Vom Potenzial zur Ressource: Pädagogische Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität am Beispiel der Sprachbeobachtung [1. Aufl.] 978-3-658-26469-7;978-3-658-26470-3

Die BiKES-Studie richtet den Blick in einem innovativ qualitativen Multiple Methods Design auf pädagogische Fachkräfte m

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Vom Potenzial zur Ressource: Pädagogische Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität am Beispiel der Sprachbeobachtung [1. Aufl.]
 978-3-658-26469-7;978-3-658-26470-3

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XVI
Thematische Heranführung – sprachlich-kulturelle Diversität als neue Wirklichkeit (Ulrich Stitzinger)....Pages 1-16
Interdisziplinäre Fundierung – Forschung und Praxis im Kontext sprachlich-kultureller Diversität pädagogischer Fachkräfte (Ulrich Stitzinger)....Pages 17-51
Konzeptualisierung – pädagogisches Handeln im Kontext sprachlich-kultureller Diversität des Elementarbereiches (Ulrich Stitzinger)....Pages 53-78
Theoretische Generalisierung – sprachlich-kulturelle Identität, Teilhabe und Diversität (Ulrich Stitzinger)....Pages 79-102
Ableitungen und Annahmen (Ulrich Stitzinger)....Pages 103-106
Methode – Forschungsdesign der BiKES-Studie (Ulrich Stitzinger)....Pages 107-169
Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I – Potenziale mehrsprachig-interkultureller frühpädagogischer Arbeit (Ulrich Stitzinger)....Pages 171-235
Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II – Potenzialentwicklung von Sprachbeobachtungskompetenzen (Ulrich Stitzinger)....Pages 237-265
Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt III – Merkmale zu Entwicklungspotenzialen und zur Ressourcennutzung (Ulrich Stitzinger)....Pages 267-279
Diskussion und Schlussfolgerungen – vom Potenzial zur Ressource (Ulrich Stitzinger)....Pages 281-299
Fazit – pädagogische Fachkräfte als Akteurinnen und Akteure im Kontext sprachlich-kultureller Diversität (Ulrich Stitzinger)....Pages 301-308
Back Matter ....Pages 309-347

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Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language

Ulrich Stitzinger

Vom Potenzial zur Ressource Pädagogische Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität am Beispiel der Sprachbeobachtung

Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language Reihe herausgegeben von Ulrike M. Lüdtke, Hannover, Deutschland

Die zunehmende nationale und internationale gesellschaftliche Heterogenität bringt entscheidende Herausforderungen für die Sprachpädagogik, Sprachtherapie und Sprachdidaktik mit sich, die sich in vielfältigen Forschungsfragen zur kommunikativen und sprachlichen Diversität von Personen in der gesamten Lebensspanne widerspiegeln. In der Reihe „Diversität in Kommunikation und Sprache“ werden hierzu bereits bestehende theoretische und empirische Zugänge durch innovative und interdisziplinäre Forschungsperspektiven erweitert. Dabei werden beispielsweise Fragestellungen des Erwerbs, der Beeinträchtigung und des Verlustes der Sprach- und Kommunikationskompetenz sowie Aspekte ihrer institutionellen Förderung im Kontext verschiedenster Professionen beleuchtet und durch international vergleichende Studien ergänzt. Mit Arbeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie Studien, Monografien und Sammelbänden etablierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird die Reihe mit Veröffentlichungen in deutscher und englischer Sprache einen wichtigen und zukunftsweisenden Beitrag zur Weiterentwicklung dieser vielfältigen und spannenden Forschungslandschaft leisten. The increasing national and international social heterogeneity creates crucial challenges for speech-language pedagogy, speech-language therapy, and language didactics, which reflect in numerous research questions targeting communicative and linguistic diversity throughout the lifespan. The publication series “Diversity in Communication and Language” was created to extend existing theoretical and empirical approaches through innovative and interdisciplinary research perspectives. This includes, for example, questions concerning the acquisition, the impairment, and the loss of language and communication skills as well as aspects concerning their institutional support, which will take into account various professions and international comparative research. The series will include works of young researchers as well as studies, monographs and anthologies of established scholars in both, German and English, and will make important and pioneering contributions to the development of this diverse and exciting research environment.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/15194

Ulrich Stitzinger

Vom Potenzial zur Ressource Pädagogische Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität am Beispiel der Sprachbeobachtung Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. habil. Ulrike M. Lüdtke

Ulrich Stitzinger Hannover, Deutschland Zugl. Dissertation an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, 2018

ISSN 2570-1428 ISSN 2570-1436  (electronic) Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language ISBN 978-3-658-26469-7 ISBN 978-3-658-26470-3  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Geleitwort

„Wenn ich 1.000 Ideen hätte und nur eine sich als gut erweisen würde, wäre ich zufrieden.“ – Dieser Ansicht war zwar Alfred Nobel, nicht jedoch Ulrich Stitzinger! Ideen über Ideen, Bücher über Bücher, Projekte über Projekte, Fortbildungen, Kongresse, Poster, Workshops, Handreichungen, Expertisen, Vorträge und und und. Wir alle in der Abteilung Sprache und im gesamten Institut für Sonderpädagogik der Leibniz Universität Hannover verfolgten über viele Jahre, wie der Autor der hier nun vorliegenden hervorragenden Dissertation sich unermüdlich und mit einer nur ihm ganz eigenen Verve in die verschiedensten beruflichen Aufgaben stürzte und alle Herausforderungen bravurös meisterte. An vielem war ich nicht ganz unschuldig – mea culpa! –, aber ich konnte es nicht lassen, die vielfältige Expertise von Ulrich Stitzinger zu meiner eigenen zu gesellen, denn ich wusste immer: Da kommt etwas Hervorragendes dabei heraus! Und die Beweise stehen in vielen Bücherregalen, in Literaturdatenbanken und können bei Ministerien downgeloadet werden. Ulrich Stitzinger ist so zu jemandem geworden, den schon vor der Promotion jede und jeder im Fach Sprachbehindertenpädagogik kennt und umso mehr freue ich mich als Doktormutter, dass er nun zwar nicht den Nobelpreis verliehen bekommen hat, dafür aber seine vielen, vielen Jahre harter Arbeit durch eine mit summa cum laude gekrönte Promotion belohnt wurden. Ulrich Stitzinger fokussiert in der hier vorliegenden Arbeit Potenzialkonstruktionen sowie Kompetenzveränderungen pädagogischer Fachkräfte mit und ohne Migrationsgeschichte unter dem spezifischen Blickwinkel der Ressourcennutzung zur Sprachbeobachtung mehrsprachiger und interkulturell aufwachsender Kinder. In der detaillierten theoretischen Ableitung aus der Relationalen Sprachentwicklungstheorie konzeptualisiert er seine Arbeit im Sinne eines neuen Ressourcenmodells für den Kontext sprachlichkultureller Diversität. Mit seiner Forschung betritt er damit in Deutschland Neuland, indem er das Thema Mehrsprachigkeit auf das Konstrukt Cultural Linguistic Diversity (CLD) erweitert. Außerdem ebnet er mit der innovativen Gesamtanlage seiner Studie hinsichtlich Partizipation sowie Sprach- und Kultursensibilität innerhalb eines akribisch aufeinander abgestimmten, qualitativen Multiple Methods Designs weiteren Studien den Weg an den transdisziplinären Schnittstellen zur Linguistik sowie zur frühpädagogischen und schulischen Bildungsarbeit. Die Ergebnisse seiner Forschung verweisen durch die Überwindung sprachlich-kultureller Zuschreibungen zukunftsorientiert auf Perspektiven der Vielfalt von Sprachlichkeit und Kulturalität. Eine derartig komplexe und vielschichtige Arbeit entsteht nur in einem ganz besonderen Kontext. Im Lebenskontext von Ulrich Stitzinger ist dies neben den Mitgliedern der Abteilung Sprache, neben seinen Projektteams und Studierenden, neben den Kolleginnen und Kollegen des Institutes, des Studienseminars und der mit ihm vernetzten Schulen und Kitas vor allem seine Familie. Und so gilt mein ganz besonderer

VI

Geleitwort

Dank seinen Kindern und vor allem seiner Frau Andrea, die ihn häufig mit der Arbeit teilen oder ihn sogar an vielen Wochenenden, Abendstunden und Ferientagen entbehren musste. In diesem Sinne möchte ich Ulrich Stitzinger abschließend für seine stetige Kollegialität und Loyalität danken. Und nicht nur ich, sondern wir alle wünschen ihm nun, nach Bewältigung dieser Mammutaufgabe erst mal viel Muße und Entspannung – ich bin sicher, die eintausendunderste Idee wird mit ihrem zu entwickelnden Potenzial nicht lange auf sich warten lassen!

Hannover, Februar 2019 Prof. Dr. habil. Ulrike M. Lüdtke Abteilung Sprach-Pädagogik und –Therapie Institut für Sonderpädagogik Leibniz Universität Hannover

Danksagung

Das Ergebnis intensiver Arbeit liegt nun vor mir: meine Dissertation. Somit ist es Zeit, mich bei allen Wegbegleiterinnen und Wegbeleiter zu bedanken, die mich in diesem herausfordernden und ungemein wichtigen Abschnitt meiner beruflichen Laufbahn in unterschiedlichster Art und Weise unterstützt haben. Hierbei wurde ich immer wieder aufs Neue motiviert und bestärkt, meine Ideen weiterzuverfolgen. Nur mit Rückhalt eines wunderbaren und sozialen Netzwerkes konnte mir dieses Projekt gelingen. Dieses äußere Engagement konnte in mir stets die innere Kraft zur Zielerreichung mobilisieren. Als Erstes bedanke ich mich ausdrücklich bei meiner Erstbetreuerin und Doktormutter, Prof. Dr. habil. Ulrike Lüdtke, da sie von Anfang meine volle Begeisterung für das untersuchte Thema wecken konnte. Dein wertvoller akademischer Rat hat mit präzisem wissenschaftlichen Blick auf das Große, wie auch auf das Detail maßgeblich zum Gelingen meiner Arbeit beigetragen. Unser gemeinsamer fachlicher Diskurs war durch Anerkennung, Zielorientierung und Menschlichkeit geprägt. So konnten wir immer wieder Licht ins Dunkle bringen, wenn die Aussicht auf Lösungen versperrt war. Außerdem geht mein persönlicher Dank an meine Kolleginnen und Kollegen der Leibniz Universität Hannover, die mir immer mit wertschätzender Unterstützung zur Seite gestanden haben. Insbesondere möchte ich Dr. Ulla Licandro, Dr. Ulrike Schütte, Dr. des. Chantal Polzin und Julia Wendel erwähnen. Mein Seufzen und Zweifeln konntet ihr einfühlsam ertragen und mit vielen bereichernden Gesprächen wieder in Tatkraft umwandeln. Meinem wunderbaren Projekt-Team, Patrycja Wysocka-Theeg, Dr. Susanne Schatral, Alevtina Vasileva und Berivan Akin, gilt mein großer Dank. Ihr habt unermüdlich zum Gelingen beigetragen. Ebenso danke ich allen beteiligten pädagogischen Fachkräften, den Kindern und Eltern aus den Kitas für ihr Interesse und ihr engagiertes Mitwirken an der Forschung. Euch Korrekturleserinnen und -lesern, die ihr spontan und uneigennützig auch noch im letzten Moment viele Zeilen gelesen habt, sei explizit gedankt. Auch meine Freundinnen und Freunde sowie meine Verwandtschaft haben mir viel Verständnis während dieser Zeit entgegengebracht. Nicht zuletzt möchte ich meiner Frau Andrea Danke sagen. Du hast mir stets den Rücken freigehalten und mich unendlich gestärkt. Meinen Söhnen Simon, Leon und Paul danke ich für ihre Geduld. Ihr habt mich häufig entbehren müssen und doch mein Ziel immer mitgetragen. Was wäre ich ohne euch.

Inhaltsverzeichnis

1

Thematische Heranführung – sprachlich-kulturelle Diversität als neue Wirklichkeit ......................................................................................................... 1 1.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung – Individuum, Gesellschaft und Kultur als Bezugsdimensionen sprachlich-kultureller Diversität ...................... 2 1.2 Intention und Fragestellung – Potenzial oder Ressource?.............................. 6 1.3 Konzeptioneller und methodischer Aufbau – vom Phänomen zur Theorie (und Rückführung zum Phänomen) ................................................................ 7 1.4 Problemstellung – globale, administrative und pädagogische Konstellationen ............................................................................................... 9

2

Interdisziplinäre Fundierung – Forschung und Praxis im Kontext sprachlich-kultureller Diversität pädagogischer Fachkräfte ........................ 17 2.1 Begriffliche Verortung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität ................ 17 2.2 Proportionen sprachlich-kultureller Diversität in der frühpädagogischen Praxis ............................................................................................................ 21 2.2.1 Ungleiche Verteilung des Migrationshintergrundes ............................... 22 2.2.2 Unterschiede in den Arbeitsbedingungen ............................................. 25 2.2.3 Sprachlich-kulturelles Mismatch............................................................ 28 2.3 Stand der Forschung zum mehrsprachig-interkulturellen Handeln pädagogischer Fachkräfte ............................................................................ 31 2.3.1 2.3.2 2.3.3

Förderung der Mehrsprachigkeit in gesamtsprachlicher Sichtweise ..... 32 Beobachtung des Mehrsprachigkeitserwerbs ....................................... 38 Rolle mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund ........................................................................... 44 2.4 Zusammenfassung und Folgerungen ........................................................... 50 3

Konzeptualisierung – pädagogisches Handeln im Kontext sprachlichkultureller Diversität des Elementarbereiches .............................................. 53 3.1 Konstituenten im Prozess sprachlich-kultureller Diversität............................ 53 3.2 Kompetenzstrukturen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität ................ 56 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4

Von der Strukturorientierung zur Kompetenzstruktur ............................ 56 Affektive diversitätssensible Teilkompetenz und Haltung ..................... 61 Kognitive diversitätssensible Teilkompetenz und Wissen ..................... 63 Kommunikative diversitätssensible Teilkompetenz und Handlungsrepertoire ............................................................................. 65 3.3 Ressourcenentfaltung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität ............... 67 3.4 Ebenen sprachlich-kultureller Bildungsarbeit ................................................ 73 3.5 Zusammenfassung und Folgerungen ........................................................... 77

X

Inhaltsverzeichnis

4

Theoretische Generalisierung – sprachlich-kulturelle Identität, Teilhabe und Diversität ................................................................................................... 79 4.1 Sprachlich-kulturelle Dimensionen zwischen Stabilisierung und Destabilisierung ............................................................................................ 79 4.1.1 Sprachlich-kulturelle Identität in der Dimension des Individuums ......... 81 4.1.2 Sprachlich-kulturelle Teilhabe in der Dimension der Gesellschaft ........ 87 4.1.3 Sprachlich-kulturelle Diversität in der Dimension der Kultur ................. 92 4.2 Zusammenfassung und Folgerungen ......................................................... 100

5 6

Ableitungen und Annahmen ......................................................................... 103 Methode – Forschungsdesign der BiKES-Studie ........................................ 107 6.1 Erkenntnisinteresse .................................................................................... 107 6.1.1 Forschungsschwerpunkte ................................................................... 107 6.1.2 Forschungsfragen ............................................................................... 109 6.2 Erhebungs- und Analyseplan ...................................................................... 112 6.2.1 Forschungsschwerpunkt I – Interviewerhebung .................................. 113 6.2.2 Forschungsschwerpunkt II – Intervention ........................................... 116 6.2.3 Forschungsschwerpunkt III – Triangulation ........................................ 119 6.3 Stichprobendesign ...................................................................................... 120 6.3.1 Interview- bzw. Interventionsgruppe ................................................... 120 6.3.2 Referenzgruppe .................................................................................. 125 6.4 Qualitätskriterien zur Datengewinnung und Analyse................................... 127 6.4.1 Ethische Grundsätze im Forschungsvorhaben ................................... 128 6.4.2 Gütekriterien im qualitativen Forschungsdesign ................................. 129 6.4.3 Methodische Leitprinzipien der Studie ................................................ 132 6.5 Instrumente und Methoden der Datengewinnung und Analyse .................. 134 6.5.1 6.5.2 6.5.3

7

Forschungsschwerpunkt I – Fokussierte leitfadengestützte Expertinnen- und Experteninterviews ................................................. 135 Forschungsschwerpunkt II – Fallbeobachtungen mit Fallvignetten ..... 161 Forschungsschwerpunkt III – Typisierung von Profilen pädagogischer Fachkräfte .................................................................. 169

Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I – Potenziale mehrsprachiginterkultureller frühpädagogischer Arbeit ................................................... 171 7.1 Proportionen der Kernthemengruppen........................................................ 171 7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung ...................................... 173 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5

Stellenwert der Mehrsprachigkeit und Gebrauch der Erstsprache ...... 174 Methoden zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung .................. 184 Sprachsensible und interkulturelle Arbeit ............................................ 189 Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen bei Kindern ......................... 198 Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext ............................................. 203

Inhaltsverzeichnis

XI

7.2.6

Methoden sprach- und kommunikationsfördernder Gesprächsführung .............................................................................. 207 7.2.7 Sprachlich-kulturelle Identität der Fachkraft ........................................ 210 7.2.8 Reflexion pädagogischen Handelns in der Bilderbuch- und Spielsituation....................................................................................... 215 7.2.9 Stellenwert der Zweitsprache Deutsch ................................................ 219 7.2.10 Kenntnisse der Kind-Umfeld-Situation ................................................ 224 7.3 Stellungnahmen zum Forschungsprojekt .................................................... 226 7.4 Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen .................... 228 8

Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II – Potenzial-entwicklung von Sprachbeobachtungskompetenzen ...................................................... 237 8.1 Erfassung von Fallvignetten im russisch-deutschsprachigen Kontext ........ 237 8.1.1 Fallvignette ‚Katja‘ ............................................................................... 238 8.1.2 Fallvignette ‚Sascha‘ ........................................................................... 242 8.2 Erfassung von Fallvignetten im türkisch-deutschsprachigen Kontext ......... 246 8.2.1 Fallvignette ‚Esma‘ .............................................................................. 246 8.2.2 Fallvignette ‚Demircan‘ ........................................................................ 250 8.3 Stellungnahmen zu den Fallvignetten ......................................................... 254 8.4 Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen .................... 256

9

Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt III – Merkmale zu Entwicklungspotenzialen und zur Ressourcennutzung ............................. 267 9.1 Typische Merkmale ausgewählter Profile pädagogischer Fachkräfte ......... 267 9.1.1 Russisch-deutschsprachige pädagogische Fachkraft Frau N. ............ 268 9.1.2 Türkisch-deutschsprachige pädagogische Fachkraft Frau A. ............. 270 9.1.3 Deutschsprachige pädagogische Fachkraft Frau M. ........................... 272 9.2 Typen pädagogischer Fachkräfte mit besonderen Entwicklungspotenzialen und vorteilhafter Ressourcennutzung ...................................... 274

10 Diskussion und Schlussfolgerungen – vom Potenzial zur Ressource ..... 281 10.1 Interpretation und Bewertung der Ergebnisse ............................................. 281 10.1.1. Beantwortung der Forschungsfragen im Forschungsschwerpunkt I – Potenziale im Kontext sprachlich-kultureller Diversität ..................... 281 10.1.2. Beantwortung der Forschungsfragen im Forschungsschwerpunkt II – Potenzialentwicklung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität .... 289 10.1.3. Beantwortung der Forschungsfragen im Forschungsschwerpunkt III – Entwicklungspotenziale und Ressourcennutzung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität ........................................................... 294 10.2 Methodische Limitationen ........................................................................... 296

XII

Inhaltsverzeichnis

11 Fazit – pädagogische Fachkräfte als Akteurinnen und Akteure im Kontext sprachlich-kultureller Diversität ..................................................... 301 11.1 Ausblick für die Forschung.......................................................................... 301 11.2 Implikationen für die Praxis ......................................................................... 303 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 309 Anhang .................................................................................................................. 337

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:

Wissenschaftstheoretische Verortung der Forschungsarbeit ................................................ 4

Abb. 2:

Grobstruktur der schriftlichen Darlegung der Forschungsarbeit (modifiziert nach Lüdtke, 2014, S. 22; Lüdtke & Stitzinger, 2015, S. 25) .......................................................... 8

Abb. 3:

Modell interdependenter Bezugsebenen sprachlich-kultureller Diversität (in Anlehnung an das Modell der Relationalität von Person und Sprache nach Lüdtke, 2012a) ................ 18

Abb. 4:

Konstituenten im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich – Komplexitätsstufe 1 (modifiziert nach Lüdtke, 2012b, S. 477) ............................. 56

Abb. 5:

Kompetenzstruktur im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich – Komplexitätsstufe 2 (modifiziert nach Lüdtke, 2012b, S. 479, 2016a, S. 478) ...................................................................................................................... 60

Abb. 6:

Ressourcenentfaltung im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich – Komplexitätsstufe 3 (modifiziert nach Lüdtke, 2012b, S. 479, 2016a, S. 478) ...................................................................................................................... 70

Abb. 7:

Ebenen und Dimensionen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität der Elementarpädagogik (nach Lüdtke, 2012a, S. 61ff) ............................................................ 80

Abb. 8:

Forschungsschwerpunkte der BiKES-Studie im Überblick ................................................ 108

Abb. 9:

Erhebungs- und Analyseplan der BiKES-Studie ................................................................ 113

Abb. 10:

Argumentationsebenen im Interviewleitfaden .................................................................... 140

Abb. 11:

Zirkuläre Erschließung von Kompetenzbereichen auf drei Argumentationsebenen ......... 141

Abb. 12:

Analyseschritte intrapersonaler Profilbildung ..................................................................... 147

Abb. 13:

Analyseschritte interpersonaler Profilbildung ..................................................................... 152

Abb. 14:

