn und Intellekt durchläuft«235, seine Anschauung findet. Erneut bilden Philosopheme und Struktur eine Einheit, werden Philosopheme durch die Struktur generiert. So ist es nur folgerichtig, daß in dem Dialog der Eroici furori, der wie kein anderer den heroischen Erkenntnisprozeß in seinen unterschiedlichen Facetten zum Gegenstand hat, näherhin die unüberwindliche »Unverhältnismäßigkeit der Mittel unserer Erkenntnis gegenüber dem Erkennbaren«236, von dem Mittel die Rede ist, mit dem die »göttlichen Dinge betrachtet werden« können: […] per contemplar le cose divine, bisogna aprir gli occhi per mezzo de figure, similitudini et altre raggioni che gli Peripatetici comprendono sotto il nome de fantasmi […] massime in questo stato detto »speculator de fantasmi« dal filosofo, e dal teologo »vision per similitudine speculare et enigma«; […] (366/368)

Die Betrachtung der göttlichen Dinge im Mittel der Figuren ist somit die einzige Möglichkeit der Erkenntnis; sie Blindheit zu nennen, bedeutet nicht, daß nichts gesehen werde; im Gegenteil ist sie in ihren differenten Weisen unhintergehbarer Teil des Erkenntnisprozesses, und sie ist im besten Falle für einen Moment aufgehoben: im Moment der 234 

So in Kennzeichnung des sechsten Blinden: »[…] il quale è in continuo moto, mutazione, et alterazione […].« Furori, II, 4 (370). 235  Furori, II, 4 (372): »[…] senza fine discorrendo il suggetto del senso e cognizione per la ruota delle mutazioni in infinito?« 236  Furori, II, 4 (366): »La quinta [sc. caggione della nostra cecità], significata nel quinto, procede dalla improporzionalità delli mezzi de nostra cognizione al cognoscibile; […].« Die Begründung der Blindheit des fünften Blinden gilt mehr oder minder für alle übrigen Blinden.

CXX

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Ekstasis, der Illuminatio. Die Canzone de gl’illuminati wird die letzte figura und similitudine der Eroici furori sein. Der Übergang vom vierten zum fünften Dialog des Zweiten Teils ist so raffiniert wie folgerichtig. Laodomia weiß zu berichten, daß die neun Blinden, »zu Anfang neun wunderschöne, verliebte Jünglinge«237, ihre Blindheit dem Zauber der Circe verdanken: Zehn Jahre irrten sie ohne Augenlicht umher, um schließlich am Ufer der Themse auf »schöne und anmutige Nymphen« zu treffen. Sie klagen ihnen ihr Leid und bitten, das Glas zu öffnen, das sie mit sich tragen. Als die Nymphen, eine nach der anderen, es nicht wagen, dem Wunsch nachzukommen, und schließlich eine unter ihnen sich doch ein Herz faßt, »öffnet sich das Glas plötzlich wie von selbst«. Laodomia weiß zu berichten: Che volete ch’io vi referisca quanto fusse e quale l’applauso de le Nimfe? Come possete credere ch’io possa esprimere l’estrema allegrezza de nove ciechi, quando udiro del vase aperto, si sentiro aspergere dell’acqui bramate, apriro gli occhi e veddero gli doi soli; e trovarono aver doppia felicitade: l’una della ricovrata già persa luce, l’altra della nuovamente discuoperta, che sola possea mostrargli l’imagine del sommo bene in terra? (388)

Die Erzählung Laodomias, die letztlich den gesamten letzten Dialog umfaßt, ist eine große Figur, ein Phantasma; sie steht mit Grund am Ende der Eroici furori, mithin im fünften Dialog des Zweiten Teils. Als letzter Dialog ist dieser – wie sich zeigen wird – nicht der abschließende Dialog in dem Sinn, daß er die Unternehmung der eroici furori, den Text und die den Text hervorbringende Haltung, zu Ende brächte. Und doch bündelt er die vorausgegangenen Dialoge in einer Art Brennspiegel – wiederum nicht in einem einfachen Verfahren der mise en abyme, mithin einer Spiegelung en miniature, vielmehr erneut der Variation und der Verschiebung. Form und Materie dieses letzten und abschließenden Teils haben kein Modell in einem der vorangegangenen Teile, Furori, II, 4 (378): »[…] questi nove ciechi, quali eran prima nove bellissimi et amorosi giovani […].« 237 



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und man wird zögern, diesen letzten Teil überhaupt als Dialog im Sinne eines Gesprächs zu bezeichnen, in dem Positionen und Reflexionen zum Austrag kommen. Eher handelt es sich um eine Prophetie. Der Argomento gibt darüber Auskunft: Nel qu i nto d ia logo, perché vi sono introdotte due donne, alle quali (secondo la consuetudine del mio paese) non sta bene di commentare, argumentare, desciferare, saper molto, et esser dottoresse per usurparsi ufficio d’insegnare e donar instituzione, regola e dottrina a gli uomini; ma ben de divinar e profetar qualche volta che si trovano il spirito in corpo: però gli ha bastato de farsi solamente recitatrici della figura lasciando a qualche maschio ingegno il pensiero e negocio di chiarir la cosa significata. (30)

Damit ist offenbar, weshalb am Ende der Eroici furori zwei Frauenfiguren auf den Plan treten: Sie sind Prophetinnen der nolana filosofia, und sie zählen zu denen, die Bruno zu Beginn des dritten Dialogs des Ersten Teils als »stanza de dèi o spiriti divini«, als »vòti di proprio spirito e senso« (90) unterschieden hat von denen, die »in philosophischen Betrachtungen geübt […] sowie mit einem leuchtenden, einsichtsfähigen Geist begabt sind« (91). Sie sind das Gefäß – um noch einmal die Bildlichkeit des Textes aufzunehmen und weiterzuführen –, in dem die Lehre des ›göttlichen Bruno‹ widerhallt. Das Arrangement ist raffiniert, und es changiert zwischen Ironie und Pathos. Seine Funktion ist es, ein Ende zu finden für einen Text, der nach Form und Materie potentiell unendlich ist und der zugleich vollständig und vollendet sein muß. Um der Vollendung im Unendlichen virtuellen Ausdruck zu geben, gestaltet Bruno den letzten Dialog als eine Figur, als ein großes Bild238, dessen Kommentar – fast – ausschließlich in den einleitenden Argomento verlegt ist: Die Reinheit der Figur bleibt damit gewahrt. Das Furori, Argomento (30): »[…] gli ha bastato de farsi solamente recitatrici della figura […].« Es handelt sich auch hier um Bilder der Sprache, nicht um Allegorien. Denn es gibt – wie wir gesehen haben – für Bruno keine AndersRede, insofern er die Zeichen und Bilder als unmittelbaren Ausdruck des Ingeniums erachtet. Es ist eine Frage des Begriffs, nicht der Sache. 238 

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hat zur Folge, daß dem Argomento des letzten Dialogs eine Sonderstellung eingeräumt ist: Er ist der an Umfang weitaus größte, in der Sache ausführlichste, und er ist von den übrigen beiden Teilen, die die ersten fünf und nachfolgenden vier Dialoge referieren und kommentieren, typographisch abgesetzt und eigens mit einem (Unter-)Titel versehen: Argomento et allegoria del quinto dialogo.239 Der Kommentar im Argomento kann als Kondensat der in den Eroici furori verhandelten Metaphysik und Erkenntnistheorie gelesen werden240, der letzte Dialog als dessen ästhetische Realisation. Nucleus ist die Zahl neun: Neun ist die Zahl der Ordnung und der Verschiedenheit aller Dinge, die Zahl der Vollkommenheit, die im Universum der Dinge herrscht und dem Ganzen in bestimmter Weise Gestalt gibt. Neun ist die Zahl der Sphären, und neun ist die Zahl der Intelligenzen241, die, unterhalb der absoluten Einheit, in einem ständigen Kreislauf des Aufund Abstiegs sich bewegen: wechselseitige und ewige Umwälzung – »revoluzione […] vicissitudinale e sempiterna« (34) – ist ihr Gesetz. Neun ist die Zahl der Jünglinge, die, rivalisierend, der göttlichen Schönheit »im Schatten und auf der Spur« ansichtig werden, erblinden und auf vielen Wegen und nach langer Zeit im hellsten Licht sich wiederfinden242: »Là s’intendeno illuminati da la vista de l’oggetto, in cui concorre il ternario delle perfezioni, che sono beltà, sapienza e verità Der (Unter-)Titel – Argomento et allegoria del quinto dialogo (30) – trägt einmal mehr zur Klärung des brunianischen Verständnisses von Allegorie bei: Es ist eine Erklärung, Erläuterung, die sich einer Sprache bedient, die nicht figürlich, bildlich und damit auch nicht philosophisch im engeren Sinne ist. 240  Allerdings wird man nicht mit Nuccio Ordine (in: Giordano Bruno: Opere italiane I–II, Torino 2002 u. ö., Bd. 2, S. 508, Anm. 65) so weit gehen wollen, den Kommentar zum letzten Dialog der Eroici furori als »l’apice e il vero e proprio epilogo dell’opera« zu qualifizieren. Dieses Prädikat kommt dem Dialog selbst zu, und dies allein seiner spezifischen Figuralität. 241  Furori, Argomento (30): »[…] atteso che secondo la volgare imaginazione delle nove sfere, mostrano il numero, ordine e diversità de tutte le cose che sono subsistenti infra unità absoluta, nelle quali e sopra le quali tutte sono ordinate le proprie intelligenze […].« 242  Furori, Argomento (34): »[…] da qua si prende la raggione e discorso della cecità e luce di questi nove, or vedenti, or ciechi, or illuminati; quali son 239 



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[…]«243 (36) Und neun ist die Zahl der Musen, die mit den Intelligenzen gleichgesetzt sind: Im Einklang mit den neun Sphären stimmen sie einen Gesang an und begleiten ihn mit je einem anderen Musikinstrument. Die genaue Beschreibung der neun Strophen und die Erklärung der Bedeutung, die ihnen eignet, der Funktion, die sie für die Eroici furori erfüllen, sind ein Spiegel der nolana filosofia, die insbesondere in De la causa, De l’infinito und in den Eroici furori formuliert ist und die ihre Ästhetisierung in dem Text selbst hat, der sie poietisch reflektiert. An keiner anderen Stelle im Argomento findet sich eine vergleichbar ausführliche Erläuterung – es lohnt, sie zu zitieren: Qua è conseguente il canto e suono, dove son nove intelligenze, nove muse, secondo l’ordine de nove sfere; dove prima si contempla l’armonia di ciascuna, che è continuata con l’armonia de l’altra; perché il fine et ultimo della superiore è principio e capo dell’inferiore, perché non sia mezzo e vacuo tra l’una et altra: e l’ultimo de l’ultima per via de circolazione concorre con il principio della prima. Perché medesimo è più chiaro e più occolto, principio e fine, altissima luce e profondissimo abisso, infinita potenza et infinito atto, secondo le raggioni e modi esplicati da noi in altri luoghi. Appresso si contempla l’armonia e consonanza de tutte le sfere, intelligenze, muse et instrumenti insieme; dove il cielo, il moto de’ mondi, l’opre della natura, il discorso de gl’intelletti, la contemplazion della mente, il decreto della divina providenza, tutti d’accordo celebrano l’alta e magnifica vicissitudine che agguaglia l’acqui inferiori alle superiori, cangia la notte col giorno, et il giorno con la notte, a fin che la divinità sia in tutto, nel modo con cui tutto è capace di tutto, e l’infinita bontà infinitamente si communiche secondo tutta la capacità de le cose. (36/38)

rivali ora nell’ombre e vestigii della divina beltade, or sono al tutto orbi, ora nella più aperta luce pacificamente si godeno.« 243 Canone: Le ›due luci‹ (2003), S. 306f., Anm. 65: »[…] molte altre volte nel testo Bruno parla di bellezza, bontà e verità come sommi attribuiti divini; d’altronde, ›bontà‹ viene a riferirsi a Minerva/Sapienza (›lo spirito di Dio‹) come pure a Giunone e a Venere.«

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Der instrumental begleitete Gesang der neun Intelligenzen partizipiert an der Sphärenharmonie: Neun Strophen – Sechszeiler244 – gehen formal auseinander hervor, indem jeweils die letzte Zeile einer Strophe von der ersten Zeile der nachfolgenden Strophe wiederholt wird und die allerletzte Zeile der neunten Strophe die erste Zeile der ersten Strophe wieder aufnimmt. Der moto metafisico hat sein Anschauungsbild gefunden, ist zum moto poietico geworden: Die unendliche Bewegung findet ihre Vollendung, und die Vollendung ist eine unendliche Bewegung, verweist doch das Ende auf den Anfang und vera vice. Vollendung ist nur unter der Bedingung des beständigen Wechsels, des Widerstreits und des Zusammenfalls der Gegensätze möglich; wenn sie Wirklichkeit würde, wäre sie weder erfahrbar noch darstellbar, denn die Wirklichkeit der Vollendung ist das Eine, Absolute.245 Die neun Intelligenzen treten im Dialogteil als die neun Blinden auf: Sie haben ihr einst verlorenes Licht zurückerhalten und zugleich ein neues gefun244 

Bruno spricht von Sestinen und meint damit die Strophenform, nicht die Gedichtform: »Dopo che ciascuno […] ebbe cantata la sua sestina […].« Furori II,5 (394). 245  Friedrich Schlegel wird auf dem Felde der Kunst und der Dichtung das Endliche und das Unendliche in einer Vollendung im Unendlichen zu versöhnen suchen. Demnach intendiert die romantische Dichtung die Vollkommenheit der antiken Poesie in einer unendlichen Progression einzuholen im unendlich Objektiven, gewinnt die romantische Poesie unter der Bedingung der unendlichen Perfektibilität die Vollkommenheit der Vergangenheit für die Moderne wieder. Friedrich Schlegels Reflexionen über die antike Poesie und ihr Verhältnis zur modernen Dichtkunst, wie er sie insbesondere in seinem großen Essay Über das Studium der Griechischen Poesie (1797) formuliert hat, sind für das Unendlichkeitskonzept der Epoche der Romantik und darüber hinaus der Moderne basal. Einheit, Ganzheit, Vollkommenheit, Schönheit, Objektivität sind die Charakteristika der ›natürlichen Bildung‹ der Antike; sie sind das Ideal, das höchste und unerreichbare Ziel, auf das hin die ›künstliche Bildung‹ der Moderne in einer unendlichen Progression fortschreitet, ohne es je erreichen zu können und erreichen zu wollen. Ohne daß von einem ›Einfluß‹ der brunianischen Konzeption der Unendlichkeit und der als unendliches Streben konstellierten heroischen Leidenschaften auf das romantische Theorem der unendlichen Progression ausgegangen werden kann, ist die Analogie bei allen Differenzen im einzelnen offensichtlich.



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den – zwei Lichter sind ihnen fortan zu eigen. Mit dem neuen Licht vermögen sie »das Abbild des höchsten Gutes auf Erden«246 zu sehen – nicht mit dem Sinn der Augen, sondern mit dem Intellekt des Geistes. Eine Illuminatio hat stattgefunden – ausgelöst durch das Gefäß, das »sich plötzlich wie von selbst«247 öffnete. Als »furiosi debaccanti« bilden sie einen Kreis – »in ordine di ruota« – und stimmen ihren Gesang an, spielen auf den Instrumenten und tanzen schließlich im Reigen. Die Inszenierung des instrumental begleiteten und tanzend aufgeführten Gesangs der neun Blinden folgt deutlich der Inszenierung des Choros, des Chorreigens, wie ihn Platon insbesondere in den Gesetzen, den Nomoi, evoziert248. Und doch nimmt Bruno eine keineswegs minime Veränderung vor: Platons Metaphysik ist in die Immanenz gewendet – nicht ohne daß der Schatten und die Spur des Metaphysischen mitgeführt würden. Die Interdependenz platonischer Ontologie und brunianischer Kosmologie ist daher das Thema des letzten Poems, der Canzone de gl’illuminati – sie wird im Bild des Jupiter und des Oceanus veranschaulicht. Kühn ist der Auftakt – er nimmt Goethes Prometheus, Gedicht und mythische Figur, voraus: »Non oltre invidio, o Giove, al firmamento,« dice il padre Oceàn col ciglio altero, »se tanto son contento per quel che godo nel proprio impero«. (394)

An kaum einer anderen Stelle wird deutlicher, daß dem ›Reich‹ der Immanenz als dem explikativen Universum in seiner unendlichen, Furori II,5 (388): »[…] l’una della ricovrata già persa luce, l’altra della nuovamente discuoperta, che sola possea mostrargli l’imagine del sommo bene in terra?« 247  Furori II,5 (388): »[…] come spontaneamente, s’aperse da se stesso.« – Einmal mehr werden die Bilder, mit denen Gleiches – hier die conversio – zur Vorstellung gebracht wird, neu entworfen. Dabei ist zu sehen, daß die conversio der Figur des Aktaion sich beim Anblick der Diana ereignet, für die Blinden hingegen erst die Öffnung des Gefäßes den Anblick des ›höchsten Gutes‹ im Abbild ermöglicht. 248 Platon, Nomoi 664b1–671a1; insbesondere 664b1–665a6. 246 

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unerschöpflichen Vielheit letztlich der Vorzug gegeben wird vor dem ›Reich‹ der Transzendenz als dem komplikativen Einen, Absoluten, Unendlichen. So ist es Jupiter, dem zu hoffen bleibt, daß seine »Schätze« wenigstens denen des Oceanus ebenbürtig seien: Giove responde: »O dio d’ondosi mari, ch’altro si trove più di me beato non lo permetta il fato; ma miei tesori e tuoi corrano al pari. (396)

Die »Schätze«, in denen beide wetteifern, sind die »Schätze« der klassischen Metaphysik und der neuen Kosmologie, der nolana filosofia. Es ist letztere, die obsiegen wird.



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III Conclusio Die Eroici furori sind nicht nur ein philosophischer Text; sie sind ein Text, der die in ihm verhandelte Philosophie aisthetisch hervorbringt, buchstäblich in (Sprach-)Bildern veranschaulicht als Ausdruck eines Ingeniums, das seine schöpferische Kraft einem komplexen Widerspiel von Reflexivität und Spontaneität verdankt: Indem es am über das Universum vermittelten Einen partizipiert, vermag es selbst produktiv zu werden, gewinnt es seine ihm eigene Kreativität. Das unerhört Neue der Eroici furori, ihrer tessitura und ineins ihrer Philosophie, ist ihre Poiesis. Bruno selbst hat in jenem vielzitierten, doch in seiner ganzen philosophisch-ästhetischen Tragweite wohl noch nicht recht eingeschätzten Satz, daß die Philosophen Maler und Dichter seien, die Dichter Maler und Philosophen und die Maler Dichter und Philosophen, daß im ganzen der Philosoph gestaltet und malt249, die Spur zum Verständnis insbesondere der Poiesis der Eroici furori gelegt: Sie führt zurück zu Cusanus. Denn es war Cusanus, der unter anderem in Idiota de mente die – freilich einzuschränkende – Analogie zwischen Gott, dem Schöpfer, seiner Schöpfungskunst, der ars Dei, und seinem Geschöpf, dem Menschen, in der Metaphorik des Malers, der Malkunst und des Gemäldes veranschaulichte. Als imago Dei vermag es der Mensch seinerseits, dank seiner Vernunft (intellectus) und seines Geistes (mens) in Analogie zur Schöpfungskunst Gottes als der »ars absoluta« selbsttätig zu schaffen, selbst zu malen250:

249 

Um jenen bereits auf S. VIII zitierten Satz noch einmal aufzunehmen: »[…] philosophi sunt quodammodo pictores atque poëtae, poëtae pictores et philosophi, pictores philosophi et poëtae […] non est enim philosophus, nisi qui fingit et pingit.« Explicatio triginta sigillorum, in: Opera latine conscripta, ed. F. Fiorentino et al., 3 Bde., Neapoli/Florentiae 1879–91; ND Stuttgart 1962, II/2, S. 133, Z. 20–24. 250  Siehe hierzu Leinkauf: Nicolaus Cusanus (2006), S. 207 et passim; ders.: Ut philosophia pictura (2010). Darüber hinaus insbesondere van Velthoven: Gottesschau und menschliche Kreativität (1977) sowie einzelne Beiträge in Bocken/ Schwaetzer (Hgg.): Spiegel und Porträt (2005).

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Nosti mentem nostram vim quandam esse habens imaginem artis divinae iam dictae. Unde omnia, quae absolutae arti verissime insunt, menti nostrae vere ut imagini insunt.251

Der Geist des Menschen realisiert diese ihm eigene Fähigkeit, wofern das Denken die Bedingungen seines Denkens mitbedenkt: Das unentfaltete Sein Gottes in seiner absoluten Unendlichkeit ist dem menschlichen Geist nurmehr in der begrenzten Unendlichkeit seiner Entfaltung ›einsehbar‹ – mit der Folge, daß das ›Denken des Einen‹ immer unabgeschlossen bleibt, prozessual und dynamisch ist. Gleichwohl hat das Denken selbst eine unendliche Kraft, eignet ihm ein unendliches Potential derart, daß in ihm das Unendliche im Endlichen aufscheint, ja präsent ist. Solcherart ist der denkende Geist des Menschen eine imago viva Gottes.252 Das Gemälde – um zur Metaphorik des Malens zurückzukommen –, das der menschliche Geist in Analogie zur göttlichen Kunst schafft, gehört dem Bereich des Epistemisch-Anagogischen an. Aufgrund seines ontologischen Status verweigert es eine Realisierung in der Materie. Gleichwohl veranschaulicht Cusanus – und dies ist für unseren Zusammenhang von Interesse – die schöpferische Kraft des menschlichen Geistes durch die Malkunst in einer Weise, die zugleich die Möglichkeiten der wirklichen Malkunst und des Gemäldes mitreflektiert. So vergleicht Cusanus in De mente das vollkommene Bild des Geistes mit einem vollkommenen realen Bild: […] quia imago numquam quantumcumque perfecta, si perfectior et conformior esse nequit exemplari, adeo perfecta est sicut quaecumque imperfecta imago, quae potentiam habet se semper plus et plus sine limitatione inaccessibili exemplari conformandi – in hoc enim infiniNikolaus von Kues: De mente c. 13, n. 148, in: Philosophisch-theologische Werke I–IV, lat.-dt., Bd. 2, Hamburg 2002, S. 112. (Übersetzung, ebd., S. 113: »Du weißt, daß unser Geist eine gewisse Kraft ist, die das Bild der genannten göttlichen Kunst darstellt. Daher ist alles, was in der absoluten Kunst in voller Wahrheit enthalten ist, in unserem Geist als dem Bild wahr enthalten.«) 252  Vgl. dazu Leinkauf: Ut philosophia pictura (2010) und von Bredow: Der Geist als lebendiges Bild Gottes (mens viva dei imago) (1978). 251 



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tatem imaginis modo quo potest imitatur, quasi si pictor duas imagines faceret, quarum una mortua videretur actu sibi similior, alia autem minus similis viva, scilicet talis, quae se ipsam ex obiecto eius ad motum incitata conformiorem semper facere posset, nemo haesitat secundam perfectiorem quasi artem pictoris magis imitantem – sic omnis mens, etiam et nostra, quamvis infra omnes sit creata, a deo habet, ut modo quo potest sit artis infinitae perfecta et viva imago.253

Demnach könnte auch ein wirkliches Bild, ein Porträt, allgemein ein Kunstwerk, das Potential des menschlichen, gottähnlichen Geistes, seines Ingeniums, aufscheinen lassen: nicht, indem es seinen Gegenstand möglichst getreu wiedergibt – dies wäre nach Cusanus eine imago mortua –, vielmehr indem es, »durch seinen Gegenstand in Bewegung gesetzt, sich selbst [sc. dem unerreichbaren Vorbild] immer gleichförmiger« macht und somit eine imago viva schafft, »ein vollkommenes und lebendiges Bild der unendlichen Kunst«. Das Gemälde spiegelte als imago viva den Prozeß seines Entstehens – und wäre zugleich künstlerische Manifestation dieses Prozesses, wäre dessen Bild. Und dennoch wird man daraus keineswegs schließen, Cusanus habe in der Metapher der Malkunst für die denkende Kraft des menschlichen Geistes auch die Malkunst selbst und ihre künstlerischen Verfahren in Rede von Kues: De mente c. 13, n. 149, in: Philosophisch-theologische Werke I–IV, lat.-dt., Bd. 2, Hamburg 2002, S. 112. Übersetzung, ebd., S. 113: »Wenn ein noch so vollkommenes Bild nicht vollkommener und seinem Vorbild ähnlicher sein kann, ist es niemals so vollkommen wie ein beliebiges unvollkommenes Bild, das das Vermögen hat, sich immer mehr und mehr ohne Begrenzung dem unerreichbaren Vorbild gleichzugestalten. Hierin ahmt es nämlich die Unendlichkeit in der Weise des Bildes, wie es kann, nach. Das ist so, wie wenn ein Maler zwei Bilder malte, von denen das eine, tote, ihm in Wirklichkeit ähnlicher schiene, das andere aber, das weniger ähnliche, lebendig wäre, nämlich ein solches, das, durch seinen Gegenstand in Bewegung gesetzt, sich selbst immer gleichförmiger machen könnte. Niemand zweifelt daran, daß das zweite vollkommener ist, weil es gleichsam die Malerkunst mehr nachahmt. So hat jeder Geist, auch der unsrige, obgleich er niedriger erschaffen ist als alle anderen, von Gott, daß er in der Weise, in der er kann, vollkommenes und lebendiges Bild der unendlichen Kunst ist.« 253  Nikolaus

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gebracht. Die Metapher der Malkunst254 dient der Veranschaulichung des Schöpfungsvorgangs und zugleich des Verhältnisses göttlicher und menschlicher (Ideen-)Erkenntnis255, im ganzen der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Dies wird noch einmal deutlich aus einem der späten Sermones des Cusaners – Anlaß war Allerheiligen256. Auch hier wird der Schöpfergott (Deus creator) mit einem Maler verglichen, die göttliche Schöpferkunst mit der Malkunst: Et considera consequenter quod pictor, dum vult aliquid depingere puta historiam aliquam, intuetur in conceptum rei pingendae et facit picturam ad similitudinem ideae, quam in se intuetur. Sed dum intellectus artem pingendi depingere institueret, tunc nihil quod pingi potest particulariter depingeret, quia non caelum, non terram, non animal, nec aliud visibile, sed intellectualem naturam, quae solum artis est capax, et artis pictoriae principia in ipsa imprimeretur, ut fieret imago formae artis pictoriae et species specierum omnium, quae sensibiliter possent depingi.257 254 

Unter anderem aus dieser Passage wird deutlich, daß der Begriff von ars nicht auf Malerei eingeschränkt ist; vielmehr bezeichnet er künstlerischkunstvolles Hervorbringen im allgemeinen. Dabei ist jedes Kunstwerk ein Bild nicht nur der kreativen Potenz des menschlichen Geistes, sondern der absoluten Potenz Gottes. 255  Siehe hierzu Leinkauf: Der Bild-Begriff bei Cusanus (2010). 256  Die Predigt wurde 1496 in Brixen gehalten. 257  Nicolai de Cusa: Sermo CCLI, n. 9, in: Opera omnia, Vol. XIX : Sermones IV, fasc. I: Sermones CCIV– CCXVI, Hamburgi: Meiner 2008, p. 324 f. (Übersetzung: »Und bedenke daher, daß der Maler, wenn er etwas malen will  – sagen wir irgendeine Geschichte –, auf den Begriff der zu malenden Sache schaut und sodann ein Bild malt, das der Idee, die er in sich erschaut, möglichst nahekommt (ähnlich wird). Wenn aber der Intellekt sich vornähme, die Malkunst (sc. in ihrem Vollzug) zu malen, dann würde er nicht (sc. alles) das, was gemalt werden kann, im einzelnen malen, also weder Himmel noch Erde noch ein Lebewesen noch etwas anderes Sichtbares, sondern (er würde) die intellektuale Natur (malen), die allein der Kunst fähig ist, und er würde die Prinzipien der Malkunst in sie einprägen, damit sie ein Bild der Form (Idee) der Bildkunst würde und die Gestalt aller Gestalten, die auf sinnliche Art und Weise gemalt werden könnten.«) Den Hinweis auf Sermo CCLI entnehme ich



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Die Malermetaphorik intendiert, eine Vorstellung zu geben von dem »in Gott wie Mensch gleichermaßen stattfindenden Prozeß der (künstlerischen) Umsetzung einer in mente konzipierten Idee«258. So ist der menschliche Geist das »Bild der universalen Kunst Gottes« (»imago universalis artis Dei«259). Und dennoch: Der Cusaner hat in diesem Bild, allgemein im Konzept des menschlichen Geistes als imago viva Dei durchaus absichtslos und ganz gegen seine eigene Lehre gleichwohl die Voraussetzungen geschaffen für eine metaphysisch begründete Ästhetik 260: in der Vorstellung, daß der menschliche Geist ein Maler ist, der, »wenn er etwas malen will […], auf den Begriff der zu malenden Sache schaut und sodann ein Bild malt, das der Idee, die er in sich erschaut, möglichst nahekommt«. Giordano Bruno mußte diese Vorstellung einer rein geistigen Kunst, mithin ungegenständ­ lichen Kunst nur aufnehmen, sie ›konkretisieren‹ und mit dem fast sein gesamtes Werk bestimmenden Theorem der Unendlichkeit grundieren, um eine unendliche Bewegung des menschlichen Geistes hin auf sein unerreichbares Vor-Bild (exemplar inaccessibile) proklamieren und in der tessitura der Eroici furori buchstäblich realisieren, in Bildern und Zeichen materialisieren zu können.261 Möglich wird die ästhetische Leinkauf: Ut philosophia pictura (2010), S. 54, Anm. 20. Weiterhin zu Sermo CCLI: Mandrella: Gott als Porträtmaler (2005). 258 Mandrella: Gott als Porträtmaler (2005), S. 139. 259  Nicolai de Cusa: Sermo CCLI, n. 10, 8, p. 325. 260  In diesem Sinne ist auch die Anmerkung Leinkaufs zu verstehen, Cusanus habe »in gewisser Weise auch die Grundrechtfertigung aller ungegenständ­ lichen Malerei schon antizipiert« (Leinkauf: Ut philosophia pictura [2010], S. 55). Denn die Kunst der Moderne ist tatsächlich über weite Teile ›platonisch‹, ohne dies eigens zu thematisieren oder sich dessen gar bewußt zu sein; und die Forschung übergeht diesen Sachverhalt. Siehe aber Maria Moog-Grünewald: Was ist Dichtung?, Heidelberg 2008. 261 Brunos Eroici furori geben dem Unendlichen als Raum ohne Grenzen Anschauung in einer Textur, die nicht sowohl das Unendliche figuriert, vielmehr geradezu hervortreibt. Das Konzept ›Raum‹, das insbesondere in den letzten beiden Dezennien die Literaturwissenschaft beherrscht, ist in den Eroici furori als Raumsemantik wie als Raumsemiotik aufs eindrücklichste realisiert. Zum Problem siehe Eckhard Lobsien: Literatur und Raumbegriff, in: Philosophische Rundschau 60 (2013), S. 157–174. Lobsien stellt fest: »Der Raum

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Realisation bzw. Materialisierung aufgrund der brunonischen Neubestimmung des Verhältnisses von Form und Materie. Denn die Vorstellung, daß die Materie die Möglichkeit jeglicher Form ist, die Form deren Möglichkeit verwirklicht, ist übertragbar auf die Sprache262: in ihrer zwar materiell überaus großen, doch keineswegs unendlichen Zahl an Wörtern ermöglicht sie gleichwohl aufgrund von unendlich vielen formalen Kombinationsmöglichkeiten unendliche Variationen von (Sprach-)Bildern und (Sprach-)Strukturen. In den Eroici furori werden diese unendlichen Variationen in ihren unendlichen Möglichkeiten herausgespielt – derart, daß die Möglichkeiten selbst schon eine Form des Aktes sind. So wäre denn der Satz des Cusaners auf den Nolaner und die Eroici furori in leichter Veränderung zu übertragen: daß nämlich die vollkommene Dichtung die unendliche Bewegung des in Bildern malenden Intellekts in der Weise der Dichtung, wie sie es kann, nachahmt. Damit sind die Eroici furori eine tessitura viva263 und ein vollkommenes Werk.264 Giulias Kommentar zu Laodomias Vortrag der Canzone de gl’illuminati kann daher Geltung für die Eroici furori insgesamt beanspruchen: »[…] non vi manca sentenza che possa appartener alla perfezzion del proposito; né rima che si richieda per compimento de le stanze.« (396) ist gewiß einer von den unzählbaren Gegenständen, die wir in der Literatur antreffen. Zu einem besonderen literarischen Gegenstand aber wird er, weil sich der literarische Text zu verräumlichen vermag« (S. 174), und er moniert, daß die Literaturwissenschaft einmal mehr ihren genuinen Gegenstand verfehlt: Semantik, nicht Semiotik ist im Fokus des Interesses. 262 Leinkauf: Einleitung (2007), lxxxiii [= BW III] spricht allgemein von der »methodische[n] kombinatorische[n] Flexibilität der Sprachstruktur«, die »es ermöglichen soll, auch auf der Seite der Explikation nicht hinter den Implikationen des ›Chaos‹ der unbestimmten Sprachmaterie zurückzubleiben, wobei alle Prozesse sich auf der semiologischen Grenzscheide zwischen Form und Gehalt bewegen […]«. 263  Dieser Möglichkeit freilich würde der Cusaner nicht zustimmen, doch genau hierin besteht die unerhörte Neuerung der nolana filosofia: Sie ermöglicht die Materialisierung, ja Ästhetisierung der ideae in signa und imagines. 264  Es ist ein eigenes Kapitel zu zeigen, inwiefern die in den Eroici furori ästhetisch gewordene Kosmologie Brunos die Ästhetik der Moderne ab etwa 1800 mitbegründet hat.

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GIOR DA NO BRU NO Nolano De gli eroici furori

Al molto illustre et eccellente cavalliero signor Filippo Sidneo



Parigi Appresso Antonio Baio l’Anno 1585



1

GIOR DA NO BRU NO Der Nolaner

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Von den heroischen Leidenschaften

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Dem hocherlauchten und vortrefflichen Edelmann Sir Philip Sidney zugeeignet

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Paris Bei Antonio Baio im Jahre 1585





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argomento del nolano sopr a gli eroici furori Scritto al molto illustre signor Filippo Sidneo

È cosa veramente, o generosissimo Cavalliero, da basso, bruto e sporco ingegno, d’essersi fatto constantemente studioso, et aver affisso un curioso pensiero circa o sopra la bellezza d’un corpo femenile. Che spettacolo (o Dio buono) più vile et ignobile può presentarsi ad un occhio di terso sentimento, che un uomo cogitabundo, afflitto, tormentato, triste, maninconioso: per dovenir or freddo, or caldo, or fervente, or tremante, or pallido, or rosso, or in mina di perplesso, or in atto di risoluto; un che spende il meglior intervallo di tempo, e gli più scelti frutti di sua vita corrente, destillando l’elixir del cervello con mettere in concetto, scritto, e sigillar in publichi monumenti, quelle continue torture, que’ gravi tormenti, que’ razionali discorsi, que’ faticosi pensieri, e quelli amarissimi studi destinati sotto la tirannide d’una indegna, imbecille, stolta e sozza sporcaria? ¦ Che tragicomedia? che atto, dico, degno più di compassione e riso può esserne ripresentato in questo teatro del mondo, in questa scena delle nostre | conscienze, che di tali e tanto numerosi suppositi fatti penserosi, contemplativi, constanti, fermi, fideli, amanti, coltori, adoratori e servi di cosa senza fede, priva d’ogni costanza, destituta d’ogni ingegno, vacua d’ogni merito, senza riconoscenza e gratitudine alcuna, dove non può capir più senso, intelletto e bontade, che trovarsi possa in una statua, o imagine depinta al muro? e dove è più superbia, arroganza, protervia, orgoglio, ira, sdegno, falsitade, libidine, avarizia, ingratitudine et altri crimi exiziali, che avessero possuto uscir veneni et instrumenti di morte dal vascello di Pandora, per aver pur troppo largo ricetto dentro il cervello di mostro tale? Ecco vergato in carte, rin-

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darlegung des nolaners zu den heroischen leidenschaften

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Gerichtet an den hocherlauchten Sir Philip Sidney

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Es zeugt, großmütigster Herr, in der Tat von einem niederen, groben und schmutzigen Geist, sein Streben unausgesetzt auf die Schönheit eines weiblichen Körpers zu richten und ihr einen forschenden Gedanken zu widmen. Welches Schauspiel, guter Gott, könnte sich einem Auge von reiner Gesinnung gemeiner und unedler darbieten als ein grüblerischer, leidender, gequälter, trauriger, melancholischer Mann; der bald kalt, bald heiß wird, bald glüht, bald zittert, erbleicht, errötet, der abwechselnd Verwirrung und Entschiedenheit zur Schau trägt; ein Mann, der seine beste Zeit und die erlesensten Früchte seines Lebens dazu benutzt, seine Gehirnflüssigkeit auszuschwitzen, um jene steten Peinigungen, schweren Qualen, grüblerischen Reden, ermüdenden Gedanken und überaus bitteren Mühen, die sämtlich unter der Tyran­nenherrschaft einer unwürdigen, schwachsinnigen, dummen und schmie­rigen Geilheit stehen, auf den Begriff zu bringen, aufzuschreiben und in öffentliche Denkmäler einzumeißeln? Welche Tragikomödie, welche Szene, sage ich, die mehr Mitleid und Gelächter verdiente, könnte uns auf diesem Welttheater, könnte auf dieser Bühne unseres Bewußtseins aufgeführt werden, als das Schauspiel jener so zahlreichen Individuen, die nachdenklich, tiefsinnig, beständig, standhaft und treu werden, zu Liebhabern, Verehrern, Bewunderern und Sklaven gegenüber einem Gegenstand ohne Verlaß, ohne jede Beständigkeit, allen Geistes bar, frei von jedem Verdienst, der niemals Anerkennung oder Dankbarkeit zollt, an dem man nicht mehr Gefühl, Vernunft und Güte feststellen kann, als sich in einer Statue oder einem Wandbild finden läßt? In dem aber mehr Hochmut, Unverschämtheit, Vermessenheit, Stolz, Zorn, Verachtung, Falschheit, Wol­ lust, Habgier, Undankbarkeit und andere Todsünden stecken, als an Giften und Mordwaffen der Büchse der Pandora je hätten entweichen können, die im Hirn eines solchen Untiers jedoch allzu leicht Platz fin-

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argomento sopra gli eroici furori

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chiuso in libri, messo avanti gli occhi, et intonato a gli orecchi un rumore, un strepito, un fracasso d’insegne, d’imprese, de motti, d’epistole, de sonetti, d’epigrammi, de ¦ libri, de prolissi scartafazzi, de sudori estremi, de vite consumate, con strida ch’assordiscon gli astri, lamenti che fanno ribombar gli antri infernali, doglie che fanno stupefar l’anime viventi, suspiri da far exinanire e compatir gli dèi, per quegli occhi, per quelle guance, per quel busto, per quel bianco, per quel vermiglio, per quella lingua, per quel dente, per quel labro, quel crine, quella veste, quel manto, quel guanto, quella scarpetta, quella pianella, quella parsimonia, quel risetto, quel sdegnosetto, quella vedova fenestra, quell’eclissato sole, quel martello; quel schifo, quel puzzo, quel sepolcro, quel cesso, quel mestruo, quella carogna, quella febre quartana, quella estrema ingiuria e torto di natura: che con una superficie, un’ombra, un fantasma, un sogno, un circeo incantesimo ordinato al serviggio della generazione, ne inganna in specie di | bellezza. La quale insieme insieme viene e passa, ¦ nasce e muore, fiorisce e marcisce; et è bella cossì un pochettino a l’esterno, che nel suo intrinseco vera e stabilmente è contenuto un navilio, una bottega, una dogana, un mercato de quante sporcarie, tossichi e veneni abbia possuti produre la nostra madrigna natura; la quale dopo aver riscosso quel seme di cui la si serva, ne viene sovente a pagar d’un lezzo, d’un pentimento, d’una tristizia, d’una fiacchezza, d’un dolor di capo, d’una lassitudine, d’altri et altri malanni che son manifesti a tutto il mondo; a fin che amaramente dolga, dove suavemente proriva. Ma che fo io? che penso? son forse nemico della generazione? ho forse in odio il sole? Rincrescemi forse il mio et altrui essere messo al mondo? Voglio forse ridur gli uomini a non raccòrre quel più dolce pomo che può produr l’orto del nostro terrestre paradiso? Son forse io per impedir l’instituto santo della natura? Debbo tentare di suttrarmi io o altro dal dolce amaro giogo che n’ha messo al collo la divina pro-

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darlegung zu den heroischen leidenschaften 7

den? Seht also nun zu Papier gebracht, in Bücher eingeschlossen, vor Augen gestellt und vor den Ohren zum Tönen gebracht: einen Lärm, ein Getöse, einen Donnerhall von Sinnbildern, Impresen, Motti, Briefen, Sonetten, Epigrammen, Büchern, von überquellenden Kladden, von Todesschweiß und von verbrauchtem Leben, aus denen sich Schreie erheben, welche die Sterne ertauben lassen, Klagen, die in den Höhlen der Unterwelt widerhallen, Schmerzen, vor denen die Seelen der Lebenden erstarren, Seufzer, welche die Götter vor Mitleid vergehen lassen; all dies für jene Augen, jene Wangen, jenen Busen, jenes Weiß, jenes Korallenrot, jene Zunge, jene Zähne, jene Lippe, jene Locke, jenes Gewand, jenen Mantel, jenen Handschuh, jenes Schühchen, jenen Pantoffel, jene Zurückhaltung, jenes Lächeln, jene gewisse Verachtung, jenes verwaiste Fenster, jene verfinsterte Sonne, jene bohrende Qual, für jenen Ekel, jenen Gestank, jenes Grab, jenen Abort, jene Monatsblutung, jenen Kadaver, jene Malaria, jene gewaltige Ungerechtigkeit und Betrügerei der Natur, die mit einer Äußerlichkeit, einem Schatten, einem Phantasiegebilde, einem Traum, einem Zauberbann der Circe, der nur der Fortpflanzung dient, uns durch die Erscheinung von Schönheit verführt. Diese Schönheit kommt und vergeht, wird geboren und stirbt, blüht und verwelkt im gleichen Augenblick. Und so ist äußerlich eine kleine Weile schön, was innerlich wahr- und dauerhaft ein Frachtschiff, einen Krämerladen, ein Lagerhaus, einen Marktplatz voll an Schmutz, Schadstoff und Gift birgt, so viel, wie unsere stiefmütterliche Natur nur eben hervorbringen konnte. Wenn sie jenen Samen eingesammelt hat, den man ihr darbringt, zahlt sie uns dafür oft nur mit Gestank, Reue, Traurigkeit, Schwäche, Kopfschmerz, Müdigkeit und vielen weiteren Übeln, die der ganzen Welt bekannt sind, so daß am Ende bitter schmerzt, wo es erst süß gekitzelt hatte. Aber was tue ich? Was denke ich? Bin ich vielleicht ein Feind der Fortpflanzung? Hasse ich vielleicht die Sonne? Dauert mich vielleicht, daß ich und andere in die Welt gesetzt wurden? Will ich vielleicht die Menschen davon abbringen, von jenem süßesten Apfel zu kosten, den der Garten unseres irdischen Paradieses hervorbringen kann? Ist es vielleicht meine Aufgabe, der heiligen Einrichtung der Natur hinderlich zu sein? Soll ich etwa versuchen, mich oder andere dem bittersüßen Joch zu entziehen, das uns die göttliche Vorsehung auf den Nacken

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argomento sopra gli eroici furori

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videnza? Ho forse da persuader a me et ad altri, che gli nostri predecessori sieno nati per noi, e noi non siamo nati per gli nostri successori? Non voglia, non voglia Dio che questo giamai abbia possuto cadermi nel pensiero. Anzi aggiongo che per quanti regni e beatitudini mi s’abbiano possuti proporre e nominare, mai fui tanto savio o buono che mi potesse venir voglia de castrarmi o dovenir eunuco. Anzi mi vergo ¦ gnarei se cossì come mi trovo in apparenza, volesse cedere pur un pelo a qualsivoglia che mangia degnamente il pane per servire alla natura e Dio benedetto. E se alla buona volontà soccorrer possano o soccorrano gl’instrumenti e gli lavori, lo | lascio considerar solo a chi ne può far giudicio e donar sentenza. Io non credo d’esser legato: perché son certo che non bastarebbono tutte le stringhe e tutti gli lacci che abbian saputo e sappian mai intessere et annodare quanti furo e sono stringari e lacciaiuoli (non so se posso dir) se fusse con essi la morte istessa, che volessero maleficiarmi. Né credo d’esser freddo, se a refrigerar il mio caldo non penso che bastarebbono le nevi del monte Caucaso o Rifeo. Or vedete dumque se è la raggione o qualche difetto che mi fa parlare. Che dumque voglio dire? che voglio conchiudere? che voglio determinare? Quel che voglio conchiudere e dire, o Cavalliero illustre, è che quel ch’è di Cesare sia donato a Cesare, e quel ch’è de Dio sia renduto a Dio. Voglio dire che a le donne, benché talvolta non bastino gli onori et ossequii divini, non perciò se gli denno onori et ossequii divini. Voglio che le donne siano cossì onorate et amate, come denno essere amate et onorate le donne; per tal causa dico, e per tanto, per quanto si deve a quel poco, a quel tempo e quella occasione, se non hanno altra virtù che naturale, cioè di quella bellezza, di quel splendore, di quel serviggio: senza il quale denno esser stimate più vanamente nate al mondo che un morboso fungo, qual con pregiudicio de meglior piante occupa la terra;

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darlegung zu den heroischen leidenschaften 9

gelegt hat? Habe ich vielleicht mich oder andere davon zu überzeugen, daß unsere Vorfahren für uns geboren sind, wir aber nicht für unsere Nachkommen? Gott behüte, behüte Gott, daß mir dies je in den Sinn gekommen sein könnte! Im Gegenteil will ich anfügen, daß um alle Macht und Glückseligkeit der Welt, die man mir dafür hätte anbieten und nennen können, ich niemals so weise oder gut war, daß mich der Wunsch angewandelt hätte, mich zu kastrieren oder zum Eunuchen zu werden. Vielmehr würde ich mich schämen, wenn ich mit allem, was zu meiner äußeren Erscheinung gehört, hinter irgendeinem anderen, der auf ehrbare Weise sein Brot ißt, auch nur im geringsten zurückstehen wollte, um der Natur und dem gesegneten Gott zu dienen. Und ob diesen guten Willen bestimmte Hilfsmittel und Taten unterstützen können und unterstützen, lasse ich allein den entscheiden, der darüber richten und ein Urteil abgeben kann. Ich fühle mich durch nichts gebunden, da ich sicher bin, daß alle Stricke und Bänder, die je vergangene und gegenwärtige Strick- und Bänderverkäufer zu verknüpfen und zu verknoten gewußt haben und immer noch wissen, nicht dazu ausreichten, selbst wenn (ich weiß nicht, ob ich es aussprechen darf) der Tod selbst mit denen wäre, die mir übelwollen. Ich halte mich auch nicht für kalt, denn um meine Hitze zu kühlen, reichte der Schnee des Kaukasus oder des Ripheus wohl nicht aus. Nun seht also, ob mir der Verstand diese Worte eingibt oder irgendeine Unzulänglichkeit. Was also will ich sagen? Worauf will ich hinaus? Was feststellen? Das, was ich folgern und feststellen will, erlauchter Ritter, ist: man gebe dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist. Ich will sagen, daß den Frauen, obgleich göttliche Ehren und Huldigungen ihnen manchmal nicht genug sind, nicht deshalb schon göttliche Ehren und Huldigungen gebühren. Ich will, daß die Frauen so geehrt und geliebt werden, wie Frauen geehrt und geliebt werden müssen: aus dem Grund, meine ich, und in dem Maße, wie es der Kleinigkeit, der Zeitspanne und der Gelegenheit gebührt, die und zu der sie beitragen, wenn sie keine andere als die naturgegebene Tugend besitzen, das heißt die Tugend jener Schönheit, jenes Glanzes und jener Bestimmung, ohne die man denken müßte, sie seien noch unnötiger entstanden als ein giftiger Pilz, der zum Schaden für bessere Pflanzen die Erde bedeckt, und sie

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argomento sopra gli eroici furori

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e più ¦ noiosamente che qualsivoglia napello o vipera che caccia il capo fuor di quella. Voglio dire che tutte le cose de l’universo, perché possano aver fermezza e consistenza, hanno gli suoi pondi, numeri, ordini e misure, a fin che siano dispensate e governate con ogni giustizia e raggione. Là onde Sileno, Bacco, Pomona, Vertunno, | il dio di Lampsaco, et altri simili che son dèi da tinello, da cervosa forte e vino rinversato, come non siedeno in cielo a bever nettare e gustar ambrosia nella mensa di Giove, Saturno, Pallade, Febo et altri simili: cossì gli lor fani, tempii, sacrificii e culti denno essere differenti da quelli de costoro. Voglio finalmente dire che questi furori eroici ottegnono suggetto et oggetto eroico: e però non ponno più cadere in stima d’amori volgari e naturaleschi, che veder si possano delfini su gli alberi de le selve, e porci cinghiali sotto gli marini scogli. Però per liberare tutti da tal suspizione, avevo pensato prima di donar a questo libro un titolo simile a quello di Salomone, il quale sotto la scorza d’amori et affetti ordinarii, contiene similmente divini et eroici furori, come interpretano gli mistici e cabalisti dottori: volevo (per dirla) chiamarlo Cantica. Ma per più caggioni mi sono astenuto al fine: de le quali ne voglio referir due sole. L’una per il timor ch’ho conceputo dal rigoroso supercilio de certi farisei, che cossì mi stimarebono profano per usurpar in mio naturale e fisico discorso titoli sacri e sopranaturali; come essi sceleratissimi e ministri d’ogni ribaldaria si usurpano più ¦ altamente che dir si possa gli titoli de sacri, de santi, de divini oratori, de figli de Dio, de sacerdoti, de regi: stante che stiamo aspettando quel giudicio divino che farà manifesta la lor maligna ignoranza et altrui dottrina, la nostra simplice libertà e l’altrui maliciose regole, censure et instituzioni. L’altra per la grande dissimilitudine che si vede fra il volto di questa opra e quella, quantumque medesimo misterio e sustanza d’anima sia compreso sotto

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störten mehr als irgendeine Giftpflanze oder Viper, die ihren Kopf aus dem Erdboden reckt. Ich will sagen, daß alle Dinge des Universums, um Festigkeit und Bestand haben zu können, Gewicht, Zahl, Ordnung und Maß, die ihnen eigen sind, besitzen, damit sie mit aller Gerechtigkeit und allem Verstand eingeteilt und gelenkt werden können. Wie daher Silen, Bacchus, Pomona, Vertumnus, der Gott von Lampsakos und ähnliche, die ebenfalls niedere Götter der Küche, des starken Bieres und des umgekippten Weines sind, nicht im Himmel sitzen, um am Tische des Jupiter, des Saturn, der Pallas, des Phoebus und deren Gefährten Nektar zu trinken und Ambrosia zu kosten, so sollen ihre heiligen Stätten, Tempel, Opfer- und Weihehandlungen von denen jener verschieden sein. Endlich will ich sagen, daß jene heroischen Leidenschaften sowohl ein heroisches Subjekt als auch ein heroisches Objekt haben, und deshalb können sie ebensowenig für gemeine und triebhafte Liebe gehalten werden, wie man Delphine auf den Bäumen der Wälder und Wildschweine unter den Klippen der Meere sehen kann. Um alle von einem solchen Verdacht zu befreien, hatte ich deshalb zuerst daran gedacht, diesem Buch einen ähnlichen Titel zu geben, wie ihn das Buch des Salomo trägt, das unter der Schale gewöhnlicher Liebe und Gefühle auf vergleichbare Weise den Kern göttlicher und heroischer Leidenschaften enthält, so wie es die mystischen und kabbalistischen Gelehrten deuten. Ich wollte es, gestehe ich, Hohelied nennen. Aber aus mehreren Gründen habe ich letztlich Abstand davon genommen; ich will nur zwei von ihnen nennen: Erstens aus Furcht, die mich vor der streng gerunzelten Stirn gewisser Pharisäer gepackt hat, die mich aufgrund der Anmaßung, meiner Abhandlung über natürliche und physikalische Dinge einen heiligen und übernatürlichen Titel zu geben, für gotteslästerlich halten würden, während sie selbst, erzverbrecherisch und jeder Schurkerei zu Diensten, sich weit mehr, als man sagen kann, die Bezeichnungen von Geweihten, Heiligen, Propheten, Gottessöhnen, Priestern und Königen anmaßen. Wir harren also jenes göttlichen Urteils, das ihre böswillige Ignoranz und unser Wissen, unsere schlichte Freiheit und ihre bösartigen Vorschriften, Eingriffe und Kontroll­ instanzen aufdecken wird. Zweitens wegen der großen Verschiedenheit, die man im Äußeren dieses und jenes Werks sieht, obwohl das-

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l’ombra dell’una e l’altra: stante che là nessuno | dubita che il primo instituto del sapiente fusse più tosto di figurar cose divine che di presentar altro; perché ivi le figure sono aperta e manifestamente figure, et il senso metaforico è conosciuto di sorte che non può esser negato per metaforico: dove odi quelli occhi di colombe, quel collo di torre, quella lingua di latte, quella fragranzia d’incenso, que’ denti che paiono greggi de pecore che descendono dal lavatoio, que’ capelli che sembrano le capre che vegnono giù da la montagna di Galaad. Ma in questo poema non si scorge volto che cossì al vivo ti spinga a cercar latente et occolto sentimento: atteso che per l’ordinario modo di parlare e de similitudini più accomodate a gli sensi communi, che ordinariamente fanno gli accorti amanti, e soglion mettere in versi e rime gli usati poeti, son simili a i sentimenti de coloro che parlarono a Citereida, a Licori, a Dori, a Cinzia, a Lesbia, a Corinna, a Laura et altre simili: onde facilmente ogn’uno ¦ potrebbe esser persuaso che la fondamentale e prima intenzion mia sia stata addirizzata da ordinario amore che m’abbia dettati concetti tali; il quale appresso per forza de sdegno s’abbia improntate l’ali e dovenuto eroico; come è possibile di convertir qualsivoglia fola, romanzo, sogno e profetico enigma, e transferirle in virtù di metafora e pretesto d’allegoria a significar tutto quello che piace a chi più comodamente è atto a stiracchiar gli sentimenti: e far cossì tutto di tutto, come tutto essere in tutto disse il profondo Anaxagora. Ma pensi chi vuol quel che gli pare e piace, ch’alfine o voglia o non, per giustizia la deve ognuno intendere e definire come l’intendo e definisco io, non io come l’intende e definisce lui: perché come gli furori di | quel sapiente Ebreo hanno gli proprii modi ordini e titolo che nessuno ha possuto intendere e potrebbe meglio dechiarar che lui se fusse presente; cossì questi Cantici hanno il proprio titolo ordine e modo che nessun può

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selbe Geheimnis und dieselbe Substanz des Seelischen unter dem Schatten des einen wie des anderen verborgen ist. An jenem Werk nämlich zweifelt niemand, daß es die erste Absicht des Weisen war, eher göttliche Dinge in Bilder zu fassen als irgend etwas anderes zu schildern, denn dort sind die Bilder offen und deutlich Bilder, und der metaphorische Sinn ist auf eine Weise kenntlich, daß er nicht als solcher geleugnet werden kann – etwa, wo du von Augen hörst, die Tauben sind, von einem Hals wie einem Turm, von einer Milch-Zunge, von einem Weihrauchgeruch, von Zähnen, die Schafherden gleichen, die von der Schwemme zurückkehren, von Haaren, die Ziegen scheinen, welche aus dem Gebirge von Gilead herabziehen. In der hier nun vorliegenden Dichtung findet sich hingegen kein Bild, das dich so lebhaft dazu triebe, einen verborgenen und versteckten Sinn zu suchen. Denn aufgrund der herkömmlichen Sprechweise und Vergleiche, die eher den gewöhnlichen Gefühlen angepaßt sind, jenen, die üblicherweise einen aufmerksamen Liebhaber ausmachen und gemeinhin von den erfahrenen Dichtern in Reime und Verse gebracht werden, ähnelt der hier gemeinte Sinn den Empfindungen derer, die zu Cytheris oder Lycoris, Doris, Cynthia, Lesbia, Corinna, Laura und anderen sprachen. Deshalb könnte ein jeder leicht der Ansicht verfallen, daß meiner maßgebenden und ersten Absicht eine gewöhnliche Liebe die Richtung gewiesen und die entsprechenden Begriffe diktiert hätte. Diese Liebe habe sich dann aus Verachtung Flügel geborgt und sei heroisch geworden. So ist es ja möglich, jedes beliebige Märchen, jede Erzählung, jeden Traum und jeden Prophetenspruch zu verwandeln und als Metapher und unter dem Vorwand der Allegorie umzudeuten, so daß er all das bedeutet, was dem nur gefällt, der am geschicktesten eine Interpretation an den Haaren herbeizuziehen versteht. Und so kann alles aus allem gemacht werden, wie, dem tiefsinnigen Anaxagoras zufolge, alles in allem enthalten ist. Aber mag jeder denken, wie es ihm scheint und gefällt, da schließlich doch jeder, ob er will oder nicht, diese Dichtung gerechterweise so verstehen und bestimmen muß, wie ich sie verstehe und bestimme, nicht ich, wie er sie versteht und bestimmt: denn wie die Leidenschaften jenes weisen Juden ihre eigenen Verfahren, Ordnungen und Titel haben, die niemand besser verstehen konnte und erklären könnte als er, wenn er zugegen wäre, so haben auch diese Lieder

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meglio dechiarar et intendere che io medesimo quando non sono absente. D’una cosa voglio che sia certo il mondo: che quello per il che io mi essagito in questo proemiale argomento, dove singularmente parlo a voi eccellente Signore, e ne gli Dialogi formati sopra gli seguenti articoli, sonetti e stanze, è ch’io voglio ch’ogn’un sappia ch’io mi stimarei molto vituperoso e bestialaccio, se con molto pensiero, studio e fatica mi fusse mai delettato o delettasse de imitar (come dicono) un Orfeo circa il culto d’una donna in vita; e dopo morte, se possibil fia, ricovrarla da l’inferno: se a pena la stimarei degna, senza arrossir il volto, d’amarla sul naturale di quell’istante del fiore della sua beltade, e facultà di far figlioli alla natura e dio; tanto manca che vorrei parer simile a certi poeti e versificanti in far trionfo d’una perpetua perseveranza di tale amore, come d’una cossì pertinace pazzia, la qual sicuramente ¦ può competere con tutte l’altre specie che possano far residenza in un cervello umano: tanto, dico, son lontano da quella vanissima, vilissima e vituperosissima gloria, che non posso credere ch’un uomo che si trova un granello di senso e spirito, possa spendere più amore in cosa simile che io abbia speso al passato e possa spendere al presente. E per mia fede, se io voglio adattarmi a defendere per nobile l’ingegno di quel tosco poeta che si mostrò tanto spasimare alle rive di Sorga per una di Valclusa, e non voglio dire che sia stato un pazzo da | catene, donarommi a credere, e forzarommi di persuader ad altri, che lui per non aver ingegno atto a cose megliori, volse studiosamente nodrir quella melancolia, per celebrar non meno il proprio ingegno su quella matassa, con esplicar gli affetti d’un ostinato amor volgare, animale e bestiale, ch’abbiano fatto gli altri ch’han parlato delle lodi della mosca, del scarafone, de l’asino, de Sileno, de Priapo, scimie de quali son coloro ch’han poetato a’ nostri tempi delle lodi de gli orinali, de la piva, della fava, del letto, delle bugie, del disonore, del forno, del martello, della

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ihren eigenen Titel, Ordnung und Verfahren, die niemand besser erklären und verstehen kann als ich selbst, wenn ich nicht abwesend bin. Ich will, daß sich die Welt über eine Sache im klaren ist: Ziel meiner Anstrengungen in dieser einleitenden Darlegung, in der ich einzig zu Euch, hoher Herr, spreche, und in den Dialogen, die sich um die folgenden Artikel, Sonette und Stanzen entspinnen, ist, jeden wissen zu lassen, daß ich mich für sehr schändlich und animalisch hielte, wenn ich mir je darin gefallen hätte oder gefiele, mit viel Gedankenkraft, Eifer und Mühe einen Orpheus (wie es heißt) in seinem Kult um eine lebende Frau zu imitieren und diese nach ihrem Tode, wenn möglich, noch aus der Unterwelt zurückzuholen. Dabei hielte ich eine Frau kaum für würdig, von mir ohne zu erröten der Natur entsprechend geliebt zu werden, selbst im Augenblick der Blüte ihrer Schönheit und der Fähigkeit, der Natur und Gott Kinder zu schenken. Derart fern liegt mir, gewissen Dichtern und Versemachern ähnlich scheinen zu wollen, die sich rühmen, ständig in solcher Liebe zu verharren wie in einer hartnäckigen Verrücktheit, die es sicherlich mit allen anderen Arten von Verrücktheit aufnehmen kann, die sich im menschlichen Hirn einnisten mögen. Derart, sage ich, bin ich von diesem durch und durch nichtigen, feigen und schändlichen Ruhm entfernt, daß ich nicht glauben kann, ein Mensch, der auch nur ein Körnchen Sinn und Verstand besitzt, könne mehr Liebe an einen solchen Gegenstand verschwenden, als ich es bislang getan habe und gegenwärtig tue. Bei meiner Treu, wenn ich mich schon dazu herbeilassen will, den Geist jenes toskanischen Dichters, der an den Ufern der Sorgue so sehr nach einer Frau aus Vaucluse zu schmachten sich gebärdete, als edel zu verteidigen, und nicht behaupten will, daß er als Verrückter in Ketten gehört hätte, werde ich mich bemühen zu glauben und zwingen, die anderen davon zu überzeugen, daß er, dessen Geist zu besseren Dingen nicht fähig war, diese Melancholie fleißig nähren wollte, um den eigenen Geist nichtsdestoweniger anhand dieses Gewirrs blitzen zu lassen, indem er die Gefühle einer beharrlichen, gewöhnlichen, tierischen und bestia­ lischen Liebe entwickelte, – nicht anders als andere, die das Lob der Fliege, der Küchenschabe, des Esels, des Silen, des Priapus gesungen und deren Nachäffer in unserer Zeit zum Lob des Nachttopfs, des Dudelsacks, der Saubohne, des Bettes, der Lüge, der Ehrlosigkeit, des

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caristia, de la peste; le quali non meno forse sen denno gir altere e superbe per la celebre bocca de canzonieri suoi, che debbano e possano le prefate et altre dame per gli suoi. Or (perché non si faccia errore) qua non voglio che sia tassata la dignità di quelle che son state e sono degnamente lodate e lodabili: non quelle che possono essere e sono particolarmente in questo paese Britannico, a cui doviamo la fideltà et amore ospitale: perché dove si biasimasse tutto l’orbe, non si biasima questo che in tal proposito non è orbe, né ¦ parte d’orbe: ma diviso da quello in tutto, come sapete; dove si raggionasse de tutto il sesso femenile, non si deve né può intendere de alcune vostre, che non denno esser stimate parte di quel sesso: perché non son femine, non son donne: ma (in similitudine di quelle) son nimfe, son dive, son di sustanza celeste; tra le quali è lecito di contemplar quell’unica Diana, che in questo numero e proposito non voglio nominare. Comprendasi dumque il geno ordinario. E di quello ancora indegna et ingiustamente perseguitarei le persone: perciò che a nessuna particulare | deve essere improperato l’imbecillità e condizion del sesso, come né il difetto e vizio di complessione: atteso che se in ciò è fallo et errore, deve essere attribuito per la specie alla natura, e non per particolare a gl’individui. Certamente quello che circa tai supposti abomino è quel studioso e disordinato amor venereo che sogliono alcuni spendervi, de maniera che se gli fanno servi con l’ingegno, e vi vegnono a cattivar le potenze et atti più nobili de l’anima intellettiva. Il qual intento essendo considerato, non sarà donna casta et onesta che voglia per nostro naturale e veridico discorso contristarsi e farmisi più tosto irata, che sottoscrivendomi amarmi di vantaggio, vituperando passivamente quell’amor nelle donne verso gli uomini, che io attivamente riprovo ne gli uomini verso le donne. Tal dumque essendo il animo, ­ingegno, parere e determinazione, mi protesto che il mio primo e prin-

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Ofens, des Hammers, der Hungersnot und der Pest gedichtet haben – Gegenstände, die sich dank des gefeierten Munds ihrer Lobsänger vielleicht nicht weniger stolz und hochmütig zeigen dürfen, als die vorher erwähnten und andere Damen dank der ihren es sollen und können. Damit kein Irrtum entsteht – ich beabsichtige hier nicht, die Würde jener Frauen anzutasten, die angemessen gelobt wurden, gelobt werden und lobenswert sind: Es geht nicht um jene, die es auch und besonders hier im britannischen Lande gibt, dem wir die Treue und Liebe des Gastfreundes schulden. Denn wo man auch die gesamte Erde tadelte, tadelt man das nicht, was in einer gewissen Hinsicht nicht Erde noch Teil der Erde ist, sondern von jener in allem getrennt, wie Ihr wißt. Wo man auch über das gesamte weibliche Geschlecht urteilte, darf und kann man darunter nicht einige der Euren verstehen, die nicht für Teil dieses Geschlechtes gehalten werden dürfen: Sie sind nämlich keine Weibchen, keine Frauen, sondern (im Vergleich zu diesen) Nymphen, Göttinnen, von himmlischer Substanz. Unter ihnen ist es vergönnt, jene einzigartige Diana zu erblicken, die ich nicht zu den Frauen rechnen und in diesem Zusammenhang nicht mit Namen nennen will. Man denke also an gewöhnliche Frauen. Und auch dann wäre es unverdient und ungerecht, wenn ich sie persönlich verfolgte. Keine einzelne darf nämlich für die Schwächen und Beschränkungen ihres Geschlechts getadelt werden, genauso wenig wie für den unvollkommenen und fehlerhaften Körperbau. Denn wenn daran Fehl und Irrtum ist, so müssen sie als artgemäß der Natur und nicht als Besonderheit dem Individuum angelastet werden. Was ich gewiß an solchen Subjekten verabscheue, ist jene beflissene und liederliche Geschlechtsliebe, die einige Männer an sie zu verschwenden pflegen, wodurch sie sich zu ihren geistigen Sklaven machen und die edelsten Vermögen und Regungen der einsichtsfähigen Seele gefangennehmen lassen. Wenn diese meine Absicht verstanden worden ist, wird es keine reine und ehrbare Frau geben, die sich über meine Ausführungen, die der Natur und Wahrheit entsprechen, grämen wollte, und keine wird mir zürnen, sondern mir im Gegenteil zustimmen und mich umso mehr lieben und im stillen jene Liebe bei Frauen zu Männern tadeln, die ich offen bei Männern zu Frauen mißbillige. Insofern dies also mein Sinn, meine natürliche Veranlagung, meine Meinung und Überzeugung ist, erkläre ich feierlich, daß meine erste

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cipale, mezzano et accessorio, ultimo e finale intento in questa tessitura fu et è d’apportare contemplazion divina, e metter avanti a gli occhi et orecchie altrui furori non de volgari, ma eroici amori, ispiegati in due parti: de le quali ciascuna è divisa in cinque dialogi. ¦ |

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argomento de’ cinque dialogi de la prima parte Nel pr i mo d i a logo della prima parte son cinque articoli, dove per ordine: nel primo si mostrano le cause e principii motivi intrinseci sotto nome e figura del monte, e del fiume, e de muse che si dechiarano presenti, non perché chiamate, invocate e cercate, ma più tosto come quelle che più volte importunamente si sono offerte: onde vegna significato che la divina luce è sempre presente; s’offre sempre, sempre chiama e batte a le porte de nostri sensi et altre potenze cognoscitive et apprensive: come pure è significato nella Cantica di Salomone dove si dice: En ipse stat post parietem nostrum, respiciens per cancellos, et prospiciens per fenestras. La qual spesso per varie occasioni et impedimenti avvien che rimagna esclusa fuori e trattenuta. Nel secondo articolo si mostra quali sieno que’ suggetti, oggetti, affetti, instrumenti et effetti per li quali s’introduce, si mostra e prende il possesso nell’anima questa divina luce: perché la inalze e la converta in Dio. Nel terzo il proponimento, definizione e determinazione che fa l’anima ben informata circa l’uno, perfetto et ultimo fine. Nel quarto la guerra civile che séguita e si di | scuopre contra il spirito dopo tal proponimento; onde disse la Cantica: Noli mirari quia nigra sum: decoloravit enim me sol, quia fratres mei pugnaverunt contra me, quam posuerunt custodem in vineis. Là sono esplicati solamente come quattro antesignani: l’Affetto, l’Appulso fatale, la Specie del bene, et il Rimorso; che son seguitati da tante coorte militari de tante, contrarie, varie e diverse potenze, con gli lor ministri,

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und hauptsächliche, mittlere und untergeordnete, letzte und endgültige Absicht in diesem Gewebe aus Worten war und ist, eine Betrachtung des Göttlichen vorzulegen und meinen Mitmenschen die Leidenschaften nicht gewöhnlicher, sondern heroischer Liebe vor Augen und Ohren zu stellen, erklärt in zwei Teilen, deren jeder in fünf Dialoge unterteilt ist.

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Im er s t en D i a log des Ersten Teils finden sich fünf Abschnitte, in denen der Reihenfolge nach Folgendes dargelegt wird: Im ersten werden die Ursachen und anfänglichen inneren Beweggründe unter dem Namen und der Gestalt von Berg und Fluß und Musen gezeigt, die in Erscheinung treten, nicht weil sie gerufen, beschworen oder gesucht worden sind, sondern eher als solche, die sich mehrfach zur Unzeit angeboten haben: Dadurch soll ausgedrückt werden, daß das göttliche Licht immer gegenwärtig ist, immer sich anbietet, immer nach uns ruft und an die Türen unserer Sinne und anderer erkennenden und begreifenden Vermögen klopft. So wird dies auch im Hohelied des Salomo ausgedrückt, wo es heißt: En ipse stat post parietem nostrum, respiciens per cancellos, et prospiciens per fenestras. Durch verschiedene Wechselfälle und Hindernisse geschieht es oft, daß dies Licht ausgeschlossen und außen zurückgehalten bleibt. Im zweiten Abschnitt wird gezeigt, durch welche Subjekte, Objekte, Gefühle, Mittel und Wirkungen das göttliche Licht sich einführt, zeigt und von der Seele Besitz ergreift, um sie zu erheben und Gott zuzuwenden. Im dritten folgen Entschluß, Zielsetzung und Bestimmung, welche die über das eine, vollkommene und höchste Ziel gut unterrichtete Seele vornimmt. Im vierten der Bürgerkrieg, der auf diesen Entschluß folgt und sich dann offen gegen den Geist richtet, weshalb das Hohelied sagt: Noli mirari quia nigra sum: decoloravit enim me sol, quia fratres mei pugnaverunt contra me, quam posuerunt custodem in vineis. Dort sind gleichsam nur als vier Bannerträger das Gefühl, die Macht des Schicksals, die Erscheinungsform des Guten und die Gewissensqual aufgeführt; ihnen folgen unzählige militärische Kohorten aus ebensovielen gegensätzlichen, mannigfaltigen und unterschiedlichen Kräften mit ihren Helfern, Mitteln und Werk-

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mezzi et organi che sono in questo composto. Nel quinto s’ispiega una naturale contemplazione in cui si mostra che ogni contrarietà si riduce a l’amicizia: o per vittoria de l’uno de’ contrarii, o per armonia e contem ¦ peramento, o per qualch’altra raggione di vicissitudine; ogni lite alla concordia, ogni diversità a l’unità: la qual dottrina è stata da noi distesa ne gli discorsi d’altri dialogi. Nel s e c ondo d i a logo viene più esplicatamente descritto l’ordine et atto della milizia che si ritrova nella sustanza di questa composizione del furioso; et ivi: nel primo articolo si mostrano tre sorte di contrarietà: la prima d’un affetto et atto contra l’altro, come dove son le speranze fredde e gli desiderii caldi; la seconda de medesimi affetti et atti in se stessi, non solo in diversi, ma et in medesimi tempi; come quando ciascuno non si contenta di sé, ma attende ad altro: et insieme insieme ama et odia; la terza tra la potenza che séguita et aspira, e l’oggetto che fugge e si suttrae. Nel secondo articolo si manifesta la contrarietà ch’è come di doi contrarii appulsi in generale; alli quali si rapportano tutte le particolari e subalternate contrarietadi, mentre come a doi luoghi e sedie contrarie si monta o scende: anzi il composto tutto per la diversità de le inclinazioni | che son nelle diverse parti, e varietà de disposizioni che accade nelle medesime, viene insieme insieme a salire et abbassare, a farsi avanti et adietro, ad allontanarsi da sé e tenersi ristretto in sé. Nel terzo articolo si discorre circa la conseguenza da tal contrarietade. Nel ter z o d i a logo si fa aperto quanta forza abbia la volontade in questa milizia, come quella a cui sola appartiene ordinare, cominciare, exeguire e compire; cui vien intonato nella Cantica: Surge, propera, columba mea, et veni: iam enim hiems transiit, imber abiit, flores apparu­ erunt in terra nostra; tempus putationis advenit. Questa sumministra

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zeugen, die in diesem zusammengesetzten Gebilde enthalten sind. Im fünften wird eine natürliche Betrachtung entfaltet, in der gezeigt wird, daß jeder Gegensatz wieder zur Freundschaft führt, sei es durch den Sieg einer der beiden Gegensätze, sei es durch Harmonie und Anpassung oder durch einen anderen Grund, der in der allgemeinen Wechselhaftigkeit der Dinge liegt; so führt jeder Streit wieder zur Eintracht, jede Verschiedenartigkeit zur Einheit. Diese Lehre ist von uns in anderen Dialogen entwickelt worden. Im z we it en D i a log werden Ordnung und Handlungsweise der Heerschar, die sich in der Substanz dieser Zusammensetzung, nämlich des Leidenschaftlichen, befindet, ausführlicher beschrieben, und zwar folgendermaßen. Im ersten Abschnitt werden drei Arten von Gegensätzlichkeit aufgezeigt: Bei der ersten stehen ein Gefühl und seine Äußerung gegen ein anderes, wie in dem Falle, in dem die Hoffnungen kalt und die Sehnsüchte heiß sind. Bei der zweiten liegt der Gegensatz in denselben Gefühlen und ihren Äußerungen inbegriffen, nicht nur zu verschiedenen Zeitpunkten, sondern auch zur selben Zeit, wie wenn jemand nicht mit sich zufrieden ist, sondern nach etwas anderem strebt und gleichzeitig Liebe und Haß empfindet. Der dritte Gegensatz ist der zwischen dem Vermögen, das verfolgt und erstrebt, und dem Objekt, das flieht und sich entzieht. Im zweiten Abschnitt wird der Gegensatz deutlich, wie er gewissermaßen zwischen zwei generell gegensätzlichen Impulsen besteht, denen sich alle einzelnen und untergeordneten Gegensätze zuordnen, während man gleichsam zu zwei entgegengesetzten Orten und Positionen hinauf- oder hinabsteigt. Ja, bedingt durch die Verschiedenheit der Neigungen, die in den verschiedenen Teilen herrschen, und die wechselnden Anordnungen, die in diesen eintreten, hebt und senkt sich zugleich das gesamte zusammengesetzte Gebilde, bewegt es sich gleichzeitig vor und zurück, entfernt sich von sich selbst und verschließt sich in sich selbst. Im dritten Abschnitt werden die Folgen dieses Gegensatzes erörtert. Im d r it ten D i a log wird offengelegt, wie viel Macht der Wille in diesem Heer hat, denn ihm allein kommt das Ordnen, Beginnen, Ausführen und Vollenden zu. An ihn richtet sich der Anruf im Hohelied: Surge, propera, columba mea, et veni: iam enim hiems transiit, imber abiit, flores apparuerunt in terra nostra; tempus putationis advenit.

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forza ad altri in molte maniere, et a se medesima specialmente quando si reflette in se stessa, e si radoppia; all’or che vuol volere, e gli piace che voglia quel che vuole; o si ritratta, all’or che non vuol quel che vuole, e gli dispiace che voglia ¦ quel che vuole: cossì in tutto e per tutto approva quel ch’è bene e quel tanto che la natural legge e giustizia gli definisce: e mai affatto approva quel che è altrimente. E questo è quanto si esplica nel primo e secondo articolo. Nel terzo si vede il gemino frutto di tal efficacia, secondo che (per consequenza de l’affetto che le attira e rapisce) le cose alte si fanno basse, e le basse dovegnono alte; come per forza de vertiginoso appulso e vicissitudinal successo dicono che la fiamma s’inspessa in aere, vapore et acqua; e l’acqua s’assottiglia in vapore, aere e fiamma. In sette articoli del qu a r to d i a logo si contempla l’impeto e vigor de l’intelletto, che rapisce l’affetto seco, et il progresso de pensieri del furioso composto, e delle passioni de l’anima che si trova al governo | di questa Republica cossì turbulenta. Là non è oscuro chi sia il cacciatore, l’ucellatore, la fiera, gli cagnuoli, gli pulcini, la tana, il nido, la rocca, la preda, il compimento de tante fatiche, la pace, riposo e bramato fine de sì travaglioso conflitto. Nel qu i nto d i a logo si descrive il stato del furioso in questo mentre, et è mostro l’ordine, raggione e condizion de studii e fortune. Nel primo articolo per quanto appartiene a perseguitar l’oggetto che si fa scarso di sé. Nel secondo quanto al continuo e non remittente concorso de gli affetti. Nel terzo quanto a gli alti e caldi, benché vani proponimenti. Nel quarto quanto al volontario volere. Nel quinto quanto a gli pronti e forti ripari e soccorsi. Ne gli seguenti si mostra variamente la condizion di sua fortuna, studio e stato, con la raggione e convenienza di quelli, per le antitesi, similitudini e comparazioni espresse in ciascuno di essi articoli. |

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Er gibt anderen auf vielfältige Weise Kraft, sich selbst indessen besonders dann, wenn er sich auf sich selbst besinnt und sich verdoppelt: Dann will er das Wollen, und ihm gefällt, daß er will, was er will; oder er zieht sich zurück, wenn er nicht will, was er will und ihm mißfällt, daß er will, was er will. So stimmt er in jeder Angelegenheit und allen Bereichen dem zu, was gut ist, und all dem, was das natürliche Gesetz und die natürliche Gerechtigkeit ihm vorgeben, und niemals billigt er etwas, das davon abweicht. Und nichts anderes als das wird im ersten und zweiten Abschnitt erklärt. Im dritten sieht man die doppelte Frucht solcher Wirksamkeit, wonach die erhabenen Dinge (als Folge des Gefühls, das sie anzieht und fortreißt) erniedrigt und die niedrigen erhöht werden. So sagt man ja, vermöge kreiselnder Anziehung und wechselnder Aufeinanderfolge verdicke sich die Flamme zu Luft, Dampf und Wasser und das Wasser verdünne sich zu Dampf, Luft und Flamme. In den sieben Abschnitten des vierten Dialogs werden der Schwung und die Kraft der Vernunft betrachtet, welche das Gefühl mit sich reißt, sowie die Fortentwicklung der Gedanken des aus Gegensätzlichem zusammengesetzten Leidenschaftlichen und der Leiden seiner Seele, die sich an der Spitze dieses so unruhigen Staates befindet. Dort bleibt nicht im Dunkeln, was der Jäger, der Vogelfänger, das Wild, die Hunde, die Küken, die Höhle, das Nest, der Felsen, die Beute, die Erfüllung so vieler Mühen, der Friede, die Erholung und das ersehnte Ziel eines derart mühseligen Kampfes ist. Im f ünf ten Dia log wird der Zustand des Leidenschaftlichen wäh­ rend dieses Kampfes beschrieben und Reihenfolge, Grund und Beschaffenheit seines Strebens und Schicksals aufgezeigt. Im ersten Abschnitt kreist das Gespräch um das, was das Trachten nach dem Gegenstand betrifft, der sich selbst verknappt. Im zweiten um den ständigen und unablässigen Wettstreit der Gefühle. Im dritten um die hehren und heißen, wenn auch vergeblichen Vorsätze. Im vierten um das willentliche Wollen. Im fünften um die bereitliegenden, mächtigen Schutzund Hilfsmittel. In den weiteren Abschnitten wird auf unterschiedliche Weise die Beschaffenheit seines Schicksals, Strebens und Zustands gezeigt, daneben deren Gründe und Zusammentreffen, und zwar mit Hilfe von Antithesen, Entsprechungen und Vergleichen, die jeweils in den einzelnen Abschnitten ausgeführt sind.

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argomento de’ cinque dialogi della seconda parte Nel pr i mo d i a logo della seconda parte s’adduce un seminario delle maniere e raggioni del stato dell’eroico furioso. Ove nel primo sonetto vien descritto il stato di quello sotto la ruota del tempo. Nel secondo ¦ viene ad iscusarsi dalla stima d’ignobile occupazione et indegna iattura della angustia e brevità del tempo. Nel terzo accusa l’impotenza de suoi studi gli quali quantumque all’interno sieno illustrati dall’eccellenza de l’oggetto, questo per l’incontro viene ad essere offoscato et annuvolato da quelli. Nel quarto è il compianto del sforzo senza profitto delle facultadi de l’anima mentre cerca risorgere con l’imparità de le potenze a quel stato che pretende e mira. Nel quinto vien rammentata la contrarietà e domestico conflitto che si trova in un suggetto, onde non possa intieramente appigliarsi ad un termine o fine. Nel sesto vien espresso l’affetto aspirante. Nel settimo vien messa in considerazione la mala corrispondenza che si trova tra colui ch’aspira, e quello a cui s’aspira. Nell’ottavo è messa avanti gli occhi la distrazzion dell’anima, conseguente della contrarietà de cose esterne et interne tra loro, e de le cose interne | in se stesse, e de le cose esterne in se medesime. Nel nono è ispiegata l’etate et il tempo del corso de la vita ordinarii all’atto de l’alta e profonda contemplazione: per quel che non vi conturba il flusso o reflusso della complessione vegetante: ma l’anima si trova in condizione stazionaria e come quieta. Nel decimo l’ordine e maniera in cui l’eroico amore tal’or ne assale, fere e sveglia. Nell’undecimo la moltitudine delle specie et idee particolari che mostrano l’eccellenza della marca dell’unico fonte di quelle, mediante le quali vien incitato l’affetto verso alto. Nel duodecimo s’esprime la condizion del studio umano verso le divine imprese, perché molto si presume prima che vi s’entri, e nell’entrare istesso: ma quando poi s’ingolfa e vassi più verso il profondo, viene ad essere smorzato il fervido spirito di presunzione, vegnono relassati i

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Im er s ten D i a log des Zweiten Teils werden die Sämlinge der unterschiedlichen Arten und Gründe für den Zustand des heroischen Leidenschaftlichen dargeboten. In dessen erstem Sonett wird sein Zustand unter dem Rad der Zeit beschrieben. Im zweiten verteidigt er sich gegen die Meinung, daß er einer unedlen Beschäftigung nachgehe und der drängenden Kürze der Zeit würdelos unterworfen sei. Im dritten klagt er die Ohnmacht seiner Bestrebungen an, die zwar von innen durch die Vortrefflichkeit des Gegenstandes erleuchtet sind, diesen aber, wenn sie auf ihn treffen, in Nebel und Wolken hüllen. Im vierten beweint er die erfolglose Anstrengung seiner seelischen Fähigkeiten bei dem Versuch, sich mit ungenügenden Kräften in den Zustand zu erheben, den er anstrebt und auf den er abzielt. Im fünften wird der Gegensatz und innere Konflikt beklagt, der sich in jedem Wesen findet, weshalb es sich nicht gänzlich einem bestimmten Ziel oder Zweck verschreiben kann. Im sechsten wird das begehrende Gefühl zum Ausdruck gebracht. Im siebten wird in Betracht gezogen, wie schlecht der, der begehrt, und das, was begehrt wird, zueinander passen. Im achten wird die Zerrissenheit der Seele vor Augen gestellt, die eine Folge des Gegensatzes zwischen den äußeren und inneren Dingen und innerhalb der inneren und äußeren Dinge jeweils selbst ist. Im neunten wird erklärt, welches im Verlauf des Lebens gemeinhin das Alter und der Zeitpunkt ist, da man sich mit hohen und tiefgehenden Betrachtungen beschäftigt: wenn nämlich das Fließen und Zurückfließen der Lebenssäfte keine Verwirrung stiftet, sondern die Seele sich in einem statischen Zustand und gleichsam in Ruhe befindet. Im zehnten die Art und Weise, in welcher die heroische Liebe uns bisweilen anfällt, verwundet und weckt. Im elften die Vielfalt der Erscheinungsformen und einzelnen Ideen, die jene Vortrefflichkeit aufweisen, die das Siegel ihrer einzigartigen Quelle ist, und durch die das Gefühl dazu angespornt wird, sich zu erheben. Im zwölften kommen die Grenzen des menschlichen Strebens, das sich auf göttliche Aufgaben richtet, zur Sprache; man nimmt sich nämlich viel vor, bevor man sie beginnt, und viel auch in dem Augenblick, in dem man sie beginnt. Doch wenn man sich dann hineinwagt und weiter in die Tiefe dringt, dämpft sich der feurige Geist in seiner Anmaßung,

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nervi, dismessi gli ordegni, inviliti gli pensieri, svaniti tutti dissegni, e riman l’animo confuso, vinto et exinanito. Al qual proposito fu detto dal sapiente: qui scrutator est maiestatis, opprimetur a gloria. Nell’ultimo è più manifestamente ¦ espresso quello che nel duodecimo è mostrato in similitudine e figura. Nel s e c ondo d i a logo è in un sonetto, et un discorso dialogale sopra di quello, specificato il primo motivo che domò il forte, ramollò il duro, et il rese sotto l’amoroso imperio di Cupidine superiore, con celebrar tal vigilanza, studio, elezzione e scopo. Nel ter z o d i a logo in quattro proposte e quattro risposte del core a gli occhi, e de gli occhi al core, è dechiarato l’essere e modo delle potenze cognoscitive et appetitive. Là si manifesta qualmente la volontà è risvegliata, addirizzata, mossa e condotta dalla | cognizione; e reciprocamente la cognizione è suscitata, formata e ravvivata dalla volontade, procedendo or l’una da l’altra, or l’altra da l’una. Là si fa dubio se l’intelletto o generalmente la potenza conoscitiva, o pur l’atto della cognizione, sia maggior de la volontà o generalmente della potenza appetitiva, o pur de l’affetto: se non si può amare più che intendere, e tutto quello ch’in certo modo si desidera, in certo modo ancora si conosce, e per il roverso; onde è consueto di chiamar l’appetito ›cognizione‹, perché veggiamo che gli Peripatetici nella dottrina de quali siamo allievati e nodriti in gioventù, sin a l’appetito in potenza et atto naturale chiamano ›cognizione‹; onde tutti effetti, fini e mezzi, principii, cause et elementi distingueno in prima, media, et ultimamente noti secondo la natura: nella quale fanno in conclusione concorrere l’appetito e la cognizione. Là si propone infinita la potenza della materia, et il soccorso dell’atto che non fa essere la potenza vana. Laonde cossì non è terminato l’atto della volontà circa il bene, come è infinito et interminabile

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entspannen sich die Nerven, werden die Werkzeuge beiseite gelegt, verweichlichen die Gedanken, lösen sich alle Absichten in nichts auf und der Geist bleibt verwirrt, besiegt und vernichtet zurück. Darauf bezieht sich der Ausspruch des Weisen: qui scrutator est maiestatis, opprimetur a gloria. Im letzten Abschnitt ist deutlicher ausgedrückt, was im zwölften in Entsprechung und Bild gezeigt wird. Im z weiten D i a log ist in einem Sonett und seiner Erläuterung in Dialogform der erste Beweggrund näher ausgeführt, der den Starken bezwang, den Harten erweichte und ihn unter die Liebesherrschaft des höheren Cupido brachte; dabei werden Wachsamkeit, Bestreben, Wahl und Ziel gefeiert. Im d r it ten D i a log wird in vier Fragen und vier Antworten des Herzens an die Augen und der Augen an das Herz das Wesen und die Art des erkennenden und begehrenden Vermögens erklärt. Dort wird deutlich, wie der Wille von der Erkenntnis geweckt, gelenkt, bewegt und geführt, und wechselseitig die Erkenntnis vom Willen erregt, geformt und belebt wird, wobei bald diese jenem, bald jener dieser vorausgeht. Dort wird die Frage aufgeworfen, ob die Vernunft oder allgemeiner das erkennende Vermögen oder auch der Akt der Erkenntnis bedeutender sei als der Wille oder allgemeiner das begehrende Vermögen oder auch das Gefühl: ob man nicht eher fähig sei, zu lieben als zu verstehen, und ob alles, was man auf gewisse Weise begehrt, auf gewisse Weise auch erkennt und umgekehrt. Daher ist es üblich, das Begehren ›Erkenntnis‹ zu nennen, denn wir sehen ja, daß die Peri­ patetiker, in deren Lehre wir in unserer Jugend geschult und erzogen worden sind, sogar das natürliche Begehren in Vermögen und Akt ›Erkenntnis‹ nennen, weshalb sie Wirkung, Ziel und Mittel, Prinzip, Ursache und Element sämtlich danach unterscheiden, ob sie anfänglich, vermittelt oder endgültig der Natur nach bekannt sind, in der sie schlußendlich Begehren und Erkenntnis zusammenfallen lassen. Dort wird weiter behauptet, daß das Vermögen der Materie unendlich ist und daß durch das Hinzutreten des Akts das Vermögen nicht erschöpft wird. Daher ist der Akt des Willens, der auf das Gute bezogen ist, ebensowenig begrenzt wie der Akt der Erkenntnis, der sich auf das Wahre bezieht, unendlich und unbegrenzbar ist. Deshalb sind das ›Seiende‹, das ›Wahre‹ und das ›Gute‹ in derselben Bezeich-

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l’atto della cognizione circa il vero: onde ›ente‹, ›vero‹ e ›buono‹ son presi per medesimo significante, circa medesima cosa significata. ¦ Nel qu ar to d i a lo go son figurate et alcunamente ispiegate le nove raggioni della inabilità, improporzionalità e difetto dell’umano sguardo e potenza apprensiva de cose divine. Dove nel primo cieco, che è da natività, è notata la raggione ch’è per la natura che ne umilia et abbassa. Nel secondo cieco per il tossico della gelosia è notata quella ch’è per l’irascibile e concupiscibile che ne diverte e desvia. Nel terzo cieco per repentino apparimento d’intensa luce | si mostra quella che procede dalla chiarezza de l’oggetto che ne abbaglia. Nel quarto, allievato e nodrito a lungo a l’aspetto del sole, quella che da troppo alta contemplazione de l’unità, che ne fura alla moltitudine. Nel quinto che sempre mai ha gli occhi colmi de spesse lacrime, è designata l’improporzionalità de mezzi tra la potenza et oggetto che ne impedisce. Nel sesto che per molto lacrimar have svanito l’umor organico visivo, è figurato il mancamento de la vera pastura intellettuale che ne indebolisce. Nel settimo cui gli occhi sono inceneriti da l’ardor del core, è notato l’ardente affetto che disperge, attenua e divora tal volta la potenza discretiva. Nell’ottavo, orbo per la ferita d’una punta di strale, quello che proviene dall’istesso atto dell’unione della specie de l’oggetto; la qual vince, altera e corrompe la potenza apprensiva, che è suppressa dal peso, e cade sotto l’impeto de la presenza di quello; onde non senza raggion talvolta la sua vista è figurata per l’aspetto di folgore penetrativo. Nel nono, che per esser mutolo non può ispiegar la causa della sua cecitade, vien significata la raggion de le raggioni, la quale è l’occolto giudicio divino che a gli uomini ha donato questo studio e pensiero d’investigare, de sorte che non possa mai gionger più alto che alla cognizione della sua cecità et ignoranza, e stimar più degno il silenzio ch’il parlare. Dal che non vien iscusata né favorita l’ordinaria ignoranza; perché è doppia-

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nung erfaßt, und sie beziehen sich auf dieselbe, dadurch bezeichnete Sache. Im v ier t en D i a log sind die neun Gründe für die Unfähigkeit, Unverhältnismäßigkeit und Fehlerhaftigkeit der Anschauung und des Erkenntnisvermögens des Menschen göttlichen Dingen gegenüber versinnbildlicht und auf manche Weise erklärt. Dort wird am ersten Blinden, der von Geburt an blind ist, der Grund aufgezeigt, der in einer uns demütigenden, erniedrigenden Natur liegt. Am zweiten, blind durch das Gift der Eifersucht, ist der Grund aufgezeigt, der in der Fähigkeit zur Ereiferung und Begierde besteht, die uns ablenkt und vom Weg abbringt. Am dritten, blind durch die plötzliche Erscheinung eines starken Lichts, wird der Grund gezeigt, der von der Helligkeit des Objekts herrührt, das uns blendet. Am vierten, der lange darin geschult und erzogen wurde, die Sonne zu schauen, die Blindheit durch allzu hohe Betrachtung der Einheit, die uns der Vielheit entfremdet. Im fünften, der die Augen immer voll dicker Tränen hat, ist die Unverhältnismäßigkeit der Mittel zwischen Vermögen und Objekt ausgedrückt, die uns behindert. Im sechsten, der durch vieles Weinen die körpereigene Sehflüssigkeit erschöpft hat, ist das Fehlen der wahren intellektuellen Speise dargestellt, die uns schwächt. Mit dem siebten, dessen Augen durch die Glut des Herzens zu Asche geworden sind, ist das brennende Gefühl bezeichnet, das die Unterscheidungsfähigkeit beeinträchtigt, vermindert und mitunter verzehrt. Am achten, erblindet an der Verwundung durch eine Pfeilspitze, ist das aufgezeigt, was beim Akt der Vereinigung mit der Erscheinung des Objekts selbst ausgelöst wird: sie bezwingt, verändert und verdirbt das Erkenntnisvermögen, das vom Gewicht des Objekts erdrückt wird und unter dem Ansturm seiner Gegenwart zu Boden geht. Nicht ohne Grund wird deshalb der Anblick des Objekts manchmal als durchdringender Blitz dargestellt. Durch den neunten, der, weil er stumm ist, die Ursache seiner Blindheit nicht erklären kann, wird der Grund der Gründe bezeichnet: der verborgene göttliche Richtspruch, der dem Menschen dieses Bestreben und dies forschende Grübeln in einer Weise geschenkt hat, daß er niemals höher als bis zur Erkenntnis der eigenen Blindheit und Unwissenheit gelangen kann und es für würdiger hält zu schweigen als zu sprechen. Weder wird dadurch die gewöhnliche Unwissenheit entschuldigt

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mente cieco chi non vede la sua cecità: e questa è la differenza tra gli profettivamente studiosi, e gli ociosi insipienti: che questi son sepolti nel letargo della privazion del giudicio di suo non vedere, e quelli sono accorti, svegliati e prudenti giudici della sua | cecità; e però son nel ¦ l ’inquisizione, e nelle porte de l’acquisizione della luce: delle quali son lungamente banditi gli altri. |

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argomento et allegoria del quinto dialogo Nel qu i nto d i a logo, perché vi sono introdotte due donne, alle quali (secondo la consuetudine del mio paese) non sta bene di commentare, argumentare, desciferare, saper molto, et esser dottoresse per usurparsi ufficio d’insegnare e donar instituzione, regola e dottrina a gli uomini; ma ben de divinar e profetar qualche volta che si trovano il spirito in corpo: però gli ha bastato de farsi solamente recitatrici della figura lasciando a qualche maschio ingegno il pensiero e negocio di chiarir la cosa significata. Al quale (per alleviar overamente tòrgli la fatica) fo intendere qualmente questi nove ciechi, come in forma d’ufficio e cause esterne, cossì con molte altre differenze suggettive correno con altra significazione, che gli nove del dialogo precedente: atteso che secondo la volgare imaginazione delle nove sfere, mostrano il numero, ordine e diversità de tutte le cose che sono subsistenti infra unità absoluta, nelle quali e sopra le quali tutte sono ordinate le proprie intelligenze che secondo certa similitudine analogale dependono dalla prima et unica. Queste da Cabalisti, da Caldei, da Maghi, da Platonici e da | cristiani teologi son distinte in nove ordini per la perfezzione del numero che domina nell’università de le cose, et in certa maniera formaliza il tutto: e però con semplice raggione fanno che si significhe la divinità, e se-

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noch ihr das Wort geredet, denn doppelt blind ist, wer seine Blindheit nicht sieht. Und das ist der Unterschied zwischen denen, die fruchtbar sich mühen, und jenen, die tumb des Müßigganges pflegen: Diese sind in der Stumpfheit begraben, die vom Mangel an Urteilsfähig­keit über ihr Nicht-Sehen herrührt, jene aber sind aufmerksame, aufgeweckte und kluge Richter ihrer Blindheit. Sie sind also auf der Suche nach dem Licht und stehen auf der Schwelle, es zu empfangen, einer Schwelle, der die anderen sich nicht einmal von ferne nähern dürfen.

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gegenstand und allegorie des fünften dialogs

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Im f ü n f ten D i a log treten zwei Frauen auf, denen es (nach den Gebräuchen meines Landes) nicht wohl ansteht, zu kommentieren, zu argumentieren, zu enträtseln, viel zu wissen und Doktorinnen zu sein, um sich die Aufgabe anzumaßen, die Menschen zu belehren und ihnen Ordnung, Regeln und Wissen zu vermitteln; hingegen ziemt es ihnen, bisweilen zu weissagen und zu prophezeien, wenn der Geist in ihren Körper fährt. Deshalb haben sie sich damit begnügt, die Allegorie lediglich vorzutragen und einem männlichen Geist das Denken und die Aufgabe zu überlassen, die gemeinte Sache zu erklären. Ihm gebe ich (um ihm die Mühe zu erleichtern oder vielmehr sie ihm abzunehmen) zu verstehen, inwiefern diese neun Blinden sowohl hinsichtlich ihrer Funktion und äußeren Umstände, als auch aufgrund vieler weiterer, im Gegenstand liegender Unterschiede eine andere Bedeutung haben als die neun des vorhergehenden Dialogs. Sie stellen nämlich, der gängigen Vorstellung von den neun Sphären entsprechend, die Zahl, Ordnung und Verschiedenheit aller Dinge dar, die sich unterhalb der absoluten Einheit befinden und in und über denen allen die entsprechenden Vernunftwesen angeordnet sind, die einer gewissen analogen Entsprechung gemäß von der ersten und einzigen Vernunft abhängen. Diese Vernunftwesen werden von Kabbalisten, Chaldäern, Magiern, Platonikern und christlichen Theologen in neun Ordnungen unterteilt und zwar aufgrund der Vollkommenheit dieser Zahl, die im Universum der Dinge herrscht und dem Ganzen in bestimmter Weise seine Form gibt: Einfach genommen bedeutet sie ihnen deshalb die Gottheit, in

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condo la reflessione e quadratura in se stesso, il numero e la sustanza de tutte le cose dependenti. Tutti gli contemplatori più illustri, o sieno filosofi, o siano teologi, o parlino per raggione e proprio lume, o parlino per fede e lume superiore, intendeno in queste intelligenze il circolo di ascenso e descenso. Quindi dicono gli Platonici che per certa conversione accade che quelle che son sopra il fato si facciano sotto il fato del tempo e mutazione, e da qua montano altre al luogo ¦ di quelle. Medesima conversione è significata dal pitagorico poeta, dove dice: Has omnes ubi mille rotam volvere per annos Lethaeum ad fluvium deus evocat agmine magno: rursus ut incipiant in corpora velle reverti.

Questo (dicono alcuni) è significato dove è detto in revelazione che il drago starà avvinto nelle catene per mille anni, e passati quelli sarà disciolto. A cotal significazione voglion che mirino molti altri luoghi dove il millenario ora è espresso, ora è significato per uno anno, ora per una etade, ora per un cubito, ora per una et un’altra maniera. Oltre che certo il millenario istesso non si prende secondo le revoluzioni definite da gli anni del sole, ma secondo le diverse raggioni delle diverse misure et ordini con li quali son dispensate diverse cose: perché cossì son differenti gli anni de gli astri, come le specie de particolari non son medesime. Or quanto al fatto della revo | luzione, è divolgato appresso gli cristiani teologi, che da ciascuno de’ nove ordini de spiriti sieno trabalzate le moltitudini de legioni a queste basse et oscure regioni; e che per non esser quelle sedie vacanti, vuole la divina providenza che di queste anime che vivono in corpi umani siano assumpte a quella eminenza. Ma tra filosofi Plotino solo ho visto dire espressamente come tutti teologi grandi, che cotal revoluzione non è de tutti, né sempre: ma una

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der Selbstreflexion und Multiplikation mit sich selbst sodann die Zahl und Substanz aller abhängigen Dinge. Alle bedeutenden Denker, seien es Philosophen oder Theologen, mögen sie vom Verstand geleitet und aus eigenem Licht oder vom Glauben geleitet und aus Erleuchtung sprechen, erkennen in diesen Vernunftwesen den Kreislauf von Auf- und Abstieg. Deshalb sagen die Platoniker, daß durch eine gewisse Kreisbewegung jene, die erst über dem Schicksal stehen, sich dem Schicksal von Zeit und Wechselfällen schließlich unterwerfen und von dort andere zu ihren Plätzen hinaufsteigen. Dieselbe Kreisbewegung meint der pythagorä­ische Dichter, wenn er sagt: 98

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Has omnes ubi mille rotam volvere per annos Lethaeum ad fluvium deus evocat agmine magno: rursus ut incipiant in corpora velle reverti.

Das ist gemeint (sagen einige), wenn es in der Offenbarung heißt, der Drache sei für tausend Jahre in Ketten geschmiedet, und nach deren Ab­lauf werde er losgemacht. Und man glaubt, daß viele andere Stellen dieselbe Bedeutung haben, an denen dieses Jahrtausend mal ausdrücklich als solches, mal symbolisch als ein Jahr oder ein Zeitalter oder eine Elle oder auf noch einmal andere Art und Weise bezeichnet wird. So viel ist gewiß, daß das Jahrtausend nicht nach Umdrehungen bemessen wird, die durch Sonnenjahre bestimmt sind, sondern nach den verschiedenen Gesetzen der verschiedenen Maße und Ordnungen, nach denen die verschiedenen Dinge geregelt werden: Denn die Umläufe der einzelnen Sterne unterscheiden sich ebenso stark voneinander wie ihre jeweilige Gestalt. Was nun die Tatsache der Kreisbewegung betrifft, ist bei den christlichen Theologen die Ansicht verbreitet, daß von jeder der neun Ordnungen der Geister sich eine ungeheure Vielzahl zu den hiesigen niederen und dunklen Gefilden herabstürzt; und damit jene Plätze nicht leer bleiben, will die göttliche Vorsehung, daß einige der Seelen, die in menschlichen Körpern wohnen, in jenen erhöhten Rang aufgenommen werden. Aber meines Wissens hat unter den Philosophen nur Plotin ausdrücklich gesagt – so wie alle großen Theologen –, daß eine solche Umwälzung nicht alle betrifft und nicht immer geschieht, sondern nur einmal. Und unter den Theologen hat seit den Sadduzäern

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volta. E tra teologi Origene solamente come tutti filosofi grandi, dopo gli Saduchini et altri molti riprovati, have ardito de dire che la revoluzione è vicissitudinale e sempiterna; e che tutto quel ¦ medesimo che ascende ha da ricalar a basso: come si vede in tutti gli elementi e cose che sono nella superficie, grembo e ventre de la natura. Et io per mia fede dico e confermo per convenientissimo, con gli teologi e color che versano su le leggi et instituzioni de popoli, quel senso loro: come non manco d’affirmare et accettar questo senso di quei che parlano secondo la raggion naturale tra’ pochi, buoni e sapienti. L’opinion de quali degnamente è stata riprovata per esser divolgata a gli occhi della moltitudine; la quale se a gran pena può essere refrenata da vizii e spronata ad atti virtuosi per la fede de pene sempiterne, che sarrebe se la si persuadesse qualche più leggiera condizione in premiar gli eroici et umani gesti, e castigare gli delitti e sceleragini? Ma per venire alla conclusione di questo mio progresso: dico che da qua si prende la raggione e discorso della cecità e luce di questi nove, or vedenti, or ciechi, or illuminati; quali son rivali ora nell’ombre e vestigii della divina beltade, or sono al tutto orbi, ora nella più aperta | luce pacificamente si godeno. All’or che sono nella prima condizione, son ridutti alla stanza di Circe, la qual significa la omniparente materia, et è detta figlia del sole, perché da quel padre de le forme ha l’eredità e possesso di tutte quelle le quali con l’aspersion de le acqui, cioè con l’atto della generazione, per forza d’incanto, cioè d’occolta armonica raggione, cangia il tutto, facendo dovenir ciechi quelli che vedeno: perché la generazione e corrozzione è causa d’oblio e cecità, come esplicano gli antichi con la figura de le anime che si bagnano et inebriano di Lete. Quindi dove gli ciechi si lamentano dicendo: »Figlia e madre di tenebre et orrore«, è significata la conturbazion e contristazion de l’anima che ha perse l’ali, la quale se gli mitiga all’or che è messa in speranza di ricovrarle. Dove Circe dice »Prendete un altro mio vase fatale«, è signi-

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und vielen anderen Verworfenen nur Origines zu sagen gewagt – so wie alle großen Philosophen –, daß die Umwälzung wechselseitig und ewig sei; daß alles, was aufsteigt, genauso in die Tiefe zurückfallen muß, wie man es bei allen Elementen und Dingen sieht, die auf der Oberfläche, im Schoß und im Leib der Natur sind. Ich für meinen Teil sage und bekräftige mit den Theologen und denjenigen, deren Wirken den Gesetzen und gesellschaftlichen Institutionen gilt, daß ich die erstgenannte Ansicht für äußerst angebracht halte. Gleichzeitig bestätige und akzeptiere ich aber auch die Ansicht derer, die gemäß der natürlichen Denkweise mit den Wenigen, Guten und Weisen reden. Ihre Ansicht ist zu Recht verworfen worden, wenn sie vor den Augen der Menge ausgebreitet wurde. Wenn diese kaum durch den Gedanken an ewige Qualen von Lastern zurückgehalten und zu großen Taten angespornt werden kann, was geschähe dann wohl, wenn sie sich von leichteren Bedingungen bei der Auszeichnung heroischer und menschlicher Taten wie auch bei der Bestrafung von Vergehen und Verbrechen überzeugte? Aber um zum Schluß meines Gedankengangs zu kommen, sage ich, daß aus der letztgenannten Überzeugung die Begründung und Rede von Blindheit und Erleuchtung dieser neun zu begreifen ist, die erst sehen, dann blind und schließlich erleuchtet sind; die erst Rivalen im Schatten und auf der Spur der göttlichen Schönheit, dann ganz und gar blind sind und schließlich sich friedlich des klarsten Lichts erfreuen. Während des ersten Zustandes befinden sie sich im Palast der Circe, die für die alles hervorbringende Materie steht und Tochter der Sonne genannt wird, weil sie von jenem Vater der Formen den Besitz aller Formen geerbt hat, die sie durch die Besprengung mit Wasser, das heißt im Akt der Zeugung, durch Zauberkraft, das heißt aufgrund verborgener Harmonie, ganz verwandelt, also jene blind macht, die sehen: denn Zeugung und Verwesung sind Ursache von Vergessen und Blindheit, wie es die Alten im Bilde der Seelen erklären, die sich mit dem Wasser der Lethe benetzen und berauschen. Wenn also die Blinden sich beklagen und sagen: Erzeugerin und Kind von Finsternis und Schrecken, ist die Bestürzung und Trauer der Seele gemeint, die ihre Flügel verloren hat und erst durch die Hoffnung, sie wiederzubekommen, besänftigt wird. Wenn Circe sagt: Nehmt ein an­ dres meiner Schicksalsgläser, ist gemeint, daß die Blinden den Beschluß

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ficato che seco portano il decreto e destino del suo cangiamento, il qual però è detto essergli porgiuto dalla medesima Circe; perché un contrario è originalmente nell’altro, quantumque non vi sia effettualmente: onde disse lei, che sua medesima mano non vale aprirlo, ma com ¦ metterlo. Significa ancora che son due sorte d’acqui: inferiori sotto il firmamento che acciecano, e superiori sopra il firmamento che illuminano: quelle che sono significate da Pitagorici e Platonici nel descenso da un tropico et ascenso da un altro. Là dove dice »Per largo e per profondo peregrinate il mondo, cercate tutti gli numerosi regni«, significa che non è progresso immediato da una forma contraria a l’altra, né regresso immediato da una forma a la medesima: però bisogna trascorrere, se non tutte le forme | che sono nella ruota delle specie naturali, certamente molte e molte di quelle. Là s’intendeno illuminati da la vista de l’oggetto, in cui concorre il ternario delle perfezzioni, che sono beltà, sapienza e verità, per l’aspersion de l’acqui che negli sacri libri son dette acqui de sapienza, fiumi d’acqua di vita eterna. Queste non si trovano nel continente del mondo, ma penitus toto divisim ab orbe, nel seno dell’Oceano, dell’Amfitrite, della divinità, dove è quel fiume che apparve revelato procedente dalla sedia divina, che have altro flusso che ordinario naturale. Ivi son le Ninfe, cioè le beate e divine intelligenze che assisteno et amministrano alla prima intelligenza, la quale è come la Diana tra le nimfe de gli deserti. Quella sola tra tutte l’altre è per la triplicata virtude, potente ad aprir ogni sigillo, a sciòrre ogni nodo, a discuoprir ogni secreto, e disserrar qualsivoglia cosa rinchiusa. Quella con la sua sola presenza e gemino splendore del bene e vero, di bontà e bellezza appaga le volontadi e gl’intelletti tutti: aspergendoli con l’acqui salutifere di ripurgazione. Qua è conseguente il canto e suono, dove son nove intelligenze, nove muse, secondo l’ordine de nove sfere; dove prima si contempla l’armonia di ciascuna, che è continuata con l’armo-

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und die Bestimmung ihrer Verwandlung mit sich tragen, sie ihnen aber, wie es explizit heißt, ebenfalls von Circe gegeben worden sind, denn jeder Gegensatz ist der Ursprung des anderen, selbst wenn er nicht wirksam wird. Deshalb sagt Circe, daß ihre eigene Hand das Glas der Verwandlung nicht öffnen, sondern nur überreichen kann. Weiter bedeutet es, daß es zwei Arten von Wasser gibt: niedere unter dem Himmelsgewölbe, die blind machen, und höhere über dem Himmelsgewölbe, die erleuchten, jene Wasser, die von den Pythagoräern und Platonikern gemeint werden, wenn sie vom Abstieg von dem einen Wendekreis und Aufstieg über den anderen sprechen. Ihre Worte Weit und breit durchwandert mir die Welt, sucht jedes einzelne der vielen Reiche auf bedeuten, daß es kein unmittelbares Fortschreiten von einer Form zu ihrem Gegensatz und kein unmittelbares Zurückgehen von einer Form zu derselben gibt. Vielmehr muß man wenn nicht alle Formen, die es im Kreislauf der natürlichen Erscheinungen gibt, so doch sicherlich sehr viele von ihnen durchlaufen. Da begreifen die neun, daß sie durch den Anblick des Gegenstands erleuchtet worden sind, der die Dreiheit des Vollkommenen in sich vereint, nämlich Schönheit, Weisheit und Wahrheit, indem sie mit dem Wasser besprengt wurden, das in den heiligen Büchern Wasser der Weisheit und Quellwasser des ewigen Lebens genannt wird. Es findet sich nicht auf dem Festland, sondern penitus toto divisim ab orbe, im Schoß des Ozeans, der Amphitrite, der Gottheit, dort, wo jener Fluß ist, von dem offenbar wurde, daß er dem göttlichen Thron entspringt, und dessen Lauf nicht der natürlichen Ordnung unterworfen ist. Dort sind die Nymphen, das heißt die glückseligen und göttlichen Vernunft­ wesen, die der ersten Vernunft beistehen und dienen, welche wie Diana unter den Nymphen der Einöde weilt. Sie allein von allen ist aufgrund ihrer dreifachen Tugend fähig, jedes Siegel zu brechen, jeden Knoten zu lösen, jedes Geheimnis zu lüften, und alles, was auch immer verschlossen ist, aufzuschließen. Sie stellt allein durch ihre Gegenwart und ihren doppelten Glanz des Guten und Wahren, der Güte und Schönheit jeden Willen und jede Vernunft zufrieden, indem sie sie mit dem heilbringenden Wasser der Läuterung benetzt. Daran schließt sich ein Gesang und Konzert an, in dem neun Vernunftwesen, neun Musen in der Reihenfolge der neun Sphären auftreten. Zuerst betrachtet man darin die Harmonie jeder einzelnen, die sich in der Harmonie der nächsten

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nia de l’altra; perché il fine et ultimo della superiore è principio e capo dell’inferiore, perché non sia mezzo e vacuo tra l’una et altra: ¦ e l’ultimo de l’ultima per via de circolazione concorre con il principio della prima. Perché medesimo è più chiaro e più occolto, principio e fine, altissima luce e profondissimo abisso, infinita potenza et infinito atto, secondo le raggioni e modi esplicati da noi in altri luoghi. Appresso si contempla l’armonia e conso | nanza de tutte le sfere, intelligenze, muse et instrumenti insieme; dove il cielo, il moto de’ mondi, l’opre della natura, il discorso de gl’intelletti, la contemplazion della mente, il decreto della divina providenza, tutti d’accordo celebrano l’alta e magnifica vicissitudine che agguaglia l’acqui inferiori alle superiori, cangia la notte col giorno, et il giorno con la notte, a fin che la divinità sia in tutto, nel modo con cui tutto è capace di tutto, e l’infinita bontà infinitamente si communiche secondo tutta la capacità de le cose. Questi son que’ discorsi, gli quali a nessuno son parsi più convenevoli ad essere addirizzati e raccomandati che a voi, Signor eccellente: a fin ch’io non vegna a fare, come penso aver fatto alcuna volta per poca advertenza, e molti altri fanno quasi per ordinario, come colui che presenta la lira ad un sordo et il specchio ad un cieco. A voi dumque si presentano, perché l’Italiano raggioni con chi l’intende; gli versi sien sotto la censura e protezzion d’un poeta; la filosofia si mostre ignuda ad un sì terso ingegno come il vostro; ¦ le cose eroiche siano addirizzate ad un eroico e generoso animo, di qual vi mostrate dotato; gli officii s’offrano ad un suggetto sì grato, e gli ossequii ad un signor talmente degno qualmente vi siete manifestato per sempre. E nel mio particolare vi scorgo quello che con maggior magnanimità m’avete prevenuto ne gli officii, che alcuni altri con riconoscenza m’abbiano seguitato. Vale. |

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fortsetzt, denn das Ende und Letzte der oberen ist Anfang und Beginn der unteren, damit kein Zwischenraum und keine Leere zwischen der einen und der nächsten sei. Und der letzte Vers der letzten Strophe stimmt infolge der Kreisbewegung mit dem Beginn der ersten überein. Denn das Hellste und das Dunkelste, Anfang und Ende, höchstes Licht und tiefster Abgrund, unendliches Vermögen und unendlicher Akt sind dasselbe, und zwar aus Gründen und auf Weisen, die wir an anderen Stellen erklärt haben. Sodann werden die Harmonie und der Zusammenklang betrachtet, die alle Sphären, Vernunftwesen, Musen und Instrumente zusammen ergeben; da feiern der Himmel, die Bewegung der Welten, die Werke der Natur, die Rede der Vernunft­wesen, die Betrachtungen des Geistes und die Bestimmung der göttlichen Vorsehung alle einmütig den erhabenen und großartigen Wandel, der die niederen Wasser den höheren gleichmacht, die Nacht mit dem Tag vertauscht und den Tag mit der Nacht, damit die Göttlichkeit in allem sei auf die Art, wie alles zu allem fähig ist, und damit die unendliche Güte sich je nach dem Fassungsvermögen der Dinge unendlich mitteile. Das sind die Erörterungen, die an keinen anderen als an Euch zu richten und Euch zu widmen angemessener schien, Euer Hochwohl­ geboren, damit ich nicht das wieder tue, was ich einige Male aus Unachtsamkeit getan zu haben meine und was viele andere gleichsam von Natur aus tun, nämlich dem Tauben eine Leier und dem Blinden einen Spiegel reichen. Euch seien sie also dargeboten, damit ich, der Italiener, mit jemandem rede, der ihn versteht; damit die Verse der Kritik und dem Schutz eines Dichters unterstehen; damit die Philosophie sich nackt einem reinen Geiste zeige, so rein, wie es der Eure ist; damit die heroische Thematik an einen heroischen und großmütigen Charakter gerichtet sei, mit dem Ihr Euch begabt zeigt; damit die Dienste einem so dankbaren Wesen und die Huldigungen einem so würdigen Herrn dargebracht werden, als die Ihr Euch immer erwiesen habt. Ich für meine Person habe in Euch jemanden gefunden, der sich mir mit höherer Großherzigkeit in seinen Gnaden zuvorkommend gezeigt hat, als einige andere mir in Dankbarkeit gefolgt sind. Lebet wohl.

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iscusazion del nolano alle più virtuose e leggiadre dame De l’Inghilterra o vaghe Ninfe e belle, non voi ha nostro spirt’ in schif’, e sdegna; né per mettervi giù suo stil s’ingegna, se non convien che femine v’appelle.   Né computar, né eccettuar da quelle, son certo che voi dive mi convegna: se l’influsso commun in voi non regna, e siete in terra quel ch’in ciel le stelle.   De voi, o Dame, la beltà sovrana nostro rigor né morder può, né vuole, che non fa mira a specie sopr’umana.   Lungi arsenico tal quindi s’invole, dove si scorge l’unica Diana, qual è tra voi quel che tra gli astri il sole.   L’ingegno, le parole el mio (qualumque sia) vergar di carte faranv’ ossequios’il studio e l’arte. ¦

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entschuldigung des nolaners bei den höchst sittsamen und anmutigen damen Oh, Englands lieblich schöne Nymphen, nicht Euch begegnet unser Geist mit Ekel und Verachtung, nicht Euch bemüht der Stift sich schlechtzumachen, denn Frauen Euch zu nennen, ziemt sich nicht.   Weder Euch dazuzuzählen, noch von ihnen auszunehmen wird Euch Göttinnen gerecht, ich weiß, denn gemeine Kräfte herrschen nicht in Euch, und Ihr seid auf Erden, was im Himmel sind die Sterne.   Eure, oh Ihr Damen, unumschränkte Schönheit kann und will nicht unsre Strenge geißeln, welche nicht auf übermenschlich’ Wesen zielt.   Fern entschwinde also solches Gift von dort, wo man die einzigartige Diana schaut: Sie ist unter Euch, was die Sonne unter den Gestirnen.   Der Geist, die Worte und die Blätter, die ich hier (womit auch immer) fülle, soll’n Euch huldigen, mit Eifer und mit Kunst.

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PR I M A PA RT E DE G L I E ROIC I F U ROR I DI A L O G O PR I MO

Interlocutori Tansillo, Cicada Tansillo  Gli furori dumque atti più ad esser qua primieramente locati e considerati, son questi che ti pono avanti secondo l’ordine a me parso più conveniente. ¦ Cicada  Cominciate pur a leggerli. Tansillo  1 Muse che tante volte ributtai,

importune correte a’ miei dolori, per consolarmi sole ne’ miei guai con tai versi, tai rime e tai furori, con quali ad altri vi mostraste mai, che de mirti si vantan et allori; 2   or sia appo voi mia aura, àncora e porto, | se non mi lice altrov’ir a diporto. ¦ 3   O monte, o dive, o fonte ov’abito, converso e mi nodrisco; dove quieto imparo et imbellisco;   alzo, avviv’, orno, il cor, il spirto e fronte: morte, cipressi, inferni cangiate in vita, in lauri, in astri eterni.

 1. È da credere che più volte e per più caggioni le ributtasse, tra le quali possono esser queste. Prima perché, come deve il sacerdote de le muse, non ha possut’esser ocioso: perché l’ocio non può trovarsi là dove si combatte contra gli ministri e servi de l’invidia, ignoranza e mali ¦ gni-

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ERSTER TEIL DE R H E ROI S C H E N L E I DE N S C H A F T E N

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E R S T E R DI A L O G

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Gesprächspartner Tansillo, Cicada

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Tansillo  Die Leidenschaften also, die besonders geeignet sind, am Anfang zu stehen und als erste betrachtet zu werden, stelle ich dir nun in der Reihenfolge vor, wie sie mir am angemessensten erschienen ist. Cicada  Beginnt nur zu lesen. Tansillo 

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1 Musen, die so häufig ich zurückgestoßen,

aufdringlich laufet ihr herbei in meinem Schmerz, um als einzige in meinem Elend mich zu trösten mit solchen Versen, Reimen, Leidenschaften, mit denen ihr euch andern niemals zeigtet, die sich der Myrte und des Lorbeers rühmen. 2   Nun sei bei euch mir Windhauch, Anker, Hafen, wenn anderswo mir Atempausen nicht vergönnt sind. 3   Oh Berg, oh Göttinnen, oh Quell, Ort, wo ich Wohnung, Umgang, Nahrung finde, wo Ruh’ ich halte, lerne, schöner werde,   hier erheb’, beleb’ und schmück’ ich Herz, Geist, Stirn: Tod, Zypressen, Höllen verwandelt ihr in Leben, Lorbeer, ewige Sterne.



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1. Man muß annehmen, daß er mehrmals die Musen zurückgestoßen hat, und zwar aus verschiedenen Gründen, unter denen folgende sein können: Erstens, weil er nicht die Muße finden konnte, die ein Priester der Musen nötig hat. Man kann nämlich keine Muße finden, solange man sich mit den Dienern und Knechten von Neid, Dummheit und

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tade. Secondo, per non assistergli degni protectori e defensori che l’assicurassero, iuxta quello: Non mancaranno, o Flacco, gli Maroni, se penuria non è de Mecenati.

Appresso per trovarsi ubligato alla contemplazion, e studi de filosofia: li quali se non son più maturi, denno però come parenti de le Muse esser predecessori a quelle. Oltre perché traendolo da un canto la tragica Melpomene con più materia che vena, e la comica Talia con più vena che materia da l’altro, accadeva che l’una suffurandolo a l’altra, lui rimanesse in mezzo più tosto neutrale e sfacendato, che comunmente negocioso. Finalmente per l’autorità de censori che ritenendolo da cose più degne et alte, ¦ alle quali era naturalmente inchinato, cattivavano il suo ingegno: perché da libero sotto la virtù lo | rendesser cattivo sott’una vilissima e stolta ipocrisia. Al fine nel maggior fervor de fastidi nelli quali incorse, è avvenuto che non avend’altronde da consolarsi, accettasse l’invito di costoro, che son dette inebriarlo de tai furori, versi e rime, con quali non si mostraro ad altri: perché in quest’opra più riluce d’invenzione che d’imitazione. Cicada  Dite: che intende per quei che si vantano de mirti et allori? Tansillo  Si vantano e possono vantarsi de mirto quei che cantano d’amori: alli quali (se nobilmente si portano) tocca la corona di tal pianta consecrata a Venere, dalla quale riconoscono il furore. Possono vantarsi d’allori quei che degnamente cantano cose eroiche, instituendo gli animi eroici per la filosofia speculativa e morale, overamente celebrandoli e mettendoli per specchio exemplare a gli gesti politici e civili. Cicada  Dumque son più specie de poeti e de corone?

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Niedertracht herumschlägt. Zweitens, weil ihm keine würdigen Förderer und Schutzherren zur Seite standen, die ihm Sicherheit geboten hätten. Wie heißt es doch? 7

Es werden, Flaccus, die Vergils nicht fehlen, wenn nur kein Mangel an Mäzenen ist.

Sodann, weil er sich zur Kontemplation und zu philosophischen Studien verpflichtet fühlte, die, auch wenn sie nicht reifer sind, den Musen als deren Eltern vorangehen müssen. Weiter, weil ihn auf der einen Seite die tragische Melpomene mit mehr Stoff als Begabung und die komische Thalia mit mehr Begabung als Stoff auf der anderen Seite zog, blieb er, während ihn die eine der anderen entriß, in der Mitte, zu keiner Seite geneigt und untätig, anstatt sich mit beiden zu beschäftigen. Schließlich aufgrund der Macht der Zensoren, die ihn von würdigeren und erhabeneren Dingen abhielten, zu denen er naturgemäß neigte, und seine Begabung gefangennahmen, um aus dem freien Diener der Tugend einen Gefangenen gemeinster und dummer Heuchelei zu machen. Zuletzt, als der ihm bereitete Verdruß seinen Höhepunkt erreicht hatte, geschah es, daß er, da er nichts anderes hatte, um sich zu trösten, die Einladung der Musen annahm, die ihn angeblich mit Leidenschaften, Versen und Reimen trunken machen, mit denen sie sich anderen nicht gezeigt haben. So glänzt dieses Werk mehr durch Erfindung als durch Nachahmung. Cicada  Sagt, was meint er mit den Leuten, die sich der Myrte und des Lorbeers rühmen? Tansillo  Wer von Liebe singt, schmückt sich und schmückt sich zu Recht mit Myrte. Solchen Dichtern gebührt (wenn sie sich edel verhalten) der Kranz aus der Pflanze, die der Venus heilig ist, zu deren Leidenschaft sie sich bekennen. Mit Lorbeer können sich diejenigen zieren, die in würdiger Weise von heroischen Gegenständen singen, entweder indem sie mit metaphysischen und moralischen Betrachtungen hero­ische Charaktere heranbilden oder aber indem sie diese als Beispiele feiern und den politischen und gesellschaftlichen Handlungen wie einen Spiegel vorhalten. Cicada  Also gibt es verschiedene Arten von Dichtern und von Kränzen?

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Tansillo  Non solamente quante son le muse, ma e di gran numero di vantaggio: perché quantumque sieno certi geni, non possono però esser determinate certe specie e modi d’ingegni umani. Cicada  Son certi regolisti de poesia che a gran pena passano per poeta Omero, riponendo Vergilio, Ovidio, Marziale, Exiodo, Lucrezio et altri molti in numero de versificatori, examinandoli per le regole de la | 67 Poetica d’Aristotele. ¦ | Tansillo  Sappi certo, fratel mio, che questi son vere bestie: perché non considerano quelle regole principalmente servir per pittura dell’omerica poesia o altra simile in particolare; e son per mostrar tal volta un poeta eroico tal qual fu Omero, e non per instituir altri che potrebbero essere, con altre vene, arti e furori, equali, simili e maggiori, de diversi geni. Cicada  Sì che come Omero nel suo geno non fu poeta che pendesse da regole, ma è causa delle regole che serveno a coloro che son più atti ad imitare che ad inventare; e son state raccolte da colui che non era poeta di sorte alcuna, ma che seppe raccogliere le regole di quell’una sorte, cioè dell’omerica poesia, in serviggio di qualch’uno che volesse doventar non un altro poeta, ma un come Omero: non di propria musa, ma scimia de la musa altrui. Tansillo  Conchiudi bene, che la poesia non nasce da ¦ le regole, se non per leggerissimo accidente; ma le regole derivano da le poesie: e però tanti son geni e specie de vere regole, quanti son geni e specie de veri poeti. Cicada  Or come dumque saranno conosciuti gli veramente poeti? Tansillo  Dal cantar de versi: con questo, che cantando o vegnano a delettare, o vegnano a giovare, o a giovare e delettare insieme. Cicada  A chi dumque serveno le regole d’Aristotele? Tansillo  A chi non potesse come Omero, Exiodo, Orfeo et altri poe­ tare senza le regole | d’Aristotele; e che per non aver propria musa, | 69 vuolesse far l’amore con quella d’Omero.

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Tansillo  Nicht nur so viele, wie es Musen gibt, sondern wesentlich mehr. Denn mag es auch bestimmte Gattungen geben, so sperren sich doch einige Arten und Formen menschlicher Begabungen gegen die Einordnung. Cicada  Gewisse Leute stellen Dichtungsregeln auf, nach denen sie Homer nur mit großer Mühe als Dichter gelten lassen, während sie Vergil, Ovid, Martial, Hesiod, Lukrez und viele andere auf den Rang von Verseschmieden zurücksetzen – aufgrund einer Prüfung nach den Regeln der aristotelischen Poetik. Tansillo  Wisse nur, mein Bruder, daß dies wahre Bestien sind. Denn sie bedenken nicht, daß jene Regeln in erster Linie zur Beschreibung der homerischen Poesie dienen oder einer anderen, die ihr besonders ähnlich ist. Manchmal können sie zeigen, daß einer ein epischer Dichter ist, wie Homer es war. Aber sie sind nicht dazu da, andere anzuleiten, die vielleicht zu verschiedenen Gattungen gehören und ganz andere Begabungen, Fähigkeiten und Leidenschaften von gleichem, ähnlichem oder höherem Wert haben. Cicada  Es ist so, daß Homer in seinem Genre als Dichter nicht von Regeln abhängig war, sondern Ursache der Regeln, die nun jenen dienen, die besser zum Nachahmen als zum Erfinden geeignet sind; diese Regeln sind von einem gesammelt worden, der selbst kein Dichter irgendeiner Art war, sondern die Regeln dieser einen Art zu sammeln verstand, nämlich die der homerischen Poesie, als Hilfe für jemanden, der nicht ein neuer Dichter, sondern ein Dichter wie Homer werden wollte, nicht von eigener Muse geküßt, sondern ein Affe fremder Muse. Tansillo  Deine Schlußfolgerungen treffen zu: die Dichtung entsteht nicht aus den Regeln – von gänzlich unbedeutenden Nebensächlichkeiten abgesehen –, sondern die Regeln leiten sich aus den Dichtungen ab. Deshalb gibt es so viele Gattungen und Arten wahrer Regeln, wie es Gattungen und Arten wahrer Dichter gibt. Cicada  Wie lassen sich nun die wahren Dichter erkennen? Tansillo  Indem man ihre Verse singt: ob sie beim Singen entweder erfreuen oder nützen oder auch gleichzeitig erfreuen und nützen. Cicada  Wem nützen also die Regeln des Aristoteles? Tansillo  Dem, der nicht wie Homer, Hesiod, Orpheus und andere ohne die Regeln des Aristoteles dichten kann; den keine eigene Muse küßt und der darum mit jener des Homer buhlen möchte.

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Cicada  Dumque han torto certi pedantacci de tempi nostri, che excludeno dal numero de poeti alcuni, o perché non apportino favole e metafore conformi, o perché non hanno principii de libri e canti conformi a quei d’Omero e Vergilio, o perché non osservano la consuetudine di far l’invocazione, o perché intesseno una istoria o favola con l’altra, o perché non finiscono gli canti epilogando di quel ch’è detto e proponendo per quel ch’è da dire; e per mille altre ¦ maniere d’examine, per censure e regole in virtù di quel testo. Onde par che vogliano conchiudere che essi loro a un proposito (se gli venesse de fantasia) sarrebono gli veri poeti, et arrivarebbono là, dove questi si forzano: e poi in fatto non son altro che vermi che non san far cosa di buono, ma son nati solamente per rodere, insporcare e stercorar gli altrui studi e fatiche; e non possendosi render celebri per propria virtude et ingegno, cercano di mettersi avanti o a dritto o a torto per altrui vizio et errore. Tansillo  Or per tornar là d’onde l’affezzione n’ha fatto alquanto a lungo digredire: dico che sono e possono essere tante sorte de poeti, quante possono essere e sono maniere de sentimenti et invenzioni umane, alli quali son possibili d’adattarsi ghirlande non solo da tutti geni e specie de piante, ma et oltre d’altri geni e specie di materie. Però corone a’ poeti non si fanno solamente de mirti e lauri: ma anco de pampino per versi fescennini, d’edera per baccanali, d’oliva per sacrifici e leggi; di pioppa, olmo e spighe | per l’agricoltura; de cipresso per | 71 funerali: e d’altre innumerabili per altre tante occasioni. E se vi piacesse anco di quella materia che mostrò un galant’uomo quando disse:



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Cicada  Also haben gewisse üble Pedanten unserer Zeit unrecht, die aus der Zahl der Dichter einige ausschließen, sei es, weil sie keine Erzählungen oder Metaphern vorlegen, die Homer oder Vergil nachgebildet sind, sei es, weil ihre Bücher oder Gesänge keine entsprechenden Anfänge haben, sei es, weil sie nicht den Brauch der Musenanrufung befolgen, weil sie eine Geschichte oder Mär mit einer anderen verweben, weil sie ihre Gesänge nicht mit einem Epilog über das, was gesagt worden ist, und einem Ausblick über das, was nun folgt, beenden und aufgrund tausend anderer Prüfkriterien, Einschränkungen und Regeln, die auf jener Poetik fußen. Sie scheinen daraus schließen zu wollen, daß sie selbst gegebenenfalls (sollte es ihnen jemals in den Sinn kommen, sich im Dichten zu versuchen) die wahren Dichter wären und das erreichten, worum sich jene nur bemühen. Dabei sind sie in Wirklichkeit nichts anderes als Würmer, die nichts Gutes zustande bringen können, sondern allein dazu geboren sind, die Bestrebungen und Mühen der anderen zu schmälern, in den Schmutz zu ziehen und mit Dreck zu bewerfen. Unfähig, sich aufgrund von Vorzügen des eigenen Charakters und Geistes auszuzeichnen, suchen sie sich durch tatsächliche oder auch nur behauptete Laster und Fehler der anderen in den Vordergrund zu rücken. Tansillo  Um nun wieder an den Punkt zurückzukehren, von dem uns die Gefühlsaufwallung recht weit hat abschweifen lassen: Ich behaupte, da es so viele Arten von Dichtern gibt und geben kann, wie es Formen des menschlichen Empfindens und Erfindens gibt und geben kann, und für alle diese lassen sich geeignete Kränze nicht nur aus allen Gattungen und Arten von Pflanzen winden, sondern darüber hinaus auch aus den Gattungen und Arten anderer Materialien herstellen. Dichterkränze werden nämlich nicht nur aus Myrte und Lorbeer gemacht, sondern auch aus Weinlaub für unanständige Spottlieder, aus Efeu für Bacchanale, aus Olivenzweigen für Opfersprüche und Gesetze, aus Zweigen von Pappel und Ulme und aus Ähren für Werke über die Landwirtschaft, aus Zypressen für Totenlieder und aus unzähligen anderen Pflanzen für ebensoviele andere Gelegenheiten. Und meinetwegen auch aus jenem Material, von dem folgende Verse eines Ehrenmannes sprechen:

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O fra Porro poeta da scazzate, ch’a Milano t’affibbi la ghirlanda di boldoni, busecche e cervellate. ¦ Cicada  2. Or dumque sicuramente costui per diverse vene che mostra in diversi propositi e sensi, potrà infrascarsi de rami de diverse piante, e potrà degnamente parlar con le »Muse«: perché sia appo loro sua »aura« con cui si conforte, »àncora« in cui si sustegna, e »porto« al qual si retire nel tempo de fatiche, exagitazioni e tempeste. 3. Onde dice: »O monte« Parnaso dove »abito«, Muse con le quali »converso«, »fonte« eliconio o altro dove mi »nodrisco«: monte che mi doni quieto alloggiamento, Muse che m’inspirate profonda dottrina, fonte che mi fai ripolito e terso; monte dove ascendendo »inalzo« il core; Muse con le quali versando »avvivo« il »spirito«; fonte sotto li cui arbori poggiando adorno la »fronte«; »cangiate« la mia »morte« in »vita«, gli miei »cipressi« in »lauri«, e gli miei »inferni« in cieli: cioè destinatemi immortale, fatemi poeta, rendetemi illustre, mentre canto di morte, cipressi et inferni. Tansillo  Bene, perché a color che son favoriti dal cielo, gli più gran mali si converteno in beni tanto maggiori: perché le necessitadi parturiscono le fatiche e studi, e questi per il più de le volte la gloria d’im| 73 mortal splendore. | Cicada  E la morte d’un secolo, fa vivo in tutti gli altri. Séguita. Tansillo  Dice appresso:  1 In luogo e forma di Parnaso ho ’l core,



dove per scampo mio convien ch’io monte; son mie muse i pensier ch’a tutte l’ore mi fan presenti le bellezze conte; ¦ onde sovente versan gli occhi fore lacrime molte, ho l’Eliconio fonte: per tai montagne, per tai ninfe et acqui, com’ha piaciut’ al ciel poeta nacqui.

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Oh Bruder Lauch, du Dichter blanken Unsinns, in Mailand sollst du dich mit einem Kranz aus Blutwurst, Bregen und Gekröse schmücken. Cicada  2. Sicherlich kann sich unser Dichter, der bewiesen hat, eine Ader für in Thema und Tonlage unterschiedliche Dichtungen zu haben, mit Zweigen verschiedener Pflanzen behängen, und er ist würdig, mit den Musen zu sprechen, auf daß bei ihnen für ihn der Windhauch sei, mit dem er sich stärkt, der Anker, an dem er sich festhält, und der Hafen, in den er sich in Zeiten der Mühsal, Aufregungen und Stürme zurückzieht. 3. Deshalb sagt er: Oh Berg Parnassus, wo ich Wohnung finde, Musen, mit denen ich Umgang pflege, Quell Helikon (oder ein anderer), an dem ich Nahrung finde; Berg, der du mir ruhige Heimstatt schenkst, Musen, die ihr mir tiefe Lehre eingebt, Quell, der du mich rein und klar machst; Berg, den hinaufsteigend ich mein Herz erhebe, Musen, deren Gesellschaft meinen Geist belebt, Quell, unter dessen Bäumen kauernd ich meine Stirn schmücke: Verwandelt meinen Tod in Leben, meine Zypressen in Lorbeer und meine Höllen in Himmel; bestimmt mich also für die Unsterblichkeit, macht mich zum Dichter, laßt mich berühmt werden, während ich von Tod, Zypressen und Höllen singe. Tansillo  Ja, denn den Lieblingen des Himmels verwandelt sich das größte Übel in noch größeres Gut: Denn die Notwendigkeit erzeugt Mühe und Anstrengung und diese meist den Ruhm unsterblichen Glanzes. Cicada  Und wen ein Jahrhundert zum Tode verurteilt, der lebt in allen übrigen. Lies weiter. Tansillo  Dann sagt er:  1 An Statt und in Gestalt des Bergs Parnassus habe ich mein Herz,



das, um Rettung zu erlangen, ich besteigen muß. Meine Musen sind jene Gedanken, die zu jeder Stunde mir erles’ne Schönheiten vergegenwärtigen. Wo aus den Augen häufig viele Tränen fließen, ist mein Quell des Helikon: Kraft solcher Gipfel, Nymphen, Wasser bin, wie dem Himmel es gefiel, als Dichter ich geboren.

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prima parte · dialogo primo

962 ¦ 963

2   Or non alcun de reggi,

non favorevol man d’imperatore, non sommo sacerdot’ e gran pastore, mi dien tai grazie, onori e privileggi;   ma di lauro m’infronde mio cor, gli miei pensieri, e le mie onde.

 1. Qua dechiara: prima qual sia il suo monte, dicendo esser l’alto affetto del suo »core«; secondo, quai sieno le sue »muse«, dicendo esser le »bellezze« e prorogative del suo oggetto; terzo, quai sieno gli fonti, e questi dice esser le »lacrime«. In quel monte s’accende l’affetto; da quelle bellezze si concepe il furore; e da quelle lacrime il furioso affetto si dimostra. 2. Cossì se stima di non posser essere meno illustremente coronato per via del suo core, pensieri e lacrime, che altri per man de »regi«, imperadori e papi. | Cicada  Dechiarami quel ch’intende per ciò che dice: »il core in forma di Parnaso«. Tansillo  Perché cossì il cuor umano ha doi capi che vanno a terminarsi a una radice, e spiritualmente da uno affetto del core procede l’odio et amore di doi contrarii: come have sotto due teste una base il monte Parnaso. Cicada  A l’altro. Tansillo  Dice:  1 Chiama per suon di tromb’ il capitano

tutti gli suoi guerrier sott’un’insegna; ¦ dove s’avvien che per alcun in vano udir si faccia, perché pronto vegna, qual nemico l’uccide, o a qual insano gli dona bando dal suo camp’ e ’l sdegna: cossì l’alm’ i dissegni non accolti sott’un stendardo, o gli vuol morti, o tolti. 2   Un oggetto riguardo, chi la mente m’ingombr’, è un sol viso,

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erster teil · erster dialog 53

2   Nicht ein einziger der Könige,

nicht gnadenvolle Herrscherhand, nicht der höchste Priester und kein Oberhirte könnte mir solche Gnaden, Ehren, Privilegien schenken;   indes bekränzen mich mit Lorbeer mein Herz, meine Gedanken, meine Tränenströme.



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1. Hier erklärt er zuerst, was sein Berg ist, nämlich das erhabene Gefühl seines Herzens; zweitens, was seine Musen sind, nämlich die Schönheiten und Reize seines Objektes; drittens, welches die Quellen sind, nämlich die Tränen. In diesem Berg entbrennt das Gefühl; durch diese Schönheiten empfängt man die Leidenschaft, und in diesen Tränen zeigt sich das leidenschaftliche Gefühl. 2. Infolgedessen glaubt der Leidenschaftliche von sich, nicht weniger ruhmvoll durch sein Herz, seine Gedanken und Tränen gekrönt zu werden als andere durch die Hand von Königen, Herrschern und Päpsten. Cicada  Erkläre mir, was er meint, wenn er von einem Herzen in Gestalt des Bergs Parnassus spricht. Tansillo  Wie das menschliche Herz zwei Gipfel hat, die in einer Wurzel auslaufen, und wie aus einem Gefühl des Herzens geistig Haß und Liebe zweier Gegensätze entstehen, so hat der Berg Parnassus unter zwei Kuppen einen Fuß. Cicada  Nun zum nächsten Gedicht. Tansillo  Er sagt:  1 Es rufet mit Trompetenschall der Hauptmann

all’ seine Krieger unter eine Fahne; Wenn er dort für einen dann umsonst sich hören läßt, damit er unverzüglich komme, bringt er ihn um als Feind, oder als Irren schickt er ihn in Verbannung und verachtet ihn: so will die Seele die Gedanken, die sich nicht versammeln unter dem einen Banner, entweder tot oder beseitigt wissen. 2   Ein einziges Objekt betrachte ich; was meinen Geist zur Gänze ausfüllt, ist ein einziges Gesicht,

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prima parte · dialogo primo

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ad una beltà sola io resto affiso, chi sì m’ha punt’ il cor è un sol dardo,   per un sol fuoco m’ardo, e non conosco più ch’un paradiso.

 1. Questo »capitano« è la voluntade umana che siede in poppa de l’anima, con un picciol temone de la raggione governando gli affetti d’alcune potenze | inferiori, contra l’onde de gli émpiti naturali. Egli con il »suono de la tromba«, cioè della determinata elezzione, chiama »tutti gli guerrieri«, cioè provoca tutte le potenze (le quali s’appellano guerriere per esserno in continua ripugnanza e contrasto) o pur gli effetti di quelle, che son gli contrarii pensieri; de quali altri verso l’una, altri verso l’altra parte inchinano: e cerca constituirgli tutti »sott’un’insegna« d’un determinato fine. Dove s’accade ch’alcun d’essi vegna chiamato in vano a farsi prontamente vedere ossequioso (massime quei che procedeno dalle potenze naturali quali o nullamente o poco ubediscono alla raggione), al meno forzandosi d’impedir gli loro atti, e dannar quei che non possono essere impediti, viene a mostrarsi come uccidesse quelli, e donasse bando a questi: procedendo contra gli altri con la spada de l’ira, et altri con la sferza del sdegno. ¦ 2. Qua un »oggetto riguarda«, a cui è volto con l’intenzione. Per »un viso« con cui s’appaga »ingombra la mente«. »In una sola beltade« si diletta e compiace; e dicesi »restarvi affiso«, perché l’opra d’intelligenza non è operazion di moto, ma di quiete. E da là solamente concepe quel »dardo« che l’uccide, cioè che gli constituisce l’ultimo fine di perfezzione. »Arde per un sol fuoco«, cioè dolcemente si consuma in uno amore. Cicada  Perché l’amore è significato per il fuoco? Tansillo  Lascio molte altre caggioni, bastiti per ora questa: perché cossì la cosa amata l’amore converte ne l’amante, come il fuoco tra tutti

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erster teil · erster dialog 55

an einer einzigen Schönheit bleib’ ich haften; was mich genau im Herz getroffen hat, ist ein einziger Pfeil.   In einem einzigen Feuer brenne ich, und kenne fortan nur ein einziges Paradies.

 12

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1. Dieser Hauptmann ist der menschliche Wille, der auf dem Achterdeck der Seele sitzt und mit dem kleinen Steuer des Verstandes die Äußerungen gewisser niederer Vermögen unter Kontrolle hält gegen die Wellen der Naturgewalten. Er ruft mit Trompetenschall, das heißt aufgrund einer getroffenen Entscheidung, all’ seine Krieger, das heißt, er mobilisiert alle seine Kräfte (diese werden Krieger genannt, weil sie im ständigen Kampf und Widerspruch miteinander stehen) oder auch die Wirkungen dieser Kräfte, welche die gegensätzlichen Gedanken sind, von denen einige zur einen, andere zur anderen Seite neigen. Und er versucht, sie alle unter einer Fahne, unter einem bestimmten Ziel antreten zu lassen. Wenn manche von ihnen nun vergeblich gerufen werden, um sich sofort ehrerbietig blicken zu lassen (meistens jene, die auf Naturtriebe zurückzuführen sind, die gar nicht oder selten dem Verstand gehorchen), macht er zumindest Anstalten, als wenn er diese töten und jene verbannen wollte, um ihr Treiben zu verhindern, und die zu verurteilen, die nicht gehindert werden können; und so geht er gegen die einen mit dem Schwert des Zorns, gegen die anderen mit dem Geißel der Verachtung vor. 2. Ein einziges Objekt betrachtet er nun, auf das er seinen Willen gerichtet hat. Mit einem einzigen Gesicht, das ihm Befriedigung verschafft, ist sein Geist zur Gänze ausgefüllt. An einer einzigen Schönheit findet er Gefallen und erfreut er sich, und er sagt von sich, daß er dort haften bleibe, denn die Tätigkeit der Einsichtskraft vollzieht sich nicht in der Bewegung, sondern in der Ruhe. Und einzig von dort empfängt er jenen Pfeil, der ihn tötet, der für ihn also das letzte Ziel der Vollendung darstellt. Er brennt in einem einzigen Feuer, das heißt, er verzehrt sich süß in einer einzigen Liebe. Cicada  Warum wird die Liebe vom Feuer versinnbildlicht? Tansillo  Ich lasse viel andere Gründe beiseite; vorläufig soll dir dieser eine genügen: Die Liebe verwandelt den Gegenstand der Liebe in

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prima parte · dialogo primo

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gli elementi attivissimo è potente a convertere tutti quell’altri semplici e composti in se stesso. | Cicada  Or séguita. Tansillo  »Conosce un paradiso«: cioè un fine principale, perché paradiso comunmente significa il fine, il qual si distingue in quello ch’è absoluto, in verità et essenza, e l’altro che è in similitudine, ombra e participazione. Del primo modo non può essere più che uno, come non è più che uno l’ultimo et il primo bene. Del secondo modo sono infiniti.

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 Amor, sorte, l’oggetto e gelosia, m’appaga, affanna, content’ e sconsola; il putto irrazional, la cieca e ria, l’alta bellezza, la mia morte sola: mi mostr’ il paradis’, il toglie via, ogni ben mi presenta, me l’invola; tanto ch’il cor, la mente, il spirto, l’alma, ha gioia, ha noia, ha refrigerio, ha salma. ¦   Chi mi torrà di guerra? Chi mi farà fruir mio ben in pace? Chi quel ch’annoia e quel che sì mi piace ……………………………………..   farà lungi disgionti, per gradir le mie fiamme e gli miei fonti?

 Mostra la caggion et origine onde si concepe il furore e nasce l’entusiasmo, per solcar il campo de le muse, spargendo il seme de suoi pensieri, aspirando a l’amorosa messe, scorgendo in sé il fervor de gli affetti in vece del sole, e l’umor de gli occhi in luogo | de le piogge. Mette quattro cose avanti: l’»amore«, la »sorte«, l’»oggetto«, la »gelosia«. Dove l’amore non è un basso, ignobile et indegno motore, ma un eroico signor e duce

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erster teil · erster dialog 57

den Liebenden, so wie das Feuer, das unter allen Elementen das regste ist, die Macht hat, alle anderen einfachen und zusammengesetzten Stoffe in sich selbst zu verwandeln. Cicada  Nun fahre fort. Tansillo  Er kennt ein Paradies, also ein Hauptziel. Paradies bedeutet nämlich im allgemeinen das Ziel, wobei man zwischen einem in Wahrheit und Sein absoluten und einem, das in Gleichnis, Schatten und Teilhabe besteht, unterscheidet. Von der ersten Art kann es nicht mehr geben als eines, wie es nicht mehr als ein letztes und erstes Gut gibt. Von der zweiten Art gibt es unendlich viele. 

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Liebe, Schicksal, Gegenstand und Eifersucht sind mir Erfüllung, Qual, Befriedigung, Verzweiflung; Knabe voll Unvernunft, das Schicksal blind und grausam, die edle Schönheit, mein allein’ger Tod, zeigt mir das Paradies, entzieht es mir, macht jedes Gut mir gegenwärtig, raubt’s mir wieder, so daß Herz, Vernunft, Geist, Seele Freude, Unmut, Labsal, Last empfinden.   Wer wird mich aus dem Krieg befreien? Wer wird mein Gut in Frieden mich genießen lassen? Was mich stört und was mir so gefällt, ……………………………………..   wer wird es Meilen auseinanderbringen, um meinen Flammen, meinen Quellen wohlzutun?

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Er zeigt den Grund und Ursprung, aus dem die Leidenschaft empfangen und der Enthusiasmus geboren wird, um das Feld der Musen zu pflügen und die Saat seiner Gedanken auszustreuen, wobei man auf die Ernte der Liebe hofft und in sich selbst die Glut der Gefühle als Stellvertreter der Sonne und die Flüssigkeit der Augen als Ersatz für den Regen entdeckt. Er führt vier Dinge an: Liebe, Schicksal, Gegenstand und Eifer­sucht. Die Liebe ist hier kein niederer, unedler und nichtswürdiger Antrieb, sondern sein heroischer Gebieter und Führer. Das Schicksal

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prima parte · dialogo primo

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de lui; la sorte non è altro che la disposizion fatale et ordine d’accidenti alli quali è suggetto per il suo destino; l’oggetto è la cosa amabile, et il correlativo de l’amante; la gelosia è chiaro che sia un zelo de l’amante circa la cosa amata, il quale non bisogna donarlo a intendere a chi ha gustato amore, et in vano ne forzaremo dechiararlo ad altri. L’amore »appaga«: perché a chi ama, piace l’amare; e colui che veramente ama non vorrebbe non amare. Onde non voglio lasciar de referire quel che ne mostrai in questo mio sonetto: Cara, suave et onorata piaga del più bel dardo che mai scelse amore; alto, leggiadro e precioso ardore, che gir fai l’alma di sempr’arder vaga: ¦   qual forza d’erba e virtù d’arte maga ti torrà mai dal centro del mio core, se chi vi porge ogn’or fresco vigore quanto più mi tormenta, più m’appaga?   Dolce mio duol, novo nel mond’ e raro, quando del peso tuo girò mai scarco, s’il rimedio m’è noia, e ’l mal diletto?   Occhi, del mio signor facelle et arco, doppiate fiamme a l’alma e strali al petto, poich’il languir m’è dolce e l’ardor caro.

La sorte »affanna« per non felici e non bramati successi, o perché faccia stimar il suggetto men degno de la fruizion de l’oggetto, e men proporzio | nato a la dignità di quello; o perché non faccia reciproca correlazione, o per altre caggioni et impedimenti che s’attraversano. L’oggetto »contenta« il suggetto, che non si pasce d’altro, altro non cerca, non s’occupa in altro, e per quello bandisce ogni altro pensiero. La gelosia »sconsola«, perché quantumque sia figlia dell’amore da cui deriva, compagna di quello con cui va sempre insieme, segno del medesimo,

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ist nichts anderes als die vorbestimmte Reihung und Aufstellung von Umständen, denen er seiner Bestimmung nach unterworfen ist. Der Gegenstand ist das liebenswerte Ding und steht mit dem Liebenden in wechselseitiger Beziehung. Die Eifersucht ist bekanntlich ein Eifer des Liebenden um den Gegenstand seiner Liebe: Wer jemals Liebe gekostet hat, dem braucht dies nicht erklärt zu werden – bei anderen ist es vergebliche Mühe. Die Liebe schenkt Erfüllung: Denn wer liebt, liebt gern, und wer wahrhaft liebt, wünschte sich nicht, nicht zu lieben. Deshalb will ich nicht ungesagt lassen, was ich selbst zu diesem Thema im folgenden Sonett dargelegt habe: 17

Teure, süße, ehrenvolle Wunde des schönsten Pfeils, den Amor jemals auserkor; edles, zartes, wertes Brennen, das du der Seele Sehnsucht, stets zu brennen, weckst;   welche Kräuterkraft und Stärke schwarzer Kunst wird dich der Mitte meines Herzens je entreißen, wenn das doch, was dort allzeit frische Kraft verleiht, je mehr’s mich quält, mich desto mehr zufriedenstellt?   Mein süßer Schmerz, neu in der Welt und selten, wann werd’ ich je von deiner Last befreit wohl gehen, wenn doch die Heilung mir Verdruß, das Übel Freude ist?   Ihr Augen, Fackeln meines Herren und sein Bogen, verdoppelt noch die Zahl der Flammen in der Seele und der Pfeile in da ja das Schmachten süß mir und das Brennen teuer ist. [ der Brust,

Das Schicksal bereitet Qual mit unglücklichen und unerwünschten Ereignissen: denn entweder läßt es das Subjekt nicht wert erscheinen, in den Genuß des Objekts zu kommen, weil es die dem Objekt angemessene Würde nicht hat, oder es läßt die Gegenliebe fehlen, oder andere Gründe und Hindernisse kommen dazwischen. Das Objekt schenkt dem Subjekt Befriedigung, das sich an nichts anderem weidet, nichts anderes sucht, sich mit nichts anderem beschäftigt und deshalb jeden anderen Gedanken von sich weist. Die Eifersucht führt zur Verzweiflung: denn obwohl sie als Tochter der Liebe von ihr abstammt, als ihre Begleiterin stets mit ihr zusammen auftritt, ein Zeichen der Liebe ist,

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perché quello s’intende per necessaria consequenza dove lei si dimostra (come sen può far esperienza nelle generazioni intiere, che per freddezza di regione, e tardezza d’ingegno, meno apprendono, poco amano, e niente hanno di gelosia), tutta volta con la sua figliolanza, compagnia e significazione vien a perturbar et attossicare tutto quel che si trova di bello e buono nell’amore. Là onde dissi in un altro mio sonetto: O d’invidia et amor figlia sì ria, che le gioie del padre volgi in pene, caut’Argo al male, e cieca talpa al bene, ministra di tormento, gelosia; ¦   Tisifone infernal fetid’Arpia, che l’altrui dolce rapi et avvelene, austro crudel per cui languir conviene il più bel fior de la speranza mia;   fiera da te medesma disamata, augel di duol non d’altro mai presago, pena, ch’entri nel cor per mille porte:   se si potesse a te chiuder l’entrata, tant’il regno d’amor saria più vago, quant’il mondo senz’odio e senza morte. |

Giongi a quel ch’è detto che la gelosia non sol tal volta è la morte e ruina de l’amante, ma per le spesse volte uccide l’istesso amore, massime quando parturisce il sdegno: percioché viene ad essere talmente dal suo figlio affetta, che spinge l’amore e mette in dispreggio l’oggetto, anzi non lo fa più essere oggetto. Cicada  Dechiara ora l’altre particole che siegueno, cioè perché l’amore si dice putto irrazionale? Tansillo  Dirò tutto. »Putto irrazionale« si dice l’amore non perché egli per sé sia tale; ma per ciò che per il più fa tali suggetti, et è in sugetti tali: atteso ¦ che in qualumque è più intellettuale e speculativo, inalza più l’ingegno e più purifica l’intelletto facendolo svegliato, studioso

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denn mit notwendiger Konsequenz gibt sich Liebe zu erkennen, wo sich Eifersucht zeigt (wie man es bei ganzen Geschlechtern sehen kann, die wegen der Kälte ihrer Heimat und ihrer Langsamkeit im Denken ziemlich wenig begreifen, kaum lieben und gar keine Eifersucht zeigen); obgleich sie also Tochter, Begleiterin und Kennzeichen ist, verwirrt und vergiftet sie alles, was sich an Schönem und Gutem in der Liebe findet. In Bezug darauf habe ich in einem anderen meiner Sonette gesagt: 18

Verbrecherische Tochter du von Neid und Liebe, die der Mutter Freuden du in Leiden wandelst, dem Schlechten wachsamer Argus, dem Guten blinder Maulwurf, Handlangerin der Folter: Eifersucht!   Tisiphone der Hölle, stinkende Harpyie, die du fremde Süße raubest und vergiftest, grauser Südwind, der du schmachten läßt die schönste Blume meiner Hoffnung.   Bestie, dir selbst verhaßt, Vogel, der du andres nie als Schmerz verheißest, Leid, das du ins Herz gelangst durch tausend Tore:   Könnte man die Türe dir verschließen, das Reich der Liebe wär’ um so viel schöner, wie ohne Haß und ohne Tod die Welt.

Füge dem Gesagten noch hinzu, daß die Eifersucht nicht nur bisweilen der Tod und Ruin des Liebenden ist, sondern oft die Liebe selbst tötet, insbesondere indem sie Verachtung erzeugt: dies Kind der Liebe gewinnt dann nämlich solche Macht über sie, daß es sie dazu treibt, das Objekt geringzuschätzen oder sogar nicht mehr als Objekt anzuerkennen. Cicada  Erläutere nun die weiteren Einzelheiten: warum also wird die Liebe Knabe voll Unvernunft genannt? Tansillo  Ich will es dir voll und ganz erklären. Knabe voll Unvernunft nennt man die Liebe nicht, weil sie das selbst wäre, sondern deshalb, weil sie zumeist die Subjekte dazu macht und in solchen Subjekten erscheint. Je vernunftbegabter und zum spekulativen Denken geeigneter einer freilich ist, desto höher hebt sie ihm den Geist und desto stärker reinigt sie ihm die Vernunft, macht ihn hellwach, eifrig und umsichtig,

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e circonspetto, promovendolo ad un’animositate eroica et emulazion di virtudi e grandezza: per il desio di piacere e farsi degno della cosa amata. In altri poi (che son la massima parte) s’intende pazzo e stolto, perché le fa uscir de proprii sentimenti, e le precipita a far delle extravaganze, perché ritrova il spirito, anima e corpo mal complessionati, et inetti a considerar e distinguere quel che gli è decente da quel che le rende più sconci: facendoli suggetto di dispreggio, riso e vituperio. Cicada  Dicono volgarmente e per proverbio, che l’amor fa dovenir gli vecchi pazzi, e gli giovani savii. Tansillo  Questo inconveniente non accade a tutti vecchi, né quel conveniente a tutti giovani; ma è vero de quelli ben complessionati, e de mal complessionati quest’altri. E con questo è certo, che chi è avezzo nella gioventù d’amar circonspettamente, | amarà vecchio senza straviare. Ma il spasso e riso è di quelli alli quali nella matura etade l’amor mette l’alfabeto in mano. Cicada  Ditemi adesso, perché cieca e ria se dice la sorte o fato? Tansillo  »Cieca« e »ria« si dice la sorte ancora, non per sé, perché è l’istesso ordine de numeri e misure de l’universo; ma per raggion de suggetti si dice et è cieca: perché le rende ciechi al suo riguardo, per esser ella incertissima. È detta similmente ria, perché nullo de mortali è che in qualche maniera lamentandosi e querelandosi di ¦ lei, non la incolpe. Onde disse il pugliese poeta: Che vuol dir, Mecenate, che nessuno al mondo appar contento de la sorte, che gli ha porgiuta la raggion o cielo?

Cossì chiama l’oggetto »alta bellezza«, perché a lui è unico e più eminente, et efficace per tirarlo a sé; e però lo stima più degno, più nobile, e però sel sente predominante e superiore: come lui gli vien fatto sud-

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führt ihn zu heroischer Kühnheit, zu Streben nach Tugend und Größe – aus Sehnsucht danach, der geliebten Sache zu gefallen und sich ihr würdig zu erweisen. Bei anderen jedoch (und dies ist der größte Teil) äußert Liebe sich albern und dumm; sie bringt nämlich deren ganze Gefühlswelt durcheinander und verleitet sie zu Ausschweifungen, weil sie Geist, Seele und Körper von schlechter Konstitution vorfindet, unfähig, zu überlegen und das, was sich für sie ziemt, von dem zu unterscheiden, was sie umso abstoßender macht. Auf diese Weise werden sie zum Gegenstand von Verachtung, Gelächter und Tadel. Cicada  Es heißt volkstümlich im Sprichwort, daß Liebe die Alten verrückt und die Jungen weise macht. Tansillo  Dies Mißgeschick widerfährt nicht allen Alten und dies Glück nicht allen Jungen, sondern nur, wenn die einen schlecht und die anderen gut veranlagt sind. Demnach wird der, der in seiner Jugend mit Bedacht zu lieben gewohnt war, im Alter sicherlich, ohne auf Abwege zu geraten, lieben. Aber Spott und Hohn sind das Los jener, denen Amor erst im reifen Alter seine Abc-Fibel in die Hand drückt. Cicada  Sagt mir nun, warum das Schicksal blind und grausam genannt wird? Tansillo  Blind und grausam wird auch das Schicksal nicht um seiner selbst willen genannt, denn es ist gerade die Ordnung von Zahl und Maß im Universum, sondern aufgrund der von ihm Betroffenen nennt man es blind und ist es blind, denn es macht sie blind ihm gegenüber, da es vollkommen ungewiß ist. In ähnlichem Sinne wird es grausam genannt, denn es gibt keinen Sterblichen, der sich nicht in irgendeiner Form über das Schicksal beklagt, mit ihm hadert und es beschuldigt. Daher sagte der Dichter Apuliens: 19

Was hat es zu bedeuten, oh Maecenas, daß kein einziger auf der Welt zufrieden scheint mit seinem Schicksal, war’s der eigene Verstand, der’s ihm bereitet’, oder war es nun der Himmel?

Das Objekt nennt er deshalb edle Schönheit, weil es in seinen Augen einzig­artig ist und alles überstrahlt und bewirkt, daß er zu ihm in die Höhe gezogen wird. Daher hält er es auch für umso würdiger und edler, und daher fühlt er, daß es ihm überlegen und übergeordnet ist, wie er sein

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dito e cattivo. »La mia morte sola« dice de la gelosia, perché come l’amore non ha più stretta compagna che costei, cossì anco non ha senso di maggior nemica: come nessuna cosa è più nemica al ferro che la ruggine, che nasce da lui medesimo. Cicada  Or poi ch’hai cominciato a far cossì, séguita a mostrar parte per parte quel che resta. Tansillo  Cossì farò. Dice appresso de l’amore: »mi mostra il paradiso«; onde fa veder che l’amore non è cieco in sé, e per sé non rende ciechi alcuni | amanti, ma per l’ignobili disposizioni del suggetto: qualmente avviene che gli ucelli notturni dovegnon ciechi per la presenza del sole. Quanto a sé dumque l’amore illustra, chiarisce, apre l’intelletto e fa penetrar il tutto e suscita miracolosi effetti. Cicada  Molto mi par che questo il Nolano lo dimostre in un altro suo sonetto: Amor per cui tant’alto il ver discerno, ch’apre le porte di diamante nere, per gli occhi entra il mio nume, e per vedere nasce, vive, si nutre, ha regno eterno; ¦   fa scorger quant’ ha ’l ciel, terr’, et inferno; fa presenti d’absenti effiggie vere, repiglia forze, e col trar dritto, fere; e impiaga sempr’il cor, scuopre l’interno.   O dumque volgo vile, al vero attendi, porgi l’orecchio al mio dir non fallace, apri, apri, se puoi, gli occhi, insano e bieco:   fanciullo il credi perché poco intendi, perché ratto ti cangi ei par fugace, per esser orbo tu lo chiami cieco.

Mostra dumque il paradiso amore, per far intendere, capire et effettuar cose altissime; o perché fa grandi almeno in apparenza le cose amate. »Il toglie via«, dice de la sorte: perché questa sovente, a mal grado de l’a-

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Untergebener und Gefangener wird. Mein alleiniger Tod, sagt er von der Eifersucht, denn wie die Liebe einerseits keine engere Begleiterin hat als sie, kennt sie andererseits auch keine größere Feindin, so wie dem Eisen nichts feindlicher ist als der Rost, der ihm doch seine Entstehung verdankt. Cicada  Da du nun einmal damit begonnen hast, fahre fort, Stück für Stück den Rest zu erklären. Tansillo  Das will ich tun. Er sagt dann von der Liebe: Sie zeigt mir das Paradies. Dadurch macht er deutlich, daß die Liebe selbst nicht blind ist und nicht durch ihre Schuld einige Liebende blind werden, sondern durch die schwächliche Veranlagung der von ihr Befallenen. Geradeso ergeht es den Nachtvögeln, die blind werden, wenn die Sonne sich zeigt. Die Liebe an sich also erleuchtet, erhellt und öffnet die Vernunft, sie läßt tief in alles eindringen und erzeugt Wirkungen, die Wundern gleichen. Cicada  Mir scheint sehr, daß dies der Nolaner in einem weiteren ­Sonett zeigt: Amor, durch den hoch oben ich das Wahre schaue, der die schwarzen, diamantenharten Pforten öffnet, durch die Augen tritt er ein, mein Gott, und um zu sehen wird er geboren, lebt, gedeiht und herrscht auf ewig.   Er läßt entdecken, was des Himmels, was der Erde, was der Hölle ist, die wahrhaftigen Bilder dessen, was nicht gegenwärtig ist, vergegenschöpft neue Kräfte und verwundet mit gezieltem Schuß,  [ wärtigt er, und stets trifft er das Herz, er legt das Innere bloß.   Auf denn, träges Volk, strebe zum Wahren, Gehör schenk’ meinen Worten, die nicht trügen, öffne, öffne, wenn du kannst, die Augen, Narr und Silberblick:   Du hältst ihn für ein Kind, weil wenig du verstehst, weil du dich schnelle wandelst, scheint er flüchtig, weil du nichts siehst, nennst du ihn blind.

Die Liebe zeigt also das Paradies, indem sie höchst erhabene Dinge zu verstehen, begreifen und verwirklichen lehrt oder die geliebten Dinge wenigstens dem Anschein nach groß macht. Entzieht es mir, sagt er vom Schicksal, weil dieses oft zum Mißfallen des Liebenden das, was

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mante, non concede quel tanto che l’amor dimostra, e quel che vede e brama, gli è lontano et adversario. »Ogni ben mi presenta«, dice de l’oggetto: perché questo che vien dimostrato da l’indice de l’amore, gli par la cosa unica, principale, et il tutto. »Me l’invola«, dice della gelosia, non già per | non farlo presente togliendolo d’avanti gli occhi; ma in far ch’il bene non sia bene, ma un angoscioso male; il dolce non sia dolce, ma un angoscioso languire. »Tanto ch’il cor«, cioè la volontà, »ha gioia« nel suo volere per forza d’amore, qualumque sia il successo. »La mente«, cioè la parte intellettuale, »ha noia«, per l’apprension de la sorte, qual non aggradisce l’amante. »Il spirito«, cioè l’affetto naturale, »ha refrigerio«, per esser rapito da quell’oggetto che dà gioia al core, e potrebbe aggradir la mente. »L’alma«, cioè la sustanza passibile e sensitiva, »ha salma«, cioè si trova oppressa dal grave peso de la gelosia che la tormenta. ¦ Appresso la considerazion del stato suo, soggionge il lacrimoso lamento, e dice: »Chi mi torrà di guerra«, e metterammi in pace; o chi disunirà quel che m’annoia e danna, da quel che sì mi piace et apremi le porte del cielo, perché gradite sieno le fervide fiamme del mio core, e fortunati i fonti de gli occhi miei? Appresso continuando il suo proposito soggionge:

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 Premi (oimè) gli altri, o mia nemica sorte; vatten via, gelosia, dal mondo fore: potran ben soli con sua diva corte far tutto nobil faccia e vago amore. Lui mi tolga de vita, lei de morte; lei me l’impenne, lui brugge il mio core; lui me l’ancide, lei ravvive l’alma; lei mio sustegno, lui mia grieve salma.   Ma che dich’io d’amore? se lui e lei son un suggetto o forma, |

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die Liebe zeigt, ihm versagt und das, was er sieht und ersehnt, ihm fern und feindlich gesonnen bleibt. Macht jedes Gut mir gegenwärtig, sagt er vom Objekt, weil das, worauf ihn der Zeigefinger der Liebe weist, ihm das Einzige, die Hauptsache und Alles zu sein scheint. Raubt es mir wieder, sagt er von der Eifersucht, nicht, weil sie das Objekt nicht zeigte, indem sie das Objekt aus den Augen verschwinden ließe, sondern indem sie dafür sorgt, daß das Gut kein Gut ist, sondern ein beklemmendes Übel; daß dies Süße keine Süße ist, sondern ein beklemmendes Schmachten. So daß das Herz, das ist der Wille, an seinem Wollen durch die Kraft der Liebe Freude empfindet, unabhängig vom Erfolg. Die Vernunft, das ist der intellektuelle Anteil, empfindet Unmut, weil sie begreift, daß das Schicksal dem Liebenden nicht wohlgesonnen ist. Der Geist, das ist das natürliche Gefühl, empfindet Labsal, da er von einem Objekt, das dem Herzen Freude macht und der Vernunft gefallen könnte, hingerissen ist. Die Seele, das ist die leidende und fühlende Substanz, empfindet eine Last, denn sie fühlt sich erdrückt vom schweren Gewicht der Eifersucht, die sie quält. Der Betrachtung seines Zustandes fügt er sodann eine tränenreiche Klage hinzu und fragt: Wer wird mich aus dem Krieg befreien und mir Frieden geben? Wer wird das, was mich ärgert und schädigt, von dem trennen, was mir so sehr gefällt und mir die Tore des Himmels öffnet, damit die glühenden Flammen meines Herzens auf Wohlwollen stoßen und die Quellen meiner Augen auf ein günstiges Schicksal? Dann fährt er mit seinem Thema fort und fügt an:  Bedränge, ach, die andren, oh mein feindlich’ Schicksal, Verschwinde aus der Welt, oh Eifersucht! Es können gut allein mit ihrem göttlichen Gefolge das edle Antlitz und die sehnsuchtsvolle Liebe alles tun. Die Liebe reißt vom Leben, das Antlitz mich vom Tode fort, es läßt meinem Herzen Flügel wachsen, sie verbrennt es, Sie tötet meine Seele, es belebt sie, es ist mein Halt, sie meine schwere Last.   Doch was soll ich von der Liebe reden? Wenn sie und es ein Wesen sind, eine Gestalt,

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se con medesm’ imperio et una norma fann’ un vestigio al centro del mio core?   Non son doi dumque: è una che fa gioconda e triste mia fortuna.

 Quattro principii et estremi de due contrarietadi vuol ridurre a doi principii et una contrarietade. Dice dumque: »Premi (oimè) gli altri«, cioè basti a te, o mia sorte, d’avermi sin a tanto oppresso, e (perché non puoi essere senza il tuo essercizio) volta altrove il tuo sdegno. E »vatten via« fuori del mondo, tu gelosia: perché uno di que’ doi altri che rimagnono potrà supplire alle vostre vicende et offici; se pur tu, mia sorte, non sei altro ch’il mio amore, e tu gelosia, non sei estranea dalla sustanza del medesimo. Reste dumque lui per privarmi de vita, per bruggiarmi, per donarmi la morte, e per salma de le mie ossa: con questo che lei mi tolga di morte, mi impenne, mi avvive e mi sustente. Appresso, ¦ doi principii et una contrarietade riduce ad un principio et una efficacia, dicendo: »Ma che dich’io d’amore?«. Se questa faccia, questo oggetto è l’imperio suo, e non par altro che l’imperio de l’amore; la norma de l’amore è la sua medesima norma; l’impression d’amore ch’appare nella sustanza del cor mio, non è certo altra impression che la sua: perché dumque dopo aver detto »nobil faccia«, replico dicendo »vago amore«? Fine del primo dialogo ¦ |

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wenn beide mit derselben Macht, nach einem einzigen Gesetz eine Spur im Zentrum meines Herzens hinterlassen?   Es sind mithin nicht zwei, ist eines nur, was mein Los in Freuden traurig macht.

 Vier Prinzipien und Extrempunkte zweier Gegensätze will er auf zwei Prinzipien und einen Gegensatz zurückführen. Er sagt also: Bedränge, ach, die andren, was bedeutet: Nun laß es dir genug sein, mein Schicksal, mich so lange bedrückt zu haben und (da du ja nicht ohne Beschäftigung sein kannst) richte deinen Unmut gegen andere. Verschwinde aus der Welt, du Eifersucht, denn einer der beiden übrigen kann eure Tätigkeiten und Aufgaben verrichten, da du ja, mein Schicksal, nichts anderes als meine Liebe, und du, Eifersucht, der Substanz dieser Liebe nicht fremd bist. Mag also die Liebe übrigbleiben, um mir das Leben zu rauben, mich zu verbrennen, mir den Tod zu geben, auf meinen Knochen zu lasten: wenn nur das Antlitz mir den Tod nimmt, mich beflügelt, belebt und mir Halt gibt. Sodann führt er beide Prinzipien und ihren einen Gegensatz auf ein Prinzip und eine Wirkung zurück, indem er fragt: Doch was soll ich von der Liebe reden? Dies Antlitz, dies Objekt übt ja eine Herrschaft aus, die von der Herrschaft der Liebe nicht zu unterscheiden ist; das Gesetz der Liebe ist auch sein Gesetz; der Abdruck der Liebe, der sich in der Substanz meines Herzens zeigt, ist gewiß nichts anderes als der Eindruck dieses Antlitzes. Warum also wiederhole ich mich, sage erst: Das edle Antlitz, und füge dann hinzu: Sehnsuchtsvolle Liebe? Ende des ersten Dialogs

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DI A L O G O S E C ON D O

Tansillo  Or qua comincia il furioso a mostrar gli affetti suoi e discuoprir le piaghe che sono per segno nel corpo, et in sustanza o in essenza nell’anima, e dice cossì:

 Io che porto d’amor l’alto vessillo, gelate ho spene, e gli desir cuocenti: a un tempo triemo, agghiaccio, ardo e sfavillo, son muto, e colmo il ciel de strida ardenti; dal cor scintill’, e da gli occhi acqua stillo; e vivo e muoio, e fo ris’ e lamenti: son vive l’acqui, e l’incendio non more, ch’a gli occhi ho Teti, et ho Vulcan al core.   Altr’amo, odio me stesso: ma s’io m’impiumo, altri si cangia in sasso; poggi’altr’al ciel, s’io mi ripogno al basso; sempr’altri fugge, s’io seguir non cesso;   s’io chiamo, non risponde: e quant’io cerco più, più mi s’asconde. ¦ |

 A proposito di questo voglio seguitar quel che poco avanti ti dicevo: che non bisogna affatigarsi per provare quel che tanto manifestamente si vede, cioè che nessuna cosa è pura e schetta (onde diceano alcuni, nessuna cosa composta esser vero ente: come l’oro composto non è vero oro, il vino composto non è puro vero e mero vino); appresso, tutte le

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Z W E I T E R DI A L O G

Tansillo  Hier nun beginnt der Leidenschaftliche, seine Gefühle zu zeigen und seine Wunden bloßzulegen, die sich als Anzeichen am Körper und in ihrer Substanz oder ihrem Wesen in der Seele finden, und so sagt er:  2 3

4

Ich trag’ der Liebe edles Banner: eisig sind meine Hoffnungen, und meine Wünsche kochend heiß: zugleich erzitt’re ich, erstarr’ zu Eis, brenne und lodere hell, bin stumm und füll’ den Himmel aus mit Schreien der Leidenschaft; aus dem Herzen laß’ ich Funken stieben, aus den Augen Wasser Ich lebe und sterbe; lache und klage:  [ tropfen. die Wasser sind lebendig, und das Feuer findet nicht den Tod, denn Thetis sitzt in meinen Augen und Vulkan in meinem Herzen.   Ein andres liebe ich, mich selber hasse ich: indes wenn ich mir Flügel wachsen lasse, verwandelt dieses Andre sich in Stein, es strebt zum Himmel, wenn ich wieder auf die Erde sinke; immer flieht es, solange ich nicht davon lasse, ihm zu folgen.   Wenn ich rufe, gibt es keine Antwort: und je mehr ich suche, desto mehr versteckt es sich vor mir.

 Zu diesem Gedicht will ich weiter ausführen, was ich dir vor kurzem gesagt habe: Man muß sich nicht damit abmühen zu beweisen, was so offenkundig zu Tage liegt, nämlich daß kein Ding rein und unvermischt ist (deshalb haben einige gesagt, kein zusammengesetztes Ding sei wahrhaft seiend – wie zum Beispiel eine Goldlegierung kein wahres Gold, gemischter Wein kein reiner, wahrer und echter Wein sei). Zweitens bestehen alle Dinge aus Gegensätzen. An dieser Zusam-

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cose constano de contrarii: da onde avviene che gli successi de li nostri affetti per la composizione ch’è nelle cose, non hanno mai delettazion alcuna senza qualch’amaro; anzi dico, e noto di più, che se non fusse l’amaro nelle cose, non sarrebe la delettazione, atteso che la fatica fa che troviamo delettazione nel riposo; la separazione è causa che troviamo piacere nella congiunzione: e generalmente essaminando, si trovarà sempre che un contrario è caggione che l’altro contrario sia bramato e piaccia. Cicada  Non è dumque delettazione senza contrarietà? Tansillo  Certo non, come senza contrarietà non è dolore, qualmente manifesta quel pitagorico poeta quando dice: Hinc metuunt cupiuntque, dolent gaudentque, nec auras respiciunt, clausae tenebris et carcere caeco. ¦

Ecco dumque quel che caggiona la composizion de le cose. Quindi aviene che nessuno s’appaga del stato suo, eccetto qualch’insensato e stolto, e tanto più quanto più si ritrova nel maggior grado del fosco intervallo de la sua pazzia: all’ora ha poca o nulla | apprension del suo male, gode l’esser presente senza temer del futuro; gioisce di quel ch’è e per quello in che si trova, e non ha rimorso o cura di quel ch’è o può essere, et in fine non ha senso della contrarietade la quale è figurata per l’arbore della scienza del bene e del male. Cicada  Da qua si vede che l’ignoranza è madre della felicità e beatitudine sensuale, e questa medesima è l’orto del paradiso de gli animali; come si fa chiaro nelli dialogi de la Cabala del cavallo Pegaseo, e per quel che dice il sapiente Salomone: »chi aumenta sapienza, aumenta dolore«. Tansillo  Da qua avviene che l’amore eroico è un tormento, perché non gode del presente come il brutale amore; ma e del futuro e de l’absente; e del contrario sente l’ambizione, emulazione, suspetto e timore. Indi dicendo una sera dopo cena un certo de nostri vicini: »Gia-

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mensetzung in den Dingen liegt es, daß unsere Gefühle niemals zu einem Genuß ohne eine gewisse Bitterkeit führen. Ich behaupte sogar und unterstreiche noch, daß es, wenn keine Bitterkeit in den Dingen wäre, keinen Genuß gäbe, denn erst durch die Anstrengung finden wir Genuß in der Entspannung; die Trennung ist der Grund, warum wir an der Vereinigung Gefallen finden. Wo man auch prüft, immer wird man finden, daß der eine Gegensatz Grund dafür ist, daß der andere begehrt wird und Freude erregt. Cicada  Es gibt also keinen Genuß ohne sein Gegenteil? Tansillo  Gewiß nicht, wie es auch keinen Schmerz ohne sein Gegenteil gibt. Der pythagoräische Dichter bringt dies in den folgenden Versen zum Ausdruck: 5

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Hinc metuunt cupiuntque, dolent gaudentque, nec auras respiciunt, clausae tenebris et carcere caeco.

Das ist es also, was die Zusammensetzung der Dinge verursacht. An ihr liegt es, daß niemand sich mit seinem Zustand zufriedengibt, ausgenommen einige Dumm- und Flachköpfe, die umso zufriedener sind, je höher der Grad ihrer geistigen Umnachtung ist. So einem ist da die eigene Krankheit wenig oder gar nicht bewußt; er freut sich an der Gegenwart, ohne die Zukunft zu fürchten. Mit sich und der Welt zufrieden, macht er sich keine Gedanken oder Sorgen über das, was ist oder sein könnte. Schließlich hat er kein Empfinden für den Gegensatz, wie er im Baum der Erkenntnis von Gut und Böse dargestellt wird. Cicada  Hieran kann man sehen, daß die Unwissenheit die Mutter der Glückseligkeit und des sinnlichen Wohlbehagens ist. Sie ist auch der Paradiesgarten der Tiere, wie in den Dialogen von der Kabbala des pegaseischen Pferdes deutlich wird und ebenso in den Worten des weisen Salomo: »Wer seine Weisheit vermehrt, vermehrt seinen Schmerz.« Tansillo  Daran liegt es, daß die heroische Liebe eine Qual ist, denn sie freut sich nicht, wie die tierische Liebe, an dem, was gegenwärtig ist, sondern an der Zukunft und dem, was abwesend ist, und das Wissen um den Gegensatz macht sie ehrgeizig, eifrig, argwöhnisch und furchtsam. Als eines Abends nach dem Essen einer unserer Nachbarn sagte:

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mai fui tanto allegro quanto sono adesso«, gli rispose Gioan Bruno padre del Nolano: »Mai fuste più pazzo che adesso«. ¦ Cicada  Volete dumque che colui che è triste sia savio, e quell’altro ch’è più triste sia più savio? Tansillo  Non, anzi intendo in questi essere un’altra specie di pazzia, et oltre peggiore. Cicada  Chi dumque sarà savio, se pazzo è colui ch’è contento, e pazzo è colui ch’è triste? Tansillo  Quel che non è contento né triste. Cicada  Chi? quel che dorme? quel ch’è privo di sentimento? quel ch’è morto? | Tansillo  No: ma quel ch’è vivo, vegghia et intende; il quale considerando il male et il bene, stimando l’uno e l’altro come cosa variabile e consistente in moto, mutazione e vicissitudine (di sorte ch’il fine d’un contrario è principio de l’altro, e l’estremo de l’uno è cominciamento de l’altro), non si dismette, né si gonfia di spirito, vien continente nell’inclinazioni e temperato nelle voluptadi: stante ch’a lui il piacere non è piacere, per aver come presente il suo fine. Parimente la pena non gli è pena, perché con la forza della considerazione ha presente il termine di quella. Cossì il sapiente ha tutte le cose mutabili come cose che non sono, et afferma quelle non esser altro che vanità et un niente: perché il tempo a l’eternità ha proporzione come il punto a la linea. Cicada  Sì che mai possiamo tener proposito d’esser ¦ contenti o mal contenti, senza tener proposito de la nostra pazzia, la qual espressamente confessiamo; là onde nessun che ne raggiona, e per consequenza nessun che n’è participe, sarà savio: et infine tutti gli omini saran pazzi. Tansillo  Non tendo ad inferir questo, perché dirò massime savio colui che potesse veramente dire talvolta il contrario di quel che quell’altro: »Giamai fui men allegro che adesso« over »Giamai fui men triste che ora«. Cicada  Come non fai due contrarie qualitadi dove son doi affetti contrarii? perché, dico, intendi come due virtudi, e non come un vi-

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»Nie war ich so fröhlich wie in diesem Moment«, antwortete ihm Gioan Bruno, der Vater des Nolaners, in diesem Sinne: »Nie warst du so ein Narr wie in diesem Moment.« Cicada  Meint Ihr etwa, daß der Traurige weise sei und zwar umso weiser, je trauriger er ist? Tansillo  Nein, bei den Traurigen sehe ich im Gegenteil eine andere, noch schlimmere Form der Torheit am Werk. Cicada  Wer ist dann weise, wenn der Zufriedene ebenso wie der Traurige ein Narr ist? Tansillo  Derjenige, der weder zufrieden noch traurig ist. Cicada  Wer also? Wer schläft? Wer nichts empfindet? Wer tot ist? Tansillo  Nein, sondern einer, der lebt, sieht und versteht; einer, der das Schlechte und das Gute begreift, beides als Dinge einschätzt, die sich ändern und in Bewegung, Verwandlung und Wechsel begriffen sind (so daß das Ende eines Gegensatzes der Anfang des nächsten und der äußerste Punkt des einen der Beginn des anderen ist); der sich nicht aufgibt noch vor Stolz aufbläst, seine Neigungen beherrscht und sich in seinen Begierden mäßigt; für ihn nämlich ist das Vergnügen kein Vergnügen, weil er dessen Ende gleichsam vor Augen hat. Ebensowenig ist für ihn das Leid ein Leid, denn kraft seiner Einsicht weiß er, daß es enden wird. So faßt der Weise alle Dinge, die sich ändern können, als Dinge, die nicht sind, auf und ist davon überzeugt, daß sie vollkommen wertlos und ein bloßes Nichts sind: Die Zeit verhält sich nämlich zur Ewigkeit wie der Punkt zur Linie. Cicada  Wir können also niemals davon sprechen, zufrieden oder unzufrieden zu sein, ohne zugleich von unserer Torheit zu sprechen und diese ausdrücklich einzugestehen. Dann ist also niemand, der über seine Stimmungen nachdenkt, und folglich auch niemand, der Stimmungen hat, weise. Schlußendlich sind alle Menschen Narren. Tansillo  Zu dieser Folgerung komme ich eher nicht. Denn ich werde denjenigen in höchstem Maße für weise halten, der manchmal wahrheitsgemäß das Gegenteil des vorhin Erwähnten sagen kann: »Niemals war ich weniger fröhlich als jetzt« oder »Niemals war ich weniger traurig als jetzt«. Cicada  Warum sprichst du nicht von zwei gegensätzlichen Qualitäten, wo zwei gegensätzliche Gefühle sind? Ich meine, warum sind es

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zio et una virtude, l’esser minimamente allegro, e l’esser minimamente ­triste? | Tansillo  Perché ambi doi li contrarii in eccesso (cioè per quanto vanno a dar su quel più) son vizii, perché passano la linea; e gli medesimi in quanto vanno a dar sul meno, vegnono ad esser virtude, perché si contegnono e rinchiudono intra gli termini. Cicada  Come l’esser men contento e l’esser men triste non son una virtù et uno vizio, ma son due virtudi? Tansillo  Anzi dico che son una e medesima virtude: perché il vizio è là dove è la contrarietade; la contrarietade è massime là dove è l’estremo; la contrarietà maggiore è la più vicina all’estremo; la minima o nulla è nel mezzo, dove gli contrarii convegnono e son uno et indifferente: come tra il freddissimo e caldissimo è il più caldo et il più freddo; e nel mezzo puntuale è quello che puoi dire o caldo e freddo, o né caldo né freddo, senza contrarietade. In ¦ cotal modo chi è minimamente contento e minimamente triste, è nel grado della indifferenza, si trova nella casa della temperanza, e là dove consiste la virtude e condizion d’un animo forte, che non vien piegato da l’Austro né da l’Aquilone. – Ecco dumque (per venir al proposito) come questo furor eroico, che si chiarisce nella presente parte, è differente da gli altri furori più bassi, non come virtù dal vizio: ma come un vizio ch’è in un suggetto più divino o divinamente, da un vizio ch’è in un suggetto più ferino o ferinamente. Di maniera che la differenza è secondo gli suggetti e modi differenti, e non secondo la forma de l’esser vizio. | Cicada  Molto ben posso da quel ch’avete detto conchiudere la condizion di questo eroico furore che dice »gelate ho spene, e li desir cuocenti«; perché non è nella temperanza della mediocrità, ma nell’eccesso delle contrarietadi ha l’anima discordevole: se triema nelle gelate spe-

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für dich zwei Tugenden und nicht ein Laster und eine Tugend, wenn man in geringstem Maße froh beziehungsweise in geringstem Maße traurig ist? Tansillo  Weil beide Gegensätze in der Übertreibung (das heißt, wenn sie sich mehr und mehr steigern) Laster sind, denn sie überschreiten das Maß; und beide, wenn sie sich mehr und mehr abschwächen, zu Tugenden werden, denn sie halten sich in Maßen und innerhalb der Grenzen. Cicada  Weniger zufrieden und weniger traurig zu sein sind also nicht eine Tugend und ein Laster, sondern zwei Tugenden? Tansillo  Ich meine sogar, daß sie ein- und dieselbe Tugend sind. Denn ein Laster liegt vor, wo ein Gegensatz ist. Ein Gegensatz liegt besonders dort vor, wo Extreme bestehen. Der größte Gegensatz ist dem Extrem am nächsten. Der kleinste oder gar keiner findet sich in der Mitte, wo die Gegensätze zusammenfallen und ein ununterschiedenes Eines sind: wie es zwischen dem extrem Kalten und dem extrem Heißen Grade von Heißerem und Kälterem gibt und genau in der Mitte jener Punkt ist, den du sowohl warm oder kalt nennen kannst als auch weder warm noch kalt – ein Punkt, an dem kein Gegensatz besteht. Auf ebendiese Weise ist der, dessen Zufriedenheit und Traurigkeit äußerst gering sind, im Zustand der Gleichgültigkeit, er wohnt im Haus der Mäßigung, dort, wo sich Tugend und Voraussetzung für einen starken Charakter befinden, der sich weder vor dem Süd- noch dem Nordwind beugt. – Sieh nun also (um zum Thema zu kommen), wie sich die heroische Leidenschaft, um deren Klärung es hier geht, von den anderen, niedrigeren Leidenschaften unterscheidet: nicht wie eine Tugend von einem Laster, sondern wie ein Laster, das ein eher göttliches Subjekt oder das in göttlicher Weise befällt, von einem Laster, das ein eher tierisches Subjekt oder das in tierischer Weise befällt. Der Unterschied liegt also in den Subjekten und den verschiedenen Arten des Befallenwerdens, nicht aber darin, daß es der Gestalt nach ein Laster ist. Cicada  Sehr gut kann ich aus dem, was Ihr gesagt habt, die Voraussetzungen dieser heroischen Leidenschaft erschließen, die sich in den Worten äußert: Eisig sind meine Hoffnungen und meine Wünsche kochend heiß. Denn der Leidenschaftliche befindet sich nicht im Zustand der Mäßigung des Mittelwegs, sondern im Übermaß der Gegensätzlichkeiten wird seine Seele zerrissen. Wenn er in eisigen Hoffnungen

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ranze, arde negli cuocenti desiri; è per l’avidità stridolo, mutolo per il timore; sfavilla dal core per cura d’altrui, e per compassion di sé versa lacrime da gli occhi; muore ne l’altrui risa, vive ne’ proprii lamenti; e (come colui che non è più suo) altri ama, odia se stesso: perché la materia (come dicono gli fisici) con quella misura ch’ama la forma absente, odia la presente. E cossì conclude nell’ottava la guerra ch’ha l’anima in se stessa; e poi quando dice ne la sestina »ma s’io m’impiumo, altri si cangia in sasso« e quel che séguita, mostra le sue passioni per la guerra ch’essercita con li contrarii esterni. ¦ Mi ricordo aver letto in Iamblico, dove tratta de gli Egizzii misterii, questa sentenza: Impius animam dissidentem habet: unde nec secum ipse convenire potest neque cum aliis. Tansillo  Or odi un altro sonetto di senso consequente al detto:  Ahi, qual condizion, natura, o sorte: in viva morte morta vita vivo. Amor m’ha morto (ahi lasso) di tal morte, che son di vit’ insiem’ e morte privo. Vòto di spene, d’inferno a le porte, e colmo di desio al ciel arrivo: talché suggetto a doi contrarii eterno, | bandito son dal ciel e da l’inferno.   Non han mie pene triegua, perch’ in mezzo di due scorrenti ruote, de quai qua l’una, là l’altra mi scuote, qual Ixion convien mi fugga e siegua:   perché al dubbio discorso dan lezzion contraria il sprone e ’l morso. ¦

 Mostra qualmente patisca quel disquarto e distrazzione e in se medesimo: mentre l’affetto lasciando il mezzo e meta de la temperanza, tende

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zittert, brennt er zugleich in kochend heißen Wünschen. Vor Begierde schreiend ist er stumm vor Furcht. Aus dem Herzen stieben die Funken der Liebe zum anderen, und aus den Augen fließen die Tränen des Selbstmitleids. Er stirbt im Lachen des anderen und lebt in den eigenen Klagen. Und (wie einer, der sich nicht mehr selbst gehört) liebt er das andere und haßt sich selbst: Denn die Materie (sagen die Physiker) haßt ihre gegenwärtige Form in dem Maß, wie sie die Form, die sie nicht hat, liebt. In den ersten acht Zeilen ist das Thema also der Kampf, den die Seele in ihrem Innern führt. Wo es dann in den Terzetten heißt: Indes wenn ich mir Flügel wachsen lasse, verwandelt dieses Andre sich in Stein und so weiter, stellt er dar, was er durch den Krieg erleidet, den er mit den äußeren Gegensätzen führt. Ich erinnere mich, bei Jamblichus in seiner Abhandlung über die ägyptischen Mysterien folgenden Satz gelesen zu haben: Impius animam dissidentem habet: unde nec secum ipse convenire potest neque cum aliis. Tansillo  Höre nun ein anderes Sonett, dessen Aussage das eben ­Gesagte fortführt:  Wehe, welch ein Zustand, Natur oder Geschick: In lebendigem Tode totes Leben lebe ich. Amor hat, oh weh, mich eines solchen Todes sterben lassen, daß ich zugleich des Lebens und des Todes bin beraubt. Bar jeder Hoffnung steh’ ich vor der Hölle Pforten und erfüllt von Sehnsucht lange ich im Himmel an: Da ich zwei Gegensätzen unterworfen bin auf ewig, sind Himmel mir und Hölle gleich verboten.   Meine Qualen kennen keine Unterbrechung, denn inmitten zweier Räder, die sich drehen – das eine reißt mich hier-, das andere dorthin –, muß ich gleich Ixion mich fliehen und mir folgen:   denn dem zweifelhaften Kreisen geben Sporen und Kandare gegensätzlichen Befehl.

 Er zeigt, wie er unter diese Zerteilung und Zerrissenheit in sich selbst leidet: Indem sein Gefühl die Mitte verlassen und das Ziel der Mäßi-

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a l’uno e l’altro estremo; e talmente si trasporta alto o a destra, che anco si trasporta a basso et a sinistra. Cicada  Come con questo che non è proprio de l’uno né de l’altro estremo, non viene ad essere in stato o termine di virtude? Tansillo  All’ora è in stato di virtude quando si tiene al mezzo declinando da l’uno e l’altro contrario: ma quando tende a gli estremi inchinando a l’uno e l’altro di quelli, tanto gli manca de esser virtude, che è doppio vizio, il qual consiste in questo che la cosa recede dalla sua natura, la perfezzion della quale consiste nell’unità: e là dove convegnono gli contrarii, consta la composizione, e consiste la virtude. Ecco dumque come è morto vivente, o vivo moriente; là onde dice: »in viva morte morta vita vivo«. Non è morto, perché vive ne l’oggetto; non è vivo, perché è morto in se stesso: privo di morte, perché parturisce pensieri in quello; privo di vita, perché non vegeta o sente in se medesimo. Appresso | è bassissimo per la considerazion de l’alto intelligibile e la compresa imbecillità della potenza; è altissimo per l’aspirazione dell’eroico desio che trapassa di gran lunga gli suoi termini, et è altissimo per l’appetito intellettuale che non ha modo e fine di gionger numero a numero; è bassissimo per la violenza fattagli dal contrario sensuale che verso l’inferno impiomba. Onde trovandosi talmente poggiar e descendere, sente ne l’alma il più gran dissidio che sentir si possa; ¦ e confuso rimane per la ribellion del senso, che lo sprona là d’onde la raggion l’affrena, e per il contrario. – Il medesimo affatto si dimostra nella seguente sentenza dove la raggione in nome de Filenio dimanda, et il furioso risponde in nome di Pastore, che alla cura del gregge o armento de suoi pensieri si travaglia; quai pasce in ossequio e serviggio de la sua ninfa, ch’è l’affezzione di quell’oggetto alla cui osservanza è fatto cattivo:

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gung aufgegeben hat, strebt es bald zum einen, bald zum anderen Extrem. Und wie es sich in die Höhe oder nach rechts bewegt, bewegt es sich auch in die Tiefe und nach links. Cicada  Ist es nicht, da es weder dem einen, noch dem anderen Extrem zugehört, auf dem Weg dazu, tugendhaft zu werden, oder ist es das bereits? Tansillo  Dann ist etwas tugendhaft, wenn es sich in der Mitte hält und dem einen wie dem anderen Extrem abgeneigt ist. Aber was zu den Extremen strebt und dem einen wie dem anderen zuneigt, ist so weit von der Tugend entfernt, daß es ein doppeltes Laster ist; dieses liegt nämlich vor, wenn ein Gegenstand sich von seiner Natur entfernt, deren Vollendung in der Einheit liegt, und dort, wo die Gegensätze zusammenfallen, ist der Ort, wo sich alles zusammenfügt, und in ihm liegt die Tugend. Deshalb also ist der Leidenschaftliche als Toter leben­dig und als Lebender tot. Deshalb sagt er: In lebendigem Tode totes Leben lebe ich. Er ist nicht tot, denn er lebt im Objekt; er ist nicht leben­dig, denn er ist tot in seinem Innern: des Todes beraubt, weil er Gedanken an das Objekt gebiert; des Lebens beraubt, weil er in sich selbst nicht mehr wächst beziehungsweise empfindet. Sodann stellt ihn die Betrachtung der Höhe des Erkennbaren und die Erkenntnis der Schwäche seines Vermögens auf die unterste Stufe; in die höchste Höhe trägt ihn das Streben der heroischen Sehnsucht, die seine Grenzen bei weitem übersteigt, und es trägt ihn in die höchste Höhe das Streben der Vernunft, deren Vorgehen und Ziel nicht darin besteht, Zahl an Zahl zu reihen; auf die unterste Stufe stellt ihn die Gewalt, die ihm von dem entgegengesetzten Trieb, dem der Sinne, angetan wird, der bleischwer zur Hölle zieht. So zwischen Steigen und Fallen fühlt er in der Seele die größte Uneinigkeit, die man fühlen kann, und ihn verwirrt der Aufruhr der Sinne, der ihm die Sporen gibt und dorthin treibt, wovor ihn der Verstand, indem er die Zügel anzieht, zurückhält und umgekehrt. – Genau das wird im folgenden Gedicht gezeigt, wo der Verstand unter dem Namen Filenio fragt und der Leidenschaftliche in der Rolle des Schäfers antwortet, eines Schäfers, der in Sorge ist um die Herde oder Schar seiner Gedanken, die er in Ehrfurcht und im Dienste seiner Nymphe weidet, also in der Gefühlsaufwallung zu jenem Objekt, in dessen Verehrung er gefangen ist:

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 F. P.   F. P. F. Pastor. Che vuoi? Che fai? Doglio. Perché? P.  Perché non m’ha per suo vita, né morte. F. P. F. P. F. Chi fallo?  Amor.  Quel rio?  Quel rio.   Dov’è? P.  Nel centro del mio cor se tien sì forte. F. P. F. P. F. P. F. Che fa? Fere. Chi? Me. Te? Sì. Con che? P.  Con gli occhi, de l’inferno e del ciel porte. F. P. F. P. F. Speri? Spero. Mercé? Mercé. Da chi? P.  Da chi sì mi martóra nott’e dì. ¦ | F. P. F. Hanne?   Non so.  Sei folle. P.  Che, se cotal follia a l’alma piace? F. P. F. P. F. Promette? Non. Niega? Nemeno. Tace? P.  Sì, perché ardir tant’onestà mi tolle. F. P. F. Vaneggi.  In che?  Nei stenti. P.  Temo il suo sdegno, più che miei tormenti.

 Qua dice che spasma: lamentasi dell’amore, non già perché ami (atteso che a nessuno veramente amante dispiace l’amare), ma perché infelicemente ami: mentre escono que’ strali che son gli raggi di quei lumi, che medesimi secondo che son protervi e ritrosi, overamente benigni e graziosi, vegnono ad esser porte che guidano al cielo, overamente a l’inferno. Con questo vien mantenuto in speranza di futura et incerta mercé, et in effetto di presente e certo martìre. E quantumque molto apertamente vegga la sua follia, non per tanto avvien che in punto alcuno si correga, o che almen possa conciperne dispiacere; perché tanto ne manca, che più tosto in essa si compiace, come mostra dove dice:

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 F. S. F. S. F. 22 Schäfer!   Was willst du?   Was machst du?  Ich leide.  Warum? S.  Weil weder zum Leben noch zum Tode ich gehöre. F. S. F. S. F. Wer trägt die Schuld?   Die Liebe.   Jene grausame?   Jene grausame.   Wo sitzt sie? S.  Im Zentrum meines Herzens klammert sie sich fest. F. S. F. S. F. S.   F. Was macht sie? Sie verwundet. Wen? Mich. Dich? Ja. Und womit? S.  Mit den Augen, der Hölle und des Himmels Pforten. F. S. F. S. F. Hoffst du?  Ich hoffe.  Auf Mitleid?  Auf Mitleid.   Von wem? S.  Von der, die Tag und Nacht so sehr mich quält. F. S. F. Hat sie es?   Ich weiß nicht.   Du sprichst im Wahn. S.  Was, wenn der Seele ein solcher Wahn gefällt? F. S. F. S. F. Macht sie Versprechungen?  Nein.  Verweigert sie sich?  Nicht minder.  Schweigt sie? S.  Ja, denn so große Ehrenhaftigkeit nimmt mir den Mut. F. S. F. Du bist ein Träumer.  Wieso?  Weil du leidest. S.  Ihre Verachtung fürcht’ ich mehr als meine Qualen.

 Hier spricht er von seinem heftigen Schmerz: Er klagt über die Liebe, nicht etwa, weil er liebt (denn niemandem, der wahrhaft liebt, mißfällt das Lieben), sondern weil er unglücklich liebt – unter dem Feuer der Pfeile, die die Strahlen jener Lichter sind, die je nachdem, ob stolz und widerspenstig oder wohlwollend und lieblich, selber Türen zum Himmel oder Pforten zur Hölle werden. So wiegt man ihn in der Hoffnung auf zukünftige, ungewisse Gnade, in Wirklichkeit ist ihm jedoch gegenwärtig gewiß, ein Martyrium zu erleiden. Wie sehr er seinen Wahn auch offen erkennen mag, geschieht es deshalb doch nicht, daß er sich in irgendeinem Punkt ändert oder wenigstens Mißfallen über ihn empfinden könnte. Weit gefehlt – er findet sogar Gefallen an der eigenen Verrücktheit, wie er mit folgenden Worten zeigt:

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Mai fia che dell’amor io mi lamente, senza del qual non vogli’ esser felice. ¦

Appresso mostra un’altra specie di furore parturita da qualche lume di raggione, la qual suscita il timore, e supprime la già detta, a fin che non proceda a fatto che possa inasprir o sdegnar la cosa amata. | Dice dumque la speranza esser fondata sul futuro, senza che cosa alcuna se gli prometta o nieghe: per che lui tace, e non dimanda, per téma d’offender l’onestade. Non ardisce esplicarsi e proporsi, onde fia o con ripudio escluso, overamente con promessa accettato: perché nel suo pensiero più contrapesa quel che potrebbe esser di male in un caso, che bene in un altro. Mostrasi dumque disposto di suffrir più presto per sempre il proprio tormento, che di poter aprir la porta a l’occasione per la quale la cosa amata si turbe e contriste. Cicada  Con questo dimostra l’amor suo esser veramente eroico: perché si propone per più principal fine la grazia del spirito e la inclinazion de l’affetto, che la bellezza del corpo, in cui non si termina quell’amor ch’ha del divino. Tansillo  Sai bene che come il rapto platonico è di tre specie, de quali l’uno tende alla vita contemplativa o speculativa, l’altro a l’attiva morale, l’altro a l’ociosa e voluptuaria: cossì son tre specie d’amori; de quali l’uno dall’aspetto della forma corporale s’inalza alla considerazione della spirituale e divina; l’altro solamente persevera nella delettazion del vedere e conversare; l’altro dal vedere va a precipitarsi nella concupiscenza del toccare. Di questi tre modi si componeno altri, secondo che o il primo s’accompagna col secondo, o che s’accompagna col terzo, o che concorreno tutti tre modi insieme: de li quali ¦ ciascuno e tutti oltre si moltiplicano in altri, secondo gli affetti de furiosi che tendeno o più verso l’obietto spirituale, o più verso l’obietto corporale, o equalmente verso l’uno e l’altro. Onde avviene che di | quei che si ritrovano in questa milizia e son compresi nelle reti d’amore, altri tendeno a fin

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Niemals möge es geschehen, daß ich über jene Liebe klage, ohne die ich nicht will glücklich sein.