Analyseschichten innerhalb der Kernthemengruppen ....................................................... 156

Abb. 15:

Häufigkeitsschichtung nach Hauptkategorienanzahlen in der Gesamtheit der Fallvignetten ‚Katja‘ und ‚Sascha‘ ...................................................................................... 167

Abb. 16:

Kernthemengruppen der interpersonalen Profilbildung ..................................................... 172

Abb. 17:

Gebrauch der Erstsprache und Stellenwert der Mehrsprachigkeit bei Kindern im interpersonalen Profil ......................................................................................................... 174

Abb. 18:

Methoden zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung im interpersonalen Profil ......... 185

Abb. 19:

Sensibilität bezüglich mehrsprachig-interkultureller Arbeit im interpersonalen Profil ........ 190

Abb. 20:

Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen bei Kindern im interpersonalen Profil ............... 199

Abb. 21:

Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext im interpersonalen Profil .................................... 203

Abb. 22:

Methoden sprach- und kommunikationsfördernder Gesprächsführung im interpersonalen Profil ......................................................................................................... 208

Abb. 23:

Sprachlich-kulturelle Identität der Fachkraft im interpersonalen Profil .............................. 211

Abb. 24:

Reflexion pädagogischen Handelns in der Bilderbuch- und Spielsituation im interpersonalen Profil ......................................................................................................... 216

Abb. 25:

Stellenwert der Zweitsprache Deutsch im interpersonalen Profil ...................................... 219

Abb. 26:

Kenntnisse der Kind-Umfeld-Situation im interpersonalen Profil ....................................... 224

Abb. 27:

Stellungnahmen zum Forschungsprojekt im interpersonalen Profil .................................. 227

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abb. 28:

Verteilung der Kompetenzbereiche im Vergleich kodierter Textstellen und generierter Themengruppen ................................................................................................................. 233

Abb. 29:

Verteilung der Argumentationsebenen der Themengruppen im Vergleich der Kompetenzbereiche ........................................................................................................... 234

Abb. 30:

Häufigkeitsschichtung nach Hauptkategorienanzahlen in der Gesamtheit aller Fallvignetten ....................................................................................................................... 260

Abb. 31:

Summen erzielter Hauptkategorien gegliedert nach Fallvignetten .................................... 261

Abb. 32:

Summen erzielter Hauptkategorien zur Fallvignette ‚Katja‘ nach Fachkräftegruppierung ....................................................................................................... 262

Abb. 33:

Summen erzielter Hauptkategorien zur Fallvignette ‚Esma‘ nach Fachkräftegruppierung ....................................................................................................... 263

Abb. 34:

Themenkonstellation im intrapersonalen Profil der russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft Frau N. ...................................................................................... 269

Abb. 35:

Themenkonstellation im intrapersonalen Profil der türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft Frau A. ...................................................................................... 271

Abb. 36:

Themenkonstellation im intrapersonalen Profil der deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft Frau M. ............................................................................................................... 273

Tabellenverzeichnis

Tab. 1:

Aktuelle und klassische Forschungsarbeiten über einen gesamtsprachlichen Wortschatz, Code-Switching und Translanguaging ............................................................. 35

Tab. 2:

Aktuelle und klassische Forschungsarbeiten zur Selbsteinschätzung pädagogischer Fachkräfte zu Sprachbeobachtungskompetenzen .............................................................. 42

Tab. 3:

Aktuelle und klassische Forschungsarbeiten zur Rolle mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund .................................................................................. 45

Tab. 4:

Handlungskompetenzen in strukturorientierten Ansätzen der Frühpädagogik .................... 58

Tab. 5:

Dimensionen zwischen Stabilisierung und Destabilisierung von Menschen mit mehrsprachigen und interkulturellen Bezügen (modifiziert nach Lüdtke, 2012a, S. 79) ... 100

Tab. 6:

Themen und Inhalte der BiKES-Qualifizierungsmaßnahme .............................................. 117

Tab. 7:

Kombination der Merkmale zur Erstsprache mit den Ausprägungen der Sprachkonstellation, der Lebens- und der Berufsbiographie in der Interview- bzw. Interventionsgruppe ........................................................................................................... 123

Tab. 8:

Stichprobenplan mit Zellenbesetzung für die Interviewerhebung und die Qualifizierungsmaßnahme ................................................................................................. 125

Tab. 9:

Kombination der Merkmale zur Erstsprache mit den Ausprägungen des Alters, des Berufsabschlusses und der Berufsjahre in der Referenzgruppe ....................................... 126

Tab. 10:

Leitfadenkatalog mit Impulsfragen zu Kompetenzbereichen auf drei Argumentationsebenen ...................................................................................................... 142

Tab. 11:

Regeln zur Transkription der Interviews ............................................................................ 144

Tab. 12:

Intrapersonale Profilbildung am Beispielausschnitt der Interviewanalyse RU10 ............... 150

Tab. 13:

Interpersonale Profilbildung am Beispielausschnitt der Themengruppe zur allgemeinen Wertschätzung der Erstsprache bei russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften .............................................................................................. 153

Tab. 14:

Interpersonale Profilbildung am Beispielausschnitt der Themengruppe zum Wissen russisch-deutschsprachiger pädagogischer Fachkräfte über sprachliche Fähigkeiten des Kindes in der Erst- und Zweitsprache während der Bilderbuch- und Spielsituation ... 155

Tab. 15:

Interraterprozess innerhalb der Analyseschritte intrapersonaler Profilbildung .................. 159

Tab. 16:

Tabellarisches Schema zur Visualisierung von Häufigkeiten in der Kategorienzuordnung ......................................................................................................... 161

Tab. 17:

Zusammenstellung der Fallvignetten nach Merkmalskategorien ...................................... 163

Tab. 18:

Kernthemengruppe zum Gebrauch der Erstsprache und Stellenwert der Mehrsprachigkeit ................................................................................................................ 176

Tab. 19:

Kernthemengruppe zu Methoden zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung ............ 186

Tab. 20:

Kernthemengruppe zur mehrsprachigen und interkulturellen Arbeit ................................. 192

Tab. 21:

Kernthemengruppe zum Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen bei Kindern ............... 200

Tab. 22:

Kernthemengruppe zur Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext ...................................... 205

Tab. 23:

Kernthemengruppe zu Methoden sprach- und kommunikationsfördernder Gesprächsführung.............................................................................................................. 209

Tab. 24:

Kernthemengruppe zur sprachlich-kulturellen Identität pädagogischer Fachkräfte .......... 212

Tab. 25:

Kernthemengruppe zur Reflexion des pädagogischen Handelns in der Bilderbuchund Spielsituation ............................................................................................................... 217

XVI

Tabellenverzeichnis

Tab. 26:

Kernthemengruppe zum Stellenwert der Zweitsprache Deutsch ...................................... 220

Tab. 27:

Kernthemengruppe zu Kenntnissen der Kind-Umfeld-Situation ........................................ 225

Tab. 28:

Themengruppenbündel zur Beurteilung der Teilnahme am Forschungsprojekt ............... 227

Tab. 29:

Erfassung der Fallvignette ‚Katja‘ zur Ersterhebung (MZP1) ............................................ 239

Tab. 30:

Erfassung der Fallvignette ‚Katja‘ zur Zweiterhebung (MZP2) .......................................... 241

Tab. 31:

Erfassung der Fallvignette ‚Sascha‘ zur Ersterhebung (MZP1) ......................................... 243

Tab. 32:

Erfassung der Fallvignette ‚Sascha‘ zur Zweiterhebung (MZP2) ...................................... 245

Tab. 33:

Erfassung der Fallvignette ‚Esma‘ zur Ersterhebung (MZP1) ........................................... 247

Tab. 34:

Erfassung der Fallvignette ‚Esma‘ zur Zweiterhebung (MZP2) ......................................... 249

Tab. 35:

Erfassung der Fallvignette ‚Demircan‘ zur Ersterhebung (MZP1) ..................................... 251

Tab. 36:

Erfassung der Fallvignette ‚Demircan‘ zur Zweiterhebung (MZP2) ................................... 253

Tab. 37:

Selbstreflexionen pädagogischer Fachkräfte zur Erfassung der Fallvignetten.................. 255

Tab. 38:

Erfassung von Fallvignetten zu zwei Messzeitpunkten im quantitativen Überblick ........... 259

Tab. 39:

Häufigkeiten erzielter Hauptkategorien und Höchstwerte in der Gesamtheit aller Fallvignetten ....................................................................................................................... 264

Tab. 40:

Merkmale eines Grundtypus mit besonderem Potenzial zur qualifizierten Sprachbeobachtung ........................................................................................................... 277

Tab. 41:

Zusätzliche Merkmale eines Untertypus mit mehrsprachigem und interkulturellem Hintergrund ........................................................................................................................ 278

Tab. 42:

Zusätzliche Merkmale eines Untertypus ohne Mehrsprachigkeit und ohne Migrationshintergrund ........................................................................................................ 279

1

Thematische Heranführung – sprachlich-kulturelle Diversität als neue Wirklichkeit

„Mit jeder neu erlernten Sprache erwirbt man eine neue Seele.“ (Tschechisches Sprichwort)

Mit dem Erwerb und dem Gebrauch einer anderen Sprache können individuelle Horizonte erweitert, diverse gesellschaftliche Lebensbezüge hergestellt und verschiedene Kulturen erschlossen werden. Im Zugang zu neuen subjektiven und intersubjektiven Welten des persönlichen Ausdrucks sowie der sozialen und kulturellen Verständigung ergibt sich eine Vielfalt an sprachlichen und kulturellen Konstellationen, mit denen sich die Menschen seit jeher auseinandergesetzt haben. Sprachlich-kulturelle Diversität des Einzelnen und in der Gesellschaft erfährt gegenwärtig eine große Beachtung, da sich aufgrund weltweiter Wanderungsprozesse in der Bevölkerung derzeit ungewohnte Chancen, aber auch Herausforderungen entwickeln. Über Mehrsprachigkeit und Interkulturalität wird aktuell in politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Gremien äußerst kontrovers diskutiert. Es herrscht noch keine Einigkeit darüber, ob mehrsprachige und interkulturelle Bezüge als vorteilhaftes Potenzial zu verstehen sind oder Erschwernisse mit sich führen. So wirkt sich der Diskurs auch als Verunsicherung im Bildungsbereich aus. Pädagogisch tätige Fachpersonen haben die Aufgabe, inmitten unterschiedlicher Meinungen, Empfehlungen und Konzepte, in geeigneter Weise im Kontext sprachlich-kultureller Diversität zu lehren und zu erziehen. Dabei weisen manche Fachkräfte selbst einen mehrsprachigen und interkulturellen Hintergrund auf, der sich als Ressource zur alltags- und unterrichtsbasierten Sprachbeobachtung und Sprachförderung von Lernenden mit nichtdeutschen Herkunftssprachen und -kulturen entfalten kann. Diese Thematik wurde in der vorliegenden Arbeit näher erforscht und im Feld des professionellen Handelns pädagogischer Fachkräfte1 in Kindertagesstätten konkretisiert. Das Augenmerk der empirischen Beweisführung richtete sich exemplarisch auf das Potenzial und die Ressourcennutzung der Fachkräfte im Hinblick auf die Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder. Zur thematischen Heranführung wird zunächst eine wissenschaftstheoretische Einordnung vorgenommen (s. Kap. 1.1). Daran anknüpfend werden die Intention und die Fragestellung des Forschungsvorhabens vorgestellt (s. Kap. 1.2). Die anschließenden Erklärungen zum Aufbau der Arbeit dienen der Nachvollziehbarkeit und Begründung des Vorgehens (s. Kap. 1.3). 1

Als pädagogische Fachkräfte werden Erzieherinnen und Erzieher sowie Sozialassistentinnen und Sozialassistenten (bzw. in der früheren Bezeichnung Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger) benannt.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3_1

2

1 Thematische Heranführung

Danach wird die Problemstellung des Themas umrissen (s. Kap. 1.4), um das thematisch weite komplexe Geflecht zu erfassen und zielführend auf den spezifischen Forschungsgegenstand eingrenzen zu können.

1.1

Wissenschaftstheoretische Einordnung – Individuum, Gesellschaft und Kultur als Bezugsdimensionen sprachlich-kultureller Diversität

Das eingangs gesetzte Zitat lenkt den Blick auf das Denken, Fühlen und Empfinden eines Menschen im Zusammenhang mit Sprache. Gleichzeitig führt es in gesellschaftliche Welten und Kulturen anderer. Zudem werden Bilder geweckt, die Veränderungen und dynamische Prozesse wiedergeben. So ist Sprache weit mehr als nur normativer Zeichengebrauch und damit auch untrennbar mit der menschlichen Gefühlswelt verbunden (u.a. Frank, Lüdtke & Gratier, 2011; Lüdtke, 2016b, 2015, 2006; Lüdtke & Polzin, 2015). Außerdem geht damit einher, dass sich sprachliche Verwirklichung und Entwicklung nicht nur innerhalb eines Individuums vollzieht, sondern durch Sprache ebenso Bezüge zur Gesellschaft und zur Kultur interdependent bestehen, sich entwickeln und verändern (Lüdtke, 2012a). In diesem komplexen Konstrukt können durch Veränderungen neue Zusammenhänge erschlossen werden, die einerseits als Vorteil und Gewinn und andererseits als Irritation, Verunsicherung und Erschwernis erlebt werden können. Diese erste Skizzierung markiert zentrale Gedanken, auf die sich die Annahmen und Strukturen der vorliegenden Forschungsarbeit beziehen. Darauf aufbauend ist die Arbeit im Sinne einer Pädagogik im Kontext sprachlich-kultureller Diversität verortet, die wiederum verschiedene interdisziplinäre Schnittstellen aufweist. Daraus leitet sich ein empirisches Forschungsprojekt mit dem Fokus auf pädagogische Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität ab. Im Folgenden werden drei für die Arbeit entscheidende Markierungen gesetzt und eingeordnet (s. Abb. 1, S. 4). Erstens: Relationale Sprachtheorie Im Praxisfeld sprachlich-kultureller Diversität ergeben sich prozesshafte sprachlichkulturelle Bezüge der Fachkraft zu anderen, direkt oder indirekt beteiligten Menschen und Gruppen. Mit entsprechenden intersubjektiven Kontexten der Sprache und Kommunikation beschäftigt sich die Relationale Sprachtheorie nach Lüdtke (2016b, 2010a, 2010b, 2004). Lüdtke (2004) versteht unter der ‚Relationalen Didaktik‘ ein didaktisches Modell „[...], welches in konstruktivistischer Theoriebildung gegründet und dabei den Schwerpunkt auf die sprachkonstruierende, intersubjektive Bedeutung der Emotionen sowie deren soziale, kulturelle, ökonomische und gender-spezifische [Hervorhebung im Original] Beziehungskontexte legt“ (ebd., S. 108). Lüdtkes ‚Relationale Sprachtheorie‘ ist eine Weiterentwicklung interaktionistischer (u.a. Bruner

1.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung

3

1983; Tomasello, 1992) und (ko-)konstruktivistischer Theorien (u.a. Reich, K., 2010). Damit werden intersubjektive, emotional beeinflusste Sprach- und Kommunikationsmuster erklärt, die Aufschluss über die Komplexität des Spracherwerbs und Sprachgebrauchs sowie über besondere sprachlich-kommunikative Problemlagen, Abweichungen und Störungen geben. Innerhalb dieser Bezugstheorie (s. Abb. 1, S. 4) liegt ein Modell von Lüdtke (2012a) vor, das die komplexe relationale Beziehung von Person und Sprache beschreibt (s. Kap. 2.1 u. 4.1). Mit dem Modell wird die Beziehung des Individuums im Hinblick auf Sprache und Kommunikation zur Gesellschaft und zur Kultur bestimmt. Außerdem werden damit Veränderungsprozesse reflektiert, die sich durch Beeinträchtigungen der Sprache ergeben können. Schließlich können damit pädagogische Möglichkeiten erschlossen werden, um Benachteiligungen, Schwierigkeiten und personale Beschädigungen zu vermeiden oder auszugleichen (ebd., S. 61). Übertragen auf die Situation einer pädagogischen Fachkraft, die in einer frühpädagogischen Einrichtung mit mehrsprachigen Kindern mit Migrationshintergrund tätig ist und zudem eventuell selbst über eine nicht-deutsche Erstsprache und eine Zuwanderungsgeschichte verfügt, ist besonders das Verhältnis der Fachkraft zur eigenen Sprachlichkeit wie auch zur Sprachlichkeit der Kinder und der Team-Mitglieder von Bedeutung. Ferner ist auch relevant, wie die Eltern der Kinder und die Menschen in der Umgebung auf ein mehrsprachiges interkulturelles Angebot der pädagogischen Fachkraft sowie der Kolleginnen und Kollegen reagieren. Überdies wird es eine Rolle spielen, welche Orientierungen von Bildungsplänen ausgehen und welche regionalen oder globalen Vorstellungen zu anderen Herkunftssprachen und -kulturen existieren. Hierbei ist ebenfalls von Interesse, wie sich die Fachkraft in diesem sprachlichkulturellen Verhältnis entwickeln kann oder gehemmt wird. Darüber hinaus ist für die Praxis wichtig, daraus Potenziale sowie Faktoren zur Ressourcennutzung zu ermitteln. Die als Ressourcen genutzten Potenziale zeigen sich in den Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte u.a. im Bereich der Sprachbeobachtung und Sprachförderung. Um diese Kompetenzen zu erfassen, bietet sich innerhalb der Relationalen Sprachtheorie auf der Ebene der Sprachdidaktiktheorie das Modell des Sprachdidaktischen Dreiecks nach Lüdtke (2012b) an (s. Abb. 1, S. 4). Diesbezüglich können Kompetenzen zur relationalen Regulation der drei Konstituenten, nämlich die pädagogisch tätige Person, das Kind und der Bildungs- und Erziehungsgegenstand der Sprache und Kommunikation, eingeordnet werden (ebd., S. 479f; s. Kap. 3.1).

4

Abb. 1:

1 Thematische Heranführung

Wissenschaftstheoretische Verortung der Forschungsarbeit

Zweitens: Pädagogik im Kontext sprachlich-kultureller Diversität Das Modell der Relationalität von Person und Sprache stellt nach Lüdtke (2012a) eine fachwissenschaftliche Grundlage für weitere Betrachtungen zu sprachwissenschaftlichen, sprach(heil)pädagogischen und sprachtherapeutischen Gegenstandsdimensionen zur Verfügung (ebd., S. 80). Darunter zählt im inklusiven Verständnis die Pädagogik bei Beeinträchtigungen der Sprache und der Kommunikation (Lüdtke & Stitzinger, 2015) mit einer Variante, die in der vorliegenden Arbeit im Sinne einer Sprachpädagogik im Kontext sprachlich-kultureller Diversität definiert werden kann (Licandro, 2016; Lüdtke, 2013: Lüdtke & Stitzinger, 2017; Schütte, 2018; Stitzinger, 2014). Hierzu werden Handlungsmöglichkeiten für Lehr-Lernprozesse mit mehrspra-

1.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung

5

chigen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit interkulturellen Hintergründen entwickelt und differenziert. Dabei steht die pädagogische Fachkraft mit ihren sprachlich-kulturellen Potenzialen und Möglichkeiten der Ressourcennutzung in der frühpädagogischen Arbeit im Fokus der Überlegungen. Auf dieser Basis ergeben sich Berührungspunkte mit anderen Wissenschaftsdisziplinen und untergeordneten Teilgebieten (s. Abb. 1, S. 4). Vor allem liegen Schnittfelder mit der Mehrsprachigkeitsforschung vor (u.a. García & Kleifgen, 2018; Montanari, 2013a; Panagiotopoulou, 2017; Wei, 2017; s. Kap. 2.3.1). Insbesondere liefern Erkenntnisse hinsichtlich des Erwerbs und des Gebrauchs von Erst- und Zweitsprachen2 wesentliche Anhaltspunkte für das Forschungsvorhaben. Darunter fällt spezifisch auch der Aufgabenbereich der Beobachtung und Diagnostik mehrsprachiger Kinder (u.a. Chilla, 2017; Montanari, 2013b; Lengyel, 2017; Scharff Rethfeldt, 2018; s. Kap. 2.3.2) als notwendige Grundlage für gezielte Interventionen im frühpädagogischen Bereich. Da Sprache relational auch in gesellschaftlichen und kulturellen Dimensionen auftritt, besteht eine weitere Schnittstelle zum Fachgebiet der Interkulturellen Pädagogik (u.a. Kratzmann, 2013; Mecheril, 2016; s. Kap. 2.3.3). Von Belang sind hierbei die eigene (Inter-)Kulturalität pädagogischer Fachkräfte wie auch der (inter-)kulturelle professionelle Umgang in der Kindertagesstätte. Schließlich lassen sich wichtige Bezugspunkte zur Professionalisierungsforschung herstellen (u.a. Cloos, 2016; Friederich & Schoyerer, 2016), da die vorliegende Forschungsarbeit die Potenzialentwicklung und Ressourcennutzung pädagogischer Fachkräfte (s. Kap. 3.3) im Rahmen einer Intervention untersucht. Demgegenüber befindet sich die Disziplin der Kindheitspädagogik nicht in direkter Überschneidung, sondern lediglich im angrenzenden Nahbereich innerhalb der vorliegenden Arbeit (Nentwig-Gesemann & Fröhlich-Gildhoff, 2017). Wenngleich sich die Kindheitspädagogik auf das zentrale Handlungsfeld pädagogischer Fachkräfte bezieht und sowohl Sprachbeobachtung, Sprachbildung und Sprachförderung wie auch interkulturelle Arbeit mit Kindern einschließt, gilt diese Disziplin in der Intention des Forschungsvorhabens nur als Hintergrund des Berufsbildes der pädagogischen Fachkräfte.

2

Die in der wissenschaftlichen Literatur verwendeten Bezeichnungen ‚Erstsprache‘ und ‚Zweitsprache‘ werden aus gesamtsprachlicher Sichtweise (s. Kap. 2.3.1) der Vielschichtigkeit und Dynamik von Mehrsprachigkeitskonstellationen und Entwicklungsverläufen nicht immer gerecht. Deshalb wird in der vorliegenden Arbeit von ‚Erst- und Zweitsprache‘ gesprochen, wenn eine Zuordnung zu Sprachen im zeitlichen Erwerb oder im Dominanzverhältnis des Gebrauchs gemeint ist. Außerdem werden damit konkrete Sprachenkonstellationen ausgedrückt. Ansonsten werden andere Bezeichnungen wie ‚Migrationssprache‘ und ‚Minderheitssprache‘ versus ‚Mehrheitssprache‘ gebraucht, die den sozialen Kontext der Sprachen verdeutlichen.

6

1 Thematische Heranführung

Drittens: Empirische Untersuchung – Potenziale bilingual-bikultureller ErzieherInnen stärken (BiKES) 3 In der vorliegenden Arbeit werden die Prozesse der Potenzialentwicklung und Ressourcennutzung der pädagogischen Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität in den Blick genommen. Die Effekte professioneller Tätigkeit durch pädagogische Fachkräfte auf die Entwicklung der Kinder werden hingegen nicht untersucht. Um der Zielsetzung nachzukommen, werden die Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte zur Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder unter empirischer Beweisführung erforscht. Im Rahmen eines vorwiegend qualitativen Forschungsdesigns werden methodische Verfahren unter wissenschaftlicher Absicherung mit Bezügen zur Forschungsmethodologie entwickelt und umgesetzt (s. Kap. 6). Die durchgeführte BiKES-Studie bildet den Kern der empirischen Arbeit (s. Abb. 1, S. 4) und liefert Ergebnisse zur weiteren wissenschaftlichen Absicherung (s. Kap. 7 – 9).

1.2

Intention und Fragestellung – Potenzial oder Ressource?

In der zu Beginn skizzierten Ausgangslage offenbart sich im Zusammenhang mit vermehrt wahrgenommener sprachlich-kultureller Diversität eine Problematik im Hinblick auf geeignete Handlungsstrategien im Bildungskontext. Dabei ist ein Spannungsfeld zwischen einer Wertschätzung und Förderung von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität sowie einer Ausrichtung auf die Bildungssprache und die Mehrheitskultur zu erkennen. Innerhalb dieser kontroversen Auseinandersetzung scheinen pädagogische Fachkräfte mit mehrsprachigen und interkulturellen Bezügen ein Potenzial mitzubringen, das die monolinguale und monokulturelle Orientierung der Bildung und Erziehung in Deutschland ausgleichen könnte. Dementsprechend soll mit der vorliegenden Arbeit erforscht werden, inwieweit dieses Potenzial wirklich von Nutzen ist. Hierzu ist die Intention, gesicherte Erkenntnisse zu erschließen, wie sich mehrsprachiges und interkulturelles Handeln bei pädagogischen Fachkräften abzeichnet und welche Faktoren ausschlaggebend sind, um das Handeln im Kontext sprachlich-kultureller Diversität ressourcenorientiert zu fördern. Vor dem Hintergrund der eingangs umrissenen Problemstellung richtet sich der Fokus im Wesentlichen auf mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund. Zusätzlich sollen auch monolingual deutschsprachige pädagogische Fach 3

Die BiKES-Studie (Potenziale bilingualer-bikultureller ErzieherInnen stärken) wurde als empirische Arbeit durch den Verfasser der vorliegenden Dissertation an der Leibniz Universität Hannover am Institut für Sonderpädagogik in der Abteilung Sprach-Pädagogik und -Therapie durchgeführt. Die Studie wurde im Forschungsprojekt ‚Entwicklung professioneller Selbstkompetenz und Stärkung sprachlich-kultureller Potenziale bilingualer ErzieherInnen‘ unter der Gesamtleitung von Prof. Dr. habil. Ulrike Lüdtke als Drittmittelprojekt vom Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe; AZ: FP 02-12) durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) innerhalb einer Laufzeit von 18 Monaten gefördert.

1.3 Konzeptioneller und methodischer Aufbau

7

kräfte in die Untersuchung einbezogen werden, um gleichfalls andere Potenzialkonstellationen miteinander zu vergleichen. Das komplexe Forschungsfeld soll weiter mit Blick auf das sprachlich-kulturelle Handeln in der Kindertagesstätte eingegrenzt werden sowie schulische und sprachtherapeutische Schnittstellen einbeziehen. Vor allem soll die Kompetenz der pädagogischen Fachkräfte zur Sprachbeobachtung von mehrsprachig und interkulturell aufwachsenden Kindern fokussiert werden. Die Beobachtung der Mehrsprachigkeit soll demgemäß im Vordergrund der Arbeit stehen, wobei Bezüge zur Interkulturalität stets einfließen sollen. Damit wird der Fragestellung nachgegangen, welche Potenziale bei pädagogischen Fachkräften im Kontext sprachlich-kultureller Diversität zu erkennen sind und wie diese bei der Einschätzung von sprachlichen Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder eingesetzt werden. Hierzu ergeben sich folgende Fragen unter drei Forschungsschwerpunkten: 

Erster Forschungsschwerpunkt: Welche Aspekte erachten bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte als bedeutsam für ihr professionelles Handeln mit mehrsprachigen und interkulturell aufwachsenden Kindern?



Zweiter Forschungsschwerpunkt: Wie verändern sich Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte im Rahmen gezielter Qualifizierung zur Beurteilung mehrsprachiger Fähigkeiten von Kindern?



Dritter Forschungsschwerpunkt: Was trägt dazu bei, dass Potenziale pädagogischer Fachkräfte als Ressource für das adäquate Handeln innerhalb sprachlich-kultureller Diversität vorteilhaft genutzt werden? Wie zeichnen sich insbesondere die Merkmale Mehrsprachigkeit und Interkulturalität gegenüber Monolingualität und wenig interkultureller Erfahrung aus.

Mit den gewonnenen Ergebnissen sollen gesicherte Erkenntnisse erschlossen werden, wie pädagogische Fachkräfte in der Praxis der Kindertagesstätte effektiv begleitet und unterstützt werden können. Darüber hinaus sollen Hinweise erbracht werden, welche Aspekte bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung zu berücksichtigen sind, um sowohl angehende als auch berufserfahrene Erzieherinnen und Erzieher sowie Sozialassistentinnen und Sozialassistenten im Hinblick auf Einstellungen, Fachwissen und Methoden zur Thematik Mehrsprachigkeit und Interkulturalität optimal zu professionalisieren.

1.3

Konzeptioneller und methodischer Aufbau – vom Phänomen zur Theorie (und Rückführung zum Phänomen)

Vor dem Hintergrund der Intention und Fragestellung der vorliegenden Arbeit wird das Vorgehen und die schriftliche Darlegung des Forschungsvorhabens konzipiert und im Folgenden vorgestellt. Ausgehend von einer interdisziplinären Analyse des

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1 Thematische Heranführung

Themenfeldes wird ein empirisches Konzept entwickelt, das geeignet ist, im Schwerpunkt qualitativer Verfahren neue Erkenntnisse im Sinne einer induktiven Herangehensweise zu generieren. Für den Aufbau eines induktiv schlussfolgernden Vorgehens wird das wissenschaftstheoretische Modell interdependenter Betrachtungsebenen der Sprach(heil)pädagogik nach Lüdtke, (2014, S. 21f) zugrunde gelegt. Dabei wird in der Logik vom Konkreten bis hin zum Abstrakten zunächst vom wahrnehmbaren Phänomen der Praxis ausgegangen, um auf dieser Basis Konzeptualisierungen in darüber liegenden Abstraktionsebenen vorzunehmen. Aus der fachlichen Handlungspraxis sowie aus leitenden Praxiskonzepten können weiter fachwissenschaftliche Theorien sowie erkenntnistheoretische bzw. methodologische Metatheorien entwickelt werden (Lüdtke, 2014, S. 21). In der induktiven Forschungsperspektive kann die Vielfalt der Praxisphänomene auf allgemeine Aussagen, Gesetzmäßigkeiten und Theorien abgeleitet werden, welche wiederum in einem zirkulären Schema deduktiv in der Praxis auf Gültigkeit überprüft und angewendet werden können (Breuer, 2010, S. 39f). In der Adaption des oben vorgestellten Modells ergibt sich für die schriftliche Darlegung der vorliegenden Forschungsarbeit folgende Grobstruktur (s. Abb. 2, S. 8).

Abb. 2:

Grobstruktur der schriftlichen Darlegung der Forschungsarbeit (modifiziert nach Lüdtke, 2014, S. 22; Lüdtke & Stitzinger, 2015, S. 25)

1.3 Konzeptioneller und methodischer Aufbau

9

Nach einer im ersten Kapitel skizzierten Ausgangs- und Problemlage, mit der pädagogische Fachkräfte in der Praxis sprachlich-kultureller Diversität konfrontiert sind, wird im zweiten Kapitel der Kontext sprachlich-kultureller Diversität in einer interdisziplinären Fundierung untersucht, um die Relevanz des Forschungsthemas aufzuzeigen. Dazu werden auf der Grundlage begrifflicher Verortungen zu sprachlichkultureller Diversität sowohl Proportionen als auch Handlungsfelder bezüglich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität vor allem im Hinblick auf die Praxis des Elementarbereiches beleuchtet. Außerdem werden Recherchen zum Forschungsstand in der pädagogischen Umsetzung mehrsprachig-interkultureller Praxiskonzepte sowie in der Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte dargelegt. Im dritten Kapitel wird das pädagogische Handeln im Kontext sprachlich-kultureller Diversität des Elementarbereiches auf einer abstrakteren Konzeptebene strukturiert. Damit werden maßgebliche Markierungspunkte für das empirisch-methodische Vorgehen gesetzt. Hierbei werden sprachlich-kulturelle Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte mit Bezug auf die Sprachdidaktiktheorie kategorisiert. Außerdem wird dem Konstrukt der Qualifizierung vom Potenzial zur Ressourcennutzung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität nachgegangen. Überdies werden die Ebenen der Bildungsarbeit erschlossen. Im nachfolgenden vierten Kapitel erfolgt eine theoretische Generalisierung für den Bereich der sprachlich-kulturellen Diversität. Somit werden Erklärungsansätze vor dem Hintergrund der Relationalen Sprachtheorie gegeben, die als Leitgedanken innerhalb der empirischen Analyse fungieren sollen. Im Schwerpunkt handelt es sich um Fragen zur sprachlich-kulturellen Identität, Teilhabe und Diversität, welche auf die Situation der pädagogischen Fachkräfte und ihr Handeln im Forschungskontext übertragen werden können. Im fünften Kapitel wird mit zusammenfassenden Ableitungen und Annahmen bezüglich sprachlich-kultureller Potenziale und Ressourcen eine logische Verbindung zur empirischen Arbeit hergestellt. Das sechste Kapitel widmet sich der Methode des Forschungsdesigns der durchgeführten BiKES-Studie. Die Ausführungen geben Auskunft über die Forschungsfragen und Schwerpunkte, den Erhebungs- und Analyseplan, das Stichprobendesign, die Qualitätskriterien sowie die Instrumente und Methoden der Datengewinnung und Analyse. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden im siebten, achten und neunten Kapitel nach drei Forschungsschwerpunkten gegliedert dargestellt. In den aufeinander bezogenen Ergebnissen werden in einer Typenbildung Merkmale zu Entwicklungspotenzialen und zur Ressourcennutzung herausgearbeitet. Anschließend werden die Ergebnisse im zehnten Kapitel interpretiert und diskutiert. Ebenso wird das methodische Vorgehen bewertet. Damit wird die Bedeutung des wissenschaftlichen Beitrages im Gesamtzusammenhang eingeordnet. Das elfte Kapitel schließt die Arbeit mit einem Ausblick für die weitere Forschung sowie mit Implikationen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung ab.

10

1 Thematische Heranführung

1.4

Problemstellung – globale, administrative und pädagogische Konstellationen

Die vorangestellte wissenschaftstheoretische Einordnung und Vorstrukturierung steht im Zusammenhang mit der realen Ausgangslage pädagogischer Fachkräfte, die sich zunehmend auf neue sprachlich-kulturelle Gegebenheiten in der frühpädagogischen Arbeit einstellen müssen. In einer derzeit durch Mobilität und Globalisierung geprägten Welt ergeben sich für Fachkräfte im Elementarbereich4 vielfältige veränderte Bezüge, die es adäquat einzuordnen und zu integrieren gilt. Bestimmte Entwicklungen und Verhältnisse zeichnen sich gegenwärtig als anspruchsvolle Aufgabe für das Personal in den Kindertagesstätten ab. Dabei wird der pädagogische Nahraum der Erziehenden nicht nur durch die unmittelbare pädagogische Situation, sondern auch von administrativen und globalen Konstellationen beeinflusst. Mehrsprachigkeit und Interkulturalität als globale Prozesse Eine globale Erscheinung stellt heute das Geschehen von Migration und Flucht dar. Aktuell zeigt sich weltweit das stärkste Migrationsaufkommen seit Ende des zweiten Weltkrieges sowie eine ansteigende Flüchtlingsbewegung im Zusammenhang mit nationalen und internationalen Krisenherden (UN, 2017, S. 1). Durch Migration und Flucht werden immer mehr Menschen rund um den Globus mit Veränderungen in gesellschaftlichen, politischen, kulturellen oder sprachlichen Zusammenhängen konfrontiert. In den verschiedenen Lebensräumen entwickeln sich vielfältige Ausprägungen an kulturellen und sprachlichen Merkmalen in der Bevölkerung. Vor diesem Hintergrund erfordert das Zusammenleben in der Gesellschaft ein adäquates Umgehen mit Vielfalt und Heterogenität. In der UNESCO Universal Declaration on Cultural Diversity (UNESCO, 2002) wird daher bekräftigt, dass gezielte Vorkehrungen auf dem Weg von der kulturellen Diversität zum kulturellen Pluralismus zu unternehmen sind. In Artikel 2 wird dementsprechend deklariert: “In our increasingly diverse societies, it is essential to ensure harmonious interaction among people and groups with plural, varied and dynamic cultural identities as well as their willingness to live together. Policies for the inclusion and participation of all citizens are guarantees of social cohesion, the vitality of civil society and peace” (UNESCO, 2002, S. 62).

Des Weiteren wird in Artikel 5 ausgeführt, dass alle Personen das Recht haben, sich in einer Sprache ihrer Wahl – vor allem in ihrer Erstsprache – auszudrücken und zu verwirklichen (ebd., S. 63)

4

Das Professionsfeld der Bildung und Erziehung in Kindertagesstätten, Krippen und Horten wird in der vorliegenden Arbeit als Elementarbereich bzw. synonym als frühpädagogischer Bereich bezeichnet. Die entsprechende Bezugsdisziplin ist die Elementarpädagogik bzw. Frühpädagogik. Im Zuge der Akademisierung der Ausbildung pädagogischer Fachkräfte wird auch von der Kindheitspädagogik gesprochen (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 126).

1.4 Problemstellung

11

Auch in Europa, insbesondere in Deutschland, wird das Migrationsgeschehen mittlerweile deutlicher wahrgenommen. Allerdings wurde noch lange seit den 1950er Jahren bis in die Jahrtausendwende mehrheitlich im politischen und alltäglichen Kontext negiert, dass die hauptsächlich aus Südeuropa angeworbenen Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten mit ihren Familien zu einem dauerhaften gesellschaftlichen Bestandteil in den Einwanderungsländern wurden. Es wurde davon ausgegangen, dass die „Gastarbeiter“ – wie sie damals bezeichnet wurden – nur vorübergehend im Land bleiben und bald wieder in das Herkunftsland zurückkehren würden (Hunn, 2005). Erst allmählich verstehen Politik und Gesellschaft in einigen europäischen Staaten Migration als Normalität. „Die europäische Realität der Migration ist in vielfältiger Weise eine Herausforderung, auf die unterschiedlich reagiert wird – teils neugierig, teils eher gleichgültig, teils aber auch geradezu verstört“ (Ehlich, 2005, S. 47). Die Aufnahme von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität als anerkannte Komponenten staatlich-administrativer Orientierungen und öffentlicher Lebensvollzüge bedarf nicht nur einer oberflächlich idealisierten Bereitschaft, sondern eines echten Interesses in globalen Programmatiken bis hin zu institutionellen und individuellen Umsetzungen. Politisch-administrative Entscheidungen zu Mehrsprachigkeit und Interkulturalität Aus der Sicht des Rates der Europäischen Union (2011) ist eine wichtige Zielsetzung, in Europa die Mehrsprachigkeit der Bevölkerung zu fördern. Damit soll der soziale Zusammenhalt und der interkulturelle Dialog gestärkt werden. Zudem gilt es, die Sprachen der Europäischen Union in der Welt zu erhalten und zu unterstützen (ebd., S. 27).5 Hierfür sollen u.a. die Erstsprachen von Kindern und Erwachsenen wertgeschätzt und Möglichkeiten zur Förderung von Erstsprachkenntnissen ausgebaut werden (ebd., S. 29). Im Rahmen der Leitlinie zur Förderung von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität der Bürgerinnen und Bürger Europas werden im Common European Framework of Reference for Languages differenzierte Kompetenzen beschrieben, die Lernende zur Beherrschung anderer Sprachen benötigen (Council of Europe, 2018). Somit werden einheitliche Handlungshilfen international bereitgestellt, die eine mehrsprachige Entwicklung vorteilhaft unterstützen. Allerdings werden sprachliche Potenziale von allen Kindern noch nicht ausreichend einbezogen (Heimler, 2018, S. 6f). Bei vielen Initiativen zum Erwerb und Erhalt von Mehrsprachigkeit handelt es sich in Deutschland zunächst um Maßnahmen, die sich zielgruppenspezifisch auf Sprachen mit einem hohen gesellschaftlichen Prestige und einer wirtschaftlichen Bedeutung beziehen. So werden frühe Fremdsprachkonzepte propagiert und bilinguale Angebote im vorschulischen und schulischen Bereich eingerichtet (Jampert, Best, Guadatiello, Holler & Zehnbauer, 2007). Bilinguale Kinder5

Neben der Stärkung der Vielfalt in der Gemeinschaft hebt der Rat der Europäischen Union bezüglich der Förderung von Mehrsprachigkeit vor allem aber die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft mit Mobilität und Beschäftigungsfähigkeit der Menschen hervor (Der Rat der Europäischen Union, 2011, S. 27).