Des weiteren weist er eine Leidenschaft von anderer Art auf, eine, die aus einem gewissen Licht des Verstandes geboren ist: sie macht furchtsam und unterdrückt die vorhin angesprochene Leidenschaft, damit er sich nicht zu Handlungen hinreißen lasse, mit denen er den Gegenstand der Liebe verbittern oder gegen sich aufbringen könnte. Er sagt also, daß sich seine Hoffnung auf die Zukunft gründe, obwohl ihm weder etwas versprochen noch abgeschlagen werde: Er schweigt nämlich und fragt nicht, weil er das Ehrgefühl zu verletzen fürchtet. Er wagt es nicht, sich zu erklären und zu werben, so daß er entweder mit Schmähungen verjagt oder mit einem Versprechen erhört werden würde, denn in seinen Überlegungen wiegt das Schlechte der einen Möglichkeit mehr als das Gute der anderen. Er zeigt sich deshalb eher bereit, auf ewig die eigene Folter zu erleiden, als einem Anlaß die Tür zu öffnen, aufgrund dessen der Gegenstand seiner Liebe sich beunruhigen und bekümmern könnte. Cicada  Damit erweist er seine Liebe als eine wahrhaft heroische, denn es kommt ihm zuallererst auf die geistige Anmut und gefühlsmäßige Zuneigung und weniger auf die körperliche Schönheit an, in der sich jene Liebe, die etwas Göttliches hat, nicht erschöpft. Tansillo  Dir ist ja bekannt: Wie es nach Platon drei Arten der Leidenschaft gibt – die eine strebt nach kontemplativ-spekulativem, die andere nach moralisch handelndem und die dritte nach müßig-triebhaftem Leben –, so gibt es drei Arten der Liebe, deren eine sich vom Anblick der körperlichen zur Anschauung der geistigen und göttlichen Form erhebt, die zweite im bloßen Genuß des Sehens und Umgangs verharrt, und die dritte sich vom Anblick zur Gier nach Berührung hinreißen läßt. Aus diesen drei Arten setzen sich andere zusammen, je nachdem, ob die erste von der zweiten oder der dritten begleitet wird oder alle drei Arten zusammen auftreten; jede von ihnen hat überdies viele Unterarten, entsprechend den Gefühlen der Leidenschaftlichen, die entweder mehr zum geistigen oder zum körperlichen Objekt oder gleichermaßen zu beiden streben. Daher kommt es, daß einige von denen, die sich in dieser Heerschar befinden und in den Netzen der Liebe

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del gusto che si prende dal raccòrre le poma da l’arbore de la corporal bellezza, senz’il qual ottento (o speranza al meno) stimano degno di riso e vano ogn’ amoroso studio: et in cotal modo corrono tutti quei che son di barbaro ingegno, che non possono né cercano magnificarsi amando cose degne, aspirando a cose illustri, e più alto a cose divine accomodando gli suoi studi e gesti, a i quali non è chi possa più ricca e commodamente suppeditar l’ali, che l’eroico amore. Altri si fanno avanti a fin del frutto della delettazione che prendeno da l’aspetto della bellezza e grazia del spirito che risplende e riluce nella leggiadria del corpo; e de tali alcuni benché amino il corpo e bramino assai d’esser uniti a quello, della cui lontananza si lagnano, e disunion s’attristano, tutta volta temeno che presumendo in questo non vegnan privi di quell’affabilità, conversazione, amicizia et accordo che gli è più principale: essendo che dal tentare non più può aver sicurezza di successo grato, che gran téma di cader da quella grazia qual come cosa tanto gloriosa e degna gli versa avanti gli occhi del pensiero. Cicada  È cosa degna, o Tansillo, per molte virtudi e perfezzioni che quindi derivano nell’umano ingegno, cercar, accettar, nodrire e conservar un simile amore: ma si deve ¦ ancora aver gran cura di non abbattersi ad ubligarsi ad un oggetto indegno e basso, a fin che non vegna a farsi partecipe della bassezza et indignità del medesimo; in proposito de quali intendo il conseglio del poeta ferrarese: | Chi mette il piè su l’amorosa pania, cerchi ritrarlo, e non v’inveschi l’ali. Tansillo  A dir il vero, l’oggetto ch’oltre la bellezza del corpo non hav’altro splendore, non è degno d’esser amato ad altro fine che di far (come dicono) la razza: e mi par cosa da porco o da cavallo di tormen-

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verfangen haben, als Ziel den Genuß erstreben, den man gewinnt, wenn man die Äpfel vom Baum der körperlichen Schönheit pflückt, ohne den (oder wenigstens die Hoffnung darauf) sie jegliche Liebesmüh lächerlich und sinnlos finden: Auf diese Weise leben alle, deren Geist so primitiv ist, daß sie weder das Vermögen noch das Bestreben haben, sich in die Höhe zu schwingen, indem sie würdige Dinge lieben, nach edlen Dingen streben und gar noch höher, nach göttlichen Dingen ihren Eifer und ihr Tun ausrichten – ein Eifer und ein Tun, denen allein die heroische Liebe die passenden Flügel verleiht. Andere gehen daran, sich an dem Genuß zu laben, den sie aus dem Anblick der geistigen Schönheit und Anmut ziehen, die aus der Grazie des Körpers strahlt und widerglänzt. Und obwohl sie den Körper lieben und sich inständig danach sehnen, mit ihm vereint zu sein, dessen Ferne sie beklagen und dessen Trennung von ihnen sie betrauern, haben einige von ihnen jedoch Angst, jener Freundlichkeit, Unterhaltung, Freundschaft und Harmonie, wenn sie größere Nähe fordern, verlustig zu gehen, die ihnen an erster Stelle steht. Denn solch ein Versuch birgt keine Erfolgsgarantie als vielmehr die große Furcht, jene Gnade zu verlieren, die sich dem Leidenschaftlichen als so ruhm- und würdevoll vors innere Auge stellt. Cicada  Wegen der vielen Tugenden und Vollkommenheiten, die dadurch im menschlichen Geist entstehen, ist es lobenswert, Tansillo, eine solche Liebe zu suchen, in sich aufzunehmen, zu nähren und am Leben zu halten; aber man muß sehr genau aufpassen, nicht so tief zu sinken, daß man sich von einem unwürdigen und primitiven Objekt fesseln läßt, um nicht selbst an dessen Primitivität und Würdelosigkeit teilzuhaben. Als Warnung davor verstehe ich den Rat des Dichters aus Ferrara: 25

Wer der Liebe auf den Leim geht, versuch, den Fuß zurückzuziehen und beschmier’ sich nicht auch noch die Flügel. Tansillo  Ehrlich gesagt ist das Objekt, das außer körperlicher Schönheit keinen anderen Glanz zu bieten hat, nicht wert, zu einem anderen Zweck als dem der Arterhaltung (wie man so sagt) geliebt zu werden. Wer sich damit quält, benimmt sich in meinen Augen wie ein

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tarvisi su; et io (per me) mai fui più fascinato da cosa simile, che potesse al presente esser fascinato da qualche statua o pittura, dalle quali mi pare indifferente. Sarebbe dumque un vituperio grande ad un animo generoso, se d’un sporco, vile, bardo et ignobile ingegno (quantumque sotto eccellente figura venesse ricuoperto) dica: »Temo il suo sdegno più ch’il mio tormento«. Fine del secondo dialogo ¦ |

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Schwein oder ein Pferd. Ich für meinen Teil war davon nie stärker fasziniert als ich heute von einer Statue oder einem Gemälde fasziniert sein könnte, denn ich sehe da keinen Unterschied. Es wäre also eine große Schande für einen hochgesinnten Charakter, wenn er in Hinsicht auf einen schmutzigen, feigen, dummen und unedlen Geist (mag die ihn bedeckende Gestalt auch noch so viele Vorzüge haben) sagte: Ihre Verachtung fürcht’ ich mehr als meine Qualen. Ende des zweiten Dialogs

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DI A L O G O T E R Z O

Tansillo  Poneno, e sono più specie de furori, li quali tutti si riducono a doi geni: secondo che altri non mostrano che cecità, stupidità et impeto irrazionale, che tende al ferino insensato; altri consisteno in certa divina abstrazzione per cui dovegnono alcuni megliori in fatto che uomini ordinarii. E questi sono de due specie perché: altri per esserno fatti stanza de dèi o spiriti divini, dicono et operano cose mirabile senza che di quelle essi o altri intendano la raggione; e tali per l’ordinario sono promossi a questo da l’esser stati prima indisciplinati et ignoranti, nelli quali come vòti di proprio spirito e senso, come in una stanza purgata, s’intrude il senso e spirto divino; il qual meno può aver luogo e mostrarsi in quei che son colmi de propria raggione e senso, perché tal volta vuole ch’ il mondo sappia certo che se quei non parlano per proprio studio et esperienza come è manifesto, séguite che parlino et oprino per intelligenza superiore: e con questo la moltitudine de gli uomini in tali degnamente ha maggior admirazion e fede. Altri, per essere avezzi o abili alla contemplazione, e per aver innato un spirito ¦ lucido et intellettuale, da uno interno stimolo e fervor natu | rale su- | 121 scitato da l’amor della divinitate, della giustizia, della veritade, della gloria, dal fuoco del desio e soffio dell’intenzione acuiscono gli sensi, e nel solfro della cogitativa facultade accendono il lume razionale con cui veggono più che ordinariamente: e questi non vegnono al fine a parlar et operar come vasi et instrumenti, ma come principali artefici et efficienti. Cicada  Di questi doi geni quali stimi megliori?

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DR I T T E R DI A L O G

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Tansillo  Man nimmt zu Recht mehrere Formen der Leidenschaften an, die sich alle auf zwei Arten zurückführen lassen: Die einen zeugen von nichts anderem als Blindheit, Dummheit und unvernünftigem Ungestüm, das bis zu tierischem Irrwitz gehen kann. Die anderen bestehen in einer göttlichen Entrücktheit, die manche in der Tat besser als gewöhnliche Menschen werden läßt. Davon gibt es zwei Arten, und zwar aus folgendem Grund: Weil in den einen Götter oder göttliche Geister hausen, sagen oder tun sie Wunderdinge, ohne daß sie oder andere den Grund dafür verstehen. Dazu werden in der Regel Menschen erkoren, die sich vorher in einem Zustand ohne Bildung und Wissen befanden, in die sich – da sie nicht von eigenem Denken und Fühlen erfüllt sind – wie in einen gereinigten Raum göttliches Fühlen und Denken ergießt, das ja in Menschen, die voll von eigenem Verstand und Gefühl sind, weniger Platz und Möglichkeit hätte, sich zu zeigen – denn manchmal will dieses Göttliche der Welt ganz deutlich machen, daß jene Menschen, wenn sie nicht aus eigenem Bemühen und eigener Erfahrung reden, wie es ganz offensichtlich der Fall ist, folglich mittels einer höheren Einsichtsfähigkeit sprechen und handeln, und deshalb wird ihnen von den meisten Menschen zu Recht größere Verehrung und höherer Glaube entgegengebracht. Weil die anderen in philosophischen Betrachtungen geübt und geschickt sowie mit einem leuchtenden, einsichtsfähigen Geist begabt sind, schärfen sie aus innerem Antrieb und natürlicher Inbrunst, die von der Liebe zur Gottheit, Gerechtigkeit, Wahrheit und Ruhm vom Feuer der Sehnsucht und dem Wind des Wollens geweckt worden ist, ihre Sinne und zünden im Schwefel der Denkfähigkeit das Verstandeslicht an, mit dem sie mehr sehen als gewöhnlich: Sie sprechen und handeln zuletzt nicht als Gefäße und Werkzeuge, sondern als grundlegende Schöpfer und Urheber. Cicada  Welche von diesen beiden Arten hältst du für die bessere?

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prima parte · dialogo terzo

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Tansillo  Gli primi hanno più dignità, potestà et efficacia in sé: perché hanno la divinità. Gli secondi son essi più degni, più potenti et efficaci, e son divini. Gli primi son degni come l’asino che porta li sacramenti: gli secondi come una cosa sacra. Nelli primi si considera e vede in effetto la divinità e quella s’admira, adora et obedisce. Ne gli secondi si considera e vede l’eccellenza della propria umanitade. – Or venemo al proposito. Questi furori de quali noi raggioniamo, e che veggiamo messi in execuzione in queste sentenze, non son oblio, ma una memoria; non son negligenze di se stesso, ma amori e brame del bello e buono con cui si procure farsi perfetto con transformarsi et assomigliarsi a quello. Non è un raptamento sotto le leggi d’un fato indegno, con gli lacci de ferine affezzioni: ma un impeto razionale che siegue l’apprension intellettuale del buono e bello che conosce; a cui vorrebbe conformandosi ¦ parimente piacere, di sorte che della nobiltà e luce di quello viene ad accendersi, et investirsi de qualitade e condizione per cui appaia illustre e degno. Doviene un dio dal contatto intellettuale di quel nume oggetto; e d’altro non ha pensiero che de cose divine, e mostrasi insensibile et impassibile in quelle cose che | comunmente | 123 massime senteno, e da le quali più vegnon altri tormentati; niente teme, e per amor della divinitade spreggia gli altri piaceri, e non fa pensiero alcuno de la vita. Non è furor d’atra bile che fuor di conseglio, raggione et atti di prudenza lo faccia vagare guidato dal caso e rapito dalla disordinata tempesta; come quei ch’avendo prevaricato da certa legge de la divina Adrastia vegnono condannati sotto la carnificina de le Furie: acciò sieno essagitati da una dissonanza tanto corporale per sedizioni, ruine e morbi, quanto spirituale per la iattura dell’armonia delle potenze cognoscitive et appetitive. Ma è un calor acceso dal sole intel-



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Tansillo  Die ersten haben mehr Würde, Macht und Wirkung an sich, denn sie sind im Besitz der Gottheit. Die zweiten sind selbst würdiger, mächtiger und wirkungsvoller, denn sie sind göttlich. Die ersten sind würdig wie der Esel, der die Heiligtümer trägt; die zweiten wie ein heiliger Gegenstand. In den ersten schaut und sieht man die Wirkung der Gottheit, ihr zollt man Bewunderung, Verehrung und Gehorsam. In den zweiten schaut und sieht man die Vortrefflichkeit, die im eigenen Menschsein liegt. – Kommen wir nun zum Thema. Diese Leidenschaften, von denen wir hier reden und die wir in diesen Gedichten in die Tat umgesetzt sehen, sind kein Vergessen, sondern ein Erinnern. Sie sind kein Sich-selbst-Vernachlässigen, sondern Liebe und Sehnsucht nach dem Guten und Schönen, womit man sich um Vollkommenheit bemüht, indem man sich verwandelt und jenem Guten und Schönen ähnlich wird. Es ist kein Hingerissen-Werden unter dem Gesetz eines unwürdigen Schicksals mit den Fallstricken tierischer Gefühls­aufwallungen, sondern ein vom Verstande gelenkter Antrieb, der das Ziel verfolgt, das ihm bekannte Gute und Schöne mit der Vernunft zu begreifen. Dem Guten und Schönen wollte er gleichermaßen gefallen, indem er sich ihm angleicht, folglich läßt er sich von dessen Edelmut und Licht anstecken und nimmt Eigenschaften und Beschaffenheiten an, die ihn zu einer glänzenden, würdevollen Erscheinung machen. Er wird zu einem Gott durch den geistigen Kontakt mit jenem göttlichen Objekt, er denkt an nichts anderes als an göttliche Dinge und zeigt sich unempfindlich und unempfänglich gegenüber den Dingen, die normalerweise besonders stark empfunden werden und anderen die schlimmsten Qualen bereiten. Er fürchtet nichts, verachtet aus Liebe zum Göttlichen alle anderen Freuden und macht sich keine Gedanken um sein Leben. Seine Leidenschaft ist kein Ausfluß schwarzer Galle, die ihn dazu bringen würde, unüberlegt, unvernünftig und unklug umherzuirren, vom Zufall geführt und von stürmischer Verwirrung hingerissen – wie jene, die für ihre Ausschweifungen nach einem Gesetz der Göttin A ­ drastea zur Zerfleischung durch die Furien verurteilt werden, so daß sie sowohl körperlich durch inneres Aufbegehren, Zusammenbrüche und Krankheiten als auch geistig durch den Verfall der Harmonie zwischen erkennenden und begehrenden Kräften von Unstimmigkeiten zerrüttet werden. Seine Leidenschaft ist viel-

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ligenziale ne l’anima et impeto divino che gl’impronta l’ali: onde più e più avvicinandosi al sole intelligenziale, rigettando la ruggine de le umane cure, dovien un oro probato e puro, ha sentimento della divina et interna armonia, concorda gli suoi pensieri e gesti con la simmetria della legge insita ¦ in tutte le cose. Non come inebriato da le tazze di Circe va cespitando et urtando or in questo, or in quel altro fosso, or a questo or a quell’altro scoglio; o come un Proteo vago or in questa or in quell’altra faccia cangiandosi, giamai ritrova loco, modo, né materia di fermarsi e stabilirsi. Ma senza distemprar l’armonia vince e supera gli orrendi mostri; e per tanto che vegna a dechinare, facilmente ritorna al sesto con quelli intimi instinti, che come nove muse saltano e cantano circa il splendor dell’universale Apolline: e sotto l’imagini sensibili e cose materiali va comprendendo divini ordini e consegli. È vero che tal volta avendo per fida scorta l’amore, ch’è gemino, e perché tal volta per occorrenti impedimenti si vede defraudato dal suo sforzo, | all’ora come insano e furioso mette in precipizio l’amor di quello che non può comprendere: onde confuso da l’abisso della divinità tal volta dismette le mani, e poi ritorna pure a forzarsi con la voluntade verso là dove non può arrivare con l’intelletto. È vero pure che ordinariamente va spasseggiando, et or più in una, or più in un’altra forma del gemino Cupido si trasporta; perché la lezzion principale che gli dona Amore è che in ombra contemple (quando non puote in specchio) la divina beltate: e come gli proci di Penelope s’intrattegna con le fante quando non gli lice conversar con la padrona. Or dumque, per conchiudere, possete da quel ch’è detto comprendere qual sia questo ¦ furioso di cui l’imagine ne vien messa avanti, quando si dice:

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mehr eine Hitze, die von der Sonne der Einsichtskraft in der Seele entfacht worden ist, und ein göttlicher Impuls, der ihn beflügelt: Indem er sich dadurch mehr und mehr der Sonne der Einsichtskraft nähert und den Rost der menschlichen Sorgen abwirft, wird er zu wahrhaft reinem Gold, fühlt die innere, göttliche Harmonie und bringt seine Gedanken und Handlungen mit der Symmetrie des allen Dingen innewohnenden Gesetzes zur Übereinstimmung. Er fällt nicht torkelnd wie ein von den Bechern der Circe Berauschter bald in diesen, bald in jenen Graben, stößt nicht bald an diesen, bald an jenen Felsen und ist auch kein unsteter Proteus, der sich ständig in eine andere Gestalt verwandelt und niemals Ort, Art und Stoff findet, um haltzumachen und sich an einer Stelle einzurichten. Sondern ohne die Harmonie zu zerstören, besiegt und überwindet er die schrecklichen Ungeheuer; so oft er auch davon abkommt, findet er doch mit Leichtigkeit zur Ordnung zurück dank jener innersten Instinkte, die wie die neun Musen um den Glanz des allumfassenden Apollo Reigen tanzen und singen; und hinter den sinnlich wahrnehmbaren Bildern und den materiellen Dingen begreift er allmählich die göttlichen Anordnungen und Ratschlüsse. Sicherlich, da seine treue Begleiterin die Liebe ist – eine Liebe mit zwei Gesichtern –, und er sich gelegentlich durch aufkommende Hindernisse in seinen Bemühungen getäuscht sieht, wirft er dann, wie rasend vor Leidenschaft, die Liebe zu dem, was er nicht fassen kann, von sich. Verwirrt von der Abgrundtiefe des Göttlichen läßt er daher manchmal die Hände sinken, kehrt dann aber doch zurück und bemüht sich nun mit dem Willen um das, was er mit der Vernunft nicht erreichen kann. Es stimmt auch, daß er in der Regel hin und her schwankt und sich mal von der einen, mal von der anderen Form des doppelgesichtigen Cupido tragen läßt. Denn die wichtigste Lektion, die ihm die Liebe erteilt, ist die, daß er die göttliche Schönheit als Schattenbild betrachten soll (wenn er es nicht im Spiegel kann). Und wie die Freier der Penelope solle er sich mit den Dienerinnen die Zeit vertreiben, wenn es ihm nicht vergönnt ist, mit der Herrin Umgang zu pflegen. Kommen wir also zum Schluss: Ihr könnt aus dem Gesagten entnehmen, was dies für ein Leidenschaftlicher ist, dessen Bild uns vor Augen gestellt wird, wenn es heißt:

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prima parte · dialogo terzo

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 Se la farfalla al suo splendor ameno vola, non sa ch’è fiamm’ al fin discara; se quand’il cervio per sete vien meno, al rio va, non sa della freccia amara; s’il lioncorno corre al casto seno, non vede il laccio che se gli prepara: i’ al lum’, al font’, al grembo del mio bene, veggio le fiamme, i strali e le catene.   S’è dolce il mio languire, perché quell’alta face sì m’appaga, perché l’arco divin sì dolce impiaga, perché in quel nodo è avolto il mio desire:   mi sien eterni impacci fiamme al cor, strali al petto, a l’alma lacci. |

 Dove dimostra l’amor suo non esser come de la farfalla, del cervio e del lioncorno, che fuggirebono s’avesser giudizio del fuoco, della saetta e de gli lacci, e che non han senso d’altro che del piacere: ma vien guidato da un sensatissimo e pur troppo oculato furore, che gli fa amare più quel fuoco che altro refrigerio, più quella piaga che altra sanità, più que’ legami che altra libertade. Perché questo male non è absolutamente male: ma per certo ri ¦ spetto al bene secondo l’opinione, e falso; quale il vecchio Saturno ha per condimento nel devorar che fa de proprii figli. Perché questo male absolutamente ne l’occhio de l’eternitade è compreso o per bene, o per guida che ne conduce a quello; atteso che questo fuoco è l’ardente desio de le cose divine, questa saetta è l’impression del raggio della beltade della superna luce, questi lacci son le specie del vero che uniscono la nostra mente alla prima verità: e le specie del bene che ne fanno uniti e gionti al primo e sommo bene. A quel senso io m’accostai quando dissi:

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Wenn der Schmetterling dem Glanz, der lieblich ihm erscheint, entgegenfliegt, so weiß er nicht, daß letztlich dieser Glanz unangenehme Wenn der Hirsch, weil er vor Durst vergeht, [ Flamme ist. zum Flusse läuft, so weiß er nichts vom bitt’ren Pfeil.   Wenn das Einhorn zur keuschen Jungfrau eilt, sieht es die Schlinge nicht, die man ihm dort bereitet: Ich seh’ im Licht, im Quell, im Schoße meines Guts die Flammen und die Pfeile und die Ketten.   Wenn süß mein Schmachten ist, weil jene hohe Fackel mich so sehr zufriedenstellt, weil jenes Gottes Bogen mir so süße Wunden schlägt, weil in jenen Knoten meine Sehnsucht eingebunden ist,   mögen gerne ewig lästig sein Flammen dem Herzen, Pfeile der Brust und der Seele Schlingen.



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Hier zeigt er, daß seine Liebe nicht wie die von Schmetterling, Hirsch und Einhorn ist, die flüchteten, wenn sie von Feuer, Pfeil und Schlingen wüßten, und die ein Gefühl nur für den Genuß haben. Er hingegen wird von einer äußerst vernünftigen und doch auch allzu hellsichtigen Leidenschaft gelenkt, die ihn dies Feuer mehr als jede Kühlung, diese Wunde mehr als jede Unversehrtheit, diese Bande mehr als jede Freiheit lieben läßt. Denn dies Übel ist nicht von vorneherein ein Übel, sondern nur in Hinsicht auf das, was gemeinhin für das Gute gehalten wird, mithin in einer falschen Hinsicht, die vergleichbar ist mit der Würze im Mahl des greisen Saturn, wenn er seine eigenen Kinder verschlingt. Denn absolut und mit dem Auge der Ewigkeit betrachtet, begreift man dies Übel entweder als das Gute oder als Führer, der uns zum Guten führt. Denn dieses Feuer ist die brennende Sehnsucht nach göttlichen Dingen, dieser Pfeil das Eindringen des Strahls der Schönheit des allerhöchsten Lichts, diese Schlingen die Erscheinungsformen der Wahrheit, die unseren Geist mit der ersten Wahrheit vereinen, und die Erscheinungsformen des Guten, die uns mit dem ersten und höchsten Gut vereinen und verbinden. Diesem Gedanken näherte ich mich, als ich schrieb:

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D’un sì bel fuoco e d’un sì nobil laccio beltà m’accende, et onestà m’annoda, ch’in fiamm’ e servitù convien ch’io goda, fugga la libertade e tema il ghiaccio;   l’incendio è tal ch’io m’ard’ e non mi sfaccio, el nodo è tal ch’il mondo meco il loda, né mi gela timor, né duol mi snoda; ma tranquill’ è l’ardor, dolce l’impaccio.   Scorgo tant’alto il lume che m’infiamma, el laccio ordito di sì ricco stame, che nascend’ il pensier, more il desio.   Poiché mi splend’al cor sì bella fiamma, | e mi stringe il voler sì bel legame, sia serva l’ombra, et arda il cener mio.

Tutti gli amori (se sono eroici e non son puri animali, che chiamano naturali e cattivi alla generazione, come instrumenti de la natura in certo modo) hanno per oggetto la divinità, tendeno alla divina bellezza, la quale prima ¦ si comunica all’anime e risplende in quelle, e da quelle poi o (per dir meglio) per quelle poi si comunica alli corpi: onde è che l’affetto ben formato ama gli corpi o la corporal bellezza, per quel che è indice della bellezza del spirito. Anzi quello che n’innamora del corpo è una certa spiritualità che veggiamo in esso, la qual si chiama bellezza; la qual non consiste nelle dimensioni maggiori o minori, non nelli determinati colori o forme, ma in certa armonia e consonanza de membri e colori. Questa mostra certa sensibile affinità col spirito a gli sensi più acuti e penetrativi: onde séguita che tali più facilmente et intensamente s’innamorano, et anco più facilmente si disamorano, e più intensamente si sdegnano, con quella facilità et intensione, che potrebbe essere nel cangiamento del spirito brutto, che in qualche gesto et espressa intenzione si faccia aperto: di sorte che tal bruttezza trascorre da l’anima

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Mit solch schönem Feuer, in solch edler Schlinge entflammt mich Schönheit und verstrickt mich Tugend, daß ich in Flamme nur und Knechtschaft Lust empfinde, die Freiheit fliehen und mich vor dem Eise fürchten muß. [vergehe.   Es ist ein Brand von solcher Art, daß ich verbrenne, aber nicht Es ist ein Knoten solcher Art, daß ihn die Welt gemeinsam mit mir lobt; die Furcht vereist mich weder, noch kann mich der Schmerz entfesseln, vielmehr ist das Brennen friedlich, süß ist die Verstrickung.   So hoch oben schaue ich das Licht, das mich entflammt, und meine Schlinge, die aus derart reichem Garn geknüpft, so daß die Sehnsucht stirbt, sobald zu denken ich beginne.   Da in meinem Herzen eine derart schöne Flamme leuchtet und ein derart schönes Band mein Wollen fesselt, sei denn mein Schatten Sklave, und meine Asche möge brennen.

Jede Liebe (wenn es heroische und nicht jene rein tierische Liebe ist, die als natürliche und der Zeugung dienende bezeichnet wird und in gewisser Weise ein Werkzeug der Natur ist) hat das Göttliche zum Gegenstand und strebt zur göttlichen Schönheit, die sich zuerst den Seelen mitteilt und in ihnen erstrahlt und sich dann von ihnen aus oder (genauer gesagt) durch sie den Körpern mitteilt. Deshalb liebt das wohl­ ausgebildete Gefühl den Körper oder die körperliche Schönheit, insofern sie ein Verweis auf geistige Schönheit ist. Mehr noch: das, was uns in einen Körper verliebt macht, ist ein gewisses geistiges Element, das wir in ihm erkennen und das man Schönheit nennt. Diese besteht nicht in größeren oder kleineren Maßen, nicht in bestimmten Farben oder Formen, sondern in einer gewissen Harmonie und Stimmigkeit der Glieder und Farben. Diese äußere Schönheit steht für besonders scharfe und durchdringende Sinne in einer bestimmten fühlbaren Affinität zum Geist. Das hat zur Folge, daß diese sich leichter und heftiger verlieben und sich auch leichter der Liebe entheben und heftiger Verachtung empfinden, und zwar mit einer Leichtigkeit und Heftigkeit, die in der Veränderung begründet sein könnte, die sich an einem häßlichen Geist vollzieht, wenn er sich in einer Geste oder Absicht offenbart: dann greift seine Häßlichkeit von der Seele auf den Körper über und läßt ihn nicht mehr so schön erscheinen, wie er dem Liebenden erschien. Die

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al corpo, a farlo non apparir oltre come gli apparia bello. La beltà dumque del corpo ha forza d’accendere; ma non già di legare e far che l’amante non possa fuggire, se la grazia che si richiede nel spirito non soccorre, come la onestà, la gratitudine, la cortesia, l’accortezza: però dissi bello quel fuoco che m’accese, perché ancor fu nobile il laccio che m’annodava. | Cicada  Non creder sempre cossì, Tansillo; perché qualche volta quantumque discuopriamo vizioso il spirito non lasciamo però di rimaner accesi et allacciati: di maniera che quantumque la raggion veda il male et indignità di tale amore, non ha però efficacia di alienar il disordinato ¦ appetito. Nella qual disposizion credo che fusse il Nolano quando disse: Oimé che son constretto dal furore d’appigliarmi al mio male, ch’apparir fammi un sommo ben Amore.   Lasso, a l’alma non cale ch’a contrarii consigli umqua ritenti; e del fero tiranno, che mi nodrisce in stenti, e poté pormi da me stess’ in bando, più che di libertad’ i’ son contento.   Spiego le vele al vento, che mi suttraga a l’odioso bene: e tempestoso al dolce danno amene. Tansillo  Questo accade, quando l’uno e l’altro spirto è vizioso, e son tinti come di medesimo inchiostro, atteso che dalla conformità si suscita, accende e si confirma l’amore. Cossì gli viziosi facilmente concordano in atti di medesimo vizio. E non voglio lasciar de dire ancora quel che per esperienza conosco, che quantumque in un animo abbia discuoperti vizii molto abominati da me, com’è dire una sporca avarizia, una vilissima ingordiggia sul danaio, irreconoscenza di ricevuti favori e cortesie, un amor di persone al tutto vili (de quali vizii questo ultimo

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körperliche Schönheit hat also die Kraft, ein Feuer zu entfachen, aber nicht, zu binden und den Liebenden an der Flucht zu hindern, wenn die Anmut, die man vom Geist erwartet, ihr nicht zu Hilfe kommt, etwa als Ehrhaftigkeit, Dankbarkeit, Höflichkeit, Umsicht. Deshalb nannte ich schön das Feuer, das mich entflammte, denn darüber hinaus war auch die Schlinge, die mich verstrickte, eine edle. Cicada  Glaube nur nicht, Tansillo, daß es sich immer so verhält. Manchmal hören wir nämlich nicht auf, entbrannt und gefesselt zu sein, obwohl wir Fehler im Geist des Gegenstandes unserer Liebe entdeckt haben; so sehr auch der Verstand das Schlechte und Unwürdige einer solchen Liebe sieht, gelingt es ihm dennoch nicht, sich das fehlgeleitete Verlangen auszutreiben. In dieser Lage befand sich wohl der Nolaner, als er sagte: 20

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Wehe mir, der ich durch meine Leidenschaft gezwungen bin, mich an mein Übel anzuklammern, das Amor mir als höchstes Gut erscheinen läßt.   Dich, ach, Seele, kümmert’s nicht, daß sich die Schlüsse deines Rates immer widersprechen. Und der grausame Tyrann, der mich mit Not ernährt, und der mich von mir selbst verbannen konnte, stellt mich mehr zufrieden als die Freiheit.   Die Segel hisse ich im Wind, damit er dem verhaßten Gut mich doch entreiße und im Sturm zum süßen Untergange führe. Tansillo  So kommt es, wenn der eine wie der andere Geist Fehler hat und sozusagen in derselben Tinte gefärbt ist, denn ihre Gleichartig­keit erregt, entfacht und festigt die Liebe. Wer dieselben Fehler hat, begeht auch leicht dieselben Fehltritte. Und ich will auch nicht verschweigen, was ich aus eigener Erfahrung kenne: Selbst wenn ich in einer Seele Laster entdeckte, die ich sehr verabscheue, wie zum Beispiel schmutzige Habgier, überaus niederträchtige Geldgier, Undank­barkeit gegen­ über Gefälligkeiten und Höflichkeiten, Liebe zu durch und durch nie­ derträchtigen Leuten (unter diesen Lastern ist das letzte besonders

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massime dispiace perché toglie la speranza a l’amante che per esser egli, o farsi più degno, possa da lei | esser più accettato), tutta volta non mancava ch’io ardesse per la beltà corporale. Ma che? io l’amavo senza buona volontà, essendo che non per questo m’arrei più contristato che allegrato delle sue disgrazie et infortunii. ¦ Cicada  Però è molto propria et a proposito quella distinzion che fanno intra l’amare e voler bene. Tansillo  È vero, perché a molti vogliamo bene, cioè desideramo che siano savii e giusti: ma non le amiamo, perché sono iniqui et ignoranti; molti amiamo perché son belli, ma non gli vogliamo bene, perché non meritano: e tra l’altre cose che stima l’amante quello non meritare, la prima è d’essere amato; e però benché non possa astenersi d’amare, niente di meno gli ne rincresce e mostra il suo rincrescimento: come costui che diceva, »Oimè ch’io son costretto dal furore d’appigliarmi al mio male«. In contraria disposizione fu, o per altro oggetto corporale in similitudine, o per suggetto divino in verità, quando disse:

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 Bench’ a tanti martir mi fai suggetto. pur ti ringrazio, e assai ti deggio, Amore, che con sì nobil piaga apriste il petto, e tal impadroniste del mio core, per cui fia ver ch’un divo e viv’oggetto, de Dio più bella imago ’n terra adore; pensi chi vuol ch’il mio destin sia rio, ch’uccid’in speme, e fa viv’in desio.   Pascomi in alta impresa; | e bench’il fin bramato non consegua, e ’n tanto studio l’alma si dilegua, basta che sia sì nobilment’accesa:   basta ch’alto mi tolsi, e da l’ignobil numero mi sciolsi. ¦



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ärgerlich, weil es dem Liebenden die Hoffnung nimmt, aufgrund seiner Würde oder derer Vermehrung von der Geliebten eher erhört zu werden), blieb es dennoch nicht aus, daß ich für ihre körperliche Schönheit entbrannte. Na und? Ich liebte sie ohne Wohlwollen, denn andernfalls hätte es mich eher traurig als froh gemacht, wenn ihr ein Mißgeschick oder Unglück zugestoßen wäre. Cicada  So ist jene Unterscheidung sehr passend und dem Gegenstand entsprechend, die man zwischen Lieben und Wohlwollen macht. Tansillo  Das stimmt, denn vielen begegnen wir mit Wohlwollen, das heißt, wir wünschen, daß sie weise und gerecht seien, aber wir lieben sie nicht, denn sie sind ungerecht und dumm; viele lieben wir, weil sie schön sind, aber wir bringen ihnen kein Wohlwollen entgegen, weil sie es nicht verdienen. Und unter all den Dingen, die der Liebende für unverdient hält, steht das Geliebtwerden an erster Stelle. Deshalb tut es ihm leid, daß er liebt, obgleich er es nicht lassen kann, und er äußert sein Bedauern wie jener, der sagte: Wehe mir, der ich durch meine Leidenschaft gezwungen bin, mich an mein Übel anzuklammern. In der entgegengesetzten Lage befand er sich entweder dem Anschein nach, weil das körperliche Objekt ein anderes war, oder in Wahrheit, weil dahinter das Göttliche stand, als er sagte: 

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Obgleich du mir so viele Qualen auferlegst, dank’ ich dir doch und schulde, Amor, dir sehr viel, der du mit so edler Wunde mir die Brust geöffnet hast, und solcherart dich meines Herzens hast bemächtigt, daß es wahrhaftig nun ein göttliches, lebendiges Objekt verehren wird: Gottes schönstes Bild auf Erden; wer will, soll denken, daß mein Schicksal grausam sei, daß es im Hoffen tötet und in Sehnsucht leben macht.   Ich weide mich an einem edlen Unterfangen, selbst wenn ich das ersehnte Ziel verfehle und sich die Seele unter großen Müh’n verzehrt: Es genügt, daß sie so edelmütig brennt,   es genügt, daß ich mich in die Höhe hob und aus der feigen Vielzahl löste.

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L’amor suo qua è a fatto eroico e divino, e per tale voglio intenderlo: benché per esso si dica suggetto a tanti martìri; perché ogni amante ch’è disunito e separato da la cosa amata (alla quale com’è congionto con l’affetto, vorrebe essere con l’effetto) si trova in cordoglio e pena, si crucia e si tormenta: non già perché ami, atteso che degnissima e nobilissimamente sente impiegato l’amore; ma perché è privo di quella fruizione la quale ottenerebbe se fusse gionto a quel termine al qual tende: non dole per il desio che l’avviva, ma per la difficultà del studio ch’il martora. Stiminlo dumque altri a sua posta infelice per questa apparenza de rio destino, come che l’abbia condannato a cotai pene: perché egli non lasciarà per tanto de riconoscer l’obligo ch’have ad Amore, e rendergli grazie, perché gli abbia presentato avanti gli occhi de la mente una specie intelligibile, nella quale in questa terrena vita (rinchiuso in questa priggione de la carne, et avvinto da questi nervi, e confirmato da queste ossa) li sia lecito di contemplar più altamente la divinitade, che se altra specie e similitudine di quella si fusse offerta. Cicada  Il »divo« dumque »e vivo oggetto«, ch’ei dice, è la specie intelligibile più alta che egli s’abbia possuto formar della divinità; e non è qualche cor | poral bellezza che gli adombrasse il pensiero come appare in superficie del senso? Tansillo  Vero: perché nessuna cosa sensibile, né specie di quella, può inalzarsi a tanta dignitade. Cicada  Come dumque fa menzione di quella specie per oggetto, se (come mi pare) il vero oggetto è la divinità istessa? Tansillo  La è oggetto finale, ultimo e perfettissimo; ¦ non già in questo stato dove non possemo veder Dio se non come in ombra e specchio, e però non ne può esser oggetto se non in qualche similitudine; non tale qual possa esser abstratta et acquistata da bellezza et eccellenza corporea per virtù del senso: ma qual può esser formata nella mente per virtù de l’intelletto. Nel qual stato ritrovandosi, viene a perder l’amore et affezzion d’ogni altra cosa tanto sensibile quanto intelligibile; perché questa congionta a quel lume dovien lume essa ancora, e per conse-

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Hier ist seine Liebe tatsächlich heroisch und göttlich, und als solche will ich sie begreifen, obwohl sie ihm seinen Worten nach so viele Qualen auferlegt. Denn jeder Liebende, der vom Gegenstand seiner Liebe entfernt und getrennt ist (mit der er wie im Gefühl auch in Wirklichkeit vereint sein wollte), empfindet Schmerz und Pein, er martert und quält sich. Und zwar nicht deshalb, weil er liebt, denn er fühlt, daß seine Liebe einem äußerst würdigen und edlen Gegenstand gilt, sondern weil er des Genußes beraubt ist, den er hätte, wenn er das Ziel erreichte, nach dem er strebt. Er leidet nicht Schmerzen aufgrund der Sehnsucht, die ihn belebt, sondern aufgrund der Schwierigkeit seiner Mühen, die ihn quälen. Mögen ihn also andere an seiner Stelle für unglücklich halten, weil sein Schicksal grausam scheint, ein Schicksal, das ihn zu solchen Qualen verurteilt hat. Er wird trotzdem nicht aufhören, seine Schuldigkeit Amor gegenüber anzuerkennen, und ihm Dank zu wissen, weil er ihm vor sein geistiges Auge eine mit der Vernunft faßbare Erscheinung gestellt hat, die es ihm erlaubt, in diesem irdischen Leben (eingeschlossen in das Gefängnis des Fleisches, gefesselt mit den Nerven und festgehalten durch die Knochen), das Göttliche auf eine höhere Weise zu schauen, als jede andere Erscheinung und jeder andere Vergleich es hätte leisten können. Cicada  Das göttliche, lebendige Objekt also, wie er es nennt, ist die höchste mit der Vernunft faßbare Erscheinung, die er sich vom Gött­ lichen bilden konnte, und keine körperliche Schönheit, die ihm die Gedanken verdunkelt, wenn sie auf der Oberfläche der Sinne auftaucht? Tansillo  Richtig, denn keine sinnlich wahrnehmbare Sache oder ihre Erscheinung kann sich zu solcher Würde erheben. Cicada  Warum also berichtet er von jener Erscheinung als Objekt, wenn doch (wie mir scheint) das wahre Objekt das Göttliche selbst ist? Tansillo  Das Göttliche ist das endgültige, letzte und vollendete Objekt, aber nicht schon in dieser Welt, in der wir Gott gleichsam nur in seinem Schatten und im Spiegel sehen können. Deshalb kann es für uns das Objekt nur in einem Gleichnis geben. Und zwar einem Gleichnis, das nicht kraft Sinneswahrnehmung aus körperlicher Schönheit und Vortrefflichkeit abgeleitet und gewonnen werden könnte, sondern kraft Vernunft im Geiste gebildet werden muß. Wer sich in diesem geistigen Zustand befindet, verliert Liebe und Zuneigung zu jeder anderen Sache, sei sie nun mit den Sinnen oder mit der Vernunft faßbar. Wenn nämlich

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quenza si fa un Dio: perché contrae la divinità in sé essendo ella in Dio per la intenzione con cui penetra nella divinità (per quanto si può), et essendo Dio in ella, per quanto dopo aver penetrato viene a conciperla e (per quanto si può) a ricettarla e comprenderla nel suo concetto. Or di queste specie e similitudini si pasce l’intelletto umano da questo mondo inferiore, sin tanto che non gli sia lecito de mirar con più puro occhio la bellezza della divinitade: come accade a colui che è gionto a qualch’edificio eccellentissimo et ornatissimo, mentre va considerando cosa per cosa in quello, si aggrada, si contenta, si pasce d’una nobil maraviglia; ma se | avverà poi che vegga il signor di quelle imagini, di bellezza incomparabilmente maggiore, lasciata ogni cura e pensiero di esse, tutto è volto et intento a considerar quell’uno. Ecco dumque come è differenza in questo stato dove veggiamo la divina bellezza in specie intelligibili tolte da gli effetti, opre, magisteri, ombre e similitudini di quella, et in quell’altro stato dove sia lecito di vederla in propria presenza. – Dice appresso: »Pascomi d’alt’impresa«, perché (come notano gli Pitagorici) cossì l’anima si versa e muove circa Dio, come il corpo circa l’anima. ¦ Cicada  Dumque il corpo non è luogo de l’anima? Tansillo  Non: perché l’anima non è nel corpo localmente, ma come forma intrinseca e formatore estrinseco; come quella che fa gli membri, e figura il composto da dentro e da fuori. Il corpo dumque è ne l’anima, l’anima nella mente, la mente o è Dio, o è in Dio, come disse Plotino: cossì come per essenza è in Dio che è la sua vita, similmente per l’operazione intellettuale e la voluntà conseguente dopo tale operazione, si referisce alla sua luce e beatifico oggetto. Degnamente dumque questo affetto del eroico furore si pasce de sì alta impresa. Né per questo che l’obietto è infinito, in atto simplicissimo, e la nostra potenza intellettiva non può apprendere l’infinito se non in discorso, o in certa maniera de discorso, com’è dire in certa raggione potenziale o aptitudinale, è come

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der Geist sich mit jenem Licht vereinigt, wird er selbst zu Licht und folglich zu einem Gott. Denn er zieht die Gottheit in sich zusammen, insofern er durch seine Entschlossenheit, mit der er (so weit wie möglich) in das Göttliche eindringt, in Gott ist und insofern Gott in ihm ist, weil er nach dem Eindringen das Göttliche erfaßt, (so weit wie möglich) aufnimmt und auf seinen Begriff bringt. An diesen Erscheinungen und Gleichnissen nun weidet sich die menschliche Vernunft in dieser niederen Welt, solange es ihr nicht erlaubt ist, die Schönheit des Göttlichen mit reineren Augen zu schauen. So geht es demjenigen, der an ein prachtvolles und reichverziertes Gebäude kommt und, während er es Stück für Stück betrachtet, sich an dem edlen Wunderwerk freut, erbaut und labt. Wenn es aber dann geschieht, daß er den Herrn jener Bilder erblickt, dessen Schönheit unvergleichlich viel größer ist, läßt er jedes Interesse und jeden Gedanken an diese fahren und ist ganz darauf aus, jenen einen zu betrachten. Das ist also der Unterschied zwischen dem Zustand, in dem wir die göttliche Schönheit in vernünftig faßbaren Erscheinungen sehen, sie also ihren Wirkungen, Werken, Lehren, Schatten und Gleichnissen entnehmen, und jenem anderen Zustand, in dem wir die Gegenwart der Schönheit selbst erleben dürfen. – Dann sagt er: Ich weide mich an einem edlen Unterfangen, denn (wie die Pythagoräer bemerken) die Seele dreht und bewegt sich kreisend um Gott wie der Körper um die Seele. Cicada  Ist also der Körper nicht Sitz der Seele? Tansillo  Nein, denn die Seele ist nicht räumlich im Körper, sondern als Form von innen und als Formgeber von außen; sie macht seine Glieder und gestaltet das Gefüge von innen und außen. Der Körper ist also in der Seele, die Seele im Geist, der Geist ist entweder Gott oder in Gott, wie Plotin gesagt hat. So wie er seinem Wesen nach in Gott ist, der sein Leben ist, steht er desgleichen durch die Tätigkeit der Vernunft und durch den Willen, der auf solche Tätigkeit folgt, in Beziehung zu dessen Licht und zu dem selig machenden Objekt. Zu Recht also weidet sich jenes Gefühl der heroischen Leidenschaft an einem so edlen Unterfangen. Und insofern das Objekt unendlich in der einfachsten Form des Akts ist und unser Einsichtsvermögen das Unendliche nur begreifen kann, indem es sich ihm diskursiv oder in einer bestimmten Art von Aufeinanderfolge annähert, also sozusagen mit einem gewissen potentiellen oder befähigenden Verstand, ist der Leidenschaftliche nicht wie

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colui che s’amena a la consecuzion de l’immenso onde vegna a constituirse un fine dove non è fine. | Cicada  Degnamente, perché l’ultimo fine non deve aver fine, atteso che non sarebe ultimo. È dumque infinito in intenzione, in perfezzione, in essenza et in qualsivoglia altra maniera d’esser fine. Tansillo  Dici il vero. Or in questa vita tal pastura è di maniera tale, che più accende, che possa appagar il desio, come ben mostra quel divino poeta che disse: »Bramando è lassa l’alma a Dio vivente«; et in altro luogo: Attenuati sunt oculi mei suspicientes in ¦ excelsum. Però dice: »E bench’il fin bramato non consegua, E ’n tanto studio l’alma si dilegua, Basta che sia sì nobilmente accesa«: vuol dire ch’in tanto l’anima si consola e riceve tutta la gloria che può ricevere in cotal stato, e che sia partecipe di quel ultimo furor de l’uomo in quanto uomo di questa condizione, nella qual si trova adesso, e come ne veggiamo. Cicada  Mi par che gli Peripatetici (come esplicò Averroe) vogliano intender questo quando dicono la somma felicità de l’uomo consistere nella perfezzione per le scienze speculative. Tansillo  È vero, e dicono molto bene: perché noi in questo stato nel qual ne ritroviamo, non possiamo desiderar né ottener maggior perfezzione che quella in cui siamo quando il nostro intelletto mediante qualche nobil specie intelligibile s’unisce o alle sustanze separate, come dicono costoro, o a la divina mente, come è modo de dir de Platonici. Lascio per ora di raggionar de l’anima o uomo in altro stato e modo di essere che possa trovarsi o credersi. | Cicada  Ma che perfezzione o satisfazzione può trovar l’uomo in quella cognizione la quale non è perfetta? Tansillo  Non sarà mai perfetta per quanto l’altissimo oggetto possa esser capito, ma per quanto l’intelletto nostro possa capire: basta che in questo et altro stato gli sia presente la divina bellezza per quanto s’estende l’orizonte della vista sua. ¦

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einer, der sich anschickt, das Unermeßliche zu erfassen, indem er ein Ende konstruiert, wo keines ist. Cicada  Richtig so, denn das letzte Ende darf kein Ende haben, sonst wäre es nicht das letzte. Es ist also unendlich im Vorsatz, in der Vollkommenheit, im Wesen und in jeder anderen Beziehung, Ende zu sein. Tansillo  Du sagst die Wahrheit. Nun ist in diesem Leben solche Nahrung so geartet, daß sie mehr Verlangen entfacht, als sie stillen kann, wie es jener göttliche Dichter gut zeigt, der gesagt hat: »Erschöpft ist die Seele, die sich nach dem lebendigen Gott sehnt.« Und an anderer Stelle: Attenuati sunt oculi mei suspicientes in excelsum. Deshalb sagt der Leidenschaftliche: Selbst wenn ich das ersehnte Ziel verfehle und sich die Seele unter großen Müh’n verzehrt: Es genügt, daß sie so edelmütig brennt. Das heißt, unterdessen tröstet sich die Seele und nimmt allen Ruhm auf, den sie in einem solchen Zustand aufnehmen kann, und sie ist jener äußersten menschlichen Leidenschaft teilhaftig, die es für einen Menschen in diesem Zustand gibt, in dem sich der Leidenschaftliche zur Zeit befindet und wir ihn betrachten. Cicada  Mir scheint, daß die Peripatetiker (wie Averroes erklärt hat) dies meinen, wenn sie sagen, das höchste Glück des Menschen bestehe darin, sich durch die spekulativen Wissenschaften zu vervollkommnen. Tansillo  Das stimmt, und sie sagen es mit Recht, denn wir können in diesem Zustand, in dem wir uns befinden, keine größere Vollkommenheit wünschen oder erlangen als die, daß unsere Vernunft durch eine edle vernünftig faßbare Erscheinung sich entweder – wie die Peripatetiker sagen – mit den getrennten Substanzen vereinigt oder – nach der Redeweise der Platoniker – mit dem göttlichen Geist. Im Augenblick will ich nicht weiter nachdenken über die Seele oder den Menschen, wenn er sich in anderen Zuständen und Seinsweisen befindet, wie man sie antreffen oder annehmen könnte. Cicada  Aber was für eine Vollkommenheit oder Befriedigung kann der Mensch in jener Erkenntnis finden, die nicht vollkommen ist? Tansillo  Sie wird niemals vollkommen sein im Hinblick darauf, wie das höchste Objekt begriffen werden könnte, aber im Hinblick darauf, wie viel unsere Vernunft begreifen kann: Es genügt, da sich ihm in diesem oder einem anderen Zustand die göttliche Schönheit so weit darbietet, wie sich sein Gesichtskreis erstreckt.

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Cicada  Ma de gli uomini non tutti possono giongere a quello dove può arrivar uno o doi. Tansillo  Basta che tutti corrano; assai è ch’ognun faccia il suo possibile; perché l’eroico ingegno si contenta più tosto di cascar o mancar degnamente e nell’alte imprese, dove mostre la dignità del suo ingegno, che riuscir a perfezzione in cose men nobili e basse. Cicada  Certo che meglio è una degna et eroica morte, che un indegno e vil trionfo. Tansillo  A cotal proposito feci questo sonetto: Poi che spiegat’ho l’ali al bel desio, quanto più sott’il piè l’aria mi scorgo, più le veloci penne al vento porgo: e spreggio il mondo, e vers’il ciel m’invio.   Né del figliuol di Dedalo il fin rio fa che giù pieghi, anzi via più risorgo; ch’i’ cadrò morto a terra ben m’accorgo: ma qual vita pareggia al morir mio?   La voce del mio cor per l’aria sento: »Ove mi porti, temerario? china, | che raro è senza duol tropp’ardimento«;   Non temer (respond’io) l’alta ruina. Fendi sicur le nubi, e muor contento: s’il ciel sì illustre morte ne destina«. Cicada  Io intendo quel che dice: »basta ch’alto mi tolsi«; ma non quando dice: »e da l’ignobil numero mi sciolsi«, s’egli non intende d’esser ¦ uscito fuor de l’antro platonico, rimosso dalla condizion della sciocca et ignobilissima moltitudine; essendo che quei che profittano in questa contemplazione non possono esser molti e numerosi. Tansillo  Intendi molto bene; oltre, per »l’ignobil numero« può in-

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Cicada  Aber nicht alle Menschen können dorthin gelangen, wohin einer oder zwei gelangen können. Tansillo  Es genügt, wenn alle sich aufmachen; es reicht, wenn jeder einzelne das ihm Mögliche tut. Denn ein heroischer Geist wird lieber bei edlen Aufgaben, in denen er die Würde seines Geistes beweisen kann, straucheln oder mit Anstand scheitern, als in weniger edlen und niedrigen Dingen Vollkommenheit erzielen. Cicada  Gewiß ist ein würdiger und heroischer Tod besser als ein unwürdiger und gemeiner Triumph. Tansillo  Zu diesem Thema schrieb ich folgendes Sonett: Da nach schöner Sehnsucht ich die Flügel ausgebreitet habe, halte ich, je mehr an Luft ich unter meinen Füßen sehe, desto stärker meine schnellen Schwingen in den Wind, verachte ich die Welt und mache mich gen Himmel auf.   Auch des Daedaliden grauses Ende macht nicht, daß abwärts ich mich wende, im Gegenteil: noch  höher steig’ ich auf. Daß ich tot zu Erden fallen werde, ist mir wohl bewußt: Doch welches Leben käme meinem Sterben gleich?   Die Stimme meines Herzens hör’ ich in der Luft: »Wo trägst, Waghalsiger, du mich hin? Oh steig’ hinab, denn selten straft nicht Schmerz zu großen Wagemut.«   »Fürchte nicht«, antworte ich, »den tiefen Sturz. Zerteil’ bedenkenlos die Wolken, du, und stirb zufrieden, da uns der Himmel zu solch ruhmesvollem Tod bestimmt.« Cicada  Ich verstehe, was er mit den Worten ausdrückt es genügt, daß ich mich in die Höhe hob, aber nicht, wenn er sagt und aus der feigen Vielzahl löste, es sei denn, der Leidenschaftliche meint damit, die platonische Höhle verlassen zu haben und sich weit entfernt von der Situation der dummen, nichtswürdigen Menge zu befinden. Es können ja wohl nicht sehr viele sein, die Nutzen aus solch höheren Betrachtungen ziehen. Tansillo  Du verstehst vollkommen richtig. Darüber hinaus kannst du unter der feigen Vielzahl den Körper und die sinnliche Erkenntnis

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tendere il corpo e sensual cognizione dalla quale bisogna alzarsi e disciòrsi chi vuol unirsi alla natura di contrario geno. Cicada  Dicono gli Platonici due sorte de nodi con gli quali l’anima è legata al corpo. L’uno è certo atto vivifico che da l’anima come un raggio scende nel corpo; l’altro è certa qualità vitale che da quell’atto resulta nel corpo. ¦ Or questo numero nobilissimo movente ch’è l’anima, come intendete che sia disciolto da l’ignobil numero ch’è il corpo? Tansillo  Certo non s’intendeva secondo alcun modo di questi: ma secondo quel modo con cui le potenze che non son comprese e cattivate nel grembo de la materia, e qualche volta come sopite et inebriate si trovano quasi ancora esse occupate nella formazion della materia e vivificazion del corpo; tal’or come risvegliate e ricordate di se stesse riconoscendo il suo principio e geno, si voltano alle cose superiori, si forzano al mondo intelligibile come al | natio soggiorno; quali tal volta da là per la conversione alle cose inferiori si son trabalsate sotto il fato e termini della generazione. Questi doi appolsi son figurati nelle due specie de metamorfosi espresse nel presente articolo che dice:  Quel dio che scuot’ il folgore sonoro, Asterie vedde furtivo aquilone, Mnemosine pastor, Danae oro, Alcmena sposo, Antiopa caprone; fu di Cadmo a le suore bianco toro, a Leda cigno, a Dolida dragone: io per l’altezza de l’oggetto mio da suggetto più vil dovegno un dio. ¦   Fu cavallo Saturno, Nettun delfin, e vitello si tenne Ibi, e pastor Mercurio dovenne, un’uva Bacco, Apollo un corvo furno:

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verstehen, aus der sich erheben und lösen muß, wer nach der entgegengesetzten Art der Vereinigung mit der Natur strebt. Cicada  Die Platoniker benennen zwei Arten von Knoten, mit denen die Seele an den Körper gebunden ist. Der eine ist ein gewisser lebensspendender Akt, der von der Seele wie ein Strahl in den Körper hinabsteigt. Der andere ist eine gewisse Lebenskraft, die durch jenen Akt im Körper bewirkt wird. Wie meint Ihr nun, daß diese äußerst edle Zahl, also der Beweger, der unsere Seele ist, von der unedlen Zahl, die der Körper ist, gelöst werden kann? Tansillo  Das bezieht sich selbstverständlich auf keine dieser beiden Arten, sondern auf die Weise, durch die Kräfte, die nicht im Schoß der Materie eingeschlossen und gefangen sind, manchmal trotzdem – gleichsam schläfrig und trunken – ebenfalls an der Bildung von Materie und der Belebung des Körpers beteiligt sind. Bisweilen scheinen sie zu erwachen, sich ihrer selbst zu erinnern und ihren Ursprung und ihre Wesensart zu erkennen; dann wenden sie sich den höheren Dingen zu, streben nach der intelligiblen Welt wie nach ihrer Heimstatt, so wie sie bisweilen von dort durch die Hinwendung zu den niederen Dingen abgedriftet sind unter das Geschick und Gesetz der Fortpflanzung. Diese beiden Impulse sind in den beiden Formen der Verwandlung dargestellt, die der vorliegende Artikel folgendermaßen anspricht: 

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Jenen Gott, der Donnerkeile schleudert, sah Asteria als räuberischen Adler, als Schäfer Mnemosyne, als Goldregen Danaë, Alkmene als Gatte, Antiope als Satyr. Er war des Cadmos Schwestern ein weißer Stier, der Leda ein Schwan, Proserpina ein Drache. Ich, durch meines Gegenstands Erhabenheit, werde vom gemeinsten der Subjekte zu einem Gott.   Es war ein Pferd Saturn, Neptun ein Delphin, und eines Kalbs Gestalt nahm Ibis an, zum Hirten ward Merkur, zu einer Rebe Bacchus, Apoll zu einem Raben:

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  et io (mercé d’amore) mi cangio in dio da cosa inferiore.

 Nella natura è una revoluzione et un circolo per cui, per l’altrui perfezzione e soccorso, le cose superiori s’inchinano all’inferiori, e per la propria eccellenza e felicitade le cose inferiori s’inalzano alle superiori. Però vogliono i Pitagorici e Platonici esser donato a l’anima ch’a certi tempi non solo per spontanea voluntà, la qual le rivolta alla comprension de le nature, ma et anco della necessità d’una legge interna scritta e registrata dal decreto fatale vanno a | trovar la propria sorte giustamente determinata. E dicono che l’anime non tanto per certa determinazione e proprio volere come ribelle declinano dalla divinità, quanto per certo ordine per cui vegnono affette verso la materia: onde non come per libera intenzione, ma come per certa occolta conseguenza vegnono a cadere; e questa è l’inclinazion ch’hanno alla generazione, come a certo minor bene. (Minor bene dico per quanto appartiene a quella natura particolare, non già per quanto appartiene alla natura universale dove niente accade senza ottimo fine che dispone il tutto secondo la giustizia). Nella qual generazione ritrovandosi (per la conversione che vicissitudinalmente succede) de nuovo ritornano a gli abiti superiori. Cicada  Sì che vogliono costoro che l’anime sieno spinte ¦ dalla necessità del fato, e non hanno proprio consiglio che le guide a fatto? Tansillo  Necessità, fato, natura, consiglio, voluntà, nelle cose giustamente e senza errore ordinate, tutti concorreno in uno. Oltre che (come riferisce Plotino) vogliono alcuni che certe anime possono fuggir quel proprio male, le quali prima che se gli confirme l’abito corporale, conoscendo il periglio rifuggono alla mente. Perché la mente l’inalza alle cose sublimi, come l’imaginazion l’abbassa alle cose inferiori: la mente

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  Und ich (kraft Liebe) verwandle mich in einen Gott aus einem niedern Ding.



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In der Natur vollzieht sich eine Umkehr und ein Kreislauf, durch den die höheren Dinge sich zu den niederen beugen, zu deren Vervollkommnung und Unterstützung, und zugleich sich die niederen Dinge zu den höheren erheben, um selbst Auszeichnung und Glück zu finden. Daher sind die Pythagoräer und Platoniker überzeugt, der Seele sei gegeben, zu gewissen Zeiten nicht nur aus spontanem Willen, der sie zur Einsicht in ihre Natur bringt, sondern auch aus der Notwendigkeit eines inneren Gesetzes heraus, das ihr auf Beschluß des Schicksals eingeschrieben und eingezeichnet wurde, die eigene rechtmäßige Bestimmung zu finden. Sie sagen weiter, daß die Seelen nicht so sehr durch eigene Willensentscheidung sich wie Rebellen vom Göttlichen abwenden, als vielmehr aufgrund eines gewissen Gebots, wonach sie zur Materie hingezogen werden. Sie kommen also nicht wie aus freien Stücken, sondern wie durch eine gewisse verborgene Gesetzmäßigkeit zu Fall. Diese Gesetzmäßigkeit ist der Hang zur Fortpflanzung, der ein Hang zu einem niederen Gut ist. (Ein niederes Gut, meine ich, in Bezug auf die individuelle Natur, nicht aber in Bezug auf die Natur in ihrer Gesamtheit, wo nichts ohne den besten Endzweck geschieht und sich dadurch alles der Gerechtigkeit entsprechend fügt.) Während sie sich aber inmitten der Fortpflanzung befinden, kehren sie (dank der Verwandlung, die sich im Wechsel vollzieht) erneut in die höheren Zustände zurück. Cicada  Diese Leute meinen also, daß die Seelen von der Notwendigkeit des Schicksals gestoßen werden und überhaupt keinen eigenen Entschluß fassen, der sie führt? Tansillo  Notwendigkeit, Schicksal, Natur, Entschluß und Willen laufen bei den Dingen, die rechtmäßig und ohne Irrtum geordnet sind, alle auf dasselbe hinaus. Weiter behaupten einige (wie Plotin berichtet), daß manche Seelen dem eigenen Übel entfliehen können, da sie, bevor sich das Gewand des Körpers um sie schließt, die Gefahr erkennen und zum Geist zurückfliehen. Denn der Geist erhebt sie zu den höchsten Dingen, während die Einbildungskraft sie zu den niederen Dingen hinabzieht. Der Geist erhält sie im Zustand der Ruhe

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le mantiene nel stato et identità come l’imaginazione nel moto e diversità; la mente sempre intende uno, come l’imaginazione sempre vassi fingendo varie imagini. In mezzo è la facultà razionale la quale è composta de tutto, come quella in cui concorre l’uno con la moltitudine, il medesi | mo col diverso, il moto col stato, l’inferiore col superiore. – Or questa conversione e vicissitudine è figurata nella ruota delle metamorfosi, dove siede l’uomo nella parte eminente, giace una bestia al fondo, un mezzo uomo e mezzo bestia descende dalla sinistra, et un mezzo bestia e mezzo uomo ascende da la destra. Questa conversione si mostra dove Giove, secondo la diversità de affetti e maniere di quelli verso le cose inferiori, s’investisce de diverse figure dovenendo in forma de bestie; e cossì gli altri dèi transmigrano in forme basse et aliene. E per il contrario, per sentimento della propria nobiltà, ripigliano la propria e divina forma: come il furioso eroico inalzandosi per la conceputa specie della divina beltà e bontade, con l’ali de l’intelletto e voluntade intellettiva s’inalza alla divini ¦ tade lasciando la forma de suggetto più basso. E però disse: »Da suggetto più vil dovegno un Dio, Mi cangio in Dio da cosa inferiore«. Fine del terzo dialogo ¦ |

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und in der Einheit mit sich selbst, so wie die Einbildungskraft in Bewegung und Verschiedenheit; der Geist strebt immer zum Einen, die Einbildungskraft denkt sich immer verschiedene Bilder aus. In der Mitte aber steht das Verstandesvermögen, das aus allem zusammengesetzt ist: In ihm fällt das Eine mit der Vielfalt zusammen, dasselbe mit dem verschiedenen, die Bewegung mit der Ruhe, das Niedere mit dem Höheren. – Diese Umkehr und dieser Wechsel nun ist im Rad der Verwandlungen versinnbildlicht: Dort sitzt der Mensch oben, liegt ein Tier unten, ein Wesen, das zur Hälfte Mensch, zur Hälfte Tier ist, steigt auf der linken Seite hinab und ein Wesen, das zur Hälfte Tier, zur Hälfte Mensch ist, steigt auf der rechten Seite hinauf. Dieser Wandel ist an Jupiter ablesbar, der sich je nach Verschiedenheit seiner Gefühle und Art ihres Hanges zu den niederen Dingen in verschiedene Gestalten kleidet und tierhafte Formen annimmt. Auch die anderen Götter schlüpfen so in niedrige, fremde Formen. Umgekehrt ergreifen sie im Empfinden für den eigenen Adel auch wieder die eigene, göttliche Form. Genauso erhebt sich der heroische Leidenschaftliche, weil er die Erscheinung der göttlichen Schönheit und Güte empfangen hat, mit den Flügeln der Vernunft und des von der Vernunft gelenkten Willens zum Göttlichen und läßt die Form des niedrigeren Subjekts hinter sich. Deshalb sagte er: Vom gemeinsten der Subjekte werde ich zu einem Gott. Ich verwandle mich in einen Gott aus einem niedern Ding. Ende des dritten Dialogs

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DI A L O G O QUA RT O

Tansillo  Cossì si descrive il discorso de l’amor eroico per quanto tende al proprio oggetto ch’è il sommo bene; e l’eroico intelletto che gionger si studia al proprio oggetto che è il primo vero o la verità absoluta. Or nel primo discorso apporta tutta la somma di questo, e l’intenzione: l’ordine della quale vien descritto in cinque altri seguenti. Dice dumque:  Alle selve i mastini e i veltri slaccia il giovan Atteon, quand’il destino gli drizz’il dubio et incauto camino, di boscareccie fiere appo la traccia.   Ecco tra l’acqui il più bel busto e faccia che veder poss’il mortal e divino, in ostro et alabastro et oro fino vedde: e ’l gran cacciator dovenne caccia.   Il cervio ch’a’ più folti luoghi drizzav’i passi più leggieri, ratto voraro i suoi gran cani e molti. ¦   I’ allargo i miei pensieri | ad alta preda, et essi a me rivolti morte mi dan con morsi crudi e fieri.

 Atteone significa l’intelletto intento alla caccia della divina sapienza, all’apprension della beltà divina. Costui slaccia »i mastini et i veltri«: de quai questi son più veloci, quelli più forti. Perché l’operazion de l’intel-

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V I E RT E R DI A L O G

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Tansillo  So wird der Weg der heroischen Liebe beschrieben, wie sie zu dem ihr gemäßen Objekt strebt, sprich dem höchsten Gut, und der Weg der heroischen Vernunft, die sich um die Vereinigung mit dem ihr gemäßen Objekt bemüht, sprich dem höchsten Wahren oder der absoluten Wahrheit. Im ersten Gedankengang wird dies alles zusammengefaßt und das Ziel dargelegt; die Einzelschritte werden in den folgenden fünf Durchgängen beschrieben. Er sagt also:

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In den Wäldern macht die Blut- und Windhunde Aktaion, der Jüngling, los, da das Schicksal ihm einen Weg voll Zweifel und Unvorsicht weist, den wilden Waldestieren auf der Spur.   Und schau: Im Wasser sah den schönsten Körper, das schönste Gesicht, das Mensch und Gott je wohl zu seh’n vermögen, von Purpur und von Alabaster und von reinem Gold, er – und der große Jäger ward zur Beute.   Den Hirschen, der zu undurchdringlicheren Orten leicht’ren Schritts sich wandte, verschlangen schnelle seine vielen großen Hunde.   Meine Gedanken send’ ich aus nach erles’ner Beute, und sie, zu mir zurückgekehrt, geben mir den Tod mit grausam wilden Bissen.

 Aktaion steht hier für die Vernunft, die sich auf die Jagd nach der göttlichen Weisheit gemacht hat, die nach der Erkenntnis der göttlichen Schönheit strebt. Er macht die Blut- und Windhunde los, von ­denen letztere schneller, erstere kräftiger sind. Denn die Tätigkeit der Ver-

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letto precede l’operazion della voluntade; ma questa è più vigorosa et efficace che quella: atteso che a l’intelletto umano è più amabile che comprensibile la bontade e bellezza divina, oltre che l’amore è quello che muove e spinge l’intelletto acciò che lo preceda come lanterna. »Alle selve«, luoghi inculti e solitarii, visitati e perlustrati da pochissimi, e però dove non son impresse l’orme de molti uomini, »il giovane« poco esperto e prattico, come quello di cui la vita è breve et instabile il furore, »nel dubio camino« de l’incerta et ancipite raggione et affetto designato nel carattere di Pitagora, dove si vede più spinoso, inculto e deserto il destro et arduo camino, e per dove costui slaccia i veltri e mastini appo la traccia di boscareccie fiere che sono le specie intelligibili de concetti ideali, che sono occolte, ¦ perseguitate da pochi, visitate da rarissimi, e che non s’offreno a tutti quelli che le cercano: »Ecco tra l’acqui«, cioè nel specchio de le similitudini, nell’opre dove riluce l’efficacia della bontade e splendor divino: le quali opre vegnon significate per il suggetto de l’acqui superiori et inferiori, che son sotto e sopra il firmamento; »vede il più bel busto e faccia«, cioè potenza et operazion esterna che vedersi possa per abito et | atto di contemplazione et applicazion di mente mortal o divina, d’uomo o dio alcuno. Cicada  Credo che non faccia comparazione, e pona come in medesimo geno la divina et umana apprensione quanto al modo di comprendere, il quale è diversissimo, ma quanto al suggetto che è medesimo. Tansillo  Cossì è. Dice »in ostro, alabastro et oro«, perché quello che in figura nella corporal bellezza è vermiglio, bianco e biondo, nella divinità significa l’ostro della divina vigorosa potenza, l’oro della divina sapienza, l’alabastro della beltade divina, nella contemplazion della quale gli Pitagorici, Caldei, Platonici et altri al meglior modo che possono s’ingegnano d’inalzarsi. »Vedde il gran cacciator«: comprese quanto è possibile, e »dovenne caccia«: andava per predare e rimase

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nunft geht der Tätigkeit des Willens voraus; aber dieser ist kräftiger und wirksamer als jene, denn der menschlichen Vernunft gelingt es eher, die göttliche Güte und Schönheit zu lieben als zu begreifen, außerdem ist es die Liebe, welche die Vernunft dazu bewegt und antreibt, daß sie ihr wie eine Laterne vorangehe. In den Wäldern bedeutet: an ungehegten, einsamen Orten, von sehr wenigen besucht und durchforscht und deshalb ohne Spuren von vielen Menschen. Der Jüngling: wenig erfahren und kaum geübt, einer, gewissermaßen, dessen Leben kurz und dessen Leidenschaft unbeständig ist. Auf einem Weg voll Zweifel – Zweifel über die Unsicherheit und Zweideutigkeit von Verstand und Gefühl, wie es im Buchstaben des Pythagoras zum Ausdruck kommt. Dort zeigt sich der rechte, harte Weg als dornenreicher, weniger durchforstet und verlassener, und dort macht dieser die Windhunde und Bluthunde los, den Waldestieren auf der Spur, das heißt den intelligiblen Erscheinungen der idealen Begriffe, die verborgen sind, von wenigen verfolgt und von sehr wenigen aufgespürt werden, und die sich nicht jedem zeigen, der sie sucht. Und schau: Im Wasser, nämlich im Spiegel der Gleichnisse, in den Werken, aus denen die Wirksamkeit der göttlichen Güte und des göttlichen Glanzes hervorleuchtet. Diese Werke werden symbolisch durch die höheren und niederen Wasser dargestellt, die ober- und unterhalb des Himmelsgewölbes sind. Er sieht den schönsten Körper, das schönste Gesicht, Potenz und den äußeren Akt also, die man je wohl zu sehen vermöchte durch Disposition und Akt der Betrachtung und Hinwendung mit sterb­lichem oder göttlichem Geist, als Mensch oder Gott. Cicada  Ich glaube nicht, da er diesen Vergleich in Bezug auf die Art des Begreifens anstellt, die ja sehr unterschiedlich ist, und die gött­ liche und menschliche Art des Begreifens unter dieselbe Kategorie fassen will, sondern in Bezug auf den Gegenstand, welcher derselbe ist. Tansillo  So ist es. Er sagt: Von Purpur und von Alabaster und von Gold, denn das, was bei der körperlichen Schönheit rot, weiß und blond ist, bedeutet bei der Gottheit das Purpur der göttlichen, kraftvollen Potenz, das Gold der göttlichen Weisheit, das Alabaster der göttlichen Schönheit, bei deren Betrachtung sich Pythagoräer, Chaldäer, Platoniker und andere, so gut sie es vermögen, zu erheben suchen. Es sah der große Jäger: er begriff, soweit das möglich ist, und ward zur Beute: dieser Jäger zog aus, Beute zu erjagen und wurde selbst die Beute, und zwar

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prima parte · dialogo quarto

1007 – 1009

preda, questo cacciator, per l’operazion de l’intelletto con cui converte le cose apprese in sé. (Cicada  Intendo, perché forma le specie intelligibili a suo modo e le proporziona alla sua capacità, perché son ricevute a modo de chi le riceve. ¦ Tansillo)  E questa caccia per l’operazion della voluntade, per atto della quale lui si converte nell’oggetto. Cicada  Intendo: perché lo amore transforma e converte nella cosa amata. Tansillo  Sai bene che l’intelletto apprende le cose intelligibilmente, idest secondo il suo modo; e | la voluntà perseguita le cose naturalmente, cioè secondo la raggione con la quale sono in sé. Cossì Atteone con que’ pensieri, que’ cani che cercavano estra di sé il bene, la sapienza, la beltade, la fiera boscareccia, et in quel modo che giunse alla presenza di quella, rapito fuor di sé da tanta bellezza, dovenne preda, veddesi convertito in quel che cercava; e s’accorse che de gli suoi cani, de gli suoi pensieri egli medesimo venea ad essere la bramata preda, perché già avendola contratta in sé, non era necessario di cercare fuor di sé la divinità. Cicada  Però ben si dice il regno de Dio esser in noi, e la divinitade abitar in noi per forza del riformato intelletto e voluntade. Tansillo  Cossì è: ecco dumque come l’Atteone, messo in preda de suoi cani, perseguitato da proprii pensieri, corre e drizza i novi passi: è rinovato a procedere divinamente e più leggiermente, cioè con maggior facilità e con una più efficace lena a’ luoghi più folti, alli deserti, alla reggion de cose incomprensibili; da quel ch’era un uom volgare e commune, dovien raro et eroico, ha costumi e concetti rari, e fa estraordinaria vita. »Qua gli dan morte i suoi gran cani e molti«: qua finisce la sua vita secondo ¦ il mondo pazzo, sensuale, cieco e fantastico; e comincia a vivere intellettualmente: vive vita de dèi, pascesi d’ambrosia et inebriasi di nettare. – Appresso sotto forma d’un’altra similitudine descrive la maniera con cui s’arma alla ottenzion de l’oggetto, e dice: |

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durch die Tätigkeit der Vernunft, mit der er die begriffenen Dinge sich anverwandelt. (Cicada  Ich verstehe: Er formt nämlich die intelligiblen Erscheinungen auf seine Weise und nach den Maßgaben seines Fassungsvermögens, denn sie werden auf die Weise dessen, der sie aufnimmt, aufgenommen. Tansillo) Und zur Beute wird er durch die Tätigkeit des Willens, durch deren Akt er sich in das Objekt verwandelt. Cicada  Ich verstehe, denn die Liebe verwandelt und formt um in den geliebten Gegenstand. Tansillo  Du weißt ja, daß die Vernunft sich die Dinge auf dem Wege der Einsicht aneignet, idest gemäß ihrer eigenen Weise, der Wille indessen die Dinge ihrer Natur nach verfolgt, das heißt gemäß der Art, wie sie in sich selbst sind. So wurde Aktaion durch jene Gedanken, jene Hunde, die außerhalb von ihm das Gute, die Weisheit, die Schönheit, das wilde Waldestier suchten, und durch die Art, wie er in dessen Gegenwart geriet, über so viel Schönheit außer sich geraten, zur Beute; er sah sich in das verwandelt, was er suchte, und er merkte, daß er seinen Hunden, seinen Gedanken selbst zur ersehnten Beute wurde, denn insofern er die Gottheit in sich zusammengezogen hatte, war es nicht mehr notwendig, sie außerhalb seiner zu suchen. Cicada  Deshalb sagt man richtig, das Reich Gottes sei in uns und die Gottheit wohne in uns, kraft der neuen Gestalt von Vernunft und Willen. Tansillo  So ist es. Schau, wie Aktaion also, seinen Hunden zur Beute geworden, von den eigenen Gedanken verfolgt, losläuft und die verwandelten Schritte lenkt. Er ist von neuer Gestalt, so daß er wie ein Gott und wie auf Flügeln vorwärtskommt, das heißt mit größerer Leichtigkeit und mit mehr Ausdauer, zu undurchdringlicheren Orten, in Einsamkeiten, in das Gebiet der unbegreiflichen Dinge. Er, der ein gewöhnlicher, alltäglicher Mensch war, wird besonders und heroisch, seine Gebräuche und seine Begriffe sind besonders, und er führt ein außergewöhnliches Leben. Nun geben ihm den Tod seine vielen großen Hunde: Nun endet sein Leben gemäß der verrückten, sinnlichen, blinden und phantastischen Welt, und er beginnt, ein Leben in der Vernunft zu führen: Er lebt das Leben der Götter, nährt sich von Ambrosia und berauscht sich an Nektar. – Im folgenden beschreibt er in einem anderen Gleichnis, wie er sich bewaffnet, um das Objekt zu erlangen, und sagt:

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prima parte · dialogo quarto

1009 ¦ 1010

 Mio pàssar solitario, a quella parte ch’adombr’ e ingombra tutt’il mio pensiero, tosto t’annida: ivi ogni tuo mestiero rafferma, ivi l’industria spendi, e l’arte. Rinasci là, là su vogli allevarte gli tuoi vaghi pulcini omai ch’il fiero destin hav’espedit’il cors’intiero contra l’impres’, onde solea ritrarte.   Và: più nobil ricetto bramo ti godi, e arai per guida un dio che da chi nulla vede, è cieco detto.   Và: ti sia sempre pio ogni nume di quest’ampio architetto, e non tornar a me se non sei mio.

 Il progresso sopra significato per il cacciator che agita gli suoi cani, vien qua ad esser figurato per un cuor alato, che è inviato da la gabbia in cui si stava ocioso e quieto, ad annidarsi alto, ad allievar gli pulcini suoi pensieri, essendo venuto il tempo in cui cessano gli impedimenti che da fuori mille occasioni, e da dentro la natural imbecillità subministravano. Licenzialo dumque per fargli più magnifica condizione, applicandolo a più alto proposito et intento, or che son più fermamente impiumate quelle ¦ potenze de l’anima significate anco da Platonici per le due ali. E gli commette per guida quel dio che dal cieco volgo è stimato insano e cieco, cioè l’amore: il qual per mercé e favor del cielo è potente di trasformarlo come in quell’altra natura alla quale aspira o quel | stato dal quale va peregrinando bandito. Onde disse: »E non tornar a me che non sei mio«, di sorte che non con indignità possa io dire con quell’altro:

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Du mein einsamer Spatz, an jener Stelle, die mein Denken all beschattet und erfüllt, bau’ dir bald dein Nest, dort nimm all dein Tun wieder auf, dort wende deinen Eifer an und deine Kunst. Dort werde neu gebor’n, dort mögest du deine süßen Küken aufziehn, denn nun hat das strenge Schicksal seinen Widerstand vollständig gegen dein Ansinnen, von dem es dich bislang zurückhielt, aufgegeben.   Geh, daß einer edler’n Aufnahme du dich erfreust, begehre ich, und du wirst einen Gott als Führer haben, der von denen, die nichts sehen, blind genannt wird.   Geh, dir möge immer gnädig jede Gottheit jenes hohen Architekten sein, und kehre nicht zu mir zurück, wo du nicht mein bist.



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Der Vorgang, weiter oben im Bild des seine Hunde antreibenden Jägers dargestellt, wird hier anhand eines geflügelten Herzens geschildert: Es wird aus dem Käfig, in dem es sich in Muße und Geruhsamkeit aufhielt, zum Nestbau in die Höhe geschickt, um seine Küken – die Gedanken – großzuziehen, denn es ist die Zeit gekommen, in der die Hemmnisse verschwinden, die von außen durch tausend Anlässe und von innen durch die naturgegebene Schwäche unterstützt wurden. Er läßt es also frei, um es in einen viel herrlicheren Zustand zu versetzen, indem er es auf ein höherstehendes Vorhaben und Ziel ansetzt, nun, da jene Fähigkeiten, die auch von den Platonikern durch zwei Flügel symbolisiert werden, mit stärkeren Federn versehen sind. Und er gibt ihm zum Führer jenen Gott, der vom blinden Volk für verrückt und blind gehalten wird, nämlich die Liebe, die dank der Gnade und der Gunst des Himmels fähig ist, es gleichsam in jene andere Natur zu verwandeln, nach der es strebt, oder in jenen Zustand zurückzuversetzen, aus dem es verbannt ist und auf dessen Suche es umherstreift. Deshalb sagte er: Und kehre nicht zu mir zurück, da du nicht mein bist. Insofern kann ich dazu noch jenen anderen Dichter zitieren, ohne daß es unpassend wäre:

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prima parte · dialogo quarto

1010 ¦ 1011

Lasciato m’hai, cuor mio, e lume d’occhi miei non sei più meco.

Appresso descrive la morte de l’anima, che da Cabalisti è chiamata »morte di bacio« figurata nella Cantica di Salomone dove l’amica dice: Che mi bacie col bacio de sua bocca, perché col suo ferire un troppo crudo amor mi fa languire.

Da altri è chiamata »sonno«, dove dice il Salmista: S’avverrà, ch’io dia sonno a gli occhi miei, e le palpebre mie dormitaransi, arrò ’n colui pacifico riposo. ¦

Dice dumque cossì l’alma, come languida per esser morta in sé, e viva ne l’oggetto:  Abiate cur’ o furiosi al core: ché tropp’il mio da me fatto lontano, condotto in crud’ e dispietata mano, lieto soggiorn’ove si spasma e muore.   Co i pensier mel richiamo a tutte l’ore: et ei rubello qual girfalco insano, non più conosce quell’amica mano, onde per non tornar è uscito fore.   Bella fera ch’in pene tante contenti, il cor, spirt’, alma annodi | con tue punte, tuoi vampi e tue catene,   de sguardi, accenti e modi; quel che languisc’ et arde, e non riviene, chi fia che saldi, refrigere e snodi? 

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Verlassen hast Du mich, mein Herz, Licht meiner Augen, du bist nicht mehr bei mir.

Im nächsten Sonett beschreibt er den Tod der Seele, von den Kabbali­ sten »Todeskuß« genannt, der im Hohelied des Salomo an jener Stelle dargestellt ist, an der die Frau sagt: Daß er mich küsse mit dem Kuß seines Mundes, denn durch sein Verwunden macht mich eine allzu grausame Liebe schmachten.

Von anderen wird dies »Schlaf« genannt. So sagt der Psalmist: 26

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Wenn es geschieht, daß ich meinen Augen Schlaf geben werde und meine Augenlider einschlafen, werde ich in diesem Schlaf friedliche Erholung finden.

So sagt die Seele also wie ermattet, weil sie in sich tot und im Objekt lebendig ist:  Habt acht, ihr Leidenschaftlichen, auf euer Herz: Denn allzu freudig ist das meine, von mir weit entfernt, geführt von grausam mitleidsloser Hand, an einem Ort, wo es sich quält und stirbt.   Mit den Gedanken rufe ich mir’s immerfort zurück, doch es, rebellisch wie ein toller Falke, erkennt nicht mehr die freundschaftliche Hand, von der, um nie zurückzukehrn, es ausgezogen ist.   Du schönes Wild, das du in so viel Pein zufriedenstellst, du legst mir Herz, Geist, Seele in Schlingen, mit deinen Stichen, deinen Flammen, deinen Ketten,   durch Blicke, Zeichen und Gebaren. Wer sorgt dafür, daß jenen, der sich sehnt und brennt und   nicht zurückkehrt, du rettest, aus dem Feuer ziehst und aus den Fesseln löst?



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prima parte · dialogo quarto

1011 ¦ 1012

Ivi l’anima dolente non già per vera discontentezza, ma con affetto di certo amoroso martìre parla come drizzando il suo sermone a gli similmente appassionati: come se non a felice suo grado abbia donato congedo al core, che corre dove non può arrivare, si stende dove non può giongere, e vuol abbracciare quel che non può comprendere; e con ciò perché in vano s’allontane da lei, mai sempre più e più va accendendosi verso l’infinito. Cicada  Onde procede, o Tansillo, che l’animo in tal progresso s’appaga del suo tormento? onde procede quel sprone ch’il stimola sempre oltre quel che possiede? Tansillo  Da questo che ti dirò adesso. Essendo l’intelletto divenuto all’apprension d’una certa e definita forma intelligibile, e la volontà all’affezzione commensurata a tale apprensione, l’intelletto non si ferma là: perché dal proprio lume è promosso a pensare a quello che contiene in sé ogni geno de intelligibile et appetibile, sin che vegna ad apprendere con l’intelletto l’eminenza del fonte de ¦ l’idee, oceano d’ogni verità e bontade. Indi aviene che qualumque specie gli vegna presentata e da lei vegna compresa: da questo che è presentata e compresa, giudica che sopra essa è altra maggiore e maggiore, con ciò | sempre ritrovandosi in discorso e moto in certa maniera. Perché sempre vede che quel tutto che possiede è cosa misurata, e però non può essere bastante per sé, non buono da per sé, non bello da per sé; perché non è l’universo, non è l’ente absoluto: ma contratto ad esser questa natura, ad esser questa specie, questa forma rapresentata a l’intelletto e presente a l’animo. Sempre dumque dal bello compreso, e per conseguenza misurato, e conseguentemente bello per participazione, fa progresso verso quello che è veramente bello, che non ha margine e circonscrizzione alcuna. Cicada  Questa prosecuzione mi par vana. Tansillo  Anzi non, atteso che non è cosa naturale né conveniente che l’infinito sia compreso, né esso può donarsi finito: percioché non sarrebe infinito; ma è conveniente e naturale che l’infinito per essere

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erster teil · vierter dialog 129

Hier spricht die leidende Seele nicht in eigentlicher Unzufriedenheit, sondern mit den Gefühlen eines Märtyrers der Liebe, als ob sie ihre Worte an die Leidensgenossen richtete: Sie tut, als sei sie nicht glücklich, das Herz verabschiedet zu haben, das dorthin rennt, wo es niemals ankommen kann, sich nach dem streckt, was es nie erreichen kann, das umarmen will, was es nicht erfassen kann. Obwohl es also sinnlos ist, sich von der Seele zu entfernen, geht es immer weiter und weiter und entbrennt für die Unendlichkeit. Cicada  Woher kommt es, Tansillo, daß das Gemüt bei diesem Vorgang durch seine Qual Zufriedenheit empfindet? Woher kommt jener Ansporn, der es immer über das hinaustreibt, was es besitzt? Tansillo  Das werde ich dir jetzt sagen. Wenn die Vernunft eine bestimmte, definierte und intelligible Form erkannt hat und der Wille die jener Erkenntnis entsprechende Zuneigung entwickelt hat, bleibt die Vernunft dort nicht stehen, denn das eigene Licht treibt sie, an das zu denken, was jegliche Art von Erkennbarem und Erstrebenswertem in sich beinhaltet, so lange, bis sie die erhabene Quelle der Ideen, den Ozean aller Wahrheit und Güte erfaßt hat. Von daher kommt es, daß die Vernunft bei jedweder Erscheinung, die ihr präsentiert und von der Seele begriffen wird, urteilt – weil sie ja präsentiert und begriffen wird –, daß darüber noch eine andere größere und wieder größere sein müsse, weshalb sie sich in gewisser Weise immer in geschäftigem Lauf und Bewegung befindet. Denn immer sieht sie, daß jenes Ganze, das sie besitzt, ein bemessenes Ding ist und deshalb für sich als solches nicht genügen kann, von sich aus nicht gut, von sich aus nicht schön sein kann; denn es ist nicht das All, es ist nicht das absolute Sein, sondern darauf zusammengezogen, diese bestimmte Natur, diese bestimmte Erscheinung, diese bestimmte Form zu sein, die der Vernunft vergegenwärtigt wird und dem Gemüt gegenwärtig ist. Immer also schreitet sie vom begriffenen und demzufolge bemessenen Schönen, das folglich durch Teilhabe schön ist, zu dem weiter, was wahrhaft schön ist, keinen Rand und keinerlei Umgrenzung hat. Cicada  Dieses Streben erscheint mir sinnlos. Tansillo  Ganz im Gegenteil, denn es ist weder natürlich noch angemessen, daß das Unendliche erfaßt werde, noch kann es sich als endlich zu erkennen geben: Dann wäre es ja nicht unendlich. Dagegen ist

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prima parte · dialogo quarto

1012 ¦ 1013

infinito sia infinitamente perseguitato (in quel modo di persecuzione il quale non ha raggion di moto fisico, ma di certo moto metafisico; et il quale non è da imperfetto al perfetto: ma va circuendo per gli gradi della perfezzione, per giongere a quel centro infinito il quale non è formato né forma). Cicada  Vorrei sapere come circuendo si può arrivare al centro. ¦ Tansillo  Non posso saperlo. Cicada  Perché lo dici? Tansillo  Perché posso dirlo, e lasciarvel considerare. | Cicada  Se non volete dire che quel che perséguita l’infinito, è come colui che discorrendo per la circonferenza cerca il centro, io non so quel che vogliate dire. Tansillo  Altro. Cicada  Or se non vuoi dechiararti, io non voglio intenderti. Ma dimmi, se ti piace: che intende per quel che dice il core esser condotto »in cruda e dispietata mano«? Tansillo  Intende una similitudine o metafora tolta da quel, che comunmente si dice crudele chi non si lascia fruire o non pienamente fruire, e che è più in desio che in possessione; onde per quel che possiede alcuno, non al tutto lieto soggiorna, perché brama, si spasma e muore. Cicada  Quali son quei pensieri che il richiamano a dietro, per ritrarlo da sì generosa impresa? Tansillo  Gli affetti sensitivi et altri naturali che guardano al regimento del corpo. Cicada  Che hanno a far quelli di questo che in modo alcuno non può aggiutargli, né favorirgli? Tansillo  Non hanno a far di lui, ma de l’anima: la quale essendo troppo intenta ad una opra o studio, dovien remissa e poco sollecita ne l’altra. Cicada  Perché lo chiama »qual insano«?

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es angemessen und natürlich, daß das Unendliche, weil es unendlich ist, ohne Ende verfolgt werde (und zwar in einer Verfolgung, die nicht den Gesetzen der physischen, sondern einer gewissen metaphysischen Bewegung folgt; die nicht vom Unvollkommenen zum Vollkommenen geht, sondern die Stufen der Vollkommenheit umkreist, um jenen ­unendlichen Mittelpunkt zu erreichen, der weder geformt noch Form ist). Cicada  Ich wüßte gerne, wie man zum Mittelpunkt gelangen kann, wenn man im Kreis läuft. Tansillo  Das kann ich nicht wissen. Cicada  Warum sagst du es dann? Tansillo  Ich kann es doch sagen und Euch darüber nachdenken ­lassen. Cicada  Wenn Ihr damit nicht sagen wollt, wer das Unendliche verfolgt, sei wie jemand, der den Mittelpunkt eines Kreises sucht, indem er seinen Umkreis abläuft, weiß ich nicht, was Ihr sagen wollt. Tansillo  Etwas anderes. Cicada  Wenn du dich nicht erklären willst, will ich dich nicht verstehen. Aber sage mir, wenn’s dir beliebt, was meint er mit den Worten, das Herz werde geführt von grausam mitleidsloser Hand? Tansillo  Das ist ein Vergleich oder eine Metapher, die daher stammt, daß man gemeinhin den grausam nennt, der sich uns nicht oder nicht vollständig zum Genuß überläßt und den wir eher begehren, als daß wir ihn besitzen. Infolgedessen verlebt der, der nur einen Teil besitzt, keine uneingeschränkt frohen Tage, denn er sehnt und quält sich und stirbt schließlich. Cicada  Was sind das für Gedanken, die das Herz zurückrufen, um es von seiner so hochgesinnten Aufgabe abzuhalten? Tansillo  Die sinnlichen und andere natürlichen Gefühle, die unter der Herrschaft des Körpers stehen. Cicada  Was haben sie mit dem Herzen zu tun, das ihnen doch in keiner Weise helfen noch sie unterstützen kann? Tansillo  Mit ihm haben sie nichts zu tun, aber mit der Seele. Wenn diese nämlich mit der einen Aufgabe zu sehr beschäftigt ist, vernachlässigt sie die anderen. Cicada  Warum heißt es, das Herz sei wie toll?

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prima parte · dialogo quarto

1013 – 1015

Tansillo  Perché soprasape. | 171 Cicada  Sogliono esser chiamati insani quei che men sanno. ¦ | Tansillo  Anzi insani son chiamati quelli che non sanno secondo l’ordinario, o che tendano più basso per aver men senso, o che tendano più alto per aver più intelletto. Cicada  M’accorgo che dici il vero. Or dimmi appresso: quai sono le »punte«, gli »vampi« e le »catene«? Tansillo  Punte son quelle nuove che stimulano e risvegliano l’affetto perché attenda; vampi son gli raggi della bellezza presente che accende quel che gli attende; catene son le parti e circonstanze che tegnono fissi gli occhi de l’attenzione et uniti insieme gli oggetti e le potenze. Cicada  Che son gli »sguardi, accenti e modi«? Tansillo  Sguardi son le raggioni con le quali l’oggetto (come ne mirasse) ci si fa presente; accenti son le raggioni con le quali ci inspira et informa; modi son le circonstanze con le quali ci piace sempre et aggrada. Di sorte ch’il cor che dolcemente languisce, suavemente arde e constantemente nell’opra persevera; teme che la sua ferita si salde, ch’il suo incendio si smorze e che si sciolga il suo laccio. Cicada  Or recita quel che séguita. Tansillo 

Alti, profondi e desti miei pensieri, ch’uscir volete da materne fasce de l’afflitt’alma, e siete acconci arcieri | per tirar al versagli’ onde vi nasce l’alto concetto: in questi erti sentieri scontrarvi a cruda fier’ il ciel non lasce. Sovvengav’il tornar, e richiamate il cor ch’in man di dea selvaggia late.   Armatevi d’amore di domestiche fiamme, et il vedere reprimete sì forte, che straniere ¦ non vi rendan compagni del mio core.

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Tansillo  Weil es zu viel weiß. Cicada  Man pflegt diejenigen toll zu nennen, die zu wenig wissen. Tansillo  Genauer gesagt werden diejenigen toll genannt, deren Wissensgrad nicht gewöhnlich ist, sei es, daß es sie nach unten zieht, weil sie weniger begreifen, sei es, daß es sie in die Höhe zieht, weil sie mehr einsehen. Cicada  Ich merke, daß du Recht hast. Nun sage mir weiter, was die Stiche, Flammen und Ketten sind. Tansillo  Die Stiche sind jene neuen Reize, die das Gefühl anregen und wecken, damit es aufmerksam sei. Die Flammen sind die Strahlen der gegenwärtigen Schönheit, die den in Brand steckt, der aufmerksam betrachtet. Die Ketten sind deren Bestandteile und Umstände, die die aufmerksamen Augen fesseln und die Verbindung zwischen den Objekten und den Vermögen aufrechterhalten. Cicada  Was sind die Blicke, Zeichen und Gebaren? Tansillo  Die Blicke sind jene Weisen, durch die sich uns das Objekt vergegenwärtigt (als ob es uns anblickte). Die Zeichen sind jene Weisen, durch die uns das Objekt inspiriert und bildet. Das Gebaren sind jene Umstände, um deretwillen es uns stets gefällt und erfreut. Infolgedessen fürchtet das Herz, während es in Süße schmachtet, lieblich brennt und beharrlich seine Aufgabe verfolgt, daß seine Wunde heile, sein Brand erlösche und seine Schlinge sich löse. Cicada  Nun trage das folgende Gedicht vor. Tansillo  Meine erhabenen, tiefgründigen, wachen Gedanken, die ihr entkommen wollt den mütterlichen Windeln der kummervollen Seele und gut gerüstete Schützen seid, um auf das Ziel zu schießen, welches euch die erhabene Idee gebiert: auf diesen steilen Wegen möge der Himmel euch kein grausam wildes Tier begegnen lassen. Denkt daran zurückzukommen und ruft zurück das Herz, das in der Hand der wilden Göttin sich verbirgt.   Bewaffnet euch mit Liebe zu des heim’schen Herdes Flammen und unterdrückt das Sehen so stark, daß fremde Flammen euch nicht zu Begleitern meines Herzens machen.

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prima parte · dialogo quarto

1015 ¦ 1016

  Al men portate nuova di quel ch’a lui tanto diletta e giova.  Qua descrive la natural sollecitudine de l’anima attenta circa la generazione per l’amicizia ch’ha contratta con la materia. Ispedisce gli armati pensieri che sollecitati e spinti dalla querela della natura inferiore, son inviati a richiamar il core. L’anima l’instruisce come si debbano portare perché invaghiti et attratti dal oggetto non facilmente vegnano anch’essi sedotti a rimaner cattivi e compagni del core. Dice dumque che s’armino d’amore: di quello amore che accende con domestiche fiamme, cioè quello che è amico della generazione alla quale son ubligati, e nella cui legazione, ministerio e milizia si ritrovano. Appresso li dà ordine che reprimano il vedere chiudendo gli occhi, perché non mirino altra beltade o bontade che quella qual gli è presente, amica e madre. E conchiude al fine che se per altro ufficio non vogliono farsi rivedere, rivegnano al manco per donargli saggio delle raggioni e stato del suo core. | Cicada  Prima che procediate ad altro, vorrei intender da voi che è quello che intende l’anima quando dice a gli pensieri: »il vedere reprimete sì forte«. Tansillo  Ti dirò. Ogni amore procede dal vedere: l’amore intelligibile dal vedere intelligibilmente; il sensibile dal vedere sensibilmente. Or questo vedere ha due significazioni: perché o significa la potenza visiva, cioè la vista, che è l’intelletto, overamente senso; o significa l’atto di quella potenza, cioè quell’applicazione che fa ¦ l’occhio o l’intelletto a l’oggetto materiale o intellettuale. Quando dumque si consegliano gli pensieri di reprimere il vedere, non s’intende del primo modo, ma del secondo; perché questo è il padre della seguente affezzione del appetito sensitivo o intellettivo. Cicada  Questo è quello ch’io volevo udir da voi. Or se l’atto della potenza visiva è causa del male o bene che procede dal vedere, onde

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erster teil · vierter dialog 135

  Zum mindesten bringt Nachricht von dem, was es so sehr ergötzt und freut.

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Hier beschreibt er die naturgegebenen Sorgen der Seele, die aufgrund der Freundschaft, die sie mit der Materie geschlossen hat, auf Fortpflanzung bedacht ist. Sie schickt die bewaffneten Gedanken, die durch die Klagen der niederen Natur aufgestachelt und angetrieben werden, mit dem Auftrag aus, das Herz zurückzurufen. Die Seele belehrt sie, wie sie sich verhalten sollen, damit sie nicht ebenfalls vom Objekt entzückt und hingerissen ohne Schwierigkeit dazu verführt werden, als Gefangene und Begleiter beim Herzen zu bleiben. Sie sagt also, daß sie sich mit Liebe bewaffnen sollen, aber mit jener Liebe, die im heimischen Herd brennt und also die Freundin der Fortpflanzung ist, der sie als Boten, Diener und Soldaten verpflichtet seien. Weiter befiehlt sie ihnen, den Blick durch das Schließen der Augen zu unterdrücken, damit sie keine andere Schönheit oder Güte schauen als die ihnen als Freundin und Mutter bereits gegenwärtige. Und sie schließt mit der Bitte, wenn sie sich schon aus keinem anderen Grund wieder sehen lassen wollen, möchten sie doch wenigstens zurückkommen, um ihr Kunde von den Beweggründen und dem Zustand ihres Herzens zu geben. Cicada  Bevor Ihr zu etwas anderem übergeht, erklärt mir bitte, was die Seele meint, wenn sie zu den Gedanken sagt: Unterdrückt das Sehen so stark. Tansillo  Das will ich dir sagen. Jede Liebe geht vom Sehen aus: Die geistige Liebe vom geistigen Sehen, die sinnliche Liebe vom sinnlichen Sehen. Nun hat ›Sehen‹ zwei Bedeutungen, denn entweder meint es das Vermögen zu sehen, also die Sehkraft, das heißt die Vernunft beziehungsweise den Sinn, oder es meint die Ausübung dieses Vermögens, also die Anwendung des Auges oder der Vernunft gegenüber einem materiellen oder geistigen Objekt. Wenn hier den Gedanken geraten wird, das Sehen zu unterdrücken, ist damit nicht die erste, sondern die zweite Art gemeint, denn diese ist die Mutter der darauffolgenden Erregung der sinnlichen oder geistigen Begierde. Cicada  Das ist, was ich von Euch hören wollte. Wenn aber die Ausübung des Sehvermögens die Ursache für das Böse oder Gute ist, das

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prima parte · dialogo quarto

1016 ¦ 1017

avviene che amiamo e desideramo di vedere? Et onde avviene che nelle cose divine abbiamo più amore che notizia? Tansillo  Desideriamo il vedere, perché in qualche modo veggiamo la bontà del vedere; perché siamo informati che per l’atto del vedere le cose belle s’offreno: però desideramo quell’atto, perché desideriamo le cose belle. Cicada  Desideriamo il bello e buono; ma il vedere non è bello, né buono, anzi più tosto quello è parangone o luce per cui veggiamo non solamente il bello e buono, ma anco il rio e brutto. Però mi pare ch’il vedere tanto può esser bello o buono, quanto la | vista può esser bianco o nero: se dumque la vista (la quale è atto) non è bello né buono, come può cadere in desiderio? Tansillo  Se non per sé, certamente per altro è desiderata, essendo che l’apprension di quell’altro senza lei non si faccia. Cicada  Che dirai se quell’altro non è in notizia di senso né d’intelletto? come, dico, può esser desiderato almanco d’esser visto, se di esso non è notizia alcuna, se verso quello ¦ né l’intelletto né il senso ha esercitato atto alcuno, anzi è in dubio se sia intelligibile o sensibile, se sia cosa corporea o incorporea, se sia uno o doi o più, d’una o d’un’altra maniera? Tansillo  Rispondo che nel senso e l’intelletto è un appetito et appulso al sensibile in generale; perché l’intelletto vuol intender tutto il vero, perché s’apprenda poi tutto quello che è bello o buono intelligibile: la potenza sensitiva vuol informarsi de tutto il sensibile, per che s’apprenda poi quanto è buono o bello sensibile. Indi aviene che non meno desideramo vedere le cose ignote e mai viste, che le cose conosciute e viste. E da questo non séguita ch’il desiderio non proceda da la cognizione, e che qualche cosa desideriamo che non è conosciuta; ma dico che sta pur rato e fermo che non desideriamo cose incognite.

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erster teil · vierter dialog 137

vom Sehen ausgeht, woher kommt es dann, daß wir es lieben und wünschen zu sehen? Und woher kommt es, daß unsere Liebe zu den göttlichen Dingen größer ist als ihre Kenntnis von ihnen? Tansillo  Uns verlangt zu sehen, weil wir in gewisser Weise die Güte des Sehens sehen. Wir wissen nämlich, daß sich die schönen Dinge uns durch den Akt des Sehens darbieten. Uns verlangt also nach diesem Akt, weil uns nach den schönen Dingen verlangt. Cicada  Uns verlangt nach dem Schönen und Guten, aber das Sehen ist weder schön noch gut, vielmehr eher ein Vergleichsmittel oder Licht, das uns nicht nur das Schöne und Gute, sondern auch das Schlechte und Häßliche sehen läßt. Deshalb meine ich, das Sehen kann genauso schön oder gut sein, wie das Gesehene weiß oder schwarz sein kann. Wenn also der Blick (als Akt) an sich weder schön noch gut ist, wie kann uns dann nach ihm verlangen? Tansillo  Wenn nicht um seiner selbst willen, dann sicherlich wegen eines anderen Gegenstands, denn ohne den Blick kann dieser nicht erfaßt werden. Cicada  Was sagst du nun aber, wenn von jenem anderen Gegenstand weder die Sinne noch die Vernunft etwas wissen? Wie, sage ich, kann etwas ersehnt werden, ohne daß es gesehen worden ist, wenn es davon keinerlei Kunde gibt, wenn weder Vernunft noch Gefühl ihm gegenüber jemals tätig geworden sind, wenn es sogar zweifelhaft ist, ob es mit der Vernunft oder mit den Sinnen faßbar, ob es körperlich oder unkörperlich, ob es eins oder zwei oder mehr, ob von dieser oder jener Art sei? Tansillo  Ich antworte, daß in den Sinnen und in der Vernunft ein Begehren und ein Antrieb zur sinnlichen Erfahrung im allgemeinen liegt, denn die Vernunft will alles Wahre verstehen, um dann alles zu erfassen, was geistig schön und gut ist. Das sinnliche Vermögen will von allem Sinnlichen Kenntnis haben, um dann das sinnlich Gute und Schöne zu erfassen. So kommt es, daß wir die unbekannten und niemals gesehenen Dinge nicht weniger sehen wollen als die bekannten und gesehenen. Daraus folgt aber nicht, daß das Verlangen nicht aus der Erkenntnis entstünde, oder daß wir uns nur nach etwas sehnten, das nicht bekannt ist; ich behaupte vielmehr, daß es nichtsdestoweniger gesichert und bestätigt ist, daß uns nicht nach unbekannten Dingen

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prima parte · dialogo quarto

1017 ¦ 1018

Perché se sono occolte quanto all’esser particulare, non sono occolte quanto a l’esser generale: come in tutta la potenza visiva si trova tutto il visibile in attitudine, nella intellettiva tutto l’intelligibile. Però come ne l’attitudine è l’inclinazione a l’atto, aviene che l’una e l’altra potenza è inchinata a l’atto | in universale, come a cosa naturalmente appresa per buona. Non parlava dumque a sordi o ciechi l’anima, quando consultava con suoi pensieri de reprimere il vedere, il quale quantumque non sia causa prossima del volere, è però causa prima e principale. Cicada  Che intendete per questo ultimamente detto? Tansillo  Intendo che non è la figura o la specie sensibilmente o intelligibilmente representata, la quale per sé muove: perché mentre alcuno sta mirando la figura manifesta a gli occhi, non viene ancora ad amare; ma da quello instante che l’animo concipe in se stesso quella figurata non ¦ più visibile ma cogitabile, non più dividua ma individua, non più sotto specie di cosa, ma sotto specie di buono o bello, all’ora subito nasce l’amore. Or questo è quel vedere dal quale l’anima vorrebbe divertir gli occhi de suoi pensieri. Qua la vista suole promuovere l’affetto ad amar più che non è quel che vede; perché, come poco fa ho detto, sempre considera (per la notizia universale che tiene del bello e buono) che oltre li gradi della compresa specie de buono e bello, sono altri et altri in infinito. Cicada  Onde procede che dopo che siamo informati de la specie del bello la quale è conceputa nell’animo, pure desideriamo di pascere la vista esteriore? Tansillo  Da quel, che l’animo vorrebbe sempre amare quel che ama, vuol sempre vedere quel che vede. Però vuole che quella specie che gli è stata par | turita dal vedere non vegna ad attenuarsi, snervarsi e perdersi. Vuol dumque sempre oltre et oltre vedere, perché quello che potrebe oscurarsi nell’affetto interiore, vegna spesso illustrato dall’aspetto esteriore: il quale come è principio de l’essere, bisogna che sia principio del conservare. Proporzionalmente accade ne l’atto del intendere e con-

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verlangt. Wenn sie nämlich auch in Bezug auf ihr individuelles Sein verborgen sind, so sind sie es doch nicht in Bezug auf ihr allgemeines Sein: Wie sich im Sehvermögen insgesamt alles Sichtbare als Anlage befindet, befindet sich im Einsichtsvermögen alles der Einsichtskraft Zugängliche. Da aber alles, was möglich ist, danach strebt, wirklich zu werden, kommt es, daß das eine wie das andere Vermögen dem allumfassenden Akt zustrebt als einer von Natur aus als gut erfaßten Sache. Die Seele sprach also nicht zu Tauben oder Blinden, als sie den Gedanken riet, das Sehen zu unterdrücken, das zwar nicht die unmittelbare, aber doch die erste und prinzipielle Ursache des Wollens ist. Cicada  Was meint Ihr mit dem, was Ihr zuletzt gesagt habt? Tansillo  Ich meine, daß es nicht die sinnlich oder geistig vergegenwärtigte Gestalt oder Erscheinung ist, die von sich aus bewegt. Denn während einer die den Augen deutliche Gestalt betrachtet, fängt er noch nicht an zu lieben. Aber in dem Augenblick, da der Geist jenes Gebilde in sich selbst aufnimmt, das nun nicht mehr sichtbar, sondern denkbar ist, nicht mehr teilbar, sondern unteilbar, nicht mehr als Erscheinung einer Sache, sondern als Erscheinung des Guten oder Schönen wirkt, entsteht in einem Nu die Liebe. Von ebendiesem Sehen will die Seele die Augen ihrer Gedanken ablenken. Die Sehkraft pflegt hierbei das Gefühl dazu anzuregen, mehr zu lieben als das, was es sieht, denn immer bedenkt es, wie ich vor kurzem gesagt habe (wegen der universalen Kenntnis, die es vom Schönen und Guten hat), daß es über die Stufen der erfaßten Erscheinung des Guten und Schönen hinaus unendlich viele weitere gibt. Cicada  Woher kommt es, daß wir dennoch, obwohl wir bereits die Erscheinung des Schönen kennen, die im Geist entwickelt wird, danach verlangen, uns am äußerlichen Anblick zu weiden? Tansillo  Weil der Geist immer lieben will, was er liebt, will er immer sehen, was er sieht. Deshalb will er, daß jene Erscheinung, die ihm durch das Sehen geboren worden ist, nicht abnimmt, sich nicht verflüchtigt und verliert. Er will daher immer weiter und weiter sehen, damit das, was sich im inneren Gefühl verdunkeln könnte, oft durch den äußeren Anblick erleuchtet wird. Da dieser Anblick die Grundlage seines Seins bildet, muß er auch die Grundlage seiner Erhaltung sein. Analog dazu ist das Geschehen beim Verstehen und Denken, denn wie die Sehkraft

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siderare: perché come la vista si referisce alle cose visibili, cossì l’intelletto alle cose intelligibili. Credo dunque ch’intendiate a che fine et in che modo l’anima intenda quando dice: »reprimet’ il vedere«. Cicada  Intendo molto bene. Or seguitate a riportar quel ch’avvenne di questi pensieri. Tansillo  Séguita la querela de la madre contra gli detti figli li quali, per aver contra l’ordinazion sua aperti gli ¦ occhi et affissigli al splendor de l’oggetto, erano rimasi in compagnia del core. Dice dumque:  E voi ancor a me figli crudeli, per più inasprir mia doglia, mi lasciaste; e perché senza fin più mi quereli, ogni mia spene con voi n’amenaste. A che il senso riman, o avari cieli? a che queste potenze tronche e guaste, se non per farmi materia et essempio de sì grave martir, sì lungo scempio?   Deh (per dio) cari figli, lasciate pur mio fuoco alato in preda, e fate ch’io di voi alcun riveda tornato a me da que’ tenaci artigli. |   Lassa, nessun riviene per tardo refrigerio de mie pene.

 Eccomi misera priva del core, abandonata da gli pensieri, lasciata da la speranza, la qual tutta avevo fissa in essi; altro non mi rimane che il senso della mia povertà, infelicità e miseria. E perché non son oltre lasciata da questo? perché non mi soccorre la morte, ora che son priva de la vita? A che mi trovo le potenze naturali prive de gli atti suoi? Come potrò io sol pascermi di specie intelligibili, come di pane intellettuale, se la sustanza di questo supposito è composta? Come potrò io trattenirmi nella domestichezza di queste amiche e care membra, che m’ho

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sich auf die sichtbaren Dinge richtet, so richtet sich die Vernunft auf die intelligiblen Dinge. Jetzt habt Ihr wohl verstanden, mit welchem Ziel und in welchem Sinne die Seele meint: Unterdrückt das Sehen. Cicada  Ich verstehe sehr gut. Nun fahrt fort zu berichten, was mit diesen Gedanken geschah. Tansillo  Es folgt die Klage der Mutter gegen besagte Kinder, die beim Herzen geblieben sind, weil sie entgegen ihrem Befehl die Augen geöffnet und an den Glanz des Objektes geheftet haben. Sie sagt also:  Und selbst ihr Söhne handelt grausam gegen mich, habt mich verlassen, um mir den Schmerz noch bitterer zu machen; Und damit endlos ich mich nun beklage, habt ihr all meine Hoffnung mit euch fortgeführt. Wozu verblieb mir das Gefühl, ihr habsüchtigen Himmel? Wozu diese Vermögen, verstümmelt und zerbrochen, wenn nicht, um aus mir Stoff und Beispiel für ach so große Qual, für ach so schwere Marter zu gewinnen?   Um Gottes willen, ach, ihr teuren Söhne, laßt nur mein flügeltragend’ Feuer in Gefangenschaft und macht, daß irgend jemanden von euch ich wiedersehe, zurückgekehrt aus jenen zähen Krallen.   Oh weh, nicht einer kommt zurück, um spät mein Leid zu lindern.

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Da seht ihr mich Arme, des Herzens beraubt, verlassen von den Gedanken, aufgegeben von der Hoffnung, die ich ganz auf diese gesetzt hatte. Mir bleibt nichts anderes als die Empfindung meiner Armut, meines Unglücks und Elends. Und warum hat mich nicht auch dies noch verlassen? Warum kommt der Tod mir nicht zu Hilfe, da ich des Lebens beraubt bin? Wozu besitze ich noch natürliche Kräfte, wenn sie keine Tätigkeit mehr zeigen? Wie werde ich mich allein von intelligi­blen Erscheinungen, Brot für die Vernunft, ernähren können, wenn die Substanz dieses Einzelwesens eine zusammengesetzte ist? Wie erhalte ich mir die Vertrautheit mit diesen freundlichen und werten Gliedern, die

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intessute in circa, contemprandole con la simmetria de le qualitadi elementari, se mi abandonano gli miei pensieri tutti et affetti, intenti verso la cura del pane immateriale e divino? Su su, o miei fugaci pensieri, o mio rubelle cuore: viva il senso di cose sensibili e l’intelletto de cose ¦ intelligibili. Soccorrasi al corpo con la materia e suggetto corporeo, e l’intelletto con gli suoi oggetti s’appaghe: a fin che conste questa composizione, non si dissolva questa machina, dove per mezzo del spirito l’anima è unita al corpo. Come, misera, per opra domestica più tosto che per esterna violenza ho da veder quest’orribil divorzio ne le mie parti e membra? Perché l’intelletto s’impaccia di donar legge al senso e privarlo de suoi cibi? e questo per il contrario resiste a quello, volendo vivere secondo gli proprii e non secondo l’altrui statuti? perché questi e non quelli possono mantenerlo e | bearlo, percioché deve essere attento alla sua comoditade e vita, non a l’altrui. Non è armonia e concordia dove è unità, dove un essere vuol assorbir tutto l’essere; ma dove è ordine et analogia di cose diverse; dove ogni cosa serva la sua natura. Pascasi dumque il senso secondo la sua legge de cose sensibili, la carne serva alla legge de la carne, il spirito alla legge del spirito, la raggione a la legge de la raggione: non si confondano, non si conturbino. Basta che uno non guaste o pregiudiche alla legge de l’altro, se non è giusto che il senso oltragge alla legge della raggione. È pur cosa vituperosa che quella tirannegge su la legge di questo, massime dove l’intelletto è più peregrino e straniero, et il senso è più domestico e come in propria patria. – Ecco dumque, o miei pensieri, come di voi, altri son ubligati di rimanere alla cura di casa, et altri possono andar a procacciare altrove. Questa è legge di natura, questa per conseguenza è legge dell’autore e

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ich rundherum mir gewebt habe, indem ich sie harmonisch aufein­ ander abgestimmt habe gemäß der Symmetrie der Elementarqualitäten, wenn mich all meine Gedanken und Gefühle verlassen, weil sie mit der Sorge um das immaterielle und göttliche Brot beschäftigt sind? Wohlan, bedenkt doch, oh ihr meine fliehenden Gedanken, oh du mein rebellisches Herz: Es sollen die Sinne von Dingen leben, die den Sinnen zugänglich, und die Vernunft von Dingen, die der Vernunft zugänglich sind. Dem Körper soll mit Materie und körperlichen Dingen beigestanden werden, und die Vernunft möge sich mit ihren Objekten zufriedengeben, damit dieses Gebilde fortbestehe, sich dieser Apparat nicht auflöse, in dem die Seele durch den Geist mit dem Körper vereint ist. Wieso muß ich Elende mir diese eher durch innere Wirkung als durch äußere Gewalt entstandene schreckliche Trennung in Einzelteile und -glieder ansehen? Warum maßt die Vernunft sich an, den Sinnen Gesetze zu geben und sie ihrer Nahrungsmittel zu berauben? Und warum leisten diese umgekehrt ihm Widerstand, indem sie gemäß der eigenen und nicht der fremden Bestimmungen leben wollen? Denn diese und nicht jene können die Sinne erhalten und glücklich machen, schließlich müssen sie an ihr eigenes Wohlergehen und Leben denken, nicht an das eines anderen. Es gibt keine Harmonie und keine Eintracht, wo Einheit herrscht; wo ein Sein alles Sein aufsaugen will – wohl aber dort, wo eine Ordnung und Entsprechung verschiedener Dinge besteht; wo jedes Ding seiner Natur dient. Es mögen sich also die Sinne ihrem Gesetz nach von sinnlichen Dingen nähren, das Fleisch möge dem Gesetz des Fleisches dienen, der Geist dem Gesetz des Geistes, der Verstand dem Gesetz des Verstandes: Sie sollen sich nicht gegenseitig in Verwirrung, sich nicht in Unruhe stürzen. Es genügt, wenn einer das Gesetz des anderen nicht zerstört oder beeinträchtigt: So, wie es unrecht ist, wenn die Sinne das Gesetz des Verstandes beleidigen, ist es auch tadelnswert, wenn der Verstand dem Gesetz der Sinne Gewalt antut, insbesondere dort, wo die Vernunft sich nur vorübergehend und als Fremde aufhält, die Sinne aber eher heimisch und sozusagen im eigenen Vaterland sind. – Ihr seht also, meine Gedanken, daß einige von euch zum Bleiben verpflichtet sind, um für das Haus zu sorgen, und andere zur Jagd in die Ferne ziehen können. So will es das Gesetz der Natur, es ist folglich das Gesetz des Schöpfers und das Prinzip der Natur. Ihr sündigt

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principio della natura. Peccate dumque or che tutti sedotti dalla vaghezza de l’intelletto lasciate al periglio de la morte l’altra parte di me. Onde vi è nato questo malencolico e perverso umore ¦ di rompere le certe e naturali leggi de la vita vera che sta nelle vostre mani, per una incerta e che non è se non in ombra oltre gli limiti del fantastico pensiero? Vi par cosa naturale che non vivano animale et umanamente, ma divina, se elli non sono dèi ma uomini et animali? È legge del fato e della natura che ogni cosa s’adopre secondo la condizion de l’esser suo: per che dumque mentre perseguitate il nettare avaro de gli dèi, perdete il vostro presente e proprio, affligendovi forse sotto la vana speranza de l’altrui? Credete che non si debba | sdegnar la natura di donarvi l’altro bene, se quello che presentaneamente v’offre tanto stoltamente dispreggiate? Sdegnarà il ciel dar il secondo bene a chi ’l primiero don caro non tiene.

Con queste e simili raggioni l’anima prendendo la causa de la parte più inferma, cerca de richiamar gli pensieri alla cura del corpo. Ma quelli (benché al tardi) vegnono a mostrarsegli non già di quella forma con cui si partiro, ma sol per dechiarargli la sua ribellione, e forzarla tutta a seguitarli. Là onde in questa forma si lagna la dolente:  Ahi cani d’Atteon, o fiere ingrate, che drizzai al ricetto de mia diva, e vòti di speranza mi tornate; anzi venendo a la materna riva, tropp’infelice fio mi riportate: mi sbranate, e volete ch’i’ non viva. Lasciami, vita, ch’al mio sol rimonte, fatta gemino rio senz’il mio fonte. ¦

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also, weil ihr euch alle von den Schönheiten der Vernunft habt verführen lassen und nun den anderen Teil von mir in Lebensgefahr bringt. Wie kommt ihr auf diese melancholische, widernatürliche Grille, gesicherte und natürliche Gesetze des wahren, in euren Händen liegenden Lebens zu brechen, zugunsten eines anderen, unsicheren Lebens, das höchstens ein Schatten jenseits der Grenzen des bildhaften Denkens ist? Meint ihr etwa, es entspräche der Natur, daß einige nicht wie Tiere und Menschen, sondern wie Götter leben, obwohl sie keine Götter, sondern Menschen und Tiere sind? Es ist das Gesetz des Schicksals und der Natur, daß jedes Ding gemäß den Gegebenheiten seines Seins wirke. Warum also verliert ihr auf der Suche nach dem kargen Nektar der Götter den eigenen, gegenwärtigen und quält euch vielleicht mit der sinnlosen Hoffnung auf den fremden? Glaubt ihr, daß die Natur sich dazu herabließe, euch ein anderes Gut zu schenken, wenn ihr jenes, das sie euch gegenwärtig anbietet, so töricht verachtet? 40

Verschmähen wird der Himmel, dem ein zweites Gut zu schenken, den die erste Gabe schon nicht teuer dünkt.

Mit diesen und ähnlichen Gründen ergreift die Seele Partei für den schwächsten Teil im Menschen und versucht, die Gedanken zurückzurufen, damit sie sich um den Körper kümmern. Jene kommen zwar (wenngleich spät) zurück und zeigen sich ihr, aber nicht mehr in der Form, in der sie auszogen, und nur, um der Seele offen den Aufstand zu erklären und sie zu zwingen, ihnen ganz zu folgen. Daher klagt die Seele folgendermaßen in ihrem Schmerz:  Ach, ihr Hunde des Aktaion, undankbare Bestien, die ich zum Refugium meiner Göttin schickte, und ohne Hoffnung kehrt ihr mir zurück. Im Gegenteil, zum mütterlichen Ufer kommend, bringt ihr noch mehr Unglück mir und Strafe. Ihr zerfleischt mich und ihr wollt, daß ich nicht lebe. Verlaß mich, Leben, daß zurück zu meiner Sonne ich mich hebe, da ich zu einem Fluß geworden, der doppelt fließt, doch ohne Quell ist.

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prima parte · dialogo quarto

1022 ¦ 1023

  Quand’il mio pondo greve converrà che natura mi disciolga? Quand’avverrà ch’anch’io da qua mi tolga, e ratt’ a l’alt’oggetto mi sulleve;   e insieme col mio core e i communi pulcini ivi dimore? |

 Vogliono gli Platonici che l’anima, quanto alla parte superiore, sempre consista ne l’intelletto, dove ha raggione d’intelligenza più che de anima: atteso che anima è nomata per quanto vivifica il corpo e lo sustenta. Cossì qua la medesima essenza che nodrisce e mantiene li pensieri in alto insieme col magnificato cuore, se induce dalla parte inferiore contristarsi e richiamar quelli come ribelli. Cicada  Sì che non sono due essenze contrarie, ma una suggetta a doi termini di contrarietade? Tansillo  Cossì è a punto; come il raggio del sole il quale quindi tocca la terra et è gionto a cose inferiori et oscure che illustra, vivifica et accende, indi è gionto a l’elemento del fuoco, cioè a la stella da cui procede, ha principio, è diffuso, et in cui ha propria et originale sussistenza: cossì l’anima ch’è nell’orizonte della natura corporea et incorporea, ha con che s’inalze alle cose superiori, et inchine a cose inferiori. E ciò puoi vedere non accadere per raggion et ordine di moto locale, ma solamente per appulso d’una e d’un’altra potenza o facultade. Come quando il senso monta all’imaginazione, l’imaginazione alla raggione, la raggione a l’intelletto, l’intelletto a la mente, all’ora l’anima tutta si converte in Dio, et abita il mondo intelligibile. Onde per il contrario descende per conversion al mondo sensibile per via de l’intelletto, raggione, imaginazione, senso, vegetazione. Cicada  È vero ch’ho inteso che per trovarsi l’anima ¦ nell’ultimo grado de cose divine, meritamente descende nel corpo mortale, e da

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  Wann wird es sein, daß die Natur von meinen schweren Lasten mich erlöst? Wann wird’s geschehen, daß auch ich hinweg von hier schnell mich zum edlen Gegenstand erhebe?   Und mit meinem Herz zusammen und unser beider Küken dort verweile?

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Die Platoniker sind der Ansicht, daß die Seele, was ihren höheren Teil angeht, immer aus der Vernunft besteht und dort eher die Funktion der Einsichtskraft als der Seele hat, denn Seele heißt sie, insofern sie den Körper belebt und erhält. So kommt es, daß dieselbe Wesenheit einerseits die Gedanken samt dem verherrlichten Herzen hoch oben nährt und erhält, während sie andererseits von ihrem niederen Teil dazu veranlaßt wird, traurig zu werden und jene als Rebellen zurückzurufen. Cicada  So sind es also nicht zwei gegensätzliche Wesenheiten, sondern eine, die zwei entgegengesetzten Zielen unterworfen ist? Tansillo  Genau so ist es. Wie der Sonnenstrahl, der auf der einen Seite die Erde berührt und mit niedrigen, dunklen Dingen vereint ist, die er erhellt, belebt und entflammt, auf der anderen Seite mit dem Element des Feuers vereint ist, also mit dem Stern, von dem er herkommt, stammt, sich verbreitet und durch den er sich eigentlich und ursprünglich erhält, so hat die Seele, die dort ist, wo körperliche und unkörperliche Natur aneinanderstoßen, einen Teil, der sich zu den höheren Dingen erhebt und einen, der sich zu den niederen beugt. Und du kannst sehen, daß dies nicht nach den Gesetzen einer räumlichen Bewegung geschieht, sondern nur durch einen Impuls der einen oder anderen Potenz oder Fähigkeit. Wie wenn sich das Sinnesvermögen zur Vorstellungskraft, die Vorstellungskraft zum Verstand, der Verstand zur Vernunft und die Vernunft zum Geist erhebt, so verwandelt sich dann die Seele als Ganze in Gott und wohnt in der intelligiblen Welt. Von dort steigt sie in der umgekehrten Richtung hinab und wendet sich der sinnlichen Welt zu auf dem Weg über Vernunft, Verstand, Vorstellungskraft, Sinne und körperliches Gedeihen. Cicada  Ich habe nun so weit begriffen, daß es ganz richtig ist, wenn die Seele, die sich ja auf der untersten Stufe der göttlichen Dinge be-

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questo risa | le di nuovo alli divini gradi; e che son tre gradi d’intelligenze: perché son altre nelle quali l’intellettuale supera l’animale, quali dicono essere l’intelligenze celesti; altre nelle quali l’animale supera l’intellettuale, quali son l’intelligenze umane; altre sono nelle quali l’uno e l’altro si portano ugualmente, come quelle de dèmoni o eroi. Tansillo  Nell’apprender dumque che fa la mente, non può desiderare se non quanto gli è vicino, prossimo, noto e familiare. Cossì il porco non può desiderar esser uomo, né quelle cose che son convenienti all’appetito umano. Ama più d’isvoltarsi per la luta che per un letto de bissino; ama d’unirsi ad una scrofa, non a la più bella donna che produca la natura: perché l’affetto séguita la raggion della specie (e tra gli uomini si può vedere il simile, secondo che altri son più simili a una specie de bruti animali, altri ad un’altra: questi hanno del quadrupede, quelli del volatile; e forse hanno qualche vicinanza, la qual non voglio dire, per cui si son trovati quei che sono affetti a certe sorte di bestie). Or a la mente (che trovasi oppressa dalla material congionzione de l’anima) se fia lecito di alzarsi alla contemplazione d’un altro stato in cui l’anima può arrivare, potrà certo far differenza da questo a quello, e per il futuro spreggiar il presente. Come se una bestia avesse senso della differenza che è tra le sue condizioni e ¦ quelle de l’uomo, e l’ignobiltà del stato suo dalla nobiltà del stato umano, al quale non stimasse impossibile di poter pervenire; amarebbe più la morte che li donasse quel camino et ispedizione, che la vita quale l’intrattiene in quel essere presente. Qua | dumque quando l’anima si lagna dicendo »O cani d’Atteon«, viene introdotta come cosa che consta di potenze inferiori solamente, e da cui la mente è ribellata con aver menato seco il core, cioè gl’intieri affetti, con tutto l’exercito de pensieri: là onde per apprension del stato presente et ignoranza d’ogni altro stato, il quale non più lo stima essere, che da lei possa esser conosciuto, si lamenta de pensieri li

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findet, zum sterblichen Körper hinabsteigt und von dort erneut zu den göttlichen Stufen hinaufsteigt, und daß es drei Stufen vernunftbegabter Wesen gibt: In den einen überwiegt das Vernünftige das Tierische, diese nennt man die himmlischen Vernunftwesen. In den anderen überwiegt das Tierische das Vernünftige, und dies sind die menschlichen Vernunftwesen. In den dritten halten sich das eine und das andere die Waage, wie es bei Dämonen oder Helden der Fall ist. Tansillo  Wenn der Geist sich etwas aneignet, kann er folglich nur das begehren, was ihm benachbart, sehr nah, bekannt und verwandt ist. So kann das Schwein nicht danach verlangen, ein Mensch zu sein, oder nach jenen Dingen, die dem menschlichen Appetit genehm sind. Es suhlt sich lieber im Schlamm als in einem Bett aus besticktem Leinen, und es vereinigt sich lieber mit einer Sau als mit der schönsten Frau, die die Natur je hervorbrächte. Denn die Zuneigung richtet sich nach dem Gesetz der Gattung (und unter den Menschen läßt sich ähnliches beobachten, je nachdem ob die einen eher dieser, die anderen eher jener Tiergattung ähneln: Diese haben etwas von einem Vierfüßler, jene von einem Vogel, und vielleicht ist es eine ganz besondere Nähe – die ich nicht näher benennen will –, die uns Menschen finden läßt, die zu gewissen Tierarten Zuneigung empfinden). Wenn es nun dem Geist (den die Verbindung der Seele mit der Materie niederdrückt) erlaubt wird, sich zur Betrachtung eines anderen Zustands, zu dem die Seele gelangen kann, zu erheben, wird er sicherlich einen Unterschied zwischen beiden feststellen und den gegenwärtigen Zustand zugunsten des zukünftigen verschmähen. Auch ein Tier, wenn es den Unterschied zwischen seinen Lebensbedingungen und jenen des Menschen, zwischen der Unwürdigkeit seines und der Würde des menschlichen Daseins empfände und es nicht für unmöglich hielte, dorthin zu gelangen, wählte lieber den Tod, der ihm jenen Weg freigäbe, als das Leben, das es in seinem gegenwärtigen Zustand festhält. Wenn sich die Seele also beklagt: Oh ihr Hunde des Aktaion, wird sie als ein Etwas eingeführt, das nur aus niederen Fähigkeiten besteht und gegen das der Geist rebelliert und dabei das Herz, also alle Gefühle, samt dem ganzen Heer der Gedanken mitgerissen hat. Weil die Seele nur ihren gegenwärtigen Zustand und keinen anderen kennt – sie glaubt ebensowenig an die Existenz anderer Zustände wie daran, daß sie sie erkennen könnte –,

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quali al tardi convertendosi a lei vegnono per tirarla su più tosto che a farsi ricettar da lei. E qua per la distrazzione che patisce dal commune amore della materia e di cose intelligibili, si sente lacerare e sbranare di sorte che bisogna al fine di cedere a l’appulso più vigoroso e forte. Qua se per virtù di contemplazione ascende o è rapita sopra l’orizonte de gli affetti naturali, onde con più puro occhio apprenda la differenza de l’una e l’altra vita, all’ora vinta da gli alti pensieri, come morta al corpo, aspira ad alto; e benché viva nel corpo, vi vegeta come morta, e vi è presente in atto de animazione et absente in atto d’operazioni; non perché non vi operi mentre il corpo è vivo, ma perché l’operazioni del composto sono rimesse, fiacche e come dispenserate. Cicada  Cossì un certo Teologo, che si disse rapito sin al terzo cielo, invaghito da la vista di quello, disse che desiderava la dissoluzione dal suo corpo. ¦ Tansillo  In questo modo, dove prima si lamentava del core e querelavasi de pensieri, ora desidera d’alzarsi con quelli in alto, e mostra il rincrescimento suo per la communicazione e familiarità contratta con la materia corporale, e dice: »Lasciami vita« corporale, e non m’impacciar »ch’io rimonti« al mio più | natio albergo, »al mio sole«: lasciami ormai che più non verse pianto da gli occhi miei, o perché mal posso soccorrerli, o perché rimagno divisa dal mio bene; lasciami, che non è decente né possibile che questi doi rivi scorrano »senza il suo fonte«, cioè senza il core: non bisogna (dico) che io faccia doi fiumi de lacrime qua basso, se il mio core il quale è fonte de tai fiumi, se n’è volato ad alto con le sue ninfe, che son gli miei pensieri. Cossì a poco a poco, da quel disamore e rincrescimento procede a l’odio de cose inferiori; come quasi dimostra dicendo: »Quand’il mio pondo greve converrà che natura mi disciolga?« e quel che séguita appresso.

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beklagt sie sich über ihre Gedanken, die bei ihrer späten Rückkehr zur Seele diese eher nach oben ziehen, als daß sie sich von ihr aufnehmen ließen. An dem Hin-und-her-gezogen-Werden zwischen der gleichzeitigen Liebe zur Materie und zu intelligiblen Dingen leidet sie, fühlt sich zerrissen und zerfleischt, bis sie endlich gezwungen ist, dem kräftigeren und stärkeren Impuls nachzugeben. Wenn sie dann kraft der Schau über den Horizont der natürlichen Neigungen hinaus steigt oder hochgerissen wird, um dort mit reinerem Auge den Unterschied zwischen dem einen und dem anderen Leben zu erfassen, strebt sie nach dem Hohen, nun besiegt von den edlen Gedanken und gleichsam tot für den Körper. Und obgleich sie im Körper lebt, vegetiert sie dort wie tot dahin, ist nur noch anwesend im Akt der Beseelung, aber nicht mehr im Vollzug der Tätigkeiten. Nicht, daß sie untätig wäre, solange der Körper lebendig ist, aber die Tätigkeiten des ganzen Gebildes werden weniger, schwach und gleichsam gedankenlos. Cicada  So sagte ein gewisser Theologe, der angeblich bis zum dritten Himmel emporgerissen wurde, in der Entzückung über diesen Anblick, daß er sich nach der Auflösung seines Körpers sehne. Tansillo  Auf diese Weise verlangt es die Seele, die vorher über das Herz jammerte und sich über die Gedanken beklagte, nun danach, sich mit jenen in die Höhe zu erheben, und äußert ihr Bedauern über die Verbindung und Verwandtschaft mit der körperlichen Materie in den Worten: Verlaß mich, körperliches Leben, und hindere mich nicht daran, daß ich zurücksteige zu meiner Heimat, zu meiner Sonne: Verlaß mich nunmehr, damit ich keine Tränen mehr aus meinen Augen vergieße, weil ich ihnen entweder schlecht helfen kann oder von meinem Gut getrennt bleibe. Verlaß mich, denn es ziemt sich nicht, ja ist unmöglich, daß diese beiden Flüsse ohne Quell, das heißt ohne ihr Herz, fließen; es ist doch nicht notwendig (meine ich), daß ich hier unten zwei Tränenflüsse entstehen lasse, wenn mein Herz, das die Quelle solcher Flüsse ist, mit seinen Nymphen, die meine Gedanken sind, in die Höhe davongeflogen ist. So steigert sich ihre Abneigung und ihr Bedauern nach und nach zu einem Haß auf die niederen Dinge, wie sie gewissermaßen in den Worten zeigt: Wann wird es sein, daß die Natur von meinen schweren Lasten mich erlöst? und in dem, was dann folgt.

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prima parte · dialogo quarto

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Cicada  Intendo molto bene questo, e quello che per questo volete inferire a proposito della principale intenzione: cioè che son gli gradi de gli amori, affezzioni e furori, secondo gli gradi di maggior o minore lume di cognizione et intelligenza. Tansillo  Intendi bene. Da qua devi apprendere quella dottrina che comunmente tolta da’ Pitagorici e Platonici vuole che l’anima fa gli doi progressi d’ascenso e descenso, per la cura ch’ha di sé e de la materia; per quel ch’è mossa dal proprio appetito del bene, e per quel ch’è spinta da la providenza del fato. ¦ Cicada  Ma di grazia dimmi brevemente quel che intendi de l’anima del mondo: se ella ancora non può ascendere né descendere? Tansillo  Se tu dimandi del mondo secondo la volgar significazione, cioè in quanto significa l’universo, dico che quello per essere infinito e senza dimensione o misura, viene a essere inmobile et | inanimato | 197 et informe, quantumque sia luogo de mondi infiniti mobili in esso, et abbia spacio infinito, dove son tanti animali grandi che son chiamati astri. Se dimandi secondo la significazione che tiene appresso gli veri filosofi, cioè in quanto significa ogni globo, ogni astro, come è questa terra, il corpo del sole, luna et altri, dico che tal anima non ascende né descende, ma si volta in circolo. Cossì essendo composta de potenze superiori et inferiori, con le superiori versa circa la divinitade, con l’inferiori circa la mole la qual viene da essa vivificata e mantenuta intra gli tropici della generazione e corrozzione de le cose viventi in essi mondi, servando la propria vita eternamente: perché l’atto della divina providenza sempre con misura et ordine medesimo, con divino calore e lume le conserva nell’ordinario e medesimo essere. Cicada  Mi basta aver udito questo a tal proposito. Tansillo  Come dumque accade che queste anime particolari diversamente secondo diversi gradi d’ascenso e descenso vegnono affette quanto a gli abiti et inclinazioni, cossì vegnono a mostrar diverse maniere et ordini de furori, amori e sensi: non solamente nella scala de la



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erster teil · vierter dialog 153

Cicada  Mir ist das vollkommen klar, und ich verstehe auch, was Ihr damit in Bezug auf unser Ausgangsthema schlußfolgern wollt: Die Stufen der Liebe, der Gefühle und Leidenschaften entsprechen den Stufen des größeren oder geringeren Lichts der Erkenntnis und Vernunft. Tansillo  Das hast du gut verstanden. Dies muß dich zu jener Lehre führen, die gemeinhin den Pythagoräern und Platonikern entlehnt wird, wonach die Seele die beiden Bewegungen des Auf- und Absteigens unternimmt, weil sie für sich und die Materie sorgt; weil sie vom eigenen Streben nach dem Guten bewegt und von der Bestimmung des Schicksals getrieben wird. Cicada  Nun sage mir aber bitte noch kurz, was du von der Weltseele denkst: Kann auch sie auf- und absteigen? Tansillo  Wenn du die Welt in ihrer gewöhnlichen Bedeutung meinst, wonach das Wort das Universum bezeichnet, antworte ich, daß dieses, weil es unendlich, ohne Ausdehnung oder Maß ist, unbeweglich, unbeseelt und formlos ist, wenn in ihm auch Platz für unendlich viele bewegliche Welten ist und es einen unendlich weiten Raum mit vielen großen Lebewesen hat, die Sterne genannt werden. Wenn du aber die Welt in der Bedeutung meinst, die sie bei den wahren Philosophen hat, wonach damit jeder Globus und jeder Stern gemeint ist, wie zum Beispiel diese Erde, der Körper der Sonne, des Mondes und anderer, antworte ich, daß eine solche Seele weder auf- noch absteigt, sondern sich im Kreis dreht. Denn zusammengesetzt aus höheren und niederen Kräften bewegt sie sich mit den höheren auf das Göttliche zu, mit den niederen auf die Masse, die von ihr zwischen den Wendekreisen der Zeugung und Verwesung der in diesen Welten lebenden Dinge belebt und erhalten wird, während sie ihr eigenes Leben ewig bewahrt, denn das Wirken der göttlichen Vorsehung erhält sie immer im selben Maße und nach derselben Ordnung mit göttlicher Wärme und Licht in demselben wohlgeordneten Sein. Cicada  Mir genügt, was ich zu diesem Thema gehört habe. Tansillo  Wie also die Einzelseelen je nachdem, auf welcher Stufe des Auf- und Absteigens sie stehen, verschiedene Lebensgewohnheiten und Neigungen haben, so zeigen sie auch unterschiedliche Arten und Stufen der Leidenschaften, der Liebe und der Gefühle, und zwar nicht nur auf der Stufenleiter der Natur gemäß der Abfolge der verschiede-

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prima parte · dialogo quarto

1026 – 1028

natura, secondo gli ordini de diverse vite che prende l’anima in diversi corpi, come vogliono espressamente gli Pitagorici, ¦ Saduchimi et altri, et implicitamente Platone et alcuni che più profondano in esso; ma ancora nella scala de gli affetti umani, la quale è cossì numerosa de gradi come la scala della natura, atteso che l’uomo in tutte le sue potenze mostra tutte le specie de lo ente. | Cicada  Però da le affezzioni si possono conoscer gli animi, se vanno alto o basso, o se vegnono da alto o da basso, se procedeno ad esser bestie o pur ad essere divini, secondo lo essere specifico come intesero gli Pitagorici, o secondo la similitudine de gli affetti solamente come comunmente si crede: non dovendo la anima umana posser essere anima di bruto, come ben disse Plotino, et altri Platonici secondo la sentenza del suo principe. Tansillo  Bene. Or per venire al proposito, da furor animale questa anima descritta è promossa a furor eroico, se la dice: »Quando averrà ch’al alto oggetto mi sulleve, et ivi dimore in compagnia del mio core e miei e suoi pulcini?«. Questo medesimo proposito continova quando dice:  Destin, quando sarà ch’io monte monte, qual per bearm’ a l’alte porte porte, che fan quelle bellezze conte, conte, el tenace dolor conforte forte chi fe’ le membra me disgionte, gionte, né lascia mie potenze smorte morte? Mio spirto più ch’il suo rivale vale, s’ove l’error non più l’assale, sale. ¦   Se dove attende, tende, e là ’ve l’alto oggett’ascende, ascende: e se quel ben ch’un sol comprende, prende, per cui convien che tante emende mende;

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erster teil · vierter dialog 155

nen Lebensarten, die die Seele in verschiedenen Körpern annimmt – wie es die Pythagoräer, Sadduzäer und andere ausdrücklich vertreten, implizit aber auch die Platoniker und einige, die sich damit besonders eindringlich beschäftigt haben –, sondern auch auf der Stufenleiter der menschlichen Gefühle, die so zahlreiche Stufen kennt wie die Stufenleiter der Natur, denn der Mensch weist in der Gesamtheit seiner Möglichkeiten alle Erscheinungen des Seins auf. Cicada  Deshalb läßt sich an den Gefühlsregungen erkennen, ob die Seelen nach oben oder nach unten sich bewegen, ob sie von oben oder von unten kommen, ob sie auf dem Wege sind, Tiere zu werden oder aber Götter, je nach ihrem speziellen Sein (den Pythagoräern zufolge) oder allein nach der Ähnlichkeit in den Neigungen (wie man gemeinhin glaubt), denn es ist ausgeschlossen, daß die Menschenseele eine Tierseele sein kann, wie Plotin und andere Platoniker, der Lehre ihres Meisters folgend, richtig sagen. Tansillo  Gut. Um wieder auf unser Thema zu kommen: Die hier beschriebene Seele hat sich von der tierischen zur heroischen Leidenschaft erhoben, wenn sie sagt: Wann wird’s geschehen, daß ich mich zum edlen Gegenstand erhebe, und mit meinem Herz zusammen und unser beider Küken dort verweile? Ebendieses Thema setzt sie fort, wenn sie sagt:  Geschick, wann endlich werde ich zur felsigen Erhebung mich  ­erheben, die mich zu meinem Glück bis vor den Himmelseinlaß läßt, wo man die Schönheiten, jene erwählten, zählt? Wann wird den zähen Schmerz derjenige mit Macht entmachten, der mir die Glieder, die zerstückelten, zusammenstückte und meine Kräfte, fast schon tot, vorm Tode rettet? Mein Geist hat größre Kraft als jener, den man seinen Opponenten  nennt, wenn dorthin er hinaufsteigt, wo keine Narrheit ihn mehr narrt.   Und wenn zu dem, was er erstrebt, er strebt, und dort, wo das Objekt, das edle, aufsteigt, aufsteigt, und wenn er jenes Gut, das einer nur begreift, ergreift, wozu er sich von vielen Lastern muß entlasten,

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prima parte · dialogo quarto

1028 ¦ 1029

  esser felice lice, come chi sol tutto predice dice. |

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 »O destino«, o fato, o divina inmutabile providenza, »quando sarà ch’io monte a quel monte«, cioè ch’io vegna a tanta altezza di mente, che mi faccia toccar transportandomi quegli alti aditi e penetrali, che mi fanno evidenti e come comprese e numerate quelle »conte«, cioè rare »bellezze«? Quando sarà, che »forte« et efficacemente »conforte il mio dolore« (sciogliendomi da gli strettissimi lacci de le cure, nelle quali mi trovo) »colui che fe’ gionte« et unite »le mie membra«, ch’erano disunite e »sgionte«: cioè l’amore che ha unito insieme queste corporee parti, ch’erano divise quanto un contrario è diviso da l’altro, e che ancora queste »potenze« intellettuali, quali ne gli atti suoi son »smorte«, non le »lascia« a fatto »morte«, facendole alquanto respirando aspirar in alto? Quando, dico, mi confortarà a pieno, donando a queste libero et ispedito il volo, per cui possa la mia sustanza tutta annidarsi là dove forzandomi convien ch’io emende tutte le mende mie; dove pervenendo il »mio spirito«, »vale più ch’il rivale«, perché non v’è oltraggio che li resista, non è contrarietà ch’il vinca, non v’è error che l’assaglia? Oh se »tende« et arriva là dove forzandosi »attende«; et »ascende« e perviene a quell’altezza, ¦ dove »ascende«, vuol star montato, alto et elevato il suo oggetto: se fia che prenda quel bene che non può esser compreso da altro che da uno, cioè da se stesso (atteso che ogn’altro l’have in misura della propria capacità; e quel »solo« in tutta pienezza): all’ora avverrammi l’esser felice in quel modo che »dice chi tutto predice«, cioè dice quell’altezza nella quale il dire tutto e far tutto è la medesima cosa; in quel modo che »dice« o fa chi tutto »predice«, cioè chi è de tutte cose efficiente e princi | pio: di cui il dire e preordinare è il vero fare e principiare. Ecco come per la scala de cose superiori et inferiori procede l’affetto de

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  dann glückt das Glück, wie es der einzige, der alles weissagt, sagt.



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Oh, Geschick, oh Schicksal, oh göttliche, unveränderliche Vorsehung, wann endlich werde ich zur felsigen Erhebung mich erheben, also zu solcher Geistes­höhe gelangen, die mich mitreißt und jenes Allerheiligste und Innerste berühren läßt, wo mir jene erwählten, also seltenen Schönheiten offenbar werden, gleichsam begriffen und einzeln aufgereiht? Wann wird meinen Schmerz mit Macht und wirksam entmachten (indem er mich aus meinen ach so engen Fesseln der Sorgen löst, in die ich geschlagen bin) jener, der die zerstückelten und ungeeinten Glieder mir zusammenstückte und zusammenführte? Gemeint ist also die Liebe, die die einzelnen Teile des Körpers vereint hat, während sie vorher wie Gegensätze voneinander getrennt waren, und die auch die in ihrer Tätigkeit fast schon toten Kräfte der Vernunft vorm Tode durchaus rettet, indem sie ihnen etwas einhaucht, wodurch sie in die Höhe streben. Wann, sage ich, wird sie mich vollständig aufrichten, indem sie diesen Kräften freien und behenden Flug gewährt, damit meine Substanz sich ganz dort niederlassen kann, wo ich mich notwendigerweise anstrenge, mich von der Last aller meiner Laster zu befreien; wo mein Geist, wenn er dorthin kommt, größre Kraft als jener hat, den man seinen Opponenten nennt, da ihm kein Hindernis entgegensteht, kein Feind ihn besiegt, kein Irrtum befällt? Oh, wenn er dorthin strebt und an dem Ziel ankommt, das er mühevoll erstrebt, und wenn er aufsteigt und in die Höhe gelangt, wo sein Objekt aufsteigt, fest, hoch und erhaben stehenbleiben will; wenn er jenes Gut ergreifen kann, das nur von einem begriffen werden kann, nämlich von ihm selbst (denn jeder andere besitzt es im Maße seines eigenen Fassungsvermögens, jener allein aber in seiner ganzen Fülle): dann werde ich in der Art und Weise glücklich sein, wie jener es sagt, der alles weissagt, weil er aus jener Höhe redet, in der alles Sagen und alles Tun dasselbe ist, und in der Art und Weise, wie jener es sagt oder tut, der alles weissagt, weil er der Urheber und das Prinzip aller Dinge ist, dessen Sagen und Anordnen das wahre Tun und Beginnen ist. So also bewegt sich auf der Stufenleiter der höheren und niederen Dinge das Gefühl

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prima parte · dialogo quarto

1029 ¦ 1030

l’amore, come l’intelletto o sentimento procede da questi oggetti intelligibili o conoscibili a quelli; o da quelli a questi. Cicada  Cossì vogliono la più gran parte de sapienti la natura compiacersi in questa vicissitudinale circolazione che si vede ne la vertigine de la sua ruota. Fine del quarto dialogo ¦ |

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erster teil · vierter dialog 159

der Liebe vorwärts, wie Vernunft oder Empfinden von diesen intelligi­ blen oder erkennbaren Objekten zu jenen schreiten oder von jenen zu diesen. Cicada  So meint auch der größte Teil der Weisen, daß die Natur in diesem wechselnden Kreislauf, den sie bei der Drehung ihres Rades zeigt, Erfüllung findet. Ende des vierten Dialogs

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1030 ¦ 1031

DI A L O G O QU I N T O

I. Cicada  Fate pure ch’io veda, perché da me stesso potrò considerar le condizioni di questi furori, per quel ch’appare esplicato nell’ordine (in questa milizia) qua descritto. Tansillo  Vedi come portano l’insegne de gli suoi affetti o fortune. Lasciamo di considerar su gli lor nomi et abiti; basta che stiamo su la significazion de l’imprese et intelligenza de la scrittura, tanto quella che è messa per forma del corpo de la imagine, quanto l’altra ch’è messa per il più de le volte a dechiarazion de l’impresa. Cicada  Cossì farremo. Or ecco qua il primo che porta un scudo distinto in quattro colori, dove nel cimiero è depinta la fiamma sotto la testa di bronzo, da gli forami ¦ della quale esce a gran forza un fumoso vento, e vi è scritto in circa at regna senserunt tria. Tansillo  Per dichiarazion di questo direi che per essere ivi il fuoco che per quel che si vede scalda il globo, dentro il quale è l’acqua, avviene che questo umido elemento essendo rarefatto et attenuato per la virtù del calore, e per consequenza risoluto in vapore, richieda molto maggior spacio per esser | contenuto: là onde se non trova facile exito, va con grandissima forza, strepito e ruina a crepare il vase. Ma se vi è loco o facile exito d’onde possa evaporare, indi esce con violenza minore a poco a poco; e secondo la misura con cui l’acqua se risolve in vapore, soffiando svapora in aria. Qua vien significato il cor del furioso, dove come in esca ben disposta essendo attaccato l’amoroso foco, accade che

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F Ü N F T E R DI A L O G

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I. Cicada  Laßt mich auch sehen, damit ich selbst die Gegebenheiten dieser Leidenschaften erkennen kann, soweit sie in der hier beschriebenen Reihenfolge (in dieser Schar von Rittergestalten) erklärt zu werden scheinen. Tansillo  Du siehst, wie sie die Wappen ihrer Gefühle oder Schicksale tragen. Ihre Namen und Kleidung lassen wir unbeachtet; es genügt, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Impresen und das Verständnis des Geschriebenen richten, und zwar sowohl des Geschriebenen, das dem bildlichen Körper Form gibt, als auch jenes anderen, das in den meisten Fällen der Imprese zur Erklärung beigegeben ist. Cicada  So wollen wir es machen. Hier sieh nun den ersten Ritter, der einen in vier Farben aufgeteilten Schild trägt, dem als Wappenschmuck eine Flamme unter einem bronzenen Schädel aufgemalt ist, aus dessen Öffnungen heftiger Qualm tritt. Drumherum steht geschrieben: at regna senserunt tria. Tansillo  Ich würde dies so interpretieren: Da dort Feuer brennt, das, soweit man sieht, die Kugel erhitzt, in deren Innern sich Wasser befindet, braucht dieses feuchte Element, weil es durch die Kraft der Wärme verdünnt und abgeschwächt worden ist und sich schließlich in Dampf aufgelöst hat, insgesamt wesentlich mehr Platz zu seiner Ausdehnung. Falls es also keinen leichten Ausgang findet, bringt es das Gefäß unter ungeheurem Druck und Getöse und vielen Scherben zum Bersten. Aber wenn dort eine Stelle oder ein leichter Ausgang ist, wodurch es den Dampf ablassen kann, tritt es nach und nach mit geringerem Druck aus, und je nach der Geschwindigkeit, mit der das Wasser verdampft, entschwebt es und verdunstet in der Luft. Hier wird das Herz des Leidenschaftlichen versinnbildlicht, dem Folgendes geschieht: Wie trockener Zunder brennt es, wenn das Feuer der Liebe einmal entfacht

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prima parte · dialogo quinto

1031 ¦ 1032

della sustanza vitale altro sfaville in fuoco, altro si veda in forma de lacrimoso pianto boglier nel petto, altro per l’exito di ventosi suspiri accender l’aria. – E però dice At regna senserunt tria. Dove quello ›At‹ ha virtù di supponere differenza, o diversità, o contrarietà: quasi dicesse che altro è che potrebbe aver senso del medesimo, e non l’have. Il che è molto bene esplicato ne le rime seguenti sotto la figura:  Dal mio gemino lume, io poca terra soglio non parco umor porgere al mare; da quel che dentr’il petto mi si serra spirto non scarso accolgon l’aure avare; el vampo che dal cor mi si disserra si può senza scemars’ al ciel alzare: con lacrime, suspiri et ardor mio a l’acqua, a l’aria, al fuoco rendo il fio. ¦   Accogli’ acqu’, aria, foco qualche parte di me: ma la mia dea si dimostra cotant’iniqua e rea, che né mio pianto appo lei trova loco, |   né la mia voce ascolta, né piatos’al mi’ ardor umqua si volta.

 Qua la suggetta materia significata per la »terra« è la sustanza del furioso; versa dal »gemino lume«, cioè da gli occhi, copiose lacrime che fluiscono al mare; manda dal petto la grandezza e moltitudine de suspiri a l’aria capacissimo; et il vampo del suo core non come picciola favilla o debil fiamma nel camino de l’aria s’intepidisce, infuma e trasmigra in altro essere: ma come potente e vigoroso (più tosto acquistando de l’altrui che perdendo del proprio) gionge alla congenea sfera. Cicada  Ho ben compreso il tutto. A l’altro.

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erster teil · fünfter dialog 163

ist, und so geht die Substanz des Lebens teilweise in Funken auf, teilweise kocht sie als tränenreiches Weinen in der Brust, teilweise steckt sie, durch heftige Seufzer hinausgetrieben, die Luft in Brand. – Deshalb steht da auch: At regna senserunt tria. Das ›At‹ zeigt einen Unterschied oder eine Anders­artigkeit oder einen Gegensatz an, als wenn es zum Ausdruck bringen wollte, daß es etwas anderes gibt, welches dasselbe fühlen könnte, es aber nicht tut. Das wird sehr gut in den Versen, die unter dem Bild stehen, erklärt:  Aus meinem zwiefach’ Licht pfleg’ ich, die kleine Erde, nicht wenig Flüssigkeit dem Meer zu schenken. Aus dem, was sich in meiner Brust verschließt, nehmen die gierigen Lüfte nicht geringen Atem auf. Die Lohe, die aus meinem Herzen weicht, kann ohne Minderung zum Himmel sich erheben: Durch Tränen, Seufzer und mein Brennen zahl’ ich Tribut an Wasser, Luft und Feuer.   Es nehmen Wasser, Luft und Feuer einen Teil von mir: doch meine Göttin zeigt sich noch immer ungerecht und grausam: mein Weinen findet bei ihr keinen Raum,   noch hört sie meine Stimme an, noch wendet sie sich je voll Mitleid meinem Brennen zu.



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Die zugrundeliegende Materie, für die hier die Erde als Symbol steht, ist die Substanz des Leidenschaftlichen; sie vergießt aus dem zwie­ fachen Licht, gemeint sind die Augen, zahlreiche Tränen, die zum Meer fließen; sie schickt aus ihrer Brust tiefe und zahlreiche Seufzer in die aufnahmebereite Luft; und die Lohe ihres Herzens wird nicht wie ein kleiner Funke oder eine schwache Flamme auf dem Weg in die Luft lau und dann zu Rauch und in ein anderes Sein verwandelt, sondern erreicht kräftig und stark (eher von dem anderen etwas nehmend als vom eigenen verlierend) die ihr verwandte Sphäre. Cicada  Ich habe das gesamte Gefüge gut begriffen. Zum Nächsten nun.

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prima parte · dialogo quinto

1032 ¦ 1033

II. Tansillo  Appresso è designato un che ha nel suo scudo parimente destinto in quattro colori, il cimiero, dove è un sole che distende gli raggi nel dorso de la terra; e vi è una nota che dice idem semper ubique totum. Cicada  Vedo che non può esser facile l’interpretazione. Tansillo  Tanto il senso è più eccellente, quanto è men volgare: il qual vedrete essere solo, unico e non stiracchiato. Dovete considerare che il sole benché al rispetto de diverse regioni de la terra, per ciascuna, sia diverso, a tempi a tempi, a loco a loco, a parte a parte; al riguardo però del globo tutto, come medesimo, sempre et in cadaun loco fa tutto: atteso che in qualumque punto de l’eclittica ch’egli si trove, viene a far l’inverno, l’estade, l’autunno e la primavera; ¦ e l’universal globo de la terra a ricevere in sé le dette quattro tempeste. Perché mai è caldo a una parte che non sia freddo a l’altra; come quando fia | a noi nel tropico del Cancro caldissimo, è freddissimo al tropico del Capricorno; di sorte che è a medesima raggione l’inverno a quella parte, con cui a questa è l’estade, et a quelli che son nel mezzo è temperato, secondo la disposizion vernale o autumnale. Cossì la terra sempre sente le piogge, li venti, gli calori, gli freddi; anzi non sarebbe umida qua, se non disseccasse in un’altra parte, e non la scalderebe da questo lato il sole, se non avesse lasciato d’iscaldarla da quell’altro. Cicada  Prima che finisci ad conchiudere, io intendo quel che volete dire. Intendeva egli che come il sole sempre dona tutte le impressioni a la terra, e questa sempre le riceve intiere e tutte: cossì l’oggetto del furioso col suo splendore attivamente lo fa suggetto passivo de lacrime, che son l’acqui; de ardori, che son gl’incendii; e de suspiri quai son certi vapori, che son mezzi che parteno dal fuoco e vanno a l’acqui, o partono da l’acqui e vanno al fuoco. Tansillo  Assai bene s’esplica appresso:

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erster teil · fünfter dialog 165

II. Tansillo  Als Nächstes ist einer gezeichnet, dessen Schild ebenfalls in vier Farben eingeteilt ist und sein Wappenschmuck ist eine Sonne, die ihre Strahlen hinter dem Rücken der Erde ausbreitet. Und der Spruch lautet: idem semper ubique totum. Cicada  Ich sehe, daß die Deutung nicht leicht sein wird. Tansillo  Der Sinn ist umso vortrefflicher, je weniger er allgemeinverständlich ist. Ihr werdet sehen, daß es nur eine einzige, alleinige Auslegung gibt, und sie braucht nicht an den Haaren herbeigezogen zu werden. Denkt daran, daß die Sonne zwar für jede der verschiedenen Regionen der Erde je nach Zeit, Ort und Gebiet verschieden, für den Erdball insgesamt aber immer dieselbe ist und immer und an allen Orten alles macht: An welchem Punkt ihrer Bahn sie sich ja auch befindet, sie läßt es Winter, Sommer, Herbst und Frühling werden und die Erdkugel insgesamt alle vier Jahreszeiten erleben. Denn niemals ist es für den einen Teil warm, ohne daß es für den anderen kalt wäre. Während wir zum Beispiel im Wendekreis des Krebses die größte Hitze haben, ist es im Wendekreis des Steinbocks sehr kalt. Auf diese Weise ist es aus demselben Grund für jenen Teil Winter, aus dem es für diesen Sommer ist und dazwischen gemäßigtes Wetter herrscht, je nach Lage frühlingshaft oder herbstlich. So gibt es auf der Erde immer Regen, Wind, Wärme und Kälte, ja, sie wäre hier nicht feucht, wenn sie an einer anderen Stelle nicht trocknen würde, und die Sonne würde sie nicht auf dieser Seite erwärmen, wenn sie nicht auf der anderen Seite damit aufgehört hätte. Cicada  Schon bevor du zu einem Schluß gelangt bist, verstehe ich, worauf Ihr hinauswollt. Der Wappenträger meinte, wie die Sonne immer alles auf die Erde einwirken läßt und diese alles vollständig aufnimmt, so macht das Objekt den Leidenschaftlichen durch die Tätigkeit seines Glanzes zum passiven Subjekt der Tränen, das heißt des Wassers, der Glut, das heißt des Feuers, und der Seufzer, das heißt gewisser Dämpfe, die das Mittelglied beim Übergang von Feuer zu Wasser oder von Wasser zu Feuer darstellen. Tansillo  Im folgenden wird es recht gut erklärt:

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prima parte · dialogo quinto

1033 ¦ 1034

 Quando declin’il sol al Capricorno, fan più ricco le piogge ogni torrente; se va per l’equinozzio o fa ritorno, ogni postiglion d’Eolo più si sente; e scalda più col più prolisso giorno, nel tempo che rimonta al Cancro ardente: non van miei pianti, suspiri et ardori con tai freddi, temperie e calori. |   Sempre equalmente in pianto, quantumqu’ intensi sien suspiri e fiamme. E benché troppo m’inacqui et infiamme, ¦ mai avvien ch’io suspire men che tanto:   infinito mi scaldo, equalment’ a i suspiri e pianger saldo.

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 Cicada  Questo non tanto dechiara il senso de la divisa come il precedente discorso faceva: quanto più tosto dice la consequenza di quello, o l’accompagna. Tansillo  Dite megliore, che la figura è latente ne la prima parte, et il motto è molto esplicato ne la seconda; come l’uno e l’altro è molto propriamente significato nel tipo del sole e de la terra. Cicada  Passamo al terzo.

III. Tansillo  Il terzo nel scudo porta un fanciullo ignudo disteso sul verde prato, e che appoggia la testa sullevata sul braccio con gli occhi rivoltati verso il cielo a certi edificii de stanze, torri, giardini et orti che son sopra le nuvole, e vi è un castello di cui la materia è fuoco; et in mezzo è la nota che dice mutuo fulcimur. Cicada  Che vuol dir questo? Tansillo  Intendi quel furioso significato per il fanciullo ignudo come semplice, puro et esposto a tutti gli accidenti di natura e di fortuna, qualmente con la forza del pensiero edifica castegli in aria, e tra |

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erster teil · fünfter dialog 167

 Wenn die Sonne sich zum Steinbock neigt, machen Regen reicher jeden Strom; wenn durch die Nachtgleiche sie ziehet oder wiederkehrt, ist jeder Postillion des Äolus lauter zu hören; und mit jedem läng’ren Tage wärmt sie stärker, wenn sie zum Krebs, dem heißen, aufsteigt. Nicht ändert sich mein Weinen, Seufzen, Brennen mit jenen kalten, lauen, heißen Jahreszeiten.   Immer steh’ ich gleichmäßig in Tränen, wie heftig auch die Seufzer und die Flammen sein mögen. Obwohl im Übermaß ich weine und ich brenne, nie kommt es vor, daß je ich weniger seufze:   Meine Hitze kennt kein Ende, ist wie die Seufzer und das Weinen unabänderlich.

 Cicada  Dies erklärt weniger die Devise – wie es die vorangehende Rede tat –, als daß es benennt, was aus ihr folgt, oder auch sie ergänzt. Tansillo  Besser sagt Ihr, daß die Figur im ersten Teil verborgen ist und daß im zweiten Teil sehr deutlich das Motto erklärt wird, so wie Figur und Motto ein sehr passendes Symbol im Bild von Sonne und Erde gefunden haben. Cicada  Gehen wir über zum Dritten.

III. Tansillo  Der Dritte führt auf seinem Schild einen nackten Knaben, der, ausgestreckt auf einer grünen Wiese und den erhobenen Kopf auf einen Arm gestützt, die Augen gen Himmel gewandt hält, wo über den Wolken verschiedene Bauwerke zu sehen sind: Häuser, Türme, Blumen- und Obstgärten, auch ein Schloß befindet sich dort, das aus Feuer gemacht ist, und in der Mitte steht das Motto: mutuo fulcimur. Cicada  Was soll das heißen? Tansillo  Begreife den Leidenschaftlichen, hier durch den nackten Knaben dargestellt, als einfach, rein und allen Ereignissen der Natur und des Schicksals ausgeliefert, wie er mit der Kraft seiner Gedanken Luftschlösser baut, unter anderem einen Turm, dessen Architekt die

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prima parte · dialogo quinto

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l’altre cose una torre di cui l’architettore è l’amore, la materia l’amoroso foco, et il fabricatore egli medesimo, che dice Mutuo fulcimur: cioè io vi edifico e vi sustegno là con il pensiero, e voi mi sustenete qua con la speranza: voi non sareste in essere se non fusse l’imaginazione et il pensiero con cui vi formo ¦ e sustegno, et io non sarrei in vita se non fusse il refrigerio e conforto che per vostro mezzo ricevo. Cicada  È vero che non è cosa tanto vana e tanto chimerica fantasia, che non sia più reale e vera medecina d’un furioso cuore, che qualsivoglia erba, pietra, oglio, o altra specie che produca la natura. Tansillo  Più possono far gli maghi per mezzo della fede, che gli medici per via de la verità: e ne gli più gravi morbi più vegnono giovati gl’infermi con credere quel tanto che quelli dicono, che con intendere quel tanto che questi facciono. Or legansi le rime:  Sopra de nubi, a l’eminente loco, quando tal volta vaneggiando avvampo, per di mio spirto refrigerio e scampo, tal formo a l’aria castel de mio foco: s’il mio destin fatale china un poco, a fin ch’intenda l’alta grazia il vampo ¦ in cui mi muoio, e non si sdegn’ o adire, o felice mia pena e mio morire.   Quella de fiamme e lacci tuoi, o garzon, che gli uomini e gli divi fan suspirar, e soglion far cattivi, | l’ardor non sente, né prova gl’impacci:   ma può ’ntrodurt’, o Amore, man di pietà, se mostri il mio dolore.

 Cicada  Mostra che quel che lo pasce in fantasia, e gli fomenta il spirito, è che (essendo lui tanto privo d’ardire d’esplicarsi a far conoscere

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erster teil · fünfter dialog 169

Liebe, dessen Material das Feuer der Liebe und dessen Baumeister er selbst ist. Er sagt: Mutuo fulcimur, das heißt, ich erbaue und stütze euch dort durch die Gedanken, und ihr stützt mich hier durch die Hoffnung. Ihr hättet kein Sein, wenn nicht meine Einbildungskraft und meine Gedanken wären, mit denen ich euch bilde und aufrechterhalte, und ich wäre nicht am Leben, wenn nicht die Erleichterung und der Trost wären, die ich durch euch erhalte. Cicada  In der Tat kann kein Phantasiegebilde so unwirklich und trügerisch sein, daß es für ein leidenschaftliches Herz nicht wirklichere und wahrhaftigere Medizin wäre als irgendein Kraut, Mineral, Balsam oder sonstiges Produkt der Natur. Tansillo  Mehr vermögen die Zauberer durch den Glauben als die Ärzte durch die Wahrheit: Bei den äußerst schweren Krankheiten nutzt es den Kranken mehr, an das zu glauben, was jene sagen, als das zu verstehen, was diese tun. Lesen wir nun die Verse.  Über den Wolken, an hoch erhobenem Ort, wenn ich von Zeit zu Zeit im Wahn erglühe, form’ ich zu meines Geistes Kühlung und Errettung in der Luft ein solches Schloß aus meinem Feuer. Wenn mein verderbliches Geschick sich etwas neigt, damit die hohe Anmut jene Glut erkenne, in der ich schmachte, und sich nicht beleidigt zeige oder zürne: Oh glücklich meine Qual, mein Sterben.   Jene spürt von deinen Flammen und von deinen Schlingen, oh Knabe, welche Mensch’ und Götter stöhnen lassen und gewöhnlich zu Gefangenen machen, weder Brennen noch Behinderung:   es verschafft dir, Amor, aber bei ihr Einlaß die Hand des Mitleids, wenn du auf meinen Schmerz weist.

 Cicada  Er zeigt hier, daß, was ihn in seiner Phantasie erfreut und seinen Geist befeuert, das Folgende ist (da er selbst so wenig wagt, sich zu erklären und sein Leid deutlich zu machen, wie die Qualen tief sind,

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prima parte · dialogo quinto

1036 ¦ 1037

la sua pena, quanto profondamente suggetto a tal martìre), se avvenesse ch’il fato rigido e rubelle chinasse un poco (perché voglia il destino al fin rasserenargli il volto), con far che senza sdegno o ira de l’alto oggetto gli venesse manifesto, non stima egli gioia tanto felice, né vita tanto beata, quanto per tal successo lui stime felice la sua pena, e beato il suo morire. Tansillo  E con questo viene a dechiarar a l’Amore che la raggion per cui possa aver adito in quel petto, non è quell’ordinaria de le armi con le quali suol cattivar uomini e dèi; ma solamente con fargli aperto il cuor focoso et il travagliato spirito de lui; a la vista del quale fia necessario che la compassion possa aprirgli il passo et introdurlo a quella difficil stanza. IV. Cicada  Che significa qua quella mosca che vola circa la fiamma e sta quasi quasi per bruggiarsi, e che vuol dir quel motto: hostis non hostis? Tansillo  Non è molto difficile la significazione de la farfalla, che sedotta dalla vaghezza del splendore, innocente et amica va ad incorrere nelle mortifere fiamme: onde hostis sta scritto per l’effetto del | fuoco, non hostis ¦ per l’affetto de la mosca. Hostis la mosca passivamente, non hostis attivamente. Hostis la fiamma per l’ardore, non hostis per il splendore. Cicada  Or che è quel che sta scritto nella tabella? Tansillo  Mai fia che de l’amor io mi lamente, senza del qual non vogli’ esser felice; sia pur ver che per lui penoso stente, non vo’ non voler quel che sì me lice: sia chiar o fosch’ il ciel, fredd’ o ardente, sempr’un sarò ver l’unica fenice. Mal può disfar altro destin o sorte quel nodo che non può sciòrre la morte.   Al cor, al spirt’, a l’alma non è piacer, o libertad’, o vita,

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erster teil · fünfter dialog 171

denen er unterworfen ist): Wenn das harte und störrische Geschick sich etwas milder zeigte (weil ihm das Schicksal das Gesicht zuletzt etwas aufhellen will) und bewirkte, daß das edle Objekt ihm offenbar würde, ohne daß dieses Verachtung oder Zorn empfände, hielte er keine Freude für so glücklich, kein Leben für so selig, wie ihm in diesem Fall sein Leiden glücklich und sein Sterben selig erschiene. Tansillo  Und damit macht er Amor klar, daß er nicht mit den gewöhnlichen Mitteln Einzug in jene Brust halten könne, nicht mit jenen Waffen, mit denen er Menschen und Götter sonst zu fangen pflegt, sondern nur, indem er dem Objekt sein feuriges Herz und seinen gequälten Geist aufdeckt; bei deren Anblick werde das Mitleid ihm notgedrungen den Weg öffnen können und ihn zu jener schwer zugänglichen Kammer führen. 9 10

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IV. Cicada  Was bedeutet jenes Insekt dort, das um eine Flamme fliegt und sich um Haaresbreite verbrennt? Und was will das Motto sagen: hostis non hostis? Tansillo  Es ist nicht sehr schwierig, den Schmetterling zu deuten, der von der Schönheit des Glanzes verführt wird und unschuldig und freundlich gesinnt in die todbringenden Flammen gerät. Dabei meint hostis die Wirkung des Feuers, non hostis die Zuneigung des Insekts. Hostis ist der Falter in passiver Hinsicht, non hostis in aktiver. Hostis ist die Flamme wegen ihres Brennens, non hostis wegen ihres Glanzes. Cicada  Was steht nun auf der Tafel geschrieben? Tansillo  Niemals möge es geschehen, daß ich über jene Liebe klage, ohne die ich nicht will glücklich sein; mag es auch stimmen, daß ich qualvoll wegen ihr mich peinige, ich will nicht das nicht wollen, was sie mir gewährt. Sei der Himmel klar oder bewölkt, kalt oder brennend heiß, stets derselbe werd’ ich sein dem einzigartigen Phönix gegenüber. Schwerlich kann ein andres Los oder Geschick jenen Knoten aufschnürn, den der Tod nicht lösen kann.   Für Herz und Geist und Seele gibt es nicht Freude oder Freiheit oder Leben,

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qual tanto arrida, giove e sia gradita, qual più sia dolce, graziosa et alma,   ch’il stento, giogo e morte, ch’ho per natura, voluntade e sorte.  Qua nella figura mostra la similitudine che ha il furioso con la farfalla affetta verso la sua luce; ne gli carmi poi mostra più differenza e dissimilitudine che altro: essendo che comunmente si crede che se quella mosca prevedesse la sua ruina non tanto ora séguita la luce quanto all’ora la fuggirebbe, stimando male di perder l’esser proprio risolvendosi in quel fuoco | nemico. Ma a costui non men ¦ piace svanir nelle fiamme de l’amoroso ardore, che essere abstratto a contemplar la beltà di quel raro splendore, sotto il qual per inclinazion di natura, per elezzion di voluntade e disposizion del fato, stenta, serve e muore: più gaio, più risoluto e più gagliardo, che sotto qualsivogli’altro piacer che s’offra al core, libertà che si conceda al spirito, e vita che si ritrove ne l’alma. Cicada  Dimmi, perché dice: »sempr’un sarò«? Tansillo  Perché gli par degno d’apportar raggione della sua constanza, atteso che il sapiente si muta con la luna, il stolto si muta come la luna. Cossì questo è unico con la fenice unica. V. Cicada  Bene; ma che significa quella frasca di palma, circa la quale è il motto: caesar adest. Tansillo  Senza molto discorrere, tutto potrassi intendere per quel che è scritto nella tavola:  Trionfator invitto di Farsaglia, essendo quasi estinti i tuoi guerrieri, al vederti, fortissimi ’n battaglia sorser, e vinser suoi nemici altieri.

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das ihnen so sehr lacht, frommt und erfreulich wäre, das ihnen süßer, lieblicher und holder wäre   als Mühsal, Joch und Tod, die mir Natur, Willen und Schicksal auferlegen.



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Hier zeigt sich im Bild die Ähnlichkeit, die der Leidenschaftliche mit dem Schmetterling hat, der vom Licht angezogen wird. Im Gedicht zeigt sich dann vor allem der Unterschied und die Unähnlichkeit: Allgemein wird nämlich angenommen, daß der Falter, wenn er seinen Untergang voraussähe, das Licht eher flöhe als daß er ihm folgte, denn es käme ihm schlecht vor, sich in jenem feindlichen Feuer aufzulösen und dadurch das eigene Sein zu verlieren. Aber dem Leidenschaft­lichen gefällt es nicht weniger, in den Flammen des Feuers der Liebe zu vergehen, als hingerissen die Schönheit jenes außergewöhnlichen Glanzes zu betrachten, für den er aufgrund seiner natürlichen Neigung, seiner Willensentscheidung und der Bestimmung seines Schicksals sich müht, dient und stirbt, und zwar fröhlicher, entschlossener und mutiger als für alles andere, was sich an Vergnügen dem Herzen bietet, an Freiheit dem Geist erlaubt ist und sich an Leben in der Seele findet. Cicada  Sag mir, warum sagt er: Stets derselbe werd’ ich sein? Tansillo  Weil es ihm angemessen erscheint, einen Beweis seiner Beständigkeit zu geben, denn der Weise wandelt sich im Einklang mit dem Mond, der Törichte aber wandelt sich wie der Mond. So ist er einzigartig im Einklang mit seinem einzigartigen Phönix. V. Cicada  Danke. Aber was bedeutet jener Palmenzweig, um den das Motto gewunden ist: caesar adest ? Tansillo  Ohne viel zu erklären, läßt sich alles an dem, was auf der Tafel steht, erkennen:  Du unbesiegter Triumphator von Pharsalus, deiner Krieger Mut war fast erloschen, da sah’n sie dich, erhoben tapfer sich zum Kampfe und besiegten ihre stolzen Feinde.

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prima parte · dialogo quinto

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Tal il mio ben, ch’al ben del ciel s’agguaglia, fatto a la vista de gli miei pensieri, ch’eran da l’alma disdegnosa spenti, le fa tornar più che l’amor possenti. ¦   La sua sola presenza, o memoria di lei, sì le ravviva, | che con imperio e potestade diva dòman ogni contraria violenza.   La mi governa in pace; né fa cessar quel laccio e quella face.

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 Tal volta le potenze de l’anima inferiori, come un gagliardo e nemico essercito che si trova nel proprio paese, prattico, esperto et accomodato, insorge contra il peregrino adversario che dal monte de la intelligenza scende a frenar gli popoli de le valli e palustri pianure. Dove dal rigor della presenza de nemici e difficultà de precipitosi fossi vansi perdendo, e perderiansi a fatto, se non fusse certa conversione al splendor de la specie intelligibile mediante l’atto della contemplazione: mentre da gli gradi inferiori si converte a gli gradi superiori. Cicada  Che gradi son questi? Tansillo  Li gradi della contemplazione son come li gradi della luce, la quale nullamente è nelle tenebre; alcunamente è ne l’ombra; megliormente è ne gli colori secondo gli suoi ordini da l’un contrario ch’è il nero a l’altro che è il bianco; più efficacemente è nel splendor diffuso su gli corpi tersi e trasparenti, come nel specchio o nella luna; più vivamente ne gli raggi sparsi dal sole; altissima e principalissimamente nel sole istesso. Or essendo cossì ordinate le potenze apprensive et affettive de le quali sempre la prossima conseguente have affinità con la prossima antecedente, e per la conversione a quella che la sulleva, viene a rinforzarsi contra l’inferior che | la deprime (come la raggione per la conversione a l’intelletto non è sedotta o vinta dalla notizia o appren-

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So auch mein Gut, das dem Gut des Himmels gleichkommt: Zeigt es sich meinen Gedanken, die erloschen waren durch den Unwillen der Seele, läßt es sie wieder stärker als die Liebe werden.   Seine Gegenwart allein oder die Erinnerung daran belebt sie so, daß sie mit göttergleicher Macht und Kraft jede sich widersetzende Gewalt bezwingen.   Sie herrscht über mich in Frieden, läßt weder jenes Band, noch jenes Feuer enden.

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Manchmal erheben sich die niederen Kräfte der Seele wie ein starkes und feindliches Heer, das im eigenen Land geübt, erfahren und kundig ist, gegen den fremden Gegner, der vom Hügel der Vernunft hinabsteigt, um die Völker der Täler und sumpfigen Ebenen zu zügeln. Dort würden seine Krieger sich angesichts der Beharrlichkeit der Feinde in den Schwierigkeiten der steilen Gräben verlieren und schließlich untergehen, wenn nicht gewissermaßen eine Hinwendung zum Glanz der intelligiblen Erscheinung stattfände, und zwar im Akt des Schauens, in dem sich eine Wandlung von den niederen zu den höheren Stufen vollzieht. Cicada  Was sind das für Stufen? Tansillo  Die Stufen des Schauens entsprechen den Stufen des Lichts: Es fehlt ganz in der Finsternis; wenig ist es im Schatten; mehr ist es in den Farben, entsprechend ihrer Reihenfolge zwischen dem einen Gegensatz, nämlich schwarz, und dem anderen, nämlich weiß; noch mehr zeigt sich seine Wirkung in dem Glanz, der sich auf glatten und durchsichtigen Körpern ausbreitet, wie im Falle des Spiegels oder des Mondes; noch lebhafter ist es in den Strahlen, die von der Sonne ausgehen; die höchste und eigentlichste Stufe erreicht es in der Sonne selbst. Da die begreifenden und fühlenden Kräfte nun so geordnet sind, daß immer die nächstfolgende zur vorigen Stufe eine Verwandtschaft fühlt, sich aber durch die Hinwendung zu der sie erhebenden Stufe gegen die niedere und sie niederdrückende wappnet (wie der Verstand durch seine Hinwendung zur Vernunft nicht von sinnlicher Wahrnehmung

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prima parte · dialogo quinto

1039 – 1041

sione et affetto sensitivo, ma più tosto secondo la legge di quello viene a ¦ domar e correger questo), accade che quando l’appetito razionale contrasta con la concupiscenza sensuale, se a quello per atto di conversione si presente a gli occhi la luce intelligenziale, viene a repigliar la smarrita virtude, rinforzar i nervi, spaventa e mette in rotta gli nemici. Cicada  In che maniera intendete che si faccia cotal conversione? Tansillo  Con tre preparazioni che nota il contemplativo Plotino nel libro Della bellezza intelligibile: de le quali »la prima è proporsi de conformarsi d’una similitudine divina« divertendo la vista da cose che sono infra la propria perfezzione, e commune alle specie uguali et inferiori; »secondo è l’applicarsi con tutta l’intenzione et attenzione alle specie superiori; terzo il cattivar tutta la voluntade et affetto a Dio«. Perché da qua avverrà che senza dubio gl’influisca la divinità la qual da per tutto è presente e pronta ad ingerirsi a chi se gli volta con l’atto de l’intelletto, et aperto se gli espone con l’affetto de la voluntade. Cicada  Non è dumque corporal bellezza quella che invaghisce costui? Tansillo  Non certo, perché la non è vera né constante bellezza, e però non può caggionar vero né constante amore: ¦ la bellezza che si vede ne gli corpi è una cosa accidentale et umbratile e come l’altre che sono assorbite, alterate e guaste per la mutazione del | suggetto, il quale sovente da bello si fa brutto senza che alterazion veruna si faccia ne l’anima. La raggion dumque apprende il più vero bello per conversione a quello che fa la beltade nel corpo, e viene a formarlo bello: e questa è l’anima che l’ha talmente fabricato e infigurato. Appresso l’intelletto s’inalza più, et apprende bene che l’anima è incomparabilmente bella sopra la bellezza che possa esser ne gli corpi; ma non si persuade che sia bella da per sé e primitivamente: atteso che non accaderebbe quella differenza che si vede nel geno de le anime, onde altre son savie, amabili e belle; altre stolte, odiose e brutte. Bisogna dumque alzarsi a quello intelletto superiore il quale da per sé è bello e da per sé è buono. Que-

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oder Erkenntnis und Gefühl verführt und besiegt wird, sondern nach dem Gesetz der Vernunft dieses Gefühl vielmehr beherrscht und zurechtweist), geschieht es, daß, wenn das Streben des Verstandes im Kampf mit der sinnlichen Begierde sich durch den Akt der Hinwendung das Licht der Einsicht vor Augen stellt, er seine verlorene Stärke zurückerlangt, seine Nerven kräftigt, seine Feinde mit Furcht erfüllt und sie vernichtend schlägt. Cicada  Auf welche Weise geschieht deiner Meinung nach diese Hinwendung? Tansillo  Plotin, der in der Schau geübt war, nennt in seinem Buch Über die intelligible Schönheit drei Vorbereitungen: Die erste ist, »sich vorzunehmen, gottähnlich zu werden«, indem man den Blick von Dingen abwendet, die unterhalb der eigenen Vollkommenheit und auf einer Stufe mit gleichartigen oder niederen Erscheinungen stehen. Zweitens »muß man sich mit größter Zielgerichtetheit und Aufmerksamkeit den höheren Erscheinungen zuwenden«. Drittens »muß man seinen Willen und seine Zuneigung ganz an Gott binden«. Denn auf diese Weise wird unzweifelhaft das Göttliche in ihn einströmen, das überall gegenwärtig und bereit ist, sich dem mitzuteilen, der sich ihm durch die Tätigkeit der Vernunft zuwendet und sich ihm durch die Zuneigung des Willens aufgeschlossen darbietet. Cicada  Das, was den Leidenschaftlichen hinreißt, ist also nicht die körperliche Schönheit? Tansillo  Gewiß nicht, denn diese ist weder echte noch beständige Schönheit und kann deshalb weder echte noch beständige Liebe verursachen. Die Schönheit, die man an Körpern sieht, ist zufällig und schattenhaft, gleich den anderen Dingen, die entsprechend den Wandlungen des Subjekts aufgesogen, verändert und verdorben werden; so wird aus dem schönen Subjekt oft ein häßliches, ohne daß sich in der Seele irgendeine Veränderung vollzöge. Der Verstand also erfaßt das wahrhaft Schöne durch Hinwendung zu dem, was die Schönheit im Körper bewirkt und ihm eine schöne Gestalt gibt: Und das ist die Seele; sie hat ihn auf diese Weise hergestellt und gestaltet. Dann erhebt sich die Vernunft höher und begreift, daß die Seele unvergleichlich schöner ist als die Schönheit, die in den Körpern sein kann. Aber sie glaubt nicht, daß sie von sich aus und ursprünglich schön ist, denn

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prima parte · dialogo quinto

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sto è quell’unico e supremo capitano, qual solo messo alla presenza de gli occhi de militanti pensieri, le illustra, incoraggia, rinforza e rende vittoriosi sul dispreggio d’ogn’altra bellezza e ripudio di qualsivogli’altro bene. Questa dumque è la presenza che fa superar ogni difficultà e vincere ogni violenza. Cicada  Intendo tutto. Ma che vuol dire »La mi governa in pace, Né fa cessar quel laccio e quella face«? Tansillo  Intende e prova, che qualsivoglia sorte d’amore quanto ha maggior imperio e più certo domìno, tanto fa sentir più stretti i lacci, più fermo il giogo, e più ardenti le fiamme. Al contrario de gli ordinarii prencipi e tiranni, che usano maggior strettezza e forza, dove veggono aver minore imperio. Cicada  Passa oltre. ¦ | VI. Tansillo  Appresso veggio descritta la fantasia d’una fenice volante, alla quale è volto un fanciullo che bruggia in mezzo le fiamme, e vi è il motto: fata obstant. Ma perché s’intenda meglior, leggasi la tavoletta:  Unico augel del sol, vaga Fenice, ch’appareggi col mondo gli anni tui, quai colmi ne l’Arabia felice: tu sei chi fuste, io son quel che non fui; io per caldo d’amor muoio infelice, ma te ravviv’il sol co’ raggi sui; tu bruggi ’n un, et io in ogni loco; io da Cupido, hai tu da Febo il foco.  

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dann gäbe es nicht diesen Unterschied zwischen den Arten der Seele, von denen einige weise, liebenswert und schön sind, andere dumm, hassenswert und häßlich. Sie muß sich also zu jener höheren Vernunft erheben, die von sich aus gut und von sich aus schön ist. Sie ist jener einzige und höchste Befehlshaber, der durch seine bloße Gegenwart vor den Augen der kämpfenden Gedanken diese erleuchtet, ermutigt, stärkt und siegreich macht, weil sie nun jede andere Schönheit verachten und jedes andere Gut zurückweisen. Das ist also die Gegenwart, die jede Schwierigkeit überwinden und jede Gewalt besiegen läßt. Cicada  Ich habe alles verstanden. Aber was will Folgendes sagen: Sie herrscht über mich in Frieden, läßt weder jenes Band noch jenes Feuer enden? Tansillo  Er meint und beweist, daß jegliche Art Liebe umso enger die Bande, umso fester das Joch und umso brennender die Flammen spüren läßt, je größer ihre Macht und je sicherer ihre Herrschaft ist. Im Gegensatz dazu wenden die gewöhnlichen Herrscher und Tyrannen größere Strenge und Gewalt an, wo sie sehen, daß ihre Macht geringer ist. Cicada  Weiter zum nächsten. VI. Tansillo  Als Nächstes sehe ich die Vorstellung eines fliegenden Phönix abgebildet, zu dem ein Knabe sich wendet, der von Flammen umlodert wird. Anbei steht das Motto: fata obstant. Doch um es besser zu verstehen, laß uns das Täfelchen lesen:  Einzigartiger Sonnenvogel, schöner Phönix, dem Alter dieser Welt entspricht die Anzahl deiner Jahre, die du im Glücklichen Arabien zur Vollendung bringst. Du bist jener, der du warst, ich bin der, der ich nicht war. Ich sterbe in der Glut der Liebe unglücklich, doch dich belebt die Sonne mittels ihrer Strahlen; du brennst an einem, ich an allen Orten; ich hab’ von Cupido, von Phoebus du das Feuer.  

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prima parte · dialogo quinto

1042 ¦ 1043

  Hai termini prefissi di lunga vita, et io ho breve fine, che pronto s’offre per mille ruine, né so quel che vivrò, né quel che vissi.   Me cieco fato adduce, tu certo torni a riveder tua luce.

 Dal senso de gli versi si vede che nella figura si disegna l’antitesi de la sorte de la fenice e del furioso; e che il motto Fata obstant, non è per significar che gli fati siano contrarii o al fanciullo, o a la fenice, o a l’uno e l’altro; ma che non ¦ son medesimi, ma diversi et oppositi gli decreti fatali de l’uno e gli fatali decreti de l’altro: perché la fenice è quel che fu, essendoché la medesima materia per il fuoco si rino | va ad esser corpo di fenice, e medesimo spirito et anima viene ad informarla; il furioso è quel che non fu, perché il suggetto che è d’uomo, prima fu di qualch’altra specie secondo innumerabili differenze. Di sorte che si sa quel che fu la fenice, e si sa quel che sarà: ma questo suggetto non può tornar se non per molti et incerti mezzi ad investirsi de medesima o simil forma naturale. Appresso, la fenice al cospetto del sole cangia la morte con la vita; e questo nel cospetto d’amore muta la vita con la morte. Oltre, quella su l’aromatico altare accende il foco; e questo il trova e mena seco, ovumque va. Quella ancora ha certi termini di lunga vita; ma costui per infinite differenze di tempo et innumerabili caggioni de circonstanze, ha di breve vita termini incerti. Quella s’accende con certezza, questo con dubio de riveder il sole. Cicada  Che cosa credete voi che possa figurar questo? Tansillo  La differenza ch’è tra l’intelletto inferiore, che chiamano intelletto di potenza o possibile o passibile, il quale è incerto, moltivario e moltiforme; e l’intelletto superiore, forse quale è quel che da Peripa-

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erster teil · fünfter dialog 181

  Dir ist vorherbestimmt in Ziel und Dauer ein langes Leben, ich indessen hab’ ein schnelles Ende, das rasch sich offenbart in tausendfältigem Verfall. Ich weiß nicht, was das Leben mir bereithält, noch was es mir   Mich führt das Schicksal blind, [ brachte. du kehrst gewiß zurück, wirst dein Licht wiedersehen.



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Am Sinn der Verse sieht man, daß im Bild der Gegensatz zwischen dem Schicksal des Phönix und dem des Leidenschaftlichen dargestellt ist. Weiter, daß das Motto Fata obstant nicht bedeuten soll, das Schicksal sei dem Knaben oder dem Phönix oder beiden widrig gesonnen, sondern daß die Schicksalsbestimmungen des einen und die des anderen nicht identisch, sondern unterschiedlich und einander entgegengesetzt sind. Denn der Phönix ist, der er war, denn dieselbe Materie erneuert sich im Feuer wieder zum Körper des Phönix, und derselbe Geist und dieselbe Seele geben ihm seine Form. Der Leidenschaftliche ist, der er nicht war, denn dasselbe Subjekt, das jetzt ein Menschensubjekt ist, gehörte vorher einer anderen, auf unzählige Weisen verschiedenen Art an. Daher weiß man, was der Phönix war, und man weiß, was er sein wird; hingegen kann sich dieses Subjekt nur über viele und ungewisse Mittel und Wege wieder mit derselben oder einer ähnlichen Form der Natur bekleiden. Ferner tauscht der Phönix angesichts der Sonne den Tod gegen das Leben, und der Leidenschaftliche tauscht angesichts der Liebe das Leben gegen den Tod. Außerdem steckt sich jener auf einem Weihrauchaltar in Brand, und dieser findet sein Feuer in sich und führt es mit sich, wohin er auch geht. Sodann hat jener eine vorbestimmte Frist eines langen Lebens vor sich, dieser aber kennt das Ende seines kurzen Lebens nicht, weil es unendlich viele Unterschiede in der Dauer gibt und unzählige Umstände dabei eine Rolle spielen. Jener ist, wenn er in Brand gerät, gewiß, dieser zweifelt daran, die Sonne wiederzusehen. Cicada  Was glaubt Ihr, kann dies darstellen? Tansillo  Den Unterschied zwischen der niederen Vernunft, die man Vernunft als Vermögen, auch mögliche oder passive Vernunft nennt, die ungewiß, vielfältig und vielgestaltig ist, und der höheren Vernunft, die vielleicht die Peripatetiker meinen, wenn sie von der niedrigsten

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prima parte · dialogo quinto

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tetici è detto infima de l’intelligenze, e che immediatamente influisce sopra tutti gl’individui dell’umana specie, e dicesi intelletto agente et attuante. Questo intelletto unico specifico ¦ umano che ha influenza in tutti li individui, è come la luna, la quale non prende altra specie che quella unica, la qual sempre se rinova per la conversion che fa al sole che è la prima et universale intelligenza: ma l’intelletto umano individuale e numeroso viene come gli | occhi a voltarsi ad innumerabili e diversissimi oggetti, onde secondo infiniti gradi che son secondo tutte le forme naturali viene informato. Là onde accade che sia furioso, vago et incerto questo intelletto particulare; come quello universale è quieto, stabile e certo, cossì secondo l’appetito come secondo l’apprensione. O pur quindi (come da per te stesso puoi facilmente desciferare) vien significata la natura dell’apprensione et appetito vario, vago, inconstante et incerto del senso, e del concetto et appetito definito, fermo e stabile de l’intelligenza; la differenza de l’amor sensuale che non ha certezza né discrezion de oggetti, da l’amor intellettivo il qual ha mira ad un certo e solo, a cui si volta, da cui è illuminato nel concetto, onde è acceso ne l’affetto, s’infiamma, s’illustra et è mantenuto nell’unità, identità e stato. VII. Cicada  Ma che vuol significare quell’imagine del sole con un circolo dentro, et un altro da fuori, con il motto circuit? Tansillo  La significazion di questo son certo che mai arrei compresa, se non fusse che l’ho intesa dal medesimo figuratore: or è da sapere che quel circuit si referisce al moto del sole che fa per quel circolo, il quale gli vien de ¦ scritto dentro e fuori; a significare che quel moto insieme insieme si fa et è fatto: onde per consequenza il sole viene sempre ad ritrovarsi in tutti gli punti di quello. Perché s’egli si muove in uno instante, séguita che insieme si muove et è mosso, e che è per tutta la circonferenza del circolo equalmente, e che in esso convegna in uno il moto e la quiete. |

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der Einsichtskräfte reden und die unmittelbar Einfluß auf alle Einzelwesen von menschlicher Art hat und tätige Vernunft oder Vernunft als Akt genannt wird. Diese Vernunft, die allein dem Menschen eigen ist und Einfluß auf jeden Einzelnen hat, ist wie der Mond, der nur eine einzige Gestalt annimmt, die er stets durch seine Hinwendung zur Sonne, der ersten und universellen Einsichtskraft, erneuert. Aber die individuelle und vielfältige Vernunft des Menschen wendet sich so wie die Augen unzähligen und äußerst verschiedenen Gegenständen zu, weshalb sie sich gemäß den unendlich vielen Stufen bildet, die der Gesamtheit der natürlichen Formen entsprechen. Daher kommt es, daß diese Einzelvernunft leidenschaftlich, schwankend und unsicher ist, gerade so, wie jene universelle ruhig, feststehend und sicher ist, und zwar sowohl in ihrem Begehren wie in ihrem Begreifen. Beziehungsweise wird hier auch (wie du leicht selbst herausfinden kannst) die Natur des Begreifens und Begehrens der Sinne dargestellt, das wechselhaft, schwankend, unbeständig und unsicher ist, und die des Erfassens und Begehrens der Einsichtskraft, das sie durch Bestimmtheit, Unerschütterlichkeit und Beständigkeit auszeichnet: der Unterschied zwischen der sinnlichen Liebe, die in ihrem Zugriff unsicher und in ihren Objekten nicht wählerisch ist, und der geistigen Liebe, die Augen allein für ein sicheres, einziges Objekt hat, dem sie sich zuwendet, von dem ihr Erfassen erleuchtet und ihr Gefühl in Brand gesteckt wird, sich entzündet, leuchtet und in Einheit, Identität und Beständigkeit erhalten wird. VII. Cicada  Aber was soll jenes Bild der Sonne mit einem inneren und einem äußeren Kreis und das Motto circuit bedeuten? Tansillo  Die Bedeutung hätte ich gewiß nie begriffen, wenn sie mir nicht der Autor selbst erklärt hätte. Nun muß man wissen, daß jenes Circuit sich auf die Bewegung der Sonne bezieht, die hier als Kreis innerhalb und außerhalb der Sonne dargestellt wird, um zu zeigen, daß diese Bewegung gleichzeitig sich selber macht und gemacht wird. Infolgedessen befindet sich die Sonne immer in allen Punkten ihrer Kreisbahn. Denn in dem Augenblick, in dem sie sich bewegt, wird sie folglich gleichzeitig bewegt und ist so überall auf dem Umkreis ihrer Kreisbahn in gleicher Weise, so daß in ihr die Bewegung und die Ruhe zusammenfallen.

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prima parte · dialogo quinto

1045 ¦ 1046

Cicada  Questo ho compreso nelli dialogi De l’infinito, universo e mondi innumerabili, e dove si dechiara come la divina sapienza è mobilissima (come disse Salomone) e che la medesima sia stabilissima, come è detto et inteso da tutti quelli che intendono. Or séguita a farmi comprendere il proposito. Tansillo  Vuol dire che il suo sole non è come questo, che (come comunmente si crede) circuisce la terra col moto diurno in vintiquattro ore, e col moto planetare in dodeci mesi; laonde fa distinti gli quattro tempi de l’anno, secondo che a termini di quello si trova in quattro punti cardinali del Zodiaco; ma è tale, che (per essere la eternità istessa e conseguentemente una possessione insieme tutta e compita) insieme insieme comprende l’inverno, la primavera, l’estade, l’autunno, insieme insieme il giorno e la notte: perché è tutto per tutti et in tutti gli punti e luoghi. Cicada  Or applicate quel che dite alla figura. ¦ Tansillo  Qua, perché non è possibile designar il sol tutto in tutti gli punti del circolo, vi son delineati doi circoli: l’un che ’l comprenda per significar che si muove per quello; l’altro che sia da lui compreso per mostrar che è mosso per quello. Cicada  Ma questa demostrazione non è troppo aperta e propria. Tansillo  Basta che sia la più aperta e propria che lui abbia possuta fare: se voi la possete far megliore vi si dà autorità di toglier quella e mettervi quell’altra; perché questa è stata messa solo a fin che l’anima | 237 non fusse senza corpo. | Cicada  Che dite di quel Circuit? Tansillo  Quel motto, secondo tutta la sua significazione, significa la cosa quanto può essere significata; atteso che significa che volta e che è voltato: cioè il moto presente e perfetto. Cicada  Eccellentemente: e però que’ circoli li quali malamente significano la circonstanza del moto e quiete tale, possiamo dire che son

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erster teil · fünfter dialog 185

Cicada  Das habe ich aus den Dialogen Über das Unendliche, das Universum und die unzähligen Welten gelernt, wo erklärt wird, inwiefern die göttliche Weisheit (wie Salomo gesagt hat) äußerst beweglich und zugleich äußerst feststehend ist, wie es auch behauptet und verstanden wird von allen, die verständig sind. Nun fahre fort, mir den Inhalt begreiflich zu machen. Tansillo  Er will sagen, daß seine Sonne nicht derjenigen gleicht, die (wie man gemeinhin annimmt) in einer täglichen Bewegung von vierundzwanzig Stunden und in einer Planetenbewegung von zwölf Monaten die Erde umkreist und auf diese Weise die vier unterschiedlichen Jahreszeiten entstehen läßt, an deren Ende sie sich jeweils an einem der vier Hauptpunkte des Tierkreises befindet. Nein, seine Sonne umfaßt (weil sie die Ewigkeit selbst ist und folglich gleichzeitig alles besitzt und erfüllt) zur gleichen Zeit Winter, Frühling, Sommer und Herbst, zur gleichen Zeit Tag und Nacht, weil sie alles für alle und an allen Punkten und Orten ist. Cicada  Wendet nun das Gesagte auf die bildliche Darstellung an. Tansillo  Weil es nicht möglich ist, die Sonne in ihrer Gesamtheit an allen Punkten der Kreisbahn zu zeichnen, sind hier zwei Kreise gezeichnet, und zwar einer, der die Sonne umfaßt, um auszudrücken, daß sie sich an ihm entlang bewegt, und einer, der von ihr umfaßt wird, um zu zeigen, daß sie durch ihn bewegt wird. Cicada  Aber diese Darstellung ist nicht gerade offenkundig und passend. Tansillo  Es genügt, daß der Autor sie so offenkundig und passend gemacht hat, wie er nur konnte. Wenn Ihr es besser könnt, steht es Euch frei, diese zu beseitigen und eine andere anzubringen, denn diese ist nur angebracht worden, damit die Seele [der Imprese] nicht ohne Körper sei. Cicada  Was sagt Ihr über das Circuit? Tansillo  Das Motto bedeutet in der ganzen Tiefe seiner Bedeutung die Sache, soweit sie bedeutet werden kann, denn es bedeutet, daß die Sonne sich dreht und gedreht wird, also die gegenwärtige und die vollendete Bewegung. Cicada  Ausgezeichnet! So können wir sagen, daß jene Kreise, die den Zustand von gleichzeitiger Bewegung und Ruhe unzureichend ­bedeuten, nur dazu dienen, die Kreisbewegung darzustellen. Und so

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prima parte · dialogo quinto

1046 ¦ 1047

messi a significar la sola circulazione. E cossì vegno contento del suggetto e de la forma de l’impresa eroica. Or legansi le rime. Tansillo  Sol che dal Tauro fai temprati lumi, e dal Leon tutto maturi e scaldi, e quando dal pungente Scorpio allumi, de l’ardente vigor non poco faldi; poscia dal fier Deucalion consumi tutto col fredd’, e i corp’umidi saldi: de primavera, estade, autunno, inverno mi scald’ accend’ ard’ avvamp’in eterno. ¦   Ho sì caldo il desio, che facilment’ a remirar m’accendo quell’alt’oggetto, per cui tant’ardendo, fo sfavillar a gli astri il vampo mio:   non han momento gli anni, che vegga variar miei sordi affanni. |

 Qua nota che gli quattro tempi de l’anno son significati non per quattro segni mobili che son Ariete, Cancro, Libra e Capricorno, ma per gli quattro che chiamano fissi, cioè Tauro, Leone, Scorpione et Aquario: per significare la perfezzione, stato e fervor di quelle tempeste. Nota appresso che in virtù di quelle apostrofi che son nel verso ottavo, possete leggere »mi scaldo, accendo, ardo, avampo«; over, »scaldi, accendi, ardi, avampi« ; over »scalda, accende, arde, avvampa«. Hai oltre da considerare che questi non son quattro sinonimi, ma quattro termini diversi che significano tanti gradi de gli effetti del fuoco. Il qual prima scalda, secondo accende, terzo bruggia, quarto infiamma o invampa quel ch’ha scaldato, acceso e bruggiato. E cossì son denotate nel furioso

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bin ich denn mit Inhalt und Form der heroischen Imprese zufrieden. Nun laßt uns die Verse lesen. Tansillo  Oh Sonne, die du aus des Stieres Zeichen milde Strahlen sendest, und im Löwen alles reifen läßt und wärmst und, wenn im stechenden Skorpion du leuchtest, nicht weniges von deiner Flammen Kraft verlierst, darauf im Zeichen des Deukalion, des stolzen, alles durch Kälte aufzehrst und die feuchten Körper starr machst: In Frühling, Sommer, Herbst und Winter werd’ heiß ich, steh’ in Flammen, brenn’ und lodere in Ewigkeit.   So heiß ist meine Sehnsucht, daß leicht ich Feuer fange beim Betrachten des edlen Gegenstands, um dessentwillen ich so heftig brennend die Funken meiner Glut laß’ zu den Sternen stieben;   Die Jahre kennen keinen Augenblick, der einen Wandel meiner stummen Leiden sähe.

 Bemerke hier, daß die vier Jahreszeiten nicht durch die vier beweglichen Sternzeichen, also Widder, Krebs, Waage und Steinbock, bedeutet sind, sondern durch jene vier, die fixe Zeichen genannt werden, also Stier, Löwe, Skorpion und Wassermann, um dadurch die Vollkommenheit, den gleichbleibenden Zustand und die Heftigkeit jener Stürme zu verdeutlichen. Es ist außerdem interessant, daß Ihr im achten Vers infolge der Apostrophierung der Verbenden lesen könnt: Ich werde heiß, stehe in Flammen, brenne und lodere oder: Du machst mich heiß, in Flammen stehend, brennend und lodernd oder: Mache mich heiß, in Flammen stehend, brennend und lodernd! Bedenke bitte auch, daß dies nicht vier Synonyme, sondern vier verschiedene Ausdrücke sind, die ebenso viele Stufen der Wirkung des Feuers bezeichnen. Zuerst erhitzt es, dann steckt es in Brand, drittens verbrennt es und viertens läßt es das, was es erhitzt, angesteckt und angebrannt hat, in Flammen aufgehen oder lodern. Und damit sind die Sehnsucht, das Interesse, das

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il desio, l’attenzione, il studio, l’affezzione, le quali in nessun momento sente variare. Cicada  Perché le mette sotto titolo d’affanni? Tansillo  Perché l’oggetto, ch’è la divina luce, in questa vita è più in laborioso voto che in quieta fruizione: perché la nostra mente verso quella è come gli occhi de gli uccelli notturni al sole. Cicada  Passa, perché ora da quel ch’è detto posso comprender tutto. VIII. Tansillo  Nel cimiero seguente vi sta depinta una luna piena col motto talis mihi semper et astro. Vuol dir ¦ che a l’astro, cioè al sole, et a lui sempre è tale, come si mostra qua piena e lucida nella circonferenza intiera del circolo: il che acciò che meglio forse intendi, voglio farti udire quel ch’è scritto nella tavoletta. |  Lun’ inconstante, luna varia, quale con corna or vote e tal’or piene svalli, or l’orbe tuo bianc’ or fosco risale, or Bora e de’ Rifei monti le valli fai lustre, or torni per tue trite scale a chiarir l’Austro, e di Libia le spalli. La luna mia per mia continua pena mai sempre è ferma, et è mai sempre piena.   È tale la mia stella, che sempre mi si togli’ e mai si rende, che sempre tanto bruggia e tanto splende, sempre tanto crudele e tanto bella:   questa mia nobil face sempre sì mi martóra, e sì mi piace.



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Streben und die Zuneigung des Leidenschaftlichen gemeint, bei denen er in keinem Augenblick eine Veränderung spürt. Cicada  Warum nennt er sie Leiden? Tansillo  Weil das Objekt, also das göttliche Licht, in diesem Leben eher in mühevollem Sehnen als in ruhigem Genießen zu finden ist, denn unser Geist verhält sich jenem Licht gegenüber wie die Augen der Nachtvögel gegenüber der Sonne. Cicada  Geh’ zum nächsten über, denn nun kann ich aus dem, was gesagt worden ist, alles verstehen. VIII. Tansillo  Auf dem folgenden Wappen ist ein Vollmond aufgemalt mit dem Motto talis mihi semper et astro. Dies will besagen, daß der Mond dem Stern, also der Sonne, und dem Leidenschaftlichen gegenüber immer auf solche Art erscheint, wie er sich hier zeigt: voll und leuchtend auf der gesamten Umlaufbahn seines Kreises. Damit du dies gegebenenfalls besser verstehst, will ich dich hören lassen, was auf dem Täfelchen geschrieben steht:  Unbeständiger Mond, du wechselhafter Mond, der du bald mit leeren, bald mit vollen Hörnern aus dem Tale steigst, bald weiß, bald dunkel glänzt dein Kreis, bald leuchtest du dem Norden und den Tälern in Ripheus’ Bergen, bald kehrst du über deine oft benutzten Stufen zurück, den Süden und die Rücken Libyens zu erhellen. Mein Mond ist zu meiner steten Pein immer unbeweglich, immer voll.   Ebenso mein Stern, der sich mir stets entzieht und je sich hingibt, der stets so sehr verbrennt und so sehr strahlt, stets so grausam und so schön ist:   dies mein edles Licht martert stets so sehr mich, und so sehr gefällt es mir.