12

1 Thematische Heranführung

tagesstätten realisieren eine Betreuung und Erziehung in der Fremdsprache Englisch, Französisch oder Spanisch im Wesentlichen für monolinguale Kinder, die neben Deutsch frühzeitig eine andere anerkannte Verkehrssprache lernen sollen (Wode, 2000, S. 3). Ebenso bieten internationale Schulen vorzugsweise Englisch als Unterrichtssprache für Kinder aus überwiegend bildungsnahen Familien aus dem Inund Ausland an. Entsprechende Konzepte richten sich hauptsächlich an Kinder der autochthonen deutschsprachigen Mehrheit (Brockmann, 2006, S. 90) oder an nichtdeutschsprachige Familien mit internationalen Bezügen. Aufgrund der erheblichen Unterrichts- und Betreuungskosten rekrutieren sich die Kinder und Jugendlichen vorwiegend aus Familien mit qualifiziertem Bildungshintergrund und mittlerem bis hohem Einkommen. Ferner sind bilinguale Bildungsmaßnahmen in Deutschland in wenigen grenznahen Regionen vorzufinden. Damit werden vor allem Kinder autochthoner Minderheiten angesprochen, die Deutsch als dominante Erstsprache beherrschen und die Sprache ihrer Vorfahren, wie Friesisch, Sorbisch oder Dänisch, spracherhaltend erwerben sollen (Brockmann, 2006, S. 90; Kaulfürstowa, 2018, S. 17ff; Wode, 2000, S. 3). Außerdem werden in bestimmten Grenzgebieten die Sprachen der Nachbarländer im Bildungskontext aufgegriffen, wie beispielsweise Französisch im Oberrhein (Jampert et al., 2007, S. 91ff). Auch hierbei wird letztlich nicht die Grundidee verfolgt, Mehrsprachigkeit in der Breite bei allen Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen zu ermöglichen. Darüber hinaus beziehen sich mehrsprachige Bildungsangebote auf allochthone zugewanderte Minderheiten mit anderen Erstsprachen (Brockmann, 2006, S. 90). Diesen Erstsprachen wird oft eine geringe Anerkennung und Wertschätzung als typische Migrationssprachen, wie beispielsweise Türkisch, Russisch oder Polnisch, entgegengebracht. Damit geht häufig auch eine Problemzuschreibung in Bezug auf den Mehrsprachigkeitserwerb einher. Vorurteile und nicht belegte Annahmen stützen sich auf Beobachtungen, dass mehrsprachige Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund überproportional häufig innerhalb schwieriger Bildungsverläufe zu identifizieren sind (Stanat, Schwippert & Gröhlich, 2010, S. 148f). Dabei werden jedoch gravierende Benachteiligungsfaktoren zu wenig berücksichtigt. Entsprechende Sprachfördermaßnahmen und Forschungsaktivitäten werden oft nur politisch motiviert als unmittelbare Reaktion auf ein schlechtes Abschneiden in Schulleistungsstudien wie PISA (Programme for International Student Assessment) und PIRLS/IGLU (Progress in International Reading Literacy Study/Internationale Grundschul-LeseUntersuchung) angeordnet und umgesetzt (Allemann-Ghionda, Stanat, Göbel & Röhner, 2010, S. 9f). Diesbezüglich liegt der Fokus durchgängig von der vorschulischen zur schulischen Sprachbildung im Erwerb der Zweitsprache Deutsch (s. u.a. Gogolin, Lange, Hawighorst, Bainski, Heintze, Rutten & Saalmann, 2011), während das Kapital der Migrationssprachen in der Regel wenig genutzt wird. Im Vergleich dazu wird auch im Erwachsenenbereich in Integrationskursen zum Erwerb des Deutschen als Zweitsprache der Ressource herkunftssprachlicher Fähigkeiten kaum Be-

1.4 Problemstellung

13

achtung beigemessen (Ehlich, Montanari & Hila, 2007, S. 74; Montanari, 2015, S. 36). Letztlich wird die Förderung und der Erhalt der Migrationssprachen vor dem Hintergrund kontroverser Diskussionen in Politik, Administration, Wissenschaft und pädagogischer Praxis uneinheitlich gehandhabt. Aus den vorangegangenen Ausführungen zeichnet sich ein Konflikt zwischen zwei Standpunkten in zwei Nuancen ab. Erstens besteht ein Widerspruch in der europäischen Sprachenpolitik zwischen dem hoch alphabetisierten Menschen, der fließend mehrere bedeutende Nationalsprachen sprechen, lesen und schreiben kann, sowie dem Menschen, der nur fragmentarische Kenntnisse in der Mehrheitssprache des Landes und zusätzliche Fähigkeiten in einer wenig wertgeschätzten Migrationssprache oder diverse Sprachvarietäten aufweist (Stevenson, 2011, S.18). Zweitens wird sprachlich-kulturelle Heterogenität durchaus befürwortet aber gleichzeitig sprachlich-kulturelle Homogenität in der Gesellschaft und im Bildungskontext verteidigt. So wird einerseits die Bedeutung der Erstsprache für die individuelle Persönlichkeitsentwicklung sowie für die familiäre, ethnische und kulturelle Zugehörigkeit betont (Schneider, 2015, S. 135ff). Andererseits wird die Wichtigkeit des Erwerbs einer gemeinsamen Ziel- und Verständigungssprache hervorgehoben, die den Zugang zur Leitkultur des Staates sowie die Teilhabe an Bildung erleichtern und fördern kann (Kiel, 2005, S. 115ff). Das pädagogische Handeln im Kontext sprachlichkultureller Diversität vollzieht sich dabei innerhalb eines Spannungsfeldes von der Akzeptanz individueller subkultureller Identitäten bis zur einheitlichen bildungsbezogenen Orientierung. Die Anerkennung von Diversität und Pluralismus steht im Kontrast zu Uniformität und Standardisierung (Jaspers, 2012, S. 55). Sicht auf Mehrsprachigkeit und Interkulturalität in der pädagogischen Umsetzung Angesichts der wachsenden mehrsprachigen Bevölkerung sind Überlegungen zum geeigneten pädagogischen Umgang mit Mehrsprachigkeit in Kindertagesstätten in Deutschland zu einem wichtigen Thema geworden (Kratzmann, Jahreiß, Frank, Ertanir & Sachse, 2017, S. 133). Allerdings herrscht in den Teams von Kindertagesstätten und Schulen noch große Uneinigkeit darüber, wie im pädagogischen Alltag auf die Bedingung Mehrsprachigkeit und Interkulturalität reagiert werden soll. „Für Erzieherinnen und Erzieher ist der Anspruch, Kultur bzw. Ethnizität in ihrer Praxis zu berücksichtigen oft in mehrfacher Hinsicht ein ‚heißes Eisen‘“ (Sulzer, 2013, S. 6). Dafür nennt Sulzer mehrere Gründe: Allgemein ist festzustellen, dass das Thema Migration und Integration sehr emotional besetzt debattiert wird. Zudem sind manche pädagogische Fachkräfte aufgrund divergierender soziokultureller Erfahrungen gegenüber den Eltern verunsichert. Außerdem stellen die Bedingungen von Mehrsprachigkeit und Migration der Kinder erhöhte Anforderungen an die beruflichen Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte, welche bislang nicht immer systematischer Gegenstand der Ausbildung waren (ebd.). Viele pädagogische Fachkräfte sehen sich deshalb überfordert (Chilla & Niebuhr-Siebert, 2017, S. 21).

14

1 Thematische Heranführung

Brockmann (2006) sieht als weitere Ursache für das Ignorieren oder gar Unterbinden von Mehrsprachigkeit in der Kindertagesstätte, „[...] dass einige ErzieherInnen sich aus dem Alltagsgeschehen der Kinder ausgeschlossen fühlen“ (ebd., S. 88). Zudem vermutet Brockmann, dass ein großes Bedürfnis der pädagogischen Fachkräfte nach einer gemeinsamen Sprache für die Kommunikation mit den Eltern und zum Wohle ihrer Kinder besteht (ebd., S. 88f). Als Hauptargument für die monolinguale Ausrichtung auf die Umgebungssprache Deutsch in frühpädagogischen Bildungseinrichtungen wird jedoch die Notwendigkeit des Deutscherwerbs und die soziale Integration angeführt (ebd., S. 89). Dabei ist im Allgemeinen nicht erwünscht, die Bildungsordnung der Mehrheitsgesellschaft in Frage zu stellen (Knappik & Dirim, 2012, S. 93). Potenzial der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität im pädagogischen Personal Die beschriebene Polarität zwischen der Wertschätzung heterogener sprachlichkultureller Eigenheiten und der monolingual nationalsprachlichen Orientierung bezieht sich in der vorschulischen sowie schulischen Bildung und Erziehung auch auf das Potenzial der Fachkräfte. Pädagogisch tätige Fachpersonen mit mehrsprachigen und interkulturellen Lebensbezügen stehen ähnlich wie Kinder und Jugendliche im Zwiespalt, ihre mehrsprachigen Fähigkeiten und besonderen interkulturellen Erfahrungen für den pädagogischen Kontext zu nutzen oder sich an den monolingualen Vorgaben der Bildungssprache Deutsch auszurichten. Die Anerkennung und Befürwortung sprachlich-kultureller Diversität als neue Wirklichkeit ist dementsprechend auch auf das Arbeitsumfeld auszuweiten. Gerade die Vielfalt unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Begabungen eröffnet besondere Chancen für Innovation und Kreativität im beruflichen Handeln (Charta der Vielfalt, 2017, S. 2). Dementsprechend wird für Institutionen im Bildungswesen erhofft, dass Pädagoginnen und Pädagogen mit Migrationshintergrund durch ihr Fähigkeitsprofil die ungleichen Chancen und institutionellen Barrieren für Kinder und Familien mit Migrationshintergrund kompensieren und aufbrechen, die durch monolinguale Strukturen und mangelnde interkulturelle Öffnung der Bildungsstätten produziert werden (Fuchs-Rechlin & Strunz, 2014, S. 45; Knappik & Dirim, 2012, S. 93; Kracht, 2012, S. 579; Rotter, 2012, S. 101ff). Somit stellen pädagogisch tätige Fachpersonen mit Migrationshintergrund eine wichtige Zielgruppe dar, deren Anwerbung und Einstellung bereits im Nationalen Integrationsplan (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2007, S. 54f) sowie später im bundesweiten Integrationsplan (BAMF, 2010, S. 51f) gefordert wird. Nach Strasser und Steber (2010) wird erwartet, dass Lehrpersonen mit Zuwanderungsgeschichte eine größere Nähe zu Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund aufweisen. Außerdem vermuten Strasser und Steber, dass ebenso Lernende ohne Migrationshintergrund von einem sprachlich-kulturell heterogen zusammengesetzten pädagogischen Personal profitieren, da hiermit vorteilhafte Abbildungen und Konzepte einer multikulturellen Gesellschaft geschaffen sowie ein Verständnis für Diversität aufgebaut werden kann. Gleichzeitig können Pädagoginnen und Päda-

1.4 Problemstellung

15

gogen mit mehrsprachigen und interkulturellen Bezügen stärkeren Einfluss auf die pädagogische Arbeit in den Teams nehmen (ebd., S. 97). Mehrsprachigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird dementsprechend eine Vermittlungsfunktion zugesprochen, da sie sowohl Erfahrungen und Kenntnisse der Herkunftskultur als auch der Migrationskultur und der unterschiedlichen interkulturellen Verhältnisse der Kinder mitbringen (Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, 2011, S. 15). Hiermit soll der Perspektivenwechsel in der Zusammenarbeit zwischen den Eltern, den Kindern und der Bildungseinrichtung erleichtert werden (ebd.). Einblick in die Erst- und Zweitsprache durch mehrsprachige Fachkräfte Hinsichtlich der spezifischen Erfahrungen und Kenntnisse mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund ergibt sich darüber hinaus perspektivisch gesehen eine weitere Erwartung, die sich explizit auf die Beobachtung von Erschwernissen oder Störungen des Mehrsprachigkeitserwerbs bezieht. Pädagogische Fachkräfte, die dieselbe Erstsprache wie die Kinder sprechen, können bei der Identifizierung von erschwerten Spracherwerbsverläufen im Deutschen in der Abgrenzung zu genuinen Sprachentwicklungsstörungen6 im Kontext der mehrsprachigen Entwicklung einen maßgeblichen Beitrag leisten. Dieser Beratungsauftrag in der Schnittstelle zwischen pädagogischer Förderung und therapeutischer Hilfe (Steiner, 2006, S. 10f) erweist sich aus folgendem Grund hochgradig relevant: Zur sicheren Beurteilung und Unterscheidung der jeweiligen Erscheinungsbilder müssen neben der Betrachtung der Sprachentwicklung im Deutschen auch die nicht-deutschen Sprachfähigkeiten und interkulturellen Hintergründe der Kinder ganzheitlich in die Diagnose einbezogen werden (Chilla, Rothweiler & Babur, 2013, S. 115; Jeuk, 2018, S. 21; Lengyel, 2017, 2012, S. 22; Scharff Rethfeldt, 2018, S. 15). Da diagnostische Inventare zur Abklärung von Fähigkeiten in den Sprachen der Migrationsbevölkerung in Deutschland noch nicht optimal verfügbar sind, bleibt häufig bei Kindern mit einer genuinen Sprachentwicklungsstörung in der Erst- und Zweitsprache ein sprachtherapeutischer Förderbedarf unerkannt (missed identity) oder es wird eventuell bei anderen Kindern mit ausschließlich erschwertem Zweitsprachzugang eine nicht notwendige Sprachtherapie angeordnet (mistaken identity) (Paradis, 2005, S. 173). Pädagogische Fachkräfte mit herkunftssprachlich-interkulturellem Einblick in die Migrationssprachen der Kinder können hierbei in der Kooperation zwischen Kindertagesstätte und Schule sowie logopädischer bzw. sprachtherapeutischer Praxis gewinnbringend mitwirken (Stitzinger, 2013, S. 116).

6

Da sich die Terminologie zu spezifischen bzw. umschriebenen Sprachentwicklungsstörungen (SSES bzw. USES) in der Literatur derzeit nicht einheitlich erweist, wird für die vorliegende Arbeit entschieden, die Bezeichnung ‚genuine Sprachentwicklungsstörung‘ zu verwenden. Zur aktuellen internationalen Diskussion bezüglich der Definition und Bezeichnung von Sprachentwicklungsstörungen wird auf den Beitrag von Scharff Rethfeldt (2018, S.13) verwiesen.

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1 Thematische Heranführung

Mehrsprachigkeit und Interkulturalität pädagogischer Fachpersonen als Ressource? An dieser Stelle muss allerdings kritisch die Frage aufgeworfen werden, ob die skizzierten Erwartungen, die an das mehrsprachige und interkulturelle pädagogische Personal in Kindertagesstätten und Schulen gestellt werden, überhaupt erfüllbar sind. Bergen möglicherweise die Wünsche an pädagogische Fachkräfte mit nichtdeutscher Erstsprache und Zuwanderungsgeschichte neben aussichtsreichen Perspektiven gleichzeitig auch Konflikte und Überforderungen? Oft werden Zuschreibungen vorgenommen, welche die wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit anderen Erstsprachen und Herkunftskulturen in spezielle Aufgaben-Nischen drängen. Somit fällt es den pädagogischen Fachpersonen oft schwer, eine zufriedenstellende Position in der Einrichtung zu finden, bei der sie nicht fortwährend mit Fragen zu Mehrsprachigkeit und Migration einseitig überbeansprucht werden, da sie wie alle anderen Team-Mitglieder angesehen werden möchten (Lüdtke & Stitzinger, 2017b, S. 107; Stitzinger & Lüdtke, 2014, S. 13). Dem zufolge besteht teilweise die Tendenz, dass mehrsprachige und interkulturelle Kompetenzen durch die Fachkräfte selbst verdeckt und unsichtbar gemacht werden (Lüdtke & Stitzinger, 2017b, S. 107; Stitzinger & Lüdtke, 2014, S. 13). Insofern muss sensibel hinterfragt werden, inwieweit die Hoffnungen, die an die Einstellung mehrsprachiger pädagogischer Fachpersonen mit Migrationshintergrund in Bildungsinstitutionen geknüpft werden, begründet und plausibel erscheinen (Strasser & Steber, 2010, S. 98). Überdies stellt sich die Frage zur Stimmigkeit der Rollenerwartung von Seiten des institutionellen und kollegialen Systems und von Seiten der betroffenen Fachkräfte. Der Abgleich der Erwartungen an die professionelle Rolle einer pädagogischen Fachkraft mit mehrsprachigen und interkulturellen Hintergründen kann möglicherweise Diskrepanzen aufweisen, indem sowohl Erwartungen an die Anderen als auch Erwartungen von den Anderen nicht übereinstimmen. Schließlich ist auch genau zu prüfen, ob das erwartete Potenzial mehrsprachiger und interkultureller Fähigkeiten einer pädagogischen Fachkraft tatsächlich selbst wahrgenommen und ausgeschöpft wird und schließlich in der Bildungseinrichtung für alle Beteiligten gewinnbringend als Ressource genutzt werden kann.

2

Interdisziplinäre Fundierung – Forschung und Praxis im Kontext sprachlich-kultureller Diversität pädagogischer Fachkräfte

In der thematischen Hinführung (s. Kap. 1) konnte ein erster Rahmen abgesteckt werden, in dem sich das Forschungsvorhaben der vorliegenden Arbeit verortet. Im folgenden zweiten Kapitel wird eine Konkretisierung des Handlungsfeldes pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität vorgenommen. Dazu ist die Absicht, die frühpädagogische Praxis mehrsprachiger, interkultureller Arbeit im Sinne einer interdisziplinären Fundierung auszuleuchten, um eine Basis für nachfolgende Entscheidungen innerhalb der Forschung zu erhalten. Hierbei bedarf es zuerst einer begrifflichen Verortung sprachlich-kultureller Diversität im Sinne einer Klärung des Phänomens, um das Grundgerüst des Forschungsvorhabens thematisch zu umfassen und einzuordnen (s. Kap. 2.1). Anschließend werden Proportionen sprachlichkultureller Diversität im Elementarbereich aufgezeigt, indem Anteile und Verhältnisse zu Migration und Mehrsprachigkeit im Arbeitsfeld pädagogischer Fachkräfte recherchiert werden (s. Kap. 2.2). Diese Proportionen kennzeichnen die Ausgangslage der Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Forschungsprojekt. Ferner wird der Stand der Forschung im Praxisfeld pädagogischer Fachkräfte zur mehrsprachigen und interkulturellen Arbeit ermittelt (s. Kap. 2.3). Somit werden Annahmen und Hypothesen innerhalb der Debatte um Mehrsprachigkeit und Interkulturalität im Bildungsbereich überprüft und Anschlüsse für die eigene Forschung hergestellt. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf dem Bedingungs- und Handlungsgefüge pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse zusammengefasst und im Hinblick auf das Forschungsvorhaben eingeordnet (s. Kap. 2.4).

2.1

Begriffliche Verortung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

Um das Konstrukt der sprachlich-kulturellen Diversität in der Perspektive der vorliegenden Forschungsarbeit einzuordnen, werden zunächst grundlegende Begriffe innerhalb des gedanklichen Gerüstes der Arbeit geklärt. Eine erste basale Eingrenzung in der hier erfolgten Verwendung des Begriffes Diversität (lateinisch: diversitas = Verschiedenheit, Unterschiedlichkeit) bezieht sich auf das menschliche, gesellschaftlich-soziale und kulturelle System. Im Folgenden werden dazu wesentliche Begriffsbestimmungen vorgenommen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3_2

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2 Interdisziplinäre Fundierung

Dimensionen von Individuum, Gesellschaft und Kultur Sprachlich-kulturelle Diversität kann nicht lediglich auf Merkmale einer Person reduziert werden, sondern muss in einem größeren Zusammenhang dynamisch und prozesshaft gesehen werden (s. Abb. 3, S. 18). Um entsprechende Prozesse im Kontext sprachlich-kultureller Diversität zu strukturieren, liefert das bereits vorskizzierte Modell (s. Kap. 1.1) der Relationalität von Person und Sprache von Lüdtke (2012a) mit den drei Dimensionen des Individuums, der Gesellschaft und der Kultur (ebd., S. 61ff) die Basis für weitere Überlegungen (s. Kap. 4.1).

Abb. 3:

Modell interdependenter Bezugsebenen sprachlich-kultureller Diversität (in Anlehnung an das Modell der Relationalität von Person und Sprache nach Lüdtke, 2012a)

In der Dimension des Individuums ist zunächst festzustellen, dass eine Person aufgrund erweiterter Komplexitäten und Brüchigkeiten in unserer globalisierten Welt zur fortwährenden Identitätsarbeit gezwungen ist (Lüdtke, 2012a, S. 74). So beeinflussen eigene Migrationserfahrungen oder der familiäre Migrationshintergrund das individuelle sprachlich-kulturelle Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Handeln und Äußern einer pädagogischen Fachkraft, was wiederum auf die Dimension der Gesellschaft ein

2.1 Begriffliche Verortung

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wirkt. Hier werden individuelle Entsprechungen und Differenzen in Bezug auf Normen ausgetauscht und ausgehandelt (ebd., S. 67). Dabei erweist sich, inwieweit etwa eine pädagogische Fachkraft in der Kindertagesstätte ihre nicht-deutsche Erstsprache in der Konfrontation mit den Kindern, den Eltern, den Team-Mitgliedern, den Personen der Fachaufsicht, der Kultusbehörde oder der allgemeinen gesellschaftlichen Meinung tatsächlich einsetzt bzw. einsetzen darf. Diese Prozesse stehen außerdem in Verbindung zur Kultur als weitere Dimension des Modells. Unterschiedliche Auffassungen zum Lehren und Lernen führen dazu, dass sprachliche Eigenheiten sowohl mit Anerkennung und Akzeptanz als auch mit Befremdung, Ausschluss oder Tabu begegnet werden können (ebd. S. 66f). So spielt für die Wertschätzung von Migrationssprachen eine entscheidende Rolle, welche Leitgedanken im Bildungswesen entwickelt und eingehalten werden. Ebenen der Fachkraft, des Teams und des System In diese gedankliche Architektur der Dimensionen von Individuum, Gesellschaft und Kultur können die pädagogische Fachkraft, das Kita-Team sowie das System der Bildungsadministration und Bildungspolitik im Sinne einer Konkretisierung des Phänomens sprachlich-kultureller Diversität zugeordnet werden (s. Abb. 3, S. 18). Die Fachkraft, das Team und das System stellen somit die Ebenen der konkreten sprachlich-kulturellen Bildungsarbeit dar (s. Kap. 3.4). Die Bezugsebenen stehen in wechselseitiger Beeinflussung zueinander, sodass Veränderungen innerhalb einer Ebene weitere Auswirkungen auf andere Ebenen verursachen können. Auf der Fachkraft-Ebene können sich beispielsweise durch die Neueinstellung einer Erzieherin mit Migrationshintergrund in einer Kindertagesstätte erstsprachliche und kulturelle Merkmale der erwachsenen Person ähnlich zu Merkmalen einiger Kinder in der Einrichtung abbilden. Für diese Kinder können damit stärkende Identitätsprozesse in Gang gesetzt werden. Gelingendes sprachlichkulturelles Interagieren mit den Kindern kann wiederum der Erzieherin ein professionelles Erfolgserlebnis vermitteln. Andererseits ist es auf der Team-Ebene denkbar, dass die besonderen sprachlich-kulturellen Merkmale der Erzieherin als Störfaktoren in der Einrichtung empfunden werden, da eventuell bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch zu wenige Zugangserfahrungen vorliegen. Als Folge davon werden der Erzieherin möglicherweise pauschale Aufgaben im Kontext ihrer sprachlichkulturellen Fähigkeiten zugewiesen. Andererseits kann einer beruflichen Unzufriedenheit der pädagogischen Fachkraft auf der System-Ebene entgegengewirkt werden, wenn der Kita-Träger die Implementierung sprachlich-kultureller Diversität vorantreibt und gezielt pädagogisches Fachpersonal mit Migrationshintergrund zu hochwertigen Arbeitsbedingungen einstellt.