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Mi par che voglia dire che la sua intelligenza particulare alla intelligenza universale è sempre »tale«: cioè da quella viene eternamente illuminata in tutto l’emisfero; benché alle potenze inferiori e secondo gl’influssi de gli atti suoi or viene oscura, or più e meno lucida. O forse vuol significare che l’intelletto suo speculativo (il quale è sempre in atto invariabilmente) è sempre volto et affetto verso l’intelligenza umana significata per la »luna«, perché come questa è detta infima de tutti gli astri et è più vicina a noi, cossì l’intelligenza illuminatrice de tutti noi (in questo stato) è l’ultima in ordine de l’altre intelligenze come nota Averroe et altri più sottili Peripatetici. Quella a l’intelletto in potenza or tramonta per quanto non è in atto alcuno, or come »svallasse«, cioè | sorgesse ¦ dal basso de l’occolto emispero, si mostra or vacua or piena secondo che dona più o meno lume d’intelligenza; or ha »l’orbe oscuro or bianco«, perché talvolta mostra per ombra, similitudine e vestigio, tal volta più e più apertamente; or declina a l’»Austro«, or monta a »Borea«, cioè or ne si va più e più allontanando, or più e più s’avvicina. Ma l’intelletto in atto con sua continua pena (percioché questo non è per natura e condizione umana in cui si trova cossì travaglioso, combattuto, invitato, sollecitato, distratto e come lacerato dalle potenze inferiori) sempre vede il suo oggetto fermo, fisso e constante, e sempre pieno e nel medesimo splendor di bellezza. Cossì sempre se gli »toglie« per quanto non se gli concede, sempre se gli »rende« per quanto se gli concede. »Sempre tanto lo bruggia« ne l’affetto, come sempre »tanto gli splende« nel pensiero; »sempre è tanto crudele« in suttrarsi per quel che si suttrae, come sempre è »tanto bello« in comunicarsi per quel che gli se presenta. »Sempre lo martóra«, perciò che è diviso per differenza locale da lui, come sempre gli »piace«, percioché gli è congionto con l’affetto. Cicada  Or applicate l’intelligenza al motto. Tansillo  Dice dumque Talis mihi semper, cioè per la mia continua

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Er will, so scheint mir, sagen, daß seine individuelle Einsichtskraft gegenüber der universellen Einsichtskraft immer ebenso ist, das heißt, von dieser stets in ihrer ganzen Hemisphäre erleuchtet wird. Trotzdem sieht sie für die niederen Potenzen und entsprechend den Auswirkungen seiner Handlungen bald dunkel, bald mehr oder weniger hell aus. Vielleicht soll es auch bedeuten, daß seine spekulative Vernunft (die immer unveränderlich tätig ist) stets der menschlichen Einsichtskraft, die hier durch den Mond symbolisiert wird, zugewandt und zugeneigt ist, denn wie der Mond als der unterste aller Sterne gilt und der uns am nächsten stehende ist, so ist auch die Einsichtskraft, die uns alle (solange wir in diesem Sein sind) erleuchtet, die letzte in der Reihe der Einsichtskräfte, wie Averroes und andere der scharfsinnigsten Peripatetiker bemerkt haben. Bald geht diese Einsichtskraft gegenüber der potentiellen Vernunft unter, nämlich dann, wenn sie in keiner Weise tätig ist, und bald steigt sie gleichsam aus dem Tal, das heißt, erhebt sich aus der verborgenen Hemisphäre und zeigt sich bald schmal und bald voll, je nachdem, wieviel Licht der Einsicht sie schenkt. Bald zeigt sich ihr Kreis dunkel, bald weiß, denn manchmal zeigt sie sich als Schatten, Ähnlichkeit und Spur, manchmal immer direkter; bald neigt sie sich zum Süden hinab, bald steigt sie hinauf nach Norden, das heißt, bald entfernt sie sich mehr und mehr von uns, bald nähert sie sich mehr und mehr. Aber die tätige Vernunft sieht durch ihr beständiges Leiden (denn sie ist nicht aufgrund der Natur und der Beschaffenheit des Menschen, der sie unterworfen ist, so gepeinigt, bekämpft, herausgefordert, beunruhigt, abgelenkt und wie zerrissen von den niederen Kräften) ihr Objekt immer unbeweglich, fest und beständig sowie immer voll und im selben Glanz der Schönheit. So entzieht es sich ihm immer, insofern es sich ihm nicht gewährt, und immer gibt es sich ihm hin, insofern es sich ihm gewährt. Stets verbrennt es ihn so sehr im Gefühl, wie es ihm stets so sehr in den Gedanken strahlt; stets ist es so grausam, wenn es sich entzieht, entsprechend dem Maß, in dem es sich entzieht, wie es stets so schön ist, wenn es sich mitteilt, soweit es sich ihm darbietet. Stets martert es ihn, da es räumlich von ihm getrennt ist, wie es ihm stets gefällt, weil es ihm im Gefühl verbunden ist. Cicada  Lest nun das Motto unter dem Aspekt der Einsichtskraft. Tansillo  Er sagt ja: Talis mihi semper, das bedeutet: Weil ich bestän-

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applicazione secondo l’intelletto, memoria e volontade (perché non voglio altro ramentare, intendere, né desiderare) sempre mi è tale, e per quanto posso capirla, al tutto presente, e non m’è divisa per distrazzion de pensiero, né me si fa più oscura per difetto d’attenzione, perché non è pensiero che mi divertisca da quella luce, e non è necessità di natura qual m’oblighi perché meno | attenda. Talis mihi semper dal canto suo, perché la è invariabile ¦ in sustanza, in virtù, in bellezza et in effetto verso quelle cose che sono constanti et invariabili verso lei. Dice appresso ut astro, perché al rispetto del sole illuminator de quella sempre è ugualmente luminosa, essendo che sempre ugualmente gli è volta, e quello sempre parimente diffonde gli suoi raggi: come fisicamente questa luna che veggiamo con gli occhi, quantumque verso la terra or appaia tenebrosa or lucente, or più or meno illustrata et illustrante, sempre però dal sole vien lei ugualmente illuminata; perché sempre piglia gli raggi di quello al meno nel dorso del suo emispero intiero. Come anco questa terra sempre è illuminata nell’emisfero equalmente; quantumque da l’acquosa superficie cossì inequalmente a volte a volte mande il suo splendore alla luna (qual come molti altri astri innumerabili stimiamo un’altra terra) come aviene che quella mande a lei: atteso la vicissitudine ch’hanno insieme de ritrovarsi or l’una or l’altra più vicina al sole. Cicada  Come questa intelligenza è significata per la luna che luce per l’emisfero? Tansillo  Tutte l’intelligenze son significate per la luna, in quanto che son partecipi d’atto e di potenza, per quanto dico che hanno la luce materialmente, e secondo participazione, ricevendola da altro; dico non essendo luci per sé e per sua natura: ma per risguardo del sole ch’è la prima intelligenza la quale è pura et absoluta luce come anco è puro et absoluto atto.

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dig mit Vernunft, Erinnerung und Willen auf die Einsichtskraft ausgerichtet bin (denn ich will mich an nichts anderes erinnern, nichts anderes verstehen noch ersehnen), erscheint sie mir immer auf diese Weise und, soweit ich sie erfassen kann, ganz gegenwärtig und nicht durch Gedankenzerstreuung von mir getrennt, noch durch Mangel an Aufmerksamkeit verdunkelt, denn es gibt keinen Gedanken, der mich von jenem Licht ablenken könnte und keine Naturnotwendigkeit, die mich dazu zwingen könnte, weniger aufmerksam zu sein. Talis mihi semper heißt es auch von der Einsichtskraft aus gesehen, weil diese an Substanz, Kraft, Schönheit und Wirkung unveränderlich ist gegenüber jenen Dingen, die ihr gegenüber beständig und unveränderlich sind. Weiter lautet das Motto: ut astro, denn im Hinblick auf die Sonne, die ihr das Licht spendet, ist die Einsichtskraft immer gleichmäßig leuchtend, denn sie ist ihr immer gleichmäßig zugewandt, und diese verbreitet ihre Strahlen immer in gleicher Weise. – Auch der Mond im physikalischen Sinne erscheint ja, wenn wir ihn mit unseren Augen betrachten, von der Erde aus bald dunkel, bald hell, bald mehr, bald weniger bestrahlt und strahlend zu sein, obwohl er von der Sonne immer gleichmäßig beleuchtet wird, denn immer nimmt er deren Strahlen zumindest mit der gesamten Rückseite seiner Hemisphäre auf. Ebenso ist auch unsere Erde immer gleichmäßig auf einer Hemisphäre erleuchtet, obgleich sie ihrerseits so ungleichmäßig von der Wasseroberfläche bisweilen Glanz zum Mond schickt (den wir, wie unzählige andere Sterne auch, für eine andere Erde halten), wie entsprechend der Mond Strahlen zur Erde sendet, aufgrund der Wechselfolge zwischen den beiden, nach der sich mal die Erde, mal der Mond näher an der Sonne befindet. Cicada  In welcher Weise wird diese Einsichtskraft durch den in seiner ganzen Hemisphäre leuchtenden Mond symbolisiert? Tansillo  Alle Einsichtskräfte werden durch den Mond symbolisiert, insofern sie Anteil an Akt und Potenz haben, insofern sie, meine ich, Licht auf materielle Weise haben und am Licht teilhaben, indem sie es von einem anderen empfangen, da sie, meine ich, nicht aus sich selbst heraus und ihrer Natur nach Lichter sind, sondern nur im Hinblick auf die Sonne, welche die erste Einsichtskraft ist, und diese ist das reine und absolute Licht, so wie sie auch der reine und absolute Akt ist.

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Cicada  Tutte dumque le cose che hanno dependenza, e che non sono il primo atto e causa, sono | composte come di luce e tenebra, come di | 247 materia e forma, di potenza et atto? Tansillo  Cossì è. Oltre, l’anima nostra secondo tutta ¦ la sustanza è significata per la luna la quale splende per l’emispero delle potenze superiori, onde è volta alla luce del mondo intelligibile, et è oscura per le potenze inferiori, onde è occupata al governo della materia.

IX. Cicada  E mi par che a quel ch’ora è detto abbia certa consequenza e simbolo l’impresa ch’io veggio nel seguente scudo, dove è una ruvida e ramosa quercia piantata, contra la quale è un vento che soffia, et ha circonscritto il motto ut robori robur. Et appresso è affissa la tavola che dice:  Annosa quercia, che gli rami spandi a l’aria, e fermi le radici ’n terra: né terra smossa, né gli spirti grandi che da l’aspro Aquilon il ciel disserra, né quanto fia ch’il vern’orrido mandi, dal luog’ ove stai salda mai ti sferra; mostri della mia fé ritratto vero qual smossa mai stran’ accidenti féro.   Tu medesmo terreno mai sempr’ abbracci, fai colto e comprendi, e di lui per le viscere distendi radici grate al generoso seno:   i’ ad un sol oggetto ho fiss’ il spirt’, il sens’ e l’intelletto. ¦ |  Tansillo  Il motto è aperto, per cui si vanta il furioso d’aver forza e robustezza, come la rovere; e come quell’altro, essere sempre uno al riguardo da l’unica fenice; e come il prossimo precedente conformarsi

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Cicada  Sind also alle Dinge, die abhängig und nicht der erste Akt und die erste Ursache sind, gleichsam aus Licht und Finsternis, Materie und Form, Akt und Potenz zusammengesetzt? Tansillo  So ist es. Außerdem wird unsere Seele ihrer ganzen Sub­ stanz nach durch den Mond symbolisiert: Sie glänzt auf der Halbkugel der höheren Potenzen, wo sie dem Licht der intelligiblen Welt zugewandt ist, und auf der Seite der niederen Potenzen ist sie dunkel, wo sie mit der Lenkung der Materie beschäftigt ist.

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IX. Cicada  Eine Art Fortsetzung und Symbol des eben Gesagten scheint mir die Imprese zu sein, die ich auf dem nächsten Schild sehe: Dort erhebt sich eine knorrige Eiche mit vielen Ästen, gegen die ein starker Wind bläst, und rundherum steht das Motto: ut robori robur. Auf der anbei angehefteten Tafel steht: 

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Vieljährige Eiche, die du deine Zweige in die Luft ausbreitest und die Wurzeln feste in der Erde hältst, weder der Erde Beben, noch die gewaltigen Winde, die der Himmel hoch im rauhen Norden losschirrt, noch was der grause Winter immer schicken mag, reißt dich jemals von dem Ort, an welchem unerschütterlich du stehst. Du zeigst das wahre Abbild meiner Treue, die niemals fremdes Unglück wanken ließ.   Denselben Boden umarmst, bebaust, umfaßt du stets, und durch seine Eingeweide streckst du dem freigiebigen Schoß dankbare Wurzeln aus:   Ich habe an ein einziges Objekt Geist, Gefühl, Vernunft geheftet.

 Tansillo  Das Motto ist klar: Der Leidenschaftliche brüstet sich, stark und kräftig wie eine Eiche zu sein, so wie jener andere, gegenüber seinem einzigartigen Phönix immer derselbe zu sein, und wie der unmittelbar vorangehende, es jenem Monde gleichzutun, der stets genauso

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a quella luna che sempre tanto splende, e tanto è bella; o pur non assomigliarsi a questa antictona tra la nostra terra et il sole in quanto ch’è varia a’ nostri occhi: ma in quanto sempre riceve ugual porzion del splendor solare in se stessa. E per ciò cossì rimaner constante e fermo contra gli Aquiloni e tempestosi inverni per la fermezza ch’ha nel suo astro in cui è piantato con l’affetto et intenzione, come la detta radicosa pianta tiene intessute le sue radici con le vene de la terra. Cicada  Più stimo io l’essere in tranquillità e fuor di molestia che trovarsi in una sì forte toleranza. Tansillo  È sentenza d’Epicurei la qual se sarà bene intesa non sarà giudicata tanto profana quanto la stimano gli ignoranti; atteso che non toglie che quel ch’io ho detto sia virtù, né pregiudica alla perfezzione della constanza, ma più tosto aggionge a quella perfezzione che intendeno ¦ gli volgari: perché lui non stima vera e compita virtù di fortezza e constanza quella che sente e comporta gl’incommodi: ma quella che non sentendoli le porta; non stima compìto amor divino et eroico quello che sente il sprone, freno o rimorso o pena per altro amore, ma quello ch’a fatto non ha senso de gli altri affetti: onde talmente è gionto ad un piacere, che non è potente dispiacere alcuno a distorlo o far cespitare in punto. E questo è toccar la somma beatitudine in | questo stato, l’aver la voluptà e non aver senso di dolore. Cicada  La volgare opinione non crede questo senso d’Epicuro. Tansillo  Perché non leggono gli suoi libri, né quelli che senza invidia apportano le sue sentenze, al contrario di color che leggono il corso de sua vita et il termine de la sua morte. Dove con queste paroli dettò il principio del suo testamento: »Essendo ne l’ultimo e medesimo felicissimo giorno de nostra vita, abbiamo ordinato questo con mente quieta, sana e tranquilla; perché quantumque grandissimo dolor de pietra ne tormentasse da un canto, quel tormento tutto venea assorbito dal piacere de le nostre invenzioni e la considerazion del fine«. Et è cosa

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hell glänzt und genauso schön ist, beziehungsweise dieser Gegenerde zwischen Erde und Sonne nicht darin zu ähneln, daß sie sich unseren Augen wechselhaft darstellt, sondern darin, daß sie immer den gleichen Anteil Sonnenglanz in sich aufnimmt. Daher, behauptet er, bleibe er standhaft und fest in Nordwinden und Winterstürmen, dank der Festigkeit, die er in seinem Stern findet, in dem er durch Gefühl und Absicht verwurzelt ist, wie besagte wurzelreiche Pflanze ihre Wurzeln mit den Venen der Erde verwoben hat. Cicada  Ich will lieber still und ungestört sein, als so viel ertragen zu müssen. Tansillo  Das ist die Lehre der Epikureer, die richtig verstanden keineswegs als so unmoralisch zu verurteilen ist, wie die Ignoranten es glauben. Denn sie widerspricht weder meiner Auffassung von Tugend, noch spricht sie sich gegen die Vollkommenheit der Standhaftigkeit aus, sondern geht eher noch über das hinaus, was die Leute gemeinhin für Vollkommenheit halten. Denn Epikur hält Tapferkeit und Standhaftigkeit nicht für die wahre vollendete Tugend, solange sie Beschwernisse empfindet und erträgt, sondern erst dann, wenn sie sie erträgt, ohne sie zu empfinden. Für ihn hat nicht der die göttliche und heroische Liebe zur Vollendung gebracht, der Sporen, Kandare, Gewissensbisse oder Qualen fühlt, weil da noch eine andere Liebe ist, sondern jener, der wirklich keine anderen Neigungen verspürt. Dadurch ist er zu solchem Wohlbefinden gelangt, daß es kein einziges Ärgernis gibt, das fähig wäre, ihn zu stören oder straucheln zu lassen. Und das bedeutet, an die höchste Seligkeit zu rühren, die es in diesem Dasein gibt: zu genießen, ohne Schmerz zu empfinden. Cicada  Gemeinhin wird Epikur nicht in diesem Sinne interpretiert. Tansillo  Weil die Leute seine Bücher nicht lesen oder nur solche, die seine Lehren durch Mißgunst verfälscht wiedergeben. Anders spricht hingegen, wer seinen Lebenslauf und seine Todesstunde interpretiert. In jener Stunde diktierte er folgende Worte als Beginn seines Testaments: »Da ich am letzten und zugleich glücklichsten Tag meines Lebens stehe, habe ich Folgendes in geistiger Ruhe, Gesundheit und Ausgeglichenheit angeordnet. Denn obwohl mich einerseits sehr große Steinschmerzen quälten, wurde jene Qual völlig aufgesogen von dem Genuß, den mir meine Gedanken und Betrachtungen über das Ende

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mani ¦ festa che non ponea felicità più che dolore nel mangiare, bere, posare e generare, ma in non sentir fame, né sete, né fatica, né libidine. Da qua considera qual sia secondo noi la perfezzion de la constanza: non già in questo che l’arbore non si fracasse, rompa o pieghe; ma in questo che né manco si muova: alla cui similitudine costui tien fisso il spirto, senso et intelletto, là dove non ha sentimento di tempestosi insulti. Cicada  Volete dumque che sia cosa desiderabile il comportar de tormenti, perché è cosa da forte? Tansillo  Questo che dite »comportare« è parte di constanza, e non è la virtude intiera; ma questo che dico »fortemente comportare« et Epicuro disse »non sentire«. La qual privazion di senso è caggiona | ta da quel che tutto è stato absorto dalla cura della virtude, vero bene e felicitade. Qualmente Regolo non ebbe senso de l’arca, Lucrezia del pugnale, Socrate del veleno, Anaxarco de la pila, Scevola del fuoco, Cocle de la voragine, et altri virtuosi d’altre cose che massime tormentano e danno orrore a persone ordinarie e vili. Cicada  Or passate oltre. X. Tansillo  Guarda in quest’altro ch’ha la fantasia di quella incudine e martello, circa la quale è il motto ¦ ab aetna. Ma prima che la consideriamo, leggemo la stanza. Qua s’introduce di Vulcano la prosopopea:  Or non al monte mio siciliano torn’, ove tempri i folgori di Giove; qua mi rimagno scabroso Vulcano: qua più superbo gigante si smuove, che contr’ il ciel s’infiamm’ e stizz’ in vano, tentando nuovi studii e varie prove; qua trovo meglior fabri e Mongibello, meglior fucina, incudine e martello.   Dov’un pett’ ha suspiri che quai mantici avvivan la fornace,

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bereiteten.« Und es ist bekannt, daß für ihn nicht im Essen, Trinken, Ausruhen und Zeugen mehr Glück als Schmerz lag, sondern darin, weder Hunger noch Durst noch Müdigkeit noch Begierde zu spüren. Daraus kannst du ersehen, worin meiner Meinung nach die vollendete Standhaftigkeit liegt: Nicht schon darin, daß der Baum nicht umstürzt, birst oder kippt, sondern darin, daß er sich nicht einmal bewegt. Gleich diesem bleibt der Leidenschaftliche fest in Geist, Gefühl und Vernunft und hat kein Empfinden für die stürmischen Angriffe. Cicada  Meint Ihr also, daß es wünschenswert ist, Qualen zu ertragen, weil das von Stärke zeugt? Tansillo  Was Ihr »ertragen« nennt, ist ein Teil der Standhaftigkeit, indes noch nicht die ganze Tugend. Dies ist vielmehr, was ich »tapfer ertragen« nenne und Epikur »nicht empfinden« nannte. Dieses Fehlen der Sinnesempfindung wird dadurch hervorgerufen, daß alles ganz von dem Bemühen um Tugend, wahres Gut und Glück aufgesogen ist – wie zum Beispiel Regulus das Grab, Lukrezia den Dolch, Sokrates das Gift, Anaxarch die Marter, Scaevola das Feuer, Cocles die reißenden Wellen und andere Tapfere andere Dinge nicht empfanden, die für gewöhn­ liche, feige Menschen äußerst quälend und erschreckend sind. Cicada  Nun geht über zum nächsten. X. Tansillo  Sieh, auf diesem sind Amboß und Hammer dargestellt und daneben steht das Motto: ab aetna. Aber bevor wir es betrachten, laß uns das Gedicht lesen. Hier wird die Personifikation des Vulkans eingeführt:  Nun kehr’ ich nicht zu meinem sizilianischen Berg zurück, um die Blitze Jupiters zu schmieden, hier bleibe ich, Vulkan mit rauen Händen. Hier rührt ein Riese sich in größerem Stolz, der fruchtlos seine Flammen, seine Wut gen Himmel schießt, indes er neue Mühen stets und wechselnde Versuche unternimmt. Hier find’ ich bess’re Schmiede, einen besser’n Ätna, bess’re Esse, besser’n Amboß, bess’ren Hammer.   Hier, wo die Seufzer in der Brust wie ein Blasebalg die Glut beleben,

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u’ l’alm’ a tante scosse sottogiace di que’ sì lunghi scempii e gran martìri;   e manda quel concento che fa volgar sì aspr’e rio tormento. |

 Qua si mostrano le pene et incomodi che son ne l’amore, massime nell’amor volgare, il quale non è altro che l’officina di Vulcano: quel fabro che forma i folgori de Giove che tormentano l’anime delinquenti. Perché il disordinato amore ha in sé il principio della sua pena; attesoché Dio è vicino, è nosco, è dentro di noi. Si trova in noi certa sacrata mente et intelligenza, cui subministra un proprio affetto che ha il suo vendicatore, che col rimorso di certa sinderesi al meno, come con certo rigido martello flagella il spirito prevaricante. Quella osserva le nostre azzioni et affetti, e come è trattata da noi fa che noi vengamo trattati da lei. In tutti gli amanti, dico, è questo fabro Vulcano: come non è uomo che non abbia Dio in sé, non è amante che non abbia questo dio. In tutti è Dio certissimamente, ma qual dio sia in ciascuno non si sa cossì facilmente; e se pur se può examinare e distinguere, altro non potrei credere che possa chiarirlo che l’amore: come ¦ quello che spinge gli remi, gonfia la vela e modera questo composto, onde vegna bene o malamente affetto. – Dico bene o malamente affetto quanto a quel che mette in execuzione per l’azzioni morali e contemplazione; perché del resto tutti gli amanti comunmente senteno qualch’incomodo: essendoché come le cose son miste, non essendo bene alcuno sotto concetto et affetto a cui non sia gionto o opposto il male, come né alcun vero a cui non sia apposto e gionto il falso; cossì non è amore senza timore, zelo, gelosia, rancore et altre passioni che procedeno dal contrario che ne perturba, se l’altro contrario ne appaga. Talmente venendo l’anima in pensiero di

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wo die Seele ach so vielen Stößen, so langer Qual und großen Martern unterliegt   und jene schönen Klänge hören läßt, durch die gemein wird die so harsche, harte Qual.



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Hier werden die Leiden und Unannehmlichkeiten gezeigt, die der Liebe innewohnen, insbesondere der gewöhnlichen Liebe, die nichts anderes ist als die Werkstatt des Vulkan, jenes Schmiedes, der die Blitze des Jupiter anfertigt, welche die Seelen quälen, die sich vergangen haben. Denn die ungeordnete Liebe trägt das Prinzip ihres Leidens in sich, weil Gott nahe, mit uns und in uns ist. Es befindet sich in uns eine heilige Vernunft, eine heilige Einsichtskraft, der ein eigenes Gefühl zu Diensten steht, und dieses hat einen Rächer, der zumindest mit Gewissensbissen im moralischen Bewußtsein den Geist wie mit einem harten Hammer züchtigt, wenn er vom Weg abkommt. Diese Vernunft beobachtet unsere Handlungen und Gefühle und sorgt dafür, daß wir von ihr behandelt werden wie sie von uns. In allen Liebenden, sage ich, wohnt dieser Schmied Vulkan: Wie es keinen Menschen gibt, der nicht Gott in sich hat, gibt es keinen Liebenden, der diesen Schmiedegott nicht in sich hat. Ganz bestimmt ist Gott in allen, aber welche Gottesgestalt in einem jedem ist, läßt sich nicht so einfach herausfinden; wenn es aber irgend möglich ist, dies zu untersuchen und zu unterscheiden, glaube ich, daß nur die Liebe Licht in diese Frage bringen kann, weil sie es ist, die das Ruder führt, die Segel bläht und dieses zusammengesetzte Gebilde [das der Mensch ist] lenkt, wodurch es dann gute oder schlechte Neigungen entwickelt. – Ich meine gute oder schlechte Neigungen in Bezug darauf, was es in sittlichen Handlungen und geistigen Betrachtungen verwirklicht. Denn gewisse Unannehmlichkeiten empfinden gemeinhin alle Liebenden: Da alle Dinge auf die Weise gemischt sind, daß nichts Gutes denkbar oder fühlbar ist, dem nicht das Schlechte beigefügt oder entgegengesetzt wäre, wie es nichts Wahres gibt, dem nicht das Falsche entgegengesetzt und beigefügt wäre, gibt es daher auch keine Liebe ohne Angst, Unruhe, Eifersucht, Groll und andere leidenschaftliche Gefühle, die dem entspringen, was uns beunruhigt, während das Andere, Entgegengesetzte, uns beruhigt.

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ricovrar la bellezza naturale, studia purgarsi, sanarsi, riformarsi: e però adopra il | fuoco, perché essendo come oro trameschiato a la terra et informe, con certo rigor vuol liberarsi da impurità; il che s’effettua quando l’intelletto vero fabro di Giove vi mette le mani essercitandovi gli atti dell’intellettive potenze. Cicada  A questo mi par che si riferisca quel che si trova nel Convito di Platone, dove dice che l’Amore da la madre Penìa ha ereditato l’esser arido, magro, pallido, discalzo, summisso, senza letto e senza tetto: per le quali circonstanze vien significato il tormento ch’ha l’anima travagliata da gli contrarii affetti. Tansillo  Cossì è, perché il spirito affetto di tal furore viene da profondi pensieri distratto, martellato da cure ¦ urgenti, scaldato da ferventi desii, insoffiato da spesse occasioni: onde trovandosi l’anima suspesa, necessariamente viene ad essere men diligente et operosa al governo del corpo per gli atti della potenza vegetativa. Quindi il corpo è macilento, mal nodrito, estenuato, ha difetto de sangue, copia di malancolici umori, li quali se non saranno instrumenti de l’anima disciplinata o pure d’un spirito chiaro e lucido, menano ad insania, stoltizia e furor brutale; o al meno a certa poca cura di sé e dispreggio del esser proprio, il qual vien significato da Platone per gli piedi discalzi. Va summisso l’amore e vola come rependo per la terra, quando è attaccato a cose basse; vola alto quando vien intento a più generose imprese. In conclusione et a proposito: qualumque sia l’amore, sempre è travagliato e tormentato di sorte che non possa mancar d’esser materia nelle focine di Vulcano; perché l’anima essendo cosa divina, e naturalmente non serva, ma signora della | materia corporale, viene a conturbarsi ancor in quel che voluntariamente serve al corpo, dove non trova cosa che la contente. E quantumque fissa nella cosa amata, sempre gli aviene che altretanto vegna ad essagitarsi e fluttuar in mezzo gli soffii de le spe-

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Deshalb macht sich die Seele allmählich Gedanken, wie sie ihre natürliche Schönheit zurückerhalten könnte, und sucht sich zu reinigen, zu heilen und zu erneuern. Und dazu benutzt sie das Feuer, denn da sie wie der Erde beigemischtes, gestaltloses Gold ist, will sie sich mit einer gewissen Härte von der Unreinheit befreien. Dies geschieht, wenn die Vernunft, der wahre Schmied des Jupiter, Hand anlegt und die erkennenden Kräfte tätig werden läßt. Cicada  Darauf bezieht sich wohl die Stelle in Platons Gastmahl, wo es heißt, Amor habe es von seiner Mutter Penia, der Bedürftigkeit, geerbt, daß er dürr, mager, bleich, barfuß, gebückt, ohne Bett und Dach sei. Diese Umstände symbolisieren die Qualen, der die leidende Seele in ihrem Kampf mit den gegensätzlichen Gefühlen ausgesetzt ist. Tansillo  So ist es, denn der von solcher Leidenschaft ergriffene Geist wird von tiefgehenden Gedanken abgelenkt, von drängenden Sorgen wie mit einem Hammer geschlagen, erhitzt von glühenden Sehnsüchten, angeblasen von häufigen Zufällen. Weil die Seele deshalb unentschieden ist, kümmert sie sich notwendigerweise weniger fleißig und rege um die Leitung des Körpers durch die Ausübung des vegetativen Vermögens. Daher ist der Körper ausgemergelt, schlecht ernährt, schwächlich, blutarm und voll von melancholischen Säften, die, falls sie nicht von einer disziplinierten Seele oder einem reinen und leuchtenden Geist in Dienst genommen werden, zu Wahnsinn, Dummheit und hemmungsloser Leidenschaft oder wenigstens zu einer gewissen Vernachlässigung und Mißachtung der eigenen Person führen, wie sie von Platon durch die bloßen Füße ausgedrückt wird. Die Liebe unterwirft sich und fliegt, als würde sie über den Boden kriechen, wenn sie niederen Dingen verhaftet ist; oben in der Höhe fliegt sie, wenn sie nach edleren Taten strebt. Um zusammenzufassen: Welcher Art die Liebe auch sei, immer quält und martert sie sich, so daß sie es nicht vermeiden kann, Stoff in der Esse des Vulkan zu sein; denn da die Seele ein gött­liches Ding ist und von Natur aus nicht Sklavin, sondern Herrin der körperlichen Materie, wird sie unruhig auch dann, wenn sie freiwillig dem Körper dient, weil sie dort nichts findet, was sie zufriedenstellt. Und wie sehr sie auch auf die geliebte Sache fixiert sein mag, geschieht es ihr ständig, daß sie ebenso inmitten von Seufzern der Hoffnung, Angst, Ungewissheit, Eifersucht, Gewissenslast, Zer-

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ranze, timori, dubii, zeli, conscienze, rimorsi, ostinazioni, pentimenti, et altri manigoldi che son gli mantici, gli carboni, l’incudini, gli martelli, le tenaglie, et altri stormenti che si ritrovano nella bottega di questo sordido e sporco consorte di Venere. Cicada  Or assai è stato detto a questo proposito: piacciavi di veder che cosa séguita appresso. ¦ XI. Tansillo  Qua è un pomo d’oro ricchissimamente con diverse preciosissime specie smaltato. Et ha il motto in circa che dice pulchriori detur. Cicada  La allusione al fatto delle tre dee che si sottoposero al giudicio de Paride, è molto volgare: ma leggansi le rime che più specificatamente ne facciano capaci de l’intenzione del furioso presente. Tansillo  Venere, dea del terzo ciel, e madre del cieco arciero, domator d’ogn’uno; l’altra ch’ha ’l capo giovial per padre, e di Giove la mogli’ altera Giuno; il troiano pastor chiaman, che squadre de chi de lor più bell’ è l’aureo muno: se la mia diva al paragon s’appone, | non di Venere, Pallad’, o Giunone.   Per belle membra è vaga la cipria dea, Minerva per l’ingegno, e la Saturnia piace con quel degno splendor d’altezza, ch’il Tonante appaga;   ma quest’ha quanto aggrade di bel, d’intelligenza, e maestade.

 Ecco qualmente fa comparazione dal suo oggetto il quale contiene tutte le circonstanze, condizioni e specie di bellezza come in un suggetto, ad altri che non ne mostrano più che una per ciascuno; e tutte poi per diversi suppositi: come avvenne nel geno solo della corporal bellezza di

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knirschtheit, Sturheit, Reue und anderer Selbstquälereien sich windet und ins Schwimmen gerät; dies sind die Blasebälge, Kohlen, Ambosse, Hämmer, Zangen und die anderen Werkzeuge, die sich in der Werkstatt dieses unsauberen und schmutzigen Gefährten der Venus finden. Cicada  Nun ist zu diesem Thema genug gesagt worden. Bitte laßt uns ansehen, was als Nächstes folgt.

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XI. Tansillo  Hier siehst du einen äußerst reich mit verschiedenen sehr kostbaren Emaillearten verzierten goldenen Apfel. Rundherum steht das Motto: pulchriori detur. Cicada  Die Anspielung auf die Geschichte von den drei Göttinnen, die sich dem Urteil des Paris stellten, ist sehr deutlich. Aber laß uns die Verse lesen, damit wir die Absicht dieses Leidenschaftlichen genauer erfassen können. Tansillo  Venus, des dritten Himmels Göttin, Mutter des blinden Schützen, der jeden bezwingt, dann jene andre, die das Haupt des Jupiter zum Vater hat, und Juno, stolze Gattin Jupiters, rufen den trojanischen Hirten, daß er wähle, welcher als der schönsten unter ihnen das goldene Geschenk gehöre: Wenn meine Göttin dem Vergleich sich stellte, gehörte weder Venus es noch Pallas oder Juno.   Durch ihre schönen Glieder hat die cyprische Göttin ihren Reiz, durch ihren Geist Minerva und die Saturnstochter gefällt durch ihren würdevollen Glanz der Erhabenheit, der selbst den Donnergott zur Ruhe bringt.   Die meine aber hat, so viel man nur begehrt, an Schönheit, Einsichtskraft und Majestät.

 Schau, wie der Leidenschaftliche hier sein Objekt, das alle Umstände, Bedingungen und Arten der Schönheit gleichsam in einem Subjekt vereinigt, mit anderen vergleicht, die nur jeweils eine von diesen Arten aufweisen und auch nur in mehreren verschiedenen Individuen. So ge-

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cui le condizioni tutte non le poté approvare Apelle in una, ma in più vergini. Or qua dove son tre geni di ¦ beltade, benché avvegna che tutti si troveno in ciascuna de le tre dee, perché a Venere non manca sapienza e maestade, in Giunone non è difetto di vaghezza e sapienza, et in Pallade è pur notata la maestà con la vaghezza: tutta volta aviene che l’una condizione supera le altre, onde quella viene ad esser stimata come proprietà, e l’altre come accidenti communi, atteso che di que’ tre doni l’uno predomina in una, e viene ad mostrarla et intitularla sovrana de l’altre. E la caggion di cotal differenza è lo aver queste raggioni non per essenza e primitivamente, ma per participazione e derivativamente. Come in tutte le cose dependenti sono le perfezzioni secondo gli gradi de maggiore e minore, più e meno. – Ma nella simplicità della divina essenza è tutto totalmente, e non secondo misu | ra: e però non è più sapienza che bellezza, e maestade, non è più bontà che fortezza: ma tutti gli attributi sono non solamente uguali, ma ancora medesimi et una istessa cosa. Come nella sfera tutte le dimensioni sono non solamente uguali (essendo tanta la lunghezza quanta è la profondità e larghezza) ma anco medesime: atteso che quel che chiami profondo, medesimo puoi chiamar lungo e largo della sfera. Cossì è nell’altezza de la sapienza divina, la quale è medesimo che la profondità de la potenza, e latitudine de la bontade. Tutte queste perfezzioni sono uguali perché sono infinite. Percioché necessariamente l’una è secondo la grandezza de l’altra, atteso che dove queste cose son finite, avviene che sia più savio che bello e buono, più buono e bello che ¦ savio, più savio e buono che potente, e più potente che buono e savio. Ma dove è infinita sapienza, non può essere se non infinita potenza: perché altrimente non potrebbe saper infinitamente. Dove è infinita bontà, bisogna infinita sapienza: perché altrimente non saprebbe essere infinitamente buono. Dove è infinita potenza, bisogna che sia infinita bontà e sapienza, perché tanto ben si possa sapere e si sappia possere. Or dumque vedi come l’oggetto di questo furioso, quasi inebriato di bevanda de dèi, sia più

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schah es zum Beispiel, daß Apelles selbst die Kriterien allein der körperlichen Schönheit in ihrer Gesamtheit nicht bei einer, sondern nur bei mehreren Jungfrauen zusammen finden konnte. Hier nun, wo alle drei Arten der Schönheit auftreten, befinden sich zwar alle in jeder der drei Göttinnen, denn Venus fehlt es nicht an Weisheit und Majestät, Juno hat keinen Mangel an Lieblichkeit und Weisheit, und Pallas ist auch für Majestät und Lieblichkeit bekannt. Jedoch überwiegt die eine Eigenschaft gegenüber den anderen, weshalb diese eine für die besondere Eigenheit gehalten wird, die anderen aber für gewöhnliche Akzidentien, denn von jenen drei Gaben herrscht eine in jeder einzelnen vor und zeigt sie und setzt sie als den anderen überlegen ein. Die Ursache für diesen Unterschied liegt darin, daß sie die Eigenschaften nicht als wesenseigen und ursprünglich haben, sondern als Teilhabe und Ableitung. Denn bei allen abhängigen Dingen gibt es die Vollkommenheiten nur in den Stufen eines mehr oder weniger, größer oder kleiner. – Aber in der Einfachheit des göttlichen Seins ist alles in seiner Ganzheit und nicht in Maßen. Deshalb ist dort nicht mehr Weisheit als Schönheit und Majestät, nicht mehr Güte als Kraft. Vielmehr sind dort alle Eigenschaften nicht nur gleich, sondern identisch und ein und dieselbe Sache. Wie bei einer Kugel alle Dimensionen nicht nur gleich sind (da Länge, Tiefe und Breite sich entsprechen), sondern auch identisch, denn das, was du Tiefe nennst, kannst du genausogut Länge oder Breite der Kugel nennen, so ist es auch bei der Höhe der göttlichen Weisheit, die mit der Tiefe ihres Vermögens und der Breite ihrer Güte identisch ist. All diese Vollkommenheiten sind gleich, denn sie sind unendlich. Deshalb ist die eine notwendigerweise so groß wie die andere, denn wo diese Dinge endlich sind, kommt es vor, daß einer eher weise als schön und gut, eher schön und gut als weise, eher weise und gut als fähig, eher fähig als gut und weise ist. Aber wo die Weisheit unendlich ist, kann es nur unendliches Vermögen geben, sonst wäre sie nicht fähig, unendlich zu wissen. Wo die Güte unendlich ist, muß es unendliche Weisheit geben, denn sonst wüßte sie nicht, unendlich gut zu sein. Wo es unendliches Vermögen gibt, müssen Güte und Weisheit unendlich sein, damit man genauso gut zu wissen fähig ist, wie man fähig zu sein weiß. Nun siehst du also, inwiefern das Objekt dieses Leidenschaftlichen, der gleichsam berauscht vom Göttertrank ist, unvergleichlich viel höher steht als die anderen,

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alto incomparabilmente che gli altri diversi da quello. Come, voglio dire, la specie intelligibile della divina essenza comprende la perfezzione de tutte l’altre specie altissimamente, di sorte che secondo il grado che può esser partecipe di quella forma, potrà intender tutto e far tutto, et esser cossì amico d’una, che vegna ad aver a dispreggio e tedio ogn’altra bellezza. Però a quella si deve esser consecrato il sferico | pomo, come chi è tutto in tutto. Non a Venere bella che da Minerva è superata in sapienza, e da Giunone in maestà. Non a Pallade di cui Venere è più bella, e l’altra più magnifica. Non a Giunone, che non è la dea dell’intelligenza et amore ancora. Cicada  Certo come son gli gradi delle nature et essenze, cossì proporzionalmente son gli gradi delle specie intelligibili, e magnificenze de gli amorosi affetti e furori.

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XII. Cicada  Il seguente porta una testa, ch’ha quattro faccia che soffiano verso gli quattro angoli del cielo; e son quattro venti in un suggetto, alli quali soprastanno ¦ due stelle, et in mezzo il motto che dice novae ortae aeoliae; vorrei sapere che cosa vegna significata. Tansillo  Mi pare ch’il senso di questa divisa è conseguente di quello de la prossima superiore. Perché come là è predicata una infinita bellezza per oggetto, qua vien protestata una tanta aspirazione, studio, affetto e desio; percioch’io credo che questi venti son messi a significar gli suspiri; il che conosceremo, se verremo a leggere la stanza:  Figli d’Astreo Titan e de l’Aurora, che conturbate il ciel, il mar e terra, quai spinti fuste dal Litigio fuora, perché facessi a’ dèi superba guerra: non più a l’Eolie spelunche dimora fate, ov’imperio mio vi fren’ e serra: | ma rinchiusi vi siet’entr’ a quel petto ch’i’ veggo a tanto sospirar costretto.

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die von ihm verschieden sind. Inwiefern, will ich sagen, die intelligible Erscheinung des göttlichen Seins die Vollkommenheit aller anderen Erscheinungen im höchsten Maße umfaßt, so daß der Leidenschaftliche, je nachdem, in welchem Grad er an jener Form teilhat, alles verstehen und alles machen und so sehr Freund dieser einen Schönheit sein kann, daß er für alle anderen Verachtung und Abscheu empfindet. Deshalb muß ihr der himmlische Apfel in seiner Kugelform geweiht werden als derjenigen, die alles in allem ist. Nicht der schönen Venus, die von Minerva an Weisheit und von Juno an Majestät übertroffen wird. Nicht der Pallas, denn Venus ist schöner und die andere herrschaftlicher. Nicht der Juno, da sie nicht auch Göttin der Vernunft und der Liebe ist. Cicada  Gewiß, denn wie es verschiedene Stufen der Naturen und Wesenheiten gibt, gibt es entsprechende Stufen der intelligiblen Erscheinungen und der Erhabenheit von Liebesgefühlen und Leidenschaften.

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XII. Cicada  Der Folgende trägt auf seinem Schild einen Kopf mit vier Gesichtern, die in die vier Ecken des Himmels blasen. Es sind also vier Winde in einem Wesen, über denen zwei Sterne stehen, und dazwischen liest man das Motto: novae ortae aeoliae. Ich möchte gerne wissen, was damit gemeint ist. Tansillo  Mir scheint, daß der Sinn dieser Devise sich aus dem der unmittelbar vorausgegangenen erschließt. Denn wie dort als Objekt eine unendliche Schönheit gefeiert wird, werden hier Streben, Eifer, Zuneigung und Sehnsucht als ebenso unendlich bezeugt. Ich glaube nämlich, daß diese Winde die Seufzer darstellen sollen. Wir werden es wissen, wenn wir das Gedicht lesen: 

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Söhne des Astraios, des Titanen, und Auroras, die Aufruhr ihr in Himmel, Meer und Erde stiftet, euch trieb Discordia hinaus, um den Göttern einen stolzen Kampf zu liefern: Nicht mehr in des Äolus Höhlen haltet ihr euch auf, wo meine Macht euch bremst und hinter Schloß und Riegel hält, vielmehr habt ihr euch in jener Brust verschlossen, die ich gezwungen sehe zu so vielen Seufzern.

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  Voi socii turbulenti de le tempeste d’un et altro mare, altro non è che vagli’ asserenare, che que’ omicidi lumi et innocenti:   quelli apert’ et ascosi vi renderan tranquilli et orgogliosi.  Aperto si vede ch’è introdotto Eolo parlar a i venti, quali non più dice esser da lui moderati nell’Eolie caverne: ma da due stelle nel petto di questo furioso. Qua le due stelle non significano gli doi occhi che son ne la bella fronte: ma le due specie apprensibili della divina bellezza e bontade di quell’infinito splendore; che talmente influiscono nel desio intellettuale e razionale, che lo fanno venire ad aspirar infinitamente, secondo il modo con cui infinitamente grande, bello e buono apprende quell’eccellente lume. Perché l’amore mentre sarà finito, appagato, e fisso a certa misura, non sarà circa le specie della divina bellezza: ma ¦ altra formata; ma mentre varrà sempre oltre et oltre aspirando, potrassi dire che versa circa l’infinito. Cicada  Come comodamente l’aspirare è significato per il spirare? che simbolo hanno i venti col desiderio? Tansillo  Chi de noi in questo stato aspira, quello suspira, quello medesimo spira. E però la vehemenza dell’aspirare è notata per quell’ieroglifico del forte spirare. | Cicada  Ma è differenza tra il suspirare e spirare. Tansillo  Però non vien significato l’uno per l’altro come medesimo per il medesimo: ma come simile per il simile. Cicada  Seguitate dumque il vostro proposito. Tansillo  L’infinita aspirazion dumque mostrata per gli suspiri, e significata per gli venti, è sotto il governo non d’Eolo nell’Eolie, ma di

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  Unruhige Spießgesellen, ihr, der Stürme, die im einen wie im andern Meere toben, nichts hat die Kraft, euch zu besänftigen, als jene Lichter, die unschuldig töten:   Sie machen euch, bald sichtbar, bald verborgen, bald ruhig und stolz.

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Offenkundig wird hier angeführt, wie Äolus zu den Winden spricht, die – wie er sagt – nicht mehr von ihm in den äolischen Höhlen gebändigt werden, sondern von zwei Sternen in der Brust dieses Leidenschaftlichen. Hier bedeuten die beiden Sterne nicht die beiden Augen im schönen Gesicht, sondern die beiden faßbaren Erscheinungen der göttlichen Schönheit und Güte mit ihrem unendlichen Glanz, die solchen Einfluß auf die Sehnsucht der Vernunft und des Verstandes nehmen, daß sie unendlich strebt, so wie sie auch jenes strahlende Licht als unendlich groß, schön und gut auffaßt. Solange die Liebe nämlich endlich, befriedigt und auf etwas Messbares geheftet ist, richtet sie sich auf die Erscheinung nicht der göttlichen, sondern einer anderen Form der Schönheit. Aber wenn sie immer weiter und weiter strebt, darf behauptet werden, daß sie auf das Unendliche gerichtet ist. Cicada  Wie kann das Streben denn angemessen als ein Ausatmen dargestellt werden? In welcher Weise sind die Winde ein Symbol für die Sehnsucht? Tansillo  Wer von uns in diesem Dasein nach etwas strebt, der seufzt; der atmet also. Deshalb ist hier die Heftigkeit des Strebens hieroglyphisch als starkes Ausatmen dargestellt. Cicada  Aber zwischen Seufzen und Atmen besteht doch ein Unterschied. Tansillo  Das eine wird ja auch nicht durch das andere bezeichnet, als wenn es ein und dasselbe wäre, sondern in einem Gleichnis durch Ähnlichkeit. Cicada  Fahrt also mit Eurem Thema fort. Tansillo  Das unendliche Streben also, das sich in den Seufzern zeigt und hier durch die Winde symbolisiert wird, steht nicht unter der Herrschaft des Äolus in den äolischen Höhlen, sondern unter der

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detti doi lumi; li quali non solo innocente, ma e benignissimamente uccidono il furioso, facendolo per il studioso affetto morire al riguardo d’ogn’altra cosa: con ciò che quelli che chiusi et ascosi lo rendono tempestoso, aperti lo renderan tranquillo; attesoché nella staggione che di nuvoloso velo adombra gli occhi de l’umana mente in questo corpo, aviene che l’alma con tal studio vegna più tosto turbata e travagliata: come essendo quello stracciato e spinto, doverrà tant’altamente quieta, quanto baste ad appagar la condizion di sua natura. Cicada  Come l’intelletto nostro finito può seguitar l’oggetto infinito? ¦ Tansillo  Con l’infinita potenza ch’egli ha. Cicada  Questa è vana, se mai sarrà in effetto. Tansillo  Sarrebe vana se fusse circa atto finito, dove l’infinita potenza sarrebe privativa; ma non già circa l’atto infinito, dove l’infinita potenza è positiva perfezzione. Cicada  Se l’intelletto umano è una natura et atto finito, come e perché ha potenza infinita? | Tansillo  Perché è eterno, et acciò sempre si dilette, e non abbia fine né misura la sua felicità; e perché come è finito in sé, cossì sia infinito nell’oggetto. Cicada  Che differenza è tra la infinità de l’oggetto et infinità della potenza? Tansillo  Questa è finitamente infinita, quello infinitamente infinito. Ma torniamo a noi. Dice dumque là il motto Novae partae Aeoliae, perché par si possa credere che tutti gli venti (che son negli antri voraginosi d’Eolo) sieno convertiti in suspiri, se vogliamo numerar quelli che procedeno da l’affetto che senza fine aspira al sommo bene et infinita beltade.

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Herrschaft der besagten zwei Lichter; jene töten den Leidenschaftlichen nicht nur in aller Unschuld, sondern sogar in äußerstem Wohlwollen, denn durch die mit Eifer betriebene Zuneigung zu ihnen lassen sie ihn gegenüber allen anderen Dingen sterben. Darüber hinaus bringen sie den Leidenschaftlichen durch Verschlossenheit und Versteckspiel zur Raserei, während sie ihn zur Ruhe bringen, indem sie sich offen zeigen; denn in der Zeit, in der ein Wolkenschleier die Augen des menschlichen Geistes in diesem körperlichen Dasein beschattet, wird die Seele durch jenes Streben eher beunruhigt und gequält, so wie sie umgekehrt, wenn jener Schleier erst zerrissen und abgeworfen ist, eine ausreichend erhabene Ruhe gewinnt, um den Gegebenheiten ihrer Natur zu genügen. Cicada  Wie kann unsere endliche Vernunft ein unendliches Objekt verfolgen? Tansillo  Mit dem unendlichen Vermögen, das ihr eigen ist. Cicada  Dies Vermögen ist doch sinnlos, wenn es niemals zur Geltung kommt. Tansillo  Es wäre sinnlos, wenn es sich auf einen endlichen Akt richtete, denn dort wäre das unendliche Vermögen eine Beraubung; nicht so jedoch gegenüber dem unendlichen Akt, wo das unendliche Vermögen eine positive Vollendung darstellt. Cicada  Wenn die menschliche Vernunft von endlicher Natur und ein endlicher Akt ist, wie und warum hat sie dann ein unendliches Vermögen? Tansillo  Weil sie ewig ist, und darum kann sie sich immer erfreuen, und ihr Glück hat weder Maß noch Ende. Und weil sie, so wie sie in sich endlich ist, unendlich im Objekt ist. Cicada  Was ist der Unterschied zwischen der Unendlichkeit des Objekts und der Unendlichkeit des Vermögens? Tansillo  Dieses ist auf endliche Weise unendlich, jenes auf unend­ liche Weise. Aber zurück zum Thema. Das Motto heißt also Novae partae Aeoliae, weil man offenbar annehmen muß, daß alle Winde (die in den abgrundtiefen Höhlen des Äolus hausen) sich in Seufzer verwandelt haben, wenn wir jene Seufzer zählen wollen, die der Zuneigung entspringen, die ohne Ende nach dem höchsten Gut und nach unendlicher Schönheit strebt.

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prima parte · dialogo quinto

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XIII. Cicada  Veggiamo appresso la significazione di quella face ardente, circa la quale è scritto ad vitam, non ad horam. Tansillo  La perseveranza in tal amore et ardente desio del vero bene, in cui arde in questo stato temporale il furioso. Questo credo che mostra la seguente tavola:  Partesi da la stanz’ il contadino, quando il sen d’Oriente il giorno sgombra; e quand’il sol ne fere più vicino, stanch’ e cotto da caldo sied’ a l’ombra; ¦ lavora poi, e s’affatica insino ch’atra caligo l’emisfer ingombra; | indi si posa: io sto a continue botte mattina, mezo giorno, sera e notte.   Questi focosi rai ch’escon da que’ doi archi del mio sole, de l’alma mia (com’il mio destin vuole) dal orizonte non si parton mai:   bruggiand’ a tutte l’ore dal suo meridian l’afflitto core.

 Cicada  Questa tavola più vera che propriamente esplica il senso de la figura. Tansillo  Non ho d’affaticarmi a farvi veder queste proprietadi, dove il vedere non merita altro che più attenta considerazione. Gli »rai del sole« son le raggioni con le quali la divina beltade e bontade si manifesta a noi. E son »focosi«, perché non possono essere appresi da l’intelletto, senza che conseguentemente scaldeno l’affetto. »Doi archi del sole« son le due specie di revelazione che gli scolastici teologi chiamano »matutina« e »vespertina«, onde l’intelligenza illuminatrice di noi, come aere mediante, ne adduce quella specie o in virtù che la admira in se stessa, o in efficacia che la contempla ne gli effetti. L’orizonte de l’alma

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XIII. Cicada  Laß uns nun sehen, was jene brennende Fackel bedeutet, um die herum die Worte stehen: ad vitam, non ad horam. Tansillo  Die Beharrlichkeit in solcher Liebe und die brennende Sehnsucht nach dem wahren Gut, in welcher der Leidenschaftliche in diesem zeitlichen Dasein entbrannt ist. Das zeigt meines Erachtens die folgende Tafel:  Es geht aus seinem Haus der Bauer, wenn aus dem Schoß des Ostens sich der Tag enthüllt; und wenn die Sonne uns aus nächster Nähe sticht, sitzt müde und vor Hitze kochend er im Schatten; er arbeitet sodann und müht sich ab, bis finst’re Nacht den Himmel deckt; dann ruht er aus. Ich bin beständig Schlägen am Morgen, mittags, abends, sogar nachts auch ausgesetzt.   Diese feurig-heißen Strahlen, die von den beiden Bögen meiner Sonne ausgeh’n, verschwinden nie aus meiner Seele Horizont, (so will’s mein Schicksal):   Zu jeder Stund’ verbrennen sie von seinem Meridian aus mein gepeinigtes Herz.



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Cicada  Diese Tafel erklärt eher den wahren Gehalt der bildlichen Darstellung als seine eigentliche Beschaffenheit. Tansillo  Ich werde mich nicht damit plagen, Euch diese eigentliche Beschaffenheit einsichtig zu machen, denn zur Einsicht reicht es schon, wenn man etwas genauer hinsieht. Die Strahlen der Sonne sind jene Gründe, durch die uns die göttliche Schönheit und Güte deutlich wird. Und sie sind feurig-heiß, weil sie nicht von der Vernunft begriffen werden können, ohne in der Folge das Gefühl zu erhitzen. Die beiden Bögen der Sonne sind die beiden Arten der Offenbarung, die die scholastischen Theologen »morgendlich« und »abendlich« nennen: je nachdem, ob die uns erleuchtende Einsichtskraft als vermittelnde Luft uns jene Erscheinung in eigener Kraft zuführt, so daß wir sie direkt sehen, oder in ihrer Wirksamkeit, so daß wir sie in ihren Wirkungen betrachten.

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prima parte · dialogo quinto

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in questo luogo ¦ è la parte delle potenze superiori, dove a l’apprensione gagliarda de l’intelletto soccorre il vigoroso appulso de l’affetto, significato per il core, che »bruggiando a tutte l’ore« s’afflige; perché tutti gli frutti d’amore che possiamo raccòrre in questo stato non son sì dolci che non siano più gionti a certa afflizzione, quella almeno che procede da l’apprension di non piena fruizione. | Come specialmente accade ne gli frutti de l’amor naturale, la condizion de gli quali non saprei meglio esprimere, che come fe’ il poeta epicureo: Ex hominis vero facie pulchroque colore nil datur in corpus praeter simulacra fruendum tenuia, quae vento spes captat saepe misella. Ut bibere in somnis sitiens cum quaerit, et humor non datur, ardorem in membris qui stinguere possit; sed laticum simulacra petit frustraque laborat, in medioque sitit torrenti flumine potans: sic in amore Venus simulacris ludit amantis, nec satiare queunt spectando corpora coram, nec manibus quicquam teneris abradere membris possunt, errantes incerti corpore toto. Denique cum membris conlatis flore fruuntur aetatis; dum iam praesagit gaudia corpus, atque in eo est Venus, ut muliebria conserat arva, adfigunt avide corpus iunguntque salivas oris, et inspirant pressantes dentibus ora, nequicquam, quoniam nihil inde abradere possunt, nec penetrare et abire in corpus corpore toto.

Similmente giudica nel geno del gusto che qua possiamo aver de cose divine: mentre a quelle ne forziamo penetrare et unirci, troviamo aver più afflizzione nel desio che piacer nel concetto. E per questo può aver detto quel savio Ebreo, ¦ che chi aggionge scienza aggionge dolore, perché dalla maggior apprensione nasce maggior e più alto desio, e da que-

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Der Horizont der Seele meint hier den Teil der höheren Vermögen, wo dem kühnen Zugriff der Vernunft der kräftige Antrieb des Gefühls zu Hilfe kommt, symbolisiert durch das Herz, das zu jeder Stunde von den Flammen gepeinigt wird. Denn keine Frucht der Liebe, die wir in unserm Menschendasein pflücken können, ist so süß, daß sie nicht mit einer gewissen Pein verbunden wäre, zumindest mit jener, die daher rührt, daß man begreift, daß es keinen vollständigen Genuß gibt. Das trifft besonders auf die Früchte der natürlichen Liebe zu, deren Gegebenheiten ich nicht besser auszudrücken wüßte als jener epikureische Dichter: 58

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Ex hominis vero facie pulchroque colore nil datur in corpus praeter simulacra fruendum tenuia, quae vento spes captat saepe misella. Ut bibere in somnis sitiens cum quaerit, et humor non datur, ardorem in membris qui stinguere possit; sed laticum simulacra petit frustraque laborat, in medioque sitit torrenti flumine potans: sic in amore Venus simulacris ludit amantis, nec satiare queunt spectando corpora coram, nec manibus quicquam teneris abradere membris possunt, errantes incerti corpore toto. Denique cum membris conlatis flore fruuntur aetatis; dum iam praesagit gaudia corpus, atque in eo est Venus, ut muliebria conserat arva, adfigunt avide corpus iunguntque salivas oris, et inspirant pressantes dentibus ora, nequicquam, quoniam nihil inde abradere possunt, nec penetrare et abire in corpus corpore toto.

Ähnlich urteilt der Leidenschaftliche über die Art des Genusses, den wir hier auf Erden von göttlichen Dingen haben können: Während wir uns bemühen, in jene einzudringen und uns mit ihnen zu vereinigen, erfahren wir, daß die Pein der Sehnsucht größer ist als das Vergnügen des Erfassens. Deshalb hat wohl jener weise Hebräer gesagt, wer das Wissen vermehre, vermehre den Schmerz, denn je mehr wir begreifen, desto größere und tiefere Sehnsucht entsteht, und daraus folgt größerer

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prima parte · dialogo quinto

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sto seguita maggior dispetto e doglia per la privazione della cosa desiderata; là onde l’epicureo che séguita la più tranquilla vita, disse in proposito de l’amor volgare: |

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Sed fugitare decet simulacra, et pabula amoris abstergere sibi, atque alio convertere mentem, nec servare sibi curam certumque dolorem: ulcus enim virescit et inveterascit alendo, inque dies gliscit furor, atque erumna gravescit. Nec Veneris fructu caret is qui vitat amorem, sed potius quae sunt sine paena commoda sumit. Cicada  Che intende per il »meridiano del core«? Tansillo  La parte o region più alta e più eminente de la volontà, dove più illustre, forte, efficace e rettamente è riscaldata. Intende che tale affetto non è come in principio che si muova, né come in fine che si quiete, ma come al mezzo dove s’infervora.

XIV. Cicada  Ma che significa quel strale infocato che ha le fiamme in luogo di ferrigna punta, circa il quale è avolto un laccio, et ha il motto amor instat ut instans? Dite che ne intendete. Tansillo  Mi par che voglia dire che l’amor mai lo lascia, e che eterno parimente l’affliga. Cicada  Vedo bene laccio, strale e fuoco; intendo quel che sta scritto: Amor instat; ma quel che séguita, non posso ¦ capirlo, cioè che l’amor come istante o insistente, inste: che ha medesima penuria di proposito, che se uno dicesse: »questa impresa costui la ha finta come finta, la porta come la porta, la intendo come la intendo, la vale come la vale, la stimo come un che la stima«. Tansillo  Più facilmente determina e condanna chi manco considera. Quello instans non significa | adiettivamente dal verbo instare, ma è nome sustantivo preso per l’instante del tempo.

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erster teil · fünfter dialog 219

Verdruß und größeres Leid darüber, den ersehnten Gegenstand entbehren zu müssen. Daher sagte der Epikureer, der ein äußerst ruhiges Leben führte, in Bezug auf die gewöhnliche Liebe: 60

Sed fugitare decet simulacra, et pabula amoris abstergere sibi, atque alio convertere mentem, nec servare sibi curam certumque dolorem: ulcus enim virescit et inveterascit alendo, inque dies gliscit furor, atque erumna gravescit. Nec Veneris fructu caret is qui vitat amorem, sed potius quae sunt sine paena commoda sumit. Cicada  Was versteht er unter dem Meridian des Herzens? Tansillo  Den höchsten und vortrefflichsten Teil oder Bezirk des Willens, wo er am hellsten, stärksten, wirksamsten und direktesten erhitzt wird. Er will sagen, daß besagte Zuneigung gewissermaßen weder ihre Bewegung gerade erst begonnen hat, noch kurz vor ihrem Stillstand ist, sondern mitten in der größten Hitze steht.

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XIV. Cicada  Aber was bedeutet jener brennende Pfeil, der Flammen anstelle einer eisernen Spitze trägt, um den ein Band gewunden ist und der das Motto führt: amor instat ut instans? Sagt, wie Ihr dies versteht. Tansillo  Mir scheint, er wolle sagen, daß die Liebe ihn niemals in Ruhe läßt und ewig in gleicher Weise peinigt. Cicada  Ich sehe zwar Band, Pfeil und Feuer; ich verstehe auch die Worte Amor instat, aber das, was folgt, kann ich nicht verstehen: die Liebe dränge wie etwas Dringliches oder Drängendes. Das ist genauso sinnlos, als wenn jemand sagte: »Diese Imprese hat jener Leidenschaftliche als etwas Ausgedachtes ausgedacht, er trägt sie, wie er sie trägt, ich verstehe sie, wie ich sie verstehe, sie ist wert, was sie wert ist, ich schätze sie wie einer, der sie schätzt.« Tansillo  Je weniger einer nachdenkt, desto leichter urteilt und verurteilt er. Jenes instans hat keine adjektivische Bedeutung als Partizip des Verbs instare, sondern ist ein Substantiv und bedeutet den zeitlichen Augen­blick.

220

prima parte · dialogo quinto

1067 ¦ 1068

Cicada  Or che vuol dir che l’amor insta come l’instante? Tansillo  Che vuol dire Aristotele nel suo libro Del tempo, quando dice che l’eternità è uno instante, e che in tutto il tempo non è che uno instante? Cicada  Come questo può essere se non è tanto minimo tempo che non abbia più instanti? Vuol egli forse che in uno instante sia il diluvio, la guerra di Troia, e noi che siamo adesso? Vorrei sapere come questo instante se divide in tanti secoli et anni; e se per medesima proporzione non possiamo dire che la linea sia un punto. Tansillo  Sì come il tempo è uno, ma è in diversi suggetti temporali, cossì l’instante è uno in diverse e tutte le parti del tempo. Come io son medesimo che fui, sono e sarò; io medesimo son qua in casa, nel tempio, nel campo e per tutto dove sono. Cicada  Perché volete che l’instante sia tutto il tempo? ¦ Tansillo  Perché se non fusse l’instante, non sarrebe il tempo: però il tempo in essenza e sustanza non è altro che instante. E questo baste se l’intendi (perché non ho da pedanteggiar sul quarto de la Fisica); onde comprendi che voglia dire che l’amor gli assista non meno che il tempo | 281 tutto: perché questo instans non significa punto del tempo. | Cicada  Bisogna che questa significazione sia specificata in qualche maniera, se non vogliamo far che sia il motto vicioso in equivocazione, onde possiamo liberamente intendere ch’egli voglia dire che l’amor suo sia d’uno instante, idest d’un atomo di tempo e d’un niente: o che voglia dire che sia (come voi interpretate) sempre. Tansillo  Certo se vi fussero inplicati questi doi sensi contrarii, il motto sarrebe una baia. Ma non è cossì, se ben consideri, atteso che in uno instante che è atomo o punto, che l’amore inste o insista non può



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erster teil · fünfter dialog 221

Cicada  Was soll nun heißen, die Liebe dränge wie der Augenblick? Tansillo  Was will Aristoteles in seinem Buch Über die Zeit sagen, wenn er sagt, die Ewigkeit sei ein Augenblick und die Zeit insgesamt sei nur ein Augenblick? Cicada  Wie kann dies sein, wo es doch keinen noch so kleinen Zeitabschnitt gibt, der nicht aus mehreren Augenblicken bestünde? Meint er etwa, daß in einem einzigen Augenblick die Sintflut, der Kampf um Troja und wir, die wir heute leben, enthalten sind? Ich möchte gern wissen, wie dieser Augenblick sich in so viele Jahrhunderte und Jahre gliedern kann, und ob wir nicht dem selben Verhältnis nach sagen können, die Linie sei ein Punkt? Tansillo  So w ie die Zeit eine Einheit ist, aber in verschiedenen zeitlichen Subjekten, so ist auch der Augenblick eine Einheit in den verschiedenen und in allen Teilen der Zeit. Wie ich ein und derselbe war, bin und sein werde, bin ich derselbe hier im Haus, im Tempel, auf dem Feld und überall, wo ich bin. Cicada  Weshalb meint Ihr, daß der Augenblick die Zeit in ihrer ­Gesamtheit umfasse? Tansillo  Weil es die Zeit nicht gäbe, wenn es den Augenblick nicht gäbe. Die Zeit ist also ihrem Wesen und ihrer Substanz nach nichts anderes als der Augenblick. Und das soll genug sein, wenn du es so weit verstanden hast (denn ich habe nicht vor, über das vierte Buch der Physik zu schulmeistern). Du begreifst also, daß er sagen will, die Liebe sei ihm genauso gegenwärtig wie die Zeit insgesamt. Denn jenes instans bedeutet nicht etwa einen Punkt der Zeit. Cicada  Diese Bedeutung muß auf irgendeine Weise klarer herausgehoben werden, wenn wir nicht wollen, daß das Motto durch seine Ungenauigkeit irreführe. Denn so können wir nach Belieben verstehen, daß er sagen will, seine Liebe dauere einen Augenblick, idest den kleinsten Teil der Zeit, und sei ein Nichts, oder daß er sagen will, sie sei (wie Ihr es interpretiert) immer. Tansillo  Sicher, wenn in ihm diese beiden entgegengesetzten Bedeutungen enthalten wären, wäre das Motto ein Witz. Aber dem ist nicht so, wenn du genau überlegst: Daß in einem Augenblick, der klein­stes Teil oder Punkt ist, die Liebe dränge oder dringlich sei, ist nämlich nicht möglich. Vielmehr muß man notwendig den Augenblick in seiner

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prima parte · dialogo quinto

1068 ¦ 1069

essere: ma bisogna necessariamente intendere l’instante in altra significazione. E per uscir di scuola, leggasi la stanza:  Un tempo sparge, et un tempo raccoglie; un edifica, un strugge; un piange, un ride: un tempo ha triste, un tempo ha liete voglie; un s’affatica, un posa; un stassi, un side: un tempo porge, un tempo si ritoglie; un muove, un ferm’; un fa viv’, un occide: in tutti gli anni, mesi, giorni et ore m’attende, fere, accend’e lega amore.   Continuo mi disperge, sempre mi strugg’e mi ritien in pianto, è mio triste languir ogn’or pur tanto, ¦ in ogni tempo mi travagli’ et erge;   tropp’in rubbarmi è forte, mai non mi scuote, mai non mi dà morte. |

 Cicada  Assai bene ho compreso il senso: e confesso che tutte le cose accordano molto bene. Però mi par tempo di procedere a l’altro.

XV. Tansillo  Qua vedi un serpe ch’ a la neve languisce dove l’avea gittato un zappatore; et un fanciullo ignudo acceso in mezzo al fuoco, con certe altre minute e circonstanze, con il motto che dice idem, itidem, non idem. Questo mi par più presto enigma che altro, però non mi confido d’esplicarlo a fatto: pur crederei che voglia significar medesimo fato molesto, che medesimamente tormenta l’uno e l’altro (cioè intentissimamente, senza misericordia, a morte) con diversi instrumenti o contrarii principii, mostrandosi medesimo freddo e caldo. Ma questo mi par che richieda più lunga e distinta considerazione.

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erster teil · fünfter dialog 223

anderen Bedeutung verstehen. Und um die Schulstunde zu beschließen, laß uns das Gedicht lesen:  63

Eine Zeit teilt aus, und eine Zeit sammelt ein, eine baut auf, eine zerstört; eine weint, eine lacht: eine Zeit ist traurig, eine Zeit ist froh gestimmt, eine müht sich ab, eine ruht sich aus; eine steht, eine sitzt: eine Zeit teilt aus, eine nimmt es wieder; eine bewegt, eine hält an; eine belebt, eine gibt den Tod: in all’ den Jahren, Monden, Tagen, Stunden bewacht, verwund’t, entflammt und bindet mich die Liebe.   Unentwegt nagt sie an mir, stets zehret sie an mir, hält mich am Weinen, und mein trauriges Schmachten ist zu jeder Stunde wohl gleich groß, alle Zeit quält und bedrängt sie mich,   ist allzu stark darin, mich zu berauben, niemals hört sie auf, mich zu erschüttern, niemals, mich zu töten.

 Cicada  Ich hab den Sinn sehr gut verstanden und gestehe, daß die Dinge alle gut zusammenpassen. Deshalb scheint es mir an der Zeit, zum nächsten überzugehen.

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XV. Tansillo  Dort siehst du eine Schlange, die im Schnee verendet, wohin sie ein Feldarbeiter geworfen hat, und einen nackten Knaben, der mitten im Feuer brennt. Dann sind da noch ein paar weitere Details und Einzelheiten zu sehen und das Motto, welches lautet: idem, itidem, non idem. Dies erscheint mir ausgesprochen rätselhaft, deshalb traue ich mir mitnichten zu, es dir zu erklären. Doch möchte ich annehmen, daß es auf ein und dasselbe unerfreuliche Schicksal hinweist, das auf dieselbe Weise den einen wie den anderen quält (nämlich äußerst heftig, erbarmungslos und bis zum Tod), aber mit unterschiedlichen Mitteln beziehungsweise entgegengesetzten Prinzipien, wodurch es sich als gleichzeitig heiß und kalt herausstellt. Aber dies scheint mir eine längere und genauere Betrachtung zu erfordern.

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prima parte · dialogo quinto

1069 ¦ 1070

Cicada  Un’altra volta. Leggete la rima. Tansillo  Languida serpe, a quell’umor sì denso ti rintorci, contrai, sullevi, inondi; e per temprar il tuo dolor intenso, al fredd’ or quest’ or quella parte ascondi; s’il ghiaccio avesse per udirti senso, tu voce che propona o che rispondi, credo ch’areste efficaci’ argumento per renderlo piatoso al tuo tormento.   Io ne l’eterno foco mi dibatto, mi struggo, scaldo, avvampo; e al ghiaccio de mia diva per mio scampo | né amor di me, né pietà trova loco:   lasso, per che non sente quant’è il rigor de la mia fiamma ardente. ¦

 Angue cerchi fuggir, sei impotente; ritenti a la tua buca, ell’ è disciolta; proprie forze richiami, elle son spente; attendi al sol, l’asconde nebbia folta; mercé chiedi al villan, odia ’l tuo dente; fortuna invochi, non t’ode la stolta. Fuga, luogo, vigor, astro, uom o sorte non è per darti scampo da la morte.   Tu addensi, io liquefaccio; io miro al rigor tuo, tu a l’ardor mio; tu brami questo mal, io quel desio; n’ io posso te, né tu me tòr d’impaccio.   Or chiariti a bastanza del fato rio, lasciamo ogni speranza.



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erster teil · fünfter dialog 225

Cicada  Ein andermal. Lest die Verse. Tansillo  Erschöpfte Schlange, die du auf so festem Wasser dich windest, aufbäumst, krümmst, zusammenziehst, und, um deinen heftigen Schmerz zu lindern, vor dem Kalten diese Seite bald, bald jene Seite birgst. Wenn das Eis, um dich zu hören, Sinne hätte und du eine Stimme, die darlegen oder die erwidern könnte, du hättest, glaub’ ich, wirkungsvolle Argumente, Mitleid deinen Qualen gegenüber in ihm zu erregen.   Ich im ewigen Feuer ringe und verzehre mich, gerat’ in Hitze und fang’ Feuer. Und im Eise meiner Göttin haben, mich zu retten, weder Liebe, die mir gälte, noch Erbarmen einen Ort:   Wehe, warum fühlt sie nicht, wie unerbittlich meine Flamme brennt?



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Schlange, du willst fliehen, und du kannst es nicht; du willst zurück zu deinem Unterschlupf, er ist zerstört; du rufst die eigenen Kräfte – sind erloschen; du strebst zur Sonne, sie verdeckt ein dichter Nebel; um Gnade bittest du den Bauern, er haßt deinen Zahn; das Schicksal rufst du an, es hört dich nicht in seiner Torheit. Flucht, Heimstatt, Kraft, Gestirn, Mensch oder Schicksal – nichts kann dich vor dem Tode retten.   Du wirst hart, ich schmelze, ich schau’ auf deine Starre, du siehst auf mein Brennen, du sehnest dich nach diesem Übel, ich nach jenem Wunsch; weder kann ich dich, noch kannst du mich aus dieser üblen Lage bringen.   Hinlänglich im Klaren über unser grauses Schicksal, lassen jede Hoffnung wir nun fahren.



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prima parte · dialogo quinto

1070 ¦ 1071

Cicada  Andiamone, perché per il camino vedremo di snodar questo intrico, se si può. Tansillo  Bene.

Fine del quinto dialogo e prima parte de gli eroici furori ¦ |

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erster teil · fünfter dialog 227

Cicada  Gehen wir, um unterwegs zu versuchen, diesen Knoten aufzulösen, wenn es denn möglich ist. Tansillo  Einverstanden.

Ende des fünften Dialogs und des ersten Teils der Heroischen Leidenschaften

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1071 – 1073

SE C ON DA PA RT E DE G L I E ROIC I F U ROR I DI A L O G O PR I MO

Interlocutori Cesarino, Maricondo I. Cesarino   Cossì dicono che le cose megliori e più eccellenti sono nel mondo quando tutto l’universo da ogni parte risponde eccellentemente: e questo stimano ¦ allor che tutti gli pianeti ottegnono l’Ariete, essendo che quello de l’ottava sfera ancora ottegna quello del firmamento invisibile e superiore dove è l’altro zodiaco; le cose peggiori e più basse vogliono che abbiano loco quando domina la contraria disposizione et ordine: però per forza di vicissitudine accadeno le eccessive mutazioni, dal simile al dissimile, dal contrario a l’altro. La revoluzion dumque et anno grande del mondo è quel spacio di tempo in cui da abiti et effetti diversissimi per gli oppositi mezzi e contrarii si ritorna al medesimo: come veggiamo ne gli anni particolari, qual è quello | del sole, dove il principio d’una disposizione contraria è fine de l’altra, et il fine di ¦ questa è principio di quella: però ora che siamo stati nella feccia delle scienze, che hanno parturita la feccia delle opinioni, le quali son causa della feccia de gli costumi et opre, possiamo certo aspettare de ritornare a meglior stati. Maricondo   Sappi, fratel mio, che questa successione et ordine de le cose è verissima e certissima: ma al nostro riguardo sempre, in qualsivoglia stato ordinario, il presente più ne afflige che il passato, et ambi doi insieme manco possono appagarne che il futuro, il quale è sempre

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ZWEITER TEIL DE R H E ROI S C H E N L E I DE N S C H A F T E N

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E R S T E R DI A L O G

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Gesprächspartner Cesarino, Maricondo

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I. Cesarino   Man sagt, daß die besten und hervorragendsten Dinge auf dieser Welt auftreten, wenn das ganze Universum sich mit allen seinen Teilen in hervorragender Harmonie befindet. Und das, meint man, sei dann der Fall, wenn alle Planeten im Zeichen des Widders stehen, weil dieses einesteils zur achten Sphäre gehört, außerdem aber zu jenem unsichtbaren und höheren Himmelsgewölbe, wo der andere Tierkreis ist. Die schlechtesten und niedrigsten Dinge, behauptet man, seien anzutreffen, wenn die entgegengesetzte Konstellation und Ordnung herrscht. Dem Gesetz des Wechsels zufolge vollzögen sich diese extremen Wandlungen jedoch vom Ähnlichen zum Unähnlichen, von einem Gegensatz zum anderen. Die große Umwälzung beziehungsweise das große Jahr der Welt ist also jener Zeitraum, in dem man von verschiedensten Dispositionen und Wirkungen ausgehend über die dazwischen liegenden Gegensätze unterschiedlichster Art wieder zu denselben Zuständen zurückkehrt. Das können wir auch an den einzelnen Jahren, wie es das Sonnenjahr ist, beobachten, bei denen der Beginn der einen Einstellung das Ende der entgegengesetzten und das Ende von jener der Beginn von dieser ist. Nun, da unsere Wissenschaften durch und durch verkommen waren und dadurch die größte Verkommenheit der Ansichten entstanden ist, was wiederum die größte Verkommenheit der Sitten und Taten zur Folge hat, können wir deshalb mit Sicherheit erwarten, zu besseren Zuständen zurückzukehren. Maricondo  Wisse, mein Bruder, daß diese Abfolge und Ordnung der Dinge zwar eine unzweifelhafte Wahrheit ist, von unserer Warte aus aber, unabhängig von ihrem Stand innerhalb der Weltordnung, die Gegenwart stets quälender ist als die Vergangenheit, und alle beide können uns weniger zufriedenstellen als die Zukunft, die immer voll

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seconda parte · dialogo primo

1073 ¦ 1074

in aspettazione e speranza, come ben puoi veder designato in questa figura la quale è tolta dall’antiquità de gli Egizzii, che fêrno cotal statua che sopra un busto simile a tutti tre puosero tre teste, l’una di lupo che remirava a dietro, l’altra di leone che avea la faccia volta in mezzo, e la terza di cane che guardava innanzi; per significare che le cose passate affligono col pensiero, ma non tanto quanto le cose presenti che in effetto ne tormentano: ma sempre per l’avenire ne promettemo meglio. Però là è il lupo che urla, qua il leon che rugge, appresso il cane che applaude. Cesarino  Che contiene quel motto ch’è sopra scritto? Maricondo   Vedi che sopra il lupo è iam, sopra il leone modo, sopra il cane praeterea, che son dizzioni che significano le tre parti del tempo. Cesarino  Or leggete quel ch’è nella tavola. Maricondo  Cossì farò. |  Un alan, un leon, un can appare a l’auror, al dì chiar, al vespr’oscuro. Quel che spesi, ritegno, e mi procuro, per quanto mi si die’, si dà, può dare.   Per quel che feci, faccio et ho da fare al passat’, al presente et al futuro, mi pento, mi tormento, m’assicuro, nel perso, nel soffrir, nell’aspettare. ¦   Con l’agro, con l’amaro, con il dolce l’esperienza, i frutti, la speranza mi minacciò, m’affligono, mi molce.   L’età che vissi, che vivo, ch’avanza mi fa tremante, mi scuote, mi folce, in absenza, presenza, e lontananza.   Assai, troppo, a bastanza quel di già, quel di ora, quel d’appresso m’hann’ in timor, martir, e spene messo.



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zweiter teil · erster dialog 231

Hoffnung erwartet wird, wie du dies in der bildlichen Darstellung hier gut ausgedrückt findest, die von den alten Ägyptern stammt. Sie entwickelten eine Statue mit drei Köpfen über ein und derselben Brust: ein Wolfskopf, der nach hinten schaut, zweitens ein Löwenkopf, der das Gesicht zur Mitte gedreht hat und drittens ein Hundskopf, der nach vorne schaut; dies soll bedeuten, daß die vergangenen Dinge uns in Gedanken bedrängen, jedoch nicht so sehr wie die gegenwärtigen, die uns tatsächlich quälen, daß wir uns für die Zukunft aber immer Besserung versprechen. Deshalb hier der Wolf, der heult, dort der Löwe, der brüllt, und schließlich der Hund, der zustimmend bellt. Cesarino  Welche Bedeutung enthält jenes Motto, das darüber steht? Maricondo  Schau, über dem Wolf steht iam, über dem Löwen modo, über dem Hund praeterea. Das sind die Bezeichnungen der drei Stufen der Zeit. Cesarino  Nun lest, was auf der Tafel steht. Maricondo  Das will ich tun.  Ein Wolf, ein Leu, ein Hund erscheint im Morgenrot, am hellen Tag, am dunklen Abend. Das, was ich ausgegeben, einbehalte, mir besorge von dem, was mir gegeben wurde, wird und werden kann.   Über das, was ich getan hab’, tue und tun werde in Vergangenheit, in Gegenwart und Zukunft, fühl’ ich Reue, Qual und Sicherheit im Verlust, im Leiden und im Warten.   Mit dem Sauren, Bitt’ren, Süßen bedrohten, plagen, stimmen milde mich die Erfahrungen, die Früchte und die Hoffnung.   Die Jahre, die gelebt ich habe, lebe, vor mir habe, lassen zittern mich, erschüttern mich und stützen mich als anderwärtige, als gegenwärtige und als entfernte.   Sehr, allzu viel, genügend hält mich das Einst, das Jetzt, das Bald in Angst, in Qual, in Hoffnung.



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seconda parte · dialogo primo

1074 ¦ 1075

Cesarino  Questa a punto è la testa d’un furioso amante; quantumque sia de quasi tutti gli mortali in qualumque maniera e modo siano malamente affetti; perché non doviamo né possiamo dire che questo quadre a tutti stati in generale, ma a quelli che furono e sono travagliosi: atteso che ad un ch’ha cercato un regno et ora il possiede, conviene il timor di perderlo; ad un ch’ha lavorato per acquistar gli frutti de l’amore, come è la particular grazia de la cosa amata, conviene il morso della gelosia e suspizione. E quanto a gli stati del mondo, quando ne ritroviamo nelle tenebre e male, possiamo sicuramente pro | fetizar la luce e prosperitade; quando siamo nella felicità e disciplina, senza dubio possiamo aspettar il successo de l’ignoranze e travagli: come avvenne a Mercurio Trimigisto che per veder l’Egitto in tanto splendor de scienze e divinazioni, per le quali egli stimava gli uomini consorti de gli dèmoni e dèi, e per conseguenza religiosissimi, fece quel profetico lamento ad Asclepio, dicendo che doveano succedere le tenebre de nove religioni e culti, e de cose presenti non dover rimaner altro che favole e materia di condannazione. Cossì gli Ebrei quando erano schiavi nell’Egitto e banditi nelli deserti, erano confortati da lor profeti con l’aspet ¦ tazione de libertà et acquisto di patria. Quando furono in stato di domìno e tranquillità, erano minacciati de dispersione e cattività. Oggi che non è male né vituperio a cui non siano suggetti, non è bene né onore che non si promettano. Similmente accade a tutte l’altre generazioni e stati: li quali se durano e non sono annihilati a fatto, per forza della vicissitudine delle cose, è necessario da ’l male vegnano al bene, dal bene al male, dalla bassezza a l’altezza, da l’altezza alla bassezza, da le oscuritadi al splendore, dal splendor alle oscuritadi. Perché questo comporta l’ordine naturale: oltre il qual ordine, se si ritrova altro che lo guaste o corregga, io lo credo, e non ho da disputarne, perché non raggiono con altro spirito che naturale.

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zweiter teil · erster dialog 233

Cesarino  Genauso sieht der Kopf eines liebenden Leidenschaftlichen aus, und überhaupt fast all jener Sterblichen, die auf irgendeine Art und Weise unglücklich an etwas hängen; wir dürfen und können ja nicht behaupten, daß dies auf alle Zustände im allgemeinen zutrifft, sondern nur auf jene, die mühselig waren und sind. Denn einer, der ein Königreich gesucht hat und es nun besitzt, hat natürlich Angst, es zu verlieren; einer, der sich um die Früchte der Liebe bemüht hat, wie sie die besondere Gunst des geliebten Gegenstandes darstellt, ist natürlich den Bissen von Eifersucht und Mißtrauen ausgesetzt. Und was die Zustände dieser Welt betrifft, so können wir, wenn wir uns in Finsternis und übler Lage befinden, mit Sicherheit Licht und Wohlergehen voraussagen. Wenn wir in einer Zeit des Glücks und des Wissens leben, können wir zweifellos in der Folge die Heraufkunft von Unwissenheit und Mühsal erwarten, wie Hermes Trismegistos es tat: Da er Ägypten in so großem Glanz der Wissenschaften und der weissagenden Künste sah und die Ägypter deshalb für Gefährten von Dämonen und Göttern hielt, folglich von äußerst hoher Religiosität, brach er Asklepios gegenüber in jene prophetische Klage aus, daß die Dunkelheit neuer Religionen und Kulte darauf folgen müsse und von den gegenwärtigen Errungenschaften nichts als Sagen und Verteufelungen übrigbleiben würden. So auch wurden die Juden, als sie in ägyptischer Sklaverei und Wüstenverbannung lebten, von ihren Propheten mit der Aussicht auf Freiheit und dem Erwerb eines Vaterlandes gestärkt. Als sie Macht und Ruhe hatten, drohte ihnen Vertreibung und Gefangenschaft. Heute, wo es kein Übel und keine Schmach gibt, denen sie nicht unterworfen sind, gibt es nichts Gutes und Ehrenvolles, das sie sich nicht versprechen dürften. Das Gleiche geschieht auch bei allen anderen Generationen und Zuständen: Wenn sie Dauer haben und nicht gänzlich vernichtet werden, bringt es die ewige Wandelbarkeit der Dinge notwendigerweise mit sich, daß sie sich vom Schlechten zum Guten, vom Guten zum Schlechten, von der Tiefe zur Höhe, von der Höhe zur Tiefe, von der Dunkelheit zum Glanz, vom Glanz zur Dunkelheit wenden. Denn so will es die Ordnung der Natur. Ob sich über dieser Ordnung noch eine andere findet, die sie verschlechtert oder verbessert, ist eine Frage des Glaubens – und ich glaube es –, doch ich habe darüber nicht zu diskutieren, denn ich argumentiere hier nur im Rahmen des natürlichen Denkens.

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seconda parte · dialogo primo

1075 ¦ 1076

Maricondo   Sappiamo che non fate il teologo ma filosofo e che trattate filosofia non teologia. | 295 Cesarino  Cossì è. Ma veggiamo quel che séguita. |

II. Cesarino  Veggio appresso un fumante turribolo che è sustenuto da un braccio, et il motto che dice illius aram; et appresso l’articolo seguente:  Or chi quell’aura de mia nobil brama d’un ossequio divin credrà men degna s’in diverse tabelle ornata vegna da voti miei nel tempio de la fama?   perch’altr’ impres’ eroica mi richiama, chi pensarà giamai che men convegna ch’al suo culto cattivo mi ritegna quella ch’il ciel onora tanto et ama?   Lasciatemi, lasciate, altri desiri, importuni pensier, datemi pace. Perché volete voi ch’io mi ritiri ¦ da l’aspetto del sol che sì mi piace?   Dite di me piatosi: »Perché miri quel, che per remirar sì ti disface?   perché di quella face sei vago sì?«. »Perché mi fa contento più ch’ogn’altro piacer questo tormento«.

 Maricondo   A proposito di questo io ti dicevo che quantumque un rimagna fisso su una corporal bellezza e culto esterno, può onorevolmente e degnamente trattenirsi: purché dalla bellezza materiale la quale è un raggio e splendor della forma, et atto spirituale di cui è vestigio et ombra, vegna ad inalzarsi alla considerazion e culto della divina bel-



zweiter teil · erster dialog 235

Maricondo  Wir wissen, daß Ihr nicht als Theologe, sondern als Philosoph sprecht und Philosophie, nicht Theologie betreibt. Cesarino  So ist es. Doch laßt uns sehen, was nun folgt.

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II. Cesarino  Ich sehe als nächstes ein rauchendes Weihrauchfaß, das von einem Arm gehalten wird, sowie das Motto, das lautet: illius aram. Dabei steht der folgende Artikel:

 Wer wird nun den Atem meines edlen Strebens nach Huldigung der Gottheit weniger würdig achten, wenn er auf verschied’nen Täfelchen, verziert mit meinen Schwüren, in des Ruhmes Tempel kommt?   Weil mich eine andre heldenhafte Unternehmung ruft, wer wird deshalb es für weniger geziemend halten, daß mich in ihrem Kult gefangenhält jene, die der Himmel so sehr ehrt und liebt?   Laßt mich, laßt mich, andere Begierden, lästige Gedanken, gebt mir Frieden. Warum wollt ihr, daß ich mich entferne vom Anblick jener Sonne, die mir so gefällt?   Ihr sagt mitleidsvoll zu mir: »Warum schaust du jene an, die durch ihren Anblick dich zerstört?   Warum sehnst du dich so sehr nach jenem Glanz?« »Weil mich diese Qual mehr als jeder andere Genuß zufriedenstellt.«



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Maricondo  Zu diesem Thema sagte ich dir, daß sich einer, wie sehr er auch mit der körperlichen Schönheit und der Verehrung des Äußerlichen befaßt bleiben mag, durchaus ehrenvoll und würdig verhalten kann – vorausgesetzt, er erhebt sich von der materiellen Schönheit, die ja Strahl und Glanz der geistigen Form und des geistigen Akts als deren Spur und Schatten ist, zur Betrachtung und Verehrung der göttlichen Schönheit, Strahlkraft und Würde. Auf diese Weise kann es ihm gelingen, sein Herz von diesen sichtbaren Dingen zu jenen emporsteigen

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seconda parte · dialogo primo

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lezza, luce e maestade: di maniera che da queste cose visibili | vegna a magnificar il core verso quelle che son tanto più eccellenti in sé e grate a l’animo ripurgato, quanto son più rimosse da la materia e senso. Oimè (dirà) se una bellezza umbratile, fosca, corrente, depinta nella superficie de la materia corporale, tanto mi piace e tanto mi commuove l’affetto, m’imprime nel spirito non so che riverenza di maestade, mi si cattiva, e tanto dolcemente mi lega e mi s’attira, ch’io non trovo cosa che mi vegna messa avanti da gli sensi che tanto m’appaghe: che sarà di quello che sustanzialmente, originalmente, primitivamente è bello; che sarà de l’anima mia, dell’intelletto divino, della regola de la natura? Conviene dumque che la contemplazione di questo vestigio di luce mi amene mediante la ripurgazion de l’animo mio all’imitazione, conformità e participazione di quella più degna et alta, in cui mi transforme et a cui mi unisca: perché son certo che la natura che mi ha messa questa bellezza avanti gli occhi, e mi ha dotato di senso interiore, per cui posso argumentar bellezza più profonda et incomparabilmente mag- ¦  giore, voglia ch’io da qua basso vegna promosso a l’altezza et eminenza di specie più eccellenti. Né credo che il mio vero nume come me si mostra in vestigio et imagine, voglia sdegnarsi che in imagine e vestigio vegna ad onorarlo, a sacrificargli, con questo ch’il mio core et affetto sempre sia ordinato, e rimirare più alto: atteso che chi può esser quello che possa onorarlo in essenza e propria sustanza, se in tal maniera non può comprenderlo? Cesarino  Molto ben dimostri come a gli uomini di eroico spirito tutte le cose si converteno in bene, e | si sanno servire della cattività in frutto di maggior libertade, e l’esser vinto una volta convertiscono in occasione di maggior vittoria. Ben sai che l’amor di bellezza corporale a color che son ben disposti non solamente non apporta ritardamento da imprese maggiori, ma più tosto viene ad improntargli l’ali per venire a quelle: allor che la necessità de l’amore è convertita in virtuoso studio per cui l’amante si forza di venire a termine nel quale sia degno della cosa amata, e forse di cosa maggiore, megliore e più bella ancora; onde

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zweiter teil · erster dialog 237

zu lassen, die in sich umso vollkommener und dem geläuterten Geist umso willkommener sind, je entfernter sie von Materie und Gefühl sind. Oh weh (wird er sagen), wenn eine schattenhafte, trübe, gewöhnliche, der Oberfläche der körperlichen Materie aufgemalte Schönheit mir so sehr gefällt, so sehr das Gefühl in Wallung bringt, mein Denken mit einer unbestimmten Verehrung für ihre Würde erfüllt, mich fesselt und auf so süße Weise an sich zieht und bindet, daß es mich mehr zufriedenstellt als alles andere, was mir die Sinne präsentieren, wie wird das erst bei jenem Gegenstande werden, der wesentlich, ursprünglich und von Anbeginn an schön ist? Was wird aus meiner Seele werden, aus der göttlichen Vernunft, aus dem Gesetz der Natur? Es ist also gut so, daß die Betrachtung jener Lichtspur mich durch Läuterung meines Geistes zur Nachahmung, Anpassung und Teilhabe an jenem würdigeren und edleren Licht führt, in das ich mich schließlich verwandele und mit dem ich mich vereine. Denn ich bin sicher, daß die Natur, die mir diese Schönheit vor Augen gestellt hat und mich mit einem inneren Gefühl begabt hat, das mich auf eine tiefere und unvergleichlich größere Schönheit schließen läßt, mich von hier unten zur Erhabenheit und Vortrefflichkeit weit vollkommenerer Erscheinungen bewegen will. Außerdem glaube ich nicht, daß mein wahrer Gott, da er sich mir als Spur und Abbild zeigt, darüber in Zorn geraten wird, daß ich ihn in seinem Abbild und seiner Spur ehre und ihm dadurch opfere, daß mein Herz und Gefühl immer darauf ausgerichtet ist, weiter nach oben zu schauen. Denn wer könnte ihn wohl in seinem Wesen und seiner eigenen Substanz ehren, wenn er ihn auf diese Weise nicht begreifen kann? Cesarino  Du zeigst sehr gut, wie sich den heroisch denkenden Menschen alle Dinge zum Guten wenden, wie sie aus der Gefangenschaft den Nutzen einer noch größeren Freiheit zu ziehen wissen und eine Niederlage in die Gelegenheit zu einem umso größeren Sieg verwandeln. Du weißt gut, daß die Liebe zur körperlichen Schönheit den gut Veranlagten nicht nur keine Verzögerung ihrer höheren Aufgaben einbringt, sondern sie eher dazu beflügelt: Denn Liebesnöte führen zu tugendhaftem Streben, mit dem der Liebende sich bemüht, einen Punkt zu erreichen, an dem er des geliebten Gegenstandes würdig sei und vielleicht sogar eines noch größeren, besseren und schöneren. Da-

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seconda parte · dialogo primo

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sia o che vegna contento d’aver guadagnato quel che brama, o sodisfatto dalla sua propria bellezza, per cui degnamente possa spregiar l’altrui che viene ad esser da lui vinta e superata: onde o si ferma quieto, o si volta ad aspirare ad oggetti più eccellenti e magnifichi. E cossì sempre varrà tentando il spirito eroico, sin tanto che non si vede inalzato al desiderio della divina bellezza in se stessa, senza similitudine, figura, imagine e specie, se sia possibile: e più se sa arrivare a tanto. Maricondo   Vedi dumque, Cesarino, come ha raggione ¦ questo furioso di risentirsi contra coloro che lo riprendono come cattivo de bassa bellezza a cui sparga voti et appenda tabelle; di maniera che quindi non viene rubelle dalle voci che lo richiamano a più alte imprese: essendo che come queste basse cose derivano da quelle et hanno dependenza, cossì da queste si può aver accesso a quelle come per proprii gradi. Queste se non son Dio son cose divine, sono imagini sue vive: nelle quali non si sente offeso se si vede adorare: perché abbiamo ordine dal superno spirito che dice Adorate scabellum pedum | eius. Et altrove disse un divino imbasciatore: Adorabimus ubi steterunt pedes eius. Cesarino  Dio, la divina bellezza e splendore riluce et è in tutte le cose; però non mi pare errore d’admirarlo in tutte le cose secondo il modo che si comunica a quelle: errore sarà certo se noi donaremo ad altri l’onor che tocca a lui solo. Ma che vuol dir quando dice »Lasciatemi, lasciate, altri desiri«? Maricondo   Bandisce da sé gli pensieri, che gli appresentano altri ­oggetti che non hanno forza di commoverlo tanto; e che gli vogliono involar l’aspetto del sole, il qual può presentarsegli da questa fenestra più che da l’altre. Cesarino  Come importunato da pensieri si sta constante a remirar quel splendor che lo disface, e non lo fa di maniera contento che ancora non vegna fortemente a tormentarlo?

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durch wird er entweder froh darüber, das verdient zu haben, was er ersehnt, oder zufriedengestellt von der eigenen Schönheit, dank derer er die von ihm besiegte und übertroffene Schönheit zu Recht verachten kann. Dadurch kommt er entweder zur Ruhe, oder er wendet sich dem Erstreben vollkommenerer und größerer Objekte zu. Und so wird der heroische Geist immer streben, solange er sich nicht zur Sehnsucht nach der göttlichen Schönheit selbst erhoben sieht, wo sie also nicht Gleichnis, Darstellung, Abbild und Erscheinung ist, wenn dies möglich ist, und noch höher wird er streben, wenn es ihm gelingt, so weit zu kommen. Maricondo  Du siehst also, Cesarino, wie sehr dieser Leidenschaft­ liche sich mit Recht von denen gekränkt fühlt, die ihm vorhalten, er habe sich von einer niederen Schönheit gefangennehmen lassen, die er mit Gelübden überschütte und für die er Votivtäfelchen aufhänge. Folglich lehnt er sich auch nicht gegen die Stimmen auf, die ihn zu höheren Unternehmungen rufen, denn so wie diese niederen Dinge von jenen höheren abstammen und von ihnen abhängig sind, kann man von diesen zu jenen gleichsam Stufe für Stufe emporsteigen. Wenn sie nicht Gott selbst sind, sind sie doch göttliche Dinge, seine lebendigen Abbilder, und er fühlt sich nicht beleidigt, wenn er sich in ihnen verehrt sieht. Denn ein Befehl des höchsten Geistes heißt uns Adorate scabellum pedum eius. Und an anderer Stelle sagte ein Botschafter Gottes: Adorabimus ubi steterunt pedes eius. Cesarino  Gott, die göttliche Schönheit und ihr Glanz leuchten und sind in allen Dingen, deshalb scheint es mir nicht falsch, ihn in allen Dingen zu verehren in dem Maße, in dem er sich ihnen mitteilt. Sicher ist es falsch, wenn wir anderen eine Ehre erweisen, die nur ihm zukommt. Aber was bedeuten die Worte: Laßt mich, laßt mich, andere Begierden? Maricondo  Er treibt die anderen Gedanken von sich fort, die mit anderen Objekten vorstellig werden, die nicht die Kraft haben, ihn derart zu bewegen, und die ihn des Anblicks der Sonne berauben wollen, der sich ihm durch dieses Fenster besser als durch andere darbieten kann. Cesarino  Wieso schaut er, von anderen Gedanken belästigt, so beharrlich auf jenen Glanz, der ihn zerstört, und der ihn nicht zufriedenstellt, ohne ihn gleichzeitig heftig zu quälen?

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Maricondo   Perché tutti gli nostri conforti in questo stato di controversia non sono senza gli suoi disconforti ¦ cossì grandi come magnifici son gli conforti. Come più grande è il timore d’un re che consiste su la perdita d’un regno, che di un mendico che consiste sul periglio di perdere dieci danaii; è più urgente la cura d’un prencipe sopra una republica, che d’un rustico sopra un grege de porci: come gli piaceri e delicie di quelli forse son più grandi che le delicie e piaceri di questi. Però l’amare et aspirar più alto, mena seco maggior gloria e maestà con maggior cura, pensiero e doglia: intendo in questo stato dove l’un contrario sempre è congionto a l’al | tro, trovandosi la massima contrarietade sem- | 303 pre nel medesimo geno, e per consequenza circa medesimo suggetto, quantumque gli contrarii non possano essere insieme. E cossì proporzionalmente nell’amor di Cupido superiore, come dechiarò l’epicureo poeta nel cupidinesco volgare et animale, quando disse: Fluctuat incertis erroribus ardor amantum, nec constat quid primum oculis manibusque fruantur: quod petiere premunt arte, faciuntque dolorem corporis, et dentes inlidunt saepe labellis osculaque adfigunt, quia non est pura voluptas, et stimuli subsunt qui instigant laedere id ipsum, quodcunque est, rabies, unde illa haec germina surgunt. Sed leviter paenas frangit Venus inter amorem, blandaque refraenat morsus admixta voluptas; namque in eo spes est, unde est ardoris origo, restingui quoque posse ab eodem corpore flammam.

Ecco dumque con quali condimenti il magistero et arte della natura fa che un si strugga sul piacer di quel che lo disface, e vegna contento in mezzo del tormento, e tormentato in mezzo de tutte le contentezze: atteso che nulla si ¦ fa absolutamente da un pacifico principio, ma tutto da contrarii principii per vittoria e domìno d’una parte della contrarie-



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Maricondo  Weil all das, was uns in diesem Zustand des Unfriedens ermutigt, nicht ohne die dazugehörigen Entmutigungen einhergeht, die ebenso groß sind wie die Ermutigungen stark. So, wie die Angst eines Königs vor dem Verlust seines Königreichs größer ist als die eines Bettlers vor der Gefahr, zehn Groschen zu verlieren, und die Sorge eines Fürsten um sein Staatswesen bedrückender als die eines Bauern um seine Schweineherde, so sind vielleicht auch die Freuden und Vergnügungen der ersteren größer als die Freuden und Vergnügungen der letzteren. Daher bringen die Liebe und das Streben nach Höherem neben größerem Ruhm und größerer Würde auch größere Verantwortung, Sorge und Pein mit sich. Ich meine hier jenen Zustand, in dem ein jeder Gegensatz stets an den anderen geknüpft ist und in dem die größte Gegensätzlichkeit immer in derselben Kategorie vorliegt und folglich dasselbe Subjekt betrifft, wie sehr die Gegensätze sich auch gegenseitig ausschließen mögen. Und den Verhältnissen entsprechend ist für die Liebe von höherer Begierde ebenso festzustellen, wie der epikureische Dichter für die gewöhnliche und tierische Begierde feststellte, als er sagte: 15

Fluctuat incertis erroribus ardor amantum, nec constat quid primum oculis manibusque fruantur: quod petiere premunt arte, faciuntque dolorem corporis, et dentes inlidunt saepe labellis osculaque adfigunt, quia non est pura voluptas, et stimuli subsunt qui instigant laedere id ipsum, quodcunque est, rabies, unde illa haec germina surgunt. Sed leviter paenas frangit Venus inter amorem, blandaque refraenat morsus admixta voluptas; namque in eo spes est, unde est ardoris origo, restingui quoque posse ab eodem corpore flammam.

Hier hast du also die Zutaten, mit denen die Meisterschaft und Kunst der Natur es erreicht, daß einer sich im Genuß dessen verzehrt, was ihn zerstört, und inmitten der Marter zufrieden ist und gemartert inmitten aller Befriedigungen. Denn nichts kommt absolut aus einem einmütigen Prinzip, sondern alles aus entgegengesetzten Prinzipien

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tade; e non è piacere di generazione da un canto, senza dispiacere di corrozzione da l’altro: e dove queste cose che si generano e corrompono sono congionte e come in medesimo suggetto composto, si trova il senso di delettazione e tristizia insieme. Di sorte che vegna nominata più presto delettazione che tristizia, se aviene che la sia predominante, e con maggior forza possa sollecitare il senso. | III. Cesarino  Or consideriamo sopra questa imagine seguente, ch’è d’una fenice che arde al sole, e con il suo fumo va quasi a oscurar il splendor di quello, dal cui calore vien infiammata; et èvvi la nota che dice: neque simile, nec par. Maricondo   Leggasi l’articolo prima:

 Questa fenice ch’al bel sol s’accende, e a dramm’ a dramma consumando vassi, mentre di splendor cint’ardendo stassi, contrario fio al suo pianeta rende:   perché quel che da lei al ciel ascende tepido fumo et atra nebbia fassi, ond’i raggi a’ nostri occhi occolti lassi e quello avvele, per cui arde e splende.   Tal il mio spirto (ch’il divin splendore accende e illustra) mentre va spiegando quel che tanto riluce nel pensiero, manda da l’alto suo concetto fore rima, ch’il vago sol vad’oscurando, mentre mi struggo e liquefaccio intiero. ¦   Oimè questo adro e nero nuvol di foco infosca col suo stile quel ch’aggradir vorrebb’, e ’l rend’umile.



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durch Sieg und Herrschaft der einen Seite des Gegensatzes; und die Lust der Zeugung auf der einen Seite ist ohne den Verdruß des Vergehens auf der anderen Seite nicht zu haben. Und wo diese Dinge, die gezeugt werden und vergehen, miteinander verbunden und gleichsam in ein und demselben Subjekt vereint sind, findet sich gleichzeitig das Gefühl von Vergnügen und von Traurigkeit. Es wird dann eher Vergnügen als Traurigkeit genannt, wenn erstere überwiegt und größere Kraft hat, die Sinne zu erregen. 16

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III. Cesarino  Nun laß uns das folgende Bild besprechen: Ein Phönix, der in der Sonne brennt und mit seinem Rauch den Glanz derjenigen beinahe verdunkelt, deren Hitze ihn entzündet hat. Und daneben steht die Inschrift, welche lautet: neque simile, nec par. Maricondo  Lesen wir zuerst den Artikel:

 Dieser Phönix, welcher an der schönen Sonne sich entzündet und sich im Feuer Stück für Stück verzehrt, entlohnt, in seinem Brand von ihrem Glanz umgeben, seinen Planeten mit dem Gegenteil:   Denn was von ihm zum Himmel steigt, wird lauer Rauch und düstrer Nebel, wodurch die Strahlen unsren Augen er verbirgt und die verschleiert, die ihn brennen läßt und strahlen.   So mein Geist auch (den der Glanz der Gottheit in Brand steckt und erleuchtet): Während er entfaltet, was in seinem Denken so sehr widerstrahlt, macht er aus dem, was hoch er hat begriffen, Verse, die die liebenswerte Sonne nur verdunkeln, während ich zergehe und mich ganz verflüssige.   Oh wehe, diese düstre, schwarze Feuerwolke verfinstert die mit ihrem Schriftzug, der sie danken wollte, und erniedrigt sie.



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Cesarino  Dice dumque costui che come questa fenice venendo dal splendor del sole accesa, et abituata di luce e di fiamma, vien ella poi ad inviar al cielo quel fumo che oscura quello che l’ha resa | lucente: cossì egli infiammato et illuminato furioso per quel che fa in lode di tanto illustre suggetto che gli have acceso il core e gli splende nel pensiero, viene più tosto ad oscurarlo, che ritribuirgli luce per luce, procedendo quel fumo, effetto di fiamme in cui si risolve la sustanza di lui. Maricondo   Io senza che metta in bilancio e comparazione gli studi di costui, torno a dire quel che ti dicevo l’altr’ieri, che la lode è uno de gli più gran sacrificii che possa far un affetto umano ad un oggetto. E per lasciar da parte il proposito del divino, ditemi: chi conoscerebbe Achille, Ulisse e tanti altri greci e troiani capitani, chi arrebe notizia de tanti grandi soldati, sapienti et eroi de la terra, se non fussero stati messi alle stelle e deificati per il sacrificio de laude, che nell’altare del cor de illustri poeti et altri recitatori have acceso il fuoco, con questo che comunmente montasse al cielo il sacrificatore, la vittima et il canonizato divo, per mano e voto di legitimo e degno sacerdote? Cesarino  Ben dici di degno e legitimo sacerdote; perché de gli appostici n’è pieno oggi il mondo, li quali come sono ¦ per ordinario indegni essi loro, cossì vegnono sempre a celebrar altri indegni, di sorte che asini asinos fricant. Ma la providenza vuole che in luogo d’andar gli uni e gli altri al cielo, sen vanno giontamente alle tenebre de l’Orco: onde fia vana e la gloria di quel che celebra, e di quel ch’è celebrato; perché l’uno ha intessuta una statua di paglia, o insculpito un tronco di legno, o messo in getto un pezzo di calcina; e l’altro idolo d’infamia e vituperio non sa che non gli bisogna aspettar gli | denti de l’evo e la falce di Saturno per esser messo giù: stante che dal suo encomico medesimo vien sepolto vivo all’ora all’ora propria che vien lodato, salutato, nominato, presentato. Come per il contrario è accaduto alla prudenza di quel tanto celebrato Mecenate, il quale se non avesse avuto altro splendore

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Cesarino  Er sagt also: Wie der vom Glanz der Sonne in Brand gesteckte und an Licht und Flamme gewöhnte Phönix dem Himmel dann jenen Rauch schickt, der die verdunkelt, die ihn zum Leuchten gebracht hat, so verdunkelt er, der entflammte und erleuchtete Leidenschaftliche, mit seinem Lobpreis auf ein derart strahlendes Objekt, das ihm das Herz in Brand gesteckt hat und in seinem Denken leuchtet, dieses eher, als daß er ihm Licht mit Licht vergelte, denn er bringt als Wirkung der Flammen, in denen seine Substanz sich auflöst, nur Rauch hervor. Maricondo  Ohne jetzt den Grad seines Strebens genau abwägen und vergleichen zu wollen, wiederhole ich das, was ich anderntags sagte, daß nämlich Lobpreis eine der größten Opfergaben ist, die menschliche Zuneigung ihrem Gegenstand zu bieten hat. Das Gott gewidmete Lob einmal beiseite lassend, sage mir, wer würde wohl Achilles, Odysseus und die vielen anderen griechischen und trojanischen Heerführer kennen, wer von den vielen großen Kriegern, Weisen und Helden der Erde wissen, wenn sie nicht unter die Sterne versetzt und vergöttlicht worden wären durch die Opfergabe des Lobpreises, die ihnen auf dem Altar des Herzens berühmter Dichter und anderer Sänger angezündet worden ist mit dem Ergebnis, daß gewöhnlich der Opfernde, das Opfer und der Vergöttlichte zum Himmel aufsteigen, befördert von der Hand und dem Gebet eines rechtmäßigen und würdigen Priesters? Cesarino  Du sprichst mit richtiger Betonung von einem würdigen und rechtmäßigen Priester, denn von falschen Priestern ist unsere heutige Welt voll, die, weil sie für gewöhnlich selbst nichtswürdig sind, stets andere Nichtswürdige feiern, denn asini asinos fricant. Aber die Vorsehung will, daß sie beide, anstatt zusammen in den Himmel zu kommen, gemeinsam in der Finsternis des Orkus landen. So ist denn der Ruhm sowohl dessen, der preist, vergänglich als auch dessen, der gepriesen wird. Der eine hat nämlich eine Statue aus Stroh gefertigt, ein Holzstück zu einer Skulptur verarbeitet, für seinen Guß Mörtel genommen und der andere, ein Abgott der Ruchlosigkeit und Schande, weiß nicht, daß er nicht auf den Zahn der Zeit und die Sichel des Saturn zu warten braucht, um in die Tiefe befördert zu werden, denn von seinem Huldiger selbst wird er lebendig begraben in eben der Stunde, in der er gepriesen, gegrüßt, genannt und herausgestellt wird. Das Gegenteil verdankt der vielgepriesene Maecenas seiner Klugheit: Selbst

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che de l’animo inchinato alla protezzione e favor delle Muse, sol per questo meritò che gl’ingegni de tanti illustri poeti gli dovenessero ossequiosi a metterlo nel numero de più famosi eroi che abbiano calpestrato il dorso de la terra. Gli proprii studii et il proprio splendore l’han reso chiaro e nobilissimo, e non l’esser nato d’atavi regi, non l’esser gran secretario e consegliero d’Augusto. Quello dico che l’ha fatto illustrissimo, è l’aversi fatto degno dell’execuzion della promessa di quel poeta che disse: Fortunati ambo, si quid mea carmina possunt, nulla dies unquam memori vos eximet aevo, ¦ dum domus Aeneae Capitoli immobile saxum accolet, imperiumque pater Romanus habebit. Maricondo   Mi sovviene di quel che dice Seneca in certa epistola dove referisce le paroli d’Epicuro ad un suo amico, che son queste: »Se amor di gloria ti tocca il petto, più noto e chiaro ti renderanno le mie lettere che tutte quest’altre cose che tu onori, e dalle quali sei onorato, e per le quali ti puoi vantare«. Similmente arria possuto dire Omero se si gli fusse presentato avanti Achille o Ulisse, Vergilio a Enea et alla sua progenia; perciò che, come ben suggionse quel filosofo morale, »è più conosciuto Domenea per le lettere d’Epicuro che tutti gli megistani, satra | pi e regi, dalli quali pendeva il titolo di Domenea, e la memoria de | 311 gli quali venea suppressa dall’alte tenebre de l’oblio. Non vive Attico per essere genero d’Agrippa e progenero de Tiberio, ma per l’epistole de Tullio. Druso pronepote di Cesare non si trovarebbe nel numero de nomi ¦ tanto grandi, se non vi l’avesse inserito Cicerone. Oh che ne sopraviene al capo una profonda altezza di tempo, sopra la quale non molti ingegni rizzaranno il capo«. Or per venire al proposito di questo furioso il quale vedendo una fenice accesa al sole, si rammenta del pro-



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wenn er nur dadurch geglänzt hätte, daß seine Sinnesart dem Schutz und der Förderung der Musen zugeneigt war, verdiente er schon, daß so viele berühmte Dichter in ihrem Genie ihm Hochachtung entgegenbrachten und ihn zu den berühmtesten Helden zählten, die je ihren Fuß auf den Rücken dieser Erde gesetzt haben. Die eigenen Studien und der eigene Glanz haben ihn höchst berühmt und edel gemacht, nicht seine Abstammung aus altehrwürdigem Königsgeschlecht, nicht seine Stellung als Geheimer Sekretär und Ratgeber des Augustus. Höchst berühmt, sage ich, hat ihn die Tatsache gemacht, daß er sich würdig erwiesen hat, daß sich das Versprechen jenes Dichters erfüllt, der gesagt hat: Fortunati ambo, si quid mea carmina possunt, nulla dies unquam memori vos eximet aevo, dum domus Aeneae Capitoli immobile saxum accolet, imperiumque pater Romanus habebit. Maricondo  Mir fällt dazu ein, was Seneca in einem seiner Briefe sagt, wo er die Worte des Epikur an einen Freund wiederholt; es sind die folgenden: »Wenn Ruhmesliebe an deine Brust rührt, werden dich meine Briefe bekannter und berühmter machen als all’ die anderen Dinge, die du verehrst und um derentwillen du verehrt wirst und mit denen du dich brüsten kannst.« Ähnliches hätte Homer sagen können, wenn Achilles oder Odysseus vor ihn getreten wäre, und Vergil zu Aeneas und dessen Nachkommenschaft. Auch ist, wie jener Moralphilosoph richtig hinzufügte, Idomeneus »durch die Briefe des Epikur bekannter geworden als all die Fürsten, Satrapen und Könige, von denen seine Stellung abhing und deren Andenken der tiefen Finsternis des Vergessens anheimgefallen ist. Atticus lebt nicht, weil er der Schwiegervater des Agrippa und seine Enkelin die Ehefrau des Tiberius war, sondern durch die Briefe des Cicero. Drusus, der Urgroßneffe Caesars, fände sich nicht unter der Zahl der großen Namen, wenn Cicero ihn dort nicht eingereiht hätte. Oh, über unsere Köpfe rollt die Flut der Zeit hinweg, aus der nicht viele große Geister ihren Kopf erheben werden.« Kommen wir nun zu unserem Thema zurück, diesem Leidenschaftlichen, der sich bei der Betrachtung eines von der Sonne in Brand gesteckten Phönix

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prio studio, e duolsi che come quella per luce et incendio che riceve, gli rimanda oscuro e tepido fumo di lode dall’olocausto della sua liquefatta sustanza. Qualmente giamai possiamo non sol raggionare, ma e né men pensare di cose divine, che non vengamo a detraergli più tosto che aggiongergli di gloria: di sorte che la maggior cosa che far si possa al riguardo di quelle, è che l’uomo in presenza de gli altri uomini vegna più tosto a magnificar se stesso per il studio et ardire, che donar splendore ad altro per qualche compita e perfetta azzione. Atteso che cotale non può aspettarsi dove si fa progresso all’infinito, dove l’unità et infinità son la medesima cosa; e non possono essere perseguitate dal altro numero, perché non è unità, né da altra unità perché non è numero, né da altro numero et unità: perché non sono medesimo absoluto et infinito. Là onde ben disse un teologo che essendo che il fonte della luce non solamente gli nostri intelletti, ma ancora gli divini di gran lunga sopraavanza, è cosa conveniente che ¦ non con discorsi e paroli, ma con silenzio vegna ad esser celebrata. | Cesarino  Non già col silenzio de gli animali bruti et altri che sono ad imagine e similitudine d’uomini: ma di quelli, il silenzio de quali è più illustre che tutti gli cridi, rumori e strepiti di costoro che possano esser uditi. IV. Maricondo  Ma procediamo oltre a vedere quel che significa il resto. Cesarino  Dite se avete prima considerato e visto quel che voglia dir questo fuoco in forma di core con quattro ali, de le quali due hanno gli occhi, dove tutto il composto è cinto de luminosi raggi, et hassi in circa scritta la questione: nitimur in cassum? Maricondo   Mi ricordo ben che significa il stato de la mente, core, spirito et occhi del furioso; ma leggiamo l’articolo:

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an das eigene Streben erinnert sieht und den es schmerzt, daß er, wie jener, für das empfangene Licht und Feuer dunklen und lauwarmen Rauch als Lobpreis aus dem Brandopfer seiner verflüssigten Substanz zurückgibt. So können wir niemals über göttliche Dinge reden und noch nicht einmal nachdenken, ohne von ihrem Ruhm eher etwas wegzunehmen, anstatt ihm etwas hinzuzufügen, so daß das beste Verhalten ihnen gegenüber folgendes ist: daß der Mensch vor den Augen der anderen Menschen eher sich selbst durch Strebsamkeit und Mut zu den Sternen erhebt, als daß er etwas anderem durch irgendeine vollbrachte und vollendete Tat Glanz schenkt. Denn eine solche Tat kann nicht erwartet werden, wo man auf dem Weg zum Unendlichen ist, wo Einheit und Unendlichkeit ein und dieselbe Sache sind; und diese können von keiner anderen Zahl aus verfolgt werden, weil keine andere Zahl die Einheit ist, und von keiner anderen Einheit aus, weil sie nicht die Zahl ist, und nicht von einer anderen Zahl und Einheit aus, weil sie nicht gleichzeitig absolut und unendlich sind. Deshalb sagte ein Theologe ganz richtig, da die Quelle des Lichts nicht nur unsere jeweilige Vernunft, sondern auch die der Götter ganz erheblich überragt, ist es angemessen, sie nicht mit Reden und Worten, sondern mit Stillschweigen zu feiern. Cesarino  Aber nicht mit dem Stillschweigen der wilden Tiere und anderer Lebewesen, die nur wie Menschen aussehen und nur wie Menschen tun, sondern derer, deren Stillschweigen rühmlicher ist als alle Schreie, Geräusche und Lärmereien derjenigen, die sich nur irgend vernehmen lassen. IV. Maricondo  Aber fahren wir fort, um zu sehen, was das übrige bedeutet. Cesarino  Sagt, habt Ihr schon einmal darüber nachgedacht und verstanden, was jenes Feuer in Form eines Herzens bedeuten soll, das vier Flügel hat, von denen zwei Augen haben, dessen ganzes Gebilde mit leuchtenden Strahlen umgeben ist und um das die Frage geschrieben steht: nitimur in cassum? Maricondo  Ich erinnere mich gut daran, daß es den Zustand von Geist, Herz, Denken und Augen des Leidenschaftlichen darstellt. Aber laß uns den Artikel lesen:

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 Questa mente ch’aspira al splendor santo, tant’alti studi disvelar non ponno; il cor, che recrear que’ pensier vonno, da guai non può ritrarsi più che tanto;   il spirto che devria posarsi alquanto, d’un moment’ al piacer non si fa donno; gli occhi ch’esser derrian chiusi dal sonno tutta la notte son aperti al pianto.   Oimè miei lumi con qual studio et arti tranquillar posso i travagliati sensi? Spirto mio, in qual tempo et in quai parti mitigarò gli tuoi dolori intensi? E tu, mio cor, come potrò appagarti | di quel ch’al grave tuo suffrir compensi?   Quand’ i debiti censi daratti l’alma, o travagliata mente, col cor, col spirto e con gli occhi dolente? ¦

 Perché la mente aspira al splendor divino, fugge il consorzio de la turba, si ritira dalla commune opinione: non solo dico e tanto s’allontana dalla moltitudine di suggetti, quanto dalla communità de studii, opinioni e sentenze; atteso che per contraer vizii et ignoranze tanto è maggior periglio, quanto è maggior il popolo a cui s’aggionge: »Nelli publici spettacoli« disse il filosofo morale, »mediante il piacere più facilmente gli vizii s’ingeriscono«. Se aspira al splendor alto, ritiresi quanto può all’unità, contrahasi quanto è possibile in se stesso, di sorte che non sia simile a molti, perché son molti; e non sia nemico de molti, perché son dissimili, se possibil fia serbar l’uno e l’altro bene: altrimente s’appiglie a quel che gli par megliore. – Conversa con quelli gli quali o lui possa far megliori, o da gli quali lui possa essere fatto megliore: per splendor

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 Dem Geist, der hin zum heiligen Glanze strebt, können viele hohe Studien nicht den Schleier lüften; das Herz, das die Gedanken stärken wollen, kann sich dem Unglück wenig nur entziehen;   das Denken, das ein wenig ruhen müßte, gönnt sich keinen Augenblick lang den Genuß; die Augen, die der Schlaf geschlossen haben müßte, steh’n die ganze Nacht lang offen, um zu weinen.   Oh meine Augen, weh, durch welches Streben, welche Kunst vermag ich die gequälten Sinne zu beruhigen? Mein Denken, wann und wo werd’ ich deine starken Schmerzen lindern? Und du, mein Herz, wie werde ich dir Frieden geben können durch etwas, das dein schweres Leid aufwiegt?   Wann wird dir die Seele geben, was man dir schuldig ist, oh du gequälter Geist, der du gemeinsam mit dem Herz, dem Denken und den Augen leidest?



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Weil der Geist nach dem göttlichen Glanz strebt, flieht der Leidenschaftliche die Gesellschaft der Menge, zieht sich von der gewöhnlichen Meinung zurück. Nicht nur, sage ich, zieht er sich genauso weit von der Vielzahl der Menschen zurück wie von der Gewöhnlichkeit der Studien, Meinungen und Urteile; denn die Gefahr, in Laster und Unwissenheit zu verfallen, ist umso größer, je größer die Menschenmenge ist, der man sich zugesellt: »In den öffentlichen Schauspielen«, sagte der Moralphilosoph, »schleichen sich mit Hilfe des Vergnügens die Laster leichter ein«. Wenn er nach dem edlen Glanz strebt, muß er sich, soweit er es vermag, zur Einheit zurückziehen, soweit als möglich in sich selbst zusammenziehen, so daß er nicht den Vielen ähnlich ist, weil es viele sind; doch sei er auch kein Feind der Vielen, weil sie ihm unähnlich sind. Wenn es möglich ist, soll er das Gleichgewicht zwischen dem einen wie dem anderen Gut bewahren. Ansonsten halte er sich an das, was ihm das Beste scheint. – Er verkehre mit denen, die entweder er bessern oder von denen er gebessert werden kann, und zwar durch den

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che possa donar a quelli, o da quelli possa ricever lui. Contentesi più d’uno idoneo che de l’inetta moltitudine; né stimarà d’aver acquistato poco quando è dovenuto a tale che sia savio per sé, sovvenendogli quel che dice Democrito: Unus mihi pro populo est, et populus pro uno; e che disse Epicuro ad un consorte de suoi studii scrivendo: Haec tibi, non multis; satis enim magnum alter alteri theatrum sumus. – La mente dumque ch’aspira alto, per la prima lascia la cura | della moltitudine, considerando che quella luce spreggia la fatica, e non si trova se non dove è l’intelligenza; e non ¦ dove è ogni intelligenza: ma quella che è, tra le poche, principali e prime, la prima, principale et una. Cesarino  Come intendi che la mente aspira alto? verbigrazia con guardar alle stelle? al cielo empireo? sopra il cristallino? Maricondo  Non certo, ma procedendo al profondo della mente per cui non fia mistiero massime aprir gli occhi al cielo, alzar alto le mani, menar i passi al tempio, intonar l’orecchie de simulacri, onde più si vegna exaudito: ma venir al più intimo di sé, considerando che Dio è vicino, con sé e dentro di sé, più ch’egli medesimo esser non si possa; come quello ch’è anima de le anime, vita de le vite, essenza de le essenze: atteso poi che quello che vedi alto o basso, o in circa (come ti piace dire) de gli astri, son corpi, son fatture simili a questo globo in cui siamo noi, e nelli quali non più né meno è la divinità presente che in questo nostro, o in noi medesimi. Ecco dumque come bisogna fare primeramente de ritrarsi dalla moltitudine in se stesso. Appresso deve dovenir a tale che non stime ma spreggie ogni fatica, di sorte che quanto più gli affetti e vizii combattono da dentro, e gli viziosi nemici contrastano di fuori, tanto più deve respirar e risorgere, e con uno spirito (se possibil fia) superar questo clivoso monte. Qua non bisognano altre armi e scudi che la grandezza d’un animo invitto, e toleranza de spirito

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Glanz, den er jenen schenken oder den er von ihnen erhalten kann. Er gebe sich eher mit einem zufrieden, der geeignet ist, als mit einer Vielzahl, die ungeeignet ist. Und er soll nicht glauben, wenig erreicht zu haben, wenn er zu einem geworden ist, der in sich selbst weise ist, eingedenk der Worte Demokrits: Unus mihi pro populo est, et populus pro uno, und eingedenk dessen, was Epikur zu einem der Gefährten seiner Studien sagte, als er schrieb: Haec tibi, non multis; satis enim magnum alter alteri theatrum sumus. – Der Geist also, der nach der Höhe strebt, hört als erstes auf, sich um die Menge zu kümmern, denn er überlegt sich, daß jenes Licht die Mühe verachtet und sich nur dort findet, wo Einsichtsfähigkeit ist; aber nicht dort, wo jede Art von Einsichtsfähigkeit ist, sondern dort, wo jene, die unter den wenigen, grundlegenden und ersten die erste, grundlegende und eine ist. Cesarino  Was meinst du damit, daß der Geist nach der Höhe strebt? Zum Beispiel, indem er zu den Sternen aufschaut? Zum Empyreum? Über den Kristallhimmel hinaus? Maricondo  Sicherlich nicht, sondern indem er in die Tiefe des Gei­ stes eindringt, wozu er nicht die Augen weit zum Himmel hin zu öffnen, die Hände in die Höhe zu heben, die Schritte zum Tempel zu lenken, die Ohren der Götterbilder, damit er besser erhört werde, vollzutönen braucht. Vielmehr muß er in das Innerste seiner selbst gelangen, in dem Bewußtsein, daß Gott nahe ist, mit ihm und in ihm, mehr als er selbst es sein kann, denn Gott ist die Seele der Seelen, das Leben der Leben, die Essenz der Essenzen. Was du nämlich in der Höhe oder in der Tiefe oder (wie du gerne sagst) inmitten der Sterne siehst, sind Körper, Machwerke ähnlich dem Erdball, auf dem wir uns befinden, und in ihnen ist die Göttlichkeit nicht mehr und nicht weniger gegenwärtig als in diesem unseren Globus oder in uns selbst. Das ist also die Art und Weise, auf die er sich als erstes von der Menge in sich selbst zurückziehen muß. Sodann muß er dahin kommen, jegliche Mühsal nicht für wichtig, sondern für unwichtig zu halten, und zwar auf folgende Weise: Je mehr die Gefühle und Laster von innen für Unruhe sorgen und die lasterhaften Feinde ihm von außen Widerstand leisten, desto stärker muß er durchatmen und Kraft schöpfen, um (möglichst) in einem Atemzug diesen steilen Berg zu überwinden. Hierbei sind keine anderen Waffen und Schilde nötig als die Größe eines unbezwingli-

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1087 – 1089

che mantiene l’equalità e tenor della vita, che procede dalla scienza, et è regolato da l’arte di specolar le cose alte e | basse, divine et umane, dove consiste quel sommo bene. Per cui disse un filosofo morale che scrisse a Lucilio: »non bisogna tranar le Scille, le Cariddi, penetrar gli deserti de Candavia et Apennini, o lasciarsi a dietro le Sirti: perché il camino è tanto sicuro ¦ e giocondo quanto la natura medesima abbia possuto ordinare. Non è« dice egli »l’oro et argento che faccia simile a Dio, perché non fa tesori simili; non gli vestimenti, perché Dio è nudo; non la ostentazione e fama, perché si mostra a pochissimi, e forse che nessuno lo conosce, e certo molti, e più che molti hanno mala opinion de lui«; non tante e tante altre condizioni de cose che noi ordinariamente admiriamo: perché non queste cose delle quali si desidera la copia ne rendeno talmente ricchi, ma il dispreggio di quelle. Cesarino  Bene: ma dimmi appresso in qual maniera costui »Tranquillarà gli sensi«, »mitigarà gli dolori del spirito«, »appagarà il core« e »darà gli proprii censi a la mente«, di sorte che con questo suo aspirare e studii non debba dire Nitimur in cassum? Maricondo  Talmente trovandosi presente al corpo che con la meglior parte di sé sia da quello absente, farsi come con indissolubil sacramento congionto et alligato alle cose divine, di sorte che non senta amor né odio di cose mortali, considerando d’esser maggiore che esser debba servo e schiavo del suo corpo: al quale non deve altrimente riguardare che come carcere che tien rinchiusa la sua libertade, vischio che tiene impaniate le sue penne, catena che tien strette le sue mani, ceppi che han fissi gli suoi piedi, velo che gli tien abbagliata la vista. Ma | con ciò non sia servo, cattivo, inveschiato, incatenato, discioperato, saldo e cieco: perché il corpo non gli può più tiranneggiare ch’egli medesimo si lasce; atteso che cossì il spirito proporzional ¦ mente gli è preposto, come il mondo corporeo e materia è suggetta alla divinitade

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zweiter teil · erster dialog 255

chen Charakters und die Langmut eines Geistes, die gemeinsam das Gleichgewicht und den Grundton seines Lebens wahren, eines Grundtons, der aus der Wissenschaft entspringt und von der Kunst geführt wird, hohe und niedere, göttliche und menschliche Dinge zu betrachten, worin das höchste Gut besteht. Darum sagte ein Moralphilosoph, der an Lucilius schrieb: »Man braucht nicht Skylla und Charybdis zu durchschwimmen, in die Einöden Kandaviens und der Apenninen einzudringen oder die Syrten hinter sich zu lassen. Denn der Weg ist so sicher und lieblich wie ihn die Natur selbst nur gestalten konnte. Es ist nicht Gold und Silber,« sagt er, »was uns gottähnlich macht, denn er legt keine derartigen Schätze an; nicht die Kleider, denn Gott ist nackt; nicht Prachtentfaltung und Ruhm, denn er zeigt sich nur sehr wenigen, und vielleicht kennt ihn niemand, sicherlich aber haben viele und mehr als viele eine falsche Meinung von ihm«; auch nicht der Besitz etlicher anderer Dinge, die wir gewöhnlich bewundern, denn nicht diese Dinge, die man sich in Mengen ersehnt, machen uns auf göttliche Art reich, sondern die Verachtung derselben. Cesarino  Gut. Aber sage mir nun auch, auf welche Weise er die Sinne beruhigen wird, die starken Schmerzen des Denkens lindern, dem Herzen Frieden geben und dem Geist geben, was man ihm schuldig ist, so daß er, Eifer und Bemühen zum Trotz, nicht sagen muß: Nitimur in cassum? Maricondo  Indem er im Körper zwar anwesend ist, mit dem be­ sten Teil von sich aber abwesend; indem er sich gleichsam durch einen unlöslichen, heiligen Schwur mit den göttlichen Dingen vereint und verbindet, so daß er weder Liebe noch Haß zu den sterblichen Dingen empfindet, weil er sich als zu erhaben betrachtet, um Diener und Sklave seines Körpers zu sein. Ihn darf er einzig als ein Gefängnis ansehen, das seine Freiheit eingeschlossen hält, als Kleister, der seine Federn verklebt, als Kette, die seine Hände zusammenbindet, als Fessel, die seine Füße festhält, als Schleier, der ihm die Sicht verhüllt. Aber all dem zum Trotz soll er nicht Sklave, Gefangener, zugekleistert, angekettet, handlungsunfähig, unbeweglich und blind sein: Der Körper kann ihn nämlich nicht stärker tyrannisieren, als er selbst es zuläßt, denn der Geist ist dem Körper in demselben Maß übergeordnet, wie die körperliche Welt und die Materie der Gottheit und der Natur unterworfen sind. So wird er sich stark machen gegenüber dem Schicksal, großmütig

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seconda parte · dialogo primo

1089 ¦ 1090

et a la natura. Cossì farassi forte contra la fortuna, magnanimo contra l’ingiurie, intrepido contra la povertà, morbi e persecuzioni. Cesarino  Bene instituito il furioso eroico. V. Cesarino  Appresso veggasi quel che séguita. Ecco la ruota del tempo affissa, che si muove circa il centro proprio: e vi è il motto: ­m anens moveor; che intendete per quella? Maricondo   Questo vuol dire che si muove in circolo: dove il moto concorre con la quiete, atteso che nel moto orbiculare sopra il proprio asse e circa il proprio mezzo si comprende la quiete e fermezza secondo il moto retto; over quiete del tutto, e moto secondo le parti; e da le parti che si muoveno in circolo si apprendeno due differenze di lazione, in quanto che successivamente altre parti montano alla sommità, altre dalla sommità descendeno al basso; altre ottegnono le differenze medianti, altre tegnono l’estremo dell’alto e del fondo. E questo tutto mi par che comodamente viene a significare quel tanto che s’esplica nel seguente articolo:  Quel ch’il mio cor aperto e ascoso tiene, beltà m’imprime et onestà mi cassa; | zelo ritiemmi, altra cura mi passa per là d’ond’ogni studio a l’alma viene:   quando penso suttrarmi da le pene, speme sustienmi, altrui rigor mi lassa; amor m’inalz’ e riverenz’ abbassa allor ch’aspiro a l’alt’ e sommo bene.   Alto pensier, pia voglia, studio intenso de l’ingegno, del cor, de le fatiche, a l’ogetto inmortal, divin, inmenso ¦   fate ch’aggionga, m’appiglie e nodriche; né più la mente, la raggion, il senso in altro attenda, discorra, s’intriche.

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gegenüber Ungerechtigkeiten, furchtlos gegenüber Armut, Krankheit und Verfolgung. Cesarino  Das sind gute Lebensregeln für den heroischen Leidenschaftlichen! 37 38

V. Cesarino  Betrachten wir nun das folgende. Sieh, hier ist das Rad der Zeit angebracht, das sich um seinen eigenen Mittelpunkt dreht. Und das Motto lautet: manens moveor. Wie deutet Ihr das? Maricondo  Dies will besagen, daß die Zeit sich kreisförmig bewegt: Hierbei fällt die Bewegung mit der Ruhe zusammen, denn in der Kreisbewegung um die eigene Achse und den eigenen Mittelpunkt ist vom Blickpunkt der geradlinigen Bewegung die Ruhe und Bewegungslosigkeit inbegriffen. Anders gesagt, sie ist Ruhe des Ganzen und Bewegung bei Betrachtung der Teile. Und bei den Teilen, die sich im Kreis bewegen, lassen sich zwei unterschiedliche Richtungen feststellen, insofern sich nacheinander die einen bis zum höchsten Punkt erheben, die anderen vom höchsten Punkt in die Tiefe hinabsteigen; die einen eine mittlere Lage einnehmen, die anderen sich an den Extrempunkten der Höhe und der Tiefe aufhalten. Und dies alles scheint mir das, was im folgenden Artikel erklärt wird, auf einfache Weise darzustellen:  Was mein Herz läßt sehen und was es hält verborgen, drückt mir die Schönheit ein und tilgt das Ehrgefühl. Eifer hält mich zurück, und eine andre Sorge zieht mich dorthin, woher sich alles Streben meiner Seele mitteilt.   Wenn ich erwäge, mich den Qualen zu entziehen, stützt mich die Hoffnung, und des andren Härte macht mich schwach; mich richtet Liebe auf, und Ehrerbietung beugt mich tief, wenn ich zum edlen, höchsten Gut hinstrebe.   Edle Gedanken, frommer Wille, starkes Streben von Geist, Herz, Mühen: Laßt zum unsterblichen, zum göttlichen, zum unermesslichen Objekt mich gelangen, an ihm Halt und Nahrung finden! Nicht mehr mögen Geist, Verstand, Gefühl andres erstreben, denken, sich darin verwirren.

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seconda parte · dialogo primo

1090 ¦ 1091

  Onde di me si diche: costui or ch’hav’affissi gli occhi al sole, che fu rival d’Endimion si duole.

 Cossì come il continuo moto d’una parte suppone e mena seco il moto del tutto, di maniera che dal ributtar le parti anteriori sia conseguente il tirar de le parti posteriori: cossì il motivo de le parti superiori resulta necessariamente nell’inferiori, e dal poggiar d’una potenza opposita séguita l’abbassar de l’altra opposita. Quindi viene il cor (che significa tutti l’affetti in generale) ad essere ascoso et aperto; ritenuto dal zelo, sullevato da magnifico pensiero; rinforzato da la speranza, indebolito dal timore. Et in questo stato e condizione si vederà sempre che trovarassi sotto il fato della generazione. VI. Cesarino  Tutto va bene; vengamo a quel che séguita. Veggio una nave inchinata su l’onde; et ha le | sarte attaccate a lido et ha il motto: | 325 fluctuat in portu. Argumentate quel che può significare: e se ne siete risoluto, esplicate. Maricondo  E la figura et il motto ha certa parentela col precedente motto e figura, come si può facilmente comprendere se alquanto si considera. Ma leggiamo l’articolo:

 Se da gli eroi, da gli dèi, da le genti assicurato son che non desperi; né téma, né dolor, né impedimenti de la morte, del corpo, de piaceri ¦   fia ch’oltre apprendi, che soffrisca e senti; e perché chiari vegga i miei sentieri, fàccian dubio, dolor, tristezza spenti speranza, gioia e gli diletti intieri.   Ma se mirasse, facesse, ascoltasse miei pensier, miei desii e mie raggioni,



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  Daher soll es von mir heißen: Wer die Augen auf die Sonne nun geheftet hält, den reut es, daß er einst Rivale des Endymion gewesen.

 Wie die fortlaufende Bewegung der einen Seite die Bewegung des Ganzen voraussetzt und mit sich bringt, so daß sich aus dem Herabstürzen der vorderen Teile das Heraufziehen der nachfolgenden ergibt, so liegt auch die Antriebskraft der höheren Teile notwendig in den niederen begründet, und aus dem Ansteigen eines Vermögens folgt das Sinken des entgegengesetzten Vermögens. Deshalb ist das Herz (das alle Gefühlsregungen überhaupt versinnbildlicht) sichtbar und verborgen; zurückgehalten vom Eifer, erhoben von großartigen Gedanken; gestärkt von der Hoffnung, geschwächt von Furcht. Und in diesem Zustand und Verhältnis wird es sich befinden, solange es dem Schicksal des Werdens und Vergehens unterworfen ist.

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VI. Cesarino  So weit, so gut. Kommen wir zum folgenden. Ich sehe ein Schiff in den Wellen. Die Taue sind am Ufer befestigt, und das Motto heißt: fluctuat in portu. Überlegt, was dies wohl bedeutet. Und wenn Ihr eine Lösung habt, erklärt sie. Maricondo  Sowohl das Bild als auch das Motto stehen in einer gewissen Verwandtschaft zum vorigen Motto und Bild, wie man leicht begreifen kann, wenn man ein wenig nachdenkt. Aber laßt uns den Artikel lesen:  Wenn mir Helden, Götter, Menschen versichern, daß ich nicht verzweifeln soll, werd’ ich weder Furcht, noch Schmerz, noch Hindernisse vor Tod, am Körper, für Genüsse   fürderhin erfahren, leiden und empfinden. Und damit ich meinen Weg klar sehe, sollen Hoffnung, Freude, alle die Vergnügen Zweifel, Schmerz und Trauer tilgen.   Wenn indes meine Gedanken, meine Wünsche, meine Überlegungen das Wesen wahrnähme, erfüllte, anerkennte,

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seconda parte · dialogo primo

1091 ¦ 1092

chi le rende sì ’ncerti, ardenti e casse,   sì graditi concetti, atti, sermoni, non sa, non fa, non ha qualumque stassi de l’orto, vita e morte a le maggioni.   Ciel, terr’, orco s’opponi; s’ella mi splend’, e accend’, et èmmi a lato, farammi illustre, potente, e beato.

 Da quel che ne gli precedenti discorsi abbiamo considerato e detto si può comprendere il sentimento di ciò, massime dove si è dimostrato che il senso | di cose basse è attenuato et annullato dove le potenze superiori sono gagliardamente intente ad oggetto più magnifico et eroico. È tanta la virtù della contemplazione (come nota Iamblico) che accade tal volta non solo che l’anima ripose da gli atti inferiori, ma et oltre lascie il corpo a fatto. Il che non voglio intendere altrimente che in tante maniere quali sono esplicate nel libro De’ trenta sigilli, dove son prodotti tanti modi di contrazzione. De quali alcune vituperosa, altre eroicamente fanno che non s’apprenda téma di morte, non si soffrisca dolor di corpo, non si sentano impedimenti di piaceri: onde la speranza, la gioia, e gli diletti del spirto superiore siano di tal sorte intenti, ¦ che faccian spente le passioni tutte che possano aver origine da dubbio, dolore e tristezza alcuna. Cesarino  Ma che cosa è quella da cui richiede che mire a que’ pensieri ch’ha resi cossì incerti, compisca gli suoi desii che fa sì ardenti, et ascolte le sue raggioni che rende sì casse? Maricondo  Intende l’oggetto il quale allora il mira, quando esso se gli fa presente; atteso che veder la divinità è l’esser visto da quella, come vedere il sole concorre con l’esser visto dal sole; parimente essere ascoltato dalla divinità è a punto ascoltar quella, et esser favorito da quella è il medesimo esporsegli; dalla quale una medesima et immobile proce-

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das sie so ungewiß, so brennend und so nutzlos macht:   So liebliche Begriffe, Taten, Worte weiß, vollbringt, hat keiner, der nur irgend in den Gefilden der Geburt, des Lebens und des Todes ist.   Mag sich Himmel, Erde, Hölle auch entgegenstellen, wenn sie mir leuchtet, mich entzündet und an meiner Seite steht, wird sie berühmt mich, mächtig, glücklich machen.



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Aus dem, was wir in den vorhergehenden Gesprächen erwogen und gesagt haben, läßt sich die Bedeutung hier erschließen, insbesondere aus den Stellen, an denen wir gezeigt haben, daß der Sinn für niedere Dinge geschwächt und vernichtet wird, wenn die höheren Vermögen mutig auf ein herrlicheres und heroischeres Objekt gerichtet sind. So groß ist die Kraft der Schau (wie Jamblichus bemerkt), daß die Seele manchmal nicht nur die niederen Tätigkeiten ruhen läßt, sondern sogar den Körper ganz verläßt. Das will ich nicht anders verstanden wissen, als auf die vielen Arten, die im Buch der dreißig Siegel erklärt worden sind, worin zahlreiche Weisen der Zusammenziehung vorgeführt werden. Einige von ihnen erreichen auf tadelnswerte, andere auf heroische Art, daß man keine Todesfurcht erfährt, keinen körperlichen Schmerz erleidet, keine Hindernisse für die Lust spürt, so daß die Hoffnung, die Freude, die Vergnügungen des höheren Geistes dermaßen angespannt sind, daß sie alle Leidenschaften austilgen, die nur je ihren Ursprung in Zweifel, Schmerz oder Trauer haben. Cesarino  Aber was ist das für ein Etwas, das er bittet, jene Gedanken wahrzunehmen, die es so unsicher gemacht hat, seine Wünsche zu erfüllen, die es so brennend macht und seine Überlegungen anzuerkennen, die es so nutzlos macht? Maricondo  Er meint das Objekt, das ihn in dem Augenblick wahrnimmt, da es ihm gegenwärtig wird. Denn die Gottheit sehen heißt, von ihr gesehen zu werden, wie das Sehen der Sonne damit zusammenfällt, von ihr gesehen zu werden. Ebenso besteht das Erhörtwerden durch die Gottheit gerade darin, auf sie zu hören, und von ihr Gnade zu empfangen heißt nichts anderes, als sich ihr hinzugeben. Von ihr, die ein- und dieselbe und unbeweglich ist, kommen unsichere und sichere Gedan-

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seconda parte · dialogo primo

1092 ¦ 1093

deno pensieri incerti e certi, desii ardenti et appagati, e raggioni exaudite e casse: secondo che degna, o indegnamente l’uomo se gli presenta con l’intelletto, affetto et azzioni. Come il medesimo nocchiero vien detto caggione della summersione o salute della | nave, per quanto che o è a quella presente, overo da quella trovasi absente; eccetto che il nocchiero per suo diffetto o compimento ruina e salva la nave: ma la divina potenza che è tutta in tutto, non si porge o suttrae se non per altrui conversione o aversione.

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VII. Maricondo  Con questa dumque mi par ch’abbia gran concatenazione e conseguenza la figura seguente, dove son due stelle in forma de doi occhi radianti con il suo motto che dice: mors et vita. Cesarino  Leggete dumque l’articolo. ¦ Maricondo   Cossì farò:

 Per man d’amor scritto veder potreste nel volto mio l’istoria de mie pene; ma tu perché il tuo orgoglio non si affrene et io infelice eternamente reste,   a le palpebre belle a me moleste asconder fai le luci tant’amene, ond’il turbato ciel non s’asserene, né caggian le nemiche ombre funeste.   Per la bellezza tua, per l’amor mio, ch’a quella (benché tanta) è forse uguale, rèndite a la pietà (diva) per dio.   Non prolongar il troppo intenso male, ch’è del mio tanto amar indegno fio: non sia tanto rigor con splendor tale.   Se ch’io viva ti cale, | del grazioso sguardo apri le porte: mirami, o bella, se vuoi darmi morte.



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ken, brennende und befriedigte Wünsche, erhörte und nutzlose Überlegungen, je nachdem, ob der Mensch sich ihr gegenüber in Vernunft, Gefühl und Handeln als würdig oder unwürdig erweist. So ist derselbe Steuermann für Untergang oder Heil seines Schiffes verantwortlich, je nachdem, ob er an- oder abwesend ist – mit dem Unterschied, daß der Steuermann aus Unfähigkeit beziehungsweise Kunstfertigkeit sein Schiff zugrunde richtet oder rettet. Das göttliche Vermögen hingegen, das alles in allem ist, bietet sich an oder entzieht sich einzig dadurch, daß das Gegenüber sich zu- oder abwendet.

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VII. Maricondo  Damit steht, wie mir scheint, das nächste Bild in engem Zusammenhang und in direkter Folge: In ihm sieht man zwei Sterne in der Gestalt zweier strahlender Augen, und sein Motto lautet: mors et vita. Cesarino  Lest also den Artikel. Maricondo  Das will ich tun:  Von der Liebe Hand geschrieben könntest du in meinem Antlitz die Geschichte meiner Leiden sehen. Aber du, damit dein Stolz sich niemals zügle und ich in Ewigkeit unglücklich bleibe,   läßt die schönen Lider, die mich stören, die so holden Lichter mir verbergen. So hellt der aufgewühlte Himmel sich nicht auf, noch lassen sich des Tods feindliche Schatten so vertreiben.   Um deiner Schönheit willen, um meiner Liebe willen, die (sei jene noch so groß) ihr wohl entspricht, um Gottes willen, zeigt euch barmherzig, Göttin.   Verlängert nicht das allzu starke Übel, das eine ungerechte Strafe meiner Liebesmühen ist: Es sei nicht so viel Härte mit solchem Glanz vereint.   Wenn dir an meinem Leben etwas liegt, öffne dem anmutsvollen Blick die Pforten, und schau mich an, du Schöne, wenn du mich töten willst.



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seconda parte · dialogo primo

1093 ¦ 1094

Qua il »volto in cui riluce l’istoria de sue pene« è l’anima, in quanto che è esposta alla recepzion de doni superiori, al riguardo de quali è in potenza et attitudine, senza compimento di perfezzione et atto: il qual aspetta la ruggiada divina. Onde ben fu detto: Anima mea sicut terra sine aqua tibi. Et altrove: Os meum aperui et attraxi spiritum, quia mandata tua desiderabam. Appresso, l’»orgoglio che non s’affrena« è detto per metafora e similitudine (come de Dio tal volta si dice gelosia, ira, sonno): e quello significa la difficultà con la quale egli fa copia di far veder al meno le sue spalli, che è il farsi conoscere mediante le cose posteriori, et effetti. Cossì copre le luci con ¦ le palpebre, non asserena il turbato cielo de la mente umana, per toglier via l’ombra de gli enigmi e similitudini. – Oltre (perché non crede che tutto quel che non è non possa essere) priega la divina luce che »per la sua bellezza« la quale non deve essere a tutti occolta, almeno secondo la capacità de chi la mira, e »per il suo amore che forse a tanta bellezza è uguale« (uguale intende de la beltade in quanto che la se gli può far comprensibile), che »si renda alla pietà«, cioè che faccia come quelli che son piatosi, quali da ritrosi e schivi si fanno graziosi et affabili: e che »non prolonghe il male« che avviene da quella privazione; e non permetta che il suo »splendor« per cui è desiderata, appaia maggiore che il suo amore con cui si communiche: stante che tutte le perfezzioni in lei | non solamente sono uguali, ma ancor medesime. – Al fine la ripriega che non oltre l’attriste con la privazione; perché potrà ucciderlo con la luce de suoi sguardi, e con que’ medesimi donargli vita: e però non lo lasce a la morte con ciò che le amene luci siano ascose da le palpebre. Cesarino  Vuol dire quella morte de amanti che procede da somma gioia, chiamata da Cabalisti mors osculi? la qual medesima è vita eterna,

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Hier ist das Antlitz, aus dem die Geschichte seiner Leiden leuchtet, die Seele, insofern ihr die Aufnahme höherer Gaben abverlangt wird, denen gegenüber sie Vermögen und Eignung, nicht aber die Erfüllung in Vollendung und Akt besitzt: diese harrt der göttlichen Tautropfen. Man hat deshalb ganz richtig gesagt: Anima mea sicut terra sine aqua tibi. Und an anderer Stelle: Os meum aperui et attraxi spiritum, quia mandata tua desiderabam. Sodann ist der Stolz, der sich nicht zügelt, als Metapher und Gleichnis gemeint (wie man manchmal von Gottes Eifersucht, Zorn oder Schlaf redet). Damit ist die Schwierigkeit gemeint, mit der Gott sich dazu herabläßt, wenigstens seinen Rücken zu zeigen, das heißt sich in den Folgen und Wirkungen zu erkennen zu geben. So bedeckt Gott seine Lichter mit den Augenlidern, hellt den aufgewühlten Himmel des menschlichen Geistes nicht auf, beseitigt nicht die Schatten der Rätsel und Gleichnisse. – Im weiteren (weil der Leidenschaftliche nicht glaubt, daß alles, was nicht ist, nicht sein kann) bittet er das göttliche Licht, um seiner Schönheit willen, die nicht allen oder zumindest nur entsprechend dem Fassungsvermögen dessen, der sie ansieht, verborgen bleiben darf, und um seiner Liebe willen, die so großer Schönheit wohl entspricht (entspricht in dem Maße, in dem die Schönheit sich ihm begreiflich machen kann), daß es sich barmherzig zeige, also sich so verhalte wie die Barmherzigen, die sich erst spröde und widerspenstig, dann aber gnädig und freundlich zeigen; und daß es das Übel nicht verlängere, das dadurch entsteht, daß es sich auf jene Weise vorenthält, und nicht zulasse, daß sein Glanz, um dessentwillen es begehrt wird, größer erscheine als seine Liebe, durch die es sich mitteilt. Denn alle Vollkommenheiten sind im göttlichen Licht nicht nur gleich groß, sondern sogar ein- und dieselbe. – Am Schluß bittet er das Licht erneut, ihn nicht weiter zu betrüben, indem es sich ihm vorenthält, weil es ihm doch mit dem Licht seiner Blicke gleichzeitig den Tod bringen und das Leben schenken kann. Also möge es ihn nicht dadurch dem Tod überlassen, daß die holden Lichter durch die Augenlider verborgen werden. Cesarino  Meint er damit jenen Tod der Liebenden, der aus der höchsten Wonne kommt und von den Kabbalisten mors osculi genannt wird? Der gleichzeitig das ewige Leben ist, das der Mensch in seiner

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seconda parte · dialogo primo

1094 ¦ 1095

che l’uomo può aver in disposizione in questo tempo, et in effetto nell’eternità? Maricondo  Cossì è. VIII. Maricondo  Ma è tempo di procedere a considerar il seguente dissegno simile a questi prossimi avanti rapportati, con li quali ha certa conseguenza. Vi è un’aquila che ¦ con due ali s’appiglia al cielo; ma non so come e quanto vien ritardata dal pondo d’una pietra che tien legata a un piede. Et èvvi il motto: scinditur incertum. E certo significa la moltitudine, numero e volgo delle potenze de l’anima; alla significazion della quale è preso quel verso: Scinditur incertum studia in contraria vulgus.

Il qual volgo tutto generalmente è diviso in due fazzioni (quantumque subordinate a queste non mancano de l’altre), de le quali altre invitano a l’alto dell’intelligenza e splendore di giustizia; altre allettano, incitano e forzano in certa maniera al basso, alle sporcizie delle voluttadi, e compiacimenti de voglie naturali. Onde dice l’articolo: |  Bene far voglio, e non mi vien permesso; meco il mio sol non è, bench’io sia seco, che per esser con lui, non son più meco, ma da me lungi, quanto a lui più presso.   Per goder una volta, piango spesso; cercando gioia, afflizzion mi reco; perché veggio tropp’alto, son sì cieco; per acquistar mio ben, perdo me stesso.   Per amaro diletto, e dolce pena, impiombo al centro, e vers’ il ciel m’appiglio; necessità mi tien, bontà mi mena;   sorte m’affonda, m’inalza il consiglio;

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zweiter teil · erster dialog 267

irdischen Zeit der Anlage nach, in der Ewigkeit aber als Wirklichkeit haben kann? Maricondo  So ist es.

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VIII. Maricondo  Aber es ist an der Zeit, zur Betrachtung der näch­ sten Zeichnung überzugehen, die jenen unmittelbar zuvor besprochenen ähnlich ist und sie in gewisser Weise fortsetzt. Hier ist ein Adler, der sich mit beiden Flügeln zum Himmel aufschwingt; aber er wird, ich weiß nicht recht wie und wie stark, vom Gewicht eines Steines zurückgehalten, der an einen seiner Füße gebunden ist. Anbei steht das Motto: scinditur incertum. Und das meint sicherlich Menge, Zahl und Masse der seelischen Vermögen; in diesem Sinne ist jener Vers verwendet worden: Scinditur incertum studia in contraria vulgus.

Jene Masse ist als ganze im allgemeinen in zwei Parteien geteilt (wobei es allerdings nicht an weiteren, diesen untergeordneten fehlt), deren eine zur Höhe der Vernunft und zum Glanz der Gerechtigkeit einlädt, die andere aber gewissermaßen in die Tiefe, zu den Schmutzigkeiten der Lüste und zur Befriedigung der natürlichen Begierden lockt, anstachelt und zwingt. Daher heißt es in dem Artikel:  Gutes will ich tun, es wird mir nicht gestattet; mit mir ist meine Sonne nicht, obgleich mit ihr ich bin, denn, um mit ihr zu sein, bin ich nicht mehr mit mir, sondern umso ferner mir, je näher ich ihr bin.   Um einmal zu genießen, fließen häufig meine Tränen; Freude suchend schaff’ ich Kummer mir; weil allzu sehr ich in die Höhe schau’, bin ich so blind; damit mein Gut mir zufällt, verliere ich mich selbst.   Um des bitteren Vergnügens willen und der süßen Pein stürz’ ich mitten in die Erde und schwinge mich zum Himmel auf; Notwendigkeit hält mich gefesselt, Güte führt mich an;   das Schicksal zieht mich auf den Grund, es erhebt mich mein Entschluß.

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seconda parte · dialogo primo

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desio mi sprona, et il timor m’affrena; cura m’accende, e fa tard’ il periglio.   Qual dritto o divertiglio mi darà pace, e mi torrà de lite, s’avvien ch’un sì mi scacce, e l’altro invite? ¦

 L’ascenso procede nell’anima dalla facultà et appulso ch’è nell’ali, che son l’intelletto et intellettiva volontade, per le quali essa naturalmente si referisce et ha la sua mira a Dio come a sommo bene e primo vero, come all’absoluta bontà e bellezza. Cossì come ogni cosa naturalmente ha impeto verso il suo principio regressivamente, e progressivamente verso il suo fine e perfezzione, come ben disse Empedocle; da la cui sentenza mi par che si possa inferire quel che disse il Nolano in questa ­ottava: | Convien ch’ il sol d’onde parte raggiri, e al suo principio i discorrenti lumi; el ch’è di terra, a terra si retiri, e al mar corran dal mar partiti fiumi, et ond’ han spirto e nascon i desiri aspiren come a venerandi numi: cossì dalla mia diva ogni pensiero nato, che torne a mia diva è mistiero. La potenza intellettiva mai si quieta, mai s’appaga in verità compresa, se non sempre oltre et oltre procede alla verità incomprensibile: cossì la volontà che séguita l’apprensione, veggiamo che mai s’appaga per cosa finita. Onde per consequenza non si referisce l’essenza de l’anima ad altro termine che al fonte della sua sustanza et entità. Per le potenze poi naturali, per le quali è convertita al favore e governo della materia, viene a referirse et aver appulso, a giovare et a comunicar de la sua perfezzione ¦ a cose inferiori, per la similitudine che ha con la divinità, che

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zweiter teil · erster dialog 269

Sehnsucht spornt mich an, Furcht bremst mich; Eifer stecket mich in Brand, klein hält ihn die Gefahr.   Welcher Weg, sei’s ein gerader, sei’s ein Umweg, wird mir Frieden geben und mich aus der Zwietracht lösen, wenn doch der eine mich verjagt, der andre einlädt?

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Der Aufstieg der Seele hat seinen Ausgangspunkt in der Fähigkeit und dem Antrieb, der in den Flügeln liegt, das heißt der Vernunft und dem vernünftigen Willen; sie sind der Grund für die natürliche Beziehung und Blickrichtung der Seele zu Gott als dem höchsten Gut und ersten Wahren, als absoluter Güte und Schönheit. So hat sie, wie jedes Ding, von Natur aus den Drang rückwärts zu ihrem Anfang und vorwärts zu ihrem Ende und ihrer Vollendung, wie Empedokles richtig gesagt hat; aus dessen Ausspruch läßt sich meiner Meinung nach gut folgern, was der Nolaner in dieser Stanze ausgedrückt hat: So ist es eingerichtet, daß die Sonne sich dorthin, wo sie begonnen, und zu ihrem Ausgangspunkt die Wandelsterne; [ wieder wendet, daß das, was von der Erde kommt, zur Erde wiederkehrt und zum Meer die Flüsse fließen, die vom Meere ausgegangen, und daß dorthin, woher die Begehren Geist und Leben haben, sie wie zu Göttern streben, die zu ehren sind. So muß ein jeglicher Gedanke, der aus meiner Göttin ward geboren, denn zu meiner Göttin auch sich wieder kehren.

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Das Erkenntnisvermögen kommt nie zur Ruhe, nie gibt es sich mit einer begriffenen Wahrheit zufrieden, sondern schreitet immer weiter und weiter zur unbegreiflichen Wahrheit fort. Ebenso sehen wir, daß sich der Wille, der dem Begreifen folgt, niemals mit einer endlichen Sache zufriedengibt. Daraus folgt, daß das Wesen der Seele kein anderes Endziel kennt als die Quelle ihrer Substanz und ihres Seins. Durch ihre natürlichen Vermögen aber, mit denen sie der Förderung und Beherrschung der Materie zugewandt ist, fühlt sie sich dazu veranlaßt und angetrieben, den niederen Dingen zu helfen und ihnen von ihrer Vollkommenheit mitzuteilen, denn sie ist der Gottheit ähnlich, die

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seconda parte · dialogo primo

1097 ¦ 1098

per la sua bontade si comunica o infinitamente producendo, idest communicando l’essere a l’universo infinito, e mondi innumerabili in quello; o finitamente, producendo solo questo universo suggetto alli nostri occhi e comun raggione. Essendo dumque che nella essenza unica de l’anima se ritrovano questi doi geni de potenze, secondo che è ordinata et al proprio e l’altrui bene, accade che si depinga con un paio d’ali, mediante le quali è potente verso l’oggetto delle prime et immateriali potenze; e con un greve sasso, per cui è atta et efficace verso gli oggetti delle seconde e materiali potenze. Là onde procede che l’affetto intiero del furioso sia ancipite, diviso, trava | glioso, e messo in facilità de inchinare più al basso, che di forzarsi ad alto: atteso che l’anima si trova nel paese basso e nemico, et ottiene la regione lontana dal suo albergo più naturale, dove le sue forze son più sceme. Cesarino  Credi che a questa difficultà si possa riparare? Maricondo  Molto bene; ma il principio è durissimo, e secondo che si fa più e più fruttifero progresso di contemplazione, si doviene a maggiore e maggior facilità. Come avviene a chi vola in alto, che quanto più s’estoglie da la terra, vien ad aver più aria sotto che lo sustenta, e consequentemente meno vien fastidito dalla gravità; anzi tanto può volar alto, che senza fatica de divider l’aria non può tornar al basso, quantumque giudicasi che più facil sia divider l’aria profondo verso la terra, che alto verso l’altre stelle. ¦ Cesarino  Tanto che col progresso in questo geno, s’acquista sempre maggiore e maggiore facilità di montare in alto? Maricondo  Cossì è; onde ben disse il Tansillo: Quanto più sott’ il piè l’aria mi scorgo, più le veloci penne al vento porgo: e spreggio il mondo, e verso il ciel m’invio.

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sich aufgrund ihrer Güte mitteilt, indem sie einerseits in unendlicher Weise erschafft, idest dem unendlichen Universum und den unzähligen Welten darin das Sein mitteilt, andererseits in endlicher Weise, indem sie allein dies unseren Augen und dem gewöhnlichen Verstand unterworfene Universum hervorbringt. Da sich in der einen Substanz der Seele nun diese beiden Arten von Vermögen finden, insofern sie ja sowohl für das eigene als auch für das fremde Wohl zu sorgen hat, wird sie hier mit einem Paar Flügel dargestellt, durch die sie befähigt ist, zum Objekt der ersten und immateriellen Vermögen zu streben, und mit einem schweren Stein, der sie tätig und wirksam gegenüber den Objekten der zweiten und materiellen Potenzen sein läßt. Daraus folgt, daß das Fühlen des Leidenschaftlichen als Ganzes doppeldeutig, geteilt und quälend ist, zudem mit Leichtigkeit dazu gebracht wird, sich eher der Tiefe zuzuneigen als sich nach der Höhe zu strecken. Denn die Seele befindet sich in einer niedrigen und feindlichen Region und erhält als Wohnsitz einen Ort, der weit entfernt von ihrem eigentlich naturgemäßen Aufenthalt ist und an dem ihre Kräfte geschwächter sind. Cesarino  Glaubst du, daß man diese Schwierigkeit beheben kann? Maricondo  Sehr gut sogar, aber der Anfang ist überaus schwer, doch je mehr und mehr der Fortschritt in der Betrachtung Früchte trägt, desto leichter und leichter wird es. So ist es ja auch beim Fliegen: Je mehr man sich von der Erde hebt, desto mehr Luft trägt einen von unten, und folglich lastet die Schwerkraft weniger. Man kann sogar so hoch fliegen, daß man, ohne sich anzustrengen, die Luft zu zerteilen, nicht in die Tiefe zurückkehren kann, obgleich behauptet wird, es sei leichter, die tiefe, zur Erde hin liegende Luft als die hohe, zu den anderen Sternen hin liegende zu zerteilen. Cesarino  Wer also auf diese Art fortschreitet, erwirbt eine immer größere und größere Leichtigkeit des Aufsteigens? Maricondo  So ist es, und daher hat Tansillo richtig gesagt: Ich halt’, je mehr an Luft ich unter meinen Füßen sehe, desto stärker meine schnellen Schwingen in den Wind, veracht’ die Welt und mache mich gen Himmel auf.

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seconda parte · dialogo primo

1098 ¦ 1099

Come ogni parte de corpi e detti elementi quanto più s’avvicina al suo luogo naturale, tanto con maggior impeto e forza va, sin tanto che al fine (o voglia o non) bisogna che vi pervegna. Qualmente | dumque veggiamo nelle parti de corpi a gli proprii corpi, cossì doviamo giudicare de le cose intellettive verso gli proprii oggetti, come proprii luoghi, patrie e fini. Da qua facilmente possete comprendere il senso intiero significato per la figura, per il motto e per gli carmi. Cesarino  Di sorte che quanto vi s’aggiongesse, tanto mi parrebe soverchio.

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IX. Cesarino  Vedasi ora quel che vien presentato per quelle due saette radianti sopra una targa, circa la quale è scritto vicit instans. Maricondo  La guerra continua tra l’anima del furioso la qual gran tempo per la maggior familiarità che avea con la materia, era più dura et inetta ad esser penetrata da gli raggi del splendor della divina intelligenza e spezie della divina bontade; per il qual spacio dice ch’il cor smal ¦ tato de diamante, cioè l’affetto duro et inetto ad esser riscaldato e penetrato, ha fatto riparo a gli colpi d’amore che aportavano gli assalti da parti innumerabili. Vuol dire non ha sentito impiagarsi da quelle piaghe de vita eterna de le quali parla la Cantica quando dice: Vulnerasti cor meum, o dilecta, vulnerasti cor meum. Le quali piaghe non son di ferro, o d’altra materia, per vigor e forza de nervi; ma son freccie de Diana o di Febo: cioè o della dea de gli deserti della contemplazione de la Veritade, cioè della Diana che è l’ordine di seconde intelligenze che riportano il splendor ricevuto dalla prima, per comunicarlo a gli altri che son privi de più aperta visione; o pur del nume più principale Apollo che con il proprio e non improntato splendore | manda le sue | 343 saette, cioè gli suoi raggi, da parti innumerabili tali e tante che son tutte



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Ebenso zieht an jedem Teil des Körpers und der sogenannten Elemente desto größere Gewalt und Kraft, je mehr er sich seinem natürlichen Ort nähert, bis er schließlich (ob er will oder nicht) notwendigerweise dort ankommt. Wie wir dies also zwischen den Teilen der Körper und den ihnen eigenen Körpern am Werk sehen, so müssen wir es auch zwischen den geistigen Dingen und den ihnen eigenen Objekten als den ihnen besonderen Orten, Heimstätten und Endzielen annehmen. So könnt Ihr nun leicht die ganze Bedeutung des Bildes, des Mottos und der Verse begreifen. Cesarino  Was wir hier noch hinzufügen könnten, schiene mir daher sämtlich überflüssig.

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IX. Cesarino  Laßt uns nun sehen, was durch die beiden strahlenden Pfeile über einem Schild vorgestellt wird, um den sich die Inschrift rankt: vicit instans. Maricondo  Der beständige Kampf in der Seele des Leidenschaftlichen, die lange Zeit, weil sie engeren Umgang mit der Materie pflegte, zu hart und ungeeignet war, um von den Strahlen des Glanzes der göttlichen Vernunft und der Erscheinung der göttlichen Güte durchdrungen zu werden. Während dieses Zeitraums, sagt er, war das Herz mit diamantenem Schmelz überzogen, es war also das Gefühl verhärtet und konnte weder erwärmt noch durchdrungen werden, so daß es vor den Schlägen der Liebe, die es von unzähligen Seiten her angriffen, geschützt war. Er will damit sagen, daß er sich nicht mit den Wunden des ewigen Lebens verwundet fühlte, von denen das Hohelied spricht, wenn es darin heißt: Vulnerasti cor meum, o dilecta, vulnerasti cor meum. Das sind keine Wunden, wie sie Eisen oder eine andere Materie durch Kraft oder Gewalt von Muskeln schlagen, sondern es sind Pfeile der Diana oder des Phoebus, das heißt entweder Pfeile der Göttin der einsamen Wahrheitsschau, also Dianas, die für die Ordnung der zweiten Vernunftwesen steht, die den Glanz wiedergeben, den sie vom ersten Vernunftwesen erhalten haben, um ihn den anderen, die ohne klarere Sicht sind, mitzuteilen; oder es sind Pfeile der vor- und erstrangigen Gottheit, Apollo, der mit eigenem und nicht mit geliehenem Glanz seine Pfeile, also seine Strahlen, von unzähligen Seiten her schickt, und zwar so viele und solche, wie es Erscheinungsformen der Dinge gibt, die alle

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1099 ¦ 1100

le specie delle cose, le quali son indicatrici della divina bontà, intelligenza, beltade e sapienza, secondo diversi ordini dall’apprension dovenir furiosi amanti, percioché l’adamantino suggetto non ripercuota dalla sua superficie il lume impresso: ma rammollato e domato dal calore e lume, vegna a farsi tutto in sustanza luminoso, tutto luce, con ciò che vegna penetrato entro l’affetto e concetto. Questo non è subito nel principio della generazione quando l’anima di fresco esce ad esser inebriata di Lete et imbibita de l’onde de l’oblio e confusione: onde il spirito vien più cattivato al corpo e messo in essercizio della vegetazione, et a poco a poco si va digerendo per esser atto a gli atti della ¦ sensitiva facultade, sin tanto che per la razionale e discorsiva vegna a più pura intellettiva, onde può introdursi a la mente e non più sentirsi annubilata per le fumositadi di quell’umore che per l’exercizio di contemplazione non s’è putrefatto nel stomaco, ma è maturamente digesto. – Nella qual disposizione il presente furioso mostra aver durato »sei lustri«, nel discorso de quali non era venuto a quella purità di concetto che potesse farsi capace abitazione delle specie peregrine, che offrendosi a tutte ugualmente batteno sempre alla porta de l’intelligenza. Al fine l’amore che da diverse parti et in diverse volte l’avea assaltato come in vano (qualmente il sole in vano se dice lucere e scaldare a quelli che son nelle viscere de la terra et opaco profondo), per essersi »accampato in quelle luci sante«, cioè per aver mostrato per due specie intelligibili la divina bellezza, la quale con la raggione di verità gli legò l’intelletto e con la raggione di | bontà scaldògli l’affetto, vennero superati gli »studi« materiali e sensitivi che altre volte soleano come trionfare, rimanendo (a mal grado de l’eccellenza de l’anima) intatti; perché quelle luci che facea presente l’intelletto agente illuminatore e sole d’intelligenza, ebbero »facile entrata« per le sue luci (quella della verità per la porta de la potenza intellettiva, quella della bontà per la porta della ­potenza appetitiva) »al core«, cioè alla sustanza del generale affetto.

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auf die göttliche Güte, Vernunft, Schönheit und Weisheit hinweisen, und je nachdem, wie diese Strahlen aufgenommen werden, fallen die lei­denschaftlichen Liebenden aus, weil das verhärtete Subjekt nicht mehr von seiner Oberfläche das eindringende Licht zurückwirft, sondern durch Hitze und Licht erweicht und bezwungen in seiner ganzen Sub­ stanz lichtvoll und selbst ganz zu Licht wird, indem sein Fühlen und Begreifen durchdrungen wird. Das geschieht nicht sofort am Anfang des Werdens, wenn die Seele noch ganz berauscht aus dem Lethefluß und trunken aus den Wellen des Vergessens und der Verwirrung heraustritt, denn da ist der Geist enger an den Körper gekettet und mit dem Wachsen und Gedeihen beschäftigt, und erst nach und nach richtet er sich so ein, daß er befähigt wird, seine Vermögen zu gebrauchen, zuerst das Gefühl, bis er über Verstand und Über­legung zur reineren Vernunft gelangt, von wo er sich zum reinen Geist erheben kann und sich nicht mehr durch die Dämpfe jenes Safts benebelt fühlen muß, der dank seiner Übung in vernunftgemäßer Betrachtung nicht im Magen verfault, sondern reiflich verdaut ist. – In diesem Zustand bekennt der hier in Frage stehende Leidenschaftliche, sechs Jahrfünfte verbracht zu haben, in deren Verlauf er nicht zu jener Reinheit des Erfassens gekommen sei, als daß sein Fassungsvermögen als Wohnstatt für fremde Erscheinungen hätte dienen können, die, allen in gleicher Weise sich darbietend, immer an die Pforte der Einsicht klopfen. Schließlich hat sich die Liebe, die ihn von verschiedenen Seiten und verschiedene Male scheinbar vergeblich angefallen hatte (wie es heißt, die Sonne beleuchte und wärme jene vergeblich, die im Innern der Erde und in dunkler Tiefe sind), in jenen heiligen Lichtern niedergelassen, hat ihm also in zwei intelligiblen Erscheinungen die göttliche Schönheit gezeigt. Diese fesselte ihm mit der Überzeugungskraft der Wahrheit die Vernunft und erwärmte ihm mit der Überzeugungskraft der Güte das Gefühl, wodurch es zur Überwindung des materiellen und sinnlichen Strebens kam, das manches Mal zu triumphieren schien, da es (trotz der Vortrefflichkeit der Seele) ungebrochen blieb. Denn nun fanden jene Lichter, welche die tätige, erleuchtende Vernunft, die Sonne der Einsichtskraft, vergegenwärtigte, leichten Zugang durch seine Augen (das Licht der Wahrheit durch die Tür des Einsichtsvermögens und das Licht der Güte durch die Tür des begehrenden Vermögens) zum Herzen, also zur Substanz des gesamten

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1100 – 1102

Questo fu »quel doppio strale che venne« come »da man de guerriero irato«, cioè più pronto, più efficace, più ardito, che per tanto tempo innanzi s’era ¦ dimostrato come più debole o negligente. Allora quando primieramente fu sì scaldato et illuminato nel concetto, fu quello vittorioso punto e momento, per cui è detto: Vicit instans. Indi possete intendere il senso della proposta figura, motto, et articolo che dice:  Forte a i colpi d’amor feci riparo quand’ assalti da parti varie e tante soffers’ il cor smaltato di diamante; ond’ i miei studi de suoi trionfaro.   Al fin (come gli cieli destinaro) un dì accampossi in quelle luci sante, che per le mie sole tra tutte quante facil entrata al cor mio ritrovaro.   Indi mi s’avventò quel doppio strale, che da man di guerrier irato venne, qual sei lustri assalir mi seppe male:   notò quel luogo, e forte vi si tenne, piantò ’l trofeo di me là d’onde vale tener ristrette mie fugaci penne. |   Indi con più sollenne apparecchio, mai cessano ferire mio cor, del mio dolce nemico l’ire.

 Singular instante fu il termine del cominciamento e perfezzione della vittoria. Singulari gemine specie furon quelle, che sole tra tutte quante trovaro facile entrata; ¦ atteso che quelle contegnono in sé l’efficacia e virtù de tutte l’altre: atteso che qual forma megliore e più eccellente può presentarsi che di quella bellezza, bontà e verità, la quale è il fonte d’ogn’altra verità, bontà, beltade? »Notò quel luogo«, prese possessione de l’affetto, rimarcollo, impressevi il carattere di sé; »e forte vi si tenne«,

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Gefühls. Das war jener zweifache Pfeil, der von der Hand des zornigen Kriegers kam, also umso schneller, wirkungsvoller und kühner, als er sich zuvor so lange Zeit als eher schwach oder nachlässig erwiesen hatte. Als zum ersten Mal sein Auffassungsvermögen ganz von Wärme und Licht erfüllt war, da war jener siegreiche Punkt und Augenblick erreicht, um dessentwillen es heißt: Vicit instans. Nun könnt Ihr den Sinn des vorliegenden Bildes, des Mottos und des Artikels verstehen, welcher lautet: 

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Kraftvoll schützt’ ich mich vor Amors Schlägen, während Überfälle von verschied’nen Seiten mannigfach mein mit Diamantschmelz überzog’nes Herz erlitt, wobei mein Streben über seines triumphierte.   Am Ende (wie die Himmel es bestimmten) ließ er eines Tages sich in jenen heiligen Lichtern nieder, die durch meine Augen als einzige von allen leichten Zugang zu meinem Herzen fanden.   So schlug jener Doppelpfeil sich auf mir nieder, der von der Hand des zornerfüllten Kriegers kam, der sechs Jahrfünfte lang mich schlecht nur anzugreifen wußte:   Er merkte sich die Stelle und hielt sich kraftvoll dort, pflanzte das Denkmal seines Sieges über mich dort auf, von wo er gut meine flüchtigen Flügel halten konnte.   Und so mit immer prächtigerem Werkzeug meinem Herzen Wunden beizubringen, hören niemals auf die Zornestaten meines süßen Feindes.

 Ein einziger Augenblick war das Ende vom Anfang und die Vollendung des Sieges. Einzigartige Zwillingserscheinungen waren jene, die allein unter all den vielen leichten Zugang fanden, denn sie vereinigen in sich die Wirksamkeit und Kraft aller anderen. Denn was für eine bessere und vortrefflichere Form könnte sich uns vergegenwärtigen als die Form jener Schönheit, Güte und Wahrheit, die der Quell aller Wahrheit, Güte und Schönheit ist? Er merkte sich die Stelle, ergriff Besitz von dem Gefühl, machte sie kenntlich, drückte ihr seinen Stempel

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seconda parte · dialogo primo

1102 ¦ 1103

e se l’ha confirmato, stabilito, sancito di sorte che non possa più perderlo: percioché è impossibile che uno possa voltarsi ad amar altra cosa quando una volta ha compreso nel concetto la bellezza divina. Et è impossibile che possa far di non amarla, come è impossibile che nell’appetito cada altro che bene o specie di bene. E però massimamente deve convenire l’appetenzia del sommo bene. Cossì »ristrette« son le »penne« che soleano esser »fugaci« concorrendo giù col pondo della materia. Cossì da là »mai cessano ferire«, sollecitando l’affetto e risvegliando il pensiero, le »dolci ire«, che son gli efficaci assalti del grazioso nemico, già tanto tempo ritenuto escluso, straniero e peregrino. È ora unico et intiero possessore e disponitor de l’anima; perché ella non vuole, né vuol volere altro; né gli piace, né vuol che gli piaccia altro, onde sovente dica: | Dolci ire, guerra dolce, dolci dardi, dolci mie piaghe, miei dolci dolori. X. Cesarino  Non mi par che rimagna cosa da considerar oltre in proposito di questo. Veggiamo ora questa faretra ¦ et arco d’amore, come mostrano le faville che sono in circa, et il nodo del laccio che pende: con il motto che è, subito, clam. Maricondo  Assai mi ricordo d’averlo veduto espresso ne l’articolo; però leggiamolo prima:

 Avida di trovar bramato pasto, l’aquila vers’ il ciel ispiega l’ali, facend’ accorti tutti gli animali, ch’al terzo volo s’apparecchia al guasto.   E del fiero leon ruggito vasto fa da l’alta spelunca orror mortali,

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auf und hielt sich kraftvoll dort, und er hat sich dort festgesetzt, so unverrückbar und sicher, daß er die Stelle nicht wieder verlieren kann. Deshalb ist es unmöglich, daß einer sich abwenden und eine andere Sache lieben könnte, wenn er einmal in seinem Begriffsvermögen die göttliche Schönheit erfaßt hat. Und es ist unmöglich, daß er sie nicht liebte, und genauso unmöglich, daß ihn nach etwas anderem verlangte als nach dem Guten oder einer Erscheinung des Guten. Deshalb wird er in höchstem Maß nach dem höchsten Gut streben. So sind denn die Flügel festgehalten, die sonst flüchtig waren, weil das Gewicht der Materie sie nach unten zog. So hören sie dort niemals auf, Wunden beizubringen, indem sie das Gefühl in Unruhe versetzen und die Gedanken wachrütteln, die süßen Zornestaten, das heißt die wirkungsvollen Angriffe des lieblichen Feindes, der so lange Zeit ausgeschlossen und fremd umherirrte. Er ist nun der alleinige und unumschränkte Besitzer und Herrscher über die Seele, denn sie will keinen anderen, noch will sie einen anderen wollen. Weder gefällt ihr ein anderer, noch will sie, daß ihr ein anderer gefällt, weshalb sie oft sagt: 68

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Süße Zornestaten, süßer Krieg und süße Pfeile, süß meine Wunden, meine süßen Schmerzen.

X. Cesarino  Es scheint mir nicht, daß zu diesem Thema noch irgendetwas zu betrachten bliebe. Sehen wir uns nun diesen Köcher und Bogen an. Sie gehören der Liebe, wie die Funken ringsherum und der Knoten an der herabhängenden Schlinge beweisen. Das Motto dazu lautet: subito, clam. Maricondo  Ich erinnere mich ziemlich gut, dies im Artikel erklärt gesehen zu haben. Lesen wir ihn deshalb zuerst:  Gierig, die heiß ersehnte Nahrung zu erlangen, breitet der Adler seine Flügel nach dem Himmel aus, und warnt so alle Tiere, denn erst im dritten Anflug rüstet er, sie zu verderben.   Und das gewaltige Brüll’n des wilden Löwen verbreitet Todesangst aus tiefer Höhle,

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seconda parte · dialogo primo

1103 ¦ 1104

onde le belve presentendo i mali fuggon a gli antri il famelico impasto.   E ’l ceto quando assalir vuol l’armento muto di Proteo da gli antri di Teti, pria fa sentir quel spruzzo violento.   Aquile ’n ciel, leoni in terr’, e i ceti signor’ in mar, non vanno a tradimento: ma gli assalti d’amor vegnon secreti.   Lasso, que’ giorni lieti troncommi l’efficacia d’un instante, che femmi a lungo infortunato amante. |

 Tre sono le regioni de gli animanti composti de più elementi: la terra, l’acqua, l’aria. Tre son gli geni de quelli: fiere, pesci et ucelli. In tre specie sono gli prìncipi conceduti e definiti dalla natura: ne l’aria l’aquila, ne la terra il leone, ne l’acqua il ceto: de quali ciascuno come dimostra più forza et imperio che gli altri, viene anco a far aperto atto di magnanimità, o simile alla magnanimità. Percioché è osservato che il leone, prima che esca a la caccia, manda un ruggito forte che fa rintonar tutta la selva, come de ¦ l’erinnico cacciatore nota il poetico detto: At saeva e speculis tempus dea nacta nocendi, ardua tecta petit, stabuli et de culmine summo pastorale canit signum, cornuque recurvo tartaream intendit vocem, qua protinus omne contremuit nemus, et silvae intonuere profundae.

De l’aquila ancora si sa che volendo procedere alla sua venazione, prima s’alza per dritto dal nido per linea perpendicolare in alto, e quasi per l’ordinario la terza volta si balza da alto con maggior impeto e prestezza che se volasse per linea piana; onde dal tempo in cui cerca il vantaggio

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weshalb die Waldestiere, die das Übel ahnen, zu ihren Höhlen fliehen vor dem Ausgehungerten, der darbt.   Und wenn der Wal des Proteus stumme Herde überfallen will von Thetis’ Höhlen aus, läßt er zuvor gewaltige Fontänen spritzen.   Adler im Himmel, Löwen auf Erden und Wale, die Herrn der Meere, nähern sich nicht hinterrücks – jedoch die Überfälle Amors kommen heimlich.   Weh mir! Jene heiteren Tage schnitt die Wirkung eines Augenblickes ab, die mich auf Dauer glücklos lieben läßt.

 Drei Bereiche gibt es für die aus mehreren Elementen zusammengesetzten Lebewesen: die Erde, das Wasser, die Luft. Drei Gattungen gibt es unter ihnen: Landtiere, Fische und Vögel. Drei Arten gibt es, die ihnen als Herrscher von der Natur zugeteilt und bestimmt worden sind: In der Luft der Adler, auf der Erde der Löwe und im Wasser der Wal. Jeder von ihnen weist zwar mehr Kraft und Macht als die anderen Tiere auf, läßt aber in seinem Handeln auch Großmut erkennen oder wenigstens etwas der Großmut Ähnliches. Dementsprechend hat man beobachtet, daß der Löwe, bevor er sich auf die Jagd macht, ein lautes Brüllen von sich gibt, von dem der ganze Wald widerhallt, wie es die Dichterworte von der zur Jagd blasenden Erinnye vermerken: 70

At saeva e speculis tempus dea nacta nocendi, ardua tecta petit, stabuli et de culmine summo pastorale canit signum, cornuque recurvo tartaream intendit vocem, qua protinus omne contremuit nemus, et silvae intonuere profundae.

Auch vom Adler weiß man, daß er beim Aufbruch zur Jagd erst senkrecht vom Nest aus in die Höhe steigt und in der Regel erst beim dritten Kreisen aus der Höhe herabschießt und zwar mit größerer Wucht und Geschwindigkeit, als wenn er in horizontaler Richtung flöge. Und in der Zeit, in der er sich den Vorteil der Fluggeschwindigkeit

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seconda parte · dialogo primo

1104 ¦ 1105

della velocità del volo, prende anco comodità di specular da lungi la preda, della quale o despera o si risolve dopo fatte tre remirate. Cesarino  Potremmo conietturare per qual caggione, se alla prima si presentasse a gli occhi la preda, non viene subito a lanciarsegli sopra? Maricondo  Non certo. Ma forse che ella sin tanto distingue se si gli possa presentar megliore o più comoda preda. Oltre non credo che ciò sia | sempre, ma per il più ordinario. Or venemo a noi. Del ceto o balena è cosa aperta che per essere un machinoso animale non può divider l’acqui se non con far che la sua presenza sia presentita dal ributto de l’onde: senza questo, che si trovano assai specie di questo pesce che con il moto e respirar che fanno, egurgitano una ventosa tempesta di spruzzo acquoso. Da tutte dumque le tre specie de prìncipi animali hanno facultà di prender tempo di scampo gli animali inferiori: di sorte che non procedeno come subdoli e traditori. Ma ¦ l’Amor che è più forte e più grande, e che ha domìno supremo in cielo, in terra et in mare, e che per similitudine di questi forse derrebe mostrar tanto più eccellente magnanimità quanto ha più forza, niente di manco assalta e fere a l’improvisto e subito.

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Labitur totas furor in medullas, igne furtivo populante venas, nec habet latam data plaga frontem; sed vorat tectas penitus medullas, virginum ignoto ferit igne pectus.

Come vedete, questo tragico poeta lo chiama »furtivo fuoco«, »ignote fiamme«; Salomone lo chiama »acqui furtive«, Samuele lo nomò »sibilo d’aura sottile«. Li quali tre significano con qual dolcezza, lenità et astuzia, in mare, in terra, in cielo, viene costui a (come) tiranneggiar l’universo. Cesarino  Non è più grande imperio, non è tirannide peggiore, non è meglior domìno, non è potestà più necessaria, non è cosa più dolce e suave, non si trova cibo che sia più austero et amaro, non si | vede nume

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zweiter teil · erster dialog 283

zu verschaffen sucht, kann er außerdem bequem von weitem nach der Beute spähen und sie nach dreimaliger Betrachtung entweder aufgeben oder sich für sie entscheiden. Cesarino  Läßt sich vermuten, aus welchem Grund er sich nicht sofort auf die Beute stürzt, wenn sie ihm das erste Mal vor Augen kommt? Maricondo  Nicht mit Sicherheit, aber vielleicht hält er erst nach einer besseren oder bequemeren Beute Ausschau. Außerdem glaube ich nicht, daß es sich immer so verhält, sondern nur für gewöhnlich. Nun wieder zu unserem Thema. Vom Wal ist bekannt, daß er als schwerfälliges Tier die Fluten nicht zerteilen kann, ohne daß sich sein Kommen durch den Wellengang ankündigt. Zudem gibt es einige Arten dieses Meerestiers, die mit ihrer Bewegung und ihrem Atem eine heftige Fontäne schäumenden Wassers heraussprudeln. Alle drei Herrscher im Tierreich geben also den niederen Tieren Gelegenheit und Zeit zur Flucht; sie gehen also nicht wie hinterhältige Verräter vor. Amor hingegen, der stärker und größer ist, der im Himmel, auf Erden und im Wasser die höchste Macht besitzt und der im Vergleich zu jenen Tieren wohl eine umso herausragendere Großmut zeigen sollte, als er mehr Gewalt hat, überfällt und verwundet nichtsdestoweniger unversehens und plötzlich. Labitur totas furor in medullas, igne furtivo populante venas, nec habet latam data plaga frontem; sed vorat tectas penitus medullas, virginum ignoto ferit igne pectus.

Wie Ihr seht, nennt dieser tragische Dichter die Liebe hier flüchtiges Feuer, unbekannte Flammen. Salomo nennt sie flüchtiges Wasser; Samuel bezeichnete sie als Flüstern eines zarten Windes. Alle drei machen deutlich, mit was für einer Süße, Zartheit und List es der Liebe gelingt, im Meer, auf Erden und im Himmel das Universum (gleichsam) zu tyrannisieren. Cesarino  Es gibt keine mächtigere Herrschaft, es gibt keine schlimmere Tyrannei, es gibt keine bessere Gewalt, es gibt keine zwingendere Macht, es gibt kein süßeres und lieblicheres Ding, es findet sich keine Speise, die herber und bitterer wäre, es läßt sich keine gewalttätigere

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seconda parte · dialogo primo

1105 ¦ 1106

più violento, non è dio più piacevole, non agente più traditore e finto, non autor più regale e fidele, e (per finirla) mi par che l’amor sia tutto, e faccia tutto; e de lui si possa dir tutto, e tutto possa attribuirsi a lui. Maricondo  Voi dite molto bene. L’amor dumque (come ¦ quello che opra massime per la vista, la quale è spiritualissimo de tutti gli sensi, per che subito monta sin alli appresi margini del mondo, e senza dilazion di tempo si porge a tutto l’orizonte della visibilità) viene ad esser presto, furtivo, improvisto e subito. Oltre è da considerare quel che dicono gli antichi, che l’amor precede tutti gli altri dèi; però non fia mestiero de fingere che Saturno gli mostre il camino, se non con seguitarlo. Appresso, che bisogna cercar se l’amore appaia e facciasi prevedere di fuori, se il suo alloggiamento è l’anima medesima, il suo letto è l’istesso core, e consiste nella medesima composizione de nostra sustanza, nel medesimo appulso de nostre potenze? Finalmente ogni cosa naturalmente appete il bello e buono, e però non vi bisogna argumentare e discorrere perché l’affetto si informe e conferme; ma subito et in uno instante l’appetito s’aggionge a l’appetibile, come la vista al visibile. XI. Cesarino  Veggiamo appresso che voglia dir quella ardente saetta circa la quale è avolto il motto: cui nova plaga loco? Dechiarate che luogo cerca questa per ferire. Maricondo  Non bisogna far altro che leggere l’articolo, che dice | 357 cossì: |  Che la bogliente Puglia o Libia mieta tante spiche, et areste tante a i venti commetta, e mande tanti rai lucenti da sua circonferenza il gran pianeta,   quanti a gravi dolor quest’alma lieta (che sì triste si gode in dolci stenti)



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zweiter teil · erster dialog 285

Gottheit finden, es gibt keinen gnädigeren Gott, keinen verräterischeren und trügerischeren Täter, keinen königlicheren und treueren Gebieter, und (um zum Schluß zu kommen) mir scheint, die Liebe ist alles und tut alles; von ihr kann alles gesagt, und alles kann ihr zugeschrieben werden. Maricondo  Das habt Ihr sehr gut ausgedrückt. Die Liebe ist also schnell, flüchtig, überraschend und plötzlich (insofern sie hauptsächlich durch das Sehen wirkt, den geistigsten aller Sinne, da er im Nu bis zu den Grenzen der bekannten Welt aufsteigt und sich ohne Zeitverlust über den ganzen Horizont des Sichtbaren verbreitet). Außerdem ist zu bedenken, was die Alten sagen, daß nämlich die Liebe allen anderen Göttern vorausgeht; man darf sich also nicht vorstellen, daß Saturn ihr den Weg zeige, allenfalls, indem er sie verfolgt. Sodann: Warum soll man suchen, als ob die Liebe sich von außen zeige und erblicken lasse, wo ihr Aufenthaltsort doch die Seele selbst, ihr Bett das Herz selbst ist, und wo sie doch identisch ist mit der Zusammensetzung unserer Sub­ stanz, identisch mit dem Antrieb unserer Vermögen? Schließlich strebt jeder Gegenstand von Natur aus nach dem Schönen und Guten, und darum ist es nicht nötig, Argumente anzuführen und Überlegungen anzustellen, warum das Gefühl Gestalt annimmt und Gewalt erlangt; vielmehr vereint sich plötzlich und in einem Augenblick das Streben mit dem Erstrebenswerten, wie das Sehen mit dem Sichtbaren. XI. Cesarino  Sehen wir nun, was jener brennende Pfeil sagen will, um den sich das Motto windet: cui nova plaga loco? Erklärt mir, was für eine Stelle er sucht, um sie zu verwunden. Maricondo  Man braucht nichts anderes zu tun, als den Artikel zu lesen, der folgendermaßen lautet:  Daß das brennende Apulien oder Libyen so viele Ähren mähe und so viele Grannen den Winden hinterlasse; daß so viele Lichterstrahlen der Kreis des großen Wandelsterns aussende,   wie unter starken Schmerzen diese frohgemute Seele (die sich so kummervoll ergötzt in süßen Plagen)

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seconda parte · dialogo primo

1106 – 1108

accoglie da due stelle strali ardenti, ogni senso e raggion creder mi vieta.   Che tenti più, dolce nemico, Amore? qual studio a me ferir oltre ti muove, or ch’una piaga è fatto tutto il core? ¦   Poiché né tu, né altro ha un punto, dove per stampar cosa nuova, o punga, o fóre, volta volta sicur or l’arco altrove.   Non perder qua tue prove, per che, o bel dio, se non in vano, a torto oltre tenti amazzar colui ch’è morto.

 Tutto questo senso è metaforico come gli altri, e può esser inteso per il sentimento di quelli. Qua la moltitudine de strali che hanno ferito e feriscono il core significa gl’innumerabili individui e specie de cose, nelle quali riluce il splendor della divina beltade, secondo gli gradi di quelle, et onde ne scalda l’affetto del proposto et appreso bene. De quali l’un e l’altro per le raggioni de potenzia et atto, de possibilità et effetto, e cruciano e consolano, e donano senso di dolce e fanno sentir l’amaro. Ma dove l’affetto intiero è tutto convertito a Dio, cioè all’idea de le idee, dal lume de cose intelligibili la mente viene | exaltata alla unità super essenziale, è tutta amore, tutta una, non viene ad sentirsi sollecitata da diversi oggetti che la distrahano: ma è una sola piaga, nella quale concorre tutto l’affetto, e che viene ad essere la sua medesima affezzione. Allora non è amore o appetito di cosa particolare che possa sollecitare, né almeno farsi innanzi a la voluntade, perché non è cosa più retta ch’il dritto, non è cosa più bella che la bellezza, non è più buono che la bontà, non si trova più grande che la grandezza, né cosa più lucida che quella luce, la quale con la sua presenza oscura e cassa gli lumi tutti. Cesarino  Al perfetto, se è perfetto, non è cosa che si possa aggiongere: però la volontà non è capace d’altro appetito, quando fiagli presente quello ch’è del perfetto, ¦ sommo, e massimo. Intendere dumque

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zweiter teil · erster dialog 287

glüh’nde Pfeile von zwei Sternen aufnimmt, verbietet mir jedes Gefühl, jeder Verstand zu glauben.   Was willst du, süßer Feind, noch, Liebe? Was treibt dich weiterhin, mich zu verletzen, da eine einzige Wunde schon das ganze Herz geworden?   Denn weder du noch jemand anders findet einen Punkt, in den, um Neues einzuprägen, er stechen oder bohren könnte. Richte, richte, deinen sich’ren Bogen itzo auf ein andres Ziel.   Vergeude hier nicht deine Mühen, denn, oh schöner Gott, wenn nicht vergeblich, so zu Unrecht versuchst du weiter, den zu töten, der schon tot ist.



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Das gesamte Gedicht ist metaphorisch zu verstehen, so wie die anderen, und es läßt sich mit Hilfe ihrer Bedeutung begreifen. Hier steht die Vielzahl der Pfeile, die das Herz verwundet haben und verwunden, für die unzähligen Einzelwesen und Arten der Dinge, aus denen der Glanz der göttlichen Schönheit ihren Rangstufen entsprechend leuchtet und durch die uns das Gefühl für das vorgestellte und das begriffene Gut erwärmt wird. Je nach Vermögen und Akt, nach Möglichkeit und Wirkung peinigen und trösten uns alle beide, geben ein Gefühl von Süße und lassen Bitternis spüren. Aber wo sich das Gefühl ganz auf Gott gerichtet hat, das heißt auf die Idee der Ideen, da wird der Geist vom Licht der intelligiblen Dinge zur überwesentlichen Einheit erhoben, ist ganz Liebe, ganz eins, wird nicht mehr von verschiedenen Objekten gereizt, die es ablenken, sondern ist eine einzige Wunde, in der alles Gefühl zusammenläuft und die zu seiner Gefühlsregung selbst wird. Nun gibt es keine Liebe oder Begehren nach einer einzelnen Sache mehr, die uns reizen oder zumindest den Willen auf sich lenken könnte, denn es gibt nichts, was gerader ist als das Gerade, nichts, was schöner ist als die Schönheit, nichts, was besser ist als die Güte, nichts Größeres findet sich als die Größe, nichts Helleres als jenes Licht, das durch seine Gegenwart alle anderen Lichter verdunkelt und zunichte macht. Cesarino  Zum Vollkommenen, wenn es vollkommen ist, kann nichts hinzugefügt werden. Denn der Wille ist zu keinem anderen Begehren fähig, wenn ihm das Begehren nach dem Vollkommenen,

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seconda parte · dialogo primo

1108 ¦ 1109

posso la conclusione, dove dice a l’amore: »Non perder qua tue prove; perché, se non in vano, a torto« (si dice per certa similitudine e metafora) »tenti ammazzar colui ch’è morto«. Cioè quello che non ha più vita né senso circa altri oggetti, onde da quelli possa esser »punto« o »forato«; a che oltre viene ad essere esposto ad altre specie? e questo lamento accade a colui che, avendo gusto de l’optima unità, vorrebe essere al tutto exempto et abstratto dalla moltitudine. Maricondo  Intendete molto bene. XII. Cesarino  Or ecco appresso un fanciullo dentro un battello che sta ad ora ad ora per essere assorbito da l’onde tempestose, che languido e lasso ha abandonati gli remi. Et èvvi circa lo motto | fronti nulla | 361 fides. Non è dubio che questo significhe che lui dal sereno aspetto de l’acqui fu invitato a solcar il mare infido; il quale a l’improviso avendo inturbidato il volto, per estremo e mortal spavento, e per impotenza di romper l’impeto, gli ha fatto dismetter il capo, braccia, e la speranza. Ma veggiamo il resto:

 Gentil garzon che dal lido scioglieste la pargoletta barca, e al remo frale vago del mar l’indotta man porgeste, or sei repente accorto del tuo male.   Vedi del traditor l’onde funeste la prora tua, ch’o troppo scend’ o sale; né l’alma vinta da cure moleste, contra gli obliqui e gonfii flutti vale. ¦   Cedi gli remi al tuo fero nemico, e con minor pensier la morte aspetti, che per non la veder gli occhi ti chiudi.   Se non è presto alcun soccorso amico, sentirai certo or or gli ultimi effetti de tuoi sì rozzi e curiosi studi.



zweiter teil · erster dialog 289

Höchsten und Besten eingeflößt wird. Ich kann deshalb den Schluß des Leidenschaftlichen verstehen, wenn er zur Liebe sagt: Vergeude hier nicht deine Mühen, denn, wenn nicht vergeblich, so zu Unrecht (das ist bildlich und metaphorisch gemeint) versuchst du weiter, den zu töten, der schon tot ist. Also den, der kein Leben oder Gefühl mehr für andere Objekte hat, so daß er von ihnen weder gestochen noch durchbohrt werden kann: Wozu noch wird er anderen Erscheinungen ausgesetzt? Und in diese Klage bricht einer aus, der, weil er die beste Einheit gekostet hat, gänzlich von der Menge getrennt und abgeschieden sein möchte. Maricondo  Ihr versteht das sehr gut.

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XII. Cesarino  Nun sieh hier einen Knaben in einem kleinen Boot, das kurz davor steht, von den stürmischen Wellen verschlungen zu werden; schwach und erschöpft hat er die Ruder fahrenlassen. Ringsherum steht das Motto: fronti nulla fides. Ohne Zweifel bedeutet dies, daß ihn der heitere Augenschein des Wassers dazu verlockt hat, das trügerische Meer zu durchpflügen. Dieses zog aber plötzlich sein Gesicht in aufgewühlte Falten und brachte ihn dazu, in äußerster Todesfurcht und unfähig, den Ansturm zu brechen, den Kopf, die Arme und die Hoffnung sinken zu lassen. Aber sehen wir uns den Rest an:  Holder Knabe, der vom Strand du löstest das kleine Boot und nach dem Ruder, dem zerbrechlichen, griffst, voll Sehnsucht nach dem Meer, mit ungeübter Hand. Nun ist plötzlich dir dein Unglück klargeworden.   Du siehst die unheilvollen Wellen des Verräters, dein Bug, der bald zu hoch und bald zu niedrig liegt; und auch die Seele kommt, besiegt von lästigen Sorgen, nicht gegen die querbrechenden, geschwoll’nen Fluten an.   Du überläßt die Ruder deinem wilden Feind und wartest mit geringer Sorge auf den Tod, denn du schließt die Augen, um ihn nicht zu sehen.   Wenn dir nicht schnell ein Freund zu Hilfe eilt, wirst du gewiß sogleich die letzten Folgen deines so tölpelhaften, wißbegierigen Strebens spüren.

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seconda parte · dialogo primo

1109

  Son gli miei fati crudi simili a’ tuoi, perché vago d’Amore sento il rigor del più gran traditore.

 In qual maniera e perché l’amore sia traditore e frodulento l’abbiamo poco avanti veduto: ma perché veggio il seguente senza imagine e motto, credo che | abbia conseguenza con il presente; però continuamo leggendolo:  Lasciato il porto per prova e per poco, feriando da studi più maturi, ero messo a mirar quasi per gioco: quando viddi repente i fati duri.   Quei sì m’han fatto violento il foco, ch’ in van ritento a i lidi più sicuri, in van per scampo man piatosa invoco, perché al nemico mio ratto mi furi.   Impotent’ a suttrarmi, roco e lasso io cedo al mio destino, e non più tento di far vani ripari a la mia morte:   facciami pur d’ogni altra vita casso, e non più tarde l’ultimo tormento, che m’ha prescritto la mia fera sorte.   Tipo di mio mal forte è quel che si commese per trastullo al sen nemico, improvido fanciullo.

 Maricondo   Qua non mi confido de intendere o determinar tutto quel che significa il furioso: pure è molto espressa una strana condizione d’un animo dismesso dall’apprension della difficultà de l’opra, grandezza della fatica, vastità del lavoro da un canto; e da un altro l’ignoranza, privazion de l’arte, debolezza de nervi, e periglio di morte. Non

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zweiter teil · erster dialog 291

  Mein grauses Schicksal ist dem deinen ähnlich, denn voll Sehnsucht nach der Liebe spüre ich die Härte jenes größten der Verräter.

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Wie und warum die Liebe verräterisch und trügerisch ist, haben wir gerade erst gesehen. Aber da ich das folgende ohne Bild und Motto sehe, glaube ich, daß es zu diesem hier gehört. Also fahren wir fort und lesen es:  Den Hafen hatte ich verlassen, nur auf Probe und nur kurz, um auszuruh’n von reiferem Bemühen, und begann zu schauen, gleichsam nur zum Spiel, als ich mit einem Mal das harte Schicksal sah.   Es hat mir das Feuer so gewaltig angefacht, daß ich vergeblich wieder zu den sichereren Ufern strebe, vergeblich mir zur Rettung eine mitleidsvolle Hand erflehe, damit sie schnell mich meinem Feind entreiße.   Ohne Macht, mich zu befreien, heiser, matt, beug’ ich mich meinem Schicksal und versuch’ nicht länger, vergeblich mich vor meinem Tod zu schützen.   Mag er ruhig mir jedes andre Leben rauben, soll die letzte Folter nicht mehr auf sich warten lassen, die mein grauses Schicksal mir bestimmt hat.   Urbild meines großen Übels ist jener, der sich zum Vergnügen in den Schoß des Feindes legte: jener unbedachte Knabe.

 Maricondo  Hier traue ich mir nicht zu, alles zu verstehen und zu deuten, was der Leidenschaftliche meint. Dennoch kommt hier die seltsame Beschaffenheit eines Geistes deutlich zum Ausdruck, der es aufgegeben hat zu begreifen, weil er einerseits von der Schwierigkeit der Aufgabe, Größe der Anstrengung und Gewaltigkeit der Arbeit übermannt wird und andererseits in Unwissenheit, Ungeschick, Kraft-

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seconda parte · dialogo primo

1109 – 1111

ha consiglio atto al negocio; non si sa d’onde e dove debba ¦ voltarsi, non si mostra luogo di fuga o di rifugio; essendo che da | ogni parte minacciano l’onde de l’impeto spaventoso e mortale. Ignoranti portum, nullus suus ventus est. Vede colui che molto e pur troppo s’è commesso a cose fortuite, s’aver edificato la perturbazione, il carcere, la ruina, la summersione. Vede come la fortuna si gioca di noi; la qual ciò che ne mette con gentilezza in mano, o lo fa rompere facendolo versar da le mani istesse, o fa che da l’altrui violenza ne sia tolto, o fa che ne suffoche et avvelene, o ne sollecita con la suspizione, timore e gelosia, a gran danno e ruina del possessore. Fortunae an ulla putatis dona carere dolis? Or, perché la fortezza che non può far esperienza di sé, è cassa; la magnanimità che non può prevalere, è nulla, et è vano il studio senza frutto; vede gli effetti del timore del male, il quale è peggio ch’il male istesso: Peior est morte timor ipse mortis. Già col timore patisce tutto quel che teme de patire, orror ne le membra, imbecillità ne gli nervi, tremor del corpo, anxia del spirito; e si fa presente quel che non gli è sopragionto ancora, et è certo peggiore che sopragiongere gli possa: che cosa più stolta che dolere per cosa futura, absente, e la qual presente non si sente? Cesarino  Queste son considerazioni su la superficie e l’istoriale de la figura. Ma il proposito del furioso eroico penso che verse circa l’imbecillità de l’ingegno umano il quale attento a la divina impresa in un subito talvolta si trova ingolfato nell’abisso della eccellenza incomprensibile, onde il senso et imaginazione vien confusa et assor ¦ bita, che non sapendo passar avanti, né tornar a dietro, né dove voltarsi, svanisce e perde l’esser suo non altrimente che una stilla d’acqua che svanisce nel

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zweiter teil · erster dialog 293

losigkeit und Lebensgefahr befangen ist. Er weiß keinen Rat, der auf seine Lage passen würde, weiß nicht, woher und wohin er sich wenden soll, es winkt kein Flucht- und kein Zufluchtsort, denn von allen Seiten drohen die schrecklich und todbringend anstürmenden Wellen. Ignoranti portum, nullus suus ventus est. Er, der sich oft und allzu oft dem Zufall überlassen hat, sieht nun, daß er sich dadurch Verwirrung, Gefängnis, Zusammenbruch und Untergang geschaffen hat. Er sieht, wie das Schicksal mit uns spielt: Die Dinge, die es uns voll Freundlichkeit in die Hand gibt, läßt es entweder kaputtgehen, indem sie durch sein Betreiben uns selbst aus den Händen fallen, oder es läßt sie uns von anderen mit Gewalt nehmen, oder es macht, daß sie uns ersticken oder vergiften, oder es versetzt uns durch Mißtrauen, Angst und Eifersucht in Unruhe und schädigt und zerstört so den, der besitzt. Fortunae an ulla putatis dona carere dolis? Da nun die Tapferkeit, die sich nicht unter Beweis stellen kann, nutzlos, die Großmut, der es nicht gelingt, zur Geltung zu kommen, bedeutungslos ist und sinnlos das fruchtlose Streben, sieht er an sich die Wirkungen der Furcht vor dem Übel, die schlimmer ist als das Übel selbst: Peior est morte timor ipse mortis. Denn schon mit der Furcht erleidet er alles, was zu erleiden er fürchtet: Muskelstarre, Nervenzusammenbruch, Schüttelfrost, Atemnot. Und so stellt er sich etwas vor, was ihm noch gar nicht geschehen ist, und das ist sicherlich schlimmer als das, was ihm geschehen kann: Was könnte törichter sein, als Schmerzen wegen etwas zu empfinden, das zukünftig und abwesend ist, das man gegenwärtig also gar nicht fühlt? Cesarino  Diese Betrachtungen bleiben an der Oberfläche und am Wortsinn des Dargestellten. Aber das Thema des heroischen Leidenschaftlichen bezieht sich, wie ich glaube, auf die Schwäche des menschlichen Geistes, der sich inmitten seiner göttlichen Aufgabe manchmal ganz plötzlich vom Abgrund des unbegreiflichen Höchsten verschlungen sieht, wodurch sein Gefühl und seine Einbildungskraft verwirrt und aufgesogen werden, so daß er, weil er weder weiß, wie er vorwärtskommen, noch wie er umkehren, noch, wohin er überhaupt sich wenden soll, zergeht und sein eigenes Sein verliert – nicht anders als ein Wassertropfen, der im Meer aufgeht, oder ein kleiner Lufthauch, der

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seconda parte · dialogo primo

1111 ¦ 1112

mare, o un picciol spi | rito che s’attenua perdendo la propria sustanza nell’aere spacioso et inmenso. Maricondo  Bene: ma andiamone discorrendo verso la stanza, perché è notte. Fine del primo dialogo ¦ |

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zweiter teil · erster dialog 295

sich verflüchtigt, indem er die eigene Substanz in der weiten, unermesslichen Luft verliert. Maricondo  Richtig, aber nun laß uns während der Unterhaltung nach Hause gehen, denn es ist Nacht geworden. Ende des ersten Dialogs

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1112 ¦ 1113

DI A L O G O S E C ON D O

Mariconda  Qua vedete un giogo fiammeggiante et avolto de lacci, circa il quale è scritto levius aura; che vuol significar come l’amor divino non aggreva, non trasporta il suo servo, cattivo e schiavo al basso, al fondo: ma l’inalza, lo sulleva, il magnifica sopra qualsivoglia libertade. Cesarino  Priegovi leggiamo presto l’articolo, perché con più ordine, proprietà e brevità possiamo considerar il senso, se pur in quello non si trova altro. Mariconda  Dice cossì:

 Chi femmi ad alt’ amor la mente desta, chi fammi ogn’altra diva e vile e vana, in cui beltad’ e la bontà sovrana unicamente più si manifesta;   quell’è ch’io viddi uscir da la foresta, cacciatrice di me la mia Diana, tra belle ninfe su l’aura Campana, per cui dissi ad Amor: »Mi rendo a questa«;   et egli a me: »O fortunato amante, o dal tuo fato gradito consorte: | che colei sola che tra tante e tante,   quai ha nel grembo la vit’ e la morte, più adorna il mondo con le grazie sante, ottenesti per studio e per sorte, ¦   ne l’amorosa corte sì altamente felice cattivo, che non invidii a sciolt’ altr’uomo o divo«.



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1

Z W E I T E R DI A L O G

2

Mariconda  Hier seht Ihr ein flammendes, von Schlingen umwundenes Joch; rundherum steht geschrieben levius aura; es soll darstellen, inwiefern die göttliche Liebe ihren Diener, Gefangenen und Sklaven nicht belastet, nicht in die Tiefe und auf den Grund zieht, sondern ihn aufrichtet, erhebt und größer macht als jede erdenkliche Freiheit. Cesarino  Lesen wir bitte gleich den Artikel, denn umso besser können wir in der richtigen Reihenfolge, Angemessenheit und Kürze über die Bedeutung nachdenken, auch wenn nichts Neues darin steht. Mariconda  Er lautet also:

3

 Wer zu edler Liebe mir den Geist erweckte, wer jede andre Göttin wertlos und verächtlich mir gemacht, in wem sich Schönheit und die unumschränkte Güte in einzigartig höchstem Maße offenbart,   ist jene, die ich aus dem Walde treten sah – meine Jägerin, Diana mein – inmitten schöner Nymphen, in Kampaniens linde Luft hinaus, um derentwillen ich zu Amor sprach: »Ihr will ich mich ergeben.«   Und jener sprach zu mir: »Oh, du glückseliger Liebender, oh, du durch dein Geschick begünstigter Gemahl, da du gerade jene, die von all den Vielen   aus dem Schoß des Lebens und des Todes die Welt in höchstem Grad mit heiliger Anmut schmückt, durch dein Streben und des Schicksals Los erhalten hast.   Du in verliebter Anbetung so erhaben glücklicher Gefangener, daß du keinen freien Menschen oder Gott beneidest!«



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seconda parte · dialogo secondo

1113 ¦ 1114

Vedi quanto sia contento sotto tal giogo, tal coniugio, tal soma che l’ha cattivato a quella che vedde uscir da la foresta, dal deserto, da la selva; cioè da parti rimosse dalla moltitudine, dalla conversazione, dal volgo, le quali son lustrate da pochi. Diana splendor di specie intelligibili, è cacciatrice di sé, perché con la sua bellezza e grazia l’ha ferito prima, e se l’ha legato poi; e tienlo sotto il suo imperio più contento che mai altrimente avesse potuto essere. Questa dice »tra belle nimfe«, cioè tra la moltitudine d’altre specie, forme et idee; e »su l’aura Campana«, cioè quello ingegno e spirito che si mostrò a Nola, che giace al piano del orizonte campano. A quella si rese, quella più ch’altra gli venne lodata da l’amore, che per lei vuol che si tegna tanto fortunato, come quella che, tra tutte quante si fanno presenti et absenti da gli occhi de mortali, più altamente adorna il mondo, fa l’uomo glorioso e bello. Quindi dice aver sì »desta la mente« ad eccellente amore, che apprende »ogni altra diva«, cioè cura et osservanza d’ogni altra specie, »vile e vana«. – Or in questo che dice aver desta la mente ad amor alto, ne porge essempio de magnificar tanto alto il core per | gli pensieri, studii et opre, quanto più possibil fia, e non intrattenerci a cose basse e messe sotto la nostra facultade: come accade a coloro che o per avarizia, o per negligenza, o pur altra dapocagine rimagnono in questo breve spacio de vita attaccati a cose indegne. Cesarino  Bisogna che siano arteggiani, meccanici, agri ¦ coltori, servitori, pedoni, ignobili, vili, poveri, pedanti et altri simili: perché altrimente non potrebono essere filosofi, contemplativi, coltori degli animi, padroni, capitani, nobili, illustri, ricchi, sapienti, et altri che siano eroici simili a gli dèi. Però a che doviamo forzarci di corrompere il stato della natura il quale ha distinto l’universo in cose maggiori e minori, superiori et inferiori, illustri et oscure, degne et indegne, non solo fuor di noi, ma et ancora dentro di noi, nella nostra sustanza medesima, sin a quella parte di sustanza che s’afferma inmateriale? Come delle intelli-

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zweiter teil · zweiter dialog 299

Du siehst, wie sehr er zufrieden ist unter diesem Joch, diesem Ehebund, dieser Last, die ihn zum Gefangenen derjenigen macht, die er aus dem Walde, der Einöde, dem Dickicht treten sah, das heißt von Orten her, die von der Menge, der menschlichen Gesellschaft und dem Volke abgeschieden sind und nur von wenigen durchstreift werden. Diana, der Glanz der geistigen Erscheinungen, ist seine Jägerin, indem sie ihn mit ihrer Schönheit und Anmut zuerst verwundet, später gefesselt und nun ihrer Herrschaft unterworfen hat, unter der er zufrie­ dener ist, als er es je auf andere Weise hätte sein können. Sie, sagt er, befinde sich inmitten schöner Nymphen, also unter der Vielzahl anderer Gestalten, Formen und Ideen, und zwar in Kampaniens linder Luft, also im Hauch jenes Ingeniums und Geistes, der in Nola erschien, das in der Ebene Kampaniens liegt. Ihr ergab er sich, sie wurde ihm mehr als jede andere von Amor gepriesen: Um ihretwillen möge er sich glückselig schätzen, denn sie sei es, die mehr als alle anderen, die sich den Augen der Sterblichen zeigen und verbergen, die Welt schmücke, den Menschen ruhmreich und schön mache. Deshalb sagt er, daß sein Geist auf eine Weise zu herausragender Liebe erweckt worden sei, die ihn jede andere Göttin, das heißt Interesse und Aufmerksamkeit für jede andere Erscheinung, für verächtlich und wertlos halten lasse. – Mit seiner Feststellung, daß sein Geist zu edler Liebe erweckt worden sei, zeigt er uns beispielhaft, daß das Herz durch Gedanken, Bemühungen und Taten so weit als möglich zu erheben ist, anstatt daß wir uns mit niederen Dingen unter dem Niveau unserer Fähigkeiten abgeben, wie jene es tun, die aus Habgier, Faulheit oder sonstigen Untugenden in dieser kurzen Lebenszeit an unwürdigen Dingen kleben bleiben. Cesarino  Es muß Handwerker, Arbeiter, Bauern, Diener, Hauswarte, Niederträchtige, Feige, Arme, Pedanten und dergleichen geben, denn sonst könnte es keine Philosophen, Denker, Seelenbildner, Herren, Heerführer, Edle, Berühmte, Reiche, Weise und andere Menschen, die von heroischer Gesinnung und den Göttern ähnlich sind, geben. Weshalb also sollten wir uns bemühen, den natürlichen Zustand durcheinanderzubringen, wonach das Universum in größere und kleinere, höhere und niedere, glänzende und dunkle, würdige und unwürdige Dinge eingeteilt ist, und zwar nicht nur um uns herum, sondern auch in uns, in unserer Substanz selbst, sogar in jenem Teil der Substanz,

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seconda parte · dialogo secondo

1114 ¦ 1115

genze altre son suggette, altre preminenti, altre serveno et ubediscono, altre comandano e governano. Però io crederei che questo non deve esser messo per essempio a fin che li sudditi volendo essere superiori, e gl’ignobili uguali a gli nobili, non vegna a pervertirsi e confondersi l’ordine delle cose, che al fine succeda certa neutralità e bestiale equalità, quale si ritrova in certe deserte et inculte republiche. Non vedete oltre in quanta iattura siano venute le scienze per questa caggione che gli pedanti hanno voluto essere filosofi, trattar cose naturali, intromettersi a determinar di cose divine? Chi non vede quanto male è accaduto et accade per averno simili fatte »ad alti amori le menti deste«? Chi ha | buon senso, e non vede del profitto che fe’ Aristotele, che era maestro de lettere umane ad Alessandro, quando applicò alto il suo spirito a contrastare e muover guerra a la dottrina pitagorica e quella de filosofi naturali, volendo con il suo raciocinio logicale ponere diffi ¦ nizioni, nozioni, certe quinte entitadi et altri parti et aborsi de fantastica cogitazione per principii e sustanza di cose, studioso più della fede del volgo e sciocca moltitudine, che viene più incaminata e guidata con sofismi et apparenze che si trovano nella superficie delle cose, che della verità che è occolta nella sustanza di quelle, et è la sustanza medesima loro? Fece egli la mente desta non a farsi contemplatore, ma giudice e sentenziatore di cose che non avea studiate mai, né bene intese. Cossì a’ tempi nostri quel tanto di buono ch’egli apporta e singulare di raggione inventiva, iudicativa e di metafisica, per ministerio d’altri pedanti che lavorano col medesimo sursum corda, vegnono instituite nove dialettiche e modi di formar la raggione: tanto più vili di quello d’Aristotele quanto forse la filosofia d’Aristotele è incomparabilmente più vile di quella de gli antichi. Il che è pure avvenuto da quel che certi gramma-

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zweiter teil · zweiter dialog 301

den man für immateriell hält? Auch bei den geistigen Wesen sind die einen untergeordnet, die anderen übergeordnet, die einen dienen und gehorchen, die anderen befehlen und herrschen. Deshalb möchte ich meinen, daß dieser Leidenschaftliche nicht dafür als Vorbild genommen werden darf, die Ordnung der Dinge zu verkehren und umzustürzen, indem die Untergebenen Herrscher sein wollen und die Unedlen gleich den Edlen, so daß schließlich eine gewisse Unterschiedslosig­ keit und tierische Gleichheit entstünde, wie man sie in einigen verödeten und unkultivierten Staaten antrifft. Seht Ihr denn darüber hinaus nicht, welchen Niedergang die Wissenschaften erfahren haben, weil die Pedanten den Wunsch hatten, Philosophen zu sein, Wissenschaft von der Natur zu betreiben und sich in die Bestimmung göttlicher Dinge einzumischen? Wer sieht nicht, wie viel Schlechtes geschehen ist und geschieht, da ähnlich geartete Geister sich zu edler Liebe erweckt fühlen? Welcher Mensch wäre bei Sinnen und sähe nicht, was dabei herausgekommen ist, als Aristoteles, der Lehrer Alexanders in den humanistischen Disziplinen, sein Denken auf hohe Dinge richtete und die Lehre des Pythagoras und der Naturphilosophen angriff und bekämpfte, wobei er versuchte, mittels logischem Scharfsinn Definitionen, Begriffe, gewisse Quintessenzen und weitere Sprößlinge und Fehlgeburten seiner phantastischen Überlegungen als Prinzipien und Substanz der Dinge hinzustellen, da er sich ja mehr um die Anerkennung des Volkes und der blöden Menge bemühte, die leichter durch Sophismen und Erscheinungen an der Oberfläche der Dinge zu beeinflussen und zu lenken ist als durch die Wahrheit, die sich in der Substanz der Dinge verbirgt und deren Substanz selbst ist? Er erweckte seinen Geist nicht zu vernunftgemäßen Betrachtungen, sondern zu Urteilen und Meinungen über Dinge, ohne sie jemals untersucht noch recht verstanden zu haben. Ebenso wird in unserer Zeit das bißchen Gute und Einzigartige, das er an erfinderischen, beurteilenden und metaphysischen Argumenten beibringt, durch andere, von demselben sursum corda beseelte Pedanten dazu benutzt, neue Dialektiken und Argumentationsweisen aufzustellen, die um so viel verachtenswerter als die des Aristoteles sind, wie wohl die Philosophie des Aristoteles unvergleichlich verachtenswerter als die der Alten ist. Dies aber ist geschehen, weil gewisse Grammatiker, nachdem sie den Säuglingswiegen

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seconda parte · dialogo secondo

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tisti dopo che sono invecchiati nelle culine de fanciulli e notomie de frasi e de vocaboli, han voluto destar la mente a far nuove logiche e metafisiche, giudicando e sentenziando quelle che mai studiorno et ora non intendono: là onde cossì questi col favore della ignorante moltitudine (al cui ingegno son più conformi), potranno cossì bene donar il crollo alle umanitadi e raziocinii d’Aristotele, come questo fu carnefice delle altrui divine filosofie. Vedi dumque a che suol promovere questo consiglio, ¦ se | tutti aspireno al splendor santo, et abbiano altre imprese vili e vane. Mariconda Ride si sapis, o puella, ride, pelignus (puto) dixerat poeta; sed non dixerat omnibus puellis: et si dixerit omnibus puellis, non dixit tibi. Tu puella non es.

Cossì il sursum corda non è intonato a tutti, ma a quelli ch’hanno l’ali. Veggiamo bene che mai la pedantaria è stata più in exaltazione per governare il mondo, che a’ tempi nostri; la quale fa tanti camini de vere specie intelligibili et oggetti de l’unica veritade infallibile, quanti possano essere individui pedanti. Però a questo tempo massime denno ­esser isvegliati gli ben nati spiriti armati dalla verità et illustrati dalla divina intelligenza, di prender l’armi contra la fosca ignoranza, montando su l’alta rocca et eminente torre della contemplazione. A costoro conviene d’aver ogn’altra impresa per vile e vana. – Questi non denno in cose leggieri e vane spendere il tempo, la cui velocità è infinita: essendo che sì mirabilmente precipitoso scorra il presente, e con la medesima prestezza s’accoste il futuro. Quel che abbiamo vissuto è nulla, quel che viviamo è un punto, quel ch’abbiamo a vivere non è ancora un punto, ma può essere un punto, il quale insieme sarà e sarà stato. E tra

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zweiter teil · zweiter dialog 303

nie entwachsen und über dem Zerlegen von Wörtern und Sätzen alt geworden sind, ihren Geist zu neuen Logiken und Metaphysiken erwecken wollten und Urteil und Meinung über jene Alten äußern, die sie niemals studiert haben und jetzt auch nicht verstehen. So werden diese unter dem Beifall der unwissenden Menge (deren Geisteskräfte sie eher ansprechen) nur allzu gut für den Untergang des Bildungsguts und der Verstandesschlüsse des Aristoteles sorgen, so wie dieser zum Schlächter der göttlichen Philosophien anderer Autoren wurde. Du siehst also, wohin dieser Rat zu führen pflegt, daß alle zum heiligen Glanz streben und andere Aufgaben für verächtlich und sinnlos halten sollen. Mariconda 10

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Ride si sapis, o puella, ride, pelignus (puto) dixerat poeta; sed non dixerat omnibus puellis: et si dixerit omnibus puellis, non dixit tibi. Tu puella non es.

In diesem Sinne wird das sursum corda nicht für alle angestimmt, sondern nur für die, die Flügel haben. Wir sehen wohl, daß die Pedanterie niemals mehr als in unserer Zeit darauf versessen war, die Welt zu regieren. Sie erfindet so viele Wege zu den wahren intelligiblen Erscheinungen und Objekten der einen unfehlbaren Wahrheit, wie es Pedanten geben kann. Deshalb ist es gerade heute äußerst wichtig, daß die geistig Edlen, die mit der Wahrheit bewaffnet und von der göttlichen Vernunft erleuchtet sind, aufgerüttelt werden, damit sie die Waffen gegen die trübe Unwissenheit erheben, indem sie auf den erhabenen Fels und den hochragenden Turm der geistigen Betrachtung steigen. Für sie ziemt es sich, jede andere Beschäftigung für verächtlich und wertlos zu halten. – Sie dürfen nicht mit unwichtigen und wertlosen Dingen die Zeit, deren Geschwindigkeit unendlich ist, verschwenden, denn mit derart bestürzender Eile rast die Gegenwart vorbei, und mit derselben Schnelligkeit naht sich die Zukunft. Das, was wir gelebt haben, ist ein Nichts, was wir leben, ist ein Punkt, was wir zu leben haben, ist noch kein Punkt, kann aber zum Punkt werden, der zugleich sein und gewesen sein wird. Und unterdessen sinnt der eine über seine Abstammung

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tanto questo s’intesse la memoria di genealogie, quello attende a desciferar scritture, quell’altro sta occupato a moltiplicar sofismi da fanciulli. ¦ Vedrai verbigrazia un volume pieno di: | »Cor« est fons vite, »nix« est alba: ergo »cornix« est fons vitae alba.

Quell’altro garrisce se il nome fu prima o il verbo, l’altro se il mare o gli fonti, l’altro vuol rinovare gli vocaboli absoleti che per esserno venuti una volta in uso e proposito d’un scrittore antico, ora de nuovo le vuol far montar a gli astri; l’altro sta su la falsa e vera ortografia, altri et altri sono sopra altre et altre simili frascarie, le quali molto più degnamente son spreggiate che intese. Qua diggiunano, qua ismagriscono, qua intisichiscono, qua arrugano la pelle, qua allungano la barba, qua marciscono, qua poneno l’àncora del sommo bene. Con questo spreggiano la fortuna, con questo fan riparo e poneno il scudo contra le lanciate del fato. Con tali e simili vilissimi pensieri credeno montar a gli astri, esser pari a gli dèi, e comprendere il bello e buono che promette la filosofia. Cesarino  È gran cosa certo che il tempo che non può bastarci manco alle cose necessarie, quantumque diligentissimamente guardato, viene per la maggior parte ad esser speso in cose superflue, anzi cose vili e vergognose. – Non è da ridere di quello che fa lodabile Archimede o altro appresso alcuni, che a tempo che la cittade andava sottosopra, tutto era in ruina, era acceso il fuoco ne la sua ¦ stanza, gli nemici gli erano dentro la camera a le spalli, nella discrezzion et arbitrio de quali consisteva de fargli perdere l’arte, il cervello e la vita; e lui tra tanto avea perso il senso e proposito di salvar la vita, per averlo lasciato a dietro a perseguitar forse la proporzione de la curva a la retta, del diametro al

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nach, ein anderer müht sich um die Entzifferung alter Schriften, wieder ein anderer ist damit beschäftigt, die Zahl der kindischen Sophismen zu vermehren. Schau, es gibt zum Beispiel ein Buch voller Sprüche wie diesem: 14

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»Cor« est fons vite, »nix« est alba: ergo »cornix« est fons vitae alba.

Einer zetert darüber, ob es zuerst das Nomen oder das Verb gab, ein anderer, ob zuerst das Meer oder die Quellen, ein weiterer will ungebräuchliche Wendungen wieder einführen, denn da sie einst bei einem antiken Schriftsteller passend Verwendung fanden, meint er sie nun aufs Neue zu den Sternen steigen lassen zu müssen; ein anderer wacht über die falsche und richtige Orthografie, wieder andere und weitere kümmern sich um wieder andere und weitere ähnliche Unsinnigkeiten, die es wesentlich mehr verdienten, verachtet als verstanden zu werden. Sie aber hungern dafür, magern ab dafür, vertrocknen dafür, bekommen Falten und lange Bärte, verfaulen und hängen den Anker ihres höchsten Guts daran. Das ist ihre Art, das wechselhafte Glück zu verachten und sich mit vorgehaltenem Schild vor den Lanzenstößen des Schicksals zu schützen. Mit solchen und ähnlichen vollkommen wertlosen Gedanken glauben sie zu den Sternen zu steigen, den Göttern zu gleichen und das Schöne und Gute zu begreifen, das die Philosophie verspricht. Cesarino  Es ist gewiß eine sonderbare Sache, daß die Zeit, die uns selbst bei äußerster Achtsamkeit nicht einmal für die notwendigen Dinge reicht, größtenteils für überflüssige, wenn nicht gar wertlose und schändliche Dinge verschwendet wird. – Muß man nicht lachen über folgende Geschichte, die Archimedes, oder wer es nun war, in den Augen einiger lobenswert erscheinen läßt? Während es in der Stadt drunter und drüber ging, alles zusammenstürzte, sein Haus in Flammen stand, ihm die Feinde bis aufs Zimmer nahe gerückt waren und ihn nach Belieben und Willkür Kunst, Gehirn und Leben verlieren lassen konnten, da hatte er weder im Sinn noch die Absicht, sich das Leben zu retten, weil ihm der Sinn womöglich danach stand, das Verhältnis zwischen Kurve und Gerade, zwischen Durchmesser und Kreis oder an-

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circolo o altre | simili matesi, tanto degne per giovanetti quanto indegne d’uno che (se posseva) devrebbe essere invecchiato et attento a cose più degne d’esser messe per fine de l’umano studio. Mariconda  In proposito di questo mi piace quello che voi medesimo poco avanti dicesti, che bisogna ch’il mondo sia pieno de tutte sorte de persone, e che il numero de gl’imperfetti, brutti, poveri, indegni e scelerati sia maggiore: et in conclusione non debba essere altrimente che come è. La età lunga e vechiaia d’Archimede, Euclide, di Prisciano, di Donato et altri che da la morte son stati trovati occupati sopra li numeri, le linee, le dizzioni, le concordanze, scritture, dialecti, sillogismi formali, metodi, modi de scienze, organi et altre isagogie, è stata ordinata al servizio della gioventù e de’ fanciulli, gli quali apprender possano e ricevere gli frutti della matura età di quelli, come conviene che siano mangiati da questi nella lor verde etade: a fin che più adulti vegnano senza impedimento atti e pronti a cose maggiori. Cesarino  Io non son fuor del proposito che poco avanti ho mosso: essendo in proposito di quei che fanno studio ¦ d’involar la fama e luogo de gli antichi con far nove opre o peggiori, o non megliori de le già fatte, e spendeno la vita su le considerazioni da mettere avanti la lana di capra o l’ombra de l’asino; et altri che in tutto il tempo de la vita studiano di farsi esquisiti in que’ studii che convegnono alla fanciullezza, e per la massima parte il fanno senza proprio et altrui profitto. | Mariconda  Or assai è detto circa quelli che non possono né debbono ardire d’aver »ad alt’ amor la mente desta«. Venemo ora a considerare della volontaria cattività, e dell’ameno giogo sotto l’imperio de la detta Diana: quel giogo, dico, senza il quale l’anima è impotente de rimontar a quella altezza da la qual cadìo, percioché la rende più leggiera et agile; e gli lacci la fanno più ispedita e sciolta. Cesarino  Discorrete dumque.

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dere solche mathematische Probleme zu untersuchen, die so angemessen für einen Jüngling sind wie unangemessen für einen, der (wenn er schon die Fähigkeit dazu besaß) besser bei der Beschäftigung mit Dingen, die des menschlichen Eifers würdiger sind, hätte alt werden sollen. Mariconda  In dieser Hinsicht gefällt mir sehr gut, was Ihr selbst gerade erst gesagt habt, daß es nämlich auf der Welt alle Arten von Menschen geben, die Zahl der Unvollkommenen, Häßlichen, Armen, Würdelosen und Verbrecher aber größer sein müsse und es also schlußendlich nicht anders sein könne, als es ist. Es war die Bestimmung des langen Lebens und des hohen Alters des Archimedes, Euklid, Priscian, Donat und anderer, die bei der Beschäftigung mit Zahlen, Linien, Ausdrucksweisen, Konkordanzen, Handschriften, Dialektiken, formalen Syllogismen, Methoden, Forschungsweisen, logischen Schriften und sonstigen einführenden Überlegungen vom Tode überrascht wurden, der Jugend und den Kindern zu dienen, die nun die Früchte des reifen Alters jener Leute ernten können, so wie es angebracht ist, daß diese Früchte von den jungen Leuten gegessen werden, solange sie noch grün hinter den Ohren sind: damit sie, wenn sie älter sind, ohne Schwierigkeiten zu größeren Dingen fähig und gerüstet sind. Cesarino  Ich weiche nicht von dem ab, was ich vorhin gesagt habe, denn ich rede von denen, die sich bemühen, den Alten Ruhm und Stellung wegzunehmen, indem sie neue Werke hervorbringen, die entweder schlechter oder jedenfalls nicht besser als die schon geschriebenen sind, und ihr Leben mit Betrachtungen über die Wolle von Ziegen oder den Schatten eines Esels vergeuden; und von anderen, die sich während ihres ganzen Lebens darum bemühen, in den Studien zu glänzen, die der Kindheit angemessen sind, und dabei größtenteils weder für sich selbst noch für andere einen Gewinn erzielen. Mariconda  Nun ist genug über die gesagt worden, die es weder wagen können noch dürfen, daß ihnen zu edler Liebe der Geist erweckt sei. Kommen wir nun zur Betrachtung der freiwilligen Gefangenschaft und des lieblichen Jochs unter der Herrschaft besagter Diana; jenes Joch also, ohne das die Seele nicht fähig ist, wieder zu jener Höhe, von der sie herabgefallen ist, hinaufzusteigen, denn es macht sie leichter und beweglicher, und die Schlingen machen sie flinker und freier. Cesarino  Ich bin ganz Ohr.

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Mariconda  Per cominciar, continuar e conchiudere con ordine, considero che tutto quel che vive, in quel modo che vive, conviene che in qualche maniera si nodrisca, si pasca. Però a la natura intellettuale non quadra altra pastura che intellettuale, come al corpo non altra che corporale: atteso che il nodrimento non si prende per altro fine eccetto perché vada in sustanza de chi si nodrisce. Come dumque il corpo non si trasmuta in spirito, né il spirito si trasmuta in corpo (perché ogni trasmutazione si fa quando la materia che era sotto la forma de uno viene ad essere sotto la forma de l’altro), cossì il spirito et il corpo non hanno materia commune, di sorte che quello ¦ che era soggetto a uno possa dovenire ad essere soggetto de l’altro. Cesarino  Certo se l’anima se nodrisse de corpo si portarebe meglio dove è la fecondità della materia (come argumenta Iamblico), di sorte che quando ne si fa presente un corpo grasso e grosso, potremmo credere che sia vase d’un animo gagliardo, fermo, pronto, eroico, e dire: »O anima grassa, o fecondo spirito, o bello ingegno, o divina intelligenza, o | mente illustre, o benedetta ipostasi da far un convito a gli leoni, over | 385 un banchetto a i dogs«. Cossì un vecchio, come appare marcido, debole e diminuito de forze, debba esser stimato de poco sale, discorso e raggione. Ma seguitate. Mariconda  Or l’esca de la mente bisogna dire che sia quella sola che sempre da lei è bramata, cercata, abbracciata, e volentieri più ch’altra cosa gustata, per cui s’empie, s’appaga, ha prò e dovien megliore: cioè la verità alla quale in ogni tempo, in ogni etade et in qualsivoglia stato che si trove l’uomo, sempre aspira, e per cui suol spreggiar qualsivoglia fatica, tentar ogni studio, non far caso del corpo, et aver in odio questa vita. Perché la verità è cosa incorporea; perché nessuna, o sia fisica, o sia metafisica, o sia matematica, si trova nel corpo; perché vedete che l’eterna essenza umana non è ne gl’individui li quali nascono e muoiono. È la unità specifica (disse Platone) non la moltitudine numerale che comporta la sustanza de le cose; però chiamò l’idea uno e molti, stabile e mobile: perché come specie incorrottibile è cosa intelligibile et una,



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Mariconda  Um in der rechten Ordnung zu beginnen, fortzufahren und zu schließen, stelle ich also fest, daß alles, was lebt, irgendwie gemäß der Art, wie es lebt, sich nähren und essen muß. Deshalb passen zur geistigen Natur nur geistige Speisen wie zum Körper nur körperliche. Nahrung wird nämlich zu keinem anderen Zweck aufgenommen als dem, daß sie zur Substanz dessen werde, der sich ernährt. Wie sich also der Körper nicht in Geist, noch der Geist in Körper verwandelt (denn Verwandlung geschieht nur, wenn die Materie, die sich unter der Gestalt des einen befand, unter die Gestalt des anderen gerät), so haben Geist und Körper keine gemeinsame Materie, so daß, was dem einen unterworfen war, dem anderen unmöglich unterworfen werden kann. Cesarino  Sicherlich würde es der Seele, wenn sie sich von Körper­ lichem ernährte, dort besonders gut gehen, wo es Materie in Hülle und Fülle gibt (wie Jamblichus argumentiert), so daß wir, wenn wir eines fetten, großen Körpers ansichtig werden, glauben könnten, es handele sich um das Gefäß eines mutigen, starken, kampfbereiten, heroischen Charakters und ihn also anredeten: »Oh fette Seele, oh fruchtbares Denken, oh schönes Ingenium, oh göttliche Einsichtskraft, oh leuchtender Geist, oh gesegnete Hypostase, passend für ein Gastmahl unter Löwen oder ein Bankett unter dogs.« So dürfte man bei einem Alten, da er verbraucht, schwach und abgezehrt aussieht, nur wenig Witz, Redegewandtheit und Verstand erwarten. Aber fahrt fort. Mariconda  Nun gibt es, wie man feststellen muß, für den Geist nur eine Speise, die er stets ersehnt, sucht, aufnimmt und lieber als alles andere schmeckt, die ihn erfüllt und sättigt, ihm Nutzen und Verbesserung bringt: Das ist die Wahrheit, nach der der Mensch zu jeder Zeit, in jedem Alter und, in welchem Zustand auch immer er sich befindet, strebt, um derentwillen er jede Anstrengung geringzuschätzen, alles zu versuchen, den Körper zu vernachlässigen und dieses irdische Leben zu hassen pflegt. Denn die Wahrheit ist unkörperlich: keine Wahrheit, weder eine physische, noch eine metaphysische, noch eine mathematische, findet sich im Körper. Ihr seht ja, daß das ewige menschliche Wesen nicht in den Individuen liegt, die geboren werden und sterben. Das spezifisch Eine (sagte Plato), nicht die zählbare Vielheit, birgt die Substanz der Dinge; deshalb nannte er die Idee das Eine und das Viele, das Feststehende und das Bewegliche, denn als unvergängliche Erschei-

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e  ¦ come si communica alla materia et è sotto il moto e generazione, è cosa sensibile e molti. In questo secondo modo ha più de non ente che di ente: atteso che sempre è altro et altro, e corre eterno per la privazione; nel primo modo è ente e vero. Vedete appresso che gli matematici hanno per conceduto che le vere figure non si trovano ne gli corpi naturali, né vi possono essere per forza di natura né di arte. Sapete ancora che la verità de sustanze sopranaturali è sopra la materia. – Conchiudesi dumque che a chi cerca il | vero, bisogna montar sopra la raggione de cose corporee. Oltre di ciò è da considerare che tutto quel che si pasce, ha certa mente e memoria naturale del suo cibo, e sempre (massime quando fia più necessario) ha presente la similitudine e specie di quello, tanto più altamente, quanto è più alto e glorioso chi ambisce, e quello che si cerca. Da questo, che ogni cosa ha innata la intelligenza de quelle cose che appartegnono alla conservazione de l’individuo e specie, et oltre alla perfezion sua finale, depende la industria di cercare il suo pasto per qualche specie di venazione. – Conviene dumque che l’anima umana abbia il lume, l’ingegno e gl’instrumenti atti alla sua caccia. Qua soccorre la contemplazione, qua viene in uso la logica, attissimo organo alla venazione della verità, per distinguere, trovare e giudicare. Quindi si va lustrando la selva de le cose naturali dove son tanti oggetti sotto l’ombra e manto, e come in spessa, densa e deserta solitudine la verità suol aver gli antri e cavernosi ricetti; fatti intessuti de spine, conchiusi de boscose, ruvide e frondose piante: dove con le raggioni più degne et eccellenti maggiormente s’asconde, s’avvela e si profonda con diligenza maggiore, come noi ¦ sogliamo gli tesori più grandi celare con maggior diligenza e cura, accioché dalla moltitudine e varietà de cac-

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nung ist sie etwas mit der Vernunft Faßbares und Einheit, insofern sie sich aber der Materie mitteilt und der Bewegung und Zeugung untersteht, ist sie etwas mit den Sinnen Faßbares und Vielheit. In dieser zweiten Art hat sie mehr vom Nicht-Seienden als vom Seienden, denn immer ist sie ein anderes und nächstes und bleibt aufgrund des Mangels in ewiger Bewegung. In der ersten Art ist sie das Seiende und Wahre. Bedenkt auch, daß die Mathematiker es für ausgemacht halten, daß die wahren mathematischen Formen sich nicht an natürlichen Körpern finden noch kraft Natur oder Kunst dort finden können. Ihr wißt außerdem, daß die Wahrheit der übernatürlichen Substanzen über der Materie liegt. – Daraus müssen wir also schließen, daß der Wahrheitssuchende die Gesetzmäßigkeiten der körperlichen Dinge übersteigen muß. Überdies ist zu bedenken, daß alles, was sich ernährt, von der Natur mit sicherem Geist und Erinnerungsvermögen bezüglich seiner Nahrung begabt ist, und immer (insbesondere, wenn die Not am größten ist) ist sie ihm als Bild und Erscheinung gegenwärtig, und zwar umso erhabener, je erhabener und rühmlicher der Begehrende und das Gesuchte ist. Das angeborene Wissen über diejenigen Dinge, die zur Erhaltung des Individuums und der Art und darüber hinaus zu deren endgültigen Vollkommenheit gehören, bedingt den Eifer, mit dem jedes Ding seine Nahrung durch eine bestimmte Art der Jagd sucht. – Passenderweise hat denn auch die menschliche Seele die für ihre Jagd geeignete Einsicht, Begabung und Werkzeuge. Hierbei ist die Kontemplation eine Stütze, hierbei kommt die Logik zur Anwendung, die ein äußerst geeignetes Instrument bei der Jagd nach der Wahrheit ist, um zu unterscheiden, zu finden und zu urteilen. Man durchstreift also den Wald der natürlichen Dinge, in dem man auf so viele schattenhafte und verhüllte Gegenstände trifft und in dem die Wahrheit gleichsam in dichter, undurchdringlicher und verlassener Einsamkeit ihre Höhlen und grottenartigen Zufluchtsstätten zu haben pflegt, ­hinter Dornenhecken und zwischen knorrigen, abweisenden, blätter­reichen Pflanzen eingeschlossen, wo sie sich zusammen mit den erhabensten und vortrefflichsten Seinsgründen mit allergrößter Sorgfalt versteckt, verschleiert und in die Tiefe begibt, wie auch wir unsere größten Schätze mit größter Sorgfalt und Achtsamkeit zu verstecken pflegen, damit sie nicht von den zahlreichen verschiedenartigen Jägern

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ciatori (de quali altri son più exquisiti et exercitati, altri meno) non vegna senza gran fatica discuoperta. Qua andò Pitagora cercandola per le sue orme e vestigii impressi nelle cose naturali, che son gli numeri li quali mostrano il suo progresso, raggioni, modi et operazioni in certo modo: perché in numero de moltitudine, numero de misure, e numero de momento o pondo, la verità e | l’essere si trova in tutte le cose. Qua andò Anaxagora et Empedocle che considerando che la omnipotente et omniparente divinità empie il tutto, non trovavano cosa tanto minima che non volessero che sotto quella fusse occolta secondo tutte le raggioni, benché procedessero sempre vèr là dove era predominante et espressa secondo raggion più magnifica et alta. Qua gli Caldei la cercavano per via di suttrazzione non sapendo che cosa di quella affirmare: e procedevano senza cani de demostrazioni e sillogismi; ma solamente si forzaro di profondare rimovendo, zappando, isboscando per forza di negazione de tutte specie e predicati comprensibili e secreti. Qua Platone andava como isvoltando, spastinando e piantando ripari: perché le specie labili e fugaci rimanessero come nella rete, e trattenute da le siepe de le definizioni, considerando le cose superiori essere participativamente, e secondo similitudine speculare ¦ nelle cose inferiori, e queste in quelle secondo maggior dignità et eccellenza; e la verità essere ne l’une e l’altre secondo certa analogia, ordine e scala, nella quale sempre l’infimo de l’ordine superiore conviene con il supremo de l’ordine inferiore. E cossì si dava progresso dal infimo della natura al supremo come dal male al bene, dalle tenebre alla luce, dalla pura potenza al puro atto, per gli mezzi. Qua Aristotele si vanta pure da le orme e vestigii impressi di posser pervenire alla desiderata preda, mentre da gli effetti vuol amenarsi a le cause. Benché egli per il più (massime che tutti gli altri

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(von denen die einen mehr, die anderen weniger begabt und geübt sind) ohne große Anstrengung gefunden werden. Hier ging Pythagoras auf die Suche nach ihr entlang der Spuren und Zeichen, die sie den natürlichen Dingen eindrückt, das heißt den Zahlen, die ihr Fortschreiten, ihre Gründe, Wirkungsweisen und Tätigkeiten auf gewisse Art deutlich machen, denn als Zahl der Menge, Zahl der Maße und Zahl der Bedeutung oder des Gewichts findet sich die Wahrheit und das Sein in allen Dingen. Hier gingen Anaxagoras und Empedokles auf die Suche nach ihr, und im Gedanken daran, daß die allmächtige und allgebärende Göttlichkeit alles erfüllt, fanden sie keinen Gegenstand, der so gering gewesen wäre, daß sie nicht meinten, in seinem Innern sei jene Göttlichkeit gemäß all ihren Seinsgründen verborgen, wenn sie auch ständig in die Richtung weitergingen, wo sie sich gemäß eines größeren und erhabeneren Gesetzes ausgedrückt und vorherrschend fand. Hier suchten sie die Chaldäer auf dem Wege der Subtraktion, weil sie nicht wußten, was sich positiv über sie aussagen ließe. Und sie gingen ohne die Hunde des Beweises und des Syllogismus vor, sondern bemühten sich um Durchdringung, allein indem sie alle begreifbaren und geheimen Arten und Eigenschaften durch die Kraft der Verneinung entfernten, abhackten, rodeten. Hier suchte Platon sie, indem er gleichsam sein Ziel einkreiste, Gruben füllte und Schutzhecken anpflanzte, damit die wankenden und flüchtigen Erscheinungen wie in einem Netz gefangenblieben und durch die Hecken der Definitionen festgehalten würden, denn er war der Ansicht, daß die höheren Dinge in den niederen durch Teilhabe und gemäß einer spiegelbildlichen Ähnlichkeit vorlägen und diese in jenen in einer höheren Würde und Vortrefflichkeit; die Wahrheit sei also in den einen wie den anderen gemäß einer gewissen Analogie, Ordnung und Stufenleiter vorhanden, auf der das unterste Element der höheren Ordnung stets mit dem obersten der niedrigeren Ordnung zusammenfalle. Und so gelang es ihm, vom Untersten der Natur zum Höchsten fortzuschreiten, etwa vom Schlechten zum Guten, von der Finsternis zum Licht, von der reinen Potenz zum reinen Akt, indem er über die dazwischen liegenden Stufen aufstieg. Hier brü­ stet sich auch Aristoteles damit, entlang der Spuren und hinterlassenen Zeichen zur ersehnten Beute gelangen zu können, wobei er sich von den Wirkungen zu den Ursachen führen lassen möchte. Allerdings hat er

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ch’hanno occupato il studio a questa venazione) abbia smarrito il camino, per non saper a pena distinguere de le pedate. – Qua alcuni teologi nodriti in alcune de le sette cercano la verità | della natura in tutte le forme naturali specifiche, nelle quali considerano l’essenza eterna e specifico sustantifico perpetuator della sempiterna generazione e vicissitudine de le cose, che son chiamate dèi conditori e fabricatori, sopra gli quali soprasiede la forma de le forme, il fonte de la luce, verità de le veritadi, dio de gli dèi, per cui tutto è pieno de divinità, verità, entità, bontà. Questa verità è cercata come cosa inaccessibile, come oggetto inobiettabile, non sol che incomprensibile: però a nessun pare possibile de vedere il sole, l’universale Apolline e luce absoluta per specie suprema et eccellentissima; ma sì bene la sua ombra, la sua Diana, il mondo, l’universo, la natura che è nelle cose, la luce che è nell’opacità della materia: cioè quella in quanto splende nelle tenebre. De ¦ molti dumque che per dette vie et altre assai discorreno in questa deserta selva, pochissimi son quelli che s’abbattono al fonte de Diana. Molti rimagnono contenti de caccia de fiere salvatiche e meno illustri, e la massima parte non trova da comprendere avendo tese le reti al vento, e trovandosi le mani piene di mosche. Rarissimi dico son gli Atteoni alli quali sia dato dal destino di posser contemplar la Diana ignuda: e dovenir a tale che dalla bella disposizione del corpo della natura invaghiti in tanto, e scorti da que’ doi lumi del gemino splendor de divina bontà e bellezza, vegnano trasformati in cervio, per quanto non siano più cacciatori ma caccia. Perché il fine ultimo e finale di questa venazione è de venire allo acquisto di quella fugace e selvaggia preda, per cui il predator dovegna preda, il cacciator doventi caccia; perché in tutte le altre specie di venaggione che si fa de cose | particolari, il cacciatore viene a cattivare a sé l’altre cose, assorbendo quelle con la bocca de l’intelligenza propria; ma in quella divina et universale viene talmente ad apprendere che resta necessariamente ancora compreso, assorbito, unito:

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meistens (mehr als alle anderen, die diese Jagd mit Eifer betrieben) den Weg verfehlt, da er kaum die Fußabdrücke auseinanderzuhalten wußte. – Hier suchen einige Theologen, die in verschiedenen Sekten groß geworden sind, die Wahrheit der Natur in allen einzelnen Naturformen, in denen sie Ausschau halten nach dem ewigen Sein und dem bestimmten Substanzgeber, der das ewige Werden und Wechseln der Dinge beständig in Gang hält, Formen, welche Gründer- und Schöpfergötter genannt werden, über denen die Form der Formen steht, die Quelle des Lichts, die Wahrheit der Wahrheiten, der Gott der Götter, durch den alles erfüllt ist von Göttlichkeit, Wahrheit, Sein und Güte. Diese Wahrheit wird wie ein unzugängliches Etwas gesucht, wie ein nicht zu vergegenständlichender Gegenstand, und nicht nur wie ein unbegreiflicher. Denn niemand hält es für möglich, die Sonne zu schauen, den universellen Apollo, das absolute Licht in seiner höchsten und vorzüglichsten Erscheinung; wohl aber seinen Schatten, seine Diana, die Welt, das Universum, die Natur, wie sie in den Dingen liegt, das Licht, wie es in der Undurchsichtigkeit der Materie steckt, also das Licht, insofern es in der Finsternis leuchtet. Unter den vielen also, die auf besagten und anderen Wegen zur Genüge diesen einsamen Wald durchstreifen, gibt es sehr wenige, die sich bis zur Quelle der Diana durchschlagen. Viele begnügen sich damit, wilde und weniger edle Tiere zu jagen, und der größte Teil findet und begreift gar nichts, weil er die Netze in den Wind hängt und die Hände voller Fliegen hat. ­Äußerst selten, sage ich, sind die Aktaionen, denen es das Schicksal bestimmt hat, die nackte Diana schauen zu können – und in den Zustand zu gelangen, da sie, über die Harmonie des Körpers der Natur derart in Verzückung geraten und von den beiden Lichtern des doppelten Glanzes göttlicher Güte und Schönheit derart getroffen, in einen Hirsch verwandelt werden und nun nicht mehr Jäger, sondern Beute sind. Denn das letzte Ziel und das Ende dieser Jagd ist es, in den Besitz jener flüchtigen und scheuen Beute zu gelangen, durch die der Fänger zum Fang, der Jäger zur Jagdbeute wird. Denn bei allen anderen Arten der Jagd, die man auf einzelne Dinge macht, fängt der Jäger die anderen Dinge, indem er sie mit dem Mund der eigenen Einsichtsfähigkeit aufsaugt; aber bei jener göttlichen, allumfassenden Jagd geschieht das Ergreifen auf solche Weise, daß er gezwungenermaßen selbst auch begrif-

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onde da volgare, ordinario, civile e populare, doviene salvatico come cervio, et incola del deserto; vive divamente sotto quella procerità di selva, vive nelle stanze non artificiose di cavernosi monti, dove admira gli capi de gli gran fiumi, dove vegeta intatto e puro da ordinarie cupiditadi, dove più liberamente conversa la divinità, alla quale aspirando tanti uomini che in terra hanno volsuto gustar vita celeste, dissero con una voce: Ecce elongavi fugiens, et mansi in ¦ solitudine. Cossì gli cani, pensieri de cose divine, vorano questo Atteone, facendolo morto al volgo, alla moltitudine, sciolto dalli nodi de perturbati sensi, libero dal carnal carcere della materia; onde non più vegga come per forami e per fenestre la sua Diana, ma avendo gittate le muraglia a terra, è tutto occhio a l’aspetto de tutto l’orizonte. Di sorte che tutto guarda come uno, non vede più per distinzioni e numeri, che secondo la diversità de sensi, come de diverse rime fanno veder et apprendere in confusione. Vede l’Amfitrite, il fonte de tutti numeri, de tutte specie, de tutte raggioni, che è la Monade, vera essenza de l’essere de tutti; e se non la vede in sua essenza, in absoluta luce, la vede nella sua genitura che gli è simile, che è la sua imagine: perché dalla monade che è la divinitade, procede questa monade che è la natura, l’universo, il mondo; dove si contempla e specchia come il sole nella luna, mediante la quale ne illumina trovandosi egli nell’emisfero delle sustanze intellettuali. | Questa è la Diana, quello uno che è l’istesso ente, quello ente che è l’istesso vero, quello vero che è la natura comprensibile, in cui influisce il sole et il splendor della natura superiore secondo che la unità è destinta nella generata e generante, o producente e prodotta. Cossì da voi medesimo potrete conchiudere il modo, la dignità, et il successo più degno del cacciatore e de la caccia: onde il furioso si vanta d’esser preda della Diana, a cui si rese, per cui si stima gradito consorte, e più felice cattivo e suggiogato, che invidiar possa ad altro uomo ¦ che non ne può aver ch’altretanto, o

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fen, aufgesogen und vereint wird. So wird er aus einem gewöhn­lichen, gemeinen Bürger aus dem Volk zu einem Lebewesen der Wildnis – wild wie ein Hirsch –, zu einem Bewohner der Einöde; er lebt wie ein Gott unter hohen Bäumen, lebt in den nicht durch Menschenkunst gefertigten Kammern höhlenreicher Berge, wo er den Ursprung der großen Flüsse bewundert, wo er rein und unberührt von gewöhnlichen Begierden dahinlebt, wo die Gottheit freien Umgang pflegt, nach der trachtend so viele Menschen, die auf Erden himmlisches Leben genießen wollten, einstimmig gesagt haben: Ecce elongavi fugiens, et mansi in solitudine. So verschlingen die Hunde, die Gedanken an göttliche Dinge, diesen Aktaion, so daß er nun für das Volk, für die Vielzahl tot ist, gelöst ist aus den Verstrickungen der verwirrten Sinne, frei vom fleischlichen Gefängnis der Materie. Deshalb sieht er seine Diana nun nicht mehr wie durch Spalten und Fenster; vielmehr hat er die Mauern niedergerissen, ist ganz Auge und umfaßt den gesamten Horizont mit seinem Blick. So schaut er alles als eines, sieht nicht mehr in Unterschieden und Zahlen, die aufgrund der Verschiedenheit der Sinne, die gleichsam verschiedene Ritzen sind, nur verwirrt sehen und begreifen lassen. Er sieht Amphitrite, die Quelle aller Zahlen, aller Erscheinungen, aller Seinsgründe: sie ist die Monade, das wahre Wesen des Seins aller Dinge. Und wenn er sie auch nicht in ihrer Wesenheit und im absoluten Licht sieht, so sieht er sie in dem, was sie hervorbringt, das ihr ähnlich, das ihr Abbild ist. Denn aus der Monade, die die Gottheit ist, entsteht diese Monade, die die Natur, das Universum, die Welt ist. Dort schaut und spiegelt sie sich wie die Sonne im Mond, durch den sie uns erleuchtet, während sie selbst sich in der Hemisphäre der Vernunftsubstanzen befindet. Diese zweite Monade ist Diana, jenes Eine, welches das Seiende selbst ist, jenes Seiende, welches das Wahre selbst ist, jenes Wahre, das die begreifliche Natur ist, in welche die Sonne und der Glanz der höheren Natur einströmen, denn die Einheit ist geschieden in erzeugte und erzeugende oder hervorbringende und hervorgebrachte. So könnt Ihr selbst auf die Beschaffenheit, Würde und den noch würdigeren Erfolg von Jäger und Beute schließen: Aufgrund dessen brüstet sich der Leidenschaftliche damit, Beute der Diana zu sein; ihr hat er sich ergeben, um ihretwillen hält er sich für einen begünstigten Gemahl und in höherem Maße glücklich in der Gefangenschaft

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ad altro divo che ne have in tal specie quale è impossibile d’essere ottenuta da natura inferiore, e per consequenza non è conveniente d’essere desiata, né meno può cadere in appetito. Cesarino  Ho ben compreso quanto avete detto, e m’avete più che mediocremente satisfatto. Or è tempo di ritornar a casa. Mariconda  Bene. Fine del secondo dialogo ¦ |

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und Unterjochung, als er einen anderen beneiden könnte, sei es einen anderen Menschen, der ja nicht ebenso viel besitzen kann wie er, oder einen anderen Gott, der das Göttliche in einer Erscheinung besitzt, die unmöglich von einer niederen Natur erlangt werden kann und folglich nicht ersehnt werden soll, noch auch begehrt werden kann. Cesarino  Ich habe genau verstanden, was Ihr gesagt habt, und Ihr habt mich nicht wenig zufriedengestellt. Nun ist es Zeit, nach Hause zu gehen. Mariconda  Einverstanden. Ende des zweiten Dialogs

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DI A L O G O T E R Z O

Interlocutori Liberio, Laodonio Liberio  Posando sotto l’ombra d’un cipresso il furioso, e trovandosi l’alma intermittente da gli altri pensieri (cosa mirabile), avvenne che (come fussero animali e sustanze de distinte raggioni e sensi) si par­ lassero insieme il core e gli occhi: l’uno de l’altro lamentandosi come quello che era principio di quel faticoso tormento che consumava l’alma. Laodonio  Dite, se vi ricordate, le raggioni e le paroli. Liberio  Cominciò il dialogo il core, il qual facendosi udir dal petto proruppe in questi accenti:

 prima proposta del core a gli occhi Come, occhi miei, sì forte mi tormenta quel che da voi deriva ardente foco, | ch’al mio mortal suggetto mai allenta di serbar tal incendio, ch’ho per poco ¦ l’umor de l’Oceàn e di più lenta artica stella il più gelato loco, perché ivi in punto si reprima il vampo, o al men mi si prometta ombra di scampo?   Voi mi féste cattivo d’una man che mi tiene, e non mi vuole; per voi son entro al corpo, e fuor col sole, son principio de vita, e non son vivo:

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321

1

DR I T T E R DI A L O G

2

Gesprächspartner Liberio, Laodonio

3, 4 5

Liberio  Als der Leidenschaftliche im Schatten einer Zypresse ausruhte und die Seele einmal (oh Wunder) von seinen anderen Gedanken unbeschwert war, geschah es, daß (als seien sie zwei Lebewesen und Substanzen mit jeweils unterschied­lichem Verstand und Gefühl) das Herz und die Augen miteinander sprachen: Sie beschuldigten sich gegenseitig, die Ursache jener mühseligen Qual zu sein, die die Seele aufzehrte. Laodonio  Gebt, wenn Ihr Euch erinnert, ihre Argumente und Worte wieder. Liberio  Es begann das Herz den Dialog und ließ sich aus der Brust vernehmen, indem es in solche Töne ausbrach:

 erste frage des herzens an die augen Wie, meine Augen, martert mich so stark dies glüh’nde Feuer, das von euch kommt, das mich sterbliches Subjekt ununterbrochen solche Flammen nähren heißt, daß mir zu wenig scheint des Ozeans Wasser und des Nordsterns, der am meisten zögert, meistvereister Ort, als daß sich hier die Glut im Keim ersticken ließe oder sich zumindest mir der Schatten eines Auswegs böte?   Ihr nahmet mich gefangen mit einer Hand, die mich zwar hält, doch mich nicht will; durch eure Schuld bin ich im Körper drin und draußen mit der Sonne, bin des Lebens Ursprung und bin nicht lebendig;

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seconda parte · dialogo terzo

1128 ¦ 1129

  non so quel che mi sia ch’appartegno a quest’alma, e non è mia.

 Laodonio  Veramente l’intendere, il vedere, il conoscere è quello che accende il desio, e per consequenza per ministerio de gli occhi vien infiammato il core: e quanto a quelli fia presente più alto e degno oggetto, tanto più forte è il foco e più vivaci son le fiamme. Or qual esser deve quella specie per cui tanto si sente acceso il core, che non spera che temprar possa il suo ardore tanto più fredda quanto più lenta stella che sia conchiusa nell’artico cerchio, né rallentar il vampo l’umor intiero de l’Oceano? Quanta deve essere l’eccellenza di quello oggetto che l’ha reso nemico de l’esser suo, rubello a l’alma propria, e contento di tal ribellione e nemicicia, quantumque sia cattivo d’una man che ’l dispreggia e non lo vuole? Ma fatemi udire se gli occhi risposero e che cosa dissero. Liberio  Quelli per il contrario si lagnavano del core come quello che era principio e caggione per cui | versassero tante lacrime. Però a l’in- | 401 contro gli proposero in questo tenore:

 prima proposta de gli occhi al core Come da te sorgon tant’acqui, o core, da quante mai Nereidi alzar la fronte ch’ogni giorn’ al bel sol rinasce e muore? A par de l’Amfitrite il doppio fonte ¦ versar può sì gran fiumi al mondo fore, che puoi dir che l’umor tanto surmonte, che gli fia picciol rio chi Egitto inonda scorrend’ al mar per sette doppia sponda.   Die’ natura doi lumi a questo picciol mondo per governo; tu perversor di quell’ordin eterno, le convertiste in sempiterni fiumi.



zweiter teil · dritter dialog 323

  weiß nicht, was mir geschieht, da ich der Seele angehöre, aber sie nicht mir.

 6

Laodonio  Tatsächlich entfacht das Verstehen, Sehen, Erkennen das Verlangen, und folglich wird das Herz durch den Dienst der Augen entflammt. Und je edler und würdiger das Objekt, das vor die Augen kommt, desto stärker das Feuer und desto lebhafter die Flammen. Was muß das nun für eine Erscheinung sein, durch die das Herz sich so brennen fühlt, daß es nicht darauf hofft, der kälteste und langsamste Stern des nördlichen Polarkreises könne seinen Brand mäßigen oder das gesamte Wasser des Ozeans seine Flammen zügeln? Wie vortrefflich muß jenes Objekt sein, das es zum Feind seines eigenen Seins, zum Rebell wider die eigene Seele gemacht hat und ihm gleichzeitig Befriedigung über dieser Rebellion und Feindschaft verschafft, obgleich es von einer Hand gefangen ist, die es verachtet und nicht will? Aber laßt mich hören, ob die Augen antworteten und was sie sagten. Liberio  Diese beschwerten sich im Gegenteil über das Herz als Grund und Ursache dafür, daß sie so viele Tränen vergössen. Deshalb redeten sie es in diesem Tonfall an:

 erste frage der augen an das herz

7

Wie quillt aus dir, oh Herz, nur so viel Wasser, mehr als das, aus dem die Nereiden je ihr Haupt erhoben, das jeden Tag bei Sonnenaufgang neu geboren wird und stirbt? Gleich Amphitrite kann der zweifache Quell so große Flüsse in die Welt ergießen, daß du sagen kannst, die Fluten liefen derart über, daß Ägyptens Überschwemmer gegen sie zum kleinen Flüßchen wird, das durch sieben Doppelufer meerwärts fließt.   Gab die Natur zwei Lichter dieser kleinen Welt zur Lenkung; du, Verderber jener ewigen Ordnung, hast sie in Flüsse umgewandelt, die auf ewig strömen.

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seconda parte · dialogo terzo

1129 ¦ 1130

  E questo il ciel non cura, ch’ il natìo passa, el violento dura.

 Laodonio  Certo ch’il cor acceso e compunto fa sorger lacrime da gli occhi, onde come quelli accendeno le fiamme in questo, quest’altro viene a rigar quelli d’umore. Ma mi maraviglio de sì forte exaggerazione per cui dicono che le Nereidi non alzano tanto bagnata fronte a l’oriente sole, quanta possa appareggiar queste acqui; et oltre agguagliansi all’Oceano, non perché versino, ma perché versar possano questi doi fonti, fiumi tali e tanti, che computato a loro il Nilo apparirebbe | 403 una picciola lava distinta in sette canali. | Liberio  Non ti maravigliar della forte exaggerazione e di quella potenza priva de l’atto; perché tutto intenderete dopo intesa la conchiusione de raggionamenti loro. Or odi come prima il core risponde alla proposta de gli occhi. Laodonio  Priegovi fatemi intendere. Liberio  prima risposta del core a gli occhi Occhi, s’in me fiamma immortal s’alluma, et altro non son io che fuoco ardente, se quel ch’a me s’avvicina, s’infuma, e veggio per mio incendio il ciel fervente; come il gran vampo mio non vi consuma, ma l’effetto contrario in voi si sente? ¦ Come vi bagno, e più tosto non cuoco, se non umor, ma è mia sustanza fuoco?   Credete ciechi voi che da sì ardente incendio derivi el doppio varco, e que’ doi fonti vivi da Vulcan abbian gli elementi suoi,



zweiter teil · dritter dialog 325

  Und der Himmel trägt es ohne Sorge, daß das Ursprüngliche vergeht und das Gewaltsame bestehen bleibt.

 Laodonio  Es stimmt, daß das brennende und gepeinigte Herz Tränen aus den Augen quillen läßt, denn wie jene die Flammen in diesem entfachen, so benetzt dieses jene mit Flüssigkeit. Aber ich wundere mich über diese starke Übertreibung, mit der sie behaupten, daß diese Wassermassen gar nicht mit denen verglichen werden können, aus denen die Nereiden bei Sonnenaufgang ihr Haupt erheben. Und dann vergleichen sie sich noch mit dem Ozean, nicht weil diesen beiden Quellen so große und mächtige Flüsse entspringen, sondern entspringen könnten, daß sie sich ausrechnen, ihnen gegenüber erschiene der Nil als kleiner Bach aus sieben Rinnsalen. Liberio  Wundere dich nicht über die starke Übertreibung und über jenes Vermögen ohne Aussicht auf Verwirklichung, denn Ihr werdet alles verstehen, wenn Ihr die Schlußfolgerung aus ihren Überlegungen verstanden habt. Höre nun, wie zuerst das Herz auf die Frage der Augen antwortet. Laodonio  Ich bitte Euch, sagt an. Liberio  Erste Antwort des Herzens an die Augen Wenn, Augen, eine unsterbliche Flamme sich in mir entzündet und ich nichts andres bin als glüh’ndes Feuer, wenn alles, was mir naht, in Rauch aufgeht, und ich den Himmel durch mein Brennen glühen sehe, wieso verzehrt euch dann nicht meine große Glut, sondern bewirkt bei euch das Gegenteil? Wieso mach’ ich euch naß anstatt euch zu verbrennen, wenn meine Substanz nicht Wasser, sondern Feuer ist?   Glaubt ihr Blinden denn, daß von solch lohem Brand der Zwillingsstrom herrührte, und daß zwei lebendige Quellen von Hephaistos ihren Grundstoff hätten –

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seconda parte · dialogo terzo

1130 ¦ 1131

  come tal volt’ acquista forza un contrario, se l’altro resista?

 Vede come non possea persuadersi il core di posser da contraria causa e principio procedere forza di contrario effetto, sin a questo che non vuol affirmare il modo possibile, quando per via d’antiperistasi, | che significa il vigor che acquista il contrario da quel che fuggendo l’altro viene ad unirsi, inspessarsi, inglobarsi e concentrarsi verso l’individuo della sua virtude, la qual quanto più s’allontana dalle dimensioni, tanto si rende efficace di vantaggio. Laodonio  Dite ora come gli occhi risposero al core. Liberio  prima risposta de gli occhi al core Ahi cor, tua passion sì ti confonde, ch’hai smarito il sentier di tutt’ il vero. Quanto si vede in noi, quanto s’asconde, è semenza de mari, onde l’intero Nettun potrà ricovrar non altronde, se per sorte perdesse il grand’impero; come da noi deriva fiamma ardente, che siam del mare il gemino parente?   Sei sì privo di senso, che per noi credi la fiamma trapasse, e tant’ umide porte a dietro lasse, per far sentir a te l’ardor immenso?   Come splendor per vetri, crederai forse che per noi penétri? ¦

 Qua non voglio filosofare circa la coincidenza de contrarii, de la quale ho studiato nel libro De principio et uno; e voglio supponere quello che

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zweiter teil · dritter dialog 327

  wie manchmal von zwei Gegensätzen der eine stärker wird, wenn sich der andre widersetzt?



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Ihr seht, wie sich das Herz nicht davon überzeugen konnte, von der einen Ursache und dem einen Prinzip könne die Kraft zu der entgegengesetzten Wirkung ausgehen; es ging sogar so weit, nicht einmal die Möglichkeit einer Antiperistase einzuräumen, das heißt einer Kraft, die einem Gegensatz daraus erwächst, daß er sich auf der Flucht vor dem anderen sammelt, verdichtet, zusammenballt und konzentriert auf den Kern seiner Qualität, die umso mehr an Intensität gewinnt, je mehr sie an räumlicher Ausdehnung abnimmt. Laodonio  Berichtet nun, wie die Augen dem Herzen antworteten. Liberio  Erste Antwort der Augen an das Herz Ach Herz, dein Leid verwirrt dich so, daß du vom Pfad der Wahrheit gänzlich abgekommen bist. Das, was man in uns sieht, und das, was sich verbirgt, ist Meeressaat, so daß Neptun von dort allein sein ganzes, großes Reich zurückerhalten könnte, wenn das Geschick es ihn verlieren ließe. Wie könnte uns die lohe Flamme auch entspringen, da wir des Meeres doppelte Erzeuger sind?   Bist du derart von Sinnen, daß die Flamme du durch uns hindurchzugehen glaubst und daß sie hinter sich so nasse Türen läßt, damit sie dich ihr grenzenloses Brennen spüren läßt?   Wie Glanz durch Glas glaubst du durch uns sie etwa einzudringen?

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Ich will an dieser Stelle nicht über den Zusammenfall der Gegensätze philosophieren, womit ich mich in dem Buch Von dem Prinzip und dem Einen befaßt habe, und gehe vielmehr von der gemeinhin

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seconda parte · dialogo terzo

1131 ¦ 1132

comun | mente si suppone, che gli contrarii nel medesimo geno son distantissimi, onde vegna più facilmente appreso il sentimento di questa risposta, dove gli occhi si dicono semi o fonti, nella virtual potenza de quali è il mare: di sorte che se Nettuno perdesse tutte l’acqui, le potrebbe richiamar in atto dalla potenza loro, dove sono come in principio agente e materiale. Però non metteno urgente necessità quando dicono non posser essere che la fiamma per la lor stanza e cortile trapasse al core con lasciarsi tant’acqui a dietro, per due caggioni: prima perché tal impedimento in atto non può essere se non posti in atto tali oltraggiosi ripari; secondo perché per quanto l’acqui sono attualmente ne gli occhi, possono donar via al calore come alla luce: essendo che l’esperienza dimostra che senza scaldar il specchio viene il luminoso raggio ad accendere per via di reflessione qualche materia che gli vegna opposta; e per un vetro, cristallo, o altro vase pieno d’acqua, passa il raggio ad accendere una cosa sottoposta senza che scalde il spesso corpo tramezzante: come è verisimile et anco vero che caggione secche et aduste impressioni nelle concavitadi del profondo mare. Talmente per certa similitudine, se non per raggioni di medesimo geno, si può considerare come fia possibile che per il senso lubrico et oscuro de gli occhi possa esser scaldato et acceso di quella luce l’affetto, la quale secondo medesima raggione non può essere nel mezzo. Come la luce del sole secondo altra raggione è nell’aria tramezzante, altra nel senso vicino, et altra nel senso commune, et altra ¦ ne l’intelletto: quantumque da un modo proceda l’altro modo di essere. | Laodonio  Sonvi altri discorsi? Liberio  Sì, perché l’uno e l’altro tentano di saper con qual modo quello contegna tante fiamme, e quelli tante acqui. Fa dumque il core la seconda proposta:

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zweiter teil · dritter dialog 329

getroffenen Annahme aus, daß die Gegensätze innerhalb derselben Gattung aufs äußerste voneinander entfernt sind, denn so ist der Sinn dieser Antwort leichter zu verstehen, wonach sich die Augen als Samen oder Quellen bezeichnen, in deren potentieller Kraft das Meer liegt. So könnte Neptun all sein Wasser, wenn er es verlöre, aus ihrer Potenz wieder in die Wirklichkeit zurückrufen; in dieser Potenz sind sie nämlich wie als Wirk- und Stoffprinzip enthalten. Aber es ist nicht vollkommen richtig, wenn sie behaupten, daß die Flamme unmöglich durch ihr Haus und ihren Hof zum Herzen gelangt sein könne und dabei so viel Wasser zurückgelassen habe, und zwar aus zwei Gründen: Erstens kann ein solches Hindernis nicht wirksam werden, ohne daß entsprechend übermäßige Schutzvorrichtungen zur Wirkung kommen. Zweitens können die Augen, selbst wenn sie augenblicklich voll Wasser sind, Wärme ebenso wie Licht durchlassen. Denn die Erfahrung beweist, daß ein Lichtstrahl, ohne den Spiegel zu erhitzen, durch Reflexion eine ihm entgegengehaltene Materie in Brand stecken kann. Und durch Glas, Kristall oder ein anderes mit Wasser gefülltes Gefäß geht der Strahl hindurch und bringt einen darunterliegenden Gegenstand zum Brennen, ohne den dichten Körper dazwischen zu erhitzen. So ist es nicht nur wahrscheinlich, sondern ebenfalls wahr, daß ein Lichtstrahl stellenweise Trockenheit und Dürre in den Höhlungen der Meerestiefen verursacht. In einer gewissen Ähnlichkeit dazu, wenn nicht sogar aus Gründen derselben Art läßt sich denken, wie durch das feuchte und dunkle Sinnesorgan hindurch, durch die Augen, das Gefühl erhitzt und in Brand gesteckt werden könnte – von eben jenem Licht, das im Zwischenraum nicht nach demselben Gesetz wirken kann. So wirkt das Sonnenlicht auf eine bestimmte Art in dem dazwischen liegenden Luftraum, auf eine andere Art im lichtnahen Sinnesorgan, wieder auf andere Art im Gemeinsinn und wieder anders in der Vernunft, obgleich aus einer Art des Seins die nächste hervorgeht. Laodonio  Geht das Streitgespräch noch weiter? Liberio  Ja, denn beide Seiten wollen herausfinden, wie jenes so viele Flammen in sich haben kann und jene so viel Wasser. Es stellt also das Herz eine zweite Frage:

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seconda parte · dialogo terzo

1132 ¦ 1133

 seconda proposta del core S’al mar spumoso fan concorso i fiumi, e da fiumi del mar il cieco varco vien impregnato, ond’è che da voi lumi non è doppio torrente al mondo scarco che cresca il regno a gli marini numi, scemando ad altri il glorioso incarco? Perché non fia che si vegga quel giorno, ch’a i monti fa Deucalion ritorno?   Dove gli rivi sparsi? Dove il torrente che mia fiamma smorze, o per ciò non posser più la rinforze? Goccia non scende a terra ad inglobarsi,   per cui fia ch’io non pensi che sia cossì, come mostrano i sensi?

 Dimanda qual potenza è questa che non si pone in atto; se tante son l’acqui, perché Nettuno non viene a tiranneggiar su l’imperio de gli altri elementi? Ove son gli inondanti rivi? Ove chi dia refrigerio al fuoco ardente? Dove è una stilla onde io possa affirmar de gli occhi quel tanto che niegano i sensi? Ma gli occhi di pari fanno un’altra dimanda: |  seconda proposta de gli occhi al core Se la materia convertita in foco acquista il moto di lieve elemento, ¦ e se ne sale a l’eminente loco, onde avvien che veloce più che vento, tu ch’incendio d’amor senti non poco, non ti fai gionto al sole in un momento?

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zweiter teil · dritter dialog 331

 Zweite Frage des Herzens

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Wenn im schaumgekrönten Meer die Flüsse sich vereinigen und die blinde Meerestiefe von den Flüssen wird getränkt, wie kommt es dann, daß von euch beiden Lichtern kein Zwillingsstrom sich in die Welt ergießt, so daß das Reich der Meeresgötter wüchse, den anderen indes die ruhmesvolle Macht beschnitten würde? Warum kommt nicht der Tag, an dem man sähe, wie Deukalion auf die Bergesgipfel wiederkehrte?   Wo sind die Flüsse, welche überfließen? Wo ist der Strom, der meine Flamme löscht, oder sie, wenn er dies nicht vermag, noch stärkte? Kein Tropfen fällt zur Erde und versickert dort –   wie sollte ich nicht glauben, daß es sich so verhält, wie es die Sinne zeigen?

 Es fragt, was das für eine Potenz sei, die nie zum Akt wird? Wenn die Wassermassen so gewaltig sind, warum gelingt es Neptun dann nicht, seine Herrschaft auf das Reich der anderen Elemente auszudehnen? Wo sind die Flüsse, welche die Länder überschwemmen? Wo ist jemand, der das glühende Feuer kühlte? Wo ist auch nur ein Tropfen, so daß ich den Augen in dem zustimmen könnte, was die Sinne bestreiten? Aber die Augen stellen gleichfalls eine weitere Frage:  Zweite Frage der Augen an das Herz Wenn jeder Stoff, in Feuersglut verwandelt, die Beweglichkeit des leichten Elements erwirbt und in den Himmel hoch entweicht, wie kommt es dann, daß du nicht schneller als der Wind, da du der Liebe Brennen ja nicht wenig spürst, im Nu der Sonne dich verbindest?

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seconda parte · dialogo terzo

1133

per che soggiorni peregrino al basso, non t’aprendo per noi e l’aria il passo?   Favilla non si scorge uscir a l’aria aperto da quel busto, né corpo appar incenerit’ o adusto, né lacrimoso fumo ad alto sorge:   tutt’è nel proprio intiero, né di fiamma è raggion, sens’, o pensiero.

 Laodonio  Non ha più né meno efficacia questa che quell’altra proposta: ma vengasi presto alle risposte, se vi sono. Liberio  Vi son certamente e piene di succhio; udite:

 seconda risposta del core a gli occhi Sciocco è colui che sol per quanto appare al senso, et oltre a la raggion non crede: il fuoco mio non puote alto volare, e l’infinito incendio non si vede, | perché de gli occhi han sopraposto il mare, e un infinito l’altro non eccede: la natura non vuol ch’il tutto pera, se basta tanto fuoco a tanta sfera.   Ditemi, occhi, per dio, qual mai partito prenderemo noi, onde far possa aperto o io, o voi, per scampo suo, de l’alma il fato rio,   se l’un e l’altro ascoso mai potrà fargli il bel nume piatoso?

 Laodonio  Se non è vero, è molto ben trovato: se non è cossì, è molto bene iscusato l’uno per l’altro, se stante che dove son due forze de quali

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zweiter teil · dritter dialog 333

Warum verbringst als Fremdling du hier unten deine Tage und öffnest dir durch uns und durch die Luft nicht die Passage?   Keinen Funken sieht man aus jener Brust sich in den weiten Himmel lösen, noch zeiget sich der Körper eingeäschert oder angesengt, noch steigt Rauch, der uns zu Tränen rührte, auf:   Alles ist ganz unversehrt in seinem eigenen Zustand, für Feuer gibt es keinen Grund, man sieht auch nichts, und nichts  läßt daran denken.  Laodonio  Diese Frage nutzt genauso viel oder wenig wie die andere. Aber laß uns gleich zu den Antworten kommen, falls Antworten vorliegen. Liberio  Sicher tun sie das, und sie sind prall mit Bedeutung gefüllt. Hört nur:  Zweite Antwort des Herzens an die Augen Ein Tor ist, wer nur glaubt, was ihm die Sinne zeigen, und, über ihnen, nicht auch dem Verstande: Mein Feuer kann nicht in die Höhe steigen und mein unendlich’ Brennen sieht man nicht, da ja der Augen Meer es überdeckt und ein Unendliches nicht größer als das andre ist: Die Natur will also nicht, daß die Gesamtheit untergehe, wenn solches Feuer eine solche Sphäre aufwiegt,   Saget, Augen, mir um Himmels willen, auf welche Seite wir uns schlagen sollen, damit ihr oder ich der Seele grausames Geschick, um ihr zu helfen, sichtbar machen,   da wir, solange wir verborgen bleiben, niemals die schöne Gottheit ihr barmherzig stimmen.

 Laodonio  Wenn es nicht wahr ist, ist es sehr gut erfunden: Wenn es sich so nicht verhält, hat sich doch das eine gut vor dem anderen

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seconda parte · dialogo terzo

1133 ¦ 1134

l’una non è maggior de l’altra, bisogna che cesse l’operazion di questa e quella: ¦ essendo che tanto questa può resistere quanto quella insistere; non meno quella ripugna, che possa oppugnar questa. Se dumque è infinito il mare et inmensa la forza de le lacrime che sono ne gli occhi, non faranno giamai ch’apparir possa favillando o isvampando l’impeto del fuoco ascoso nel petto; né quelli mandar potranno il gemino torrente al mare, se con altretanto di vigore gli fa riparo il core: però accade che il bel nume per apparenza di lacrima che stille da gli occhi, o favilla che si spicche dal petto, non possa esser invitato ad esser piatoso a l’alma afflitta. Liberio  Or notate la conseguente risposta de gli occhi: |  seconda risposta de gli occhi al core Ahi per versar a l’elemento ondoso, l’émpito de noi fonti al tutt’è casso; ché contraria potenza il tien ascoso, acciò non mande a rotilon per basso. L’infinito vigor del cor focoso a i pur tropp’alti fiumi niega il passo; quindi gemino varco al mar non corre, ch’il coperto terren natura aborre.   Or dìnne, afflitto core, che puoi opporti a noi con altretanto vigor: chi fia giamai che porte il vanto d’esser precon di sì ’nfelice amore,   s’il tuo e nostro male quant’è più grande, men mostrarsi vale?

 Per essere infinito l’un e l’altro male, come doi ugualmente vigorosi contrarii si ritegnono, si supprimeno; e non potrebbe esser cossì, se

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zweiter teil · dritter dialog 335

entschuldigt, denn wo zwei Kräfte sind, von denen die eine nicht größer als die andere ist, muß beider Tätigkeit aufhören, da der Widerstand der einen und der Ansturm der anderen Kraft sich entsprechen, jene den Angriff mit nicht geringerer Stärke zurückschlägt als diese aufbringen kann, ihn auszuführen. Wenn also das Meer unendlich ist und unermesslich die Tränenkraft der Augen, werden sie es niemals zulassen, daß das in der Brust verborgene Feuer in seinem funkenstiebenden, lodernden Aufwallen sichtbar werde, noch werden jene ihren doppelten Sturzbach zum Meer schicken können, wenn ihnen mit der gleichen Kraft das Herz Einhalt gebietet. Von daher kommt es, daß die schöne Gottheit nicht durch den Anblick aus den Augen tropfender Tränen oder aus der Brust stiebender Funken dazu aufgefordert werden kann, Mitleid für die bedrängte Seele zu empfinden. Liberio  Nehmt nun die folgende Antwort der Augen zur Kenntnis:  Zweite Antwort der Augen an das Herz Weh, um in das wellenreiche Element zu fließen, fehlt uns Quellen aller Schwung, denn gegnerische Macht hält ihn gestaut, damit er nichts flußabwärts stürzen lasse. Die unbegrenzte Stärke des entflammten Herzens läßt die Flüsse nicht passieren, obwohl sie zu viel Wasser führen; deshalb läuft kein Zwillingsstrom zum Meer, denn die Natur liebt nur die freie Fläche.   Nun sage uns, bedrängtes Herz, das du dich uns mit gleicher Kraft entgegenstellen kannst: Wer wird sich jemals rühmen wollen, er sei der Herold einer derart unglücklichen Liebe,   wenn dein und unser Übel, je größer es geworden, desto weniger sich zeigen kann?

 Weil das eine wie das andere Übel unendlich ist, hemmen und heben sie sich als zwei gleichstarke, entgegengesetzte Kräfte gegenseitig auf.

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seconda parte · dialogo terzo

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l’uno e l’altro fusse finito, atteso che non si dà equalità puntuale nelle cose naturali, né ancora sarebbe cossì se l’uno fusse finito e l’altro infinito: ma certo questo ¦ assorbirebbe quello, et avverrebe che si mostrarebbono ambi doi, o al men l’uno per l’altro. Sotto queste sentenze la filosofia naturale et etica che vi sta occolta, lascio cercarla, considerarla e comprenderla a chi vuole e puote. Sol questo non voglio lasciare, che non senza raggione l’affezzion del core è detta infinito mare dall’apprension de gli occhi: perché essendo infinito l’oggetto de la mente, et a l’intelletto non essen | do definito oggetto proposto, non può essere la volontade appagata de finito bene; ma se oltre a quello si ritrova altro, il brama, il cerca, perché (come è detto commune) il summo della specie inferiore è infimo e principio della specie superiore, o si prendano gli gradi secondo le forme le quali non possiamo stimar che siano infinite, o secondo gli modi e raggioni di quelle, nella qual maniera per essere infinito il sommo bene, infinitamente credemo che si comunica secondo la condizione delle cose alle quali si diffonde: però non è specie definita a l’universo (parlo secondo la figura e mole), non è specie definita a l’intelletto, non è definita la specie de l’affetto. Laodonio  Dumque queste due potenze de l’anima mai sono, né essere possono perfette per l’oggetto, se infinitamente si referiscono a quello. Liberio  Cossì sarrebe se questo infinito fusse per privazion negativa o negazion privativa de fine, come è per più positiva affirmazione de fine infinito et interminato. Laodonio  Volete dir dumque due specie d’infinità: l’una privativa la qual può essere verso qualche cosa che è potenza, come infinite son le tenebre, il fine delle quali è posizione di luce; l’altra perfettiva la quale è circa l’atto e perfezzione, come infinita è la luce, il fine della quale sa-

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zweiter teil · dritter dialog 337

Und das wäre nicht möglich, wenn sie beide endlich wären, denn zwischen natürlichen Dingen gibt es keine exakte Gleichheit, noch wäre es möglich, wenn das eine endlich, das andere unendlich wäre: Dieses nähme jenes sicherlich ganz in sich auf, und beide würden sichtbar beziehungsweise zumindest das eine durch das andere. Die hinter diesen Sätzen verborgene Naturphilosophie und Ethik mag von mir aus suchen, überdenken und begreifen, wer will und kann. Nur das eine will ich nicht ungesagt lassen: Nicht ohne Grund ist die Zuneigung des Herzens dem Verständnis der Augen nach ein unendliches Meer genannt worden. Da nämlich das Objekt des Geistes unendlich ist und die Vernunft kein in seinen Grenzen bestimmtes Objekt zum Gegenstand hat, kann der Wille nicht durch ein endliches Gut zufriedengestellt werden; vielmehr begehrt und sucht er, wenn sich darüber hinaus noch ein anderes findet, dieses andere, da ja (wie gemeinhin gesagt wird) der Gipfelpunkt der niedrigeren Erscheinung der Tiefpunkt und Ausgangspunkt der höheren Erscheinung ist, ob nun die Stufen entsprechend den Formen eingeteilt werden, von denen wir nicht glauben können, daß sie unendlich sind, oder entsprechend den Arten und Seinsgründen dieser Formen, was wir für die Weise halten, in der sich das höchste Gut, weil es unendlich ist, unendlich mitteilt, je nach dem Zustand der Dinge, in die es sich verbreitet. Darum gibt es keine in ihren Grenzen bestimmte Erscheinung für das Universum (ich meine in Gestalt und Masse), keine solche Erscheinung für die Vernunft, keine solche Erscheinung für das Gefühl. Laodonio  Diese beiden Vermögen der Seele werden also niemals durch einen Gegenstand zur Erfüllung gebracht und können es auch nicht werden, wenn sie sich ja unendlich auf ihn beziehen. Liberio  So wäre es, wenn dies Objekt unendlich wäre aufgrund einer negativen Beraubung oder beraubenden Verneinung eines Endes, aber es ist unendlich aufgrund einer durchaus positiven Bestätigung eines unendlichen und unbegrenzten Endes. Laodonio  Ihr wollt also sagen, daß es zwei Arten von Unendlichkeit gibt: die eine ist ein Mangel, der gegenüber Dingen, die ein Vermögen bezeichnen, bestehen kann, so wie die Finsternis unendlich ist, deren Ende das Auftreten von Licht ist; die andere ist eine Vervollkommnung, die Akt und Vollkommenheit betrifft, so wie das Licht unend-

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seconda parte · dialogo terzo

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rebbe privazione e tenebre. In questo dumque che l’in ¦ telletto concepe la luce, il bene, il bello, per quanto s’estende l’orizonte della sua capacità, e l’anima che beve del nettare divino e | de la fonte de vita eterna, per quanto comporta il vase proprio; si vede che la luce è oltre la circunferenza del suo orizonte dove può andar sempre più e più penetrando; et il nettare e fonte d’acqua viva è infinitamente fecondo, onde possa sempre oltre et oltre inebriarsi. Liberio  Da qua non séguita imperfezzione nell’oggetto né poca satisfazzione nella potenza; ma che la potenza sia compresa da l’oggetto e beatificamente assorbita da quello. Qua gli occhi imprimeno nel core, cioè nell’intelligenza, suscitano nella volontà un infinito tormento di suave amore, dove non è pena, perché non s’abbia quel che si desidera: ma è felicità, perché sempre vi si trova quel che si cerca; et in tanto non vi è sazietà, per quanto sempre s’abbia appetito, e per consequenza gusto: acciò non sia come nelli cibi del corpo il quale con la sazietà perde il gusto, e non ha felicità prima che guste, né dopo ch’ha gustato, ma nel gustar solamente: dove se passa certo termine e fine, viene ad aver fastidio e nausea. – Vedi dumque in certa similitudine qualmente il sommo bene deve essere infinito, e l’appulso de l’affetto verso e circa quello esser deggia anco infinito, acciò non vegna talvolta a non esser bene: come il cibo che è buono al corpo, se non ha modo, viene ad essere veleno. Ecco come l’umor de l’Oceano non estingue quel vampo, et il rigor de l’Artico cerchio non tempra quell’ardore. Cossì è cattivo d’una mano che il tiene e non lo vuole: il tiene perché l’ha per ¦ suo, non lo vuole perché (come lo fuggesse) tanto più se gli fa alto quanto più ascende a quella, quanto più la séguita tanto più se gli | mostra lontana per raggion de eminentissima eccellenza, secondo quel detto: Accedet homo ad cor altum, et exaltabitur Deus. – Cotal felicità d’affetto comincia da questa vita, et in questo stato ha il suo modo d’essere: onde può

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lich ist, dessen Ende Mangel und Finsternis wäre. Daran also, daß die Vernunft das Licht, das Gute, das Schöne empfängt, soweit sich der Horizont ihres Fassungsvermögens erstreckt, und daß die Seele von göttlichem Nektar und vom Quell des ewigen Lebens trinkt, soviel sie in ihrem Gefäß erfassen kann, sieht man, daß das Licht über den Umkreis des Horizonts der Vernunft hinausgeht, in den es immer tiefer und tiefer eindringen kann, und daß der Nektar und Quell des Lebenswassers unendlich fruchtbar ist, weshalb die Seele sich immer mehr und mehr daran berauschen kann. Liberio  Daraus folgt nicht, daß das Objekt unvollkommen und das Vermögen kaum zufriedengestellt ist, sondern daß das Vermögen vom Objekt umfaßt und auf beseligende Weise von ihm aufgesogen ist. Auf diese Art wirken die Augen auf das Herz, also die Vernunft, ein, sie rufen im Willen eine unendliche Qual süßer Liebe hervor, in der kein Leid herrscht, weil man nicht hat, was man sich wünscht, sondern Freude, weil man darin immer findet, was man sucht. Und dabei gibt es keine Sattheit, weil man immer Appetit hat und deshalb auch immer Geschmack daran findet. Es ist also nicht wie bei den Speisen des Körpers, der mit der Sattheit den Genuß verliert und der nicht glücklich ist, bevor er genießt, noch, nachdem er genossen hat, sondern nur im Genuß selbst, denn wenn er eine gewisse Grenze und Linie überschritten hat, empfindet er Verdruß und Übelkeit. – Durch diesen Vergleich verstehst du nun also, von welcher Art die Unendlichkeit des höchsten Gutes sein muß und daß auch der Antrieb für die Zuneigung zu und gegenüber dem höchsten Gut unendlich sein muß, damit es nie aufhört, ein Gut zu sein wie die Speise, die gut für den Körper ist, jedoch zu Gift wird, wenn sie kein Maß hat. Daher kommt es auch, daß die Flüssigkeit des Ozeans jenen Brand nicht löscht und die Kälte des Polarkreises jene Hitze nicht mäßigt. So ist das Herz der Gefangene einer Hand, die es zwar hält, doch es nicht will: Sie hält es, denn sie hat es in ihrem Besitz; sie will es nicht, denn sie begibt sich immer höher hinauf (als ob sie es flöhe), je mehr es zu ihr aufsteigt, und je mehr es sie verfolgt, desto weiter entfernt zeigt sie sich ihm – aufgrund überaus erhabener Vortrefflichkeit, gemäß dem Psalmenwort: Accedet homo ad cor altum, et exaltabitur Deus. – Jene Glückseligkeit des Gefühls beginnt schon in diesem Leben und hat in diesem Zustand seine Seinsweise.

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seconda parte · dialogo terzo

1137 ¦ 1138

dire il core d’essere entro con il corpo, e fuori col sole, in quanto che l’anima con la gemina facultade mette in execuzione doi uffici: l’uno de vivificare et attuare il corpo animabile, l’altro de contemplare le cose superiori; perché cossì lei è in potenza receptiva da sopra, come è verso sotto al corpo in potenza attiva. Il corpo è come morto e cosa privativa a l’anima la quale è sua vita e perfezzione; e l’anima è come morta e cosa privativa alla superiore illuminatrice intelligenza da cui l’intelletto è reso in abito e formato in atto. Quindi si dice il core essere prencipe de vita, e non esser vivo; si dice appartenere a l’alma animante, e quella non appartenergli: perché è infocato da l’amor divino, è convertito finalmente in fuoco, che può accendere quello che si gli avicina: atteso che avendo contratta in sé la divinitade, è fatto divo, e conseguentemente con la sua specie può innamorar altri: come nella luna può essere admirato e magnificato il splendor del sole. Per quel poi ch’appartiene al considerar de gli occhi, sapete che nel presente discorso hanno doi ufficii: l’uno de imprimere nel core, l’altro de ricevere l’impressione dal core; come anco questo ha doi ufficii: l’uno de ricevere l’impressioni da gli occhi, l’altro di imprimere in quelli. Gli occhi apprendono le ¦ specie e le proponeno al core, il core le brama et il suo bramare presenta a gli occhi: quelli concepeno la luce, la diffondeno, et accendeno il fuoco in questo; questo scaldato et acceso invia | il suo umore a quelli, perché lo digeriscano. Cossì primieramente la cognizione muove l’affetto, et appresso l’affetto muove la cognizione. Gli occhi quando moveno sono asciutti, perché fanno ufficio di specchio e di ripresentatore; quando poi son mossi, son turbati et alterati; perché fanno ufficio de studioso executore: atteso che con l’intelletto speculativo prima si vede il bello e buono, poi la voluntà l’appetisce, et appresso l’intelletto industrioso lo procura, séguita e cerca. Gli occhi lacrimosi significano la difficultà de la separazione della cosa bramata dal bramante, la quale acciò non sa-

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Deshalb kann das Herz sagen, drinnen im Körper und draußen in der Sonne zu sein, insofern die Seele mit ihrer doppelten Fähigkeit zwei Aufgaben erledigt: erstens dem zu beseelenden Körper Leben und Regung zu schenken, zweitens die höheren Dinge zu schauen. Denn sie hat ebenso das Vermögen, von oben zu empfangen, wie sie das Vermögen hat, nach unten auf den Körper zu wirken. Der Körper ist wie tot und ein mit Mangel behafteter Gegenstand gegenüber der Seele, die für ihn Leben und Vollkommenheit bedeutet. Und die Seele ist wie tot und ihrer Möglichkeiten beraubt gegenüber der höchsten, erleuchtenden Vernunft, durch welche die menschliche Vernunft ihre Gestalt erhält und aktiviert wird. Daher sagt man, das Herz sei Herr des Lebens, aber nicht lebendig; man sagt, es sei ein Teil der belebenden Seele, sie aber sei kein Teil von ihm. Weil es in göttlicher Liebe brennt, verwandelt es sich am Ende selbst zu Feuer und kann das, was sich ihm nähert, in Brand stecken: Da es das Göttliche in sich zusammengezogen hat, wird es selbst göttlich und kann folglich mit seiner Erscheinung andere verliebt machen, wie im Mond der Sonnenglanz bewundert und verherrlicht werden kann. Was nun die Überlegungen hinsichtlich der Augen betrifft, müßt Ihr wissen, daß sie in dem vorliegenden Gespräch zwei Aufgaben haben: erstens eine Wirkung auf das Herz auszuüben, zweitens das Herz auf sich wirken zu lassen, so wie auch das Herz zwei Aufgaben hat: erstens die Augen auf sich wirken zu lassen, zweitens eine Wirkung auf sie auszuüben. Die Augen nehmen die Erscheinungen auf und legen sie dem Herzen vor, das Herz begehrt sie und zeigt sein Begehren den Augen. Jene empfangen das Licht, geben es weiter und stecken das Herz in Brand; dieses, erhitzt und entbrannt, sendet ihnen sein Wasser, damit sie es verarbeiten. So erregt zuerst die Erkenntnis das Gefühl und dann das Gefühl die Erkenntnis. Die Augen sind als Erreger trocken, denn sie haben die Aufgabe zu spiegeln und darzustellen; wenn sie dann erregt sind, sind sie verwirrt und gereizt, denn nun haben sie die Aufgabe, mit ganzem Eifer einen Befehl auszuführen: Denn zuerst sieht man mit der spekulativen Vernunft das Schöne und Gute, dann verlangt den Willen danach, und anschließend besorgt, verfolgt und sucht es die strebende Vernunft. Die weinenden Augen stehen für die Schwierigkeit, die dem Begehrenden die Trennung von dem begehrten Gegenstand bereitet, der sich, um Sattheit

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seconda parte · dialogo terzo

1138 – 1140

zie, non fastidisca, si porge come per studio infinito, il quale sempre ha e sempre cerca: atteso che la felicità de dèi è descritta per il bevere non per l’aver bevuto il nettare, per il gustare non per aver gustato l’ambrosia, con aver continuo affetto al cibo et alla bevanda, e non con esser satolli e senza desio de quelli. Indi hanno la sazietà come in moto et apprensione, non come in quiete e comprensione, non son satolli senza appetito, né sono appetenti senza essere in certa maniera satolli. Laodonio  Esuries satiata, satietas esuriens. Liberio  Cossì a punto. Laodonio  Da qua posso intendere come senza biasimo ma con gran verità et intelletto è stato detto che il divino amore piange con gemiti inenarrabili, perché con questo che ha tutto ama tutto, e con questo che ama tutto ha tutto. ¦ Liberio  Ma vi bisognano molte glose se volessimo intendere de l’amor divino che è la istessa deità; | e facilmente s’intende de l’amor divino per quanto si trova ne gli effetti e nella subalternata natura; non (dico) quello che dalla divinità si diffonde alle cose: ma quello delle cose che aspira alla divinità. Laodonio  Or di questo et altro raggionaremo a più aggio appresso. Andiamone. Fine del terzo dialogo ¦ |

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zweiter teil · dritter dialog 343

und Überdruß zu vermeiden, wie einer darbietet, der nur durch unendliche Bemühung zu erreichen ist, eine Bemühung, die immer hat und immer sucht: Denn das Glück der Götter besteht darin, daß sie Nektar trinken, nicht, daß sie ihn getrunken haben, daß sie Ambrosia essen, nicht, daß sie es gegessen haben, daß sie stets dem Essen und Trinken zugeneigt sind, nicht, daß sie satt und ohne Begehren danach sind. Demnach finden sie Sättigung gleichsam in Bewegung und im Erfassen, nicht in Ruhe und im Umfassen; sie sind nicht satt ohne zu begehren und begehren nicht, ohne in gewisser Weise satt zu sein. Laodonio  Esuries satiata, satietas esuriens. Liberio  Genau so ist es. Laodonio  Anhand des Dargelegten kann ich verstehen, wieso nicht zu Unrecht, sondern vielmehr sehr wahr und vernünftig gesagt worden ist, daß die göttliche Liebe unter Seufzern weint, die sich nicht in Worte fassen lassen, denn da sie alles hat, liebt sie alles, und da sie alles liebt, hat sie alles. Liberio  Aber es bedürfte noch vieler Erläuterungen, wenn wir die göttliche Liebe verstehen wollten, welche die Gottheit selbst ist; doch leicht verständlich ist die göttliche Liebe, insofern sie sich in den Wirkungen und in der untergeordneten Natur zeigt, (das heißt) nicht jene Liebe, die sich von der Gottheit aus über die Dinge ausbreitet, sondern diejenige, die in den Dingen ist und zur Gottheit strebt. Laodonio  Über dies und anderes zu reden, werden wir bald noch bessere Gelegenheit haben. Laßt uns gehen. Ende des dritten Dialogs

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1141 – 1143

DI A L O G O QUA RT O

Interlocutori Severino, Minutolo Severino  Vedrete dumque la raggione de nove ciechi, li quali apportano nove principii e cause particolari de sua cecità, benché tutti convegnano in una causa generale d’un comun furore. Minutolo  Cominciate dal primo. Severino  Il primo di questi benché per natura sia cieco, nulladimeno per amore si lamenta, dicendo a gli ¦ altri che non può persuadersi la natura esser stata più discortese a essi che a lui; stante che quantumque non veggono, hanno però provato il vedere, e sono esperti della dignità del senso e de l’eccellenza del sensibile, onde son dovenuti orbi: ma egli è venuto come talpa al mondo a ¦ esser visto e non vedere, a bramar quello che mai vedde. | 429 Minutolo  Si son trovati molti innamorati per sola fama. | Severino  Essi (dice egli) aver pur questa felicità de ritener quella imagine divina nel conspetto de la mente, de maniera, che quantumque ciechi, hanno pure in fantasia quel che lui non puote avere. Poi nella sestina si volta alla sua guida, pregandola che lo mene in qualche precipizio, a fin che non sia oltre orrido spettacolo del sdegno di natura. Dice dumque: ¦

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1

V I E RT E R DI A L O G

2

Gesprächspartner Severino, Minutolo Severino   Nun seien Euch die Erwägungen neun Blinder vor Augen geführt, die neun verschiedene Prinzipien und Ursachen ihrer Blindheit vorbringen, obschon sie sich über eine gemeinsame Leidenschaft als Hauptursache einig sind. Minutolo  Fangt mit dem ersten an. Severino  Der erste ist zwar von Natur aus blind, stimmt aber dennoch eine Liebesklage an: Er sagt zu den anderen, er könne nicht glauben, daß die Natur ihnen gegenüber noch unfreundlicher gewesen sei als zu ihm, denn obgleich sie nicht sähen, hätten sie doch wenigstens das Sehen genossen und wüßten um die Würde dieses Sinnes und um die Vortrefflichkeit des Sichtbaren, das sie blind gemacht habe. Aber er sei wie ein Maulwurf auf die Welt gekommen, um gesehen zu werden und nicht zu sehen, um etwas zu begehren, das er nie gesehen habe. Minutolo  Es haben sich schon viele allein auf ein Gerücht hin verliebt. Severino  Die anderen (sagt er) hätten wenigstens das Glück, jenes göttliche Abbild vor ihrem geistigen Auge zurückzubehalten, so daß sie nun zwar blind seien, in ihrer Phantasie aber trotzdem das besäßen, was er nie besitzen konnte. In den letzten sechs Zeilen wendet er sich dann an seinen Führer mit der Bitte, ihn an einen Abgrund zu führen, damit er nicht länger ein gräßliches Schauspiel für die Grausamkeit der Natur abgebe. Er sagt also:

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seconda parte · dialogo quarto

1143 ¦ 1144

 parla il primo cieco Felici che talvolta visto avete, voi per la persa luce ora dolenti compagni che doi lumi conoscete. Questi accesi non furo, né son spenti; però più grieve mal che non credete è il mio, e degno de più gran lamenti: perché, che fusse torva la natura più a voi ch’a me, non è chi m’assicura.   Al precipizio, o duce, conducime, se vòi darmi contento, perché trove rimedio il mio tormento, ch’ad esser visto, e non veder la luce,   qual talpa uscivi al mondo, e per esser di terra inutil pondo.

 Appresso séguita l’altro che morsicato dal serpe de la gelosia, è venuto infetto nell’organo visuale. Va senza guida, se pur non ha la gelosia per scorta: priega alcun de circonstanti che se non è rimedio del suo | male, faccia ¦ per pietà che non oltre aver possa senso del suo male; facendo cossì lui occolto a se medesimo, come se gli è fatta occolta la sua luce: con sepelir lui col proprio male. Dice dumque:  parla il secondo cieco Da la tremenda chioma ha svèlto Aletto l’infernal verme, che col fiero morso hammi sì crudament’ il spirto infetto, ch’a tòrmi il senso principal è corso, privando de sua guida l’intelletto:

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zweiter teil · vierter dialog 347

 3

Es spricht der erste Blinde Glücklich, die ihr einst gesehen und, im Schmerz um das verlorne Licht nun zwar Gefährten, jedoch beide Lichter kennt. Die meinen brannten niemals, noch sind sie erloschen; weshalb mein Übel größer ist, als ihr es glaubt, und größ’rer Klagen würdig: denn daß die Natur zu euch härter als zu mir gewesen, davon kann mich niemand überzeugen.   Zum Abgrund, oh mein Führer, führ’ mich, wenn du mich zufriedenstellen willst, auf daß sich meiner Qual ein Ausweg zeige: Gesehen werden und das Licht nicht sehen –   einem Maulwurf gleich kam ich zur Welt und bin der Erde nur Ballast.

 4

Hierauf folgt der zweite, den die Schlange der Eifersucht gebissen und ihm damit das Organ des Sehens vergiftet hat. Er kommt ohne Führer, es sei denn, man betrachtet die Eifersucht als seine Begleiterin. Er bittet, daß einer der Umstehenden, wenn es keinen Ausweg für sein Übel gebe, an ihm Barmherzigkeit übe, damit er sein Übel nicht länger spüren müsse. Man möge ihn so vor sich selbst verbergen, wie sich sein Licht vor ihm verborgen habe, und zwar, indem man ihn zusammen mit seinem Übel begrabe. Er sagt also:  Es spricht der zweite Blinde

5

Aus ihren fürchterlichen Locken hat Alekto die Höllenschlange aufgescheucht, die mit wildem Biß so grausam mir den Geist vergiftet hat, die kam, den Hauptsinn mir zu nehmen, und damit der Vernunft den Führer raubte:

348

seconda parte · dialogo quarto

1144 – 1146

ch’in vano l’alma chiede altrui soccorso, sì cespitar mi fa per ogni via quel rabido rancor di gelosia.   Se non magico incanto, né sacra pianta, né virtù de pietra, né soccorso divin scampo m’impetra, un di voi sia (per dio) piatoso in tanto,   che a me mi faccia occolto: con far meco il mio mal tosto sepolto. ¦

 Succede l’altro il qual dice esser dovenuto cieco per essere repentinamente promosso dalle tenebre a veder una gran luce; atteso che essendo avezzo de mirar bellezze ordinarie, venne subito a presentarsegli avanti gli occhi una beltà celeste, un divo sole: onde non altrimente si gli è stemprata la vista e smorzatosegli il lume gemino che splende in prora a l’alma (perché gli occhi son come doi fanali che gui | dano la nave), ch’accader suole a un allievato nelle oscuritadi cimmerie, se subito immediatamente affiga gli occhi a sole. E nella sestina priega che gli sia donato libero passagio a l’inferno, perché non altro che ¦ tenebre convegnono ad un supposito tenebroso. Dice dumque cossì:  parla il terzo cieco S’appaia il gran pianeta di repente a un uom nodrito in tenebre profonde, o sott’ il ciel de la cimmeria gente, onde lungi suoi rai il sol diffonde; gli spenge il lume gemino splendente in prora a l’alma, e nemico s’asconde: cossì stemprate fur mie luci avezze a mirar ordinarie bellezze.   Fatemi a l’orco andare:

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6

zweiter teil · vierter dialog 349

da erfolglos meine Seele eines andern Hilfe sucht, läßt mich auf allen Wegen so sehr stolpern der Eifersucht tollwüt’ger Groll.   Wenn weder eine Zauberformel, noch ein Heilkraut, noch die Kräfte eines Steins, noch die Hilfe eines Gottes mir die Rettung bringt, möge von euch einer so barmherzig sein (um Gottes willen),   mich vor mir selber zu verbergen, indem mein Übel er alsbald mit mir begräbt.

 7

8

Es folgt der nächste, der sagt, er sei erblindet, weil er plötzlich aus der Finsternis in ein großes Licht gestoßen worden sei; denn ihm, der nur an die Betrachtung gewöhnlicher Schönheiten gewohnt war, habe sich plötzlich eine himmlische Schönheit, eine göttliche Sonne vor Augen gestellt. So und nicht anders sei ihm die Sehkraft zerstört und das doppelte Licht gelöscht worden, das am Bug der Seele leuchte (denn die Augen sind wie zwei Leuchtfeuer, die dem Schiff die Richtung weisen), wie es wohl mit einem geschehe, der in kimmerischer Finsternis aufgewachsen ist, wenn er seine Augen plötzlich unmittelbar auf die Sonne hefte. Und im Sechszeiler bittet er, man möge ihm freien Durchlaß zur Hölle gewähren, da nur die Finsternis zu einem finsteren Individuum passe. Er sagt also Folgendes:  Es spricht der dritte Blinde

9

Wenn der gewaltige Planet sich plötzlich einem Menschen zeigt, den man in tiefer Finsternis aufzog oder unter der Kimmerer Himmel, aus dem die Sonne schwache Strahlen wirft, löscht sie ihm das Leuchten seines Doppellichts am Bug der Seele und verbirgt sich feindlich: So wurden meine Lichter auch zerstört, allein gewohnt, gemeine Schönheit zu betrachten.   Laßt mich zum Orkus gehen:

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seconda parte · dialogo quarto

1146 ¦ 1147

perché morto discorro tra le genti? perché ceppo infernal tra voi viventi misto men vo? Perché l’aure discare   sorbisco, in tante pene messo per aver visto il sommo bene?

 Fassi innanzi il quarto cieco per simile, ma non già per medesima caggione orbo, con cui si mostra il primo: perché come quello per repentino sguardo della luce, cossì questo con spesso e frequente remirare, o pur per avervi troppo fissati gli occhi, ha perso il senso de tutte l’altre luci, e non si dice cieco per | consequenza al risguardo di quella unica che l’ha occecato; e dice il simile del senso ¦ de la vista a quello ch’aviene al senso dell’udito, essendo che coloro che han fatte l’orecchie a gran strepiti e rumori, non odeno gli strepiti minori: come è cosa famosa de gli popoli cataduppici che son là d’onde il gran fiume Nilo da una altissima montagna scende precipitoso alla pianura. Minutolo  Cossì tutti color ch’hanno avezzo il corpo, l’animo a cose più difficili e grandi, non sogliono sentir fastidio dalle difficultadi minori. E costui non deve essere discontento della sua cecità. Severino  Non certo. Ma si dice volontario orbo, a cui piace che ogn’altra cosa gli sia ascosa, come l’attedia col divertirlo da mirar quello che vuol unicamente mirare. – Et in questo mentre priega gli viandanti che si degnino de non farlo capitar male per qualche mal rancontro, mentre va sì attento e cattivato ad un oggetto principale. Minutolo  Riferite le sue paroli. Severino  parla il quarto cieco Precipitoso d’alto al gran profondo, il Nil d’ogn’ altro suon il senso ha spento de Cataduppi al popolo ingiocondo;

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zweiter teil · vierter dialog 351

Was soll ich Toter unter Menschen? Was soll ich tumbes Höllenwesen unter euch Lebendige mich mischen? Weshalb atme ich   die ungeliebten Lüfte ein, so vielen Qualen ausgesetzt, weil ich das höchste Gut gesehen habe?

 10

11

Es tritt der vierte Blinde vor, der aus einem ähnlichen, aber doch nicht aus demselben Grunde wie der vorige sein Augenlicht verloren hat. Denn während jener durch den plötzlichen Anblick des Lichts, so hat dieser durch häufiges und wiederholtes Schauen oder auch, weil er seine Augen zu lange darauf geheftet hat, den Sinn für alle anderen Lichter verloren, so daß er sich in Bezug auf dieses eine, das ihn erblinden ließ, nicht für blind hält. Er vergleicht diese Auswirkungen auf das Sehvermögen mit denen auf das Hörvermögen, denn wer seine Ohren an laute Geräusche und Lärm gewöhnt hat, hört die leiseren Geräusche nicht, wofür die Katadupen ein berühmtes Beispiel sind, die dort wohnen, wo der große Nil-Strom aus äußerst hohen Bergen in die Ebene stürzt. Minutolo  So pflegen ja auch alle, die Körper und Geist an schwierige und große Dinge gewöhnt haben, sich an kleineren Schwierigkeiten nicht zu stören. Dieser darf also mit seiner Blindheit nicht unzufrieden sein. Severino  Gewiß nicht. Stattdessen nennt er sich einen willentlichen Blinden, dem es gefällt, daß ihm alles andere verborgen ist, da es ihn verdrießen würde, indem es ihn von der Betrachtung dessen ablenkte, was einzig er betrachten will. – Unterdessen bittet er die Vorübergehenden, ihm möglichst nicht durch irgendeine ungeschickte Berührung hinfallen zu lassen, während er so aufmerksam und gefesselt sich auf ein höchstrangiges Objekt zubewegt. Minutolo  Gebt seine Worte wieder. Severino  Es spricht der vierte Blinde Der Nil, indem er aus der Höhe in die Tiefe stürzt, macht das Gehör für jeden andern Klang dem unglücklichen Volk der Katadupen unempfänglich.

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seconda parte · dialogo quarto

1147 – 1149

cossì stand’io col spirto intiero attento alla più viva luce ch’abbia il mondo, | tutti i minor splendori umqua non sento: or mentr’ella gli splende, l’altre cose sien pur a l’orbo volontario ascose. ¦   Priegovi, da le scosse di qualche sasso, o fiera irrazionale, fatemi accorto, e se si scende o sale: perché non caggian queste misere osse   in luogo cavo e basso, mentre privo de guida meno il passo.

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 Al cieco che séguita, per il molto lacrimare accade che siano talmente appannati gli occhi, che non si può stendere il raggio visuale a compararsi le specie visibili, e principalmente per riveder quel lume ch’a suo mal grado, per raggion di tante doglie una volta vedde. Oltre che si stima la sua cecità non esser più disposizionale ma abituale, et ¦ al tutto privativa; perché il fuoco luminoso che accende l’alma nella pupilla, troppo gran tempo e molto gagliardamente è stato riprimuto et oppresso dal contrario umore: de maniera che quantumque cessasse il lacrimare, non si persuade che per ciò conseguisca il bramato vedere. Et udirete quel che dice appresso alle brigate, perché lo facessero oltrepassare:  parla il quinto cieco Occhi miei d’acqui sempremai pregnanti, quando fia che del raggio visuale la scintilla se spicche fuor de tanti | e sì densi ripari, e vegna tale, che possa riveder que’ lumi santi, che fur principio del mio dolce male?

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zweiter teil · vierter dialog 353

So spür’ auch ich, den Geist ganz auf das hellste Licht der Welt gerichtet, nichts, was irgend weniger glänzt: Solange jenes Licht mir leuchtet, seien die andern Dinge mir, willentlichem Blinden, ruhig verborgen.   Euch bitte ich, weist mich auf Steine hin, an denen ich mich stoßen könnte, und auf wilde Tiere voller Unvernunft, und ob hinab oder hinauf es geht, daß diese armen Knochen nicht   in Gräben oder Tiefen fallen, während ich führerlos die Schritte lenke.

 Dem folgenden Blinden sind durch vieles Weinen die Augen derart trüb geworden, daß sich der Sehstrahl nicht mehr bis zu den sichtbaren Erscheinungen ausdehnen kann, um sie abzutasten und ihn insbesondere jenes Licht wiedersehen zu lassen, das er gegen seinen Willen, denn es war der Grund so vieler Schmerzen, einst gesehen hat. Er meint außerdem, daß seine Blindheit kein vorübergehender, sondern ein dauerhafter, durch und durch beraubender Zustand sei. Denn das leuchtende Feuer, das die Seele in den Pupillen brennen lasse, sei allzu lange und mit zu großer Stärke von seiner flüssigen Gegenkraft zurückgehalten und unterdrückt worden, als daß er sicher sein könnte, selbst wenn er aufhörte zu weinen, dadurch das ersehnte Sehen wiederzuerlangen. Ihr sollt hören, was er zu der Menschenansammlung sagt, damit sie ihn vorbeiziehen lassen:  Es spricht der fünfte Blinde Da meine Augen stets voll Wasser stehen, wann wird des Sehstrahls Funken je durch die so vielen und so dichten Mauern stoßen und es möglich machen, daß ich jene heiligen Lichter wieder sehen kann, die der Anfang meines süßen Übels waren?

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seconda parte · dialogo quarto

1149 – 1151

lasso: credo che sia al tutto estinta, sì a lungo dal contrario oppressa e vinta.   Fate passar il cieco, e voltate vostr’ occhi a questi fonti che vincon gli altri tutti uniti e gionti; e s’è chi ardisce disputarne meco,   è chi certo lo rende ch’un de miei occhi un Oceàn comprende. ¦

 Il sesto orbo è cieco, perché per il soverchio pianto ha mandate tante lacrime che non gli è rimasto umore, fin al ghiacio et umor per cui come per mezzo diafano il raggio visuale era transmesso, e s’intromettea la luce esterna e specie visibile, di sorte che talmente fu compunto il core che tutta l’umida sustanza (il cui ufficio è de tener unite ancora le parti diverse varie e contrarie) è digerita; e gli è rimasta l’amorosa affezzione senza l’effetto de le lacrime, perché l’organo è stemprato per la vittoria de gli altri elementi, et è rimasto consequentemente senza vedere e senza constanza de le parti del corpo insieme. Poi propone a gli circonstanti quel che intenderete: |  parla il sesto cieco Occhi non occhi; fonti, non più fonti, avete sparso già l’intiero umore, che tenne il corpo, il spirto e l’alma gionti. E tu visual ghiaccio che di fore ¦ facevi tanti oggetti a l’alma conti, sei digerito dal piagato core: cossì vèr l’infernale ombroso speco vo menando i miei passi, arido cieco.

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zweiter teil · vierter dialog 355

Weh, ich glaube, daß er ganz erloschen ist, da ihn die Gegenkraft so lange unterdrückt hielt und besiegt.   Laßt den Blinden durch und seht mit eignen Augen jene Quellen, die stärker sind als alle sonst zusammen; und falls darüber jemand mit mir streiten möchte,   gibt es einen, der ihn überzeugen wird, daß jedes meiner Augen einen Ozean umfaßt.

 12

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Der sechste Blinde hat seine Sehkraft verloren, weil er bei seinem maßlosen Weinen so viele Tränen vergossen hat, daß ihm keine Flüssigkeit geblieben ist – noch nicht einmal das Eis und die Flüssigkeit, durch die der Sehstrahl wie durch ein durchsichtiges Medium hindurchging und das äußere Licht und die sichtbare Erscheinung eindrang; so ist das Herz derart verletzt worden, daß die gesamte flüssige Substanz (deren Aufgabe es ist, die unterschiedlichen, verschiedenen und entgegengesetzten Teile zusammenzuhalten) verbraucht worden ist. Ihm ist zwar das Liebesgefühl geblieben, doch bewirkt es keine Tränen mehr, weil das entsprechende Organ durch den Sieg der anderen Elemente zerstört worden ist. Folglich hat er sowohl das Sehen als auch den Zusammenhalt der Körperteile untereinander verloren. Er legt den Umstehenden dann dar, was Ihr nun hören werdet:  Es spricht der sechste Blinde

14

Augen, keine Augen; Quellen, keine Quellen mehr, ihr habt schon alle Flüssigkeit vergossen, die Körper, Geist und Seele hielt verbunden. Und du, der Eiskristall des Auges, der von außen du der Seele alle die Objekte zeigtest, bist vom geplagten Herzen aufgezehrt: so lenke ich, den Trockenheit erblinden ließ, zur schattenreichen Höllenhöhle meine Schritte.  

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seconda parte · dialogo quarto

1151 ¦ 1152

  Deh non mi siate scarsi a farmi pronto andar, di me piatosi, che tanti fiumi a i giorni tenebrosi sol de mio pianto m’appagando ho sparsi:   or ch’ogni umor è casso, vers’ il profondo oblio datemi il passo.

 Sopragionge il seguente che ha perduta la vista dal intenso vampo che procedendo dal core è andato prima a consumar gli occhi, et appresso a leccar tutto il rimanente umore de la sustanza de l’amante, de maniera che tutto incinerito e messo in fiamma non è più lui: perché dal fuoco la cui virtù è de dissolvere gli corpi tutti ne gli loro atomi, è convertito in polve non compaginabile, se per virtù de l’acqua sola gli atomi d’altri corpi se inspessano e congiongono a far un subsistente composto. Con tutto ciò non è privo del senso de l’intensissime fiamme; però nella sestina con questo vuol farsi dar largo da passare: ché se qualch’uno venesse tócco da le fiamme | sue, dovenerebbe a tale che non arrebe più senso delle fiamme infernali come di cosa calda, che come di fredda neve. Dice dumque:  parla il settimo cieco La beltà che per gli occhi scorse al core formò nel petto mio l’alta fornace ch’assorbì prima il visuale umore, sgorgand’ in alt’ il suo vampo tenace; e poi vorando ogn’altro mio liquore, per metter l’elemento secco in pace, m’ha reso non compaginabil polve, chi ne gli atomi suoi tutto dissolve. ¦   Se d’infinito male avete orror, datemi piazza, o gente; guardatevi dal mio fuoco cuocente;

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zweiter teil · vierter dialog 357

  Ach, lasset euch nicht lange bitten, schnell mich gehn zu lassen, zeigt Erbarmen mit mir, der ich in finst’ren Tagen viele Flüsse vergoß, da nur mein Weinen Trost mir spenden konnte.   Nun, da jede Flüssigkeit verbraucht, gebt mir den Weg zur Tiefe des Vergessens frei.



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Der nächste kommt hinzu: Er hat seine Sehkraft durch die starke Glut verloren, die vom Herzen kommend erst die Augen verzehrt und dann auch die übrige Flüssigkeit aus der Substanz des Liebenden gesogen hat, so daß er, nur noch Asche und Flamme, nicht mehr er selbst ist. Denn das Feuer, das die Kraft hat, alle Körper in ihre kleinsten Bestandteile aufzulösen, hat ihn in Staub verwandelt, der nicht mehr zusammengesetzt werden kann, denn allein das Wasser hat die Kraft, die Atome der anderen Körper zu verdichten und zu einem stabilen Ganzen zusammenzusetzen. Bei alledem fühlt er die Flammen nicht weniger eindringlich; deshalb will er sich im Sechszeiler mit folgendem Argument freien Durchgang verschaffen: Wenn irgendjemand mit seinen Flammen in Berührung käme, würde er die Höllenflammen bald nicht mehr als heiß empfinden, sondern als kalten Schnee. Er sagt also:  Es spricht der siebente Blinde Die Schönheit, welche durch die Augen sich dem Herz entdeckte, errichtete in meiner Brust die hohe Feuerstelle, die erst die Flüssigkeit der Augen aufsog, indem sie ihre zähe Lohe in die Höhe schleuderte; und dann verschlang sie alle meine andre Flüssigkeit, damit das trockne Element befriedigt werde, und machte Staub aus mir, der nicht mehr zu verbinden ist: jene Kraft, die in Atome jeden Stoff zerlegt.   Wenn das grenzenlose Übel euch erschreckt, macht Platz mir, oh ihr Leute, hütet euch vor meinem sengend heißen Feuer,

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seconda parte · dialogo quarto

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che se contagion di quel v’assale,   crederete che inverno sia, ritrovars’ al fuoco de l’inferno.

 Succede l’ottavo, la cecità del quale vien caggionata dalla saetta che Amore gli ha fatto penetrare da gli occhi al core. Onde si lagna non solamente come cieco, ma et oltre come ferito, et arso tanto altamente, quanto non crede ch’altro esser possa. Il cui senso è facilmente espresso in questa sentenza: |  parla l’ottavo cieco Assalto vil, ria pugna, iniqua palma, punt’acuta, esca edace, forte nervo, aspra ferit’, empio ardor, cruda salma, stral, fuoco e laccio di quel dio protervo, che puns’ gli occhi, arse il cor, legò l’alma, e femmi a un punto cieco, amante e servo: talché orbo de mia piaga, incendio e nodo, ho ’l senso in ogni tempo, loco e modo.   Uomini, eroi e dèi, che siete in terra, o appresso Dite o Giove, dite (vi priego) quando, come e dove provaste, udiste o vedeste umqua omei   medesmi, o tali, o tanti tra oppressi, tra dannati, tra gli amanti? ¦

 Viene al fine l’ultimo, il quale è ancor muto: perché non possendo (per non aver ardire) dir quello che massime vorrebe senza offendere o provocar sdegno, è privo di parlar di qualsivogli’ altra cosa. Però non parla

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denn wenn ihr damit in Berührung kommt,   – ihr werdet glauben, daß im Höllenfeuer Winter herrscht.

 Es folgt der achte, dessen Blindheit durch den Pfeil Amors verursacht ist, der ihm durch die Augen ins Herz gedrungen ist. Deshalb klagt er nicht nur, daß er geblendet, sondern auch und darüber hinaus, daß er verwundet und stärker verbrannt worden sei, als es seiner Meinung nach je ein anderer sein könne. Sein Gefühl ist leicht verständlich in folgenden Worten ausgedrückt:  Es spricht der achte Blinde Feiger Angriff, übler Kampf, ungerechter Sieg, scharfe Spitze, verzehr’nder Zunder, starkes Band, bitt’re Wunde, mitleidsloser Brand, gequältes Fleisch, Pfeil, Feuer, Schlinge jenes dreisten Gottes, der mir die Augen stach, das Herz verbrannte, mir die Seele band und mich im selben Augenblick zum Blinden, Liebenden und so daß ich Blinder Wunde, Brand und Knoten [ Sklaven machte, zu jeder Zeit, an jedem Ort, in jeder Weise fühle.   Menschen, Helden, Götter, die ihr auf Erden seid, bei Pluto oder Jupiter, sagt (ich bitt’ euch): Wann und wie und wo habt unter den Bedrückten, den Verdammten oder Liebenden   ihr je dieselben oder solche oder so viel ’ Klagen gefühlt, gehört oder gesehen?

 Endlich kommt der letzte, der auch noch stumm ist. Denn weil er das, was er am liebsten sagen will, nicht sagen kann (weil ihm der Mut dazu fehlt), ohne zu beleidigen oder Unwillen zu erregen, kann er auch über nichts anderes reden. Deshalb spricht er nicht selbst, sondern sein Führer trägt den Grund seiner Blindheit vor, den ich, da er leicht

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seconda parte · dialogo quarto

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lui, ma la sua guida produce la raggione circa la quale, per esser facile, non discorro, ma solamente apporto la sentenza:  parla la guida del nono cieco Fortunati voi altri ciechi amanti, che la caggion del vostro mal spiegate: | esser possete, per merto de pianti, graditi d’accoglienze caste e grate; di quel ch’io guido, qual tra tutti quanti più altamente spasma, il vampo late, muto forse per falta d’ardimento di far chiaro a sua diva il suo tormento.   Aprite, aprite il passo, siate benigni a questo vacuo volto de tristi impedimenti, o popol folto, mentre ch’il busto travagliato e lasso   va picchiando le porte di men penosa e più profonda morte.

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 Qua son significate nove caggioni per le quali accade che l’umana mente sia cieca verso il divino oggetto, perché non possa fissar gli occhi a quello. De le quali: La pr i ma , allegorizata per il primo cieco, è la natura della propria specie, che per quanto comporta il grado in cui si trova, in quello aspira per certo più alto che apprender possa. Minutolo  Perché nessun desiderio naturale è vano, possiamo certificarci de stato più eccellente che conviene ¦ a l’anima fuor di questo corpo in cui gli fia possibile d’unirsi o avvicinarsi più altamente al suo oggetto. Severino  Dici molto bene che nessuna potenza et appulso naturale è senza gran raggione, anzi è l’istessa regola di natura la quale ordina le cose: per | tanto è cosa verissima e certissima a ben disposti ingegni, che

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verständlich ist, nicht weiter erkläre; ich gebe vielmehr nur die Worte wieder:  Es spricht der Führer des neunten Blinden Glücklich seid ihr andern blinden Liebenden, die ihr eures Übels Grund erklären könnt: ihr könnt dank eurer Klagen wohlgelitten und in Ehren gnädig aufgenommen werden. Die Glut des Blinden, den ich führe, der von allen am tiefsten leidet, ist verborgen. Er ist wohl stumm, da ihm an Mut es mangelt, seiner Göttin seine Qual zu offenbaren.   Öffnet, öffnet ihm den Weg, seid gütig diesem leeren, traurigen, gehemmten Antlitz, oh ihr Volkesmassen, indessen die gepeinigte und müde Brust   an die Türen eines Todes klopft, dessen Qual geringer ist und dessen Tiefe größer.



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Hier sind neun Ursachen dargestellt, aufgrund derer es dazu kommt, daß der menschliche Geist dem göttlichen Objekt gegenüber blind ist, so daß er seine Augen nicht darauf heften kann. Und zwar: Die er s te Ursache, allegorisch durch den ersten Blinden dargestellt, besteht in der Natur unserer eigenen Art, die, solange sie die Stufe erträgt, auf der sie sich befindet, mit dem göttlichen Objekt sicher mehr erstrebt, als sie erfassen kann. Minutolo  Da jedes natürliche Begehren einen Sinn hat, können wir sicher sein, daß der Seele ein vortrefflicherer Zustand außerhalb dieses Körpers angemessen ist, in dem es ihr möglich ist, sich dem Objekt zu vereinigen oder in größerer Höhe zu nähern. Severino  Du sagst sehr richtig, daß jedes natürliche Vermögen und jeder natürliche Trieb einen guten Grund hat, ja, dies ist geradezu das Naturgesetz, das die Dinge ordnet. Deshalb ist es für denkende Menschen unzweifelhaft wahr und sicher, daß die menschliche Seele (in

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l’animo umano (qualumque si mostre mentre è nel corpo) per quel medesimo che fa apparire in questo stato, fa espresso il suo esser peregrino in questa regione, perché aspira alla verità e bene universale, e non si contenta di quello che viene a proposito e profitto della sua specie. La s e c ond a , figurata per il secondo cieco, procede da qualche perturbata affezzione, come in proposito de l’amore è la gelosia, la quale è come tarlo che ha medesimo suggetto, nemico e padre, cioè che rode il panno o legno di cui è generato. Minutolo  Questa non mi par ch’abbia luogo nell’amor eroico. Severino  Vero, secondo medesima raggione che vedesi nell’amor volgare: ma io intendo secondo altra raggione proporzionale a quella la quale accade in color che amano la verità e bontà; e si mostra quando s’adirano tanto contra quelli che la vogliono adulterare, guastare, corrompere, o che in altro modo indegnamente vogliono trattarla: come son trovati di quelli che si son ridutti sino alla morte, alle pene et esser ignominiosamente trattati da gli popoli ignoranti e sette volgari. ¦ Minutolo  Certo nessuno ama veramente il vero e buono che non sia iracondo contra la moltitudine: come nessuno volgarmente ama, che non sia geloso e timido per la cosa amata. | Severino  E con questo vien ad esser cieco in molte cose veramente, et affatto affatto secondo l’opinion commune è stolto e pazzo. Minutolo  Ho notato un luogo che dice esser stolti e pazzi tutti quelli che hanno senso fuor et estravagante dal senso universale de gli altri uomini; ma cotal estravaganza è di due maniere, secondo che si va estra o con ascender più alto che tutti e la maggior parte sagliano o salir possano: e questi son gli inspirati de divino furore; o con descendere più

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allem, was sie während ihres Aufenthalts im Körper von sich zeigt), insbesondere durch das, was sie in diesem menschlichen Zustand sehen läßt, zum Ausdruck bringt, daß sie auf dieser Erde ein Fremdling ist, denn sie strebt nach der allumfassenden Wahrheit und dem allumfassenden Gut und gibt sich nicht mit dem zufrieden, was ihrer Erscheinung dient und nützt. Die z weite Ursache, durch den zweiten Blinden versinnbildlicht, rührt daher, daß die Zuneigung gestört wird, wie es in der Liebe durch die Eifersucht geschieht; sie ist gleichsam ein Holzwurm, dem dieselbe Sache gleichzeitig Feind und Vater ist, der also am Tuch oder Holz nagt, das ihn hervorgebracht hat. Minutolo  Die Eifersucht, scheint mir, hat in der heroischen Liebe keinen Platz. Severino  Natürlich nicht in derselben Art, wie man sie bei der gewöhnlichen Liebe beobachtet. Ich spreche hier aber von einer Art, die dazu proportional ist, jedoch nur bei denen auftritt, die Wahrheit und Güte lieben. Sie zeigt sich dann, wenn solche Menschen über jene in Zorn geraten, die Wahrheit und Güte schänden, verderben und zersetzen oder sie auf irgendeine andere Art unwürdig behandeln wollen. So hat es Leute gegeben, die sich dafür Tod und Qualen ausgesetzt haben und sich von der unwissenden Menge und den gemeinhin herrschenden Sekten schändlich behandeln ließen. Minutolo  Sicher, niemand liebt das Wahre und Gute wirklich, ohne dabei voll Zorn gegen die Menge zu sein, wie ja auch niemand gewöhnliche Liebe empfindet ohne Eifersucht und Furcht um den geliebten Gegenstand. Severino  Dadurch wird er gegenüber vielen Dingen tatsächlich blind und ist nach herkömmlicher Meinung wirklich und tatsächlich töricht und verrückt. Minutolo  Mir ist eine Stelle aufgefallen, wo es heißt, daß all jene töricht und verrückt seien, die anders und abweichend vom universalen Empfinden der anderen Menschen wahrnehmen. Aber diese Abweichung ist von zweierlei Art, je nachdem, ob man anders ist, weil man höher hinaufsteigt als alle oder die meisten es tun oder tun können, und das sind die von göttlicher Leidenschaft Inspirierten; oder, weil man tiefer hinabsteigt, dorthin, wo sich jene befinden, die in den

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basso dove si trovano coloro che hanno difetto di senso e di raggione più che aver possano gli molti, gli più, e gli ordinarii: et in cotal specie di pazzia, insensazione e cecità non si trovarà eroico geloso. Severino  Quantumque gli vegna detto che le molte lettere lo fanno pazzo, non gli si può dire ingiuria da dovero. La ter z a , figurata nel terzo cieco, procede da che la divina verità, secondo raggione sopra naturale, detta metafisica, mostrandosi a que’ pochi alli quali si mostra, non proviene con misura di moto e tempo, come accade nelle scienze fisiche (cioè quelle che s’acquistano per lume naturale, le quali discorrendo da una cosa nota secondo ¦ il senso o la raggione, procedeno alla notizia d’altra cosa ignota: il qual discorso è chiamato argumentazione), ma subito e repentinamente secondo il modo che conviene a tale efficiente. Onde disse un divino: Attenuati sunt oculi mei suspicientes in excelsum. Onde non è richiesto van discorso di tempo, fatica de studio, et atto d’inquisizione per averla: ma cossì prestamente s’inge | risce come proporzionalmente il lume solare senza dimora si fa presente a chi se gli volta e se gli apre. Minutolo  Volete dumque che gli studiosi e filosofi non siano più atti a questa luce che gli quantumque ignoranti? Severino  In certo modo non, et in certo modo sì. Non è differenza quando la divina mente per sua providenza viene a comunicarsi senza disposizione del suggetto: voglio dire quando si communica, perché ella cerca et eligge il suggetto; ma è gran differenza quando aspetta e vuol esser cercata, e poi secondo il suo bene placito vuol farsi ritrovare. In questo modo non appare a tutti, né può apparir ad altri che a color che la cercano. Onde è detto: ¦ Qui quaerunt me invenient me; et in altro loco: Qui sitit, veniat, et bibat. Minutolo  Non si può negare che l’apprensione del secondo modo si faccia in tempo.

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Sinnen und im Verstand größere Mängel aufweisen als die Vielen, die Meisten und die Gewöhnlichen, und mit dieser Art der Verrücktheit, des Irrsinns und der Blindheit wird kein heroischer Eifersüchtiger geschlagen sein. Severino  Wenn einem gesagt wird, das viele Studieren mache ihn verrückt, kann das keineswegs als Beleidigung aufgefaßt werden. Die d r it te Ursache, versinnbildlicht im dritten Blinden, rührt daher, daß die göttliche Wahrheit aus einem übernatürlichen, metaphysisch genannten Grund, wenn sie sich den wenigen zeigt, denen sie sich zeigt, ohne Maß in der Bewegung und der Zeit auftritt, wie es hingegen in den physikalischen Wissenschaften der Fall ist (also dem durch natürliche Einsicht erworbenen Wissen, das von einer durch die Sinne oder den Verstand bekannten Sache ausgeht und diskursiv, durch Erörterung, zur Erkenntnis einer unbekannten Sache vordringt; und dieses Erörtern wird Argumentation genannt); vielmehr zeigt sich die gött­ liche Wahrheit plötzlich und unmittelbar, wie es einer solchen Wirkkraft entspricht. Ein göttlicher Prophet beschrieb es so: Attenuati sunt oculi mei suspicientes in excelsum. Es erfordert also keinen vergeblichen Zeitaufwand, kein mühsames Studium und keine Forschungsanstrengung, um die Wahrheit zu erlangen, vielmehr nimmt man sie so schnell auf, wie in entsprechendem Verhältnis das Sonnenlicht sich unverzüglich dem vergegenwärtigt, der sich ihm zuwendet und öffnet. Minutolo  Meint Ihr also, daß die Gelehrten und Philosophen für dieses Licht keine besseren Voraussetzungen mitbringen als jeder beliebige Ignorant? Severino  In gewisser Weise nein, in gewisser Weise ja. Es gibt keinen Unterschied, wenn sich der göttliche Geist aufgrund seiner Vorsehung dem Subjekt mitteilt, ohne daß dieses darauf vorbereitet ist – ich meine also, wenn er sich mitteilt, weil er das Subjekt sucht und auswählt. Aber es gibt einen großen Unterschied, wenn er wartet und gesucht sein will und sich dann ganz nach seinem Belieben finden lassen will. In dieser Weise zeigt er sich nicht allen, sondern kann sich nur denen zeigen, die ihn suchen. Deshalb ist gesagt worden: Qui quaerunt me invenient me. Und an einer anderen Stelle: Qui sitit, veniat, et bibat. Minutolo  Es kann nicht geleugnet werden, daß das Begreifen nach dieser zweiten Art eine gewisse Zeit braucht.

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Severino  Voi non distinguete tra la disposizione alla divina luce, e la apprensione di quella. Certo non niego che al disporsi bisogna tempo, discorso, studio e fatica: ma come diciamo che la alterazione si fa in tempo, e la generazione in instante; e come veggiamo che con tempo s’aprono le fenestre, et il sole entra in un momento: cossì accade proporzionalmente al proposito. La qu a r t a , significata nel seguente, non è veramente indegna, come quella che proviene dalla consuetudine di credere a false opinioni del volgo il | quale è molto rimosso dalle opinioni de filosofi: opur deriva | 455 dal studio de filosofie volgari le quali son dalla moltitudine tanto più stimate vere, quanto più accostano al senso commune. E questa consuetudine è uno de grandissimi e fortissimi inconvenienti che trovar si possano: perché (come exemplificò Alcazele et Averroe) similmente accade a essi, ¦ che come a color che da puerizia e gioventù sono consueti a mangiar veneno, quai son dovenuti a tale, che se gli è convertito in suave e proprio nutrimento; e per il contrario abominano le cose veramente buone e dolci secondo la comun natura. Ma è dignissima, perché è fondata sopra la consuetudine de mirar la vera luce (la qual consuetudine non può venir in uso alla moltitudine come è detto). Questa cecità è eroica, et è tale, per quale degnamente contentare si possa il presente furioso cieco, il qual tanto manca che si cure di quella, che viene veramente a spreggiare ogni altro vedere, e da la comunità non vorrebe impetrar altro che libero passagio e progresso di contemplazione: come per ordinario suole patir insidie, e se gli sogliono opporre intoppi mortali. La qu i nt a , significata nel quinto, procede dalla improporzionalità delli mezzi de nostra cognizione al cognoscibile; essendo che per contemplar le cose divine, bisogna aprir gli occhi per mezzo de figure, similitudini et altre raggioni che gli Peripatetici comprendono sotto il nome de fantasmi; o per mezzo de l’essere procedere alla speculazion



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Severino  Ihr müßt aber zwischen der Bereitschaft für das gött­liche Licht und seinem Begreifen unterscheiden. Natürlich bestreite ich nicht, daß die Vorbereitung Zeit, Überlegung, Forschung und Mühe braucht. Aber wie es heißt, daß die Erregung eine gewisse Zeit braucht und die Zeugung nur einen Augenblick, und wie man sieht, daß es Zeit beansprucht, die Fenster zu öffnen, und die Sonne in einem Nu eintritt, so geschieht es entsprechend in diesem Fall. Die v ier t e Ursache, durch den folgenden Blinden dargestellt, ist nicht wirklich verachtenswert, anders als jene, die von der Gewohnheit kommt, den falschen Meinungen des Volkes zu glauben, das entweder sehr stark von den Meinungen der Philosophen abweicht oder aber einem Studium der gemeinhin herrschenden Philosophien entspringt, die von der Menge umso mehr für wahr gehalten werden, je weiter sie sich der allgemeinen Meinung annähern. Und diese Gewohnheit ist eine der größten und schlimmsten Unzulänglichkeiten, die sich finden lassen; denn (wie Algazel und Averroës erklärt haben) solchen Menschen passiert das gleiche wie denen, die schon seit Kindheit und Jugend an giftige Nahrung gewöhnt sind, so daß sie sich ihnen schließlich in eine schmackhafte, bekömmliche Speise verwandelt hat. Umgekehrt verabscheuen sie nun die sonst naturgemäß wirklich guten und süßen Dinge. Nein, es ist eine sehr achtenswerte Ursache, weil sie sich auf die Gewohnheit gründet, das wahre Licht zu betrachten (dies kann, wie gesagt, der Menge nicht zur Gewohnheit werden). Diese Blindheit ist eine heroische, und sie ist von solcher Art, daß sich der hier in Frage stehende blinde Leidenschaftliche in Ehren mit ihr abfinden kann; er ist so weit davon entfernt, sich von ihr zu heilen, daß er wirklich jedes andere Sehen verachtet, und von der Allgemeinheit erbittet er sich nichts weiter als freien Durchlaß und die Fortsetzung seiner Betrachtungen, da er für gewöhnlich List und Tücke zum Opfer fällt und sich ihm tödliche Hindernisse in den Weg stellen. Die f ü n f te Ursache, durch den fünften dargestellt, rührt von der Unverhältnismäßigkeit der Mittel unserer Erkenntnis gegenüber dem Erkennbaren her. Denn um die göttlichen Dinge zu betrachten, muß man die Augen durch Bilder, Gleichnisse und andere Sichtweisen öffnen, die die Peripatetiker unter der Bezeichnung Phantasmen zusammenfassen. Anders gesagt, man muß durch Vermittlung des Seienden

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de l’essenza: per via de gli effetti alla notizia della causa; gli quali mezzi tanto manca che vagliano per l’assecuzion di | cotal fine, che più tosto è da credere che siano impedimenti, se credere vogliamo che la più alta e profonda cognizion de cose divine sia per negazione e non per affirmazione, conoscendo che la divina beltà e bontà non sia quello che può cader e cade sotto il nostro concetto: ¦ ma quello che è oltre et oltre incomprensibile; massime in questo stato detto »speculator de fantasmi« dal filosofo, e dal teologo »vision per similitudine speculare et enigma«; perché veggiamo non gli effetti veramente, e le vere specie de le cose, o la sustanza de le idee, ma le ombre, vestigii e simulacri de quelle, come color che son dentro l’antro et hanno da natività le spalli volte da l’entrata della luce, e la faccia opposta al fondo: dove non vedeno quel che è veramente, ma le ombre de ciò che fuor de l’antro sustanzialmente si trova. – Però per la aperta visione la quale ha persa, e conosce aver persa, un spirito simile o meglior di quel di Platone piange desiderando l’exito da l’antro, onde non per reflessione, ma per »immediata conversione« possa riveder sua luce. Minutolo  Parmi che questo cieco non versa circa la difficultà che procede dalla vista reflessiva: ma da quella che è caggionata dal mezzo tra la potenza visiva e l’oggetto. Severino  Questi doi modi quantumque siano distinti nella cognizion sensitiva o vision oculare, tutta volta però concorreno in uno nella cognizione razionale o intellettiva. Minutolo  Parmi aver inteso e letto che in ogni visione si richiede il mezzo over intermedio tra la | potenza et og ¦ getto. Perché come per mezzo della luce diffusa ne l’aere e la similitudine della cosa che in certa maniera procede da quel che è visto a quel che vede, si mette in effetto l’atto del vedere: cossì nella regione intellettuale dove splende il sole dell’intelletto agente mediante la specie intelligibile formata e come

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zur Wesensschau vordringen, über die Wirkungen zur Kenntnis der Ursache. Aber diese Mittel sind so weit davon entfernt, bei der Erreichung dieses Zieles zu helfen, daß man sie eher für Hindernisse halten muß, wenn wir davon ausgehen wollen, daß die höchste und tiefste Erkenntnis göttlicher Dinge durch Verneinung und nicht durch Bestätigung gelingt, indem man also erkennt, daß die göttliche Schönheit und Güte nicht das ist, was in unsere Begrifflichkeit fällt und fallen kann, sondern das, was bei weitem über unser Fassungsvermögen hinausgeht, ganz besonders in jenem Zustand, den die Philosophen als »Denken in Phantasmen« und die Theologen als »Schau im Spiegel der Gleichnisse und Rätsel« bezeichnen. Denn wir sehen nicht die tatsächlichen Wirkungen und die wahren Erscheinungen der Dinge oder die Substanz der Ideen, sondern deren Schatten, Spuren und Trugbilder, gleich jenen in der Höhle, die von Geburt an mit dem Rücken zum Lichteinfall und mit dem Gesicht zum Höhlenhintergrund stehen, weshalb sie nicht das wahrhaft Seiende sehen, sondern die Schatten dessen, was sich seiner Substanz nach außerhalb der Höhle befindet. – Daher weint dieser dem Platon ebenbürtige oder sogar überlegene Geist um die unmittelbare Anschauung, die er verloren hat und deren Verlust ihm bewußt ist, und er wünscht sich, die Höhle zu verlassen, um nicht durch Widerspiegelung, sondern durch »direkte Hinwendung« sein Licht wiedersehen zu können. Minutolo  Mir scheint, daß dieser Blinde nicht über die Schwierigkeit redet, die das indirekte Sehen bereitet, sondern über jene, die bei der Vermittlung zwischen Sehvermögen und Objekt entsteht. Severino  Wie sehr diese beiden Arten auch bei der sinnlichen Erkenntnis oder beim Sehen mit den Augen unterschieden sind, laufen sie bei der verstandesgemäßen oder vernünftigen Erkenntnis doch auf eins hinaus. Minutolo  Ich glaube, gelesen und verstanden zu haben, daß bei jedem Sehen ein Medium oder eine Vermittlung zwischen Sehvermögen und Objekt nötig ist. Denn wie durch die Vermittlung des in der Luft verstreuten Lichts und das Abbild des Gegenstandes, das gewissermaßen von dem, was gesehen wird, zu dem, der sieht, hinübergelangt, sich der Akt des Sehens vollzieht, so gelingt es auch im Bereich der Vernunft, wo die Sonne der tätigen Vernunft mittels der intelligiblen Erscheinung

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seconda parte · dialogo quarto

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procedente da l’oggetto, viene a comprendere de la divinità l’intelletto nostro o altro inferiore a quella. Perché come l’occhio nostro (quando veggiamo) non riceve la luce del foco et oro in sustanza, ma in similitudine: cossì l’intelletto in qualumque stato che si trove, non riceve sustanzialmente la divinità, onde sieno sustanzialmente tanti dèi quante sono intelligenze, ma in similitudine; per cui non formalmente son dèi, ma denominativamente divini, rimanendo la divinità e divina bellezza una et exaltata sopra le cose tutte. Severino  Voi dite bene; ma per vostro dire bene non è mistiero ch’io mi ritratte, perché non ho detto il contrario: ma bisogna che io dechiare et expliche. Però prima dechiaro che la visione immediata, detta da noi et intesa, non toglie quella sorte di mezzo che è la specie intelligibile, né quella che è la luce; ma quella che è proporzionale alla spessezza e densità del diafano, o pur corpo al tutto opaco tramezzante: come aviene a colui che vede per mezzo de le acqui più e meno turbide, o aria nimboso e nebbioso; il quale s’intenderebbe veder come senza mezzo quando gli venesse concesso de mirar per l’aria puro, lucido e terso. Il che tutto avete come esplicato dove si dice: »Spicche fuor di tanti e sì densi ripari«. Ma ritorniamo al nostro principale. ¦ | La s e s t a , significata nel sequente, non è altrimente caggionata che dalla inbecillità et insubsistenza del corpo, il quale è in continuo moto, mutazione, et alterazione; e le operazioni del quale bisogna che seguiteno la condizione della sua facultà, la quale è consequente dalla condizione della natura et essere. Come volete voi che la immobilità, la sussistenza, la entità, la verità sia compresa da quello che è sempre altro et altro, e sempre fa et è fatto altri et altrimente? Che verità, che ritratto può star depinto et impresso dove le pupille de gli occhi si dispergono in acqui, l’acqui in vapore, il vapore in fiamma, la fiamma in aura, e

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leuchtet, die ihre Form vom Objekt erhält und von ihm gleichsam herkommt, unserer oder einer unter ihr stehenden Vernunft, etwas von der Gottheit zu begreifen. Denn wie unser Auge (beim Sehen) das Licht des Feuers und des Goldes nicht in seiner Substanz, sondern im Abbild aufnimmt, so nimmt die Vernunft, auf welcher Stufe sie sich auch befindet, die Gottheit nicht in ihrer Substanz auf – denn sonst gäbe es der Substanz nach so viele Götter, wie es vernunftbegabte Wesen gibt –, sondern im Abbild. So sind sie der Form nach keine Götter, sondern dem Namen nach göttlich, womit die Gottheit und die göttliche Schönheit einzigartig und über alle Dinge erhaben bleiben. Severino  Ihr habt ganz recht. Aber obwohl Ihr recht habt, brauche ich meine Worte nicht zurückzunehmen, denn ich habe nichts Gegentei­ liges gesagt. Aber ich muß mich deutlicher ausdrücken. Deshalb stelle ich erstens klar, daß das unmittelbare Sehen, wie ich es beschrieben und aufgefaßt habe, weder jene Art von Vermittlungsebene beseitigt, welche die intelligible Erscheinung, noch jene, die das Licht darstellt, sondern jene, die sich nach der Dicke und Dichte des dazwischen liegenden lichtdurchlässigen oder vielleicht auch gänzlich undurchsichtigen Körpers richtet. So käme jemand, der durch mehr oder weniger aufgewühltes Wasser oder wolkenverhangene und neblige Luft sieht, dazu zu meinen, er sähe gleichsam auf unmittelbare Weise, wenn man ihm erlaubte, durch reine, leuchtende und klare Luft zu schauen. Dies alles findet Ihr gleichsam erklärt, wo es heißt: Er möge durch die vielen und so dichten Mauern stoßen. Aber kommen wir auf unser Hauptthema zurück. Die s e c h s te , durch den folgenden Blinden dargestellte Ursache besteht in nichts anderem als in der Schwäche und Unbeständigkeit des Körpers, der ununterbrochen in Bewegung, Wandel und Veränderung begriffen ist und dessen Tätigkeiten sich nach den Gegebenheiten seiner Fähigkeiten richten müssen, die wiederum an die Gegebenheiten der Natur und des Seins geknüpft sind. Wie sollte Eurer Meinung nach Unbeweglichkeit, Beständigkeit, Sein und Wahrheit wohl von einem begriffen werden, der ständig ein anderer und wieder ein anderer ist, ständig etwas anderes macht und anders gemacht wird? Was für eine Wahrheit, was für ein Bild kann dort aufgemalt und eingeprägt bleiben, wo die Pupillen der Augen sich in Wasser auflösen, das Wasser in Dampf, der Dampf in Feuer, das Feuer in Luft und diese wieder in et-

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seconda parte · dialogo quarto

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questa in altro et altro, senza fine discorrendo il suggetto del senso e cognizione per la ruota delle mutazioni in infinito? Minutolo  Il moto è alterità, quel che si muove sempre è altro et altro, quel che è tale, sempre altri et altrimente si porta et opra, per che il concetto et affetto séguita la raggione e condizione del suggetto. E quello che altro et altro, altri et altrimente mira, bisogna necessariamente che sia a fatto cieco al riguardo di quella bellezza che è sempre una et unicamente, et è l’istessa unità et entità, identità. Severino  Cossì è. La s e t t i ma , contenuta allegoricamente nel sentimento del settimo cieco, deriva dal fuoco dell’affezzione, onde alcuni si fanno impotenti et inabili ad apprendere il vero, con far che l’affetto precorra a l’intelletto. Questi ¦ son coloro che prima hanno l’amare che l’intendere: onde gli avviene che tutte le cose gli appaiano secondo il colore della sua affez | zione; stante che chi vuole apprendere il vero per via di contemplazione deve essere ripurgatissimo nel pensiero. Minutolo  In verità si vede che sì come è diversità de contemplatori et inquisitori per quel che altri (secondo gli abiti de loro prime e fondamentali discipline) procedeno per via de numeri, altri per via de figure, altri per via de ordini o disordini, altri per via di composizione e divisione, altri per via di separazione e congregazione, altri per via de inquisizion e dubitazione, altri per via de discorso e definizione, altri per via de interpretazioni e desciferazion de voci, vocaboli e dialecti: onde altri son filosofi matematici, altri metafisici, altri logici, altri grammatici; cossì è diversità de contemplatori che con diverse affezzioni si metteno ad studiare et applicar l’intenzione alle sentenze scritte: onde si doviene sin a questo che medesima luce di verità espressa in un medesimo libro per medesime paroli, viene a servire al proposito di sette tanto numerose, diverse e contrarie.

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was anderes und weiteres, ohne an ein Ende zu kommen, weil das wahrnehmende und erkennende Subjekt unaufhörlich das Rad der unaufhörlichen Wandlungen durchläuft? Minutolo  Bewegung bedeutet Andersartigkeit. Was sich bewegt, ist immer wieder anders. Was so beschaffen ist, verhält sich und handelt immer wieder anders, denn das Begreifen und Fühlen richtet sich nach den Gesetzen und Gegebenheiten des Subjekts. Und das, was als stets anderes und auf stets andere Weise schaut, muß notwendigerweise jener Schönheit gegenüber blind sein, die immer eine und auf eine einzigartige Weise ist; die die Einheit, das Sein und die Identität selbst ist. Severino  So ist es. Die sie b ente Ursache, allegorisch in den Empfindungen des siebten Blinden enthalten, beruht auf dem Feuer der Gefühlsaufwallung, durch das einige ohnmächtig und unfähig werden, das Wahre zu erfassen, indem sie das Gefühl der Vernunft vorauseilen lassen. Das sind diejenigen, deren Liebe größer ist als ihre Einsicht, weshalb in ihren Augen alle Dinge die Farbe ihrer Gefühlsregung annehmen. Wer aber das Wahre auf dem Wege der Betrachtung erfassen will, muß sein Denken vollständig gereinigt haben. Minutolo  Wir sehen sehr wohl, daß es nicht nur Unterschiede unter den Denkern und Forschern gibt, insofern sie (je nach den Gepflogenheiten der Wissenschaft, von der sie grundlegend ausgehen) teils auf dem Wege der Zahlen vordringen, teils auf dem Wege der Bilder, teils über Ordnung oder Unordnung, teils über Zusammensetzung und Teilung, teils über Trennung und Vereinigung, teils über Forschung und Zweifel, teils über Erörterung und Definition, teils über Deutung und Entzifferung von Begriffen, Wörtern und Ausdruckseisen – weshalb die einen innerhalb der Philosophie als Mathematiker, andere als Meta­ physiker, andere als Logiker und andere als Grammatiker bezeichnet werden. Ebenso gibt es auch Unterschiede unter den Denkern, je nachdem, mit welchen Gefühlsregungen behaftet sie sich daranmachen, das, was geschrieben steht, zu untersuchen und zu deuten. Das kann so weit gehen, daß ein- und dasselbe Licht der Wahrheit, in ein- und demselben Buch durch dieselben Wörter ausgedrückt, für die Zwecke so zahlreicher unterschiedlicher und gegensätzlicher Denkschulen herhalten kann.

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seconda parte · dialogo quarto

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Severino  Per questo è da dire che gli affetti molto sono potenti per impedir l’apprension del vero, quantumque gli pazienti non se ne possano accorgere: qualmente aviene ad un stupido ammalato che non dice il suo gusto amaricato, ma il cibo amaro. – ¦ Or tal specie de cecità è notata per costui, gli occhi del quale son alterati e privi dal suo naturale, per quel che dal core è stato inviato et impresso, potente non solo ad alterar il senso, ma et oltre l’altre tutte facultadi de l’alma, come la | 465 presente figura dimostra. | Al significato per l ’ot t avo, cossì l’eccellente intelligibile oggetto have occecato l’intelletto, come l’eccellente sopraposto sensibile a costui ha corrotto il senso. Cossì avviene a chi vede Giove in maestà, che perde la vita, e per consequenza perde il senso. Cossì avviene che chi alto guarda tal volta vegna oppresso da la maestà. Oltre quando viene a penetrar la specie divina, la passa come strale: onde dicono gli teologi il verbo divino essere più penetrativo che qualsivoglia punta di spada o di coltello. Indi deriva la formazione et impressione del proprio vestigio, sopra il quale altro non è che possa essere impresso o sigillato; là onde essendo tal forma ivi confirmata, e non possendo succedere la peregrina e nova, senza che questa cieda, consequentemente può dire che non ha più facultà di prendere altro, se ha chi la riempie, o la disgrega per la necessaria improporzionalitade. La nona caggione è notata per il nono che è cieco per inconfidenza, per deiezzion de spirito, la quale è administrata e caggionata pure da grande amore, perché con lo ardire teme de offendere; onde disse la Cantica: ¦ Averte oculos tuos a me, quia ipsi me avolare fecere. E cossì supprime gli occhi da non vedere quel che massime desidera e gode di vedere; come raffrena la lingua da non parlare con chi massime brama di parlare, per téma che difetto di sguardo o difettosa parola non lo av-



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Severino  Dazu ist zu sagen, das Gefühle die Erkenntnis der Wahrheit äußerst leicht verhindern können, obgleich es die Betroffenen womöglich nicht bemerken, so wie ein kranker Dummkopf behauptet, daß er nicht einen schlechten Geschmack im Mund habe, sondern daß das Essen schlecht sei. – Hier nun ist diese Art der Blindheit durch einen dargestellt, dessen Augen verändert und ihrer natürlichen Funktion beraubt sind, und zwar durch das, was durch das Herz zu ihnen gesandt und ihnen eingeprägt worden ist und das nicht nur die Kraft hat, das Sehvermögen zu verderben, sondern darüber hinaus auch alle anderen Fähigkeiten der Seele, wie diese Gestalt es deutlich macht. Was die Bedeutung des ac hten Blinden angeht, so macht das vortreffliche intelligible Objekt die Vernunft in eben der Weise blind, wie das vortreffliche sinnlich wahrnehmbare Objekt diesem hier das Sehvermögen zerstört hat. So geschieht es dem, der Jupiter in seiner Maje­ stät erblickt: er verliert das Leben und folglich die sinnliche Wahrnehmung. So wird der, der in die Höhe schaut, bisweilen von dieser Majestät niedergedrückt. Wenn es ihm darüber hinaus gelingt, in die Erscheinung des Göttlichen einzudringen, durchbohrt ihn diese wie ein Pfeil, weshalb die Theologen sagen, das Gotteswort dringe tiefer ein als jede beliebige Schwert- oder Messerspitze. Daher kommt es, daß durch ihren Abdruck ihm eine Spur eingezeichnet und eingeprägt wird, die keine weitere Prägung und kein weiteres Siegel zuläßt. Wenn ein solches Zeichen dann dort festgemacht ist und kein fremdes und neues auf es folgen kann, ohne daß es sich zurückzöge, kann man folgerichtig behaupten, die Fähigkeit, etwa anderes aufzunehmen, sei erschöpft, solange das vorhanden ist, von dem es ausgefüllt wird, oder solange es zerstört wird, weil es notwendigerweise zu klein dafür ist. Die neu nte Ursache ist im neunten Blinden ausgedrückt, der blind ist aus mangelndem Vertrauen und aus Selbsterniedrigung, deren Anlaß und Ursache nichtsdestoweniger große Liebe ist, denn er fürchtet, durch Wagemut zu verletzen. Daher heißt es im Hohelied auch: Averte oculus tuos a me, quia ipsi me avolare fecere. Und so hält er seine Augen geschlossen, um nicht zu sehen, was zu sehen sein größter Wunsch und seine höchste Freude ist, wie er auch seine Zunge bremst, um nicht den Gegenstand seiner Liebe anzusprechen, mit dem zu sprechen sein größter Wunsch ist, weil er fürchtet, ihn durch einen falschen Blick

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seconda parte · dialogo quarto

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vilisca, o per qualche modo non lo metta in disgrazia: e questo suol procedere da l’apprensione de l’excellenza de l’oggetto sopra de la sua facultà potenziale, onde gli più profondi e divini teologi dicono che più si onora et ama Dio per silenzio, che per parola; come si vede più per chiuder gli | occhi alle specie representate, che per aprirli: onde è tanto celebre la teologia negativa de Pitagora e Dionisio, sopra quella demostrativa de Aristotele e scolastici dottori. Minutolo  Andiamone raggionando per il camino. Severino  Come ti piace.

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Fine del quarto dialogo ¦ |

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oder ein falsches Wort zu entwürdigen oder auf irgendeine Weise dem Ungeschick auszusetzen. So verhält man sich, wenn man begreift, daß das Objekt das eigene Fassungsvermögen weit übertrifft, weshalb die besonders tiefsinnigen und göttlichen Theologen sagen, daß man Gott mehr durch Stille als durch Worte Ehre und Liebe erweist, so wie man auch mehr sieht, wenn man die Augen vor den vergegenwärtigten Erscheinungen verschließt, als wenn man sie öffnet. Deshalb ist die negative Gotteslehre des Pythagoras und Dionysios wesentlich rühmlicher als die darlegende des Aristoteles und der Scholastiker. Minutolo  Laß uns das Gespräch auf dem Heimweg fortsetzen. Severino  Wie du möchtest. Ende des vierten Dialogs

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DI A L O G O QU I N T O

Interlocutori Laodomia, Giulia Laodomia  Un’altra volta, o sorella, intenderai quel che apporta tutto il successo di questi nove ciechi, quali eran prima nove bellissimi et amorosi giovani, che essendo tanto ardenti della vaghezza del vostro viso, e non avendo speranza de ricevere il bramato frutto de l’amore, e temendo che tal desperazione le riducesse a qualche final ruina, partironsi dal terreno della Campania felice, e d’accordo (quei che prima erano rivali) per la tua beltade giuròrno di non lasciarsi mai sin che avessero tentato tutto il possibile per ritrovar cosa più de voi bella, o simile al meno; con ciò che scuoprir si potesse in lei accompagnata quella mercé e pietade che non si trovava nel vostro petto ¦ armato di fierezza: perché questo giudicavano unico rimedio che divertir le potesse da quella cruda cattivitade. Il terzo giorno dopo la lor sollenne partita, passando vicini al monte Circeo, gli piacque d’andar a veder quelle antiquitadi de gli antri e fani di quella dea. | Dove essendo gionti, | 471 dalla maestà del luogo ermo, de le ventose, eminenti e fragose rupi, del mormorìo de l’onde maritime che vanno a frangersi in quelle cavitadi, e di molte altre cir ¦ constanze che mostrava il luogo e la staggione, vennero tutti come inspiritati; tra’ quali un (che ti dirò), più ardito espresse queste paroli: »Oh se piacesse al cielo che a questi tempi ne si fesse presente, come fu in altri secoli più felici, qualche saga Circe che con le

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F Ü N F T E R DI A L O G

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Gesprächspartner Laodomia, Giulia

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Laodomia  Eines Tages, oh Schwester, wirst du verstehen, was uns all die Widerfahrnisse jener neun Blinden lehren, die zu Anfang neun wunderschöne, verliebte Jünglinge waren, die ob der Anmut Eures Gesichtes Feuer gefangen hatten, dabei aber keine Hoffnung hegten, die ersehnte Frucht der Liebe zu ernten, und fürchteten, diese ihre Verzweiflung könne sie auf die eine oder andere Weise ins endgültige Verderben stürzen, deshalb von der Scholle des glücklichen Kampanien Abschied nahmen und schwuren, da sie (zwar zuvor Rivalen, indessen) über deine Schönheit einer Meinung waren, niemals sich zu trennen, bevor sie nicht alles nur Mögliche versucht hätten, etwas zu finden, das schöner als Ihr oder zumindest ähnlich schön wäre – in der Hoffnung, in dessen Gefolge dann jene Gnade und Barmherzigkeit entdecken zu können, die sich in Eurer mit Stolz gewappneter Brust nicht fand, denn dies hielten sie für den einzigen Ausweg, der sie aus der grausamen Gefangenschaft führen könne. Am dritten Tag nach ihrem feierlichen Auszug kamen sie am Berg der Circe vorbei, und es gefiel ihnen, sich die alten Höhlen und Opferstätten jener Göttin anzusehen. Dort angelangt, gerieten alle von der Majestät des verlassenen Ortes, den windumtosten, hervorspringenden und zerklüfteten Felsen, dem Rauschen der sich in jenen Höhlungen brechenden Meereswellen und vielen anderen Gegebenheiten des Ortes und der Jahreszeit geradezu in Verzückung. Einer unter ihnen (wer, werde ich dir noch sagen), der mutiger war als die anderen, brach schließlich in folgende Worte aus: »Ach, wenn es dem Himmel doch gefiele, daß uns heute, wie einst in glücklicheren Zeiten, eine zauberische Circe erschiene, die es vermochte, mit Pflanzen, Mineralen, Giften und Zaubereien der Natur gleichsam Einhalt zu gebieten. Ich bin sicher, daß sie trotz ihres Stolzes

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seconda parte · dialogo quinto

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piante, minerali, veneficii et incanti era potente di mettere come il freno alla natura: certo crederei che ella, quantumque fiera, piatosa pur sarebbe al nostro male. Ella molto sollecitata da nostri supplichevoli lamenti, condescenderebbe o a darne rimedio, o ver a concederne grata vendetta contra la crudeltà di nostra nemica«. A pena avea finito di proferir queste paroli, che a tutti si presentò visibile un palaggio, il quale chiumque have ingegno di cose umane, possea facilmente comprendere che non era manifattura d’uomo, né di natura: de la figura e descrizzion de la quale ti dirò un’altra volta. Onde percossi da gran maraviglia, e tócchi da qualche speranza che qualche propizio nume (il qual ciò gli mise avanti) volesse definire il stato de la lor fortuna, dissero ad una voce che peggio non posseano incorrere che il morire, il quale stimavano minor male che vivere in tale e tanta passione. Però vi entraro dentro non trovando porta che fermata gli fusse, o portinaio che gli dimandasse ¦ raggione; sin che si ritrovaro in una richissima et ornatissima sala, dove in quella regia maestade (che puoi dire che Apolline fusse stato ritrovato da Fetonte) apparve quella ch’è chiamata sua figlia; con l’apparir de la quale veddero sparire le imagini | de molti altri numi che gli administravano. Là con grazioso volto accettati e confortati, si fero avanti: e vinti dal splendor di quella maestade, piegaro le ginocchia in terra, e tutti insieme con quella diversità de note che gli dettava il diverso ingegno, esposero gli lor voti alla dea. Dalla quale in conclusione furono talmente trattati, che ciechi, raminghi et infortunatamente laboriosi hanno varcati tutti mari, passati tutti fiumi, superati tutti monti, discorse tutte pianure, per spacio de diece anni; al termine de quali entrati sotto quel temperato cielo de l’isola britannica, gionti al conspetto de le belle e graziose ninfe del padre Tamesi, dopoi ¦ aver essi fatti gli atti di conveniente umiltade, et accettati da quelle con gesti d’onestissima cortesia, uno tra loro, il principale, che altre volte ti sarà nomato, con tragico e lamentevole accento espose la causa commune in questo modo:

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unserem Leid gegenüber barmherzig wäre. Sie würde sich, von unseren flehentlichen Bitten sehr berührt, dazu herablassen, uns entweder zu heilen oder aber in eine süße Rache für die Grausamkeit unserer Feindin einwilligen.« Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, wurde plötzlich allen ein Palast sichtbar, den – wie jedermann, der sich auf Menschendinge versteht, leicht begreifen konnte – weder Menschenhand noch die Natur erbaut hatte; sein Aussehen und seine Gestalt werde ich dir ein andermal beschreiben. Von großem Staunen überwältigt und der leisen Hoffnung angerührt, daß irgendein wohlgesonnener Gott (der diesen Palast vor sie hingestellt habe) ihrem Unglück nun ein Ende bereiten wolle, meinten sie einstimmig, daß sie schlimmstenfalls der Tod erwarte, den sie immer noch für ein kleineres Übel hielten, als weiter ein solch großen Leiden unterworfenes Leben zu führen. Deshalb traten sie ein, wobei sie weder eine verschlossene Tür noch einen Türvorsteher vorfanden, der von ihnen Rechenschaft verlangt hätte. Schließlich stießen sie auf einen äußerst prächtigen und reich geschmückten Saal, wo vor ihnen in königlicher Majestät (die der des Apollo vergleichbar war, als Phaeton ihn aufsuchte) jene erschien, die seine Tochter genannt wird; in dem Augenblick, in dem sie erschien, aber sahen sie die Phantombilder vieler anderer Gottheiten verschwinden, die ihre Dienerschaft bildeten. Mit lieblicher Miene willkommen geheißen und ermuntert, traten sie vor. Und vom Glanz dieser Majestät überwältigt, knieten sie nieder und legten der Göttin gemeinsam ihre Bitten dar – in den je unterschiedlichen Worten, die ihnen ihre je unterschiedliche Begabung eingab. Von ihr wurden sie letztlich so behandelt, daß sie blind, unstet, vom Unglück verfolgt und unter großen Mühen zehn Jahre lang alle Meere befuhren, alle Flüsse überquerten, alle Berge überwanden und alle Ebenen durchquerten. An deren Ende gelangten sie unter den milden Himmel der britischen Insel, wo sie sich den schönen und lieblichen Nymphen, den Töchtern der Themse, gegenüber fanden, und nachdem sie die angemessene Demut bekundet hatten und von jenen mit Gesten vornehmster Höflichkeit aufgenommen worden waren, trug einer von ihnen, ihr Anführer, dessen Namen ich dir ein andermal nennen werde, mit tragischem und klagendem Tonfall ihr gemeinsames Anliegen in folgender Weise vor:

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seconda parte · dialogo quinto

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 Di que’, madonne, che col chiuso vase si fan presenti, et han trafitt’ il core, non per commesso da natur’ errore, ma d’una cruda sorte ch’in sì vivace morte le tien astretti, ogn’un cieco rimase.   Siam nove spirti che molt’ anni, erranti, per brama di saper, molti paesi abbiam discorsi, e fummo un dì surpresi d’un rigid’ accidente, per cui (se siete attente) direte: »O degni, et o infelici amanti«. |   Un’empia Circe, che si don’ il vanto d’aver questo bel sol progenitore, ne accolse dopo vario e lungo errore; e un certo vase aperse, de le cui acqui insperse noi tutti, et a quel far giunse l’incanto.   Noi aspettand’ il fine di tal opra, eravam con silenzio muto attenti, sin al punto che disse: »O voi dolenti, itene ciechi in tutto; raccogliete quel frutto, che trovan troppo attenti al che gli è sopra«. ¦   »Figlia e madre di tenebre et orrore – diss’ ogn’un fatto cieco di repente, – dumque ti piacque cossì fieramente trattar miseri amanti, che ti si fero avanti, facili forse a consecrart’ il core?«   Ma poi ch’a i lassi fu sedato alquanto quel subito furor, ch’il novo caso porse, ciascun più accolto in sé rimaso, mentr’ ira al dolor cede, voltossi alla mercede, con tali accenti accompagnand’ il pianto:

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Von denen, hohe Frauen, die vor Euch treten mit verschloss’nem Glas und mit durchbohrtem Herzen, ward nicht durch einen Fehler der Natur, sondern durch ein grauses Schicksal, das sie zu lebendigen Toten macht, ein jeder blind.   Wir sind neun Geister, welche viele Jahre irrend aus Wissensdrang durch viele Länder zogen, und eines Tages wurden wir von einem harten Unglück überrascht, so daß Ihr sagen werdet (sofern Ihr aufmerksam uns zuhört): »Oh würdige, oh unglückliche Liebende.«   Eine frevelhafte Circe, die sich brüstet, der schönen Sonne Kind zu sein, empfing uns nach verschiedentlichem, langem Irren und öffnete dann ein bestimmtes Glas, mit dessen Wasser sie uns alle netzte, und diesem Tun verband sie Zauberei.   Wir waren, auf das Ende ihres Wirkens wartend, still, stumm und aufmerksam gespannt, bis sie dann sagte: »Ihr Bedauernswerten, zieht nun weiter, blind in jeder Hinsicht, und pflückt die Frucht, die jene ernten, die ihr Ziel zu eifrig in der Höhe suchen.«   »Erzeugerin und Kind von Finsternis und Schrecken«, – so sprachen alle wir mit einem Mal Erblindeten – »also gefiel es dir, armsel ’ge Liebende so grausam zu behandeln, die vor dich getreten waren, womöglich leichtfertig bereit, ihre Herzen dir zu weihen?«   Doch bald, als uns Erschöpften etwas jene jähe Leidenschaft beschwichtigt war, die ja dem neuen Unglück entsprungen, blieb in sich gekehrt ein jeder, indessen Zorn dem Schmerze wich, und wandte sich nun an die Gnade, und begleitete sein Weinen mit den Worten:

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seconda parte · dialogo quinto

  »Or dumque s’a voi piace, o nobil maga, che zel di gloria forse il cor ti punga, o liquor di pietà il lenisca et unga, farti piatosa a noi co’ medicami tuoi, saldand’ al nostro cuor l’impressa piaga;   se la man bella è di soccorrer vaga, deh non sia tanto la dimora lunga, che di noi triste alcun a morte giunga | pria che per gesti tuoi possiam umqua dir noi: tanto ne tormentò, ma più ne appaga«. ¦   E lei soggiunse: »O curiosi ingegni, prendete un altro mio vase fatale, che mia mano medesma aprir non vale; per largo e per profondo peregrinate il mondo, cercate tutti i numerosi regni:   perché vuol il destin che discuoperto mai vegna, se non quando alta saggezza e nobil castità giunte a bellezza v’applicaran le mani; d’altri i studi son vani per far questo liquor al ciel aperto.   All’or, s’avvien ch’aspergan le man belle chiumque a lor per remedio s’avicina, provar potrete la virtù divina: ch’a mirabil contento cangiand’ il rio tormento, vedrete due più vaghe al mondo stelle.   Tra tanto alcun di voi non si contriste, quantumque a lungo in tenebre profonde quant’è sul firmamento se gli asconde: perché cotanto bene per quantumque gran pene mai degnamente avverrà che s’acquiste. ¦

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  »Falls Ihr es also zulaßt, edle Zauberin, daß der Drang nach Ruhm vielleicht dein Herz durchbohrt oder Mitleidstränen sanft und weich es machten, zeig’ dich uns barmherzig und heil’ mit deinen Mitteln die unsrem Herzen eingeprägte Wunde.   Wenn deine schöne Hand sich danach sehnt zu helfen, so möge doch dein Zögern nicht so lange dauern, bis einer von uns Traurigen zu Tode kommt, bevor, gestützt auf deine Taten, wir jemals sagen können: soviel sie uns auch quälte, mehr noch stellt sie uns zufrieden.«   Sie fügte an: »Ihr Geister voller Neugier, nehmt ein andres meiner Schicksalsgläser, das meine eigne Hand nicht öffnen kann. Weit und breit durchwandert mir die Welt, sucht jedes einzelne der vielen Reiche auf:   Denn die Bestimmung will, daß niemals sich der Deckel hebe, außer wenn erhab’ne Weisheit und edle Keuschheit, die mit Schönheit sind vereint, ihre Hände daran legen werden. Das Bemühen andrer bleibt vergeblich, diese Flüssigkeit dem Himmel darzutun.   Dann, sollt’ es geschehen, daß die schönen Hände jeden netzen werden, welcher ihnen sich um Hilfe nähert, werdet ihr die Kraft der Gottheit spüren können: denn ihr werdet, während sich die schlimme Qual in wundersame Lust verwandelt, der Erde beiden schönsten Sterne sehen.   Unterdessen möge keiner von euch traurig sein, auch wenn sich lange ihm in tiefer Finsternis all das verbirgt, was nur am Himmel steht. Denn niemals ist ein solches Gut, wie groß die Pein auch immer sein mag, verdientermaßen der Gewinn.

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seconda parte · dialogo quinto

  Per quell’ a cui cecità vi conduce, dovete aver a vil ogn’altro avere, e stimar tutti strazii un gran piacere; ché sperando mirare tai grazie uniche o rare, ben potrete spreggiar ogni altra luce«. |   Lassi, è troppo gran tempo che raminghe per tutt’ il terren globo nostre membra son ite, sì ch’al fine a tutti sembra che la fiera sagace di speranza fallace il petto n’ingombrò con sue lusinghe.   Miseri, ormai siam (bench’al tardi) avisti ch’a quella maga, per più nostro male, tenerci a bada eternamente cale; certo perché lei crede che donna non si vede sott’ il manto del ciel con tanti acquisti.   Or benché sappiam vana ogni speranza, cedemo al destin nostr’ e siam contenti di non ritrarci da penosi stenti, e mai fermando i passi (benché trepidi e lassi) languir tutta la vita che n’avanza.   Leggiadre Nimfe, ch’a l’erbose sponde del Tamesi gentil fate soggiorno, deh, per dio, non abiate (o belle) a scorno tentar voi anco in vano con vostra bianca mano di scuoprir quel ch’il nostro vase asconde. ¦   Chi sa? forse che in queste spiaggie, dove con le Nereidi sue questo torrente si vede che cossì rapidamente da basso in su rimonte riserpendo al suo fonte, ha destinat’ il ciel ch’ella si trove. |



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  Um dessentwillen, zu dem euch die Blindheit führt, müßt ihr jeden anderen Besitz für wertlos halten und allen Kummer für ein wahrliches Vergnügen. Denn in der Hoffnung, so einzigart’ge oder auserles’ne Lieblichkeit zu schauen, könnt ihr getrost jedwedes andre Licht verachten.«   Oh weh, schon viel zu lange irren unsre Glieder um den ganzen Erdenkreis, so daß uns allen schließlich scheint, die harte, kluge Frau hab ’ mit trügerischer Hoffnung durch ihr verlockendes Gerede unsre Herzen angefüllt.   Wir Armen haben endlich (wenn auch spät) erkannt, daß jener Zauberin zu unserm größern Übel daran gelegen ist, uns ewig hinzuhalten. Denn sie hält es wohl für sicher, daß sich unterm Himmelszelt keine Frau mit solchen Qualitäten findet.   Obgleich wir nunmehr wissen, daß alle Hoffnung nichtig ist, ergeben wir uns unserem Geschick und sind’s zufrieden, der leidensvollen Mühsal uns nicht zu entziehen, und, ohne unsre Schritte jemals anzuhalten, (wenn auch zitternd und erschöpft) solange wir am Leben sind, zu schmachten.   Liebliche Nymphen, die Ihr Eure Tage an den grünen Ufern des Themse-Stroms, des freundlichen, verbringt, haltet es um Gottes willen nicht für schändlich (oh Ihr Schönen), falls auch Euch es nicht gelingt, mit Eurer weißen Hand aufzudecken, was unser Glas verbirgt.   Wer weiß? Mag sein, der Himmel hat bestimmt, daß sich an diesen Ufern, wo man diesen Strom mit seinen Nereiden derart schnelle aus der Tiefe aufwärts steigen und sich erneut zu seiner Quelle schlängeln sieht, jene finden soll. 

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seconda parte · dialogo quinto

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Prese una de le Ninfe il vase in mano, e senza altro tentare, offrillo ad una per una, di sorte che non si trovò chi ardisse provar prima: ma tutte de commun consentimento, dopo averlo solamente remirato, il riferivano e proponevano per rispetto e riverenza ad una sola; la quale finalmente non tanto per far pericolo di sua gloria, quanto per pietà e desìo di tentar il soccorso di questi infelici, mentre dubbia lo contrattava, come spontaneamente s’aperse da se stesso. Che volete ch’io vi referisca quanto fusse e quale l’applauso de le Nimfe? Come possete credere ch’io possa esprimere l’estrema allegrezza de nove ciechi, quando udiro del vase aperto, si sentiro aspergere dell’acqui bramate, apriro gli occhi e veddero gli doi soli; e trovarono aver doppia felicitade: l’una della ricovrata già persa luce, l’altra della nuovamente discuoperta, che sola possea mostrargli l’imagine del sommo bene in terra? Come, dico, volete ch’io possa esprimere quella allegrezza e tripudio de voci, di spirto e di corpo, che lor medesimi tutti insieme non posseano esplicare? Fu per un pezzo il veder tanti furiosi debaccanti, in senso di color che credono sognare, et in vista di quelli che non credeno quello che apertamente veggono: sin tanto che tranquillato es ¦ sendo alquanto l’impeto del furore, se misero in ordine di ruota, dove:  I l p r im o cantava e sonava la citara in questo tenore: O rupi, o fossi, o spine, o sterpi, o sassi, o monti, o piani, o valli, o fiumi, o mari, quanto vi discuoprite grati e cari, |   ché mercé vostra e merto   n’ha fatt’ il ciel aperto: o fortunatamente spesi passi.

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Eine der Nymphen nahm das Glas in die Hand und bot es, ohne überhaupt einen Versuch zu machen, einer nach der anderen an, so daß sich keine fand, die es gewagt hätte, sich als erste daran zu versuchen. Vielmehr gaben alle in gemeinsamem Einverständnis das Glas, nachdem sie es nur betrachtet hatten, aus Respekt und Ehrfurcht weiter und hielten es einer einzigen hin. Diese wollte es schließlich ergreifen, nicht so sehr, um ihren Ruhm auf eine gefährliche Probe zu stellen, als vielmehr aus Barmherzigkeit und weil sie gerne versuchen wollte, diesen Unglücklichen zu helfen, doch während der Zweifel sie noch zurückhielt, öffnete das Glas sich plötzlich wie von selbst. Muß ich Euch beschreiben, wie stark und wie begeistert die Nymphen Beifall klatschten? Wie könnt Ihr glauben, ich sei fähig, die äußerste Freude der neun Blinden zum Ausdruck zu bringen, als sie vernahmen, daß das Glas sich geöffnet hatte, sie sich mit dem ersehnten Wasser benetzt fühlten, die Augen öffneten und die beiden Sonnen sahen – und merkten, daß ihr Glück ein doppeltes war: zum einen hatten sie das einst verlorene Licht zu­ rückerhalten; zum anderen hatten sie ein zweites neu entdeckt, und zwar dasjenige, welches allein auf Erden ihnen das Abbild des höchsten Gutes zeigen konnte? Wie, sage ich, sollte ich fähig sein, Euch jene Freude und jenen Jubel von Stimme, Geist und Körper zum Ausdruck zu bringen, die zu erklären ihnen selbst allen zusammen nicht gelang? Eine Zeitlang sahen sie wie leidenschaftlich verzückte Bacchanten aus, in der Verfassung derer, die zu träumen glauben, und mit dem Ausdruck jener, die nicht glauben, was sie offen vor sich sehen, bis sich dann der Sturm der Leidenschaft ein wenig gelegt hatte und sie sich im Kreis aufstellten, und zwar in folgender Ordnung:  D e r Er s te sang und spielte die Kithara auf diese Weise: Oh Felsen, Gräben, Dornen, Büsche, Steine, oh Berge, Tiefland, Täler, Flüsse, Meere, wie sehr ist es willkommen uns und lieb, euch zu entdecken,   da durch euer Gnaden und Verdienst   sich der Himmel uns geöffnet hat: oh ihr zu unsrem Glück gesetzten Schritte.

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seconda parte · dialogo quinto

1174 ¦ 1175

I l s e c o n d o con la mandòra sua sonò e cantò: O fortunatamente spesi passi, o diva Circe, o gloriosi affanni; o quanti n’affligeste mesi et anni,   tante grazie divine,   se tal è nostro fine dopo che tanto travagliati e lassi. I l te r z o con la lira sonò e cantò: Dopo che tanto travagliati e lassi, se tal porto han prescritto le tempeste, non fia ch’altro da far oltre ne reste ¦   che ringraziar il cielo   ch’oppose a gli occhi il velo, per cui presente al fin tal luce fassi. I l qu a r to con la viola cantò: Per cui present’ al fin tal luce fassi, cecità degna più ch’altro vedere, cure suavi più ch’altro piacere;   ch’a la più degna luce   vi siete fatte duce: con far men degni oggetti a l’alma cassi. | I l qu into con un timpano d’Ispagna cantò: Con far men degni oggetti a l’alma cassi, con condir di speranza alto pensiero, fu chi ne spinse a l’unico sentiero,   per cui a noi si scuopra   de Dio la più bell’opra: cossì fato benigno a mostrar vassi.

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zweiter teil · fünfter dialog 391

D e r Zwe ite spielte und sang zu seiner Mandora: Oh ihr zu unsrem Glück gesetzten Schritte, oh göttliche Circe, oh ruhmreiches Leid, jeder Monat, jedes Jahr, da ihr uns quältet,   war eine Gnade Gottes,   wenn dies der Lohn und Endpunkt ist für uns Geplagte und Erschöpfte. D e r D r it te spielte und sang zur Leier: Wenn für uns Geplagte und Erschöpfte solchen Hafen diese Stürme vorbestimmt, bleibt wohl nichts zu tun mehr übrig,   als dem Himmel Dank zu sagen,   der uns einen Schleier vor die Augen hielt, wodurch am Ende dieses Licht uns gegenwärtig wird. D e r Vi e r te sang zur Bratsche: Wodurch am Ende dieses Licht uns gegenwärtig wird: Blindheit, würdiger als jedes Sehen, Sorgen, süßer ihr als jede Freude,   denn ihr habt zu Führern   hin zum höchsten Licht euch aufgeschwungen, indem der Seele weniger edle Gegenstände ihr entzogt. D e r Fü nf te sang zu einem spanischen Tympanon: Indem der Seele weniger edle Gegenstände ihr entzogt, indem erhabene Gedanken ihr mit Hoffnung nährtet, habt ihr uns auf den einzigen Pfad gestoßen,   auf dem Gottes schönstes Werk   sich uns entdeckt: Also zeigt sich gütig das Geschick.

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seconda parte · dialogo quinto

1175 ¦ 1176

I l s e s to con un laùto cantò: Cossì fato benigno a mostrar vassi; perché non vuol ch’il ben succeda al bene, o presagio di pene sien le pene;   ma svoltando la ruota,   or inalze, ora scuota: com’a vicenda il dì e la notte dassi. I l s e t t im o con l’arpa d’Ibernia: Come a vicenda il dì e la notte dassi, mentr’ il gran manto de faci notturne scolora il carro de fiamme diurne:   talmente chi governa   con legge sempiterna supprime gli eminenti, e inalz’ i bassi. ¦ | L’ot t avo con la viola ad arco: Supprime gli eminenti, e inalza i bassi, chi l’infinite machini sustenta: e con veloce, mediocre e lenta   vertigine dispensa   in questa mole immensa quant’occolto si rende e aperto stassi. I l n o n o con una rebecchina: Quant’occolto si rend’e aperto stassi, o non nieghi, o confermi che prevagli l’incomparabil fine a gli travagli   campestri e montanari   de stagni, fiumi, mari, de rupi, fossi, spine, sterpi, sassi.



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zweiter teil · fünfter dialog 393

D e r S e c h s te sang zu einer Laute: Also zeigt sich gütig das Geschick, weil es nicht will, daß Gutes auf das Gute folgt oder Vorzeichen der Qualen Qualen sind.   Vielmehr dreht’s an seinem Rad,   hebt bald hoch, zerrt bald nach unten, so wie Tag und Nacht im Wechsel aufeinanderfolgen. D e r S i e b e nte mit der irischen Harfe: So wie Tag und Nacht im Wechsel aufeinanderfolgen, wobei das große Nachtgewand der Sterne dem feurigen Gespann des Tages alle Farbe nimmt,   handelt auch der Weltenlenker   nach dem ewigen Gesetz: Er stutzt die Großen und erhebt die Niedrigen. D e r Ac hte mit der Fiedel und dem Bogen: Der stutzt die Großen und erhebt die Niedrigen, der die unendlich vielen Räderchen am Laufen hält, und indem er schnell und mäßig schnell und langsam   sie dreht, in dieser ungeheuren Masse   jeweils zuteilt, wie viel von ihm verborgen, wie viel sichtbar ist. D e r Ne u nte mit einer Rebec: Wie viel von ihm verborgen, wie viel sichtbar ist, leugne nicht, sondern bekräftige noch den größ’ren Wert des Ziels, des unvergleichlichen, für unsre Mühen   in Feld und Wald,   in Teichen, Flüssen, Meeren, an Felsen, Gräben, Dornen, Büschen, Steinen.



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seconda parte · dialogo quinto

1176 ¦ 1177

Dopo che ciascuno in questa forma singularmente sonando il suo instrumento ebbe cantata la sua sestina, tutti insieme ballando in ruota e sonando in lode de l’unica Nimfa con un suavissimo concento cantarono una canzona, la quale non so se bene mi verrà a la memoria. Giulia  Non mancar (ti priego, sorella) di farmi udire quel tanto che ti potrà sovvenire. | Laodomia  canzone de gl’illuminati »Non oltre invidio, o Giove, al firmamento,« dice il padre Oceàn col ciglio altero, »se tanto son contento per quel che godo nel proprio impero«; ¦ »Che superbia è la tua?« Giove risponde, »alle ricchezze tue che cosa è gionta? o dio de le insan’ onde, perché il tuo folle ardir tanto surmonta?« »Hai,« disse il dio de l’acqui, »in tuo potere il fiammeggiante ciel, dov’è l’ardente zon’, in cui l’eminente coro de tuoi pianeti puoi vedere. Tra quelli tutt’ il mondo admira il sole, qual ti so dir che tanto non risplende quanto lei che mi rende più glorioso dio de la gran mole. Et io comprendo nel mio vasto seno tra gli altri quel paese, ove il felice Tamesi veder lice, ch’ha de più vaghe ninfe il coro ameno. Tra quelle ottegno tal fra tutte belle, per far del mar più che del ciel amante te Giove altitonante, cui tanto il sol non splende tra le stelle«;

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zweiter teil · fünfter dialog 395

Nachdem jeder in dieser Form einzeln sein Instrument gespielt und seinen Sechszeiler gesungen hatte, sangen alle zusammen reigentanzend und zum Lobe der einzigartigen Nymphe musizierend in süßester Harmonie eine Kanzone, von der ich nicht weiß, ob ich sie mir noch richtig in Erinnerung rufen kann. Giulia  Ich bitte dich, Schwester, laß mich wenigstens das hören, was dir vielleicht noch einfällt. Laodomia  37

kanzone der erleuchteten »Ich beneide, Jupiter, den Himmel nicht mehr,« spricht Vater Ozean mit hocherhob’ner Augenbraue, »denn ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich im eignen Reich genieße.« »Woher dieser Stolz?« antwortet Jupiter, »was kam zu deinem Reichtum noch hinzu, du Gott der irren Wellen, daß du vor wahnwitziger Dreistheit überquillst?« »Du hast,« sagt der Meeresgott, »den Feuerhimmel in deiner Macht; darin den brennenden Bereich, in dem du den erhabenen Chor deiner Wandelsterne sehen kannst. In ihren Reih’n bewundert alle Welt die Sonne, die, weiß ich dir zu sagen, nicht so strahlt wie jene, welche mich zum ruhmesreichsten Gott der großen Weltenmasse macht. Und ich halt’ in meiner weiten Brust abgesehen von den anderen auch jenes Land umschlossen, wo man die glücklich schöne Themse sehen kann, der die lieblichsten der Nymphen einen Chor von hoher Anmut bilden. Unter allen diesen Schönen gibt es eine, die das Meer dich mehr noch als den Himmel lieben ließe, Jupiter, du Donnergott, dem dir deine Sonne nicht so strahlt inmitten aller Sterne.«

396

seconda parte · dialogo quinto

1177 ¦ 1178

Giove responde: »O dio d’ondosi mari, | ch’altro si trove più di me beato non lo permetta il fato; ma miei tesori e tuoi corrano al pari.

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Vagl’ il sol tra tue ninfe per costei; e per vigor de leggi sempiterne, de le dimore alterne, costei vaglia per sol tra gli astri miei«. ¦

 Credo averla riportata intieramente tutta. Giulia  Il puoi conoscere, perché non vi manca sentenza che possa appartener alla perfezzion del proposito; né rima che si richieda per compimento de le stanze. Or io, se per grazia del cielo ottenni d’esser bella, maggior grazia e favor credo che mi sia gionto: perché qualumque fusse la mia beltade, è stata in qualche maniera principio per far discuoprir quell’unica e divina. Ringrazio gli dèi, perché in quel tempo che io fui sì verde, che le amorose fiamme non si posseano accendere nel petto mio, mediante la mia tanto restia quanto semplice et innocente crudeltade, han preso mezzo per concedere incomparabilmente grazie maggiori a’ miei amanti, che altrimente avessero possute ottenere per quantumque grande mia benignitade. Laodomia  Quanto a gli animi di quelli amanti, io ti assicuro ancora, che come non sono ingrati alla sua maga Circe, fosca cecitade, calamitosi pensieri et | aspri travagli, per mezzo de quali son gionti a tanto bene: cossì non potranno di te esser poco ben riconoscenti. Giulia  Cossì desidero, e spero. Fine della seconda et ultima parte de gli eroici furori

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zweiter teil · fünfter dialog 397

Es gibt zur Antwort Jupiter: »Oh Gott der wellenreichen Meere, daß einer mehr als ich vom Glück gesegnet wäre, möge das Geschick nicht dulden, vielmehr seien meine Schätze deinen gleich. Die Sonne soll als jene gelten unter deinen Nymphen und, kraft der ewigen Gesetze, bei umgekehrtem Aufenthalt gelte jene als die Sonne unter meinen Sternen.«

 Ich glaube, die Kanzone ganz und vollständig wiedergegeben zu haben. Giulia  Das kannst du daran erkennen, daß kein Satz fehlt, der zur abschließenden Vollendung des Arguments gehören könnte, noch ein Vers, der zur Vollständigkeit der Strophen nötig wäre. Ich glaube nun, wenn meine Schönheit schon eine Gnade des Himmels ist, so ist mir doch eine noch größere Gnade und Gunst zuteil geworden: Denn wie groß meine Schönheit auch immer sein mag, sie ist auf gewisse Weise der Ausgangspunkt gewesen, um jene einzige und göttliche zu entdecken. Ich danke den Göttern, daß sie in jener Zeit, da ich zu unreif war, als daß sich das Feuer der Liebe in meiner Brust hätte entzünden können, meine ebenso hartnäckige wie naive und unschuldige Grausamkeit zum Mittel genommen haben, um jenen, die mich liebten, unvergleichlich größere Gnaden zu erweisen, als sie sonst durch eine auch noch so große Güte von meiner Seite hätten erhalten können. Laodomia  Was die Seelen jener Liebenden angeht, so versichere ich dir noch Folgendes: Wie sie ihrer Zauberin Circe, der finsteren Blindheit, den unheilvollen Gedanken und den bitteren Mühen keinen Undank dafür wissen, durch sie zu einem solch hohen Gut gekommen zu sein, so werden sie auch dir nicht wenig dankbar sein können. Giulia  Das wünsch’ und hoffe ich. Ende des zweiten und letzten Teils der Heroischen Leidenschaften

NOTIZ ZU R Ü BER SETZU NG

Bruno zu übersetzen – ein gefährliches Unterfangen: Die idiosynkratische Orthographie, die mitunter krause Syntax, die grammatischen Inkohärenzen, die ostentative Verachtung für die standardisierte toskanische Literatursprache, die zahlreichen Registerwechsel und -brüche, die hyperbolische Ausdrucksweise, die auftrumpfenden Reihungen – all das sind Klippen, an denen sich der Übersetzer zu entscheiden hat, auf welche Weise er sie umschifft oder aber ob er es wagt, sich durch den Strom des Textes über diese Klippen hinwegtragen zu lassen, einen Strom in der Art, wie sie Brunos persona Teofilo zu Beginn der Cena de le ceneri selbst verspricht, wenn er die ›Musen Englands‹ anruft: Er bittet sie um »una copiosa e larga vena di prosa lunga«, auf daß seine Gedanken nicht durch einen dünnen Federkiel tröpfeln, sondern in einem breiten Kanal dahinströmen mögen.1 Die angedeuteten Schwierigkeiten stellen sich in besonderem Maße bei der Übersetzung der Eroici furori als des letzten, umfangreichsten und strukturell zerklüftetsten der sechs italienischen Dialoge. Sie werden schon durch die spezifische Gestalt des Texts der Furori verschärft, der mehrere Gattungen miteinander kombiniert. In den Dialog sind nicht einfach Elemente und Charakteristika weiterer Genres eingegangen, wie man es bei anderen Dialogen Brunos beobachten kann, etwa der Cena, die Elemente der Komödie aufweist. In den Furori sind vielmehr andere Gattungen als solche präsent: Zahlreiche Gedichte, vor allem Sonette, daneben in den mittleren Teilen zusätzlich Impresen, sind in den Dialogtext ›eingelegt‹ wie kostbar bearbeitete Hölzer bei einer Intarsienarbeit.2 Daß sie sich vom restlichen Text unterscheiden, wird übrigens graphisch unterstrichen durch den Buchschmuck, der   Giordano Bruno, Dialoghi filosofici italiani, hg. v. Michele Ciliberto, Mailand: Mondadori, 2000, S. 23. 2   Vgl. zu Gestalt und Funktion der verschiedenartigen Gattungsmischungen in Brunos Dialogen von der Cena bis zu den Furori Henning Hufnagel, Ein Stück von jeder Wissenschaft. Gattungshybridisierung, Argumentation und 1

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notiz zur übersetzung

sie durch Zierleisten vom Prosatext absetzt. Doch sind diese Gedichte, die jeweils einem »furioso« zugeschrieben werden, kein Beiwerk, sondern integraler Bestandteil des Dialogs. Ihre Bedeutung kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, daß sie häufig nicht als »sonetti« oder »poesie«, sondern als »articoli« bezeichnet werden – als ›Thesen‹, die im Folgenden erörtert werden. Die Gedichte haben also eine theoretische Funktion. Um diese Funktion präsent zu halten, habe ich mich bei der Übersetzung für den durchaus sperrigen Ausdruck ›Artikel‹ entschieden, wo andere Ausgaben »articolo« glättend mit ›Gedicht‹ übersetzen. Die Gedichte sind letztlich das strukturbildende Element des Dialogs: Denn das fiktive Gespräch der Furori entspinnt sich als Lesen oder Hören dieser metrisch gebundenen Texte und ihre anschließende Aus­ legung. Eine der Leitlinien der vorliegenden grundlegend überarbeiteten Übersetzung war denn auch, die Gedichte als solche lesbar zu machen. Auf einer basalen Ebene geschah dies schon typographisch, vor allem aber hatte es sprachlich zu geschehen. Dabei kam jedoch nicht in Frage, Brunos Verse durchgängig als Fünfheber wiederzugeben oder sogar den Reim reproduzieren zu wollen, wie Ludwig Kuhlenbeck es in seiner Übersetzung von 1898 beziehungsweise 1907 getan hat – mit denn auch eher fragwürdigem Ergebnis. Dies wären Zwänge gewesen, die umgekehrt eine solche Freiheit in der Übersetzung erfordert und damit so weit vom Ausgangstext weggeführt hätten, wie es Brunos philosophischer Thematik nicht angemessen gewesen wäre, schon gar nicht in einer zweisprachigen Ausgabe. Gegen eine Prosaübertragung, die sich anzubieten schien (und wie sie die französische Ausgabe im Verlag Les Belles Lettres auch verwirklicht hat), gab es indessen zwei schwerwiegende Gründe: Zum einen betont Bruno selbst, etwa durch den Buchschmuck, wie gesehen, die Verschiedenheit der Gedichte vom übrigen Text; zum anderen – und wichtigeren – ist die sprachliche Gestalt dem gedanklichen Gehalt in einem fundamentalen Sinne funktional. Die Gedichte schildern ja die Erfahrungen des »furioso«, seinen versuchten Aufstieg zum Absoluten Erkenntnis in Giordano Brunos italienischen Dialogen, Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2009.



notiz zur übersetzung 401

und die Schau des Einen, also ein Geschehen am Rande des Sagbaren. Dafür bedarf es einer anderen Sprache als der Prosa; diesen Rand des Sagbaren zu evozieren, ist die Aufgabe poetischer, metrisch gebundener Sprache. Also habe ich mich entschieden, bei der Übersetzung in Satzbau und Vokabular poetische Lizenzen in Anspruch zu nehmen und Brunos Gedichte in ein erkennbares Metrum zu bringen: weitgehend alternierend, ist es in der Zahl der Versfüße aber freier.3 Eine weitere Leitlinie – unabdingbar in einem philosophischen Text – galt der terminologischen Kohärenz und Korrektheit. Das Glossar soll hier zur Orientierung dienen. Diese Kohärenz erstreckt sich übrigens über die Furori hinaus und zielt darauf, die anderen Dialoge einzuschließen; insbesondere habe ich eine größtmögliche Übereinstimmung mit der Terminologie von Brunos metaphysischem Hauptwerk De la causa, principio et uno anvisiert. Terminologische Korrektheit bedeutete in den Furori nicht zuletzt, die mehrfach auftretende Wendung »furioso eroico« beziehungsweise »eroico furioso« grammatikalisch ernstzunehmen. Anders als bisherige deutsche (und englische) Übersetzungen, die hier vom ›leidenschaftlichen Helden‹ oder auch ›leidenschaftlichen Heros‹ sprechen und bisweilen auch an anderen Stellen »furioso« mit ›Heros‹ übersetzen, habe ich Brunos substantivische Verwendung von »furioso« beibehalten, Bedenken in puncto Euphonie hintangestellt und ›der heroische Leidenschaftliche‹ gesetzt. Wie ­Eugenio Canone unterstreicht, ist, im Gegensatz zum Leidenschaft­ lichen, der ›Held‹ kein Brunianisches Konzept. Eine dritte Leitlinie für die Neufassung des deutschen Textes in allen seinen Teilen war die gute Lesbarkeit, gekoppelt mit dem Bestreben, dem italienischen Original syntaktisch möglichst treu zu bleiben, damit ein Parallel- oder Mitlesen in beiden Sprachen möglich ist, ohne dass der Leser sich verliert.   Vgl. zur Frage des übersetzerischen Umgangs mit den Gedichten der Furori weiterführend meinen Aufsatz »Tai versi con quali ad altri vi mostraste mai. Sulla traduzione delle poesie degli Eroici Furori«, Bruniana & Campanelliana XXI,2 (2015), S. 555–569. Darin vergleiche ich die verschiedenen deutschen, englischen und französischen Übersetzungen und Teilübersetzungen mit­ein­ ander und reflektiere vor deren Hintergrund mein eigenes Vorgehen. 3

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notiz zur übersetzung

Diese Leitlinien markieren denn auch die Unterschiede gegenüber der Übersetzung Christiane Bacmeisters, die 1989 in der »Philosophischen Bibliothek« des Meiner Verlags erschienen ist und die der jetzigen Fassung als Grundlage gedient hat. Eine Überarbeitung dieser flüssig zu lesenden, vielfach aber recht freien, bisweilen zu freien Übersetzung war im übrigen schon deshalb unumgänglich, weil sie einem anderen Text der Furori folgt: Sie mußte noch die Edition Gentile/Aqui­lecchia von 1958 zugrunde legen und damit einen textkritischen Forschungsstand, der durch die Neueditionen Giovanni Aquilecchias von 1999 und Eugenio Canones von 2011 inzwischen überholt ist. Zuletzt war auch mein Ziel, die häufig sehr plastische Bildlichkeit, die Brunos Sprache auszeichnet, wo immer möglich mitzutransportieren. Auch das, so hoffe ich, hat die Lesbarkeit erhöht. Beispielsweise spricht Bruno an einer Stelle von »martello«, was bekanntlich ›Hammer‹, in diesem Zusammenhang aber, in einem seltenen, figurativen Gebrauch, ›Schmerzen‹ oder ›Quälerei‹ bedeutet; ich habe mich, mit einem anderen Werkzeug, für ›bohrende Qual‹ entschieden. Keine bohrende Qual, wenn auch in vielen Momenten der Abwägung mühevoll, aber doch sehr befriedigend war die Arbeit an den deutschen Furori. Nun, da ihr Ergebnis erscheint, möchte ich mehreren Personen sehr herzlich Dank sagen: an erster Stelle Thomas Leinkauf für seine unbedingte Unterstützung, sodann nicht minder Sebastian Neumeister für seine prompte Bereitschaft, Teile meiner Version der Furori durchzusehen, schließlich Maria Moog-Grünewald, Dagmar von Wille und Eugenio Canone für die immer fruchtbare und angenehme Zusammen­arbeit. Henning Hufnagel

EDITORISCHE NOTIZ

Der im vorliegenden Band veröffentlichte Text der Dialoge De gli eroici furori entspricht, von einigen geringfügigen Änderungen abgesehen, dem von mir 2011 bei Mondadori herausgegebenen Text. Für Angaben zu den Änderungen, die gegenüber dem von Giovanni Aquilecchia 1999 (OEI VII) und 2002 (U II) veröffentlichten Text vorgenommenen wurden, verweise ich auf die dortige Nota al testo (ERF, S. LI–LX). Für die Ausgabe von 2011 wurde der Text systematisch mit der editio princeps (London, John Charlewood, 1585) verglichen, wobei die bei Olschki erschienene Reprint-Ausgabe des in der Biblioteca Trivulziana, Milano, aufbewahrten Exemplars von De gl’heroici furori benutzt wurde (Sign.: Triv. M 973); vgl. die Nota introduttiva zu OI I, S. XXXVIII– XXXIX. Der reprographische Nachdruck des Werks befindet sich in OI IV, S. [1243]–[1522]. Der vorliegende Band enthält eine Wiedergabe des Titelblatts der editio princeps (s. o., S. 1). In der Ausgabe von 2011 wurde seitlich in eckigen Klammern ein Verweis auf die Paginierung des Originaldrucks von 1585 mitgeführt, der keine Seitennumerierung aufweist. Für den Vergleich mit der Originalausgabe der Furori habe ich außerdem das in der Biblioteca Nazionale Centrale, Firenze, aufbewahrte Exemplar (Sign.: Guicc. 23.3.19) in photographischer Reproduktion benutzt. Vgl. für Angaben zu den hier genannten Exemplaren des Originaldrucks Sturlese, Bibliografia, censimento e storia delle antiche stampe di Giordano Bruno (1987), Eintrag 12, S. 70 f., Nr. 11 u. 25. In der vorliegenden Ausgabe war es aufgrund der editorischen Richt­ linien der Giordano Bruno Werke nicht möglich, den Verweis auf die Paginierung der editio princeps der Furori mitzuführen, doch wurden, wie in den anderen Bänden der Reihe, dem italienischen Text folgende Angaben beigefügt: in der Kopfzeile innen die Paginierung von DI und am inneren Seitenrand die Paginierung von OEI VII, d. h. des oben erwähnten, 1999 bei Les Belles Lettres erschienenen Textes. Auch um den Anforderungen einer modernen Ausgabe Rechnung zu tragen, wollte ich in ERF einige Besonderheiten der editio princeps wiedergeben. Ich

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editorische notiz

habe mich daher entschlossen, auch die (drucktechnisch restaurierten) typographischen Friese des Originaldrucks wiederzu­geben, um vor allem die ›primären‹ Poeme der Eroici furori hervorzu­heben (s. u., Anm. 2 zum Titelblatt, S. 438 f.). In der vorliegenden Ausgabe wur­den die komplexen Friese in vereinfachter Form wiedergegeben, jedoch so, daß der Unterschied zwischen ›primären‹ und ›sekundären‹ Poemen hervortritt. Zum Schluß eine Erläuterung zu den Beschreibungen der im Text vorkommenden Impresen: In den Furori werden insgesamt achtundzwanzig Impresen beschrie­ ben, davon fünfzehn im fünften Dialog des ersten Teils, zwölf im ersten und eine im zweiten Dialog des zweiten Teils. Die achtundzwanzig Impresen (mit lateinischen Motti sowie darauf bezüglichen Sonetten und Erklärungen) weisen in der Ausgabe von 1585 wie auch in den späteren Ausgaben des Textes bis hin zu den neueren keine entsprechenden Illu­ strationen auf. Es sei daher auf den Beitrag von Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002, in: U II, S. 835–853) verwiesen, in dessen Apparat zu Vergleichszwecken neun Figuren aus Emblemund Impresenbüchern (von Paolo Giovio, Girolamo Ruscelli, Andrea Alciato und Giovanni Ferro) nachgedruckt wurden. Auch der Beitrag von Maggi: ›L’uomo astratto‹. Philosophy and emblematic rhetoric in the »Eroici furori« (2007) ist mit einer ikonographischen Dokumenta­ tion versehen. Siehe jetzt Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. XLI–LXIX. Außerdem ist zur Ikonographie im allgemeinen auf Gabriele: Giordano Bruno. Corpus iconographicum (2001) hinzuweisen, wenngleich dort natürlich Abbildungen der Impresen fehlen. Zeichnungen der achtundzwanzig Impresen der Furori finden sich in der zweiten Ausgabe der deutschen Übersetzung des Werks von Ludwig Kuhlenbeck: Eroici furori / Zwiegespräche vom Helden und Schwärmer (1907), S. 92 ff. (s. u., S. 626 ff.). In diesem Band wird angegeben, daß Emil Rudolf Weiß (1875–1942), bekannter Graphiker und Schriftgestalter, die Zeichnung des Titelblatts angefertigt hat; der Holzschnitt stellt einen Phönix dar. Es wird dagegen nicht genauer gesagt, wer der Autor der kleinen Zeichnungen ist, welche die Impresen illustrieren, die Fritz Helmuth Ehmcke (1878–1965) zuzuschreiben sind, ebenfalls ein bekannter Graphiker, Illustrator und Schriftgestalter (vgl. Heidler: Zum Kontext der Gesammelten Werke Giordano Brunos im Eugen Die-



editorische notiz 405

derichs Verlag (1998), S. 156 f.). Wie bereits in ERF (S. LXV–LXXXVI) werden auch in der vorliegenden Ausgabe diese Zeichnungen wiedergegeben, die den Versuch darstellen, die Impresen der Eroici furori, wenngleich schematisch, zu visualisieren. Eugenio Canone

BIBLIOGR A PHIE

Die folgende Bibliographie bezieht sich auf die im Kommentar und im Philosophischen Nachwort zitierten Texte. Was die Sekundärliteratur betrifft, sind dort lediglich Beiträge verzeichnet, die einen Bezug zu den Eroici furori haben, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Vgl. zur Bibliographie außer dem grundlegenden Band von Salvestrini: Bibliografia di Giordano Bruno (21958), für den neueren bibliographischen Stand Severini: Bibliografia di Giordano Bruno (2002), und Figorilli: Per una bibliografia di Giordano Bruno (2003). Verschiedene Studien über die Eroici furori und andere Schriften Brunos sind in der Zeitschrift Bruniana & Campanelliana, die seit 1995 erscheint, veröffentlicht oder angezeigt. Für einige Präzisierungen bezüglich der im Kommentar und im Philosophischen Nachwort benutzten Abkürzungen verweise ich in den einleitenden Bemerkungen zum Kommentar (S. 437). Abkürzungsverzeichnis der zitierten Werke Brunos (das Erscheinungsjahr der Werke ist in eckigen Klammern angegeben) Acrotismus = Camoeracensis acrotismus [1588] Architectura = De compendiosa architectura et complemento artis Lullii [1582] Articuli adversus mathematicos = Articuli centum et sexaginta adversus huius tempestatis mathematicos atque philosophos [1588] Articuli adversus Peripateticos = Centum et viginti articuli de natura et mundo adversus Peripateticos [1586] Cabala = Cabala del cavallo pegaseo. Con l’aggiunta dell’Asino cillenico [1585] Candelaio = Candelaio [1582] Cantus = Cantus Circaeus [1582] Causa = De la causa, principio et uno [1584] Cena = La cena de le Ceneri [1584] Combinatoria = De lampade combinatoria Lulliana [1587] De magia = De magia naturali [Der Text entstand 1589–1590; er erschien 1891] Explicatio = Explicatio triginta sigillorum [1583] Figuratio = Figuratio Aristotelici Physici auditus [1586] Furori = De gli eroici furori [1585]

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bibliographie

Imaginum / De imaginum compositione = De imaginum, signorum et idearum compositione [1591] Immenso / De immenso = De innumerabilibus, immenso et infigurabili [1591] Infinito / De l’infinito = De l’infinito, universo e mondi [1584] Lampas = Lampas triginta statuarum [Eine erste Fassung entstand 1587; B. hat die Arbeit daran später wieder aufgenommen. Erscheinungsdatum: 1891] Minimo / De minimo = De triplici minimo et mensura [1591] Monade / De monade = De monade, numero et figura [1591] Oratio valed. = Oratio valedictoria [1588] Oratio cons. = Oratio consolatoria [1589] Principiis = De rerum principiis, elementis et causis [Entstehungszeit um 1589–1590; erschien 1891] Sigillus = Sigillus sigillorum [1583] Spaccio = Spaccio de la bestia trionfante [1584] Summa = Summa terminorum metaphysicorum, mit der Praxis descensus seu applicatio entis [Entstehungszeit um 1590–1591; Erstausg.: 1595 (nur der Text des ersten Teils) / 1609 (Gesamttext des zweiten Teils, d. h. der Praxis descensus)] Thes. de magia = Theses de magia [der Text, ein Bestandteil von De magia, entstand 1589–1590; Erstausgabe: 1891] Umbris / De umbris = De umbris idearum (im Anhang: Ars memoriae) [1582] Vinculis / De vinculis = De vinculis in genere [der Text entstand 1590–1591. Erstausgabe: 1891] Bibliographische Hilfsmittel Salvestrini, Virgilio: Bibliografia di Giordano Bruno (1582–1950), 2a ed. pos­ tuma a cura di L. Firpo, Firenze 1958. Sturlese, Rita: Bibliografia, censimento e storia delle antiche stampe di Giordano Bruno, Firenze 1987. Severini, Maria Elena: Bibliografia di Giordano Bruno 1951–2000, Roma 2002. Figorilli, Maria Cristina: Per una bibliografia di Giordano Bruno (1800–1999), Paris 2003.



bibliographie 409

Sigla Werkausgaben Bruno BW Giordano Bruno Werke, mit der kritischen Edition von G. Aquilecchia, hg. von Th. Leinkauf, 5 Bde., Hamburg 2007 – (Bd. 1: Der Kerzenzieher, hg. von S. Kodera, 2013; Bd. 3: Über die Ursache, das Prinzip und das Eine, hg. von Th. Leinkauf, 2007; Bd. 4: Über das Unendliche, das Universum und die Welten, hg. von A. Bönker-Vallon, 2007; Bd. 5: Austreibung des triumphierenden Tieres, hg. von E. u. P. R. Blum, 2009; Bd. 6: Die Kabbala des pegaseischen Pferdes, hg. von S. Kodera, 2009). DF

Dialoghi filosofici italiani, a cura di M. Ciliberto, note di N. ­Tirinnanzi, Milano 2000 (vgl. für die Eroici furori S. 753–960 u. 1347–1455).

DI

Dialoghi italiani, nuovamente ristampati con note da G. Gentile, terza ed. a cura di G. Aquilecchia, Firenze 1958 (vgl. für die Eroici furori S. 925–1178). Die erste Ausgabe Gentiles der Dialoghi italiani di Bruno erschien 1907/1908; die zweite Ausg. 1925/1927.

OEI Œuvres complètes de Giordano Bruno, collection dir. par Y. Hersant, N. Ordine. Œuvres italiennes, éd. critique établie par G. Aquilecchia, 7 Bde., Paris 1993–1999: I. Chandelier, introd. philol. de G. Aquilecchia, préf. et notes de G. Bàrberi Squarotti, trad. de Y. Hersant, 1993 (22003); II. Le souper des Cendres, préf. de A. Ophir, notes de G. Aquilecchia, trad. de Y. Hersant, 1994; III. De la cause, du principe et de l’un, introd. de M. Ciliberto, notes de G. Aquilecchia, trad. de L. Hersant, 1996; IV.  De l’infini, de l’univers et des mondes, introd. de M. A. Granada, notes de J. Seidengart, trad. de J.-P. Cavaillé, 1995 (22006); V. Expulsion de la bête triomphante, introd. de N. Ordine, notes de M. P. Ellero, trad. de J. Balsamo, 1999, 2 voll.; VI. Cabale du cheval pégaséen, préf. et notes de N. Badaloni, trad. de T. Dagron, 1994; VII. Des fureurs héroïques, introd. et notes de M. A. Granada, trad. de P.-H. Michel revue par Y. Her­­sant, 1999 (22008). OI

Opere italiane, ristampa anastatica delle cinquecentine, a cura di E. Canone, 4 Bde., Firenze 1999 (der Reprint der Originalausgabe De gl’heroici furori befindet sich in Bd. IV, S. [1243]–[1522]).

OL

Opere latine conscripta, publicis sumptibus edita, recensebat F. Fiorentino, V. Imbriani, C. M. Tallarigo, F. Tocco, G. Vitelli, 3 Bde. in 8 Teilen, Napoli/Firenze, 1879–1891: I/1 (Napoli 1879), I/2 (Napoli 1884), I/3 (Firenze 1889), I/4 (Firenze 1889); II/1 (Napoli 1886), II/2 (Firenze 1890), II/3 (Firenze 1889); III (Firenze 1891). Repr. Stuttgart/Bad Cann­ statt 1961–1962.