20

2 Interdisziplinäre Fundierung

Entwicklungsdimension Die gegenseitigen Beziehungen der Ebenen untereinander lassen sich dabei nicht nur topologisch erklären, sondern gleichzeitig in einer chronologischen Entwicklung aufzeigen (s. Abb. 3, S. 18).7 Es machen sich einerseits individuelle Entwicklungsprozesse in Lebensübergängen wie auch in der gesamten Lebensspanne des Einzelnen bemerkbar (Maas, 2005, S. 112f). Dabei ist denkbar, dass Lebensübergänge, beispielsweise eine selbst erlebte Migration, das professionelle Handeln einer pädagogischen Fachkraft innerhalb der Berufsbiographie nachhaltig beeinflussen können. Über individuumsbezogene Lebensübergänge und -verläufe hinaus ist die Dynamik sprachlich-kultureller Diversität gleichfalls in der Entwicklung der Gesellschaft und der Kultur im Gesamten zu verstehen (Lüdtke, 2012a, S. 61ff). Norm und Differenz In einer weiteren begrifflichen Annäherung lässt sich sprachlich-kulturelle Diversität innerhalb der Parameter Norm und Differenz (Jaspers, 2012) lokalisieren. Hierbei erfolgt durch menschliche Interaktion eine stetige Auseinandersetzung zwischen dem Ungleichen und der Perspektive auf Konsens (ebd., S. 54; s. Kap. 4.1). Menschen können sich in vielerlei wahrnehmbaren oder auch kaum wahrnehmbaren Faktoren unterscheiden sowie Gemeinsamkeiten vereinbaren (Kimmelmann, 2010, S. 49). Die Verschiedenheit betrifft Merkmale von Menschen, wie beispielsweise die in den USA am häufigsten berücksichtigten Dimensionen – die so genannten ʻBig Eight’ – nämlich Rasse, Geschlecht, Ethnizität und Nationalität, institutionelle Rollen und Funktionen, Alter, sexuelle Orientierung, geistige und körperliche Fähigkeiten sowie Religion (Plummer, 2003, S. 25ff). Darüber hinaus werden in der Aushandlung von Norm und Differenz ebenso Bezüge zu Strukturen sozialer Ungleichheit und Prestige vorgenommen (Amirpur (2013, S. 9; Jaspers, 2012, S. 50f; Hormel, 2011, S. 96). Anhand entsprechender Merkmale können Unterschiede im Vergleich von zwei oder mehr Individuen gezogen werden, wobei sich die Realität aufgrund unterschiedlicher Zugehörigkeiten zu sozialen Gruppen und Identitäten weitaus komplexer darstellt, als es die vorgenannten Kategorisierungsmerkmale vorgeben (Köppel, 2010, S. 24). Beispielsweise werden bestimmte Muster im Sprachgebrauch nicht per se durch Merkmale wie etwa Ethnizität verursacht, sondern hängen von der eigenen Wahrnehmung und von Abstimmungsprozessen mit anderen ab (Jaspers, 2012, S. 55). In einer dynamischen Vorstellung von Diversität werden die verschiedenen Lebensformen und Perspektiven integriert, die von anderen Menschen gelebt und ausgedrückt werden und die gleichzeitig als Potenziale und Alternativen wiederum für sich selbst genutzt werden können (Fuchs, 2007, S. 19). 7

Ein ähnliches Modell zeigt sich in der Vorstellung sprachbiographischer Entwicklung nach Maas (2005), wobei ausgehend vom Individuum immer weitere Horizonte nach außen eröffnet werden (ebd., S.112f). Ebenso systematisieren Otto, Schröder & Gernhardt (2013) verschiedene Bezugskreise zur Erklärung der Plastizität des Diversitätskonstruktes im Kontext frühkindlicher Bildung und Erziehung (ebd., S. 12).

2.2 Proportionen sprachlich-kultureller Diversität

21

Homogenität, Heterogenität und Diversität Insgesamt befindet sich das Begriffsverständnis zu Diversität in Bewegung. Dietz (2007) bemerkt dazu: “The very term of diversity is still rather ambiguously used in debates on multiculturalism, identity politics, anti-discrimination policies and educational contexts” (Dietz, 2007, S. 6). Neben der Bezeichnung Diversität wurden im Bildungsbereich insbesondere in Zeiten vom Übergang von der Integration zur Inklusion oft noch synonym die Ausdrücke Heterogenität und Vielfalt gebraucht. Nach Sliwka (2012) ist allerding Heterogenität nur als Zwischenstufe von der Homogenität zur Diversität zu verstehen. Während im Paradigma der Homogenität keine Anerkennung von Unterschieden erfolgt, werden aus der Sicht der Heterogenität Unterschiede bereits als Herausforderung anerkannt (ebd., S. 170f). Erweitert wird der Umgang mit Unterschieden im Hinblick auf Diversität, indem Differenzen tatsächlich als Ressource und Gewinn wertgeschätzt werden (Lüdtke 2014, S. 27; Schütte 2018, S. 12; Sliwka, 2012, S. 170f).8 Zusammenfassend ist zu bemerken, dass sich der Kontext sprachlich-kultureller Diversität einer pädagogischen Fachkraft im Elementarbereich hoch komplex und dynamisch darstellt. Diese Vielschichtigkeit, Beweglichkeit und Wechselwirkungen wird in der dreidimensionalen Darstellung (s. Abb. 3, S. 18) zum Ausdruck gebracht. Die Einordnung zwischen den grundlegenden Dimensionen Individuum, Gesellschaft und Kultur sowie den darin verorteten konkreten Ebenen der Fachkraft, des Teams und des bildungsadministrativen bzw. bildungspolitischen Systems bilden das Kerngerüst der vorliegenden Forschungsarbeit. Diese Dimensionen und Ebenen beziehen sich auf mikro-, meso- und makrosystemische Konzepte und werden als Bezugsebenen sprachlich-kultureller Bildungsarbeit weiter konzeptualisiert (s. Kap. 3.4) sowie als Bezugsdimensionen zur Erklärung von Identitäts-, Teilhabe- und Diversitätsprozessen theoretisch abstrahiert (s. Kap. 4.1).

2.2

Proportionen sprachlich-kultureller Diversität in der frühpädagogischen Praxis

In der vorangegangenen phänomenologischen Systematisierung sprachlichkultureller Diversität konnte bereits bemerkt werden, dass Migration und Mehrsprachigkeit sehr vielschichtige und dynamische Aspekte darstellen. Dementsprechend wird Migration heute nicht nur als linearer Vorgang einer Zu- oder Abwanderung verstanden, sondern verweist auf komplexe zirkuläre Prozesse mit Auswirkungen sowohl auf die einwandernden bzw. eingewanderten Personen und ihre Familien als 8

Im Verständnis der vorliegenden Arbeit wird von Diversität gesprochen, um damit die Verschiedenheit von Menschen als wertvolle Ressource für das Leben miteinander und das Lernen voneinander anzuerkennen. Der Begriff Heterogenität wird nur dann verwendet, wenn es sich lediglich um Beschreibungen von Unterschiedlichkeiten oder um zitierte Inhalte aus Fremdquellen handelt.

22

2 Interdisziplinäre Fundierung

auch auf die Bevölkerung und die Lebensräume, des Einwanderungsgebietes (Hintermann & Herzog-Punzenberger, 2018, S. 24). Um eine Sicht auf aktuelle Verhältnisse sprachlich-kultureller Merkmale der beteiligten Personengruppen und Hinweise für eine sinnvolle Stichprobenauswahl zur Forschungsarbeit zu erhalten, soll das Aufkommen von Migration und Mehrsprachigkeit im Feld der Elementarpädagogik bei pädagogischen Fachkräften und bei Kindern bestimmt werden. Hierbei sind problematische Schieflagen zu erkennen. So besteht national wie auch international ein Ungleichgewicht in der Verteilung des Merkmals Migrationshintergrund bei pädagogisch tätigen Personen und bei Kindern (s. Kap. 2.2.1). Außerdem sind Unterschiede in den Arbeitsbedingungen zwischen pädagogischen Fachkräften mit und ohne Migrationshintergrund festzustellen (s. Kap. 2.2.2). Schließlich bilden sich mehrsprachige Merkmale der Kinder nicht identisch in der pädagogischen Arbeit der Einrichtungen ab, sondern ergeben meistens ein so genanntes sprachlich-kulturelles Mismatch (s. Kap. 2.2.3). 2.2.1

Ungleiche Verteilung des Migrationshintergrundes

Zunächst ist zur Klärung des Merkmals Migrationshintergrund die Definition des Statistischen Bundesamtes (2017) heranzuziehen. Dabei wird festgelegt, dass eine Person dann einen Migrationshintergrund hat, „[...] wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren ist. Zu den Personen mit Migrationshintergrund gehören im Einzelnen alle Ausländer, (Spät-)Aussiedler und Eingebürgerten. Ebenso dazu gehören Personen, die zwar mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren sind, bei denen aber mindestens ein Elternteil Ausländer, (Spät-)Aussiedler oder eingebürgert ist“ (ebd., S. 20).

Nachfolgend wird das Merkmal Migrationshintergrund bei Erwachsenen und bei Kindern in internationalen sowie nationalen Proportionen insbesondere für den Bildungsbereich dargelegt. Migrationsverhältnisse weltweit Weltweit stieg das Migrationsaufkommen in den Jahren von 1990 bis 2017 nach einer Statistik der United Nations (2017) mit Bezug auf ausländische Staatsbürgerschaften bzw. ausländische Geburtsorte um 69 % auf 258 Millionen Menschen (ebd., S. 1f). Dabei ist nach dieser Hochrechnung das Aufkommen der zugewanderten Personen ungleich auf bestimmte Gebiete der Erde verteilt und konzentriert sich mit 51 % auf zehn Staaten. Darunter zählt auch Deutschland an zweiter Stelle zugleich mit Saudi-Arabien bei jeweils einem Anteil von knapp 5 % hinter den Vereinigten Staaten von Amerika mit einem Anteil von über 19 % (ebd., S. 6). Migration stellt damit eine globale Erscheinung dar, die zurzeit allgemein zunimmt und regional gehäuft auftritt. Im Bildungsbereich lassen Ergebnisse eines Datenmaterials der OECD (2012) ein Ungleichgewicht zwischen Lernenden und Lehrenden mit Migrationshintergrund er-

2.2 Proportionen sprachlich-kultureller Diversität

23

kennen. Demnach hatten in den OECD-Ländern im Jahr 2009 im Durchschnitt 10 % aller 15-Jährigen einen Migrationshintergrund in der ersten und zweiten Generation. Auch hier waren im internationalen Vergleich große Unterschiede zwischen den Staaten festzustellen. Laut OECD wies Luxemburg den größten Anteil an 15Jährigen mit Migrationshintergrund auf. Dort lebten 40 % der Schülerinnen und Schüler, die selbst im Ausland geboren wurden oder deren beide Elternteile im Ausland ihren Geburtsort haben. Ebenfalls hoch war der Anteil der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Australien, Kanada, Neuseeland und der Schweiz mit durchschnittlich 20 %. Im Gegensatz dazu haben allerdings in Chile, Japan, Korea, Polen, der Slowakischen Republik und der Türkei jeweils weniger als 1 % der Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund (ebd., S. 1f). Bezüglich des Aufkommens von Lehrenden mit Migrationshintergrund kann auf eine Studie aus Kanada (Ryan, Pollock & Antonelli, 2009) zurückgegriffen werden. Dort betrug im Jahr 2001 der Anteil an Lehrkräften mit Zuwanderungsgeschichte im Durchschnitt 5,4 % und stieg bis 2006 leicht auf 6,9 % an. Dieser Anteil ist jedoch geringer als das generelle Aufkommen von Personen mit Migrationshintergrund in der kanadischen Bevölkerung (ebd., S. 597f). Zudem sind Lehrkräfte mit Migrationshintergrund im Vergleich zu 20 % an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in Kanada (OECD, 2012, S. 1f) nicht in der gleichen Proportion vertreten. Obwohl Kanada bezüglich der Einbeziehung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund im Bildungssystem als fortschrittlich gilt, kann sich das Ungleichverhältnis zwischen Lernenden und Lehrenden nachteilig auf die Anerkennung sprachlich-kultureller Diversität im Lehr-Lernprozess auswirken. Migrationsverhältnisse in Deutschland Ähnliche Verhältnisse sind bei Kindern und Erwachsenen auch in der Gesamtbevölkerung in Deutschland festzustellen. Aktuelle Daten liefert hierzu das Statistische Bundesamt (2017), das den Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Jahr 2015 mit 21,0 % berechnete. Die meisten Personen dieser Bevölkerungsgruppe stammen mit 16,7 % aus der Türkei, gefolgt von Personen mit 9,9 % aus Polen und mit 7,1 % aus der Russischen Föderation. Überdies zählt Kasachstan mit einem Anteil von 5,5 % zu einem bedeutenden nicht-europäischen Herkunftsland (ebd., S. 7). Obwohl im Jahr 2015 aufgrund des starken Flüchtlingsstromes nach Deutschland erstmals Syrien das Hauptherkunftsland zugewanderter Personen war (BAMF, 2016, S. 32), betrug der Anteil dieser Personengruppe an der Gesamtzahl der Migrationsbevölkerung in Deutschland jedoch nur 1 % (Statistisches Bundesamt, 2017, S. 66). Demnach treten in Deutschland nach wie vor Migrationsbezüge hauptsächlich im Zusammenhang mit den Sprachen Türkisch und Russisch auf. Der hohe Anteil der türkisch-stämmigen Bevölkerung in Deutschland rekrutiert sich aus Personen, die seit den 1950er Jahren zunächst als Arbeitskräftemigrantinnen und -migranten, später aus Gründen der Familienzusammenführungen, Eheschließungen und Asylsuche und nunmehr in mehreren Generationen in Deutschland leben (Hunn, 2005). Der

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2 Interdisziplinäre Fundierung

ebenso hohe Anteil der Migrationsbevölkerung mit russischer Erstsprache umfasst hauptsächlich Personen, die als (Spät-) Aussiedler aus den ehemaligen Sowjetrepubliken mit dem Höhepunkt Mitte der 1990er Jahren nach Deutschland zuzogen (BAMF, 2016, S. 122; Rybakovsky & Rayzantsev, 2005, S. 10). Im Hinblick auf Ausprägungen und Differenzierungen von Migrationsmerkmalen ist weiter der differenzierte Migrationsstatus von Bedeutung. Mittlerweile sind Personen mit Migrationshintergrund aus den früheren Anwerbestaaten, wie z. B. aus Italien, aus der Türkei und aus Griechenland, überproportional häufig in Deutschland geboren und haben keine eigene Migrationserfahrung. So sind 43,4 % der Personen mit italienischer, 40,2 % mit türkischer und 37,5 % mit griechischer Abstammung nicht selbst nach Deutschland eingewandert (Rühl, 2009, 21). Im Vergleich dazu gehören mit 17,1 % der Personen mit polnischer, 13,8 % mit rumänischer, 9,1 % mit russischer und 5,6 % mit kasachischer Herkunft bislang noch relativ wenige der zweiten oder dritten Migrationsgeneration an (ebd.). Damit bestätigt sich bereits, dass das Merkmal Migrationshintergrund lediglich eine pauschale Kategorisierung einer Personengruppe darstellt, die im Einzelnen sehr differenzierte und teilweise sogar gegensätzliche Ausprägungen und Muster aufweist. Wie sich bereits im internationalen Bildungskontext offenbarte, weicht ebenso das Verhältnis von Personen mit Migrationshintergrund zur Gesamtbevölkerung in Deutschland zwischen Erwachsenen und Kindern deutlich ab. Im Jahr 2015 wiesen beispielsweise in der Altersgruppe unter fünf Jahren 35,9 % der Kinder einen Migrationshintergrund auf (Statistisches Bundesamt, 2017, S. 7). Das sind etwa 15 % mehr als bei den Erwachsenen. Folglich ist zu erwarten, dass Migration und Mehrsprachigkeit im vorschulischen und schulischen Bereich besonderer Beachtung bedarf. Allerdings bewirkt eine geringere Bildungsbeteiligung bei jüngeren Kindern aus Migrationsfamilien, dass der Migrationsanteil in frühpädagogischen Einrichtungen mit sinkendem Alter der Kinder proportional geringer wird (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2016, S. 171). Andererseits liegt der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in Kindertagesstätten und Schulen deutlich höher, wenn generell ein höherer Migrationsanteil in einer Region vorliegt (ebd.). Migrationsverhältnisse in frühpädagogischen Bildungseinrichtungen Angesichts des stellenweise sehr hohen Migrationsaufkommens in frühpädagogischen Bildungseinrichtungen und der dadurch notwendigen Umsetzung mehrsprachig-interkultureller Bildung und Erziehung wird gefordert, das Potenzial pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund bei der Personalausstattung stärker zu berücksichtigen (Preiß, 2013, S. 42; Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2007, S. 65). So ist der Anteil pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund in Kindertagesstätten nach den Ergebnissen von Sonderauswertungen des Mikrozensus tatsächlich von 7 % im Jahr 2005 (Fuchs-Rechlin, 2010a, S. 48) auf 9,5 % im Jahr 2012 (Fuchs-Rechlin & Strunz, 2014, S. 7) und auf 11,1 % im Jahr 2014 (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 328) stetig angestiegen. Mit

2.2 Proportionen sprachlich-kultureller Diversität

25

dieser Entwicklung liegt Deutschland zwar im Vergleich zum Bildungsbereich in Kanada (Ryan et al., 2009, S. 597f), wo ebenfalls ein relativ hohes Migrationsgeschehen zu beobachten ist (Löser, 2011, S. 185), in einem weltweit führenden Trend. Dennoch bleibt die Quote pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund in Kita-Teams deutlich unter dem Anteil von 18 % aller Beschäftigten mit Zuwanderungsgeschichte auf dem deutschen Gesamtarbeitsmarkt (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 174). Insofern sind Migrantinnen und Migranten unter den pädagogischen Fachkräften nach wie vor unterrepräsentiert. Um weitere Erkenntnisse zum differenzierten Migrationsstatus pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund in Kindertagesstätten zu erhalten, werden die Ergebnisse einer Fragebogenanalyse in Rheinland-Pfalz in den Blick genommen (Montanari, 2007). Die Rückläufe der Kindertagesstätten (n = 168) zeigen, dass nach Angaben der Einrichtungen in 69,6 % der Kindertagesstätten mindestens eine pädagogische Fachkraft mit Migrationshintergrund im Team beschäftigt war. Von den pädagogischen Fachkräften mit Migrationshintergrund hatten 52 % eigene Migrationserfahrungen, 25 % gleichzeitig eigene Migrationserfahrungen und einen Migrationshintergrund durch die Eltern, 22 % nur einen Migrationshintergrund durch die Eltern sowie 1 % einen Migrationshintergrund ohne nähere Angaben (ebd., S. 56). Die unterschiedlichen Konstellationen von Migrationshintergründen in Deutschland bilden sich somit auch im Feld der Frühpädagogik ab und wurden in der vorliegenden Forschungsarbeit berücksichtigt. Nach Akbaş und Leiprecht (2015a) bietet der Arbeitsplatz insbesondere in Kindertagesstätten möglicherweise wenig Anziehung etwa in Hinblick auf Status, Bezahlung, Arbeitszeiten oder Aufstiegschancen.9 Es scheinen jedoch vor allem spezifische Zugangsbarrieren zum Beruf oder Verbleibhindernisse im Arbeitsfeld zu existieren, die Personen mit Migrationshintergrund von der Tätigkeit im Elementarbereich abhalten (ebd., S. 207f). Zudem führen konfessionelle Orientierungen vieler Einrichtungen in kirchlichen Trägerschaften zu einer einseitigen Zusammensetzung des Personals in der Ausrichtung auf die deutsche Mehrheitskultur und Mehrheitssprache (FuchsRechlin, 2010b, S. 10). 2.2.2

Unterschiede in den Arbeitsbedingungen

Neben dem Ungleichgewicht zwischen pädagogischen Fachkräften und Kindern im Hinblick auf den Migrationsstatus fallen bei näherer Betrachtung des Arbeitsfeldes und der Beschäftigungsstruktur pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund mehrere Aspekte auf, die Hinweise auf die besondere Situation der Profession geben: das Qualifikationsniveau, die Beschäftigungssicherheit, der Verbleib im Berufsfeld und der Beschäftigungsumfang pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshinter9

Zu ähnliche Einschätzungen kommen Friederich und Schoyerer (2016) für das gesamte pädagogische Personal in Kindertagesstätten (ebd., S. 56f).

26

2 Interdisziplinäre Fundierung

grund sowie der allgemeine Kontext der Bevölkerungsstruktur in West- und Ostdeutschland. Im Folgenden werden diese fünf Punkte genauer untersucht. Qualifikationsniveau Erstens ist ein bedeutsamer Unterschied im Qualifikationsniveau pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund zu registrieren. Während im Jahr 2012 nur 9 % des pädagogischen Personals den Abschluss einer Erzieherin oder eines Erziehers im Zusammenhang mit einem Migrationshintergrund besaßen, wiesen 13,2 % der pädagogischen Fachkräfte das Qualifikationsniveau einer Sozialassistentin bzw. eines Sozialassistenten oder einer Kinderpflegerin bzw. eines Kinderpflegers10 im Zusammenhang mit einem Migrationshintergrund auf (Fuchs-Rechlin & Strunz, 2014, S. 46). Im Vergleich zu 2008 (Fuchs-Rechlin, 2010a, S. 48) zeigt sich damit nur eine minimale Entwicklung in Richtung eines höheren Berufsabschlusses. Möglicherweise bestehen für Personen mit Migrationshintergrund und nicht-deutschen Erstsprachen größere Hürden, die Qualifikationsstufe der Erzieherin bzw. des Erziehers zu erreichen, als bei Personen ohne Migrationshintergrund. Beschäftigungssicherheit Im zweiten Punkt sind auch bei der Beschäftigungssicherheit Auffälligkeiten bei Arbeitsverträgen für pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund zu bemerken. 18 % der pädagogischen Fachkräfte mit Migrationshintergrund waren 2014 befristet angestellt, während nur 13 % der Kolleginnen und Kollegen ohne Migrationshintergrund davon betroffen waren (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 174). Seit dem Jahr 2008, in dem noch 24,2 % der Mitarbeitenden mit Migrationshintergrund und 14,1 % der Beschäftigten ohne Migrationshintergrund einen befristeten Arbeitsvertrag hatten (Fuchs-Rechlin, 2010a, S. 19), nahmen zwar insgesamt befristete Beschäftigungen und die Differenzspanne zwischen den Personengruppen ab, allerdings sind noch Unterschiede zwischen pädagogischen Fachkräften mit und ohne Migrationshintergrund wahrzunehmen.