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bibliographie

OM Opere magiche, ed. diretta da M. Ciliberto, a cura di S. Bassi, E. Scapparone, N. Tirinnanzi, Milano 2000. OMNE  Opere mnemotecniche, ed. diretta da M. Ciliberto, a cura di M. Matteoli, R. Sturlese, N. Tirinnanzi, 2 Bde., Milano 2004, 2009. U

Opere italiane di Giordano Bruno, testi critici e nota filologica di G. Aqui­lecchia, introd. e coordinamento di N. Ordine, 2 Bde., Torino 2002 (die Eroici furori, mit Anm. von M. A. Granada, in Bd. II, S. 485–753).

Einzeleditionen und Übersetzungen von Werken Brunos CA Centoventi articoli sulla natura e sull’universo contro i Peripatetici  / Centum et viginti articuli de natura et mundo contra Peripateticos, a cura di E. Canone, Pisa/Roma 2007. Candelaio, a cura di V. Spampanato, Bari 21923. BSP Spaccio de la bestia trionfante, a cura di E. Canone, Milano 22001. ERF De gli eroici furori, a cura di E. Canone, Milano 2011. F

Das Aschermittwochsmahl, übersetzt von F. Fellmann, mit einer Einleitung von H. Blumenberg, Frankfurt/M 1981.

Giordano Bruno, ausgewählt und vorgestellt von E. von Samsonow, München 1995. Über die Monas, die Zahl und die Figur als Elemente einer sehr geheimen Physik, Mathematik und Metaphysik, hg. von E. von Samsonow, Kommen­ tar von M. Mulsow, Hamburg 1991.

Weitere Ausgaben und Übersetzungen der »Eroici furori« De gl’heroici furori, a cura di F. Flora, Torino 1928. Des fureurs héroïques, texte établi et traduit par P.-H. Michel, Paris 1954 (Repr. 1984; die Übersetzung von Michel erschien, revidiert von Y. Hersant, in: OEI VII). The Heroic Frenzies, ed. by P. E. Memmo, Chapel Hill 1964. Von den heroischen Leidenschaften, hg. von Chr. Bacmeister, mit einer Einleitung von F. Fellmann, Hamburg 1989. Eroici furori, introd. di M. Ciliberto, a cura di S. Bassi, Roma/Bari 1995. Gli eroici furori, a cura di N. Tirinnanzi, Milano 1999.



bibliographie 411

Los heroicos furores, trad. de M. R. González Prada (Erstausgabe: 1987), rev. de la trad. y introd. de M. A. Granada, Milano 2008. On the Heroic Frenzies, ed. and transl. by I. D. Rowland, text ed. by E. Canone, Toronto/Buffalo/London 2013. Vgl. die Zeichnungen der 28 Impresen (die in der Originalausgabe der Eroici furori nur beschrieben werden) in: Eroici furori / Zwiegespräche vom Helden und Schwärmer, hg. von L. Kuhlenbeck, Jena 1907 (Bd. 5 der insgesamt sechs Bände der von Kuhlenbeck herausgegebenen, bei Eugen Diederichs erschienenen Gesammelten Werke Brunos). Bei der Übersetzung von 1907 handelt es sich um eine zweite Ausgabe, da Kuhlenbeck bereits 1898 eine Übersetzung der Furori in Leipzig veröffentlicht hatte, in der jedoch keine Illustrationen der Impresen vorliegen. Dokumente Firpo, Luigi: Il processo di Giordano Bruno, a cura di D. Quaglioni, Roma 1993. Teilausgaben Opere di Giordano Bruno e di Tommaso Campanella, a cura di A. Guzzo e R. Amerio, Milano/Napoli 1956 (enthält die Dialoge I–IV des ersten Teils sowie II–V des zweiten Teils der Eroici furori). Giordano Bruno: Heroische Leidenschaften und individuelles Leben, hg. von E. Grassi, Hamburg 1956. Scritti scelti di Giordano Bruno e di Tommaso Campanella, a cura di L. Firpo, Torino 1965; 11949 (enthält Argomento del Nolano und die Dialoge I–IV des ersten Teils der Eroici furori).

412

bibliographie

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414

bibliographie

pati, Venezia 1537. Vgl. Il primo libro dell’opere burlesche, di messer Francesco Berni. Di messer Gio. della Casa, del Varchi, del Mauro, di M. Bino, del Molza, del Dolce, et del Firenzuola. Ammendato e ricorretto…, Firenze 1552. –: Rime, a cura di D. Romei, Milano 1985. Biblia Sacra iuxta latinam vulgatam versionem, ed. R. Weber, 2 Bde., Stuttgart 31983. Boccaccio, Giovanni: Decameron, a cura di N. Sapegno, 2 Bde., Torino 1956. –: Das Dekameron, vollständige Ausg. in der Übertragung von K. Witte. Durch­ gesehen von H. Bode, Nachwort von A. Bauer, München 1971 (11952). –: Elegia di madonna Fiammetta. Corbaccio, a cura di F. Erbani, Milano 1988. –: Filocolo, a cura di A. E. Quaglio, Milano 1998. –: Genealogie deorum gentilium libri, a cura di V. Romano, 2 Bde., Bari 1951. –: Ninfale fiesolano, a cura di A. Balduino, in: Ders.: Tutte le opere, a cura di V. Branca, Bd. III, Milano 1974. Boethius, A. M. Severinus: De consolatione philosophiae, ed. L. Bieler, Turn­ hout 1957. Boiardo, Matteo Maria: Opere volgari: Amorum Libri. Pastorale. Lettere, a cura di P. V. Mengaldo, Bari 1962. –: Orlando innamorato, a cura di G. Anceschi, 2 Bde., Milano 1978. Bovelles, Charles de: Ars oppositorum, in: Ders.: Liber der intellectu. Liber de sensu. Libellus de nihilo. Ars oppositorum. Liber de generatione. Liber de sapiente…, Paris 1510 (Repr. Stuttgart/Bad Cannstatt 1970). Vgl. Ch. de Bovelles: L’art des opposés, texte et traduction par P. Magnard, Paris 1984. –: Libellus de nichilo, in: Ders.: Liber der intellectu…, Paris 1510. Vgl. Ch. de Bovelles: Le livre du neant, texte et traduction par P. Magnard, Paris 1983. –: Liber de sapiente, in: Ders.: Liber der intellectu…, Paris 1510. Vgl. C. Bovillus, Liber de sapiente, hg. von R. Klibansky, in: E. Cassirer: Individuum und Kosmos in der Philosophie der Reinassance, Darmstadt 1963 (Repr. der Ausg. Leipzig/Berlin 1927), S. 299–412; Ch. de Bovelles, Le livre du Sage, texte et traduction par P. Magnard, Paris 1982. Buonanni, Vincenzo: Discorso… sopra la prima Cantica (lo ’nferno) del theologo Dante, Firenze 1572. Calcidius: In Timaeum commentarius – Timaeus a Calcidio translatus commentarioque instructus, ed. J. H. Waszink, London/Leiden 21975. Calvin, Jean: Institutio Christianae religionis [11536; endgültige Fassung: 1559], in: Ders.: Joannis Calvini Opera selecta, hg. von P. Barth, W. Niesel



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–: Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami, ed. P. S. Allen et H. M. Allen, 12 Bde., Oxford 1906–1958. Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica / Kirchengeschichte, hg. von E. Schwartz, Leipzig 21914; hg. von H. Kraft, übersetzt von Ph. Häuser, Darmstadt 1967. –: s. Hieronymus: Chronicon. Ficino, Marsilio: Commentarium in Convivium Platonis, De amore s. El libro dell’amore. –: Commentarium in Phedrum, in: Marsilio Ficino and the Phaedran Charioteer, Introduction, Texts, Translations by M. J. B. Allen, Berkeley/Los Angeles/London 1981, S. 65–129. –: De divino furore, in: Ders.: Lettere, I (1990), S. 19–28. –: De raptu Pauli, in: Prosatori latini del Quattrocento (1952), S. 931–969. –: De Sole, in: Prosatori latini del Quattrocento (1952), S. 970–1009. –: De vita coelitus comparanda, in: Ders., De vita libri tres / Three Books on Life. A critical Edition and Translation with Introduction and Notes, by C. V. Kaske and J. R. Clark, New York 1989. –: El libro dell’amore, a cura di S. Niccoli, Firenze 1987. Es handelt sich um die von Ficino selbst angefertigte ital. Übers. des Commentarium in Convivium Platonis, De amore. Vgl. den lat. Text in: Commentaire sur le Banquet de Platon, De l’amour / Commentarium in convivium Platonis, De amore, éd. par P. Laurens, Paris 2002. –: Epistolarum libri XII, in: Ders.: Opera omnia, Bd. I, S. 607–964. –: In Enneades (In Plotinum), in: Ders.: Opera omnia, Bd. II, S. 1537–1800. –: Le divine lettere del gran Marsilio Ficino, tradotte in lingua toscana da Felice Figliucci senese, 2 Bde., Repr. der Ausg. Venezia 1546–1548, a cura di S. Gentile, Roma 2001. –: Lettere, I / Epistolarum familiarum liber I, a cura di S. Gentile, Firenze 1990; Bd. II (Epistolarum familiarium liber II) erschien 2010. –: Opera…, 2 Bde., Basel 1561. –: Opera omnia, con una lettera introduttiva di P. O. Kristeller e una premessa di M. Sancipriano, 2 Bde., Torino 1983 (Repr. der Ausg. Basel 1576). –: Theologia Platonica de immortalitate animorum / Théologie platonicienne de l’immortalité des âmes, texte critique établi et traduit par R. ­Marcel, 3  Bde., Paris 1964–1970 (die Ausg. von Marcel wird mit der Sigle TP zi­tiert). Vgl. auch den lat. Text mit nebenstehender engl. Übers. in: Platonic Theology, latin text ed. by J. Hankins, transl. by M. J. B. Allen, 6 Bde., Cambridge, Massachusetts 2001–2006.

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contayning the Arte of composing them, with many other notable devises. By Samuell Daniell, London 1585. Gregor von Nazianz: Oratio XL (Εἰς τὸ βάπτισμα), in: Grégoire de Nazianze: Discours 38–41, introd., texte critique et notes par C. Moreschini, trad. par P. Gallay, Paris 1990 (Sources Chrétiennes, 358). Gregor von Nyssa: De vita Moysis, ed. H. Musurillo, Leiden 1964 (Gregorii Nysseni Opera, VII/1). –: Homiliae in Canticum Canticorum, ed. H. Langerbeck, Leiden 1960 (Gregorii Nysseni Opera, VI). Vgl. Der versiegelte Quell. Auslegung des Hohen Liedes, in Kürzung übertragen und eingeleitet von H. U. von Balthasar, Einsiedeln 31984). Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Vorlesungen über die Geschichte der Philo­ so­phie, Teil 4: Philosophie des Mittelalters und der neueren Zeit, hg. von P.  Gar­niron u. W. Jaeschke, Hamburg 1986 (Vorlesungen. Ausgewählte Nachschriften und Manuskripte, 9). –: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie [hg. von K. L. Michelet], in: Ders.: Werke in zwanzig Bänden, hg. von E. Moldenhauer u. K. M. Michel, 20/III, Frankfurt/M. 1971. Hesiod: Opera et Dies. Theogonia / Theogonie. Werke und Tage, griechisch und deutsch, hg. und übersetzt von A. von Schirnding, München 1991. Hieronymus: Chronicon – Eusebius Caesariensis Werke, Bd. 7, Erster Teil: Die Chronik des Hieronymus / Hieronymi Chronicon, ed. R. Helm, Leipzig 1913 (Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, 47). Homer: Ilias, hg. von M. L. West, 2 Bde., München/Leipzig 1998–2000. –: Odyssea, hg. von P. von der Mühll, München/Leipzig, 1993. Horapollon: Hieroglyphica / Orus Apollo Niliacus de Hieroglyphicis notis, Bernardino Trebatio Vicentino interprete, Augsburg 1515. – Horapollinis Niloi Hieroglyphica, ed. C. Leemans, Amsterdam 1835. Der griechische Text der Hieroglyphica war 1505 erschienen. Horaz (Q. Horatius Flaccus): Carmina. Epistula ad Pisones (De arte poetica). Sermones, in: Ders., Satiren und Briefe, lateinisch und deutsch, eingel. u. übers. von R. Helm, Zürich/Stuttgart 1962. Il Grappa: Comento nella canzone del Firenzuola ›In lode della salsiccia‹ [1545], in: Ludi esegetici III. Testi proposti da F. Pignatti, Manziana 2009, S. 189–294. Isidor von Sevilla: Etymologiae / Isidori Hispalensis episcopi Etymologiarum sive originum libri XX, ed. W. M. Lindsay, Oxford 1911 (Repr. 1989).

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KOM M EN TA R

Der vorliegende Kommentar basiert auf dem von mir in ERF (2011) herausgegebenen. Der Kommentar, der sich um die Einleitung zum Werk: Argomento del Nolano sopra gli Eroici furori (Darlegung des Nolaners zu den Heroischen Leidenschaften) als thematischem Mittelpunkt entwickelt, wurde für die Meiner-Ausgabe revidiert und vervollständigt. Zudem wurde der Text auch um eine Bibliographie ergänzt, die folgende Abschnitte enthält: 1. Ausgaben/ Übersetzungen der Eroici furori und anderer Werke Brunos; 2. Primärliteratur (mit Quellenangaben und einigen Hinweisen im Kommentar und im Philosophischen Nachwort); 3. Sekundärliteratur (vgl. S. 407–435). Sowohl im Kommentar als auch im Philosophischen Nachwort bezieht sich die Abkürzung Furori (jeweils gefolgt von der Angabe des Teils in römischen Ziffern sowie des Dialogs in arabischen Ziffern und immer durch Komma getrennt) auf die vorliegende Ausgabe. Darüber hinaus wird auf die einleitende Abteilung der Eroici furori (Darlegung des Nolaners zu den Heroischen Leidenschaften) mit Darlegung Bezug genommen; in den Verweisen auf den Kommentar zu diesem Teil des Werks ist die Anmerkungsziffer durch ein voranstehendes ›A‹ gekennzeichnet. Soweit nicht anders angegeben, verweist die Angabe »oben« oder »unten«, gefolgt von der Anmerkungsziffer, immer auf eine Anmerkung innerhalb desselben Kommentarteils. Im Kommentar wird Bruno mit ›B.‹ abgekürzt (im Kommentar sowie im Philosophischen Nachwort werden die Seitenzahlen sowohl des Originaltextes als auch der Übersetzung angegeben). Hier ist eine terminologische Präzisierung angezeigt: Wenn Bruno von intelletto spricht, neigt man im Deutschen auch aufgrund eines durch den Idealismus befestigten Gebrauchs traditionell dazu, den Begriff mit Vernunft, nicht mit Verstand zu übersetzen. Es ist bekannt, daß es sich um einen fest verwurzelten terminologischen Gebrauch handelt, der, wenn auch schwankend, schon auf das Mittelalter zurückgeht. Bedeutende Beispiele von Schwankungen in bezug auf das zweifache Sprachregister Lateinisch/Deutsch gibt es bei Meister Eckhart und anderen. Ohne eine Vorbemerkung an den Leser ist dies bei den Eroici furori (wie auch bei anderen Werken Brunos und anderer Autoren) insofern nicht möglich, als auf der Grundlage der lateinischen Tradition, auf die Bruno offensichtlich zurückgreift, ragione (ratio) ein diskur­ sives Instrument ist, während dem intelletto (intellectus) eine höhere Funktion der Synthese und daher auch eine ›intuitive‹ Funktion zukommt, die auf den Begriff der mens verweist. Wenn Bruno sich z. B. unter Rückgriff auf die

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peripatetische Tradition auf den intellectus possibilis und den intellectus agens bezieht, ist es wichtig, das terminologisch-begriffliche Diktat des Autors zu respektieren. Ohne in den deutschen Gebrauch eingreifen zu wollen, der in den Übersetzungen bezeugt ist, doch auch ohne den Originaltext Brunos zu verleugnen, wurde im Kommentar dieser Sachverhalt durch Beifügung des lateinischen oder italienischen Terminus in Klammern präzisiert. Den Kommentar und das Philosophische Nachwort übersetzte Dagmar von Wille, die u. a. einen Vortrag über die Geschichte des deutschen Titels Von den heroischen Leidenschaften auf folgender Tagung gehalten hat: Terminologia e poesia filosofica in Giordano Bruno. Per la nuova edizione/traduzione degli »Eroici furori« nei ›Giordano Bruno Werke‹ (Rom, 21. 2. 2014). Ich habe auch diesen Vortrag, der demnächst erscheinen wird, berücksichtigt.

Titelblatt 1  Giordano Bruno Nolano: Filippo Bruno (im folgenden: B., außer bei

Zitaten) wird 1548 in der Nähe von Nola geboren; beim Eintritt in das neapolitanische Kloster San Domenico Maggiore im Jahre 1565 legt er sich den Namen Giordano zu, den er auch nach Verlassen des Dominikanerordens zu Beginn des Jahres 1576 beibehält. In den Eroici furori wie auch in seinen anderen Schriften nennt B. sich selbst der Nolaner, wobei er in der dritten Person spricht: »Mir scheint sehr, daß dies der Nolaner […] zeigt« (Furori, I, 1, S. 6). Vgl. die Angaben zu B.s Eltern unten, Anm. A 67, S. 496 u. Anm. 12 zum 2. Dialog des ersten Teils, S. 551. Als ›nolanisch‹ bezeichnet B. auch die eigene Muse (»nolana Musa«: Causa: BW III, S. 8) sowie seine eigene Philosophie (»nolana filosofia«: ebd., S. 264). Der Begriff verweist auf seine Verwurzelung und sein eigenes ingenium/Genius, spielt aber auch auf die Entdeckung der Relativität der Standpunkte an (vgl. Immenso: OL I/1, S. 313 ff.). Auch ohne die eigene natürliche Verankerung zu leugnen, weiß der Nolaner, daß »dem wahren Philosophen jedes Land ein Vaterland« ist (Causa: BW III, S. 50). Der ›wahre Philosoph‹ ist der Mensch, der sich der Erkenntnis öffnet und folglich eine Werteskala im Auge hat, der zufolge Vernunft und Verstand – im Hinblick auf die höchste Stufe der Ethik als Ausdruck der tatsächlichen Würde des Menschen – den Sinnen sowie der kulturellen Gewohnheit und dem Glauben gegenüber eine höhere Stellung einnehmen. Für B. muß die intellektuelle Sphäre jedenfalls in einen fruchtbaren Dialog mit der Sphäre der Leidenschaften, der Gefühle, treten. 2  De gli eroici furori: Bereits im Titel zeichnet sich das Programm des Werkes ab (in dem Sinne, daß es sich um ›göttliche Liebe‹ als ›heroische‹ oder



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›intellektuelle‹ Liebe handelt). Der Plural erscheint im Titel nicht zufällig, sondern bezeichnet eine Suche mit einer nicht gradlinigen Entwicklung, die im Werk dokumentiert wird. Die Furori stellen die amores des Nolaners unter präzisem Bezug auf die ›primären‹ dichterischen Kompositionen vor. Im Text sind letztere von typographischen Friesen eingerahmt und stellen die verschiedenen »Artikel« in Bezug auf Themen und Erklärungen dar: Sie bezeichnen den Verlauf des Werkes und definieren dessen Rhythmus, bis hin zur abschließenden Canzone, einer Hymne auf die Wandelbarkeit. Gedichte, die die Vielheit der Situationen wiedergeben (hierin in Anlehnung an die Amores Ovids), die der furioso eroico mit seinem Liebesimpetus erlebt. Diese primären Dichtungen, die von einer intellektuellen Liebe zur Gottheit als unendlicher Natur inspiriert sind, nehmen im Text die Funktion eines Canzoniere an, der auf den konzeptionellen Ergebnissen der philosophischen Reflexion des Nolaners basieren. Inspiration und Themen der Sonette deuten somit das Leitmotiv der heroischen Leidenschaft an, ein Begriff, der für die intellektuelle Sphäre steht (und der auf die erhabenste, d. h. auf die betrachtende oder spekulative Sphäre des menschlichen Lebens verweist: vgl. Furori, I, 2, S. 84 f.; Vinculis: OM, S. 464). Den primären Dichtungen (es handelt sich um insgesamt 68 – 34 für jeden der beiden Teile, in die das Werk gegliedert ist – zuzüglich eines einführenden Sonetts) kommt daher eine besondere Bedeutung zu im Vergleich zu den anderen, lateinischen oder italienischen, Gedichten und insbesondere zu einigen Sonetten, die man als ›sekundäre‹ Dichtungen bezeichnen kann. Das Werk weist insgesamt sieben sekundäre Sonette auf; vier haben den Dichter Luigi Tansillo (1510–1568) aus Venosa zum Autor, drei sind von B. selbst, darunter eines, das bereits zu Beginn von De la causa erscheint. Bezüglich des Begriffs des furore (divino) – eine ›Manie‹, welche die Idee einer Inspiration seitens der Gottheit impliziert: vgl. Furori, II, 4, S. 362 f.  – beruft sich B. ausdrücklich auf Platon und den Platonismus. Im Ausgang von Platon (Phaidros, 244a–245b, 265b–c) spricht auch B. von »mehreren Formen der Leidenschaften« (S. 91); er spielt auch – so z. B. im ersten Dialog des ersten Teils – auf eine Art der Leidenschaft an, die bei Platon nicht auftaucht, nämlich den »furor scholasticus«, auf den er in seinen Schriften mehrfach eingeht (vgl. Combinatoria: OL II/2, S. 232). Im Hinblick auf den Begriff des eroico berücksichtigt B. nicht nur den in der griechischen und römischen Kultur verbreiteten Parallelismus Heros/Daimon, sondern auch den aristotelischen Begriff der virtus heroica und der vita contemplativa oder heroica (vgl. Figuratio: OL I/4, S. 140, zur Thematisierung eines moralischen, vernünftigen und heroischen Lebens entsprechend der Dreiteilung der betrachtenden Philosophie in Physik, Mathematik und Metaphysik). Einige Reflexionen der aristotelischen Ethica Nicomachea, insbesondere aus Buch

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VII und X, sowie deren Kommentar in der Sententia libri Ethicorum des

­ omas von Aquin stellen einen wichtigen Bezugspunkt der Furori dar, der Th meines Wissens in der Forschung bisher nicht berücksichtigt wurde (wobei natürlich auch die Überlegungen Thomas von Aquins über aktives und kontemplatives Leben heranzuziehen sind, vgl. Summa theologiae, I, 1, q. 179– 182). Der Philosoph aus Nola unterscheidet eine heroische Leidenschaft – der Heros bezeichnet wie der Daimon eine Natur zwischen Mensch und Gottheit, also eine höhere Sphäre als die menschliche, und in diesem Sinne spricht B. von »spiritus heroici« und »superhumana humanitas« (Oratio cons.: OL I/1, S. 32; vgl. Ethica Nicomachea, 1145a 20 f.) – von einer Leidenschaft untersten Ranges, einer Krankheit, die den Menschen auf den tierischen Stand zurückführt. Hier ist daran zu erinnern, daß Eros bei Platon als »großer Dämon« definiert wird: Das Gastmahl, 202d–e; vgl. für die Verbindung zwischen dämonischem Eros und Eros/Dämon M. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 120, der sich auf eine vermeintliche, in Platons Kratylos (398c–e) angeführte Etymologie beruft. (Vgl. auch Ficino: Über die Liebe oder Platons Gastmahl (1984); der deutsche Text bietet allerdings eine Übers. des lateinischen Textes). Während die »niederen Leidenschaften« auf den ordinario amore, die »gewöhnliche, tierhafte und bestialische« Liebe (Darlegung, S. 14 f.) verweisen, bezieht sich die heroische Leidenschaft hingegen auf die intellektuelle Liebe als aufsteigende Liebe, als Liebe des Menschen zur Gottheit. Es ist dies die Perspektive eines Aufstiegs der Weltseele von der sinnlichen Welt – der Endlichkeit – zur Verstandeswelt, der Unendlichkeit. Hierbei ist zu präzisieren, daß die heroische Leidenschaft, von der in den Eroici furori die Rede ist, wenngleich B. sie als »eine Qual« bezeichnet (vgl. Furori, I, 2, S. 72 f.; I, 3, S. 104 f.), sich strikt vom amor hereos oder heroicus der mittelalterlichen medizinischen Tradition unterscheidet, der jener ›gewöhnlichen‹ oder ›ungeordneten‹ Liebe entspricht, für die B. das Bild der »Werkstatt des Vulkan« gebraucht, die »Werkstatt dieses unsauberen und schmutzigen Gefährten der Venus«: jener Schmied, »der die Blitze des Jupiter anfertigt, welche die Seelen quälen, die sich vergangen haben«, ein Schöpfer, der sich vom Verstand, dem »wahren Schmied des Jupiter«, unterscheidet (Furori, I, 5, S. 200–205). Vgl. zur Frage der Beziehung zwischen der heroischen Liebe bei B. und dem amor hereos Agamben: Stanze (1977), S. 130–145 (Agamben stellt den Zusammenhang zwischen heroischer Liebe und Liebe als Krankheit heraus) und Giovannozzi: »De amore qui hereos dicitur« (2007), hier vor allem S. 84: »Im brunianischen Text taucht der Ausdruck ›heroische Liebe‹ in der Tat recht häufig auf, jedoch nicht in der Bedeutung des in medizinischen Texten gebrauchten Syntagmas amor hereos, sondern vielmehr im ficinianischen Sinne«. Zu Recht hebt Agamben die Thematik der ›Polarität‹ hervor, was bei B. jedoch bedeutet, die



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»contrarietà« (den Gegensatz) als Eigenschaft jedes zusammengesetzten Dinges zu erkennen, ohne die es weder Schmerz noch »delettazione« (Genuß) geben würde (Furori, I, 2, S. 72 f.). Der Mensch kann sich somit der Gegensätzlichkeit und ihren Wirkungen  – dem inneren Konflikt, der Zerissenheit  – nicht entziehen, gerade weil er ein zusammengesetztes Wesen ist: »Da ich zwei Gegensätzen unterworfen bin auf ewig, / sind Himmel mir und Hölle gleich verboten« (ebd., S. 79). Der Zustand der heroischen Leidenschaft stellt nicht so sehr einen Bezug zu einer menschlichen Tugend als vielmehr »ein Laster, das ein gottähnliches Subjekt […] befällt«, dar; Subjekt, dessen Seele »im Übermaß der Gegensätzlichkeiten […] zerrissen« wird (ebd., S. 77). Es ist darüber hinaus gerade dieser Aspekt, der die Perspektive der heroischen Leidenschaft – einer intellektuellen Suche, die die Erfahrung der Gegensätzlichkeit und des Konflikts der ›Affekte‹ nicht zurückweist, sondern im Gegenteil in seiner ganzen Fülle erlebt – erheblich von der intellektuellen Glückseligkeit averroistischer Provenienz und noch mehr von der platonischen Idee eines Zugangs der Seele zur intelligiblen Welt unterscheidet. Die Sprache, derer sich B. bedient, um diesen Konfliktzustand zu beschreiben, muß zwangsläufig auf den Kontrast verweisen (Licht/Dunkelheit, Wärme/Kälte usw.), doch muß man in Rechnung stellen, daß er sich auf eine ›Schatten‹-Realität des Menschen, nicht auf Krankheitssymptome wie »Die Krankheit, die hereos genannt wird […]«, bezieht, »eine melancholische Angst, die durch eine Frau hervorgerufen wird« und die einer »Korruption des Urteilsvermögens« entspringt. Vgl. den bei Agamben: Stanze (1977), S. 132 angeführten längeren Passus in italienischer Übersetzung aus dem Lilium medicinae von Bernard de Gordon; s. den lateinischen Text bei Lowes: The ›Loveres Maladye of Hereos‹ (1914), S. 499–502. Vgl. zum Thema des amor hereos außer den Beiträgen Lowes’ auch Nardi: L’amore e i medici medievali (1959), S. 256–263, der sich insbesondere auf den Tractatus de amore heroico von Arnaldus de Villanova bezieht, sowie Ciavolella: La »malattia d’amore« dall’Antichità al Medioevo (1976) u. Tonelli, Fisiologia dell’amore doloroso in Cavalcanti e Dante (2004). Gegenstand der Liebe des heroischen furioso ist das unendliche Universum (Diana und Minerva als Metaphern unendlicher Natur, Seele und Weisheit), ein sicher nicht mit einem wie auch immer beschaffenen ›zusammengesetzten Ding‹ vergleichbarer Gegenstand, z. B. einer wenn auch außergewöhnlich schönen Frau wie Angelica im anderen Furioso (Orlando furioso, XX, 132: »Colei che fu sopra le belle bella«; »Die schönste, die ich hier auf Erden sehe«: Der rasende Roland (1908), Bd. I, S. 17), und im Falle Orlandos handelt es sich sicher um den amor hereos der mittelalterlichen medizinischen Abhandlungen. Im übrigen kann die heroische Welt der griechisch-römischen Kultur meines Erachtens nicht als »helle und lichte Welt« bezeichnet werden (Agamben: ebd.,

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S. 131); statt als leuchtend wäre sie besser als dunkel und tragisch zu definieren, eine Welt ungestümer Leidenschaften, in der selbst die Helden nicht selten als Marionetten in den Händen höherer, unerbittlicher Mächte erscheinen, die miteinander Krieg führen und sich über die Helden lustig machen. Kehren wir zur Frage der aufsteigenden Liebe zurück. Will man auf die hinreichend erforschte griechische Terminologie Bezug nehmen – man denke an die bekannte Arbeit Anders Nygrens – Nygren: Eros und Agape (1955) – und an die lebhafte Debatte, die neuerdings im Anschluß an die Enzyklika Deus caritas est Benedikts XVI. aufgekommen ist  –, kann man zweifelsohne behaupten, daß in den Furori ›lieben‹ speziell im Sinne von ἐρᾶν und nicht von ἀγαπᾶν, von ἔρως und nicht von ἀγάπη gebraucht wird, wobei ἀγαπᾶν / ἀγάπη im biblischen Griechisch die absteigende göttliche Liebe bezeichnen. Also eine freie und unmotivierte Liebe in der Sicht des paulinischen Christentums, während für Bruno die göttliche Liebe der »unendlichen Wirkung der unendlichen Ursache« entspricht (Cena: F, S. 93; U I, S. 455), hinsichtlich derer Freiheit und Notwendigkeit übereinstimmen. Was einen Vergleich mit den Kirchenvätern, z. B. mit Origenes, betrifft, sei erwähnt, daß bei B. amor/eros nicht die fleischliche Liebe im Gegensatz zu einem amor/agape, der für die geistige Liebe steht, bezeichnet. (Origenes – ein für B. wichtiger Autor, der in den Furori den Kommentar sowie auch die Homelien des Alexandriners über das Hohelied vor Augen hat  – betont jedoch, daß die beiden griechischen Begriffe trotz einer gewissen Zweideutigkeit dieselbe Bedeutung haben). Die sinnliche Liebe verweist auf den natürlichen Impuls zur Selbsterhaltung der Art. Als Ausdruck natürlicher Bedürfnisse der Individuen soll sie befriedigt, nicht aber idealisiert werden, was die Ebene der ›Lust‹ in Anerkennung der sinnlichen Rechte nicht ausschließt. B. macht sich die Idee eines zweifachen Seelenhorizonts zu eigen; eine Auffassung, die aus der neuplatonischen und hermetischen Tradition hervorgeht. Dennoch hält er in seinen Werken – und ganz besonders in den Eroici furori – den ›epikureischen‹ Blick auf die Dinge der Welt lebendig, was z. B. in der Gestalt des Gioan Bernardo in der Komödie Candelaio zum Ausdruck kommt (es liegt auf der Hand, daß in den Furori und in anderen Werken im wesentlichen ein Vergleich mit dem epikureischen Begriff der katastematischen Lust vorgenommen wird). Im Unterschied zum sexuellen Begehren, das alle natürlichen Arten betrifft, ist die intellektuelle Liebe, die sich der Erfahrung des Unendlichen als Suche öffnet, ohne jemals ein endgültiges Ziel zu erreichen, spezifisch dem Menschen eigen; eine intellektuelle Liebe, die den Menschen, als Individuum einer bestimmten natürlichen Art und als zusammengesetztes Wesen, zur für ihn höchstmöglichen Stufe führt. Diese Stufe entspricht der Befriedigung der zur Natur des Menschen gehörigen Bedürfnisse und geht über den gemeinen Menschen, der



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Sklave der Sinne bleibt, hinaus; d. h. sie betrifft die Sphäre des Verstands/Geistes (intelletto/mente), die sich oberhalb der diskursiven Vernunft (ragione discorsiva) ansiedelt. Für einen Vergleich mit der Ethica Nicomachea ist anzumerken, daß sich in den Furori die Gestalt des Heros mit der des Jägers (venator) des Wissens, nicht der Weisheit, verbindet, wenngleich die Distanz B.s zu Aristoteles und zum Aristotelismus bezüglich des Verhältnisses zwischen Seele und Verstand (intellectus) stets hervorzuheben ist. Der Begriff eines »doppelgesichtigen Cupido« (vgl. Furori, I, 3, S. 94 f.) verweist auf den­ jenigen einer doppelten Venus, Pandemia und Urania, jeweils unter Rückgriff auf Platon und die Platoniker. Es ist zu beachten, daß man traditionell auf das Paar Eros-Anteros im Zusammenhang mit den beiden verschiedenen Aphroditen Bezug nahm. Die Kirchenväter  – Origenes, Gregor von Nyssa u. a.  – sprechen unter Berufung auf Paulus von einer himmlischen oder geistigen Liebe im Gegensatz zur weltlichen oder fleischlichen Liebe, in Verbindung mit der Schöpfung eines inneren/himmlischen und eines äußeren/fleischlichen Menschen. Was die Texte der Hl. Schrift zur Bestätigung dieser unterschiedlichen Schöpfung betrifft, beriefen sich Origenes u. a. jeweils auf Gen 1,27 (der als Ebenbild Gottes erschaffene Mensch) und Gen 2,7 (der aus Staub geformte Mensch). Im Hinblick auf den Begriff des eroico furore, der grundsätzlich amoroso ist – und ›amourös‹ ist die höchste der von Platon aufgezeigten vier Arten der göttlichen Manie (die anderen sind prophetisch, mystisch und poetisch), stellt jedoch auch eine Synthese aller dar, wie Marsilio Ficino hervorhebt –, beruft sich B. auf die Darlegungen zur poetischen Leidenschaft in den Dialogen Das Gastmahl, Phaidros und Ion; der Rückgriff auf Platon erfolgt auch anhand verschiedener ›Platoniker‹, es handele sich um Plotin, Cusanus oder Ficino. B. stützt sich in den Furori insbesondere auf einige Kommentare des letzteren (den Commentarium in Convivium Platonis, de amore und den Commentarium in Phedrum) sowie auf die Theologia Platonica, bezeichnenderweise hinsichtlich der Thematik der Angleichung an Gott oder ›Verwandlung in einen Gott‹. B. sind auch weitere Schriften Ficinos bekannt, z. B. der Brief De divino furore und De raptu Pauli. In seinen Übersetzungen der platonischen Dialoge gebraucht Ficino den lateinischen Terminus furor, um das griechische μανία wiederzugeben. Es sei daran erinnert, daß bei Cicero hingegen furor eine Übersetzung von μελαγχολία ist: Tusculanae disputationes, III 5. Mit Bezug auf den Begriff der Manie trat der Terminus furor außerdem mit dem Begriff göttlicher Eingebung (ἐνθουσιασμός) in Verbindung (im De imaginum compositione führt B. im Campus Stygis zusammen »Furor / Melancholia / Frenesis / Mania / Delirium« an, während er den »Enthusiastes« dem Atrium Mercurii zuweist: OMNE II, S. 612, 626. Hinsichtlich der poetischen Manie/Eingebung wird B. wahrscheinlich den 1553

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erschienenen Text Discorso della diversità de i furori poetici Francesco Patrizis sowie weitere Schriften zu diesem Thema gekannt haben (man denke an den 1581 erschienenen Dialogo del furore poetico von Girolamo Frachetta). B. berücksichtigt die zeitgenössische Debatte über Leidenschaft, Enthusiasmus, Inspiration auch unter Berufung auf die aristotelische Poetik und im Zusammenhang mit den Begriffen der Imitation/Erfindung (was die Kritik der Idee einer von den Musen inspirierten Leidenschaft betrifft, sei hier lediglich die 1570 erschienene Poetica d’Aristotele vulgarizzata et sposta Ludovico Castelvetros erwähnt). Bei Patrizi ist zu beobachten, daß er einige ficinianische Thematiken in antiaristotelischer Perspektive aufgreift, die anders als bei B. das irrationale Element der Leidenschaft zur Geltung bringt, welcher hingegen von »impeto razionale« (einem »vom Verstand gelenkten Antrieb«) spricht (Furori, I, 3, S. 92 f.). Hier muß betont werden, daß der Protagonist des Werkes nicht als eroico furioso, sondern als furioso eroico bezeichnet wird; ›furioso‹ erscheint im Text fast immer als Substantiv. In den Furori bezeichnet der Begriff im allgemeinen den Menschen als zusammengesetztes Wesen  – »furioso composto«, wie B. sagt –, was auf einen inneren Konflikt und eine Unruhe des Bewußtseins hinweist. Die Begriffe innerer Konflikt und Unruhe des Bewußtseins oder existentielle Unruhe sind von Eric Robertson Dodds bzw. Paul Oskar Kristeller in bezug auf die platonische und ficinianische Auffassung vom Menschen verwandt worden; vgl. Dodds: Die Griechen und das Irrationale (1970); Kristeller: Die Philosophie des Marsilio Ficino (1972). Für B. stellt der heroische Leidenschaftliche keinen Menschen jenseits der Menschlichkeit dar, d. h. jenseits der Ethik, und es ist klar, daß für den Philosophen aus Nola die Idee der Glückseligkeit seiner selbst (eines bestimmten Menschen) nicht von der Idee des Guts der Humanität geschieden ist. Für B. handelt es sich also nicht um einen Helden, der aus irgendeinem Grund den Verstand verliert, sondern um einen Menschen, der sich zur heroischen Sphäre erhebt. Das Bild eines Helden, der von der Leidenschaft übermannt wird – Zorn, Leidenschaft, Wahnsinn – weist auf die Gestalten Achilles und Herkules hin; man denke an den Herakles von Euripides und vor allem an die Tragödie Hercules furens von Seneca. B. möchte den Unterschied zur Gestalt des rasenden Helden der epischen Tradition auch in bezug auf die Dichtung Ludovico Ariostos hervorheben: Roland, »che per amor venne in furore e matto« (»Wie er […] / Durch Liebe ward vom Wahnsinn übermannt«: Orlando furioso, I, 2; Der rasende Roland (1908), Bd. I, S. 1). Bei Seneca und Ariosto wird der Begriff furor/furore in einem negativen Sinne verwendet, der eine Degradierung der Würde des Helden bezeichnet, welcher, insofern er eine Zwischennatur zwischen Mensch und Gottheit besitzt, schon an sich ein dämonisch-leidenschaftliches Wesen ist. Die von Roland verkörperte Idee der



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Heldenhaftigkeit  – als Verteidiger des Christentums und tapferster aller christlichen Ritter – sowie die Idee eines Liebeswahnsinns (Verstandesverlust über eine Frau) sind von der brunianischen Konzeption eines furioso eroico offensichtlich weit entfernt. Im übrigen erkennt sich B., wie die Forschung festgestellt hat, eher im Heiden Rodomonte wieder, »d’ogni legge nimico e d’ogni fede« (»Gesetz und Religion für ihn nur Spott ist«: Orlando furioso, XXVIII, 99; Der rasende Roland (1908), Bd. II, S. 150). In den italienischen philosophischen Dialogen nimmt B. mehrfach auf das ariostsche Epos Bezug; es ist bekannt, daß er es in seiner Jugend gelesen hat, und es scheint, daß er es auswendig kannte. Der Orlando furioso wird in den Furori nur einmal ausdrücklich erwähnt, doch ist das Werk, wie auch die Epen Orlando innamorato von Matteo Maria Boiardo und La Gerusalemme liberata von Torquato Tasso, bei B. allgegenwärtig; wenngleich B. sich nicht ausdrücklich auf letztere Werke beruft, sind in den Furori diverse Anspielungen auf sie zu finden, und man kann sagen, daß beide zum literarischen Gedächtnis des brunianischen Textes gehören. Im Hinblick auf die Debatte über die epische Dichtung und einen Vergleich zwischen Ariosto und Tasso, die sich seit den 80er Jahren des 16. Jahrhunderts entwickelt hat, steht zu vermuten, daß die Sympathien des Nolaners ersterem galten, auch wenn eine präzise Stellungnahme B.s nicht vorliegt. B. zeigt sich der horazischen Idee einer Dichtung, die sowohl erzieherisch als auch vergnügsam sein sollte (wie sie sich Tasso zu eigen macht), keineswegs abgeneigt, doch sind ihm die gegenreformatorischen, ethisch-religiösen Ideale und Bedenken Tassos sowie dessen Beachtung normativer aristotelischer Vorschriften fremd. Man denke an die Betrachtungen über Nachahmung, Wahrscheinlichkeit und andere Themen in den Discorsi Tassos über die Dichtkunst und das Heldenepos – die 1587 erschienen, aber auf eine frühere Zeit zurückgehen – sowie an die Apologia in difesa della Gerusalemme liberata, die 1585, im selben Jahr wie die Furori, erschien. Die Diskussion über das Epos Tassos war in jenen Jahren auch in England sehr lebendig. Es sei hier daran erinnert, daß Scipione Gentili, der Bruder Alberigos, den B. in London kennengelernt hatte und 1586 in Wittenberg wiedertraf, 1584 in der Londoner Druckerei von John Wolfe die lateinische Übersetzung der ersten beiden Gesänge der Gerusalemme liberata sowie im selben Jahr eine Teilübersetzung des vierten Gesangs veröffentlicht hatte: Solymeidos libri duo priores de Torquati Tassi Italicis expressi; Plutonis Concilium ex initio quarti libri Solymeidos (Scipione Gentili hat dann 1586 in London auch seine Annotationi sopra la Gierusalemme liberata herausgegeben). In den Furori, vor allem im Schlußdialog des Werkes, lassen sich m. E. einige Anspielungen an die Arbeit Gentilis erkennen. Es scheint jedenfalls kein Zufall zu sein, daß in den sechs italienischen Dialogen La Gerusalemme liberata, ein stark ideologisch geprägtes

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Werk, nie zitiert wird, während im Spaccio de la bestia trionfante (BW V, S. 268–272) zwei Verse eines Hirtendramas wie der Aminta angeführt werden, wobei zu bedenken ist, daß La Gerusalemme liberata und Aminta beide im selben Jahr, 1581, veröffentlicht wurden. Im Hinblick auf einen Vergleich der Epen Ariostos und Tassos bezüglich der ›Liebeskrankheit‹ ist festzuhalten, daß der Verstandesverlust bei Roland sowohl in Zusammenhang mit der Manie als Krankheit, auf die im Phaidros Bezug genommen wird – d. h. der »geistigen Entfremdung […] durch menschliches Gebrechen« (»alienatione di mente […] da infermità humana«: Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 187) – als auch mit der unteren Stufe der melancholischen Pathologie zu stehen scheint, die in den Aristoteles zugeschriebenen Problemata behandelt wird (vgl. Abt. XXX, 1). Der Wahn Tancredis hingegen scheint sich – ebenfalls in bezug auf den aristotelischen Text – auf eine gleichfalls pathologische Form der melancholia zu beziehen, die für den Helden jedoch nicht so herabwürdigend ist. Hinsichtlich der Melancholie in der Renaissancekultur hat sich Italo Calvino in den Sechs Vorschlägen für das nächste Jahrtausend auf eine »leichtgewordene Traurigkeit« bezogen; im Falle Tancredis könnte man vielleicht von einer weniger »kompakten und opaken« Melancholie (Calvino) sprechen. Vgl. zu dieser Frage auch das, was in dieser Anm. zur medizinischen Tradition des amor hereos angeführt wurde. Die bei B. betonte Unterscheidung zwischen Wahn als irrationalem Impetus, der zu »tierischem Irrwitz« (ferino insensato) tendiert, und Wahn als rationalem Impetus verweist auf den Unterschied zwischen der Torheit der Menge – »der verrückten, sinnlichen, blinden und phantastischen Welt«  – und jener göttlichen Leidenschaft als hellem Wahn, von dem der Philosoph beseelt ist, der »nach herkömmlicher Meinung […] töricht und verrückt« ist (Furori, I, 3, S. 90 f.; I, 4, S. 122 f.; II, 4, S. 362 f.). Bezüglich dieser Unterscheidung hat B. Platon und, unter den modernen Autoren, vor allem Erasmus von Rotterdam im Sinn, der im Lob der Torheit den Wahnsinn als wesentliches Element des Menschen ansieht. Erasmus besteht jedoch auf der Unterscheidung zwischen dem Wahnsinn der Weisen und Wissenden sowie der scholastischen Theologen (unterschiedliche Formen von Tollkühnheit der Vernunft) und einer stultitia, die hingegen die höchste aller Tugenden darstelle und auf die, wie er anmerkt, im Alten und Neuen Testament große Lobreden gesungen werden. Diese stultitia – insbesondere die Torheit des Kreuzes –, die mit dem Thema der Weltverachtung in Verbindung steht, sei etwas ganz anderes als die haarsträubende Unwissenheit der Mönche; vgl. Moriae encomium, 63 ff. B. greift einige erasmianische Überlegungen auf: so z. B. den zweideutigen Charakter der menschlichen Natur, die zugleich unsicher und verwegen auftritt (hier auch mit Bezug auf die berühmte Oratio de hominis dignitate Giovanni Picos), aber auch die



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starke menschliche Abhängigkeit von den Sinnen und die Tendenz, sich der Illusion hinzugeben. Die Perspektive B.s ist jedoch gänzlich anders als die des Erasmus, insofern es sich für den Nolaner – der die Idee einer christlichen stultitia, wie sie von Paulus theorisiert und von Erasmus eindringlich weiterentwickelt wird, überhaupt nicht in Betracht zieht –, darum handelt, einen neuen und, so könnte man sagen, dionysischen, nicht apollinischen Begriff der Weisheit als Suche zu bestimmen, der die Dimension der »contrarietà« und der ›Leidenschaft‹, als Überwindung eines vernünftigen Gleichgewichts, welches eigentlich eine Knechtschaft der Vergangenheit gegenüber darstellt, nicht ausschließt. Was die deutsche Übersetzung des Titels De gli eroici furori mit Von den heroischen Leidenschaften betrifft (die sich neben anderen Titelvorschlägen als die beste Wahl erweist), gibt der Begriff ›Leidenschaft‹ die Impliktionen von ›furor‹ nicht gänzlich wieder, ein Terminus, der wie gesagt auf den von Platon im Phaedrus angewandten griechischen Begriff μανία verweist (furor bezeichnet etwas anderes als das aus πάθος abgeleitete passio). In der Übersetzung mit ›Leidenschaft‹ (was bedeutet, daß man Subjekt, ja Objekt einer Macht ist, die sich dem rationalen Willen entzieht) wird der Verweis auf die Eingebung oder den Eingriff des Göttlichen schwächer, wenn er sich nicht sogar ganz verliert. B. versteht unter dem Begriff der ›Inspiration‹ etwas anderes als Platon und die platonische Tradition, der zufolge es sich um eine göttliche Gabe, z. B. der Wahrsagung oder der Dichtkunst, handelt. In seinem Begriff der Inspiration antizipiert B. Aspekte des modernen Geniebegriffs im Sinne eines persönlichen schöpferischen Talents. Auch unter Berufung auf einige Überlegungen Ficinos hebt B. die Bedeutung einer persönlichen originellen Suche hervor, die auf einer natürlichen Gabe beruht, die sich stufenweise entwickelt. In diesem fortschreitenden Verlauf der Erkenntnis und der moralischen Verfeinerung gelingt es dem Menschen, das zu erfassen, was eigentlich eine natürliche Evidenz sein sollte, allerdings auf der Ebene einer intuitiven Vernunft. Diese Evidenz ist auf sinnlicher Ebene verschleiert, eine Ebene, die den größten Teil der Menschheit betrifft. Die Sinne lassen das Menschengeschlecht nach Art der Trägheit fortschreiten. 3  Al … signor Filippo Sidneo: Philip Sidney (1554–1586), Dichter und herausragende Persönlichkeit am Hofe Elisabeths I. von England, Autor der Sonettsammlung Astrophel and Stella sowie des Schäferromans Arcadia und des Werks The Defence of Poesie, Werke, die sämtlich posthum erschienen. Sidney – der mit großem Lob in La cena de le Ceneri erwähnt wird und dem B. schon 1584 das Werk Spaccio de la bestia trionfante gewidmet hatte (vgl. U I, S. 479 u. BW V, S. 4 f.) – war ein Neffe Robert Dudleys, Graf von Leicester, des Anführers der puritanischen Partei und Günstlings der Königin. Es sei erwähnt, daß Sidney sich unter den Persönlichkeiten des Hofes befand, die

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den polnischen Grafen Olbracht Łaski anläßlich seines Besuches der Universität Oxford vom 10. bis zum 13. Juni 1583 empfingen (Sidney befand sich im Gefolge des Grafen von Leicester, der das Amt des Kanzlers dieser Universität bekleidete); zu dieser Zeit hielt sich B. in Oxford auf, wo er sich einem öffentlichen Streitgespräch mit dem Theologen John Underhill unterzog, »die Leuchte der Akademie«, die im Oxforder Disput B. zufolge »in die Enge getrieben wurde« (Cena: F, S. 183; U I, S. 534). Sidney hatte sich von Ende 1583 bis zum darauffolgenden Jahr in Italien aufgehalten und kannte die italienische Sprache gut. In der Darlegung der Furori (S. 39) richtet B. das Wort an den Dedikatär und schreibt unter Verweis auf die ›Gespräche‹ des Werks: »Euch seien sie also dargeboten, damit der Italiener mit jemandem rede, der ihn versteht; damit die Verse der Kritik und dem Schutz eines Dichters unterstehen; damit die Philosophie sich nackt einem reinen Geist zeige, so rein, wie es der Eure ist; damit die heroische Thematik an einen heroischen und großmütigen Charakter gerichtet sei, mit dem Ihr Euch begabt zeigt«. Bereits in der Epistola esplicatoria des Spaccio hatte B. eine »wahrhaft heroische natürliche Neigung« Sidneys hervorgehoben (BW V, S. 5). 4  Parigi … l’Anno 1585: Druckort und Buchdrucker sind fiktiv. De gli eroici furori erschien 1585 in London in der Druckerei von John Charlewood; der Druck des Werks muß zwischen Spätfrühling und Sommer erfolgt sein. Es handelt sich um den sechsten und letzten der philosophischen Dialoge in italienischer Sprache, die B. in London bei demselben Drucker 1584 (La cena de le Ceneri; De la causa, principio et uno; De l’infinito, universo et mondi; Spaccio de la bestia trionfante) und 1585 (Cabala del cavallo pegaseo) veröffentlichte. B. war im April 1583 in London eingetroffen, wo er sich bis zum Herbst 1585 aufhielt; er verließ England im Oktober im Gefolge des französischen Botschafters Michel de Castelnau mit dem Reiseziel Paris, also des fiktiven Druckorts, der auf dem Titelblatt der Eroici furori erscheint.

Argomento del Nolano / Darlegung des Nolaners 1  Argomento … Eroici furori: Als Titel des einführenden Abschnitts des

Werkes  – in dem die üblichen Motive des Lobes und der Erkenntlichkeit gegenüber dem Dedikatär auftauchen – gebraucht B. ›Argomento‹; dies im Gegensatz zu den anderen fünf in London erschienenen philosophischen Dialogen, deren einleitende Teile wie folgt betitelt sind: Proemiale epistola (Cena, Causa, Infinito), Epistola esplicatoria (Spaccio), Epistola dedicatoria (Cabala). Siehe jedoch auch Candelaio: Argumento et ordine della comedia (BW I, S. 10) sowie die innere Gliederung der einleitenden Briefe von Cena, Causa und Infi-



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nito: »Argomento del primo dialogo […] Argomento del secondo dialogo […]«. In den Furori handelt es sich meines Erachtens um eine bewußte Wahl des Begriffs unter Berücksichtigung sowohl der bekannten ›Argumente‹ Ficinos, die Synthese und Kommentar seiner wohlbekannten Übersetzungen darstellen, als auch der Dichtungstradition, d. h. der Protasis; hier ist daran zu erinnern, daß B. sein Werk als »Dichtung« (poema) bezeichnet (Darlegung, S. 13). Im einleitenden Abschnitt sucht der Philosoph den Gegenstand des Werkes angesichts dessen zu klären, daß ein Gespräch über die Liebe mißverstanden werden kann; um so mehr aufgrund der Präsenz von Dichtungen, die sich in der Form an die petrarkistische Lyrik anschließen, wie auch der häufigen Bibelverweise. In der Darlegung beabsichtigt B., zu präzisieren, auf welche Weise im Text über die göttliche Liebe gesprochen wird. Der Begriff ›Argomento‹ verweist daher sowohl auf das grundlegende Thema des Werks als auch auf die Synthese der zehn Dialoge, aus denen letzteres besteht. »Argomento – so liest man im Vocabolario degli accademici della Crusca – ist eine Rede, die über einen zweifelhaften Umstand Zeugnis ablegt« (»Argomento è orazione, che fa fede della cosa dubbiosa«: Vocabolario (1987)). 2  Scritto al … Sidneo: Vgl. Anm. 3 zum Titelblatt. 3  È cosa … sozza sporcaria?: Die Darlegung beginnt mit einer Invektive gegen die zeitgenössischen Petrarkisten, einer Anklage, die  – wie noch zu sehen sein wird – insbesondere den Dichter des Canzoniere selbst ins Blickfeld nimmt. B. zeigt sich im allgemeinen sehr kritisch gegenüber der Dichtungstradition und den Werten der höfischen Liebe, des dolce stil novo und des Petrarkismus, deren Eitelkeit und Scheinheiligkeit er, wie schon zuvor in der Komödie Candelaio, hervorhebt. Wenn man hier auf Dante Bezug nehmen will, an den B. in den Furori durchaus denkt, kann man behaupten, daß die Perspektive des Convivio B. näher steht als die der Vita Nova und der Göttlichen Komödie. Auch unter Berücksichtigung der Komplexität des Textes Dantes scheint mir, daß man schematisch auch sagen kann, B. stehe dem Ideal der donna gentile näher als dem der Beatrice. Wie bereits angemerkt, betrifft B.s Urteil »den Gegenstand der petrarkistischen Lyrik, nicht aber ihre Form, die, wenn sie allegorisch gebraucht wird, besser als jede andere dazu dienen kann, die besessene Suche nach dem Göttlichen seitens des ›furioso‹ zu offenbaren« (Aquilecchia: Appunti su Giordano Bruno e le donne (1999), S. 47). Davon abgesehen ist die petrarkistische Lyrik ein fester Orientierungspunkt für die Renaissancedichtung: Beim Aretiner neigten Sinnlichkeit und Melancholie zu einer vergeistigten und symbolischen Welt, zu einem Universum des Gedächtnisses, wobei sie jedoch in beständiger Suche verblieben, ohne daß die Sehnsucht einen endgültigen Ankerplatz finden konnte. Es ist festzustellen, daß das obsessive Element als Aspekt der Suche nach dem Göttlichen in

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den Furori auch in kritischer Perspektive auftaucht; in einem früheren Beitrag (Canone: Magia dei contrari (2005), S. 31 f.) habe ich von einer Deklination der patristischen Lehre von der ἐπέκτασις seitens B.s gesprochen. Eine Perspektive, die mit B.s Betrachtung der Trüglichkeit eines ›Begreifens‹ des Unendlichen und einer Erhebung zu Gott als absoluter Mitte, dank einer contractio mentis oder eines raptus, die man als von der Gottheit selbst inspiriert verstanden wissen will, Hand in Hand geht. Dies wäre eine metaphysische und trügerische Anmaßung der Vernunft. Wenn es für den Philosophen aus Nola schon unmöglich ist, die höchste Gottheit in statu viae zu verstehen, so scheint ihm die Idee einer Gottesschau nach dem Tode, in patria, bei der ein bewußtes Subjekt ein in höchstem Maße bewußtes Subjekt erschaut, völlig abwegig zu sein. Was B.s Bezugnahme auf die poetische Sprache Petrarcas betrifft, ist zu beachten, daß auch die Sonette und Reflexionen B.s immer einen natürlichen, keinen übernatürlichen Gegenstand haben. Der Nolaner hält es jedoch für unsinnig, die Gestalt eines Körpers, die vergängliche Schönheit eines compositum zu einem wie auch immer gearteten, poetischen oder doch literarischen Andenkens würdigen Ansehen erheben zu wollen. Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß »die ausschließlich literarische Parodie der Formeln des Petrarkismus auf jeden Fall der ethischen Verurteilung eines Schriftstils entspricht, die Bruno als bar jeglichen moralischen Ernstes erscheint, als vager Erguß dessen, der höheren Fühlens und wahreren Schreibens unfähig ist« (Bàrberi Squarotti: Parodia e pensiero: Giordano Bruno (1997), S. 157). Dem ist hinzuzufügen, daß B.s Kritik mit seiner Ablehnung des aristotelischen Begriffs des konkreten Einzeldings (σύνολον), zusammengesetzt aus Materie und Form, als Substanz in Verbindung steht: Kein compositum – und jeder Mensch ist ein solches – kann im eigentlichen Sinne ein ›Wesen‹ oder eine ›Substanz‹ genannt werden (vgl. Causa: BW III, S. 114 f.; OMNE I, S. 92–95). Der Mensch erwirbt seine dignitas nicht auf dem Gebiet des Scheinens, sondern dem des Handelns. Die Schönheit, die in einem Körper zum Ausdruck kommt, ist etwas Vergängliches; gänzlich der Zeit unterworfen, ist sie ein Geschenk der Natur, das keine besondere Tugend seitens des Individuums mit sich bringt. Wie B. in den Furori zu verstehen gibt und später in De vinculis in genere genauer erläutert, kann das, was einige für schön halten, anderen als weniger angenehm erscheinen. Das Schönheitskriterium kann sich von Ort zu Ort und von Zeit zu Zeit ändern; die Idee des Schönen ist eine Abstraktion hinsichtlich der Schönheit, die bei voneinander immer verschiedenen Individuen in Erscheinung tritt. Es heißt folglich, hinter das Vergängliche zurückzugehen, um das Ewige zu erkennen: den Urheber, der Autor dieser und unendlich vieler anderer Wirkungen ist; man muß sich irgendwie mit der Tätigkeit der formenden Seele in Bezug setzen (»die Weltseele […], die das



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Prinzip des Lebens, des Vegetativen und der Sinnlichkeit in allen lebenden, wachsenden und wahrnehmenden Dingen ist«: Causa: BW III, S. 11), um deren Werk in der Welt des Menschen fortzusetzen. Die Natur selbst, nicht als Wirklichkeit in ihrer Erscheinung, sondern als mit einer inneren Schöpfungskraft oder erzeugenden Einheit begabt (ars, anima, mens), wird bei B. zum Gegenstand nicht nur der philosophischen Reflexion, sondern auch der Dichtung. B.s Auffassung einer göttlichen Natur nimmt auf die Vorsokratiker unter diversen exegetischen Kontaminationen Bezug, die auf die unterschiedlichsten Quellen, darunter neupythagoreische und hermetische, aber auch peripatetische und neuplatonische, verweisen. Hinsichtlich der Konzeption einer mit ars und anima begabten Natur haben Giovanni Gentile und andere Forscher den Unterschied zwischen dem Naturbegriff B.s und der Renaissance und demjenigen der Vorsokratiker hervorgehoben (vgl. Gentile: Il carattere del Rinascimento ([1920] 31955), S. 43–45). Ein wichtiges Element, bei dem B.s Abstand vom Platonismus zum Ausdruck kommt, ist, daß das Eine und das Gute nicht transzendent, sondern naturimmanent sind und daß für B. das Wesen (ente) und das Eine (uno) ein und dasselbe sind; ja »die Natur ist dieselbe universelle Substanz der Dinge und dasselbe, was ist« (Minimo: OL I/3, S. 146; Acrotismus: OL I/1, S. 109). B. versteht daher das platonisch-christliche bonum diffusivum als Äußerung eines immanenten Gutes, in der Natur ebenso wie auf einer anderen Ebene hinsichtlich des Menschen (d. h. indirekt). Ob Frau oder Mann, der Mensch ist weder aufgrund seines Aussehens noch seines Status zu beurteilen, sondern aufgrund von Tugend und Intelligenz, welche aus Zweckmäßigkeit oder Notwendigkeit vor der Menge verborgen sein können, doch jedenfalls einen angemessenen Ausdruck im Leben der Person finden müssen. Jedes Individuum hinterläßt eine Spur. Während der Zeugungsakt alle Arten des Tierreichs betrifft, wird den mit Genie begabten Menschen etwas mehr abverlangt, in dem Bewußtsein, daß die Situation nicht nur umschlagen kann, sondern mit Sicherheit umschlagen wird: Es ist nur eine Frage der Zeit; Aufgabe jedes Einzelnen ist es, sich auf den Wandel auch unter dessen Vorwegnahme vorzubereiten. Nicht zufällig greift B. im Spaccio sowie in anderen Schriften das platonische und erasmianische Motiv der Silenen des Alkibiades auf, wobei er es als Verhaltensstrategie aktualisiert (Das Gastmahl, 215a–b; Erasmus: Sileni Alcibiadis: Adagia, 2201 (III, 3, 1) u. Moriae encomium, 29). Mit dem platonischen Thema der Silenen steht das ebenfalls von B. jeweils mit Verweis auf Sokrates aufgegriffene Motiv des inneren Dämons in Zusammenhang, d. h. der Kontrolle der Triebe und Leidenschaften, des Fähigseins, die eigene Natur anzupassen, sich anzupassen. Man muß auch die hier angeführten Punkte berücksichtigen, wenn man die einführenden Seiten der Furori untersucht, die häufig nicht verstanden oder mitunter

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mißverstanden, eventuell sogar mit der Bemerkung liquidiert werden, es handele sich um frauenfeindliche Abschnitte; dies ohne eingehende Erörterung der Verknüpfung der in der Darlegung behandelten Themen mit dem Text der Dialoge, in denen das weibliche Element eine wesentliche Rolle spielt. Davon abgesehen, sollte es nicht übermäßig verwundern, daß B., der trotz seiner Existenz als Philosoph immerhin ein Mann des 16. Jahrhunderts ist, Vorurteile gegen die Frauen hegt; gleichfalls ist es überflüssig, daran zu erinnern, daß er zehn Jahre in einem Kloster verbrachte. Ohne auf die heutige Lage einzugehen, reicht es schon, einen Blick auf die Philosophiegeschichte auch der neueren Zeit zu werfen. Es ist nicht nötig, bei den extremen Positionen eines Schopenhauer zu verweilen; man braucht in der Tat – um ein berühmtes Beispiel zu nennen – nur die raffinierten, aber im wesentlichen heuchlerischen Seiten Kants über das ›schöne‹ (weibliche) und das ›erhabene‹ (männliche) Geschlecht in den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen von 1764 zu lesen. In diesem Fall hat der Hinweis darauf, daß es sich um eine ›vorkritische‹ Schrift handele, keine Gültigkeit; in der Tat kann man in diesem Zusammenhang z. B. auf den Abschnitt über das »schöne Geschlecht« und die »Mündigkeit« in der Beantwortung der Frage: was ist Aufklärung? von 1784 verweisen. Wenn daher in der Darlegung der Furori wie auch in anderen Schriften B.s frauenfeindliche Elemente auftauchen, sollte das wohl keinen Anstoß erregen; man kann dort auch Motive finden, die auf den Corbaccio Giovanni Boccaccios zurückgehen (vgl. für einige Verweise auf Corbaccio in bezug auf De la causa die Anmerkungen Aquilecchias in U I, S. 700, 703, 707). Jedenfalls muß die Komplexität der Reflexionen des Nolaners über die Frauen und im allgemeinen über das weibliche Prinzip in der Natur sowohl im Hinblick auf die Materie als auch auf die Weltseele berücksichtigt werden. Die weiblichen Gottheiten spielen in den Schriften B.s eine entscheidende und unter gewissen Aspekten wichtigere Rolle als die männlichen; man darf nicht vergessen, daß selbst der »weltliche« Verstand, »der alles macht«, bei B. als ›Vermögen‹ der Weltseele aufgefaßt wird. Andererseits nimmt er in seinen Werken die Misogynie der Humanisten aufs Korn, wobei er deren Zusammenhang mit den Stellungnahmen einiger Philosophen der Antike, insbesondere des Aristoteles, aufzeigt (vgl. Causa: BW III, S. 182–190; diese Seiten – vor allem S. 188–190 – sind auch wegen der Lobrede auf Marie de Bochetel, Gattin des Botschafters Michel de Castelnau, und auf deren Tochter Catherine-Marie relevant; vgl. Aquilecchia: Dieci postille ai dialoghi »De la causa« (1993), S. 141 f.). Eine Frauenfeindlichkeit, die, wie zu betonen ist, auch die neueren Platoniker betraf (vgl. für Platon die Passage im Timaios, 76e, auf die sich Erasmus: Moriae encomium, 17 bezieht). Es genügt, in diesem Zusammenhang auf einen Passus Angelo Polizianos in bezug auf Ficino zu verweisen:



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»Herr Marsilius sagt, daß man die Frauen als Pissoirs gebrauchen will, die, nachdem der Mann reingepinkelt hat, verborgen und wieder weggestellt werden« (Poliziano: Detti piacevoli (1983), S. 72). Bei aller trivialen Frauenfeindlichkeit will der eben angeführte Text unterstreichen, daß der Sexualtrieb einem körperlichen und animalischen, der Sphäre höherer Liebe völlig entrückten Bedürfnis entspricht. Abgesehen von einer gewissen Ambiguität bezüglich der sogenannten platonischen Liebe ist die Lehre vom Eros, wie Ernst Cassirer bemerkt hat, mit Sicherheit »der eigentliche Angelpunkt von Ficins Psychologie« (Cassirer: Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance ([1927] 2002), S. 151). Bedeutende Lobreden B.s auf weibliche Figuren findet man in den Werken Cena, De la causa sowie Furori, ganz zu schweigen von der Widmung an die mysteröse »Signora Morgana B.« im Candelaio: eine Beatrice, wie der Nolaner sie sich vorstellen konnte. Man kann m. E. sagen, daß B. im Urteil über die Welt der Frauen im Gegensatz zu der der Männer einen größeren Unterschied zwischen der Vortrefflichkeit weniger und der Beschränktheit oder Unwürdigkeit der Menge heraushebt; vgl. jedoch dazu, was in De la causa Gervasio dem Polihimnio antwortet, der die sprichwörtliche rara avis Juvenals zitiert (Satiren, VI, 165): »Dies ›selten‹, das Ihr in bezug auf die Frauen anführt, läßt sich durchaus auch von den Männern sagen« (Causa: BW III, S. 191; vgl. ebd., S. 79 f.; dort nimmt Filoteo eine Verteidung des »edlen weiblichen Geschlechts« vor). B. ist mithin von frauenfeindlichen Positionen wie auch von dem theologischen Ideal weiblicher Vollkommenheit weit entfernt, wie sie z. B. im Corbaccio auftauchen, in dem Boccaccio den »Schweinestall der modernen Weiber« der »Himmelskönigin« gegenüberstellt und behauptet, daß »die anderen wenigen, die mit aller Kraft versucht haben, dieser verehrungswürdigsten und wahren Frau ähnlich zu sein […], seltener als Phönixe« seien (Boccaccio: Elegia di madonna Fiammetta. Corbaccio (1988), S. 244 f.). Auch wenn B. eine Verbindung zwischen Keuschheit und Weisheit betont – wie z. B. in seiner Lobrede auf Elisabeth I. –, bezieht er sich dabei aber auf Gottheiten wie Diana oder Minerva, also auf Keuschheits- und Weisheitskonzeptionen, die mit der christlichen Theologie wenig gemein haben. 4  un uomo … risoluto: Für einen Vergleich mit einer Schrift, die B. aller Wahrscheinlichkeit nach kannte, sei auf Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 53 verwiesen: Die Liebe »entfremdet den Menschen von sich selbst […], Freund der Einsamkeit, Melancholiker voller Leidenschaften, von Leiden umgeben, von Betrübnissen gequält, von Sehnsucht gemartert, von Hoffnung genährt, von Verzweiflung angespornt, von Überlegungen beklommen, durch Grausamkeit geängstigt, von Verdächtigungen geplagt, von den Pfeilen der Eifersucht getroffen, voller Sorgen ohne Ruhe, ermüdet ohne Erholung,

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beständig von Schmerzen begleitet, voller Seufzer« (»il vero amore […] fa l’uomo alieno da se medesimo […], amico di solitudine, malinconoso, pieno di passioni, circundato di pene, tormentato da l’afflizione, martorizzato dal desiderio, nutrito di speranza, stimulato da disperazione, ansiato da pensamenti, angosciato da crudeltà, afflitto da suspizioni, saettato da gelosia, tribulato senza requie, fadigato senza riposo, sempre accompagnato da dolori, pieno di sospiri«). Vgl. Candelaio: »Vedrete in un amante suspir, lacrime, sbadacchiamenti, tremori, sogni, rizzamenti, e ›un cuor rostito nel fuoco d’amore‹; pensamenti, astrazzioni, colere, maninconie, invidie, querele, e men sperar quel che più si desia« (»In einem Liebhaber werdet Ihr Seufzer, Tränen, Gähnerei, Zittern, Träume, Steifheiten und ›ein Herz geröstet im Feuer der Liebe‹ finden; Gedanken, Abwesenheiten, Galligkeiten, Melancholien, Neidigkeiten, Streitereien, und am wenigsten das erhoffen, was man am meisten ersehnt«: BW I, S. 30 f.). Vgl. auch Ficino: El libro dell’amore, S. 181, wo man in bezug auf Sokrates und unter Verweis auf das »Bild der Begierde« unter anderem liest: »Seht ihn ›mager, ausgezehrt, heruntergekommen‹: Sokrates war so aufgrund seiner melancholischen Natur, mager durch das Fasten und aus Nachlässigkeit schlampig«. Siehe zu diesem Teil der Darlegung das vierte Buch von Mario Equicolas De natura d’amore, ein Werk, das 1525 zum ersten Mal erschien (Equicola beruft sich auf Alexander Aphrodisias, Ovid, Properz und Apuleius): »Da das Herz nicht erkalten kann, muß es viel kalter Luft ausgesetzt werden. […] Wenn also der Liebende an die ersehnte Sache denkt, füllt sich das Herz aus Begierde, diese zu genießen, mit Qual. Da er das ersehnte Ziel nicht erlangen kann, ist das Blut in Bewegung«. Die Liebenden sind daher bald »bleich, zittrig und kalt […]. Bald von neuem […] rosig und fröhlich. Das Gemüt des Liebenden kennt nie eine ruhige Stunde. Das hartnäckige Denken und die beständige Vorstellung der geliebten Frau beraubt ihn nicht nur der Freiheit, sondern auch der natürlichen Kraft« (»’l cor, non potendo refrigerarsi, è necessario piglie gran copia di aere fredo. […] Quando adunque lo amante è in meditazione et pensieri della cosa desiderata, il core si empie di molestia, per il desiderio di fruirla. Non potendo agiongere al disiato fine, il sangue è in qualche commozione«; »[l’inamorati] trovamo pallidi, tremanti et fredi […]. Poi, di novo […] rubicundi et lieti. L’animo dell’amante mai non ha ora tranquilla. L’obstinato pensiero, et continuo imaginar l’amata donna, non solamente lo priva de libertà ma del natural valore et forza«: M. Equicola: De natura d’amore (1989), S. 95 f.). In der Darlegung bezieht sich B. auf die Liebeskrankheit und ihre wenig empfehlenswerten Wirkungen wie Verblödung, Verrohung und Irrsinn (vgl. Anm. 2 zum Titelblatt u. die nachfolgende Anm. 5). Doch ist, wie gesagt, sein wesentliches Ziel nicht wie für Platon, Ficino und andere Autoren der etwas tierische, gänzlich zum Spielball der Sinne gewor-



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dene Mensch, sondern der gefühlvolle Dichter, ein Mensch, der sich für intellektuell hält, nicht ein einfacher Ignorant; folglich der Sänger, der, einem Priester gleich, mehr oder weniger verhüllt die Frau als Gegenstand verherrlicht, die für B. keineswegs einen ›Wert‹ darstellt. Er sucht daher die seiner Ansicht nach noch mehr zu mißbilligende literarische Zelebrierung der Liebeskrankheit, ihm zufolge eine schwerere Form der Entfremdung, zu stigmatisieren, wobei er insbesondere, aber nicht ausschließlich, auf Petrarca und seine Anhänger Bezug nimmt. Man vgl. gleich darauf im Text (S. 5): »auf den Begriff zu bringen, aufzuschreiben und in öffentliche Denkmäler einzumeißeln«. Vgl. in bezug auf den Passus der Darlegung, S. 5, Erasmus: Moriae encomium, 37, wo jedoch nicht vom Dichter, sondern vom ›Weisen‹ die Rede ist. 5  maninconioso: ältere Form von malinconioso, von malinconico/melanconico aus lat. melancholicus, als Lehnwort aus dem Griechischen übernommen. Der Begriff verweist so wie der ganze Abschnitt auf die Liebeskrankheit – und damit auf die melancholia – im Sinne eines pathologischen Zustands, dessen Kennzeichen (Anfälligkeiten und Wirkungen) im Altertum und im Mittelalter kodifiziert worden sind. Es handelt sich um ein in der Renaissancekultur häufig wiederkehrendes Thema, in der der Zusammenhang zwischen melancholischer oder saturniner Stimmung und Wahnsinn hervorgehoben wird. Vgl. auch Darlegung, S. 15: »den Geist jenes toskanischen Dichters, der […] diese Melancholie fleißig nähren wollte, […] indem er die Gefühle einer beharrlichen, gewöhnlichen, tierischen und bestialischen Liebe entwickelte«, mit Bezug auf Petrarca. Was die Liebeskrankheit und insbesondere die Verbindung mit der melancholischen Gemütsverfassung betrifft, berief man sich traditionell auf den schon erwähnten Abschnitt XXX, 1 der Aristoteles zugeschriebenen Problemata, in dem man u. a. lesen kann, daß eine solche Stimmung »in einer Mischung aus Hitze und Kälte« bestehe (954a). Vgl. zum »bald kalt, bald heiß werden« der Darlegung, S. 5, dem subjektiven und objektiven Symptom der Liebeskrankheit, den in der voraufgehenden Anm. angeführten Abschnitt aus Equicolas De natura d’amore (Equicola zitiert diesbezüglich die Alexander Aphrodisias zugeschriebenen Problemata). Für das Verhältnis von Melancholie und ›amore volgare‹ hat B. die Überlegungen Ficinos im Sinne (vgl. El libro dell’amore, S. 136 f., 187 f., 210). In den brunianischen Schriften werden vor allem die negativen Aspekte der melancholischen Stimmung unterstrichen; in Verbindung mit dem Enthusiasmus der Dichter und derer, die sich der Kontemplation verschworen haben (vgl. z. B. Causa: BW III, S. 162–164), bezeichnet sie im allgemeinen einen Zustand der Verwirrung des Gemüts sowie des Geistes und infolgedessen eine Schwächung des Selbst­ bewußseins. Vgl. zur Idee einer ›geregelten‹ Melancholie im Verhältnis zur cognitio/contemplatio: Lampas: OM, S. 1226 f. Zum Thema der Melancholie

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auch in bezug auf den Begriff des furor sei auf den bekannten Band von Klibansky, Panofsky, Saxl: Saturn und Melancholie (1992) verwiesen. 6  in mina: mit einem Gesichtsausdruck. 7  un che spende il meglior intervallo di tempo: Der Passus steht mit dem Ausdruck »Augenblick der Erleuchtung« (lucido intervallo) in Verbindung, der in Cena und Spaccio vorkommt (F, S. 91; U I, S. 453; BSP, S. 19; BW V, S. 26; vgl. Furori, I, 2, S. 72 f.); er bezieht sich auf die seit dem Chronicon des Hl. Hieronymus tradierte Anekdote über Lukrez, welcher, durch einen Liebesfilter wahnsinnig geworden – Hieronymus spricht von furor –, das Werk De rerum natura in den lichten Augenblicken des Wahnsinns geschrieben habe (»per intervalla insaniae«: Hieronymi Chronicon (1913), S. 149,20). Vgl. auch Ariosto: Orlando furioso, XXIV, 3: »Io vi rispondo che comprendo assai, / or che di mente ho lucido intervallo« (»Mitreden darf ich wohl, kann drauf ich sagen; / In lichten Augenblicken seh’ ich klar«: Der rasende Roland (1908), Bd. II, S. 1). Es sei betont, daß im Text B.s un che spende nicht als Anspielung auf den vermeintlichen Liebeswahn Lukrez’ zu betrachten ist. Im vierten Buch von De rerum natura zeigt der Dichter die schwerwiegenden Konsequenzen der Entfremdung durch Liebe auf, und es ist nicht auszuschließen, daß gerade diese berühmten Verse die Quelle der malitiösen Anekdote des Hieronymus sind, derzufolge Lukrez sich am Ende aufgrund eines Liebesdeliriums das Leben genommen habe. Marsilio Ficino verbindet Wahnsinn und Selbstmord des Lukrez mit dessen melancholischem Seelenzustand (El libro dell’amore, S. 136). Der Passus un che spende und der in der Darlegung folgende Text (auf S. 5) beziehen sich auf De rerum natura, IV, 1121–1130, mit dem Unterschied, daß Lukrez über die Liebhaber und B. über die Dichter spricht, welche die »liederliche Geschlechtsliebe« feiern (Darlegung, S. 17). Mit dem Ausdruck un che spende beabsichtigt B., auf die Petrarkisten und Petrarca selbst Bezug zu nehmen. Der Nolaner äußert Unduldsamkeit und starken Tadel besonders gegenüber den Themen dieses Dichtungstyps, doch will dies nicht heißen, daß er die dichterischen Gaben Petrarcas in Zweifel zöge. (Hierzu sollte man die Überlegungen Aquilecchias heranziehen, dem zufolge B. den Gegenstand, nicht aber die Form der petrarkistischen Lyrik brandmarkt: vgl. oben, Anm. 3 zum Titelblatt). Wenn man dann an ein Sonett wie La gola e ’l sonno e l’oziose piume (Schlaf, träge Pfühl und schwelgerisch Gewöhnen: Canzoniere (2002), 7, S. 15) denkt – ein Sonett, das nicht weit von gewissen brunianischen Themen entfernt ist und u. a. von Francesco Patrizi in einer Lettura kommentiert wurde, die 1553 zusammen mit dem bereits erwähnten Discorso della diversità de i furori poetici erschien –, kann man behaupten, daß B. dem Aretiner neben einer Trübung auch eine Irreführung der Vernunft zur Last legt. Vgl. zur äußerst kritischen Haltung B.s Darlegung, S. 15–17; ihm zufolge stehe der



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»melancholische Enthusiasmus« Petrarcas weniger mit der von den Musen inspirierten und von Platon gepriesenen göttlichen Manie als vielmehr mit der negativen Manie in Verbindung, die der griechische Philosoph als »von menschlichen Krankheiten herrührend« ansieht (Phaidros, 265a). 8  Che tragicomedia? Che atto, dico, degno più di compassione e riso: Der Begriff ›Tragikomödie‹ verweist auf einen herabwürdigenden Zustand des Menschen. In anderen Schriften bezieht sich B. dagegen auf das tragikomische Element als Kennzeichen der eigenen Weltanschauung, der zufolge es keinen »Genuß ohne sein Gegenteil« gibt (Furori, I, 2, S. 73); vgl. z. B. den Ausdruck »so tragisch und komisch« (sì tragico, sì comico) im Einleitungsschreiben von Cena (F, S. 69; U I, S. 432; vgl. Causa: BW III, S. 44). Im Passus aus der Darlegung wird unter Berücksichtigung des vorhergehenden Textes ausdrücklich auf Schriften als »öffentliche Denkmäler« dichterischer Natur verwiesen; implizit wird jedoch auf andere Schriften Bezug genommen, jene (religiös-theologischen) »Büchlein und schafsinnigen Traktate«, wie B. sie in der Cabala del cavallo pegaseo aufs Korn nimmt (Cabala: BW VI, S. 95), wobei er insbesondere auf die Mönche des neapolitanischen Klosters San Domenico Maggiore als deren Leser anspielt. Die Darlegung weist präzise sprachliche Anzeichen auf, die eine solche Interpretation untermauern. Cabala (BW VI, S. 95: »Und es ist des Mitleids und Lachens würdig […] wie Ortensio melancholisch wird […] und der hochverehrte Don Cocchiarone […] die Stirn grüblerisch in Falten gezogen«; Darlegung (S. 5): »ein grüblerischer, […] melancholischer Mann«, der »mehr Mitleid und Gelächter verdiente«. 9  teatro del mondo … scena delle nostre coscienze: vgl. »mundi scena« in der Oratio valed., OL I/1, S. 5. Bei dem Topos vom menschlichen Leben als Theater handelt es sich um ein traditionelles Thema, das schon bei Platon und Plotin präsent ist und wiederholt in der literarischen und philosophischen Kultur der Renaissance bis zu Descartes und darüber hinaus auftaucht. Bei Erasmus  – und bei B.  – nimmt die Metapher des Theaters das platonische Thema der Silenen des Alkibiades (Das Gastmahl, 215a–b) sowie das paolinische Motiv des äußeren/inneren Menschen wieder auf; vgl. Moriae encomium, 29. Zusammen mit dem Motiv der Maske und der Darstellung (auf der weltlichen Bühne der vorübergehenden Individuen, zu denen der folgende Ausdruck suppositi in Beziehung steht) im Verhältnis zu den unzähligen und vergänglichen ›Gestalten‹ der Weltseele hebt B. unter Berufung auf Erasmus die innere Sphäre in einer gnoseologisch-ethischen Perspektive hervor, wobei er auf die verschiedenen Seelenvermögen und ihren gegenseitigen Konflikt hinweist. Der Ausdruck ›Bewußtsein‹ im Passus der Darlegung schließt eine deutliche moralische Konnotation ein, wie sie auch traditionell dem Begriff beigemessen wurde. Im fünften Dialog des ersten Teils der Furori verwendet

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B. auch den Ausdruck Synderesis, der gerade das moralische Bewußtsein bezeichnet. S. Furori, I, 5, S. 200 f.; vgl. Spaccio, BSP, S. 19 u. Anm. 53, S. 323 für die Verweise auf Sigillus sigillorum u. auf Lampas triginta statuarum, ein Werk, in dem B. Bewußtsein und Synderesis als zwei unterschiedliche Grade der cognitio bezeichnet. Im Spaccio werden die Seelenvermögen auch in Verhältnis zu den verschiedenen Gottheiten gesetzt: BSP, S. 20 u. 324, Anm. 55. Ernst Cassirer zufolge sei B.s Spaccio »die allseitige Entwicklung jener ethischallegorischen Formelsprache, die die Verhältnisse der inneren Welt durch Gestalten des sichtbaren, des räumlichen Kosmos zu verdeutlichen sucht«. Cassirer merkt jedoch an, daß B.s Ethik »es nicht sowohl mit der Form des Universums als mit der des Menschen zu tun hat« (Cassirer: Individuum und Kosmos ([1927] 2002), S. 86 f.). Betreffs der Ethik handelt es sich bei B. in der Tat um einen Parallelismus von Mikrokosmos und Makrokosmos, der auch die Kulturgeschichte der Menschheit berücksichtigt, von daher um einen Makrokosmos, der die der griechisch-lateinischen und christlichen Tradition eigene Auffassung der Weltordnung nicht ausschließt (Bilder, Symbole, Traditionen, Werte). Hinsichtlich dieser Einschränkung neigt B. dazu, die eigene kulturelle Sicht unter Berücksichtigung verschiedener Traditionen so weit wie möglich zu erweitern. Eine neue, ganz auf die Konzeption einer unendlichen Welt gegründete Ethik sowie ein von falschen Werten und Glaubensinhalten befreites Bewußtsein bleibt für B. selbst, trotz der Kritik in Spaccio und Cabala, eine Perspektive, ein ›Appell‹, wie man im Einleitungsschreiben zu De l’infinito sehen kann. In den Furori stellt B. den Konstrast zwischen der Beschränkung des Einzelnen (auf psychologisch-erkenntnistheoretischer und moralischer Ebene) als ›zusammengesetztes‹, aber auch als ›kulturelles‹ Wesen und der Veranlagung, diese Grenzen zu überschreiten, heraus. 10  numerosi suppositi: Mit supposito wird das Subjekt oder das individuelle Substrat bezeichnet. In der aristotelisch-scholastischen Tradition bezeichnet der Begriff das Seiende in seiner Individualität und insbesondere das menschliche Wesen in seinem substantiellen Dasein als Einheit/Allheit. Der Begriff ist folglich mit dem Begriff der Person verbunden (suppositum rationale). B. versteht ihn im Sinne eines individuellen Substrats, insofern es jedoch mit Substantialität als Teilhabe begabt ist; also im Sinne von Person als ›Figur‹, als Maske (vgl. hierzu den »tragico supposito« im Candelaio: BW I, S. 302). 11  fatti penserosi … in una statua, o imagine depinta al muro?: So wie sie in der Komödie Candelaio in Szene gesetzt wird, unterstreicht B. hier die Unsinnigkeit derer, die nachdenklich werden und sich als einer Sache treu erweisen, die keinen tatsächlichen Wert hat, sondern Frucht des Selbstbetrugs ist: Im Candelaio ist dies ohne Zweifel die Scheinliebe des Bonifacio für eine



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professionelle Beischläferin wie Vittoria, doch ist auch der pulvis Christi gänzlich illusorisch, nach dem der Möchte-gern-Alchimist Bartolomeo begierig sucht, und nicht zuletzt jenes falsche und lächerliche, von dem Pedanten Mamfurio verehrte Modell der Antike. Im angeführten Passus der Darlegung ist vom Kult des weiblichen Körpers die Rede, doch ist es klar – wie man schon dem Candelaio und anderen Schriften B.s entnehmen kann –, daß er zugleich auf den religiösen Kult und den Gegenstand einer solchen Devotion anspielt: »eine Statue oder ein Wandbild«; man denke auch an die weiteren von ihm benutzten Begriffe: fideli, coltori, adoratori e servi (Treue/Gläubige, Verehrer, Bewunderer und Sklaven). Es muß überdies die Sorgfalt betont werden, mit der B. den Konstrast auf sprachlicher Ebene hervorhebt: costanti/riva d’ogni costanza; fideli/cosa senza fede usw. (beständig/ohne jede Beständigkeit; Treue (Gläubige)/Gegenstand ohne Verlaß (Glauben)); ein charakteristischer Zug der Prosa des Autors, der besonders in den Einleitungsbriefen in Erscheinung tritt. Für B. stellt die ›Figur‹ als äußere Form einen trompe-l’œil dar, wenngleich sie auf ein lebendiges Wesen verweist; das bedeutet, daß der Körper ohne Seele ein Nichts ist, so wie jedes endliche Ding (an sich nur ein Fragment) erst als Teil des Unendlichen Bedeutung annimmt. B. beabsichtigt auch, einen Bezug zum Begriff des Phantasmas der poetischen Tradition herzustellen, einer ephemären Entität, die gerade dank der ständigen und quälenden Gedanken des Liebenden zur Wirklichkeit und fesselnden Kraft wird; die Lebenskraft und geistige Kraft des Liebenden wird zur eigentlichen Nahrung des Phantasmas. Im angeführten Passus tauchen frauenfeindliche Gemeinplätze auf; der Ausdruck »cosa senza fede« und der darauffolgende Text verweisen nicht nur auf die Figur, sondern auch auf das weibliche Sexual­organ. 12  vascello di Pandora: Wesentliche Quelle für den Mythos der Büchse der Pandora (vascello von vascellum/vasculum: kleines Gefäß) ist Hesiod: Opera et Dies, 54–104. Bei Hesiod wird Pandora als Frau von außergewöhnlicher Schönheit, doch auch von »trügerischem Charakter« dargestellt. Pandora wäre von Hephaistos aus Erde und Wasser nach dem Willen des Zeus geformt worden (es handele sich um ein »Bild«, ein Simulacrum), der den Betrug des Prometheus, d. h. den Diebstahl des Feuers, das dieser den Menschen zum Geschenk machte, mit einem weiteren Betrug strafen wollte: ein dem Anschein nach prächtiges Geschenk – die Frau –, das sich jedoch in Wahrheit als Quelle aller Kümmernisse offenbaren würde; der Mythos spielt auf etwas Süßbitteres an, das der Idee der körperlichen Liebe entspricht. Im Moriae encomium (17) des Erasmus, der nicht auf den Pandora-Mythos eingeht, steht zu lesen, daß der Wahnsinn selbst Jupiter geraten habe, dem Mann eine Frau an die Seite zu stellen. Der Verweis auf Pandoras Büchse in der Darlegung ist konventionell, wenn auch mit einer klaren obszönen Konnotation behaftet. Im Schlußdialog

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der Furori scheint es, als ob B. implizit auf weniger konventionelle Weise auf den Pandora-Mythos Bezug nimmt, wobei er einen bedeutsamen Aspekt hervorhebt. Bei Hesiod trägt Pandora eine (geschlossene) Büchse mit sich, die, einmal geöffnet, die Übel der Welt, d. h. Schmerz und Tod, ausstreue, doch spricht der Text Hesiods auch von der Hoffnung (Elpis), die laut dem Willen des Zeus als einziges Geschenk an die Menschen in der Büchse verschlossen geblieben wäre. Es ist wahrscheinlich, daß B. im Schlußdialog der Furori auf diesen Aspekt des Mythos anspielen wollte, indem er von zwei Büchsen, einer voll Dunkelheit und einer voll Licht, spricht. Vgl. zur Büchse der Pandora Lampas triginta statuarum: De statua Promethei XV, De officina Vulcani III und De statua Vulcani XXI, OM, S. 1092, 1100, 1118. Vgl. zu einigen neueren Untersuchungen zum Pandora-Mythos D. und E. Panofsky: Die Büchse der Pandora: Bedeutungswandel eines mythischen Symbols (1992). 13  fracasso d’insegne, d’imprese, de motti: B. beruft sich auf die Traktatliteratur der (heroischen oder amourösen) Impresen, die, in Verbindung mit den Traktaten über Embleme – beide beruhen auf dem gleichen symbolischen Prinzip –, eine Unterabteilung der Traktatliteratur mit eigenständigen Merkmalen darstellt, z. B. den Gebrauch der italienischen, nicht nur der lateinischen Sprache. Benedetto Croce hat die Unterscheidung zwischen den »Kavaliers- und Kriegerimpresen, die ›heroisch‹ genannt wurden und erhabene und edle Gefühle, Gemütskraft und Liebestugend zum Ausdruck brachten«, und »den anderen, die genauer gesagt als ›Embleme‹ bezeichnet wurden und eher einen didaskalisch-parenetischen Gehalt hatten«, auf den Punkt gebracht (Croce, Scrittori del pieno e del tardo Rinascimento, XV: Imprese e trattati delle imprese (1942), S. 245). In den Eroici furori kommen insgesamt 28 Impresen vor: Wenn man sie aufgrund der Präzisierungen Croces würdigen wollte, müßte man sagen, daß in ihnen das heroische Element eine erhabene ethische Bedeutung gewinnt; dies im Sinne einer Verknüpfung von Ethik, Erkenntnistheorie und physikalisch-metaphysischer Konzeption, wie sie für die Furori typisch ist. Es wäre legitim, zu fragen, warum B. im Text 28 Impresen vorstellt, auch wenn er in der Darlegung kritisch über die Impresenliteratur urteilt. Es ist offensichtlich, daß seine Kritik sich auf die Inhalte, nicht auf die Sprache dieser Literaturgattung bezieht, analog zur Auseinandersetzung B.s mit der petrarkistischen Lyrik, die gerade den Gegenstand, nicht die Form betrifft. Im Eingangssonett des ersten Dialogs der Furori beschwört B. die Hilfe der Musen, die er bei anderer Gelegenheit zurückgewiesen habe (Furori, I, 1, S. 42 f.). Die Anrufung betrifft die Poesie, den affectus im allgemeinen, das Gefühl im modernen Sinne des Wortes. Einfacher gesagt, ›benutzt‹ B. Sprache und Bilder der Emblem- und Impresenliteratur der Renaissance. Hierzu ist zu sagen, daß die Embleme außer dem moralischen Charakter auch theologisch-



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religiöse Implikationen aufzeigten, ein Aspekt, der dann in der Traktatliteratur des 17. Jahrhunderts weiterentwickelt wurde. Grundlegender Text der Renaissance-Emblematik, welche die Tradition der Hieroglyphica des Horapollon auf den Punkt brachte – das Werk wurde 1515 von Bernardino Trebazio ins Lateinische übersetzt u. im 16. Jh. mehrfach nachgedruckt –, sind die weit verbreiteten Emblemata Andrea Alciatos, die zuerst 1531 veröffentlicht wurden. Eine italienische Übersetzung des Werks, eine von Giovanni Marquale herausgegebene Bearbeitung, erschien zwanzig Jahre später: Diverse imprese accommodate a diverse moralità, con versi che i loro significati dichiarano insieme con molte altre nella lingua italiana non più tradotte. Tratte dagli Emblemi dell’Alciato, Lyon 1551 (der Text erschien bereits 1549 in Lyon). S. Alciato: Il libro degli emblemi, secondo le edizioni del 1531 e del 1534 (2009). In den Impresen wurde einer beschriebenen und gezeichneten ›Figur‹ – einem heraldischen oder anderen Wappenschild – normalerweise ein lateinisches Motto beigesellt (sie wurden jeweils als Körper und Seele bezeichnet), wozu im allgemeinen eine dichterische Komposition und ein erklärender Kommentar hinzugefügt wurden. Für die Verse griff man meistens auf Petrarca zurück, dessen Canzoniere ein bemerkenswertes Reservoir poetischer Bilder bereitstellte; daher erweist sich die Verbindung von Petrarkismus und Wappentradition als besonders eng (vgl. die Überlegungen über Petrarca und die Emblematik bei Praz: Studi sul concettismo (1946), S. 4 f.). Mit fracasso d’insegne, d’imprese, de motti bezieht sich B. vor allem auf die Liebesimpresen, doch kann ein eventueller Bezug auf theologisch-religöse Implikationen der Emblematik nicht ausgeschlossen werden. Die Traktatliteratur der Impresen hatte während des 16. Jahrhunderts seit dem ersten Erscheinen des bereits erwähnten Werks Dialogo dell’imprese militari et amorose (1555) von Paolo Giovio großen Erfolg. Giovio hatte den Text vier Jahre zuvor verfaßt, im selben Jahr 1551, in dem das Büchlein Devises heroïques von Claude Paradin erschien, eine Sammlung von Xylographien, die mit kurzem Kommentar versehen waren und sich ebenfalls großer Beliebtheit erfreuten. Die von Samuel Daniel angefertigte englische Übersetzung des Dialogo Giovios erschien 1585 in London, im selben Jahr wie die Eroici furori; es sei darauf hingewiesen, daß im einleitenden Brief, der der Übersetzung vorangestellt und ›N.W.‹ unterzeichnet ist (aller Wahrscheinlichkeit nach Nicholas Whithalk), B. erwähnt wird. Es ist auch auf Girolamo Ruscellis Werk Le imprese illustri (1566, 1572) zu verweisen, das unter den Quellen der zweiten Ausgabe (1611) des italienischenglischen Dictionarie John Florios verzeichnet ist; dieses Quellenverzeichnis kann Giovanni Gentile zufolge als Katalog der »Bibliothek Brunos« angesehen werden (La Critica XIX (1921), S. 368). Im fünften Dialog des ersten Teils der Eroici furori sowie in den ersten beiden Dialogen des zweiten Teils werden,

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wie gesagt, 28 Impresen vorgestellt. Giovio führt fünf »allgemeine Bedingungen, die zur Anfertigung einer vollkommenen Imprese gebraucht werden«, an: 1. die richtige Proportion zwischen Seele (Motto) und Körper (Figur); 2. die Imprese darf weder zu dunkel noch zu klar sein; 3. sie sollte sich darüber hinaus dem Auge angenehm präsentieren, mit Sternen, Bäumen, phantastischen Tieren usw.; 4. aus der Darstellung ist die menschliche Gestalt zu verbannen; 5. das Motto muß in einer anderen Sprache verfaßt sein als der Sprache dessen, der das Wappen anfertigt, »damit das Gefühl etwas verhüllter ist« (Giovio: Dialogo dell’imprese militari e amorose (1978), S. 37–39). Was solche Bedingungen oder Normen betrifft, ist zu Recht festgestellt worden, daß B. im Hinblick auf seine Wappen »den Regel-Pedantismus der zeitgenössischen Traktatliteratur« kaum teilt (Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), in: U II, S. 835). So weisen die Impresen in den Furori z. B. ein lateinisches Motto auf, doch zeigen einige auch die menschliche Gestalt. 14  con strida ch’assordiscon gli astri … suspiri da far exinanire e compatir gli dèi: Es handelt sich um durchaus wirkungvolle, doch paradoxe Bilder, wenn sie auf eine konzeptuelle Ebene übertragen werden. Wenngleich B. im Hinblick auf das Verhältnis zwischen unserer Welt, den unendlichen Gestirnen und den Göttern eine den Epikureern verwandte Position bezieht, bereitet es ihm kein Problem (ja, es scheint ihn sogar zu belustigen), Metaphern und rhetorisch-literarische Motive zu verwenden, die einen krassen Gegensatz zur eigenen Naturphilosophie darstellen. Ein solch unbefangener Gebrauch betrifft ebenfalls bezeichnende Motive astrologischer Natur, vor allem – um sich auf die italienischen Dialoge zu beschränken – in den Werken Spaccio, Cabala und Furori, also nicht von ungefähr in den sogenannten ›moralischen‹ Dialogen. Vgl. zum durchaus paradoxen Bild des Wirkens (des Einflusses) von Fixsternen, Dekanen und Planeten auf das Gehirn und das Bewußtsein B.s selbst Candelaio: BW I, S. 7. 15  quegli occhi … un sogno: Um die Extreme einer Idealisierung und Herabwürdigung des weiblichen Körpers  – die paradoxerweise einen Vereinigungspunkt finden – hervorzuheben, verwendet B. Begriffe, die auf die Verse Petrarcas verweisen (vgl. Canzoniere, 30, 71, 72, 74, 86, 90, 100, 127, 157, 185, 199) sowie, als Kontrast dazu, respektlose Ausdrücke, die auf die Sonette Francesco Bernis anspielen; im Passus quel puzzo … un sogno beruft B. sich auf zwei verschiedene Sonette des letzteren; s. Rime (1985), Sonett III (Delle puttane), Vers 15: »Un morbo, un puzzo, un cesso« (»eine Krankheit, ein Gestank, ein Abtritt«) und Sonett LXI (In descrizion dell’arcivescovo di Firenze), Vers 3: »un’ombra, un sogno, una febbre quartana« (»ein Schatten, ein Traum, ein Viertagefieber«). Vgl. Cena: F, S. 70; U I, S. 434. B. nimmt in diesem Passus sowie kurz darauf in der Darlegung und in anderen Schriften



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auf die paradoxen Lobeshymnen Bezug, ein Motiv, das in der Kultur des 16. Jahrhunderts, angefangen mit dem Moriae encomium des Erasmus, häufig auftritt (vgl. dazu Figorilli: Meglio ignorante che dotto. L’elogio paradossale in prosa nel Cinquecento (2008); in dem Bd. werden nur die paradoxen Lobeshymnen untersucht, die im 16. Jh. in Prosa u. auf Italienisch erschienen). Vgl. zum Lob des Quartanfiebers Moriae encomium, Zueignung und § 3 (Erasmus greift auf Aulus Gellius: Noctes Atticae, XVII,12 zurück); zu B.s negativem Urteil über die Dichtung Bernis Darlegung, S. 15–17. »Der parodistische Stil Brunos – so merkt Bàrberi Squarotti an – darf nicht mit dem Spiel der thematischen Anarchie in der Tradition Bernis verwechselt werden, welches ebenfalls im wesentlichen frivol und würdelos ist, nicht minder als die gebildeten und gehobenen Formen der petrarkistischen Tradition der Liebesdichtung, ja, sogar genau in demselben Maße, auch wenn die Nachfolger Bernis unmittelbar und ohne Verstellung ihren spielerischen Willen mitteilen, während Petrarca und die Petrarkisten verlangen, ernst genommen zu werden und so tun, als ob das Lob der geliebten Frau, die Qualen der Liebe, die Metaphern der inneren Flammen und Fröste Themen seien, die es verdienten, der Schrift anvertraut zu werden, wo sie ihrer doch hingegen völlig unwürdig sind« (Bàrberi Squarotti: Parodia e pensiero (1997), S. 156). In dem Passus »quegli occhi, […] quella pianella« verurteilt B. ebenso einen fetischistischen Kult sentimental-erotischen Charakters wie den Kult der Reliquien, dem »Auswurf toter und unbelebter Dinge« (Spaccio: BW V, S. 335). 16  vedova fenestra: Dieser Ausdruck wie auch die im Text folgenden Ausdrücke beziehen sich auf das weibliche Geschlechtsorgan; es sei ohne Licht, fast wie ein blindes Fenster. Abgesehen von dem frauenfeindlichen Charakter des gesamten Abschnitts spielt das – umgekehrte und ins Unanständige gezogene – Bild aller Wahrscheinlichkeit nach wieder auf die Verse Petrarcas an: auf das Fenster des Hauses, in dem Laura lebt (»Quella fenestra ove l’un sol si vede«; »Das Fenster, wo wir eine Sonn erspähen«: Canzoniere (1989), 100, 1, S. 283) und auf die Metapher der Augen, durch die der Tod in den Körper der geliebten Frau eingedrungen sei (»O belle et alte et lucide fenestre«; »O schöne Fenster, hohe, glanzeslichte«: Canzoniere (2002), 335, 12, S. 489). 17  con una superficie, un’ombra, un fantasma, un sogno: Auf der vorhergehenden Seite vergleicht B. die Schönheit des weiblichen Körpers mit einer »Statue oder einem Wandbild«. Für B. ist das compositum (das natürliche Einzelding, insbesondere das Individuum des Menschengeschlechts) lediglich eine Wirkung des Lebensprinzips, d. h. der Weltseele, des Lebensprinzips der Natur: Das Leben ist der Ursprung, aber auch das ›Ziel‹, ein Ziel ohne Ende. Die Natur erneuert sich unaufhörlich und kann gegenüber dem Einzelnen als zusammengesetztem Wesen als unerbittlich erscheinen. Es kann im Bereich

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der composita jedenfalls kein absolutes Modell geben, es sei denn, es verweise auf die Idee der Indifferenz und Ununterschiedenheit; insofern kann es nicht als Modell von Harmonie und Proportion betrachtet werden. Die Schönheit kann im Bereich der zusammengesetzten Dinge nur eine relative und ›andeutende‹ sein. Hinsichtlich der Phantasmen und Sinnbilder der Liebe sowie der verbreiteten Auffassung über phantasmata und spiritus, d. h. im Zusammenhang mit der Einbildungskraft – einer Auffassung, die in unterschiedlicher Form auf die aristotelische und neuplatonische Tradition zurückging –, beruft B. sich auch auf Lukrez, bei dem man liest: »tum quibus aetatis freta primitus insinuatur / semen, ubi ipsa dies membris matura creavit, / conveniunt simulacra foris et corpore quoque / nuntia praeclari vultus pulchrique coloris, […] nam si abest quod ames, praesto simulacra tamen sunt / illius et nomen dulce abservatur ad auris. / sed fugitare decet simulacra et pabula amoris / absterrere sibi atque alio convertere mentem« (De rerum natura, IV, 1030–1033 u. 1061–1064, aber s. auch die Verse 1094–1104). Was diese Themen mit Verweis auf Lukrez und andere Autoren betrifft, die sich auf die epikureische Tradition beriefen, besteht eine tiefere Vebindung zwischen Eroici furori und De vinculis, einem der letzten Werke B.s. Vgl. zur Konzeption des spiritus phantasticus und damit in Verbindung stehenden Themen Klein: La forme et intelligible. Écrits sur la Renaissance et l’art moderne (1970), vor allem die ersten drei Beiträge des Bandes; Agamben: Stanze (1977), Kap. III–IV; Giovannozzi: »Spiritus mundus quidam«. Il concetto di spirito nell’opera di Giordano Bruno (2006), S. 99–136. 18  circeo incantesimo … bellezza: Im Hinblick auf den Zauber des sinnlichen Begehrens, das die Natur zur Arterhaltung in die Tat umsetzt, bezieht sich B. auf die mächtige Zauberin Kirke, deren Zauberwerk bald als gut, bald als böse betrachtet wird, also unabhängig von moralischen Überlegungen, jenseits von gut und böse. Die Verzauberung ist circeisch, da sie die tierische Natur des Menschen auch als dessen ›Veranlagung‹ offenbart. Bei Kirke mit ihrer Zweideutigkeit handelt es sich um eine Schlüsselfigur der Furori. Wie weiter unten zu sehen sein wird – in dem Abschnitt der Darlegung, der den fünften Dialog des zweiten Teils behandelt, sowie in dem Dialog selbst  –, interpretiert B. Kirke als Allegorie der »alles hervorbringenden Materie«, Tochter der Sonne, aber auch »Erzeugerin und Kind von Finsternis und Schrecken«. Wenngleich es sich nicht um eine höhere Gottheit handelt, bekleidet Kirke eine Rolle ersten Ranges unter den heidnischen Gottheiten, die in der literarischen und philosophischen Kultur der Renaissance ›überleben‹. Obligatorischer Bezugspunkt ist die Odyssee (X, 133–574) mit den diversen allegorischen und ›moralischen‹ Interpretationen des Mythos, vom Dialog Gryllus (Bruta ratione uti) Plutarchs – man denke auch an De Homero des



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Pseudo-Plutarch – bis hin zu La Circe (11549) von Giovan Battista Gelli. Als Schutzgöttin der Metamorphose nimmt Kirke in der Renaissance unterschiedliche, mit den Göttinnen Diana und Isis verknüpfte Masken an. Es ist unklar, ob B.s Anspielung auf Kirke als Allegorie der Religion ausschließlich bei ihm zu finden ist. (Es ist das Verdienst Gentiles – DI, Anm. 4, S. 1168 f. –, auf diesen Aspekt im Schlußdialog der Furori hingewiesen zu haben; vgl. auch den Hinweis auf die »venefica Circe« in De immenso, OL I/2, S. 291). Wie ich überdies bereits gezeigt habe, hat B. in diesem Abschnitt der Darlegung die lukrezianische Erörterung der Entfremdung durch Liebe vor Augen, wie sie im vierten Buch von De rerum natura dargestellt wird; im fünften Dialog des ersten Teils der Furori sowie im ersten Dialog des zweiten Teils zitiert B. bedeutende Verse aus diesem Werk: Furori, I, 5, S. 216 f.; II, 1, S. 240 f. Natürlich bezieht sich B. in den Furori nicht nur wegen dessen Kritik der Liebesleidenschaft auf Lukrez, sondern auch wegen der Anschauung vom katastematischen Vergnügen. 19  madrigna natura: Es handelt sich um das einzige Vorkommen dieses Syntagmas in den italienischen Dialogen. Auch im Cantus Circaeus (Paris 1582) spricht B. unter Berufung auf Plinius: Naturalis historia, VII, 1 (OMNE I, S. 602) von einer mater natura als »noverca«. Erasmus: Moriae encomium, 22 merkt ebenfalls an, daß bei zahlreichen Dingen die Natur eher als Stiefmutter denn als Mutter erscheint; vgl. auch das Adagium Scarabeus aquilam quaerit – Erasmus: Adagia, 2601 (III, 7, 1) –, in dem er unterstreicht, daß die Natur nicht immer als Stiefmutter bezeichnet werden kann, wobei er auf die Form des Adlerschnabels Bezug nimmt, die dessen Gefräßigkeit im Zaum halte. B. zufolge kann die Natur nur dann gütig oder stiefmütterlich genannt werden, wenn man den Standpunkt des Einzelnen einnimmt, der bald zufrieden, bald unzufrieden ist. Die Natur wie auch die Gottheit – in diesem Punkt greift der Nolaner die befreienden Elemente des Epikureismus auf – ist den inständigen Bitten der Individuen gegenüber gleichgültig, und in diesem Sinne ist sie unerbittlich. Für B. gelten im allgemeinen folgende Annahmen: die Natur irrt niemals; in der Natur kann es keine Zufälle geben (s. Articuli adversus Peripateticos, CA, S. 12 f., Art. 13 u. 14; Camoeracensis acrotismus, OL I/1, S. 107 f.). Es sei darauf hingewiesen, daß unter den von B. wertgeschätzten Autoren der Antike sowohl Lukrez als auch Seneca – in den Naturales quaestiones (vgl. z. B. I, Praefatio, S. 14 f.; I, 16, 8; VI, 1, S. 8 ff.) – einer Konzeption der Duplizität der Natur huldigen, welch letztere dem Menschen gegenüber bald als freigiebige Mutter, bald als feindselig und ungroßmütig erscheint; gerade die Idee der Duplizität, d. h. des Fehlens eines exklusiven Wohlwollens gegenüber dem Menschengeschlecht, bringt die Unerbittlichkeit der Natur und ihre ›Gerechtigkeit‹ zum Ausdruck.

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20  la quale … amaramente dolga, dove suavemente proriva: Die Menschen

sind wie die Individuen anderer Arten auch in ihrem erotischen Begehren nach sexueller Vereinigung mehr oder weniger bewußte Werkzeuge der Natur. Nach der Erregung und dem Sexualakt folgt ein Zustand der wehmütig gestimmten Ermattung. Das Sinken des Begehrens ist für die Regenerierung desselben notwendig: Es ist eine Wirkung oder ein Reflex des »Schicksals der Veränderung«, oder besser, des »wechselhaften Wandels«. Diese Dynamik ist Ausdruck des jedem zusammengesetzten Ding eigenen Zustands, den Gegensätzen unterworfen zu sein (B. spricht vom »bittersüßen Joch« der Vorsehung: Darlegung, S. 7). S. De vinculis, OM, S. 436–439. Vgl. Aristoteles: Problemata, XXX, 1, 955a; Lukrez: De rerum natura, IV, 1084–1094, 1115–1117, 1131–1134. Das Gegensatzpaar süß/bitter ist ein Gemeinplatz der Liebeslyrik; vgl. Tasso: Aminta, I, 340–343: »e bevea da’ suoi lumi / un’estranea dolcezza / che lasciava nel fine / un non so che di amaro« (»und trank aus ihren Augen / eine fremde Süße / die am Ende / irgend etwas Bitteres zurückließ)«. 21  Ma che fo io? … la divina providenza?: S. Causa: BW III, S. 79: »Nochmals beschwöre ich Euch alle […] laßt ab von der trotzigen Wut und dem so verbrecherischen Haß gegen das edle weibliche Geschlecht, verscheucht nicht alles das, was die Welt an Schönem hat und was der Himmel mit seinen vielen Augen betrachtet. […] Wer ist empfindungsloser und stumpfsinniger als einer, der das Licht nicht sieht?« (vgl. ebd., S. 77–81). Vgl. zu »Hasse ich vielleicht die Sonne?« Petrarca: Canzoniere, 22, 2, doch ist zu dem Thema das ganze Sonett zu berücksichtigen. In seinen Schriften greift B. das Thema des Adels (dignitas) der Frauen auf, welches trotz seiner durchaus begründeten Anprangerung der Frauenfeindlichkeit eines gewissen Humanismus einen wichtigen Aspekt der humanistischen und der Renaissance-Kultur darstellt; hierfür konnte er sich auf bedeutende Texte der klassischen und, wenngleich unter einem anderen Gesichtspunkt, der christlichen Tradition stützen. Sicher, B. entwickelt das Thema auf seine Weise, wobei er sich darauf beruft, das ›Wahre‹ zu berücksichtigen, d. h. das, was ihm zufolge gut und böse bedeutet, in Rechnung zu stellen: »seht den Widerspruch« (Causa: BW III, S. 79). Auch für B. sind jedoch die exempla in bezug auf wirkliche Frauen, nicht auf entfernte Modelle (Gottheiten, Mythen, Heroinen), des weiteren auf lebende Frauen, nicht auf Frauen der Vergangenheit ein wichtiges Element. In der Darlegung legt B. Wert darauf, den Horizont seiner Invektive zu erläutern, die nur gegen jene gerichtet ist, die zu Sklaven der fleischlichen Liebe werden, seien es junge Menschen oder, noch gravierender, alte: »Spott und Hohn sind das Los jener, denen Amor erst im reifen Alter seine Abc-Fibel in die Hand drückt« (Furori, I, 1, S. 63). Nicht weniger streng fällt sein Urteil über diejenigen aus, die die körperliche Liebe idealisieren und verklären, wobei sie deren



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natürliche Dimension verfälschen. Die Kritik trifft folglich weder den Sexualtrieb noch seine Befriedigung; ein solches ›Vergnügen‹ erfüllt eine ganz bestimmte Funktion im vorhersehenden Plan der Natur. Hier ist der Verweis auf die Sonne von Bedeutung, die die erzeugende Kraft der Natur, aber auch eine Metapher der Gottheit darstellt. Das Thema der sinnlichen/intelligiblen Sonne hat eine lange Tradition im Bereich der Philosophie, die von Platon über den Kaiser Julianus bis zu Ficino reicht. Es kehrt auch in den Schriften B.s immer wieder, von De umbris idearum (Paris 1582) bis zu den lateinischen philosophischen Dichtungen De minimo, De monade, De immenso (Frankfurt 1591). B. greift das klassische Motiv der Anrufung der Sonne im Sinne einer Kraft und eines Geistes der Natur auf: Sie erleuchtet ständig und durchdringt als mens/spiritus alles; es sind daher die Einzelnen, die sich ihres Lichts des Lebens und des Geistes entziehen. Vgl. Causa: BW III, S. 37–39; Spaccio: BW V, S. 5. Vgl. in bezug auf Darlegung, S. 7: »der heiligen Einrichtung der Natur […] dem bittersüßen Joch […], das uns die göttliche Vorsehung auf den Nacken gelegt hat« vgl. Furori, II, 2, S. 307, wo von ›freiwilliger Gefangenschaft‹ und von dem »lieblichen Joch unter der Herrschaft besagter Diana« die Rede ist. Zur Idee des Süßbitteren im Verhältnis zum Eros s. Furori, II, 1, S. 282 ff.: »es gibt kein süßeres und lieblicheres Ding, es findet sich keine Speise, die herber und bitterer wäre, es läßt sich keine gewalttätigere Gottheit finden, es gibt keinen gnädigeren Gott […]« (ebd., S. 283 u. 285). Der Ausdruck verweist auch auf einen Liebesbegriff als freiwilligen Tod: »Platon nennt die Liebe bitter, und dies nicht ohne Grund, da jeder, der liebt, liebend stirbt […]. Es stirbt liebend jeder, der liebt, da sein Denken sich selbstvergessen auf die geliebte Person richtet« (Ficino: El libro dell’amore, S. 40). Ficino greift außer auf Platon – Philebos, 47d–e – auch auf Orpheus hinsichtlich der Liebe als »pomo dolce amaro« zurück; dieser Rückgriff fand dann (aufgrund von Ficinos Commentarium in Convivium Platonis) als eines der unechten oder zweifelhaften Fragmente Eingang in die Sammlung der Orphica von Eugen Abel (1885: fragm. 316) und Otto Kern (1922: fragm. 361). Es sei auch auf den Bezug auf die ›doppelgesichtige Natur‹ des Eros in den Orphei Hymni (1973), 58 verwiesen. Vgl. zu dem Thema Wind: Heidnische Mysterien in der Renaissance (1987), Kap. 10. Hinsichtlich des »instituto santo della natura« und der natürlichen erotischen Bindung s. auch, was B. in De vinculis schreibt: »In nobis secundum rationem tres sunt differentiae vinculorum […]: naturale, rationale et voluntarium. Unde ex parte unam vinculi differentiam per aliam vinculi differentiam moderari nequimus. Hinc prudentum leges non prohibent amare, sed praeter rationem amare; stultorum vero sycophantiae sine ratione (rationi) rationis terminos praescribunt, naturae legem damnant« (OL III, S. 697 f. [vgl. die deutsche Übersetzung in: Giordano Bruno, ausgew. und vor-

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gest. von E. von Samsonow (1995), S. 225]). Mit stultorum sycophantiae wird auf die Hypokrisie der Theologen und Kleriker angespielt. Vgl. zur Kritik einer Pervertierung des Naturgesetzes (unter Bezugnahme auf ein gewisses Christentum) Spaccio, BSP, S. 6, 278 f. 22  Ho forse da persuader a me et ad altri … giamai abbia possuto cadermi nel pensiero: Abgesehen von der naheliegenden Überlegung handelt es sich um ein Thema mit einer langen ›christlichen‹ Tradition, die bedeutende Vorgänger in der griechisch-lateinischen Kultur hatte; vgl. das bezeichnende Beispiel bei Platon: Das Gastmahl, 208a–b. 23  Anzi aggiongo … per servire alla natura e a Dio benedetto: Natur und Gottheit tragen B. zufolge gemeinsam zu »ein und demselben guten Zweck« bei (Spaccio: BW V, S. 371). Zwischen Naturgesetz und göttlichem Gesetz besteht also kein Gegensatz: Wenn man das eine befolgt, ehrt man auch das andere; ja, ein Verhältnis der Kommunikation zwischen Mensch und Gott wird allein durch Vermittlung der Natur möglich. B. nimmt eine Anschauung ins Visier, der zufolge man zur Erlangung des Seelenheils einen natürlichen Impuls wie den Sexualtrieb verleugnen müsse. (Es versteht sich von selbst, daß er nie auf die durch ein religiöses Sakrament sanktionierte eheliche Liebe Bezug nimmt). B.s Ironie ist gegen die Idee eines Keuschheitsgelübdes und allgemeiner gegen ein Asketentum gerichtet, das sich paradoxerweise bis zur Kastration versteigen kann, um sich von der Belästigung durch das sexuelle Begehren zu befreien. Aller Wahrscheinlichkeit nach spielt er in dem Abschnitt der Darlegung auf die mutmaßliche Selbstentmannung Origenes’ an, von der Eusebius erzählt (Historia ecclesiastica, 6, 8, 1–3; vgl. Augustin: Confessiones, VIII, 1.2); eine Anekdote, die in Symmetrie zu der, wenn auch weniger blutigen, von Porphyrius über Plotin berichteten Anekdote steht, der zufolge Plotin sich geschämt habe, in einem Körper zu wohnen (De vita Plotini, 1). Sowohl Plotin als auch Origenes, die beide Schüler Ammonius Saccas waren, werden wahrscheinlich versucht haben, auf der existentiellen Ebene in radikaler Weise das asketische Ideal zu verwirklichen. Nach seiner zehnjährigen Erfahrung im neapolitanischen Kloster von San Domenico Maggiore – er verläßt die Stadt zu Beginn des Jahres 1576  – kannte B. die häufig alles andere als asketische Realität des monastischen Lebens; es verwundert daher nicht, wenn er auch in bezug auf diesen Aspekt die Hypokrisie der katholischen Religion anprangert. Was seine Ansicht zur sogenannten fleischlichen Sünde betrifft, kann man einen Passus aus der dritten Anzeige Giovanni Mocenigos vom 29. Mai 1592 an den venezianischen Inquisitor zitieren: »[B.] sagte mir, daß ihm die Frauen sehr gefielen und er noch nicht die Anzahl derer Salomons erreicht habe: und daß die Kirche eine große Sünde begehe, indem sie zur Sünde mache, womit der Natur so gut gedient sei, und daß er es



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für einen ganz großen Vorzug hielte« (Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 10, S. 158 f.; vgl. Dok. 59, ebd., S. 288 f.). 24  Io non credo d’esser legato … volessero maleficiarmi: B. beruft sich auf die Idee der Macht der ›Bande‹ und des maleficium, eine bereits in der medizinischen, literarischen und religiösen Tradition der Antike und des Mittelalters weit verbreiteten Auffassung, die in der Renaissance auch in Zusammenhang mit den Begriffen des spiritus und der imaginatio eine erhebliche Entwicklung erfuhr (man denke hier nur an Pietro Pomponazzis De incantationibus). B. untersucht das Problem in seinen Schriften zur Magie (vor allem in De vinculis in genere), die auf die Jahre 1589 bis 1591 zurückgehen und erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts veröffentlich wurden. In De vinculis merkt er unter Berufung auf Ficino an, daß alle Bande auf das Band der Liebe zurückzuführen seien (s. OM, S. 492 ff.; vgl. Theses de magia, ebd., S. 398). Im Commentarium in Convivium Platonis hatte Ficino die platonische Idee der Überlegenheit des von Aphrodite und Eros erzeugten Furor gegenüber anderen Arten der göttlichen Manie aufgegriffen; s. Ficino: El libro dell’amore, S. 216. Im Passus der Darlegung spielt B. nicht nur auf die Bande körperlicher Liebe, sondern auch auf religiöse Bande an. Sinnliche Liebe und Religion werden aufgrund ihres Zusammenhangs mit dem Sinn und der Einbildungskraft vereint; es ist dies ein Schlüsselmotiv der Furori (B. spricht diesbezüglich von einem »Hingerissenwerden unter dem Gesetz eines unwürdigen Schicksals mit den Fallstricken tierischer Gefühlsaufwallungen«: Furori, I, 3, S. 92 f.). Im Text geht B. auch auf Bande (legami) und Schlingen (lacci) ein – »in solch edler Schlinge […] ein derart schönes Band« –, die vom heroischen Leidenschaftlichen hingegen ersehnt werden, wobei er auf das von der Gottheit in seinem Gemüt entzündete Feuer verweist: »die brennende Sehnsucht nach göttlichen Dingen«; in der Folge auf einen Pfeil (»das Eindringen des Strahls der Schönheit des allerhöchsten Lichts«) und auf Schlingen (lacci) (»die unseren Geist mit der ersten Wahrheit vereinen«), welche die Arten des Guten und Wahren versinnbildlichen (Furori, I, 3, S. 96–99). B. verweist auf die göttliche Liebe als Wahrheit, Güte und Schönheit, die sich in der Natur zeigt (»Deshalb brüstet sich der Leidenschaftliche damit, Beute der Diana zu sein«: Furori, II, 2, S. 316 f.); in dieser Perspektive ist die absteigende Liebe Grundlage der aufsteigenden Liebe. Die Suche des menschlichen Subjekts nach einer Vereinigung mit dem unendlichen göttlichen Objekt – ein ›Begreifen‹, das immer bloß eine unaufhörliche Suche bleiben kann (vgl. Furori, I, 4, S. 126 f.) – ist gerade kraft des Sich-Mitteilens der Gottheit in der Natur und deren Widerspiegelns in der menschlichen Vernunft möglich; B. besteht in seinen Schriften auf diesem Punkt, von De umbris idearum zu De la causa, von Spaccio über die Oratio valedictoria bis De triplici minimo und De imagi-

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num compositione. Vgl. zum Bild der ›Bande‹ auf theologischer Ebene Origenes: Commentarius in Canticum Canticorum (1925), III, S. 221 f. Vgl. zur Kritik der ›Liebesbande‹ z. B. Corbaccio: »mich ohne zu sehen, wo oder wie, in den Liebesbanden zu verstricken und meine Freiheit gebunden, meine Vernunft unterworfen in die Hände einer Frau zu geben« (»senza vedere né come né dove, ne’ lacciuoli d’amore incapestrarmi e nelle mani d’una femina dare legata la mia libertà e sottoposta la mia ragione«: Boccaccio: Elegia di madonna Fiammetta. Corbaccio, S. 228; vgl. auch S. 226 u. 234). 25  Né credo d’esser freddo: B. greift erneut das Thema der Gegensätze auf (vgl. Furori, II, 3, S. 324–327; dort ein Verweis auf den Antiperistasis-Begriff); das gilt auch für die traditionelle Lehre von den vier humores im Zusammenhang mit den vier Elementen. Zuvor ging er im Hinblick auf das Joch der Natur/Vorsehung auf die Gegensätze der Qualitäten von süß und bitter ein; jetzt greift er erneut die Polarität von Hitze und Kälte auf (s. zu »dovenir or freddo, or caldo« in bezug zur gemeinen Liebe: oben, Anm. 4 u. 5). In diesen Zeilen betont B. die außergewöhnliche Kraft, die das Element Feuer für ihn hat: »meine Hitze«; ein Feuer, das weder gelöscht noch gekühlt werden kann, insofern es sich, wie er sagt, um »eine Hitze, die von der Sonne der Einsichtskraft in der Seele entfacht worden ist«, handele (Furori, I, 3, S. 92–95; vgl. Sigillus, OMNE II, S. 256: »Amor […] frigida calefacit, obscura illustrat, torpentia excitat, mortua vivificat, inferiora divino furore ducens supercaelestem plagam peragrare facit«). B. spielt im Text jedoch auch mit rätselhaften Bildern auf die Erfahrung einer radikalen Kälte an; wenn man einerseits unterstreichen will, daß »das göttliche Licht immer gegenwärtig ist« und daß Gott »solem suum oriri facit super bonos et malos« (Darlegung, S. 19; Articuli adversus mathematicos, OL I/3, S. 4), zeigt sich andererseits die Gottheit (Diana in den Furori, Minerva in der Oratio valedictoria) als hochmütig, indem – wie B. in letzterem Text näher erläutert – »die Weisheit sich nicht so leicht und überschwenglich gewährt wie die Reichtümer und die Freuden« (OL I/1, S. 6). Der heroische Leidenschaftliche hat keine Mittelposition zwischen den Gegensätzen inne; dies sei ein dem ›Weisen‹ eigener Zustand, der sich durch einen gewissen Grad an Indifferenz auszeichne (hier mit Bezug auf die aristotelische und davor schon platonische Lehre von der richtigen Mitte). B. erklärt sich daher wenn auch von einer anderen als der sinnlichen Liebe befeuert. Dieses Motiv wird besonders im zweiten Dialog des ersten Teils des Werks entwickelt: »Sehr gut kann ich […] die Voraussetzungen dieser heroischen Leidenschaft erschließen, die sich in den Worten äußert: Eisig sind meine Hoffnungen und meine Wünsche siedend heiß. Denn der Leidenschaftliche befindet sich nicht im Zustand der Mäßigung des Mittelwegs, sondern im Übermaß der Gegensätzlichkeiten wird seine Seele zerrissen« (Furori, I, 2, S. 77).



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26  monte Caucaso o Rifeo: vgl. Ovid: Metamorphoses, VIII, 797 f.; Virgil: Georgica, I, 240 u. IV, 518; Seneca: Phaedra, 7 f.; Claudian: De raptu Proserpinae, III, 321 f. 27  quel ch’è di Cesare … renduto a Dio: Ein nicht ganz orthodoxer Bezug

auf Mt 22,21. Aus dem vorhergehenden sowie dem nachfolgenden Text mit seinem Aufweis der Trüglichkeit eines wie auch immer gearteten Abschlusses der Suche seitens des Menschen nach Vereinigung mit der Unendlichkeit geht klar hervor, wie B. Verhältnis und Abstand zwischen den Rechten des Fleisches und der Macht des Geistes versteht. Es handelt sich nicht um einen Gegensatz zwischen irdischer und himmlischer Stadt im platonischen oder eigentlicheren christlichen Sinne, sondern um einen Unterschied der Grade: von den Sinnen zum Verstand. In der philosophischen Perspektive B.s bedeutet die Aufforderung, daß es sich, bei aller Anerkennung der sinnlichen Rechte innerhalb der eigenen Sphäre, um einen beschränkten Bereich handelt (»Anschein der Endlichkeit, den sie durch den Eindruck des Horizonts hervorrufen«: Infinito: BW IV, S. 53), der vom Bereich der Vernunft und vor allem des Verstandes (intellectus, mens) völlig verschieden ist. Im Gegensatz zum sinnlichen Auge vermag es das Auge des Geistes, weiter vorzudringen: sein wahrer und letzter ›Gegenstand‹ ist das Unendliche. 28  Voglio dire … quel splendore: Um diese Zeilen und allgemein den von B. in der Darlegung entwickelten Diskurs auf angemessene Weise zu verstehen, muß man den dritten Dialog des Spaccio hinzuziehen (s. BSP, S. 252–254; BW V, S. 337–341), in dem B. die Altägypter vor dem Vorwurf der Idolatrie in Schutz nimmt, der ihnen insbesondere von Juden und Christen gemacht worden war. In bezug auf die altägyptische Weisheit interpretiert B. einige Lehren im Licht der eigenen Philosophie, auch wenn er auf die Überlegungen verschiedener Autoren zurückgreift, so z. B. Plutarchs aus De Iside et Osiride und Celsus’, die in Origenes’ Contra Celsum angeführt sind. (B. bedient sich letzteren Werkes genau in der von gewissen Theologen gefürchteten Weise, d. h. als Mittel der Verbreitung und Verteidigung der heidnischen Thesen, wobei er berücksichtigt, daß Celsus, so wie Plutarch, die Kontaktpunkte zwischen der altägyptischen Religion und der griechischen Philosophie hervorgehoben hatte). Die Altägypter beteten keine tierischen oder menschlichen Wesen an, als ob es sich um Gottheiten handelte, sondern beteten die Gottheiten an, als ob sie sich in diesen Wesen befänden. In der Tat verherrlichten sie – so B. zum Abschluß (BW V, S. 339) – »eine einfache Gottheit, die sich in allen Dingen findet, […] wie sie sich verschieden mitteilt, in verschiedenen Gegenständen widerstrahlt« (den deus in rebus); B. zufolge kann man eine abstrakte Wesenheit nur verehren oder lobpreisen, insofern sie sich in konkreten Subjekten mitteilt; nur aus diese Weise können wir sie ›erkennen‹. In bezug auf die

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Tugend kommt B. zu derselben Schlußfolgerung. Wenn man Menschen lobt, lobt man moralische oder intellektuelle Tugenden, die diese Individuen im Laufe ihres Lebens in der Lage sind, in Taten und Werken auszudrücken, deren Wert die Grenzen nicht nur ihres Daseins, sondern auch ihrer Zeit überschreiten. Dieser Wert betrifft die Menschheit oder auch die Kultur, und gerade aus diesem Grund kann die Erinnerung an jene Individuen tatsächlich einen begrenzten Zeitraum und einen engeren Personenkreis überdauern. Die körperliche Schönheit ist eine vorübergehende »naturgegebene Tugend« und bringt darüber hinaus kein persönliches Verdienst mit sich. Wenn eine Frau sich daher »göttlicher Ehren und Huldigungen« würdig erzeigt, geschieht dies aufgrund der Tatsache, daß ihre Tugenden (Handlungen und Werke) im allgemeinen lobenswert sind, unabhängig davon, ob es sich um eine Frau ­handelt. 29  napello: giftiges Immergrün. 30  tutte le cose … misure: Ein Echo aus Weish 11,20. Vgl. für eine Entwicklung des Motivs Furori, I, 4, S. 129: »Denn immer sieht sie, daß jenes Ganze, das sie besitzt, ein bemessenes Ding ist […]«. Allein das Universum ist »ohne Ausdehnung oder Maß« (ebd., S. 153). 31  giustizia e raggione: Zwei Schlüsselbegriffe der brunianischen Gottheitskonzeption, bezüglich derer man verschiedene Bibelpassagen anführen könnte, wobei man in Rechnung stellen muß, daß der erste in Verbindung zu ›Güte‹, der zweite zu ›Wahrheit‹ steht. Der Verweis auf eine universelle Intelligenz (anima/sapientia, logos, verbum: die Natur als mens insita omnibus), deren Handeln der Gerechtigkeit gemäß erfolgt, impliziert bei B. die Idee des Wandels (vicissitudine). 32  Sileno … Febo: Um den Unterschied zwischen gewöhnlicher und heroischer Liebe hervorzuheben, beruft sich B. nicht nur auf die traditionelle Unterscheidung zwischen höherem und niederem Eros in Verbindung mit einer zweifachen Aphrodite, sondern auch auf eine allgemeinere Unterscheidung im Bereich der Götter, und zwar zwischen höheren Göttern und Göttern »da tinello« (vgl. einen gleichgearteten Passus in Causa: BW III, S. 42). Der Begriff tinello, der auch einen zur Fermentierung und Verarbeitung des Weines vorgesehenen Raum bezeichnen kann (auch: tinaia, tinaio), bezeichnet hier einen kleinen Bottich, ein Holzgefäß, das Wein oder eine andere Flüssigkeit enthalten kann. In diesem Fall enthält der dürftige Bottich – der sich so ganz von dem wertvollen Kelch unterscheidet, der Nektar oder Ambrosia »am Tische des Zeus, des Saturn, der Pallas, des Phoebus und deren Gefährten« enthält – Unterprodukte des guten Weines wie z. B. ein stark gegorenes Bier (cervosa oder cervogia) oder einen sauer gewordenen Wein (rinversato). Der »Gott von Lampsakus« ist Priapus, Sohn des Dionysos und der Aphrodite. Vgl. zu Pomona u. Vertumnus Ovid: Metamorphoses, XIV, 623–771.



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33  furori eroici … amori volgari e naturaleschi: s. die vorangehende Anm. 32.

Es sei darauf hingewiesen, daß B. parallel zu ›volgare‹ den Begriff ›naturalesco‹, nicht ›naturale‹ gebraucht, um die auf sexuelle Erfüllung oder jedenfalls auf den Körper in seiner Vergänglichkeit gerichtete Liebe zu bezeichnen. 34  veder … scogli: Vgl. Horaz: Epistula ad Pisones (De arte poetica), 30. S. Spaccio, BSP, S. 226. 35  Però … volevo … chiamarlo Cantica: Das Hohelied (Canticum Canticorum) wurde häufig einfach als Cantica bezeichnet (so z. B. auch in den Dialoghi d’amore Leone Ebreos); in seinen Schriften orientiert sich B. am Text der Vulgata. In den Furori taucht des öfteren ein Verweis auf das Hohelied auf, wenngleich B. seine diesbezügliche Absicht aufgibt, seinem Werk einen dem biblischen Hochzeitslied ähnlichen Titel beizulegen; letzteres Werk wurde, zusammen mit den Büchern Sprüche, Kohelet und Buch der Weisheit, Salomon zugeschrieben (heute nimmt man an, daß das Hohelied eine Sammlung von Dichtungen mehrerer Autoren darstellt). Im Unterschied zu dem, was B. kurz darauf in der Darlegung erläutert, unterstreicht er hier eine Affinität zwischen den Furori und dem Hohelied: »unter dem Mantel« einer gewöhnlichen Liebe beruft man sich in beiden Texten – »auf vergleichbare Weise« – auf eine höhere Liebe. Vgl. zur verborgenen Bedeutung des Hoheliedes Origenes: Commentarius in Canticum Canticorum (1925), Prologus, S. 78: »Wer sich der Weisheit befleißigt […], wird nach den unsichtbaren und ewigen Realitäten streben, die im Hohelied mit zweifelsohne spirituellen Begriffen gelehrt werden, welche jedoch hinter den Bildern einer Liebessprache verborgen gehalten werden«; vgl. auch ebd., S. 101 u. 218 sowie den Prolog bei Gregor von Nyssa: Homiliae in Canticum Canticorum (1960). Um zur Darlegung zurückzukehren: Der Unterschied zwischen den beiden Werken betrifft den Gegenstand einer solchen Liebe; während im biblischen Text die Figur des ›Bräutigams‹ auf eine transzendente Gottheit verweist, handelt es sich bei B. dagegen um eine immanente Gottheit, insofern sich der Diskurs in den Furori im wesentlichen auf das unendliche Universum bezieht, über welches hinaus nichts existiere. Während sich also der biblische Text auf einen überirdischen persönlichen Gott bezieht, ist der Horizont der Furori durch die unendliche Natur gegeben, hinsichtlich derer die Erde eine der unendlichen Welten darstellt. Die Ähnlichkeit zwischen Hohelied und Furori betrifft auch dieselbe Schwierigkeit seitens des Interpreten, den authentischen Gehalt beider Werke zu erfassen, da Bilder und Sprache beider mißverstanden werden können. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, daß es aufgrund des Zeugnisses des Talmud Widerspruch gegen die Einbringung des Hohelieds in den jüdischen Schriftenkanon gegeben haben soll. Dennoch war in der talmudischen Tradition die Ansicht weit verbreitet, daß das Gedicht trotz der ausdrücklichen Elemente

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erotischen Charakters ganz zu Recht unter die inspirierten Schriften zu rechnen sei, da es sich um eine Allegorie der Liebe zwischen Jahwe und Israel (der hebräischen Ecclesia) handele, während man sich in der jüdischen Mystik für die Figur der Braut auf die zehnte und letzte Sefirah (malkut, das Reich), d. h. auf die Schechina, das Dasein Gottes in der Welt, bezog. Das ist ein wichtiger Punkt, insofern die Schechina – die im Sefer ha-bahir und im Sefer ha-zohar auch als Symbol der Seele aufgefaßt wird – einen »Einbruch der Symbolik des Weiblichen in die Sphäre des Göttlichen« zur Folge habe (G. Scholem: Zur Kabbala und ihrer Symbolik ([1960] 1973), S. 142), und dieser ›Einbruch‹ ist auch im Werk B.s zu beobachten. Es sei auch erwähnt, daß Isaac Abrabanel vorschlägt, in den Figuren der Brautleute Salomon und die Weisheit zu erkennen. Im Targum des Hohelieds ist zu lesen, daß das Werk von Salomon »im Geist der Prophetie« mitgeteilt worden sei, und Rabbi Aqiba war der Meinung, der Text sei »der heiligste unter den heiligen« und allen anderen Schriften an Würde überlegen. Es handele sich um das glorreichste unter den Liedern der Schrift, d. h. das neunte – der Engelshymnus –, das dem zehnten und letzten der endgültigen Erlösung voraufgeht; vgl. Die Auslegung des Hohenliedes (1898), S. 9 f. Origenes macht in den Schriften dagegen sieben Lieder ausfindig, von denen das Hohelied das letzte und erhabenste darstelle; vgl. Commentarius in Canticum Canticorum (1925), S. 80–83. Diese Angaben gilt es, in bezug auf die Einfügung eines Liedes (der Kanzone der Erleuchteten) in den zehnten und letzten Dialog der Furori vor Augen zu haben. Die Canzone – der neun jungen Liebenden, die erst erblindet und dann erleuchtet wurden, d. h. als neu Getaufte – beschäftigt sich in der Tat mit der Zahl 9: Die Engelshymne des Hohelieds findet, abgesehen von den anderen Verweisen auf das biblische Gedicht in den Furori, eine Entsprechung in dem eigenständigen, doch mit dem Gesamtkontext verwobenen Lied der Illuminati (neun Sextinen) und im Abschlußchor. Die Canzone hat auch mit der Zahl 10, doch im Sinne einer Rückkehr zur 9, zu tun, da es B. zufolge keine endgültige Erlösung gebe, während ein Parallelismus zwischen der Sphäre dessen, was ständig zum Sein gebracht werde (d. h. dessen, was im Unendlichen ist), und der höchsten Sphäre der Gottheit bestehe. B. zeigt sich der Schwierigkeiten bewußt, die beim Verständnis der Bedeutung des eigenen Werks auftauchen können, wenn man z. B. die in den vorherigen philosophischen Dialogen, besonders in den ersten drei (Cena, Causa, Infinito) entwickelten Motive berücksichtigt. B. betrachtet die Furori sicherlich als Höhepunkt dessen, was er als »nolanische Philosophie« bezeichnet; im Spaccio spricht er unter Verweis auf ersteres Werk als Krönung der eigenen Philosophie von einem »Dach« (vgl. BSP, S. 11, 190). Das, was den Autor am meisten interessiert, ist die Verbindung zwischen Erkenntnis und Ethik; wie Giovanni Gentile angemerkt hat, »für Bruno, wie



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später für Spinoza, ist die Erkenntnis ein Prozeß der Befreiung und Läuterung des Geistes, der, indem er den ganzen Menschen umformt, ihn zur intellektuellen Liebe Gottes erhebt« (Prefazione ai ›Dialoghi morali‹, in: DI, S. LXI). Der Passus der Darlegung sowie weitere Passagen des Textes lassen klar B.s Neigung zur allegorischen Interpretation des Hohelieds erkennen, eines Textes, der im jüdischen Umfeld Gegenstand bemerkenswerter Auslegungsbemühungen war. Es sei, außer an das bereits erwähnte Targum, an die verschiedenen Midrashim und die späteren Kommentare erinnert, vom Kommentar Ibn Ezras bis zu demjenigen Yohanan Alemannos (der auf Betreiben Giovanni Picos della Mirandola verfaßt wurde, welch letzterer sich vorgenommen hatte, selbst einen Kommentar zum Hohelied zu schreiben) und zu denen anderer. B. verweist allgemein auf »mistici e cabalisti dottori«, und es ist im Zusammenhang des gesamten Textes unklar, ob der Verweis sich auf eine direkte oder indirekte Quelle bezieht. Einige Aspekte der kabbalistischen Interpretation des Hohelieds konnte er den Schriften Giovanni Picos und Francesco Zorzis sowie den Dialoghi d’amore Leone Ebreos (d. h. Yehuda Abrabanels, des Sohnes des bereits erwähnten Isaac) entnehmen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß B. die suggestiven, dem Hohelied gewidmeten Seiten aus dem Zohar (auch Sohar) gekannt hat; der hebräische Text war in Mantova und Cremona 1558 und 1560 erschienen, und die Wirkungsgeschichte des Werks in den ’70er und frühen ’80er Jahren des 16. Jahrhunderts wäre eingehender zu untersuchen. Auch im christlichen Umfeld gab es eine beträchtliche Exegese des Hohelieds, angefangen von den griechischen und lateinischen Kirchenvätern bis zu verschiedenen Autoren des Mittelalters und der Renaissance. Die Brautleute wurden traditionell als Christus und die Kirche interpretiert. Die spirituell-allegorische Interpretation des Hohelieds, der zufolge die Brautleute hingegen den göttlichen Logos (Christus) und die Seele des Gläubigen symbolisieren, geht auf Origenes als ihren Begründer und bedeutendsten Vertreter und auf Gregor von Nyssa zurück, der seinerseits die mystische Interpretation des biblischen Gedichts in Verbindung mit dem Motiv der ἐπέκτασις entwickelt; in dieser Perspektive stehen seine Homiliae in Canticum Canticorum in enger Verbindung mit De vita Moysis. Vgl. Gregor von Nyssa: Homiliae in Canticum Canticorum (1960): die Homelien VI, VIII u. XII. In der Interpretation Origenes’ und anderer griechischer und lateinischer Kirchenväter betraf der entscheidende Punkt die Idee vom Wort-Vermittler als Liebe, sowohl gegenüber dem Vater als auch gegenüber der Menschheit. Wie man im Prolog des Commentarius liest: »Und da Gott Liebe ist und der Sohn, der aus Gott kommt, Liebe ist, sucht er in uns etwas, das ihm gleicht, damit wir uns kraft dieser Liebe, die in Jesus Christus ist, mit Gott vereinen, der Liebe ist« (Origenes: Commentarius in Canticum Canticorum (1925),

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S. 70). In den Furori wird weder auf den Commentarius noch auf die Homiliae des Alexandriners über das Hohelied ausdrücklich verwiesen, wenngleich B. die Überlegungen Origines’ sowie Gregors von Nyssa in Betracht zieht. Origenes wird in der Darlegung erwähnt (S. 35), jedoch hinsichtlich einer Lehre – und zwar der vom Wechsel der Welten und von der Unendlichkeit der säkularen Zyklen (für den Alexandriner handelt es sich in der Tat um eine unbestimmte Dauer) –, die spezifisch auf die Prinzipien verweist. Es ist nicht auszuschließen, daß B. mit dem Hinweis auf die Interpretation der »mystischen und kabbalistischen Doktoren« seine Distanz gegenüber einer Lektüre des Hohelieds unter christlichen Vorzeichen unterstreichen will, gerade was die Identifizierung des Bräutigams mit Christus angeht. Die Frage betrifft folglich nicht die Gestalt der ›Braut‹ – die B. wie auch in anderen Schriften ähnlich wie Origenes und Gregor von Nyssa als Seele/Geist des Menschen interpretiert  –, sondern diejenige des ›Bräutigams‹, und in diesem Punkt distanziert sich B. auch von der kabbalistischen Exegese, die sich auf die Braut konzentrierte: die Schechina, auch Symbol der Seele. In den Furori versteht B. den Bräutigam tatsächlich weniger als absoluten Gott (den Vater, in der Sprache der Furori: Apollo), als vielmehr als verbum; er bezieht sich jedoch nicht, wie in der christlichen Interpretation, auf den Sohn, sondern auf die unendliche Natur (in der Sprache der Furori: Diana), eine Natur, die B. mit dem Begriff »eingeboren« bezeichnet (Causa: BW III, S. 171). B. zufolge handelt es sich also um die Suche der menschlichen Seele (die Braut) danach, sich mit der Weltseele (dem Bräutigam) zu vereinigen, die B. als Weisheit/Natur und im Hinblick auf die Mythologie als Minerva/Diana begreift. Man kann daher behaupten, daß hinsichtlich der Sehnsucht des Menschen, sich mit der Gottheit zu vereinigen, B.s Lektüre des Hohelieds unter Berücksichtigung sowohl der Theologia Platonica als auch des dritten Buches von Marsilio Ficinos De vita erfolgt (in bezug auf die Möglichkeit einer solchen Vereinigung sowie insbesondere darauf, wie man die Gunst des Himmels erlangen könne, beruft sich Ficino in De vita coelitus comparanda auf Plotin); vgl. Sigillus: OMNE II, S. 258). Überdies verweist der Begriff ›Gesang‹ (cantica) implizit auf die Divina Commedia mit ihren drei Gesängen (eine Gliederung in drei Gesänge wird auch von Zorzi in De harmonia mundi verwendet). Auch wenn das Werk Dantes in den Furori nicht erwähnt wird, ist es dort unterschwellig präsent, sowohl betreffs des Themas der Erkenntnisreise zwischen Hölle und Paradies als auch verschiedener Bilder und Anregungen. In der Dichtung Dantes konnte B. eine Auffassung erkennen, die er zurückweist, d. h. die Auffassung der Philosophie als subaltern oder als Magd der Theologie, und dies nicht nur in bezug auf den dritten Gesang  – in diesem Zusammenhang kann eine Schrift von Vincenzo Buonanni angeführt werden: Discorso … sopra la prima



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Cantica (lo ’nferno) del theologo Dante (1572). Wie bereits angemerkt, fühlt sich B. eher der Perspektive des Convivio verbunden. Hinsichtlich des Begriffs ›Gesang‹ möchte ich abschließend daran erinnern, daß auch Tommaso Campanella beabsichtigte, seiner Gedichtsammlung mit Prosakommentar den Titel La Cantica zu geben; auch in diesem Fall handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Anspielung Campanellas auf den Canticum und die Commedia Dantes, die den ethisch-philosophischen und theologischen Charakter der eigenen Gedichte unterstreichen soll. S. den Reprint der ersten Ausgabe (1622) der Scelta d’alcune poesie filosofiche (1980). 36  L’una … censure et instituzioni: Unter den Gründen, die B. dazu bewogen haben, den Titel Cantica zu vermeiden, führt er die folgenden beiden auf: Der erste brandmarkt die böse Absicht gewisser Interpreten, während der zweite einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Hohelied und den Furori hervorhebt. Beide Gründe stehen miteinander in Zusammenhang und betreffen das Verhältnis zwischen dem Natürlichen – vgl. die Thematisierung des eigenen »naturale e fisico discorso« (»Abhandlung über natürliche und physikalische Dinge«) – und dem Übernatürlichen wie auch zwischen Immanenz und Transzendenz, zwischen Philosophie und Theologie. B. beabsichtigt in erster Linie, die Unwissenheit und Parteilichkeit der christlichen, sowohl katholischen als auch reformierten Theologen herauszustellen: »gewisser Pharisäer«. Rechtmäßige Nachfolger der strengen und heuchlerischen Anhänger des jüdischen Gesetzes sind B. zufolge die christlichen Theologen, die sektiererischen Grammatiker mit ihren »bösartigen Vorschriften«; ihnen würde allein schon die Ähnlichkeit eines Werktitels zur Verdammung und Zensur reichen. (In den brunianischen Schriften kehrt häufig der Parallelismus zwischen den Grammatikern, die den Anspruch erheben, die Dichtung aufgrund von ein für allemal definierten ›Regeln‹ zu beurteilen, und den Theologen wie auch den Schulphilosophen wieder, die sich das Recht anmaßen, philosophische Werke nach absolut gültigen, weil für ›wahr‹ erachteten Modellen oder Autoritäten zu bewerten.) Vgl. Furori, I, 1, S. 45–49; Spaccio: BW V, S. 11–13. Indem B. die traditionelle christliche Auffassung umkehrt, ruft er das göttliche Gericht an, auf daß es die Gelehrtheit, nicht die Unwissenheit belohne (vgl. zur Anrufung eines göttlichen Urteils gegen die Unwissenheit Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 10, S. 158, u. Dok. 51, S. 252). Ein polemischer Bezug ergibt sich zu Paulus sowie zu weiteren christlichen Autoren (s. den Brief B.s, der an den Vizekanzler und die Doktoren der Universität von Oxford gerichtet ist: OL II/2, S. 77, u. Cabala: BW VI, S. 33), Es sei präzisiert, daß das ›Urteil‹, auf das sich B. bezieht, nicht in eschatologischem, sondern wechselhaftem Sinne zu verstehen ist, wobei man beachten muß, daß der Wandel nicht nur die Welt der Natur, sondern auch

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die der Kultur betrifft. Es wird auf eine historisch wandelbare Auffassung der Kultur gemäß einem nicht geradlinigen, sondern zyklischen Paradigma von Zeitlichkeit Bezug genommen, so wie sie B. intendiert, der mit dem Begriff der vicissitudo das Motiv der varietas unterstreicht. In dem Passus setzt er der »böswilligen Ignoranz« das »Wissen« entgegen, d. h. die Suche nach der Wahrheit im Bereich der Natur: die menschliche Weisheit, die sophia (vgl. Spaccio: BW V, S. 153, u. Oratio valed., OL I/1, S. 11–14). Hier handelt es sich natürlich nicht um die Unwissenheit derer, die nicht wissen, sondern derer, die eine irrige Auffassung vertreten und nicht aus Naivität auf ihr beharren; die Kritik richtet sich gegen einen verlogenen Glauben, der aus der Ignoranz eine Tugend macht, indem er die Menschen in der Gefangenschaft einer Illusion erhält. Der bedrohlichen Heuchelei der auctoritas – den »bösartigen Vorschriften, Eingriffen und Kontrollinstanzen« – wird die »schlichte Freiheit« des Philosophen entgegengesetzt, jene libertas philosophandi, die kein anderes Interesse, keinen anderen Reichtum kennt als die Suche nach der Wahrheit. 37  L’altra … per metaforico: Vgl. Cena: F, S. 175; U I, S. 525: »Und man darf nicht bildlich nehmen, was im übertragenen Sinne gemeint ist, und auf der anderen Seite nicht das für wahr halten, was nur als Gleichnis gesagt wird. Aber diese Unterscheidung von bildlicher und wahrer Redeweise will und kann nicht jeder verstehen«. Wie bereits oben, Anm. 35 hervorgehoben, ist B. daran gelegen, Ähnlichkeiten des eigenen Werks mit dem Hohelied, aber auch Unterschiede dazu zu betonen. Beide Werke weisen unter dem Buchstaben verborgen einen spirituellen Gehalt auf, auch wenn der Unterschied gerade diesen ›Gehalt‹ betrifft, der im Fall der biblischen Dichtung theologisch-religiösen Charakter hat. Trotz der sinnlichen Sprache des Textes (»unter der Schale gewöhnlicher Liebe und Gefühle«) haben die im Hohelied wachgerufenen Bilder keinen Bezug zur sinnlich-natürlichen Realität: Es handelt sich um reine Metaphern, die sich sozusagen auf einer transzendenten Bühne bewegen. Im Hinblick auf das Hohelied scheint mir, daß B. sich in erster Linie das Problem der Kontextualisierung des Textes aus dem Alten Testament stellt; m.E. ist daher für B. die christliche Interpretation zweitrangig, da sie eben die Rezeption eines Textes und seine thematische Adaptierung darstellt (dies impliziert keinen Widerspruch zu der Tatsache, daß er in den Furori, obgleich kritisch, auf eine bestimmte christliche Interpretation des Hohelieds Bezug nimmt). Wenn der Bräutigam die ›Gestalt‹ eines einzigen, persönlichen Gottes darstellt, der auf geschichtlicher Ebene agiert, ist klar, daß es sich um eine anthropomorphe Vorstellung der absoluten Gottheit handelt, die in ein Verhältnis zum Menschen tritt, während für B. »jener Gott, insofern er absolut ist, nichts mit uns zu schaffen hat« (»quel dio, come absoluto, non ha che



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far con noi«: Spaccio: BSP, S. 257 [Anm. d. Übers.: Die dt. Übers. wurde gegenüber BW V, S. 343 geringfügig geändert]). Wir befinden uns folglich auf der Ebene einer theologischen Sinnbildhaftigkeit, die mit den Begriffen der Vernunft, d. h. der Philosophie, nicht verstanden werden kann. Durch die Kühnheit der Metapher scheint der Autor – der legendäre Salomon – sich vorzunehmen, etwas darzustellen, das nicht vorstellbar ist: die Liebe eines absoluten Gottes zum Menschen (zu einem Volk, einer Gemeinschaft usw.) und umgekehrt die Liebe des Menschen zu Gott. Daß später vor allem im christlichen Umfeld der ›Bräutigam‹ als Verbum oder Logos verstanden wurde, betrifft die ›Lektüre‹ des Alten Testaments mit den Augen des Neuen Testaments, somit die Interpretation des Hohelieds vermittels der Inkarnation des Sohnes. B. greift die Idee des Bräutigams als verbum auf, wobei er sie jedoch seinen Zwecken anverwandelt: Er begründet eine Verbindung zwischen der Figur des Bräutigams (der Weisheit) und der der »eingeborenen« unendlichen Natur. Aus Obigem ergibt sich klar der Grund, aus dem in der mythologischen Sprache der Furori der ›Bräutigam‹ der menschlichen Seele nicht Apollo, sondern Diana ist. In seiner Einschätzung der Bedeutung des Hohelieds – doch gilt dies auch für andere Bibeltexte – zeigt sich B. eindeutig der allegorisch-spirituellen Interpretation zugeneigt, wie sie im christlichen Umfeld von Origenes entwickelt wurde (vgl. Cabala: BW VI, S. 4); ja, er tendiert dazu, diese noch zu radikalisieren (»denn dort sind die Bilder offen und deutlich Bilder, und der metaphorische Sinn ist auf eine Weise kenntlich, daß er nicht als solcher geleugnet werden kann«: Darlegung, S. 13), indem er einen wörtlichen Sinn des Werks, wie er auch von dem Alexandriner erwogen worden war, nicht in Betracht zieht. Vgl. für die unterschiedlichen Bedeutungen des Worts Gottes u. für einige Überlegungen B.s zu den Grenzen der Interpretationsebene des ›Buchstabens‹ Monade: OL I/2, S. 456–458. (Man kann diesbezüglich, auch für einen Vergleich mit B., anmerken, daß Luther, für den der wörtliche Sinn der Bibel das ist, was zählt, weder das Hohelied noch Origenes liebte; im übrigen liegt auch bei anderen protestantischen Autoren, so z. B. bei Melanchthon, eine distanzierte Haltung gegenüber der allegorisch-spirituellen Interpretation der Hl. Schrift vor). Es muß überdies auf die Überlegungen B.s – in Cena, Infinito, Spaccio – zur Historisierung des biblischen Textes und dessen ›Adaptierung‹ an das kulturelle Niveau der Nutznießer verwiesen werden (»die rohen und unwissenden Völker«; vgl. Infinito: BW IV, S. 77–81), für die eine sinnlich-bildhafte Sprache angemessener sei, um sich ein Bild himmlischer Freude zu machen. Es sei angemerkt, daß auch der Ausdruck »Geheimnis und […] Substanz der Seele« (»misterio e sustanza d’anima«) einen klaren Bezug auf die Lektüre des Hohelieds seitens Origenes’ beinhaltet, der die Brautleute allegorisch als göttlichen Logos und Seele des Gläubigen interpretiert hat. Der

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Ausdruck »sotto l’ombra« (»unter dem Schatten«) greift den vorhergehenden »sotto la scorza« (»unter der Schale«) auf (S. 11). 38  dove odi quelli occhi di colombe … da la montagna di Galaad: Vgl. Hld 4,1–4 u. 11; B. stellt eine Versauswahl aus dem dritten Lied vor, das dem Lob der Braut gewidmet ist, wobei er die Versreihenfolge, wie sie im Lied erscheint, nicht beachtet. Im Text ist B. kurz zuvor auf widersinnige Bilder eingegangen (»wie man Delphine auf den Bäumen der Wälder und Wildschweine unter den Klippen der Meere sehen kann«: S. 11), um zu betonen, daß seine Erörterungen über die Leidenschaft der Liebe natürlicher Art sind, obgleich sie keinen fleischlichen Gegenstand haben. Jetzt nimmt er auf die Metaphern der göttlichen Liebe im Hohelied Bezug (die Liebe des Bräutigams zur Braut, d. h. die Liebe Gottes zum Menschen); gewiß kühne Metaphern, die widersinnig erscheinen würden, wollte man ihnen eine ›natürliche‹ Bedeutung beilegen. B. liegt demnach daran, die Distanz seines Textes – der Gedichte wie auch ihrer Inspiration – sowohl zu einer profanen Lyrik, die das sinnliche Begehren idealisiert, als auch zu einer geistlichen Lyrik hervorzuheben, sei sie auch inspiriert wie die des Hohelieds, deren sinnliche Bilder, wenngleich es sich um schöne Metaphern handelt, sich als leer erweisen. Der Umstand, daß B. jene extreme Metaphern des dritten Lieds des Hohelieds mit der Präzisierung aufzählt, in ihnen sei »der metaphorische Sinn […] auf eine Weise kenntlich, daß er nicht als solcher geleugnet werden kann«, scheint mir, zusammen mit seinen weiteren, bereits angeführten Reflexionen, anzuzeigen, daß er die flüchtige Eigenschaft des Textes in den Vordergrund stellen möchte, der unterschiedlichen Interpretationen offensteht. Nicht zufällig hält er es kurz darauf für wichtig zu betonen, daß »die Leidenschaften jenes weisen Juden ihre eigenen Verfahren, Ordnungen und Titel haben, die niemand besser verstehen konnte und erklären könnte als er, wenn er zugegen wäre« (S. 13). Allein der Verfasser des Hohelieds könnte daher sagen, in welchem Sinne jene Verse tatsächlich zu interpretieren sind. 39  Ma in questo poema … et altre simili: Während B. zufolge im Hohelied der metaphorisch-allegorische Sinn auf einen transzendenten Bereich anzuspielen scheint, handelt es sich dagegen bei den Liebesmetaphern der Furori um Figuren, die in bezug auf die Seelenvermögen und einen inneren Zustand, der nicht von der »Gegensätzlichkeit« (contrarietà) absehen kann, auf den Umkreis der Natur verweisen (die Überlegungen B.s betreffen die aufsteigende Liebe, beziehen sich jedoch gleichzeitig auf die Frage, wie die absteigende Liebe zu verstehen sei). Auch wenn es sich in den Furori um eine in­tellektuelle Liebe zur Gottheit (das Unendliche) handelt, verweisen die Metaphern im Text nicht auf ein Jenseits, das sich außerhalb des unendlichen Universums befindet. Die Metaphern beziehen sich in der Tat auf die unendli-



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che Natur; es wäre also ein Irrtum, wollte man in ihnen jenen mystischen Sinn entdecken (»einen verborgenen und versteckten Sinn«), der sich im Hohelied findet. Die Bedeutung dieser Passage der Darlegung ist nicht selten mißverstanden worden. B. will eigentlich sagen, daß die Metaphern der Furori nichts mit einem transzendenten Gott zu tun haben, der sich ausnahmsweise gewissen Leuten offenbart habe, sondern mit einem deus in rebus, einer Gottheit, die beständig und generell in der Natur in Erscheinung tritt. Wie im Spaccio zu lesen ist: ein Gott, der »sich den Wirkungen der Natur mitteilt […] und die Seele der Weltseele (ist), wenn er nicht die Weltseele selbst ist« (BW V, S. 343; vgl. auch ebd., S. 333–357). Die erotisch-sinnlichen Metaphern des Hohelieds stellen eine Maske dar, gleich denen der Furori; die Metaphern im biblischen Lied betreffen jedoch die Sphäre des Glaubens, nicht die der Vernunft. Im Hinblick auf die aufsteigende Liebe handelt es sich im Hohelied nicht um einen allmählichen Erkenntnisprozeß (von den Sinnen zum Verstand), sondern im wesentlichen um eine mystische Erfahrung. Die Metaphern des Hohelieds, die sich auf die göttliche Liebe beziehen, können folglich nicht wie die der Furori dem »ordinario modo di parlare e de similitudini più accomodate a gli sensi communi, che ordinariamente fanno gli accorti amanti« entsprechen (vgl. Darlegung, S. 13). Diese Präzisierung betrifft die Verbindung zwischen »ombra« (Figur, Buchstabe) und »sustanza d’anima« (Geist) im Hohelied und in den Furori, d. h. den Horizont des allegorischen Sinnes in beiden Werken. Die Verwandtschaft zwischen B.s Aussage und der Betrachtung Dantes im Convivio (II, I, 4; Das Gastmahl (1965), S. 50 f.) ist frappant: »Allerdings verstehen die Theologen unter allegorischem Sinn etwas anderes als die Dichter. Doch will ich hier die Denkweise der Dichter befolgen und verstehe unter allegorischem Sinn das, was bei den Dichtern üblich ist«. Ein Berührungspunkt zwischen B. und dem Convivio betrifft den engen Zusammenhang zwischen Sinn (»den Empfindungen derer, die zu Cytheris […] und anderen sprachen«) und Verstand, zwischen Dichtung und Philosophie. Hinsichtlich der Passage der Darlegung hat Frances Yates angemerkt, daß das Vorgehen B.s »truly emblematic« sei, während dasjenige im Hohelied im eigentlichen Sinne »an allegorical meaning« habe (Yates: The Emblematic Conceit in Giordano Bruno’s »De gli eroici furori« and in the Elizabethan Sonnet Sequences [1943], in: dies.: Collected Essays, I (1982), S. 189; zum Vergleich bezieht sich Yates auf die dem amor sacro zugehörigen Embleme, die in einem Werk Otto van Veens aus dem Jahre 1615 vorliegen). Mir scheint, daß Yates diese Ansicht zu Recht vertritt, insofern sie eine grundlegende Differenz im Gebrauch der Metaphern zwischen dem Hohelied und den Furori herausstellt; insbesondere einen unterschiedlichen Abstand zwischen dem Zeichen (poetisch-gefühlsmäßiger Ausdruck) und der Bedeutung (theologische

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Perspektive und Perspektive eines »naturale e fisico discorso«). Die Überlegung Yates’ ist gerade durch ihren Einbezug der Begriffe von Allegorie und Symbol im Hinblick auf die Epoche der Renaissance und der nachfolgenden Diskussionen anregend. Doch würde ich eher dazu neigen, B.s Worte nicht unter dem Zeichen eines besonderen Nachdrucks auf der Differenz zwischen Symbol und Allegorie zu interpretieren, auch in anbetracht der ›Allegorie‹ im Schlußdialog der Furori. Was die Aufzählung der geliebten und von berühmten Dichtern besungenen Frauen, darunter die allbekannte Laura Petrarcas, betrifft (Darlegung, S. 13), ist anzumerken, daß der Name Lycoris von Cornelius Gallus der Schauspielerin Volumnia gegeben wurde, die den Künstlername Cytheres trug; Cynthia und Doris wurden von Properz, Lesbia und Corinna von Catull bzw. Ovid verewigt (vgl. für weitere Hinweise DI, S. 933 f., Anm. 3). Hier ist eine Erläuterung des Textes angebracht; im Erstdruck liegt folgender Wortlaut vor: »coloro che parlarono á Cithereida, ó Licori«. Giovanni Aquilecchia hat in seiner Ausgabe die Korrektur o Licori ▷ a Licori vorgeschlagen; vgl. Note philologique, in: OEI VII, S. CXXIII: »correction de F. Tocco, reprise par S. Bassi dans son édition, Rome-Bari, Laterza, 1985«, doch in der zitierten Ausgabe, die übrigens erst 1995 erschienen ist, steht auf S. 6: »o Licori«. Vgl. den Text in: OEI VII, S. 15 (dieselbe Korrektur findet sich auch in der zweiten Ausg. von OEI VII – Paris 2008 – sowie in: U II, S. 496). Ich halte diese Korrektur für überflüssig und wahrscheinlich falsch (wie gesagt, Cytheres und Lycoris bezeichnen dieselbe Frau, die Mimin Volumnia). Es ist rätselhaft, welche die ›Quelle‹ der von Aquilecchia vorgeschlagenen Berichtigung sein könnte. Vielleicht könnte der Briefwechsel Aquilecchias Anhaltspunkte dazu bieten, doch wird dies Aufgabe späterer Herausgeber sein. Ich möchte hinzufügen, daß die Korrektur o > a Licori (ohne Angabe der Berichtigung) auch in: Scritti scelti di Giordano Bruno e di Tommaso Campanella, a cura di L. Firpo (1965), S. 167 erscheint und daß Firpo in der Anmerkung die »Citereida« der Darlegung als Verweis auf die Bezeichnung der Venus versteht. Wahrscheinlich liegt dieses Mißverständnis der Angelegenheit zugrunde. 40  onde facilmente ogn’uno … definire come l’intendo e definisco io: Vgl. Dante: Convivio, I, I, 16–22 u. I, II, 17–21 (Das Gastmahl (1965), S. 15 f., 19 f.): »Im ›Neuen Leben‹ sprach ich über die Tage, die vor dem Eintritt in das Mannesalter stehen, das mir bei Abfassung dieses Werkes schon zerronnen ist. Da nun die wahre Absicht der genannten Kanzonen eine andere sein dürfte, als sie äußerlich anzeigen, so will ich sie neben der wörtlichen Darlegung mit einer allegorischen Erklärung versehen. […] Auch ist es meine Absicht, ihren wahren Sinn darzulegen; denn wenn ich ihn nicht offenbare, so vermögen ihn andere wohl nicht zu erkennen, da er unter der allegorischen Gestalt sich ver-



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hüllt. Wer dies vernimmt, wird nicht bloß etwas Angenehmes hören, sondern auch eine feine Anweisung, in gleicher Weise zu sprechen und die Werke anderer so auszulegen«. 41  s’abbia improntate l’ali e dovenuto eroici: B. spielt hier, wenn auch auf kritische Weise und in bezug auf die Liebe, auf das Thema der geflügelten, der Erhebung fähigen Seele an. Die Idee einer geflügelten Seele (der Schmetterlings-Seele), die schon im archaischen Griechenland vorlag, wird auf philosophischem Gebiet von Platon aufgegriffen, der auf die Flügel der Seele im Zusammenhang mit der bekannten und ziemlich unklaren Metapher von dem Zweispänner zu sprechen kommt, der von einem Wagenlenker geführt wird (vgl. Phaidros, 246a–249e, doch kommt das Motiv der Flügel auch an anderen Stellen des Textes vor). Bei der geflügelten Seele handelt es sich um ein in den Furori häufig wiederkehrendes Bild; B. präzisiert, daß es sich um »ali de l’intelletto e voluntade intellettiva« handelt (»mit den Flügeln der Vernunft und des von der Vernunft gelenkten Willens«: Furori, I, 3, S. 116 f.; vgl. II, 1, S. 268 f.). Er stützt sich vor allem auf die Interpretation Ficinos, der die platonischen Flügel als Verstand/intellectus – der zum Wahren strebt – und Willen – der zum Guten strebt – versteht (vgl. z. B. Theologia Platonica, Buch XVII, Kap. II, in: TP III, S. 157); die Flügel würden also die Seelenvermögen symbolisieren, welche die Gottheit den Menschen zugestanden hätte, um ihnen eine geistige Erhebung bis zur möglichen Gottwerdung selbst zu ermöglichen. Ficino zufolge, der im Hinblick auf den letzten Punkt die Position Averroës’ und der Averroisten scharf kritisiert, ist die vollständige Verwirk­ lichung eines solchen appetitus naturalis in diesem Leben nicht gegeben. Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch XIV, Kap. I–III, in: TP II, S. 247 ff. Vgl. zum Thema der »geminae alae« der Seele insbesondere Buch XIV, Kap. III sowie die ficinianischen Kommentare zum Gastmahl (El libro dell’amore (1987), S. 65 u. 214 f.; dort wird genauer dargelegt, daß die beiden Flügel mit einem natürlichen und einem übernatürlichen Licht verknüpft seien, während der Wagenlenker den den göttlichen Dingen zugewandten menschlichen Geist darstelle) u. zum Phaidros (Commentarium in Phedrum (1981), S. 77, 99). B., der diesbezüglich den Averroisten sicher näher steht als Ficino, bezieht sich auch in anderen Schriften auf das platonisch-ficinianische Bild der geflügelten Seele; vgl. z. B. Sigillus, wo von vortrefflichen Flügeln die Rede ist, welche die Natur einem jeden gewährt habe (OMNE II, S. 190). S. Immenso: OL I/2, S. 118, 313, für eine Kritik dieses Sinnbildes und anderer gleicher Art; im Mittelpunkt von B.s Kritik steht dort eine philosophisch-theologische Perspektive (der Platoniker, der Christen), die die Existenz einer das (unendliche) Universum transzendierenden Wirklichkeit (Hyperuranion, Empyreum) in Betracht zieht. Wie bereits aus der Passage der Darlegung hervorgeht, ist es kein Zufall,

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daß das Thema der »ali de l’intelletto e voluntade intellettiva« (Furori, I, 3, S. 117; mein Kursiv) in den Furori mit der heroischen Dimension des menschlichen Gemüts verknüpft ist. 42  come è possibile di convertir … a stiracchiar gli sentimenti: Vgl. dazu die Aussage des Gesprächspartners Smitho in Cena unter Verweis auf die Bibel und mit Kritik an der allegorischen Interpretation: »Ich habe große Achtung vor der Autorität der Bücher Hiob und Mose und kann mich leichter in ihre konkrete Ausdrucksweise finden als in eine übertragene und abstrakte, wenn auch einige Nachäffer des Aristoteles, Plato und Averroës, die sich zu Verkündern ihrer Philosophie aufgeschwungen haben, behaupten, es handle sich dabei nur um Metaphern, und die folglich im Eifer für ihre Philosophie alles aus dem Text herauslesen, was ihnen gefällt« (Cena: F, S. 176; U I, S. 527). Vgl. jedoch die bereits angeführte Präzisierung Teofilos: »Und man darf nicht bildlich nehmen, was nicht im übertragenen Sinne gemeint ist, und auf der anderen Seite nicht das für wahr halten, was nur als Gleichnis gesagt wird« (Cena: F, S. 174; U I, S. 525). 43  tutto essere in tutto disse il profondo Anassagora: Vgl. unter den verschiedenen Zeugnissen und Fragmenten, die Anaxagoras betreffen, DielsKranz 59 A 41 u. 59 B 3. B. verweist in seinen Schriften mehrfach auf diese Aussage; vgl. vor allem Causa: U I, S. 661 (BW III, S. 111) und die Anm. Aqui­ lecchias, S. 661 f. 44  ne gli Dialogi formati sopra gli seguenti articoli, sonetti e stanze: Der Text der Dialoge – die Diskussion und im wesentlichen die Erklärung (spiegazione) – entwickelt sich anhand der Artikel (articoli), die sich auf die primären Dichtungen beziehen, im Zusammenhang mit den Aussagen, d. h. den primären Dichtungen selbst, die die Kapitel/Paragraphen, d. h. die grundlegenden Themen definieren, auch was die Wahlsprüche der im Text diskutierten Impresen betrifft. (Vgl. zur Eigentümlichkeit der in den Furori vorliegenden Sonette – regelmäßige, unregelmäßige und Schweif-Sonette, zu denen am Ende des Werks drei Oden hinzukommen – Aquilecchia: Sonetti bruniani e sonetti elisabettiani (per una comparazione metrico-tematica) (1996), u. das Vorwort von Zaira Sorrenti zu Incipitario, tavola metrica e rimario, in: U II, S. 771–773.) Im hervorgehobenen Passus bezieht sich B. auch auf die folgenden Seiten der Darlegung (S. 19 ff.), in denen er die verschiedenen Artikel der Dialoge zusammenfaßt. Das Schema von Artikel und Erklärung, das implizit auch in den anderen italienischen Dialogen B.s verwendet wird, kommt in einigen seiner lateinischen Schriften explizit zum Tragen; so z. B. im Camoeracensis acrotismus (ein Werk, das 1588 in Wittenberg erschien und auf den zwei Jahre zuvor veröffentlichten Centum et viginti articuli adversus Peripateticos basiert) oder in den Articuli centum et sexaginta adversus mathematicos,



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die 1588 in Prag erschienen. Campanella hat übrigens später in der genannten Scelta d’alcune poesie filosofiche anstelle von spiegazione den Begriff esposizione verwendet, der in den sechs brunianischen Dialogen nur ein einziges Mal, und zwar in der Cabala (BW VI, S. 4) betreffs der Kommentare Origines’, vorkommt. 45  io voglio ch’ogn’un sappia … altre dame per gli suoi: B. führt seine Kritik der Lyrik Petrarcas – und generell des Petrarkismus – wie auch der Dichtung Bernis weiter aus (vgl. oben, Anm. 15). In der angeführten Passage ist die Polemik gegen diejenigen hervorzuheben, die, wie im ersten Dialog zu lesen ist, »besser zum Nachahmen als zum Erfinden geeignet sind« (Furori, I, 1, S. 47). Auch in bezug auf die widersinnigen Lobeshymnen, wie sie im 16. Jahrhundert in Mode waren, hebt B. diverse klassische Quellen hervor und nimmt ihre Imitatoren aufs Korn: die »scimie« (Affen). 46  un Orfeo circa il culto d’una donna in vita; e dopo morte …ricovrarla da l’inferno: Der Passus bezieht sich auf Petrarca und seine Gliederung des Canzoniere in zwei Teile: Verse zu Lebzeiten (in vita) und nach dem Tode (in morte) Lauras. Vgl. auch Anm. A 64. Da bei B. steht: »imitar […] un Orfeo«, könnte sich die Anspielung auch auf Imitatoren Petrarcas wie z. B. den Neapolitaner Berardino Rota (1509–1574) beziehen, dessen Lehrer gerade jener Marc’Antonio Epicuro war, dessen Cecaria B. dann in den beiden Schlußdialogen der Furori gewärtig ist. Vom aretinischen Dichter inspiriert, hatte Rota seinen Canzoniere in zwei Teilen konzipiert: Rime in vita und Rime in morte seiner geliebten Frau Porzia Capece. Die Dichtungen Rotas weisen obsessive Züge auf, die im zweiten Teil zunehmend mit düsteren Tönen überladen sind, die sich bis zur Schmerzenssehnsucht und zur Beschreibung der Schönheit des Schmerzes erstrecken. Mit Sicherheit kannte B. dieses dichterische Werk und aller Wahrscheinlichkeit nach auch Rota selbst, der des öfteren die Kirche von San Domenico Maggiore besuchte, wo er u. a. die Konzession zur Errichtung einer Kapelle für das Grabmal seiner Frau erstanden hatte, die mit 36 Jahren bei der Entbindung gestorben war; später wurde auch sein eigenes Grabmal in der Kapelle erbaut. Vgl. Rota: Rime (2000); ab Rima Nr. CXXIX (S. 324 f.) beginnen die Rime in morte mit folgendem einleitenden Sonett: »La bella donna che mi piacque e vinse, / che ’l ciel per alto ben mi diede in sorte, / cantai già viva in rime, e fu ben forte / e dolce e santo il nodo ove mi strinse. / Poiché del suo mortal Morte la scinse, / Morte, ch’a lei fu vita, a me fu morte; / ecco la piango e trovo in su le porte / del cor qual prima Amor ve la dipinse. / E piangerò fin che ne chiuda inseme / un sasso (o quando fia tosto quel g­ iorno?) / come ne chiuse il cor sola una chiave. / Piova la penna a queste carte intorno / lagrime dunque ognihor: conforto o speme / la vedova mia vita altro non have«. (»Die schöne Frau, die mir gefiel und mich besiegte, / die der Himmel

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mir als hohes Gut zuteil werden ließ, / besang ich schon zu Lebzeiten in Reimen, und es war sehr stark / und süß und heilig der Knoten, wo er mich umschloß. / Da der Tod sie von ihrer sterblichen Hülle löste, / war der Tod, der für sie Leben war, für mich der Tod; / so beweine ich sie also und finde in der Höhe die Pforten / des Herzens, das euch zuvor die Liebe beschrieb. / Und ich werde weinen, bis uns ein Stein zusammenschließt / (oh, wie bald wird dieser Tag kommen?) / so wie uns ein einziger Schlüssel das Herz schloß. / So regne die Feder auf diese Blätter / Tränen immerdar: anderen Trost oder Zuversicht / hat mein Witwerleben nicht«). Die Verse sind ein sehr passender Ausdruck dessen, was B. in den Furori anprangert. Bernardino Rota ist auch die Hauptfigur des folgenden Dialogs von Scipione Ammirato: Il Rota overo dell’imprese … (1562), eine der bedeutenderen Schriften über das Thema der Impresen (Ammirato hat auch die Rime Rotas kommentiert). Vgl. für Orpheus und Euridike Petrarca: Canzoniere, 323, 61–71 u. 332, 49–52 sowie Trionfi, Triumphus Cupidinis, IV, 13–15 u. 93. Vgl. zum Mythos des Orpheus, des erhabensten aller Dichter für die griechische Antike, Vergil: Georgica, IV, 454–527 u. Ovid: Metamorphoses, X, 1–77. 47  in far trionfo d’una perpetua perseveranza di tale amore: Der Begriff trionfo bezieht sich wahrscheinlich auf die Trionfi Petrarcas, insbesondere auf den Triumphus Cupidinis. 48  una cossì pertinace pazzia … in un cervello umano: Gleichwie Cupidos Fessel die stärkste aller Fesseln ist (s. OM, S. 398 u. vor allem S. 492 ff. vgl. Erasmus: Moriae encomium, 19) und die ›Manie‹ Aphrodites und Eros’ die vornehmste aller Manien, die im Phaidros (265b) untersucht werden, kann die erotische Besessenheit auch die »più pertinace pazzia« sein. S. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 187 f., 210, 216. 49  quella vanissima … gloria: Auch der Begriff gloria ist eine klare Anspielung auf Petrarca; vgl. Secretum, Buch III, wo Augustinus den Dichter daran erinnert, daß es zwei diamantene Ketten gebe, die seinen Geist fesseln: das Band der Liebe und die Sehnsucht nach Ruhm; im Gespräch mit Francesco fügt Augustinus hinzu: »Tibi autem ea carceris indicta lex est, ut nisi cathenas abieceris solutus esse non possis« (»Dir aber ist das Gesetz des Kerkers bestimmt, dem zufolge du nicht frei sein kannst, solange du die Fesseln nicht abgelegt hast« (vgl. auch den Begriff catene (Ketten), S. 15). Natürlich muß berücksichtigt werden, daß im Canzoniere der Name Lauras mit dem Lorbeer (lauro), dem Symbol dichterischen Ruhms, assoziiert wird (vgl. auch Familiarum rerum libri, II, 9). 50  quel tosco poeta che si mostrò tanto spasimare alle rive di Sorga per una di Valclusa: eindeutiger Bezug auf Petrarca, der zu den Laura gewidmeten Versen in Vaucluse (Valchiusa) inspiriert worden sei, wo sich die Quelle des



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Flusses Sorgue befindet: »in una chiusa valle, ond’esce Sorga« (»Im engen Tal, draus sich die Sorga windet«: Canzoniere (2002), 135, 93, S. 239; vgl. die allbekannte Canzone Chiare, fresche et dolci acque (In klaren, frischen Wogen, ebd., 126, S. 207). S. für die Bilder des ›geschlossenen Tals‹ und des ›Flusses‹ – »fiume che spesso del mio pianger cresci« (»O Strom, den oftmals meine Tränen schwellen«: Canzoniere (2002), 301, 2, S. 439) – auch die Sonette 116, 117, 303. Natürlich ist das Bild des hortus conclusus aus Hld 4,12 zu erwähnen, das sich bis zum Mittelalter auch als Symbol der Keuschheit Marias großer Beliebtheit erfreute: »hortus conclusus soror mea sponsa, hortus conclusus fons signatus« (»Ein verschlossener Garten (bist du), meine Schwester Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell«). In der Darlegung (S. 14 f.) kann man eine ziemlich pikante Anzüglichkeit betreffs des spasimare des Dichters und der Keuschheit Lauras ausmachen, die Petrarca in der Kirche der Hl. Klara von Avignon kennengelernt zu haben scheint. Giovanni Aquilecchia weist in diesem Zusammenhang auf eine ähnliche Anspielung auf »san Cresci in Valcava« (»den heiligen Crescentius im tiefen Tal«: Das Dekameron (1971), S. 159) im Decameron, II, VII, 109 hin (Aquilecchia: Appunti su Giordano Bruno e le donne (1999), S. 47); in der Novelle kann die Frau des armen Pericone jedoch sicher nicht als keusch bezeichnet werden, welche sich bald mit Marato tröstet, »col santo cresci in man che Dio ci diè« (»den uns von Gott geschenkten heiligen Crescentius in der Hand«: Das Dekameron (1971), S. 145 f.). Mir scheint, daß man gleichfalls die offensichtlich anzügliche Metapher aus Boccaccios Corbaccio erwähnen kann: »le donne sono ottime maestre e sensali di fare che messer Mazza rientrar possa in Valleoscura, donde dopo molte lagrime era stato cacciato fuori« (»die Frauen sind ausgezeichnete Lehrmeisterinnen und Kupplerinnen, auf daß Herr Stiel nach Dunkeltal zurückkehren kann, von wo er unter vielen Tränen verjagt worden war«) (Boccaccio: Elegia di madonna Fiammetta. Corbaccio (1988), S. 256; s. auch S. 273: »golfo di Setalia […] valle d’Acheronte« (›Setalia‹ ist das heutige Antalya in der Türkei). Vgl. auch Ninfale fiesolano, 245: »Ma poi che messer Mazzone ebbe avuto / Monteficalli, e nel castello entrato, / fu lietamente dentro ricevuto / da que’ che prima l’avean contastato; / ma poi che molto si fu dibattuto, / per la terra lasciare in buono stato, / per pietà lagrimò, e del castello / uscì poi fuor, umil più ch’un agnello«). ›Valclusa‹ bewahrt unter den anzüglichen Metaphern jedenfalls eine, man kann sagen, petrarkeske, ganz gewiß nicht boccacceske Eigentümlichkeit. Mit Sicherheit prangert B. in der Darlegung die Oberflächlichkeit einer poetisch-idealisierenden Maske eines tatsächlich fleischlichen Begehrens an; eine Heiligung und Sublimierung, die er als scheinheilig und unnütz betrachtet: »Ich will sagen, daß den Frauen, obgleich göttliche Ehren und Huldigungen ihnen manchmal nicht

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genug sind, nicht deshalb schon göttliche Ehren und Huldigungen gebühren. Ich will, daß die Frauen so geehrt und geliebt werden, wie Frauen geehrt und geliebt werden müssen« (Darlegung, S. 8 f.). B. ist der Ansicht, daß seine Argumentation – »naturale e veridico discorso« (»Ausführungen, die der Natur und Wahrheit entsprechen«) – den Beifall selbst der Frauen, jeder »reinen und ehrbaren Frau«, finden kann (ebd., S. 16 f.). 51  nodrir quella melancolia: Vgl. oben, Anm. 2 zum Titelblatt, Anm. 4 u. 5 zur Darlegung. 52  quella matassa: Vgl. Candelaio, BW I, S. 122, S. 218. 53  con esplicar gli affetti d’un ostinato amor volgare, animale e bestiale: Wie bereits erwähnt, ist B.s Polemik gerade gegen jenes esplicar gerichtet, d. h. das Besingen, seitens Petrarcas und seiner Anhänger, einer rein geschlechtlichen Leidenschaft unter dem Deckmantel einer idealen Liebe; die Dichtung der Anhänger Bernis stelle in ihrer Trivialität einen angemessenen Gegengesang dar. Hier ist der Begriff ostinato von Bedeutung, der die moralischen Implikationen eines Urteils über den tierischen Geschlechtstrieb betont. 54  gli altri ch’han parlato delle lodi della mosca … de la peste: Hier wird erneut auf die widersinnigen Lobgesänge Bezug genommen, ein Genre, das sowohl in Prosa- als auch Dichtungsform im 16. Jahrhundert bemerkenswerten Erfolg hatte; vgl. oben, Anm. 17 u. Anm. 45. Vgl. zum Lob der Fliege (bei Lukian aus Samosata) und des Esels Erasmus: Moriae encomium, Einleitungsschreiben und § 3. Für das Lob des Esels muß natürlich die Cabala del cavallo pegaseo. Con l’aggiunta dell’Asino cillenico herangezogen werden, ein Werk, das ebenfalls 1585, aber noch vor dem Druck der Furori erschien; B. greift dort den Exkurs Ad encomium asini auf, der in De incertitudine et vanitate scientiarum von Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim zu lesen ist – vgl. Agrippa von Nettesheim: Opera [1600], II, S. 241–244. Das Lob der Küchenschabe (scarafone) geht auf das bekannte erasmianische Adagium Scarabeus aquilam quaerit zurück: Adagia, 2601 (III, 7, 1); vgl. zu einer ungewöhnlichen Imprese – auf der eine Küchenschabe zu sehen war –, die von Anton Francesco Doni entworfen worden war und auf die auch Cesare Rao anspielt, Figorilli: Meglio ignorante che dotto (2008), S. 162 f. In dem Satz »haben in unserer Zeit […] gedichtet« (Darlegung, S. 15–17) bezieht sich B. vor allem auf die burlesken Kapitel in Terzinen Francesco Bernis – zum Lob der Pest, des Nachttopfs – und Giovanni Mauros, zum Lob von Priapos, der Saubohne, der Hungersnot, des Betts (»a star nel letto […] cosa divina«, schreibt Mauro Al suo padrone, ein Werk, das sich als Gegensatz zum ficinianischen Lob eines ›nackten‹ Sokrates erweist, der keine »piuma in lecto« hatte: El libro dell’amore, S. 181 f.). Bernis und Mauros Kapitel wurden im Laufe des 16. Jahrhunderts mehrfach zusammen mit den Dichtungen anderer Autoren veröf-



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fentlicht, angefangen von den beiden venezianischen Drucken aus dem Jahre 1537, die bei Curzio Navò erschienen. 55  quelle che son … lodabili: Wie z. B. Marie de Bochetel (»Rara avis«: BW III, S. 191; U I, S. 707), Frau des Botschafters Michel de Castelnau. B.s Lob der Frauen führt stufenweise von jenen (allgemeiner gelobte und lobenswerte Frauen) über einige von euren (die englischen Damen, die mit Nymphen verglichen werden) zu jener einzigen Diana (die englische Königin). Vgl. oben, Anm. 3 u. 21. 56  in questo paese Britannico, a cui doviamo la fideltà et amore ospitale: Auch wenn der Passus und insbesondere der darauffolgende Text ein Lob der englischen Damen darstellt, verweisen »Treue und Gastfreundschaft« (»fideltà et amore ospitale«) allgemein auf englische Persönlichkeiten, die dem Philosophen Wertschätzung und Freundschaft entgegengebracht hatten, wie z. B. John Florio, Matthew Gwinne und Alexander Dicson. Was letzteren betrifft, vgl., was B. im ersten Dialog von Causa schreibt: »jenen gelehrten, ehrenhaften, liebenswürdigen, wohlgeratenen und uns so treuen Freund Alexander Dicsono […], den der Nolaner so wie seine eigenen Augen liebt« (BW III, S. 71; mein Kursiv; vgl. auch ebd., S. 59, wo der englische Gesprächspartner Ar­messo – der wahrscheinlich mit Matthew Gwinne zu identifizieren ist, wie Frances Yates vorgeschlagen hat – von »unserem liebenswürdigen Vaterland« spricht). Meiner Ansicht nach ist außerdem der Satz aus der Darlegung zur »Treue und Liebe des Gastfreundes« insbesondere auf die Person Sidneys zu beziehen (vgl. oben, Anm. 3 zum Titelblatt), der B. seine großzügige Unterstützung auch nach den Auseinandersetzungen, die auf die Veröffentlichung der Cena de le Ceneri folgten, nicht fehlen ließ. Im Einleitungsbrief des Spaccio schreibt B., an Sidney gewandt: »so wie Sie […] sich vielen erweisen; und so wie Sie […] alle bedenken« (BW V, S. 5; vgl. BSP, S. 3 f. u. die Anm. S. 306–308). 57  questo … diviso da quello in tutto, come sapete: Bezug auf Vergil: Bucolica, I, 66: »et penitus toto divisos orbe Britannicos«; vgl. Causa: BW III, S. 58 f. (Britannien wurde im Altertum für das westliche Weltende gehalten). In der Darlegung zitiert B. unter Verweis auf den Schlußdialog der Furori den vergilianischen Vers, wobei er in diesem Fall allerdings auf eine Abgeschiedenheit metaphysischer Art anspielt, die die Weisheit betrifft, welche im Schoß der Gottheit angesiedelt sei (s. Darlegung, S. 36 f.). 58  alcune vostre … di sustanza celeste: Während es sich bei einem äußerst sinnlichen Abschnitt der Cena (U I, S. 446 f.; vgl. F, S. 84 f.) eindeutig um die verführerische Schönheit der jungen Engländerinnen handelt, obgleich er sich auf die »Musen Englands« bezieht – Aquilecchia hat den Abschnitt als »längere erotische Metapher« bezeichnet –, geht es dagegen in der Darlegung um die Tugenden einiger englischer Damen: »Sie sind […] Nymphen, Göttin-

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nen« (vgl. das »den höchst sittsamen und anmutigen Damen« gewidmete Sonett auf S. 41 sowie unten, Anm. 108, auch für eine Erwähnung von Penelope Devereux, die Frau, auf die Sidney in seinem Canzoniere hinweist). Es sei daran erinnert, daß auch Erasmus die englischen Mädchen als mit göttlicher Schönheit begabte ›Nymphen‹ bezeichnet hatte, jedoch in bezug auf ihre außerordentliche körperliche Anmut (vgl. den Passus eines Briefs an Fausto Andrelini, in: Opus epistolarum Des. Erasmi Roterodami, Bd. I (1906), S. 238 f.). Auch im Corbaccio wird, in einer ganz anderen Perspektive als der brunianischen, auf einen wesentlichen Unterschied unter den Frauen verwiesen, wobei ein dreistufiges Schema in Pyramidenform angewandt wird. Es bestehe ein Unterschied zwischen »dieser ehrwürdigsten und wahrhaften Frau« (d. h. der Jungfrau, »Himmelskönigin«, »jener einzigen Braut des Hl. Geistes«, die »quasi nicht aus der elementaren Zusammensetzung, sondern aus einer fünften Essenz geformt wurde«), den »wenigen«, die auf irgendeine Weise versuchen, der Madonna ähnlich zu sein, und all den anderen, die bei Boccaccio als »perverse Menge« bezeichnet werden (vgl. Boccaccio: Elegia di madonna Fiammetta. Corbaccio (1988), S. 243–245). 59  quell’unica Diana, che … non voglio nominare: Diana/Artemis (Göttin der Nymphen) so wie auch Cynthia und vor allem Astraea waren in der englischen Kultur der Zeit häufige Bezeichnungen für Elisabeth I. (vgl. F. Yates: Astraea: The Imperial Theme in the sixteenth Century (1975), S. 59). Die englische Königin wurde aufgrund ihrer Tugenden – Jungfräulichkeit, Klugheit/ Weisheit, Gerechtigkeit – mit der Mondgöttin verglichen: einem herrschaftlichen Mond, der sein Licht direkt von der göttlichen Sonne erhalten hat. In Anbetracht des Kontextes sagt B. in der Darlegung, daß er die englische Königin nicht in einer unausgesprochenen Aufstellung nennen wolle, eine Königin, die er hingegen in der Cena ausdrücklich genannt hatte: »Ich meine Königin Elisabeth, die an Namen und Würde keinem König nachsteht, und die es mit jedem, der auf Erden ein Zepter trägt, an Verstand, Weisheit, Rat und Regierung aufnehmen kann« (F, S. 121; U I, S. 477; vgl. ebd., S. 478 u. 581), sowie in Causa: »dieser göttlichen Elisabeth, die in England regiert […]. Im Vergleich zu dieser Dame kann man sagen: es gibt niemanden im ganzen Königreich, der würdiger ist, es gibt niemanden im ganzen Adel, der heroischer ist« (BW III, S. 81). Vgl. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 15, S. 189, u. Dok. 51, S. 249. Vgl. unten, Anm. 110. Aller Wahrscheinlichkeit nach schenkte B. Elisabeth I. ein Exemplar der Eroici furori, das bisher jedoch noch nicht aufgefunden worden ist. Hingegen wurden die Exemplare von vier weiteren italienischen Dialogen B.s ausfindig gemacht, die aus dem Besitz der Königin und in der Folge John Tolands stammen: Die Exemplare der Werke Cena und Spaccio werden zur Zeit in der Österreichischen Natio-



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nalbibliothek aufbewahrt, während die Exemplare von Causa und Infinito Teil der wertvollen brunianischen Sammlung Avraam S. Norov sind, die sich in der Rossijskaja Gosudarstvennaja Biblioteka, Moskau, befindet (vgl. Sturlese, Bibliografia, censimento e storia delle antiche stampe di Giordano Bruno (1987): Eintrag 7, S. 49, Nr. 39; Eintrag 8, S. 53, Nr. 20; Eintrag 9, S. 58, Nr. 19; Eintrag 10, S. 65, Nr. 29). Es gibt keine Zeugnisse darüber, ob Elisabeth I. B.s Lobreden mit Wohlgefallen aufgenommen hat. In England, wie vorher in Frankreich und dann in Deutschland, war der Philosoph aus Nola bekannt dafür, ein »universell gebildeter Mann, der allerdings überhaupt keine Religion hat« (»homo universale, ma che non haveva religione alcuna«), zu sein (vgl. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 8, S. 153), und insbesondere für seine nicht allzu verhüllte Kritik am Christentum  – Katholizismus und Protestantismus  – und am Judentum. Dem Philosophen war auf britischem Boden übrigens eine vielsagende Botschaft Henry Cobhams, des englischen Botschafters in Paris, an Francis Walsingham, erster Sekretär der Königin, vorausgeeilt: »Il S.r Doctor Jordano Bruno Nolano, a professor in philosophy, intendeth to pass into England; whose religion I can not commend« (vgl. Aquilecchia, Giordano Bruno in Inghilterra (1995), S. 22–24). Wenn man Giulio Cesare Lagalla Glauben schenken will, soll selbst Elisabeth  I. B. für frevelhaft und gottlos gehalten haben. Anläßlich der Erörterung der atomistischen Anschauung einer unendlichen Vielheit von Welten schreibt Lagalla: »Neque aliis umquam placuit haec sententia, quam Protagorae aut Diagorae aut Theodori similibus; e quorum numero fuit Brunus, novissimus huius sententiae assertor, qui ab Elisabetha Angliae ἄπιστος καὶ ἀσεβὴς καὶ ἄθεος cognominari meruit« (»Noch hat diese Lehre jemals anderen gefallen als Protagoras, Diagoras oder Theodorus und Gleichgesinnten; zu diesen zählte Bruno, der jüngste Befürworter dieser Lehre, der von Elisabeth von England als ungläubig, ruchlos und gottlos bezeichnet zu werden verdiente«: Lagalla, De phoenomenis in orbe Lunae … disputatio (1612), S. 25). Die Unterstellung des Arztes und aristotelischen Philosophen blieb unbestätigt. Lagalla war im Dienst von Giulio Antonio Santori (oder Santoro) gewesen, des ›Großinquisitors‹ von Rom, der B. während des Prozesses des Sant’Uffizio äußerst feindselig gegenüberstand; es ist sicher, daß Santori bei der Verurteilung des Philosophen zum Feuertod eine entscheidende Rolle spielte. Der Passus aus dem Text Lagallas beruft sich auf einen ganz bestimmten Punkt des Urteilsspruchs über B. vom 8. Februar 1600: »Et essendosi [anco] havuto notitia che nel Santo Offitio di Vercelli eri stato denunziato, che mentre tu eri in Inghilterra eri tenuto per ateista« (»Und da [auch] bekannt geworden ist, daß du im Sant’Uffizio von Vercelli angezeigt worden warst, da du, als du dich in England aufgehalten hast, für einen Atheisten gehalten wurdest«: Firpo:

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Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 66, S. 341; vgl. anche Dok. 69, S. 347). 60  tai supposti: ›supposti‹ im Sinne von suppositi, ein Begriff, dem »persone« kurz zuvor zugeordnet ist. Vgl. oben, Anm. 10. 61  de maniera che … l’anima intellettiva: B. gibt erneut zu verstehen, daß nicht so sehr der Mensch als der »sinnlichen Begierde« verfallenes Tier Gegenstand seiner Kritik ist, sondern vielmehr diejenigen, die im Namen des »amor venereo« die kulturelle Fahne schwenken. Letztere unterwerfen den eigenen Verstand einem Gegenstand, der »allen Geistes bar« ist (»cosa […] destituta d’ogni ingegno«; Darlegung, S. 4 f.), indem sie das Erhabenste im Menschen versklaven, das fast etwas Göttliches hat: die intellektive Seele, von der B. in De la causa sagt, sie sei nicht »irgendein Teil des Menschen«, der »›Mensch‹ genannt werden könnte oder Mensch sei« (Causa: BW III, S. 119). 62  nostro naturale e veridico discorso: vgl. Darlegung, S. 10 f., wo B. präzisiert, daß sein Denken die natürliche und physikalische Welt betrifft (»mio naturale e fisico discorso«). 63  mi protesto … è d’apportare contemplazion divina: schon im Einleitungsbrief des Spaccio war B. auf »questa tessitura« (d. h. den Text der Eroici furori) zu sprechen gekommen, wobei er auf ein »künftiges Werkstück« anspielt, »da ich beabsichtige, die Moralphilosophie dem inneren Licht entsprechend zu behandeln, das die göttliche Sonne des Intellekts in mir erstrahlen ließ und erstrahlen läßt, […] wenn künftig die Musik gespielt, das Bild gestaltet, das Gewebe gewebt und das Dach aufgerichtet wird« (Spaccio: BW V, S. 13–15). 64  furori non de volgari, ma eroici amori, ispiegati in due parti: Der Frage der Gliederung der Furori in zwei Teile haben sich verschiedene Forscher angenommen. Die Unterteilung wurde im Sinne eines Unterschiedes zwischen der Suche nach Vereinigung mit einem transzendenten Gott im ersten Teil – die ein »vergeblicher Versuch« sei – und der Entdeckung der Immanenz des Göttlichen im zweiten Teil interpretiert (vgl. Aquilecchia: Bruno e Leone Ebreo (2004), S. 36: »es ist möglich, [in den Furori] einen Leitfaden zu erkennen, der im Ausgang vom vergeblichen Versuch der Vereinigung mit einem transzendenten Gott (vor allem im ersten Teil des Werks) zur Entdeckung des Göttlichen im Menschlichen ebenso wie im unendlichen Universum (im zweiten Teil) vorzudringen scheint«). Vgl. zu einigen Zweifeln an dieser Interpretation sowie allgemein hinsichtlich des Problems der Werkgliederung in zwei Teile Patrizia Farinelli: Il Furioso nel labirinto. Studio su »De gli eroici furori« di Giordano Bruno (2000), S. 265–270. Die Autorin bemerkt u. a.: »Ich bin eher geneigt, anzunehmen, daß eine solche Aufteilung in Ersten Teil und Zweiten Teil im Verlauf der Abfassung des Werks entstanden ist, nachdem der



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Autor bereits an einer anderen Struktur orientiert war. […] Vielleicht erweitert sich das Projekt während der Abfassung, es tritt die Notwendigkeit ein, der Abhandlung mehr Details hinzuzufügen. Damit wächst die Anzahl der Dialoge, doch der Autor behält weiterhin eine Unterteilung in fünf Dialoge bei. Die Gliederung in zwei Teile hätte in diesem Fall keine tieferen Gründe« (ebd., S. 269). Hierzu muß näher erläutert werden, welcher Zeitraum unter der Abfassungszeit des Werks zu verstehen ist, das 1585 erschien (vielleicht im Sommer: vgl. oben, Anm. 4 zum Titelblatt). Zu berücksichtigen ist, daß B. im Text aller Wahrscheinlichkeit nach Materialien benutzt hat, die auf einen dem Erscheinungsjahr vorausliegenden Zeitraum zurückgingen. Dabei beziehe ich mich nicht nur auf die Sonette, die der Autor selbst als zuvor verfaßt angibt. Es ist jedenfalls schwierig, sich eine Texterweiterung »während der Abfassung« vorzustellen, die eine Verdoppelung der anfangs vom Autor vorgesehenen Dialoge mit sich brachte (es sei hinzugefügt, daß im Druck der Erstausgabe der erste Teil des Textes insgesamt 127 Seiten, der zweite 119 umfaßt), ganz zu schweigen von der Tatsache, daß einige Dialoge des zweiten Teils – vor allem der vierte und fünfte – eine Besonderheit im konzeptuellen Aufbau des Werks aufweisen. Meiner Ansicht nach ist die Wahl B.s, den Text in zwei Teile zu gliedern, keine zufällige und ist daher nicht auf die Notwendigkeit einer wie auch immer gearteten nachträglichen ›Adaption‹ zurückzuführen. Sicher »kann man feststellen«, wie Farinelli schreibt, »daß einige Elemente der Symmetrie zwischen dem ersten und zweiten Teil bestehen«, und auch die Überlegung scheint angebracht zu sein, daß es B.s Absicht gewesen sei, »Übereinstimmungen zwischen dem ersten, relativ einheitlichen Teil und dem zweiten zu schaffen, in dem jedoch eine sehr starke Variation vorhanden ist« (ebd.; was diese Variation betrifft, sei darauf hingewiesen, daß man schon im Hinblick auf die Gesprächspartner der Dialoge des Werks von zwei Gesprächspartnern im ersten Teil  – Tansillo und Cicada  – auf acht im zweiten Teil kommt, die folgendermaßen verteilt sind: Cesarino und Maricondo/a in den ersten beiden Dialogen, Liberio und Laodonio im dritten Dialog, Severino und Minutolo im vierten und schließlich Laodomia und Giulia im fünften). Ich halte es jedoch für etwas verkürzend, eine solche Suche nach Symmetrie ausschließlich auf einer formalen Ebene als »Notwendigkeit des Autors, seiner Schrift ein Gleichgewicht zu verleihen«, sowie als »Absicht, seiner Schrift, die schneller als vorgesehen anwuchs, einen größeren inneren Zusammenhang zu geben«, zu interpretieren (ebd., S. 269 f.). In einem früheren, den Furori gewidmeten Beitrag habe ich auf eine mögliche Verbindung zwischen der zweiteiligen Struktur des Textes und dem Thema der Diade oder Dualität aufmerksam gemacht, das im Werk in einer ganz bestimmten philosophischen (physisch-metaphysischen) Perspektive wiederkehrt, die auf die neuplato-

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nisch-neupythagoreische Tradition verweist: »Bruno schlägt zwei Gesänge statt der drei dantesken vor, da er in den Furori – unter Ablehnung der christlichen Theologie und Eschatologie – zusammen mit einer bestimmten Idee des Todes (als Vernichtung, ›annihilazione‹) den Begriff der Hölle auszuschließen beabsichtigt, des Reichs des Hades/Pluto, das von den Reichen Jupiters und Okeanos’ absorbiert wird« (Canone: Magia dei contrari (2005), S. 83 f.). Was die Ausführungen Farinellis betrifft (ebd., S. 265), würde ich es nicht ausschließen, daß B. auch von der Zweiteilung des Canzoniere Petrarcas inspiriert worden ist, allerdings unter Umkehrung der Perspektive, denn B. liegt daran, die terminologisch-begrifflichen Elemente der Kontinuität zwischen den Dialogen der beiden Teile hervorzuheben. (Hier ist auch die Entscheidung bedeutsam, den beiden Teilen des Werks dieselbe Anzahl an dichterischen Kompositionen, 34, beizufügen). Wie bekannt, entspricht die Gliederung im Canzoniere in der Hauptsache Versen ›zu Lebzeiten‹ (1–263) und ›nach dem Tode‹ Lauras (264–366). Es ist darauf hinzuweisen, daß eine entspechende Zweiteilung auch im Canzoniere Bernardino Rotas zum Ausdruck kommt: Rime in vita u. Rime in morte der Porzia Capece (vgl. Anm. A 46). Während es sich im Werk Petrarcas also um eine Nähe handelt, die sich nach dem Verlust der geliebten Person in ein melancholisches Gedenken seitens des Liebenden verwandelt, ist in den Furori hingegen von einer Suche nach dem geliebten Gegenstand die Rede, die auch dank des Gedächtnisses – als geistiges Mittel sowie als historisch-kulturelles Vermächtnis – dazu führt, daß der Liebende zu einer tatsächlichen Erfüllung gelangt. 65  Nel primo dialogo … son cinque articoli: S. oben, Anm. 44. Es handelt sich um die traditionelle Gliederung eines Textes in Artikel und Erklärungen, die in einigen Schriften B.s explizit vorliegt. Wie bereits angemerkt, steht in den Furori die Unterteilung in Artikel in engem Zusammenhang mit den primären Sonetten (vgl. oben, Anm. 2 zum Titelblatt); von daher beziehen sich die Angaben »der vorliegende Artikel« und »im folgenden Artikel« (Furori, I, 3, S. 112 f.; II, 1, S. 256 f.) auf die Sonette. Die »cinque articoli« im ersten Dialog des ersten Teils entsprechen folglich fünf Sonetten, deren Incipits wie folgt lauten: Muse che tante volte ributtai; In luogo e forma di Parnaso ho ’l core; Chiama per suon di tromb’ il capitano; Amor, sorte, l’oggetto e gelosia; Premi (oimè) gli altri, o mia nemica sorte (S. 42, 50–54, 56, 66–68). Überdies ist darauf hinzuweisen, daß B. in der Darlegung von ›Artikeln‹ nur im Hinblick auf die Dialoge des ersten Teils des Werkes spricht, während er sich hinsichtlich der Gliederung der Dialoge des zweiten Teils (vor allem des ersten Dialogs) direkt auf die Sonette bezieht: »In dessen erstem Sonett wird sein Zustand unter dem Rad der Zeit beschrieben. Im zweiten verteidigt er sich […]. Im dritten klagt er […]« (S. 25).



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66  Nel primo si mostrano … sotto nome e figura del monte, e del fiume, e de muse: Die Passage bezieht sich auf die ersten beiden Sonette (S. 42 u. 50–54),

in denen die Metaphern monte, fonte und Muse auftauchen, die jeweils cuore/ affetto, occhi/lacrime und pensieri/bellezze entsprechen. B. erläutert: »In diesem Berg entbrennt das Gefühl; durch diese Schönheiten empfängt man die Leidenschaft, und in diesen Tränen zeigt sich das leidenschaftliche Gefühl« (S. 53; vgl. S. 51–53). Für den Philosophen aus Nola heißt dies, daß das Gefühl auf die Gedanken folgt, so wie der Wille auf den Verstand (intellectus) folgt (vgl. Furori, I, 3, S. 106 f.; II, 3, S. 340 f.); diese Gedanken entsprechen der species intelligibilis der Gottheit als unendlichem Universum, das die unendlichen Gestirne umfaßt: die Musen, die »Diven«, die »Schönheiten«. Bezüglich des ersten Artikels des Dialogs der Furori ist auf die Anrufung der Musen in der ersten Rede des Sokrates über die Liebe im Phaidros, 237a, zu ver­weisen. 67  la divina luce è sempre presente … potenze cognoscitive et apprensive: Die göttliche Weisheit, d. h. jene Sonne der Intelligenz, die auf dreifache Art betrachtet werden kann: »erstens im Wesen der Gottheit; zweitens in der Weltsubstanz, die ein Abbild der letzteren ist; schließlich im Licht des Bewußtseins jener Wesen, die am Leben und an der Erkenntnis teilhaben« (»Primo in essentia divinitatis, secundo in substantia mundi, qui est imago illius, tertio in luce sensus eorum, quae vitam et cognitionem participant«). Während B. zufolge die Weisheit im Hinblick auf die erste Art völlig von den Dingen losgelöst ist, ist sie in der Natur ganz offenbar, »an der Oberfläche und im Körper aller Geschöpfe: überall schreit sie, an jedem Ort hört man ihre Stimme« (»in superficie et corpore omnium creaturarum, ubique enim clamat, undique auditur vox illius«), so, wie sie »unserem Geist innewohnt, sitzt sie im Heck unserer Seele« (»est insita spiritui nostro, sedet in puppi animae nostrae«; vgl. Oratio valed.: OL I/1, S. 13 f.). S. auch Imaginum: OMNE II, S. 487: »Die Totalität dieses Lichtes ist unserer Intelligenz gegenwärtiger, klarer und offenbarer, als das Sonnenlicht den äußeren Augen sein kann« (»Haec tota lux magis est praesens, clara et exposita nostrae intelligentiae quam externis lux solis exposita possit esse oculis«). Vgl. Immenso: OL I/2, S. 315 f. In der Darlegung und im ersten Dialog der Furori betrifft der Diskurs über das immer gegenwärtige Licht auch die Musen, von denen B. sagt, er habe sie in früherer Zeit verjagt, da sie »aufdringlich« gewesen seien: S. 43, u. vgl. auch den Passus der Darlegung: »die sich mehrfach zur Unzeit angeboten haben« (S. 19). Im ersten Dialog der Furori – »Musen […] laufet ihr herbei in meinem Schmerz, um […] mich zu trösten«, »da er nichts anderes hatte, um sich zu trösten«: S. 43, 45 – bezieht er sich, wenngleich in einer Perspektive, die einer Umkehrung gleichzukommen scheint, auf den Beginn von De consolatione philosophiae des Boethius, worauf ich bereits andernorts hingewiesen habe (Canone: Magia dei

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contrari (2005), S. 69 f.). Aller Wahrscheinlichkeit nach berücksichtigt B. auch die Rolle, die das Buch Boethius’ bei Dante spielt: »mit dem er sich in Gefängnis und Verbannung getröstet hatte« (Dante: Das Gastmahl (1965), II, 13, S. 84). Eine bedeutsame autobiographische Verflechtung der Aussagen B.s in der Darlegung – »Musen, […]die sich mehrfach zur Unzeit angeboten haben«: S. 19; »Durch verschiedene Wechselfälle und Hindernisse geschieht es oft, daß dies Licht ausgeschlossen und außen zurückgehalten bleibt«: S. 19 – wird im Text klargestellt: Furori, I, 1, 43–45 (es sei bemerkt, daß der Ausdruck »Durch verschiedene Wechselfälle und Hindernisse« (»per varie occasioni et impedimenti«) einen Verweis auf die Kritik der im Dialog aufs Korn genommenen »regolisti« impliziert: ebd., S. 47). Verschiedenen Passagen der italienischen Dialoge sowie des Candelaio (vgl. z. B. die in U I, S. 284 zitierten Verse, die Vincenzo Spampanato in seiner Ausgabe des Candelaio – Bari 21923, S. 30, Anm. 2 – sinnvoll mit der Oktave der Furori, II, 1, S. 269 in Verbindung setzt) kann man entnehmen, daß B. in seiner Jugend der Dichtung sehr zugetan war. In den Furori scheint er sich auf die Studienjahre im neapolitanischen Kloster San Domenico Maggiore – sowie auf die Rügen seitens der Oberen – zu beziehen, doch geht B.s Leidenschaft für die Poesie wahrscheinlich auf das nolanische Umfeld in Verbindung mit seiner Vorliebe für die Lyrik Luigi Tansillos zurück (aus Venosa gebürtig, doch Wahlnolaner), der in der Rolle des Sprechers des Philosophen als Hauptgesprächspartner der fünf Dialoge des ersten Teils der Furori auftaucht. Es wurde auch die Annahme geäußert, daß Giovanni Bruno, Vater des Philosophen und »uomo d’arme«, Tansillo persönlich gekannt haben könnte, der ebenfalls von Beruf Soldat war, Mitglied des Gefolges des spanischen Vizekönigs Pedro de Toledo  – einer Leibgarde, die aus hundert zu gleichen Teilen spanischen und neapolitanischen Kavalieren bestand – und in verschiedenen militärischen Unternehmungen im Gefolge dessen Sohnes García de Toledo y Osorio beschäftigt. Dank der Forschungen Vincenzo Spampanatos wissen wir, daß B.s Vater ab 1560 der bewaffneten Kompanie Baldassarre Acquavivas, des Fürsten von Caserta, angehört hatte, später den Truppen Gonzalos Fernández de Córdoba und Ascanio Pignatellis; Giovanni Bruno stand nachweislich bis 1582 im Dienst des letzteren (vgl. V. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), I, S. 18–20, 35–45; II, S. 807–840). Aus den verschiedenen Zeugnissen geht nicht hervor, ob B. die dichterischen Versuche seiner Jugend in großer Wertschätzung hielt, die einen tragikomischen Zug gehabt haben müssen, wie er selbst zu verstehen gibt. Jedenfalls wird im ersten Dialog der Furori den traditionellen, für ihn unerträglichen Musen (die er mit der nicht gerade schmeichelhaften Bezeichnung »Hurenmusen vom Helikon« und »hurengleiche Musen des Parnaß« apostrophiert: Candelaio: BW I, S. 27, Causa: BW III, S. 41, in dem Sinne, daß sie sich jedem



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hingeben würden, der ein Lob spendet) eine »eigene Muse« entgegengesetzt, also gerade nicht ein »Affe fremder Muse«: Furori, I, 1, S. 46 f. 68  En ipse … per fenestras: Hld 2,9: »en ipse stat post parietem nostrum despiciens per fenestras prospiciens per cancellos« (»Sieh da, nun steht er / hinter unserer (Haus)wand. / Er schaut zum Fenster herein; / er lugt durch das Gitter«). Im Hohelied spricht die Braut, die für B. die Seele des Menschen im Gegensatz zur Gottheit als Weltseele verkörpert. Der christlichen Interpretation des Hohelieds zufolge stellt derjenige, der zum Fenster hereinschaut, d. h. der Bräutigam, Christus dar; vgl. Origenes: Commentarius in Canticum Canti­corum (1925), III, S. 216 ff.; ders., Homiliae in Canticum Canticorum (1925), II, 12, S. 57 f.; Gregor von Nyssa: Homiliae in Canticum Canticorum (1960), V. 69  Nel secondo articolo … nell’anima … la inalze e la converta in Dio: »Musen, […] Verwandelt meinen Tod in Leben, […] meine Höllen in Himmel: bestimmt mich also für die Unsterblichkeit« (Furori, I, 1, S. 50 f.); das Thema der Verwandlung der individuellen Seele zu etwas Göttlichem wird in den folgenden Dialogen entwickelt. 70  Nel terzo il proponimento … circa l’uno, perfetto et ultimo fine: In der Darlegung besteht ein Zusammenhang zwischen dem dritten und vierten Artikel (d. h. dem dritten und vierten Sonett) des ersten Dialogs. Dieser Zusammenhang betrifft auch den Dialogtext, und in dem Werk taucht des öfteren eine Verbindung zwischen unterschiedlichen Sonetten und Erklärungen auf. Der angeführte Passus bezieht sich insbesondere auf Punkt 2 des dritten Sonetts – »Ein einziges Objekt betrachte ich; / […] und kenne fortan nur ein einziges Paradies« – und der entsprechenden Erklärung (S. 52–55). 71  Nel quarto la guerra civile che séguita: Vgl. die vorhergehende Anm. betreffs der Verbindung zwischen drittem und viertem Artikel. Das Thema des »Bürgerkriegs« – des inneren Konflikts – wird bereits im dritten Sonett und der dazugehörigen Erklärung angesprochen (vgl. S. 52–57). Vgl. zum vierten Artikel vor allem S. 56–61 u. 64–67. 72  e si discuopre contra il spirito dopo tal proponimento: Vgl. Spaccio: BSP, S. 18–20 (BW V, S. 25–27). 73  Noli mirari … in vineis: Hld 1,6 (im Hohelied spricht die Braut): »nolite me considerare quod fusca sim quia decoloravit me sol / filii matris meae pugnaverunt contra me / posuerunt me custodem in vineis« (»Schaut nicht auf mich herab, weil ich dunkel bin; / denn die Sonne hat mich verbrannt! / Meiner Mutter Söhne grollten mir; / sie machten mich zur Weinbergshüterin«). Vgl. Origenes: Commentarius in Canticum Canticorum (1925), II, S. 125 ff.; ders., Homiliae in Canticum Canticorum (1925), II, 6, S. 35 ff.; Gregor von Nyssa: Homiliae in Canticum Canticorum (1960), II.

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74  l’Appulso fatale … et il Rimorso: Die Begriffe ›appulso fatale‹ und

›rimorso‹ tauchen im Dialogtext nicht auf, wo jeweils von »sorte« (Schicksal) und »disposizion fatale« (schicksalhafte Fügung), von »tormento« (Qual) und »gelosia che la tormenta« (Eifersucht, die sie [die alma, leidende und fühlende Substanz] quält) gesprochen wird. 75  in questo composto: das »zusammengesetzte Subjekt«, der »zusammengesetzte Leidenschaftliche«. Kurz darauf (S. 21) spricht B. unter Verweis auf die heterogenen Elemente, die zu Teilen des compositum werden, von der »Sustanz des so zusammengesetzten Leidenschaftlichen«. B. betont wiederholt, daß die Seele kein Teil des Zusammengesetzten sei (vgl. z. B. Spaccio: BSP, S. 13–15; BW V, S. 17–19), und bezieht sich auf die einzige, allgemeine und unteilbare Seele: Substantialität und wahre Individualität (individua substantia) betreffen die Seele in der Tat als vereinigendes Band des Universums. Wie Felice Tocco in einem 1891 erschienenen Buch angemerkt hat, werden bei B. »die Individualseelen […] als Blitzschläge des Weltgeistes angesehen, die in derselben Lichtquelle verlöschen, aus der sie hervorgingen«. Die Individualseelen besäßen daher eine indirekte Substantialität; richtig ist, wie Tocco schreibt, daß »die Individuierung der Seele für B. allenfalls eine vorübergehende Tatsache ist, die in der unendlichen Abfolge der Zeit von keiner größeren Beständigkeit und Dauer als ein Augenblick ist«; was jedoch das zusammengesetzte Ding anbelangt, betrifft das Lebens- und Intelligenzprinzip dessen bedeutsame Zeitlichkeit, d. h. diejenige, die Auswirkungen auf die Welt des Menschen, auf die Kultur und die Geschichte hat (F. Tocco: Le opere inedite di Giordano Bruno (1891), S. 71 u. VII; vgl. zu diesen u. anderen Bezügen Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno. Percorsi della filosofia di Giordano Bruno (2003), S. 223–226). 76  Nel quinto … ogni diversità a l’unità: Furori, I, 1, S. 68 f. B. sagt abschließend, daß es sich um eine »Herrschaft der Liebe« handele. 77  la qual dottrina … altri dialogi: Vgl. vor allem Causa: U I, S. 736–744; BW III, S. 248–260. Im Hinblick auf das zusammengesetzte Ding hält die Seele – welche dieselbe Funktion wie die Liebe ausübt – das, was getrennt ist, d. h. die gegensätzlichen Elemente, zusammen (s. Furori, I, 4, S. 157 f.). Vgl. Spaccio: BSP, S. 12–16, 34 f.; BW V, S. 17–21, 47–49. Betreffs der Gegensätze betont B. in De vinculis, daß der Haß (odium) selbst in der Substanz der Liebe enthalten sei: OL III, S. 696. Das, was als odium bezeichnet wird, stellt ein Prinzip der Differenz und Verwandlung der zusammengesetzten Individuen zur Arterhaltung in der Pespektive des All-Einen dar, ›unendliche Umgebung‹ der Vielförmigkeiten und Unterschiede. Wir befinden uns immer noch in der Perspektive von De la causa, dem zufolge die Gegensätze zeitliche Existenz haben, während in der Ewigkeit die Einheit der Substanz und die Vor-



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herrschaft der Bindung der Einheit Gültigkeit haben, d. h. der Bindung der Weltseele (amor), die im Schoß der Materie wirkt. Das heißt, daß die Metamorphose der Einzelwesen – B. spricht nicht von Tod, sondern von Metamorphose – notwendig ist: das, was als zersetzendes Prinzip erscheint, folglich als Gegensatz zur vereinenden Bindung der Liebe, ist notwendig ein gegensätzliches Prinzip, insofern die Wirkursache »die Vervollkommnung des Universums« zum Ziel hat, »die darin besteht, daß alle Formen in den verschiedenen Teilen der Materie eine aktuale Existenz besitzen« (»la perfezzion dell’universo: la quale è che in diverse parti della materia tutte le forme abbiano attuale esistenza«: Causa, BW III, S. 100 f.). 78  Nel secondo dialogo … del furioso: B. spricht von »Wunden […], die sich als Anzeichen am Körper und in ihrer Substanz oder ihrem Wesen in der Seele finden« (Furori, I, 2, S. 70 f.). Vgl. oben, Anm. 75. 79  nel primo articolo … da tal contrarietade: Hier die Incipits der drei Primärsonette des zweiten Dialogs des ersten Teils: Io che porto d’amor l’alto vessillo; Ahi, qual condizion, natura, o sorte; Pastor. Che vuoi? Che fai? Doglio. Perché? (Furori, I, 2, S. 70, 78, 82). Die drei Artikel behandeln das Thema der Gegensätze: »Zweitens bestehen alle Dinge aus Gegensätzen. An dieser Zusammensetzung in den Dingen liegt es, daß unsere Gefühle niemals zu einem Genuß ohne eine gewisse Bitterkeit führen. Ich behaupte sogar und unterstreiche noch, daß es, wenn keine Bitterkeit in den Dingen wäre, keinen Genuß gäbe« (ebd., S. 73). Vgl. Spaccio: BSP, S. 33–35; BW V, S. 47–49. Der zweite Dialog des ersten Teils der Furori ist wichtig wegen der Absetzung der heroischen Liebe, die, wie auch der heroische Furor, eine »Qual« sei – »ein Laster, das ein gottähnliches Subjekt […] befällt«, ja, ein »doppeltes Laster« (Furori, I, 2, S. 73, 77, 81) – von der aristotelischen Lehre der rechten Mitte, der zufolge eine tugendhafte Handlung ein Mittelweg zwischen Extremen sei (vgl. Ethica Nicomachea, II, 1004a11–1007a6; VII, 1145a15–1145b20). Jener Zustand der Mittigkeit, d. h. der »temperanza della mediocrità« (»Mäßigung des Mittelwegs«), wie B. schreibt, sei dem Weisen eigen, der sich »im Zustand der Gleichgültigkeit« befindet (Furori, I, 2, S. 76 f.). Diesem Zustand ist die Lage des furioso entgegengesetzt, des furioso composto, dessen »Seele […] im Widerstreit der äußersten Gegensätze« liegt; eine Lage, die mir auf angemessene Weise das Bild eines ›modernen‹ Weisen darzustellen scheint, der keine absoluten Gewißheiten und Zielsetzungen kennt. Ein Liebhaber der Weisheit, der ausreichende Befriedigung in seiner Suche findet, die ohne Ende ist; ein Mensch der Moderne, den man bei dieser Suche ohne weiteres eher als dionysisch denn als apollinisch bezeichnen mag. Der zweite Dialog des ersten Teils der Furori ist wahrscheinlich der erasmianischste des Werks, in dem B. der aristotelischen Theorie der rechten Mitte die Reflexion aus der Nikomachi-

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schen Ethik bezüglich der virtus heroica gegenüberstellt, zusammen mit den Überlegungen des platonischen Phaidros und des Moriae encomium des Erasmus (vgl. oben, Anm. 2 zum Titelblatt). Die Betrachtung, die B. seinem Vater zuschreibt, bezieht sich auf den erasmianischen Text: »Als eines Abends nach dem Essen einer unserer Nachbarn sagte: ›Nie war ich so fröhlich wie in diesem Moment‹, antwortete ihm Gioan Bruno, der Vater des Nolaners, in diesem Sinne: ›Nie warst du so ein Narr wie in diesem Moment‹« (Furori, I, 1, S. 74 f.). Die Aussage ist besser zu verstehen, wenn man den Begriff der Relativität der Gesichtspunkte in Rechnung stellt, den B. in seinen Schriften nachdrücklich in Anspruch nimmt, so z. B. in einigen eindringlichen autobiographischen Seiten von De immenso (OL I/1, S. 313–315). Bezüglich des Themas der Gegensätze ist anzumerken, daß die Darlegungen Felice Toccos nicht überzeugen, der im Hinblick auf das »Gesetz der Gegensätze« und aufgrund eines Vergleiches zwischen Furori und Spaccio einen seiner Ansicht nach in der brunianischen Ethik vorhandenen Unterschied zwischen einer asketischen Ausrichtung – kontemplatives Leben (vita contemplativa) – und einer weltlichen Moral aufzufinden vermeinte: das tätige Leben (vita activa), das von der Idee der rechten Mitte inspiriert wird (vgl. F. Tocco: Le opere latine di Giordano Bruno esposte e confrontate con le italiane (1889), S. 393–402). Die Reflexion über das Prinzip der Gegensätze in den Furori berücksichtigt unterschiedliche Ebenen, kann jedoch nicht als im Widerspruch zu den von B. im Spaccio entwickelten Themen stehend angesehen werden. Im zweiten Dialog des ersten Teils der Furori ist darüber hinaus der Bezug auf die platonische Konzeption des raptus zu betonen, von dem es »drei Arten« gibt, die zum kontemplativen, moralisch-handelnden bzw. »müßig-triebhaften Leben« tendieren (Furori, I, 2, S. 85; s. für einen Vergleich Vinculis: OM, S. 464–467 sowie den entsprechenden Passus des Entwurfs von De vinculis: ebd., S. 538). Hier ist auf das platonische Gastmahl, 210a–e sowie auf die Betrachtungen Platons über die Liebe und die Manie im Phaidros, 237e–238c, 244a ff., 265a ff. zu verweisen; B. beruft sich insbesondere auf Marsilio Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 132 f. Diesbezüglich ist zu bemerken, daß Leone Ebreo in einer ähnlichen Passage der Dialoghi d’amore (2008), S. 345 f. nicht nur Platon, sondern auch Aristoteles nennt, was mir ein bedeutsamer Hinweis zu sein scheint (s. Ethica Nicomachea, 1145a15–b20 zur Unterscheidung zwischen ›Laster – Unenthaltsamkeit  – tierischer Roheit‹, ›menschlicher Tugend – Enthaltsamkeit – Standhaftigkeit‹ und ›heroischer und göttlicher Tugend‹). 80  Nel terzo dialogo … exeguire e compire: Für den dritten Dialog des ersten Teils der Furori hebt B. in der Darlegung die Reflexion über den Willen hervor, so wie er dann für den vierten Dialog das Thema des Verstandes heraushebt (s. Darlegung, S. 22 f.). Tatsächlich entwickelt sich das Gespräch über



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die ›Flügel‹ der Seele (vgl. Furori, I, 4, S. 124 f. u. oben, Anm. 41) in den beiden Dialogen wie auch in den darauffolgenden Dialogen, vor allem im dritten Dialog des zweiten Teils, parallel zur Erörterung der Erkenntnis und des Begehrungsvermögens (vgl. Darlegung, S. 27). Genauer gesagt, bezieht sich B. auf den Willen als vernünftige Begierde, die von der sinnlichen Begierde, der »concupiscenza sensuale« (Furori, I, 5, S. 176 f.), klar getrennt ist, welche im Text auch als »libidine«, »perturbata affezione« sowie als »unvernünftiges Ungestüm, das bis zum tierischen Irrwitz gehen kann«, bezeichnet wird (Furori, I, 3, S. 90 f.). Die Unterscheidung geht auf Platon und Aristoteles zurück (vgl. für letzteren De anima, 433a21; vgl. für die vernünftige Begierde bei den Stoiker einen wichtigen Passus bei Cicero: Tusculanae disputationes, IV, 6, 12). In Übereinstimmung mit dem griechischen Denken ordnet B. den Willen dem Verstand (intellectus) so wie das Wollen dem Erkennen unter, wobei er vom christlichen Voluntarismus Abstand nimmt, der bereits bei Paulus vorlag und auf doktrinaler Ebene von Augustin und im Rahmen der Scholastik von Duns Scotus und anderen definiert worden war. Wie zu sehen sein wird, schlägt B. – dessen Rede offensichtlich nicht das Schicksal der Seele im Jenseits, sondern das weltliche Leben betrifft, diesen »Zustand, in dem wir uns befinden« (Furori, I, 3, S. 109) – eine Konzeption des gegenseitigen Einschlusses von Verstand und Willen vor, wobei er jedoch die Idee eines Primats des Verstandes beibehält, ähnlich wie Thomas von Aquin, doch in einer anderen Perspektive (vgl. Summa theologiae, I, q. 82, art. 3–4). Für B. handelt es sich folglich um einen »von der Vernunft gelenkten Willen« (»voluntade intellettiva«), um ein »Streben der Vernunft« (»appetito intellettuale«) oder eine »geistige Liebe« (»amor intellettivo«; vgl. für die angeführten Syntagmen Furori, I, 2, S. 80 f.; I, 3, S. 116 f.; I, 5, S. 182 f.; II, 1, S. 268 f.). Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Verstand und Willen wie auch auf das Thema einer Gottwerdung der menschlichen Seele (»indem man sich verwandelt und jenem ähnlich wird«, d. h. einem Gott, der sich in den Dingen mitteilt und erkennbar ist: Furori, I, 3, S. 93) beruft sich B. im dritten und vierten Dialog und an anderen Orten der Furori in entschieden kritischer Weise auf die Theologia Platonica Ficinos, vor allem auf die Kapitel I–III des 14. Buches. Es ist zu beachten, daß Ficino im Gegensatz zu seiner vorherigen Position zugunsten der Überlegenheit des Verstandes, z. B. in seinem Kommentar zum Philebos, sich in seinen späteren Schriften für eine Überlegenheit des Willens ausgesprochen hatte; wie er in De raptu Pauli schreibt: »Voluntas Deo fruitur magis quam intellectus« (s. die Ausgabe des Textes mit der gegenüberliegenden, von Ficino selbst verfaßten italienischen Version in: Prosatori latini del Quattrocento (1952), S. 958 f.). Vgl. zu dieser Frage Kristeller: Die Philosophie des Marsilio Ficino (1972), Teil II, Kap. 3. Der dritte Dialog hebt mit der Unterschei-

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dung zwischen zwei Arten der Leidenschaft an, die auf die erwähnten Passagen des platonischen Phaidros zurückgehen (237e–238c, 244a ff., 265a ff.): eine tierische, unvernünftige, und eine, die dagegen zu einer »göttlichen Abstraktion« neige. Wie zu betonen ist, handelt es sich um eine Unterscheidung, die Ähnlichkeiten mit dem von Aristoteles zu Beginn des 7. Buches der Nikomachischen Ethik diskutierten Gegensatz zwischen tierischer Roheit und heroischer/göttlicher Tugend aufweist. Wie bereits bemerkt, denkt B. vor allem an die ficinianischen Kommentare zum Gastmahl (s. El libro dell’amore (1987), S. 187 f., 211) und zum Phaidros (vgl. Commentarium in Phedrum (1981), S. 79). Trotz der Kontaktpunkte zu diesen Texten entwickelt sich die Reflexion über die beiden Arten der Leidenschaft im brunianischen Werk in einer ziemlich anderen Perspektive. Erstens betrachtet B., wie zu sehen war, die Dichter, die die sinnliche Liebe zu einer Frau besingen, gleich denen, die einem ›tierisch-unverständigen‹ Furor, einem »unvernünftigen Ungestüm« preisgegeben sind. Die größte Neuigkeit des brunianischen Diskurses gegenüber den angegebenen ›Quellen‹ betrifft jedoch die Idee der göttlichen Leidenschaft (eine »gewisse göttliche Abstraktion«). Man kann sagen, daß B. dazu tendiert, den Versuch Ficinos, die platonische Rede über die Manie und die göttliche Inspiration – Ficino neigte natürlich dazu, Platon und die Bibel parallel zu lesen  – mit dem Denken in bezug auf die Philosophie, also als Liebe zur Weisheit und dem Streben nach ihr, zu vereinen, zu demontieren. B. betont dagegen, daß es sich um zwei verschiedene Perspektiven handele, will sagen: Einerseits bezieht man sich auf den Glauben und die Gnade, andererseits auf die Sinne und die Vernunft (ragione). Einerseits spricht man von einer göttlichen Gabe, die von oben kommt, anderererseits von der mühsamen Suche seitens der Individuen, sich auf der ethisch-intellektuellen Ebene bis zur »Himmelswürdigkeit« zu vervollkommnen, und zwar nicht im christlichen Verstand, sondern in der antiken Bedeutung, d. h. als virtus heroica (vgl. Vinculis: OM, S. 464 f.). Des weiteren handele es sich einerseits um eine herabsteigende Liebe – eine göttliche Liebe, insofern sie von Gott ausgeht –, andererseits um eine aufsteigende Liebe, die Liebe des Menschen zur Gottheit. B. unterscheidet daher eine natürliche Leidenschaft, die die Vernunft betrifft (einen »impeto razionale«, eine heroische als ›intellektuelle‹ Leidenschaft), von einer religiösen Leidenschaft oder einem religiösen Enthusiasmus, der dagegen dem Glauben angehört und B. zufolge gleichfalls zur Sphäre des »Irrationalen« und des »Unverständigen« neigt, insofern Sinne und Vernunft derer, die zum ›Behältnis‹ der Gottheit werden, sich auf ein Minimum reduzieren müssen, so daß sich in diese, »da sie nicht von eigenem Denken und Fühlen erfüllt sind – wie in einen gereinigten Raum göttliches Fühlen und Denken ergießt«; »das ja – wie B. hinzufügt – in Menschen, die voll von



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eigenem Verstand und Gefühl sind, weniger Platz und Möglichkeit hätte, sich zu zeigen«, d. h. in denen, die »in philosophischen Betrachtungen geübt und geschickt« sind und denen man nur eine »Vortrefflichkeit, die im eigenen Menschsein liegt«, beilegen kann (Furori, I, 3, S. 90–93). Die Thematik von Vernunft und Glauben durchzieht das ganze Werk, zum Teil auch zwischen den Zeilen. Es ist im übrigen kein Zufall, daß B. im Text auf den Abschnitt des Sigillus sigillorum verweist, der einer Analyse der verschiedenen Arten der contractiones gewidmet ist: Er untersucht fünfzehn Arten, von denen nur die letzte, d. h. die Kontraktion, die den Philosophen zu eigen ist, von ihm positiv bewertet wird, während die anderen, die in Verbindung zu asketischen Praktiken, Phänomenen der Suggestion und zur Erregung der Einbildungskraft stehen, welche sich auf unterschiedliche Weise auf die religiöse Sphäre beziehen, als negativ eingeschätzt werden (s. OMNE II, S. 226–253). 81  Surge … advenit: Hld 2,10–12: »surge propera amica mea formonsa mea et veni / iam enim hiemps transiit imber abiit et recessit / flores apparuerunt in terra tempus putationis advenit« (»Mach dich auf, meine Freundin; / meine Schönste, so komm doch! / Denn sieh, der Winter ist vorüber; / der Regen ist vorbei, ist fort. / Die Blumen erscheinen im Lande; / die Zeit des (Reben) schneidens ist gekommen«). Der Sprecher im Hohelied ist der Bräutigam. B. bringt den Abschnitt mit dem ›Willen‹ der Braut in Verbindung, der das menschliche Gemüt darstellt. Der Ausdruck columba mea in dem von B. angeführten Passus kommt im Hohelied mehrfach vor, z. B. 2,14; es sei daran erinnert, daß in einigen Manuskripten der Vulgata columba mea auch im Abschnitt 2,10 auftaucht. Vgl. Origenes: Commentarius in Canticum Canticorum (1925), IV, S. 223 ff.; Gregor von Nyssa: Homiliae in Canticum Canticorum (1960), V. 82  quanto si esplica nel primo e secondo articolo … Nel terzo … aere e fiamma: Hier im folgenden die Incipits der drei primären Sonette des dritten Dialogs des ersten Teils: Se la farfalla al suo splendor ameno; Bench’a tanti martir mi fai suggetto; Quel dio che scuot’il folgore sonoro (Furori, I, 3, S. 96, 102, 112–114). 83  In sette articoli del quarto dialogo … travaglioso conflitto: Gleichwie B. für den vorhergehenden Dialog (vgl. oben, Anm. 80) die Thematik des Willens (der vernünftigen Begierde) hervorgehoben hat, unterstreicht er als Thematik des vierten Dialogs die entscheidende Rolle des Verstandes (intellectus) bei der Bewertung der geistigen Erhebung des Menschen, dank derer der heroische Leidenschaftliche sagen kann: »ich […] verwandle mich in einen Gott aus einem niedern Ding«, da er versteht, daß eine solche Gottwerdung des Menschen nicht einer Suche nach der Gottheit außer seiner selbst gleichkommt, insofern »die Gottheit wohne in uns, kraft der neuen Gestalt von Verstand

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und Willen« (s. Furori, I, 3, S. 105–107, 113–115, 117, u. I, 4, S. 123, doch ist zu beachten, daß der ganze vierte Dialog mit seiner Reinterpretation des AktäonMythos der Auffassung gewidmet ist, daß das Gute und die Weisheit nicht »außer uns« gesucht werden sollten). Im fünften Dialog des ersten Teils kehrt B. auf das neuplatonische und christlich-platonische Motiv der Gottheit »in uns« (vgl. Augustin: Confessiones, III, 6.11 und X, 25.36) als inneres Licht, das »stets gegenwärtig« ist, zurück: vgl. oben, Anm. 67; eine Thematik, die auch in Cena und in anderen Schriften B.s wiederkehrt (s. Furori, I, 5, S. 201: »weil Gott nahe, mit uns und in uns ist«; Furori, II, 1, S. 253: »daß Gott nahe ist, mit ihm und in ihm«; vgl. Cena: F, S. 93; U I, S. 455 f.). Wie ich oben, Anm. 80 hervorgehoben habe, bezieht sich B. – unter Berufung auf Thomas von Aquin – auf einen gegenseitigen Einschluß von Verstand (intellectus) und Willen, wobei er jedoch die Idee eines Primats des Verstandes beibehält. Während B. in der Darlegung für den dritten Dialog einige Verse der Vulgata des Hohelieds angeführt hatte, zitiert er im vierten Dialog in italienischer Übersetzung den wohlbekannten Beginn der biblischen Dichtung, worauf er einige Passagen des zweiten Kapitels folgen läßt: »Che mi bacie col bacio de sua bocca / perché col suo ferire / un troppo crudo amor mi fa languire« (»Osculetur me osculo oris sui / […] ordinavit in me caritatem / fulcite me […] quia amore langueo«: Ct 1,2 u. 2,4–5). Wie andere Autoren vor ihm, verweist B. bezüglich der Verse des Hohelieds – wobei er auch Ps 131 zitiert – auf die kabbalistische Konzeption der mors osculi, eines »Todes der Seele« im Sinne der Verzückung der Seele des Liebenden; wie Giovanni Pico im Commento sopra una canzona de amore composta da Girolamo Benivieni schreibt: »binsica, d. h. Tod durch Kuß erfolgt, wenn die Seele sich in der intellektuellen Verzückung so sehr mit den getrennten Dingen vereint, daß sie, in allem dem Körper erhaben, diesen verläßt« (»binsica, cioè morte di bacio, è quando l’anima nel ratto intellettuale tanto alle cose separate si unisce, che dal corpo elevata in tutto l’abbandona«: Pico della Mirandola: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 558). Vgl. ders.: Conclusiones nongentae publice disputandae (1998), S. 524, Conclusiones Cabalisticae, 11 u. 13: »Modus quo rationales animae per archangelum deo sacrificantur, qui a Cabalistis non exprimitur, non est nisi per separationem animae a corpore, non corporis ab anima nisi per accidens, ut contingit in morte osculi, de quo scribitur: praeciosa in conspectu domini mors sanctorum eius«. / »Qui operatur in Cabala sine admixtione extranei, si diu erit in opere, morietur ex binsica, et si errabit in opere aut non purificatus accesserit, devorabitur ab Azazele per proprietatem iudicii«. S. auch Busi-Ebgi: Giovanni Pico della Mirandola (2014), S. 60–72. Vgl. Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 169: »Solcherart war der Tod unserer Seligen, die, in Betrachtung der göttlichen Schönheit mit höchster Begierde



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ihre ganze Seele in diese bekehrend, den Körper verließen […], und die Weisen erklären metaphorisch, daß sie die Gottheit küssend starben, d. h. entrückt durch die liebende Betrachtung und die göttliche Vereinigung« (»Tale è stata la morte de’ nostri beati, che, contemplando con sommo desiderio la bellezza divina, convertendo tutta l’anima in quella, abbandonorno il corpo […], e li sapienti metaforicamente declarano che morirno baciando la divinità, cioè rapiti da l’amorosa contemplazione e unione divina«); ebd., S. 185: »Und dies ist der glückliche Tod, der die Vereinigung der Seele mit dem Verstand verursacht« (»E questa è la felice morte che causa la copulazione de l’anima con l’intelletto«). Vgl. Castiglione: Il cortegiano (1991), S. 350 f. S. auch Zorzi: De harmonia mundi (2010), S. 860, 2202, 2204; ders.: L’elegante poema & Commento sopra il Poema (1991), S. 149; Camillo: L’idea del theatro (1991), S. 158– 160. Vgl. zum Tod durch Kuß: Zohar, II, 124b (das Werk wurde 1558–1560 in 3 Bdn. in Mantua veröffentlicht). Hier im folgenden die Incipits der sieben Sonette des vierten Dialogs des ersten Teils der Furori: Alle selve i mastini e i veltri slaccia; Mio pàssar solitario, a quella parte; Abbiate cur’ o furiosi al core; Alti, profondi e desti miei pensieri; E voi ancor a me figli crudeli; Ahi cani d’Atteon, o fiere ingrate; Destin, quando sarà ch’io monte monte (Furori, I, 4, S. 118, 124, 126, 92132–134, 140, 144–146, 154–156). 84  l’intelletto … che si trova al governo di questa Republica cossì turbulenta: Vgl. zum Vergleich zwischen der Seele des Einzelnen und einem ›Staat‹ Platon: Politeia, 434c–435c. Vgl. Spaccio: BSP, S. 15 f., insbesondere S. 18; BW V, S. 20–22, 25 (»in dem der Lenker Jupiter das Licht des Intellekts bedeutet, das darin [d. i. im Menschen als einer Welt] verfügt und herrscht«; aber auch ebd.: »von einem gewissen Licht […], das in der Höhle, im Käfig oder im Heck unserer Seele sitzt und von manchen ›Synderesis‹ genannt wird«. Vgl. oben, Anm. 9, sowie den dritten und vierten Artikel des ersten Dialogs; dazu sowohl Darlegung, S. 19 (der »Bürgerkrieg, der […] folgt«) als auch den Dialogtext (»Dieser Hauptmann ist der menschliche Wille, der auf dem Achterdeck der Seele sitzt und mit dem kleinen Steuer des Verstandes [raggione] die Äußerungen gewisser niederer Triebe unter Kontrolle hält«: S. 55). S. zum Vergleich den folgenden Abschnitt des ersten Kapitels des ersten Buchs von De minimo, in dem B. die Metapher der Furori aufgreift und sie auch als politische Reflexion entwickelt: »Die Vernunft würde sich leicht zur Ebene des Geistes erheben, wenn sie sich nicht in den Wogen mannigfaltiger Leidenschaften verlieren würde; da die Natur vorgesehen hat, daß man sich anschicke, mittels der verschiedenen Seelenvermögen jegliche Art an Werken und Handlungen mit unterschiedlichen Unternehmungen und Tätigkeiten auszuführen. Man kann sagen, der Mensch sei einem Staat vergleichbar (im lat. Text: conflata res­ publica homo est, mit signifikantem Echo des Passus in der Darlegung), der

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durch eine außergewöhnliche Vielförmigkeit an Aktivitäten, Situationen, Lebensbedingungen, sozialen Schichten und Klassen, Werkstätten, Instrumenten, Vorgängen der Planung und Ausführung gekennzeichnet ist; doch ist es unmöglich, all diese Aspekte in einem einzigen und so erhabenen Gegenstand zu versammeln, es sei denn in der Perspektive der Finalität. Was immer dann geschieht, wenn der verstandesmäßige Wille [intellectiva voluntas], der die ganze Realität lenkt, sich mit seinem besten Prinzip vereint. Daher rühren die Vollkommenheit und die Vortrefflichkeit des Ganzen; indem die Kollektivität im übrigen mit dem Willen des Herrschers gemäß der Besonderheit der eigenen Komponenten einig wird, wenngleich sie das, was erhabener ist und ihr nicht angehört, gar nicht versteht, erkennt sie, in dessen Gunst zu stehen, während seinerseits der Herrscher selbst an dem Beifall und dem Vertrauen des Volkes Gefallen findet« (De minimo: OL I/3, S. 137). 85  non è oscuro chi sia il cacciatore … e bramato fine: Der cacciatore des angeführten Passus ist offensichtlich der bereits erwähnte Aktäon, der es gewagt hatte, Diana nackt zu betrachten, während die Göttin der Jagd in ihrer »gewohnten Quelle« ein Bad nahm. Dem Mythos zufolge wurde Aktäon in der Weidmannskunst vom Kentauren Cheiron erzogen, einer Figur, die im Spaccio Christus darstellt (vgl. BSP, S. 31, 298–301; BW V, S. 43, 399–401), und ich halte es für unwahrscheinlich, daß B. in den Furori diese Verbindung mit dem Spaccio nicht vor Augen hatte. Für B., der der Ansicht ist, daß die Werte und selbst die Wahrheit dem Wandel unterworfen sind, spielen Erziehung und Bildung eine wichtige Rolle bei der persönlichen Entwicklung, auch was Dinge betrifft, die später verworfen werden (das sind bei B. der Aristotelismus und das Christentum). B. bezieht sich im vierten Dialog des ersten Teils und im zweiten des zweiten Teils auf Aktäon, wobei er vor allem auf Ovid: Metamorphoses, III, 138–252 zurückgreift; dem Philosophen aus Nola zufolge steht »Aktaion […] hier für die Vernunft [intelletto], die sich auf die Jagd nach der göttlichen Weisheit gemacht hat, die nach der Erkenntnis der göttlichen Schönheit strebt« (Furori, I, 4, S. 118 f.). Die fiera im angeführten Passus der Darlegung stellt die Gottheit dar, Jagdobjekt des heroischen Leidenschaftlichen. B. liegt daran, klarzustellen, daß es verschiedene Raubtiere gebe, unter denen einige »wilde und weniger edle Tiere« seien (Furori, II, 2, S. 314 f., unter Anspielung auf das christliche Dogma der Inkarnation; dieser Abschnitt steht mit einem Passus des dritten Dialogs aus Spaccio: BSP, S. 288 f. (BW V, S. 385– 387) in Verbindung), und daß er sich auf eine bestimmte Idee eines »wilden Waldestieres«, d. h. auf eine ganz bestimmte Konzeption der ›intelligiblen Arten‹ der Gottheit, beziehe (Furori, I, 4, S. 119–121, 123). Es sei außerdem erwähnt, daß die Hunde Aktäons von ihm »undankbare Bestien« genannt werden (ebd., S. 145). Auch die preda verweist auf die Sphäre des Göttlichen



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und, gegenüber der fiera, auf noch klarere Weise sowohl auf den Gegenstand der Jagd als auch auf den Jäger, insofern letzterer in der Folge der Entdeckung des deus in rebus und damit der Gottheit in sich selbst eine Verwandlung erfahre. Eine Verwandlung, die eine Reform des Verstandes (intellectus) und des Willens mit sich bringt, dank derer Aktäon vom Jäger zum Gejagten wird, d. h. zur Beute der eigenen Suche (ebd., S. 118 f. – für das erste Sonett des Dialogs – u. S. 120–123). Die cagnuoli – die Hunde im ersten und sechsten Sonett sowie die pulcini im zweiten und sechsten Sonett und die figli crudeli im fünften Sonett – zeigen die Gedanken des heroischen Furioso an (ebd., S. 118 f., 122–125, 140 f., 144 f.). Die cani d’Atteone seien sowohl Windhunde – die »veltri«, welche die Verstandestätigkeit, d. h. die Erkenntnis verkörpern, die auch unter Berücksichtigung der Funktion des Sehvermögens (ebd., S. 134–137, 138 f.; vgl. Furori, II, 1, S. 284 f. u. II, 3, S. 340 f.) dem Willensakt voraufgeht, der auf jeden Fall als vernünftige oder verstandesmäßige Begierde verstanden wird – als auch Bluthunde, zur Bezeichnung der Willentätigkeit, die sich im Gegensatz zur Verstandestätigkeit als stärker erweist (Furori, I, 4, S. 120 f.). Tana und nido verweisen sowohl auf den »Käfig«, in dem der heroische Furioso »sich in Muße […] aufhielt«, als auch auf das erhabene Nest, welches dieser, der »einsame Sperling«, zu erreichen begehrt (ebd., S. 125), in bezug auf die »avis solitaria super tectum« aus Hld 101,8. Die rocca bezeichnet den »Berg« als »Geisteshöhe« (Furori, I, 4, S. 156 f.). Pace, riposo und bramato fine bedeuten schließlich die geistige Erhöhung, die jene Verwandlung des Subjekts »in jene andere Natur, nach der es strebt«, mit sich bringt, aufgrund – wie schon bei Thomas von Aquin und Ficino ausgeführt – der Verstandesund Willenstätigkeit (ebd., S. 120–123, 126 f.). Vgl. zum letzten oder Endziel der Jagd, zu welchem »der Jäger zum Gejagten wird«, Furori, I, 1, S. 56 f.: »Er kennt ein Paradies […]«, u. II, 2, S. 314 f.: »in den Besitz jener flüchtigen und scheuen Beute zu gelangen«. S. oben, Anm. 80. Vgl. Thomas von Aquin: Summa theologiae, I, q. 82, a. 4; Summa contra Gentiles, III, Kap. XXV, n. 2064 (»Inter omnes autem hominis partes, intellectus invenitur superior motor: nam intellectus movet appetitum, proponendo ei suum obiectum«); Ficino: Theologia Platonica, insbesondere Buch XIV, Kap. III, wo unter anderem zu lesen ist: »Sed interest inter intellectum et voluntatem. Utraque enim fiunt quidem omnia, intellectus omnia vera, voluntas omnia bona, sed intellectus res in seipsum transferendo illis unitur, voluntas contra in res transferendo seipsam« (in: TP II, S. 258 f.). Was die intellektuelle Begierde betrifft, beruft sich B. im vierten Dialog des ersten Teils der Furori (S. 137–139) u. a. auf das scholastische Diktum nihil volitum nisi praecognitum, das seinerseits auf die Sentenz Ovids ignoti nulla cupido (Ars amatoria, III, 397) zurückgeht. Diese Anschauung tritt bei Thomas von Aquin des öfteren auf, der in seinen Schrif-

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ten betont: »quod appetitus semper sequitur cognitionem«, »nam velle non possumus quod non intelligimus«, »in animali cognitio appetitum praecedit«, »desiderium sive appetitum consequitur cognitionem«. Vgl. zu dieser Frage, was B. in der Darlegung zum dritten Dialog des zweiten Teils schreibt (S. 27 u. unten, Anm. 93). Der vierte Dialog des ersten Teils enthält eine der rätselhaftesten Stellen der Eroici furori, an der B. durch den Gesprächspartner Tansillo behauptet, daß man, indem man »die Stufen der Vollkommenheit« umkreist – d. h. indem man die unendlichen Mittelpunkte, die die Welten darstellen, mit dem »Auge der Vernunft« (»occhio de l’intelletto«) oder dem »geistigen Auge« betrachtet: Infinito: BW IV, S. 253; Furori, I, 3, S. 104 f. – »jenen unendlichen Mittelpunkt« erreiche, »der weder geformt noch Form ist« (S. 130 f., doch vgl. auch den vorhergehenden u. folgenden Text sowie die Imprese Circuit im fünften Dialog des ersten Teils, S. 182–189). In der Aussage ohne weitere Erläuterungen ist das Paradox offensichtlich, das auch vom Gesprächspartner Cicada bemerkt wird. B. beabsichtigt jedoch, sich mit dem scheinbaren Paradox auf die Konsequenzen seiner Auffassung des Unendlichen als unendlichem Wesen und Universum, als unendliche Vielheit der Welten zu beziehen und damit – u. a. unter Berufung auf das vergilianische »Iovis omnia plena« (Bucolica, III, 60) – auf die Idee, der zufolge »Iuppiter (wie sie ihn nennen) in dem Ganzen viel innerlicher ist […] alles erfülle, alle Teile des Universums bewohne und das Zentrum von allem sei, das ein Sein habe«. Daher ist »das Universum […] ganz Zentrum und ganz Umkreis«; im Universum »ist auch das Unteilbare dort nicht vom Teilbaren unterschieden, das Einfachste nicht vom Unendlichen, das Zentrum nicht vom Umkreis. […] können wir mit Sicherheit folgende Sätze aufstellen: ›das Universum ist ganz Zentrum‹ oder ›das Zentrum des Universums ist überall und sein Umkreis nirgends‹, insofern er vom Zentrum unterschieden ist; oder auch ›der Umkreis ist überall und das Zentrum ist nirgends‹, insofern es von jenem unterschieden ist« (Causa: BW III, S. 23, 231–233; vgl. Infinito: U II, S. 25; BW IV, S. 35). Traditionelle Bezugspunkte der Passage aus De la causa sind Liber viginti quattuor philosophorum, II, u. Nikolaus von Kues: De docta ignorantia, Buch I, Kap. 21; Buch II, Kap. 11–12. Vgl. außerdem Plotin: Enneades, VI 9, 3 u. 8, u. Ficino: Theologia Platonica, Buch XVIII, Kap. III: »Centrum mundi verum Deus est, ut in libro de Amore disseruimus« (TP III, S. 190 f.; vgl. El libro dell’amore (1987), S. 26–29). Vgl. die Überlegungen bei Nardi: Studi di filosofia medievale (1960), S. 99–101, der – in bezug auf Enneades, VI 9, 8 – eine Passage aus Averroes’ Kommentar 76 zur Physik zitiert (In Physicam, in: Aristotelis Opera, Bd. IV, Bl. 421r). 86  Nel quinto dialogo … in ciascuno di essi articoli: Im fünften Dialog des ersten Teils beginnt B. seine ›Impresen‹ vorzustellen (lediglich in diesem Dia-



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log kommen auch die Begriffe »divisa« (Devise) und »ieroglifico« (hieroglyphisch) in bezug auf die Impresen vor: Furori, I, 5, S. 166 f., 208 f., 210 f. Es sei darauf hingewiesen, daß der Begriff ›ieroglifico‹ auch in der Cabala auftaucht, u. a. unter Verweis auf die Hieroglyphica des Horapollon: U II, S. 434; BW VI, S. 45; vgl. zu diesem Begriff in den lateinischen Schriften B.s z. B. Explicatio: OMNE II, S. 96, u. vor allem De magia: OM, S. 194). Wie bereits angemerkt (s. oben, Anm. 13), werden in den Furori insgesamt 28 Impresen ausführlich beschrieben, wenngleich die Illustrationen fehlen, davon 15 im vorliegenden Dialog; im fünften Dialog gibt es 15 Artikel, die den Nummern I–XV der Impresen entsprechen, auch wenn der letzte Artikel zwei Sonette vorstellt: Furori, I, 5, S. 224–225. Als Ergänzung zu dem, was ich bereits oben, Anm. 13 zur Unterscheidung zwischen Emblem und Imprese ausgführt habe, kann hier eine Erläuterung Giulio Cesare Capaccios zitiert werden: »Das Emblem soll lediglich das Auge weiden, die Imprese den Verstand. Jenes achtet auf die Sittlichkeit, dieses zielt auf den Begriff der Dinge; jenes ist desto vager, je mehr es mit Figuren geschmückt ist, […] dieses, welches bisweilen einfach und unverblümt ist und dessen hauptsächliches Ornament ein Spruchband darstellt, gefällt dem Auge durch seine größere Anmut. Schließlich hat das Emblem seinen Titel, gleichsam seine Sentenz, als Geist des Bildes, während die Imprese das Motto beinhaltet, das allein dem Figürlichen den Geist verleiht, der durch den verborgenen Begriff die Figur hervorbrachte« (Capaccio: Delle Imprese trattato … in tre libri diviso (1592), Buch I, Bl. 2v–3r). Wie Gabriele Paleotti anmerkt, dient das Motto dazu, »die ganze Zeichnung zu beleben und ihr sozusagen eine Seele zu verleihen«. Wirkungsvoll präzisiert Paleotti das, was die Imprese vom Emblem unterscheidet, das mehr zum Symbol tendiert; er erklärt sich aufgrund seiner offensichtlichen und allgemeingültigen moralischen Botschaft zugunsten des letzteren, während er sich dem ›Intellektualismus‹ gegenüber, der für die Allegorie spezifisch ist, kritisch oder mißtrauisch zeigt. Diesbezüglich bemerkt er: »außer den vielen Unterschieden, die zwischen Symbolen und Impresen bestehen, ist der hauptsächliche dieser, daß die Symbole, da sie eine besondere Handlung zum Thema haben, aus dieser eine allgemeine tugendhafte und der Disziplin des Gemeinschaftslebens förderliche Vorschrift ableiten; die Impresen hingegen schließen im Ausgang von allgemeinbezüglichen Dingen auf einen besonderen, auf die Person des Autors der Imprese angewandten Begriff, der für gewöhnlich allein der Verherrlichung einer Handlung oder eines Gedankens seiner selbst dient«. (»oltre molte differenze che sono tra i simboli e le imprese, questa si scuopre principale, che i simboli, avendo per soggetto una azzione particolare, da quella inferiscono un precetto universale virtuoso e giovevole alla disciplina della vita commune; ma l’imprese, per lo contrario, da cose atte a

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riferirsi universalmente inducono un concetto particolare applicato alla propria persona dell’autore dell’impresa, il qual concetto ordinariamente altro non fa che magnificare qualche azzione o pensiero di sé stesso«: Paleotti: ­Discorso intorno alle imagini sacre e profane, in: Trattati d’arte del Cinquecento, II (1961), S. 464 u. 467). Es ist zu betonen, daß B. in den Furori auf die Impresen Bezug nimmt, als ob es sich um gezeichnete Figuren handelte. Das Sonett stellt den Artikel dar, aber auch die Tafel der Imprese; vgl. z. B. Furori, I, 5, S. 172 f. u. 178 f., aber s. S. 214 f., wo B. schreibt: »Questa tavola più vera che propriamente esplica il senso de la figura« (»Diese Tafel erklärt eher den wahren Gehalt der bildlichen Darstellung als seine eigentliche Beschaffenheit«). In bezug auf diesen Dialog werden in der Darlegung ausdrücklich die ersten fünf Artikel erwähnt, während von den restlichen zehn eine allgemeine Übersicht gegeben wird, in der zumindest die Grundthemen hervorgehoben werden. Im Text werden die Impresen beschrieben, als wenn verschiedene namenlose Personen die Wappen oder Wahlsprüche des heroischen Leidenschaftlichen tragen würden, eine anonyme »Miliz« als heroische Schar nach dem Ebenbilde der Engelsschar. B. bezieht sich hier wahrscheinlich auf die bewaffneten Truppen, denen auch sein Vater angehörte (die Soldaten werden von Luigi Tansillo als »bescheidene Edelmänner« bezeichnet: vgl. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), I, S. 35 u. 45). Hier ist zu beachten, daß im fünften Dialog des ersten Teils gerade der Gesprächspartner Tansillo die Interpretation der Impresen übernimmt; wie bereits erwähnt, hatte der venosinische Dichter aus Nola als Gefolgsmann des Vizekönigs Pedro de Toledo an verschiedenen militärischen Unternehmungen teilgenommen. »Ihre Namen und die Kleidung lassen wir unbeachtet« – sagt Tansillo in den Furori – »es genügt, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der Impresen […] richten« (Furori, I, 5, S. 160 f.). Unter ›Imprese‹ versteht B. die beschriebene Figur (den Körper), dem das Motto zugeordnet ist (das B. auch »nota« nennt), das »dem bildlichen Körper Form gibt« (ebd.), d. h. die Seele, wie Paolo Giovio präzisiert (vgl. oben, Anm. 13). Diverse Thematiken der 28 Impresen der Furori entwickeln mit Variationen anderswo im Text vorliegende Motive; vgl. z. B. im Hinblick auf den fünften Dialog des ersten Teils außer der siebten Imprese Circuit, das in der vorhergehenden Anm. erwähnt wurde, die vierte Imprese Hostis non hostis, die sich auf den ersten Artikel des dritten Dialogs bezieht (S. 96–99; 170–173). Es sei auf die Bedeutung der Imprese VI. Fata obstant verwiesen, bezüglich deren B. unter Verweis auf die symbolische Figur des Phönix die Frage des einzigen Intellekts des Menschen­ geschlechts aufwirft, ein Problem, das in der Renaissancephilosophie von Averroisten, Alexandrinisten und anderen diskutiert wurde, die, wie z. B. Ficino sowie die Anhänger Thomas von Aquins, sich entschieden gegen Aver-



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roës und seine Auffassung vom einzigen möglichen Intellekt aussprachen. (Es sei daran erinnert, daß das Thema des »einzigen Phönix«, einer in der Renaissance-Traktatliteratur der Embleme und Impresen regelmäßig auftauchenden symbolischen Figur, auch im angeführten vierten Dialog sowie in der neunten Imprese des Schlußdialogs des ersten Teils auftritt, des weiteren in der dritten Imprese des ersten Dialogs des zweiten Teils: Furori, I, 5, S. 172 f., 194 f.; II, 1, S. 242–249). Vgl. zum Symbol des Phönix Horapollon: Hieroglyphica (1835), I, 33 (S. 37 f.) u. II, 57 (S. 82 f.); Physiologus Latinus, versio B (1939), IX, S. 20 f.; Physiologus Latinus, versio Y (1944), IX, S. 108 f.; Valeriano: Hieroglyphica (1567), lib. XX, Bl. 144r–145r. Eine Sammlung literarischer Texte über den Phönix-Mythos  – darunter das Laktanz zugeschriebene De ave phoenice – findet man in La fenice: da Claudiano a Tasso (2004). Vgl. Festugière: Le symbole du Phénix et le mysticisme hermétique (1967), S. 256–260; van den Broek: The Myth of the Phoenix (1972). In der Imprese Fata obstant wird der Figur des Phönix die Figur eines Kindes in Flammen entgegengesetzt; letzteres stellt B. zufolge den individuellen menschlichen Verstand (intellectus) dar, während der Phönix den einzigen spezifisch menschlichen Intellekt darstellt, jedoch als »tätige Vernunft oder Vernunft als Akt«, nicht als möglicher Intellekt, wie er von Averroës und seinen Anhängern verstanden wurde (s. S. 180–183; vgl. zu dieser Thematik Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno. Percorsi della filosofia di Giordano Bruno (2003), Kap. II–III, S. 53–120). Unter Berufung auf die arabische Tradition bezieht sich B. hinsichtlich des einzigen menschlichen Intellekts (intelligenza) auch auf den Mond, der durch Reflexlicht leuchtet, doch ständig von der Sonne beschienen wird, auch wenn es unserem Blick nicht so erscheint (Furori, I, 5, S. 190 f.). Schließlich ist im fünften Dialog in bezug auf die neunte Imprese die Erör­ terung über Epikur und den Begriff des katastematischen Vergnügens zu erwähnen (S. 196–199). Hier im folgenden die fünfzehn Sinnsprüche des fünften Dialogs im Zusammenhang mit den Incipits der sechzehn Sonette des Dialogs: 1. At regna senserunt tria // Dal mio gemino lume, io poca terra; 2. Idem semper ubique totum // Quando declin’il sol al Capricorno; 3.  Mutuo fulcimur // Sopra de nubi, a l’eminente loco; 4. Hostis non hostis // Mai fia che de l’amor io mi lamente; 5. Caesar adest // Trionfator invitto di Farsaglia; 6. Fata obstant // Unico augel del sol, vaga Fenice; 7. Circuit // Sol che dal Tauro fai temprati lumi; 8. Talis mihi semper et astro // Lun’ inconstante, luna varia, quale; 9. Ut robori robur // Annosa quercia, che gli rami spandi; 10. Ab Aetna // Or non al monte mio siciliano; 11. Pulchriori detur // Venere, dea del terzo ciel, e madre; 12. Novae ortae Aeoliae // Figli d’Astreo Titan e de l’Aurora; 13. Ad vitam, non ad horam // Partesi da la stanz’ il contadino; 14. Amor instat ut instans //

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Un tempo sparge, et un tempo raccoglie; 15. Idem, itidem, non idem // ­Languida serpe, a quell’umor sì denso / Angue cerchi fuggir, sei impotente. ­Verschiedene Impresen stehen miteinander in Verbindung, so z. B. das elfte mit dem zwölften (worauf in diesem Fall der Autor selbst hinweist, ebd., S. 209). 87  Argomento … della seconda parte: Vgl. zur Gliederung der Furori in zwei Teile oben, Anm. 64. In den fünf Dialogen des zweiten Teils machen Tansillo und Cicada, die beiden einzigen Gesprächspartner des ersten Teils, acht Gesprächspartnern Platz, von diesen jeweils zwei pro Dialog: Cesarino und Maricondo/a im ersten und zweiten Dialog, Liberio und Laodonio im dritten, Severino und Minutolo im vierten, Laodomia und Giulia im fünften Dialog. Der Gesprächspartner Cesarino im ersten und zweiten Dialog kann als Wortführer B.s gelten (unbeschadet der Tatsache, daß es sich in einem so stark autobiographischen Dialog wie den Furori, in denen die Diskussionsteilnehmer sich u. a. ›verwandeln‹, immer um problematische Identifizierungen handelt), jedoch auf andere Weise als Tansillo im ersten Teil, von dem er sich auch dadurch unterscheidet, daß er in der intellektuellen Biographie, also in der Entwicklung des Autors, weniger verankert ist. Die im Übergang vom ersten zum zweiten Teil zu beobachtende Kontinuität tritt stärker hervor als die ebenfalls vorhandenen Veränderungen; die »nolanische Muse« bleibt in der Tat die Inspirationsquelle des Philosophen, wenngleich die Diskussionsteilnehmer sich vermehren, fast, als wolle der Autor seine Erfahrungsvielfalt ausdrücken, wobei er jedenfalls betont, daß »dem wahren Philosophen jedes Land ein Vaterland« ist (Causa: BW V, S. 9, 51). Im zweiten Teil ist hervorzuheben, daß Tansillo abgeht, der, als eine auf besondere Weise mit der Jugend B.s verbundene Figur, im ersten Teil des Werks nicht nur als »fidel relatore della nolana filosofia« – gleichwie Teofilo in De la causa –, sondern auch in der Rolle des ›Autors‹ auftritt. Im ersten Teil werden vier Sonette des Dichters aus Venosa zitiert (Furori, I, 1, S. 58–61; I, 3, S. 98 f. u. 110 f.), während er im zweiten Teil lediglich im ersten Dialog mit drei Versen des zuvor angeführten, berühmten Sonetts Poi che spiegat’ho l’ali al bel desio erwähnt wird (vgl. Furori, II, 1, S. 270 f., in bezug zu I, 3, S. 110 f.). Gerade als vom Philosophen aus Nola geliebter Dichter stellt Tansillo im ersten Teil des Werks einen Weggefährten, wenn auch nicht eigentlich einen Führer wie Vergil bei Dante, dar: Für B. bleibt Tansillo der Dichter, der sich der Wahrheit, jedoch »fast nur so zum Spaß« annähert (s. Cena: F, S. 93; U I, S. 456). Der Abgang Tansillos ist auch im Hinblick auf die Frage der Gliederung der Furori in zwei Teile zu unterstreichen, als wenn B. damit eine biographische Gegebenheit in allegorischer Perspektive verbinden wolle, wie dies im übrigen bei den anderen biographischen Bezügen des Werks der Fall ist.



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88  Nel primo dialogo … un seminario … in similitudine e figura: Ein »semi-

nario« im Sinne von ›Samenbeet‹ (semenzaio). Im Dialog wird in der Tat auf das zurückgegriffen, was schon in den Dialogen des ersten Teils gesät wurde, um weniger eine Wende auf begrifflicher Ebene, als vielmehr eine fortschreitende Flexion zum Immanentismus in den folgenden Dialogen vorzubereiten. Es ist kein Zufall, daß im Dialog präzise Verweise auf den dritten Dialog des Spaccio vorkommen, besonders in den ersten drei Artikeln (Furori, II, 1, S. 228–249; vgl. BSP, S. 249 ff., 258 f.; BW V, S. 333–337, 345–347), unter Berufung auf die hermetische Klage des Asclepius und allgemein auf die Weisheit der alten Ägypter oder auch auf das Thema der »eroi de la terra« (hier ist auch der Verweis auf Sigillus sigillorum bezüglich der verschiedenen Formen der contractio zu unterstreichen: Furori, II, 1, S. 260 f.; vgl. Sigillus: OMNE II, S. 226–253). Ich habe von einem Parallelismus zwischen den Reichen Apollos und Dianas gesprochen, d. h. zwischen einer ›ersten Intelligenz‹ in der Perspektive eines Unendlichen als complicatio (das unendliche Universum als Wesen, insofern es Monas ist, die mens super omnia, die einzige Substanz, in der eine Identität der Gegensätze gegeben ist) und einer ›ersten Intelligenz‹ im Horizont eines Unendlichen als explicatio (das unendliche Universum als Wesen, insofern es die Totalität unendlicher Welten darstellt, in denen sich ein und dasselbe göttliche Prinzip widerspiegelt – der deus in rebus, die mens insita omnibus – und in denen die Gegensätze tatsächlich wirksam sind). Eine immanentistische Auffassung, welche die Kritik eines metaphysischen Anspruchs des Subjekts mit sich bringt, das sich des sinnlichen Teils seiner selbst, d. h. der ›Welt‹, entäußern möchte, um sich unvermittelt mit einem absoluten Gott als Prinzip (für B. einem indifferenzierten Prinzip) zu vereinigen. Diese immanentistische Flexion, die bereits im zweiten Dialog des zweiten Teils zu beobachten ist, wird in antimetaphysischer Perspektive im vierten Dialog akzentuiert, um einen Ausgleichspunkt sowohl im dritten Dialog als auch vor allem im enigmatischen Schlußdialog mit einer Erzählung nach Art der im 16. Jahrhundert beliebten Schäferfabeln zu finden. Im ersten Dialog des zweiten Teils nimmt die Thematik der Gegensätze in der Perspektive der Zeit (der wechselhaften Veränderung aller Dinge im Universum, weswegen es keinen »Genuß ohne sein Gegenteil« geben kann) und, speziell im Verhältnis zum »Zustand des heroischen Leidenschaftlichen«, des ›Gefühls‹ der Zeitlichkeit, d. h. der Grenze auf der Ebene der individuellen Existenz, eine zentrale Stellung ein. Trotz des Wechsels der Gesprächspartner mit Beginn des zweiten Teils der Furori steht dieser Dialog auch aufgrund der Einführung der Impresen des heroischen Leidenschaftlichen in engem Zusammenhang mit dem letzten Dialog des ersten Teils (vgl. oben, Anm. 86; ein weiterer Faktor, der die beiden Dialoge verbindet, ist deren bemerkenswerte Länge – ein jeder

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umfaßt ca. 45 Seiten – im Vergleich mit den anderen acht Dialogen). Im ersten Dialog des zweiten Teils werden 12 Impresen untersucht; auch in diesem Fall stehen die Artikel im Verhältnis zu den Impresen (I–XII numeriert), die ihrerseits außer dem Motto ein Sonett vorstellen. Hier ist hervorzuheben, daß wie im fünften Dialog des ersten Teils auch im vorliegenden Dialog der letzte, 12.  Artikel sich auf zwei Primärsonette statt auf eines bezieht. Hier ist zu beachten, daß B. – wie bereits oben, Anm. 2 zum Titelblatt ausgeführt – in beiden Teilen der Furori jeweils dieselbe Anzahl an primären Dichtungen einzufügen beabsichtigte, und zwar 34, um auch durch dieses numerische Faktum den Parallelismus beider Teile des Werks, insbesondere seines Canzoniere zu unterstreichen (vgl. oben, Anm. 64). Für den engen Zusammenhang zwischen dem ersten Dialog des zweiten Teils und dem fünften Dialog des ersten Teils sei z. B. auf die Imprese Vicit instans, Furori, II, 1, S. 272 ff., im Verhältnis zur 14. Imprese des vorhergehenden Dialogs, Amor instat ut instans, Furori, I, 5, S. 218 ff., verwiesen. Hier im folgenden die 12 Motti des ersten Dialogs des zweiten Teils und die entsprechenden Incipits der 13 So­­ nette des Dialogs: 1. Iam, Modo, Praeterea // Un alan, un leon, un can appare; 2.  Illius aram // Or chi quell’aura de mia nobil brama; 3. Neque simile, nec par // Questa fenice ch’al bel sol s’accende; 4. Nitimur incassum? // Questa mente ch’aspira al splendor santo; 5. Manens moveor // Quel ch’il mio cor aperto e ascoso tiene; 6. Fluctuat in porto // Se da gli eroi, da gli dèi, da le genti; 7. Mors et vita // Per man d’amor scritto veder potreste; 8. Scinditur incertum // Bene far voglio, e non mi vien permesso; 9. Vicit instans // Forte a i colpi d’amor feci riparo; 10. Subito, clam // Avida di trobar bramato pasto; 11. Cui nova plaga loco? // Che la bogliente Puglia o Libia mieta; 12. Fronti nulla fides // Gentil garzon che dal lido scioglieste / Lasciato il porto per prova e per poco. 89  nel primo sonetto … la ruota del tempo: Das Bild vom ›Rad der Zeit‹ – als Rad der Verwandlungen oder der Veränderungen (Furori, I, 3, S. 116 f.; II, 1, S. 256 f.; II, 4, S. 370 f.) – kommt in den Schriften B.s wiederholt vor; in den italienischen Dialogen vor allem in den sogenannten moralischen Dialogen (Spaccio, Cabala und Furori). Das Bild steht mit einem der grundlegenden Themen der Werke B.s in Verbindung, der wechselhaften Veränderung aller Dinge im Universum: ein Wandel, der sowohl die Natur als auch die Kultur betrifft, die einzelnen Personen so wie die ›Völker‹. Vgl. zum Ausdruck »mutazion vicissitudinale del tutto« (»wechselvolle Veränderung des Ganzen«) Infinito: BW IV, S. 34 f.; in den Furori spricht B. von einem »wechselnden Kreislauf, den sie [die Natur] bei der Drehung ihres Rades zeigt« (»vicissitudinale circolazione che si vede ne la vertigine de la sua ruota«; Furori, I, 4, S. 158 f.). B. versteht einen solchen wechselnden Kreislauf, der auch die Seelen betrifft,



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als ureigenen Charakter der natürlichen Vorsehung: »In der Natur vollzieht sich eine Umkehr und ein Kreislauf, durch den die höheren Dinge sich zu den niederen beugen, zu deren Vervollkommnung und Unterstützung, und zugleich sich die niederen Dinge zu den höheren erheben, um selbst Auszeichnung und Glück zu finden« (Furori, I, 3, S. 114 f.). Der erste Artikel des Dialogs ist in verschiedener Hinsicht wichtig, auch wegen der Verweise auf die Theorie der Furchtsamkeit (unter Hinzufügung einer weiteren ›Sphäre‹, auf die B. als »unsichtbares Himmelsgewölbe« und »anderer Tierkreis« Bezug nimmt: Furori, II, 1, S. 228 f.) sowie auf die Thematik des Weltjahres – annus mundanus oder auch annus caeli –, als eigene Bewegung der achten Sphäre (»das große Jahr der Welt«, ebd.). Diesbezüglich ist eine allgemeinere Präzisierung hinsichtlich einiger Passagen der Furori angebracht – das gilt für den vorliegenden und andere Dialoge, vor allem den fünften des zweiten Teils, sowie andere Schriften des Philosophen –, in denen B. auf astronomisch-astrologische Fragen eingeht. Es sei gestattet, hier auf einige Überlegungen meines Beitrags zurückzugreifen, der der Interpretation des Schlußdialogs der Furori gewidmet ist (vgl. Canone: Magia dei contrari (2005), S. 67–91; s. auch oben, Anm. 14). Die Texte, aus denen die Gruppe der moralischen Dialoge besteht, stellen die allegorischsten Schriften B.s dar, in denen er Bilder und Symbole gebraucht, die sich auf kosmologische Anschauungen berufen, die er in den Werken Cena, De la causa und De l’infinito stark bekämpft hatte. So betont B. in der Darlegung der Furori, daß die Allegorie der neun Blinden im Schlußdialog des Werks die »gängige Vorstellung von den neun Sphären« berücksichtige (Darlegung, S. 31); damit übereinstimmend hatte er im Erläuternden Brief des Spaccio bemerkt, daß der moralische Diskurs des Werks die von Ptolemäus im Almagest aufgeführten 48 Konstellationen berücksichtige. In beiden Fällen spielt er gewollt auf imaginäre Himmelsgewölbe an, die auf der Auffassung eines geschlossenen sowie in eine (supralunarische) Sphäre der Vollkommenheit und eine (sublunarische) Sphäre des Entstehens-Vergehens gespaltenen Kosmos beruhen, der zufolge die Sterne »an einer achten Sphäre angenagelt« seien (Infinito: BW IV, S. 209; vgl. U II, S. 27 u. Cena: U I, S. 547). Dieses unter physikalischem Gesichtspunkt illusorische Firmament wird bei B., im Spaccio wie auch in den Furori, zum ›Subjekt‹ einer allegorisch-moralischen Analyse im Zusammenhang mit der Welt des Menschen erkoren – eine Welt, die nicht von den Sinnen und der Einbildungskraft absehen kann, insofern sie gerade als Theater und metaphorische Bühne verstanden wird: »Diese Welt wird hier, nicht ohne guten Nutzen, gemäß der Vorstellung dummer Mathematiker dargestellt, wie sie von den keineswegs weiseren Physikern (unter denen die Peripatetiker die törichtsten sind) übernommen wurde: Erst in etliche Sphären unterteilt und dann in etwa achtundvierzig Bilder geschie-

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den […], wird sie zum Ausgangspunkt und Gegenstand unseres Werkes« (Spaccio: BW V, S. 25). Vgl. zur Theorie des Weltjahres, auf die B. im ersten Dialog des zweiten Teils im Zusammenhang mit der Erörterung der Gegensätze und der Wechselhaftigkeit zu sprechen kommt, auch Cena: U I, S. 565 f.; Spaccio: BSP, S. 39 (hier handelt es sich um einen ironischen Verweis); Principiis: OM, S. 650 f. In Cena gibt B. unter Berufung auf die Alphonsinischen Tafeln die Länge des Weltjahres mit 49.000 Jahren an, während er im Spaccio und in Principiis – wenngleich in letzterem Text auf problematischere Weise – 36.000 Jahre angibt, wobei er die vorherige Berechnung berücksichtigt, die auf Hypparchos und Ptolemäus zurückgeht, doch ändert das an der Perspektive des Philosophen wenig (es sei daran erinnert, daß auch Ficino im zweiten Kapitel des vierten Buchs der Theologia Platonica unter spezieller Berufung auf die ›Platoniker‹ 36.000 Jahre als Länge eines Weltjahres ansetzt: TP I, S. 169; cfr. anche Theologia Platonica, Buch XVII, Kap. III: TP III, S. 164). Vgl. hierzu Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 234: »jene achte Sphäre, in der die Menge der Fixsterne ihren Sitz hat, kann der Späte ihrer Bewegung zufolge wenige Umdrehungen im Laufe der Weltlebenszeit und ihres eigenen Lebens vornehmen, doch nach dem, was ich gerade von dir vernommen habe, sagen die Astrologen, daß für eine Umdrehung nicht weniger als sechsunddreißigtausend (einige sagen mehr als vierzigtausend) Jahre notwendig seien: und wenn ihr Leben nicht mehr als vierzigtausend währt, kann sie wenig mehr als eine Umdrehung im Laufe ihres Lebens vollziehen, was mir eigenartig erscheint«. Vgl. zur Kritik B.s an der Lehre vom großen Weltjahr auch in bezug auf die Auffassung einer ewigen Wiederkehr des Gleichen das siebte Kap. des dritten Buchs von Immenso: OL I/1, S. 367–372, mit dem Titel »Persequitur propositum de vanitate circulorum, et anni illius mundani phantasia platonica et aliorum«. »Ergo vides numeri quantis perit illa sophistae / In proprios ingentis pollicitatio secli / Exortus reditum capientis, ut inde queamus / rursum obitas et obire vices nihilominus omnes, / Nempe iterum ad Trojam ut magnus mittatur Achilles« (»Du siehst also, aufgrund welcher Zahlen jenes Versprechen des Sophisten sich nicht erfüllt, demzufolge das große Jahrhundert zu den eigenen Ursprüngen zurückkehrt, damit wir alle vergangenen Ereignisse von neuem erleben können und der große Achilles erneut nach Troja entsandt werden kann«: ebd., S. 367); vgl. auch Spaccio: BSP, S. 40; Platon: Timaios, 39d, wo von einem »perfekten Jahr« die Rede ist; vgl. Calcidius: In Timaeum commentarius, 118, sowie Cicero: De re publica (Somnium Scipionis), VI, 24, u. Macrobius: Commentarii in Somnium Scipionis, 2, 11, 8–12. Was schließlich den Verweis auf das »unsichtbare und höhere Himmels­ gewölbe, wo der andere Tierkreis ist«, betrifft (Furori, II, 1, S. 229), handelt es sich, wie bereits erwähnt, um einen indirekten Bezug auf die Theorie der



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Furchtsamkeit im Verhältnis zur Präzession der Äquinoktien. Der »andere Tierkreis« bezeichnet den neunten »Kristallhimmel«, aber als Sphäre, die im Zusammenhang dieser Theorie zwischen der achten Sphäre (der Fixsterne oder Firmament) und der neunten Sphäre (dem ersten Beweger) eingefügt worden war. Vgl. dazu Cena: U I, S. 565 f. u. Spaccio: BSP, S. 39. Das »unsichtbare Himmelsgewölbe«, auf das B. in den Furori anspielt, ist folglich nicht als ›erster Beweger‹ anzusehen, der durch die Hinzufügung einer Sphäre zum zehnten Himmel wurde. Vgl. das dem Cosmographicus liber (11524) des Pietro Apiano entnommene Diagramm, das bei M.-P. Lerner: Le monde des sphéres, I (22008), S. 202 abgebildet ist. 90  la moltitudine delle specie: Der Begriff ›specie‹ bezeichnet das medium zwischen dem erkennbaren Objekt und dem erkennenden Subjekt. B. greift auf die scholastische Tradition zurück: »in der Sprache der mittelalterlichen Scholastik ist die species die Vermittlerin der Erkenntnis: d. h. der eigentliche Gegenstand des Empfindungsvermögens und des Verstandes, insofern sie die Form ist, die das Empfindungsvermögen oder der Verstand aus den Dingen abstrahiert« (N. Abbagnano: Dizionario di filosofia (1971), S. 825). Der Verstand verwandelt die species sensibilis in species intelligibilis, das Bild in Begriff (vgl. zur Unterscheidung zwischen ›eingeprägter‹ und ›ausgedrückter‹ species intelligibilis Giovanni Di Napoli: Art. Specie, in: Enciclopedia filosofica, IV (1957), Sp. 848). Der Begriff ›species‹ spielt in den Furori eine besonders wichtige Rolle im Zusammenhang mit dem Begriff der species intelligibilis der Gottheit (vgl. Furori, I, 3, S. 104–107; I, 4, S. 118–121; I, 5, S. 208 f.; II, 1, S. 272– 279; II, 2, S. 298 f., 302 f., 314–319; II, 4, S. 368–371). B. zufolge gibt es zwei intelligible Spezies der Gottheit, die hier im folgenden aufgeführt werden, auch unter Berücksichtigung der beiden Gottheiten, auf die er in den Furori eingeht; es ist zu beachten, daß B. betont, daß diese »gemine specie« ›sich anbieten‹, »immer an die Pforte der Einsicht klopfen« (ebd., S. 275), und daß es vom Subjekt abhängt, sich ins Vermögen zu setzten, sie aufzunehmen. 1.  Apollo, d. h. die Idee einer »überwesentlichen Einheit« (»unità super essenziale«; Furori, II, 1, S. 286 f.), die jedoch nicht in plotinischer und allgemein neuplatonischer Perspektive zu verstehen ist. Die überwesentliche Einheit ist B. zufolge jedenfalls eine Substanz: eine einzige Substanz als Einheit der Gegensätze; letztere sind als körperliche und als geistige Substanz aufzufassen. In diesem Sinne spielt er in Cena de le Ceneri auf die »übersubstantiale Substanz« an (Cena: F, S. 208; U I, S. 557), die dem Begriff des All-Einen im fünften Dialog von De la causa entspricht. Es ist daher von der mens super omnia als einem von den unendlichen Dingen des Universums unterschiedenen ›Universum‹ die Rede (Causa: BW III, S. 233). Für den Philosophen aus Nola gibt es kein Eines außerhalb der Substanz und des Seienden – das unend-

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liche, unbewegliche Eine, »das die Substanz und das Seiende ist«  –, »denn außerhalb und jenseits des unendlichen Seins […] gibt es nichts mehr, das ein Sein hätte«, wobei zu berücksichtigen ist, daß für B. das Seiende mit dem Universum zusammenfällt, denn letzteres »umfaßt alles Sein und alle Seinsweisen« (Causa: BW III, S. 233–235). Hier muß präzisiert werden, daß das Seiende in der metaphysischen Perspektive B.s insofern mit dem Universum zusammenfällt, als dieses sub specie complicationis verstanden wird. 2. Diana, d. h. die Idee eines deus in rebus, einer mens insita omnibus. Mit Diana bewegen wir uns nicht in der metaphysischen Perspektive der überessentiellen Einheit (der Ebene des Wesens der Gottheit, der »Substanz der Ideen«: Furori, II, 4, S. 368 f.), sondern in der kosmologischen Perspektive eines unendlichen Universums als unendliche Vielheit der Welten, in der sich ein geistiges Prinzip, eben Diana/Seele, mitteilt, welches wir jedoch in seinen Wirkungen ›sehen‹ können, folglich als Schatten oder Abglanz, da die Welten zusammengesetzte Wesen sind, hinsichtlich derer man auf die Gegensätze (geistige und körperliche Substanz) nicht auf der Ebene der Identität Bezug nimmt, sondern der ständigen Spannung zwischen Gegensätzen. Diana verkörpert die Weltseele, eine Seele, die »alles in allem« ist, d. h. die Natur als natura naturans im Verhältnis zur natura naturata (im Hinblick auf die Einheit der Substanz als Einheit der Gegensätze ergäbe eine Unterscheidung zwischen natura naturans und natura naturata keinen Sinn). Im ersten Dialog des zweiten Teils der Furori sagt B., daß Diana »für die Ordnung der zweiten Vernunftwesen steht« (S. 272 f.), während er in der Darlegung im Zusammenhang mit dem Schlußdialog des Werks auf Diana als »erste Vernunft [intelligenza]« eingeht (S. 36 f.). Es handelt sich insofern um einen scheinbaren Widerspruch, als B. sich in beiden Fällen auf den Begriff des intellectus primus, als Vermögen der Weltseele verstanden, bezieht – auf die Gottheit, »insofern sie sich der Natur mitteilt« (Spaccio: BW V, S. 335; vgl. BSP, S. 257), die sich in den jeweiligen Welten und im ganzen Universum ausbreitet. Es ist klar, daß für B. nur diese Gottheit im eigentlichen Sinne mit dem Menschen als Wesen einer Welt unter unzähligen Welten im Universum zu tun hat. Vgl. oben, Anm. 88. Vgl. zu den zwei intelligiblen Spezies der Gottheit die eindringlichen Seiten der Oratio valed. (vor allem OL I/1, S. 11–14), wo B. anstatt von Apollo und Diana von Jupiter und Minerva spricht, doch besteht in diesem Fall kein Unterschied. S. außerdem die Erläuterung B.s zum Begriff der göttlichen Triade im Vorwort zur Abteilung Intellectus seu idea der Summa (mein Kursiv im Zitat): »Vulgata est comparatio apud Platonicos ex Aegyptiorum disciplina, qua divinitas triadem quandam supranaturalem complectatur in unitate, quemadmodum in sole est substantia, lux et calor, et haec tria secundum duplicem modum contemplamur in illo. Est quippe eius substantia absoluta et propria et per se, est



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et vestigium eius substantiae, quo alia substantialiter constituit pater generationis. […]« (OL I/4, S. 102 f.). 91  qui scrutator est maiestatis, opprimetur a gloria: Spr 25,27; im vierten Dialog des zweiten Teils (S. 374 f.) übersetzt B. die Mahnung folgendermaßen: »So wird der, der in die Höhe schaut, bisweilen von dieser Majestät niedergedrückt«. 92  Nel secondo dialogo … studio, elezzione e scopo: Den zweiten Dialog des zweiten Teils könnte man als eine Art Anhang zum voraufgehenden Dialog ansehen, sowohl aufgrund der Kürze des Textes (der Dialog untersucht einen einzigen Artikel in Verbindung mit der Imprese und dem entsprechenden Sonett; hier das Motto und das Incipit des Sonetts: Levius aura // Chi femmi ad alt’ amor la mente desta) als auch aufgrund der Tatsache, daß auch hier die Gesprächspartner Cesarino e Maricondo/a auftreten. Wie gesagt, man ›könnte‹. Tatsächlich nimmt der Dialog eine besondere Stellung innerhalb des Werkes auch deswegen ein, weil er in einer noch betonteren immanentistischen Perspektive die Thematik des Aktäon an der Quelle Dianas aufgreift und weiterentwickelt, die bereits im vierten Dialog des ersten Teils behandelt wurde (vgl. oben, Anm. 83–84). In diesem Sinne stellt der zweite Dialog des zweiten Teils einen bedeutsamen Übergang in bezug auf die Figur des Protagonisten des Werks, des heroischen Leidenschaftlichen, dar. Wenn man von einer Anspielung zu Beginn des dritten Dialogs des zweiten Teils absieht (S. 320 f.), wird im Verlauf des Werks nicht mehr ausdrücklich oder ausschließlich vom heroischen Furioso gesprochen, da die Erlebnisse des Subjekts mit größerem Nachdruck im Horizont eines Wandels kosmischer Art interpretiert werden; von daher wird das persönliche Schicksal des »zusammengesetzten Leidenschaftlichen« immer mehr in der Perspektive der wechselhaften Veränderung aller Dinge im Universum betrachtet (dazu ist jedoch anzumerken, daß B., unter Berufung auf die kosmischen Intelligenzen und immer im Horizont der wechselhaften Veränderung, auf sich selbst als »Anführer«, als ›hauptsächliche‹ (principale) Intelligenz anspielt (Furori, II, 5, S.380 f.). Im zweiten Dialog des zweiten Teils (S. 296 f.) ist auf die Anspielung auf Nola – im Sonett und im Text – hinzuweisen, die zu den im neunten Artikel des voraufgehenden Dialogs vorhandenen autobiographischen Elementen hinzukommt (vgl. S. 274 f.: »In jenem Zustand bekennt der hier gegenwärtige Leidenschaftliche, ›sechs Lustren‹ verbracht zu haben […]«). Was den »ersten Beweggrund […], der den Starken bezwang«, betrifft, auf den der Leidenschaftliche in der Darlegung zu sprechen kommt – S. 27; der Begriff primo ist auch im Sinne von ›ursprünglich‹, nicht nur von ›hauptsächlich‹ zu verstehen, d. h. mit einer zeitlichen Konnotation und immer in einem autobiographischen Horizont –, handelt es sich um die Natur als göttliche Weisheit: Diana/Minerva. Eine Entdeckung,

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die B. hier und anderswo in seiner frühen Jugend ansetzt (vgl. z. B. Oratio valed.: OL I/1, S. 12 u. Immenso: ebd., S. 313 ff.); jene göttlicher Weisheit hätte sich ihm in der Tat schon »in Kampaniens linder Luft« offenbart (Furori, II, 2, S. 296 f.). Der eindrucksvolle poetische Ausdruck ist mit dem ›Himmel‹ einer bekannten Passage aus Cena in Verbindung zu setzten: »der Nolaner …, der bei dieser Gelegenheit wirklich bewies, in Neapel geboren und unter einem gütigeren Himmel aufgewachsen zu sein« (F, S. 183; U I, S. 535). B. kehrt im zweiten Dialog des zweiten Teils zu seiner Auseinandersetzung mit den Pedanten und Grammatikern zurück, die bereits im ersten Teil des Werks zur Sprache kommt. Die Kritik an den »grammatisti« bringt auch einen Angriff auf Petrus Ramus (Pierre de la Ramée) mit sich, der schon in De la causa von B. als »französischer Erzpedant« gebrandmarkt wird (BW III, S. 137). Der Nolaner schreibt: »Und in unserer Zeit wird das bißchen Gute […] durch andere […] dazu benutzt, neue Dialektiken und Argumentationsweisen aufzustellen« (vgl. Furori, II, 2, S. 300 f.), und es ist unklar, inwieweit Philip Sidney, der Dedikatär der Furori, eine solche Kritik begrüßt haben mag, angesichts der Tatsache, daß er ein Befürworter der ramistischen Logik war und überdies den französischen Philosophen persönlich kennengelernt hatte. Wie bereits angemerkt, hat B. bei der Darstellung des Aktäon-Mythos vor allem das dritte Buch der Metamorphosen des Ovid vor Augen, wenngleich er einige Punkte deutlich verändert. Dort, wo Ovid z. B. sagt, daß das fatum Aktäon an diesen heiligen Ort gebracht habe, wobei er sich auf die Unausweichlichkeit eines widrigen Schicksals und die folgerichtige Bestrafung seitens der Göttin bezieht, gebraucht B. dagegen den Begriff destino in einer völlig anderen Perspektive, indem er dessen Güte als Errungenschaft einer von der Gottheit begünstigten Vision herausstellt, also den Wert einer Entdeckung im Verhältnis zur Vortrefflichkeit des Jägers: »Äußerst selten, sage ich, sind die Aktaionen, denen es das Schicksal bestimmt hat, die nackte Diana schauen zu können« (Furori, II, 2, S. 314 f.). Überdies ist hervorzuheben, daß im vorliegenden Dialogtext verschiedene Verweise auf den ersten Dialog von Cena vorliegen. Wenn z. B. in den Furori von einer Betrachtung der »nackten Diana« die Rede ist, nachdem »die Mauern niedergerissen« worden sind, liest man in Cena, daß der Nolaner »die erdichteten Mauern der ersten, achten, neunten, zehnten und weiteren Sphären zerstört« und »die bedeckte und verschleierte Natur entblößt« hat (F, S. 92; U I, S. 454). Diana ist »die Quelle aller Zahlen, aller Erscheinungen, […] sie ist die Monade«, eine Monade nicht als Wesen der Gottheit, sondern als das, »was sie hervorbringt, das ihr ähnlich […] ist« (mein Kursiv); B. definiert Diana deshalb wie folgt: »jenes Eine, welches das Seiende selbst ist, jenes Seiende, welches das Wahre selbst ist, jenes Wahre, das die begreifliche Natur ist«, während das Wesen der Gottheit – Apollo als absolu-



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tes Licht –»unbegreiflich« (incomprensibile) bleibt (Furori, II, 2, S. 316 f.). Hierbei ist wichtig, daß B. diese Unterscheidung auch betreffs der ›Weisheit‹ – die ihm zufolge Minerva wie auch Diana entspricht – und im allgemeinen der göttlichen Triade vornimmt (vgl. Oratio valed.: OL I/1, S. 12–15; Summa: OL I/4, S. 102–104). 93  Nel terzo dialogo … circa medesima cosa significata: Während im vierten Dialog des zweiten Teils von neun blinden Leidenschaftlichen die Rede ist (aber auch von heroischer Blindheit in bezug auf den vierten Blinden, dessen Ursache der Blindheit für »sehr achtenswert« gehalten wird: S. 366 f.), handelt es sich im vorliegenden dritten Dialog um den letzten, in dem der heroische Furioso noch ausdrücklich erwähnt wird: »Als der Leidenschaftliche im Schatten einer Zypresse ausruhte und die Seele einmal […] unbeschwert war« (S. 320 f.: »Posando sotto l’ombra d’un cipresso il furioso, e trovandosi l’alma intermittente […]«); hier ist der Begriff ›intermittente‹ im Hinblick auf die Mittelstellung der Seele zwischen Zeit und Ewigkeit hervorzuheben, auch, was die symbolische Dichte der Zypresse betrifft: ein Symbol der Trauer und des Todes, doch auch der Unsterblichkeit. Im übrigen braucht man nur an den tragischen Kyparissosmythos zu denken, mit dem man sich bereits im Umkreis Apollos und Dianas befindet, die mythologischen Schlüsselfiguren der Furori (vgl. zu den ›Bildern‹ Apollo/Sonne und Diana/Mond die Reflexionen bei Cartari: Le imagini de i dei de gli antichi (1996), S. 47–86 u. S. 87–112). Es sei auf den Zusammenhang zwischen Posando sotto l’ombra und sied’ a l’ombra im mit der dreizehnten Imprese des fünften Dialogs des ersten Teils in Verbindung stehenden Sonett hingewiesen (S. 215, vgl. jedoch auch die folgenden Seiten, die verschiedene Kontaktpunkte zwischen diesem Abschnitt und dem dritten Dialog des zweiten Teils aufweisen). In dem Ausdruck ›sotto l’ombra‹ sieht Miguel Granada – U II, S. 699, Anm. 2) – eine wahrscheinliche Anspielung auf Hld 2,3, wo die Geliebte davon spricht, im Schatten des Geliebten gesessen zu haben: »sub umbra illius quam desideravam sedi«, Worte, die in De umbris (OMNE I, S. 42) angeführt werden. Überdies kommt einem auch der Beginn von Ugo Foscolos Sepolcri in den Sinn, doch ist der Horizont in diesem Fall pessimistischer: »All’ombra de’ cipressi e dentro l’urne / confortate di pianto è forse il sonno / della morte men duro?« (»Im Schatten von Zypressen und in Urnen / getrost von Klagen: ist vielleicht der Schlaf / des Todes minder ehern?«: Von den Gräbern – Dei Sepolcri (1989), S. 207). Die Zypresse, die im Griechenland der Antike mit Apollo und Artemis, aber vor allem mit Pluto und Proserpina assoziiert wurde, kehrt zu Beginn der Eroici furori als Bild der Traurigkeit und des Vergessens im Gegensatz zum Bild der ›Erinnerung‹, mit der der Lorbeer verknüpft ist, wieder: »Tod, Zypressen, Höllen / verwandelt ihr in Leben, Lorbeer, ewige Sterne«

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(Furori, I, 1, S. 42 f.; s. ebd., S. 50 f.; vgl. Oratio cons.: OL I/1, S. 37). Vgl. zur Idee eines unheilsamen Schattens der Zypresse Monade: OL I/2, S. 389 (s. auch S. 390 f. in bezug auf den Begriff der umbra, mit Verweisen auf De umbris). Der dritte Dialog des zweiten Teils läßt Motive erkennen, die ihn dem Schlußdialog der Furori annähern, insbesondere, was die Vorstellung eines Parallelismus betrifft, der dazu tendiert, sich immer mehr von der anthropologischen Ebene (des Subjekts)  – einem Parallelismus zwischen Verstand und Willen/Liebe – zur physikalischen Ebene (des Objekts) zu verlagern, als Parallelismus zwischen der Sphäre des Feuers und der des Wassers; grundlegendes Thema bleiben die ›Gegensätze‹. Eine Unterscheidung, die im Dialog auf symbolische Weise und mit Bezug auf die Elementenlehre der Unterscheidung im kosmologischen Bereich zwischen Sonnen (Gestirnen) und Erdkörpern (Planeten) entspricht, also in bezug auf ein vorherrschendes Element heterogener Zusammensetzungen. In der Kosmologie B.s entfällt in der Tat der traditionelle Unterschied zwischen den Himmelskörpern, deren Substanz man für die Quintessenz hielt, und der Erde mit ihren unzähligen natürlichen, aus den vier Elementen zusammengesetzten Körpern. Doch handelt es sich um einen Parallelismus auch ontologischen Ranges zwischen verum und bonum, so wie im Schlußdialog zwischen den Reichen Jupiters und Okeanos’. Es ist kein Zufall, daß B. sich in der Darlegung, S. 26–29 auf die Lehre der transcendentalia bezieht, die Eigenschaften des Seienden, die für ihn jedoch nicht über der Substanz zu stehen kommen: »Deshalb sind das ›Seiende‹, das ›Wahre‹ und das ›Gute‹ in derselben Bezeichnung erfaßt, und sie beziehen sich auf dieselbe, dadurch bezeichnete Sache«. Im vorliegenden Dialog sprechen überdies das ›Herz‹ (Wille, Liebe) und die ›Augen‹, die jeweils als Augen der Sinne und des Verstandes zu verstehen sind, miteinander, »wie zwei Lebewesen und Substanzen mit jeweils unterschiedlichem Verstand und Gefühl« (Furori, II, 3, S. 320 f.). Auch die (›Erinnerungs‹)funktion der Gesprächspartner Liberio und Laodonio ist von derjenigen der beiden im Schlußdialog auftretenden Figuren Laodomia und Giulia nicht grundverschieden, jedoch mit einer Umkehr der Rollen hinsichtlich des Anklangs der Namen: Es sind in der Tat Liberio und Laodomia, die sich erinnern. Die Schattenhaftigkeit des Subjekts, von der im dritten Dialog des zweiten Teils die Rede ist, ist in Verbindung mit der Vorstellung einer Mittelposition der Seele zu interpretieren, der zufolge letztere sich sowohl im Horizont der Ewigkeit (im Hinblick auf den Verstand) als auch im Horizont der Zeit (im Hinblick auf die Steuerung des Körpers) befinde; eine Auffassung, die sich auf den Platonismus wie auch auf den Aristotelismus berufen konnte. Der Begriff der Seele in horizonte aeternitatis wird dann seit Alanus von Lille vor allem in der Scholastik im Zusammenhang mit der zweiten Sentenz des Liber de causis entwickelt: »Omne esse



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superius aut est superius aeternitate et ante ipsam, aut est cum aeternitate, aut est post aeternitatem et supra tempus«; in der Erläuterung des Satzes liest man: »Esse vero quod est post aeternitatem et supra tempus est anima, quoniam est in horizonte aeternitatis inferius et supra tempus« (vgl. dazu Thomas von Aquin: Super librum De causis expositio, lectio 2; es sei präzisiert, daß es sich im zweiten Satz des Liber de causis um die Weltseele handelt, während die Definition in der Scholastik in bezug auf die Seele des Menschen zur Anwendung kommt). Mit der Vorstellung eines zweifachen Horizonts der Seele steht das Thema der ›zwei Hemisphären‹ in Verbindung, auf die sich auch Dante bezieht: »homo solus in entibus tenet medium corruptibilium et incorruptibilium; propter quod recte a phylosophis assimilatur orizonti, qui est medium duorum emisperiorum« (Monarchia, III, 15; im Convivio, III, 7 [Das Gastmahl (1965), S. 125] schreibt Dante, daß der Mensch »mit Ausnahme des Kopfes ganz im Wasser steckt« [»è tutto ne l’acqua fuor del capo«]; das Wasser bezeichnet hier das körperliche Element). B. spricht in den Furori von ›Hemisphären‹, wobei er speziell auf die »Hemisphäre der Vernunftsubstanzen« (sustanze intellettuali) anspielt (Furori, II, 2, S. 316 f.; vgl. I, 5, S. 190–193). Im Dialog entwickelt er das Thema des Verhältnisses zwischen Verstand und Willen – die Flügel der Seele –, ein Thema, das er, wie bereits erwähnt, besonders im dritten und vierten Dialog des ersten Teils des Werks ausführt (vgl. oben, Anm. 80 u. 83; zu den ›Flügeln der Seele‹ auch oben, Anm. 41). Im Passus der Darlegung ist von Erkenntnis und Begehren die Rede, doch handelt es sich, wie gesagt, nicht um ein sinnliches, sondern um ein rationales Begehren. B. liegt daran, zu betonen, daß Verstand und Willen im Menschen niemals Erfüllung finden: »Daher der Akt des Willens, der auf das Gute bezogen ist, ebensowenig begrenzt wie der Akt der Erkenntnis, der sich auf das Wahre bezieht, unendlich und unbegrenzbar ist« (Darlegung, S. 26 f.); so bemerkt er im ersten Dialog des zweiten Teils: »Das Erkenntnisvermögen kommt nie zur Ruhe, nie gibt es sich mit einer begriffenen Wahrheit zufrieden, sondern schreitet immer weiter und weiter zur unbegreiflichen Wahrheit fort. Ebenso sehen wir, daß sich der Wille, der dem Begreifen folgt, niemals mit einer endlichen Sache zufriedengibt« (Furori, II, 1, S. 268 f.; vgl. De immenso: OL I/1, S. 203 f.). Wenngleich er dem Willen eine wichtige Rolle im Erkenntnisprozeß zuerkennt (eine Erkenntnis, die B. aristotelisch als ›Gottwerdung‹ des Menschen nicht in theologischer, sondern philosophischer Perspektive, folglich mit Blick auf das irdische Leben, versteht), bleibt er im Gegensatz zu Ficino (vgl. oben, Anm. 80) der Idee eines Primats des Intellekts treu. Sicher, B. bezieht sich auch unter Berufung auf Thomas von Aquin auf eine gegenseitige Einbeziehung von Verstand und Willen. In der Darlegung spricht er von einem ›Zusammenlaufen‹ von Begehren und Erkenntnis, wobei er in dem

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Zusammenhang an seine aristotelische Ausbildung in der Jugend erinnert; wie man hinzufügen kann, eine Ausbildung auch scholastisch-tomistischer Prägung, wenn man die zehn Studienjahre im Kloster von San Domenico Maggiore in Betracht zieht (was Aristoteles betrifft, sei hier nur auf die Erörterung über Verstand und Begehren [Horexis] im sechsten Buch der Nikomachischen Ethik verwiesen). Also ein Primat des Intellekts, der dem Willen voraufgeht, indem er ihm seinen Gegenstand bestimmt, wie Thomas von Aquin betont hatte (vgl. für einige Hinweise auf die Summa theologiae und die Summa contra Gentiles oben, Anm. 85; Furori, I, 3, S. 106 f.; II, 3, S. 340 f. Auch Averroës hatte präzisiert, daß der Wille vom Verstand abhängig sei: s. In Metaphysicam, XII, Komm. 36, in: Aristotelis Opera cum Averrois commentariis, Bd. VIII [1962: Repr. der Ausg. Venetiis 1562], f. 319A). Der umgekehrte Fall – d. h., daß »das Gefühl der Vernunft [intelletto]« vorauseilt – wird von B. als einer der Gründe dafür angesehen, daß »der menschliche Geist dem göttlichen Objekt gegenüber blind ist« (Furori, II, 4, S. 360 f., 372 f.). B. spricht also nicht von ungefähr von verstandesmäßigem Willen, intellektuellem Begehren und verstandesmäßiger Liebe, so wie er auf den Begriff des furor als »ein vom Verstande gelenkter Antrieb [impeto razionale], der das Ziel verfolgt, das ihm bekannte Gute und Schöne mit der Vernunft zu begreifen«, eingeht (Furori, I, 3, S. 92 f.). Wie bereits in der Darlegung aufgezeigt wurde, beabsichtigt B. im vorliegenden Dialog, einen Rückbezug zu einigen Erörterungen des vierten Dialogs des ersten Teils herzustellen: »Ich antworte, daß in den Sinnen und in der Vernunft ein Begehren und ein Antrieb zur Erfahrung im allgemeinen liegt […]. So kommt es, daß wir die unbekannten und niemals gesehenen Dinge nicht weniger sehen wollen als die bekannten und gesehenen. Daraus folgt aber nicht, daß das Verlangen nicht aus der Erkenntnis entstünde oder daß wir uns nur nach etwas sehnten, das nicht bekannt ist; ich behaupte vielmehr, daß es nichtsdestoweniger gesichert und bestätigt ist, daß uns nicht nach unbekannten Dingen verlangt« (Furori, I, 4, S. 136 f.). Vgl. hierzu, was Giovanni Pico schreibt: »Gott ist jenes Gut, von dem Aristoteles zu Beginn der Ethik sagt, daß alle Dinge es begehren, und du wirst aufgrund dessen, was dort gesagt wird, sowohl wissen, warum sie es begehren, auch wenn sie es nicht kennen, als auch, warum sie einen ihnen unmöglichen Gegenstand nicht begehren« (»Dio è quel bene del quale dice Aristotele, nel principio della Etica, che desiderano tutte le cose e saprai, per quel che è detto, e in che modo lo desiderano, benché non conosciuto, e in che modo non desiderano cosa a loro impossibile«: Pico della Mirandola: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 491). Es ist klar, daß B. bei seinen Erörterungen, die von der Anerkennung der Bedeutung des Sehvermögens ausgehen, die Überlegungen Aristoteles’ und der Aristoteliker – man braucht nur



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an den Beginn der Metaphysik, I, 1, 980a20 ff. zu denken –, aber auch Ficinos vor Augen hat: »Jede Liebe geht vom Sehen aus, doch die Liebe zum Kontemplativen hat über das Sehen seinen Ursprung im Geiste« (»ogni amore comincia dal vedere, ma l’amore del contemplativo dal vedere surge nella mente«); »Die wahre Liebe ist nichts anderes als ein gewisses Bemühen, sich zur göttlichen Schönheit aufzuschwingen, das durch den Anblick körperlicher Schönheit in uns geweckt wird« (»El vero amore non è altro che un certo sforzo di volare alla divina bellezza, desto in noi dall’aspecto della corporale bellezza«; El libro dell’amore (1987), S. 133 u. 216; vgl. zum Beispiel auch S. 140, 142 f.). Wie festgehalten wurde, ist eine volle Verwirklichung des natürlichen Begehrens des Menschen, d. h. der Vereinigung mit dem Gegenstand, zu dem Verstand und Willen tendieren, Ficino zufolge nicht von dieser Welt (vgl. Kristeller: Die Philosophie des Marsilio Ficino (1972), T. II, Kap. 3 u. 5). Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß B. sich bezüglich des intellektuellen Begehrens auf das scholastische Diktum nihil volitum nisi praecognitum beruft, das seinerseits auf die Sentenz ignoti nulla cupido der Ars amatoria Ovids zurückgeht (vgl. oben, Anm. 85). In der Darlegung führt B. daher aus, »ob man nicht eher fähig sei, zu lieben als zu verstehen, und ob alles, was man auf gewisse Weise begehrt, auch erkennt und umgekehrt« (S. 27), wobei er eine klare antitheologische und antiplatonische Haltung bezieht. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Begriff in den Liebestraktaten der Renaissance vorkommt, vom Commento sopra una canzona de amore Giovanni Picos  – »Es ist von der Natur so eingerichtet, daß mit jeder erkennenden Tugend eine begehrende Tugend einhergeht, welche das, was die erkennende Tugend für gut hält, liebt und mit Freude annimmt, hingegen das, was diese für schlecht hält, haßt und verwirft« (»è dalla natura istituto che ad ogni virtù cognoscente sia congiunta una virtù appetitiva, la quale, quel che la cognoscente iudica essere buono ama ed abbraccia, quello che iudica esser male, odia e rifiuta«: Pico della Mirandola: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 491) – bis zu den Dialoghi d’amore Leone Ebreos: »Denn man kann nichts lieben, bevor man es nicht kennt« (»Perché nissuna cosa si può amare, se prima non si conosce«; Dialoghi d’amore (2008), S. 64; vgl. ebd., S. 10 f.). Auf denselben Begriff beruft sich Baldassare Castiglione: »da das Begehren allein die bekannten Dinge begehrt, muß dem Begehren stets die Erkenntnis vorausgehen« (»perché il desiderio non appetisce se non le cose conosciute, bisogna sempre che la cognizion preceda il desiderio«: Castiglione: Il cortegiano (1991), S. 338 f.). Hier die Incipits der acht Sonette des Dialogs: Come, occhi miei, sì forte mi tormenta; Come da te sorgon tant’acqui, o core; Occhi, s’in me fiamma immortal s’alluma; Ahi cor, tua passion sì ti confonde; S’al mar spumoso fan concorso i fiumi; Se la materia conver-

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tita in foco; Sciocco è colui che sol per quanto appare; Ahi per versar a l’elemento ondoso (Furori, II, 3, S. 320–325). 94  Nel quarto dialogo sono figurate … le nove raggioni … banditi gli altri: Vgl. den Beginn der vorhergehenden Anm. Man kann sagen, daß mit dem vierten Dialog des zweiten Teils ein bestimmter spekulativer Verlauf des Werks zum Abschluß kommt; der Verweis bezieht sich auf B.s Auseinandersetzung mit der Frage der Gottwerdung des Menschen, die folglich eine Neuerwägung der metaphysischen Perspektive dieser Frage und damit der Ideen des primum verum und des summum bonum impliziert. B. sucht ein Abgleiten des metaphysischen Problems ins Theologische zu vermeiden, und aller Wahrscheinlichkeit nach ist der Autor, auf den seine Kritik besonders abzielt, Ficino (vgl. Theologia Platonica, Buch XIV, Kap. I–II, u. Buch XVIII, Kap. VIII: TP II, S. 246–256; TP III, S. 200–220). B.s Kritik zeigt durch ihren Bezug auf die negative Theologie auch einen möglichen Ausweg aus der metaphysischen Sackgasse auf (vgl. die Erörterungen zum neunten Blinden, S. 359 f., 375 f.), also durch die Einsicht in die Hinfälligkeit einer Suche und einer Rede, die Gott als absolutes Wesen zum Gegenstand haben (»wie ein unzugängliches Etwas […] wie ein nicht zu vergegenständlichender Gegenstand und nicht nur wie ein unbegreiflicher«: Furori, II, 2, S. 314 f.). Von den beiden Gesprächspartnern des vierten Dialogs, Severino und Minutolo, stellt ersterer die ›Artikel‹ vor; er ist ohne Frage die repräsentativere Figur des Dialogs. Hier die Incipits der neun Sonette: Felici che talvolta visto avete; Da la tremenda chioma ha svèlto Aletto; S’appaia il gran pianeta di repente; Precipitoso d’alto al gran profondo; Occhi miei d’acqui sempremai pregnanti; Occhi non occhi; fonti, non più fonti; La beltà che per gli occhi scorse al core; Assalto vil, ria pugna, iniqua palma; Fortunati voi altri ciechi amanti (Furori, II, 4, S. 346–361). Auf die zwei intelligiblen Spezies der Gottheit wurde bereits eingegangen. In einem speziell philosophischen Horizont wird auf primum verum und summum bonum als möglicher Gegenstand der Erkenntnis Bezug genommen, d. h. insofern primum verum und summum bonum im Laufe des irdischen Lebens gewissermaßen erreicht (erkannt) werden können. Die Philosophie beschäftigt sich nicht mit dem Schicksal der Seele nach dem Tod, im Jenseits, wenn es aufgrund der Behauptungen der Theologie zumindest den Seligen möglich zu sein scheint, Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen und demzufolge zum göttlichen Wesen selbst Zugang zu finden (vgl. Thomas von Aquin: Summa theologiae, I, q. 12, art. 1). Hier sei daran erinnert, daß auch Ficino in der Theologia Platonica der Ansicht ist, daß die Sehnsucht nach dem Wahren und Guten als eigentliches Ziel des Menschen niemals in diesem Leben verwirklicht werden kann; er legt Wert darauf, zu betonen, daß der Verstand des Menschen sowohl in den Einzelpersonen als auch im Hinblick auf die



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Menschheit als Ganzes angesichts der göttlichen Dinge blind sei (vgl. Theologia Platonica, Buch XIV, Kap. II, in: TP II, S. 253). B. nimmt gegenüber der Metaphysik eine kritische Haltung ein; er erkennt die Rechtmäßigkeit einer metaphysischen Spekulation über das Wesen an, solange die ›Legalität‹ der Natur als Wesen nicht in Frage gestellt wird: Natur und Gottheit kommen zu »ein und demselben guten Zweck« überein (Spaccio: BW V, S. 371; BSP, S. 278). Gegenstand der Suche des heroischen Leidenschaftlichen ist die Gottheit als primum verum und summum bonum: Verstand und Willen werden nie befriedigt, »denn das eigene Licht treibt sie [die Vernunft], an das zu denken, was jegliche Art von Erkennbarem und Erstrebenswertem in sich beinhaltet, […] die erhabene Quelle der Ideen« (Furori, I, 4, S. 128 f.). Wenn der Geist des Menschen sich auch den Begriff eines göttlichen Wesens bilden kann – »durch Vermittlung des Seienden zur Wesensschau vordringen« (»per mezzo de l’essere procedere alla speculazion de l’essenza«: Furori, II, 4, S. 366–369) –, so bleibt dieses Wesen doch immer unerkennbar und unerfaßbar: »wie ein unzugängliches Etwas […] wie ein nicht zu vergegenständlichender Gegenstand und nicht nur wie ein unbegreiflicher« (Furori, II, 2, S. 314 f.). Nicht von ungefähr greift B. auch im vierten Dialog des zweiten Teils Themen der negativen Theologie auf. Wie gesagt, spielt er mit der Figur Apollos auf die Idee eines Wesens der Gottheit an, auf das sich die Attribute eines absoluten und einfachen Wesens im eigentlichen Sinne beziehen. Dennoch gibt es keine zwei unendlichen Wesen, sondern zwei verschiedene Ideen eines unendlichen Wesens: als mens super omnia (complicatio) und als mens insita omnibus (explicatio); letztere betrifft die Natur, die Ebene, auf der es tatsächlich Erkenntnis geben kann. Es ist dem menschlichen Geist also möglich, sich die Idee einer mens super omnia zu bilden, doch kann man in diesem Fall nicht von Erkenntnis sprechen, insofern dies hieße, in das »unzugängliche«, aber auch ›ungestaltbare‹ Wesen der Gottheit selbst vordringen zu wollen; in der Tat ist das Wesen als Komplikation unendlicher Seinsweisen »nicht gestaltet […] noch gestaltbar« (Causa: BW III, S. 227). Daher besitzt die menschliche Seele »die für ihre Jagd geeignete(n) […] Werkzeuge« (Furori, II, 2, S. 311); was den erhabensten Gegenstand der Erkenntnis betrifft, muß jedoch immer auf die Bedingungen und Grenzen Bezug genommen werden, innerhalb derer man von Erkenntnis im eigentlichen Sinne sprechen kann. Die Erkenntnis des göttlichen Gegenstands seitens des Menschen kann als vollkommen betrachtet werden, nicht »im Hinblick darauf, wie das höchste Objekt begriffen werden könnte, aber im Hinblick darauf, wieviel unsere Vernunft [intelletto] begreifen kann« (Furori, I, 3, S. 108 f.). B. berücksichtigt also im Hinblick auf die Thematik der ›vollkommenen Glückseligkeit‹ die Erörterungen Aristoteles’ zum kontemplativen Leben und zur virtus heroica in der Nikoma-

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chischen Ethik sowie die Kritik des Stagiriten an der platonischen Auffassung des ›Guten an sich‹. Aufgrund seiner philosophischen Ausbildung fühlt sich B. dem peripatetischen Ansatz ziemlich nahe: »wenn sie sagen, das höchste Glück des Menschen bestehe darin, sich durch die spekulativen Wissenschaften zu vervollkommnen« (Furori, I, 3, S. 108 f.). Wenn Averroës und andere Aristoteliker von der Möglichkeit für den Menschen sprechen, sich intellektuell mit den getrennten Substanzen zu vereinigen, beziehen sie sich jedenfalls auf das irdische Leben, auf diesen »Zustand, in dem wir uns befinden«; im selben Passus fügt B. hinzu: »Im Augenblick will ich nicht weiter nachdenken über die Seele oder den Menschen, wenn er sich in anderen Zuständen und Seinsweisen befindet, wie man sie antreffen oder annehmen könnte« (ebd.). Diesbezüglich liest man im Einleitungsschreiben zu De l’infinito, daß die ›nolanische Philosophie‹ »die Sinne öffnet, den Geist befriedigt, die Vernunft verherrlicht und den Menschen zur wahren Glückseligkeit führt, die er als Mensch mit dieser Verfassung und Beschaffenheit erlangen kann« (Infinito: BW IV, S. 35). »Dieser Zustand, in dem wir uns befinden«, ist der eines jeden Kompositums, ein »weltlicher Zustand«, der dem Rad der Zeit und der Metamorphosen unterworfen ist (vgl. oben, Anm. 89), und das gilt nicht nur für das gegenwärtige Leben, sondern auch für ein eventuelles zukünftiges Leben: »Denn auch wenn wir ein anderes Leben oder eine andere Art, wir zu sein, erwarten, wird es doch nicht das unsere als desjenigen sein, der wir gegenwärtig sind, weil dieses auf ewig vergeht, ohne je auf Wiederkehr hoffen zu dürfen« (Spaccio: BW V, S. 251). Was B. jedoch für einen Nachteil der peripatetischen Auffassung speziell im Hinblick auf dieses Thema hält, ist die Rückführung des Problems der Seele des Menschen vorzugsweise auf die Verstandesebene, d. h. ohne eine angemessene Berücksichtigung der Frage des Willens und der Liebe; ein Problem, das im allgemeineren Sinne das Verhältnis zwischen der Vernunftseele und der Weltseele betrifft, und in diesem Punkt – ganz zu schweigen von der Konzeption der Seele als forma corporis – ist B. Aristoteles und den Aristotelikern gegenüber äußerst kritisch. In der vorausgehenden Anm. habe ich auf die Bedeutung der Thematik des Sehvermögens in den Furori hingewiesen. B. hält das Sehvermögen für »den geistigsten aller Sinne, da er im Nu bis zu den Grenzen der bekannten Welt aufsteigt und sich ohne Zeitverlust über den ganzen Horizont des Sichtbaren verbreitet« (Furori, II, 1, S. 284 f.); die Sehkraft, sagt er, »pflegt hierbei das Gefühl dazu anzuregen, mehr zu lieben als das, was es sieht, denn immer bedenkt es, […] (wegen der universalen Kenntnis, die es vom Schönen und Guten hat), daß es über die Stufen der erfaßten Erscheinung des Guten und Schönen hinaus unendlich viele weitere gibt« (Furori, I, 4, S. 138 f.). Im vierten Dialog des zweiten Teils wird im Zusammenhang einer Erörterung der Blindheit natür-



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lich auf das Auge des Verstands Bezug genommen, welcher – in einer erkenntnistheoretischen Perspektive wie die B.s – nicht umhin kann, die Information des Sinnes, der »occhi sensitivi«, zu berücksichtigen. Wenn es daher wahr ist, daß »Es […] keinen Sinn« gibt, »der das Unendliche sieht […]: Denn das Unendliche kann nicht Gegenstand der Sinneswahrnehmung sein. Aus diesem Grund ist derjenige, der es auf dem Weg der Sinneswahrnehmung zu erkennen verlangt, wie einer, der die Substanz und das Wesen mit bloßem Auge sehen wollte« (Infinito: BW IV, S. 51–53), ist es ebenso wahr, daß man, »um die göttlichen Dinge zu betrachten, […] man die Augen durch Bilder, Gleichnisse und andere Sichtweisen öffnen (muß), die die Peripatetiker unter der Bezeichnung Phantasmen zusammenfassen. Anders gesagt, man muß durch Vermittlung des Seienden zur Wesensschau vordringen« (Furori, II, 4, S. 366–369). B. läßt es sich in seinen Schriften angelegen sein, diesbezüglich an das bekannte Diktum der Aristoteliker zu erinnern: »nihil est in intellectu quod prius non fuerit in sensu« (vgl. De anima, 432a8); demzufolge: »intelligere est phantasmata speculari, et intellectus est vel phantasia vel non sine ipsa«, von daher »non intelligimus, nisi phantasmata speculemur« (Thes. de magia: OM, S. 376; Explicatio: OMNE II, S. 120; Imaginum: OMNE II, S. 488). In den Furori wie auch in anderen Werken verbindet B. den aristotelischen Satz mit der platonischen Konzeption einer Wesenserkenntnis durch ›Teilhabe‹ wie auch mit der paulinischen Schau der Gottheit »im Spiegel der Gleichnisse und Rätsel« (Furori, II, 4, S. 368 f.; vgl. 1 Kor 13,12). In der Darlegung steht, daß im vierten Dialog des zweiten Teils »die neun Gründe für die Unfähigkeit, Unverhältnismäßigkeit und Fehlerhaftigkeit der Anschauung und des Erkenntnisvermögens des Menschen göttlichen Dingen gegenüber versinnbildlicht und auf manche Weise erklärt« werden (S. 28 f.); so wird im Text ausgeführt, durch die Allegorie der neun Blinden seien »neun Ursachen dargestellt, aufgrund derer es dazu kommt, daß der menschliche Geist dem göttlichen Objekt gegenüber blind ist, so daß er seine Augen nicht darauf heften kann« (Furori, II, 4, S. 360 f.). Im Gegensatz zur Allegorie der neun Blinden im Schlußdialog wird in diesem Fall nicht geklärt, warum die Blinden, will sagen die Gründe der Blindheit, neun sind. Wahrscheinlich ist B. daran interessiert, einen Parallelismus zwischen den beiden Gruppen von Blinden nahezulegen, auch wenn er betont, daß die neun Blinden des Schlußdialogs in vielerlei Hinsicht »eine andere Bedeutung haben« (Darlegung, S. 30 f.; in diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß B. sowohl im vierten als auch im fünften Dialog des zweiten Teils einige Anregungen der Cecaria Marc’Antonio Epicuros berücksichtigt, worauf bereits Francesco Fiorentino hingewiesen hat: vgl. DI, S. 954, Anm. 2, u. S. 1140 f., Anm. 1). Es ist nicht auszuschließen, daß B.s Entscheidung, auch im vorletzten Dialog neun Blinde

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einzuführen, gerade mit der Zahl des Dialogs im Rahmen des Werks (der neunte) zusammenhängt; möglicherweise, um einen Rückblick auf das in allen Dialogen des Werks auftauchende Thema einer ›metaphysischen‹ Blindheit aufzuzeigen. Mit Sicherheit sucht B. die Exzentrizität des Schlußdialogs gegenüber den voraufgehenden Dialogen hervorzuheben: Man denke nur daran, daß ihm in der Darlegung ein eigener Abschnitt gewidmet ist, der umfangreicher ist als die Einführung in die fünf Dialoge des ersten Teils zusammengenommen und auch in die restlichen Dialoge des zweiten Teils. Die neun Gründe stehen miteinander in Zusammenhang, und B. bemerkt in der Tat, daß sie »sich über eine gemeinsame Leidenschaft als Hauptursache einig sind« (Furori, II, 4, S. 344 f.). Wie bereits hervorgehoben, dürfen »Unfähigkeit, Unverhältnismäßigkeit und Fehlerhaftigkeit der Anschauung […] des Menschen« nicht in einer pessimistischen Perspektive im Hinblick auf die Erkenntnismittel des Menschen interpretiert werden. Man hat gesehen, wie Verstand und Willen in ihrem Streben niemals Befriedigung finden; diese ›Öffnung‹ des Subjekts gegenüber der Erfahrung des Unendlichen ist auf jeden Fall an eine Modalität der Erkenntnis gebunden. Andererseits verweist der Begriff improporzionalità auf das Prinzip – das auf Aristoteles zurückgeht und mehrfach von B. erwähnt wird, der sich vor allem auf Cusanus beruft (vgl. De docta ignorantia, Buch I, Kap. 1 u. 3) –, dem zufolge es zwischen Endlichem und Unendlichem kein Verhältnis gibt; überdies ist offensichtlich, daß es sich beim menschlichen Verstand um eine virtuelle Unendlichkeit handelt. Die Kritik im vorliegenden vierten Dialog betrifft die Frage des Subjekts, also des Menschen als vergängliches Kompositum. Das Thema der Blindheit, das in den Furori wiederholt auftaucht, verweist auf den bekannten Vergleich zwischen dem Verstand des Menschen und der Eule, der zu Beginn des zweiten Buchs der Metaphysik des Aristoteles angeführt wird (993b9–11): »wie sich nämlich die Augen der Eulen gegen das Tageslicht verhalten, so verhält sich die Vernunft unserer Seele zu dem, was seiner Natur nach unter allem am offenbarsten ist« (Metaphysik, in: Aristoteles: Philosophische Schriften in sechs Bänden (1995), V, S. 36). Ein Vergleich, auf den B. sich in den Furori bezieht (I, 1, S. 64 f.; I, 5, S. 174 f.) und der in der philosophischen Tradition im Zusammenhang mit der Frage nach den Grenzen des Menschen bei der Wahrheitssuche erörtert wurde, d. h. in Verbindung mit der Möglichkeit, daß der menschliche Geist in diesem Leben des in höchstem Maße Intelligiblen wie auch Begehrenswerten teilhaft werden könne (vgl. hierzu Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno. Percorsi della filosofia di Giordano Bruno (2003), S. 110– 113). 95  Argomento et allegoria del quinto dialogo: In diesem Abschnitt der Darlegung liegen verschiedene Bezüge zum Argumentum vor, das Ficino seinem



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Kommentar zum Phaidros vorausschickt: Argumentum et commentaria Marsilii Ficinii in Phedrum. Dispositio libri, allegoria, precepta moralia; vgl. Commentarium in Phedrum (1981), S. 73–79. 96  Nel quinto dialogo …: Im vorliegenden Kommentar bin ich wiederholt auf den Schlußdialog der Eroici furori eingegangen, der bedeutende Elemente autobiographischen Charakters aufweist; diese sind allerdings in einer allegorischen Fabel verarbeitet worden, die in der ›campagna‹ von Nola beginnt und in der englischen Hauptstadt endet. Wie bereits oben, Anm. 94 erwähnt, kann man festhalten, daß mit dem vierten Dialog des zweiten Teils ein spekulativer Verlauf des Werks seinen Abschluß findet. Der fünfte Dialog stellt in seiner Exzentrizität gegenüber den anderen Dialogen auch einen Schlüssel zur Lektüre des gesamten Textes dar, insofern der ›Parallelismus‹, auf den in den vohergehenden Dialogen in Verbindung mit der Idee der Gegensätze und der Wechselhaftigkeit beständig angespielt wird, hier in seiner ganzen Radikalität zum Ausdruck kommt, wenngleich in Form einer Allegorie, vor allem in der Kanzone der Erleuchteten (Furori, II, 5, S. 394–397), in der der Begriff illuminati (Erleuchtete) für battezzati (Getaufte) steht – B. bezieht sich auf die Kirchenväter; vgl. Gregor von Nazianz: Oratio, XL (Εἰς τὸ βάπτισμα), 3–4 –, d. h. Getaufte als durch die neue Philosophie Wiedergeborene. In dieser Perspektive können die abschließenden Seiten der Furori zusammen mit dem Einleitungsschreiben von De l’infinito gelesen werden sowie natürlich auch mit dem bekannten Abschnitt aus dem ersten Dialog von Cena, aus dem nur ein Satz angeführt zu werden braucht  – »um das zu schauen, was sich dahinter in Wahrheit befindet, und sich von den Hirngespinsten […] zu befreien« (Cena: F, S. 91; U I, S. 453) –, um die eneuernde und kritische Kraft der brunianischen Philosophie zu begreifen: Dort oben gäbe es nichts, was ontologisch von dem hier unten verschieden wäre. Es gibt weder ein Hyperuranium noch ein Empyreum; hingegen gibt es im unendlichen Raum andere unendliche Welten, die unserer ähnlich sind. Das »heilbringende Wasser der Läuterung« (Darlegung, S. 36 f.) weist auf die Schriften B.s zur Kosmologie der Unendlichkeit und der damit in Verbindung stehenden Ethik sowie auf die christlichen Schriften hin, die aufgrund von Eph 5,26 und 1 Petr 1,23 traditionell als läuternde Wasser bezeichnet wurden. Die Protagonisten der Kanzone der Erleuchteten, Jupiter und Okeanos (letzterer schließt in der Canzone die Reiche von Poseidon und Hades mit ein), stellen nicht nur Apollo bzw. Diana dar (vgl. oben, Anm. 90), sondern deuten auch auf die Reiche Gottes und Luzifers hin, die B. auf der Grundlage von Origenes im Licht der Idee der Wechselhaftigkeit und im Kontext eines auf physikalischer und ontologischer Ebene homogenen Universums als Begriffe wieder aufzugreifen und neu zu formulieren sucht, wobei er den Alexandriner und seine Auffassung einer Apokata-

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stasis allerdings weit hinter sich läßt. B. spricht von einer Angleichung von höherer und niederer Sphäre, von einer Gleichheit der Schätze Jupiters und Okeanos’ (»corrano al pari«). Er bejaht in der Tat eine einzige Sphäre, die des unend­lichen Universums, in welchem (selbstverständlich in bezug auf die Dinge des Universums, nicht auf das Universum in seiner unwandelbaren Einheit/Ganzheit) die Gegensätze  – die körperliche und die geistige Substanz – aufeinander treffen und sich zugleich bekriegen; demzufolge beziehen sich ›höher‹ und ›nieder‹ auf die Wandelbarkeit der Dinge im Universum. Ein Wechsel, der seinerseits Bedingung der Erhaltung der zusammengesetzten Wesen ist; er betrifft die Gestirne wie auch den Mikrokosmos, aus dem jeder Mensch besteht, in bezug auf den die Begriffe höher/nieder den Verstand bzw. den Sinn anzeigen. Als Vater der Götter stellt Jupiter in der Canzone Gott­ vater dar. Der »Feuerhimmel« mit dem »brennenden Bereich« verweist auf das Empyreum, so wie die Sonne, die »bewundert alle Welt« und die auf Christus, den Sohn, verweist. Dieser Sonne des Glaubens stellt B. mit den Worten des Okeanos einen noch leuchtenderen Stern gegenüber: die Weltseele, die ungenannte »einzigartige Nymphe«, als Vernunftidee; die Weltseele als Gottheit mit vielen Namen, so wie Isis im 12. Buch der Metamorphosen des Apuleius (vgl. Furori, II, 5, S. 394–397). Es ist daher kein Zufall, daß B. in der Canzone auf die rätselhafte Nymphe – die Diana, Minerva, Venus, Juno sowie Tethys (die Braut des Okeanos) und Proserpina (die Braut Plutos) zusammen verkörpert  – mit den Ausdrücken »lei«, »tal«, »costei« (ivi, S. 394 u. 396) Bezug nimmt. Was Proserpina betrifft, muß man berücksichtigen, daß in den Furori das Reich des Hades/Plutos im Reich Okeanos’/Neptuns aufgeht, so wie die Hölle auf der Ebene eines Fegefeuers zu stehen kommt. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Text der Imprese Pulchriori detur: Furori, I, 5, S. 204–209. Das Gespräch zwischen Okeanos und Jupiter versinnbildlicht den Kontrast zwischen einem philosophischen und einem theologischen Unendlichkeits­ begriff; es handelt sich im Grunde um die Unterscheidung zwischen einer ›Einheit‹ – als »Ziel- und Endpunkt aller Philosophie und aller Naturtheorie« – und einer »höchste(n) Betrachtung, die sich über die Natur erhebt und die für jeden, der nicht glaubt, als etwas Unmögliches und Nichtiges erscheint« (Causa: BW III, S. 211). Hierbei ist zu betonen, daß es in der Canzone Jupiter ist, der sich von der Wahrheit der Behauptung Okeanos’ überzeugen läßt, zu dessen Reich eine Weltseele gehört, die, wenngleich einzigartig, ›überall‹ in der unbeständigen Materie vorhanden ist, wobei sie als Lebens- und Intelligenzprinzip alles durchdringt. So, wie die Seele, ganz wie das vergilianische mens agitat molem (Aeneis, IV, 724–729), von B. verstanden wird, ist sie »in der ganzen riesigen Masse, der sie das Leben gibt, gegenwärtig« (Causa: BW III, S. 239). Das Reich Jupiters stellt eine eifersüchtig über die eigene Vor-



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machtsstellung wachende Theologie dar, die in einem nicht einfachen, aber notwendigen Zusammenleben die Gründe der Philosophie jedenfalls anerkennen muß. Dem ist hinzuzufügen, daß der Ausspruch Jupiters: »möge das Geschick nicht dulden« in der Canzone (Furori, II, 5, S. 396 f.) nicht in einer grundsätzlich anderen Perspektive als die Aussage Jupiters im dritten Dialog des Spaccio de la bestia trionfante bezüglich des Kentauren Chiron zu interpretieren ist, der in diesem Werk als Allegorie Christi auftritt: »so soll er hier leben, hier bleiben und in Ewigkeit hier verweilen, wenn das Verhängnis es nicht anders bestimmt« (Spaccio: BW V, S. 401; vgl. BSP, S. 48). B. stützt sich hier auf die Anspielungsfreudigkeit und Resonanz klassischer Quellen von Homer bis Claudian nicht nur als Stilmittel, sondern als begriffliche Ressource. Um seine Ideen zum Ausdruck zu bringen und die eigene Kritik zu formulieren, muß er notgedrungen von der »sorgfältige(n) Verstellung« Gebrauch machen (Spaccio: BW V, S. 241). Die allegorische Form erlaubt es, unterschiedliche und auch entlegene kulturelle Verweise in den Text einzuarbeiten, die es möglich machen, daß der Text selbst sozusagen verschiedene Sprachen spricht. Zweifellos ist der in der Canzone nur angedeutete, weil in der Tat äußerst gewagte Vergleich zwischen einem Passus aus dem fünfzehnten Gesang der Ilias (XV, 153 ff.) und einem Absatz aus Jesaja (14,12–15) sehr suggestiv: Im Passus der Ilias lehnt sich Poseidon gegen Zeus auf – »so großartig er auch ist, wenn er mich gegen meinen Willen mit Gewalt beugen will, der ich ihm ebenbürtig bin« –, während bei Jesaja auf den Morgenstern Luzifer, d. h. auf Venus, verwiesen wird, der aber von den Christen traditionell in Bezug zu Satan interpretiert wurde (s. Lk 10,18; Offb 8,10; vgl. Origenes: De principiis, I, 5, 5). Das Element, das beide Texte verbindet, ist der Anspruch, ›ebenbürtig‹, zu sein – »Ich will […] gleich sein dem Allerhöchsten« (ero similis Altissimo), liest man bei Jesaja –, aber auch die damit verknüpften Ideen des Hochmuts und des Neids. In der Canzone zeigt sich Okeanos jedoch alles andere als enttäuscht vom eigenen Reich: »Ich beneide, Jupiter, den Himmel nicht mehr, […] denn ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich im eignen Reich genieße» (Furori, II, 5, S. 394 f.). S. für einen Vergleich mit Giovanni Pico hinsichtlich der Identifizierung der »Gärten Jupiters« mit dem Paradies/Empyreum Busi-Ebgi: Giovanni Pico della Mirandola (2014), S. 253–273. Ich möchte darauf hinweisen, daß B. in der Canzone aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf den vierten Gesang (2 ff.) der Gerusalemme liberata anzuspielen beabsichtigt  – das Konzilium in der Hölle; Satan/Pluto wäre »stolto, ch’al Ciel s’agguaglia« (»Tor, der den Himmel wagt herauszufordern«: Das Befreite Jerusalem (1963), IV, 2 ff., S. 67) –, der mit dem ersten Gesang (7 ff.) zusammenhängt (sowohl Tasso als auch B. berufen sich außerdem auf das Werk Claudians De raptu Proserpinae, in dem Jupiter von Pluto des Hochmuts bezichtigt

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wird: I, 92 ff.). In den Worten Okeanos’ klingen folglich die Worte Plutos aus De raptu Proserpinae und Satans aus La Gerusalemme liberata nach; was die 9. Oktave des vierten Gesangs des letzteren Werks betrifft, ist auf das Echo der Rede Plutos/Satans im Filocolo (I, [9]) Boccaccios hinzuweisen: »Compagni, voi sapete che Giove non dovutamente degli ampi regni, i quali egli possiede, ci privò, e diedeci questa strema parte sopra il centro dell’universo a possedere« (»Gefährten, ihr wißt, daß Jupiter uns ungebührlicherweise der ausgedehnten Reiche, die er besitzt, beraubte und uns diesen äußersten Teil über dem Mittelpunkt des Universums zum Besitz gab«); vgl. Gentili: Annotationi sopra la Gierusalemme liberata (1586), S. 53. Unter anderem hatte, wie bereits erwähnt, Scipione Gentili 1584 in London eine lateinische Übersetzung des ersten Teils des vierten Gesangs des Befreiten Jerusalem veröffentlicht (vgl. oben, Anm. 2 zum Titelblatt). Die Gesprächspartner des Schlußdialogs sind zwei Frauen, Laodomia und Giulia. Letztere tritt nicht nur im Dialog auf, sondern spielt auch in der von Laodomia erzählten Geschichte eine Rolle (vgl. zur Gestalt der Giulia Philosophisches Nachwort, S. 656 ff.). Der Dialog stellt ein Märchen nach Art der in der Renaissance beliebten Hirtendramen vor. Es handelte sich meistenteils um herzzerreißende Liebesgeschichten zwischen jungen und leidenschaftlichen Schäfern – die fast immer unglücklich waren, weil ihre Liebe nicht erwidert wurde  – und hochmütigen Nymphen (die Atmosphäre der Hirtendramen der Renaissance kehrt auch in anderen Dialogen der Furori wieder). B. greift für den Handlungsstrang auf die bereits erwähnte Tragikomödie La cecaria seguita da l’illuminazione von Marc’Antonio Epicuro zurück, die im Laufe des 16. Jahrhunderts wiederholt aufgelegt wurde. Hier die Personen der brunianischen Hirtenfabel: neun junge Verliebte, die erblinden und dann erleuchtet werden; Circe, eine Zauberin, die für eine Tochter der Sonne gehalten wird, sich jedoch den jungen unglücklich Verliebten als »Erzeugerin und Kind von Finsternis und Schrecken« offenbart (Darlegung, S. 34 f.; Furori, II, 5, S. 382 f.), da sie sie erblinden läßt (vgl. oben, Anm. 18); eine herausragende und ungenannte Nymphe im Gefolge von weiteren, kleineren Nymphen. Gerade die »einzigartige Nymphe« befreit die neun Blinden von der Verzauberung (vgl. Furori, II, 5, S. 378 ff.; vgl. zu einigen Themen des Dialogs Canone: ›Correre al pari‹. Interpretazione dell’epilogo dei »Furori«, in: ders.: Magia dei contrari (2005), S. 67–91; ders.: »Scuoprir quel ch’il nostro vase asconde«. La lettura bruniana di una rivelazione (2007)). Die drei entscheidenden Momente der Erzählung sind mit folgenden Milieus (Orten) verknüpft: »das glückliche Kampanien«; »am Berg der Circe«, d. h. zwischen Kampanien und dem Latium; »unter dem milden Himmel der britischen Insel«. Orte, die in der Biographie des Autors jeweils den folgenden Zeiten entsprechen: 1. Kindheit und Jugend in Nola; 2. vom Eintritt in das



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neapolitanische Kloster San Domenico Maggiore (Juni 1565) bis zur Reise nach Rom (Beginn des Jahres 1576), um vor dem Prokurator des dominikanischen Ordens zu erscheinen und sich gegen die vom Provinzial gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu verteidigen; 3. englischer Aufenthalt (B. war, wie gesagt, im Frühjahr 1583 in London angekommen, wo er sich bis zum Herbst 1585 aufhielt), während dem es ihm gelingt, die Schriften der »nolanischen Philosophie«, d. h. die sechs italienischen Dialoge, zu veröffentlichen. Eigentlich muß zwischen dem zweiten und dritten noch ein weiterer Abschnitt von etwa zehn Jahren eingefügt werden, im Laufe dessen B. sich abwechselnd in Italien, in der Schweiz und in Frankreich aufhält (vgl. einige Betrachtungen Gentiles in: DI, Anm. 4, S. 1168 f.). Im Unterschied zu den neun Blinden des vierten Dialogs, die dazu bestimmt sind, in metaphysischer Blindheit zu verbleiben, gelingt es denen des Schlußdialogs, die Sehkraft wiederzugewinnen. Wie schon Aktäon in den voraufgehenden Dialogen werden sie Apollo nicht sehen, d. h. es bleibt ihnen versagt, die metaphysische Sonne, den »universellen Apollo, das absolute Licht« zu erkennen, der sich unzugänglich und unerkennbar erzeigt (es bleibt festzuhalten, daß es für B. kein Eines außerhalb des Seins gibt, so wie es keinen Gott außerhalb des Universums gibt). Überdies sagt Circe selbst den neun Verliebten, daß die Blindheit die Frucht derer sei, »die ihr Ziel zu eifrig in der Höhe suchen« (Furori, II, 5, S. 382 f.; vgl. II, 4, S. 374 f.: »So wird der, der in die Höhe schaut, bisweilen von dieser Majestät niedergedrückt«). Sobald die neun die Augen öffnen, sehen sie den Schatten oder das Abbild jenes absoluten Lichts, d. h. das Licht selbst, soweit es in der Natur zum Ausdruck kommt. B. zufolge sehen sie die »beiden Sonnen« (ebd., S. 388 f.), wobei er sowohl auf das Gestirn (natura naturata) als auch auf Diana (natura naturans) anspielt, »diese Monade, die die Natur, das Universum, die Welt ist […], jenes Eine, welches das Seiende selbst ist» (Furori, II, 2, S. 316 f.). In der Darlegung (S. 30 f.) erklärt B., daß er sich mit der Allegorie der neun Blinden im Schlußdialog auf alle »Dinge, die sich unterhalb der absoluten Einheit befinden«, zu beziehen beabsichtigt, wobei er die Zahl neun auch aufgrund ihrer Wurzel zum Symbol dessen, was in der Einheit enthalten ist, erhebt; und hier handelt es sich um eine Einheit, die auf die Dekade, also auf die Idee des All-Einen, verweist. S. hierzu die Triade, Henade und Dekade gewidmeten Kapitel aus Monade: OL I/2, S. 358 ff., 450 ff., 459 ff. Natürlich konnte B. für solche Überlegungen auf zahlreiche Quellen zurückgreifen, die auf eine alte, ›pythagoreische‹ Weisheit verwiesen: von den Schriften Platons über Texte wie die Jamblichus zugeschriebenen Theologoumena arithmeticae bis zu den Werken Ficinos, Giovanni Picos, Agrippas von Nettesheim und anderer Autoren. Um die symbolische Prägnanz der Zahl neun aufzuweisen, führt B. einige gebräuchliche Beispiele an, die für ihn unabhängig von der

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Wahrheit der Lehren einen kulturellen Wert besitzen: die Zahl der Himmelssphären, der Musen, der Engels- und Daimonienscharen. Wie schon vor ihm Ficino und Giovanni Pico hat er keine Bedenken, im gleichen Zug Kabbalisten, Chaldäer, Magier, Platoniker und christliche Theologen zu erwähnen, wobei er sich auf die neun Intelligenzen bezieht, die »gewisser analoger Entsprechung gemäß von der ersten und einzigen Vernunft [intelligenza] abhängen« (Darlegung, S. 31), eine ›erste und einzige‹ Vernunft, die B. aus obengenannten Motiven mit Diana verknüpft (vgl. Darlegung, S. 36 f.). Es ist darauf hinzuweisen, daß er von (kosmischen, englischen) Vernunftwesen spricht, doch auch von »Seelen, die in menschlichen Körpern leben«, und in diesem Zusammenhang ist der Abschnitt aus Phaidros (248a–249b) in Betracht zu ziehen, in dem Platon auf den Fall der Seelen und die neun verschiedenen Schicksale und Inkarnationen zu sprechen kommt. Der Philosoph aus Nola will unterstreichen, daß zwischen den Begebenheiten der (kosmischen, englischen) Vernunftwesen und dem Schicksal der (menschlichen) Seelen kein Unterschied besteht, da sowohl die Intelligenzen als auch die Seelen einem »Kreislauf von Auf- und Abstieg«, einer »wechselseitig und ewig« währenden »Umwälzung« unterworfen seien, und nicht von ungefähr zitiert er Origenes (Darlegung, S. 32–35; B. spricht hier von einem Kreislauf des Auf- und Abstiegs auch für die Intelligenzen; im vierten Dialog des ersten Teils, S. 152 f., stellt er fest, daß die Einzelseelen verschiedene Stufen »des Auf- und Absteigens« erfahren, während man von der Seele eines Gestirns nicht sagen könne, daß es auf- oder absteige, sondern daß es »sich im Kreis dreht«). Die eschatologische Reflexion Platons wird bei B. der eigenen Konzeption der wechselhaften Veränderung aller Dinge anverwandelt, der zufolge es eine unaufhörliche Veränderung, aber keine Vernichtung weder der geistigen noch der körper­ lichen Substanz gibt. Am Ende seines Lebenszyklus’ löst sich das Kompositum – ein Subjekt, das Aggregat, aber nicht Substanz ist, wenngleich ein denkendes Aggregat – in die Bestandteile (Atome und Seele) auf, die sich dann von neuem in einer anderen Gestalt und einem anderen Bewußtsein zusammensetzen können. Es ist überflüssig zu betonen, daß B. es für äußerst schwierig hält, daß eine Seele sich »wieder mit derselben oder einer ähnlichen Form der Natur bekleiden« könne, wobei ›Form der Natur‹ (forma naturale) für natürliche Art steht (Furori, I, 5, S. 180 f.). Es handelt sich daher um eine Konzeption, der zufolge es dort oben kein Gut zu begehren gibt, das es nicht auch hier unten gibt oder geben könnte (vgl. Infinito: U II, S. 24–26); es ist der Wandel selbst, »der die niederen Wasser den höheren gleichmacht, die Nacht mit dem Tag vertauscht und den Tag mit der Nacht, damit die Göttlichkeit in allem sei« (Darlegung, S. 38 f.). Vgl. zur Frage der Wasser ober- und unterhalb des Firmaments (Gen 1,6–7) meine zit. Beiträge ›Correre al pari‹. Interpreta-



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zione dell’epilogo dei »Furori« (2005), S. 70 ff., u. »Scuoprir quel ch’il nostro vase asconde«. La lettura bruniana di una rivelazione (2007), S. 453 ff. Hier ist anzufügen, daß für dieses und andere Themen des Schlußdialogs der Furori Giovanni Picos Schrift Heptaplus wichtig ist, die B. an dieser Stelle höchstwahrscheinlich in Betracht gezogen hat (vgl. Pico della Mirandola: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 188–200, 208–214, 230–232, 274–276, 282, 322, 342 ff.). Unter den verschiedenen Interpretationen der Bibelstelle entwickelt Pico die These Origenes’ weiter, der in der ersten Homelie über die Genesis den Gläubigen einlädt, die Scheidung der Wasser, von der in der Schrift die Rede ist, im eigenen Innern nachzuvollziehen, wobei er die höheren Wasser mit dem Intellekt in Verbindung setzt (Origenes: Homiliae in Genesim (1920), I, 2, S. 2–4). Pico merkt an: »wenn die Vernunft […] ›Himmel‹ genannt wird, ist offensichtlich, was die oberhalb und unterhalb des Himmels befindlichen Wasser in uns bedeuten. Die Bezeichnung ›Wasser‹ kommt beiden Teilen, dem intellektuellen und dem sinnlichen, zu« (»si ratio caelum dicitur […], manifestum iam quae in nobis aquae supercaelestes, quae itidem subcaelestes. Diversa autem ratione utrique parti, intellectuali scilicet et sensuali, aquarum congruit appellatio«, in: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 274). Man denke hier auch an die augustinische Interpretation der Gewässer oberhalb des Firmaments sowie der bitteren und unfruchtbaren Gewässer (d. h. amaricantes, ein von Augustin selbst geprägter Begriff): vgl. Confessiones, XIII, 15.18–17.20. Als amaricantes verweisen die Gewässer sowohl auf das bittere Meer als Symbol der Welt als auch auf das keiner Quelle entsprungene Wasser, im Platonismus eine Metapher ontologischer Unhaltbarkeit. Die weiblichen Figuren des Schlußdialogs, Laodomia und Giulia, werden von B. in der Rolle des »Wahrsagens und Prophezeiens« (»divinar e profetar«) vorgestellt, d. h. derer, die, von der Gottheit ›besessen‹, eine Wahrheit mitteilen, ohne ein persönliches Bewußtsein dessen zu haben, was sie mitteilen. Der Dialog entspricht dem jedoch nicht ganz, auch wenn B. Laodomia keine der Diotima des platonischen Gastmahls vergleichbare Rolle zuweist. Trotz der Behauptung des »männlichen Geistes« in der Darlegung (S. 30 f.), die die Funktion der Dimension der ›Prophetie‹ des Dialogs erfüllt sowie dem traditionellen Anspruch der intentio auctoris entgegenkommt, steht der Schlußdialog der Furori gänzlich unter einem weiblichen Horizont, mit Göttinnen, Königinnen und Nymphen. Es ist allgemein zu beobachten, daß in dem Werk das weibliche Element eine ›Einheit‹ darstellt, die mit verschiedenen Mittelpunkten Hand in Hand geht und die Absolutheit eines absoluten männlichen Mittelpunkts zum Wanken bringt. Das Weibliche verweist auf die Sphäre der Zeugung, auch wenn man einwenden kann, daß in den Furori sowohl auf mythologischer

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Ebene (Diana, Minerva) als auch auf politischer Ebene (Elisabeth I.) auf ›Jungfrauen‹ Bezug genommen wird. Abschließend kann man sagen, daß in den Furori dem ›psychologischen‹ Parallelismus von Verstand (intellectus) und Willen ein kosmologischer Parallelismus aufgrund der Konzeption einer unendlichen Vielheit von Mittelpunkten entspricht, die auf ontologischer Ebene legitimiert sind (Sonnen/Feuersphären und Erdkörper/Wassersphären, wobei der Unterschied auf physikalischer Ebene nicht an ein ausschließliches, sondern lediglich dominantes Element gebunden ist). In diesem Sinne kritisiert B. die leere Angst und törichte Sorge, »in der Ferne jenes so große Gut zu ersehnen, das wir in unserer Nähe und mit uns vereint besitzen«, und schließt damit, daß »der Mond nicht in größerem Maße Himmel für uns ist als wir für den Mond« (Infinito: BW IV, S. 35; Cena: F, S. 93 (U I, S. 456)). Zu behaupten, daß die Gottheit in uns sei, ist nichts anderes als zu sagen, daß die »Geschichte der Natur […] uns selbst eingeschrieben ist« (Infinito: BW IV, ebd.). B. geht noch weiter. Nicht nur sind die Welten im unendlichen Raum weder von der Erde verschieden noch vollkommener als diese, so wie die Sterne, die wir am Himmelsgewölbe funkeln sehen, weder von der Sonne verschieden noch vollkommener als diese sind; der Parallelismus besteht in der Tat, als Konsequenz des Prinzips der Homogenität des Universums, auch zwischen physikalischer und intelligibler Welt. Schließlich gibt es einen Parallelismus zwischen der metaphysischen Welt mit Jupiter, Apollo usw. und der Welt der unendlichen Natur mit Minerva und Diana als Figuren der Weltseele. In bezug auf den spekulativen Verlauf, auf den ich anfangs eingegangen bin, der die Suche eines primum verum und eines summum bonum nachvollzieht, sei angemerkt, daß B. sich in den Furori wiederholt auf die patristische Lehre von der ἐπέκτασις beruft: die Idee eines fortwährenden Strebens des Menschen in seinem Aufstieg zur Gottheit. Wie bekannt, hatte die Lehre ein bedeutendes Echo in der christlichen Philosophie, angefangen mit De vita Moysis Gregors von Nyssa, der für den Begriff auf einen Abschnitt des paulinischen Philipperbriefs (Phil 3,13) zurückgriff. Der Lehre zufolge ist der Aufstieg des Menschen, als Abglanz der Unendlichkeit Gottes, ein unendlicher Fortgang, und es ist klar, daß die Sehnsucht nach Vereinigung nicht in diesem Leben, sondern allein im Reich der Seelen befriedigt werden kann. (Die Lehre von der ἐπέκτασις Gregors von Nyssa bringt die Vorstellung der Unendlichkeit und Unerfaßbarkeit Gottes im Sinne einer absoluten Transzendenz mit sich). B. zieht die Lehre in einer völlig anderen Perspektive in Betracht: Wie bereits zu sehen war, bezieht er sich auf eine fortwährende Suche des Menschen unter Leitung des Verstandes (intellectus) und des vernünftigen Willens (»von der Vernunft gelenkten Willens«, »voluntade intellettiva)«; »Streben der Vernunft« (»appetito intellettuale«), »geistige Liebe« (»amor intellettivo«): vgl.



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Furori, I, 2, S. 80 f.; I, 3, S. 116 f.; I, 5, S. 182 f.; II, 1, S. 268 f.). Für den Philosophen aus Nola, der der Ansicht ist, daß Gott sich nicht ›außerhalb‹ des unendlichen Universums befindet, sondern selbst das unendliche Universum in seiner absoluten Einfachheit ist (das All-Eine in seiner absoluten Komplikation und Ununterschiedenheit), stellt sich das Problem nicht in theologischer, sondern in gnoseologisch-ethischer Perspektive. Es geht folglich nicht um eine mystische Vereinigung im Verständnis christlicher Platonisten oder Plotins. Auch für B. spiegelt sich die Unendlichkeit des göttlichen Prinzips in der Seele des Menschen wider (vgl. z. B. den oben, Anm. 93 zit. Abschnitt aus der Darlegung, S. 26–29), doch erfolgt die Spiegelung derart, daß die menschliche Seele ein Widerschein der Weltseele, d. h. der unendlichen Natur selbst, ist. Es ist klar, daß diese Überlegungen in der ontologischen und kosmologischen Unendlichkeitsperspektive des Philosophen aus Nola eine präzise Bedeutung gewinnen. Die Unmöglichkeit einer vollen Befriedigung der Sehnsucht nach Erkenntnis seitens des Menschen rührt von einer »improporzionalità«, dem Nicht-Bestehen eines Maßverhältnisses zwischen Unendlichem und Endlichem, zwischen der Unendlichkeit unserer Substanz (die die universelle Substanz selbst ist) und der Endlichkeit des Zusammengesetzten her, welches auf eine bestimmte natürliche Art verweist und somit auf eine Weise unter den unendlichen Seinsweisen. Das Unendliche kann niemals »erfaßt« werden, sondern wird immer »ohne Ende verfolgt« (Furori, I, 4, S. 128–131). Aus obigem wird ersichtlich, daß in B.s Rückgriff auf das Thema der ἐπέκτασις eine implizite Kritik der Lehre vorliegt, so wie sie auf theologischer Ebene verstanden wird. Der Gegenstand, nach dem Verstand und Liebe des Menschen in einem unendlichen Fortgang streben – der ein Erkenntnisprozeß ist –, ist kein persönliches Wesen, das jenseits des Universums zu finden wäre. Darüber hinaus hat das Universum keinen absoluten Mittelpunkt. Gott ist die metaphysische Struktur des Universums, ein unsichtbarer Faden. Die Suche nach einer Erkenntnis des Unendlichen (»ein unzugängliches Etwas […] ein nicht zu vergegenständlichender Gegenstand, und nicht nur […] ein unbegreiflicher«: Furori, II, 2, S. 314 f.) läßt vergessen, daß jede Welt, jeder der unendlichen Mittelpunkte des Universums, im Unendlichen existiert; folglich, daß das, was da ist und in den Welten in Erscheinung tritt, ein Widerschein des höchsten Gutes und des primum verum ist. Es gibt immer und allein unendliche Mittelpunkte in der Zeit, keinen Mittelpunkt ein für allemal. In diesem Sinne habe ich auf eine Affinität zwischen einigen Motiven des zweiten Teils der Eroici furori und dem Zarathustra Nietzsches hingewiesen; auch B. zeichnet das Bild eines Weisen, der nach tiefgreifender Wandlung ins Tal hinabsteigt und das Bild des höchsten Gutes auf Erden sehen kann (vgl. Canone: Magia dei contrari (2005), S. 31). Hier im folgenden die Incipits der drei Oden

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des Dialogs: Di que’, madonne, che col chiuso vase; O rupi, o fossi, o spine, o sterpi, o sassi; Non oltre invidio, o Giove, al firmamento (Furori, II, 5, S. 382 ff.).  97 da Cabalisti, da Caldei … e da cristiani teologi son distinte in nove ordini: In bezug auf die Kabbalisten ist an die Sefiroth-Konzeption des Kosmos zu denken, insbesondere an die Gruppe der neun Sefiroth gegenüber der höheren Sefirah Kether. Für die Magier kann man auf Agrippa von Nettesheim verweisen (vgl. z. B. De occulta philosophia, I, 2, Kap. XII). Was die Chaldäer betrifft, scheint mir, daß es sich in diesem Fall eher um einen Bezug auf die ficinianischen Schriften als auf die Oracula Chaldaica handelt; es sei auch daran erinnert, daß die lateinische Paraphrase von Jamblichs De mysteriis Aegyptiorum folgenden Titel trug: De mysteriis Aegyptiorum, Chaldaeorum, atque Assyriorum. Überdies hat B. hinsichtlich der Platoniker und der christlichen Theologen Ficino im Sinne, sowohl die Theologia Platonica (Buch XVIII, Kap. VIII) als auch den Kommentar zum Phaidros und andere Schriften (vgl. Commentarium in Phedrum (1981), S. 73 ff., 163 ff.). Natürlich ist bezüglich der christlichen Theologen auch auf De coelesti hierarchia (Kap. VI–X) des Dionysius Areopagita zu verweisen.  98 Has omnes … ut incipiant in corpora velle reverti: Vergil: Aeneis, VI, 748–751 (B. läßt den Vers 750 weg): »Has omnis, ubi mille rotam volvere per annos, / Lethaeum ad fluvium deus evocat agmine magno, / scilicet immemores supera ut convexa revisant / rursus et incipiant in corpora velle reverti« (»Sie alle ruft, wenn sie das Rad der Zeit tausend Jahre lang gedreht haben, zum Lethestrom der Gott in einem gewaltigen Zug, damit sie, ohne Erinnerung freilich, das Himmelsgewölbe wiedersehen mit dem aufkeimenden Wunsch, wieder in Körper einzugehen«: Aeneis (2008), S. 327).  99 è significato dove è detto in revelazione … sarà disciolto: Offb 20,23 u. 7. 10o  A cotal significazione … medesimo che ascende ha da ricalar a basso: Vgl. Monade: OL I/2, S. 465 (ein Abschnitt, in dem B. die Verse aus der Aeneis (VI, 748–751) aufgreift: »Sic Plato ad culpae deletionem utitur numero Denario, Centenario, Millenario, qui ex denario consurgunt. Unde illud: ›Centum erant annos volitantque haec littora circum‹, et ›Hos [i.e. has] omnes ubi mille rotam volvere per annos‹ ›Rursuque incipiet [i. e. Rursusque incipiant] in corpora velle reverti‹. Apocalypticus devinctam intelligit bestiam annis mille. Et Danieli numerus idem cubitus unus appellatur. Nec non Origenes, Christianus Theologus, et Philosophus Platonicus, tempus hoc tribuit tenebrae et lucis vicissitudini« (»So verwendet Platon die Zahlen Zehn, Hundert und Tausend, die sich aus der Zehnzahl ergeben, zur Tilgung der Schuld. Daher jener Ausspruch: ›Sie irren hundert Jahre lang und schwärmen um dieses Gestade herum‹, und ›Das Rad dreht all diese [Seelen] tausend Jahre lang herum‹, bis ›sie von neuem in den Körper zurückkehren wollen‹. Der Apokalyptiker



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meint, daß die Bestie tausend Jahre lang gefesselt bleibe. Und bei Daniel wird dieselbe Zahl eine Elle genannt. Und Origenes, christlicher Theologe und platonischer Philosoph, mißt diese Zeit dem Wechsel von Finsternis und Licht bei«). [Anm. d. Übers.: Die vorliegende Übersetzung des Passus wurde gegenüber der deutschen Übersetzung von De monade geringfügig geändert; vgl. Über die Monas, die Zahl und die Figur (1991), S. 150.]. Vgl. oben, Anm. 89, im Hinblick auf die Konzeption des magnus annus, auf die in der Darlegung im Zusammenhang mit der Lehre von der Seelenwanderung eingegangen wird. Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch IV, Kap. II u. Buch XVII, Kap. III (das letzte Kap. ist für diese Passagen der Darlegung der Furori äußerst wichtig: TP I, S. 166 ff.; TP III, S. 158–165. 101  tra filosofi Plotino solo … E tra teologi Origene … sempiterna: Daß Plotin diese Auffassung zugeschrieben wird, geht auf die Vermittlung von Ficinos Kommentar der Enneaden zurück. Vgl. über B. als Interpret Plotins Chia­radonna, Art. Plotino / Plotinus (2011), S. 223–232. In DI, S. 944, Anm. 3 werden die Überlegungen P.-H. Michels aus seiner Ausgabe der Furori (Paris 1954, S. 127, Anm. 27) angeführt. Michel verweist auf Enneades, IV, 8 und auf folgende Beobachtung Ficinos (hier das Zitat ausführlicher): »Proinde ubi apud Plotinum atque Proculum legis, particulares animas agere particulares vicissitudines, tum ad superiora, tum ad inferiora, ne intelligas animam tuam infinita corpora mutaturam, finitae namque sunt, et paucae unius animae mutationes in anno mundi magno, atque in anno sequenti, ut aiunt, eadem penitus retexuntur. Praeterea nec oporteret omnem animam omnes induere species, nec quamlibet animam pariter ascendere vel descendere« (In Plotinum, IV, 8, 2, in: Ficino: Opera omnia, II, S. 1755). Vgl. für weitere Verweise auf Ficino, insbesondere auf Theologia Platonica, in diesen Seiten der Darlegung die Anm. Granadas in: U II, S. 510 ff.; Granada verweist u. a. auf Buch XVII, Kap. IV u. auf Buch XVIII, Kap. V, VIII u. X der Theologia Platonica, doch s. vor allem Buch XVII, Kap. III: TP III, S. 158–165. Vgl. Porphyrius: De antro Nympharum, 10 ff. Vgl. für Origines: De principiis, II, 3, 1 u. 3, u. III, 5, 3. Vgl. Augustin: De civitate Dei, 12.14 u. 21.17; ders.: De haeresibus, XLIII. 102  gli Saduchini: D. h. die Sadduzäer; vgl. unten, Anm. 48 zum vierten Dialog des ersten Teils (Furori, I, 4, S. 154), wo B. »Saduchimi« schreibt. Während B. in der Darlegung (S. 34 f.) hinsichtlich der Konzeption einer »revoluzione vicissitudinale e sempiterna« Origenes mit den Sadduzäern in Verbindung setzt, verknüpft er in dem Passus aus dem vierten Dialog die Sadduzäer bezüglich der Lehre von der Seelenwanderung noch ausdrücklicher mit den Pythagoreern. Über die Lehren der Sadduzäer und ihre Lebensanschauung kann man sich angesichts der Spärlichkeit der Zeugnisse kein genaues Bild

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machen; die Verbindungen bei B. sind jedenfalls ungewöhnlich. Aufgrund des Wenigen, was man über die Sadduzäer weiß, scheint es, daß sie die Auferstehung von den Toten und das Weiterleben der Seelen nach dem Tode leugneten. Einige Mitteilungen über die Lehren der Sadduzäer findet man bei Flavius Josephus, der Pharisäer, d. h. Gegner der Sadduzäer war. In De bello Iudaico schreibt er u. a., daß die Sadduzäer die Strafen und Belohnungen im Hades leugneten. Wahrscheinlich greift B. auf die Informationen bei Flavius Josephus zurück, wenngleich er sie seinen eigenen Zwecken anpaßt (B. steht den Sadduzäern sicherlich näher als den Pharisäern, da erstere Befürworter der Hellenisierung waren und »keine Anhängerschaft bei den Massen hatten«). Vgl. De bello Iudaico, II, 164 f.; Antiquitates Iudaicae, XIII, 173, 298; XVII, 4. 103  Et io per mia fede dico … castigare gli delitti e sceleraggini?: Vgl. Cena: U I, S. 522–527; F, S. 171–176; Infinito: BW IV, S. 77–81. 104  Circe, la qual significa la omniparente materia, et è detta figlia del sole: Kirke ist solis filia (Vergil: Aeneis, VII, 11; Ovid: Metamorphoses, XIV, 10; vgl. Cantus: OMNE I, S. 594), doch in den Furori wird sie auch »Tochter und Mutter von Finsternis und Schrecken« genannt (Furori, II, 5, S. 382 f.). Vgl. Sigillus: OMNE II, S. 206. Wie Gentile nachweist, ist Kirke in den Furori, vor allem im vorliegenden Dialog, auch eine Allegorie der Religion; vgl. oben, Anm. 18; dort auch ein Verweis auf De immenso. Vgl. Tirinnanzi: Note zu De gli eroici furori, in: DF (2000), S. 1365, Anm. 71, die in bezug auf Kirke auf einen Passus bei Porphyrius über Homer verweist, der im Anthologium Johannes Stobaios’ zitiert wird: Homer nenne Kirke den Verlauf und die kreisförmige Umwälzung der Palingenese. Das gesamte Fragment (Stob. I 49, 60) in: Porphyrius: Περὶ Στυγός / Sullo Stige (2006), S. 314–319 (griechischer Text u. ital. Übers.). 105  penitus toto divisim ab orbe: Vergil: Bucolica, I, 66 (vgl. oben, Anm. 57): »et penitus toto divisos orbe Britannos« (Vergil: Landleben (1970), S. 11: »und zum anderen Ende der Welt, den fernen Britannen«). 106  Qua è conseguente il canto … a fin che la divinità sia in tutto: Der Schlußteil der Darlegung greift einige Motive sowie das pathos wieder auf, die am Schluß der Zueignung des Candelaio sowie in den Schlußworten des Einleitenden Briefs und des fünften Dialogs von De la causa zum Ausdruck kommen. Vgl. zum Motiv einer Eintracht (Reuchlin spricht, wie ebenfalls Giovanni Pico, von vincula concordiae) – sicher nicht im brunianischen Sinne eines ›Gleichwerdens‹ – zwischen höherer Welt (mundus superior, idealis) und niederer Welt (mundus inferior, materialis) Reuchlin: De arte cabalistica (1964), S. 143 f. Reuchlins Perspektive einer kabbalistischen Weisheit ist am Platonismus und Neoplatonismus orientiert. Er greift auf Pico della Mirandola zurück, der allerdings sehr viel radikaler war. Vgl. die Hinweise auf das



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Heptaplus hinsichtlich der Gewässer oberhalb und unterhalb des Himmels oben, Anm. 96. Pico bemerkt u. a.: »Quoniam scilicet astricti vinculis concordiae uti naturas ita etiam appellationes hi omnes mundi mutua sibi liberalitate condonant. Ab hoc principio (si quis fortasse hoc nondum advertit) totius sensus allegorici disciplina manavit. Nec potuerunt antiqui patres aliis alia figuris decenter repraesentare, nisi occultas, ut ita dixerim, totius naturae et amicitias et affinitates edocti« (Pico della Mirandola: Heptaplus, Aliud prooemium totius operis, in: ders.: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 192; mein Kursiv). 107  tutti d’accordo celebrano l’alta e magnifica vicissitudine: ›Vicissitudine‹ ist ein Schlüsselbegriff der Philosophie B.s. In den vorliegenden Passagen wie auch am Ende des Schlußdialogs des Werks weist der Begriff der vicissitudine darauf hin, daß es sich im Horizont der Zeit immer um eine Dialektik zwischen Notwendigkeit und Freiheit handelt. Hier kommt ein entscheidendes Thema des Werks zum Ausdruck, das mit einigen Motiven in Zusammenhang steht, die die philosophischen Dialoge, von der Cena über De l’infinito bis zum Spaccio, durchziehen. Dazu liest man in De vinculis: »Inde nullum vinculum est aeternum, sed vicissitudines sunt carceris et libertatis, vinculi et solutionis a vinculo, vel potius demigratio ab una ad aliam vinculi speciem. Idque ut naturale est et aeternam rerum conditionem antecedit, concomitatur atque consequitur, ita natura varietate et motu vincit, et ars naturae aemulatrix vincula multiplicat, variat, diversificat«: OL III, S. 674 (»Daher ist keine Fessel ewig, sondern es gibt die Wechselbewegungen von Gefängnis und Freiheit, der Fessel und der Lösung der Fessel oder, besser gesagt: die Abwanderung von der einen hin zu einer anderen Art von Fessel. Insofern dies natürlich ist und der ewigen conditio der Dinge vorausgeht, sie begleitet und ihr folgt, fesselt die Natur mittels Vielfalt und Bewegung, und die Kunst als Nachahmerin der Natur vervielfältigt die Fesseln, variiert und unterscheidet sie«: Giordano Bruno, ausgew. und vorgest. von E. von Samsonow (1995), S. 204 [Anm. d. Übers.: Die deutsche Übersetzung wurde geringfügig geändert, da an genannter Stelle die Übersetzung von »ita natura varietate et motu vincit, et« fehlt.]). Die Einheit (als All-Eines) anzuerkennen bedeutet B. zufolge, die Gegebenheit von Vielförmigkeiten und Unterschieden anzuerkennen. Der Begriff vicissitudo verweist auf die Zeitlichkeit als zyklischen Ablauf, der den Wandel ermöglicht. Unter dieser Perspektive nimmt B. Bezug auf den heroischen Menschen, der die intellektuelle Erfahrung als Widerspruch erlebt: Behauptung einer radikalen libertas philosophandi als Ausdruck einer wahren humanitas. In B.s Philosophie verwandelt sich der Anspruch der humanistischen dignitas in eine kritische Waffe gegenüber der auctoritas; es handelt sich immer um die Behauptung eines Vernunftprinzips, das einem Glaubensprin-

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zip entgegengesetzt ist (vgl. dazu Canone: Giordano Bruno: Portrait of a Philosopher opposed to the Authority Principle (2015), S. 106–117). 108  Questi son que’ discorsi … m’abbiano seguitato: Wie zu sehen war, haben die Dichtungen in den Eroici furori keine begleitende, sondern eine wesentliche Funktion im Aufbau des Werkes. Nicht von ungefähr läßt es sich B. zum Abschluß der Darlegung angelegen sein, zu betonen, daß sie »an keinen anderen […] zu richten und […] zu widmen angemessener schien« als an Sidney, Autor eines Canzoniere – Astrophel and Stella – und einer bedeutenden Schrift zur Dichtungstheorie, The Defence of Poesie. Wie oben angemerkt (Anm. 3 zum Titelblatt), handelt es sich um posthume Schriften, die 1591 bzw. 1595 veröffentlicht wurden; die Abfassungszeit der Werke wird gewöhnlich für die Jahre von 1577 bis 1581 angesetzt. Auch wenn es B. nicht möglich war, die Texte auf Englisch einzusehen, hatte er sicher öfter Gelegenheit, mit Sidney zu diskutieren, der die italienische Sprache und Kultur gut kannte. Der rätselhafte Satz: »wenn ich nicht das wieder tun will, was ich einige Male aus Unachtsamkeit getan zu haben meine«  – vgl. jedoch auch den Schluß des Abschnitts: »der sich mir mit höherer Großherzigkeit in seinen Gnaden zuvorkommend gezeigt hat, als einige andere mir in Dankbarkeit gefolgt sind« – bezieht sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf den französischen Botschafter Michel de Castelnau, dem B. 1583 den Band, der die Explicatio triginta sigillorum enthielt, und im Jahr darauf die ersten drei italienischen Dialoge gewidmet hatte. Die zu Beginn sehr guten Beziehungen zwischen B. und Castelnau (bei seiner Ankunft in London im Jahre 1583 hatte B. im Hause des Botschafters Aufnahme gefunden) hatten sich vielleicht schon im Laufe des folgenden Jahres verschlechtert. Es ist nicht auszuschließen, daß der Passus der Darlegung auch eine Anspielung auf Fulke Greville enthält (vgl. Spaccio: BSP, S. 4 u. 307 f., Anm. 6). Vgl. unten, Anm. 109. 109  Im Originaldruck folgen – nach dem Argomento del Nolano sopra gli Eroici furori und vor dem Sonett Iscusazion del Nolano / Alle più virtuose e leggiadre dame – ein Avertimento a’ lettori (Vorbemerkung an den Leser) und ein Verzeichnis Alcuni errori di stampa più urgenti (Einige der dringendsten Druckfehler) (s. OI IV, S. [1271]–[1273]; U II, S. 522 f.). Im Avertimento a’ lettori gibt B. drei Zusätze an, die in den drei Sonetten des ersten Dialogs des zweiten Teils des Werks einzufügen sind. In den modernen Ausgaben der Furori sind die Fehler natürlich korrigiert und die Zusätze zu den Sonetten eingefügt worden. Es wäre pedantisch (und auch falsch), diese ›Vorbemerkungen‹ in der vorliegenden Ausgabe vollständig nachzudrucken, da der Autor lediglich auf eine Ausführung seiner Anordnungen bedacht war. Es ist hingegen von Wichtigkeit, die Bedeutung dieser Anordnungen zu verstehen, die m. E. Folgendes belegen: 1. eine gewisse Eile bei der Fertigstellung des zweiten Teils der



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Furori; 2. generell die Aufmerksamkeit, die B. dem Druck seiner Schriften widmete (wobei man bedenken muß, daß der Drucker Engländer war und die italienischen Texte B.s nicht geringe Schwierigkeiten beim Schriftsatz mit sich brachten). 3. Da es sich um das einzige in den Erstausgaben der sechs in London erschienenen philosophischen Dialoge enthaltene Druckfehlerverzeichnis handelt, scheint es, als ob B. im letzten Werk vor seiner Abreise aus England die eigene Sorgfalt im Hinblick auf die Fertigstellung der Architektur der »Nolana filosofia« habe unterstreichen wollen. Als Zeugnis der Zuneigung dem Leser gegenüber sei hier der Beginn des Avertimento a’ lettori wiedergegeben: »Amico lettore, m’occorre al fine da obviare al rigore d’alcuno a cui piacesse che tre de’ sonetti che si trovano nel primo dialogo della seconda parte de’ Furori eroici, siano in forma simili a gli altri, che sono nel medesimo dialogo: voglio che vi piaccia d’aggiongere a tutti tre gli suoi tornelli […]« (»Lieber Leser, um der Genauigkeit derer engegenzukommen, denen es gefallen sollte, daß drei der im ersten Dialog des zweiten Teils der Furori eroici enthaltenen Sonette der Form nach den anderen gleichen, die sich im selben Dialog befinden, wünsche ich, daß es Euch beliebe, allen dreien ihre jeweilige Schlußterzine beizufügen […]«). 110  Iscusazion del Nolano … tra gli astri il sole: Das Sonett steht aufgrund der verwandten Bilder und der Sprache direkt mit B.s Aussage in der Darlegung (S. 16 f.) über die Adligkeit der englischen Damen in Verbindung (»Sie sind nämlich keine Weibchen, keine Frauen, sondern […] Nymphen, Göttinnen, von himmlischer Substanz«). Vgl. oben, Anm. 59. Vgl. für die Verse 10 u. 16 Petrarca: Canzoniere, 225, 1–2 u. 9,11, sowie Trionfi, Triumphus Cupidinis, III, 133. B. hebt die radikale Distanz zwischen den »sittsamsten und anmutigsten Damen« Englands und der Königin hervor, wobei er sich in bezug auf die Lichtstärke, die zu uns dringt, auf den Unterschied zwischen Nacht und Tag beruft: Während die Damen den Sternen gleichen, die nachts funkeln, ist Elisabeth I. ein Gestirn, das den Tag erhellt. Im Hinblick auf das Sonett, vor allem bezüglich Vers 10: »Ihr seid auf Erden, was im Himmel sind die Sterne«, haben Frances Yates und andere darauf hingewiesen, daß es sich wahrscheinlich um eine Anspielung auf die ›Stella‹ (Penelope Devereux, Lady Rich) handele, auf die sich Philip Sidney in seinen Sonetten bezieht (die Sammlung Astrophel and Stella wurde 1591, fünf Jahre nach dem Tode des Autors, veröffentlicht). Eine Bestätigung dieser Annahme geht aus dem Widmungsschreiben John Florios hervor, welches dieser dem zweiten Buch seiner englischen Übersetzung der Essais Montaignes, die 1603 in London erschien, vorausgeschickt hatte. Die Adressaten der Widmung sind zwei Frauen: die Tochter Sidneys (Elisabeth Manners, Gräfin von Rutland) und Lady Rich, jene geheimnisvolle ›Stella‹, die Sidney in seinem Canzoniere besingt. Der Abschnitt des Wid-

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mungsschreibens Florios verweist sowohl auf die Darlegung als auch auf das Sonett Iscusazion del Nolano: »Or as my fellow Nolano in his heroycall furies wrote (noble Countesse) to your most heroicke father, and in a Sonnet to you Ladies of England, You are not women, but in their likenesse Nymphs, Goddeses, and of Celestiall substance / Et siete in terra quel ch’in ciel le stelle« (vgl. Yates: The Emblematic Conceit in Giordano Bruno’s »De gli eroici furori« and in the Elizabethan Sonnet Sequences [1943], in: dies.: Collected Essays, I (1982), S. 195). Es sei außerdem darauf hingewiesen, daß das Thema Sterne/Sonne des brunianischen Sonetts auch in der Kanzone der Erleuchteten unter Beibehaltung der ethisch-politischen Anspielung auf Diana/Elisabeth I., jedoch vor allem in physikalisch-ontologischem Sinne (Diana = anima oder spiritus universalis) weiterentwickelt wird (Furori, II, 5, S. 394–397). Auch hinsichtlich der Stellung der beiden Gedichte ist ein Parallelismus zu beobachten: eines steht zu Beginn der Darlegung, das andere am Ende des Werks.

PR IMA PARTE / ERSTER TEIL

Dialogo primo / Erster Dialog

1  Prima parte de gli Eroici furori: Vgl. oben, Anm. A 64 (der Buchstabe A

bezeichnet hier und im folgenden die Anmerkungen zur Darlegung). In der editio princeps ist »Prima parte« ausgelassen worden; es erscheint lediglich die Angabe »De gl’heroici furori«. Vor dieser Angabe steht in der Erstausgabe ein typographischer Fries, der seitlich zwei Hirsche und in der Mitte einen Adler zeigt (s. unten, Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 1; vgl. OI IV, S. [1275] u. [1403]; ERF, S. 31 u. 157). Dieser typographische Fries kommt auch in den Erstausgaben von Cena de le Ceneri und De l’infinito vor. Die zwei Hirsche sind von Blumen eingerahmt: ein Diana, Isis, Apollo und anderen Göttern heiliges Tier, das bekanntlich auch in der Bibel eine stark symbolische Bedeutung hat. Man sollte sich vom Spiegeleffekt der Zeichnung nicht täuschen lassen: Die beiden Hirsche unterscheiden sich voneinander. In der Mitte des Frieses befindet sich ein Adler in einem Kreis, der, so könnte man sagen, auf der eigenen sterblichen Hülle ruht, um zu neuem Leben zu erstehen, so wie es die mythischen Erzählungen vorsehen, die den Adler mit dem Phönix gleichstellten. Man kann den Fries als eine Art Emblem der Eroici furori betrachten. Der Fries steht in der Erstausgabe sowohl vor Dialog I des ersten Teils als auch vor Dialog I des zweiten Teils (vgl. S. 623). Unabhängig davon, ob der Fries eigens für die italienischen Dialoge realisiert wurde oder ob er vielmehr unter Verwendung eines früheren, dem Drucker John Charlewood zur Verfügung stehenden Frieses adaptiert wurde, ist zu beach-



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ten, daß das Thema der Zeichnung auf vielsagende Weise den Themen der Philosophie Brunos, insbesondere der Furori, entspricht. S. zur symbolischen Bedeutung des Adlers Physiologus Latinus – Versio Y (1944), VIII: De aquila, S. 107 f.: »David in psalmo centesimo secundo: ›Renovabitur sicut aquilae iuventus tua‹. Phisiologus dicit de aquila quoniam cum senuerit, gravantur ale eius, et oculi eius caliginant. Quid ergo facit? querit fontem aque, et evolat in aera solis, et incendit alas suas et caliginem oculorum suorum; et discendit in fontem, et tingit se per ter, et renovabitur et novus efficitur«. Vgl. zum Symbol des Hirschs, auch in bezug auf die Wasser der Läuterung u. die Idee der Wiedergeburt, ebd., XLIII: Cervus, S. 131 f. Vgl. auch Physiologus Latinus – Versio B (1939), S. 19 u. 50 f. Vgl. zum Mythos der Wiedergeburt des Adlers Valeriano: Hieroglyphica (1567), lib. XIX, Bl. 141r: Iuventus renovata. Vgl. den Wahlspruch Renovata iuventus – in bezug auf den Adler – bei Paradin: Devises heroïques (21557), S. 172, im Gegensatz zu dem, der sich auf den Phönix bezieht: Unica semper avis, ebd., S. 89. Die Figuren ähneln sich im Bild der Erneuerung des Gefieders (und ihrer selbst) in der Sonne / im Feuer. 2  Dialogo primo: Vgl. oben, Anm. A 65 bis A 77. Der Dialog enthält insgesamt fünf Artikel/Primärsonette (S. 42 f., 50–55, 56 f., 66–69). 3  Interlocutori: Tansillo und Cicada sind die Gesprächspartner der fünf Dialoge des ersten Teils der Furori. Ersterer erinnert an die Gestalt des Dichters Luigi Tansillo aus Venosa (1510–1568), von dem in den Furori vier Sonette angeführt werden, und zwar alle im ersten Teil des Werks (vgl. Furori, I, 1, S. 58–61; I, 3, S. 98 f. u. 110 f.). Für den zweiten Gesprächspartner wurde die Identifizierung mit Odoardo Cicala vorgeschlagen, auch er ein Soldat im Dienst der spanischen Krone wie Luigi Tansillo und Giovanni Bruno, Vater des Philosophen. Es handele sich um denselben Cicada/Cicala, der in De la causa erwähnt wird (U I, S. 706). Vgl. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), I, S. 65, Anm. 2, u. DI, S. 953 f., Anm. 2. Vgl. oben, Anm. 2 zum Titelblatt; A 67; A 86; A 87. 4  Gli furori … sono questi che ti pono avanti: Wie oben, Anm. 2 zum Titelblatt angemerkt wurde (dort auch einige Quellennachweise), stellen die Furori die amores des Nolaners mit Bezug auf die primären Dichtungen vor. Im Text sind diese Dichtungen von typographischen Friesen umrahmt und stellen die verschiedenen Artikel dar: Sie machen die Struktur des Werks aus und definieren dessen Rhythmus. 5  Muse … per consolarmi sole ne’ miei guai con tai versi: Vgl. Boethius: De consolatione philosophiae, I, 1, 23–28. Vgl. oben, Anm. A 67. 6  il sacerdote de le muse: Vgl. den Musarum sacerdos bei Horaz: Carmina, II, 1–3.

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7  Non mancaranno, o Flacco, gli Maroni: Martial: Epigrammata, VIII, 55,

5: »Sint Maecenates, non derunt, Flacce, Marones«. 8  Son certi regolisti de poesia … son più atti ad imitare che ad inventare: Es lohnt sich, zu lesen, was Ludovico Castelvetro in seiner vielgelesenen Poetica d’Aristotele vulgarizzata et sposta (Wien 1570; Basel 21576) schreibt. Auch Castelvetro kritisiert den Imitationsbegriff, wenngleich aus einer anderen Position: »Es ist nicht wahr, daß die Nachahmung einer der Ursprünge der Dichtung sei, wobei Aristoteles unter Nachahmung eine solche versteht, die ohne Überlegung erfolgt; […] es ist nicht wahr, daß die Dichtung ohne Überlegung erfunden worden sei […]. Daher scheint es mir schwerlich glaubhaft, wenn Aristoteles sagt, daß man zu Anfang das Verseschmieden ohne Überlegung pflegte […]. Doch die von der Dichtung erforderte Nachahmung folgt nicht nur nicht dem von einem anderen vorgeschlagenen Beispiel oder macht nicht dasselbe, was bereits gemacht wurde, ohne den Grund zu kennen, aus dem es so gemacht wird, sondern macht etwas von allen bis zu dem Moment geleisteten Dingen gänzlich Verschiedenes« (»non è vero che la rassomiglianza sia una delle cagioni della poesia, prendendo Aristotele rassomiglianza per quella che si fa senza ragione, […] non è vero che la poesia sia stata trovata senza pensamento […]. Laonde mi pare cosa dura da credere quella che dice Aristotele, che da prima s’usasse il versificare senza pensamento […]; ma la rassomiglianza richiesta alla poesia non solamente non seguita l’essempio altrui proposto, o non fa quella cosa medesima che già è stata fatta senza sapere la cagione perché si faccia così, ma fa una cosa del tutto divisa dalle fatte insino a quel dì«: Casteveltro: Poetica d’Aristotele vulgarizzata e sposta, Bd. I (1978), S. 94–96). 9  cantando o vegnano a delettare …, o a giovare e delettare insieme: Horaz: Epistula ad Pisones (De arte poetica), 333 f.: »Aut prodesse volunt aut delectare poetae / aut simul et iucunda et idonea dicere vitae« (»Entweder wollen die Dichter uns nützen nur oder ergötzen, / Oder zugleich, was erfreulich und wertvoll fürs Leben, uns sagen«: Horaz: Über die Dichtkunst, in: ders.: Satiren und Briefe (1962), S. 379). Vgl. Casteveltro: Poetica d’Aristotele vulgarizzata e sposta, Bd. I (1978), S. 96. Zusammen mit dem Problem der Nachahmung und des Wahrscheinlichen handelt es sich um eine in der Dichtungsdebatte des 16. Jahrhunderts entscheidende Frage. Auch für Torquato Tasso – der in den Discorsi dell’arte poetica schreibt: »Concedo io quel che vero stimo e che molti negarebbono; cioè che ’l diletto sia il fine della poesia« (Prose (1959), S. 385; »Ich billige das zu, was ich für wahr halte, was aber viele verneinen würden, und zwar, daß Zweck der Dichtung das Vergnügen sei«) – muß die Dichtung im Grunde erzieherisch und vergnüglich zugleich sein: »’l vero, condito in molli versi, / i più schivi allettando ha persuaso« (»und da die Wahrheit man-



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ches Mal vergraben / in holden Reim, die Sprödsten lockt und fängt«: Das befreite Jerusalem (1963), I, 3, S. 11). Vgl. auch, was Bernardo Tasso, der Vater Torquatos, in einem Brief an Giovan Battista Giraldi aus dem Jahre 1556 schreibt: Delle lettere di M. Bernardo Tasso, II (1575), S. 163 f. (der ganze Brief ist interessant, ebenso die Antwort Giraldis; vgl. ebd., S. 161–170). 10  O fra Porro poeta da scazzate … busecche e cervellate: Aretino: Allo Albicante, Vers 16–18, in: Capitoli (1540), Bl. 2r. 11  come have sotto due teste una base il monte Parnaso: »[…] Parnasos gemino petit aethera colle«; »erhebt sich der Parnaß mit doppeltem Gipfel gen Himmel«: Lukan: Bellum civile (Pharsalia) – Der Bürgerkrieg (1973), V, 72, S. 195. 12  Questo »capitano«… governando gli affetti d’alcune potenze inferiori: vgl. oben, Anm. A 84. 13  la cosa amata l’amore converte ne l’amante: Wie bereits bemerkt, erfolgt eine Verwandlung des Liebenden in den Gegenstand der Liebe, die eine Verwandlung des Gegenstands der Liebe in den Liebenden mit sich bringt, auch weil, wie B. in seiner Interpretation des Aktäonmythos betont, »Gott nahe, mit uns und in uns« ist (Furori, I, 5, S. 200 f.). Vgl. oben, Anm. A 83. Auch Leone Ebreo spricht von einer Verwandlung des Liebenden in den Gegenstand der Liebe (Dialoghi d’amore (2008), S. 49); vgl. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 40–43. 14  »Conosce un paradiso«: cioè un fine principale: Vgl. oben, Anm. A 85. 15  Amor, sorte, l’oggetto e gelosia … le mie fiamme e gli miei fonti?: Im Originaldruck fehlt der zwölfte Vers des Sonetts. Luigi Firpo schlägt folgende Rekonstruktion vor: »quel che mi danna e quel che il ciel disserra« (Scritti scelti di G. Bruno e di Tommaso Campanella (1965), S. 190). 16  l’entusiasmo: Der Begriff tritt hier das einzige Mal in den Furori auf. 17  Cara, suave et onorata piaga … poich’il languir m’è dolce e l’ardor caro: Vgl. für das Sonett Tansillo: Il canzoniere edito ed inedito, Bd. I (1996), Sonett XXXII, S. 49 f. Wie oben, Anm. A 87 ausgeführt, werden in den Furori vier Sonette Tansillos zitiert, und zwar alle im ersten Teil des Werks. 18  O d’invidia et amor figlia sì ria … quant’il mondo senz’odio e senza morte: Tansillo: Il canzoniere edito ed inedito, Bd. I (1996), Sonett VII, S. 14 f. Gentile (in: DI, S. 967, Anm. 1) weist darauf hin, daß Florio in der zweiten Ausgabe des Giardino di ricreatione den dritten Vers der ersten Quartine des Sonetts Tansillos aus B. übernimmt. Allerdings wird der Vers »caut’Argo al male, e cieca talpa al bene« bei Florio wie folgt wiedergegeben: »Cieche talpe al nostro ben’, Arghi al nostro male« (Giardino di ricreatione, in: Second Frutes … (1591), S. 32; vgl. auch ebd., S. 192: »Siamo in casa Talpe, e fuori Argo«). 19  Che vuol dir, Mecenate, che nessuno … che gli ha porgiuta la raggion o

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cielo?: Horaz: Sermones, I, 1, 1–3: »Qui fit, Maecenas, ut nemo, quam sibi sortem / seu ratio dederit, seu fors obiecerit, illa / contentus vivat, laudet diversa sequentis?« (»Woher kommt es, Mäcen, daß man nie mit dem Lose zufrieden, / Ob man es selbst sich gesucht oder ob es ein Zufall bescherte, / Und daß man die stets preist, die grade das andere wählen?«: Horaz: Satiren und Briefe (1962), S. 3). 20  avviene che gli ucelli notturni dovegnon ciechi per la presenza del sole: Vgl. Aristoteles: Metaphysik, 993a30–b 11. Vgl. Furori, I, 5, S. 188 f. u. oben, Anm. A 94. 21  Amor per cui tant’alto il ver discerno … per esser orbo tu lo chiami cieco: Das Sonett  – es handelt sich um eine der drei in den Furori angeführten ›sekundären‹ Dichtungen: vgl. hierzu die Präzisierung oben, Anm. 2 zum Titelblatt – wurde mit leichten Abweichungen bereits in De la causa (BW III, S. 34) veröffentlicht; siehe auch das berühmte Sonett aus De l’infinito: »E chi m’impenna, e chi mi scald’ il core?« (BW IV, S. 48). Die Liebe, die »die schwarzen, diamantenharten Pforten öffnet«  – d. h. die Tore des Avernus (Vergil: Aeneis, VI, 552–554), worauf Granada hinweist: U II, S. 539, Anm. 37 –, steht in den Furori mit der ungenannten »einzigartigen Nymphe« (der Weltseele) des Schlußdialogs in Verbindung.

Dialogo secondo / Zweiter Dialog 1  Dialogo secondo: Vgl. oben, Anm. A 78 u. A 79. Im Dialog werden insge-

samt drei Artikel/Primärsonette vorgestellt (S. 70 f., 78 f., 82 f.). 2  Io che porto d’amor l’alto vessillo … più mi s’asconde: Das Sonett, das B. in Teilen in De vinculis (OL III, S. 658 f.; OM, S. 426 u. 428) zitiert, greift das konventionelle Thema der gegensätzlichen Leidenschaften und Stimmungen auf, die das Gemüt des Liebenden erregen. Wie bereits im Kommentar zur Darlegung ausgeführt, bringt B. dem Zustand der gefühlsmäßigen und psychologischen Unbeständigkeit derer, die Opfer der Fessel eines Cupidos niederen Ranges (des sinnlichen Begehrens) sind, wenig Verständnis entgegen. Ganz anders ist der Zustand des heroischen Leidenschaftlichen, der von intellektuellem Begehren oder vernünftiger Liebe bewegt wird. Es handelt sich folglich nur um eine äußerliche Ähnlichkeit der Symptome, die den Zustand des Menschen beschreiben, der wie jedes andere zusammengesetzte Wesen den Gegensätzen unterworfen ist: »Da ich zwei Gegensätzen unterworfen bin auf ewig, / sind Himmel mir und Hölle gleich verboten« (Furori, I, 2, S. 78 f.). In diesem Fall sind der innere Konflikt so wie die Unruhe des Gewissens keine Symptome einer Liebeskrankheit, für die die Ärzte zuständig sind, son-



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dern betreffen die geistige Kondition dessen, der nach dem primum verum und dem summum bonum sucht. Vgl. oben, Anm. 2 zum Titelblatt; A 4; A 5; A 24; A 25.  3  a un tempo triemo, agghiaccio, ardo e sfavillo: Petrarca: Canzoniere, 134, 2: »e temo, et spero; et ardo, et son un ghiaccio« (»Fürcht ich und hoffe, schaudr’ ich und erwarme«: Canzoniere (2002), S. 233).  4  Altr’amo, odio me stesso: Petrarca: Canzoniere, 134, 11: »et ò in odio me stesso, et amo altrui« (»Ich hasse mich, andrem in Lieb ergeben«: Canzoniere (2002), S. 233).  5  Hinc metuunt … et carcere caeco: »Daher empfinden unsere Seelen Angst und Verlangen, Schmerz und Freude und können das Himmelslicht nicht wahrnehmen, eingeschlossen in die Finsternis eines lichtlosen Kerkers«: Vergil: Aeneis (2008), 733 f., S. 325–327.  6  eccetto qualch’insensato … non ha senso della contrarietade: Vgl. Erasmus von Rotterdam: Moriae encomium, 35.  7  fosco intervallo della sua pazzia: Vgl. oben, Anm. A 7.  8  l’arbore della scienza del bene e del male: Gen 2,17–3,7.  9  l’ignoranza è madre della felicità … paradiso de gli animali: Vgl. Erasmus von Rotterdam: Moriae encomium, 32. 10  si fa chiaro nelli dialogi de la Cabala del cavallo Pegaseo: Vgl. Cabala: BW VI, S. 31–35 u. 65 f. 11  dice il sapiente Salomone: »chi aumenta sapienza, aumenta dolore«: Koh 1,18 (s. ab 1,13); vgl. Erasmus von Rotterdam: Moriae encomium, 63. 12  Gioan Bruno padre del Nolano: Vgl. einige Angaben über den Vater B.s oben, Anm. A 67 (»Gioan Bruno« wird auch in Spaccio: BSP, S. 97 zitiert). An dieser Stelle sei auch hinsichtlich der Informationen über die Eltern des Philosophen auf Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), I, S. 31–66, e II, S. 807–845 verwiesen. In seinen Schriften spielt B. wiederholt auf die ländliche nolanische Umgebung seiner Kindheit und frühen Jugend an (vor allem in Spaccio, aber auch in Sigillus, Candelaio, Cabala, De immenso usw.), wobei er sich auf Ereignisse und Personen bezieht. In De magia spricht er auch aufgrund persönlicher Erfahrung von gewissen ›Geistern‹ (spiriti)  – d. h. Daimonien, die an einem einsamen Ort der nolanischen ›campagna‹ nahe der heute nicht mehr existierenden Kirche der Santa Maria del Porto oder auch unterhalb eines Felsen am Berg Cicala heimisch sein sollen  –, deren Zeitvertreib es sei, denen, die das Pech hatten, dort vorbeizukommen, Steine auf den Kopf zu werfen (s. OL III, S. 430 f.). Vgl. verschiedene Hinweise auf Nola und die Nolaner auch bei Spampanato: Bruno e Nola (1899). Vor allem in Spaccio kommt B. auf verschiedene Personen (z. B. auf Familienangehörige: vgl. BSP 97–100) zu sprechen, die in den Ortschaften um Nola in der

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Nähe des Landguts San Giovanni del Cesco am Berghang des Cicala lebten, wo er geboren wurde; wie Spampanato (Vita di Giordano Bruno (1921), I, S. 46) präzisiert, war San Giovanni del Cesco weniger als einen Kilometer von Nola und von dem Weiler San Paolo entfernt. In seinen Schriften zitiert B. einige Angehörige der Familie Savolino, Nachname Fraulissas, der Mutter B.s, die er jedoch nie erwähnt, im Gegensatz zu seinem Vater, der in Spaccio und im vorliegenden Passus der Furori genannt wird. Bekanntlich nimmt B. 1592 im Laufe des venezianischen Prozesses auf seine Mutter Bezug und erklärt, daß sie nicht mehr am Leben sei, ebenso wie ihr Mann Giovanni Bruno. Vgl. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 9, S. 156; s. aber auch Dok. 51 [181], S. 284, in dem das Zeugnis eines Mitgefangenen angeführt wird: B. habe erzählt, daß, »als er klein war, sich ihm eine Viper genähert habe, die ihm Angst machte, woraufhin seine Mutter ihn beschützt habe« (»essendo putto li venne una vipara, che li messe paura, e che la sua madre lo difese«); das Zeugnis ist mit einer Stelle aus Sigillus sigillorum (OL II/2, S. 184 f.) zu vergleichen, in der B. aber seinen Vater nennt. Im Dezember 1585 hatte der Philosoph in einem vertraulichen Gespräch mit Guillaume Cotin, Bibliothekar der Pariser Abtei von Saint-Victor, behauptet, sein Vater lebe noch (vgl. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), II, S. 650). Es kann allgemein festgestellt werden, daß die Figur der Mutter B.s im Schatten bleibt, obwohl B. in seinen Schriften die Familie Savolino erwähnt, in der er aufgewachsen war, angesichts der Tatsache, daß Giovanni Bruno als Berufssoldat häufig von zu Hause abwesend war. In der Tat läßt B., wenngleich mit wenigen Andeutungen, die Figur des Vaters hervortreten, der eine gewichtige Rolle in seiner Ausbildung gespielt haben muß. Meines Erachtens bringt B. einige Züge des Vaters in einer ›positiven‹ Figur der Komödie Candelaio, und zwar im Maler Gioan Bernardo, zum Ausdruck: eine ein wenig epikureische Person, die die Welt und die Menschen ohne jegliche Idealisierung als das darstellt, was sie sind; ein Maler, der auf die Aufforderung Bonifacios: »fatemi bello«, antwortet: »Non comandate tanto, si volete esser servito: si desiderate che io vi faccia bello, è una; si volete ch’io vi ritragga, è un’altra« (BW I, S. 12, 62). Die Lebenserfahrung oder besser die Weltanschauung Gioan Bernardos kommt im wesentlichen auf den bemerkenswerten Seiten der 19. Szene des 5. Akts der Komödie zum Ausdruck, d.h in dem ernüchterten Dialog zwischen dem Maler und dem jungen Ascanio, Bonifacios Pagen. Dort wendet sich Gioan Bernardo an den jungen Mann mit den Worten: »figliol mio«, »O figlio mio«; im selben Dialog offenbart Ascanio ein ›philosophisches‹ Bewußtsein, das den Maler sagen läßt: »quanto il tuo sentimento avanza l’età tua«. Mir scheint, daß diese Seiten ein, natürlich der Komödie und ihrer Handlung angepaßtes, Gespräch zwischen Vater und Sohn darstel-



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len: zwischen Giovanni Bruno und einem sehr jungen B., den wir uns bereits im Kloster von San Domenico Maggiore vorstellen können, da der junge Ascanio in der Komödie einem Bonifacio unterstellt ist, der im wirklichen Leben ein schikanierender Dominikanermönch fortgeschrittenen Alters gewesen sein soll (BW I, S. 266–273). Weiterhin ist zu beachten, daß B. in seinen Schriften der mütterlichen Zuneigung eine gewisse Aufmerksamkeit schenkt; so z. B. an einer als Anspielung zu verstehenden Stelle aus Spaccio, wo er, u. a. unter Rückgriff auf das Gedicht La balia Luigi Tansillos, jene Frauen mißbilligt (»le dame nobili, tanto de le grandi, quanto di quelle che voglion far del grande«: BSP, S. 262 f.; BW V, S. 350 f.), die es aufgrund ihrer ausschließlichen Aufmerksamkeit auf sich selbst und auf das eigene Aussehen vermeiden, zu stillen und die Kinder den Ammen anvertrauen, wobei sie es zusammen mit der Ernährung auch an der notwendigen persönlichen Zuneigung ermangeln lassen. Tansillo, der sich diesbezüglich auf Aulus Gellius: Noctes Atticae, XII,1 bezog, hatte sich wie folgt an die Frauen gewandt: »Glaubt ihr etwa, daß die Natur / euch zwei Äpfel an die Brust hänge, wie sie am Kinn / ein Muttermal anzubringen pflegt, auf daß es dort als Gemme leuchte, / und sie euch nicht zur Ernährung / und zur Hilfe der Kleinkinder gebe, / sondern zur Schönheit und als Zierde des Körpers?« (»Forse credete, che Natura appenda / due poma al vostro petto, come al mento / suol porre un neo, ch’ivi qual gemma splenda, / e che non le vi dia per nudrimento / de’ pargoletti figli e per aita, / ma per beltà del corpo et ornamento?«: Tansillo: L’egloga e i poemetti (1893), S. 247). 13  Quel che non è contento né triste: Die Vorstellung in B.s Verständnis, daß ›weise‹ derjenige sei, der »weder zufrieden noch traurig ist« (s. besonders S. 74 u. 76), verweist auf das Motto, das er auf dem Titelblatt des Candelaio einrücken ließ: In tristitia hilaris: in hilaritate tristis (BW I, S. 1). Eine bezeichnende Wiederaufnahme des Mottos befindet sich in De vinculis; dort betont B., daß seiner Ansicht nach gerade »tristitia hilaris, hilaritas tristis« die grundlegende Bindung sei (OL III, S. 690; das vinculum vinculorum ist die Liebe). Das will B. zufolge besagen, daß es die Gegensätzlichkeit (und damit die Realität all dessen, was in der Zeit lebt) zu verstehen gilt, wobei man Gewinn aus ihr ziehen und berücksichtigen sollte, daß es ein einziges Fundament der Gegensätze gibt (d. h. das, was ewig ist). In diesem Abschnitt geht B. auch auf die ›Mäßigung‹ und damit auf die aristotelische Konzeption der Weisheit als rechter Mitte ein, der zufolge die tugendhafte Handlung genau der Mittelweg zwischen zwei Extremen ist (vgl. Nikomachische Ethik, II, 1004a11–1007a6; VI, 1138b18–34; VII, 1145a15–1145b20). Cicada versteht die Überlegungen Tansillos hingegen in der Perspektive des stoischen Weisheitsideals, welches es mit sich bringt, sich aller Leidenschaft zu entledigen und

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quasi die Bedingung des Menschen zu verneinen; letztere – und dies gilt für alle zusammengesetzten Lebewesen  – ist für B. immer den Gegensätzen unterworfen, ob diese für gut oder schlecht oder anderswie befunden werden (vgl. hierzu Erasmus von Rotterdam: Moriae encomium, 30; dort wird auf Seneca verwiesen). B. hält die stoische Position – zumindest in ihrer ganzheitlichen Ausformung – für unhaltbar, während er der aristotelischen Auffassung der Weisheit als Suche nach einem Gleichgewicht (»nel grado della indifferenza«, »im Zustand der Gleichgültigkeit«: Furori, I, 2, S. 76 f.), das die Extreme meidet, beipflichtet. Ein Ideal der Mäßigung, das dem aktiven Leben und einer asketischen Form des kontemplativen Lebens angemessen ist; auf dem höchsten Grad einer solchen Indifferenz kann man zu einer radikalen Kritik jedes Scheins gelangen. Es ist wichtig, daß B. trotz seines Rückgriffs auf die aristotelische Lehre von der rechten Mitte das von Salomon verkörperte Ideal des Weisen heranzieht, der den äußersten Punkt einer Seite des Erkenntnisverlaufs, sozusagen die pars destruens, darstellt: ein propädeutisches, doch nicht endgültiges Moment des Wissensfortschritts. Es ist klar, daß im Kohelet die Eitelkeit aller weltlichen Dinge (Schein, Wissenschaft) in einem theologischen Horizont anprangert wird, während B. offensichtlich daran interessiert ist, das Problem auf philosophischer Ebene zu entwickeln, und hier konnte er nicht umhin, im Skeptizismus und in einem gewissen Platonismus die Entsprechungen jener Weisheit zu erkennen. Der eroico furore – als Ideal eines kontemplativen Lebens, das die theologische Perspektive gerade der hebräisch-christlichen Tradition ausschließt – gründet auf der Kritik des Scheins und der Suche nach einem (beständigen) Guten und Wahren auf sinnlicher Ebene. Diesbezüglich hat B. keine Probleme, sich mal auf Salomon und die biblische Weisheit, mal auf Pythagoras und andere Vorsokratiker, dann wieder auf Epikur, die Skeptiker oder auch auf Erasmus zu berufen. Natürlich basiert das konstruktive Element der heroischen Leidenschaft auch auf einer Kritik falscher philosophischer und theologischer Lehren, von Weisheits­ modellen (z. B. des Aristotelismus) und Offenbarungsmodellen (insbesondere der biblischen Offenbarung). 14  Cossì il sapiente ha tutte le cose mutabili … vanità et un niente: Vgl. Koh 1,2 ff. 15  Ecco dumque … un vizio ch’è in un suggetto più divino: B. geht von der Lehre der rechten Mitte und der Temperanz direkt zur heroischen Leidenschaft über (Verbindungselement scheint die »Voraussetzung für einen starken Charakter« zu sein), also zum Thema der »heroischen und göttlichen Tugend» aus dem siebten Buch der Nikomachischen Ethik (vgl. oben, Anm. 2 zum Titelblatt u. A 79). Es ist zu betonen, daß B. die heroische Leidenschaft nicht als Tugend, sondern als Laster betrachtet, wenngleich eines, »das ein



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eher göttliches Subjekt« befällt als den Menschen; er beabsichtigt hervorzuheben, daß er sich nicht auf gänzlich tugendhafte Engel, sondern auf konkrete Individuen mit ihren Leidenschaften und Zweifeln bezieht (vgl. zur Unterscheidung zwischen himmlischen Vernunftwesen und Daimonien oder Heroen Furori, I, 4, S. 148 f.). 16  perché la materia … la presente: Vgl. Platon: Timaios, 50a–51b; Aristoteles: Physik, 192a20–33. 17  Impius animam dissidentem habet … cum aliis: »Der Gottlose hat eine widersprüchliche Seele, weshalb er weder mit sich selbst noch mit anderen einig sein kann«. P.-H. Michel hat in seiner bereits erwähnten Übersetzung der Furori (1954, S. 174, Anm. 10) darauf hingewiesen, daß es sich um ein Versehen B.s handelt; der aus dem Gedächtnis zitierte Passus stammt nicht aus Jamblichs De mysteriis Aegyptiorum, sondern aus Proklos’ Kommentar zu Platons Alkibiades I. In den Opera Ficinos finden sich die Excerpta direkt nach der lateinischen Version des Werks Jamblichs (Ficino: Opera omnia, II, S. 1908–1928; das von B. angeführte Zitat ebd., S. 1923). 18  Non han mie pene triegua: Petrarca: Canzoniere, 22, 10: »non ò mai triegua di sospir’ col sole« (»hab niemals Rast, zu seufzen mit der Sonne«: Canzoniere (1989), S. 49). 19  qual Ixion convien mi fugga e siegua: »volvitur Ixion et se sequiturque fugitque«; »es rollt Ixion und folgt sich und flieht sich«: Ovid: Metamorphosen (1958), IV, 461, S. 261. 20  Ecco dumque come è morto … in se medesimo: Ein Tod, der im Gegenstand der Liebe Leben ist. Es handelt sich um das klassische Motiv der Verwandlung des Liebenden in den Gegenstand der Liebe. Vgl. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 40; Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 53. Vgl. oben, Anm. A 83 u. Anm. 13 zum ersten Dialog des ersten Teils. 21  l’appetito intellettuale … gionger numero a numero: vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch VIII, Kap. XVI, in: TP I, S. 328. 22  Pastor … più che miei tormenti: Der Dialog zwischen Filenio und Pastore/Furioso weist Anklänge an den Dialog zwischen Aminta und Tirsi in Tassos Aminta auf (1. Akt, 2. Szene). Es gibt jedoch einen direkteren poetischen Bezug auf einen Autor der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts: Filenio Gallo (Filippo Galli), ein Zeitgenosse des Serafino Aquilano (Serafino de’ Ciminelli), dessen Sonette B. kennen und schätzen mußte (ein Vers Aquilanos wird in De umbris idearum zitiert: »Per tanto variar natura è bella«, OL II, I, S. 83). Für das Sonett der Furori beruft B. sich auf einige Dialog-Sonette Filenio Gallos. Hier ist auf eine Umkehrung der beiden Dialog-Figuren hinzuweisen. In den Sonetten Gallos ist es das Cor, das sich mit dem betrübten Filenio unterhält, während in B.s Sonett Filenio (der, wie B. im Text erläutert, »la rag-

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gion« darstellt) sich an den Schäfer/Leidenschaftlichen wendet, der um seine Gedanken »in Sorge ist« (si travaglia), sie aber zugleich »weidet« (pasce). Vgl. Filenio Gallo: Rime (1973), S. 151 f., 244, 251, 289, 321. An dieser Stelle möchte ich auch darauf hinweisen, daß B. aller Wahrscheinlichkeit nach Gelegenheit hatte, das dichterische Werk des mysteriösen Autors der ersten Dekaden des 16. Jahrhundert kennenzulernen, der sich hinter dem Namen »Nocturno Napolitano« verbirgt. 23  Ma fia che dell’amor io mi lamente … vogli’ esser felice: Es handelt sich um die ersten beiden Verse des vierten Primärsonetts aus dem fünften Dialog des ersten Teils (Furori, I, 5, S. 170). 24  il rapto platonico è di tre specie … nella concupiscenza del toccare: Platon: Das Gastmahl, 210a–e. B. bezieht sich vor allem auf Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 132 f. Vgl. Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 345 f. 25  Chi mette il piè sull’amorosa pania … non v’inveschi l’ali: Ariosto: Orlando furioso, XXIV, 1. Der erste Vers wird im handschriftlichen Entwurf von De vinculis zitiert (vgl. OL III, S. 652). 26  et io (per me) mai fui più fascinato: fascinato im Sinne von legato (s. oben, Anm. A 24). Vgl. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 192 f.