10

Die Ausbildung mit dem Berufsziel Erzieherin bzw. Erzieher kann über verschiedene Ausbildungswege und Qualifizierungsphasen absolviert werden und ist je nach Bundesland unterschiedlich geregelt (u.a. Janssen, 2010; Schmidt, 2005; Wahle, 2009). Beispielsweise kann nach einer zweijährigen Qualifizierung zur Sozialassistentin bzw. zum Sozialassistenten als Basisqualifikation (entspricht der früheren Ausbildung zur Kinderpflegerin bzw. zum Kinderpfleger) (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 120) oder direkt nach einem mittleren Bildungsabschluss eine dreijährige Ausbildung zur Erzieherin bzw. zum Erzieher an einer Fachschule aufgenommen werden (u.a. Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 123). Alternativ zum Ausbildungsweg über Fachschulen wurden im Rahmen der Überlegungen zur Akademisierung frühpädagogischer Arbeit mittlerweile Studiengänge für die Elementarpädagogik bzw. Kindheitspädagogik an Hochschulen eingerichtet (u.a. Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 126; Pasternack, 2008; Viernickel, 2008).

2.2 Proportionen sprachlich-kultureller Diversität

27

Verbleib im Berufsfeld Außerdem sind drittens Differenzen zwischen den Kolleginnen und Kollegen mit und ohne Migrationshintergrund bezüglich des Verbleibs im Berufsfeld festzustellen. Im Jahr 2014 wanderten mit einem überdurchschnittlichen Anteil von 53,7 % der pädagogischen Fachkräfte mit Migrationshintergrund gegenüber 39,1 % der Fachkräfte ohne Migrationshintergrund aus dem frühpädagogischen Bildungsbereich ab (FuchsRechlin & Strunz, 2014, S. 40). In 2008 war dagegen die Abwanderung mit 49,6 % sowohl bei pädagogischen Fachkräften mit Migrationshintergrund als auch mit 33,4 % bei Fachkräften ohne Migrationshintergrund noch geringer. Der Abstand der beiden Fachkräftegruppen reduzierte sich zwar minimal, jedoch nahm zum Nachteil der Ausstieg aus dem Beruf tendenziell zu. Beschäftigungsumfang Als vierter Punkt auffälliger Beschäftigungsstrukturen waren bislang auch Benachteiligungen im Beschäftigungsumfang pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund im Gegensatz zu den Kolleginnen und Kollegen ohne Zuwanderungsgeschichte zu verzeichnen. Noch im Jahr 2008 war das pädagogische Personal mit Migrationshintergrund mit einem Anteil von 29,2 % bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 21 Stunden beschäftigt (Fuchs-Rechlin, 2010a, S. 14). Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ohne Migrationshintergrund lag dagegen ein geringerer Anteil von 17,5 % vor (ebd.). Allerdings glichen sich die Beschäftigungsanteile zwischen pädagogischen Fachkräften mit und ohne Migrationshintergrund im Laufe von sechs Jahren vollkommen an. So lagen 2014 die Anteile bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 21 Stunden für Fachkräfte mit Migrationshintergrund bei 13,7 % und für Fachkräfte ohne Migrationshintergrund bei 13,8 % (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 330). Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Tendenz weiter Bestand haben wird. 11 Bevölkerungsstruktur in West- und Ostdeutschland Im fünften Punkt macht sich die umgebende Bevölkerungsstruktur im Auftreten des Merkmals Migrationshintergrund in den pädagogischen Teams frühpädagogischer Einrichtungen noch stark bemerkbar. Während im Jahr 2012 in Westdeutschland 11,4 % der pädagogischen Fachkräfte eine Zuwanderungsgeschichte hatten, waren es in Ostdeutschland lediglich 1,1 % (Fuchs-Rechlin & Strunz, 2014, S. 46). Es ist bislang keine Entwicklung zu erkennen, dass dieses Ungleichgewicht in Deutschland ausgeglichen wird, da gegenüber den Werten von 2008 die Differenz zwischen 9,7 % in den westlichen und 1,4 % in den östlichen Bundesländern (Fuchs-Rechlin, 2010a, S. 49) sogar noch etwas größer wurde. Damit bestätigt sich das international un11

Darüber hinaus zeigen auch die Alters- und Geschlechterstruktur bei pädagogischen Fachkräften mit Migrationshintergrund im Vergleich zu den Fachkräften ohne Migrationshintergrund mittlerweile keine gravierenden Unterschiede mehr.

28

2 Interdisziplinäre Fundierung

gleichmäßig verteilte Migrationsgeschehen ebenso im nationalen Kontext der deutschen Bundesländer.12 Aus den vorangegangenen Betrachtungen zum Qualifikationsniveau, zur Beschäftigungssicherheit und zum Verbleib im Berufsfeld pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund kann angenommen werden, dass dieser Personenkreis im professionellen Kontext frühpädagogischer Arbeit Benachteiligungen ausgesetzt ist. Niedrige Ausbildungsstände und einschneidende Arbeitsbefristungen können sich ungünstig auf die Mitarbeit in der Kindertagesstätte sowie auf ein frühzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsfeld auswirken. Fachkräfte mit nur begrenzter Teilhabemöglichkeit werden es vermutlich schwerer haben, sich in der konzeptionellen Ausrichtung im KitaTeam einzubringen. Dementsprechend werden die Erwartungen an pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund für Innovationen im Kontext sprachlichkultureller Diversität nicht leicht zu erfüllen sein. 2.2.3

Sprachlich-kulturelles Mismatch13

Nachdem Besonderheiten des Merkmales Migrationshintergrund bei erwachsenen Bezugspersonen im Bereich der frühpädagogischen Arbeit wie auch bei Kindern aufgedeckt wurden, werden nun besondere Konstellationen zur Mehrsprachigkeit beleuchtet, die für die Forschungsarbeit von Bedeutung sind. Dazu wird zunächst auf die Situation der Mehrsprachigkeit der Kinder in den Kindertagesstätten eingegangen, um im Anschluss daran die Lage der pädagogischen Fachkräfte gegenüberzustellen. Mehrsprachigkeitsverhältnisse im Elementarbereich Im Zusammenhang mit dem ermittelten Anteil an Kindern unter fünf Jahren mit Migrationshintergrund lässt sich erklären, dass Mehrsprachigkeit zu einem ernstzunehmenden Thema in der frühkindlichen Bildung und Erziehung geworden ist. Nach aktuellen Berechnungen der Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016) sprechen mit erkennbaren regionalen Abweichungen im Durchschnitt 19 % aller drei- bis fünfjährigen Kinder, die eine Kindertagesstätte besuchen, im Elternhaus kein oder nur wenig Deutsch. Bei den unter dreijährigen Kindern sind es 12 % (ebd., S. 171) analog zur geringeren Betreuungsquote in diesem Altersbereich. Wenn separat alle vierbis fünfjährigen Kinder mit Migrationshintergrund in der Kindertagesstätte betrachtet

12

Die Kenntnis der umgebenden Bevölkerungsstruktur hinsichtlich des Migrationsgeschehens sollte in qualitativen Forschungsansätzen einbezogen werden, um Verzerrungen bei der Rekrutierung pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund zu vermeiden.

13

Licandro und Lüdtke (2012) weisen im deutschsprachigen Raum erstmals auf das ‚sprachpädagogische Mismatch‘ hin, das durch ein Ungleichgewicht sprachlich-kultureller Merkmale zwischen mehrsprachigen Kindern und einsprachigen sprachpädagogischen bzw. sprachtherapeutischen Fachkräften entsteht (ebd., S. 289).

2.2 Proportionen sprachlich-kultureller Diversität

29

werden, ist festzustellen, dass mit einem hohen Anteil von 63 % zu Hause vorwiegend eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird (ebd., S. 166). Wie bereits angemerkt wurde, treten deutliche regionale Unterschiede in der Häufigkeit von Kindern mit nicht-deutschen Erstsprachen in Kindertagesstätten auf. Verdichtungen und Segregationen hinsichtlich des Auftretens von Migrationssprachen werden offensichtlich. Davon sind vor allem Ballungszentren wie Berlin, Frankfurt a. M. und München betroffen, wo mehr als die Hälfte aller Kinder mit nicht-deutschen Erstsprachen Kindertagesstätten besuchen, in denen überdurchschnittlich viele Kinder in der Familie ebenso wenig oder kaum Deutsch sprechen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2016, S. 10). Diese Segregationstendenzen setzen sich im Schulbereich fort, wobei dort die geringen sprachlichen Kompetenzen hauptsächlich mit sozioökonomischen Risikolagen bzw. mit benachteiligten Lebenslagen (Bansner & Lüdtke, 2014, S. 26) in Verbindung gebracht werden (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2016, S. 10).14 Inwieweit erstsprachliche Potenziale tatsächlich auch von pädagogischen Fachkräften im Kita-Alltag integriert werden können, wurde die Verteilung sprachlicher Vielfalt im pädagogischen Personal mit der bereits erwähnten Fragebogenerhebung in Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz untersucht (Montanari, 2007). Nach den Angaben der Kindertagesstätten waren die beiden Sprachen Deutsch und Englisch in allen Teams verfügbar. Eine weitere dritte Sprache wurde in 88 % der Kita-Teams, vier Sprachen in 40 % und sogar fünf Sprachen in 18 % der Einrichtungen gesprochen (ebd., S. 54). Die Ergebnisse verweisen durchaus auf vielfältige Potenziale der Mehrsprachigkeit innerhalb der entsprechenden Kindertagesstätten-Teams, welche im pädagogischen Kontext genutzt werden könnten. Neben Besonderheiten zu Konstellationen des Erst- und Zweitsprachgebrauchs in Kindertagesstätten ergibt sich hinsichtlich des Auftretens unterschiedlicher Sprachen eine Analogie zur Verteilung der Herkunftsländer. So sind Türkisch, Russisch und Englisch die häufigsten nicht-deutschen Erstsprachen bei Kindern der ersten und zweiten Generation (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2016, S. 167). Auf diese Sprachen könnte grundsätzlich durch mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund eingegangen werden. Das zeigt die Auswertung einer Fragebogenerhebung an Kindertageseinrichtungen (n = 186) in Bayern, Brandenburg und Hamburg, mit der die verfügbaren Sprachen in der pädagogischen Arbeit in Kindertagesstätten ermittelt wurden (Meyer, 2008, S. 36). Am häufigsten wurden Tür14

Der Einfluss des sozioökonomischen und soziokulturellen Status bzw. benachteiligter Lebenslagen auf den Spracherwerb von Kindern steht etwa in den vergangenen zehn Jahren im Fokus des internationalen wissenschaftlichen sowie politischen Diskurses (u.a. Bansner, 2017; Bansner & Lüdtke, 2014; Fernald, Marchman & Weisleder, 2013; Hoff & Tian, 2005; Huang, Leech & Rowe, 2017; Pan, Kong, Song, McBride, Liu & Shu, 2017). Auch im spezifischen Kontext der mehrsprachigen Entwicklung wurden Zusammenhänge zwischen den Merkmalen eines geringen sozioökonomischen Status und nicht erwerbsgerechten Fähigkeiten in der Zweitsprache sowie beeinträchtigten schulischen Leistungen als Folge davon festgestellt (u.a. Czinglar, Korecky-Kröll, Uzunkaya-Sharma & Dressler, 2015; Hoff, 2013).

30

2 Interdisziplinäre Fundierung

kisch mit 43 %, Russisch mit 30 % und Polnisch mit 25 % genannt. Zudem wurde Englisch ebenso häufig wie Türkisch angegeben und vermutlich in der Kommunikation mit Kindern und deren Eltern angewendet, wenn sprachliche Übereinstimmungen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht hergestellt werden konnten. Möglicherweise wurde Englisch auch in bilingualen Sprachprojekten eingesetzt (ebd.). Montanari (2007) kommt in ihrer Studie zu ähnlichen Ergebnissen, wobei zusätzlich Französisch als verfügbare Sprache häufig genannt wurde (ebd., S. 55).15 Mehrsprachigkeit in der Umsetzung frühpädagogischer Praxis Im Auftreten verschiedener Sprachen in Kindertagesstätten ist ein sprachlichkulturelles Mismatch zu erkennen, indem sich die Merkmale von Migration und Mehrsprachigkeit der Kinder nicht in der sprachlich-kulturellen Zusammensetzung des pädagogischen Personals wiederspiegeln (Licandro, 2016, S. 190; Licandro & Lüdtke, 2012, S. 289; Lüdtke, 2013, S. 246; Stitzinger & Lüdtke, 2014, S. 7). Ferner kann aus der Verfügbarkeit über verschiedene Sprachen in Kindertagesstätten-Teams allein noch nicht geschlossen werden, dass die prinzipiell vorhandene Sprachenvielfalt im pädagogischen Alltag wirklich genutzt wird. Aus den Ergebnissen der bereits zitierten Fragebogenstudie in Kindertagesstätten in Hamburg, Brandenburg und Bayern (Meyer, 2008) ist zu entnehmen, dass in 36 % der Kindertagesstätten neben Deutsch selten eine andere Sprache verwendet wurde. In 24 % der Teams wurde zwar auch selten, aber zumindest regelmäßig noch eine andere Sprache gesprochen. Jede Woche wurde in 21 % der Einrichtungen in einer anderen Sprache kommuniziert und nur in 19 % der Kitas wurde tatsächlich ein bilingualer Sprachmodus täglich gehandhabt (ebd., S. 37). Ebenso zeigt die Fragebogenuntersuchung in rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten (Montanari, 2007) das Resultat, dass Deutsch die am meisten praktizierte Sprache im Kita-Alltag darstellt. 46 % der befragten Kindertagesstätten gaben an, Deutsch als einzige Sprache im pädagogischen Alltag zu verwenden. In 48 % der Einrichtungen wurde Deutsch ebenfalls als gemeinsame Hauptsprache gesprochen, jedoch wurden zusätzlich weitere Sprachen mit Kindern und Eltern genutzt. Abgesehen von 4 % der Kindertagesstätten, die keine Angaben machten, wurden lediglich in 2 % der Kitas andere Sprachen tatsächlich gleichwertig mit Deutsch praktiziert (ebd. S. 56). Die Erstsprachen der Kinder finden auch bei der Materialauswahl und der Raumgestaltung oft keine Berücksichtigung, wie eine Feldstudie in Kindertagesstätten (n = 19) mit drei- bis sechsjährigen Kindern mit einem Migrationsanteil von über 50 % in Süddeutschland ergab (Jahreiß, Ertanir, Frank, Sachse & Kratzmann, 2017, S. 439ff). Im Vergleich dazu ergeben sich im schulischen wie auch im sprachtherapeutischen Sektor ähnliche Verhältnisse. Beispielsweise gaben in einer Fragebogenstudie 15

Die Nähe zum Nachbarland Frankreich dürfte sich hierbei mit entsprechenden Ausrichtungen im Fremdsprachlernen bemerkbar gemacht haben.

2.3 Stand der Forschung

31

(n = 198) nur 25,8 % der befragten Lehrkräfte mit Migrationshintergrund an, ihre Erstsprache im Unterricht bewusst einzusetzen (Georgi, 2013, S. 228). Ferner konnte mit einer Online-Umfrage (n = 508) in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Schütte & Lüdtke, 2013) herausgefunden werden, dass zwar in allen drei Ländern auf mehrsprachige sprachtherapeutische Fachkräfte innerhalb der Therapiesitzungen zurückgegriffen wurde. Dennoch wurde in Deutschland der Einsatz der Erstsprache der Kinder beispielsweise während des Rollenspiels nur im Umfang von 6,2 % angegeben. In Österreich waren es 9,1 % und in der Schweiz immerhin 16,0 % (ebd., S. 51). Mit den Einblicken in bestehende Proportionen von Merkmalen der Migration und Mehrsprachigkeit im Elementarbereich kann vermutet werden, dass sprachlichkulturelle Konstitutionen, die Kinder durch Zuwanderungsgeschichte und andere Erstsprachen mitbringen, von den erwachsenen Bezugspersonen in frühpädagogischen Einrichtungen als Chance, eventuell aber auch als Herausforderung bis hin zur Überforderung aufgenommen werden. Obwohl von einer Grundlage sprachlichkultureller Durchmischung in der Personalstruktur des Elementarbereiches und von ersten Anzeichen zur Einbeziehung sprachlich-kultureller Diversität im pädagogischen Alltag ausgegangen werden kann, sind dennoch mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund in den Teams unterdurchschnittlich vertreten und überwiegend monolinguale Ausrichtungen auf die Bildungssprache Deutsch vorzufinden. Die monolinguale Orientierung in Bildungseinrichtungen lässt sich, abgesehen vom geringen Anteil mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte, dadurch erklären, dass selbst pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund ihre Erstsprachen im pädagogischen Alltag nicht genügend einsetzen und nutzen. Eine Rolle dürfte hierbei die dominierende deutschsprachige Erziehungskultur in den pädagogischen Teams spielen. Ebenfalls wird der Stellenwert des Deutschen als Bildungssprache stark betont. Dabei können sich Tendenzen entwickeln, dass pädagogische Fachkräfte ihre besonderen Merkmale verdecken, um sich der Mehrheit anzupassen.

2.3

Stand der Forschung zum mehrsprachig-interkulturellen Handeln pädagogischer Fachkräfte

Nachdem die Proportionen von Migration und Mehrsprachigkeit im Arbeitsfeld frühpädagogischer Praxis erörtert wurden, wird im Folgenden der Stand der Forschung zum mehrsprachigen und interkulturellen Handeln pädagogischer Fachkräfte explizit unter dem Filter des Potenzials sprachlich-kultureller Diversität aufgearbeitet. Diesbezüglich werden die wichtigsten Erkenntnisse innerhalb der aktuellen Mehrsprachigkeitsforschung dargelegt (s. Kap. 2.3.1) und aus spezifischen Studienergebnissen entscheidende Eckpunkte für die Beobachtung bzw. Diagnostik mehrsprachiger Kinder abgeleitet (s. Kap. 2.3.2), da in der vorliegenden Forschungsarbeit insbesondere die Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte zur Beobachtung mehrsprachiger

32

2 Interdisziplinäre Fundierung

Kinder untersucht wurden. Außerdem werden hauptsächlich Forschungsergebnisse zur mehrsprachig-interkulturellen Arbeit einbezogen, die sich auf die Rolle mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund im Elementarbereich beziehen (s. Kap. 2.3.3). 2.3.1

Förderung der Mehrsprachigkeit in gesamtsprachlicher Sichtweise

Vor dem Hintergrund des vorliegenden Forschungsinteresses und der Ausrichtung auf das Potenzial sprachlich-kultureller Diversität (s. Kap. 2.1) soll an dieser Stelle der Schwerpunkt der Ausführungen in der aktuellen gesamtsprachlichen Sichtweise auf die Mehrdimensionalität und Dynamik der Mehrsprachigkeit gelegt werden.16 Mehrdimensionale Sicht auf Mehrsprachigkeit Um sich der gesamtsprachlichen Sicht von Mehrsprachigkeit zu nähern, wird eine Definition von Grosjean (2008) herangezogen, der das Phänomen Mehrsprachigkeit17 mit den wesentlichen Komponenten umschreibt: “Bilingualism is the regular use of two or more languages (or dialects), and bilinguals are those people who use two or more languages (or dialects) in their everyday lives” (Grosjean, 2008, S. 10). Dabei bezeichnet Grosjean (2008) Menschen als mehrsprachig, die Kompetenzen erworben haben, zwei oder mehrere Sprachen im Ausmaß des eigenen Bedarfs und dem Bedarf der Umwelt zu sprechen und zu verstehen. Weiter erklärt er, dass mehrsprachige Menschen die Sprachen sowohl einzeln als auch gemischt mit unterschiedlichen Personen gemäß des Anlasses und der verschiedenen Lebensbereiche verwenden können. Da überdies die Anforderungen und Verwendungen der Sprachen sehr unterschiedlich sind, können sich mehrsprachige Menschen in ihren Sprachen je nach Situation weniger oder mehr kompetent erweisen (ebd.). Dementsprechend wird ein flexibles und interaktionales Konstrukt in der Verwendung von Sprachen betont. Die jeweilige Sprachverwendung erhält ihren Wert im kompatiblen und funktionierenden Gebrauch zwischen Menschen in bestimmten Kontexten. Auch H. Reich (2010) hebt die intersubjektive kommunikative Bedeutung hervor, indem er mehrsprachige Kinder als Personen definiert, „[...] die in ihren ersten Lebensjahren in Interaktionssituationen geraten, in denen mehrere Sprachen in kommunika16

Für einen allgemeinen umfassenden internationalen Überblick über theoretische Annahmen, empirische Erkenntnisse und Implikationen für die pädagogische Praxis in Bezug auf das dynamische interdisziplinäre Feld der mehrsprachigen Bildung wird exemplarisch auf den Sammelband von Wright, Boun & García (2017) verwiesen. Außerdem ist die Zusammenstellung von Surrain & Luk (2017) anzuführen, in der Bezeichnungen und Beschreibungen von 186 Studien zur Erforschung von Mehrsprachigkeit aus den Jahren 2005 bis 2015 herausgearbeitet und verglichen wurden.

17

In der Literatur sind parallel die Bezeichnungen Zweisprachigkeit oder Bilingualität vorzufinden. Damit sind eigentlich nur zwei Sprachen gemeint. In der vorliegenden Arbeit wird im Allgemeinen von Mehrsprachigkeit und von mehrsprachigen Personen gesprochen, da grundsätzlich die Varianten von zwei oder mehreren Sprachen einbezogen werden sollen. Werden jedoch die Bezeichnungen Zweisprachigkeit oder Bilingualität bzw. zweisprachig oder bilingual im Text verwendet, handelt es sich entweder um übernommene Zitate oder tatsächlich um zwei konkrete Sprachen.