Dialogo terzo / Dritter Dialog 1  Dialogo terzo: Vgl. oben, Anm. A 80, A 81, A 82. Der Dialog stellt insge-

samt drei Artikel/Primärsonette vor (S. 96 f., 102 f., 112–114). 2  sono più specie de furori … uomini ordinarii: Vgl. Platon: Phaidros, 237e–238c, 244a ff., 265a ff. (dazu auch Ion, 533c–536d); Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 187 f., 210–216, aber s. auch S. 131–133 sowie Leone Ebreo, Dialoghi d’amore (2008), S. 345 f. Die Seiten bei Ficino sind auch für den folgenden Dialogtext vor Augen zu halten. Vgl. außerdem Ficino: Commentarium in Phedrum (1981), S. 73 ff., sowie den Brief De divino furore, in: Ficino: Lettere, I (1990), S. 19–28 (vgl. auch die italienische Version des Briefes in: Ficino: Le divine lettere del gran Marsilio Ficino (2001), I, Bl. 8v–13v). Vgl. zum Gegensatz viehische Roheit/heroische Tugend (als kontemplative Tugend) außerdem Nikomachische Ethik, 1145a15–1145b20. Wie bereits mehrfach erwähnt, verbindet sich in den Furori die philosophische mit der theologischen Ebene im Sinne einer Kritik der christlichen Theologie. B. nimmt insbesondere das paulinische Motiv der Eselhaftigkeit und der Schlichtheit des Herzens aufs Korn, der bevorzugten Bedingung, um in den Himmel zu gelangen, sowie die Idee einer Erleuchtung von oben, also unabhängig von Streben und Weisheit des Subjekts. Es ist überdies kein Zufall, daß B. im vorhergehen-



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den Dialog (S. 72 f.) – gerade in bezug auf die Thematik der Unwissenheit/ Eselhaftigkeit – die Cabala del cavallo pegaseo erwähnt, die als sein anti-theologischstes Werk bezeichnet werden kann; so wie es kein Zufall ist, daß er im ersten Dialog des zweiten Teils der Furori (S. 260 f.) auf einen Abschnitt des Sigillus sigillorum Bezug nimmt, der der Untersuchung von fünfzehn Arten von contractiones gewidmet ist, viele davon in Zusammenhang mit ›Verzückungen‹, d. h. Zuständen mystisch-religiöser Entrücktheit, die B. scharf verurteilt. Abgesehen von der Unterscheidung zu Beginn des vorliegenden Dialogs (zwei Gattungen und zwei Arten) will B. eine Verbindung zwischen der Leidenschaft als irrationaler Aufwallung – der viehischen Roheit, dem »tierischen Unverstand« – und dem Zustand des Ergriffenen (invasato) hervorheben, ob es sich um Sibyllen, Propheten oder sonstige Entrückte handelt; ein Zustand, der völlige Passivität seitens des Subjekts, fast eine Aufhebung seiner selbst, des eigenen Geistes und des eigenen Bewußtseins, mit sich bringt. 3  Gli primi sono degni come l’asino che porta li sacramenti: B. bezieht sich vor allem auf Erasmus (Adagia, 1104 (II, 2, 4): Asinus portans mysteria) und aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf die Emblemata Andrea Alciatos, der in dem Emblem Non tibi sed religioni eine Fabel des Äsop (Fabeln, 266) mit einigen Motiven der Metamorphoses Apuleius’ verknüpft (vgl. Alciato: Il libro degli emblemi (2009), S. 209–213, u. die Anm. S. 631 f.; dort auch bibliographische Hinweise). Vgl. außerdem Erasmus von Rotterdam: Moriae encomium, 65 (wo angemerkt wird, daß Christus es vorzog, auf einem Esel zu reiten) sowie Agrippa von Nettesheim: De incertitudine et vanitate scientiarum, in: ders.: Opera [1600], II, S. 241 f. 4  Questi furori … non son oblio, ma una memoria: Vgl. Platon: Phaidros, 248b–c zum Bild des ›Felds der Wahrheit‹ (auch des Gedächtnisses), das dem ›Feld der Vergessenheit‹ – der Lethe – aus der Politeia, 621a–b gegenübersteht. Gegenstand der Kritik B.s könnte Augustin: Confessiones, X, 24.35–26.37 gewesen sein. 5  lacci de ferine affezzioni: Vgl. oben, Anm. A 24. 6  Doviene un dio … pensiero alcuno de la vita: Im Hinblick auf die (intellektuelle) Vereinigung des Liebenden mit dem Gegenstand der Liebe ver­ bindet B. hier und anderswo im Text peripatetische Motive  – der alexan­ drinischen und averroistischen Noetik  – mit neuplatonischen, vor allem ploti­nischen und ficinianischen Motiven (vgl. zum angezeigten Passus Enneades, VI, 7, 34). Vgl. zum Thema der Gottwerdung oben, Anm. A 41; A 80; A 83; A 85; A 93. Vgl auch unten, Anm. 33 zum dritten Dialog. Auch wenn B. die Rolle des Willens (des vernünftigen Begehrens) anerkennt, bleibt er der Auffassung eines Primats des Verstandes bei der Suche nach dem ›Begreifen‹ des Gegenstands seitens des Subjekts treu. Vgl. mehrere Hinweise zur Auseinan-

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dersetzung B.s mit der aristotelischen Tradition hinsichtlich des Themas der Gottwerdung in meinem Beitrag Bruno lettore di Averroè, in: Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno. Percorsi della filosofia di Giordano Bruno (2003), S. 79–120. Jedenfalls kommt in diesen Textabschnitten das vincolo des Leidenschaftlichen zum Ausdruck; als Beispiel sei auf einen Passus aus De vinculis hingewiesen: »Contemplativi a sensibilium specierum aspectu divinis vinciuntur, voluptuosi per visum ad tangendi copiam descendunt, ethici in conversandi oblectationem trahuntur; primi heroici habentur […]; primi ascendunt ad Deum« (OL III, S. 674). Man muß natürlich berücksichtigen, daß die Fessel des Leidenschaftlichen sich in dem Motto: In tristitia hilaris: in hilaritate tristis realisiert (s. Anm. 13 zum zweiten Dialog). D. h., daß die Fessel des Leidenschaftlichen sich als Suche (Bewegung, Veränderung, Metamorphose), niemals aber als endgültige Erfüllung erweist, welche insofern unmöglich ist, als der Gegenstand der Liebe unendlich ist und die absolute Erfüllung eines einzigen Individuums einer Art offensichtlich ›unnatürlich‹ wäre. Vgl. auch unten, Anm. 26. 7  Non è furor d’atra bile: D. h. die durch die Melancholie erzeugte Leidenschaft. Vgl. oben, Anm. 2 zum Titelblatt; A 4; A 5. 8  certa legge de la divina Adrastia: S. zum Gesetz der Adrasteia Platon: Phaidros, 248c u. Politeia, 451a; Plotin: Enneades, III, 2, 13. Vgl. Vinculis: OL III, S. 679 f. 9  un calor acceso dal sole intelligenziale ne l’anima … gl’impronta l’ali: Il sole intelligenziale, d. i. die Metapher der Sonne als höchste Vernunft, die hier die Seele des Menschen und ihre ›Flügel‹, d. h. Verstand und Willen, betrifft, ist eigentlich die Weltseele, die Verstand und Geist/Liebe umfaßt (vgl. oben, Anm. A 41). Auch wenn B. von einer Suche spricht, die eine »gewisse metaphysische Bewegung« mit sich bringt – das Unendliche kann weder Gegenstand der Sinne sein noch von der menschlichen Vernunft ›begriffen‹ werden –, bezieht er sich auf ein Erkenntnisobjekt, das eine physikalische Realität darstellt, angesichts derer es keine Identität der Gegensätze gibt. B. zufolge kann man über die physikalische Realität anderer Welten diskutieren, obgleich wir sie nicht sehen, nicht aber über das Wesen des Universums. Das unendliche Universum stellt sich dem menschlichen Geist als physikalisches und zugleich als metaphysisches Objekt dar. Für B. legitimiert die Idee einer mens super omnia, eines Wesens als All-Einem auf der Ebene der Essenz, die Idee einer mens insita omnibus, des physikalischen Universums. 10  dovien un oro probato e puro … legge insita in tutte le cose: Das Bild des reinen Goldes bezieht sich auf einen ›verbesserten Verstand und Willen‹; Verstand und vernünftiger Wille, die für B. nach Erkenntnis der Natur streben sollen – die Erde ist eines der unendlichen Gestirne des Universums, die sich



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in ihrer physikalischen Realität gleichen, eines von unendlichen Mittelpunkten usw.  – statt nach einer unmöglichen Vereinigung mit dem metaphysischen Einen (eigentlich bedeutet der Satz aus La cena de le Ceneri, »die bekleidete und verhüllte Natur« zu entblößen, nicht nur den Menschen, sondern auch die Natur von der Metaphysik, zumindest von einer Metaphysik der Transzendenz, zu befreien). Vgl. Plotin: Enneades, IV, 7, 10. 11  Non come inebriato da le tazze di Circe … o come un Proteo vago: Vgl. zu Kirke Homer: Odyssee, X, 133–574; Ovid: Metamorphoses, XIV, 8–74 u. 241–307 (s. oben, Anm. A 18 u. A 104). Vgl. zu Proteus Homer: Odyssee, IV, 384 ff.; Vergil: Georgica, IV, 387–414; Ovid: Metamorphoses, VIII, 728–737; Orphei Hymni (1973), 25. Vgl. auch Ficino: Theologia Platonica, Buch IV, Kap. II, in: TP I, S. 169. 12  come nove muse … dell’universale Apolline: Vgl. Ficino: De Sole, in: Prosatori latini del Quattrocento (1952), S. 1002–1005 (vgl. ders.: Theologia Platonica, Buch IV, Kap. I, in: TP I). In dem Passus der Furori scheint Apollo die ›erste Vernunft‹ anzuzeigen (gegenüber den neun Musen/Intelligenzen), d. h. den intellectus primus, nicht die mens (vgl. z. B. Summa: OL I, IV, S. 103 ff.; Lampas: OM, S. 1024 ff.; gerade in diesem Abschnitt der Lampas – ebd., S. 1028 – spricht B. vom primus intellectus als universellem Apollo, der von der »absolutesten Einheit«, also der mens: monadum monas, entium entitas, unterschieden ist). In den Furori handelt es sich aus zwei Gründen um eine komplexe Frage. Zum ersten wird der »universelle Apollo« als »absolutes Licht in seiner höchsten und vorzüglichsten Erscheinung« bezeichnet, ›erste Vernunft‹ sowie »das reine und absolute Licht, so wie […] auch der reine und absolute Akt« (Furori, I, 5, S. 192 f.; II, 2, S. 314 f.), alles Definitionen, die eher auf die mens als auf den primus intellectus verweisen. Zum zweiten wird Diana – »die für die Ordnung der zweiten Vernunftwesen steht, die den Glanz wiedergeben, den sie vom ersten Vernunftwesen erhalten haben« (Furori, II, 1, S. 272 f.) – in der Darlegung (S. 36 f.) im Zusammenhang mit dem Schlußdialog ebenfalls als »prima intelligenza« in Verbindung mit den neun Musen/ Intelligenzen verstanden, genau wie in dem hier untersuchten Passus des dritten Dialogs. Es ist offensichtlich, daß es sich in den Furori wie in anderen Schriften B.s nicht um eine terminologisch-konzeptuelle Inkohärenz handelt, wie einige etwas schulfüchsische Forscher angenommen haben, sondern um einen bewußten Versuch seitens des Philosophen, gerade durch ein terminologisch-konzeptuelles Spiel der Spiegel einen Parallelismus und letztendlich eine Identifikation nahezulegen. Vgl. oben, Anm. A 88; A 90; A 93; A 94; A 96. 13  l’amore, ch’è gemino: Vgl. Platon: Das Gastmahl, 180d–e; Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 36 f.; Leone Ebreo, Dialoghi d’amore (2008), S. 186 f.

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(s. auch S. 126 f.). Vgl. zum »doppelgesichtigen Cupido« oben, Anm. 2 zum Titelblatt. 14  con la voluntade … con l’intelletto: Vgl. oben, Anm. A 80; A 83; A 85. 15  Se la farfalla … al fin discara: Vgl. Petrarca: Canzoniere, 19, 5–7 u. 141, 1–4; Tansillo: Il canzoniere edito ed inedito, Bd. I (1926), S. 162 f. 16  se quand’il cervio per sete vien meno: Vgl. Ps 41,2–3. 17  il vecchio Saturno … de proprii figli: Vgl. Hesiod: Theogonia, 453–460. 18  D’un sì bel fuoco … arda il cener mio: Tansillo: Il canzoniere edito ed inedito, Bd. I (1926), Sonett I, S. 3 f. (der Text des von B. angeführten Sonetts weist einige Varianten auf). Vgl. oben, Anm. A 87 für ein Verzeichnis der in den Furori zitierten Sonette Tansillos. 19  l’affetto ben formato … consonanza de membri e colori: Vgl. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 16, 76, 81 ff. 170 f.; Pico della Mirandola: Commento sopra una canzona de amore, in: ders.: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 481; Leone Ebreo, Dialoghi d’amore (2008), S. 299 ff. 20  Oimè … al dolce danno amene: Es handelt sich um eine der beiden von B. in den Furori zitierten sekundären Dichtungen (vgl. zur zweiten, einer Oktave, Furori, II, 1, S. 268 f.), wenn man das Sonett nicht berücksichtigt, das schon zu Beginn von De la causa auftritt (vgl. oben, Anm. 2 zum Titelblatt u. Anm. 21 zum ersten Dialog). 21  l’un e l’altro spirto … si suscita, accende e si confirma l’amore: Vgl. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 122 f. 22  è molto propria … quella distinzion … intra l’amare e voler bene: Vgl. Aristoteles: Rhetorik, 1381a11 ff.; Leone Ebreo, Dialoghi d’amore (2008), S. 209 f. 23  Bench’ a tanti martir … tal impadroniste del mio core: Vgl. Epicuro: La cecaria, in: ders.: I drammi e le poesie italiane e latine (1942), S. 6. 24  una specie intelligibile: Vgl. oben, Anm. A 90. 25  La è oggetto finale … come in ombra e specchio: Vgl. 1 Kor 13,12. S. Furori, II, 4, S. 366–369 (vgl. auch II, 1, S. 238 f.; II, 2, S. 212–214). Vgl. Ficino: De raptu Pauli, in: Prosatori latini del Quattrocento (1952), S. 966 f. Vgl. zu dem Thema die bemerkenswerten Seiten bei Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 258–261, der sich vor allem auf Num 12,6–8, aber auch auf Platon: Phaidon, 90d–e und Aristoteles: Metaphysik, 993b9–11 bezieht. 26  si fa un Dio: perché contrae la divinità in sé: Eines der beiden Momente der Gottwerdung, und zwar das dem Intellekt eigene, im Gegensatz zur ›Konversion‹ in den Gegenstand der Liebe, der dem Willen angehört. Vgl. den Abschnitt des zweiten Kapitels von Buch XIV der Theologia Platonica Ficinos, der oben, Anm. A 85 angeführt wird, sowie Furori, I, 4, S. 120–122. Es liegt B.



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daran, zu betonen, daß es sich um einen »geistigen Kontakt« handelt (ebd., I, 3, S. 92 f.), da man sich auch im Hinblick auf das Begehrungsvermögen immer auf einen »von der Vernunft gelenkten Willen« (voluntade intellettiva) und eine »geistige Liebe« (amor intellettivo) beruft (ebd., I, 3, S. 116 f.; I, 5, S. 182 f.). Vgl. oben, Anm. 6. 27  ma se avverà poi che vegga … considerar quell’uno: Vgl. Plotin: Enneades, VI, 7, 35. 28  è differenza in questo stato … vederla in propria presenza: Vgl. 1 Kor 13,12. 29  Il corpo dumque è ne l’anima … come disse Plotino: Vgl. zu dieser Betrachtung, die auch in De la causa und Lampas vorliegt, Plotin: Enneades, IV, 3, 20 (s. auch Platon: Timaios, 34b u. 36e) u. vor allem den entsprechenden Kommentar Ficinos: Opera omnia, II, S. 1739. 30  l’ultimo fine non deve aver fine … altra maniera d’esser fine: Für diese und andere Behauptungen bezüglich der Idee des Unendlichen in Potenz und Akt hat B., wenn auch in kritischer Weise, die Überlegungen bei Aristoteles: Physik, III, 4–8 vor Augen. 31  ›Bramando è lassa l’alma a Dio vivente‹: Vgl. Ps 41,3. 32  Attenuati sunt oculi mei suspicientes in excelsum: Jes 38,14 (»Ermattet blicken meine Augen zur Höhe«). 33  gli Peripatetici (come esplicò Averroe)… scienze speculative: Vgl. Averroës: In Physicam, Prooemium, in: Aristotelis Opera cum Averrois commentariis (1962: Repr. der Ausg. Venetiis 1562), IV, Bl. 1v; s. auch den Kommentar 36 zu De anima: Averrois Cordubensis Commentarium magnum in Aristotelis De anima libros (1953), S. 501 f. (vgl. für weitere Hinweise meinen oben, Anm. 6 zitierten Beitrag). Vgl. auch Dante: Das Gastmahl (1965), I, 1, S. 11: »Da nun die Wissenschaft die letzte Vervollkommnung unserer Seele bildet und unser höchstes Glück in sich begreift […]« u. II, 14, S. 87: »So rufen in uns die Wissenschaften die zweite Vollendung hervor; in ihrem Besitze vermögen wir über die Wahrheit nachzusinnen, die unsere höchste Vollendung ist, wie der Philosoph im sechsten Buche der Ethik sagt [Nikomachische Ethik, VI, 1139a26–28], wo er die Wahrheit das Gut des Intellekts nennt«. Grundlegender aristotelischer Text ist natürlich Nikomachische Ethik, X, 1177a12–1178a8. 34  Non sarà mai perfetta … l’orizonte della vista sua: Vgl. Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 33; s. auch ebd., S. 118; dort eine Wiederaufnahme des Vergleichs zwischen dem menschlichen Verstand und der Eule, das zu Beginn des zweiten Buchs der aristotelischen Metaphysik zu lesen ist (993a30– b11), auf das sich auch B. bezieht (Furori, I, 1, S. 64 f.; I, 5, S. 188 f.). 35  Basta che tutti corrano; assai è ch’ognun faccia il suo possibile: I Kor 9,24.

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36  Poi che spiegat’ho al’ali al bel desio … sì illustre morte ne destina: Tansillo: Il canzoniere edito ed inedito, Bd. I (1926), Sonett III, S. 5 f. Es handelt sich

um das letzte der vier in den Furori zitierten Sonette (vgl. oben, Anm. A 87). 37  uscito fuor de l’antro platonico: Vgl. Platon: Politeia, VII, 514a ff.; Plotin: Enneades, IV, 8, 1. 38  Dicono gli Platonici due sorte de nodi … resulta nel corpo: Vgl. Ficino: In Enneades, IV, 4, 19, in: ders.: Opera omnia, II, S. 1743 (auf derselben Seite auch der Kommentar zu Enneades, IV, 4, 18). 39  Or questo numero nobilissimo movente ch’è l’anima: In De anima (404b29–30; 408b32) stellt Aristoteles in kritischer Absicht die Konzeption der Seele als sich selbst bewegende Zahl vor. Die mathematische Konzeption der platonischen Vorstellung einer selbstbewegenden Seele scheint auf Xenokrates zurückzugehen (Fr. 60 Heinze), wie bei Plutarch ausgeführt wird (De animae procreatione in Timaeo, 1013c). Vgl. Macrobius: Commentarii in somnium Scipionis, I, 14, 19; Ficino: Theologia Platonica, Buch I, Kap. X, in: TP I, S. 134); Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 170. 40  Certo non s’intendeva secondo alcun modo di questi: Eine Punktualisierung, die für verschiedene Lehren gilt, auf die B. in den Furori Bezug nimmt (vgl. oben, Anm. A 14). 41  riconoscendo il suo principio e geno … natio soggiorno: Vgl. Plotin: Enneades, I, 6, 8; Ficino: Theologia Platonica, Buch I, Kap. I, in: TP I, S. 38; vgl. auch den caelestis patriae civis in De Sole, in: Prosatori latini del Quattrocento (1952), S. 972. In den Furori – wie auch in der Cena de le Ceneri, in De l’infinito und in De immenso – kehrt die platonische Thematik des Fluges der Seele wieder: eine intellektuelle und geistige Erhöhung, die im Bereich der ›klassischen‹ und christlichen platonischen Tradition auf unterschiedliche Weise interpretiert wurde. Der in diesem Zusammenhang bedeutsamste Text waren natürlich die Enneaden Plotins mit ihrer Verknüpfung von Erkenntnislehre und Ethik, wie sie auch den Furori zugrunde liegt. In Texten wie dem MacrobiusKommentar zum ciceronianischen Somnium Scipionis oder dem De nuptiis Marcianus Capellas, um uns auf die spätantiken Werke zu beschränken, verband sich das Thema des Fluges auf einer allgemeineren Ebene mit dem der Seelenreise: eine kosmologisch-symbolische Gedächtnisreise, die nicht mehr nur Gnoseologie und Ethik, sondern auch verschiedene Wissenschaften betraf. B. läßt sich auch von solchen Werken inspirieren, gerade im Sinne eines Fluges und einer Reise der Seele in die intelligible Welt als kulturelle Sphäre. Es versteht sich von selbst, daß die traditionellen platonischen Motive – der Gegensatz zwischen himmlischer und irdischer Welt, die Seele als Fremde in dieser Welt, die notwendige Befreiung von der Knechtschaft des Körpers – bei B. weder in der plotinischen noch um so weniger der christlich-



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ficinianischen Perspektive (die himmlische Heimat der Seele als Jenseits) verstanden werden. Die intelligible Welt stellt für B. die intellektuelle gegenüber der körperlichen Sphäre dar. Vgl. zum zweifachen Horizont der Seele, auch in bezug auf den Liber de causis, oben, Anm. A 93. Vgl. zum Begriff der ›fremden‹ Vernunft/Seele (intelletto peregrino/animo peregrino) des Menschen Furori, I, 4, S. 142 f. u. II, 4, S. 362 f. 42  Quel dio che scut’il folgore sonoro … Apollo un corvo furno: Vgl. zu den im Sonett behandelten Metamorphosen Ovid: Metamorphoses, VI, 103–126 (vgl. auch I, 674–677; II, 848–852; V, 331). Der Name »Dolida« im sechsten Vers des Sonetts steht für »Deoida« (Metamorphoses, VI, 114; vgl. Spaccio, BSP, S. 38: »Dolide«) und bezieht sich auf Proserpina, Tochter der Ceres. Unter Rückgriff auf Ovid evoziert B. im ersten Teil des Sonetts die verschiedenen Verwandlungen Jupiters, um den Gegenstand seiner Liebe zu besitzen. Das Thema der Metamorphosen Jupiters und der anderen Götter verbindet die Furori mit dem Spaccio: Die Metamorphose ist eine Strategie, die von der Art zur Selbsterhaltung angewandt wird; man siehe dazu folgende Stelle aus dem Spaccio: »bisognava che gli dèi si trasformassero in bestie […] non si può mantener superiore, chi non si sa far bestia« (BSP, S. 63; BW V, S. 87: »Denn die Götter mußten sich in Tiere verwandeln […] wer nicht zum Tier wird, nicht die Oberhand behalten kann«). Im Sonett werden zwei »Arten der Verwandlung« dargestellt: 1. die Metamorphose von Gottheiten, die sich in niedere Wesen, d. h. Tiere verwandeln; 2. die Metamorphose des Leidenschaftlichen, der sich vom gemeinen Menschen in ein heroisch-intellektuelles Subjekt verwandelt. Die Metamorphosen finden folglich in ein und demselben Kreislauf statt, ein »Kreislauf von Auf- und Abstieg«, der die Seelen und selbst die Vernunftwesen betrifft (die bei B. als Stufen derselben Substanz aufgefaßt werden: s. zum Begriff der »drei Stufen der vernunftbegabten Wesen« Furori, I, S. 148 f.). Ein Kreislauf, der »diese Umkehr und diesen Wechsel« aller Dinge im Universum mit sich bringt, weshalb B. von einem »wechselnden Kreislauf« (Furori, I, 4, S. 158 f.) spricht. Wie bereits zu sehen war, wird das Thema, das heikle Probleme bezüglich der Natur und der Bestimmung der Seele des Menschen betrifft, in der Darlegung mit Bezug auf den enigmatischen Schlußdialog berührt (vgl. ebd., S. 32 ff. sowie oben, Anm. A 96), doch handelt es sich im Grunde um das Leitmotiv des Werks (vgl. Furori, I, 4, S. 148–159). Vgl. zum Kreislauf von Auf- und Abstieg der Seelen Origenes: De principiis, I, 8, 4, auch im Zusammenhang mit der von Origenes zurückgewiesenen Theorie der Körperwanderung. Vgl. hierzu Ficino: Theologia Platonica, Buch XVII, Kap. III, in: TP III, S. 158–165. 43  vogliono i Pitagorici e Platonici … a certi tempi: Vgl. Platon: Phaidros, 248a–249b (doch sind hierzu auch andere Texte Platons wie Phaidon und Politeia heranzuziehen). Vgl. Darlegung, S. 32 f. u. oben, Anm. A 98; A 99; A 100.

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44  l’anima … a certo minor bene: Vgl. Plotin: Enneades, IV, 3, 13; Ficino: In Enneades, IV, 3, 12, in: ders.: Opera omnia, II, S. 1738. In der vierten Abhand-

lung (8,5) der Enneaden, die aus der Jugend Plotins stammt und von den Auffassungen Numenius’ beeinflußt ist, nimmt Plotin im Hinblick auf den Abstieg der Seele eine andere Haltung ein, wobei er mit Nachdruck auf den bewußten Akt der Wahl und den Begriff einer Sünde der Seele eingeht, eine Auffassung, die dann von den Kirchenvätern entwickelt wird. Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch XVII, Kap. III, wo man liest: »Meminisse vero oportet, quod quemadmodum docet liber De Republica decimus, animae fato descendunt, id est quod generationem appetant et tali quodam appetant tempore, ex naturali instinctu provenit ordini universi coniuncto, sed arbitrio talem vitam eligunt aut talem« (TP III, S. 162). 45  Nella qual generazione ritrovandosi … gli abiti superiori: Vgl. Plotin: Enneades, IV, 3, 12 u. 13; s. auch den bereits zitierten Kommentar Ficinos: In Enneades, IV, 3, 12, in: ders.: Opera omnia, II, S. 1738. 46  Sì che vogliono costoro che l’anime … concorreno in uno: Vgl. Plotin: Enneades, IV, 3, 15 u. 16; Ficino: In Enneades, IV, 3, 15 u. 16, in: ders.: Opera omnia, II, S. 1738. 47  come riferisce Plotino … certe anime … rifuggono alla mente: Vgl. Plotin: Enneades, IV, 3, 17; siehe auch den abschließenden Teil von IV, 4, 5 hinsichtlich der Überlegung: »bevor sich der Körper um sie herum schließt«. Die von B. in diesen Seiten mit Verweis auf Plotin und Ficino diskutierten Themen gehen auf diverse platonische Dialoge zurück: Phaidros, Phaidon, Politeia, aber auch Theaitetos. 48  l’imaginazion l’abbassa alle cose inferiori: Vgl. Plotin: Enneades, IV, 4, 4. 49  In mezzo è la facultà razionale … l’inferiore col superiore: Vgl. Plotin: Enneades, IV, 3, 19; s. auch IV, 4, 3 sowie den Kommentar Ficinos, in: ders.: Opera omnia, II, S. 1740. Vgl. zur Idee der vernünftigen Seele in einer Mittelposition – eine Auffassung, wie sie auch hinsichtlich der Weltseele für den Platonismus charakteristisch ist – Ficino: Theologia Platonica, Buch I, Kap. I u. Buch III, Kap. II sowie Buch XVIII, Kap. VII: TP I, S. 38 f. u. 137–143; TP III, S. 199 f. Vgl. zu diesen Seiten der Furori, aber auch für eine Klarstellung bezüglich der Verweise auf die platonische Tradition Immenso: OL I/1, S. 202– 206 (B. greift auf Motive der platonischen Tradition zurück, um etwas anderes zu sagen, so wie er es auch mit den hermetischen Texten macht). 50  è figurata nella ruota delle metamorfosi: Es handelt sich um das Rad der Zeit; vgl. oben, Anm. A 89 u. oben, Anm. 42. 51  questa conversione si mostra … in forme basse et aliene: Vom Sonett auf S. 113 f. führt eine direkte Verbindungslinie zum Text des Spaccio de la bestia trionfante.



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52  con l’ali … mi cangio in Dio da cosa inferiore: Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch XIV, Kap. I u. III: TP II, S. 248 f. u. 258 f. Vgl. zum Thema der Ähnlichkeit mit Gott bei Platon: Theaitetos, 176b u. Phaidros, 248a. S. oben, Anm. A 80 u. A 83. Vgl. außerdem Aristoteles: Nikomachische Ethik, VII, 1145a15 ff. u. X, 1177a12–1178a8.

Dialogo quarto / Vierter Dialog 1  Dialogo quarto: Vgl. oben, Anm. A 83; A 84; A 85. Im Dialog liegen ins-

gesamt sieben Artikel/Primärsonette vor (S. 118 f., 124 f., 126 f., 133–135, 140 f., 144–147, 154–157). 2  il discorso de l’amor eroico … e l’eroico intelletto … il primo vero: Die Überlegung betrifft den Intellekt und den vernünftigen Willen mit ihren jeweiligen Gegenständen, primum verum und summum bonum. Wie bereits erwähnt, hängen der dritte und vierte Dialog des ersten Teils eng miteinander zusammen (vgl. außer den angeführten Anmerkungen zur Darlegung, die den vorliegenden Dialog betreffen, auch oben, Anm. A 80). 3  Alle selve i mastini e i veltri slaccia … con morsi crudi e fieri: Der Artikel führt die Aktäon-Thematik ein – die Fabel vom Jäger, der von Diana in einen Hirsch verwandelt wird –, wohl das bekannteste Thema der Eroici furori. B. bezieht sich außer im vorliegenden Dialog auch im zweiten Dialog des zweiten Teils der Furori auf Aktäon (S. 314–319). Die mittelalterliche Kultur hat sich in der Folge Ovids (Metamorphoses, III, 138–252) verschiedentlich auf den Mythos bezogen (auch Petrarcas Canzoniere greift ihn auf: Canzoniere, 23, Vers 147–160, u. 52). Die weitere Verbreitung des Mythos ist jedoch mit der literarischen Kultur und der bildenden Kunst der Renaissance verknüpft. Er wird z. B. in der im 16. Jahrhundert mehrfach aufgelegten Oktavdichtung Caccia de amore aufgegriffen, ein Text, den B. aller Wahrscheinlichkeit nach gekannt hat und der Ägidius von Viterbo zugeschrieben wurde (ein Bezug auf Aktäon findet sich auch in der Cecaria Marc’Antonio Epicuros: vgl. ders.: I drammi e le poesie italiane e latine (1942), S. 16). B. geht im wesentlichen auf Ovid zurück. Während im Mythos die Verwandlung des Jägers die Sühne dafür darstellt, die Göttin nackt gesehen zu haben, ist sie dagegen in der Interpretation B.s der Lohn dafür, »die bedeckte und verschleierte Natur entblößt« zu haben (Cena: F, S. 92; U I, S. 454). Die Verwandlung des erkennenden Subjekts entspricht einer ›Reformation‹ von Verstand und Willen dergestalt, daß sie ins rechte Licht rückt, was für den Menschen der tatsächliche Gegenstand einer Suche nach dem primum verum und dem summum bonum sein kann (vgl. zur brunianischen Interpretation die in den beiden voranste-

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henden Anm. zum vorliegenden Dialog angeführten Anmerkungen zur Darlegung sowie oben, Anm. A 92). Allgemeiner handelt es sich für B. darum – wie bereits oben, Anm. 2 zum Titelblatt angemerkt  –, einen neuen, dionysischen, nicht apollinischen Begriff der Weisheit als Suche zu bestimmen, der die Dimension der ›Gegensätzlichkeit‹ und des furore nicht ausschließt. 4  gli drizz’il dubio et incauto camino: Vgl. Ovid: Metamorphoses, III, 175. 5  I’ allargo i miei pensieri … con morsi crudi e fieri: Das Motiv der »Hunde des Aktaion« als Gedanken liegt bereits in den Asolani Pietro Bembos vor; vgl. Gli Asolani (1991), S. 148: »a guisa d’Atteone, e suoi pensieri medesimi, quasi suoi veltri« (»auf Art des Aktäon und seiner Gedanken selbst, gleichsam seiner Windhunde«). Auch in der erwähnten Caccia de amore (1535), die Ägidius von Viterbo zugeschrieben wurde, ist von den Windhunden Aktäons als »pensier veloci e intenti« / »geschwinden und aufmerksamen Gedanken« die Rede. B., der sowohl auf das Verstandes- als auch auf das Willensvermögen eingeht, spricht von Wind- und Bluthunden. 6  nel dubio camino … designato nel carattere di Pitagora: Der ›Buchstabe‹ (carattere) ist der Buchstabe Y. In diesem Zusammenhang schreibt Isidor von Sevilla: »Der Buchstabe Y wurde von Pythagoras von Samos nach Maßgabe des menschlichen Lebens geschöpft: Der untere Strich dieses Buchstabens ist die Kindheit, natürlich unsicher und noch nicht dem Laster oder der Tugend anheim gegeben; die Kreuzung, die man im oberen Teil findet, beginnt mit der Jugend; der rechte Pfad ist steil und schwierig, führt jedoch zum Leben der Seligen; der linke Pfad bietet einen einfacheren Verlauf, führt jedoch zum Ruin und zum Tode« (Etymologiae, I, 3, 7); s. Umbris: OMNE I, S. 4 f. Vgl. Reuchlin: De arte cabalistica (1964), S. 176. 7  le specie intelligibili de concetti ideali: Vgl. oben, Anm. A 90. 8  l’acqui superiori et inferiori, che son sotto e sopra il firmamento: Vgl. Gen 1,6–7. Es handelt sich um das Thema, das B. in Gegenstand und Allegorie in bezug auf den Schlußdialog der Furori hervorhebt, wobei er auf unterschiedliche Quellen von Origenes bis Giovanni Pico zurückgreift (vgl. oben, Anm. A 96). Die höheren und niederen Gewässer stellen die »Materie der höheren und der niederen Dinge« dar (Causa: BW III, S. 208). B. zufolge gibt es dank dem Wechsel eine Gleichstellung der höheren und niederen Gewässer, d. h. der ontologischen Realität unseres Gestirns (der Erde) und der ontologischen Realität der anderen unendlichen Gestirne des Universums. Noch radikaler, es existiert eine Gleichstellung des Reichs Okeanos’ (das physikalische Universum als unendliche Vielheit der Welten, d. h. die Sphäre der Diana, der unendlichen Natur) und des Reichs Jupiters (das All-Eine aus De la causa als unendliche metaphysische Substanz, d. h. die Sphäre Apollos). Darüber hin-



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aus existiere eine Gleichstellung der unendlichen Erden – d. h. der Planeten, die B. auch ›Acque‹ nennt – und der Sonnen, d. h. der Gestirne/Feuer, die sich im Zentrum eines jeden Planetensystems befinden.  9  vede il più bel busto e faccia: Vgl. Ex 33,20–23. 10  Vedde il gran cacciator … comprese quanto è possibile: Vgl., was B. weiter unten im Dialog (S. 128 f.) schreibt: »jenes Ganze, das sie besitzt, ein bemessenes Ding ist […]; denn es ist nicht das All, nicht das absolute Sein, sondern darauf zusammengezogen, diese bestimmte Natur […] zu sein« – mit dem folgenden Passus aus dem zweiten Dialog des zweiten Teils (S. 316 f.): »Er [Aktaion] sieht Amphitrite, die Quelle aller Zahlen […]: sie ist die Monade […]. Und wenn er sie auch nicht in ihrer Wesenheit und im absoluten Licht sieht, so sieht er sie in dem, was sie hervorbringt, das ihr ähnlich, das ihr Abbild ist. Denn aus der Monade, die die Gottheit ist, entsteht diese Monade, die die Natur, das Universum, die Welt ist«. Aktäon sieht das Universum in einem Gestirn: der Erde, die »sustanza nella parte«, wie B. in De la causa schreibt (BW III, S. 240); mit den Augen des Geistes kann er Diana jedoch nicht nur als natura naturata, sondern auch als natura naturans sehen, »jenes Eine, welches das Seiende selbst ist« (Furori, II, 2, S. 316 f.). Vgl. auch Furori, I, 3, S. 108 f. 11  per l’operazion de l’intelletto … converte le cose apprese in sé: Vgl. Theologia Platonica, Buch XIV, Kap. II, in: TP II, S. 258 f. Vgl. oben, Anm. A 85; außerdem Furori, I, 3, S. 104–107. Was den darauffolgenden Text betrifft (Furori, I, 4, S. 122), stehen die runden Klammern, die den Passus umschließen: »(Cicada Intendo … Tansillo)«, im Originaldruck (vgl. OI IV, S. [1330]). B. gibt auf diese Weise zu verstehen, daß die Rede Tansillos weitergeht. In der Ausg. DI, S. 1007 f. sind die Klammern, in Anlehnung an die Ausg. Adolf Wagners der Opere di Giordano Bruno, Bd. II, Leipzig 1830, S. 340, gestrichen. 12  perché son ricevute a modo de chi le riceve: Der Satz bezieht sich auf das scholastische Diktum: Quid recipitur modo recipientis recipitur. Vgl. Auctoritates Aristotelis (1974), Nr. 12, S. 232; Liber de causis, prop. 10 (vgl. Thomas von Aquin: Super librum De causis expositio, lectio 10). 13  per l’operazion de la voluntade … si converte nell’oggetto: Vgl. Theologia Platonica, Buch XIV, Kap. II, in: TP II, S. 258 f. S. oben, Anm. A 85 u. Anm. 20 zum zweiten Dialog; vgl. auch Furori, I, 3, S. 104–107. 14  Sai bene che l’intelletto … e la volontà … sono in sé: Vgl. Thomas von Aquin: Summa theologiae, I, q. 82, art. 3; wie zu sehen war, findet sich derselbe Begriff bei Ficino (vgl. oben, Anm. A 85 ein Zitat aus Theologia Platonica). 15  avendola contratta in sé … fuor di sé la divinità: Die Gottheit ist nicht ›außer ihrer selbst‹, so wie sie nicht ›außerhalb des Universums‹ ist. Vgl. zur Idee der Gottheit »in uns« oben, Anm. A 83.

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16  ben si dice il regno de Dio esser in noi: Vgl. Lk 17,21. 17  Atteone … è rinovato a procedere divinamente: Vgl. 2 Kor 4,16; Ficino: Theologia Platonica, Buch XVIII, Kap. VIII, in: TP II, S. 205. 18  da quel ch’era un uom volgare … dovien raro ed eroico … vive vita de dèi:

B. bezieht sich im wesentlichen immer auf Aristoteles: Nikomachische Ethik, VII, 1145a15 ff. u. X, 1177a12–1178a8 und auf Aristoteliker wie Alexander von Aphrodisias und Averroës. 19  Mio pàssar solitario: Vgl. Ps 101,8. Das Sonett befindet sich mit einigen Varianten zu Beginn von De l’infinito: BW IV, S. 44 ff. Das biblische Bild ist auch bei Petrarca anzutreffen: Canzoniere, 226: »Passer mai solitario in alcun tetto / non fu quant’io« (»Kein Sperling war auf irgendeinem Dache / so einsam je wie ich«: Canzoniere (1989), S. 605). Vgl. oben, Anm. A 85. 20  là su vogli allevarte gli tuoi vaghi pulcini: Vgl. Ps 83. 21  quelle potenze de l’anima significate da Platonici per le due ali: Vgl. Phaidros, 246a–d. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß B., wie vor ihm Ficino, die Flügel der rätselhaften platonischen Metapher des Wagenlenkers als Verstand und Wille intepretiert. S. oben, Anm. A 41. 22  per guida quel dio … cioè l’amore: Vgl. zu unterschiedlichen ›Bildern‹ des Eros Alciato: Il libro degli emblemi (2009), Embleme LXII, LXIII, LXXVI, XCVII, S. 385 ff., 495 ff. 23  Lasciato m’hai, cuor mio, / e lume d’occhi miei non sei più meco: »jener andere Dichter« ist Petrarca; die Präzisierung B.s, »ohne daß es unpassend wäre«, ist bezeichnend. Vgl. Canzoniere, 276; Ps 37,11. 24  da Cabalisti è chiamata »morte di bacio«: S. Zohar, II, 124b; vgl. Pico della Mirandola: Commento sopra una canzona de amore, in: ders.: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 558; Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 169 u. 185. S. Vinculis, OL III, S. 698 f. Vgl. auch Zorzi: De harmonia mundi (2010), S. 860, 2202, 2204; ders.: L’elegante poema & Commento sopra il Poema (1991), S. 149; Camillo: L’idea del theatro (1991), S. 158–160. Vgl. Wind: Heidnische Mysterien in der Renaissance (1987), Kap. 10; Fishbane: The Kiss of God. Spiritual and Mystical Death in Judaism (1996). S. oben, Anm. A 83. 25  che mi bacie col bacio … crudo amor mi fa languire: Vgl. Hld 1,2 u. 2,4 f. S. oben, Anm. A 83. 26  S’avverrà, ch’io dia sonno … pacifico riposo: Vgl. Ps 131,4–5. 27  l’alma … viva ne l’oggetto: Vgl. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 41 f. 28  non è l’ente absoluto … ma contratto ad esser questa natura: In bezug auf diese und weitere Präzisierungen, die die Unterscheidung zwischen Gott und Natur betreffen, setzt sich B. in den Furori und anderen Schriften mit Cusanus und dessen Unterscheidung zwischen der Unendlichkeit Gottes und



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der Unendlichkeit der Natur auseinander; vgl. vor allem Buch II von De docta ignorantia. Aufgrund dessen, was zuvor angemerkt wurde, ist die implizite Gleichstellung von universo und ente absoluto bei B. hervorzuheben; man muß natürlich die Unterscheidung zwischen ›Universum‹ auf der Ebene der implicatio und ›Universum‹ auf der Ebene der explicatio berücksichtigen. Theoretischer Schlüsselpunkt bleibt der fünfte Dialog von De la causa mit der Idee des All-Einen, auch wenn B. in einigen lateinischen Schriften auf dieses Thema zurückkommt, z. B. in der Lampas und der Praxis descensus der Summa, wobei er sich auf seine Weise mit den verschiedenen theologischen Auffassungen auseinandersetzt. 29  dal bello compreso … non ha margine e circoscrizzione alcuna: Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch XIV, Kap. II, in: TP II, S. 250 f. S. oben, Anm. 10. 30  non è cosa naturale … infinitamente perseguitato: Vgl. Ficino: De raptu Pauli, in: Prosatori latini del Quattrocento (1952), S. 958 f. 31  quel centro infinito in quale non è formato né forma: Vgl. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 26–29 u. Theologia Platonica, Buch XVIII, Kap. III, in: TP III, S. 190 f. S. auch Plotin: Enneades, VI, 9, 3–8. In den Furori greift B. das Problem des unendlichen ›Strebens‹ von Verstand und Willen – »Daher ist der Akt des Willens, der auf das Gute bezogen ist, ebensowenig begrenzt wie der Akt der Erkenntnis, der sich auf das Wahre bezieht» (Darlegung, S. 26 f.) – im Zusammenhang mit dem Begriff eines göttlichen Wesens als unendlichem Mittelpunkt/Umfang auf, einem Thema, mit dem er sich in De la causa und De l’infinito auseinandersetzt. Vgl. einige Hinweise oben, Anm. A 85. 32  Intende una similitudine … si dice crudele: D. h. der Gegenstand der Liebe. Vgl. Furori, I, 5, S. 188 f.: »Ebenso mein Stern, / der sich mir stets entzieht und je sich hingibt, / der stets so sehr verbrennt und so sehr strahlt, / stets so grausam und so schön ist« (vgl. auch ebd., S. 190 f.). 33  Qua descrive la natural sollecitudine … contratta con la materia: Ein platonisches und plotinisches Thema, doch berücksichtigt B., wie schon erwähnt, auch den Liber de causis (vgl. für den Verweis auf Satz 2 des Werkes oben, Anm. A 93). 34  Ogni amore procede dal vedere: Vgl. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 133. Vgl. auch Pico della Mirandola: Commento sopra una canzona de amore, in: ders.: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 527–531; Furori, II, 1, S. 284 f. u. II, 3, S. 340 f. Die Idee, daß die Liebe aus dem Sehen hervorgehe, wird von B. im Verhältnis zum ›Primat‹ des Intellekts (Erkenntnis) gegenüber dem Willen (Begehren) entwickelt, auch wenn B. deren »Konvergieren« betont. Vgl. oben, Anm. A 93. 35  non meno desideramo vedere … non desideriamo cose incognite: Vgl.

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Darlegung, S. 26–29, u. oben, Anm. A 93. Vgl. auch Vinculis: OL III, S. 668, 681. 36  Eccomi misera priva del core, abandonata da gli pensieri: Das Thema der »Klage der Mutter» spiegelt B.s Kritik eines platonisch-christlichen Asketentums wider, das sich bis zur ›Weltverachtung‹ erstreckt (vgl. zu S. 140–145 Darlegung, S. 6–9). In der »Klage« der Seele kommt gleichfalls die Distanz B.s zur Konzeption der Aristoteliker – Alexandrinisten und Averroisten – eines ›getrennten‹ Intellekts zum Ausdruck. 37  pane intellettuale … pane immateriale e divino: Vgl. den Hinweis auf die Seelen›nahrung‹ in: Furori, II, 2, S. 310 f.; s. in diesem Zusammenhang den Beginn der Lampas triginta statuarum: »Animae veritatem esse cibum, utpote quae in eius substantiam, veluti proprium nutrimentum, transmutabilis est, [esse] constat« (OM, S. 928). 38  per mezzo del spirito l’anima è unita al corpo: Vgl. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 123. 39  dove l’intelletto è più peregrino e straniero: Vgl. oben, Anm. 41 zum dritten Dialog. 40  Sdegnarà il ciel … caro non tiene: Tansillo: Il vendemmiatore, Stanza XX, in: ders.: L’egloga e i poemetti (1893), S. 60. 41  Vogliono gli Platonici che l’anima … alli divini gradi: Vgl. zum gesamten Abschnitt Plotin: Enneades, IV, 8, 4, sowie Ficino: In Enneades, IV, 8, 4, in: ders.: Opera omnia, II, S. 1755; Liber de causis, prop. 2, sowie den Kommentar von Thomas von Aquin (vgl. Super librum De causis expositio, lectio 2); Pico della Mirandola: Commento sopra una canzona de amore (1942), S. 527–531. Vgl. zur Konzeption der Seele als »medius rerum gradus« Ficino: Theologia Platonica, Buch I, Kap. I u. Buch III, Kap. II, in: TP II, S. 39, 137–143. Vgl. die Reflexionen zur deificatio bei Reuchlin: De arte cabalistica (1964), S. 115 ff.; auf S. 116 liest man: »Haecilla est quae paulo ante a nobis vocabatur deificatio, cum ab obiecto praesente per medium suum exterior sensus transit in sensionem interiorem, et illa in imaginationem, et imaginatio in existimationem, et existimatio in rationem, et ratio in intellectum, et intellectus in mentem, et mens in lucem, quae illuminat hominem, et illud natum in se corripit«. B. schreibt: »Come quando il senso monta all’imaginazione, l’imaginazione alla raggione, la raggione a l’intelletto, l’intelletto a la mente, all’ora l’anima tutta si converte in Dio, et abita il mondo intelligibile« (Furori, I, 4, S. 146). 42  perché l’affetto séguita la raggion della specie: Vgl. Spaccio: BSP, S. 41; BW V, S. 57 u. Cabala: BW VI, S. 129. 43  Cossì un certo Teologo … desiderava la dissoluzione dal suo corpo: Vgl. 1 Kor 12,2–4 u. Phil 1,23. 44  natio albergo: Vgl. oben, Anm. 41 zum dritten Dialog.



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45  quella dottrina … doi progressi d’ascenso e descenso: Vgl. Darlegung, S. 32 ff. sowie oben, Anm. A 96 u. A 100. Vgl. auch oben, Anm. 42 zum dritten

Dialog. 46  l’universo … immobile et inanimato et informe: Vgl. Causa: BW III, S. 227–229: »Das Universum ist also Eines, unendlich, unbeweglich. […] Es ist keine Form, weil es anderes weder formt noch gestaltet […] es ist […] so sehr Seele, daß es nicht Seele ist. Denn es ist Alles auf ununterschiedene Weise, und deswegen ist es Eines, das Universum ist Eines«. 47  essi mondi … ordinario e medesimo essere: Vgl. Platon: Timaios, 41a–b. 48  secondo gli ordini de diverse vite … gli Pitagorici, Saduchimi et altri: Vgl. Cabala: BW VI, S. 77, 85 u. Minimo: OL I/3, S. 143. S. Darlegung, S. 32 f. (vgl. oben, Anm. A 102). Vgl. zu B.s Einstellung zur Seelenwanderung Spaccio: BSP, S. 15–17; BW V, S. 21 f. (für weitere Hinweise Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno. Percorsi della filosofia di Giordano Bruno (2003), S. 191–193). Während des Prozesses in Venedig erklärt B. im vierten Verhör (2. Juni 1592) unter Rückgriff auf seine Worte im Spaccio: »Ich habe unter Beobachtung der philosophischen Gründe wohl geschlossen, daß die Seele, da sie ohne Körper besteht und nicht im Körper existiert, auf dieselbe Weise, auf die sie in einem Körper ist, auch in einem anderen sein und von einem Körper zum anderen übergehen kann: Auch wenn dies nicht wahr sein sollte, scheint die Ansicht des Pythagoras zumindest wahrscheinlich zu sein« (Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 14, S. 176 f.). Vgl. dazu Ficino: Theologia Platonica, Buch XVII, Kap. III, in: TP III, S. 158–165; Pico: Heptaplus, in: ders.: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 280; Reuchlin: De arte cabalistica (1964), S. 177 ff.; Zwingli: Sermonis de providentia Dei anamnema (1983) S. 95–97; Curione: Araneus, seu de providentia Dei (2015), S. 504–507. 49  l’amore che ha unito insieme … un contrario è diviso da l’altro: Vgl. zur Idee der Liebe als »ewiges Band und Fessel der Welt« Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 54; auch Leone Ebreo schreibt: »Die Liebe ist ein belebender Geist, der die ganze Welt durchdringt, und er ist ein Band, das das gesamte Universum vereint« (Dialoghi d’amore (2008), S. 159). 50  vicissitudinale circolazione che si vede ne la vertigine de la sua ruota: Ein »Rad der Verwandlungen«, ein »Rad der Zeit«; vgl. oben, Anm. A 89 u. Anm. 42 zum dritten Dialog.

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Dialogo quinto / Fünfter Dialog 1  Dialogo quinto: Vgl. oben, Anm. A 86. In diesem Dialog stellt B. fünf-

zehn der insgesamt achtundzwanzig Impresen der Furori vor (weitere zwölf befinden sich im ersten Dialog des zweiten Teils, während die letzte im zweiten Dialog des zweiten Teils untersucht wird; vgl. oben, Anm. A 13). Der fünfte Dialog weist fünfzehn Artikel auf, die den fünfzehn Impresen mit den lateinischen Sinnsprüchen entsprechen; die Sonette sind allerdings sechzehn, da der letzte Artikel zwei Sonette aufweist (S. 224 f.). Da es sich um eine allegorisch-metaphorische Ebene handelt, beruft B. sich zu einigen Themen der Impresen auch auf die ptolemäische Astronomie, auf die Astrologie und auf andere Anschauungen, die er in den Werken Cena, De la causa und De l’infinito verwirft; vgl. dazu oben, Anm. A 89. 2  Fate pur ch’io veda … Vedi come portano l’insegne de gli suoi affetti o fortune: Hier ist die Thematik des Sehens hervorzuheben. Cicada fordert Tansillo auf, die Impresen zu erläutern: Letztere erklären Bedingungen und Aspekte – Geschicke, Gefühle – der heroischen Leidenschaften, als wenn es Impresen von Persönlichkeiten/Edelleuten seien, die sich auf einer Bühne abwechseln (gleichwie die Personifizierungen von Tugend und Laster im Spaccio de la bestia trionfante). Tatsächlich handelt es sich um eine Miliz von Masken ein und desselben heroischen Leidenschaftlichen. Auch wenn die Impresen in der Originalausgabe der Furori keine Illustrationen aufweisen, werden sie von B. so genau beschrieben, als ob sie gezeichnet wären. Die Zeichnungen der achtundzwanzig Impresen liegen jedoch in der zweiten Ausgabe der von Ludwig Kuhlenbeck herausgegebenen Eroici furori / Zwiegespräche vom Helden und Schwärmer (1907), S. 92 ff. vor (Bd. 5 der insgesamt sechs Bände der von Kuhlenbeck herausgegebenen Gesammelten Werke B.s, die bei Eugen Diederichs erschienen). Die Zeichnungen, die die 28 Impresen illustrieren, sind Fritz Helmuth Ehmcke zuzuschreiben; s. oben, Editorische Notiz, S. 404 f., u. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, unten, S. 623 ff. Vgl. zu den Impresen der Furori vor allem die in der Bibliographie angeführten Beiträge von: Yates (1943), Memmo (1964), Clucas (1992), Maggi (2000 e 2007), Mansueto (2002), Rowland (2013). 3  basta che stiamo su la significazion … dechiarazion de l’impresa: Die beiden Schriftformen, von denen im Passus die Rede ist, sind das Motto bzw. das Sonett (es sei daran erinnert, daß das Motto die »Form des Bildkörpers« darstellt, d. h. die Seele, während die Figur der Körper ist, wie Paolo Giovio erläutert; vgl. oben, Anm. A 13; vgl. auch Contile: Ragionamento sopra la proprietà delle imprese (1574), Bl. 29v–30r). »Significazion« (Bedeutung) und »intelligenza« (Verständnis) beziehen sich natürlich auf die Erklärung der Impresen.



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4  At regna senserunt tria: »Doch drei Reiche haben sie wahrgenommen«;

vgl. Seneca: Hercules Oetaeus, 1164: »ego quem deorum regna senserunt tria«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 5. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 837 f.; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. XLII. 5  congenea sfera: Nämlich die Sphäre des Feuers. 6  Idem semper ubique totum: »Dasselbe immer überall ganz«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 6. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 838 f.; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. XLIII. 7  Mutuo fulcimur: »Wir unterstützen uns gegenseitig«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 7. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 839; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. XLIV. Dies ist die erste Imprese der Furori, in der die Figur des ›Knaben‹ vorkommt, die dann auch in anderen Impresen des Werks auftaucht und das menschliche Individuum darstellt, das der Unerbittlichkeit der alles verschlingenden Zeit und den Ungewißheiten des Schicksals ausgesetzt ist. Hier und an anderer Stelle des Textes scheint B. einen pessimistischen Blick einzunehmen, wie er einem dichterischen Fühlen eignet, das über die Zerbrechlichkeit des Menschen nachdenkt. Man muß jedoch die Perspektive des befreienden Wechsels als Antwort auf die Unabwendbarkeit eines Schicksals berücksichtigen, es handele sich um eine Erlösung oder um eine Verdammnis, die im Hinblick auf die Ethik beide ewig sind. Die grundlegende Perspektive der Furori steht in engem Zusammenhang mit derjenigen von De l’infinito und Spaccio, und es wäre ein Irrtum, hier wie Felice Tocco an »gegensätzliche Wege« der ethischen Reflexion bei B. denken zu wollen; vgl. Tocco: Le opere latine di Giordano Bruno esposte e confrontate con le italiane, (1889), S. 393 ff. Dank der Macht des Denkens, d. h. einer geistigen Liebe, unterstützen sich Liebender und Geliebte in der Imprese Mutuo fulcimur gegenseitig (das ist die Fessel des Eros, der »vinculum vinculorum« ist: OL III, S. 697). Die anscheinend pessimistischen Passagen spielen in den Furori eine wichtige Rolle, indem sie unterstreichen, daß die menschliche Suche nach einem allgemeinen Guten und Wahren immer eine individuelle ist, die jeweils dem einzelnen Menschen zukommt. Darin äußert sich ein wesent­ liches Merkmal der brunianischen Reflexion über den Zusammenhang zwischen Erkenntnis und Ethik: B. zufolge gibt es keinerlei von einer Wahl oder einem Fall des Menschen diktierte Gewißheit, folglich gibt es keinen göttlichen Plan (der auch im Horizont des deutschen Idealismus zuweilen hinsichtlich der brunianischen Konzeption herangezogen wird). Die Philosophie B.s führt weder zu einem arroganten noch zu einem kraftlosen Rationalismus,

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der vielleicht sogar noch in Theologie oder Religion verankert ist, sollte es sich auch um eine vorgetäuschte Religion wie bei Pomponazzi handeln. B.s Konzeption gemäß stellt die Vernunft des Menschen ein außergewöhnliches Instrument zum Gebrauch sterblicher Individuen dar, die für Weitsichtigkeit und Kurzsichtigkeit anfällig sind, obwohl sie an einem geistigen Vermögen teilhaben, das sich ins Unendliche erstreckt. B. betont in allen seinen Schriften, daß der Mensch das Tier ist, das gerade in der unendlichen Einbildungskraft das Eigentliche seiner Existenz, die ihm eigene Sprache, findet, insofern für den Philosophen aus Nola die Einbildungskraft nichts mit Trug oder Regellosigkeit zu tun hat, sondern das schöpferische Vermögen des menschlichen Geistes ist, das anhand dessen, was durch Vererbung weitergegeben wird, das Neue erarbeitet und ausbaut: sozusagen ein kollektives Gedächtnis ohne Ideologien. Die Einbildungskraft läßt uns wieder aufbauen, was im Laufe der Zeit entstellt oder auch zerstört wurde. Dann erscheinen Zerbrechlichkeit und Ungewißheit als Werte, gerade weil sie den Menschen von den Ideen eines Schicksals, einer Vorherbestimmung und eines göttlichen Plans freimachen. B. läßt hier eine starke Affinität zu der befreienden epikureischen Botschaft erkennen, und er blickt dabei eher in Richtung Epikurs als Lukrez’. 8  voi non sareste in essere se non fusse l’imaginazione … la natura: In seinen Schriften – von De umbris über die Ars memoriae bis zu De imaginum compositione und De vinculis – läßt sich B. angelegen sein, die Macht der Einbildungskraft zu betonen, die aus den Sinnen, dem Begehren und dem Glauben erwächst. Die Macht der Einbildungskraft und des Glaubens ist so groß, daß für den Einzelnen sowie für eine Gemeinschaft von Individuen das Irrationale zur Realität wird. Vgl. unter den verschiedenen Texten, auf die man verweisen kann, Vinculis: OM, S. 488.  9  quella mosca … quasi quasi per bruggiarsi: Vgl. Furori, I, 3, S. 96 f. und oben, Anm. 15 zum dritten Dialog. 10  Hostis non hostis: »Feind kein Feind«; vgl. zu dem Motto Erasmus von Rotterdam: Adagia, 2363 (III, 4, 63). S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 8. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 839 f.; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. XLV. 11  Mai fia che dell’amor io mi lamente … vogli’ esser felice: Die beiden Verse werden bereits im zweiten Dialog des ersten Teils zitiert (S. 84 f.). 12  il sapiente si muta con la luna, il stolto si muta come la luna: Vgl. Sir 27,11: »Die Rede des Frommen ist allezeit Weisheit, / der Tor aber wechselt wie der Mond«; Erasmus von Rotterdam: Moriae encomium, 63: »Und der weise Sirach lehrt: ›Der Tor wandelt sich wie der Mond; der Weise bleibt wie die Sonne‹, was anderes deutet er damit an, als daß das ganze Menschenge-



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schlecht töricht ist und Gott allein der Name ›der Weise‹ gebührt?« (Das Lob der Torheit: in: ders.: Ausgewählte Schriften (1995), Bd. 2, S. 181). 13  questo è unico con la fenice unica: Wie bereits erwähnt, taucht das hochsymbolische Bild des Phönix häufig in der Emblem- und Impresentraktatliteratur der Renaissance auf (vgl. oben, Anm. A 86). S. vor allem die Imprese VI im vorliegenden Dialog (S. 178–183; vgl. auch S. 194 f.) sowie die Imprese III im ersten Dialog des zweiten Teils (S. 242–249). 14  che significa quella frasca di palma: Seit der Antike war die Palme Symbol des Sieges und der Unsterblichkeit. Vgl. das Motto Palmam ferre bei Erasmus: Adagia, 204 (I, 3, 4); vgl. Alciato: Il libro degli emblemi (2009), Emblem XXIV, S. 153–159, und die entsprechenden Anmerkungen für weitere Verweise. Was den Zusammenhang mit Caesar im Sinnspruch und im Sonett B.s betrifft, vgl. auch Capaccio: Delle Imprese trattato … in tre libri diviso (1592), Buch II, Bl. 4r sowie Bl. 99r zum Zusammenhang zwischen Palme und ­Phönix. 15  Caesar adest: »Caesar ist zugegen«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 9. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 840 f.; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. XLVI, u. Anm. 73 zu S. 372 f. desselben Bandes. 16  Trionfator invitto di Farsaglia … vinser suoi nemici altieri: Vgl. Lukan: Bellum civile (Pharsalia), VII, 539 ff. 17  le potenze de l’anima inferiori … contra il peregrino adversario: Vgl. oben, Anm. A 84; zum Begriff des ›fremden‹ Verstandes oben, Anm. 40 zum dritten Dialog. 18  Plotino nel libro Della bellezza intelligibile … con l’affetto de la voluntade: Vgl. Plotin: Enneades, V, 8. Allerdings beruft sich B. öfter auf den Kommentar Ficinos: In Enneades, V, 8, in: ders.: Opera omnia, II, S. 1769 als auf den plotinischen Text. 19  La raggion dumque apprende il più vero bello … infigurato: Vgl. Plotin: Enneades, V, 9, 2; Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 81 f., 89. 20  nel geno de le anime … intelletto superiore … bello e da per sé è buono: Vgl. Plotin: Enneades, V, 9, 2. 21  Questo è quell’unico e supremo capitano … vincere ogni violenza: Vgl. Darlegung, S. 22 f., u. Furori, I, 1, S. 52–55; vgl. oben, Anm. A 84. 22  Appresso veggio descritta la fantasia d’una fenice: Vgl. zum Phönix oben, Anm. A 86 und Anm. 13 zum vorliegenden Dialog. Bei B. hat der Phönix so wie der Mond die symbolische Bedeutung des einzigen, spezifisch menschlichen Verstandes, insofern er »intelletto agente et attuante« (»tätige Vernunft oder Vernunft als Akt«) ist (S. 183). Vgl. auch folgende Textsammlung zum Phönixmythos: La fenice: da Claudiano a Tasso (2004).

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23  Fata obstant: »Die Geschicke stehen im Wege«; vgl. Vergil: Aeneis, IV,

440: »fata obstant placidasque viri deus obstruit auris« (»das Fatum steht im Weg, und ein Gott verschließt dem Mann das geneigte Ohr«: Aeneis (2008), S. 199). Vgl. zum Bild des Knaben oben, Anm. 8. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 10. S. zum Vergleich auch Abb. 2, die die Figur bei Paradin: Devises heroïques (21557), S. 161 wiedergibt, die sich auf dasselbe Motto bezieht; der knappe Begleittext dieses Wahlspruchs läßt den Unterschied zur Imprese der Furori erkennen. In der Erstausgabe von Paradins Devises heroïques (Lyon 1551) erscheint diese Figur (wie auch die anderen Figuren des Werks) lediglich mit dem Motto, ohne weiteren Begleittext. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 841 f.; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. XLVII. 24  La differenza ch’è tra … intelletto di potenza … e … intelletto agente et attuante: Vgl. oben, Anm. A 86. Grundlegender Text für die Unterscheidung zwischen dem Verstand als Vermögen – intellectus possibilis – und wirkendem Verstand – intellectus agens – war das berühmte fünfte Kapitel in Buch III des aristotelischen De anima (430a10 ff.), Schlüsseltext der Auseinandersetzung zwischen Alexandristen, Averroisten, Thomisten und anderen über die Unsterblichkeit des Menschen. Auf der Grundlage jenes nicht leicht verständlichen Abschnitts sowie anderer aristotelischer Schriften fragte man sich, in welchem Sinne man von der Unsterblichkeit einer Substanz sprechen könne, die speziell den Menschen, als Individuum und als Art, betrifft. Die Debatte war seit dem Ende des 15. Jahrhunderts und während des ganzen 16. Jahrhunderts äußerst lebhaft; dies auch durch die Auseinandersetzung zwischen Platonikern und Aristotelikern sowie zwischen den gegensätzlichen Auffassungen einer Unsterblichkeit der Individualseele und einer Unsterblichkeit oder Ewigkeit des einzigen Intellekts als von den unzähligen denkenden Einzelpersonen getrennte Substanz. B. weist die Idee eines einzigen möglichen Verstandes für das Menschengeschlecht zurück; er spricht von einer »möglichen oder passiven Vernunft [intelletto possibile o passibile]«, während die beiden Begriffe im Umfeld des Averroismus genau unterschieden waren, wobei der erste (intellectus possibilis) unvergänglich war (»non generabilis neque corruptibilis«, liest man im großen Kommentar des Averroës zu De anima), der zweite oder passive Verstand (intellectus passibilis), der auf das Vermögen der Einbildungskraft verwies, hingegen vergänglich. Im Sinnspruch Fata obstant stellt das Kind in den Flammen den menschlichen Verstand (die Verstandesliebe) in seiner individuellen und vergänglichen Realität dar. B. zufolge kann man dagegen von einem einzigen spezifisch menschlichen Verstand als wirkendem Intellekt sprechen: das Bild des Phönix, der immer wieder aus den Flammen ersteht. Vgl. dazu einige Hinweise in Canone:



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Il dorso e il grembo dell’eterno. Percorsi della filosofia di Giordano Bruno (2003), Kap. II u. III. 25  intelletto unico … al sole che è la prima et universale intelligenza: Unter Berufung auf Averroës und auf »andere scharfsinnigere Peripatetiker« (vgl. die achte Imprese, S. 188–195) vergleicht B. den Verstand des Menschen mit dem Mond. Die erste und universelle Intelligenz (die Sonne) ist hier nicht als mens (»unità assolutissima«), sondern gerade als primus intellectus zu verstehen: vgl. oben, Anm. 12 zum dritten Dialog. 26  Circuit: »Sie bewegt sich im Kreise«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 11; vgl. auch Abb. 3, die sich auf die Imprese Carlo Spinellis in dem Bd. Le imprese illustri von Girolamo Ruscelli bezieht. Vgl. zu dieser Imprese in den Furori Maggi: The Language of the Visible … (2000), S. 129– 132; Otto: Die Augen und das Herz … (2003), S. 23–25; Maggi: ›L’uomo astratto’… (2007), S. 98–100. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 842 f.; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. XLVIII. 27  or è da sapere che quel circuit si referisce al moto del sole che fa per quel circolo, il qual gli vien descritto dentro e fuori: Vgl. oben, Anm. A 85. Es ist wahrscheinlich – worauf Granada hingewiesen hat: U II, S. 616, Anm. 23 –, daß sich B. für die Imprese durch die Figur des Kreisels hat inspirieren lassen, auf die Cusanus sich in De possest bezieht, ein »sinnenfälliges Vorstellungsbild«, das gewissermaßen darstelle, »wie das Ewige alles zugleich und im Jetzt der Ewigkeit das Ganze ist« (vgl. Nikolaus von Kues: Trialogus de possest / Dreiergespräch über das Können-Ist, in: ders.: Philosophisch-theologische Werke (2002), Bd. 3, S. 21–31). Vgl. auch Kap. 23 des ersten Buches von De docta ignorantia, wo Cusanus auf die ›unendliche Sphäre‹ Bezug nimmt: »Er [Gott] ist die größte Ruhe, in der alle Bewegung Ruhe ist. […] darum ist jener, der das Ziel der Bewegung […] ist, die Ruhe der Bewegung« (De docta ignorantia / Die belehrte Unwissenheit, in: ebd., Bd. 1, S. 95). 28  nelli dialoghi De l’infinito … tutti quelli che intendono: Vgl. Infinito: BW IV, S. 81–89; Weish 7,24. 29  per essere la eternità istessa e conseguentemente una possessione insieme tutta e compita: Vgl. Boethius: De consolatione philosophiae, V, 6, 10. 30  Perché l’oggetto, ch’è la divina luce … gli occhi de gli uccelli notturni al sole: Vgl. Aristoteles: Metaphysik, 993a30–b11. S. Furori, I, 1, S. 64 f. sowie oben, Anm. 20 zum ersten Dialog. 31  Talis mihi semper et astro: »Immer so beschaffen mir und dem Gestirn«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 12. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 843; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. XLIX.

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32  l’intelligenza umana significata per la »luna«… sottili Peripatetici: Vgl.

S. 180–183 mit Bezug auf die sechste Imprese. Der intellectus agens des Menschen wurde von Averroës, wie schon von al-Fârâbî und Avicenna, mit der bewegenden Intelligenz des Mondes in Verbindung gesetzt, der »untersten aller Intelligenzen«. Vgl. hierzu Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno. Percorsi della filosofia di Giordano Bruno (2003), S. 103–105. 33  Ut robori robur: »Wie die Stärke zur Eiche«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 13. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 844; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. L. 34  Annosa quercia, che gli rami spandi … l’intelletto: Vgl. Vergil: Aeneis, IV, 441–449; Alciato: Il libro degli emblemi (2009), Emblem LVI, S. 309–312. Das sprichwörtliche Bild der annosa quercia, die auf die annosa quercus bei Plinius u. anderen lateinischen Autoren verweist, kommt in der Dichtung des 16. Jahrhunderts häufig vor; es findet sich z. B. in dem Gedicht Le lagrime di San Pietro Luigi Tansillos sowie in den Rime Remigio Nanninis. 35  È sentenza d’Epicurei … non aver senso di dolore: Vgl. Epikur: Brief an Menoikeus, 128–132 (Diogenes Laertius: Vitae philosophorum, X). Vgl. auch Vinculis, OL III, S. 657. Was folgenden Passus der Furori betrifft: »La volgare opinione non crede questo senso d’Epicuro. […] Perché non leggono gli suoi libri«, nimmt B. hier auf Philosophen (wie z. B. Ficino, ganz zu schweigen von den Doktoren des Mittelalters), aber auch auf Kirchenväter wie Augustin Bezug, der auf Ciceros De finibus basiert (vgl. Confessiones, VI, 16.26). 36  con queste paroli … la considerazione del fine: Vgl. Diogenes Laertius: Vitae philosophorum, X, 22 (aus dem Brief Epikurs an Idomeneus). 37  Qualmente Regolo non ebbe senso de l’arca … a persone ordinarie e vili: Die Beispiele heroischer Gemütsstärke sind Seneca: Ad Lucilium epistolae morales, LXVI, 51 und LXVII, 7 (Caius Mucius Scaevola, Attilius Regulus, Sokrates) und Cicero: De finibus, II, 20, 66 (Lucrezia) entnommen. Vgl. zur Marter des Anaxarchos (die »pila« ist der Mörser) Diogenes Laertius: Vitae philosophorum, IX, 59. Zu Horatius Cocles kann man Petrarca: De viris illustribus, VI, De Horatio Cocle, heranziehen. 38  Ab Aetna: »Vom Aetna«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 14. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 844 f.; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. LI. 39  Or non al monte mio siciliano … che contr’ il ciel s’infiamm’ e stizz’ in vano: Vgl. zum Giganten Typhoeus, auf den Zeus den Ätna geschleudert und ihn so zermalmt haben soll, Ovid: Metamorphoses, V, 346–358. 40  attesoché Dio è vicino, è nosco, è dentro di noi: Vgl. oben, Anm. A 83. 41  sinderesi: D. h. das moralische Bewußtsein; siehe oben, Anm. A 9.



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42  qual dio sia in ciascuno … non potrei credere che possa chiarirlo che l’amore: Vgl. Seneca: Ad Lucilium, XLV, 2; Ficino: El libro dell’amore (1987),

S. 131 f. 43  quel che si trova nel Convito di Platone … senza tetto: Vgl. Platon: Das Gastmahl, 203b–d; Ficino: El libro dell’amore (1987), VI, IX. 44  il qual vien significato da Platone per gli piedi discalzi: Vgl. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 134 f. 45  Pulchriori detur: »Der Schöneren werde gegeben«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 15. Zur Illustration (also weniger zum Motto und um so mehr zu B.s Kommentar) s. Alciato: Il libro degli emblemi (2009), S. 377–383; vgl. Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. LII. Zu den Reflexionen B.s über die Imprese vgl. oben, Anm. A 96. 46  La allusione al fatto delle tre dee che si sottoposero al giudicio de Paride: Vgl. Fulgentius: Mythologiae, II, 1: De iudicio Paridis; Ficino: Epistolarum libri XII, Buch X, in: ders.: Opera omnia, I, S. 919 f. (s. auch Le divine lettere del gran Marsilio Ficino (2001), II, Bl. 156v–157r). Vgl. Wind: Heidnische Mysterien in der Renaissance (1987), Kap. 13. 47  Venere, dea del terzo ciel, e madre del cieco arciero, domator d’ogn’uno: Vgl. Ficino: De raptu Pauli, in: Prosatori latini del Quattrocento (1952), S. 934; Epicuro: La cecaria, in: ders.: I drammi e le poesie italiane e latine (1942), S. 42. 48  l’altra ch’ha ’l capo giovial per padre: D. h. Athena/Pallas, die aus dem Haupt des Zeus gezeugt wurde (Hesiod: Theogonia, 924). 49  le condizioni tutte non le poté approvare Apelle: Die Quellen sprechen von Zeuxis anstatt von Apelles; vgl. Cicero: De inventione, II, 1; Plinius: Naturalis historia, XXXV, 64. Vgl. Vinculis: OM, S. 430 f. 50  Ma nella simplicità della divina essenza … si sappia possere: Vgl. Cusanus: De docta ignorantia, Buch I, Kap. 21–25. Hinsichtlich der Äußerungen B.s in diesem Abschnitt sind natürlich der fünfte Dialog von De la causa sowie einige Passagen aus De l’infinito u. Spaccio heranzuziehen; vgl. z. B. Infinito: BW IV, S. 18 f.: »tutti gli attributi de la divinità sono come ciascuno« (»alle Eigenschaften der Gottheit […] sind wie jede einzelne für sich genommen«), u. S. 92 f.: »Per che il primo principio è simplicissimo, però se secondo uno attributo fusse finito, sarebe finito secondo tutti gli attributi« (»Da das erste Prinzip schlechthin einfach ist, wäre es, wenn eine seiner Eigenschaften endlich wäre, hinsichtlich aller Eigenschaften endlich«). 51  son quattro venti: Boreas (Nordwind), Euros (Ostwind), Notos (Südwind), Zephyros (Westwind). Gott der Winde ist Äolos, der Homer zufolge auf der Insel Äolien seinen Wohnsitz hat; vgl. Odyssee, V, 295 f.; X, 1 ff. 52  Novae ortae Aeoliae: »Es sind neue Winde aufgekommen«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 16. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emble-

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matiche degli »Eroici furori« (2002), S. 845 f.; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. LIII. 53  Figli d’Astreo Titan e de l’Aurora: Vgl. Hesiod: Theogonia, 378–380. Hesiod verweist lediglich auf Boreas, Notos und Zephyros als Söhne von Asträus und Eos/Aurora. Bei späteren Autoren wird auch Euros als von gleicher ›Abstammung‹ genannt (vgl. Vergil: Aeneis, I, 131 f.). 54  è introdotto Eolo parlar a i venti, quali non più dice esser da lui moderati nell’Eolie caverne: Vgl. Vergil: Aeneis, I, 52–54. 55  Ad vitam, non ad horam: »Für das Leben, nicht für die Stunde«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 17. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 846; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. LIV. 56  Partesi da la stanz’ il contadino … l’afflitto core: Vgl. Petrarca: Canzoniere, 50, 15–42. Vgl. zu »sied’ a l’ombra« oben, Anm. A 93. 57  due specie di revelazione … chiamano »matutina« e »vespertina«: B. bezieht sich insbesondere auf die Quaestio 58 (art. 6–7) des ersten Teils der Summa Theologiae des Thomas von Aquin, wo es jedoch um die Erkenntnisweise der Engel geht, während B., wie man in der Folge des Abschnitts sehen kann, auf die menschliche Erkenntnis Bezug nimmt. Unter Berufung auf Augustin (vgl. De civitate Dei, 11.7) hebt Thomas hervor, daß die Engel die Dinge im Wort durch morgendliche Einsicht, die Dinge an sich hingegen durch abendliche Einsicht erkannt haben. B. verbindet die »zwei Arten der Offenbarung« mit der Idee des Universums als unendlicher Ursache sowie der des Universums als unendlicher Wirkung (unendliche Vielheit der Gestirne), d. h. mit den beiden intelligiblen Spezies der Gottheit in seinem Verständnis. Es ist klar, daß für B. die menschliche Erkenntnis im eigentlichen Sinne abendlich ist; der Mensch kann lediglich eine ›Idee‹ der morgendlichen Offenbarung erlangen. 58  Ex hominis vero facie … abire in corpus corpore toto: Lukrez: De rerum natura, IV, 1094–1111 (»Von dem schönen Gesicht aber und der lieblichen Farbe des Menschen wird nichts zum Genießen der Körper aufgenommen als feine Bilder; die klägliche Hoffnung darauf ist oft schon vom Winde entführt worden. Wie wenn einer im Traume dürstet und zu trinken sucht und ihm kein Wasser gegeben wird, das die Glut in den Gliedern löschen könnte, sondern wenn er nur Bilder von Wasser ergreifen kann und sich vergebens plagt und mitten im reißenden Flusse noch dürstet, obwohl er trinkt, so auch äfft Venus in der Liebe die Liebenden mit Bildern, und sie können sich nicht sättigen, wenn sie auch den Körper des Geliebten schon ganz nahe sehen, und sie können nichts von den zarten Gliedern mit den Händen abschaben, wenn sie unstet am ganzen Körper herumirren. Schließlich, wenn ihre Glieder sich



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schon vereint haben und sie die Blüte des Lebens genießen, wenn der Körper schon vorahnend die Freuden kostet und es schon so weit ist, daß Venus die Fluren der Frau besät, pressen sie den Leib gierig gegeneinander und vermischen den Speichel des Mundes und atmen tief und pressen den Mund mit den Zähnen, alles umsonst, da sie nichts davon abschaben und nicht eindringen und nicht mit ihrem ganzen Körper in dem anderen aufgehen können«: Lukrez: Über die Natur der Dinge (1972), S. 281–283). Der Vers 1096 wird kontrovers interpretiert; er weist die unterschiedlichen Varianten »quae vento spes raptast«, »rapta est« und »raptat« anstatt wie bei B. »quae vento spes captat« auf. Aufgrund einer Überprüfung der beiden Ausgaben des Lukrezischen Textes, die in den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts in kurzem Abstand erschienen, die von Denis Lambin bzw. von Hubert van Giffen herausgegeben wurden, kann ich hier bestätigen, daß B. sich auf die Ausgabe von van Giffen stützt – De rerum natura libri sex … (1566), S. 142: »quae vento spes captat« –, nicht auf die Ausgabe Lambins: De rerum natura libri sex … (1564), S. 352: »quae vento spes raptat«. Es ist daher kein Zufall, daß B., in einer Unterhaltung im Dezember 1585 (nur wenige Monate nach Erscheinen der Eroici furori) mit Guillaume Cotin – Bibliothekar der Pariser Abtei von Saint-Victor –, die Ausgabe van Giffens des De rerum natura lobt. Vgl. das Dokument bei Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), Bd. II, S. 650; Canone: Introduzione, in: Giordano Bruno, 1548–1600 (2000), S. LXXXIX. Vgl. Canone: Bruno e l’umanesimo (2009), S. 18. 59  chi aggionge scienza aggionge dolore: Vgl. Koh 1,18; Furori, I, 2, S. 72 f. sowie oben, Anm. 11 zum zweiten Dialog. 60  Sed fugitare decet simulacra … sine paena commoda sumit: Lukrez: De rerum natura, IV, 1063 f., 1067–1069, 1073 f. (»Aber verjagen muß man die Bilder und von sich wegscheuchen, was der Liebe Nahrung gibt, und den Sinn woandershin wenden«; »[…] und sich dadurch Sorgen und sichere Schmerzen aufspeichern; denn das Geschwür lebt auf und wurzelt sich ein, wenn man es nährt, und von Tag zu Tag greift die Raserei um sich und wird das Elend schwerer«; »Der Frucht der Venus entbehrt auch nicht, wer die Liebe meidet und vielmehr nur jene Freuden von ihr nimmt, die keine Pein bringen«: Lukrez: Über die Natur der Dinge (1972), S. 279–281). Der lateinische Text wird bei B. im Vergleich zu den modernen Ausgaben mit einigen Varianten zitiert; auch in diesem Fall greift B. auf die Ausgabe van Giffens zurück: De rerum natura libri sex … (1566), S. 141 (vgl. oben, Anm. 58). 61  Amor instat ut instans: »Die Liebe drängt wie der Augenblick«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 18. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 846 f.; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. LV.

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62  Aristotele nel suo libro Del tempo: Es handelt sich um das vierte Buch

der Physik (vgl. vor allem 222a10 ff.). 63  Un tempo sparge … un occide: Vgl. Koh 3,2–8. Hier kann man ein Sonett Serafino Aquilanos (Ciminellis) erwähnen: »Io pur travaglio, e so che ’1 tempo gioco / […] Chi sparge el seme, e chi recoglie el frutto«, auch deswegen, weil in dem Sonett folgender Vers vorkommt: »E per tal variar natura è bella«, der in der Ars memoriae von De umbris idearum zitiert wird, worauf ich bereits im Jahr 2000 hingewiesen habe. S. Le rime di Serafino de’ Ciminelli dall’Aquila (1894), LXXXVI, S. 124. Vgl. Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno. Percorsi della filosofia di Giordano Bruno (2003), S. 42 f. u. Anm. 71, wo ein früherer Beitrag von mir (erschienen in: »Paradigmi« XVIII/53 (2000), S. 217– 235) weiter ausführt wird; s. dort, S. 227 für Serafino Aquilano. Diese Angabe wurde dann 2004 ohne Verweis auf meine vorherigen Hinweise in einer Anm. von OMNE I (2004), S. 180 aufgegriffen. 64  Idem, itidem, non idem: »Derselbe, auf dieselbe Weise, nicht derselbe«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 19. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 847; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. LVI. Vgl. zum Bild des fanciullo oben, Anm. 8. 65  lasciamo ogni speranza … per il camino … questo intrico: Der Schlußvers des Sonetts sowie die Bemerkung Cicadas weisen Anklänge an Dante: Inferno, III, 9 u. I, 1–3 auf.

SECONDA PARTE / ZWEITER TEIL

Dialogo primo / Erster Dialog

1  Seconda parte de gli Eroici furori: Vgl. oben, Anm. A 64 und A 87; s. auch

Anm. 1 zum ersten Dialog des ersten Teils. 2  Dialogo primo: Vgl. oben, Anm. A 88, A 89, A 90, A 91. B. stellt in diesem Dialog zwölf Impresen mit den entsprechenden lateinischen Sinnsprüchen vor, die mit den Artikeln in Verbindung stehen. Vgl. oben, Anm. A 13 u. Anm. 1 zum fünften Dialog des ersten Teils; wie bereits erwähnt, stehen die beiden Dialoge in engem Zusammenhang (vgl. zu den Impresen auch die dortigen Anm. 2 u. 3). B. sieht den ersten Dialog des zweiten Teils als ›Saatbeet‹ des folgenden Werks an; ich habe bereits darauf hingewiesen, daß der Dialog eine Flexion zum Immanentismus aufweist, der in den darauffolgenden Dialogen zum Ausdruck kommt. Wie im fünften Dialog des ersten Teils bezieht sich auch der zwölfte, letzte Artikel des vorliegenden Dialogs auf zwei Primär­ sonette anstatt auf eines (vgl. S. 288–291). 3  Interlocutori / Cesarino, Maricondo: In den fünf Dialogen des zweiten



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Teils der Furori werden, wie gesagt, die Gesprächspartner Tansillo und Cicada des ersten Teils von acht Gesprächspartnern, und zwar jeweils zwei pro Dialog, abgelöst: Cesarino und Maricondo in den ersten beiden Dialogen, Liberio und Laodonio im dritten Dialog, Severino und Minutolo im vierten, Laodomia und Giulia im fünften Dialog. In den ersten beiden Dialogen kann Cesarino als Sprecher B.s angesehen werden (vgl. oben, Anm. A 87). Vgl. zur Identifizierung Cesarinos und Maricondos mit zwei zu Lebzeiten B.s tatsächlich existierenden Nolanern – möglicherweise Gian Domenico Cesarino und Francesco Maricondo – Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), I, S. 37 u. 64, sowie die Anmerkung Giovanni Gentiles in: DI, S. 1071 f. Was den Nachnamen Maricondo betrifft, ist zu präzisieren, daß in den nolanischen Unterlagen der Zeit, wie Gentile anmerkt, auch die Form Mariconda belegt ist, eine Schwankung, wie sie ebenfalls im Text der Furori vorliegt. In der Originalausgabe führt B. in der Tat dieselbe Person zu Beginn des zweiten Dialogs als ›Mariconda‹ an (OI IV, S. [1451] entspricht hier S. 296). Die Ausgabe von Gentile und spätere Ausgaben folgten dieser Variante des Namens. Dazu ist hinzuzufügen, daß im Originaldruck der Name des Gesprächspartners nur zweimal ungekürzt auftaucht: einmal als ›Maricondo‹ zu Beginn des ersten Dialogs (OI IV, S. [1403], Ausgabe, auf die in dieser Anm. Bezug genommen wird) und, wie oben angemerkt, ein zweites Mal als ›Mariconda‹ zu Beginn des zweiten Dialogs; in allen anderen Fällen wird der Name abgekürzt angeführt: »Mar.«, »Maric.«, »Ma.«. Das Problem stellt sich natürlich dann, wenn man sich dafür entscheidet, die Namen der Dialogteilnehmer immer in ungekürzter Form anzuführen. In DI wie auch in OEI, U und DF erscheint im ersten Dialog immer die Form ›Maricondo‹, während im zweiten Dialog immer ›Mariconda‹ vorliegt: Dadurch wird eine Variante vervielfältigt und hervorgehoben, die im Originaltext nur ein einziges Mal auftaucht. 4  stimano allor che tutti gli pianeti … si ritorna al medesimo: Vgl. zur Thematik des kosmischen Jahres in bezug auf den »wechselnden Kreislauf« (»vicissitudinale circolazione«: Furori, I, 4, S. 158 f.) oben, Anm. A 89. 5  ora che siamo stati nella feccia delle scienze … ritornare a meglior stati: Der Passus bezieht sich auf die ›hermetische Klage‹ des Asclepius, 24–26 (Corpus Hermeticum, Bd. II), die von B. im Spaccio (BSP, S. 258 f.; BW V, S. 345 f.) übersetzt und seiner eigenen Konzeption der Wechselhaftigkeit anverwandelt wird, die sowohl die Sphäre der Natur als auch die der Kultur (Wissenschaft, Religion usw.) betrifft. 6  cotal statua che sopra un busto … appresso il cane che applaude: Vgl. eine Beschreibung der Statue des Gottes Serapis neben dem Bildnis eines dreiköpfigen Tieres, der in Alexandria verehrt wurde, bei Macrobius: Saturnalia, I,

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20, 13–15 (Macrobius erläutert, daß die drei Tierfiguren von den Windungen einer Schlange umschlungen sind). Auch Cartari: Le imagini de i dei de gli antichi (1996), S. 71 bezieht sich auf Macrobius (vgl. die Illustration aus der Ausgabe von 1571 des Werks Cartaris unten, Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 4). Vgl. zur Wiederaufnahme dieser Figur in der Renaissancekultur Panofsky: Titian’s »Allegory of Prudence«: A Postscript, in: ders.: Meaning in the visual arts (1955), S. 181–203; Wind: Heidnische Mysterien in der Renaissance (1987), Appendix 4. Siehe auch Colonna: Hypnerotomachia Polyphili (1998), Bd. I (Repr. der Ausg. 1499), S. 344 f.; Bd. II, S. 1040 f., mit zahlreichen Hinweisen zum Bildnis des dreiköpfigen Serapis. 7  Iam, Modo, Praeterea: »Schon, Gerade, Nachher«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 20. Die brunianische Interpretation dieser »figura […] tolta dall’antiquità de gli Egizzii« bestätigt den engen Zusammenhang der Furori mit dem Spaccio hinsichtlich der Interpretation von Themen, von denen man annahm, daß sie auf eine antike Weisheit zurückgingen. Diesbezüglich kann man generell anmerken, daß B. zufolge das, was ›archaisch‹ zu sein scheint, sich als besser als eine von der jüdisch-christlichen Moral dominierte Moderne herausstellen kann, die auf einem Monotheismus fußt, der von ihm auf philosophischer Ebene zurückgewiesen wird und der, wenn auch im Horizont eines radikalen Anthropozentrismus, der trügerischen Idee einer mens super omnia entsprechen würde (für B. kann eine Ethik allein auf der Idee eines deus in rebus gründen). Andererseits ist es in B.s Augen auch eine Aufgabe des Philosophen, andere Kulturen zu Wort kommen zu lassen; die philosophische Interpretation von Kulten und Symbolen der Vergangenheit habe hier die Funktion, kulturelle Zeugnisse, die zerstreut, verhöhnt und vergessen worden sind, zu ›restaurieren‹. Offensichtlich handelt es sich um eine Interpretationsstrategie, die Verzerrungen in Rechnung stellt: Das humanistische Beispiel einer Ermittlung der historischen Wahrheiten wird dem Zweck philosophischer Kritik unterworfen und angepaßt. Ein auch für die Ethik entscheidender Punkt betraf das Verhältnis von Gott und Natur in der Perspektive einer unendlichen Vielheit von Welten, d. h. das Verhältnis von Einheit und Vielheit. B. sieht den jüdischen Gott als autoritären Gott, der ein Volk gegen andere Völker (andere Kulturen) erwählt; das mosaische Gesetz ist »ein tyrannisches und blutrünstiges Gesetz« (»una legge tirannica e sanguinolenta«; Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 51, S. 274). Die Religion ist ein Gesetz, das in den Bräuchen der Völker verankert ist, und auch das Christentum – die eklektischste, jedoch von einer jüdischpaulinischen Seele beherrschte Religion, die der Nolaner negativ beurteilt – sei B. zufolge nicht in der Lage, sich zur Idee einer »Menschlichkeit, die in unserer Sprache die Göttin Philanthropie genannt wird« (BW V, S. 295), zu



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erheben. Des weiteren betrifft ein wichtiger Punkt die Interpretation von Anschauungen der Vergangenheit – insbesondere der Vorsokratiker, die B. in engem Zusammenhang mit anderen archaischen Formen der Weisheit begreift –, die das Seiende nicht im logischen Sinne (eine Verdrehung, durch die laut B. die griechische Philosophie im Anschluß an Platon und unter Weiterführung durch Aristoteles geprägt wurde), sondern als physis auffaßten.   8  quel profetico lamento ad Asclepio … condannazione: Vgl. oben, Anm. 5.  9  Illius aram: »Seinen Altar«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 21. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 848; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. LVIII, u. Anm. 7 auf S. 378 desselben Bandes (für das Motto der Imprese verweist Rowland auf Vergil: Bucolica, I, 8 als Quelle). 10  dalla bellezza materiale … divina bellezza, luce e maestade: Vgl. Plotin: Enneades, I, 6, 2; Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 142–149; Pico della Mirandola: Commento sopra una canzona de amore, in: ders.: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 527–531. 11  Né credo che il mio vero nume … se in tal maniera non può comprenderlo?: Vgl. Spaccio: BSP, S. 254–257; BW V, S. 339–343 (auch der darauffolgende Dialogtext bezieht sich auf die berühmten Seiten des Spaccio: ebd., S. 249 ff.; BW V, S. 331 ff.); vgl. Cusanus: De docta ignorantia, Buch I, Kap. 25. 12  Ben sai che l’amor di bellezza corporale … viene ad improntargli l’ali: S. oben, Anm. A 41. 13  Adorate scabellum pedum eius: Ps 99 (98),5: »vor dem Schemel seiner Füße beuget die Knie«. 14  Adorabimus ubi steterunt pedes eius: Ps 132 (131),7: »Lasset uns […] am Schemel seiner Füße niederfallen vor ihm«. 15  Fluctuat incertis erroribus ardor amantum / … restingui quoque posse ab eodem corpore flammam: Lukrez: De rerum natura, IV, 1077–1087 (»[…] flutet und ebbt hierhin und dahin die Glut der Liebenden, und sie sind nicht sicher, was sie zuerst mit den Augen und Händen genießen sollen. Was sie ergriffen haben, drücken sie fest und bereiten dem Körper Schmerz und schlagen oft die Zähne in die Lippen und drücken Küsse darauf, weil es kein rechtes Vergnügen ist und Stacheln darunter versteckt sind, die gerade das zu verletzen anspornen, was immer es sein mag, von dem aus sich jene Keime der Raserei erheben. Aber Venus mildert leicht die mit der Liebe verbundenen Qualen, und schmeichelnd mischt sich die Lust dazu und zügelt die Bisse. Denn darin liegt die Hoffnung, daß die Flamme von dem gleichen Körper gelöscht werden kann, von dem die Glut ihren Ausgang genommen hat«: Lukrez: Über die Natur der Dinge (1972), S. 281).

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16  questa immagine … d’una fenice: Vgl. die Anm. 13 u. 22 zum fünften

Dialog des ersten Teils. 17  Neque simile, nec par: »Weder ähnlich noch gleich«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 22. 18  la lode è uno de gli più gran sacrifici … degno sacerdote: Vgl. zum ›Opfer des Lobes‹ Ps 49,14 u. 140,2; Hos 14,3; Hebr 13,15. Es handelt sich um eine zweideutige Textstelle, da B. wahrscheinlich beabsichtigt, auch einen Bezug auf die Thematik von ›Lob‹ und ›Opfer‹ herzustellen, wie sie in Cena und Spaccio diskutiert wird (worauf B. mit dem Ausdruck Maricondos: »quel che ti dicevo l’altr’ieri«: Furori, II, 1, 244 anzuspielen scheint). Für einen Vergleich zwischen B.s Diskurs und den Ausführungen Jean Calvins zum ›Opfer des Lobes‹ in der Institutio Christianae religionis (Buch IV, Kap. XVIII, 16–18) sei auf die Anm. Granadas in U II, S. 652 f. verwiesen, der sich auf Ingegno: Regia pazzia. Bruno lettore die Calvino (1987), S. 87–96 bezieht. 19  asini asinos fricant: Vgl. Erasmus: Adagia, 699 (I, 7, 99): Fricantem refrica. 20  il proprio splendore … non l’esser nato d’atavi regi: Vgl. Horaz: Carmina, I, I, 1. 21  Fortunati ambo … pater Romanus habebit: Vgl. Vergil: Aeneis, IX, 446– 449 (»Glücklich beide: wenn etwas meine Lieder vermögen, / wird kein Tag jemals euch entrücken dem Andenken der Nachwelt, / solange das Haus des Aeneas an des Kapitols unverrückbarem Felsen wohnt, / und die Herrschaft ein römischer Mann innehat«: zit. in: Seneca: An Lucilius. Briefe über Ethik 1–69, in: ders.: Philosophische Schriften (1995), Bd. III, XXI, 4, S. 169). 22  »Se amor di gloria … per le quali ti puoi vantare«: Seneca: Ad Lucilium, XXI, 3 (im selben Brief zitiert Seneca di Verse aus der Aeneis, IX, 446–449). 23  »è più conosciuto Domenea per le lettere … non molti ingegni rizzaranno il capo«: Seneca: Ad Lucilium, XXI, 4–5. 24  Là onde ben disse un teologo … con silenzio vegna ad esser celebrata: Vgl. Dionysius Areopagita: De mystica theologia, Kap. III. 25  Nitimur in cassum?: »Bemühen wir uns umsonst?«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 23. Vgl. zu dieser Imprese Maggi: ›L’uomo astratto’… (2007), S. 101–103. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 848 f.; Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. LX. 26  »Nelli pubblici spettacoli … più facilmente gli vizii s’ingeriscono«: Seneca: Ad Lucilium, VII, 2. 27  Conversa con quelli … possa essere fatto megliore: Vgl. Seneca: Ad Lucilium, VII, 8. 28  né stimarà … dice Democrito … alter alteri theatrum sumus: Seneca: Ad



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Lucilium, VII, 9–11: »Democritus ait: ›Unus mihi pro populo est, et populus pro uno‹. […] Egregie hoc tertium Epicurus, cum uni ex consortibus studiorum suorum scriberet: ›Haec, inquit, ego non multis, sed tibi; satis enim magnum alter alteri theatrum sumus‹« (»Demokrit sagt: ›Ein einziger steht mir für das Volk, und das Volk für einen‹. […] Hervorragend hat diesen dritten Auspruch Epikur, als er einem Mitarbeiter seiner philosophischen Studien schrieb, formuliert: ›Das [schreibe] ich nicht für viele, sondern für dich: denn wir sind einer für den anderen ein hinreichend großes Publikum‹«: Seneca: An Lucilius. Briefe über Ethik 1–69, in: ders.: Philosophische Schriften (1995), Bd. III, S. 38–40). 29  La mente dumque … lascia la cura della moltitudine: Vgl. Seneca: Ad Lucilium, VII, 1. 30  Come intendi … al cielo empireo? sopra il cristallino?: Scharfe Kritik der Idee eines theologischen Himmels, der gegenüber den verschiedenen Himmelssphären der traditionellen Kosmologie  – »der ersten, achten, neunten, zehnten und weiteren Sphären, die törichte Mathematiker und das blinde Sehen gemeiner Philosophen noch hätten hinzufügen wollen« – ein Jenseits darstelle; Sphären, die B. zufolge nichts anderes als »erdichtete Mauern« darstellen (Cena: U I, S. 454; F, 92), die mit der Vorstellung eines unendlichen Universums einstürzen; im Hinblick darauf kann man offensichtlich nicht von einem Jenseits sprechen: »Zudem umfaßt das Universum das ganze Sein in seiner Totalität, denn außerhalb und jenseits des unendlichen Seins, das kein Außerhalb und Jenseits kennt, gibt es nichts mehr, das ein Sein hätte« (Causa: BW III, S. 233). Es sei jedenfalls daran erinnert, was kurz zuvor Maricondo betreffs der ›offiziellen‹ Position B.s unterstrichen hatte: »Wir wissen, daß Ihr nicht Theologe, sondern Philosoph seid und Philosophie, nicht Theologie betreibt« (S. 235). Tatsächlich betreibt er hier, wie zu sehen war, Theologie, und seine Kritik gilt der jüdisch-christlichen Theologie. Vgl. oben, Anm. A 90, A 92, A 96. Vgl. in bezug auf den metaphorischen Diskurs von den ›Himmelssphären‹ Ficino: De raptu Pauli (1952), S. 936–943. Vgl. zum Empyreum Nardi: La dottrina dell’Empireo nella sua genesi storica e nel pensiero dantesco (1967), S. 167–214. Vgl. zu den Himmelssphären der Astronomen und Theologen Lerner: Le monde des sphéres, I (22008), S. 195 ff. 31  procedendo al profondo della mente … con sé e dentro di sé: Vgl. Seneca: Ad Lucilium, XLI, 1. Meines Erachtens beruft sich B. in diesem Teil des Textes auch auf Lukrez: De rerum natura, V, 1161 ff. Man kann die Verse 1198–1210 anführen: »Nec pietas ullast velatum saepe videri / vertier ad lapidem atque omnis accedere ad aras / nec procumbere humi prostratum et pandere palmas / ante deum delubra nec aras sanguine multo / spargere quadrupedum nec votis nectere vota, / sed mage pacata posse omnia mente tueri«. Vgl. oben,

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Anm. A 83. Offensichtlich enthalten Maricondos Worte eine Kritik am katholischen Ritus; B. hat wohl unterschiedliche Anregungen in diesem Sinne berücksichtigt. Vgl. auch Calvin: Institutio Christianae religionis, Buch III, Kap. XX, 4, u. Buch IV, Kap. XVII, 36. 32  respirar … superar questo clivoso monte: Seneca: Ad Lucilium, XXXI, 4. 33  la grandezza d’un animo invitto … dove consiste quel sommo bene: Vgl. Seneca: Ad Lucilium, XXXI, 7–8. 34  disse un filosofo morale … »non bisogna tranar … hanno mala opinione de lui«: Seneca: Ad Lucilium, XXXI, 9–10. 35  trovandosi presente al corpo … catena che tien strette le sue mani: Vgl. Seneca: Ad Lucilium, LXV, 16–18, 21. 36  non sia servo … contra la povertà, morbi e persecuzioni: Vgl. Seneca: Ad Lucilium, LXV, 22, 24. 37  la ruota del tempo: Vgl. oben, Anm. A 89. Vgl. eine suggestive, wenn auch traditionelle Darstellung des Rads der Zeit im Ikonographischen Anhang zum Kommentar, Abb. 2. Vgl. Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. LXI. 38  Manens moveor: »Ich bewege mich auf der Stelle«. Vgl. die Imprese Circuit im fünften Dialog des ersten Teils, S. 182–189. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 24. 39  rival d’Endimion: Auch der mythische Endymion war ein Jäger (den Diana liebte), dem ein ewiger Schlaf zuteil wurde. Vgl. Cicero: Tusculanae disputationes, I, 92; hierzu Wind: Heidnische Mysterien in der Renaissance (1987), Kap. 10, der einen Abschnitt aus dem Appendix von Celio Agostino Curione zu Pierio Valeriano: Hieroglyphica (1567), Bl. 430r, zitiert. Vgl. oben, Anm. A 83. 40  Fluctuat in portu: »Es treibt im Hafen«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 25. Vgl. Alciato: Il libro degli emblemi (2009), Emblem XXXIV, S. 203–207. 41  la virtù della contemplazione (come nota Iamblico): Vgl. Jamblich: De mysteriis Aegyptiorum, III, 3. 42  nel libro De’ trenta sigilli … tanti modi di contrazzione: Bezug auf den Abschnitt aus Sigillus sigillorum, der der Untersuchung verschiedener Arten der Kontraktion gewidmet ist: Nur die letzte der fünfzehn von B. untersuchten Kontraktionen, die den Philosophen eigene contractio, wird von ihm positiv bewertet, während die anderen Kontraktionen, die mit asketischen Praktiken, Phänomenen der Suggestion und Erregung der Vorstellungskraft in bezug auf die religiöse Sphäre in Verbindung stehen, kritisch und meistenteils negativ beurteilt werden (vgl. OMNE II, S. 226–253). Vgl. hierzu, auch in bezug auf die Quellen, Catana: The Concept of Contraction in Giordano Bruno’s Philosophy (2005).



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43  atteso che vedere la divinità … l’esser visto dal sole: Vgl. Plotin: Enneades, V, 8, 11. 44  son due stelle in forma de doi occhi radianti: Vgl. Petrarca: Canzoniere,

160, 5–8. 45  Mors et vita: »Tod und Leben«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 26. Vgl. Yates: The Emblematic Conceit in Giordano Bruno’s »De gli eroici furori« and in the Elizabethan Sonnet Sequences [1943], in: dies.: Lull & Bruno – Collected Essays, I (1982), S. 181–183; Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 850. 46  Anima mea sicut terra sine aqua tibi: Ps 143 (142),6 (»meine Seele dürstet nach dir wie trockenes Land«). 47  Os meum aperui … tua desiderabam: Ps 119 (118), 131 (»Lechzend öffne ich meinen Mund, / nach deinen Befehlen verlange ich«). 48  quello significa … far veder al meno le sue spalli: Vgl. Ex 33,19–22. Man vergleiche »den schönsten Körper, das schönste Gesicht« im vierten Dialog des ersten Teils (vgl. S. 118–123). 49  le cose posteriori, et effetti: Der Bezug auf das Buch Exodus wird bei B. der Konzeption einer »unendlichen Wirkung der unendlichen Ursache« anverwandelt (Cena: U I, S. 455; F, S. 93). 50  copre le luci con le palprebre … l’ombra de gli enigmi e similitudini: Vgl. 1 Kor 13,12. S. Furori, I, 3, S. 104 f., sowie die entsprechende Anm. 25. 51  mors osculi: Vgl. zum ›Tod durch Kuß‹ oben, Anm. A 83 u. Anm. 24 zum vierten Dialog des ersten Teils. 52  Vi è un’aquila … d’una pietra che tien legata a un piede: Vgl. Alciato: Il libro degli emblemi (2009), Emblem XV, S. 103–110. Vgl. Rowland: The ›Imprese‹ of the »Eroici furori« (2013), S. LXIV. 53  Scinditur incertum: »Scinditur incertum studia in contraria vulgus«; »Es spaltet sich schwankend die Menge in gegensätzliche Absichten«: Vergil: Aeneis (2008), II, 39, S. 63. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 27. 54  L’ascenso procede nell’anima … son l’intelletto et intellettiva volontade: Vgl. zum Thema der ›Flügel‹ der Seele oben, Anm. A 41 sowie Anm. 52 zum dritten Dialog u. Anm. 21 zum vierten Dialog des ersten Teils. 55  ogni cosa naturalmente ha impeto … come ben disse Empedocle: Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch V, Kap. XIV: TP I, S. 213; Pico della Mirandola: De hominis dignitate (1942), S. 116. 56  disse il Nolano in questa ottava: Convien … a mia diva è mistiero: Es handelt sich um eine der beiden von Bruno in den Furori angeführten ›sekundären‹ Dichtungen, wenn man von dem Sonett absieht, das schon am Beginn von De la causa steht. Vgl. oben, Anm. 2 zum Titelblatt (auch für Spampana-

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tos Hypothese eines Zusammenhangs mit einer im Candelaio zitierten Oktave) sowie Anm. 21 zum ersten Dialog u. Anm. 20 zum dritten Dialog des ersten Teils. 57  La potenza intellettiva mai si quieta … sustanza et entità: Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch X, Kap. VIII; Buch XIV, Kap. II: TP II, S. 86 f. u. 250 f. Das Problem des Verhältnisses zwischen Intellekt und vernünftigem Willen wird vor allem im dritten und vierten Dialog des ersten Teils der Furori behandelt (vgl. auch Anm. A 80, A 83, A 85). 58  nella essenza unica de l’anima … doi geni de potenze: Vgl. zur Konzeption eines zweifachen Seelenhorizonts (Zeit/Ewigkeit), auch im Zusammenhang mit dem zweiten Satz des Liber de causis, oben, Anm. A 93. 59  Quanto più sottil … verso il ciel m’invio: Es handelt sich um die Verse 2–4 des im dritten Dialog des ersten Teils zitierten Sonetts von Tansillo (s. oben, S. 110 sowie Anm. 36 zum dritten Dialog des ersten Teils). 60  ogni parte de corpi e detti elementi … luoghi, patrie e fini: Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch XIV, Kap. II: TP I, S. 252. 61  quelle due saette radianti: Zum in der Liebeslyrik häufig verwandten Bild der Pfeile/Strahlen Cupidos sei auf Petrarca: Canzoniere, Sonette 2, 3 u. 61 verwiesen. Vgl. zum Bild des Pfeils in bezug auf die himmlische Liebe der (in das Verbum Gottes verliebten) Seele Origenes: Commentarius in Canticum Canticorum (1925), Prologus, S. 67 u. III, S. 193–195. 62  Vicit instans: »Der Augenblick hat gesiegt« oder »Er hat durch Beharrlichkeit gesiegt«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 28; s. zum Vergleich mit der Imprese B.s Alciato: Il libro degli emblemi (2009), Emblem LII (Maturandum, auf dem ein von einem Schellfisch umrankter Pfeil zu sehen ist), S. 293–295. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 851. 63  Vulnerasti cor meum, o dilecta, vulnerasti cor meum: Hld 4,9 (»Du, meine Schwester Braut, hast mein Herz berückt; / hast mein Herz berückt«). 64  son freccie de Diana o di Febo … beltade e sapienza: Es handelt sich um einen weiteren Verweis auf die intelligiblen Spezies der Gottheit, im Verhältnis zu Apollo und Diana; ein Motiv, das auch auf den folgenden Seiten unter Berufung auf die »specie peregrine« (»fremden Erscheinungen«), »luci sante« (»heiligen Lichter«) und »gemine specie« (»Zwillingserscheinungen«) entwickelt wird. Wie bereits erwähnt, sagt B. im vorliegenden Dialog, daß Diana »für die Ordnung der zweiten Vernunftwesen steht« (S. 272 f.), während er sich in der Darlegung im Hinblick auf den Schlußdialog des Werkes auf Diana als »erste Vernunft« (prima intelligenza) bezieht (Darlegung, S. 36 f.). Vgl. oben, Anm. A 90 u. A 94. Für das Motiv der Pfeile sowie das der Bande der göttli-



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chen Liebe greift B. auf die Kirchenväter zurück (vgl. z. B. Augustin: Confessiones, IX, 2.3). 65  Nella qual disposizione il presente furioso … »sei lustri«: Verweis auf das Sonett (S. 276). Giovanni Gentile zufolge sind unter den sei lustri »die ersten dreißig Lebensjahre des Philosophen« zu verstehen, weswegen »ein Tag«, auf den das Sonett anspielt (S. 277), in das Jahr 1578 fallen würde (DI, S. 1101, Anm. 1). Im Text der vorliegenden Imprese wird auf persönliche und nicht weiter erläuterte »›studi‹ materiali e sensitivi« Bezug genommen. B. spielt wahrscheinlich auf jene intellektuelle Entwicklung an, von der er in einem wichtigen Passus in De la causa spricht: »Demokrit also und die Epikureer […] wollen […], daß nur die Materie Substanz der Dinge, mehr noch, daß sie die göttliche Natur selbst sei, wie ein gewisser Araber namens Avicebron sagte und in einem Buche mit dem Titel Fons vitae dargelegt hat. Ebendiese behaupten auch, zusammen mit den Kyrenaikern, Kynikern und Stoikern, daß die Formen nichts anderes als bestimmte akzidentielle Eigenschaften der Materie seien; ich selbst hing dieser Meinung lange Zeit mit großer Überzeugung an […]. Doch nach reiflicherer Überlegung und der Berücksichtigung von mehr Fakten denken wir, daß es notwendig ist, zwei Gattungen von Substanz in der Natur anzuerkennen« (BW III, S. 139; bekanntlich besteht diese Auffassung gleichzeitig mit dem Begriff einer grundlegenden Einheit der Substanz). In dem Fall würden also die »heiligen Lichter«, die »zwei intelligiblen Spezies« der Gottheit, von denen in der Imprese die Rede ist, den beiden Gattungen der Substanz entsprechen: Form und Materie, die dann gleichbedeutend mit der Nymphe (Weltseele) und Okeanos im Schlußdialog der Furori sind. Es ist klar, daß B., der im Text der Imprese auf einen dreißigjährigen Zeitraum zurückblickt, auch auf die theologischen Studien im Kloster von San Domenico Maggiore und auf jene heuchlerischen Lehrmeister anspielt: »Zensoren, die ihn von würdigeren und erhabeneren Dingen abhielten, zu denen er naturgemäß neigte, und seine Begabung gefangen nahmen, um aus dem freien Diener der Tugend einen Gefangenen gemeinster und dummer Heuchelei zu machen« (Furori, I, 1, S. 44 f.). Der Text der Imprese enthält außerdem eine implizite Kritik an denen, die zu sehr auf das gerichtet sind, »was über ihnen ist«, unter Bezug auf das Motiv Quae supra nos, nihil ad nos (vgl. Anm. 20 u. 28 zum fünften Dialog des zweiten Teils). Wie gesagt treten in den Furori diverse autobiographische Elemente zutage, die sich im übertragenen Sinn auf den intellektuellen Werdegang B.s beziehen. Vgl. oben, Anm. A 92 u. A 96. 66  specie … batteno sempre alla porta de l’intelligenza: Vgl. Darlegung, S. 18 f.: »daß das göttliche Licht immer gegenwärtig ist, immer sich anbietet,

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immer nach uns ruft und an die Türen unserer Sinne und anderer erkennenden und begreifenden Vermögen klopft«. S. oben, Anm. A 67. 67  il cor smaltato di diamante … riscaldato e penetrato: Vgl. Petrarca: Canzoniere, 23, Verse 24–26. 68  Dolci ire … miei dolci dolori: Vgl. Petrarca: Canzoniere, 205, 1–2. 69  Subito, clam: »Plötzlich, heimlich«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 29. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 851 f. 70  At saeva e speculis tempus dea nacta nocendi … et silvae intonuere profundae: »Doch die grimmige Göttin fand einen günstigen Zeitpunkt, um Unheil zu stiften: Von ihrer Warte aus eilt sie zum steil aufragenden Dach des Gehöfts, läßt hoch oben vom First das Hirtensignal erschallen und mit dem Krummhorn ihre höllische Stimme anschwellen, von der sogleich der ganze Hain erbebte und die Tiefen der Wälder erdröhnten«: Vergil: Aeneis (2008), VII, 511–515, S. 373. 71  Ma l’Amor che è più forte … in cielo, in terra et in mare: Vgl. den Hymnus an Eros, in: Orphei Hymni (1973), 58; s. auch den Hymnus an Aphrodite, ebd., 55: »du hast das Universum unterworfen und herrschst über die drei Teile«. Vgl. Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 49 f. Die Liebe, sagt B. in De vinculis, ist »omnium affectuum fundamentum«, »pater, fons et Amphitrites vinculorum«, »vinculum vinculorum« (OL III, S. 684, 692, 697). Der Ausspruch der Furori »l’Amor che è più forte e più grande« spielt auch auf die platonische Konzeption des Eros als »großer Dämon« an (Das Gastmahl, 202d–e). 72  Labitur totas furor in medullas … virginum ignoto ferit igne pectus: »Es fährt sein Rasen durch das ganze Mark mit heimlichem, die Adern verwüstendem Feuer. Die zugefügte Wunde läßt kein breites Mal zurück, sondern verzehrt tief innen das verborgene Mark. Keinen Frieden kennt dieser Knabe«; »der Jungfrauen Brust trifft er mit noch unbekanntem Feuer«: Seneca: Phaedra, 279–283 u. 293, in: ders.: Sämtliche Tragödien, Bd. I (1961), S. 333, 335. 73  Salomone lo chiama »acqui furtive«: Spr 9,17. 74  Samuele lo nomò »sibilo d’aura sottile«: 1 Kön 19,12 (III Regum der Vulgata: »sibilus aurae tenuis«). 75  Oltre è da considerare quel che dicono gli antichi: Vgl. Platon: Das Gastmahl, 178a–c (dort werden Zeugnisse Hesiods, Akusilaos’ und Parmenides’ angeführt); Ficino: El libro dell’amore (1987), S. 101. 76  Cui nova plaga loco?: »An welcher Stelle die neue Wunde?«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 30. Vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 852. 77  unità super essenziale: In der Cena de le Ceneri hatte B. von einer »sustanza soprasustanziale« (»übersubstantialen Substanz«) gesprochen (U I,



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S. 557; F, S. 208). Vgl. für einige Verweise zu diesem Begriff Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno. Percorsi della filosofia di Giordano Bruno (2003), S. 5 f., 15. 78  Fronti nulla fides: »Dem Antlitz kein Vertrauen«; vgl. Juvenal: Satiren, 2, 8. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 31. Der Text der vorliegenden Imprese, in dem B. auf die »rozzi e curiosi studi« und die »studi più maturi« anspielt (S. 288 u. 290), ist mit der Thematik der »›studi‹ materiali e sensitivi« verknüpft, von denen in der Imprese Vicit instans die Rede ist (vgl. S. 274 f. u. oben, Anm. 66). Der Text der Imprese einschließlich der Sonette besitzt eine bemerkenswerte Dramatik; hier äußert sich das Bewußtsein der eigenen schwierigen Situation: Der Philosoph spricht hier tatsächlich von sich selbst und seinem »harten Schicksal« (S. 290; um den Text der Imprese auf angemessene Weise zu verstehen, müssen die, wenn auch verhüllten, autobiographischen Implikationen im Spaccio berücksichtigt werden, auf die bereits verwiesen wurde; vgl. BSP, S. 186–190, u. S. 385 f. per le note 309– 318). Die Imprese beschließt einen Verlauf, der im fünften Dialog des ersten Teils sowie im ersten Dialog des zweiten Teils zum Ausdruck kommt; Dialoge, die der Autor selbst für gewichtig hält: Es handelt sich um eine philosophische Übung in Bildern in einem engmaschigen Netz von Verweisen und Anspielungen. Daß B. in seinen Hinweisen nicht deutlicher ist – sich also nicht zu einem Bestandteil eindeutigen autobiographischen Zeugnisses mehr durchringt –, ist wahrscheinlich auf die Konzentration zurückzuführen, mit der der Autor sich dem Text sowie der eigenen philosophischen Botschaft widmet. Die Strategie, die eigenen, der vorherrschenden philosophischen Kultur und der religiösen Moral seiner Zeit gegenläufigen Schriften zu verschleiern, verbindet sich mit der Instanz, von sich selbst in übertragener Bedeutung zu reden; also ein philosophisch-literarisches ›Selbst‹, das zwar die eigenen Wurzeln geltend macht, sich aber gleichzeitig als Überbringer einer universellen Botschaft versteht – »dem wahren Philosophen (ist) jedes Land ein Vaterland« (»al vero filosofo ogni terreno è patria«: Causa, BW III, S. 50) – und darum den infolge einer Wandlung des biographisch-natürlichen Selbst von einer reli­ giösen Nicht-Berufung zu einer philosophischen Berufung angenommenen Namen beibehält; Giordano Bruno Nolano. Im zweiten Dialog des zweiten Teils, in dem der Autor erneut den Aktäon-Mythos aufgreift und eine letzte Imprese (und ein einziges Sonett) vorstellt, nimmt er ausdrücklich auf einen »ingegno e spirito che si mostrò a Nola, che giace al piano del orizonte campano« Bezug (Furori, II, 2, S. 298); in diesem Dialog bereitet sich jedoch ein Prozeß der Verfeinerung (Wandlung) des Leidenschaftlichen vor, der dann in den beiden Schlußdialogen des Werks in bedeutungsvoller Weise zum Ausdruck kommt, mit der Kritik am metaphysischen Anspruch und der Interpretation der ἐπέκτασις in einer Perspektive der Kreisförmigkeit, die aller-

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dings eine ständige Erneuerung von Individuen und Konzeptionen mit sich bringt. 79  perché l’amore sia traditore … l’abbiamo poco avanti veduto: Vgl. oben, S. 278 ff. 80  Ignoranti portum, nullus suus ventus est: Seneca: Ad Lucilium, LXXI, 3: »Ignoranti, quem portum petat, nullus suus ventus est« (»Wer nicht weiß, welchen Hafen er anlaufen soll, bekommt keinen günstigen Wind«: Seneca: An Lucilius. Briefe über Ethik 70–124, [125], in: ders.: Philosophische Schriften (1995), Bd. IV, S. 21). 81  Fortunae an ulla putatis dona carere dolis?: »aut ulla putatis / dona carere dolis Danaum?«; »Oder denkt ihr, auch nur ein Danaergeschenk sei frei von Hinterhältigkeit?«: Vergil: Aeneis (2008), II, 43–44, S. 63. 82  Peior est morte timor ipse mortis: »schlimmer als der Krieg ist die Furcht selbst vor dem Kriege«: Seneca: Thyestes, 572, in: ders.: Sämtliche Tragödien, Bd. 2 (1969), S. 147; wörtlich: »Schlimmer als der Tod ist die Furcht selbst vor dem Tode«. 83  che cosa più stolta che dolere per cosa futura … la qual presente non si sente?: Vgl. Epikur: Brief an Menoikeos, 125 (Diogenes Laertius: Vitae philosophorum, X); Lukrez: De rerum natura, III, 830 ff.

Dialogo secondo / Zweiter Dialog 1  Dialogo secondo: Vgl. oben, Anm. A 92. B. stellt im vorliegenden Dialog

die achtundzwanzigste und letzte der in den Furori behandelten Impresen vor (davon fünfzehn Impresen im fünften Dialog des ersten Teils, zwölf im ersten Dialog des zweiten Teils). Hier handelt es sich um einen einzigen Artikel/Sonett im Zusammenhang mit dem lateinischen Motto der Imprese (S. 296 f.). 2  Mariconda: Auf S. [1451] der Reprintausgabe des Originaldrucks (OI IV): ›Mariconda‹; vgl. dazu oben, Anm. 3 zum ersten Dialog des zweiten Teils. 3  Levius aura: »Leichter als ein Hauch«. Vgl. Furori, II, 1, S. 282 f. (B. spricht vom Gott der Liebe): »Samuel bezeichnete sie als Flüstern eines zarten Windes«, mit Bezug auf 1 Kön 19,12: »sibilus aurae tenuis«. S. Ikonographischer Anhang zum Kommentar, Abb. 32; vgl. Mansueto: Sulle fonti emblematiche degli »Eroici furori« (2002), S. 852 f. In der letzten Imprese des Werks kommt die Spezifität der Liebesfessel des Leidenschaftlichen zum Ausdruck, der sich mit einem geographisch und kulturell speziellen spiritus schmücken kann: ein genius nolanus, der sich sowohl im »benigno cielo« der Cena (U I, S. 535) als auch in der Muse/Weisheit bekundet, auf die sich B. in der Oratio valedictoria, in der Frankfurter Trilogie und in anderen Schriften bezieht.



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Wie B. in De rerum principiis, elementis et causis in einer eher naturalistischen als astrologischen Perspektive erläutert, ist er der Ansicht, daß die Natur der Orte, aus denen man stammt, mit der Natur der Personen, die dort geboren werden und aufwachsen, in Zusammenhang stehe und daß es daher eine natürliche Grundlage für das ingenium gebe. B. zufolge gibt es eine ›natürliche‹ Bestimmung, doch auch die Möglichkeit, diese umzukehren (klassisches Beispiel hierfür ist dasjenige des Sokrates). 4  sotto tal giogo … sotto il suo imperio: Der heroische Leidenschaftliche zeigt sich glücklich, von der Göttin – einer Allegorie der Natur – verwundet und gefesselt zu werden: »unigenita natura« / »eingeborene Natur«, wie man in De la causa liest (BW III, S. 170 f.). In der Oratio valedictoria bezieht sich B. auf denselben Begriff, wenn er sagt, seit seiner Jugend in die Weisheit verliebt und ihr Sklave gewesen, ja, »blind« aus Liebe zur »erstgeborenen Minerva« gewesen zu sein (vgl. OL I/1, S. 11 ff.; Canone: »E da l’ignobil numero mi sciolsi«. Sul concetto di servitù in Giordano Bruno (2010). Wie ich ausgeführt habe, handelt es sich bei Diana und Minerva für B. natürlich um zwei Seiten der gleichen Göttin, der unendlichen Natur/Seele. Vgl. die Imprese Pulchriori detur im fünften Dialog des ersten Teils (S. 204–209). 5  Bisogna che siano arteggiani … non potrebono essere filosofi … simili a gli dèi: Die Betrachtung über die Tatsache, ja vielmehr die Legitimität und Notwendigkeit sozialer und kultureller Unterschiede verweist auf Themen, die in der Philosophie der Antike weit verbreitet waren. Ein seriöser und origineller Forscher wie Nicola Badaloni sah den vorliegenden Passus als problematisch an  – vgl. Badaloni: Note sul bruniano »De gli eroici furori« (2004; 11995), S. 224 f., auch im Vergleich zu seinen Betrachtungen in: Fermenti di vita intellettuale a Napoli dal 1500 alla metà del ’600 (2004: 11972), S. 165 f.; vgl. dazu auch Aquilecchia: Parallelismo cosmologico, sociologico e »poetico« nel pensiero di Giordano Bruno (2001), S. 4 f. Es ist klar, daß die Idee eines ›Klassenkampfes‹ für B. lediglich auf der Ebene des persönlichen Verdienstes zum Tragen kommt, so daß selbst eine eventuelle göttliche Gunst den Einzelnen und seinen Verdienst, nicht aber die ›Klasse‹ betrifft. Auch in einem Text wie dem Candelaio, mit seinem Triumph plebejischer Gauner über die Spießbürger auf Suche nach einem nicht vorhandenen Paradies sind es immer konkrete Individuen, die etwas Licht in das Dunkel des Konformismus und der Illusion bringen. Im vorliegenden Abschnitt der Furori wie auch in anderen Schriften bezieht sich B. auf die aristotelische, insbesondere die averroistische Tradition. Hierbei ist anzumerken, daß er das Motiv im Zusammenhang mit dem (auch plotinischen) Thema des Welttheaters und dem Begriff des Wandels entwickelt. Vgl. oben, Anm. A 9. Diesbezüglich sei daran erinnert, daß B. unter Berufung auf Seneca im Camoeracensis acrotismus behauptet: »Es gibt

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keinen Sklaven, der nicht von alten Königen abstammen würde; es gibt keinen König, der nicht von alten Sklaven abstammen würde, da die Zeit und der Zufall die menschlichen Schicksale dieserart durcheinander werfen« (Acrotismus: OL I/1, S. 61: »Nemo servus non ex antiquis regibus, nemo regum non ex antiquis servis, quandoquidem ita res hominum longa aetas atque fortuna permiscet«). Vgl. Seneca: Ad Lucilium, XLIV, 4: »Platon ait neminem regem non ex servis esse oriundum, neminem non servum ex regibus. Omnia ista longa varietas miscuit et sursum deorsum fortuna versavit«; Platon: Theaetetus, 174e–175a. Vgl. Canone: »E da l’ignobil numero mi sciolsi«. Sul concetto di servitù in Giordano Bruno (2010), S. 123 f. 6  Il stato della natura … in certe deserte et inculte republiche: Vgl., was B. im Spaccio in bezug auf das goldene Zeitalter und die »Usurpations- und Eigentumsrechte von Mein und Dein« schreibt (BW V, S. 267; vgl. Canone: Magia dei contrari (2005), S. 58 f.). Hinsichtlich der Unterscheidung »in größere und kleinere, höhere und niedere« Dinge ist in dem Passus die Symmetrie zwischen der Ebene der Natur und der Ebene der Gesellschaft hervorzuheben, wie auch zwischen der gefühlsmäßigen und geistigen Beschaffenheit des Menschen – das ›Subjekt‹ – und der metaphysischen Hierarchie der englischen Vernunftwesen. Die »neutralità e bestiale equalità« / »Unterschieds­ losigkeit und tierische Gleichheit« (Furori, II, 2, S. 300 f.) stellt einen offensichtlichen Verweis auf die (theologischen, metaphysischen) Mythen vom ›goldenen Zeitalter‹ dar, wie sie im sechzehnten Jahrhundert auch mit Hinblick auf die geographischen Entdeckungen neu belebt wurden. 7  in quanta iattura … determinar di cose divine?: Die Polemik B.s gegen die Pedanten und gewisse Aspekte der humanistischen Kultur (verbohrte Grammatiker und Logiker), d. h. gegen all diejenigen, die sich dem Gehalt der Wörter und den »Definitionen« unterwerfen, verbindet sich mit seiner Kritik an Aristoteles – der im Text gleich darauf als »Lehrer […] in den humanistischen Disziplinen«, folglich als pedantischer Humanist sowie als »Schlächter der göttlichen Philosophien anderer« gebrandmarkt wird (Furori, II, 2, S. 300– 302) – und den, insbesondere zeitgenössischen katholischen und protestantischen, ›Lehrern‹ der theologischen Scholastik, B. zufolge Verfechter einer so ambitiösen wie sterilen metaphysischen Grammatik; die Kritik betrifft die christlichen Dogmen. Bekanntermaßen tritt die Polemik in der ihr eigenen Verknüpfung (die auch verschiedene Aristoteleskritiker wie Petrus Ramus und Francesco Patrizi einbezieht, die für noch pedantischer als die Anhänger des Stagiriten gehalten werden) wiederholt in den Schriften B.s auf, angefangen von De umbris idearum über den Candelaio bis zu den lateinischen philosophischen Dichtungen und zu De imaginum compositione. Vgl. dazu Canone: Bruno e l’umanesimo (2009). Vgl. oben, Anm. A 36 u. A 92.



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8  ministerio d’altri pedanti che lavorano col medesimo sursum corda: Die

Kritik B.s betrifft sowohl die pedantischen Philosophen der Antike und der Neuzeit als auch die pedantischen Theologen, ebenfalls bis zu den ›Neueren‹; in dem Passus bezieht sich B. insbesondere auf die Protestanten. Die Anspielung auf Petrus Ramus (vgl. die voraufgehende Anm.) ist ein Anzeichen dafür, daß sich die Pfeile von B.s Kritik hier gegen Calvin und die Calvinisten und damit gegen diejenigen richten, deren Erneuerungsbestreben schlechtere Resultate erzielt hat als die Vorgänger, d. h. die Katholiken. Sursum corda! (»Hoch die Herzen!«) ist ein sprichwörtlich gewordener Ausdruck, der in der lateinischen Messe vom Offizianten ausgesprochen wird; der Ministrant antwortet: Habemus ad Dominum (»Wir haben sie auf den Herrn gerichtet«). Quelle beider Formeln ist Klgl 3,41. Der Ausdruck wird von B. auch weiter unten im Text zitiert (S. 302 f.), um den wesentlichen Unterschied zwischen einer Aufforderung, die er für vergeblich hält, da sie eine rein passive oder formale Erhebung seitens der Glaubensgemeinschaft betreffe  – eine Erhebung, die jedenfalls eine Unterwerfung unter die Autorität darstelle –, und seinem eigenen sursum corda zu unterstreichen, das als Ermutigung nicht für alle, »sondern nur für die, die Flügel haben«, angestimmt wird (S. 303). Es ist klar, daß ›Flügel haben‹ nicht bedeutet, unabhängig von Verdienst und beschwerlicher Bemühung einer göttlichen Gnade teilhaftig zu werden; für B. ist die Wissenschaft »ein überaus geeigneter Weg, um den menschlichen Geist heroisch zu machen« (Causa: BW III, S. 69). S. im Vergleich dazu Jean Calvin: Institutio Christianae religionis, IV, 17, 36. 9  vegnono instituite nove dialettiche: Hier und im folgenden verweist B. auf Petrus Ramus, unter anderem Verfasser der Dialecticae institutiones, Paris 1 1543. In De la causa bezieht sich B. ebenfalls kritisch auf weitere Werke von Ramus: Aristotelicae animadversiones und Scholae in liberales artes (vgl. BW III, S. 137). 10  Ride si sapis … Tu puella non es: Martial: Epigrammata, II, 41 (»›Lache, bist du verständig, Mädchen, lache!‹ / Sagte einst der Paeligner Dichter, glaub ich. / Doch er sagte es nicht für alle Mädchen. / Aber sagte er es für alle Mädchen, / Hat er’s dir nicht gesagt. Du bist kein Mädchen«: (Epigramme (1957), S. 106). 11  il sursum corda non è intonato a tutti: Vgl. oben, Anm. 8. 12  gli ben nati spiriti … illustrati dalla divina intelligenza: Vgl. Cena: U I, S. 458; F, S. 96. 13  Questi non denno in cose leggieri … sarà e sarà stato: Vgl. Seneca: Ad Lucilium, XLIX, 2–4. 14  »Cor«… fons vitae alba: Es handelt sich um ein Wortspiel, aus dem sich ein paradoxer Syllogismus ergibt: »›Cor‹ [Herz] ist die Quelle des Lebens, ›nix‹

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[Schnee] ist weiß: folglich ist ›cornix‹ [Krähe] die weiße Quelle des Lebens«. Vgl. einen gleichartigen Scherz bei Seneca: Ad Lucilium, XLVIII, 6. 15  absoleti: D. h. ›obsoleti‹; s. auch Cena: U I, S. 442: »una absoleta et antiquata diczione«; F, S. 81: »ein ungebräuchliches und veraltetes Wort«; Infinito: BW IV, S. 248 f.: »cose absolete et vecchie vegnono a rinuovarsi« / »altertümliche und alte Dinge werden wieder eneuert«. 16  altre simili frascarie … che promette la filosofia: Vgl. Seneca: Ad Lucilium, XLVIII, 7 u. 11. 17  È gran cosa certo che il tempo … o altre simili matesi: Vgl. zur Reflexion über die Zeit Seneca: Ad Lucilium, XLIX, 5; zur Episode, die sich auf Archimedes bezieht, Plutarch: Vita Marcelli, 19. 18  il mondo … non debba essere altrimente che come è: Dazu sei an die Behauptung der Dirne Vittoria aus dem Candelaio erinnert: »Wenn alle Herren wären, wären sie keine Herren, und wenn alle weise wären, wären sie nicht weise, und wären alle verrückt, so wären sie nicht verrückt. Die Welt ist gut, so wie sie ist« (BW I, S. 99). 19  La età lunga e vechiaia … senza proprio et altrui profitto: Vgl. zum ersten Teil des Abschnitts Seneca: Ad Lucilium, XXXVI, 4. B. verbindet hier das Studium der Mathematik und der Geometrie mit dem der Grammatik und der Logik: nützliche Studien, um der »Jugend und den Kindern« in den unteren Bildungsanstalten Instrumente und Methoden an die Hand zu geben. Aufgrund solcher Überlegungen liegt es auf der Hand, daß B. einem Humanismus pedantischer und autoritärer Art äußerst kritisch gegenübersteht, der sich über die Unterrichtspraxis in den niederen Schulen an den europäischen Universitäten mit dem Ehrgeiz verbreitet hatte, ein rhetorisch-grammatisches Mittel der Zensur nicht nur im Hinblick auf die Literatur, sondern auch die Philosophie zu sein. Dieserart vereinten sich die ›Humanisten‹ mit den Theologen zu einer gemeinsamen Front der Regelmacher (»regolisti«) gegen die libertas philosophandi. Wie ich in meinem oben, Anm. 7 zitierten Beitrag angemerkt habe, ist B.s Polemik gegen die Grammatiker philosophisch-theologischer Natur: Sie ist gegen die Schulphilosophie sowie gegen die Theologie und eine Auffassung der Philosophie als deren ancilla gerichtet. B. zufolge stellten die studia humanitatis mittlerweile eine Zügelung freier philosophischer und wissenschaftlicher Forschung unter der Maske einer Rückkehr zur Weisheit der Alten dar (man denke an die Aussage des Pedanten Prudenzio in der Cena: »Wie dem auch sei, ich für meinen Teil will mich an die Meinung der Alten halten; sagt doch der Weise: Bei den Alten ist die Weisheit«; F, S. 97; vgl. U I, S. 458 f.). In Auseinandersetzung mit der seinerzeit an den Hochschulen populären Philosophie findet B. in De la causa (U I, S. 629–631; BW III, S. 65–67) Worte der Anerkennung für die Scholastik, wobei er sich auf die Überlegungen Giovanni



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Picos della Mirandola in dem bekannten Brief an Ermolao Barbaro beruft. Zusätzlich ist zu diesen Seiten der Furori zu sagen, daß B., wie schon aus der Anspielung auf die »arteggiani« (»Handwerker«) und »meccanici« (»Arbeiter«) (S. 298 f.) hervorgeht, in seinen Schriften auch die artes mechanicae kritisch bewertet. Allgemeiner unterzieht er nicht nur die Arbeiter und die ›praktischen Geometer‹ einer Kritik, die nicht in der Lage seien, sich über die Ebene des empirischen Bereiches zu erheben, sondern auch die ›Mathematiker‹. 20  spendono la vita … la lana di capra o l’ombra de l’asino: Vgl. Erasmus: Adagia, 252 (I, 3, 52: De asini umbra) u. 253 (I, 3, 53: De lana caprina). 21  Venemo ora a considerare … più ispedita e sciolta: Mit der Idee einer »freiwilligen Gefangenschaft« kehrt B. zum spezifischen Thema des Artikels zurück, der in Verbindung zum vierten Dialog des ersten Teils erneut an den Aktäonmythos anknüpft (vgl. oben, Anm. A 83, A 84, A 85, A 92). Vgl. zur Idee einer »edlen Schlinge« (nobil laccio) oben, Anm. A 24. Vgl. Canone: »E da l’ignobil numero mi sciolsi«. Sul concetto di servitù in Giordano Bruno (2010), S. 128 ff. 22  il spirito et il corpo non hanno materia commune … la sustanza delle cose: Vgl. zu diesem Abschnitt Ficino: Theologia Platonica, Buch VIII, Kap. II: TP I, S. 290–294. Hinsichtlich des Bezugs auf Jamblich verweist P.-H. Michel – vgl. Des fureurs héroïques (1954), S. 378 – auf die lateinische Paraphrase Ficinos des Jamblich zugeschriebenen De mysteriis Aegyptiorum (Ficino: Opera (1561), II, S. 1876; auch in der Ausg. der Opera von 1576 auf derselben Seite). B. scheint sich jedoch nicht auf diese Stelle zu beziehen. 23  l’eterna essenza umana non è ne gl’individui … nascono e muoiono: Vgl. Immenso: OL I/1, S. 317 f.; Imaginum: OMNE II, S. 828. 24  chiamò [Platone] l’idea uno e molti … cosa sensibile e molti: Vgl. Cusanus: De venatione sapientiae, Kap. I, das sich auf Diogenes Laertius: Vitae philosophorum, III, 64 bezieht. 25  gli matematici … la verità de sustanza sopranaturali è sopra la materia: Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch VIII, Kap. II: TP I, S. 293 f. 26  tutto quel che si pasce … per qualche specie di venazione: Vgl. Cusanus: De venatione sapientiae, Kap. I. 27  Platone … secondo maggior dignità et eccellenza: Vgl. Cusanus: De venatione sapientiae, Kap. VIII. 28  son chiamate dèi conditori … sopra gli quali … dio de gli dèi: Vgl. Cusanus: De venatione sapientiae, Kap. VIII, der sich auf Proklos: In Platonis Theologiam, III, 1 bezieht. 29  Questa verità è cercata come cosa inaccessibile … la natura che è nelle cose: Es handelt sich um den Unterschied zwischen mens super omnia (Apollo) und mens insita omnibus oder deus in rebus (Diana), auf den ich wiederholt

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hinwiesen habe. Vgl. Spaccio: BSP, S. 249 ff.; Minimo: OL I/3, S. 136. Vgl. oben, Anm. A 88, A 90, A 94. 30  Molti rimangono contenti de caccia de fiere … meno illustri: Vgl. oben, Anm. A 85, wo hinsichtlich dieser Passage auf Spaccio: BSP, S. 288 f. (BW V, S. 333 ff.) verwiesen wird. 31  Rarissimi dico son gli Atteoni … contemplar la Diana ignuda: Vgl. Oratio valed.: OL I/1, S. 6 f., wo von Minerva die Rede ist. 32  que’ doi lumi del gemino splendor de divina bontà e bellezza: Hier liegt ebenfalls ein Bezug auf die beiden intelligiblen Spezies der Gottheit vor. Vgl. oben, Anm. 57 zum fünften Dialog des ersten Teils sowie Anm. 65 zum ersten Dialog des zweiten Teils. 33  Ecce elongavi fugiens, et mansi in solitudine: Ps 55 (54),8 (»Ja, entfliehen wollte ich, weit von hier, / in der Einöde wollte ich wohnen«). 34  gli cani, pensieri: Vgl. oben, Anm. 5 zum vierten Dialog des ersten Teils. 35  libero dal carnal carcere … l’aspetto de tutto l’orizonte: B. beruft sich auf Sinnbilder, die für den Platonismus typisch sind, bezieht sich jedoch tatsächlich auf eine intellektuelle Erhöhung und eine ›Vision‹, die nur scheinbar mit dieser Tradition zu tun haben. B. unterstreicht die Einheit der allgemeinen Natur: eine Natur, die überall dieselbe materielle Substanz und dasselbe belebende Prinzip besitzt. Für B. gibt es keine ontologische Differenz zwischen sublunarischer und himmlischer Sphäre. Wie bereits oben, Anm. A 92, erwähnt, ist dieser Teil der Furori zusammen mit Cena: U I, S. 454; F, S. 92 zu lesen. Sich »vom fleischlichen Gefängnis der Materie« zu befreien heißt nicht etwa, der Erde ein vollkommeneres und glücklicheres himmlisches Reich gegenüberzustellen, sondern zu einer intellektuellen Vision des physikalischen Universums zu gelangen, dank derer es verständlich wird, daß die Natur das Seiende ist (vgl. unten, Anm. 38); in bezug auf diesen Punkt fühlt sich B. den vorsokratischen Denkern verwandt. Der Begriff der dignitas hominis ist bei B. symmetrisch zu dem der ontologischen Würde der Erde konzipiert: eine ›Welt‹, die dieselbe physikalische Wirklichkeit – dieselbe körperliche und dieselbe geistige Substanz – wie die unendlichen Gestirne aufweist, welche das Universum bevölkern; er kann daher behaupten, daß »der Mond nicht in größerem Maße Himmel für uns ist als wir für den Mond« (Cena: F, S. 93; vgl. U I, S. 456). Nachdem sich das geistige Auge von der physikalischmetaphysischen Konzeption eines geschlossenen Kosmos und einer Erde als »Körper ohne Seele und Leben und gar der Bodensatz unter den körperlichen Substanzen« befreit hat (ebd.: F, S. 92; vgl. U I, S. 454 f.), kann es sich dem Unendlichen öffnen: nicht so sehr der Idee eines persönlichen unendlichen Gottes, als vielmehr der eines unendlichen Universums, das unendliche Welten in sich begreift.



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36  Vede l’Amfitrite, il fonte de tutti numeri … essenza de l’essere de tutti: Wie man in De minimo lesen kann, ist Gott »monadum monas« (Minimo: OL I/3, S. 146); die Monas ist das Wesen der Zahl, Quelle aller Zahlen; vgl. ebd., S. 136, 139 f., 152, 209; Monade: OL I/2, S. 407. Vgl. Corpus Hermeticum, Bd. I, tractatus IV, 10. In der griechischen Mythologie ist Amphitrite die Braut des

Poseidon (in der Odyssee findet sie als Allegorie des Meeres Erwähnung). In den Furori bezieht sich B. im Zusammenhang mit Okeanos auf die Göttin (vgl. Darlegung, S. 36 f.) im Sinne einer Allegorie des unendlichen Universums. Die Allegorie taucht mit unterschiedlichen Schattierungen auch in der Cena und der Cabala (vgl. U I, S. 515 [Anm. d. Übers.: in Cena: F, S. 161 fehlt der entsprechende Satz] u. 581; BW VI, S. 75) sowie in den lateinischen Schriften auf, z. B. in der Lampas triginta statuarum, in De magia und De rerum principiis. 37  dalla monade … prodece questa monade … il sole nella luna: B. beruft sich auf die erste Sentenz des Liber viginti quattuor philosophorum, die er seinen Absichten anverwandelt: »Deus est monas monadem gignens, in se unum reflectens ardorem«. Vgl. auch die vierte Sentenz: »Deus est mens orationem generans, continuationem perseverans«. B. bezieht sich in seinen Schriften auch auf die neuplatonisch-pythagorische Konzeption der ›Migration‹ der Monas in die Dyade; vgl. Minimo: OL I/3, S. 269 ff.; Monade: OL I/2, S. 328 ff. 38  Diana, quell’uno che è l’istesso ente … l’istesso vero: Die unendliche Natur – natura naturans und zugleich natura naturata – ist das göttliche »Seiende selbst«. Vgl. Acrotismus: OL I/1, S. 109: »natura est ipsa universalis rerum substantia, et ipsum quod est« (»Die Natur ist die universale Substanz der Dinge selbst und das, was ist, selbst«); vgl. für weitergehende Ausführungen auch in bezug auf Ex 3,4 Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno. Percorsi della filosofia di Giordano Bruno (2003), S. 155–157. Infolgedessen mißt B. der Natur die Eigenschaften des Seienden bei – die Transzendentalien der Scholastik  –, insbesondere das Trinom unitas, veritas, bonitas. Vgl. Darlegung, S. 26–29 (mit Bezug auf den dritten Dialog des zweiten Teils) sowie oben, Anm. A 93. Dialogo terzo / Dritter Dialog 1  Dialogo terzo: Vgl. oben, Anm. A 93. Der Dialog stellt acht Primärso-

nette vor (S. 320–327, 330–335). Aufgrund seiner Thematik hängt er mit dem vorhergehenden Dialog zusammen: der Unmöglichkeit für den Menschen – wie alle Dinge, die im Universum existieren, ein zusammengesetztes Wesen –, eine direkte Erkenntnis (eine ›Schau‹) des Unendlichen in seiner Absolutheit und Einfachheit zu erlangen. Für den Menschen bringt die Öffnung gegen-

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über der Erfahrung des Unendlichen eine Kenntnisnahme der »Unverhältnismäßigkeit und Fehlerhaftigkeit der Anschauung und des Erkenntnisvermögens […] göttlichen Dingen gegenüber« mit sich (Darlegung, S. 28 f.). Apollo, Allegorie des absoluten Lichts, bleibt für den Menschen »cosa inaccessibile, […] oggetto inobiettabile, non sol che incomprensibile« / »ein unzugängliches Etwas […] ein nicht zu vergegenständlichender Gegenstand, und nicht nur […] ein unbegreiflicher« (Furori, II, 2, S. 314 f.), insofern »die menschliche Vernunft [l’intelletto umano] von endlicher Natur und ein endlicher Akt« ist, wenngleich mit einem unendlichen Vermögen begabt, da er an der Unendlichkeit und Ewigkeit »im Objekt« teilhat (Furori, I, 5, S. 212 f.). Der vorliegende Dialog hängt betreffs der Konzeption eines Zusammenwirkens von Verstand und Willen in der Erkenntnis mit dem dritten und vierten Dialog des ersten Teils zusammen; in diesen Dialogen wird betont, daß die Grenzüberschreitung sowohl dem Verstand als auch dem Willen angehört (vgl. oben, Anm. A 80, A 83, A 85). Für B. muß ein Parallelismus zwischen dem Inneren unserer selbst und der Außenwelt anerkannt werden: Im vorliegenden Dialog hebt er hervor, daß dem psychologischen und erkenntnistheoretischen Parallelismus von Verstand und Willen ein Parallelismus physikalisch-kosmologischer und ›metaphysischer‹ Art entspricht (vgl. oben, Anm. A 96). 2  Interlocutori / Liberio, Laodonio: Die beiden Gesprächspartner des vorliegenden Dialogs scheinen die einzigen zu sein, die unter den insgesamt zehn in den Furori vorkommenden Gesprächspartnern nicht auf tatsächlich existierende Personen verweisen. Vgl. allgemein oben, Anm. A 87; vgl. eine Hypothese zum Namen Liberio in der Anm. Gentiles in DI, S. 1127 (Gentile nimmt an, daß der Name von einem alten Weiler bei Nola herrühren könne: Liveri / Liber). 3  Posando sotto l’ombra: Vgl. Hld 2,3. Siehe »sied’ a l’ombra« aus dem Sonett des fünften Dialogs des ersten Teils (S. 214 f.). Vgl. den Kommentar aus christlicher Sicht bei Origenes: Commentarius in Canticum Canticorum (1925), III, S. 181–183. Vgl. oben, Anm. A 93.  4  un cipresso: Symbol des Todes, aber auch der Unsterblichkeit; vgl. oben, Anm. A 93.  5  l’alma intermittente: Hier wird auf die mittlere Position der Seele zwischen Zeit und Ewigkeit angespielt, von der auch in der zweiten Sentenz des Liber de causis die Rede ist (vgl. oben, Anm. A 93).  6  l’intendere, il vedere, il conoscere … accende il desio: Vgl. Darlegung, S. 26 f.: »non si può amare più che intendere, e tutto quello ch’in certo modo si desidera, in certo modo ancora si conosce« / »ob man nicht eher fähig sei, zu lieben als zu verstehen, und ob alles, was man auf gewisse Weise begehrt, auf gewisse Weise auch erkennt«. Vgl. im Hinblick auf das scholastische Dik-



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tum nihil volitum nisi praecognitum, das seinerseits auf die Sentenz ignoti nulla cupido aus Ovids Ars amatoria zurückgeht, oben, Anm. A 85 u. A 93 (s. außerdem Anm. 35 zum vierten Dialog des ersten Teils). Vgl. Furori, I, 4, S. 138 f.; s. auch Cena: U I, S. 446: »Oltre che non posso inamorarmi di cosa ch’io non vegga«; F, S. 85 »Überdies kann ich mich nicht in etwas verlieben, was ich nicht sehe«.  7  Die’ natura doi lumi a questo picciol mondo per governo: Man denke an Spaccio: BW V, S. 25: »daß man in einem jeden Menschen, in einem jeden Individuum eine Welt, ein Universum vor sich sieht«; bei den beiden Lichtern handelt es sich um Verstand und Willen. Vgl. oben, Anm. A 84.  8  per via d’antiperistasi: Vgl. zum Begriff der Antiperistasis Aristoteles: Physik, 215a15 u. 267a12–20, sowie Meteorologica, 348b2–17. Vgl. im Hinblick auf B.s Überlegungen zur Antiperistasis Ch. de Bovelles: Libellus de nichilo, in: ders.: Liber der intellectu, Liber de sensu … (1510), Bl. 72v; vgl. auch Ars oppositorum, ebd., Kap. VI. Der Begriff kommt auch in den lateinischen Schriften B.s vor.  9  la coincidenza dei contrarii … nel libro De principio et uno: Vgl. Causa: BW III, S. 250–263. 10  voglio supponere … gli contrarii nel medesimo geno son distantissimi: Wie bekannt, lehnt B. diese aristotelische Konzeption ab; ihm zufolge sind »die Gegensätze und die Widersprüche […] in ein und derselben Substanz zugleich gegeben« (»circa unam rerum substantiam contraria contradictoriaque concurrent«: Acrotismus: OL I/1, S. 109). 11  ch’a i monti fa Deucalion ritorno?: Deukalion und seine Frau Pyrrha wurden von Zeus verschont, als dieser sich entschied, die verderbte menschliche Rasse durch eine apokalyptische, neuntägige Sintflut zu vernichten. Deukalion und Pyrrha retteten sich in einer Arche, die auf dem Parnaß in der Phocis landete. Vgl. Ovid: Metamorphoses, I, 196–239 u. 313–415. Deukalion wird auch im siebten Sonett von Dialog V des ersten Teils (S. 186 f.) erwähnt. 12  né ancora sarebbe cossì se l’uno fusse finito e l’altro infinito: Vgl. Aristoteles: Physik, 204b10–22. 13  perché essendo infinito l’oggetto de la mente … il brama, il cerca: Vgl. oben, Anm. 57 zum ersten Dialog des zweiten Teils sowie Anm. A 80, A 83 u. A 85. 14  il summo della specie inferiore è … principio della specie superiore: Vgl. Ficino: In Philebum, in: Opera omnia, II, S. 1243. 15  per essere infinito il sommo bene … si diffonde: Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch X, Kap. VIII: TP II, S. 86.

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16  non è specie definita … la specie de l’affetto: Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch X, Kap. VIII: TP II, S. 87. 17  due specie di infinità … privazione e tenebre: Vgl. Furori, I, 3, S. 106–109 u. die entsprechende Anm. 30; s. Thomas von Aquin: Summa theologiae, I, q. 7,

art. 1–3. 18  la fonte de vita eterna: Vgl. Joh 4,14. 19  fonte d’acqua viva: Vgl. Jer 2,13; Offb 21,6. 20  è felicità … e per consequenza gusto: Vgl. Ficino: Theologia Platonica, Buch XVIII, Kap. VIII: TP III, S. 218–220. Dort greift Ficino auf Thomas von Aquin: Summa contra Gentiles, III Kap. LXII–LXIII zurück. 21  nelli cibi del corpo … viene ad aver fastidio e nausea: Vgl. Thomas von Aquin: Summa contra Gentiles, III Kap. LXII; Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 18. 22  Ecco come l’umor de l’Oceano non estingue quel vampo: Vgl. Hld 8,7. 23  Accedet homo ad cor altum, et exaltabitur Deus: »Der Mensch soll nach einem stolzen Herzen streben; und Gott wird verherrlicht werden«: Ps iuxta LXX 63,7–8. 24  Cotal felicità d’affetto comincia da questa vita … ha il suo modo d’essere: Vgl. Thomas von Aquin: Summa contra Gentiles, III, Kap. LXII, 7. 25  l’anima con la gemina facultade … in potenza attiva: B. bezieht sich erneut auf die Konzeption eines zweifachen Horizonts der Seele; vgl. oben, Anm. A 93 für den Verweis auf die zweite Sentenz des Liber de causis. Vgl. Furori, I, 3, S. 112 f.; I, 4, S. 134 f. u. 144–151; II, 1, S. 268–271 sowie die dazugehörigen Anmerkungen. 26  superiore illuminatrice intelligenza: Der »tätige Verstand oder Verstand als Akt« des Menschengeschlechts. Vgl. Furori, I, 5, S. 182–185 sowie die entsprechenden Anm. 22, 24 u. 25. 27  avendo contratta in sé la divinitade, è fatto divo: Vgl. Furori, I, 4, S. 122 f.; I, 5, S. 198–201. sowie Anm. 15 zum vierten Dialog des ersten Teils u. Anm. 40 zum fünften Dialog des ersten Teils. Vgl. oben, Anm. A 83 u. A 85. 28  primieramente la cognizione muove l’affetto … l’affetto muove la cognizione: Vgl. zum Verhältnis zwischen Erkenntnis und Begehren/Gefühl (d. h. Verstand und Willen) die Reflexionen B.s in der Darlegung (S. 26–29), die sich auf den vorliegenden Dialog beziehen; vgl. auch Furori, II, 1, S. 268 f. Vgl. zu diesem Thema und für verschiedene Hinweise  – auf Thomas von Aquin, Ficino u. a. – oben, Anm. A 93 sowie A 80 u. A 85. 29  acciò non sazie … per studio infinito … sempre cerca: Vgl. Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 33 f. 30  la felicità de dèi … desio de quelli: Vgl. Platon: Phaidros, 247e; Ficino: Theologia Platonica, Buch XVIII, Kap. VIII: TP III, S. 204 f.



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31  Esuries satiata, satietas esuriens: Vgl. Sir 24,29 (21): »qui edunt me

adhuc esurient / et qui bibunt me adhuc sitient« (»Wer mich verkostet, den hungert noch, / und wer mich getrunken, den dürstet noch«). 32  il divino amore piange con gemiti inenarrabili: Vgl. Röm 8,26. 33  con questo che … ama tutto ha tutto: Vgl. zu dieser Thematik, wenngleich in einer anderen Perspektive, Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 203, 346 f. 34  l’amor divino … aspira alla divinità: Vgl. Minimo: OL I/3, S. 136: »Influit Deus per naturam in rationem. Ratio attollitur per naturam in Deum. Deus est amor, efficiens, claritas, lux. Natura est amabile, obiectum, ignis et ardor. Ratio est amans, subiectum quoddam, quod a natura accenditur et a Deo illuminatur« (»Durch die Natur wirkt Gott auf die Venunft ein. Die Vernunft erhebt sich durch die Natur zu Gott. Gott ist Liebe, Wirkursache, Herrlichkeit und Licht. Die Natur ist liebenswürdig, Gegenstand, Feuer und Glut. Die Vernunft ist Liebende, ein Subjekt, das von der Natur entflammt und von Gott erleuchtet wird«). Es ist darauf hinzuweisen, daß B. in seinen weiteren lateinischen Schriften das Thema der höchsten Triade des Seienden unter Rückgriff auf die Begrifflichkeit der Platoniker behandelt; während er in der Lampas triginta statuarum von Mens, Intellectus primus und Spiritus spricht (»plenitudo, idearum fons et lux«), ist in der Summa terminorum metaphysicorum von Deus seu mens, Intellectus seu idea und Amor seu anima mundi die Rede.

Dialogo quarto / Vierter Dialog 1  Dialogo quarto: Vgl. zur Interpretation des Dialogs oben, Anm. A 94.

Im Dialog, der neun Sonette beinhaltet (S. 346–361), wird eine Allegorie von neun Blinden vorgelegt. Wie B. in der Darlegung präzisiert, werden durch diese Allegorie »die neun Gründe für die Unfähigkeit, Unverhältnismäßigkeit und Fehlerhaftigkeit der Anschauung und des Erkenntnisvermögens des Menschen [dell’umano sguardo e potenza apprensiva] göttlichen Dingen gegenüber versinnbildlicht und auf manche Weise erklärt« (S. 28 f.); im Text wird in der Tat hervorgehoben, daß die Allegorie »neun Ursachen darstellt, aufgrund derer es dazu kommt, daß der menschliche Geist [l’umana mente] dem göttlichen Objekt gegenüber blind ist, so daß er seine Augen nicht darauf heften kann« (S. 360 f.). Es handelt sich folglich um eine Blindheit des menschlichen Geistes als Konsequenz eines metaphysischen Anspruchs, der gerade daher rührt, daß »der Akt des Willens, der auf das Gute bezogen ist, ebensowenig begrenzt« ist »wie der Akt der Erkenntnis, der sich auf das Wahre bezieht« (S. 26–28). Nach einem unendlichen Objekt zu streben ist etwas ganz

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anderes, als es in seiner Absolutheit zu erlangen, insofern letztere unendliche Daseinsweisen in absoluter Einfachheit impliziert. In den Furori beabsichtigt B. durchaus, ganz allgemein die Ansprüche der Metaphysik und der Theologie anzuprangern. (Als Symbol nicht nur des vorliegenden Dialogs könnte das bekannte Emblem Quae supra nos, nihil ad nos Andrea Alciatos gewählt werden; vgl. Alciato: Il libro degli emblemi (2009), Emblem XXVIII, S. 173–176). B. setzt sich jedoch auch zum Ziel, die Probleme einer Naturphilosophie wie der eigenen zu verdeutlichen, welche die Natur als unendliches Sein zum ›Gegenstand‹ hat. Wie bereits Francesco Fiorentino aufgezeigt und Giovanni Gentile in seiner Ausgabe dokumentiert hat (vgl. DI, S. 954, Anm. 2 u. S. 1140 f., Anm. 1), hat B. für den vorliegenden sowie zum Teil für den darauffolgenden Dialog eine Inspirationsquelle in der bereits angeführten Hirtendichtung La cecaria seguita da l’illuminazione Marc’Antonio Epicuros gefunden (in der Cecaria treten lediglich drei Blinde auf), ein Werk, das im Laufe des 16. Jahrhunderts wiederholt aufgelegt wurde. Die Erstausgabe der Tragikomödie wurde ohne den zur »illuminazione« gehörigen Teil 1525 in Venedig veröffentlicht; fünf Jahre später erschien, ebenfalls in Venedig, die erste Ausgabe, die auch den zweiten Akt enthielt. Für diverse Vergleiche mit dem Text der Cecaria sind die Anm. in DI, S. 1143 ff. immer noch brauchbar. 2  Interlocutori / Severino, Minutolo: Auch diese beiden Gesprächspartner sollen auf zwei Nolaner zurückgehen, die tatsächlich zu B.s Zeiten gelebt haben, wahrscheinlich Francesco Severino und Giovan Geronimo Minutolo. Vgl. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), I, S. 27, 53 u. 64 sowie die Anm. Gentiles in: DI, S. 1141 f. Vgl. oben, Anm. A 87. 3  Parla il primo cieco … per esser di terra inutil pondo: Vgl. Epicuro: La cecaria (1942), S. 3; auch im Text Epicuros hat der erste Blinde  – Der Alte (Il Vecchio) – einen Führer. 4  l’altro che morsicato dal serpe de la gelosia … Va senza guida: Vgl. Epicuro: La cecaria (1942), S. 3; auch im Text Epicuros hat der zweite Blinde – Der Eifersüchtige (Il Geloso) – keinen Führer.  5  Da la tremenda chioma ha svèlto Aletto l’infernal verme: Es handelt sich um eine der drei Erinnyen; s. Ovid: Metamorphoses, IV, 495–499. Vgl. Tansillo: Il canzoniere edito ed inedito, Bd. I (1996), Sonett XCIX (Vers 1–2), S. 142: »Dunque, dopo tant’anni a dar di morso, / verme infernal, mi vien sì crudelmente«. Vgl. auch Epicuro: La cecaria (1942), S. 39.  6  né sacra pianta, né virtù de pietra, né soccorso divin scampo m’impetra: Vgl. die Verse 9–11 des zitierten Sonetts XCIX Tansillos: »Non spero che virtù d’erbe o di pietre, / o forza di parole, o man d’uomo marso / mi sani, o priego altrui scampo m’impetre« (Tansillo: Il canzoniere edito ed inedito, Bd. I (1996), S. 142 f.). Vgl. auch Epicuro: La cecaria (1942), S. 17.



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 7  l’altro … gli è stemprata la vista: Vgl. »la causa del suo male« (»die Ursa-

che seines Leidens«) im Bericht des dritten Blinden (Il Terzo) in Epicuro: La cecaria (1942), S. 24 f.; Platon: Politeia, 515e–516a.  8  ch’accader suole a un allievato nelle oscuritadi cimmerie: Der Passus bezieht sich auf die Höhle, in der der Schlaf wohnt; vgl. Ovid: Metamorphoses, XI, 592–596.  9  il lume gemino splendente in prora a l’alma: Verstand und Wille. S. oben, Anm. A 84; vgl. auch Furori, II, 3, S. 322 f. u. Anm. 7 zum dritten Dialog des zweiten Teils. 10  il quarto cieco … coloro … non odeno gli strepiti minori: Der vierte Blinde stellt eine Allegorie dessen dar, der aufgrund allzu großer Konzentration auf einen hervorragenden und exklusiven Gegenstand nichts anderes sieht, ja, anderem gegenüber unempfindlich wird. B. bezieht sich vor allem auf die Bedürfnisse der Körperlichkeit, gleichsam als ob es zur Ignorierung einer Hemisphäre des zweifachen Horizonts der Seele kommen würde (s. oben, Anm. A 93). Er betrachtet eine solche Form der Blindheit nicht als negativ, sondern geradezu als »heroisch« (S. 366 f.). Vgl., was B. im fünften Dialog des ersten Teils in bezug auf Epikur schreibt (S. 196–199). 11  coloro che han fatte l’orecchie a gran strepiti … il gran fiume Nilo … alla pianura: Vgl. Cicero: De re publica (Somnium Scipionis), VI, 19. 12  Il sesto orbo è cieco … non gli è rimasto umore: Vgl. Epicuro: La cecaria (1942), S. 9; es handelt sich um den Zustand, in dem sich der Alte (il Vecchio) befindet. 13  l’umida sustanza … tener unite ancora le parti varie e contrarie: Vgl. zum Begriff des feuchten Elements als zusammenhaltende Substanz Aristoteles: De generatione et corruptione, 334b34 ff.; Principiis: OM, S. 592, 630 ff.; Immenso: OL I/2, S. 151–154, 267. 14  Occhi non occhi; fonti, non più fonti: Vgl. Petrarca: Canzoniere, 161, 4 (»Oi occhi miei, occhi non già, ma fonti!«); Tansillo: Il canzoniere edito ed inedito, Bd. I (1996), Madrigal XVI (Vers 1–2), S. 172 (»Occhi leggiadri e belli, / occhi, non occhi«). Es sei darauf hingewiesen, daß der Ausdruck »Occhi? non occhi« auch in I due pellegrini Tansillos auftaucht, einer Hirtendichtung, die gerade auf die Cecaria Marco Antonio Epicuros zurückgreift. Vgl. Tansillo, I due pellegrini, Vers 614, in: ders.: L’egloga e i poemetti (1893), S. 26. 15  dissolvere gli corpi tutti ne gli loro atomi: Vgl. Principiis: OM, S. 588– 590, 636 ff. Wie man in der Cabala liest, sieht B., »wie die Parze nicht nur dem Genus der körperlichen Materie nach den Körper des Menschen von dem des Esels ununterschieden macht und [damit] den Körper der Tiere vom Körper der für seelenlos erachteten Dinge, sondern auch dem Genus der geistigen

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Materie nach die Seele des Esels ununterschieden von der des Menschen sein läßt« (Cabala: BW VI, S. 73). 16  per virtù dell’acqua … a far un subsistente composto: Vgl. oben, Anm. 13. 17  nessun desiderio naturale è vano: B. zufolge, der in bezug auf diesen Punkt durchaus aristotelisch zu nennen ist, gibt es in der Natur nichts Vergebliches, so wie »es in der Natur nichts Zufälliges geben kann« (»Natura fortuitum nihil esse potest«: Acrotismus: OL I/1, S. 108). In dieser Perspektive, die betreffs des Menschen mit dem Prinzip in Verbindung steht, dem zufolge man »alles, was man auf gewisse Weise begehrt, […] auch auf gewisse Weise« erkennt (Darlegung, S. 26 f.: »tutto quello ch’in certo modo si desidera, in certo modo ancora si conosce«; vgl. oben, Anm. A 93), kann B. zufolge der Erkenntnisdrang des Menschen niemals für vergeblich gehalten werden. 18  possiamo certificarci de stato più eccellente … al suo oggetto: Vgl. Thomas von Aquin: Summa contra Gentiles, III, Kap. XXV, 9–10, u. Kap. LI; Ficino: Theologia Platonica, Buch XIV, Kap. II: TP II, S. 251 u. Theologia Platonica, Buch XVIII, Kap. VIII: TP III, S. 210. 19  l’animo umano … in questo stato … peregrino in questa regione: S. oben, Anm. 41 zum dritten Dialog sowie S. 143 u. 153 des vierten Dialogs, S. 175 des fünften Dialogs jeweils des ersten Teils. Vgl. für B.s Verständnis des menschlichen Strebens nach dem »universum bonum« und dem »universum verum« Vinculis, OL III, S. 659 f. u. 692 f. 20  vien ad esser cieco … secondo l’opinion commune è stolto e pazzo: B. zufolge kehrt »die allgemeine Ansicht« die Wirklichkeit um (vgl. Furori, I, 1, S. 60–63), eine ›Umkehrung‹, die auf Erasmus’ Lob der Torheit verweist, insbesondere auch auf die Sileni Alcibiadis: Adagia, 2201 (III, 3, 1). Für B. ist die ›sinnliche‹ Welt verrückt und blind (Furori, I, 4, S. 122 f.). 21  cotal estravaganza è di due maniere … gli più, e gli ordinarii: Vgl. Furori, I, 3, S. 91 ff. 22  Attenuati sunt oculi mei suspicientes in excelsum: Jes 38,14 (»Ermattet blicken meine Augen zur Höhe«); vgl. Furori, I, 3, S. 109. 23  non è richiesto van discorso di tempo … e se gli apre: Vgl. Plotin: Enneades, V, 3, 17; Ficino: In Enneades, in: Opera omnia, II, S. 1762 f. 24  Qui quaerunt me invenient me: Vgl. Mt 7,7–8 (»Suchet, und ihr werdet finden. […] Denn jeder, der bittet, empfängt, und wer sucht, findet«) u. Jer 29,13 (»Wenn ihr mich sucht, werdet ihr mich finden, weil ihr mich aus ganzem Herzen gesucht habt«). 25  Qui sitit, et bibat: Vgl. Joh 7,37 (»Wen dürstet, der komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt«). 26  La quarta … non è veramente indegna: S. oben, Anm. 10. Vgl. Platon: Politeia, 515e–516e.



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27  indegna … dalla consuetudine di credere … senso commune: In seinen

Schriften geht B. wiederholt auf die Macht der Gewohnheit ein, eine aristotelische Thematik (vgl. Metaphysik, 995a3–6), die innerhalb des Aristotelismus insbesondere von Averroës weiterentwickelt wurde. Von einer allgemeinen Überlegung betreffs der Verankerung ›kindlicher‹ Überzeugungen, die vor allem auf Gemeinplätzen basieren, verwandelt sie sich in ein Mittel zur Kritik all dessen, was aus reinem Glauben angenommen wird, und es ist offensichtlich, daß B.s Auseinandersetzung sowohl philosophischen als auch religiösen Charakter hat. B. zufolge ist selbst Averroës mit seinem Aristoteles-Kult ein Opfer jener consuetudo credendi, die er in seinen Werken zum Gegenstand der Untersuchung macht (vgl. Cena: F, S. 102–104 [U I, S. 463 f.]; Infinito: BW IV, S. 251–255; Cabala: BW VI, S. 91). 28  come exemplificò Alcazele et Averroè: Die These, auf die sich B. bezieht, geht eigentlich auf Averroës zurück, der scharfe Kritik an al-Gazâlî übte, seinerseits ein Kritiker der Philosophie von traditionellem religiösen Standpunkt aus. B. verbindet die beiden Autoren aller Wahrscheinlichkeit nach aus Gründen der Vorsicht (vgl. auch Cena: F, S. 172; U I, S. 523). 29  color che … sono consueti a mangiar veneno … la comun natura: Vgl. den berühmten Prolog Averroës’ in seinem Kommentar zum dritten Buch der aristotelischen Physik; dazu ist zu präzisieren, daß in der Ausgabe von 1550 (und der von 1562) der Opera omnia Aristoteles’ bei Giunta das Prooemium in Verbindung mit Kommentar 60 in das erste Buch verlegt wurde (Averroës: In Physicam, in: Aristotelis Opera cum Averrois commentariis [1962: Repr. der Ausg. Venetiis 1562], IV, Bl. 36r–v; vgl. die Vorbemerkung ebd., Bl. 85r). Vgl. außerdem Averroës: Destructio Destructionum Philosophiae Algazelis (1962: Repr. der Ausg. Venetiis 1562), Bl. 90v–91r. Bekanntlich verfaßte Averroës das Werk Die Inkohärenz der Inkohärenz (Tahâfut al-Tahâfut) als Streitschrift gegen Die Inkohärenz der Philosophen al-Gazâlîs. 30  figure, similitudini … che gli Peripatetici comprendono sotto il nome de fantasmi: Wie bereits erwähnt, bezieht sich B. in seinen Schriften häufig auf die Sentenz der Aristoteliker: »nihil est in intellectu quod prius non fuerit in sensu« (vgl. De anima, 432a8); infolgedessen »intelligere est phantasmata speculari, et intellectus est vel phantasia vel non sine ipsa«, daher »non intelligimus, nisi phantasmata speculemur« (Thes. de magia: OM, S. 376; Explicatio: OMNE II, S. 120; Imaginum: OMNE II, S. 488). Vgl. zu dem Thema, auch im Hinblick auf einige Reflexionen Aby Warburgs und Frances Yates’, Canone: Destini incrociati: Warburg, Yates e le immagini in Bruno (2014), S. 371–384. 31  la più alta … cognizion de cose divine sia per negazione e non per affirmazione: Vgl. Dionysius Areopagita: De mystica theologia, Kap. II; Furori, II, 1, S. 248 f.

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30.

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32  in questo stato detto »speculator de fantasmi« dal filosofo: S. oben, Anm.

33  dal teologo »vision per similitudine speculare et enigma«: 1 Kor 13,12. Vgl. Furori, I, 3, S. 104 f. u. II, 1, S. 264 f. Vgl. Augustin: Confessiones, VIII, 1.1. 34  come color che son dentro l’antro … ma le ombre de ciò che fuor de l’antro sustanzialmente si trova: Vgl. Platon: Politeia, 514a ff.; Furori, I, 3, S. 110 f. 35  per »immediata conversione« possa riveder sua luce: Vgl. Plotin: Enneades, IV, 8, 1. 36  come per mezzo della luce … si mette in effetto l’atto del vedere: Vgl. Pla-

ton: Politeia, 507d–508a. 37  regione intellettuale dove splende il sole dell’intelletto agente: Vgl. die »Hemisphäre der Vernunftsubstanzen« in Furori, II, 2, S. 316 f. Vgl. zum Begriff der zwei Hemisphären und des zweifachen Horizonts der Seele oben, Anm. A 93. 38  mediante la specie intelligibile: In den Anmerkungen wurde wiederholt auf das Thema verwiesen; vgl. oben, Anm. A 90. 39  ruota delle mutazioni: Vgl. oben, Anm. A 89. 40  con far che l’affetto precorra a l’intelletto: Vgl. oben, Anm. A 93. 41  avviene a chi vede Giove in maestà, che perde la vita: Bezug auf Semele, die im blendenden Schein des Zeus zu Asche wird; vgl. Ovid: Metamorphoses, III, 305–309; B. bezieht sich auch auf Ex 33,20. 42  avviene che chi alto guarda tal volta vegna oppresso da la maestà: Spr 25,27; s. Darlegung, S. 26 f. (in bezug auf den ersten Dialog des zweiten Teils) u. Anm. A 91. 43  dicono gli teologi il verbo divino essere più penetrativo … di coltello: Hebr 4,12. 44  Averte oculos tuos a me, quia ipsi me avolare fecere: Hld 6,5 (»Wende weg von mir deine Augen, denn sie greifen mich an!«). 45  gli più profondi … teologi dicono che più si onora et ama Dio per silenzio: Vgl. Dionysius Areopagita: De mystica theologia, Kap. II–III.

Dialogo quinto / Fünfter Dialog 1  Dialogo quinto: S. oben, Anm. A 95, A 96, A 97, A 98, A 99, A 100, A 101, A 103, A 104, A 105 (vgl. auch Anm. A 94 u. Anm. 1 zum vierten Dialog).

Mehr noch als bei den anderen Dialogen der Furori ist es für das Verständnis dieses letzten, enigmatischen Dialogs wesentlich, zu berücksichtigen, was der Autor in der Darlegung erklärt, wobei er manchen Schlüssel zur Interpretation bietet (S. 30–39). In der Anm. A 96 wurden verschiedene Angaben zum



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Dialog gemacht, der eine Fabel im Stil der Hirtendramen vorstellt, wie sie in der Renaissance in Mode waren; auf diese Anm. sei auch für einige Überlegungen zur Handlung der Fabel und zu weiteren Aspekten des Dialogs verwiesen. Wie im vierten Dialog des zweiten Teils beruft sich B. auch hier auf die Hirtendichtung La cecaria seguita da l’illuminazione Marc’Antonio Epicuros. Wie dort handelt es sich auch im letzten Dialog um eine Allegorie der neun Blinden. B. legt jedoch Wert auf eine Unterscheidung zwischen beiden Dialogen: Während in der ersten Allegorie ausschließlich auf den Menschen Bezug genommen wird, insofern in ihr »neun Ursachen dargestellt« werden, »aufgrund derer es dazu kommt, daß der menschliche Geist dem göttlichen Objekt gegenüber blind ist« (S. 360 f.), hat die zweite Allegorie universellen Charakter, da sie die ganze Natur, wenngleich in anthropomorphem Gewand, betrifft. Die Widerfahrnisse der neun jungen Liebhaber, die erblinden und schließlich erleuchtet werden, sind eine bildliche Darstellung jenes Schicksals der Veränderung, die alle unendlichen zusammengesetzten Wesen betrifft, die sich im Universum befinden. Die Zahl der Liebhaber wird von B. unter anderem bewußt im Rückgang auf die neuplatonische und neupythagoreische numerologische Tradition gewählt, die er dann in De monade untersucht. Es sei daran erinnert, daß die Zahl Neun bei Platon in bezug auf die Seelen in ihrer jeweiligen Reinkarnation im Menschen zum Tragen kommt (Phaidros, 248c ff.). Vgl. betreffs dieser enigmatischen Zahl auch das Emblem XXIII Ex arduis perpetuum nomen bei Alciato: Il libro degli emblemi, secondo le edizioni del 1531 e del 1534 (2009), S. 147–149. Im Schlußdialog der Furori wird mittels der »gängigen Vorstellung von den neun Sphären«  – Zahl der imaginären Himmelssphären, aber auch der Musen sowie der Engels- und Daimonienscharen – auf die symbolische Kraft der Neun und ihrer Wurzel wie auch auf das Verhältnis zwischen Enneade und Dekade angespielt. Wie bereits hervorgehoben, beruft sich B. mit dieser Allegorie auf alle Dinge, »die sich unterhalb der absoluten Einheit befinden« (Darlegung, S. 30 f.), wobei er die Zahl Neun zum Symbol dessen erhebt, was in der Einheit inbegriffen ist, einer Einheit, die auf die Dekade und damit auf die Idee des All-Einen verweist. Der Dialog beinhaltet drei Oden (S. 382–397); bereits in den Incipits dieser Dichtungen – Di que’, madonne, che col chiuso vase; O rupi, o fossi, o spine, o sterpi, o sassi; Non oltre invidio, o Giove, al firmamento (S. 382 f., 388 f., 394 f.) – sind bedeutsame Elemente einer Reflexion auszumachen, die B. im allgemeinen im Text entwickelt und die sich zu einer Allegorie ›zusammenzieht‹, wie dies im übrigen auch für die Impresen der vorhergehenden Dialoge gilt. Diese Elemente können folgendermaßen bezeichnet werden: 1. der Verlust seiner selbst, das Vergessen (das »verschlossne Glas«); 2. der beschwerliche Weg zu einer Wiedergeburt, die auch Gedächtnis ist (in der Darlegung wie auch im Dialog

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scheint B. auf ein Gedächtnis der Art anzuspielen); schließlich kommen in der Gestalt des Okeanos, der Jupiter nicht um sein himmlisches Reich beneidet, die ›Ursachen‹ des unendlichen Alls selbst zum Ausdruck, aus denen folgt, daß alle Dinge im Universum eine innewohnende Göttlichkeit besitzen und »die Umwälzung wechselseitig und ewig« ist (Darlegung, S. 34 f.). Der Schlußdialog der Furori kann als Schlüssel zur Interpretation des gesamten Werkes dienen. Mit einer Lehrfabel, die gleichzeitig ein Rätsel darstellt, unterstreicht B., daß Veränderung und Wechsel alle Dinge im Universum betreffen; um es mit den Worten aus dem fünften Dialog von De la causa zu sagen: von den Gestirnen zu den Ameisen. Die Rede bleibt auch deshalb rätselhaft, weil der Philosoph aus Nola nicht klärt, inwieweit die Veränderung ein ›neues Leben‹ der Gestirne mit sich bringt. In den Schriften B.s wird keine endgültige Antwort auf die Frage nach der Auflösung der Himmelskörper – zu denen natürlich auch die Erde gehört – in ihre Bestandteile, d. h. körperliche und geistige Substanz, gegeben (vgl. Canone: Magia dei contrari (2005), S. 23–25; vgl. einige Interpretationsvorschläge zum Schlußdialog der Furori ebd., S. 67–91, u. ders.: »Scuoprir quel ch’il nostro vase asconde«. La lettura bruniana di una rivelazione (2007), S. 449–462). 2  Interlocutori / Laodomia, Giulia: Auch bei diesen beiden weiblichen Gestalten soll es sich um eine literarische Umgestaltung zweier tatsächlich existierender, B. bekannter Nolanerinnen gleichen Namens handeln (beide mit dem Nachnamen Savolino wie die Mutter des Philosophen). Vgl. V. Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), I, S. 64, sowie die Anm. Giovanni Gentiles in: DI, S. 1165 f. Vgl. oben, Anm. A 87 sowie zur Gestalt der Giulia Philosophisches Nachwort, S. 656 ff. 3  Un’altra volta … intenderai … il successo di questi nove ciechi: Der Ausdruck »un’altra volta« ist hier nicht im Hinblick auf die Zukunft zu verstehen, sondern im Sinne von ›bei anderer Gelegenheit‹. Da die neun Blinden eine Allegorie der neun Sphären der traditionellen Astronomie darstellen, die bei B. als imaginär gelten, ist das, was »all die Widerfahrnisse […] lehren«, als der Einsturz jener »phantastischen Mauern« dank der Konzeption eines unendlichen Universums und daher als Bezugnahme auf die voraufgehenden kosmologischen Dialoge zu verstehen. In bezug auf das, was uns das Erlebnis jener neun Blinden lehrt, ist im Blick zu behalten, was der Philosoph in der Dar­ legung schreibt (S. 38 f.): »Sodann werden die Harmonie und der Zusammenklang betrachtet, die alle Sphären, Vernunftwesen, Musen und Instrumente zusammen ergeben; da feiern der Himmel, die Bewegung der Welten, die Werke der Natur, die Rede der Vernunftwesen, die Betrachtungen des Geistes und die Bestimmung der göttlichen Vorsehung alle einmütig den erhabenen und großartigen Wandel«, man könnte sagen, ein »Hauptfest«, welches das



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Pantheon in Erinnerung ruft, auf das im dritten Dialog des Spaccio angespielt wird (BW V, S. 295). 4  questi nove ciechi … partironsi dal terreno della Campania felice: Wie im Fall der »zehn Jahre« weiter unten im Text (S. 380 f.) handelt es sich auch hier um einen autobiographischen Bezug. Es wurde bereits festgehalten, daß die verschiedenen Hinweise autobiographischer Art in den Furori in veränderter Form auftreten. Das bedeutet, daß sie nicht als exakte Bezugnahmen auf bestimmte Jahre und Situationen betrachtet werden können. B. spielt hier auf seine Abreise aus Nola an (mit dem Ausdruck von der »Scholle des glücklichen Kampanien« meint er die ›campagna‹ bei Nola; vgl. den Verweis auf die »aura Campana« in Furori, II, 2, S. 296–299). Giulia stellt ein ›Gesicht‹ der Natur dar, gleichwie der Berg Cicala im ersten Kapitel des dritten Buchs von De immenso: »Als ich einst ein Knabe war, oh hochlieblicher Berg Cicala, und dein heiterer Schoß meine jungen Eingeweide wärmte, lockte mich, wie ich mich erinnere, dein heiliges Antlitz« (»Sic quondam puero mihi, mons peramoenae Cicadae, / cum gremium geniale tuum primaeva foveret / viscera, blandiri tua lumina sancta recordor«: OL I/1, S. 313; bis S. 317 einzusehen). Vgl. oben, Anm. A 96 u. unten, Anm. 14. 5  quei che prima erano rivali: B. schreibt in der Darlegung der Furori (S. 34) hinsichtlich dieser »nove, or vedenti, or ciechi, or illuminati«: »quali son rivali ora nell’ombre e vestigii della divina beltade, or sono al tutto orbi, ora nella più aperta luce pacificamente si godeno« (mein Kursiv). Die Lage der ›Rivalen‹ entspricht derjenigen des Daseins der Individuen, die sich auf der Bühne des Lebens abwechseln. Sie lieben, begehren, sind auf der Suche und leben insofern im Schatten (ombra) und auf den Spuren (vestigio) dessen, was höchstes Gut, höchste Wahrheit und Schönheit ist, als das Dasein der Einzelwesen sich unter der Bedingung des Nicht-Bestehens einer Proportion zwischen Endlichem und Unendlichem vollzieht; demgemäß gibt B. bereits auf dem Titelblatt von De umbris idearum zu verstehen: Umbra profunda sumus. Die Situation der ›Eintracht‹, in der sich die neun jungen Liebhaber, die vormals ›Rivalen‹ waren, jetzt befinden, verweist auf einen Zustand der Ausgeglichenheit der halb-schlafenden Seelen/Monaden, die sich jedoch bald schlafend/ blind im Schoß der unendlichen, einfachen Materie in Erwartung neuen Lichtes wiederfinden werden: eines natürlichen Lichtes, das der Realität der zusammengesetzten Wesen entspricht, die sich immer im Horizont des Schattens bewegen. Dies ist ein wichtiger Punkt: das Leben der Individuen vollzieht sich gänzlich im unendlichen Universum, doch absorbiert dieses Leben die Individuen völlig; es vernichtet sie nicht, aber es hält sie als elementare Potenzialitäten in seinem Schoß. Vgl. zur Bedingung der ›Rivalität‹ derer, die lieben (Rivalen im Bereich des gleichen Geschlechts) Vinculis: OL III, S. 696 f.

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6  Il terzo giorno: So wie in Spaccio (BSP, S. 75 f.) auf den ›vierten Tag‹ der

Schöpfung angespielt wird, ist hier der ›dritte Tag‹ ebenfalls als biblische Bezugnahme zu verstehen; die Anspielung weist in diesem Fall noch emblematischeren Charakter auf. Der Ausdruck findet sich in den hebräischen wie auch den christlichen Schriften in bezug auf einen Tag der Offenbarung, der Genesung und der Erlösung. In Anbetracht dessen, was im Text vorausgeht und folgt  – »Ausweg, der sie aus der grausamen Gefangenschaft führen könne«, »nach ihrem feierlichen Abschied« –, ist es wahrscheinlich, daß der Philosoph auf eine persönliche, jugendliche Illusion von Erlösung und Wiedergeburt Bezug nehmen will, wobei er auf Hos 6,2, insbesondere Mt 16,21, Lk 9,22 u. 24,46 sowie auf 1 Kor 15,4 verweist. Vgl. die folgende Anm. 7  passando vicini al monte Circeo … qualche saga Circe: Im Hinblick auf diesen Passus bemerkt Gentile: »Die Beschreibung dieser Orte ist so beschaffen, daß man annehmen muß, der Autor habe sie auf einer seiner Reisen nach Rom besichtigt, wobei er den Weg über Capua, Fondi und Terracina eingeschlagen hat, oder noch im Mönchsstand bei einem kurzen Aufenthalt in Gaeta in einem der ältesten Klöster des Dominikanerordens in der Reichsprovinz« (DI, S. 1166 f., Anm. 2). Meines Erachtens ist der Verweis auf den Berg Circeo und auf den Wohnsitz der Zauberin als Anspielung B.s auf seinen Eintritt in den Orden, in den Schoß der Mutter Kirche zu verstehen. Wie gesagt steht Circe B. zufolge im Werk »für die alles hervorbringende Materie« (Darlegung, S. 34 f.), doch in Wahrheit stellt in den Furori die Göttin-Zauberin – Tochter der Sonne, die B. jedoch auch als »Erzeugerin und Kind von Finsternis und Schrecken« bezeichnet (ebd. u. S. 382 f.) – gleichzeitig eine Allegorie der Religion und der Kirche dar. In dieser Hinsicht kann der ›dritte Tag‹ (vgl. die vorhergehende Anm.) als Verweis auf das dritte Jahr nach 1562 angesehen werden, das gewöhnlich für das Jahr seines Aufbruchs von Nola nach Neapel gehalten wird. Tatsächlich trat er drei Jahre später, und zwar im Juni 1565, im Kloster von San Domenico Maggiore in den Ordensstand. Vgl. oben, Anm. A 18, A 96, A 104. In der Kultur des 16. Jahrhunderts ist eine Neubelebung der Gestalt der Kirke in Verbindung mit den Themenbereichen von Tugend und Laster sowie des Vergleichs zwischen Mensch und Tier zu beobachten, die auf die Debatte über die dignitas hominis in Humanismus und Renaissance zurückgehen. Ich habe auf Giovan Battista Gelli verwiesen, dessen Dialog La Circe zuerst 1549 erschien. Auch ist daran zu erinnern, daß Kirke die Schlüsselfigur des Balet comique de la Royne von Baldassarre – oder Batazarini – da Belgioioso ist. Die Aufführung des berühmten mythologischen Balletts fand im Oktober 1581 in Paris statt, als B. sich in der französischen Hauptstadt aufhielt. Der literarische Text – mit den Versen des Dichters La Chesnay – und die Partitur erschienen im darauffolgenden Jahr. Vgl. »Une invention



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moderne«. Baldassarre da Belgioioso e il »Balet comique de la Royne« (1999); dort auch eine italienische Übersetzung des Textes. Im Cantus Circaeus und in den Furori sind einige Kontaktpunkte mit dem Balet ersichtlich (vgl. z. B. »Une invention moderne« (1999), S. 123–126, 242–245). 8  un … più ardito: D. h. B. selbst; so auch S. 380 f.: »einer von ihnen, ihr Anführer«. In Anbetracht dessen, daß von der Begegnung der neun Jünglinge mit Kirke die Rede ist, ergibt sich eine naturgemäße Identifizierung des Philosophen – »Einer […] der mutiger war« – mit Odysseus. Hier ist im Blick zu behalten, daß die neun unglücklichen Liebhaber »irrend aus Wissensdrang« (S. 382 f.) sind. Wie weiter unten zu sehen ist, dauert die Irrfahrt der neun Blinden zehn Jahre, bevor sie die »britische Insel« erreichen, ebenso wie die beschwerliche Reise des Odysseus und seiner Gefährten bis zu ihrer Rückkehr nach Ithaca zehn Jahre dauert. Vgl. die allegorische Exegese bei Porphyrios: De antro Nympharum, 34, der zufolge Odysseus ein Bild dessen darstellt, »der sämtliche Stadien des Entstehens durchlebt«; zehn Jahre, die für die zehntausend Jahre stehen können, die bei Platon für den Verlauf der Seele bis zu ihrer Rückkehr in die wahre Heimat angesetzt sind: Phaidros, 248e–249a. 9  metter come il freno alla natura: D. h., eine Liebesleidenschaft im Zaum zu halten, die keine Hoffnung auf Erfüllung hat. In dem Hirtenmärchen, das die Furori beschließt, übt Kirke eigentlich eine Funktion aus, die sich nicht so sehr von der Giulias unterscheidet: Beide geben zu verstehen, daß die von den jungen Liebhabern gesuchte Erfüllung nicht in ihnen selbst liegen kann (beide Gestalten verweisen, jede auf andere Weise, auf die Religion). Die neun jungen Liebhaber hoffen, daß Kirke, die für ihre wirkungsvollen Zaubertränke bekannt ist, ihnen einen Trank verabreicht, der ein befreiendes Vergessen bewirken soll. Die Zauberin erhört dann auf grausame Weise ihre Bitte. 10  si presentò visibile un palaggio … non era manifattura d’uomo, né di natura: S. Homer: Odyssee, X, 250 ff.; Ovid: Metamorphoses, XIII, 968; vgl. »Une invention moderne« (1999), S. 125 f. 11  dissero … peggio non posseano incorrere che il morire … tanta passione: Epicuro: La cecaria (1942), S. 29. 12  In quella regia maestade … apparve quella ch’è chiamata sua figlia: Bereits in der Darlegung (S. 34 f.) wird daran erinnert, daß Kirke »Tochter der Sonne genannt wird«, d. h. Tochter des Helios (vgl. oben, Anm. A 104). Man kann hier hinzufügen, daß die Zauberin, als Tochter der Okeanide Perseis, eine Nichte Okeanos’ war. B. spielt in diesem Passus auf die Identifizierung von Helios mit Apollo an, weshalb Kirke Tochter des Apollo genannt werden kann; im allegorisch-philosophischen Horizont der Furori gewinnt die Frage an großer Bedeutung. So ergibt sich folgende Trias: Apollo (mens super omnia), Diana (Weltseele, mens insita omnibus), Circe (Materie); letztere

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bezeichnen Apollo gegenüber die Gegensätze, welcher seinerseits die coincidentia oppositorum darstellt. 13  con l’apparir de la quale veddero sparire … altri numi che gli administravano: »Nachdem sie [Circe] in ihren Garten getreten war, verschwanden die Nymphen sofort, ohne daß man wissen konnte, wozu sie geworden waren« (»Une invention moderne« (1999), S. 125). 14  vinti dal splendor di quella maestade, piegaro le ginocchia in terra: Offensichtliche Anspielung auf Kirke als Religion und Mutter Kirche, vor deren Majestät (Autorität) die neun jungen Liebhaber niederknieten und der sie ihre Herzen weihten; s. S. 382 f.: »womöglich leichtfertig bereit, ihre Herzen dir zu weihen?«. 15  Dalla quale … furono talmente trattati, che ciechi, raminghi … per spacio de diece anni: Der Passus spielt auf die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Ketzerprozeß an, der vom Provinzial des Dominikanerordens  – zur damaligen Zeit Domenico Vita – von der zweiten Hälfte des Jahres 1575 bis zum Beginn des darauffolgenden Jahres gegen B. angestrengt wurde. In den ersten Monaten des Jahres 1576 begab sich B. nach Rom, um seine Stellung vor dem Ordensbevollmächtigten Sisto Fabri da Lucca zu klären. Es ist nicht bekannt, wie er von diesem behandelt wurde, doch mit Sicherheit verschlechterte sich die Prozeßsituation; der Philosoph entschied sich daher, Rom zu verlassen und aus dem Ordensstand auszutreten. In dem Abschnitt bezieht er sich auf seine Wanderungen, erst in Italien, dann in der Schweiz und in Frankreich und, seit dem Frühjahr 1583, in England. Wie von Gentile angemerkt wird (DI, S. 1160, Anm. 4), sind die im Abschnitt angeführten »zehn Jahre« auf den Zeitraum von 1576 bis 1585 zu beziehen, letzteres Jahr das Erscheinungsdatum der Eroici furori. Vgl. oben, Anm. 4. 16  entrati sotto quel temperato cielo de l’isola britannica: S. oben, Anm. A 96 sowie Anm. 7 u. 14 zum fünften Dialog des zweiten Teils. 17  uno tra loro, il principale: S. oben, Anm. 8. 18  chiuso vase: Ein Gefäß, das Gift enthält und bei Öffnung einen bösen Zauber bewirken soll; es handelt sich auch hier um eine Anspielung auf die Religion. Vgl. Cena: U I, S. 453 (F, S. 91) sowie die Stelle über die »venefica Circe« in Immenso: OL I/2, S. 291. Vgl. zum »verschloßnen Glas« die »palme chiuse« (»verschlossenen Hände«) Jupiters in Spaccio: BW V, S. 205. 19  Un’empia Circe … ne accolse dopo vario e lungo errore: Die gottlose Kirke steht für die Kirche, die »der schönen Sonne«, d. h. Christi, Kind ist. Bei dem »verschiedentlichen, langen Irren« handelt es sich erneut um einen autobiographischen Bezug. B. trat 1565 in den Dominikanerorden ein, als er 17 Jahre alt war; wahrscheinlich hatte er bereits seit 1562 die Philosophievorlesungen an der öffentlichen Universität besucht. Aufgrund des uns bekann-



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ten Belegmaterials kann man behaupten, daß seine vorhergehende philosophische und literarische Ausbildung sich schlecht mit der christlichen Lehre vertrug; wie B. selbst während des venezianischen Prozesses erklärte (3. Verhör vom 2. Juni 1592), hatte er schon im Alter von 18 Jahren an der Inkarnation und damit an der Dreifaltigkeit gezweifelt, d. h. lediglich ein Jahr, nachdem er in den Dominikanerorden eingetreten war (vgl. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 13, S. 169 f.). 20  raccogliete quel frutto, che trovan troppo attenti al che gli è sopra: Es ist Kirke selbst, welche die neun jungen Liebhaber darauf hinweist, daß sie zu hoch hinaus wollten. Vgl. oben, Anm. A 96 sowie Anm. 1 zum vierten Dialog des zweiten Teils in bezug auf das Emblem Andrea Alciatos Quae supra nos, nihil ad nos. Vgl. zu diesem Thema Ginzburg: L’alto e il basso. Il tema della conoscenza proibita nel Cinquecento e Seicento (1986), S. 112 ff. 21  Figlia e madre di tenebre et errore: Kirke offenbart ihr zweideutiges Wesen. Wie bereits erwähnt, war die Zauberin Tochter des Helios (Feuer) und der Okeanide Perseis (Wasser); daher ihre zwiespältige Natur. B. bezieht sich auf Kirke als Allegorie der »alles hervorbringenden Materie«, einer Amphitrite, die allein Vergessen birgt. Dennoch ist offensichtlich, daß B. sich auf diesen Seiten gleichzeitig – und vor allem – auf die Religion und die Kirche bezieht. 22  facili forse a consecrart’il core: Vgl. oben, Anm. 14. 23  se la man bella è di soccorrer vaga … tanto ne tormentò, ma più ne appaga: Vgl. Tansillo: Il canzoniere edito ed inedito, Bd. I (1996), S. 143 f., Sonett C, Vers 1–7 u. 14. 24  prendete un altro mio vase fatale, che mia mano medesma aprir non vale: Die Hand, die dieses Glas öffnen könnte, ist die Hand der Diana – eine Diana, die zugleich Minerva und Venus verkörpert –, d. h. die Natur als Universalseele. (Es sei betont, daß im Text die Figur der Göttin von der Figur Elisabeths I. mit einer Zelebrierung der ›göttlichen‹ Qualitäten der Königin – »jene einzigartige Diana« – überlagert wird, die mit der Darlegung (S. 16 f.) und dem Sonett Iscusazion del Nolano / Entschuldigung des Nolaners (S. 40 f.) in Verbindung steht; vgl. oben, Anm. A 59 u. A 109). Vgl., was B. hierzu in der Darlegung (S. 34–37) in bezug auf die Gegensätze und die Wasser oberhalb und unterhalb des Firmaments schreibt (vgl. zu letzterer Frage oben, Anm. A 96). Vgl. zum zweiten Schicksalsglas die »offene Hand« Jupiters in Spaccio: BW V, S. 205, sowie BSP, S. 379, Anm. 266: s. außerdem Canone: »Scuoprir quel ch’il nostro vase asconde« (2007), S. 449–462. 25  per largo e per profondo peregrinate il mondo, cercate tutti i numerosi regni: Vgl. Darlegung, S. 36 f.; Furori, I, 5, S. 180 f. 26  alta saggezza e nobil castità giunte a bellezza: In der Darlegung (S. 36–39) werden als Bestandteile der »Dreiheit der Vollkommenheiten«

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Schönheit, Weisheit und Wahrheit aufgezeigt, während B. sich für die »dreifache Tugend« der Göttin – Diana als »erste Vernunft« – auf das Wahre, die Güte (oder auch ›das Gute‹) und die Schönheit beruft. Diese Tugenden werden im Werk mit einigen Varianten angeführt, was nicht verwundern sollte, da es sich für den Philosophen um eine Gottheit handelt, die sämtliche Vollkommenheiten umfaßt (s. die Imprese XI im fünften Dialog des ersten Teils, S. 204–209). Wie bereits zu sehen war, schreibt B. Diana die Eigenschaften des Seienden zu – die Transzendentalien der Scholastik –, insbesondere das Trinom unitas, veritas, bonitas. Die »edle Keuschheit« im vorliegenden Vers verweist auf eine der Tugenden Dianas sowie der Königin Elisabeth I. (s. oben, Anm. 23). 27  vedrete due più vaghe al mondo stelle: Es handelt sich um die »beiden Sonnen« auf S. 388 f. 28  Tra tanto alcun di voi non si contriste … mai degnamente averrà che s’acquiste: Wie im zweiten Dialog des zweiten Teils zu lesen ist, bleibt Apollo – Allegorie des absoluten Lichts – für den Menschen »ein unzugängliches Etwas […] ein nicht zu vergegenständlichender Gegenstand, und nicht nur […] ein unbegreiflicher« (S. 314 f. Vgl. oben, Anm. 29 zum zweiten Dialog des zweiten Teils u. Anm. 1 zum dritten Dialog des zweiten Teils). Man ziehe auch folgende Überlegungen aus De la causa und Spaccio heran: »die höchste Betrachtung, die sich über die Natur erhebt und die für jeden, der nicht glaubt, als etwas Unmögliches und Nichtiges erscheint« (Causa: BW III, S. 211); »Also hat jener Gott, insofern er absolut ist, nichts mit uns zu schaffen« (Spaccio: BSP, S. 257 [Anm. d. Übers.: Die dt. Übers. wurde gegenüber BW V, S. 343 geringfügig geändert]). In diesem Zusammenhang sei auch an das bereits erwähnte Emblem Alciatos, Quae supra nos, nihil ad nos, erinnert (vgl. oben, Anm. 20). 29  stimar tutti strazii un gran piacere: Vgl. das Einleitungsschreiben aus De l’infinito: »es ist eine Weisheit, die mich entflammt. Durch sie bin ich in der Unterwerfung frei, im Leid zufrieden, in der Bedürftigkeit reich und im Tod lebendig« (BW IV, S. 5). 30  Or benché sappiam vana ogni speranza … languir tutta la vita che n’avanza: Vgl. Tansillo: Il canzoniere edito ed inedito, Bd. I (1996), S. 134, Sonett LXXXVIII, Vers 12–14. 31  scuoprir quel ch’il nostro vase asconde: Hier wird auf verschiedene Dinge angespielt, doch offensichtlich enthält das ›Schicksalsglas‹, das geöffnet werden soll, die Philosophie des unendlichen Universums. 32  con le Nereidi sue questo torrente: Bei den Nereiden handelt es sich um Meeresnymphen, die sich von den Naiaden, den Quellwassernymphen, unterscheiden. Im Text wird auf die Kreisbewegung von Aufstieg und Abstieg angespielt (Darlegung, S. 33 ff.).



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33  il riferivano e proponevano per rispetto e riverenza ad una sola: Das

heißt Diana als erste Vernunft (Darlegung, S. 36: »prima intelligenza«; vgl. S. 394 f.: »l’unica Nimfa« / die »einzigartige Nymphe«), auch wenn klar ist, daß zugleich auf Elisabeth I. angespielt wird. Es scheint, als wolle B. zu verstehen geben, die Königin sei die wahre, wenngleich geheime, Schirmherrin seiner Arbeit, abgesehen von all denen, die sie jeweils unterstützt hatten. 34  si sentiro aspergere dell’acqui bramate: Vgl. Darlegung, S. 36 f. S. oben, Anm. A 96, vor allem für den Verweis bezüglich der oberen Wasser auf Origenes’ Homiliae in Genesim und auf Giovanni Picos Heptaplus. Vgl. zu diesem Schlußteil der Furori auch Epicuro: La cecaria, in: ders.: I drammi e le poesie italiane e latine (1942), S. 40–45. 35  apriro gli occhi e veddero gli doi soli: In der Anm. A 96 wurde bereits angemerkt, daß die neun Blinden, sobald sie die Augen öffnen, den Schatten oder das Bild dieses absoluten Lichtes sehen, d. h. das Licht selbst, so wie es sich in der Natur verbreitet; sie sehen »die beiden Sonnen«, insofern sowohl auf das Gestirn (natura naturata) als auch auf Diana (natura naturans) angespielt wird, »diese Monade, die die Natur, das Universum […] ist. […] jenes Eine, welches das Seiende selbst ist« (Furori, II, 2, S. 316 f.). Vgl. einige Betrachtungen zu den ›beiden Sonnen‹ – auch in bezug auf die Frage der duo luminaria (Gen 1,16) – in: Canone: ›Correre al pari‹. Interpretazione dell’epilogo dei »Furori«, in: ders.: Magia dei contrari (2005), S. 80–82. 36  se misero in ordine di ruota … un suavissimo concento: B. beruft sich für diesen Teil des Textes auf das zweite Buch von De nuptiis Philologiae et Mercurii des Martianus Capella, also auf die Gesänge der Musen zu Ehren der Philologie, die als Braut Merkurs zum Himmel auffährt (vgl. De nuptiis, II, 117–127). Nachdem sie das Sehvermögen wiedererlangt haben, singen und tanzen die neun jetzt »leidenschaftlich verzückten Bacchanten«, und, wie man sagen kann, nicht ohne Grund. In der Tat stellt gerade der Kreislauf der Veränderungen das Leitmotiv der neun Sextinen dar, d. h. des wechselhaften Wandels aller Dinge im Universum: »In der Natur vollzieht sich eine Umkehr und ein Kreislauf, durch den die höheren Dinge sich zu den niederen beugen, zu deren Vervollkommnung und Unterstützung, und zugleich sich die niederen Dinge zu den höheren erheben« (Furori, I, 3, S. 114 f.). Wie es im Einleitungsschreiben zu De l’infinito heißt: »Dies ist der Grund für die wechselvolle Veränderung des Ganzen. Dank ihrer gibt es kein Übel, dem man nicht entginge, und kein Gut, auf das man nicht träfe – während für das unendliche Feld, für die fortwährende Veränderung die gesamte Substanz eine und dieselbe bleibt« (Infinito: BW IV, S. 33–35). 37  Canzone de gl’illuminati … costei vaglia per sol tra gli astri miei: Die Canzone greift mit einer gewagten Vernetzung auf weit von einander entfernte

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Texte wie die Ilias (XV, 153 ff.) und Jesaja (14,12–15) zurück. Möglicherweise enthält die Canzone auch eine Anspielung auf den Konflikt zwischen Athene/ Hephaistos und Poseidon, also zwischen Athen und Atlantis, von dem im platonischen Dialog Kritias die Rede ist (s. Kritias, 108e ff.; vgl. Timaios, 24d–25d). Ein Konflikt, der Ficino zufolge Bezug zu dem Dualismus zwischen der intelligiblen Welt und der Sphäre der generatio hat. Vgl. Ficino, In Platonem (In Critiam vel Atlanticum), in: ders.: Opera omnia, II, S. 1485 f. Zugrundeliegendes Thema auch dieser Canzone ist der Parallelismus zwischen verschiedenen Realitäten, ein Thema, das in den Furori wiederholt auftaucht, angefangen vom Zusammenlaufen von Verstand und Willen bis zum ›Gleichlaufen‹ höchster Gottheiten, die hier in den Figuren Jupiters und Okeanos’ vertreten sind. Diese stehen ihrerseits in Symmetrie zu Apollo und Diana. Als Universalseele, der die »Dreiheit der Vollkommenheiten« und noch viele weitere Eigenschaften beigemessen werden können, kehrt letztere in der Canzone, wenngleich als ungenannte einzige Nymphe, wieder, auf die B. sich mit den Ausdrücken »lei«, »tal«, »costei« bezieht; vgl. Anm. A 96, S. 532). Dem Philosophen aus Nola geht es weniger um die Idee einer Identifizierung – von Gottheiten oder anderem – als vielmehr um die Idee des ›Gleichlaufens‹, wie aus dem Text der Canzone hinsichtlich der Schätze Jupiters und Okeanos’ hervorgeht (S. 396 f.). Hier ist klarzustellen, daß B. trotz seines Rückgriffs auf das Werk Homers Poseidon ganz bewußt mit Okeanos vertauscht: »Ursprung der Götter« und »Ursprung von Allem«, wie es in der Ilias (XIV, 201 u. 246) und in Virgils Georgica (IV, 382) heißt. Vgl. Plutarch: De Iside et Osiride, 34D (Plutarch berichtet, nach Ansicht der altägyptischen Priester hätten sowohl Homer als auch Thales die Vorstellung, daß das Wasser Prinzip und Ursprung von allem sei, von den Ägyptern übernommen, die Okeanos mit Osiris und Tethys mit Isis identifizierten). Vgl. zu Okeanos auch Boccaccio: Genealogie deorum gentilium libri, Bd. I (1951), S. 336–338; Pico della Mirandola: Heptaplus, Expositio secunda de mundo caelesti, Kap. III, in: ders.: ›De hominis dignitate‹, ›Heptaplus‹, ›De ente et uno‹ e scritti vari (1942), S. 232 (s. auch Busi-Ebgi: Giovanni Pico della Mirandola (2014), S. 187–200). Vgl. zum ›Bildnis‹ des Okeanos Cartari: Le imagini de i dei de gli antichi (1996), S. 227. Im brunianischen Text vereint Okeanos die Reiche von Poseidon und Hades in sich. Vgl. für einige Überlegungen zur Canzone oben, Anm. A 96; dort wird auch auf Gesang IV, 2 ff. von Tassos Gerusalemme liberata Bezug genommen. Vgl. zum Text der Canzone Boiardo: Opere volgari: Amorum Libri … (1962), Nr. 3, S. 4: »Tanto son peregrine al mondo e nove / le dote in che costei qui par non have, / che solo intento al bel guardo süave / a l’alte soe virtù pensier non move. // Ma più non se ralegra el summo Jove / aver fiorito el globo infimo e grave / di vermiglie fogliete e bianche e flave, / quando fresca rogiada el ciel ne piove; / né tanto se ralegra aver adorno / il ciel di stelle, e aver creato



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il sole / che gira al mondo splendido d’intorno, // quanto creato aver costei, che sòle / scoprir in terra a meza notte un giorno / e ornar di rose il verno e di vïole«. Vgl. weitere Motive ebd., Nr. 9, 13, 22, S. 13, 17, 30 f. S. oben, Anm. A 96. Vgl. für weitere Verweise meinen oben, Anm. 35 angeführten Beitrag.

IKONOGR A PHISCHER A N H A NG ZUM KOM M EN TA R

Abbildung 1 gibt den typographischen Fries wieder, der sowohl zu Beginn des ersten Dialogs des ersten Teils als auch zu Beginn des ersten Dialogs des zweiten Teils der Erstausgabe von De gl’heroici furori (London, John Charlewood, 1585) steht (vgl. Kommentar, S. 546, Anm. 1). Vgl. OI IV, S. [1275] u. [1403]; ERF, S. 31 u. 157. Die Abbildungen 5 – 32 reproduzieren die von Fritz Helmuth Ehmcke realisierten Illustrationen der 28 Impresen, die in den Eroici furori beschrieben werden. Im Geiste des Deutschen Werkbunds illu­strieren die Zeichnungen Ehmckes in vereinfachter Form die komplexen Impresen (s. für einen Vergleich mit den Illustrationen aus dem 16. Jahrhundert Abb. 2 u. 3). Ehmckes Vignetten erschienen in der zweiten Ausgabe der deutschen Übersetzung des brunianischen Werks durch Ludwig Kuhlenbeck: Eroici furori / Zwiegespräche vom Helden und Schwärmer (1907), S. 92 ff. (s. o., Editorische Notiz, S. 404). Vgl. Kommentar, S. 460, Anm. A 13 u. S. 509, Anm. A 86.

* *    *

Abb. 1: Typographischer Fries der Originalausgabe von De gl’heroici furori (1585).

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ikonographischer anhang

Abb. 2: Imprese fata obstant, in: Claude Paradin: Devises heroïques (21557), S. 161.

Abb. 3: Imprese des Carlo Spinello, Fürst von Seminara; Motto: non dum in auge, in: Girolamo Ruscelli: Le imprese illustri … (1572), Bl. 106r.



ikonographischer anhang 625

Abb. 4: Bildnis der Serapis/Sonne zusammen mit dem eines ­d reiköpfigen Tiers, in: Vincenzo Cartari, Le imagini de i dei de gli antichi  …, Venezia 1571, S. 82.

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ikonographischer anhang

Abb. 5: Furori, I, 5, S. 160, Imprese I: at regna senserunt tria.

Abb. 6: Furori, I, 5, S. 164, Imprese II: idem semper ubique totum.

Abb. 7: Furori, I, 5, S. 166, Imprese III: mutuo fulcimur.

Abb. 8: Furori, I, 5, S. 170, Imprese IV: hostis non hostis.



ikonographischer anhang 627

Abb. 9: Furori, I, 5, S. 172, Imprese V: cÆsar adest.

Abb. 10: Furori, I, 5, S. 178, Imprese VI: fata obstant.

Abb. 11: Furori, I, 5, S. 182, Imprese VII: circuit.

Abb. 12: Furori, I, 5, S. 188, Imprese VIII: talis mihi semper et ­a stro. In der Zeichnung ist irrtümlich statt »et astro« »ut astro« zu lesen, so wie es in der Übersetzung L. Kuhlenbecks steht (a. a. O., S. 108), die auf der von A. Wagner herausgegebenen Ausgabe der Opere di Giordano Bruno (Bd. II, Leipzig 1830, S. 364) beruht.

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ikonographischer anhang

Abb. 13: Furori, I, 5, S. 194, Imprese IX: ut robori robur.

Abb. 14: Furori, I, 5, S. 198, Imprese X: ab Ætna.

Abb. 15: Furori, I, 5, S. 204, Imprese XI: pulchriori detur.

Abb. 16: Furori, I, 5, S. 208, Imprese XII: novae ortae Æoliae.



ikonographischer anhang 629

Abb. 17: Furori, I, 5, S. 214, Imprese XIII: ad vitam, non ad horam.

Abb. 18: Furori, I, 5, S. 218, Imprese XIV: amor instat ut instans.

Abb. 19: Furori, I, 5, S. 222, Imprese XV: idem, itidem, non idem.

Abb. 20: Furori, II, 1, S. 230, Imprese I: iam, modo, praeterea.

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ikonographischer anhang

Abb. 21: Furori, II, 1, S. 234, Imprese II: illius aram.

Abb. 22: Furori, II, 1, S. 242, Imprese III: neque simile, nec par. Im Text heißt es »nec par« statt »neque par«, wie auf dem Spruchband und in der Übersetzung Kuhlenbecks zu lesen ist (a. a. O., S. 143).

Abb. 23: Furori, II, 1, S. 248, Imprese IV: nitimur in cassum?

Abb. 24: Furori, II, 1, S. 256, Imprese V: manens moveor.



ikonographischer anhang 631

Abb. 25: Furori, II, 1, S. 258, Imprese VI: fluctuat in portu.

Abb. 26: Furori, II, 1, S. 262, Imprese VII: mors et vita.

Abb. 27: Furori, II, 1, S. 266, Imprese VIII: scinditur incertum.

Abb. 28: Furori, II, 1, S. 272, Imprese IX: vicit instans.

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ikonographischer anhang

Abb. 29: Furori, II, 1, S. 278, Imprese X: subito, clam.

Abb. 30: Furori, II, 1, S. 284, Imprese XI: cui nova plaga loco?

Abb. 31: Furori, II, 1, S. 288, Imprese XII: fronti nulla fides.

Abb. 32: Furori, II, 2, S. 296, nicht numerierte Imprese: levius aura.

PHILOSOPHISCHES NACHWORT Die Furori im Kontext der ›nolanischen Philosophie‹: Grundthematiken des Werkes und der Schlüsselbegriff der Relation

1. Vorbemerkung Das Philosophische Nachwort basiert auf den Überlegungen des Kommentars, auf den für eine detallierte Klärung der unterschiedlichen philosophischen Themen der Eroici furori verwiesen wird, auch was einige alte und neue Quellen, z. B. Cusanus und Ficino, betrifft, auf die Bruno sich im Werk ausdrücklich oder implizit bezieht. Unter den antiken Quellen sind außer Platon und Aristoteles Plotin und Origenes zu nennen; so bezieht sich die Lehre der Leidenschaft (furor, μανία) speziell auf den Dialog Phaidros, während der Begriff des Heroischen (die virtus heroica) auf die Nikomachische Ethik verweist. Zwei grundlegende Texte für die Reflexionen über die Liebe sind natürlich das platonische Gastmahl und das biblische Hohelied. Die Eroici furori weisen ein äußerst dichtes Quellennetz auf: poetische Quellen (außer dem geliebten Tansillo und natürlich Lukrez ist hier Petrarca zu nennen, der trotz Brunos ablehnender Haltung ihm gegenüber hauptsächlicher Bezugspunkt der vielen im Text verstreuten Sonette bleibt) und unterschiedliche philosophische Quellen, unter denen man Averroes zitieren kann. Man sollte sich jedoch davor hüten, der Bedeutung der Quellen bei Bruno, wie auch bei anderen Philosophen der Renaissance oder anderer Epochen, zuviel Gewicht beizumessen. Diese Berücksichtigung, die Autoren wie Hegel, Schelling oder Schopenhauer (um nur einige zu nennen) sehr klar war, wird bei einigen gestrigen und heutigen Philosophiehistorikern undurchsichtig. Nicht zu Unrecht bemerkte Giovanni Gentile angelegentlich der Erörterung der Interpretation des brunianischen Werks seitens Felice Toccos: »Tocco spricht hier von Eklektizismus, dort von Synkretismus, wobei er nachweist, was Bruno von Aristoteles, was von Plotin übernommen hat; was von Parmenides herrührt, was wieder von Heraklit; die demokriteischen, atomi-

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sierenden Elemente und die platonischen, pantheisierenden Elemente: ein Briareus mit hundert Armen, hätte [Bertrando] Spaventa gesagt: doch wo ist Jupiter? Wo ist die Einheit, die Philosophie, der Geist Brunos? Eine Erforschung der Quellen hat ihren Wert, der nicht gering ist, verbleibt jedoch diesseits des Werks, auf das sie sich bezieht«.1 Im allgemeinen bleibt Brunos Einstellung gegenüber den Quellen diejenige, die er in De umbris idearum einnimmt, d. h. daß es ihm belassen sei, Fachwörter und Begriffe der Platoniker oder der Aristoteliker wie auch anderer philosophischer Schulen frei zu verwenden, vorausgesetzt (wie er dann in De minimo bemerkt), die Fachausdrücke würden immer dem jeweiligen spekulativen Gehalt angepaßt, weshalb sie in der eigenen philosophischen Perspektive eine andere Bedeutung als die der antiken Quellen annehmen.2 Im vorliegenden Nachwort möchte ich auf neue Weise einige thematische Verläufe und Überlegungen zur Interpretation der Eroici furori aufzeigen: ein Werk, das sich als das schwierigste in der Produktion des Autors und allgemein als eines der rätselhaftesten philosophischen Werke nicht nur der Renaissance erweist. Es ist z. B. das Problem der autobiographischen Implikationen zu berücksichtigen, die in einem philosophischen Text exzentrisch erscheinen können, während sie in einem literarischen Text für passend gehalten werden. Darüber ist auch in den letzten Jahren Verschiedenes veröffentlicht worden, doch scheinen diese Beiträge m. E. nicht das zugrundeliegende Problem ins Auge zu fassen. Nachfolgend werde ich eine Reflexion über das Thema der Relation (relatio) vornehmen, ein für das brunianische Denken wesentlicher Begriff, der in den Eroici furori, in Verbindung mit De la causa, principio et uno, De l’infinito, universo e mondi und Spaccio de la bestia trion­ fante, eine weitergehende Ausarbeitung erfährt. Diese Ausarbeitung betrifft sowohl die Reflexion über die Gegensätze, von den ursprüngLe fasi della filosofia bruniana ([1912] 31955), S. 317. Außer den in der Bibliographie verzeichneten Schriften hatte Tocco 1892 eine Studie über Le fonti più recenti della filosofia del Bruno veröffentlicht. 2 Vgl. Umbris: OMNE I, S. 38; Minimo: OL I/3, S. 135. Siehe auch Spaccio: BSP, S. 8. 1 Gentile:



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lichen Elementen (auch im Hinblick auf die Gesellschaft) bis zu den Seelenvermögen (Wasser/Feuer, Augen–Verstand/Herz–Wille), 3 als auch die Betrachtung über Diana-Apollo, d. h. über die Idee des AllEinen als entfaltetes Unendliches (die Ebene der explicatio entspricht der verständlichen Natur) und als eingefaltetes Unendliches (die Ebene der complicatio): eine Über-Natur, die für den Menschen unerreichbar und unverständlich bleibt, da sie ihm entrückt ist. Wenn man jedoch an ein wie auch immer geartetes Verhältnis der Unmittelbarkeit denkt, ist diese Über-Natur (die Substanz in ihrer absoluten Einfachheit und Unteilbarkeit) jeder natürlichen Art ›entrückt‹. Die Konzeption des All-Einen, wie sie speziell im fünften Dialog von De la causa vorliegt, scheint die Karten durcheinanderzubringen, insofern im Dialog sowohl vom Seienden als auch vom Universum die Rede ist; dies ist jedoch dem Verständnis der tatsächlichen philosophischen Perspektive des Autors dienlich, der dazu tendiert, die traditionelle metaphysische Frage auf die Ebene einer Naturphilosophie zu verlagern, die auch die ontologische Dimension einschließt. Selbst der Abschnitt der Furori über die »überwesentliche Einheit«4 ist als Adaptierung einer neuplatonischen Terminologie an die eigene ontologische Konzeption der ›Einheit‹ zu verstehen, als »Ziel- und Endpunkt aller Philosophie und aller Natur­ theorie«.5 Im Übrigen handelt es sich um dieselbe Auffassung, die in der Kanzone der Erleuchteten am Schluß der Furori zum Ausdruck kommt, d. h. um die Idee eines ›Gleichlaufens‹ der Schätze des Königsreichs Jupiters (das in diesem Fall auf die theologische Dimension des Problems des Seienden verweist) mit denen des Königsreichs Okeanos’ (die unendliche Materie) im Verein mit der Nymphe/Weltseele, das den Ausdrücken moles und mens in dem berühmten vergilianischen Vers aus der Aeneis (VI, 727) entspricht, auf die Bruno in der KanVgl. z. B. Furori, II, 2, S. 298, 300, sowie den ganzen dritten Dialog des zweiten Teils, doch wären noch weitere Bezüge nennen. 4  Furori, II, 1, S. 287. Wenn Bruno andererseits in der Cena von der »übersubstantialen Substanz« spricht (F, S. 208; U I, S. 557), scheint mir offensicht­ lich, daß es sich um das All-Eine aus dem fünften Dialog von De la causa handelt (der Verweis betrifft auch den dritten und vierten Dialog des Werks). 5  Causa: BW III, S. 211 (vgl. parallel dazu S. 181). 3 

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zone der Erleuchteten und in anderen Passagen seiner Schriften Bezug nimmt. Das Thema der relatio hängt gleichfalls mit den Begriffen vicissitudo und vinculum zusammen: die relatio betrifft sowohl Raum als auch Zeit. Eng mit dem Relationsbegriff ist der Begriff der Vermittlung verbunden: Die Vermittlung ist im wesentlichen im Bereich der Natur gegeben, der eine Brücke zwischen der rational-schattenhaften Welt des Menschen und der archetypischen Welt darstellt, welch letztere bei Bruno und in der Tradition als göttliche Welt verstanden wird. Der Relationsbegriff steht somit mit der ›Drei-Welten-Lehre‹ platonischen Ursprungs in Zusammenhang, die der Philosoph aus Nola auf originelle Weise und nicht aus der Perspektive der Platoniker entwickelt.6 Die Differenz betrifft im wesentlichen die Auffassung der intelligiblen Welt, des Bereichs der Idee, also des mundus metaphysicus. Für Bruno begründet letzterer die Struktur, das elementare Gewebe der unendlichen Natur. Die Ideen (die Essenzen) sind der Natur immanent; sie sind Elementarstrukturen, wie wir sie in der Wirklichkeit der Natur und im diskursiv-rationalen Ausdruck kennen, folglich auf eine schattenhafte Weise; wir kennen z. B. die Idee der Schönheit durch die Erfahrung dessen, was schön ist, und zwar, wie zu betonen ist, ›schön‹ in bezug auf unsere eigene Art. Die Ideen stellen die Chiffren der Natur selbst dar und betreffen, insofern sie Chiffren der natürlichen Arten sind, die verschiedenen Arten von Lebewesen. Daß Bruno in De umbris idearum wie auch in den Eroici furori und anderswo von einer intelligiblen Wirklichkeit wie von einem Vorbild gegenüber einer abgeleiteten natürlichen Realität spricht, sollte nicht leichtgläubig an den Platonismus denken lassen; im übrigen genügt es, zu berücksichtigen, daß Bruno in De la causa die platonischen Ideen als »Monster« bezeichnet.7 6 

In seinen Schriften geht Bruno wiederholt auf die Drei-Welten-Lehre ein, die auf die platonische Tradition verwies und in der Renaissance in weitreichendem Maße wiederaufgenommen wurde. Wenn – so Bruno – der Abstieg aus der ersten Welt (mundus metaphysicus) zur dritten Welt (mundus rationalis) durch einen Mittler (mundus naturalis) realisiert wird, kann auch der Vorgang des Aufstiegs allein anhand dieser notwendigen Zwischenstufe erfolgen. Vgl. z. B. Imaginum, OL I/3, S. 101. 7  Die »idealen Typen, die von der Materie getrennt sind«, bemerkt Bruno,



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Es ist das ›Vorbild‹, das, im Unterschied zum Fluktuieren des Zeugungsprinzips in der erzeugten Natur, »im Schoß der Materie« beständig ist, da es in unzähligen erzeugenden Realitäten zum Ausdruck kommt. Es muß betont werden, daß Bruno der Konzeption von Transzendenz im Sinne einer Dimension von Erkenntnis oder auch von Vision oder Anschauung (der göttlichen Sphäre) in einem Jenseits seitens des Subjekts keinerlei Glaubwürdigkeit beimißt: was das Schicksal der Individualseele nach dem Tod betrifft (den Bruno als Metamorphose begreift), kann lediglich behauptet werden, daß sie in den Schoß der Weltseele zurückkehrt, welche ihrerseits ›ein Schoß‹ im Ozean der unendlichen Materie ist. Wenn man dies berücksichtigt, wird klar, daß eine bemerkenswerte Distanz zwischen Bruno und Denkern wie Ficino besteht, um nur einen Namen zu nennen, der im Hinblick auf die Frage der Quellen Brunos oft angeführt wird:8 eine Distanz, die sicher nicht durch die naive und kaum philosophische Vorstellung einer ständigen Umkehrung ficinianischer Positionen seitens des Nolaners verringert wird. Die Beziehung zwischen der Welt der Natur und »sind, wenn sie nicht Monster sind, sicherlich noch schlechter als Monster, d. h. Chimären und leere Einbildungen« (Causa: BW III, S. 219). 8  Das Werk Ficinos hat für den Nolaner dieselbe Bedeutung, die es für viele Renaissanceautoren und spätere Denker hat: die einer Summe, ja gewissermaßen einer Enzyklopädie des Platonismus und einer diesem verwandten esoterischen Weisheit, auch eines großartigen Repertoriums von Übersetzungen griechischer Texte. Als Historiker können wir Ficino durchaus wiederentdecken und die Originalität seines Denkens würdigen (wie dies im 19. Jahrhundert Kristeller und andere Forscher getan haben), doch wäre es verfehlt, unsere Interpretation in die Vergangenheit zu projizieren. Für den philosophischen Reifungsprozeß Brunos hat Ficino keine besondere spekulative Relevanz, im Gegensatz zu Cusanus und auf anderer Ebene Kopernikus, dessen Werk für den Nolaner einen Moment der Wende im Bereich der Naturphilosophie verkörpert; in der Cena spricht er von Kopernikus’ Werk als einer »Morgenröte« (U I, S. 450; F, S. 88). In Brunos Augen ist Ficino ein Fürst der Platoniker (vgl. Canone: Bruno e l’umanesimo (2009), S. 21). Könnte man sich hier vielleicht auf die Vorstellung einer wissentlichen Auslassung einer für ihn entscheidenden philosophischen Quelle berufen? Persönlich halte ich das nicht für den entscheidenden Punkt. Die Auseinandersetzung, wie sie Bruno versteht, findet mit Platon und Plotin statt.

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der archetypischen Welt hat bei Bruno die Funktion, erstere gänzlich zu legitimieren; ihm zufolge hat nicht die Welt des Menschen, sondern die Welt der Natur – die Sphäre der Weltseele, d. h. der Seele jedes einzelnen Gestirns: der deus in rebus aus dem Spaccio9 – eine ›direkte‹ Verbindung zum Archetypen, d. h. zur Weltseele als Seele der Seelen der unendlichen Gestirne. Diese Konzeption wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Autor unter Berufung auf die neuplatonisch-hermetische Lehre vom zweifachen Seelenhorizont das menschliche Wesen als »extremorum interstitium« an der Grenze zwischen intelligibler und sensibler Welt, zwischen Ewigkeit und Zeit, zwischen archetypum und exemplatum ansieht.10 Wie aus seinen Schriften klar hervorgeht, wird die metaphysisch-ontologische Reflexion bei Bruno eng mit der kosmologischen Konzeption eines unendlichen Raumes und unendlicher Gestirne verknüpft; der Mensch ist eine Art unter den Lebe­ wesen, die das Gestirn Erde bevölkern, sowie auf indirekte Weise, d. h. durch Vermittlung der Natur, ein Modus des Seienden. Ich hatte gesagt, daß die Eroici furori das schwierigste Werk Brunos seien: dies auch, weil in ihm eine Suche (nach dem Wahren, dem Guten, der Glückseligkeit) zum Ausdruck kommt, die in der infinitistischen Perspektive, die der brunianischen Naturphilosophie eignet, nur offenbleiben kann, folglich ohne Abschluß bleibt. Die Suche ist unendlich, insofern der Gegenstand der Suche (das Universum/die Natur, die Bruno für den Ursprung und die eigentliche Heimat des Menschen hält) unendlich ist. Daß die Suche unendlich ist, bringt es mit sich, daß sie sich hinsichtlich der Subjekte (jeweils endliche Intellekte gegenüber einem unendlichen Verstandesvermögen11) und ihrer Modalitäten ständig erneuern muß. Wenn also das letzte Ziel (der Erkenntnis, d. h. der Suche nach dem Guten) immer die Vereinigung oder eine gewisse  9 

BSP, S. 250. 10  Immenso: OL I/1, S. 202. In dem bekannten Abschnitt des ersten Kapitels des ersten Buches von De immenso greift Bruno, was die Terminologie betrifft, auch auf Thomas von Aquin zurück. 11  Der menschliche Verstand ist »von endlicher Natur und ein endlicher Akt«, wenngleich mit einem unendlichen Vermögen begabt, wodurch er an Unendlichkeit und Ewigkeit »im Objekt« teilhat (Furori, I, 5, S. 213).



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Harmonie mit dem geliebten Gegenstand bleibt, müssen die Modalitäten der Suche nach dem Wahren und Guten immer verschieden sein, damit die Zeit des individuellen Bewußtseins keine verlorene oder vergebliche Zeit ist. Dies bejaht Bruno bereits in der Ars memoriae, die De umbris idearum beigefügt ist, wobei er sich auf die ars des Menschen im Gegensatz zur ars der Natur bezieht. Es ist somit kein Zufall, daß die Eroici furori mit einer Invektive gegen die ›Regelmacher‹ anheben (Dialog I, 1). Die Suche ist endlos und hat weder ein anderes Ziel noch einen anderen Lohn als die Suche selbst. Die Furori sind ein offenes Werk, in dem die autobiographische Erfahrung des Autors12 mit Reflexionen über die Zusammenhänge zwischen Erkenntnistheorie und Ethik verwoben ist; dies aus einer Perspektive – der des unendlichen Universums, d. h. einer Vielheit von unendlichen Welten –, die keine mehr oder weniger absoluten Regeln diktieren kann. Eine radikale infinitistische Philosophie ist nicht geeignet, eine Abhandlung über Moral, ein Werk von Vorschriften hervorzubringen. Noch kann offensichtlich aus diesem Grund behauptet werden, bei Bruno läge keine Ethik vor. Sicher, er hat kein Moraltraktat geschrieben, doch auch die Ethica Spinozas, um nur ein Beispiel zu nennen, ist kein Traktat nach Art der Jesuiten oder Dominikaner. Bruno hat gewiß kein Interesse daran, eine Abhandlung über christliche Moral oder ein ›scholastisches‹ Traktat in der Manier vieler Schriften aristotelischer Ausrichtung abzufassen, wie sie im 16. Jahrhundert verbreitet waren. Spaccio de la bestia trionfante und Eroici furori legen kein ethisches System, sondern eine Ethik in nuce vor, so wie für Bruno eine Ethik immer existieren muß.13 Aufgabe 12 

Eine Suche im eigentlichen Sinne, mit all ihren Zweifeln, Momenten der Krise, Überwindungen solcher Momente, Intuitionen, um hervorzuheben, daß der Philosoph keinen Zustand idealisieren sollte, als ob es sich um eine Aus­ erwählung als Lohn handele, sondern die Widersprüche leben muß, aus denen er lernt: die Auserwählung ist die Offenbarung der Suche. 13  Bezüglich des Spaccio präzisiert der Autor: »prendasi per final nostro intento l’ordine, l’intavolatura, la disposizione, l’indice del metodo, l’arbore, il teatro e campo de le virtudi e vizii«; im Anschluß spielt Bruno auf den Text der Eroici furori an, wobei er feststellt, daß dort die »universal architettura« seiner Philosophie ihre Vervollständigung finde (BSP, S. 11–12).

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eines Textes wie der Cabala del cavallo pegaseo ist gerade der, die Gewißheiten eines Wertsystems zu erschüttern, das sich auf eine ontologische Vormachtsstellung des Menschen gründet, d. h. auf die Exi­ stenz eines Wesens der vernünftigen Seele als spezifisch menschliche Seele. Das Wesen der Seele ist für alle Lebewesen gleich, das geistige Vermögen ist dasselbe; alle Unterschiede bestehen »in figurazione«.14 Die Cabala erfüllt diese zerstörende und ernüchternde Aufgabe im Hinblick sowohl auf den Spaccio als auch auf die Furori. Der Mensch, der diese Welt erobert hat, hat im Verlauf der Zeit jeweils die ethische Verantwortung ihr gegenüber und kann keine absoluten Regeln für andere Welten festlegen, auch wenn es sich um diese unsere Welt in der Zukunft handeln sollte; eine Welt, die wie alle anderen Dinge der Wechselhaftigkeit unterworfen ist. In engem theoretischem Zusammenhang mit den ontologisch-kosmologischen Dialogen zeigen die moralischen Dialoge Brunos, daß man sich im Hinblick auf das, was dem Menschen tatsächlich nützlich ist, von der Vorstellung eines Absoluten, einer absoluten Mitte, eines absoluten Gottes, absoluter Werte usw. befreien sollte. Die Furori sind ein offenes Werk mit mehreren ›Schlüssen‹, die sich jedoch als Etappen eines Erkenntnisweges darstellen, der im Grunde unabschließbar ist, es sei denn durch den Wechsel von der philosophischen, von der ἐπέκτασις-Lehre geprägten Ebene zu einer anderen Ebene. Dieser erfolgt anhand einer Schäferallegorie, die eine Offenbarung, ähnlich der Wahrsagung Diotimas aus dem platonischen Gastmahl, enthält. Während der Anspruch der Theologie und Metaphysik in eine Sackgasse führen würde,15 wie im vierten Dialog des zweiten Teils ausgeführt wird, öffnet uns die philosophisch-moralische Fabel Cabala: BW VI, S. 76. 15  Die Blindheit ist die beredsamste Metapher für die Unmöglichkeit, auf dem theologisch-metaphysischen Weg (über die Position der apophantischen Theologie hinaus) fortzuschreiten, auch weil es nichts zu sehen, nichts zu erkennen gibt. Wenn ich sage, daß bei Bruno die Konzeption des Seienden der φύσις der Vorsokratiker entspricht, so ist klar, daß er in seinen Schriften (auch dort, wo er sich ausdrücklich auf die Vorsokratiker bezieht) den Begriff der φύσις seiner eigenen Naturphilosophie anverwandelt, in der er die Bedeutung einer mit einem »inneren Künstler« begabten Materie annimmt (Causa: BW III, S. 97). 14 



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am Ende des Textes die Augen in bezug auf das Geheimnis der Macht des Eros, der in diesem Fall unter dem Deckmantel einer rätselhaften Nymphe auftritt. Auf andere Weise agiert die Nymphe aus den Furori wie Fortuna im Spaccio: Sie läßt das Rad kreisen, setzt den immensen Umfang Okeanos’ in Bewegung, ordnet die Wandelbarkeit an. Wie Fortuna im Spaccio erklärt: »Ich also, die ich die ganze Welt gleich behandle und für eine gleichförmige Masse halte, von der ich keinen Teil für würdiger oder unwürdiger halte als den anderen, zum Gefäß des Zornes zu werden; ich, die ich alle in denselben Topf der Veränderung und Bewegung werfe, allen gegenüber gleich bin, alle für gleich erachte und keine Einzelheit mehr als die andere beachte«.16 Die Nymphe der Furori kann als Göttin mit derselben Macht und derselben Unparteilichkeit (Indifferenz) wie Fortuna angesehen werden,17 wenngleich es sich nicht um eine »orba dea« handelt;18 in der Nymphe kommt die Funktion der Wirkursache zum Ausdruck, und, wie in De la causa zu lesen ist: »Ziel und Finalursache, die sich die Wirkursache vornimmt, ist also die Vervollkommnung des Universums, die darin besteht, daß alle Formen in den verschiedenen Teilen der Materie eine aktuale Existenz besitzen«.19 Die verborgene Verbindung zwischen Weltseele, Wirkursache und Fortuna beleuchtet einen der neuralgischen Punkte der Philosophie Brunos. Trotz der Klarstellungen des Philosophen bereits in der Darlegung 20 ist es vorgekommen, daß der Text der Eroici furori fälschlicherweise als ein Liebeskanzoniere interpretiert worden ist, der dann vom Autor auf ein höheres Niveau und auf gehobenere Themen zugeschnitten wurde: Spaccio: BW V, S. 215. Fortuna ist eine andere Seite des Prinzips, das die unaufhörliche Bewegung zur Arterhaltung vorschreibt. Vgl. die gesamte Rede der Fortuna und die abschließende Entscheidung Jupiters: BSP, S. 151–165. 17  Unter diesem Aspekt ist zu berücksichtigen, was am Schluß der Furori in bezug auf Potenz/Akt der Nymphe gesagt wird, damit das geschlossene Glas sich einem neuen Leben der jungen Liebenden öffnen kann: »während der Zweifel sie noch zurückhielt, öffnete das Glas sich plötzlich wie von selbst« (Furori, II, 5, S. 389). 18  Spaccio: BSP, S. 166. 19  Causa: BW III, S. 101. 20 Vgl. Darlegung, S. 12–15. 16 

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»Deshalb könnte ein jeder – sagt Bruno – leicht davon überzeugt sein, dass meiner maßgebenden und ersten Absicht eine gewöhnliche Liebe die Richtung gewiesen und die entsprechenden Begriffe diktiert hätte. Diese Liebe habe sich dann aus Verachtung Flügel geborgt und sei heroisch geworden«.21 Als Element eines solchen möglichen Mißverständnisses weist Bruno darauf hin, daß die erotische Sprache22 des Textes derjenigen verwandt sei, die von den Dichtern benutzt wird, um die natürlich-sinnliche Liebe zu besingen,23 während sie im Vergleich zur erotischen Sprache eines Textes wie des Hohelieds, in dem hingegen anhand der angewandten Metaphern auf eine übernatürliche Sphäre Bezug genommen würde, ganz unterschiedlich sei, auch wenn es anders scheinen könne. Die sozusagen klassische Interpretation der Furori als Liebeskanzoniere ist ein Artikel Antonio Sarnos, der ursprünglich 1920 erschien.24 Der junge Forscher nimmt von Überlegungen Francesco De Sanctis’ zum brunianischen Text Ausgang, dem zufolge die Konzeption der Liebe zum Göttlichen, die bei Bruno zur heroischen Liebe entwickelt wird, diesen in die Nähe der Mystiker rücken würde. Der Artikel enthält durchaus interessante Aspekte, z. B. im Hinblick auf die Ablehnung der ›mystischen‹ Interpretation der Furori – aber zu diesem Punkt hatte sich bereits Bertrando Spaventa mit ganz anderen Argumenten geäußert25  – unter Hervorhebung einer ›wörtlichen Bedeutung‹ des Werks. Doch weist der Artikel eine gewisse Naivität auf und bringt einiges durcheinander; so behauptete der Autor z. B., Bruno lehne es ab, das Hohelied als einen Text von »ausschließlich allegorischer Bedeutung« zu betrachten, während der Philosoph im Gegenteil unter­ streicht, daß im Hohelied »die Bilder offen und deutlich Bilder« sind; 21 

Ebd., S. 13. 22  Das heißt der »modo di parlare« und die »similitudini«. 23  In der Darlegung unterstreicht Bruno, daß seine Rede ein »naturale e fisico discorso«, ein »naturale e veridico discorso« sei (Darlegung, S. 10–11, 16–17). 24  Vgl. Sarno: Gli »Eroici furori« di G. Bruno come un canzoniere d’amore (1943), S. 5–27. Sarno zufolge handele es sich in den Furori um »die Liebe zu einer Frau, die zur heroischen Liebe zur unendlichen Schönheit und Wahrheit erhoben wird« (ebd., S. 7). 25  Vgl. unten, S. 696, und Anm. 203.



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»der metaphorische Sinn ist auf eine Weise kenntlich, dass er nicht als solcher geleugnet werden kann«.26 Die bisherigen Überlegungen implizieren jedoch nicht, daß Bruno in seiner Jugend nicht auch Liebesgedichte geschrieben haben könnte, wobei er sich an Dichtungsmodellen Tansillos orientierte, und daß er nicht auch daran gedacht habe, einen Kanzoniere zu verfassen.27 Ich halte im Gegenteil diese Hypothese für wahrscheinlich, besonders, wenn man einige Äußerungen Brunos gerade in den Furori sowie die möglichen Kontakte berücksichtigt, die er mit dem kulturellen Umfeld in Nola und Neapel gehabt haben konnte. Wie im Kommentar ausgeführt, wurde unter anderem die Hypothese aufgestellt, daß der Vater des Philosophen den Wahlnolaner Luigi Tansillo persönlich gekannt haben könnte;28 außerdem darf nicht vergessen werden, daß Giovanni Bruno der bewaffneten Kompagnie Ascanio Pignatellis angehörte, der in Padova Philosophie studiert hatte und als Dichter eine gewisse Originalität aufwies.29 Über die literarische Ausbildung Brunos in seiner Jugend ist nur sehr wenig bekannt; es ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß er gerade über einige Freundschaften seines Vaters mit kulturellen, auch heterodoxen, neapolitanischen Kreisen in Berührung trat.30 Darlegung, S. 13. Ich sage ›einen Kanzoniere‹, da ich nicht von einem Liebeskanzoniere im eigentlichen Sinne sprechen würde, sondern von poetischen Übungen nach dem Muster Tansillos und anderer zeitgenössischer Dichter, die es sich auf unterschiedliche Weise zur Aufgabe machten, die Dichtungsmodelle des Canzoniere Petrarcas zu erneuern. 28  Kommentar, Anm. A 67, S. 496. 29  Die Sammlung der Rime Ascanio Pignatellis (Neapel, ca. 1533–1601) erschien 1593, doch einige seiner Sonette wurden bereits 1561 und 1567 gedruckt. Ab 1566 widmete er sich dem Soldatenberuf. Giovanni Bruno war nachweislich bis 1582 in Pignatellis Diensten. Vgl. Kommentar, Anm. A 67, S. 496. 30  Es ist folglich anzunehmen, daß derjenige, der sich auf dem Titelblatt des Candelaio als »Akademiker keiner Akademie« bezeichnet, mit irgend­einem philosophisch-literarischen Kreis in Neapel in Kontakt stand. Nach der Aufhebung der Akademien im Jahre 1547 durch den Vizekönig Pedro Álvarez de Toledo überlebten einige dieser Akademien noch in den 60er Jahren als halb­ illegale Bewegungen. 26 

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Auch in bezug auf seine Jugend und seine Erfahrung im Kloster schreibt Bruno im ersten Dialog des ersten Teils der Furori, daß er sich dem literarischen otium weder habe widmen können noch wollen, wobei er unter anderem die ›tragikomischen‹ Grenzen seiner dichterischen Versuche erwähnt. Diese waren durch eine tiefe Unruhe bedingt, die ihrerseits auf die Unduldsamkeit gegenüber der Religion, den Dogmen und den Klosterritualen sowie den Rügen seitens der Klosterprioren zurückging,31 bei denen es sich um Verwarnungen handelte, denen einige Disziplinarmaßnahmen folgten.32 Bruno hat später während des venezianischen Prozesses erklärt, bereits im Alter von 18 Jahren an der Inkarnation und somit an der Trinität gezweifelt zu haben, also ungefähr ein Jahr nach seinem Eintritt ins Kloster.33 Der Philosoph gibt also zu verstehen, daß seine Zweifel an den Religionsdogmen auf das Jahr seines Noviziats oder auf die Zeit kurz danach zurückgehen, doch ist nicht mit Sicherheit festzustellen, ob sie nicht sogar schon vor seinem Eintritt ins neapolitanische Kloster San Domenico Maggiore aufgetreten sind. Es ist jedenfalls bezeichnend, daß eine Episode, auf die in den Prozeßakten Bezug genommen wird, ausgerechnet auf die Zeit des Noviziats zurückzugehen scheint. Während eines Spieles sei ihm durch Los der Vers »d’ogni legge nimico e d’ogni fede« aus dem Orlando furioso zugefallen.34 Sicherlich ist die Unduldsamkeit des jungen Bruno auch auf den Überdruß angesichts der erdrückenden theologischen Studien zurückzuführen, doch handelte es sich gleichzeitig um eine persönliche ›philosophische‹ Unzufriedenheit, um die Schwie-

Furori, I, 1, S. 44–45. Vgl. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 9, S. 157, Dok. 13, S. 171, Dok. 15, S. 190–192. Vgl. einige Angaben bei Canone: Introduzione, in: Giordano Bruno, 1548–1600 (2000), S. XXIII–XXIV (vgl. ebd. auch den Eintrag Nr. 5, S. 31–33). 33 Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 13, S. 170. 34 Ariosto: Orlando furioso, XXVIII, 99; »Gesetz und Religion für ihn nur Spott ist«: Der rasende Roland (1908), Bd. II, S. 150. Beim venezianischen Prozeß fügte ein Mitgefangener (und Denunziant) hinzu, daß Bruno »sich dessen rühm­te, als Junge zum Feind der katholischen Religion geworden zu sein«. Vgl. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 51, S. 249–253. 31 

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rigkeit, sich von den Grenzen der eigenen aristotelischen Ausbildung zu befreien, ohne dem Materialismus zu ver­fallen.35 In bezug auf die Hypothese eines brunianischen Kanzoniere braucht man also nicht (wie Sarno) an die 68 ›primären‹ Dichtungen zu denken, die die poetisch-philosophische Struktur der Furori ausmachen,36 sondern an Sonette – über die keine Dokumentation vorliegt –, die viele Jahre vor der Veröffentlichung der Furori entstanden sind; ja, die vielleicht auch auf eine Zeit zurückgehen, die vor der Abfassung des im Candelaio erwähnten »odioso titolo e poema smarrito« liegt.37 Unabhängig von dem tatsächlichen literarischen Resultat beabsichtigt Bruno in den Eroici furori, eine philosophische Dichtung vorzulegen,38 die auf 35  Hinsichtlich

der intellektuellen Entwicklung des Philosophen ist eine Passage aus dem dritten Dialog von De la causa wichtig (BW III, S. 138–141). Bruno gibt zu verstehen, daß er nach Entfernung von der Naturphilosophie des Aristoteles eine Zeit lang (er sagt: »molto tempo«) an einem radikalen Materialismus orientiert gewesen sei, wobei er auf die atomistischen Theorien Demokrits und Epikurs sowie auf die Lehren Avicebrons, der Stoiker und anderer zurückgegriffen habe, für die die Formen nichts weiter als »certe accidentali disposizioni de la materia« darstellten. In demselben Abschnitt erklärt Bruno, diese Position anhand einer Reflexion über die »doi geni di sustanza« und mit Erreichen eines unterschiedlichen Materiebegriffs (materia animata) überwunden zu haben. 36  Vgl. zur Unterscheidung zwischen ›primären‹ und ›sekundären‹ Dichtungen im Werk Kommentar, Anm. 2 zum Titelblatt, S. 439. 37  Candelaio: U I, S. 284. Vgl. zu den zwei Oktaven (eine im Candelaio, die andere in den Furori), die aller Wahrscheinlichkeit nach auf dieses »poema smarrito« zurückgehen, Kommentar, Anm. A 67, S. 496. Wie bereits angemerkt, sind im Hinblick auf die Sonette des jungen Bruno tansillianische Stilwendungen und Muster anzunehmen, die auch eine Neubetrachtung spezifisch petrarkesker Themen mit sich führte. Aufgrund der, wenngleich fragmentarischen, Zeugnisse Brunos könnte man überdies an pessimistische Töne denken, wenn auch nicht in der Manier der düsteren Sonette eines Berardino Rota (vgl. Kommentar, Anm. A 46, S. 485–486). 38  Vgl. hierzu einige Reflexionen Tommaso Campanellas über die philosophische Dichtung (aus der Perspektive des Ausspruchs Aut prodesse volunt aut delectare poetae von Horaz, auf den auch Bruno verweist), in dem Abschnitt über das ›Poema filosofico‹, in: Campanella: Poetica, in: Tutte le opere di Tom-

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der Grundlage der spekulativen Errungenschaften der vorhergehenden fünf Dialoge Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Erkenntnis (und Ethik) aus der Perspektive einer infinitistischen Konzeption des Universums umreißt.

2. Die autobiographischen Elemente. Das Rätsel der Giulia Zu Beginn des Nachworts bin ich auf die Bedeutung der in den Eroici furori wie auch in anderen Schriften Brunos vorliegenden autobiographischen Implikationen zu sprechen gekommen. Was die italienischen Dialoge betrifft, kann man Cena de le Ceneri sowie Spaccio de la bestia trionfante nennen.39 Auf diesen Punkt bin ich im Kommentar unter Hervorhebung einiger im Text verstreuter Stellen mehrfach eingegangen, von Dialog I des ersten Teils bis zu Dialog V des zweiten Teils. Außerdem hatte ich angemerkt, daß autobiographische Elemente in einem philosophischen Text exzentrisch erscheinen können, während man sich über ihre Präsenz in einem literarischen Text nicht wundert. Die Furori sind sicherlich auch ein literarisches Werk (ein Prosimetrum, das in der Tradition von Boethius bis Dante steht), insofern der Autor beabsichtigt, den philosophischen Stil zu erneuern,40 da er die herkömmlichen Formen der Traktatliteratur oder der quaestiones nicht für gänzlich befriedigend ansieht, auch wenn er beide benutzt, wobei er sie seinem Zweck anpaßt. Was die literarische Dimension betrifft, könnte man auf Brunos eigene Betrachtung über die Affinität zwischen Philosophie, Poesie und Malerei verweisen.41 Andererseits handelt es sich jedoch um eine ganz bestimmte Schreibstrategie/-technik – jenes »writing between the lines«, von dem auch Leo Strauss in einem maso Campanella (1954), S. 347–353. Vgl. Furori, I, 1, S. 46, und Kommentar, Anm. 9 zum 1. Dialog des ersten Teils, S. 548–549. 39  Vgl. zur Identifizierung einiger bedeutender autobiographischer Seiten des Spaccio BSP, S. 86–190 u. S. 385–387 (Anm. 309–319). 40  Dieses Vorhaben kommt nicht nur in den italienischen Werken, sondern auch in der lateinischen Produktion Brunos zum Tragen. 41 Vgl. Explicatio: OMNE II, S. 120; Imaginum: OMNE II, S. 660.



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bekannten Aufsatz spricht42  –, ein Schreiben in Anspielungen, um heterodoxe, gegenüber der jüdisch-christlichen Religion äußerst kritische Positionen zu verhehlen43 und die Kontrolle der Theologen/Zensoren zu umgehen, die Bruno für die Schreckgespenste der Philosophie und die Verfolger seiner selbst hält.44 Er betrachtet jedoch die eigene biographische religiöse Erfahrung45 zwar als dramatische, aber entscheidende Phase existentiellen Übergangs und philosophischer Reifung: Es sei notwendig gewesen, zuerst in den Abgrund zu stürzen, um hinterher, durch eine direkte Erfahrung gestärkt und nach reiflichen Studien und Überlegungen, die Hinfälligkeit der Religionsdogmen und die Mystifizierung der Theologie (und der Metaphysik) anprangern zu können, mit ihrer Vorstellung Persecution and the Art of Writing (1941), S. 490: »For the influence of persecution on literature is precisely that it compels all writers who hold heterodox views to develop a peculiar technique of writing, the technique which we have in mind when speaking of writing between the lines«. 43  Mit dieser Technik ist auch das literarische Vorgehen der Verfremdung verknüpft, das Bruno z. B. im Spaccio de la bestia trionfante ausführt. Vgl. zum starken Anspielungsmodus dieses Textes meine Introduzione, in: BSP, S. XV–XXXV. 44  Wie bereits Kopernikus in der Widmung von De revolutionibus an Paul III. schreibt, sind die Theologen auch für Bruno ματαιολόγοι (Schwätzer): heuch­ lerische Grammatiker, die das zu beurteilen und zu zensieren vorgeben, was ihnen nicht zusteht und von dem sie keine tatsächliche Kenntnis haben, wobei sie sich durch die angemaßte Rolle als Hüter der sozialen Ordnung und Wahrer eines göttlichen Rechts legitimiert fühlen. Kritische Bezugnahmen auf Theologen/Zensoren sind in fast allen Schriften Brunos anzutreffen. Vgl. eine Passage aus der Darlegung der Furori oben, S. 10. 45  Es darf nicht vergessen werden, daß Bruno für ein Jahrzehnt im neapolitanischen Kloster von San Domenico Maggiore gelebt hatte, wo er Theologie studierte und Zensuren wie auch Schikane erlitt. Für einen Hinweis auf diese ›Erfahrung‹ in den Furori siehe oben, S. 44: »aufgrund der Macht der Zensoren, die ihn [Bruno] von würdigeren und erhabeneren Dinge abhielten, zu denen er naturgemäß neigte, und seine Begabung gefangennahmen, um aus dem freien Diener der Tugend einen Gefangenen gemeinster und dummer Heuchelei zu machen« (die gemeinste und dumme Heuchelei ist eine Anspielung auf die Dogmen und auf all das, was den christlichen Glauben betrifft). 42 Strauss:

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eines absoluten und transzendenten Gottes (eines Einen). Es handele sich daher um einen schwierigen und schmerzlichen Erkenntniswandel, um sich von der heimtückischsten und verankertsten aller Illu­ sionen zu befreien und gleichzeitig von dem Glauben an ein Leben im Jenseits und an das Überleben der Individualseele. Auch die Fabel Onorios in der Cabala del cavallo pegaseo ist eine Allegorie dieses Erkenntnisverlaufs. Der Esel Onorio, dem es vergönnt ist, all das zu sehen, was in Wahrheit im Jenseits liegt, indem er es vermeidet, das Wasser des Flusses Lethe zu trinken, erkennt, daß in der Substanz der Weltseele keinerlei Essenz oder Spur der vernünftigen Seele, d. h. der Seele des Menschen, vorhanden ist.46 Im Gegensatz zu Descartes oder Spinoza besitzt Bruno zufolge die vernünftige Seele keine spezifische oder besondere Substantialität im Vergleich mit der Tierseele; dies macht den Unterschied zwischen Bruno und Spinoza auch in bezug auf den amor intellectualis deutlich. Ein solcher amor dei kann sich für Bruno nie direkt auf einen absoluten Gott beziehen; für den Menschen gelten immer Vermittlung und Relation. Der Gegenstand der Liebe des Leidenschaftlichen ist unvermittelt Diana, die »eingeborene Natur«,47 nicht Apollo: »den universellen Apollo, das absolute Licht in seiner höchsten und vorzüglichsten Erscheinung«.48 Es darf daher nicht verwundern, daß Kirke selbst, die in den Furori eine Allegorie der Religion als Vergessenheit verkörpert (dem Vergessen der Materie verwandt, bei dem alle Dinge ihre subjektive Identität, d. h. ihren ›Wert‹ verlieren), im Schlußdialog des Werks den neun Blinden ein zweites Schicksalsglas reicht (ein Lebensglas im Gegensatz zum vorherigen, das ihnen das Sehvermögen genommen hat), wobei sie beteuert, daß die Blindheit die Frucht derer sei, die »troppo attenti al che gli è sopra« sind.49 Die Bezugnahmen auf bekannte Stellen aus De la causa und Spaccio sind offensichtlich.50 Außerdem sagt Bruno nicht Cabala: BW VI, S. 72–77. 47  Causa: BW III, S. 171. 48  Furori, II, 2, S. 315. 49 Vgl. Kommentar, Anm. A 96, S. 535; Furori, II, 5, S. 382. 50  Causa: BW III, S. 211: »die höchste Betrachtung, die sich über die Natur erhebt und die für jeden, der nicht glaubt, als etwas Unmögliches und Nich46 



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von ungefähr am Schluß der Furori von den neun Blinden, die ihr Sehvermögen wiedererlangen, daß »sie ihrer Zauberin Circe, der finsteren Blindheit, den unglücklichen Gedanken und den bitteren Mühen keinen Undank dafür wissen, durch sie zu einem solch hohen Gut gekommen zu sein«.51 Andererseits ist Bruno der Ansicht, daß eine direkte Erfahrung in der Kunst des Zweifels notwendig sei.52 Seiner Auffassung nach beschäftigt sich ein Philosoph nicht damit, Schemata zu untersuchen und Abstraktionen zu erörtern, sondern setzt sich hier und jetzt aufs Spiel; er übt außer der Kunst des Zweifels auch die Kunst der Kritik aus.53 Zu Beginn des Nachworts habe ich gleichfalls bemerkt, daß die Beiträge, die auch in neuerer Zeit über die autobiographischen Bezüge bei Bruno erschienen sind, das Grundproblem nicht ins rechte Licht zu rücken scheinen. Dies betrifft das Bewußtsein seitens des Autors, daß sich die Philosophie seiner Zeit in einem Zustand des Niedergangs befinde, der seinerseits eine allgemeinere (religiöse, politische, kulturelle) Krise des Jahrhunderts widerspiegele. Die autobiographischen Elemente haben folglich die Funktion, die Stimme des Philosophen wahrheitsgetreu und gewissermaßen prophetisch werden zu lassen, da sie auf einer erlebten Erfahrung basiert. Die philosophische Forschung, die immer nur persönlich sein kann, sieht auch Momente der Schwierigkeit und des Zweifels vor, in Anbetracht dessen, daß es sich um eine Suche nach dem Wahren und Guten handelt, die in einem Mißverhältnis zwischen Subjekt und Objekt der Erkenntnis zu stehen kommt (das Verstandesvermögen sowie die Einbildungskraft und der Wille sind tiges erscheint«; Spaccio: BSP, S. 257: »quel dio, come absoluto, non ha che far con noi«. 51  Vgl. oben, S. 397. 52  Eine Kunst, die auf der Kenntnis und Beurteilung unterschiedlicher philosophischer Positionen beruht; wie Bruno unterstreicht: »tutto il corso de la filosofia«. Siehe Cena: U I, S. 462–463; F, S. 101; vgl. Minimo: OL I/3, S. 137. Vgl. auch Causa: BW III, S. 160, 162. 53  Vgl. z. B. Spaccio: BSP, S. 6–7 und 187–190 (mit der präzisen Absicht des Philosophen: »che io serva a la republica e defension de la patria più con la mia voce et esortazione che con la spada, lancia e scudo: il soldato, il tribuno, l’imperatore«).

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unendlich, jedoch nur bei den Arten, nicht bei den Einzelwesen). Diese Suche kann niemals ein endgültiges Ziel erreichen, da der Gegenstand unendlich ist und überdies das Erreichen des Ziels das Ende der Philosophie, d. h. des Bedürfnisses nach Erkenntnis, mit sich brächte. Um das Problem der autobiographischen Elemente bei Bruno zu erfassen, braucht man nur zwischen den Zeilen fast all seiner Schriften zu lesen, ja, man brauchte sich nicht einmal auf Dilthey zu berufen, dem zufolge Bruno »der erste« gewesen sei, »welcher innerhalb der neueren europäischen Völker die Kunstform der Philosophie wiederfand«, weshalb er »den ersten philosophischen Künstler der modernen Welt« verkörpere.54 Im Werk Brunos haben die autobiographischen Elemente, wenn auch in adaptierter und sublimierter Form, den Stellenwert einer Forderung nach philosophischer Suche im eigentlichen Sinne, die, wie schwierig oder widersprüchlich auch immer, stets persönlicher Natur ist. Sehr wichtig sind in diesem Sinne die Passagen aus dem ersten Dialog von De la causa, in denen Bruno ein unbarmherziges Bild der Philosophie seiner Zeit zeichnet; sie sei »so weit heruntergekommen, daß beim gewöhnlichen Volk ein Philosoph so viel heißt wie: ein Spitzbube, ein unnützer Mensch, ein schlimmer Pedant, ein Gerüchtestreuer, ein Seiltänzer, ein Gaukler, gut genug, um zum häuslichen Zeitvertreib zu dienen und dazu, auf dem Lande die Vogelscheuche zu spielen«.55 Bruno mußte sich mit einer aus Formeln und Schablonen bestehenden Schulphilosophie auseinandersetzen, die daher, ihrer eigentlichen Funktion beraubt, oft als unsichere Magd der Theologie auftrat, wenn sie nicht rein pedantische Übung blieb, die sich einem autoritären magister ergeben zeigte.56 Natürlich war Lehrmeister und Vorbild der damaligen Universitäten noch der Stagirit, der Philosophus par excellence, jener »Meister derer, die da wissen«, den Dante, obgleich er sich in der Hölle befand, in eine »stolze Festung« der hohen Geister verWeltanschauung und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation (81969), S. 297–298. 55  Causa: BW III, S. 53. 56  Vgl. dazu Canone: Giordano Bruno: Portrait of a Philosopher opposed to the Authority Principle (2015), S. 106 ff. 54 Dilthey:



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setzte, in der ihn alle bewundern, »es ehrt ihn jeder«.57 Auch in den Eroici furori zeigt Bruno sich als Aristoteleskritiker, indem er besonders den aristotelisch-scholastischen Begriff der Seele als forma corporis bekämpft. Er verwirft also nicht nur die Kosmologie, sondern auch den gesamten Aufbau der aristotelischen Physik, zu der auch die Seelenlehre, als Teil der Naturphilosophie, gehörte. Wie bei jedem ernsthaften Kampf ist es dem Nolaner zufolge jedoch notwendig, den Gegner ernst zu nehmen, und deswegen, ihn zu kennen. Bruno, der eine solide aristotelische Ausbildung hatte, zeigt keine Duldsamkeit gegenüber denjenigen, die er, wie z. B. Pierre de la Ramée oder Francesco Patrizi, für eingebildete Pedanten statt für tatsächliche Kritiker des aristotelischen Denkens hält,58 da Kritik aufgrund einer Würdigung des zur Diskussion stehenden Werks erfolgen muß. Aus diesem Grund hält Bruno die Tätigkeit des Kommentierens und Erklärens der aristotelischen Schriften für wichtig.59 (Das heißt natürlich nicht, daß er diesem methodologisch-hermeneutischen Vorsatz immer treu geblieben sei.) Die neun Blinden, die das Sehvermögen wiedererlangen – und als Erleuchtete, d. h. als einem neuen geistigen Leben und somit einer neuen Philosophie Geweihte60 bezeichnet werden –, erklären sich als der Zauberin Kirke ›nicht undankbar‹, obwohl diese sie mit Blindheit geschlagen hatte. Dank dieser wenn auch düsteren Vermittlung können sie ihr Sehvermögen wiedergewinnen. Bruno hebt hiermit auf eigentümliche Weise die grundlegende Bedeutung der Dialektik und der Erfahrung des Negativen hervor; ich benutze den Ausdruck des ›Negativen‹, nicht den der Negation, da es sich bei Bruno, allgemeiner La Divina Commedia, Inferno, IV, 106 ff. hingegen seiner Ansicht nach Bernardino Telesio einer war; vgl. Causa: BW III, S. 136, 138. 59  Bruno hatte in Frankreich und Deutschland verschiedene Vorlesungen über die aristotelische Philosophie gehalten; unter diesen sind seine Kommentare zu den ersten fünf Büchern der Physik, zu De generatione et corruptione und zum vierten Buch der Meteorologica erhalten (Libri Physicorum Aristotelis explanati, die erst 1891 herausgegeben wurden). Außerdem veröffentlichte er 1586 in Paris die Figuratio Aristotelici Physici auditus. 60 Vgl. Kommentar, Anm. A 96, S. 531. 57 Dante: 58  Wie

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gesprochen, eher um eine Frage der geschichtlichen Kreisläufe als um logisch-dialektische Abstraktionen handelt, obgleich jene düstere Vermittlung mit dem Begriff der Gegensätze verknüpft ist. Die historischkulturellen Kreisläufe stehen mit natürlichen Kreisläufen oder zeitlichen Segmenten in Verbindung, die tiefgehende, nicht etwa oberflächliche Vorgänge in der Natur anzeigen, als welche man z. B. die Jahreszeiten betrachten könnte.61 In der Natur bestehen das Gute und das Böse gleichzeitig; sie sind beide notwendig, auch wenn es sich im Hinblick auf die Natur um eine menschlich-moralische Interpretation einer Gegebenheit handelt, die nicht dem Guten/Bösen, sondern den Gegensätzen entspricht, die schon immer, oder besser, seit Bestehen der Zeit, existiert haben. Die brunianische Geschichtsphilosophie basiert, wie bei Niccolò Machiavelli und verschiedenen anderen Autoren der Renaissance,62 auf dem Begriff eines zyklischen Schemas unter Rückgriff auf die griechisch-römische Zeitvorstellung, die sich von der christlichen Auffassung einer linearen Zeit unterscheidet. Die Konzeption eines Kreislaufs der Zeit ist Brunos Verständnis zufolge nicht mit der Idee einer ewigen Wiederkehr (des Gleichen) verbunden. Den immer gleichbleibenden Elementen und Strukturen der Natur entspricht eine unendliche Vielheit an Kombinationen und folglich an zusammengesetzten Wesen, deren keines dem anderen gleicht. Wenn man berücksichtigt, daß ›Subjekte‹ der Geschichte immer zusammengesetzte Wesen sind, wird die Distanz einer solchen Position von der traditionellen Konzeption einer ewigen Wiederkehr offensichtlich. Man kann allenfalls behaupten, daß es Situationen sind, die zyklisch wiederkehren, doch sind die Akteure immer verschieden, und auch deren Handlungen unterscheiden sich von denen der Vorläufer. Beispiel einer solchen zyklischen Auffassung der Zeit ist der lullianische konzentrische Kreis: Wenn er in Bewegung ist, erzeugen die Elemente (Buchstaben, Begriffe) und die Grundstruktur unterschiedliche Kombinationen. Diesbezüglich ist zu beachten, daß im Schlußdialog der 61 

Im Hinblick auf diese Fragen könnte man einen interessanten Vergleich zwischen Spaccio und De rerum principiis vornehmen. 62  Zum Beispiel in dem Werk Giorgio Vasaris Le vite de’ più eccellenti pittori, scultori, e architettori.



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Furori Anzeichen eines Bezugs auf Lullus (Doctor Illuminatus) sowohl im beharrlichen Auftauchen der Zahl neun als auch in dem Ausdruck selbst zu beobachten sind, mit dem Bruno die Blinden bezeichnet, die das Sehvermögen wiedererlangen (Illuminati). Die brunianische zyklische Auffassung der Zeit betrifft, um Begriffe aus Sigillus sigillorum zu verwenden, sowohl den tempus Pythagoricus  – das Bild der Lethe, Fluß des Bewußtseins- und Erinnerungsverlustes seiner selbst – als auch den tempus Simonidis,63 die ars memoriae, d. h. die Erbschaft der Vergangenheit, die jedoch in neuem Licht wiederauflebt.64 Bruno zufolge stellt die Macht der Zeit einen Reflex der Macht der Natur dar; die Zeit ist ein Hilfsmittel der Natur, um sich an der Oberfläche ständig zu erneuern, während die eigene Stabilität als Substanz erhalten bleibt. Wir wissen, wie gesagt, sehr wenig über die literarische Ausbildung Brunos, auch wenn zu vermuten steht, daß er sein Interesse an der Literatur, besonders an der Dichtung, bereits in sehr jungen Jahren pflegte, wahrscheinlich noch bevor er sich nach Neapel begab, wo er 1562 oder vielleicht schon im Laufe des vorhergehenden Jahres eintraf. Man wüßte gern mehr über die Zeit, die Brunos Eintritt in das Kloster San Domenico Maggiore (Juni 1565) voraufging.65 Ich bin auf die Rolle eingegangen, die wahrscheinlich sein Vater und, wie nicht auszuschließen ist, weitere Familienmitglieder gespielt haben, die ihm ermöglichten, mit nolanischen und neapolitanischen kulturellen Kreisen in Kontakt zu treten. Wie aus den Eroici furori und aus anderen Schriften hervorgeht, übte das dichterische Werk Luigi Tansillos einen bedeutenden Einfluß auf ihn aus. Die Wahl eines ›Tansillo‹ als Gesprächspartner der ersten fünf Dialoge der Furori stellt die Anerkennung einer Verbundenheit mit der poetischen Welt, aber auch mit gewissen Kreisen der 63 

Das heißt Simonides von Keos. 64 Vgl. Sigillus: OL II/2, S. 162–163. 65  Im Verlauf des venezianischen Prozesses erwähnt er lediglich, vor seinem Eintritt in den dominikanischen Orden in Neapel Grammatik, Logik und Dialektik studiert zu haben; er habe die Vorlesungen von Giovan Vincenzo Colle (genannt der Sarnese) gehört, die dieser an der öffentlichen Universität las, sowie privat Logik bei dem Augustiner Teofilo da Vairano (Teofilo Aretino) studiert. Vgl. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 9, S. 156.

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eigenen Jugend dar. Die Aufmerksamkeit auf die Dichtung und allgemein auf die Literatur ist charakteristisch für Brunos Werk,66 was seine Ausflüge in literarische Genres bezeugen, die sich von den Formen des philosophischen Traktats und Dialogs unterscheiden: Komödie, italienisches Prosimetrum, lateinische philosophische Dichtung. Die Aufgeschlossenheit gegenüber der Literatur war gewiß mit der philosophischen Leidenschaft verknüpft, die bald sein Interesse auf sich zog, auch während der fünfjährigen theologischen Studien (1570–1575) im Kloster San Domenico Maggiore. Ich bin aus einem ganz bestimmten Grund erneut auf Brunos literarische Ausbildung zu sprechen gekommen, und zwar, um näher auf das literarisch-philosophische Milieu in Neapel einzugehen, mit dem er in Kontakt stehen mußte; es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um heterodoxe Kreise, in denen von der protestantischen Reformation inspirierte religiöse Ideen im Umlauf waren. Anhand diverser Zeugnisse kann als gesichert gelten, wie in der Forschungsliteratur hervorgehoben wurde, daß von den dreißiger bis sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts in verschiedenen kulturellen Milieus der Stadt67 einige protestantische Vorstellungen verbreitet waren, wie z. B. das Heil sola fide, die Inexistenz des Fegefeuers, die Ablehnung des Heiligen- und Reliquienkults, die Ablehnung der päpstlichen Gewalt sowie der Gültigkeit des Sakraments der Beichte. Weniger bekannt ist dagegen die gleichzeitige Verbreitung von Anschauungen, die auf Origenes und Pelagius zurückgingen und auch aufgrund einer Radikalisierung erasmianischer Thematiken Gehör fanden, in heterodoxen neapolitanischen Kreisen. Als junger Mann fühlte Bruno sich zu Lehren hingezogen, die geltend machten, daß es dem Menschen möglich sei, sich aus innerer Kraft zur Gottheit zu erheben, und diesbezüglich konnte er heterodoxe, 66 

Im Übrigen ist es kein Zufall, daß eines der ersten von Bruno veröffent­ lichten Werke die Komödie Candelaio ist, in der er gute Kenntnisse der lite­ rarisch-dramaturgischen Technik und der Tendenzen des zeitgenössischen Theaters (Struktur der Komödie, Charakter der Personen, Überraschungselemente usw.) an den Tag legt. Überflüssig zu betonen, daß der Candelaio trotz seiner Komödienstruktur gleichzeitig ein philosophisches Werk ist. 67  Auch in einigen Akademien, die, wie gesagt, weiterhin in der Stadt, wenn auch eher im Untergrund, bestanden.



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in der ersten Hälfte des Jahrhunderts erschienene Schriften kennen, über die jedoch in den Jahren seiner Ausbildung in Neapel immer noch diskutiert wurde, wie die Werke von Juan de Valdés und die Schrift Beneficio di Cristo.68 Erasmus war sicherlich ein für Brunos Ausbildung grundlegender Autor, so wie auch die Lektüre der Schriften der sogenannten italienischen Häretiker69 wie Celio Secondo Curione (1503– 1569) und anderer Autoren70 von Wichtigkeit gewesen sein mußten. Es ist zu betonen, daß diverse Kontaktpunkte zwischen Bruno und Curione nachzuweisen sind;71 man denke z. B. an die Schriften Araneus, seu de providentia Dei oder De amplitudine beati regni Dei des letzteren. Zu Recht hat Nicola Badaloni darauf hingewiesen, daß Curione als der Beneficio di Cristo erschien zuerst anonym 1543 in Venedig und wurde mehrmals wiederaufgelegt. Der Text fand im Laufe des 16. Jahrhunderts außerordentliche Verbreitung, auch dank verschiedener Übersetzungen ins Französische, Englische, Spanische und Kroatische. Die kurze Schrift wird trotz verschiedener Eingriffe seitens Marco Antonio Flaminios in den Text dem Benediktiner Benedetto Fontanini zugeschrieben. Die Exemplare der italienischen Drucke wurden durch das engmaschige Eingreifen des Heiligen Offiziums fast alle zerstört. Aus katholischer Sicht waren die in dem kleinen Werk vorgelegten Lehren, obgleich von protestantischen Anschauungen inspiriert, ungleich verfänglicher, da sie doppeldeutig, verschleiert und zum Teil sogar widersprüchlich waren. Vgl. zu verschiedenen den Text betreffenden Fragen Ginzburg-Prosperi: Giochi di pazienza (21975). 69  Grundlegende Studie über diese Reformatoren ist immer noch der 1939 erschienene Band von Delio Cantimori; vgl. jetzt: Cantimori: Eretici italiani del Cinquecento (1992). 70  Vgl. dazu Curione: Araneus, seu de providentia Dei (2015), S. 475–486. Curione war auch der Autor des berühmten antipäpstlichen Pamphlets Pasquino in estasi; er engagierte sich beachtlich für eine Verbreitung des Werks sowohl in italienischer als auch lateinischer Fassung. Obwohl er bereits 1542 nach Basel geflüchtet war, hat Curione der Situation in Italien immer besondere Aufmerksamkeit geschenkt; hier ist daran zu erinnern, daß er 1550 die italienische Übersetzung einer wichtigen Schrift Valdés’, Le cento et dieci divine considerationi, veröffentlichte. 71  Es ist anzunehmen, daß Bruno auch Gelegenheit hatte, mit Werken Zwinglis in Berührung zu kommen; er kannte wahrscheinlich De providentia Dei, ein Werk, auf dem der Text Araneus, seu de providentia Dei Curiones basiert. 68 Das

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philosophisch am meisten begabte Denker unter den italienischen Reformatoren anzusehen sei. Im Unterschied zu Delio Cantimori hat Badaloni, so wie auch Guido Calogero, eine thematische Kontinuität zwischen den italienischen Reformatoren der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und den Philosophen der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, unter ihnen Bruno, festgestellt. Persönlich stimme ich mit Badaloni und Calogero überein; es handelt sich natürlich um einen entscheidenden Punkt, der in bezug auf die Gegnerschaft des Nolaners zum Christentum ausschlaggebend ist. Hier ist nicht der Ort, um auf diese Frage einzugehen, doch muß berücksichtigt werden, daß Brunos Kritik72 sich eher auf Aspekte der jüdisch-christlichen Theologie als auf evangelische Gebote konzentriert, die er sich teils zu eigen macht. In der Tat ist einer der hauptsächlichen Ziele seiner Polemik Paulus von Tarsus, den Bruno für den Begründer der christlichen Theologie und wahren Begründer des Christentums hält. Wie bereits im Kommentar erläutert,73 sind Vincenzo Spampanato zufolge die beiden weiblichen Figuren (Giulia und Laodomia), die als Gesprächspartnerinnen im Schlußdialog der Furori auftreten, für zwei tatsächlich existierende nolanische Frauen zu halten, die beide der Familie Savolino, Brunos Familie mütterlicherseits, angehörten und 1544 bzw. 1550 geboren wurden. Spampanato stützt sich auf die Präsenz beider Namen in zeitgenössischen Archivdokumenten, aus denen hervorgeht, daß Namen wie Laodomia oder auch Morgana (der Name der mysteriösen Dedikatärin des Candelaio)74 seinerzeit in Nola nicht selten vorkamen. Bruno selbst unterstreicht in der Darlegung, daß der Schlußdialog der Furori als stark allegorisch zu verstehen sei. Es ist ziemlich klar ersichtlich, daß er in die Figuren der Giulia und der jungen, später erblindeten Liebenden Aspekte seiner kosmologischen Kritik einzube72  Ich

beziehe mich hier auf seine Schriften, nicht auf einige Aussagen während des Prozesses, die einige Überlegung verdienen würden. 73 Vgl. Kommentar, Anm. 2 zum 5. Dialog des zweiten Teils, S. 612. 74  Vgl. zu einem ungewöhnlichen, bisher unbeachteten literarischen Bezug Brunos im Hinblick auf Morgana meinen Artikel Napoli, in: Enciclopedia bruniana e campanelliana, Bd. III, Pisa-Roma 2017.



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ziehen beabsichtigte, wie sie insbesondere in De l’infinito zum Tragen kommt und die auf die ontologische Konzeption von De la causa zurückgeht. Das heißt die Kritik eines ›Gegenstands der Liebe‹ (eines ersten Bewegers), der sich als den Erwartungen der neun später blinden Liebenden unangemessen herausstellt, welche allegorisch die neun Himmelssphären des aristotelisch-scholastischen Systems darstellen.75 In dieser Hinsicht weist der Text auch eine bedeutende autobiographische Implikation mit Bezug auf die aristotelische Naturphilosophie auf, die, nachdem Bruno ihr in seiner Jugend anhing, sich dann in seinen Augen zum Zwecke einer Wahrheitssuche als unzulänglich erwies. Um zu Spampanato zurückzukehren: Er schreibt eindeutig: »aus Nola kamen ganz gewiß Giulia und Laodomia«,76 wobei er zur Bestätigung der von ihm vorgeschlagenen Identifizierung einen Passus aus der Darlegung der Furori heranzieht, in dem Bruno bemerkt, daß die beiden Frauen im Werk nicht die Aufgabe hätten, die Erzählung des Dialogs zu argumentieren und zu kommentieren, sondern die, weiszusagen und zu prophezeien; und Bruno fügt an, diese Rolle entspräche »den Bräuchen meines Landes«.77 Zwar handelt es sich um eine sub­ alterne Rolle im Vergleich zur Funktion des ›Interpreten‹, die dem »männlichen Geist«78 vorbehalten sei, doch gleichzeitig besitzt sie ein 75 

Wie der Autor sagt, stellen die neun jungen Liebenden auch die neun Musen dar (natürlich in bezug auf Apollo, der einem ›Einen‹ und zugleich der Zahl ›zehn‹ entspricht). Im Schlußdialog der Furori umreißt Bruno eine eigentümliche Geschichte der Weisheit im Ausgang von einem Moment, den er für eine Verdunkelung der natürlichen Wahrheit hält. Eine Phase, die er in verschiedenen seiner Schriften bereits in der platonischen Philosophie (aufgrund einiger phantastischer Mißverständnisse im Anschluß an die Ideenlehre) und vor allem im Werk des Aristoteles ausmacht, der im Unterschied zu Platon nicht in Allegorien und Fabeln spricht, sondern Behauptungen aufstellt. Bruno zufolge ist der aristotelische Dogmatismus weitaus gefährlicher, gerade weil er nicht fabuliert, sondern sich der Logik bedient. 76 Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), I, S. 64. 77  Furori, Darlegung, S. 31. 78  Ebd.; »männlicher Geist« (maschio ingegno) ist als die Rolle zu verstehen, die dem Philosophen zukommt. Man muß berücksichtigen, daß Bruno sich hier auf eine »consuetudine« bezieht. Im Candelaio ist es dann eine Frau – »Signora

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Zeichen von Sakralität.79 Spampanato interpretiert das Wort »Land« (paese) aus dem zitierten Passus in direktem Bezug zu Nola. Doch wahrscheinlich bezieht sich Bruno ganz allgemein auf Kampanien, d. h. auf gewisse Gewohnheiten und Bräuche Süditaliens, die sich von denen, die im griechisch-römischen Altertum verbreitet waren, nicht wesentlich unterschieden. Andererseits scheint mir offensichtlich, daß im angeführten Passus der Darlegung eine Anspielung auf Diotima aus dem platonischen Gastmahl vorliegt, die Priesterin von Mantineia. Giulia und Laodomia sollten daher nicht vereinfachend als unwissende Landbewohnerinnen interpretiert werden, die von einer Offenbarung sprechen, die sie selber nicht verstehen. Außerdem behauptet Bruno im Text nicht, daß es sich bei den Frauen um Nolanerinnen handele, sondern daß deren Rolle im Werk gewisse Gewohnheiten ›seines Landes‹ widerspiegele. Sicherlich liegt im Schlußdialog der Furori eine prophetische und sozusagen religiöse Aura vor. Dennoch gibt Bruno in diesem Dialog, wie ganz allgemein in seinem Werk feststellbar, keine genauen Informationen zu Ort und Zeit, sondern begnügt sich mit Anspielungen. Daher wird weder der Ort genauer bestimmt, an dem die beiden Frauen sich befinden und miteinander sprechen, noch gibt es Angaben zu dem Zeitraum, in dem die diversen Vorfälle stattfinden, von denen Laodomia berichtet, die jedenfalls mehrere Jahre zurückliegen sollen. Es gibt, wie gesagt, nicht wenige autobiographische Anspielungen, die miteinander verknüpft sind. Die realen Elemente werden jedoch Teil einer Fabel, die auf einen Erkenntnisverlauf anspielt, der im Ausgang vom natürlich Schönen und im Anschluß an eine leidvolle und gescheiterte religiöse Erfahrung auf der Suche nach einem theologisch Schönen und Vittoria«, eine Prostituierte, wenn auch gehobenen Niveaus –, die einige philosophische Anschauungen des Autors zum Ausdruck bringt. 79  Bruno sagt: »zu weissagen und zu prophezeien, wenn der Geist in ihren Körper fährt« (Furori, Darlegung, S. 31); es ist ein klarer Hinweis auf den (prophetisch-religiösen) Typ von furor, von dem er im dritten Dialog des ersten Teils spricht: »altri per esserno fatti stanza de dèi o spiriti divini, dicono et operano cose mirabile senza che di quelle essi o altri intendano la raggione« (Furori, I, 3, S. 90). Die Priesterin (oder auch der Priester) wird zum ›Behältnis‹ eines göttlichen Geistes und einer Offenbarung.



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Guten die Protagonisten80 schließlich zur erhabenen Erfahrung eines Schönen und Guten führt, wie sie allein die Philosophie bieten kann. Aus der Erzählung Laodomias geht hervor, daß diese Suche in ihrem abschließenden Moment mit den Jahren der Veröffentlichung der philosophischen Dialoge des Nolaners zusammenfällt. Der Beginn des Vorfalls wird in die Campania felix verlegt, doch fehlen weitere Hinweise; man weiß nicht, ob es sich um Nola oder Neapel handelt. Wahrscheinlich zieht der Autor beide Orte in Betracht, da er sich als Nolaner und »geborener Neapolitaner« ansieht.81 Im Übrigen bleibt auch im ersten Teil der Furori, in dem der hauptsächliche Gesprächspartner der Dichter Luigi Tansillo ist (der 1568 gestorben war), die historisch-kulturelle Ambientierung unbestimmt. Alle Szenen der verschiedenen Dialoge des Werks sind durch Abstraktion gekennzeichnet, ob es sich um Tansillo oder Aktäon handelt oder ob auf autobiographische Elemente angespielt wird. Diese Abstraktion ist gewollt, insofern sie dazu dient, die Personen auf ein und derselben (abstrakten, außerzeitlichen) Bühne hervorzuheben, unabhängig davon, ob auf Aktäon, Diana, Apollo oder aber auf die Erfahrungen des Nolaners und auf Figuren aus seiner Jugend wie Tansillo Bezug genommen wird. Ich habe auf eine religiöse Atmosphäre im Schlußdialog der Furori hingewiesen; das ist verständlich, wenn man an die Figur der Kirke als Allegorie der katholischen Kirche denkt. Doch auch die Ausdrucksweise der beiden Frauen – »oh Schwester«; »ich bitte dich, Schwester«82 – läßt einen fast zu dem Schluß kommen, daß wir uns in einem Konvent befinden, in den die schöne Giulia sich zurückgezogen zu haben scheint. Die sie betreffende Episode scheint sich nicht nur auf die natürliche Schönheit zu beziehen, die ihr in der Jugend zu eigen war, sondern auch auf eine gewisse Absage an diese Schön80 

Auch als Musen zu verstehen (also alle Künste und Wissenschaften), die das Sehvermögen wiedererlangen. S. für einen Vergleich Spaccio: BSP, S. 172–173. 81  Bekanntlich bezeichnet sich Bruno in Cena de le Ceneri als solchen. 82  Furori, II, 5, S. 378, 394. In Cena de le Ceneri sagt Teofilo zu seinem Gegner Torquato: »Denke nicht, Bruder, […]«. In den Furori ist die Situation jedoch eine ganz andere, und ein Ausdruck, der hinsichtlich der Auffassung von universeller Brüderschaft oder auch der Ironie als ähnlich empfunden werden kann, scheint mir hier einen anderen Charakter zu haben.

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heit seitens der Frau. Auch wenn dies im Text nicht genauer ausgeführt wird, scheint mir, daß den jungen Liebenden der ›religiöse Weg‹ der Giulia vorgeschlagen wird, oder zumindest, daß ihre persönliche Wahl eine religiöse war. Jedenfalls scheint von den beiden Frauen Laodomia die eigentliche Priesterin zu sein (die Figur, dank derer die Offenbarung mitgeteilt wird), während Giulia trotz ihrer Rolle als Schlüsselfigur der Hirtenfabel eine flüchtige Gestalt bleibt. Wenn man das im Dialog erzählte Geschehen und die Rolle Giulias sowie die Bedeutung des Dialogs aus der philosophischen Perspektive des Werks bedenkt, scheint die Identifizierung der Frau, die Bruno als mit einer außerordentlichen »bel­ tade« begabt darstellt, mit einer Nolanerin und (zumindest laut den Angaben bei Spampanato) einer in ihrer Jugend schönen Bäuerin aus der ländlichen Gegend bei Nola kaum glaubhaft. Bei genauer Lektüre des Textes scheint klar zu sein, daß es sich nicht um eine anziehende Bäuerin handelt. Die wenn auch wenigen Hinweise bei Bruno lassen eher an eine distanzierte Person wie eine Aristokratin denken, die, will man der Erzählung folgen, es nicht einmal nötig hat, das Anerbieten der »neun wunderschönen und verliebten Jünglinge« zurückzuweisen, da diese selber sich dessen bewußt sind, keine Hoffnung zu haben, von ihr »die ersehnte Frucht der Liebe« zu erlangen.83 Es handelt sich folglich um eine Frau, die bereits in jungen Jahren wahrscheinlich eine Wahl getroffen hat, welche die Weigerung mit sich bringt, aufgrund der eigenen körperlichen Schönheit als Gegenstand der Liebe betrachtet zu werden. Giulia ergreift im Dialog dreimal das Wort, aber nur einmal sagt sie etwas über sich selbst, wobei sie auf ihre rebellische wie auch unschuldige charakterliche Härte, d. h. die Härte einer entschlossenen Person, zu sprechen kommt.84 An diesem Punkt möchte ich klarstellen, warum ich in der Überschrift dieses Abschnitts vom »Rätsel der Giulia« spreche. Meiner Ansicht nach spielt Bruno mit der mysteriösen, in ihrer Jugend sehr Furori, II, 5, S. 379. Natürlich liegen im Text einige Affinitäten zwischen Giulia und der Diana par excellence, d. h. der Königin Elisabeth I., vor. 84  Im Text steht: »restia quanto semplice et innocente crudeltade« (Furori, II, 5, S. 396). 83 



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schönen Frau der Furori, die sich entschließt, sich keinem der neun Liebenden hinzugeben, auch auf Giulia Gonzaga an,85 die Ortensio Lando als eine Frau beschreibt, die »uneingedenk ihrer unvergleichlichen Schönheit all ihre Gedanken zum Himmel gerichtet hat«.86 Jene Giulia, die bei der Verbreitung des Werks von Juan de Valdés eine wichtige Rolle spielte und gerade deswegen von Persönlichkeiten wie Costantino Castriota gehaßt wurde, der unter dem Namen Filonico Alicarnasseo seinerzeit eine Biographie schrieb, in der er Giulia Gonzaga furchtbar in Mißkredit brachte, indem er unterstellte, für die Adlige sei die Zustimmung zu häretischen Lehren gleichbedeutend damit, frei ein ausschweifendes Leben führen zu können.87 In den Furori liegt ein weiterer bedeutsamer Hinweis vor, der zu verstehen gibt, daß der Philosoph am Schluß des Werks auf waldensische Kreise anzuspielen beabsichtigt, mit denen er als sehr junger Mann Kontakt gehabt haben muß: und zwar der Bezug auf die Illuminati.88 85 

Ich sage ›auch‹ aus verständlichen Gründen interpretatorischer Vorsicht. Außerdem treten in den Furori, wie gesagt, parallel unterschiedliche Anspielungen auf, und der Autor behält diese Zweideutigkeit bewußt bei. Auf jeden Fall würden die verschiedenen weiblichen Gestalten (Diana, Kirke, Giulia, die ungenannte Nymphe am Schluß des Werks, die Königin Elisabeth von England) sicherlich eine eigene Studie erfordern. 86 Lando: Paradossi. Ristampa dell’edizione Lione 1543 (1999), S. 172. 87  Die Biographie der Giulia Gonzaga ist in den Vite di diverse illustrissime persone Filonico Alicarnasseos enthalten, ein Text, der, obwohl er ungedruckt blieb, zur damaligen Zeit eine bescheidene handschriftliche Verbreitung fand. Vgl. die Angaben bei Amabile: Il Santo Officio della Inquisizione in Napoli (1892), Bd. I, S. 151–158. 88  Furori, II, 5, S. 394 (doch betreffs der in der Folge erleuchteten Blinden ist der ganze Schlußdialog zu berücksichtigen). »Illuminati« (Alumbrados, Illuminados) war der Begriff, der die Anhänger der spanischen religiösen Bewegung bezeichnete, die sich auf Valdés berief. Für die Alumbrados handelte es sich um eine mystische Erleuchtung, d. h. darum, zu einer Betrachtung des Wesens Gottes durch direkte Erleuchtung durch den Heiligen Geist zu gelangen. Es sei darauf hingewiesen, daß ein Verweis auf Valdés und auf das Thema der Erleuchtung in bezug auf die Furori bei Badaloni: Note sul bruniano »De gli eroici furori« (2004), S. 223, Anm. 59 vorliegt. Der Forscher spricht allgemein von »großer Erleuchtung« und bemerkt auch in bezug auf das Motiv der mors

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Der Hinweis auf Giulia Gonzaga würde dann jenen besonderen Moment seines Lebens bezeichnen, in dem die religiöse Entscheidung auch ein Interesse an einigen Aspekten der Reformation und an Anschauungen mit sich brachte, die in gewissen, dem Calvinismus nahestehenden Kreisen Neapels diskutiert wurden. Brunos Interesse mußte sich vor allem dem waldensischen Protestantismus zuwenden,89 d. h. einer ganz innerlichen Suche nach der Wahrheit. Auch dank einer frühzeitigen philosophischen Ausbildung mußte es sich für den jungen Mann aus Nola um einen eigentümlichen Zugang zum Problem der Wahrheit handeln, in der Überzeugung, daß es dem Menschen möglich sei, in seinem eigenen Inneren die Kraft zu finden, sich zur Gottheit zu erheben. Es war kein Zufall, daß Bruno sich auf der Flucht aus Italien 1579 entschied, nach Genf zu gehen, wo er dem Neapolitaner Galeazzo Caracciolo begegnete, von dem er in Neapel sicher schon gehört hatte.90 Wie bekannt, war der äußerst kurze Genfer Aufenthalt des Philosophen dramatisch: Er wurde sogar gefangengenommen, weil er die Ignoranz eines Universitätsprofessors angeprangert hatte. Die Stadt, die so viele italienische Emigranten sich als ein Neues Jerusalem vorstellten, wird ihm nach Art einer orwellschen Dystopie wie eine teuflisch beklemosculi, daß das von Bruno in den Furori angewandte Vorgehen »mit Gewinn einer Säkularisierung der komplexen psychologischen Tätigkeit angenähert werden könnte, die in Italien von J. Valdés eingeführt und von seinen Schülern weiterentwickelt wurde«. Eigenartigerweise bezieht sich Badaloni nicht auf den Schlußdialog der Furori, in dem das Thema der Illuminati ganz besonders zum Tragen kommt. Vgl. in dem zitierten Band Badalonis auch S. 270–271. 89  Die Lehre Valdés’ bestand in einem speziellen Amalgam aus Alumbradismus, Erasmismus und Lutheranismus. Grundlegend war die Konzeption einer inneren Erleuchtung als Erkenntnisquelle. 90  Der bekannte neapolitanische Marchese, der 1551 freiwillig nach Genf ins Exil gegangen war. Caracciolo gehörte dann zu den Organisatoren der italienischen reformierten Kirche der Stadt. Vgl. zum kurzen und stürmischen Aufenthalt Brunos in Genf Spampanato: Vita di Giordano Bruno (1921), I, S. 279 ff. ; II, S. 627–640; einige (nicht ganz ehrliche) Behauptungen Brunos selbst bei Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 11, S. 160; Dok. 51, S. 290 u. 295.



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mende Zitadelle vorgekommen sein. Auch wenn der Philosoph später vehement gegen die calvinistische Konzeption des Heils allein durch den Glauben und der Prädestination sowie gegen andere Lehren der Reformierten Stellung bezog,91 mußte er der Anprangerung des Ablaßwesens, der Verwerfung des Heiligen- und Reliquienkults (auch des Jungfrauenkults) sowie der Leugnung der päpstlichen Gewalt und der Gültigkeit des Sakraments der Beichte doch wohlwollend gegenüberstehen, ganz zu schweigen von der Ablehnung der katholischen Konzeption der Eucharistie und der Verurteilung eines parasitären Mönchtums im Verein mit einem heuchlerischen Keuschheits­gelübde.92 Kehren wir zu Giulia Gonzaga zurück. Im Dezember 1535, kaum älter als zwanzig Jahre und bereits Witwe des Grafen von Fondi,93 war sie nach Neapel gezogen, wo sie im Kloster San Francesco alle Monache wohnte.94 Das Kloster, in dem sie sich bis zu ihrem Tod im April 1566 91 

Diese Stellungnahmen Brunos standen auch mit Lehren des Erasmus in Verbindung, die jedoch im Licht pelagianischer, nicht augustinischer Ideen interpretiert wurden. Für Bruno ist der Wert der (guten) ›Werke‹ sicher nicht im katholischen Sinne der Ablässe zu verstehen, sondern aus der Perspektive des griechisch-römischen Altertums, d. h. als kulturelle und zivilisatorische Beiträge zur Verbesserung der Menschheit; eine Perspektive, die sich unterschiedliche Autoren des Zeitalters des Humanismus und der Renaissance zu eigen machten. Vgl. zur Auseinandersetzung Brunos mit Calvin in einigen seiner Schriften Ingegno: Regia pazzia (1987). 92  Es ist interessant, zu beobachten, daß Jahre später Giovanni Mocenigo, der Bruno bei der Inquisition anzeigte, den Richtern gegenüber (aufgrund gewisser Diskurse des Philosophen, die Mocenigo offensichtlich nicht völlig verstanden hatte) erklärt: »ich sagte zu ihm [i.e. Bruno]: ›Welcher Religion gehört Ihr also an?‹, da ich ihn für einen Calvinisten hielt« (Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 51, S. 249). 93  Im Juli des vorhergehenden Jahres hatte Giulia während eines Überfalls der Korsaren auf Fondi überstürzt fliehen müssen, da Khair ad-Din (Barbarossa) sie zu entführen drohte. 94  Giulia Gonzaga hatte im Alter von dreizehn Jahren den vierzigjährigen (und verlebten) Vespasiano Colonna geheiratet, dessen Witwe sie bereits 1528 wurde. Dieser hinterließ ihr sein Vermögen und seine Titel, jedoch unter der Bedingung, daß sie unverheiratet blieb. Obwohl Giulia viele Verehrer hatte, entschloß sie sich, dieser Verpflichtung nachzukommen, auch wenn eine solche

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aufhielt,95 befand sich in der Nähe der Kirche von Santa Chiara, unweit der Kirche und des Klosters San Domenico Maggiore. Bruno, der im Juni 1565 in das dominikanische Kloster eingetreten war, verkehrte bereits seit einigen Jahren (nicht später als 1562) in dieser Gegend der Stadt, wo er wahrscheinlich auch wohnte. Es ist kaum anzunehmen, daß er nicht über Giulia Gonzaga Bescheid wußte, die eine sehr be­kannte Persönlichkeit war. Für die ›Giulia‹ der Furori wird er wahrscheinlich auch die von Girolamo Muzio verfaßte Ekloge La Nimpha fuggitiva berücksichtigt haben, die dieser dem Kardinal Ippolito de’ Medici gewidmet hatte, der über beide Ohren in Giulia Gonzaga verliebt gewesen zu sein scheint.96 Verschiedene Elemente der Ekloge lassen an die mysteriöse weibliche Figur der Furori denken. Die ›flüchtige Nymphe‹, die »unter den anderen Schönen durch Schönheit glänzt«, verweigert sich den Bitten des Liebenden; ja, die junge Frau verwünscht selbst ihre natürliche Schönheit, die sie »schuldlos« sogar dem Risiko ausgesetzt hätte, entführt zu werden.97 Der Dichter, der den jungen und verliebten Ippolito de’ Medici zu Wort kommen läßt, beschwört sie, nicht vor der Liebe zu fliehen: »Möchtest du so etwa für immer / dein grünes, blühendes Alter verbringen / als Witwe und allein, ohne jeg­liches Vergnügen?«. Giulia zeigt sich jedoch »seiner Rede gegenüber taub«.98 Verpflichtung heutzutage als eine Art Erpressung erscheinen mag. Ihr nachfolgender Lebenslauf beweist, daß sie eine außerordentliche Frau war: unschlüssig und vorsichtig auf religiöser Ebene, doch gleichzeitig in ihren Vorsätzen sehr gefestigt. Bemerkenswert ist das Portrait Giulias, das aus dem Text in Dialogform hervorgeht, den Valdés ihr selbst widmete und in dem beide als Gesprächspartner auftreten. Im Text ist es Giulia selbst, die ihm gegenüber erklärt: »Ich möchte, daß Ihr wißt, daß ich im allgemeinen sehr unzufrieden mit mir selber lebe, und ebenso mit allen Dingen auf der Welt, und so lustlos, daß Ihr, wenn Ihr mein Herz sehen könntet, gewiß Mitleid mit mir hättet, weil Ihr in ihm nichts als Verwirrung, Ratlosigkeit und Unruhe finden würdet« (Valdés: Alfabeto cristiano (1994), S. 9). 95  Die letzten Jahre ihres Lebens waren nicht leicht, auch weil sie vom Heiligen Offizium überwacht wurde. 96  Ippolitò starb 1535 mit nur vierundzwanzig Jahren. 97  Vgl. oben, Anm. 93.  98 Muzio: La Nimpha fuggitiva (1550), Bl. 126r–v, 128r–v.



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Gerade in Neapel hatte Giulia Gonzaga Gelegenheit, Valdés kennenzulernen und zu frequentieren; sie wurde bald seine Lieblingsschülerin. Unter anderem spielte sie eine wichtige Rolle bei der Verbreitung der Ideen des spanischen Theologen und Reformators, indem sie die Übersetzung seiner Schriften ins Italienische und deren Veröffentlichung förderte.99 Während ihres langjährigen Aufenthalts in Neapel gelang es ihr, Beziehungen sowohl zu hervorragenden Persönlichkeiten der politischen Ebene und der katholischen Kirche als auch (und vor allem) zu Personen zu knüpfen, die Sympathie für die Protestanten hegten und jedenfalls als Häretiker berüchtigt waren, wie Pietro Carnesecchi, Mario Galeota und viele andere. Wie bereits erwähnt, waren zur damaligen Zeit in Neapel die Lehren der Protestanten und die Schriften Luthers, Calvins und Melanchthons verbreitet;100 Bruno selbst scheint während des venezianischen Prozesses durchblicken gelassen zu haben, daß er die Werke dieser Autoren schon früh kennengelernt hatte.101 Außer der Verbreitung von Insbesondere der zitierten Werke Alphabeto christiano (11545) und Le cento et dieci divine considerationi (11550). Die Bemühungen Giulia Gonzagas um die Verbreitung des Werks Valdés’ betreffen aber auch andere seiner Schriften. 100  Noch bis zur zweiten Hälfte der sechziger Jahre des 16. Jahrhunderts und darüber hinaus war Neapel, wie durch diverse Zeugenaussagen und nicht wenige Prozesse belegt ist, aufgrund der bemerkenswerten Verbreitung häretischer Bücher und Lehren unter strenger Beobachtung seitens des Heiligen Offiziums. Die philosophische und theologische Ausbildung Brunos erfolgte zu einer Zeit, in der es in der Hauptstadt des Vizekönigtums zu Verfolgungen, aber auch zu Rebellionen kam, über die er sicher informiert war (er kommt in seinen Schriften darauf zu sprechen). Man braucht im übrigen nur daran zu denken, daß einer der Mitbrüder im Kloster San Domenico Maggiore, der Prediger Ambrogio Salvio, der verschiedene Ämter in der dominikanischen Provinz Neapel bekleidete und den Bruno mit Ironie in der Cabala erwähnt, 1566 (im Verlauf eines Prozesses gegen den bereits erwähnten ›Waldenser‹ Mario Galeota) eine wichtige Zeugenaussage machte, in der er von einem stürmischen Treffen Jahre zuvor mit Juan de Valdés berichtete. Vgl. die veröffent­ lichten Dokumente und den Kommentar bei Amabile: Il Santo Officio della Inquisizione in Napoli (1892). 101 Vgl. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 14, S. 177; Dok. 15, S. 191.  99 

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Lehren, die dem katholischen Kultus äußerst kritisch gegenüberstanden, griffen in einigen Kreisen weitaus radikalere Ideen um sich, die von einer extremen Interpretation gewisser Anschauungen des Erasmus inspiriert waren und antitrinitarischen Positionen nahestanden. Bereits in einem Dokument vom Ende des Jahres 1551 kann man lesen: »In Neapel gibt es eine neue Sekte von Ketzern, die großen Zulauf auch unter hochgestellten Persönlichkeiten der Stadt findet, die unter anderen Häresien der Ansicht sind, daß Christus nicht Gott, sondern ein großer Prophet und nicht als Messias, sondern als Prophet gekommen sei«.102 Lehren wie diese waren in der Zeit von Brunos Aufenthalt in Neapel weit verbreitet, und auch in den Akten seines Prozesses viele Jahre später finden sich gleichlautende Vorstellungen in noch schwerwiegenderer Form. Einige der Mitgefangenen und späteren Denunzianten in Venedig erklären in der Tat, der Philosoph habe behauptet, daß alle Propheten traurige (d. h. melancholische in negativem Sinne) und listige Menschen sowie Betrüger seien, die daher einen schändlichen Tod verdient hätten. Christus habe sich nicht von den Propheten unterschieden, weshalb er auch keinen anderen Tod hätte finden können.103 Es ist, als würden bei Bruno im Gefängnis, einer Lage, die als unerträglicher Zwang und unerträgliche Ungerechtigkeit erfahren wird, Gedanken und Worte in harten Äußerungen hervorbrechen, die in die Zeit seines jugendlichen Unglaubens zurückreichen.104 Schon in ganz jungen Jahren hat er an der Inkarnation und damit an

Vgl. Ginzburg: I costituti di don Pietro Manelfi (1970), S. 69. Vgl. Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 51, S. 260, 275–276. 104  Man kann nicht mit Sicherheit wissen, ob Bruno all das gesagt hat, was von Denunzianten behauptet wird. Doch von manchen Äußerungen einmal abgesehen, erstaunen gewisse Ideen nicht sonderlich. Es scheint ziemlich klar zu sein, daß Bruno seit seiner Jugend nicht an die Göttlichkeit Christi glaubt. Dieser Unglauben war in unterschiedlicher Form im 16. Jahrhundert in diversen sozialen Schichten verbreitet. Im Unterschied zu anderen Philosophen seiner Zeit, die es auf jede erdenkliche Weise vermeiden, sich zu kompromittieren, ist Bruno einer der ganz Wenigen (vielleicht der einzige), der in seinen Schriften das Christentum scharf kritisiert, wobei er sich auch auf die Verbindung von Christentum und Judentum bezieht. 102  103 



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der Dreifaltigkeit gezweifelt.105 Man kann annehmen, daß der junge Bruno gewissermaßen ein Antitrinitarier war; einige seiner Überzeugungen werden nicht so weit von den Ansichten Miguel Servets entfernt gewesen sein, auf jeden Fall gewissen radikalen Resultaten des Erasmismus verwandt. In den Furori gibt Bruno zu verstehen, daß die religiöse Erfahrung auch dank der theologischen Studien im Kloster entscheidend gewesen sei, um sich (und seine Philosophie) von Fesseln und Illusionen theologischer und metaphysischer Natur zu befreien. Auch wenn Valdés auf der Ebene großer Vorsicht und Verstellung verblieb,106 war seine Lehre mit (sicher nicht antitrinitarischen) An­schau­ungen verbunden, die der Reformation angehörten, wie die Ablehnung des Heiligenkults und von Andachtsbräuchen, die der spanische Theologe für völlig abergläubisch hielt. Es sind diese und weitere Aspekte (wie z. B. das Motiv des interior homo), die wir im Abstand von einigen Jahrzehnten in Schriften wie De umbris, Cabala und Furori wiederfinden. Offensichtlich handelt es sich um Themen, die aufgrund einer Auseinandersetzung Brunos mit Erasmus und den origenianischen Lehren sowie mit den hermetischen Schriften und mit Autoren wie Lukrez von ihm auf radikal neue Weise gedacht und im Licht einer Naturphilosophie und einer umfassenden Kritik der christlichen Religion reinterpretiert werden. Für den Philosophen geht es nicht darum, mit Augustinus das Licht Christi in uns selbst zu finden; es steht keine illuminatio auf dem Spiel, die verschiedentlich von mystischen Tönen geprägt sein konnte. Hinsichtlich eines Moments der Nähe des jungen Bruno zum Protestantismus – der, wie zu vermuten steht, waldensischer Prägung war und um 1564 und in den folgenden Jahren anzusiedeln ist, also um die Zeit seines Eintritts in das neapolitanische Kloster – liegen einige Aussagen in den Prozeßakten vor.107 Was Hinweise in den Furori auf 105 

Wie gesagt, erklärt er selbst im Verlauf des venezianischen Prozesses, daß er bereits im Alter von achtzehn Jahren begonnen habe, daran zu zweifeln. 106  Nicht von ungefähr hat man von ›Abstufung‹ und Esoterismus gesprochen, die für seine Lehre kennzeichnend gewesen seien. 107  Man siehe z. B., was Bruno bereits bei seinem ersten Verhör erklärt: »In Neapel wurde mir zweimal der Prozeß gemacht: einmal wurde ich angeklagt,

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Anschauungen betrifft, die dem Waldensertum in gewisser Weise nahestehen, aber gleichwohl in einer philosophischen Perspektive Ausdruck finden, die sich vom mystischen Weg gänzlich unterscheidet, kann man z. B. auf einen Abschnitt des zweiten Teils der Furori verweisen, in dem auf Cesarinos Frage (der ein Sonett interpretiert), wie es zu verstehen sei, daß der Geist des Menschen in die Höhe strebe, d. h. den göttlichen Glanz zu erlangen suche, Maricondo antwortet, daß es nicht darum gehe, nach den Sternen oder dem Empyreum zu streben, sondern darum, im Inneren seiner selbst fortzuschreiten, zum innersten Teil seines Bewußtseins vorzudringen, da Gott in uns sei. Maricondo fügt hinzu, daß man hierzu »nicht die Augen weit zum Himmel hin zu öffnen, die Hände in die Höhe zu heben, die Schritte zum Tempel zu lenken, die Ohren der Götterbilder, damit er besser erhört werde, vollzutönen braucht«.108 Es handelt sich um einen Passus, in dem der Anspruch auf eine innere Religiosität zum Ausdruck kommt und eine den Spirituali oder Illuminati109 eigene Konzeption eng mit der hermetischen Vorstellung einer »religione della mente« verknüpft ist.110 In den Furori kommt diesen Verweisen auf Giulia und die Illuminati eine bestimmte Bedeutung zu. Sie sollen unterstreichen, daß die Erleuchtung, die sich tatsächlich der Erkenntnis öffnet und so zur einzigen in diesem Leben erreichbaren Glückseligkeit führt, nicht religiöser,111 die Heiligenbilder zu verachten, weil ich gewisse Heiligenfiguren und Heiligenbilder weggegeben und nur ein Kruzifix behalten hatte; und dann nochmal, weil ich einem Novizen, der die Historia delle sette allegrezze in Versen las, gesagt hatte, was er denn mit dem Buch wolle und daß er es wegwerfen solle […]« (Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 9, S. 157; s. auch Dok. 15, S. 190–192; Dok. 51, S. 251. Es gibt zahlreiche Stellen; vgl. wenigstens Dok. 51, S. 278–279, mit den Absätzen Contra Sanctorum reliquias und Circa sacras imagines). 108  Furori, II, 1, S. 252. Vgl. Kommentar, Anm. 31 zum 1. Dialog des zweiten Teils, S. 587–588. 109  Die Waldenser benutzten beide Bezeichnungen mit Bezug auf die Alumbrados. 110  Spaccio: BSP, S. 259. 111  Bei Berücksichtigung der Furori im Kontext der italienischen Dialoge des Philosophen wird ersichtlich, daß die Religionskritik Brunos, die sich



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sondern philosophischer Natur, also rational ist. Ein Schlüs­seltext in dieser Hinsicht, der mir das Bild von ›Giulia und den Erleuchteten‹ zu vervollständigen scheint und eine scharfe, zum Teil verhüllte Kritik Brunos an einem religiös-theologischen Weg beinhaltet, ist der dritte Dialog des ersten Teils der Furori, insbesondere die ersten Seiten.112 Valdés spricht in seinen Schriften von einer Erleuchtung der Gläubigen durch den Heiligen Geist und geht diesbezüglich auf »wiedergeborene Menschen« ein. Der vom spanischen Reformator aufgezeigte Weg ist ein spirituell-religiöser, keineswegs philosophischer Weg; er spricht sich daher gegen diejenigen aus, »welche, allein vom natürlichen Licht und von menschlicher Besonnenheit geleitet, sich anmaßen, die Dinge zu verstehen, die dem göttlichen Geist zukommen«.113 In den Furori berücksichtigt Bruno in philosophischer Hinsicht sicherlich den von der negativen Theologie aufgezeigten Weg, wobei er sich auf Cusanus beruft, so wie er (unter Berufung auf Ficino und andere Autoren) das Thema der Vereinigung des Menschen mit Gott oder auch das (der jüdischen Mystik entstammende und von Giovanni Pico aufgegriffene) Thema der mors osculi untersucht. Doch will er uns in den Furori auch sagen: Ich selbst habe die Erfahrung eines theologisch-religiösen Wegs der Wahrheitssuche gemacht und bin wie blind geworden. Wie bereits ausgeführt, hat die illuminatio, auf die Bruno sich am Schluß der Furori bezieht, nichts mit einem mystischen Weg zu tun. Ihm geht es nicht um die Frage, im augustinischen Sinne das Licht Christi in uns zu finden. Für den Philosophen der unendlichen Vielheit der Welten handelt es sich hingegen darum, wie man im Einleitungsschreiben zu De l’infinito lesen kann, »die Geschichte der Natur, wie sie in uns selbst geschrieben steht«, zu betrachten und folglich »geregelte Vollstrecker der göttlichen Gesetze« zu werden, »die uns mitten ins Herz gemeißelt sind«.114 Die illuminatio, von der Bruno in den Furori besonders gegen das Christentum (Katholiken und Protestanten) richtet, in allgemeinerem Sinne die montheistischen Religionen betrifft. 112 Vgl. Furori, I, 3, S. 90–93. 113 Valdés: Le cento e dieci divine considerazioni (1944), S. 179, 302 (vgl. S. 275–278, 299–310). 114  Infinito: BW IV, S. 34.

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spricht, ist die Erleuchtung einer menschlichen Seele (animus); diese »strebt nach Wahrheit und dem allumfassenden Gut und gibt sich nicht mit dem zufrieden, was ihrer Erscheinung dient und nützt«.115 Die Erleuchtung besteht somit darin, in sich selbst das Unendliche zu erkennen, sei es als Einheit der Weltseele und aller Dinge im Universum, sei es als Vielheit der Möglichkeiten, die einen Widerschein der unendlichen Vielheit der Welten darstellt.

3. Die intellektuelle Liebe Der Ausdruck furore eroico ist eine terminologisch-begriffliche Schöpfung Brunos;116 er verweist auf den amor intellectualis, doch bestimmt Bruno diesen Begriff näher, der allgemein auf Überlegungen des platonischen Gastmahls zurückgeht. Wie im Kommentar aufgezeigt wurde, bezieht sich der furore eroico auf eine Stufe der Elevation des Menschen (auf der Ebene der Erkenntnis und der Ethik), die wir als ›intuitiv‹ bezeichnen können.117 Eine kontemplative und gleichzeitig aktive geistige Erhebung, die sich gänzlich vom furor des Helden unterscheidet, Furori, II, 4, S. 363. 116  Lediglich als partieller Verweis auf spezielle Einträge in philosophischen Enzyklopädien und Wörterbüchern sei darauf hingewiesen, daß die erste Auflage der Enciclopedia filosofica des Centro di Studi Filosofici di Gallarate (Bd. II, 1957) ein kurzes Stichwort »eroici furori« (von A. M. Moschetti) enthält, das auch in der zweiten Ausgabe der Enciclopedia filosofica (1968) und im neubearbeiteten Nachdruck dieser Ausgabe (1979) wiederabgedruckt wurde. In der neuen Ausgabe des Werks (2006) taucht es hingegen nicht mehr auf. Bei Abbagnano: Dizionario di filosofia (1971) gibt es einen leeren Eintrag »eroico furore«, der auf das Stichwort »entusiasmo« verweist. Außerdem wurde in der neuen Ausgabe der Enciclopedia filosofica (2006) auch das Stichwort »amor Dei intellectualis« entfernt, das in den vorherigen Ausgaben noch enthalten war. Man hätte diese Einträge wohl besser revidiert und bibliographisch überarbeitet, anstatt sie ganz zu streichen. 117  Wie bereits betont, entspricht in den Eroici furori die intuitive Anschauung (Intuition) keinem Sprung ins Irrationale, sondern einer Vision der EinheitGesamtheit (der Dinge im unendlichen Universum), der mit einem graduellen Verlauf von Sinnen, Einbildungskraft, Gedächtnis, Vernunft und Verstand 115 



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wie er z. B. im Hercules furens Senecas oder im Orlando furioso Ariosts zum Ausdruck kommt, wo er hingegen einen Zustand des Wahnsinns und somit einen Verlust rationaler Erkenntnis bezeichnet.118 In bezug auf den furore eroico, d. h. im Horizont eines amore eroico (einer intellektuellen, nicht sinnlichen Liebe, deren ›Natürlichkeit‹ Bruno jedoch unterstreicht) 119, kann man sagen, daß die Begriffe furor und amor in den beiden Syntagmen auf Platon und den Platonismus, heroicus dagegen auf Aristoteles und den Aristotelismus verweisen; hier natürlich insbesondere auf das Symposion (wie auch auf den Dialog Phaidros) sowie auf die Ethica Nicomachea. Nicht, daß Bruno sich vorgenommen hätte, ein Werk des Konkordismus zwischen den beiden philosophischen Schulen zu verfassen. Er hatte hingegen die Absicht, die von Autoren der Antike, des Mittelalters und der frühen Neuzeit (wie z. B. Ficino) hinlänglich diskutierte Frage nach der Beziehung zwischen Verstand und Willen im Hinblick auf die Erkenntnis des Wahren und Guten aufzuwerfen. In dieser Hinsicht hatten zuerst Platon (bezüglich des Eros) und Aristoteles (mit Überlegungen über das Heroische in bezug auf den menschlichen Verstand) das Problem erörtert. Bruno verknüpft ist. Letzterer entspricht der Sphäre der mens, der auch der intuitus angehört. 118 Vgl. Kommentar, Anm. 2 zum Titelblatt, S. 438–447. Bruno spricht be­treffs des ›furore eroico‹ von »impeto razionale«, der dem »impeto irrazionale« entgegengesetzt ist (Furori, I, 3, S. 90, 92). 119  ›Natürlich‹, insofern hier auf eine intellektuelle Liebe Bezug genommen wird: eine göttliche Liebe »in diesem Leben«, »in diesem irdischen Leben«, die nichts mit einem vermeintlichen ewigen Leben zu tun hat, das Bruno nicht für möglich hält und überdies nicht Gegenstand philosophischer Reflexion ist. Eine ›natürliche‹ Liebe auch deswegen, weil sie die tatsächliche Natur des Menschen widerspiegelt. Unter Berufung auf Cusanus und Ficino stellt Bruno fest, daß alle Dinge ein »angeborenes Wissen über diejenigen Dinge« haben, »die zur Erhaltung des Individuums und der Art […] gehören […]. – Passenderweise hat denn auch die menschliche Seele die für ihre Jagd geeignete Einsicht, Begabung und Werkzeuge« (Furori, II, 2, S. 310). Es handelt sich also um einen naturalis appetitus, der, wie Ficino bemerkt hatte, ein naturale desiderium cognoscendi widerspiegelt. Im Unterschied zu Ficino, der sich auf eine transzendente Sphäre bezog, spricht Bruno von einem natürlichen Begehren des Menschen nach Erkenntnis, das dem Bereich der allgemeinen Natur angehört.

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legt eine Konzeption der gegenseitigen Einbeziehung von Verstand und Willen vor, wobei er jedoch an der Idee eines Primats des Verstandes festhält. Natürlich hat der Wille hier den Stellenwert eines rationales Begehrens, weshalb im brunianischen Text von »voluntade intellettiva«, »appetito intellettuale« oder »amor intellettivo« die Rede ist.120 Es muß betont werden, daß das Syntagma amor intellettivo nur ein einziges Mal in den Eroici furori vorkommt, nämlich im fünften Dialog des ersten Teils, auch wenn bereits im ersten Dialog desselben Teils eine Liebe erörtert wird, die »intellettuale e speculativo« ist.121 Unabhängig von der Häufigkeit des Begriffs im Text muß er als Angelpunkt des Werks betrachtet werden.122 Cassirer zufolge tritt mit der brunianischen Eros-Lehre ein neuer Begriff des Selbstbewußtseins zutage.123 Bereits Thomas von Aquin hatte von amor intellectualis gesprochen (im Unterschied, doch nicht im Gegensatz zum amor naturalis), wobei er sich jedoch speziell auf den »amor Angelis« bezog, eine Liebe, die sich durch »rectitudo caritatis et virtutis« auszeichnete.124 Im Hinblick auf den Begriff ist Leone Ebreo (Yehuda Abrabanel) ein wichtiger Vorläufer, der in den Dialoghi d’amore wiederholt auf die intellektuelle Liebe Kommentar, Anm. A 80, 83, 85, S. 500–508. 121  Furori, I, 5, S. 182; I, 1, S. 60; im zweiten Dialog des ersten Teils (S. 80) verwendet Bruno den Ausdruck »appetito intellettuale«; im vierten Dialog desselben Teils (S. 134) ist von »amore intelligibile« die Rede. 122  Ich greife das Bild Cassirers auf, der sich in diesem Fall generell auf die ficinianische Seelenlehre bezieht. Vgl. oben, Anm. A 3, S. 453. 123  Im Anschluß an Überlegungen Diltheys und Gentiles stellt Cassirer fest: »Das Selbst, der ›subjective Geist‹, gliedert sich in die verschiedenen Schaffens­ richtungen, aus denen die Mannigfaltigkeit der Kultur, das System des ›objectiven Geistes‹, hervorgeht. Auch Giordano Bruno beruft sich, unter Hinweis auf Plotin, auf den Eros als denjenigen, der uns das Reich der Subjectivität erst wahrhaft erschließt« (Cassirer: Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance ([1927] 2002), S. 157). 124  Thomas von Aquin: Summa theologiae, I, q. 60, art. 1. Was die Unterscheidung zwischen natürlicher und intellektueller Liebe betrifft, erwähnt Thomas von Aquin Dionysius Areopagita, De divinis nominibus, Kap. IV, 15–16 (Dionysius beruft sich seinerseits auf Hierotheus, den er seinen Lehrer nennt). Vgl. auch den ficinianischen Kommentar zu De divinis nominibus, in: Ficino: Opera omnia, II, S. 1070–1071. 120 Vgl.



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zu sprechen kommt. Auch in diesem Fall handelt es sich nicht zum einen Gegensatz zur natürlichen/sinnlichen Liebe, sondern um unterschiedliche Grade. Das bedeutet, einen Liebeskreislauf anzuerkennen, der (wie bei Ficino und Giovanni Pico) die Gesamtheit aller Dinge betrifft: »Die erste Materie – so Leone Ebreo – wünscht und begehrt natürlich die elementaren Formen als schöne und vollkommenere, die elementaren Formen begehren die gemischten und vegetativen Formen, die vegetativen Formen die sinnlichen, und die sinnlichen lieben mit sinnlicher Liebe die intellektuelle Form; diese erhebt sich mit intellektueller Liebe von einem Verstandesakt eines weniger schönen Intelligiblen zu einem schöneren, bis zum letzten Verstandesakt des höchsten göttlichen Intelligiblen mit der letzten Liebe seiner allerhöchsten Schönheit: womit sich der Liebeskreislauf dem höchsten Gut wieder eingliedert, dem letzten Geliebten, welcher der erste Liebende war, der Vater der Schöpfung«.125 Es wäre durchaus ein suggestiver und nützlicher Beitrag zur Begriffsgeschichte, wollte man die Entstehung des modernen Begriffs der intellektuellen Liebe zu Gott rekonstruieren. Dies ist nicht der geeignete Ort, doch ist es wichtig, einige Aspekte des Problems zu beleuchten, um Brunos Position zu verstehen. In den Eroici furori liegt ihm daran, zu betonen, daß die Perspektive der Philosophie insbesondere die Liebe des Menschen zur Gottheit betrifft und daß, wollte man dagegen die Liebe Gottes behandeln (d. h. in bezug auf den Begriff der »göttlichen Liebe […], welche die Gottheit selbst ist«), zahlreiche erläuternde Anmerkungen notwendig wären; Bruno spricht von »molte glose«.126 Leone Ebreo: Dialoghi d’amore (2008), S. 355. Bruno sagt: »Ma vi bisognano molte glose […]« (Furori, II, 3, S. 342); die Variante glosa/glossa ist sowohl im Lateinischen als auch im Altitalienischen bezeugt. In der vorliegenden deutschen Übersetzung steht (S. 343): »Aber es bedürfte noch vieler Erläuterungen […]«, während die vorherige Übersetzung von Christiane Bacmeister (1989) wie folgt lautet: »Aber es gäbe noch viel zu erklären […]«. Bruno gebraucht den Begriff jedoch nicht zufällig (überdies steht zu vermuten, daß er auch auf theologische Kommentare anspielen wollte). Daher wäre es vielleicht angezeigt, den Begriff mit Glossen wiederzugeben. Der Vollständigkeit halber sei auch auf die französische Übersetzung der Furori durch Paul-Henri Michel verwiesen: »Bien des gloses seraient nécessaires […]«, 125  126 

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Nicht, daß Bruno sich dann mit dem Problem nicht auseinandergesetzt hätte, das vor allem seit Augustinus mit dem trinitarischen Dogma zusammenhing, d. h. mit der Identifizierung von Amor und Spiritus Sanctus und folglich mit der Einführung der Liebe in das göttliche Wesen selbst. Man denke nur an die Schriften Summa terminorum metaphysicorum oder Lampas triginta statuarum.127 Bruno, der im Zusammenhang mit der Weltseele (anima/spiritus universi) auf die Liebe zu sprechen kommt, bezieht sich jedoch nicht auf die Trinität des Christentums, sondern auf den von ihm für altägyptisch-griechisch gehaltenen Begriff der göttlichen Triade.128 Außerdem ist offensichtlich, daß in diesen Schriften das Thema der Liebe Gottes nicht im Hinblick auf den Menschen, sondern auf die universelle Natur berücksichtigt wird. Es handelt sich also nicht, wie z. B. bei Spinoza, um die Möglichkeit einer direkten Beziehung zwischen mens divina und mens humana, sondern um das Verhältnis der mens divina zum Bereich der Natur, dem der Mensch als Art angehört.129 Für Bruno besitzt der menschliche Verstand, der »von endlicher Natur und ein endlicher während die neuere englische Übersetzung von Ingrid Rowland lautet: »But we would need many an explanatory note […]«. 127  Vgl. die Überlegungen unten in Abschnitt 4. 128  Wie Felice Tocco (in bezug auf Lampas triginta statuarum) festgestellt hat, »beruft sich [Bruno] zuweilen auf die alten Theologen und scheint sich deren Interpretation des Trinitätsdogmas anzuschließen«; Bruno bezieht sich jedoch eigentlich nicht auf ein göttliches Wesen im theologischen Sinne, da er »wohl zu verstehen gibt, daß für ihn die höchste Realität nicht in sich geschlossen ist, sondern sich im immensen Kreislauf aller Wesen ausbreitet, der alles erleuchtet und belebt« (Tocco: Le opere inedite di Giordano Bruno (1891), S. 43–44). Vgl. einige wichtige Passagen der Summa terminorum metaphysicorum unter den Einträgen Relatio, Actio, Instrumentum, Evidentia im Abschnitt »De Deo seu Mente« (OL I/4, S. 79–80, 82, 100–101). 129  Man muß hier immer die ›Drei-Welten-Lehre‹ berücksichtigen, auf die ich in der Vorbemerkung des Nachwort eingegangen bin. Auch wenn Bruno in De minimo sagt, Gott sei Liebe, präzisiert er: »Influit Deus per naturam in rationem. Ratio attollitur per naturam in Deum. Deus est amor, efficiens, claritas, lux. Natura est amabile, obiectum, ignis et ardor. Ratio est amans, subiectum quoddam, quod a natura accenditur et a Deo illuminatur« (Minimo: OL I/3, S. 136).



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Akt« ist, ein unendliches Vermögen, da er ewig ist;130 dies gerade insofern, als der Mensch ein von der unendlichen Natur erzeugtes Lebewesen ist. Die Betonung der Differenz zwischen Mensch und Tier, auf der die moderne Metaphysik, Erkenntnistheorie und Ethik basieren (Descartes, Spinoza und viele andere), ist nicht Teil der brunianischen Perspektive.131 Sicherlich, in seinen Werken (von De umbris über Spaccio bis zu De immenso) geht er wiederholt auf das Vermögen der mens und der ars des Menschen ein, das sich dank einer »facultà sopra gli altri animali« sogar über die Naturgesetze hinwegsetzen kann.132 So, wie er mehrfach die Fähigkeit des menschlichen Geistes hervorhebt, sich zur Konzeption der Einheit von Allem aufzuschwingen (man denke an Passagen aus dem fünften Dialog von De la causa oder aus De imaginum compositione). Trotzdem liegt Bruno immer daran, zu betonen, daß die Beziehung des Menschen und seiner symbolischen Welt zur Gottheit, zum mundus metaphysicus, anhand einer Vermittlung des mundus naturalis erfolgt.133 Wenngleich die höchste Gottheit, als Schicksal oder höhere Vorsehung verstanden, in der Freiheit, Wille und Notwendigkeit zusammenfallen, bei Bruno als (an sich) allen Dingen der Welt gegenüber gleichgültig konzipiert wird – als jener Gott, der, insofern er »absolut ist, nichts mit uns zu schaffen hat«134 –, steht Bruno zufolge die Gottheit, insofern sie sich durch die Natur vermittelt und verbreitet,135 dennoch dem Menschen bei seinen Unternehmungen im Furori, I, 5, S. 212. In einem der Primärsonette der Furori beruft Bruno sich hinsichtlich der »Vernunft, die allein dem Menschen eigen ist« (»intelletto unico specifico umano«), auf das Bild des Phönix: »Unico augel del sol, vaga Fenice, / ch’appareggi col mondo gli anni tui« (ebd., S. 178, 182). 131  In diesem Sinne ist Cabala del cavallo pegaseo der radikalste Text Brunos (vgl. BW VI, S. 76 ff. ). 132  Spaccio: BSP, S. 205. 133  Und zwar, wie in Spaccio und Furori hervorgehoben wird, anhand der außerordentlichen Macht der Bilder, von dem memoria und imaginatio/phantasia abhängen: sozusagen der Rohstoff der Tätigkeit des intellectus. 134  Spaccio: BSP, S. 257. 135  Man denke diesbezüglich an den Satz platonischen Ursprungs, der dann von der Scholastik übernommen wurde: bonum est diffusivum sui. Man siehe Brunos Auffassung dazu in dem Abschnitt »De campo Caelii, id est bonitate 130 

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Hinblick sowohl auf das aktive als auch auf das kontemplative Leben bei, die, da sie ethisch und heroisch sind, miteinander in Verbindung stehen.136 Mehr als die »altissima et infinita unità«, die man allein religiös anbeten kann, seien es die Götter oder die »eminenti numi«,137 welche die schöpferische Tätigkeit des Einzelnen fördern und beschützen. Die Einheit der Substanz (das ontologische Fundament) rechtfertigt Bruno zufolge den Polytheismus als Polyzentrismus im Horizont der infiniti­stischen Kosmologie. Der frühneuzeitlich-moderne philosophische Begriff des amor Dei intellectualis hat auch der mittelalterlichen Scholastik einiges zu verdanken, die mit neuen theologischen Mitteln Lehren interpretiert, die auf die griechische Philosophie zurückgehen, wenngleich aus einer eklektischen Perspektive, die die jüdische und christliche Tradition berücksichtigt; hiermit sind auch die hl. Schrift und die Kommentare exemplarischer Texte wie z. B. des Hohelieds gemeint. Was die Entstehung des Begriffs in der Moderne betrifft, gibt es verschiedene Studien, die als Schlüsselautor den Philosophen behandeln, der den Begriff in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wiederaufgenommen hat, nämlich Spinoza in seiner Ethica ordine geometrico demonstrata. Obwohl es sich (vor allem in der Vergangenheit) um gelehrte Beiträge handelt, stellen sie sich als vom Nimbus der Außergewöhnlichkeit beeinflußt heraus, der den Autor umgibt, wobei dieser nicht selten von den Forschern selbst genährt wird. Es kommt daher besonders heutzutage vor, daß auch bei Untersuchung des Begriffs amor Dei intellectualis meistens die Worte des niederländischen Philosophen in einem sterilen Versatz von Zitaten wiederholt werden. Wenn dann ein Vergleich mit anderen Autoren, z. B. mit Bruno, vorgenommen wird, kommt meistenteils eine oberflächliche Analyse heraus, die naturali«, Lampas: OM, S. 1164 ff. , vor allem S. 1170: »Considerantibus Caelum in haec inferiora influere, apparebit significatio boni pro eo quod est sui diffusivum, communicativum, liberale, serviens, obsecundans«. 136  Bruno spricht also von »uomini di eroico spirito«, von »animo veramente eroico«, ganz unabhängig vom niederen sozialen Status. Vgl. Causa: BW III, S. 68. 137  Die Begriffe stehen im »moralischen Epilog«, den Bruno Prudenzio am Schluß der Cena vortragen läßt: Cena: U I, S. 569.



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sich im wesentlichen damit beschäftigt, die Originalität Spinozas zu ver­teidigen;138 eine enttäuschende Analyse, die einer gewissen deutschen philosophischen Kritik des 19. Jahrhunderts nachtrauern läßt.139 Eigentlich liegt gar kein Grund für eine solche Haltung vor, wenn man bedenkt, daß Spinoza als nachcartesianischer Autor mit seiner Befürwortung des Begriffs stoischer Prägung einer vernünftigen Seele und einer geometrisch-mechanistischen Ontologie die Konzeption einer Weltseele im Sinne der Renaissancephilosophen gewiß nicht teilen kann.140 Der brunianische Begriff der intellektuellen Liebe ist 138  Noch

heute scheinen die Spinozaforscher sich verpflichtet zu fühlen, die bekannte These Jacobis zu widerlegen, der sich auch auf Pierre Bayle berief, welcher im Artikel »Spinoza« des Dictionnaire historique et critique unter anderem behauptet hatte: »Il ne faut pas oublier que cet impie [Spinoza] n’a point connu les dépendances inévitables de son système; car il s’est moqué de l’apparition des esprits, et il n’y a point de philosophe qui ait moins de droit de la nier. Il doit reconnaître que tout pense dans la Nature, et que l’homme n’est point la plus éclairée et la plus intelligente modification de l’Univers«. 139  Es ist richtig, die Frage nach den ›Quellen‹ nicht zu betonen, doch scheint es mir auch nicht gewinnbringend zu sein, den Autor in spekulativer Isolation zu präsentieren, was bei einigen Forschern dann seinen Ausdruck in einem Zitatennetz findet. 140  Zur Diskussion steht die Frage, ob in der Anmerkung zu Lehrsatz XIII des zweiten Teils der Ethica ein Bezug zur Lehre von der Weltbelebung besteht. Es handelt sich um folgende Stelle: »Nam ea, quae hucusque ostendimus, admodum communia sunt, nec magis ad homines, quam ad reliqua individua pertinent, quae omnia, quamvis diversis gradibus, animata tamen sunt« (Spinoza: Ethica ordine geometrico demonstrata, in: ders.: Opera / Werke, Bd. II (41989), S. 182). Von den möglichen Interpretationen einmal abgesehen, ist diese Stelle jedoch nicht besonders relevant. Der Gott Spinozas ist der auf den aristotelischen Begriff des ›Seienden‹ gebrachte jüdische Gott. Spinoza scheint kein Interesse an dem entsprechenden kosmologischen (brunianischen) Begriff einer unendlichen Vielheit der Welten zu haben. In diesem Sinne scheint mir der Begriff Akosmismus bedeutsam zu sein, den Hegel gebraucht, um die Position Spinozas zu bestimmen: Das Universum wird nicht als etwas ›Substantielles‹ angesehen. Vgl. Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, in: ders.: Werke in zwanzig Bänden, Bd. 20/III (1973), S. 163 (s. auch Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften, § 50).

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eng mit dieser Anschauung und folglich mit der Unterscheidung zwischen Diana und Apollo verknüpft, d. h. zwischen einem philosophischen Begriff von Einheit und einem im wesentlichen theologischen Begriff. 141 Spinoza bezieht sich auf einen Gott, der sich selbst liebt, wobei er feststellt, daß die intellektuelle Liebe des menschlichen Geistes zu Gott ewig und nichts anderes als die Liebe Gottes ist.142 Diese Behauptung läßt an einen theologischen Begriff des amor Dei denken, der wesentlich jüdisch zu sein scheint, an eine Art Interpretation des Hohelieds, verstanden als abschließende einheitliche Vision – voller Wonne (gaudium) – und aus der Perspektive einer möglichen/endgültigen Befriedigung (einer Einheit als innerer quies) zwischen Liebendem und Geliebtem. Es handelt sich um eine Konzeption, die sich von der platonischen Idee des ἔρως entfernt. Im Gastmahl werden verschiedene Thesen über Eros vorgestellt: als Gott oder auch als Daimon. Der Aspekt, auf dem Platon bezüglich all dessen beharrt, was Ἔρως betrifft, mehr noch im Hinblick auf seinen Ursprung aus Πενία und Πόρος,143 ist jedenfalls nicht der Zustand der Ruhe, sondern die Tätigkeit (die Bewegung). In den Furori ist von Eros sicher nicht als dem absoluten Gott (dem ens absolutum, der einzigen Substanz) die Rede, sondern als einer mächtigen Gottheit,144 und Bruno führt aus, daß der Gott Amor »allen anderen Göttern vorangeht«.145 In den Furori ist Eros eines der Gesichter des »inneren Künstlers« aus De la causa oder des deus in rebus aus dem

Man vgl. dazu die bereits erwähnte Stelle aus Causa: BW III, S. 210. Vgl. Spinoza: Ethica ordine geometrico demonstrata, Pars V, Prop. XXXIII, XXXV, XXXVI, in: ders.: Opera/Werke, Bd. II (41989), S. 542, 544, 546. »Mentis Amor intellectualis erga Deum est ipse Dei Amor, quo Deus se ipsum amat«, und Spinoza erläutert: »Mentis erga Deum Amor intellectualis pars est infiniti amoris, quo Deus se ipsum amat« (das Zitat bezieht sich auf Prop. XXXVI). 143  Das heißt der von Platon selbst dargestellte philosophische Mythos, der Sokrates von der Priesterin Diotima erläutert wird. 144  Furori, II, 1, S. 282: »Amor hingegen, der stärker und größer ist, der im Himmel, auf Erden und im Wasser die höchste Macht besitzt«. 145  Furori, II, 1, S. 285. Ebd. liest man: »mir scheint, die Liebe ist alles und tut alles; von ihr kann alles gesagt und alles kann ihr zugeschrieben werden«. 141 

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Spaccio.146 In der spinozianischen dritten Art der Erkenntnis liegt eine direkte Beziehung zwischen menschlichem und göttlichem Geist vor, wobei es sich nicht um die Weltseele, sondern um den absoluten Gott handelt; eine direkte Beziehung des Menschen zu Gott, die, wie zu sehen war, in der brunianischen Philosophie ausgeschlossen wird.147 Der brunianische Begriff der intellektuellen Liebe sieht keinen Zugang, wie bei Spinoza, im Horizont einer »animi acquiescentia, quae ex Dei intuitiva cognitione oritur«, vor.148 Ein entscheidender Punkt für die Distanz zu Bruno betrifft gerade den Begriff acquiescentia, der Spinoza zufolge dem amor Dei intellectualis entspricht: »Nam sive hic Amor ad Deum referatur, sive ad Mentem, recte animi acquiescentia, quae revera a sowie von Gloria […] non distinguitur, appellari potest«.149 Er spricht von »animi acquiescentia« sowie von »summa animi acquiescentia« und »mentis acquiescentia«.150 Acquiescentia tritt als Gegensatz jenes motus auf, der die intellektuelle Liebe des »furioso eroico« kennzeichnet, und Bruno gebraucht starke Ausdrücke wie »tormento«, »disquarto«, »affanni«,151 die eine spezielle Konzeption des Strebens/ Voranschreitens zum Unendlichen, d. h. der ἐπέκτασις-Lehre aufweisen, auf die ich im Kommentar hingewiesen habe. Hier kann nicht Spaccio: BSP, S. 249. 147 Vgl. Furori, II, 2, S. 314 (s. für einen Vergleich Infinito: BW III, S. 64). Mehr noch als De la causa und Furori kann der Spaccio als Schlüsseltext für diese Auffassung gelten. 148 Spinoza: Ethica ordine geometrico demonstrata, Pars IV, Appendix, Cap. IV, in: ders.: Opera / Werke, Bd. II (41989), S. 488. 149 Spinoza: Ethica ordine geometrico demonstrata, Pars V, Prop. XXXVI, Scholium, in: ders.: Opera / Werke, Bd. II (41989), S. 546. 150  Eine Kritik, die Spinoza an Francis Bacon äußert (in einem Brief an Henry Oldenburg von 1661) ist die, daß Bacon annehme, daß der »intellectus humanus gliscat, neque consistere, aut acquiescere possit«. 151  Furori, I, 2, S. 72, 78; Furori, I, 5, S. 188. Im Hinblick auf den Grund, warum von ›affanni‹ die Rede ist, erklärt Bruno: »Weil das Objekt, also das göttliche Licht, in diesem Leben eher in mühevollem Sehnen als in ruhigem Genießen zu finden ist« (S. 189). Bruno liegt daran, zu präzisieren: »die Tätigkeit der Einsichtskraft vollzieht sich nicht in der Bewegung, sondern in der Ruhe«. Er spricht außerdem von »einer gewissen metaphysischen Bewegung« (Furori, I, 1, S. 55; I, 4, S. 131). 146 

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näher auf den spinozianischen Begriff der acquiescentia in Verbindung mit der Idee des ›Ruhms‹ eingegangen werden. Es sei lediglich angemerkt, daß die Übersetzung des lateinischen Ausdrucks mit »Zufriedenheit«152 mir den Begriff nicht auf angemessene Weise wiederzugeben scheint, wenigstens so, wie er von Spinoza am Ende des vierten Teils und vor allem im fünften Teil der Ethica ent­wickelt wird. Bekanntlich steht der Terminus acquiescentia ursprünglich mit Descartes’ Passions de l’âme in Verbindung, da er von Henri Desmarets in der lateinischen Fassung des Werks153 verwendet wurde, um den Ausdruck satisfaction (anstatt mit satisfactio) wiederzugeben: »La Satisfaction de soy-mesme« / »Acquiescentia in se ipso«. In dieser Bedeutung kommt der Terminus bei Autoren von Henry More bis zu Christian Wolff sowie im Lexicon philosophicum Étienne Chauvins vor,154 so wie man gleichfalls den Ausdruck »Acquiescentia in se ipso« im dritten und vierten Teil der Ethica vorfindet. An den jeweiligen Stellen, an denen der Ausdruck im Text vorkommt, wird er in der deutschen Übersetzung mit »Zufriedenheit mit sich selbst« wiedergegeben; auch in einigen italienischen Übersetzungen steht: »soddisfazione di se stesso« oder »di noi stessi«. Während in diesem Fall die Übersetzung korrekt ist (insofern sie auf die cartesianische Bedeutung verweist), muß darauf hingewiesen werden, daß der Terminus acquiescentia im fünften Teil der Ethica155 eine andere Bedeutung als satisfaction hat. Überdies bringt Spinoza Kritik an der Idee einer acquiescentia in se ipso als amor In der zitierten Ausgabe der Ethica mit gegenüberliegender Übersetzung wird »animi acquiescentia« mit »Zufriedenheit der Seele« wiedergegeben (so auch in anderen Fällen), auch wenn im Text von animus, nicht von anima die Rede ist; ich bin nicht sicher, ob man hier nicht vielleicht besser mit Gemüt übersetzt hätte. Der spinozianische Text wird auch aufgrund der vorhersehbaren, doch problematischen Übersetzung von »mentis acquiescentia« mit »Zufriedenheit des Geistes« (in allen Fällen) verflacht (Spinoza: Opera / Werke, Bd. II (41989), S. 543, 547). 153  Die lateinische Übersetzung – Passiones animae – erschien 1650, ein Jahr nach der französischen Originalausgabe. 154  In der zweiten Ausgabe (1713) unter dem Stichwort »Satisfactio, sive acquiescentia in se ipso«. 155  Wie gesagt auch schon in der Pars Quarta des Werks. 152 



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sui an.156 Dem Terminus acquiescentia kommt im Verhältnis zum tertium cognitionis genus eine Bedeutung zu, die dem stoischen Begriff der quies animi näher steht, also mit dem Begriff der tranquillitas bei Cicero und Seneca zusammenhängt, wenn auch in einem viel höheren Grade als die Ratschläge zur Mäßigung und zur ›richtigen Mitte‹. Ich habe von einem motus gesprochen, d. h. nicht von einem Zustand der Ruhe, sondern der inneren Spannung, der die intellektuelle Liebe des »furioso eroico« kennzeichnet. Meines Erachtens machen die Betrachtungen über den spinozianischen Begriff der acquiescentia die Implikationen eines möglichen Vergleichs zwischen Bruno und Tasso157 über die Thematik der Liebe besser verständlich, ein Vergleich, der von Giovanni Aquilecchia unternommen wurde. In einem Beitrag zum Thema Dialoghi bruniani e dialoghi tassiani: per una comparazione delle fonti zieht der Forscher einen Vergleich zwischen der Liebeskonzeption in den Eroici furori und der Definition der Liebe, der Tasso im Dialog La Molza den Vorzug gibt: »Wie dem auch sei, ich würde eher sagen, daß die Liebe eine Ruhe im Angenehmen sei statt eine Bewegung hin zum Angenehmen, wie einige gesagt haben, weil die Gattung der Ruhe edler als die andere ist«.158 Aquilecchia merkt an, daß die von Tasso abgelehnte Definition der Liebe als Bewegung mit der platonischen Tradition in Beziehung zu setzten sei: »Bei einem Vergleich scheint es mir bedeutsam, daß Bruno im Gegenteil in seinen Furori die Gültigkeit der sozusagen quietistischen Definition leugnet, indem er statt dessen im Ganzen des Werks derjenigen als Bewegung und Streben zustimmt«.159 Für einen Vergleich mit Bruno zieht Aquil156 Spinoza: Ethica ordine geometrico demonstrata, Pars III, Affectuum defi-

nitiones, XXVIII, Explicatio, in: ders.: Opera / Werke, Bd. II (41989), S. 364–367. 157  Ein Dichter, der bekanntermaßen eine im wesentlichen aristotelische philosophische Ausbildung hatte. 158 Tasso: La Molza overo de l’amore, in: ders.: Dialoghi, II/2 (1958), S. 756: »Comunque sia, io direi più tosto che l’amore fosse una quiete nel piacevole che un movimento verso il piacevole, come alcuni hanno detto, percioché il genere de la quiete è più nobile de l’altro«. Ebd. liest man: »È dunque l’amor quiete: e allora è veramente amore ch’egli è divenuto signor nel suo regno«. 159 Aquilecchia: Dialoghi bruniani e dialoghi tassiani: per una compara­ zione delle fonti (1994), S. 25.

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ecchia, wie gesagt, die tassianischen Dialoge heran. Seltsamerweise scheint der Forschung bisher ein weiterer Text Tassos entgangen zu sein, der um so mehr für einen Vergleich mit den Eroici furori zu berücksichtigen ist. Es handelt sich um den Discorso della virtù heroica, et della charità, der 1582 erschien und den Bruno gekannt haben konnte. Wenngleich Tasso den Wert der heroischen Tugend anerkennt, argumentiert er zugunsten der christlichen Liebe (caritas). Es handelt sich um eine philosophische Übung, aus der das Wissen des Autors hervorgeht, der unter anderem erklärt, daß es seine Absicht sei, die platonische Philosophie (»Socratica filosofia«) mit der aristotelischen zu vereinen.160 Tasso fragt sich, ob die heroische Tugend ihren Sitz im Verstand oder im cholerischen und begehrenden Teil der Seele habe und ob sie unter den aktiven oder kontemplativen Tugenden anzusiedeln sei, wobei er zu dem Schluß kommt, die heroische Tugend, so wie die Großmütigkeit, begreife jede andere Tugend in sich.161 Trotz der Überlegung, daß heroische Tugend und christliche Liebe sich in der Tat entsprächen,162 betont er, daß die christliche Liebe im Willen ansässig sei, wobei er (gegen Thomas von Aquin und seine Anhänger) argumentiert, der Wille sei ein edleres Vermögen des Gemüts als der Verstand.163 Schließlich fragt sich Tasso, welche der beiden Tugenden (die heroische Tugend oder die christliche Liebe) voranzustellen sei, und erklärt sich gänzlich zugunsten der letzteren: »Kein Held hat so freudig das Leben für das Vaterland einer Gefahr ausgesetzt, wie der barmherzige Mensch es für Christus tut«.164 Die grundlegende Divergenz Brunos zu obigen Ansichten wie auch zur Liebeskonzeption als »einer Ruhe« scheint mir Discorso della virtù heroica, et della charità (1582), Bl. 2v. Vgl. ebd., Bl. 4v–5r. Tasso sagt dort: »Fra tutte le virtù morali nondimeno niuna più alla virtù Heroica s’assomiglia della Magnanimità; et sì come il magnanimo di niuna cosa più gode, che dell’honore, et niun’altro premio estima conveniente a’ suoi meriti; così l’Heroe d’alcuna cosa più non si rallegra, che della gloria« (ebd., Bl. 5r). Tasso sagt außerdem, es scheine, »che la virtù Heroica più propriamente si dica dell’attive, che delle speculative virtù« (ebd., Bl. 6r). 162  Nämlich deswegen, »perché l’una, e l’altra molte virtù in sé contiene« (ebd., Bl. 6v). 163  Ebd., Bl. 7v. 164  Ebd., Bl. 9r. 160 Tasso: 161 



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deutlich hervorzutreten. Dem ist hinzuzufügen, daß Bruno in den Eroici furori die Beschaffenheit des »intelletto particulare« (des individuellen Verstands des Menschen) nachdrücklich von der des »einzigen Intellekt« der menschlichen Art unterscheidet, der im Text auch als »universell« bezeichnet wird. Während ersterer (der Einzelverstand) »leidenschaftlich, schwankend und unsicher« ist, ist letzterer »ruhig, feststehend und sicher«. Die intellektuelle Liebe zielt natürlich auf den universellen Intellekt.165

4. Der Begriff der Relation Der Relationsbegriff nimmt eine Schlüsselstellung im Denken Brunos wie überhaupt im Denken der Moderne ein, insofern die relatio, das Relative – weit über die Behandlung des πρός τι bei Aristoteles hinaus, der jeglichen skeptischen Niederschlag dieser Kategorie ausschloß  – als ein Begriff in Erscheinung tritt, der sich als entscheidend für die Krise der Idee des Absoluten und die Durchsetzung des Relativismus/ Perspektivismus in seinen verschiedenen Ausformungen erweist. Wir werden sehen, inwieweit das Thema im Werk Brunos präsent ist und wie wirkmächtig dieser Begriff, auch was die Weiterentwicklung des vinculum-Begriffs betrifft, in den Eroici furori zum Tragen kommt, ein Text, in dem unterschiedliche Folgen einer polyzentrischen Weltsicht Ausdruck finden: von der ästhetischen Ebene mit ihrem direkten Bezug zur Dichtung zur metaphysischen Ebene. Bereits hier kann jedoch festgestellt werden, daß von der ersten bis zur letzten Seite der Furori der Relationsbegriff im Vordergrund steht: angefangen von der Kritik der Vorstellung von ›Regeln‹, die ein Modell der Vergangenheit verabsolutieren möchten, indem sie die lebendige Poesie unter­drücken, bis hin zur Kritik, im philosophischen Bereich, der metaphysischFurori, I, 5, S. 183. Weiterhin ist eine Stelle aus dem ersten Dialog des zweiten Teils zu berücksichtigen, an der der Unterschied zwischen einem ›ZurRuhe-Kommen‹ des Liebenden (gegenüber einem bestimmten Gegenstand der Liebe) und einem »Erstreben vollkommenerer […] Objekte« erörtert wird (Furori, II, 1, S. 239). 165 

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theologischen Idee eines absoluten göttlichen Prinzips, eines einzigen, absoluten Mittelpunkts, der sich als unerkennbar herausstellt  – eine Einheit, an die die Theologen glauben166 – und der hinsichtlich der Auffassung einer Gottwerdung des Menschen einen unmöglichen Sprung in der natürlichen Ordnung mit sich bringen würde, in bezug auf welche Relation und Vermittlung ja gerade Gültigkeit haben. Eine metaphysisch-theologische Idee, die Bruno im Horizont einer Naturphilosophie, welche die Ontologie im Blick der Vorsokratiker, d. h. der φύσις, begreift, für nicht verwendbar hält. Wie der Pythagoreer Micco in der Cabala del cavallo pegaseo sarkastisch bemerkt: »was die anderen als Metaphysik preisen, ist nichts anderes als Teil der Logik«.167 Wir können sicher sein, daß Micco hier einen bei Bruno tief verankerten Gedanken zur Metaphysik der Aristoteliker, aber auch der Platoniker ausspricht; die Behauptung wird auf angemessene Weise verständlich, wenn man sich die brunianischen Überlegungen aus De la causa, principio et uno zur Differenz in der Konzeption des Seienden zwischen den »Logikern« und den »Physikern«, d. h. den »Naturphilosophen«, vergegenwärtigt.168 Mehr, als die »Einheit zu denken« – ein Ausdruck, den Hegel mit Bezug auf Bruno anwendet169  –, scheinen die Denker der Moderne Causa: BW III, S. 211 u. 241. Cabala: BW VI, S. 125. 168  Vgl. vor allem den dritten Dialog von Causa: BW III, S. 235–237, 241, 249–51. 169 Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, in: ders.: Werke in zwanzig Bänden, Bd. 20/III (1973), S. 39; s. auch die kritische Ausg., wo es heißt: »die konkrete, absolute Einheit zu denken« (Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, Teil 4 (1986), S. 58). Es sei daran erinnert, daß Hegel es für ein wichtiges Element – und ein Verdienst – der brunianischen Philosophie hält, »die Entwicklung der Idee so zu erkennen, daß sie eine Notwendigkeit von Bestimmungen ist«, wenngleich sich seine Kritik in der Folge gerade der Frage, wie die »Bestimmungen des Denkens« bei Bruno verstanden werden, d. h. der Naturphilosophie und ihren Modellen, zuwendet (Vorlesungen (1973), S. 30 u. 38–39). Vgl. für einige Überlegungen zum Thema der Einheit bei Bruno Beierwaltes: Identität und Differenz (1980), Kap. III des 3. Teils, u. ders.: Denken des Einen (1985), Kap. XVI. 166 Vgl. 167 



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schon seit Cusanus, wie man mit Ernst Cassirer sagen kann, die Relation zu denken, sich also der Frage zuzuwenden, wie das Verhältnis zwischen den ›Gegensätzen‹ zu verstehen sei. Das bringt den Versuch mit sich, die Frage von Einheit/Vielheit und Dualität/Differenz, folglich des Unsichtbaren/Sichtbaren, des Identischen/Unterschiedlichen, in einem neuen Licht zu interpretieren, im Grunde eher unter Rückgriff auf das griechische Denken als auf die jüdisch-christliche Auffassung des Schöpfergottes oder auch auf die Idee der Dreifaltigkeit, die sich in der Welt widerspiegelt. Sicher, der Philosoph aus Nola kann sich als einen der Begründer des modernen Relativismus (Perspektivismus) verstehen, wenn auch in einem völlig anderen Horizont als dem zutiefst dem Skeptizismus verpflichteten Relativismus eines Autors wie Montaigne. Bruno behandelt den Relationsbegriff in verschiedenen Schriften, von den der ars memoriae gewidmeten bis zu den Schriften, in denen er die eigene Onto-Kosmologie ausarbeitet; in einigen von ihnen, besonders in der Summa terminorum metaphysicorum, untersucht er die aristotelischen Überlegungen zur Relation, wobei er sie, wie in der Praxis descensus des genannten Werks, auf das Problem des Seienden und der göttlichen Triade anwendet. Bekanntlich waren die Stoiker wie auch Plotin am Problem des πρός τι interessiert, wobei sie sich sowohl auf Platon als auch auf Aristoteles beriefen. Jedoch erst mit dem Auftreten des Skeptizismus, insbesondere im Werk des Sextus Empiricus, tritt das Bedürfnis zutage, das Problem einer radikalen Neuprüfung hinsichtlich der aristotelischen Betrachtungen in den Kategorien und der Metaphysik zu unterziehen. Hierbei wurden Aspekte beleuchtet, die beim Stagiriten (auch beabsichtigterweise) unterschätzt worden waren, der an der Vorstellung einer kleinsten ontologischen, dem πρός τι eigentümlichen Entität festgehalten hatte: unter allen Kategorien »diejenige, die am wenigsten mit einer bestimmten Natur oder einem Wesen identifiziert werden kann«.170 Es wurde bereits bemerkt, daß man in den Schriften des Sex170 

Bekanntlich wird in den aristotelischen Texten – wie übrigens auch bei Sextus Empiricus – die Kategorie der Relation mit der adverbiellen Redewen­ dung πρός τι bezeichnet, ›im Verhältnis zu‹. Vgl. Kategorien, 7, 6 a 36–8 b 24; Metaphysik, V, 15, 1020 b 26–1021 b 11; XIV, 1, 1088 a 23–35 (das Zitat: 1088 a 23).

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tus Empiricus eine bedeutende Überprüfung der Betrachtungen des Aristoteles wie auch Platons und der Autoren der mittleren Akademie bezüglich der Relation vorfinden kann; in den Πυρρωνείαι Ὑποτυπώσεις macht Sextus das πρός τι, das der achten Trope entspricht, zur grundlegenden Kategorie der Skepsis. Aufgrund dieser Kategorie sei zu schließen, daß man sich, da alles πρός τι sei, des Urteils im Hinblick auf das, was die Dinge im absoluten Sinne sind, zu enthalten habe: Die Dinge erscheinen auf die eine oder andere Weise, in bezug auf ein bestimmtes Tier oder einen bestimmten Menschen, so wie in bezug auf die Umstände. Bruno kannte die Schriften Sextus’ in der lateinischen Fassung von Henri Estienne und Gentier Hervet,171 wie aus einigen Passagen der Cabala hervorgeht.172 Der Philosoph aus Nola scheint einige skeptische Reflexionen zur ἐποχή, also zur Zustimmungs- und Urteilsenthaltung, zu schätzen, jedoch nur, solange es sich um eine vorübergehende und methodische Enthaltung handelt, d. h. die unter dem Aspekt einer Methodenlehre erfolgt; dies in Verbindung mit weiteren alten Quellen und der Thematik der consuetudo credendi: die »Gewohnheiten unseres Elternhauses«, wie man in der Cena de le Ceneri liest;173 eine Überlegung, die in De l’infinito, universo e mondi weiterentwickelt wird: »Wer auf vollkommene Weise urteilen will […], muß sich der Gewohnheit des Glaubens vollkommen zu entkleiden wissen. Er muß die eine wie die andere widersprüchliche Meinung als gleichermaßen möglich ansetzen und die Vorliebe vollständig ablegen, die er von Geburt an eingesogen hat – sowohl die Vorliebe, die sich im Gespräch und im allgemeinen Umgang kund tut, als auch diejenige, durch die wir mittels der Philosophie (ster171 

Ich beziehe mich auf die 1569 in Paris bei Martin Le Jeune erschienene Ausgabe, die sowohl die Pyrrhonischen Hypotyposen (in der bereits 1562 in Genf veröffentlichten Übersetzung Estiennes) als auch die Bücher Adversus mathe­ maticos in der Übersetzung Hervets enthielt. Die Ausgabe des griechischen Texts der Werke des Sextus Empiricus erschien erst 1621. Vgl. zu den Passagen, auf die ich Bezug genommen habe (PH I 135–136): Sextus Empiricus, Adversus mathematicos … Eiusdem Sexti Pyrrhoniarum hypotypωseωn libri tres (1569), S. 427. 172 Vgl. Cabala: BW VI, S. 98–113. 173  Cena: U I, S. 464 (»consuetudine di nostra casa«); F, S. 103.



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bend für das gemeine Volk) in den Zirkel derjenigen Gelehrten hineingeboren werden, die von der Menge und zu bestimmten Zeiten für Weise gehalten werden«.174 Bruno berücksichtigt in seinen Schriften die Idee ›unseres Zuhauses‹ [di nostra casa] (das wir für den besten Ort halten, den es gibt, gerade weil es unseres ist) auch im Sinne der Behauptung eines Privilegs seitens der menschlichen Art gegenüber den anderen Lebewesen, eine Herrschaft, die für sich beansprucht, durch den göttlichen Willen beglaubigt zu sein. Die Gewohnheit und der habitus, der daraus folgt, stellen die Seinsweise dar, aufgrund derer eine natürliche Grenze mit einem kulturellen Vorurteil verbunden wird. Es handelt sich im wesentlichen um einen (trügerischen) Instinkt, der auf die Erhaltung des eigenen Seins und der Stammesgemeinschaft gerichtet ist, auf die Erhaltung des eigenen Bewußtseins als Weltmittelpunkt und des eigenen natürlichen Selbst in einer bestimmten natürlichmenschlichen Umwelt, aber auch den nicht-menschlichen Arten gegenüber, die als niedere Arten für anders gehalten werden. So werden Gesetze, Riten, Glaube und Sitten wie auch die Sprache derjenigen getadelt, die anders als wir zu sein scheinen, die wir jedoch ganz allgemein (absolut) noch eher für solche halten, insofern sie unserer Welt fremd sind, Fremde oder auch Barbaren; parallel dazu tadeln diese uns aufgrund von Gesetzen, Riten, Glauben und Sitten, die ihnen nicht angehören. Bruno betrachtet die Andersheit im Horizont des Wandels und des »Rads der Verwandlungen«,175 dem zufolge diejenigen, die herrschen, später zu Sklaven werden können. Das Mißverständnis liegt Bruno zufolge in der Tat in dem Anspruch begründet, eine natürliche Gegebenheit verabsolutieren zu wollen: jenes sich als Zentrum fühlen, welches eine Eingebung der Weltseele darstellt, die unteilbar ist, »alles in allem« (tutta in tutto),176 wenngleich sie durch die Seele unseres Gestirns wirkt, die auf jeden Fall eine natura naturans, wenn auch innerhalb eines bestimmten Raums und einer bestimmten Zeit, ist, die sich den verschiedenen natürlichen Arten mitteilt. Jedes Ding ist MitInfinito: BW IV, S. 253; allgemein sei zu diesem Thema auf S. 248–259 verwiesen. Vgl. dazu auch De immenso: OL I/1, S. 313–316. 175  Furori, I, 3, S. 116–117. 176  Causa: BW III, S. 210–211; vgl. 236–239. 174 

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telpunkt dank der Seele, die »das Leben gibt« (dà l’essere), indem sie die Einheit ausdrückt, »mit dem Endlichen wiederholt, die Zahl setzt, mit dem Unendlichen wiederholt, hingegen die Zahl negiert«.177 In der physischen Welt hat das Mittelpunkt-Sein seine Dauer, und die Seele – die Kraft der natura naturans – hält sich sicher nicht damit auf, mit den Knochen des armen zusammengesetzten Wesens zu spielen: Die Seele gibt lediglich den Anstoß zum Leben, doch das Leben der zusammengesetzten Wesen betrifft den eigenen spiritus und die eigene moralische Existenz; sie kommt daher in einer anderen als der konstitutiven, natürlichen Sphäre zum Ausdruck. Man muß folglich an der Idee einer Vielzahl von Zentren, in der Welt der Natur wie auch in der Welt der Werte, festhalten, sowie an der Idee einer Relativität der Gesichtspunkte im Blick auf die Gegensätze, einer Beziehung zu den Gefühlen der eigenen Art, während jedes Individuum dazu neigt – und hier wird der Diskurs zum spezifisch anthropologischen –, doch gerade die eigene Art und die (kulturelle) Gewohnheit der eigenen Umgebung als privilegierten Mittelpunkt zu betrachten. Während Bruno so einerseits Wert darauf legt, zu unterstreichen, daß »dem Geschmack des Esels die Disteln süß zu sein scheinen, dem Geschmack des Menschen hingegen sehr sauer; die Ziege hält den Schierling für eine äußerst angenehme Speise, für den Menschen hingegen ist er tödlich; für die Hyäne gibt es nichts Begehrenswerteres als menschlichen Kot, und im Ursprung schmeckte dem Menschen der Kot und die fauligen Hoden gewisser Tiere«,178 schließt er andererseits daraus: »Wie dem auch sei, eine Schlange wird sagen, daß die Schlange das Ein und Alles ist, der Rabe, daß es eben ein Rabe ist, und sie machen die eigene Art zum Maß der Dinge und stellen sie in den Mittelpunkt, wie wir es auch mit unserer Art machen und uns selbst in den Mittelpunkt stellen«.179 Die Reflexion über eine solche Dynamik der AbsolutCausa: BW III, S. 253. 178  De minimo: OL I/3, S. 191: »asinino gustui lenes cardui, humano asperrimi; cicuta iocundissimus caprae cibus, homini exitialis; hyaenae nihil humano stercore optabilius, et homo stercore et putridorum testium quorundam animalium primarie delectatur«. 179 Bruno: Über die Monas, die Zahl und die Figur (1991), S. 10 [Anm. d. Übers.: 177 



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setzung, die für den Menschen das Unverständnis oder auch die Verneinung des legitimen Rechts des Anderen, Mittelpunkt zu sein, sowie das Vergessen eines universalen, gemeinsamen Bandes (nicht nur zwischen den Menschen, sondern auch zwischen den Tiergattungen trotz der Unterschiede der ›Gefühle‹) mit sich bringt, stellt eines der grundlegenden Motive der brunianischen Philosophie dar. Man kann dieses Motiv im Übergang von der Kosmologie der Unendlichkeit zur Ethik bis hin zur Betrachtung des Schönen ausmachen: »Denn dies ist nach ihrer Ansicht nicht anders – heißt es in De l’infinito – als nach Ansicht der Äffin deren Kinder die schönsten Kreaturen der Welt sind und das schönste männliche Wesen ihr äffischer Mann ist«.180 Und in der Cabala schreibt Bruno unter Berufung auf ein Thema, das schon bei Xenophanes und Epicharmos auftaucht und von unterschiedlichen Autoren bis hin zu Cusanus wieder aufgenommen wurde:181 »Ihr wißt, daß das Schwein kein schönes Pferd sein darf noch der Esel ein schöner Mensch, sondern der Esel ein schöner Esel, das Schwein ein schönes Schwein [und] der Mensch ein schöner Mensch. So daß, um diese Erkenntnis weiterzuführen, das Pferd dem Schwein nicht schön erscheint, und der Mensch sich nicht in den Esel verliebt, noch im Gegenzug dem Esel der Mensch schön erscheint, und der Esel sich nicht in den Menschen verliebt: So daß es in bezug auf dieses Gesetz so ist, daß in dem Moment, da die Dinge mit dem Verstand [raggione] untersucht und erwogen werden, der eine dem andern (gemäß der eigenen Leidenschaften) zugestehen wird, daß die Schönheiten unterschiedlich sind: gemäß den verschiedenen Möglichkeiten der Proportionen [der Körper]. Und nichts ist wirklich und absolut schön«.182 die dt. Übers. wurde gegenüber der zitierten Ausgabe geringfügig geändert]. »Quidquid id est, serpens serpentem dixerit unum / omnia, corvum unum corvus, propriam speciemque / mensuram rerum faciant, mediamque reponant, / ut facimus nostram, velutique reponimus ipsi« (De monade: OL I/2, S. 329). 180  Infinito: BW IV, S. 255. 181  Vgl. für Xenophanes und Epicharmos Diels-Kranz: Die Fragmente der Vorsokratiker, 21 B 15; 23 B 5 (= Diogenes Laertius, III, 16); s. auch Cicero, De natura deorum, I, 27, 77. Vgl. Cusanus: De venatione sapientiae, Kap. I, in: Nikolaus von Kues: Philosophisch-theologische Werke (2002), Bd. 4, S. 6–7. 182  Cabala: BW VI, S. 129–131. Vgl. Cusanus: De visione Dei, Kap. VI: »Homo

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So betont Bruno in De vinculis, auch im Zusammenhang mit dem, was er in den Eroici furori anläßlich des Kommentars einer Imprese bemerkt hatte:183 »Es gibt nichts absolut Schönes, das fesselte wie ein Angenehmes, kein absolut Gutes, welches lockte wie ein Nützliches. Nichts ist absolut groß, wenn es begrenzt ist. Was die Schönheit betrifft, so berücksichtige, daß, so wie der Affe der Äffin, der Hengst der Stute gefällt, nicht einmal Venus einer anderen Art als der des Menschen und der Heroen gefallen kann«.184 Denn, so weiter in den Eroici furori, »die Zuneigung richtet sich nach dem Gesetz der Gattung […] So kann das Schwein nicht danach verlangen, ein Mensch zu sein, oder nach jenen Dingen, die dem menschlichen Appetit genehm sind«.185 Es handelt sich folglich nicht um eine ›substantielle‹ Frage, sondern um eine Frage der Begierden, Gefühle, Konstitutionen. Wie man sieht, betrifft der Diskurs sowohl das, was schön oder häßlich zu sein scheint, als auch das, was sich als gut oder schlecht erweist: »Man muß also in Betracht ziehen, daß das Gute und das Schlechte, das Angenehme und das Unannon potest iudicare nisi humaniter. Quando enim homo tibi faciem attribuit, extra humanam speciem illam non quaerit, quia iudicium suum est infra naturam humanam contractum et huius contractionis passionem in iudicando non exit. Sic, si leo faciem tibi attribueret, non nisi leoninam iudicaret, et bos bovinam et aquila aquilinam«, Nikolaus von Kues: De visione Dei (2000), S. 21. 183  Es handelt sich um die Imprese XI (Pulchriori detur) aus dem fünften Dialog des ersten Teils: Furori, I, 5, S. 204–209. 184  De vinculis: OL III, S. 659: »Nihil absolute pulchrum quod vinciat tanquam iocundum, nihil absolute bonum quod alliciat tanquam utile, nihil absolute magnum si finitum est. In pulchritudine enim respice ut simius simiae, equus equae placeat, ne Venus quidem aliae ab homine et heroum speciei«; dt. Übers. in: Giordano Bruno, ausgew. und vorgest. von E. von Samsonow (1995), S. 190 [Anm. d. Übers.: Der letzte Satz wurde gegenüber der zitierten Ausgabe geändert]. 185  Daher, führt Bruno weiter aus, »Es suhlt sich lieber im Schlamm als in einem Bett aus besticktem Leinen und es vereinigt sich lieber mit einer Sau als mit der schönsten Frau, die die Natur je hervorbrächte« (Furori, I, 4, S. 148–149). Vgl. auch Causa: BW III, S. 74–75: »cossì si contenta il porco de le ghiande et il brodo, come un Giove de l’ambrosia e nettare« (»für das Schwein sind die Eicheln und Brühe genauso zufriedenstellend wie für einen Iuppiter Ambrosia und Nektar«).



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genehme, das Schöne und das Häßliche nicht in absolutem Sinne und an und für sich bestehen, sondern daß ein jedes von ihnen in bezug auf unterschiedliche Arten und Individuen, die im Rahmen ein und derselben Realität unter ein und demselben subjektiven Gesichtspunkt zu stehen kommen, anhand der Sinne entgegengesetzte Bezeichnungen annimmt, so wie es in der Tat entgegengesetzten Gefühlen Raum gibt«.186 Wenngleich in Brunos Werk bedeutende Elemente auftreten, die zu einer relativistischen Auffassung im soeben präzisierten Sinne tendieren, kann man jedoch nicht behaupten, daß Bruno Positionen und Schlußfolgerungen der Skeptiker besonders schätze: »die Skeptiker und Pyrrhoneer, die sich dazu bekennen, daß man nichts wissen kann, und deshalb ständig Fragen stellen und forschen, ohne jemals zu einem Ergebnis zu gelangen«.187 Diesen stellt er jene gegenüber, die dem Brauch der pythagoreischen Schule und seiner eigenen Philosophie folgen (insofern sie sich an letzterer inspiriert), zu welchem Zweck man sich zuallererst von allem befreien muß, was auf eine Anmaßung von Wissen zurückzuführen ist, um zu Hörern zu werden: »Nach dem Brauch der pythagoreischen Schule, dem wir uns anschließen – bemerkt er, wobei er klarstellt, daß seine eigene Perspektive von der des Skeptizismus ganz verschieden sei –, dürfen die Schüler weder Fragen stellen noch Einwände machen, bevor sie nicht die Philosophievorlesung ganz zu Ende gehört haben«.188 Die Befürwortung des Studiums unterschiedlicher philosophischer Lehren, auch unter Auseinandersetzung mit verschiedenen literarischen Genres und Registern, wird von Bruno in De la causa, De l’infinito, Spaccio189 und anderen Werken bestätigt, von De umbris bis zur Frankfurter Trilogie, wie z. B. in 186 

»Considerabit item bonum et malum, iocundum et molestum, pulchrum ac turpe nihil esse simpliciter et absolute, sed horum quaedam ad varias collata species et individua eadem eodem se habentia modo subiecta contrarias a sensibus nanciscuntur denominationes, sicut et re vera contrarios inducunt affectus« (De minimo: OL I/3, S. 192). 187  Cena: U I, S. 463; F, S. 102. 188  Cena: U I, S. 462; F, S. 101. Vgl. zur teils satirischen Darstellung der Regeln der pythagoreischen Schule Cabala: BW VI, S. 124–125. 189  Vgl. z. B. BW III, S. 160–163; BW IV, S. 250–253; BW V, S. 186–189.

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De minimo. Unter direktem Bezug auf die Cena und auf De l’infinito hebt er in letzterem Werk die Kritik am Autoritätsprinzip hervor,190 die dieser Forschungsmethode implizit eignet: »Wer philosophieren will, indem er zu Beginn an allem zweifelt, nehme keine Position in einer Kontroverse ein, bevor er nicht die gegensätzlichen Meinungen gehört und die Argumente durchdrungen und gegeneinander erwogen hat; er urteile und nehme eine Position nicht nach dem Hörensagen ein oder aufgrund der Bekanntheit, der Menge, der Langlebigkeit, des Verdiensts und des Ansehens, sondern aufgrund der Überzeugungskraft einer mit den Dingen übereinstimmenden, kohärenten Lehre sowie einer Wahrheit, die im Licht der Vernunft einsichtig wird«.191 Daß Bruno im übrigen wenig am Skeptizismus gelegen ist, wird außer durch klare Aussagen in seinen Schriften auch durch ein Zeugnis persönlicher Art bestätigt. Es handelt sich um eine Anmerkung, die er, als er sich in Toulouse aufhielt, in ein Exemplar des Werks Quod nihil scitur (Lyon 1581) eintrug, das er mit einer Widmung vom Autor selbst als Geschenk erhalten hatte: »Franciscus Sanchez philosophus et medicus doctor« steht auf dem Titelblatt. Daneben hat Bruno angefügt: »Es ist erstaunlich, daß dieser wilde Esel sich als Doktor bezeichnet«.192 Zu Beginn des Werks erklärt Sanchez: »Ich weiß noch nicht einmal dieses Eine, daß ich nichts weiß«, nachdem er im Einleitungsschreiben an den Vgl. zu dieser Kritik in Brunos Schriften im allgemeinen Canone: Giordano Bruno: Portrait of a Philosopher opposed to the Authority Principle (2015), S. 106–117. 191  »Qui philosophari concupiscit, de omnibus principio dubitans, non prius de altera contradictionis parte definiat, quam altercantes audierit, et rationibus bene perspectis atque collatis non ex auditu, fama, multitudine, longaevitate, titulis et ornatu, sed de constantis sibi atque rebus doctrinae vigore, sed de rationis lumine veritate inspicua iudicet et definiat« (De minimo: OL I/3, S. 138). 192  »Mirum quod onager iste appellat se doctorem« (onager ist der wilde Esel im Gegensatz zum eher häuslichen asinus). Eine gleichfalls kritische Anmerkung befindet sich auch auf der ersten Textseite. Auf den Band, der in der Universitätsbibliothek von Breslau aufbewahrt wird, machte 1967 Andrzej Nowicki aufmerksam. Vgl. Canone: Introduzione, in: Giordano Bruno 1548– 1600 (2000), S. LXXXV. 190 



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Leser unter Rückgriff auf den Anfang der aristotelischen Metaphysik193 daran erinnert hatte: »Es ist dem Menschen eingeboren, wissen zu wollen«.194 Bruno wird die Überlegung inkohärent vorgekommen sein, so wie er das gesamte Werk Sanchez’ – das auch wegen der Kritik an Aristoteles in Brunos Augen als wohl noch weniger verdienstvoll als das Werk eines Ramus oder Patrizi galt195 – für oberflächlich gehalten haben wird im Vergleich mit der spekulativen Kraft der Idee einer docta ignorantia des Cusanus, der sich auch auf die Metaphysik berief: »Auch der stets in die Tiefe dringende Aristoteles versichert in der Ersten Philosophie, bei den an sich evidenten Dingen stünden wir vor einer ähnlichen Schwierigkeit wie die Nachteule, wenn sie in die Sonne schauen wollte. Da nun überdies unser Verlangen nach Wissen nicht sinnlos ist, so wünschen wir uns unter den angegebenen Umständen ein Wissen um unser Nichtwissen«.196 Ein Vergleich zwischen Cusanus und Sanchez war für Bruno angesichts der unterschiedlichen philosophischen Qualität der Autoren wahrscheinlich sogar unvorstellbar, so wie ein Vergleich mit dem kritischen Scharfsinn Erasmus’ unvorstellbar gewesen sein wird, der, unter der Maske des naiven Philosophen, im Moriae encomium jeden Anspruch der Weisen auf absolute Wahrheiten zunichte machte: »Denn Sicheres wissen sie [die Philosophen] nichts; das beweist genugsam die bekannte Geschichte, daß über jed-

Metaphysica, I, 980 a. »Innatum homini velle scire«; »Nec unum hoc scio, me nihil scire […]. Haec mihi vexillum propositio sit, haec sequenda venit, Nihil scitur« (»Nicht einmal dieses eine weiß ich: daß ich nichts weiß. […] Dieser Satz ›Nichts wird gewußt‹ sei mein Feldzeichen, ihm muß ich folgen«). Vgl. Sanchez: Quod nihil scitur, in: ders.: Tutte le opere filosofiche (2011), S. 8 u. 18; ders.: Daß nichts gewußt wird (2007), S. 5 u. 15. 195 Vgl. Causa: BW III, S. 136–139. 196  »Si igitur hoc ita est, ut etiam profundissimus Aristoteles in prima philosophia affirmat in natura manifestissimis talem nobis difficultatem accidere ut nocticoraci solem videre attemptanti, profecto cum appetitus in nobis frustra non sit, desideramus scire nos ignorare«: De docta ignorantia, I, Kap. 2, in: Nikolaus von Kues: Philosophisch-theologische Werke (2002), Bd. 1, S. 8–9. Vgl. Aristoteles: Metaphysica, II, 993 b 9–10. 193  194 

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wedem Ding sie sich selbst beständig in den Haaren liegen. Obgleich sie gar nichts wissen, behaupten sie, alles zu wissen«.197 Eine wichtige Reflexion Brunos zum Relationsbegriff findet man in der bereits erwähnten Summa terminorum metaphysicorum, und, wie zu sehen sein wird, auch in der Lampas triginta statuarum. Will man jedoch die Implikationen würdigen, die der Begriff in der brunianischen Philosophie einnimmt – dies auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung in den genannten Werken sowie in der Frankfurter Trilogie, in De imaginum compositione, De vinculis und den der Magie gewidmeten Traktaten –, muß man den Blick vor allem auf die Eroici furori richten. Man denke an die Dialektik zwischen Liebendem und Geliebtem (die mehr beinhaltet als eine Dialektik zwischen Subjekt und Objekt), an die Überlegungen zum Leib-Seele-Problem (des Ganzen und der einzelnen Individuen) und an den vinculum-Begriff; man denke weiterhin an die Betrachtungen zur Gegensätzlichkeit/Dialektik von Knechtschaft und Herrschaft angesichts des Wandels198 wie auch an die Verbindung zwischen den Figuren Apollo und Diana, die im ganzen Werk zum Ausdruck kommt, oder an die Beziehung zwischen den Figuren Jupiter/Sonne und Okeanos/Nymphe in der abschließenden Kanzone der Erleuchteten. Man kann bereits feststellen, daß Bruno in den Furori eine weibliche Gottheit als strahlenden und kraftvollen Stern vorstellt: Seele/Natur als erzeugendes Licht und Alles in Allem, ohne Unterschiede zwischen Arten und Rangordnungen. Eine weibliche Gottheit, die sich als sehr viel produktiver als eine männliche Sonne erweist, die im Werk als weit entfernt und abwesend erscheint, allein dem Glauben verpflichtbar, also lediglich auf theologischer Ebene. Sowohl Glaube als auch Vernunft sind mit den Sinnen verbunden, doch stürzt ersterer, Bruno 197 

»Nam nihil apud illos esse comperti, vel illud satis magnum est argumentum, quod singulis de rebus inexplicabilis inter ipsos est digladiatio. Ii cum nihil omnino sciant, tamen omnia se scire profitentur« (Erasmus von Rotterdam: Moriae encomium, 52; dt. Übers. in: ders.: Ausgewählte Schriften (1995), Bd. 2, S. 129). 198  Furori, II, 2, S. 298–299. Vgl. Canone: »E da l’ignobil numero mi sciolsi«. Sul concetto di servitù in Giordano Bruno (2010), S. 123–126. Siehe Leinkauf: Il concetto di »vicissitudine« nella seconda metà del Cinquecento (2016), S. 106–123.



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zufolge, in einem irrationalen affectus in die Sinne ab, während die Vernunft sich von den Sinnen abhebt, obgleich sie deren Recht auf eine eigene Sphäre anerkennt. Während im Text der Furori die männliche Gottheit hinter der Maske eines blendenden und sich gänzlich entziehenden Apollo (mit Bogen und Zitter, die unbenutzt bleiben) auftritt, wird sie in der abschließenden Kanzone mit Anspielungen auf die Sonne/Christus dargestellt, deren Macht von Jupiter mit der Absicht geltend gemacht wird, einen absoluten Zustand zu verteidigen, der sich jedoch bei all seinem Anthropomorphismus als transzendentes und imaginäres Reich herausstellt, als trügerischer Spiegel gewisser Märchen. Der Schlußbotschaft der Eroici furori zufolge kann allein die Konzeption einer unendlichen Natur und eines hervorbringenden Prinzips den Menschen vor seinen Ängsten und Ansprüchen bewahren. Dies ist die philosophische und Bruno zufolge zutiefst ethische Botschaft der Kanzone der Erleuchteten, welche einen Wiedergeburtsritus zum Ausdruck bringt. Es muß hier klargestellt werden, daß der Ausdruck illuminati, noch vor aller eventuellen Anerkennung der Intuition als den diskursiven Vermögen überlegene Kraft, wie Paul-Henri Michel meinte, im Sinne von zur neuen Philosophie ›Getaufte‹ zu verstehen ist. Bruno beruft sich auf die christliche Tradition, der zufolge bereits seit Justin das Taufbecken Erleuchtung (φωτισμός) genannt wird, da der Konvertit durch den Logos erleuchtet und wiedergeboren würde.199 Trotz einer solchen theologischen Anspielung bezieht sich Bruno auf die Früchte eines philosophischen Forschens, das den Menschen von einer theologischen Illusion befreit. »Le principal enseignement de la chanson – bemerkt Michel – est dans le titre même de Canzone de gl’illuminati. Une dernière fois, et pour conclure son ouvrage, Bruno place la connaissance intuitive au-dessus des facultés discursives«.200 Auch wenn man dieser Interpretation teilweise beipflichten wollte, geht es nicht darum, im Schluß des Werks oder anderswo im Text Elemente mystiJustin der Märtyrer: Apol., I, 61: »Es heißt aber dieses Bad Erleuchtung, weil diejenigen, die das an sich erfahren, im Geiste erleuchtet werden«. 200 Bruno: Des fureurs héroïques, texte établi et traduit par P.-H. Michel (1954), S. 450, Anm. 7. 199 

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scher Natur zu erkennen.201 Es geht hingegen um die Konsequenzen jenes »vom Verstande gelenkten Antriebs« (impeto razionale),202 der die Konzeption des Wandels anstrebt (Bruno betrachtet sie im Hinblick auf die Moral seiner Zeit als eine Lehre für wenige). Was das Mißverständnis einer mystischen Interpretation der Eroici furori anbelangt, sei daran erinnert, daß bereits Bertrando Spaventa in Auseinandersetzung mit den Thesen Heinrich Ritters einige Klarstellungen vorgenommen hatte.203 Wenn ich behaupte, daß man bezüglich des Relationsbegriffs die Eroici furori in Betracht ziehen sollte, wird dabei natürlich auch der Bezug dieses Werks zu anderen Schriften des Autors ins Auge gefaßt, vor allem zu De la causa und Spaccio. Es scheint angemessen, zu einer allgemeineren Einordnung des philosophischen Problems fortzuschreiten. Brunos Auseinandersetzung mit Autoren wie Lullus und Cusanus, aber auch Plotin und Ficino entwickelt sich bezeichnenderweise anhand des Relationsbegriffs und der Termini medium und nexus, von der Metaphysik über die Erkenntnislehre bis zur Logik. Für den Philosophen aus Nola stellte dies in erster Linie eine Möglichkeit dar, das Problem des Seienden in einem anderen Licht und mit Übergang vom theologischen zum philosophischen Rahmen auf der Ebene der Ontologie und der Kosmologie der Unendlichkeit zu betrachten. Auf die Thematik der Relation verweist sowohl die Idee der Weltseele – unteilbare (individua) Substanz in ihrem Sein, teilbare (dividua) Substanz in bezug auf ihre Tätigkeiten204 – als auch die Konzeption des All-Einen (das Universum ist ganz Zentrum und ganz Umkreis) und des Seienden, das »vielartig, vielförmig und vielgestaltig ist«.205 Andererseits konnte eine zutiefst polyzentrische Auffassung wie die Brunos – auf 201 

Vgl. eine kritische Überlegung zur Interpretation Michels bei Védrine: La conception de la nature chez Giordano Bruno (1967), S. 339, Anm. 50. 202  Furori, I, 3, S. 92–93. 203  Vgl. Spaventa: La dottrina della conoscenza di Giordano Bruno [1865], in: ders.: Scritti sul Rinascimento (2011), S. 177–185. Spaventa bezieht sich auf Ritter: Geschichte der neuern Philosophie, Bd. I (1850), S. 609–611. 204  Lampas: OL III, S. 57. 205  Causa: BW III, S. 22, 230–233, 234–235.



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ontologischer, kosmologischer, ethischer sowie ästhetischer Ebene  – den Relationsbegriff nicht anders als ausschlaggebend betrachten, angefangen von der Idee der ›Gegensätze‹ und des Verhältnisses zwischen den »zwei Gattungen von Substanz«206 bis zur Frage des mundus intelligibilis/mundus sensibilis und der Wiederaufnahme der Lehre platonischen Ursprungs von den drei Welten: der metaphysisch-arche­ typischen, der physisch-natürlichen und der rationalen Schattenwelt.207 Bereits das Mittelalter widmete dem Relationsbegriff bekanntlich große Aufmerksamkeit, in metaphysischer Hinsicht besonders im Hinblick auf die Idee der Dreieinigkeit und ihrer Widerspiegelung in der weltlichen Sphäre; man denke z. B. an die lullianische Kunst und die Verbindung zwischen einer dynamischen Ontologie und einer kombinatorischen, praxisorientierten Logik. Es ist kein Zufall, daß Bruno in seinen lullianischen Kommentaren – De compendiosa architectura et complemento artis Lullii und De lampade combinatoria Lulliana – der Funktion der principia relativa/praedicata respectiva und der Frage der Konvertierbarkeit der Begriffe innerhalb des kombinatorischen Sy­stems besondere Bedeutung beimißt. In der Lampas triginta statuarum, dem Werk, das seinen größten Beitrag zur Erfindungskunst darstellt, verbindet Bruno die relatio mit der mythologischen Figur des Demogorgon, mysteriöser Vater der Götter, aber auch Fürst der Dunkelheit, der von Boccaccio in den Genealogie deorum gentilium libri beschrieben wird: »von niemandem erzeugt, ewig, Vater aller Dinge, der tief im Innern der Erde wohnt«.208 Demogorgon ist also unerzeugt und ewig: Es liegt auf der Hand, daß Brunos Entschluß, den Begriff der Relation an diese mythologische Figur zu koppeln, ein klarer Ausdruck seiner Absicht ist, das Verhältnis zwischen Erzeugendem und Erzeugtem auf metaphysischer/physischer Ebene in einem ganz anderen Licht zu betrachten. 206 

Ebd., S. 139. 207  Vgl. dazu Canone: Il dorso e il grembo dell’eterno. Percorsi della filosofia di Giordano Bruno (2003), S. 37, Anm. 43 u. S. 234, Anm. 151. 208  Genealogie deorum gentilium libri (1951), Bd. I, S. 13–15: 13. Der zweite Sohn Demogorgons ist Pan.

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In der Philosophie der Renaissance kommt es zu einer bedeutenden Wiederaufnahme der trinitarischen Spekulationen der mittelalterlichen Autoren, wobei Aspekte und Implikationen hervorgehoben werden, die von den Berufstheologen für heterodox und gefährlich gehalten werden: vom cusanianischen Anspruch einer Erörterung des Problems, die weit über den Ansatz der kataphatischen Theologie hinausgeht, bis hin zur campanellianischen Konzeption der Primalitäten des Seins und ihrer Austrahlungen in der Natur. Es muß betont werden, daß auf metaphysischer und theologischer Ebene die Diskussion um den Relationsbegriff, wie sie sich seit Cusanus entwickelt, eine progressive Krise der Idee des Absoluten kennzeichnet, die eine Neuverortung des Verhältnisses zwischen dem Göttlichen und der Welt mit sich bringt; die theologische Frage betraf das trinitarische Dogma selbst, nicht die Schöpfungsidee. Was Kosmologie und Anthropologie, aber auch Erkenntnistheorie und Ethik betrifft, sind die Entwicklungen der Reflexion über den Relationsbegriff im Horizont des Relativismus ausschlaggebend, die im Laufe des 16. Jahrhunderts, auch dank dem Wiederaufleben des Skeptizismus, hervortreten. Hinsichtlich eines der Angelpunkte der hebräisch-christlichen Theologie ist hervorzuheben, daß Bruno die Idee der Schöpfung radikal ablehnt: das physische Universum ist unerzeugt; im Universum kann man allein die Gestirne als erzeugt bezeichnen, »große Tiere«, die daher einen biologischen Kreislauf haben. Wie bereits erwähnt, greift Bruno in einigen Schriften das Thema der Relation speziell im Hinblick auf die metaphysisch-logische Tradition der Problematik auf, wobei er sich mit den Überlegungen des Aristoteles (in den Kategorien und der Metaphysik) und der Aristoteliker auseinandersetzt. Dies kommt sowohl in der Lampas triginta statuarum als auch in der Summa terminorum metaphysicorum zum Ausdruck; in der Praxis descensus seu applicatio entis letzteren Werks werden die dort untersuchten philosophischen Begriffe, darunter die relatio, von der Definitionsebene eines aristotelisch-scholastischen Wörterbuchs auf die Ebene ihrer Anwendung auf die metaphysischen Seienden übertragen. Bruno unterstreicht jedoch, daß er sich auch auf die Wesen bezieht, »die eine Mittelstellung zwischen den Prinzipien und den metaphysischen und physischen Seienden einnehmen«; bei



philosophisches nachwort 699

der höchsten Triade handelt es sich um deus/mens, intellectus/idea und amor/anima mundi.209 Bruno ist der Ansicht, daß die Natur als eingeborene (unigenita)210 »die unendliche Wirkung der unendlichen Ursache« sei, »die wahre und lebendige Spur der unendlichen Kraft«;211 er mißt also der Natur die Eigenschaft bei, die für die christliche Theologie die Person des Sohnes kennzeichnet. Es ist wichtig, in der angeführten Textstelle den Begriff wahr hervorzuheben – sowohl im Sinne von einzig, eben gerade eingeboren (unigenitus), als auch von wirklich, gewiß  –, da Bruno zufolge die Unendlichkeit des Universums allein wirklich sein kann, so wie für ihn nicht die mathematische Hypothese, sondern die physische Realität das kopenikanische heliozentrische Sy­stem ausmacht.212 Im brunianischen unendlichen Universum ohne absoluten Mittelpunkt, in dem alles Mittelpunkt ist, erscheint jedes Ding in einer Kette von Relationen. Diese Relationen sind nicht im traditionellen Sinne von Einflüssen einer höheren Sphäre (der supralunaren Welt) auf eine niedere Sphäre (die sublunare, irdische Welt) zu verstehen, sondern als Relationen innerhalb ein und derselben Sphäre, so wie in den lullianischen Rädern Begriffe unterschiedlichen Grades wechselseitige Relationen aufweisen und sich zu immer anderen Konfigurationen/ Kombinationen verbinden; folglich als Affinitäten, Entsprechungen, Widerspiegelungen in einem gänzlich beseelten Universum, in dem die intelligible und die physische Sphäre sich in ein und demselben Raum ausdehnen, in einer unendlichen Vielheit körperlicher und, was den Menschen betrifft, auch geistiger Welten: Erinnerungs- und Vorstellungswelten. In dieser Hinsicht nimmt die Konzeption eines zweifachen Horizonts der Seele213  – Zeit/Ewigkeit, sinnlich/übersinnlich  – Summa: OLI/4, S. 73 ff. 210  Causa: BW III, S. 170–171. 211  Cena: U I, S. 455; F, S. 93. 212 In De l’infinito merkt er an: »Deshalb leugnet, wer die unendliche Wirkung leugnet, die unendliche Mächtigkeit« (BW IV, S. 77); s. auch ebd., S. 51–53, zur Verneinung der Unendlichkeit des Universums aufgrund des Sehvermögens: »Denn das Unendliche kann nicht Gegenstand der Sinneswahrnehmung sein«. Vgl. Minimo: OL I/3, S. 194–195. 213  Dieser Begriff, der in der philosophischen Kultur der Renaissance 209 

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eine neue Bedeutung an, in der die Idee einer radikalen Verknüpfung von intelligibler Sphäre und physischer Welt im Mittelpunkt steht, da das Endliche (das Vielfältige) sich im Unendlichen (All-Einen) befindet, das offensichtlich auf nichts verweist, was darüber hinausläge. Bruno zufolge sind all jene Vorstellungen eines Jenseits, wie sie in der Metaphysik und Theologie anzutreffen sind, zwar imaginär, besitzen jedoch in theologisch-politischer Hinsicht, d. h. als Lenkungsprinzipien der Massen, eine moralische Realität/Wahrheit, die durchaus nicht als negativ anzusehen ist. Der Trieb zur Transzendenz findet in der Tat seine Berechtigung gerade im Verhältnis (Nicht-Bestehen eines Verhältnisses/Spannung) zwischen Endlichem und Unendlichem, welches den Zustand eines jeden zusammengesetzten Wesens kennzeichnet und sich beim Menschen als Erfahrung von Unzulänglichkeit erweist. Besonders dann, wenn die Erfahrung der Sinne und der Leidenschaften das Bewußtsein des zusammengesetzten Wesens, das seine eigene Seinsweise, die es als außerhalb jeglicher raum-zeitlichen Relation gelegen sieht, verewigen möchte, dazu verleitet, sich gleichsam für das Maß der Existenz der Welt statt für eine vorübergehende Ausdrucksweise der Weltseele zu halten. Für Bruno, der der aristotelischchristlichen Konzeption des Synolons/der Person kritisch gegenübersteht – ihm zufolge Scheinideen der Vollkommenheit und Einheit –, ist gerade die Relation Seele/Materie als Dialektik Eines/Vieles (Vielheit, die sowohl die Seele als Eines-Viele als auch die Materie als Prinzip der Vielheit betrifft) der Punkt, an dem sich die Existenz definiert, so wie die Identität in der Differenz, der Andersheit zum Tragen kommt. Das Prinzip der Koinzidenz der Gegensätze setzt die Relationen, anstatt sie aufzuheben, insofern die Koinzidenz auf ontologischer Ebene die Legitimation der Gegensätze im Horizont der Entfaltung, d. h. der Vielheit der Welten mit sich bringt. Gerade in dieser unablässigen Spannung – Trieb zur Erhaltung seiner selbst und des Lebens, aber auch Impuls bemerkenswerte Verbreitung fand, war bereits in der Scholastik seit Alain von Lille in Bezug auf den zweiten Satz des Liber de causis entwickelt worden; in diesem Satz ist speziell von der Weltseele die Rede, während die Bestimmung in der Scholastik Anwendung auf die Seele des Menschen findet. Vgl. für Bruno dazu Immenso: OL I/1, S. 202–206.



philosophisches nachwort 701

zur Transzendenz – wird der ethische Raum konstruiert, auf dessen höchster Stufe Bruno die intellektuelle Liebe und den heroischen Furor ansiedelt; wenn man den Schlußdialog der Eroici furori betrachtet, ist letzterer Begriff als Zustimmung zur Transzendenz im Sinne von Metamorphosen/Relationen in der Zeit zu verstehen. Die Relation im Horizont des Wandels ist ein Prinzip der Erhaltung: ewige Wiederkehr von Seinsweisen. Nicht etwa bestimmte Individuen (zusammengesetzte Seiende)214 kehren zurück, sondern eben Seinsweisen; daher »gen Troja wird nicht wieder entsandt ein großer Achilleus«,215 sondern im Rad der Zeit wird es immer einen neuen und anderen Achilles geben, dessen Werke die Heldentaten antiker Heroen wiederaufleben lassen.216 Es war von Relationen und Widerspiegelungen zwischen verschiedenen Sphären eines gänzlich belebten Universums die Rede. Nicht von ungefähr verwendet Bruno vorzugsweise das Bild des spiritus universi als Sphäre/Spiegel,217 dank dessen das Universum bildhaft als eine unendliche Sphäre erscheint,218 »in einem unverzerrten Spiegel […], gemäß seiner unendlichen […] Seinsweise«.219 Aus der Koinzidenz von Freiheit und Notwendigkeit, von Potenz und Akt im göttlichen Prinzip folgt, daß der unendlichen Ursache eine unendliche Wirkung entspricht und daß es folglich »von einem unnahbaren göttlichen Antlitz ein unendliches Ebenbild gäbe«.220 Ein weiteres wirkungsvolles Bild ist dasjenige des Netzes (δίκτυον), das bei Plotin zur Verbildlichung des Kosmos verwandt wird: ein im Wasser versenktes Netz, das die Weltseele darstellt und sich gemäß der Unermeßlichkeit letzterer ausdehnt, Spaccio: BSP, S. 187; Cena: U I, S. 556–557 (F, S. 207–209); Furori, I, 5, S. 180–181. 215  Unter Veränderung eines Verses von Vergil schreibt Bruno im Spaccio: »nec iterum« statt »atque iterum ad Troiam magnus mittetur Achilles« (BSP, S. 40; BW V, S. 54–55). Vgl. Vergil: Bucolica, IV, 36; Landleben (1970), S. 25. 216 Vgl. Minimo: OL I/3, S. 136. 217 Vgl. Lampas: OL III, S. 59–60; dazu Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 51, S. 381–382. 218  Infinito: BW IV, S. 70–73; vgl. Articuli: OL I/3, S. 14–15 u. 77; Minimo: OL I/3, S. 181–182. 219  Infinito: BW IV, S. 73. 220  Infinito: BW IV, S. 65. 214 Vgl.

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ein Netz, das in diesem Zusammenhang lebt, wenngleich es ihm nicht gelingt, sich das Element, in dem es sich befindet, anzueignen.221 Bruno zufolge soll das Bild jedoch alles betreffen, was sich im Universum befindet (d. h. die Totalität aller zusammengesetzten Dinge), nicht aber das Universum selbst, das als unendliches ungestaltbar ist,222 obwohl er von einer unendlichen Sphäre spricht. In der Vorstellung eines AllEinen bis hin zu der einer unendlichen Vielheit von Welten in homogenen Sonnen-/Planetensystemen kann man die bestimmende Funktion der Relation ausmachen, die sich als eine grundlegende Kategorie des brunianischen Werks erweist. Es sei hier daran erinnert, daß Bruno für den Begriff eines systema mundi den Ausdruck synodus ex mundis verwendet, der die Vielheit der Gestirnskonglomerate sowie die Organizität – im Sinne eines lebendigen Organismus – der Relation zwischen Planeten und Sonne/Stern im Zentrum hervorhebt.223 Beide Vorstellungen (die des All-Einen und die einer unendlichen Vielheit von Gestirnen) bringen eindeutig eine radikale Neuinterpretation des GottWelt-Problems sowie des Verhältnisses zwischen mens super omnia und mens insita omnibus mit sich; man muß sich vergegenwärtigen, daß letztere zwar der Natur entspricht – dem deus in rebus aus dem Spaccio –,224 gleichzeitig jedoch auf eines der Antlitze der göttlichen Triade verweist, d. h. auf die Seele oder den spiritus/amor. Der Ausdruck ›Antlitze‹ mit Bezug auf die Gottheit ist auch Bruno zufolge völlig unangemessen. In der Lampas spricht er von zwei Triaden von »Ungestaltbaren« (infigurabilia), die den dreißig Statuen, von denen das Werk handelt, vorausgehen; auf die Triade der Leere (Chaos, Nacht, Orkus) folgt diejenige der Fülle unter Bezug auf die Begriffe Vater (mens, Fülle), Sohn (intellectus primus, Quelle der Ideen) und spiritus Enneades, IV 3, 9. 222  Causa: BW III, S. 227: »Das Universum ist also Eines, unendlich, unbeweglich […] nicht gestaltet […] noch gestaltbar«. 223  Der Begriff systema als Verweis auf den kopernikanischen Kosmos tritt bereits in der Narratio prima (1540) des Georg Joachim Rheticus auf. Vgl. Granada: Synodus ex mundis, in: Enciclopedia bruniana e campanelliana, Bd. II (2010), Sp. 144–145. 224  Spaccio: BSP, S. 249. 221 



philosophisches nachwort 703

(Licht).225 Für Bruno handelt es sich ebensowenig um Hypostasen wie um ›Personen‹. Er erklärt – was er dann auch während des Prozesses bestätigt226 –, das Problem der göttlichen Triade auf philosophischer Ebene anzugehen; in der Summa terminorum metaphysicorum spricht er von »übernatürlicher Triade«, wobei er sich auf die Platoniker und die Altägypter bezieht;227 der Verweis ist in erster Linie auf die hermetischen Schriften zu beziehen. Tatsächlich betrachtet Bruno das Problem der mens über und in den Dingen228 aus zwei Perspektiven, die im wesentlichen der »zweifachen Weise« entsprechen, die Gottheit – die göttliche Triade – zu verstehen, von der in der Summa die Rede ist.229 In seinen Schriften gibt er zu verstehen, daß er sich auf jene Unterscheidung der Ebenen beruft, die in einer konzeptionellen Differenz hinsichtlich des unendlichen Einen zum Ausdruck kommt: der zwischen dem Gegenstand der platonischchristlichen Theologie und dem der Naturphilosophie. Also zwischen einem Einen als Absolutem, dessen Sein grundsätzlich jenseits des physischen Universums liegt (hinsichtlich dieses Begriffs kann man Bruno zufolge allein die Position der negativen Theologie beziehen, indem man sie zu ihren äußersten Konsequenzen führt), und einer spirituellen Einheit  – der Weltseele zusammen mit dem Intellekt als innerem Künstler –, die ein All-Eines darstellt: das jedenfalls absolute Universum, das jedoch der sich entfaltenden Gottheit entspricht. Genau genommen handelt es sich bei Brunos Überlegung um eine Unterscheidung zwischen der Idee des Einen jenseits des Seins, also als geistige Abstraktion, und der Idee des Einen als All-Einem, welches in einer physischen Realität zum Ausdruck kommt und eine vertretbare Ethik möglich macht. Erstere wäre auf philosophischer Ebene unanwendbar, da sie allein Gegenstand des Glaubens sein könne. Bruno gibt zu verLampas: OL III, S. 38–61. 226 Firpo: Il processo di Giordano Bruno (1993), Dok. 13, S. 169–170. 227  Summa: OL I/4, S. 102. 228  Seine grundsätzliche Position – wie sie in De la causa und De l’infinito, im Spaccio, im Camoeracensis acrotismus usw. zum Ausdruck kommt – wird in De immenso bestätigt: »Deum esse infinitum in infinito, ubique in omnibus, non supra, non extra, sed praesentissimum« (OL I/2, S. 312). 229  Summa: OL I/4, S. 102. 225 

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stehen, daß es sich um eine unvermeidliche Idee des menschlichen Geistes handele, die allerdings ohne den Begriff einer Vermittlung durch die Natur, einer Universalsprache des Einen, absurd und dem Menschen unverständlich erscheint. Es ist klar, daß im Hinblick auf das trinitarische Problem der Relation im brunianischen Werk eine radikale Verschiebung der Frage von der theologischen Ebene auf die ontologisch-kosmologische Ebene vorliegt. Bruno betont mehrfach, in seinen Schriften nicht als Theologe, sondern als Philosoph zu sprechen, sich folglich auf eine natürliche Betrachtung der Frage der göttlichen Einheit/Tätigkeit zu beziehen, unter Ausschluß der »höchsten Betrachtung, die sich über die Natur erhebt und die für jeden, der nicht glaubt, als etwas Unmögliches und Nichtiges erscheint«.230 Bruno vermeidet jedoch keineswegs die Auseinandersetzung mit der christlichen Theologie in bezug auf das Trinitätsproblem, sondern stellt die Theologen vor eine Art intellektuelle Herausforderung darüber, wie die Triade, oder besser, die göttlichen Triaden zu denken seien; man denke an Schriften wie die Lampas und die Summa, aber auch an die lateinischen Dichtungen De minimo, De monade und De immenso mit ihren Überlegungen  – hinsichtlich der metaphysischen, physischen und rationalen Welt – zur Koinzidenz von Maximum und Minimum sowie zur Relation zwischen Monade, Atom und Minimum.231 Er zeigt sich weniger an der Frage des göttlichen Wesens, der Gottheit an sich, interessiert als vielmehr an der Thematik des Sich-Mitteilens (der Ausfaltung) der Gottheit und versteht die ursprüngliche Triade oder Triaden in dieser Perspektive. Es wurde oben darauf hingewiesen, daß Bruno in der Lampas triginta statuarum die relatio mit der mythologischen Figur des Demogorgon verknüpft. Die Unbestimmtheit des Demogorgonbildes bei Boccaccio  – eine Figur, die zugleich schrecklich und grotesk sein kann – kann mit der analogen Figur des »Pantamorphs der unvernünftigen Tiere« verglichen werden, auf den der Philosoph sich im Spaccio Causa: BW III, S. 211. Vgl. Furori, II, 1, S. 234–235: »Wir wissen, daß Ihr nicht Theologe, sondern Philosoph seid und Philosophie, nicht Theologie betreibt«. 231 Vgl. Minimo: OL I/3, S. 139–140, 146–149, 153–154. 230 



philosophisches nachwort 705

bezieht.232 Bruno versteht die chthonischen Aspekte des Demogorgon bei Boccaccio als Elemente einer Tiefe/Dunkelheit, die zur erzeugenden Kraft wird; seiner Ansicht nach – wobei er betont, daß alle Dinge, die sind, ihr Sein und ihre Existenz der Relation verdanken  – stellt die enigmatische Figur233 jenes ursprüngliche Prinzip dar, dank dessen die absolute und sich selbst genügende Natur dazu neigt, etwas außerhalb ihrer selbst Liegendes auszudrücken, wobei sie sich der Konstitution eines Universums möglicher Dinge zuwendet.234 Demogorgon wird somit zum Ausdruck der Relation zwischen Idee und Gedachtem, zwischen Vater und Sohn, Erzeuger und Erzeugtem sowie zwischen Intellekt und intelligibler Spezies, wirkendem Prinzip und Wirkung, Ursache und Verursachtem, aber auch zwischen Handeln und Erleiden, Herr und Knecht usw. All diese Elemente liegen in den Eroici furori vor, in denen das bereits in De la causa und Spaccio präsente Thema der Gegensätze weiterentwickelt wird. Wie bereits aufgezeigt, stehen verschiedene Passagen in den Furori mit dem Spaccio in Verbindung, in denen einige den Rela­ tionsbegriff betreffende Lehren präzisiert werden. Diese Bearbeitung beabsichtigt auch, die im zweiten Teil des dritten Dialogs des Spaccio auftretenden Überlegungen in bezug auf die Weisheit der alten Ägypter in eine andere Sprache zu übertragen. Es handelt sich um Reflexionen über die Bedeutung der Bilder für ein erhabeneres Lieben und Streben, wie Bruno bemerkt, aus einer Sicht, der zufolge die Relation Voraussetzung der Metamorphose ist und somit der Erfüllung eines Liebeskreislaufs, in dem eine ›Umkehr‹ als Vereinigung mit dem All-Einen verSpaccio: BSP, S. 148 (»pantamorfo de gli animali bruti«); BW V, S. 201 (in seinem vielförmigen/unförmigen Sein drückt der Pantamorph die Monstrosität unbestimmter Relationen aus). Bereits im einleitenden Schreiben zu De la causa spricht Bruno von den »Entzifferern des Demogorgon« und »Schatzmeistern des Allesformers« (BW III, S. 76–77: »disciferatori di Demogorgone, […] tesorieri del Pantamorfo«). 233  Die Figur/Statue des Demogorgon bleibt jedenfalls unbestimmt. 234  »Demogorgon est prima ratio, qua natura absoluta et per se sibi sufficiens convertitur ad universum constituibile; virtute enim relationis seu habitudinis quam refert, quae est animadversio quaedam ad extrinsecus constituendum, omnia quae sunt habent esse et existentiam« (Lampas: OL III, S. 131). 232 

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wirklicht werden kann (eine Einheit, die zugleich Ausdruck einer Erhaltung von Allem ist). Einige Impresen der Furori verweisen ebenfalls in klarer Weise auf Überlegungen des Spaccio. Eine von ihnen, vielleicht die in dieser Hinsicht bedeutungsvollste, findet sich im ersten Dialog des zweiten Teils unter dem Motto Illius aram.235 In der Imprese wird die Bedeutung des vinculum aus der Perspektive der ›Grade‹ des Liebeskreislaufs und im Ausgang von der Liebe zur »materiellen Schönheit« als »Lichtspur« hervorgehoben.236 Bruno beharrt nachdrücklich auf einem der grundlegenden Themen der Eroici furori: Die Welt des Menschen, so wie alles, was im unendlichen Universum existiert, ist den Gegensätzen unterworfen; die Ermutigungen existieren folglich immer im Gleichschritt mit den Entmutigungen, da wir uns in »questo stato di controversia« befinden.237

Furori, II, 1, S. 234 ff. Ebd., S. 236 (»bellezza materiale« oder »bellezza corporale«, S. 234, 236). 237  Ebd., S. 240. 235  236 

NA M EN R EGISTER

Achilles 245, 247 Adrastea 93 Aeneas 247 Agrippa, Marcus Vipsanius 247 Aktaion 119, 123, 145, 149, 315, 317 Alekto 347 Alexander der Große 301 Algazel (al-Ghazālī) 367 Alkmene 113 Amor 101, 103, 105, 169, 171, 203, 283, 297, 299 Amphitrite 37, 317, 323  Anaxagoras 13, 313 Anaxarch 199 Antiope 113 Äolus 167, 209, 211, 213 Apelles 207 Apollo 95, 113, 273, 315, 381 Archimedes 305, 307 Aristoteles 47, 221, 301, 303, 313, 377 Asklepios 233 Asteria 113 Atticus 247 Augustus, Gaius Octavius 347 Aurora 209 Averroës (Ibn Ruschd) 191, 367

Cocles, Horatius 199 Corinna 13 Cupido 27, 95, 179 Cynthia 13 Cytheris 13 Demokrit 253 Deukalion 187, 331 Diana 17, 37, 41, 273, 297, 299, 307, 315, 317 Dionysios 377 Donat 307 Doris 113 Empedokles 269, 313  Endymion 259 Epikur 197, 199, 247, 253 Euklid 307 Hermes Trismegistos 233 Hesiod 47 Homer 47, 49, 247 Horaz (Quintus Horatius Flaccus) 45 Ixion 79

Bacchus 11, 113 Bruno, Gioan 75 Bruno, Giordano 3

Jamblichus 79, 261, 309 Juno 205, 207, 209 Jupiter 11, 117, 199, 201, 203, 205, 259, 375, 395, 397

Cadmos 113 Caesar, Gaius Iulius 173, 247 Cicero, Marcus Tullius 247 Circe 7, 35, 37, 95, 379, 383, 391, 397

Laodomia 379, 395, 397 Laura 13 Lesbia 13 Lucilius 255

708

namenregister

Lukrez 47 Lukrezia 199 Lycoris 13 Maecenas, Gaius Cilnius 63, 245 Martial 47 Melpomene 45 Merkur 113 Minerva 205, 209 Mnemosyne 113 Musen 19, 37, 39, 43, 45, 47, 51, 53, 95, 247 Neptun 113, 327, 329, 331 Nereiden 323, 325, 387 Nymphen 17, 37, 41, 51, 151, 297, 299, 381, 387, 389, 395, 397 Odysseus 245, 247 Origenes 35 Ovid (Publius Ovidius Naso) 47 Orpheus 15, 47 Pallas 11, 205, 207, 209 Pandora 5 Paris 205 Penelope 95 Penia 203

Phoebus 11, 179, 273 Platon 85, 203, 313, 369 Plotin 33, 107, 115, 155, 177 Pomona 11 Priapus 15 Priscian (Priscianus Caesariensis) 307 Proteus 95, 281 Pythagoras 121, 301, 313, 377 Regulus 199 Salomo 11, 19, 73, 127, 185, 283 Samuel 283 Saturn 11, 97, 113, 205, 245, 285 Scaevola, Gaius Mucius 199 Seneca, Lucius Annaeus 247 Sidney, Sir Philip 5 Silen 11, 15 Sokrates 199 Thalia 45 Thetis 71, 281 Tiberius, Iulius Caesar Augustus 247 Venus 45, 205, 207, 209, 217, 241 Vergil (Publius Vergilius Maro) 45, 47, 49, 247 Vertumnus 11

GLOSSA R / BEGR IFFSR EGISTER

affetto  Gefühl, Fühlen, Zuneigung 19, 21, 23, 25, 27, 29, 53, 67, 79, 85, 99, 105, 107, 121, 129, 133, 139, 149, 157, 171, 177, 182, 191, 197, 201, 203, 209, 213, 215, 217, 219, 237, 245, 263, 271, 273, 275, 277, 279, 285, 287, 329, 337, 339, 341, 343, 373  affezzione  Zuneigung, Gefühlsregung, -aufwallung 49, 81, 129, 135, 189, 287, 355, 363, 373 anima   Seele 7, 13, 17, 19, 23, 25, 33, 35, 55, 63, 71, 77, 79, 95, 99, 107, 109, 113, 115, 125, 127, 129, 131, 135, 139, 141, 143, 145, 147, 149, 153, 155, 175, 177, 181, 185, 195, 201, 203, 203, 237, 253, 261, 265, 267, 269, 271, 273, 275, 279, 285, 307, 309, 311, 337, 339, 341, 361 animo  Geist, Seele, Charakter; Sinn(esart), Gemüt 17, 25, 39, 45, 77, 89, 101, 129, 139, 155, 237, 247, 255, 291, 299, 309, 351, 361, 399 apprensione  Begreifen, Erfassen, Zugriff, Erkenntnis 67, 73, 93, 119, 121, 129, 137, 149, 183, 217, 269, 275, 291, 337, 343, 365, 367, 375, 377 articolo  Abschnitt, Artikel (im Sinne der Präsentation einer These) 15, 19, 21, 23, 113, 235, 243, 249, 257, 259, 263, 267, 277, 279, 285, 297 attitudine  Eignung, Geeignetheit: Möglichkeit 139, 265 atto  Akt (vs. Potenz), Ausübung, Tätigkeit 5, 17, 21, 25, 27, 29, 35, 39, 55, 93, 101, 107, 113, 121, 123, 135, 137, 139, 141, 152, 153, 157, 175, 177, 191, 193,

195, 203, 213, 235, 261, 265, 275, 281, 287, 313, 325, 329, 331, 351, 337, 341, 365, 369 caggione  Ursache, Grund 10, 43, 55, 59, 73, 181, 263, 283, 301, 323, 329, 351, 361, 375 causa  Grund, Ursache 9, 19, 27, 29, 31, 35, 47, 73, 135, 139, 145, 195, 229, 313, 327, 345, 369, 381 cognizione  Erkenntnis 27, 29, 109, 111, 137, 153, 141, 367, 369, 373 coincidenza  Zusammenfall 327 composizione  Zusammensetzung 21, 71, 73, 81, 143, 285, 373 concetto  Erfassen, Begreifen; Auffassungsvermögen, Begriffsvermögen; Begriff 5, 13, 107, 121, 123, 133, 183, 201, 217, 243, 260, 275, 277, 279, 369, 373 considerazione  (verstandesmäßige) Betrachtung 25, 67, 75, 81, 85, 197, 215, 223, 235, 293, 307 contemplazione  (vernunftgemäße) Betrachtung, Schau 18, 21, 25, 29, 39, 45, 91, 111, 121, 149, 151, 175, 201, 237, 261, 271, 273, 275, 303, 311, 367, 373 contrarietà   Gegensatz, Gegensätzlichkeit 21, 25, 69, 73, 77, 147, 157, 163, 241 contrario  Gegensatz 21, 37, 53, 55, 73, 75, 77, 79, 81, 101, 113, 117, 143, 147, 157, 175, 179, 181, 197, 201, 203, 221, 223, 229, 241, 243, 245, 323, 325, 327,

710

glossar /  begriffsregister

329, 335, 353, 355, 367, 371 dignità  Würde 17, 59, 93, 105, 111, 313, 317, 345 discorso  Sprache, Rede; Weg 5, 11, 17, 21, 27, 35, 39, 79, 107, 119, 129, 167, 249, 261, 275, 309, 329, 341, 365, 367, 373 disposizione  Anlage, Anordnung, Eigenschaft, Einstellung 21, 59, 65, 101, 103, 165, 173, 229, 267, 275, 315, 365, 367 divinità  Gottheit, das Göttliche 31, 37, 39, 91, 93, 95, 99, 105, 107, 115, 121, 123, 153, 177, 253, 255, 261, 269, 313, 315, 317, 341, 343, 371 essenza  Wesen(heit), Sein 57, 71, 107, 109, 147, 207, 209, 221, 237, 253, 269, 271, 309, 315, 317, 369 facoltà  Fähigkeit, Vermögen 15, 25, 91, 117, 147, 169, 275, 283, 299, 341, 371, 377, 375 im(m)aginazione  Einbildungskraft, Vorstellungskraft 31, 115, 117, 147, 169, 293 imitazione  Nachahmung 45, 237 ingegno  Geist, Begabung, Ingenium 5, 15, 17, 31, 39, 41, 45, 47, 49, 61, 87, 89, 111, 121, 205, 247, 257, 293, 299, 303, 309, 311, 361, 381, 385 intelletto  Vernunft 5, 23, 27, 37, 39, 61, 65, 95, 105, 107, 109, 117, 119, 121, 123, 129, 133, 135, 137, 141, 143, 145, 147, 159, 175, 177, 181, 183, 191, 193, 195, 199, 203, 213, 215, 217, 237, 249, 263, 269, 275, 329, 337, 341, 343, 347, 369, 371, 373, 375 intelligenza  Einsichtskraft, -fähig-

keit, Vernunft; vernunftbegabtes, geistiges Wesen, Vernunftwesen; Einsicht, Verständnis 31, 33, 37, 39, 55, 91, 147, 149, 153, 161, 175, 183, 191, 193, 201, 205, 209, 215, 253, 267, 273, 275, 303, 309, 311, 315, 339, 341, 371 intelligibile  intelligibel, der Vernunft bzw. der Einsichtskraft zugänglich, geistig (erfassbar) 81, 105, 107, 109, 113, 121, 123, 129, 135, 137, 139, 141, 143, 147, 151, 159, 175, 177, 195, 209, 275, 287, 299, 303, 311, 369, 370, 375 luce  Licht 19, 29, 31, 35, 39, 93, 97, 107, 137, 173, 175, 177, 181, 189, 193, 195, 233, 235, 245, 249, 253, 263, 265, 275, 277, 287, 313, 315, 317, 329, 337, 339, 341, 347, 349, 351, 353, 355, 365, 367, 369, 371, 373, 387, 389, 391 lume, lumi  Einsicht(sfähigkeit), Licht, Augen 33, 83, 85, 91, 99, 107, 127, 129, 153, 163, 187, 191, 211, 213, 251, 275, 287, 269, 287, 311, 315, 323, 331, 347, 349, 353, 365 mente  Geist, Vernunft 39, 53, 55, 57, 67, 97, 105, 107, 109, 115, 117, 121, 147, 149, 157, 189, 197, 201, 213, 219, 249, 251, 253, 255, 257, 265, 275, 287, 297, 299, 301, 303, 307, 309, 311, 337, 345, 361, 365 ombra  Schatten 7, 13, 35, 57, 95, 99, 105, 107, 145, 175, 191, 215, 235, 263, 265, 307, 311,315, 321, 369 operazione  Tätigkeit 55, 107, 119, 121, 123, 151, 313, 335, 371 potenza  Macht, Kraft, Vermögen, Potenz (vs. Akt) 17, 19, 21, 25, 27, 29, 39, 55, 81, 92, 107, 113, 121, 125, 133,



glossar /  begriffsregister 711

135, 137, 139, 141, 147, 149, 153, 155, 157, 175, 181, 191, 193, 195, 203, 207, 213, 217, 259, 261, 263, 265, 267, 269, 271, 275, 285, 287, 313, 329, 331, 335, 337, 339, 341, 361, 369 proprietà  Angemessenheit; Eigenschaft, Eigenheit 207, 215, 297 raggione  Verstand; Grund, Argument; Bedeutung, Begriff; Sichtweise; Funktion(sweise): Gesetz, Art 9, 11, 21, 23, 25, 29, 31, 33, 35, 39, 55, 63, 81, 85, 91, 93, 101, 107, 121, 123, 131, 133, 135, 143, 145, 147, 149, 165, 171, 173, 175, 177, 207, 215, 238, 257, 259, 261, 263, 271, 275, 287, 301, 309, 311, 313, 317, 321, 329, 333, 337, 339, 343, 345, 353, 361, 363, 365, 367, 373, 381 scala  Stufenleiter 153, 155, 157, 187, 313 seno  Schoß 37, 97, 195, 395 senso  Sinn: Sinneswahrnehmung, Gefühl; Bedeutung, Aussage, Ansicht; Gedanke 5, 13, 15, 19, 35, 51, 65, 73, 79, 81, 91, 97, 99, 105, 133, 135, 137, 141, 143, 147, 149, 153, 163, 165, 167, 181, 183, 197, 199, 209, 215, 221, 223, 225, 237, 243, 251, 255, 257, 261, 273, 277, 285, 287, 289, 293, 297, 301, 305, 317, 321, 327, 329, 331, 333, 345, 347, 351, 357, 359, 363, 365, 367, 373, 375, 389 sentimento  Gefühl, Empfinden, Empfindung; Bedeutung, Sinn 5, 13, 49, 63, 75, 95, 117, 157, 199, 261, 287, 329, 373 significazione, significato  Bedeutung 31, 33, 61, 153, 167, 171, 185, 215, 221, 223, 273, 375   similitudine  Ähnlichkeit, Gleichnis,

Vergleich, Abbild 13, 17, 23, 27, 31, 57, 103, 105, 107, 121, 123, 131, 155, 173, 177, 191, 199, 239, 249, 265, 269, 283, 289, 311, 313, 329, 339, 367, 369, 371 specie  Art, Gestalt, Erscheinung(sform) 7, 15, 17, 19, 25, 29, 33, 37, 41, 45, 47, 49, 75, 81, 91, 97, 104, 107, 109, 113, 117, 121, 123, 129, 139, 141, 149, 155, 169, 175, 177, 181, 183, 205, 209, 211, 215, 237, 239, 273, 275, 277, 279, 281, 283, 287, 289, 299, 303, 309, 311, 313, 315, 317, 319, 323, 337, 341, 353, 355, 361, 363, 365, 369, 371, 375, 377 soggetto  Gegenstand; Subjekt, (Einzel-)Wesen 309 spirito  Geist, Denken 15, 19, 25, 31, 33, 51, 63, 67, 75, 85, 87, 91, 99, 101, 143, 157, 169, 171, 173, 181, 201, 203, 233, 237, 239, 249, 253, 255, 275, 293, 299, 301, 303, 309, 369, 375 supposito  Individuum, Einzelwesen 141, 205, 349 sustanza  Substanz 13, 17, 21, 33, 67, 69, 71, 109, 141, 157, 163, 193, 195, 221, 237, 245, 249, 269, 275, 285, 295, 299, 301, 309, 311, 317, 321, 325, 355, 357, 369, 371 vestigio  Spur 35, 69, 191, 235, 237, 313, 369, 375 vicissitudine  Wechsel(haftigkeit), Wandel(barkeit) 21, 39, 75, 117, 193, 229, 233, 315 virtù  Tugend, Kraft 9, 13, 37, 45, 49, 59, 63, 75, 77, 81, 87, 105, 151, 161, 163, 177, 187, 193, 197, 199, 215, 261, 277, 327, 349, 357, 385