2.3 Stand der Forschung

33

tiv relevanter Weise Verwendung finden“ (ebd., S. 8). Darüber hinaus fasst Bialystok (2009) die Mehrdimensionalität von Mehrsprachigkeit wie folgt zusammen: “Moreover, bilingualism itself is not a single thing: individuals speak languages that they learned at different stages of their lives, to different degrees of proficiency, for different purposes [...]” (Bialystok, 2009, S. 54). So ist Mehrsprachigkeit eine vielschichtige Erscheinung, die im Fokus mehrerer Bedeutungsdimensionen unterschiedlich kategorisiert werden kann.18 Mehrsprachigkeit darf deshalb nicht als „Gleichsprachigkeit“ (Oksaar, 2003, S. 31) aufgefasst werden. Die idealtypische Ausprägung von Mehrsprachigkeit, mit der eine Person in allen Sprachen ein gleich hohes Niveau in der Sprachproduktion wie auch im Sprachverständnis in allen Anwendungssituationen, zu allen Inhalten und zu jeder Zeit im Laufe des Lebens zeigt, wird vermutlich eher die Ausnahme bilden (Tracy, 2014, S. 19f). Hierzu zeigt exemplarisch die Zusammensetzung einer Stichprobe zu einer Studie von Montanari (2010, 2013a) über Aneignungsprozesse mehrsprachiger Kinder im Deutschen, wie sich individuelle Sprachverwendungssituationen unterschiedlich ausprägen können. In den Familien der 17 teilnehmenden Kindern im Alter von 5;0 bis 6;3 Jahren zum Beobachtungsbeginn wurde neben Deutsch in 15 verschiedenen Sprachen bei vielfältigen Konstellationen und Kompetenzgraden der beteiligten Personen kommuniziert (ebd., 2010, S. 45ff; 2013, S. 348). Daraus resultiert, dass Mehrsprachigkeit nicht einfach nur als Summe von zwei oder mehreren, getrennt voneinander erworbenen und verwendeten Sprachsystemen interpretiert werden darf (García, 2005, S. 23). Vielmehr bilden mehrsprachige Menschen verschiedene sprachliche Kompetenzen aus, die wechselseitig miteinander im Zusammenhang stehen. Innerhalb eines Gesamtsystems, das ebenso mit der Motivation, den Emotionen, der Soziabilität, der Wahrnehmung oder der Kognition vernetzt ist, beeinflussen sich unterschiedliche sprachbezogene Fähigkeiten, gleichen sich gegenseitig aus oder verbinden sich miteinander. Insofern ist eine Sicht auf das

18

Mehrsprachigkeit stellt ein individuelles als auch ein gesellschaftliches oder ein institutionelles Phänomen dar (u.a. Riehl, 2014, S. 12; Schneider, 2015, S. 15). Außerdem umfasst Mehrsprachigkeit eine unterschiedliche Anzahl von Sprachen, von zwei bis zu mehreren involvierten Sprachen (u.a. Schneider, 2015, 16f). Zugleich sind mit Mehrsprachigkeit sprachliche Varietäten zu beschreiben, die von Menschen mit Bezug auf verschiedene Parameter angewendet werden können, wie etwa verschiedene regionale Dialekte, soziale Gruppen, inhaltliche Kontexte, Kommunikationsfunktionen, -situationen und -formen, (u.a. Hoffmann, 2007, S. 5f). Mehrsprachigkeit kann in verschiedene Kategorien des zeitlichen Erwerbs strukturiert werden, beispielsweise als simultane Mehrsprachigkeit oder als sukzessive Mehrsprachigkeit in verschiedenen Erwerbsphasen von der frühen Kindheit bis zum Erwachsenenalter (u.a. Reich & Roth, 2002, S. 11). Dabei können die zeitlichen Phasen sehr unterschiedlich eingeteilt werden (u.a. Müller, Schulz & Tracy, 2017, S. 61f; Thoma & Tracy 2006, S. 76). In diesem Zusammenhang sind verschiedene Bedingungen im Erwerb der Mehrsprachigkeit vorzufinden, etwa in natürlichen Situationen lebensweltlich bedeutsamer Kontexte oder in gesteuerten Lehr-Lernprozessen innerhalb des Bildungssystems (Riehl, 2014, S. 11), wobei sich Bedingungsvarianten überschneiden und vermischen können. Ferner zeigen sich in der Mehrsprachigkeit unterschiedliche Ausprägungen bezüglich Dominanz oder Balance zwischen den verfügbaren Sprachen, die sich dynamisch verändern und entwickeln können (u.a. Riehl, 2014, S. 14; Tracy, 2014, S. 19).

34

2 Interdisziplinäre Fundierung

Gesamtrepertoire an sprachlichen Praktiken einer mehrsprachigen Person notwendig (Panagiotopoulou, 2016, S. 16). Werden jedoch die verfügbaren Sprachen eines mehrsprachigen Kindes nur isoliert beurteilt oder lediglich Deutsch als Zweitsprache fokussiert, könnten eventuell falsche diagnostische Schlussfolgerungen zu den sprachlichen Fähigkeiten gezogen werden. Mehrsprachigkeit gerät dann im Zusammenhang mit Migration leicht in den Bereich des Problembehafteten, des Defizitären und der Marginalisierung. Dazu fanden De Houwer, Bornstein und Putnick (2013) in ihrer Studie in den Niederlanden mit Kleinkindern (n = 61) im Alter von 13 und 20 Monaten heraus, dass bilinguale Kinder mit der Sprachenkonstellation Französisch und Niederländisch durchschnittlich im Gesamtverständnis beider Sprachen gegenüber den Kindern mit Niederländisch als einziger Sprache im Vorteil waren, obwohl die bilingualen Kinder beim Gruppenvergleich zum Sprachverständnis und zur Sprachproduktion im Niederländischen schlechter abschnitten (ebd., S. 1193ff). Ähnliche Forschungsergebnisse lieferte die Studie von Hoff, Core, Place, Rumiche, Señor und Parra (2012) bei bilingual spanisch-englischsprachigen (n = 47) im Vergleich zu monolingual englischsprachigen Kindern (n = 56) im Alter von 1;10, 2;1 und 2;6 Jahren in Florida (ebd., S. 5ff). Darüber hinaus konnten Marchman, Fernald und Hurtado (2010) in einer Studie in Kalifornien mit bilingual spanisch-englischsprachigen Kindern (n = 26) im Alter von 2;5 bis 2;10 Jahren belegen, dass die Fähigkeit der lexikalischen Verarbeitung signifikant mit dem zur Verfügung stehenden Vokabular jeweils in den beiden Sprachen wie bei monolingualen Strategien korrelierte, obwohl unterschiedliche Wortschatzgrößen in den Sprachen zu beobachten waren (ebd., S. 823ff). Übertragen auf den Primarbereich belegten Montanari, Abel, Graßer und Tschudinovsky (2015) bei bilingual russisch-deutschsprachigen Grundschulkindern (n = 126) in Niedersachsen im Vergleich zu einer deutschen Normstichprobe im Alter von 6;0 bis 10;11 Jahren (ebd., S. 76), dass sich im Laufe der Grundschulzeit zwar der expressive Wortschatz der bilingualen Kinder im Deutschen und im Russischen geringer darstellte, jedoch das ‘total vocabulary’19 in der Summierung beider Sprachen höher als der monolinguale Normwert lag sowie das ‘total conceptual vocabulary’20 aus beiden Sprachen sich nur leicht unter der deutschen Norm ausprägte (ebd., S. 80ff). Die nachfolgende Übersicht (s. Tab. 1, S. 35) liefert eine Zusammenstellung der beschriebenen Forschungsarbeiten, in denen das gesamtsprachliche Repertoire von Kindern ermittelt wurde. Gleichzeitig werden in der Tabelle Studien aufgeführt, die 19

Als ‘total vocabulary’ wird der Gesamtwortschatz der addierten Rohwerte aller Items aus beiden Sprachen eines Kindes bezeichnet (Core, Hoff, Rumiche & Señor, 2013).

20

Das ‘total conceptual vocabulary’ zeigt auf, wie oft sich ein Kind zu einem Item entweder in der einen oder in der anderen Sprache bzw. in beiden Sprachen äußern kann (Core, Hoff, Rumiche & Señor, 2013).

2.3 Stand der Forschung

35

sich mit der dynamischen Anwendung des gesamtsprachlichen Repertoires von Kindern in der Interaktion mit pädagogisch tätigen Fachpersonen befassten. Auf diese Studien wird in den nächsten Abschnitten näher eingegangen.

Tab. 1:

Aktuelle und klassische Forschungsarbeiten über einen gesamtsprachlichen Wortschatz, Code-Switching und Translanguaging

Autorin(nen)/Autor(en) (Erscheinungsjahr)

Alter der Kinder (Stichprobengröße)

Sprachenkontexte (Land)

Methode(n)/ Instrument(e)

Creese & Blackledge (2010)

5 bis 18 Jahre (n = 4)

Gujarati-Englisch Chinesisch-Englisch (Großbritannien)

Einzelfallstudie mit ethnographischer Beobachtung Interview

De Houwer et al. (2013)

1;1 und 1;8 Jahre (n = 61)

Französisch-Niederländisch (Niederlande)

Elternfragebogen mit Score-Liste

Garrity et al. (2015)

0;6 bis 1;3 Jahre (n = 16)

Spanisch-Englisch (USA)

Ethnographische Beobachtung Fachkraft-Interview

Hoff et al. (2012)

1;10, 2;1 und 2;6 Jahre (n = 47) span.-engl. (n = 56) engl.

Spanisch-Englisch (USA)

Elternfragebogen mit Score-Liste

Kroffke & Rothweiler (2004)

Kindergartenalter (n = 3)

Türkisch-Deutsch (Deutschland)

Einzelfallstudie mit Spontansprachproben

Marchman et al. (2010

2;5 bis 2;10 Jahre (n = 26)

Spanisch-Englisch (USA)

Elternfragebogen mit Score-Liste

Montanari et al. (2015)

6;0 bis 10;11 Jahre (n = 126)

Russisch-Deutsch (Deutschland)

Adaption eines BildWortschatztests

Schwartz & Asli (2014)

Kindergartenalter

Arabisch-Hebräisch (Israel)

Ethnographische Beobachtung Fachkraft-Interview

Yow et al. (2017)

5;5 bis 6;7 Jahre (n = 55)

Mandarin-Englisch (Singapur)

Bild-Wortschatztest Lehrkraftfragebogen

Dynamische Sicht auf Mehrsprachigkeit Die gesamtsprachliche Auffassung von Mehrsprachigkeit führt weiter zu einer dynamischen Komponente, die sich in zwei Aspekten abbildet und gleichfalls im Forschungsvorhaben der vorliegenden Arbeit eine wichtige Rolle spielt. Einerseits betrifft es die Fähigkeit, zwischen Sprachen im Sinne eines Code-Switching zu wechseln (u.a. Bullock & Toribio, 2012; MacSwan, 2014; Yow, Tan & Flynn, 2017) und andererseits die Kompetenz, sprachliche Praktiken der verschiedenen Sprachsysteme als Translanguaging integriert zu nutzen (u.a. García & Wei, 2014; Riehl, 2014; Wei & García, 2017). Gegenüber der tradierten Annahme, dass das Wechseln zwischen den verfügbaren Sprachen eines Kindes eine beeinträchtigte Sprachkompetenz bedeute und der Spracherwerb nicht erwartungsgemäß verlaufe, ist das Code-Switching nach aktuel-

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2 Interdisziplinäre Fundierung

len Erkenntnissen als Kompetenz mehrsprachiger Menschen zu verstehen, sowohl in der Phase des Spracherwerbs als auch auf der Stufe weit entwickelter Sprachbeherrschung.21 So wird Code-Switching von kompetenten mehrsprachigen Personen bei allen Varianten der Mehrsprachigkeit, im Zusammenhang mit und ohne Migrationshintergrund wie auch in allen Bildungs- und Sozialschichten angewendet (Auer, 2009, S. 108). Für Yow, Tan und Flynn (2017) zeichnet sich Code-Switching nach den Resultaten einer Studie, die sie mit mehrsprachigen Kindern (n = 55) im Alter von 5;5 bis 6;7 Jahren in der Sprachenkonstellation Englisch und Mandarin in einer Kindertagesstätte in Singapur durchführten, explizit als sprachliche Kompetenz aus (ebd., S. 3ff). Das Code-Switching kann sich auf lexikalischer wie auch auf grammatischer Ebene bemerkbar machen (Kalkavan-Aydin, 2018, S. 32; Tracy, 2014, S. 25; Yow et al., 2017, S. 2). Dabei wird das Lexikon der verfügbaren Sprachen gemischt verwendet, oder die Person wechselt während einer Äußerung von der einen in die andere Sprache. Während im Code-Switching die Vorstellung besteht, dass ein lexikalischer oder grammatischer Wechsel zwischen abgrenzbaren Sprachcodes erfolgt, werden im Translanguaging die Sprachen nicht additiv, sondern als mit- und ineinander existierende bzw. koexistierende Sprachregister und Sprachvarietäten (Panagiotopoulou, 2016, S. 15f) je nach kommunikativen Anforderungen sowie eigenen Bedürfnissen dynamisch und komplementär verwendet (ebd., S. 13). Somit geht nach García (2011) Translanguaging über das Code-Switching hinaus,22 indem mehrsprachige Menschen unterschiedliche Sprachen nicht nur im Wechsel anwenden, sondern in multimodalen Situationen und Prozessen ihre Mehrsprachigkeit einsetzen (ebd., S. 147). Damit wird eine Sprachpraxis mit einem komplexen und dynamischen Repertoire unterstützt, das unsere heutigen mehrsprachigen und interkulturellen Kommunikationsanforderungen wiederspiegelt. Diese dynamische Auffassung von Mehrsprachigkeit orientiert sich an gesamtsprachlichen Ressourcen und Kompetenzen eines Kindes. Genesee (2006) bemerkt dazu: “Contrary to early conceptualizations that code-mixing reflects incompetence and even confusion, evidence indicates clearly that it reflects bilingual children’s linguistic resourcefulness and communicative competence” (Genesee, 2006, S. 58). Die Umsetzung translingualer pädagogischer Praktiken im Bildungssystem gilt allerdings vor dem Hintergrund monolingualer und monokultureller Traditionen in gesellschaftlichen und kulturellen Dimensionen (s. Kap. 2.1 u. 4.1) wie auch auf institutionellen und administrativ-politischen Bedingungsebenen (s. Kap. 2.2 u. 3.4) ähnlich als Herausforderung wie die Translanguaging-Forschung selbst. Erst allmählich er21

Für eine umfassende Darstellung des Forschungsgebietes zum Code-Switching wird auf den Sammelband von Bullock & Toribio (2012) verwiesen.

22

Die Entwicklung der Forschung zum Translanguaging wird ausführlich in einem Beitrag von Wei & García (2017) erörtert.

2.3 Stand der Forschung

37

folgt eine Loslösung von der Mono-lingualisierung und der Vorstellung der doppelten Monolingualität (Schroeder & Stölting, 2005, S. 67) im Spracherwerb und Sprachgebrauch. Mittlerweile konnten einige Forschungsarbeiten zur Wirkung des Translanguaging in Bildungsinstitutionen explizit zu Sprachenkonstellationen mit Minderheitssprachen durchgeführt werden (Collins, 2014, S. 12; García & Lin, 2017; Wei & García, 2017). In einer ethnographischen Studie mit begleitenden qualitativen Interviews untersuchten Garrity, Aquino-Sterling und Day (2015) in einer frühpädagogischen Einrichtung in Kalifornien das Kommunikationsverhalten pädagogischer Fachkräfte mit den Sprachen Englisch oder Spanisch mit bilingual englisch-spanischsprachigen Kleinkindern im Alter von 6 bis 15 Monaten (ebd., S. 179). In dieser Einrichtung wurde nach der Implementierung des ‘California Every Student Succeeds Act Plan (ESSA)’ (Sandoval-Gonzalez, 2017, S. 1) eingeführt, dass alle pädagogischen Fachkräfte je nach Sprachdominanz entweder Englisch oder Spanisch im pädagogischen Alltag sprechen sollten (Garrity et al., 2015, S. 180). Im Laufe eines einjährigen Beobachtungszeitraumes wurde festgestellt, dass sowohl die Kinder als auch die pädagogischen Fachkräfte unbewusst translinguale Sprachpraktiken anwendeten. Beispielsweise verstanden englischsprachige Fachkräfte immer mehr, was Kinder auch im Spanischen mitteilten, sodass Kommunikationen einfach ohne Unterbrechungen fortgesetzt wurden (Garrity et al., 2015, S. 186ff). Vergleichbar führten Schwartz und Asli (2014) ethnographische Beobachtungen, Videographien und Interviews in einer zweisprachigen frühpädagogischen Einrichtung in Israel mit pädagogischen Fachkräften und Kindern im Kindergartenalter mit den Sprachen Hebräisch und Arabisch durch. In dieser Einrichtung wurde der herkömmliche sprachtrennende Ansatz ‘one person – one language’23 von den Fachkräften nach einem Beobachtungsjahr als nicht effizient empfunden und bewusst abgelehnt. Nachdem sich das Team auf eine flexible Zweisprachigkeit einstellte (ebd., S. 25), konnten auch hier translinguale Sprachpraktiken qualitativ und quantitativ signifikant ermittelt werden (ebd., S. 26). Die pädagogischen Fachkräfte legten Wert darauf, von den Kindern als Lernende der jeweils anderen Sprache wahrgenommen zu werden, um Hebräisch und Arabisch als gleichwertig darzustellen (ebd., 25). Im schulischen Bereich konnten Creese und Blackledge (2010) im Rahmen von zwei ethnographischen Studien in Großbritanien förderliche translinguale Sprachpraktiken identifizieren. Lehrkräfte an einer Schule mit Gujarati und Englisch sowie an einer Schule mit Chinesisch und Englisch als Unterrichtssprachen mit jeweils 200 bis 350 Schülerinnen und Schülern im Alter von fünf bis 18 Jahren wurden bei schulischen Kommunikationssituationen beobachtet (ebd., S. 107f). Die mehrsprachigen Lehrkräfte sowie ihre Schülerinnen und Schüler benutzten alle ihnen zur Verfügung stehenden sprachlichen Zeichen und Vermittlungskanäle, um miteinander zu kommuni23

Das Prinzip ‘one person – one language’ bedeutet, dass jede pädagogische Fachkraft ausschließlich eine dominante Erstsprache gebraucht.

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2 Interdisziplinäre Fundierung

zieren. Es konnten erfolgreiche Abstimmungsprozesse sowohl auf linguistischer als auch auf sozialer und kultureller Ebene festgestellt werden (ebd. S. 112). Wie sich in den genannten Studien offenbarte, kann ein bilingualer Sprachmodus in einer Mehrheits- und Minderheitssprache eine Aufwertung der Minderheitssprache bewirken und die gesamtsprachliche Kompetenz bei mehrsprachigen Kindern fördern. Dieser Vorteil konnte mit konkreter linguistischer Beweisführung in einer klassischen Einzelfallstudie von Kroffke und Rothweiler (2004) in einer Hamburger Kindertagesstätte mit drei türkisch-deutsch-sprachigen Kindern in einem Zeitraum von sechs bis sieben Monaten erhoben werden. Im bilingualen Sprachmodus mit einer türkisch-deutschsprachigen pädagogische Fachkraft zeigten sich bei einer hohen Sprachmischungsfrequenz signifikant weniger auffällige Äußerungen der Kinder in der Grammatik im Deutschen als im monolingualen Sprachmodus mit einer ausschließlich deutschsprachigen Fachkraft (ebd., S. 21f). Aus den Ergebnissen der dargelegten Studien geht hervor, dass sprachliche Praktiken des Code-Switching und Translanguaging der Kinder stets im Zusammenhang mit den jeweiligen Interaktionssituationen und den Sprachpraktiken der pädagogischen Fachkräfte zu sehen sind. Sprachmischungen erfolgen also nicht isoliert aufgrund bestimmter kindinterner Faktoren zur Konstitution, Bedürfnislage und Motivation des Kindes, sondern gleichzeitig aufgrund kindexterner Faktoren im Bereich des intersubjektiven Austausches und der Umgebungsbedingungen (Kalkavan-Aydin, 2018, S. 33). Dementsprechend ist eine dynamische gesamtsprachliche Sicht auf Mehrsprachigkeit zur Kompetenzorientierung und Ressourcennutzung sowie zur Anerkennung sprachlich-kultureller Diversität zu unterstützen. 2.3.2

Beobachtung des Mehrsprachigkeitserwerbs

In der Perspektive der Wertschätzung sprachlich-kultureller Diversität im Bildungsbereich (s. Kap. 2.1) sowie mit der Kenntnis mehrdimensionaler und dynamischer Prozesse der Mehrsprachigkeit (s. Kap. 2.3.1) ist auch bei der Beobachtung24 des Mehrsprachigkeitserwerbs von Kindern notwendig, eine gesamtsprachliche Sichtweise einzunehmen. Hierzu wird jedoch zum einen die Frage aufgeworfen, wie das Kontinuum der Gesamtsprachlichkeit adäquat erhoben werden kann und welche Beobachtungssituationen, Methoden und Mittel dazu geeignet sind (Schroeder & Stölting, 2005, S. 66). Zum anderen ergibt sich die Schwierigkeit, aufgrund der hochkomplexen Migrationsdynamik angemessene und differenzierte Bezugsnormen zu Migrationssprachen einzubeziehen (ebd., S. 64). Vor diesem Hintergrund werden in den nächsten Abschnitten spezielle Anforderungen an die Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder vorgestellt, anwendbare Indikatoren zur Beobachtung des Mehrsprachigkeitserwerbs herausgearbeitet sowie der Forschungsstand zu den 24

Beobachtung ist das Ergebnis einer Handlung zwischen Beobachtenden und Beobachteten, bei der Informationen unmittelbar durch die beobachtenden Personen erhoben werden (Montanari & Cutrim-Schmid, 2014).

2.3 Stand der Forschung

39

Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte zur Beurteilung des Mehrsprachigkeitserwerbs bei Kindern beleuchtet. Anforderungen an die Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder Pädagogische Fachkräfte sollen durch Aus- und Weiterbildung vorbereitet werden, Sprachentwicklungsperspektiven von mehrsprachigen Kindern korrekt einschätzen zu können, damit Kinder mit Migrationshintergrund auf dem Weg des Mehrsprachigkeitserwerbes nicht benachteiligt werden (List, 2010, S. 9). Hierfür sollen pädagogische Fachkräfte erfolgreiche wie auch erschwerte und beeinträchtigte Mehrsprachigkeitsverläufe bei Kindern erkennen können und gegebenenfalls diagnostisch tätige Fachpersonen interdisziplinär hinzuziehen.25 Zu spezifischen Sprachbeobachtungskompetenzen pädagogischer Fachkräfte zählen beispielsweise, Phänomene des mehrsprachigen Aufwachsens beschreiben und interpretieren können (Leu & Schelle, 2013, S. 142), Einblicke in die Erstsprachentwicklung nehmen können (Kovačević, 2016, S. 84) sowie genuine Sprachentwicklungsstörungen gegenüber einem erschwerten Zweitspracherwerb auf Grundlagenniveau abgrenzen können (Ruberg, 2011, S. 120). Zur Aufstellung grundlegender Kriterien für eine regelmäßige Sprachbeobachtung im pädagogischen Alltag der Kindertagesstätte erweisen sich die Anforderungen hilfreich, die Lüdtke und Kallmeyer (2007) sowie Lengyel (2012) an Sprachbeobachtungsverfahren von Seiten der Sprachpädagogik stellen. Aus vier Kategorien lassen sich dazu wichtige Kriterien benennen. Erstens ist unter linguistischen Kriterien zu berücksichtigen, dass auch während Spontansprachsituationen möglichst viele sprachliche Komponenten in die Beobachtung einbezogen werden sollen. Dabei sind aktuelle Forschungsergebnisse und die Phasen des Spracherwerbs zu beachten (Lüdtke & Kallmeyer, 2007, S. 263f; Lengyel, 2012, S. 21). Als zweites sind diagnostische Kriterien einzuhalten, indem die Beobachtung zur prozessbegleitenden Förderdiagnostik eingesetzt wird. Somit soll ermöglicht werden, individuelle Informationen zu gewinnen. Ferner müssen allgemeine Grundsätze professioneller Beobachtung erfüllt werden. Überdies soll die Durchführung und Auswertung der Sprachbeobachtungspraxis als Konzept im Einrichtungsteam definiert sein und sich für die jeweiligen Fachkräfte und Kinder eignen (Lüdtke & Kallmeyer, 2007, S. 264f; Lengyel, 2012, S. 21). Drittens sind Kriterien der Mehrsprachigkeitsforschung zu verfolgen und dabei mehrsprachige Aneignungsprozesse, mehrsprachige Sprachgebrauchsformen sowie sprachbiographische und umfeldbezogene Hintergründe einzubeziehen (Lüdtke & Kallmeyer, 2007, S. 265; Lengyel, 2012, S. 21). Schließlich sind viertens auch 25

Der Beobachtungsauftrag wird von pädagogischen Fachkräften zum Beispiel durch freie Beobachtungen, Anwendung von Screening-Verfahren für den Kita-Bereich und anamnestische Gespräche mit Eltern ausgeführt. Dagegen haben pädagogische Fachkräfte keine expliziten diagnostischen Aufgaben. Sie sollen aber mit diagnostisch tätigen Fachkräften interdisziplinär zusammenarbeiten sowie diagnostische Verfahren einschätzen und entsprechende Ergebnisse interpretieren können (Sallat, Hofbauer, & Jurleta, 2017, S. 39).

40

2 Interdisziplinäre Fundierung

sprachpädagogische Kriterien zu überprüfen. Darunter fallen die förderpädagogische Anschlussfähigkeit, die Wiederholbarkeit sowie die Kindorientierung (Lengyel, 2012, S. 21f). Zu den genannten Kriterien sind für eine gesamtsprachliche Verfahrensausrichtung besonders spontansprachliche Situationen mit kindgemäßem Aufforderungscharakter relevant sowie Medien und Methoden mit echten kommunikativen Sprachanlässen, funktionale Impulse zum Gebrauch einer Migrationssprache und Offenheit für Sprachmischungen. Überdies sollen Unterstützungen für die Anleitenden gegeben sein, wie mehrsprachige Äußerungen des Kindes hervorgelockt, begleitet und ausgewertet werden können. Ferner muss ein vergleichbarer Gesamtrahmen vorhanden sein, damit zufällige Schwerpunktsetzungen nicht zu verzerrten Fähigkeitsabbildungen der Kinder führen. Allerdings erfüllen die derzeit zur Verfügung stehenden Verfahren nur im geringen Maße die Anforderungen des Mehrsprachigkeitsverständnisses im aktuellen sprachwissenschaftlichen Diskurs (Döll & Dirim, 2011, S. 163). Zur Verbesserung der noch unbefriedigenden Lage im Bereich der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder scheinen mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund beitragen zu können, da sie Bezüge zu den Migrationssprachen und zu den kulturellen Hintergründen der Kinder herstellen können (Steiner, 2006, S. 10). Bei diesen Fachkräften ist das Potenzial zu vermuten, dass sie ihre eigene translinguale Identität und Sprachpraxis nutzen, um zu treffenden Beurteilungen bei den Kindern zu kommen. Sie kennen bedeutsame Lern- und Alltagssituationen für den Sprachgebrauch der Kinder (ebd., S. 11). Indikatoren zur Beobachtung des Mehrsprachigkeitserwerbs Wie bereits in der mehrdimensionalen Sicht auf Mehrsprachigkeit verdeutlicht wurde, ist bei der Sprachbeobachtung die Einbeziehung aller Sprachen eines Kindes zur korrekten Einschätzung gesamtsprachlicher Fähigkeiten notwendig (s. Kap. 2.3.1). Dazu wurde beispielsweise in der Studie zum Wortschatzerwerb russischdeutschsprachiger Kinder (Montanari et al., 2015) ein standardisiertes komprimiertes Gesamtabbild des deutschen und russischen Wortschatzwissens herangezogen, um wissenschaftlich robuste und generalisierbare Ergebnisse zu erhalten (ebd., 77f). Für eine regelmäßige und alltagsbasierte Sprachbeobachtung im frühpädagogischen Bereich kann hingegen eine reduzierte Auswahl eines domänenspezifischen Wortschatzes sowie der Fokus auf grammatische Indikatoren zur Konstruktion eines sprachlichen Referenzrahmens in Betracht gezogen werden (Sirim, 2008, S. 233, 244, Soultanian, Mihaylov & Reich, 2008, S. 206, 215).26 26

Bei einem russischsprachigen Kind mit vier Jahren kommen Bezeichnungen aus dem Sachgebiet Tiere im nominativen Wortschatz sehr häufig vor (Soultanian, Mihaylov & Reich, 2008, S. 206). Ebenso kann ein domänenspezifischer Wortschatz für Kinder im Türkischen im Kontext der Migration ausgewählt werden, da Bezeichnungen aus dem Sachgebiet Tiere ähnlich oft wie bei russischsprachigen Kindern vertreten sind (Sirim, 2008, S. 233). Außerdem existieren im Russischen Hinweise, dass sich Satzverbindungen, wie etwa Konjunktionen, prinzipiell als Sprachbeobach-

2.3 Stand der Forschung

41

Darüber hinaus müssen als entscheidende Prädiktoren für den Verlauf und Erfolg des Spracherwerbs mehrsprachiger Kinder der Zeitpunkt des Erwerbsbeginns und die Kontaktmonate mit der deutschen und der nicht-deutschen Sprache berücksichtigt werden (Kroffke, 2007, S. 260). Sie bilden die Grundlage für die Interpretation mehrsprachiger Fähigkeiten. Außerdem ist zu beachten, dass der Spracherwerb durch Faktoren im Umfeld oder im Kind von typischen Entwicklungsverläufen abweichen kann. Zum einen kommen auffällige, aber dennoch meist unbedenkliche Erscheinungen als Ausdruck der Vielfältigkeit sprachlich-kultureller Entwicklung und Konstellationen vor (Chilla & Niebuhr-Siebert, 2017, S. 45ff). Davon abzugrenzen sind zum anderen Varianten im Mehrsprachigkeitserwerb, bei denen entweder ein erschwerter Erwerb in der Zweitsprache Deutsch oder eine genuine Sprachentwicklungsstörung in allen Sprachen vorliegt. Ein erschwerter Zweitspracherwerb im Deutschen kann auftreten, wenn aufgrund unzureichender Inputbedingungen und benachteiligender Einflüsse nicht erwerbsgerechte bzw. nicht kontaktzeitgerechte Aneignungen der deutschen Sprache zu bemerken sind, sich aber ein unauffälliger Erstspracherwerb abzeichnet (u.a. Chilla & Niebuhr-Siebert, 2017, S. 36ff; Chilla, Rothweiler & Babur, 2013, S. 76ff; Rothweiler & Ruberg, 2011, S. 12ff). Dagegen kann sich eine genuine Sprachentwicklungsstörung bestätigen, wenn aufgrund genereller sprachlicher Beeinträchtigungen Abweichungen im Erwerbsverlauf sowohl in der Zweitsprache Deutsch als auch in der Erstsprache bestehen (Kroffke, 2007, S. 255) und generelle Defizite in der Informationsverarbeitung zu erkennen sind (u.a. Scharff Rethfeldt, 2018, S. 14). Bei der Betrachtung sprachlicher Fähigkeiten im Gesamtrepertoire eines mehrsprachigen Kindes sind allerdings nicht nur der Sprachstand, sondern vielmehr sprachliche Entwicklungsprozesse und Entwicklungsperspektiven zu ermitteln (Montanari, 2013b, S. 26). Für mehrsprachige Kinder liegen erste Entwicklungsorientierungen vor (Gagarina, 2017, S. 400ff; Ruberg, 2013, S. 181ff; Schulz, 2013, S. 192; Tracy, 2008, 75, 133ff). Zudem sind über linguistische mikrostrukturelle Beobachtungen hinaus auch die Sprachhandlungsebene sowie die Dimensionen des Kind-Umfeldes und der Sprachbiographie in die Interpretation und Förderableitung einzubeziehen (Heimler, 2018, S. 6; Kracht, 2012, S. 578). Ferner müssen Informationen zu Basisqualifikationen und möglichen Beeinträchtigungen der Wahrnehmung, der Motorik oder der Kognition eingeholt werden (Chilla, 2017, S. 185; Montanari, 2013b, S. 26f; Scharff Rethfeldt, 2018, S. 13f).27

tungsindikatoren eignen (Soultanian et al., 2008, S. 215). Vergleichbar werden auch im Türkischen kausale Konjunktionen von Kindern ab dem 4. Lebensjahr erworben (Sirim, 2008, S. 244). 27

Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf einen breiten und vertieften Diskurs zur Beobachtung und Diagnostik mehrsprachiger Kinder, sondern filtert lediglich die wesentlichen Anhaltspunkte für die Beobachtungspraxis pädagogischer Fachkräfte heraus.

42

2 Interdisziplinäre Fundierung

Kompetenzen zur Beurteilung des Mehrsprachigkeitserwerbs Vor dem Hintergrund der oben genannten Kriterien und Indikatoren zur Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder stellt sich die Frage, inwieweit pädagogische Fachkräfte entsprechende Kompetenzen erwerben können, um einerseits einen gesamtsprachlichen translingualen Blick einzunehmen und andererseits spezifische Erscheinungen des typischen bzw. abweichenden Mehrsprachigkeitserwerbs zu erkennen. Ergebnisse aus Studien, die Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte zur Beurteilung des Mehrsprachigkeitserwerbs von Kindern mit ethnographischen Methoden belegen, konnten nicht recherchiert werden. Es liegen jedoch Teilergebnisse aus Forschungsarbeiten vor, in denen Selbsteinschätzungen pädagogischer Fachkräfte zu ihrem Erfahrungswissen und zu ihrem pädagogischen Handeln im Bereich der Sprachbeobachtung von Kindern ausgewertet wurden (s. Tab. 2, S. 42).

Tab. 2:

Aktuelle und klassische Forschungsarbeiten zur Selbsteinschätzung pädagogischer Fachkräfte zu Sprachbeobachtungskompetenzen

Autorin(nen)/Autor(en) (Erscheinungsjahr)

Probandinnen/Probanden (Stichprobengröße)

Bundesland

Methode(n)/ Instrument(e)

Fried (2007)

Pädagogische Fachkräfte (n = 791)

Nordrhein-Westfalen

Fragebogen

Knopp (2008)

Pädagogische Fachkräfte u. Lehrkräfte (n = 14)

Baden-Württemberg Bayern Hessen

Leitfadeninterviews

Thoma et al. (2012)

Pädagogische Fachkräfte (n = 144)

Nordrhein-Westfalen

Fragebogen mit videogestützten Fallvignetten

In einer klassischen Fragebogenerhebung mit pädagogischen Fachkräften (n = 791) in Nordrhein-Westfalen arbeitete Fried (2007) unter anderem heraus, dass Sprachbeobachtung generell bei den Fachkräften in Kindertagesstätten als bedeutsamer Bestandteil von Sprachförderung erachtet (ebd., S. 27) und als gut in den pädagogischen Alltag integrierbar gesehen wird. Dennoch wurde ein großer Wissensbedarf hinsichtlich Sprachbeobachtung genannt. Über die Hälfte der Befragten gab an, nicht genügend Erfahrungen zur Durchführung von Sprachbeobachtungsverfahren vorweisen zu können, und die Hälfte fühle sich unwohl beim Einsatz systematischer Verfahren. Lediglich ein Viertel der pädagogischen Fachkräfte habe sich schon intensiv mit einem Verfahren zur Spracherfassung auseinandergesetzt und nur eine kleine Gruppe sehe sich in der Lage, Sprachbeobachtungsverfahren zu beurteilen (ebd., S. 28). Ebenfalls wurden Wissenslücken von Thoma, Tracy, Michel und Ofner (2012) im Forschungsprojekt ‚Sprachliche Kompetenzen Pädagogischer Fachkräfte‘ (SprachKoPF) anhand eines im Projekt entwickelten, standardisierten Fragebogens mit videogestützten Fallvignetten herausgefunden. Die Teilergebnisse der Zielstichprobe (n = 144) aus Baden-Württemberg, Bayern und Hessen weisen darauf hin, dass pä-

2.3 Stand der Forschung

43

dagogische Fachkräfte weniger über linguistisches Fachwissen verfügen als über pädagogisches Erfahrungswissen (ebd., S. 44). Die Mehrheit der befragten pädagogischen Fachkräfte zeigte nicht die notwendigen Kenntnisse auf, um die Sprachförderung spezifisch auf die Förderbedürfnisse der Kinder auszurichten (ebd., S. 82). Allerdings wirken sich höhere Bildungsabschlüsse, absolvierte Weiterbildungsmaßnahmen von mindestens elf Tagen, positive Haltungen gegenüber Mehrsprachigkeit sowie eine praktizierte Mehrsprachigkeit bei den pädagogischen Fachkräften positiv auf Sprachbeobachtungskompetenzen und auf die Fähigkeit zur Ableitung von Sprachfördermaßnahmen aus (ebd., S. 52, 61). Unter zusätzlichem Einbezug des Primarbereiches kommen auch in der klassischen Interview-Studie von Knopp (2008) vergleichbare Ergebnisse zum geringen Wissen pädagogischer Fachkräfte über diagnostische Verfahren und zum Mangel an Kenntnissen im Spracherwerb zum Vorschein (ebd., S. 286). Die Aussagen der InterviewPartnerinnen (n = 14) zur Erst- und Zweitsprache von Kindern unterschieden sich bezüglich der Institutionen (Kindertagesstätte, Hort, Grundschule) nicht wesentlich. So wurden ebenfalls in allen Fachkräftegruppen analog zur oberflächlichen Erfassung sprachlicher Fähigkeiten von Kindern meist nur allgemeine Sprachfördervorschläge formuliert (ebd., S. 286). Obwohl viele pädagogische Fachkräfte die Bedeutung der Erstsprachen betonten, werde wenig Einblick in den Erstspracherwerb (ebd., S. 284f) und in Interimssysteme der Kinder genommen. Es erfolge weitgehend eine Orientierung an der Zielsprache Deutsch (ebd., S. 286) mit dem Fokus auf eine auffällige Artikelverwendung und Wortschatzlücken (ebd., S. 284). Wie die Forschungsergebnisse zeigen, entspricht die Umsetzung einer prozesshaften und alltagsbasierten Sprachbeobachtung in frühpädagogischen Einrichtungen noch nicht den oben aufgestellten Anforderungen gesamtsprachlicher Beobachtungspraxis und Nutzung entsprechender Indikatoren. Wenngleich pädagogische Fachkräfte die Sprachbeobachtung im Allgemeinen als unverzichtbares Element innerhalb der Sprachförderung verstehen und die Bedeutung des Erstsprachgebrauchs generell unterstützen, zeigen sich die Zugänge und Praktiken der pädagogischen Fachkräfte zur Sprachbeobachtung nicht ausreichend differenziert und sicher. Der Grund dafür kann im Zusammenhang mit den Wissensbeständen der pädagogischen Teams gesehen werden. Nach den Studienergebnissen setzen sich bei pädagogischen Fachkräften das Wissen über den ein- und mehrsprachigen Spracherwerb sowie die Methodenkenntnisse zur Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder überwiegend aus Erfahrungswissen zusammen. Allerdings erweisen sich individuelle Merkmale wie Bildungsabschluss, absolvierte Weiterbildungsmaßnahmen, Einstellungen zur Mehrsprachigkeit und der Gebrauch der eigenen Mehrsprachigkeit als vorteilhaft in Bezug auf die Ausbildung des linguistischen sowie diagnostischen Wissens und Könnens.

44

2.3.3

2 Interdisziplinäre Fundierung

Rolle mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund

In den oben dargelegten Forschungsergebnissen zeichnet sich ab, dass Sprachbeobachtungskompetenzen pädagogischer Fachkräfte mit individuellen Merkmalen zu Mehrsprachigkeit, Einstellungen, Bildungshintergrund und beruflicher Qualifizierung korrelieren. Diese Aspekte werden im Weiteren näher recherchiert und insbesondere die Rolle mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund in den Blick genommen. Dementsprechend werden auf der Grundlage des Forschungsstandes Einstellungen gegenüber Mehrsprachigkeit, Einflüsse der Biographie und der Umgebungs-Konstellationen sowie Resultate von Qualifizierungen erörtert und mit dem Forschungsvorhaben in Bezug gesetzt. Zu den genannten Aspekten erweist sich die Forschungslage allerdings noch spärlich. Nur wenige empirische Studien beziehen sich explizit auf mehrsprachige Fachkräfte mit Migrationshintergrund im Elementarbereich (Akbaş & Leiprecht, 2015a, S. 209; Preiß, 2013, S. 43). Im frühpädagogischen Kontext in Deutschland liegt der Fokus hauptsächlich in der Evaluation von Sprachfördermaßnahmen mit der Ermittlung des Outcome an sprachlichen Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder in der Zweitsprache (u.a. BMBF, 2015; Egert & Hopf, 2016; Redder, Neumann & Tracy, 2015). Vor allem in angloamerikanischen Ländern, in denen Minderheitssprachen in vorschulischen Bildungseinrichtungen auf der Basis mehrerer Programme gefördert werden, wurden mehrsprachige Fähigkeiten der Kinder in der Erst- und Zweitsprache untersucht (u.a. Ball, 2011; Barnett, Yarosz, Thomas, Jung & Blanco, 2007). Die Rolle mehrsprachiger Pädagoginnen und Pädagogen mit Migrationshintergrund wurde dagegen eher im schulischen Sektor national und international erforscht (u.a. Boser, 2014; Bräu, Georgi, Karakaşoğlu & Rotter, 2013; Breton-Carbonneau, Cleghorn, Evans, & Pesco, 2012; Coleman, 2014; Kern, Gutentag, Horenczyk & Tatar, 2017; Roehrig & Wattam, 2012; Mantel & Leutwyler, 2013; Wenger, Dinsmore & Villagómez, 2012). Im Weiteren wird auf Forschungsarbeiten eingegangen, bei denen pädagogische Fachkräfte der Frühpädagogik im Kontext ihrer Mehrsprachigkeit und ihres Migrationshintergrundes im Fokus stehen. Entsprechende Studien werden in den nächsten Abschnitten erläutert und im Überblick tabellarisch aufgelistet (s. Tab. 3, S. 45). Einstellungen zu Mehrsprachigkeit und sprachlich-kulturelles Matching Die Einstellung pädagogischer Fachkräfte gegenüber Mehrsprachigkeit untersuchten Kratzmann und Pohlmann-Rother (2012) im Rahmen des Forschungsprojektes ‚Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschulund Grundschulalter‘ (BiKS-3-10). Dazu wurden pädagogische Fachkräfte (n = 10) in Bayern und Hessen zur Mehrsprachigkeit von Kindern mit türkischem Migrationshintergrund befragt. In den Auswertungsergebnissen der leitfadengestützten Interviews ließen sich stereotype Haltungen in Bezug auf fehlende Deutschkenntnisse der Kin-

2.3 Stand der Forschung

45

der, eine zu hohe familiäre Gewichtung des Türkischen, eine zu geringe Unterstützung der Kinder durch die Familien und mangelnde Inte-gration finden. Wenngleich sich zwar übergeneralisierende ethnische Zuschreibungen gegenüber der türkischen Migrationskultur nur in Einzelfällen offenbarten (ebd., S. 860), bestätigten sich dennoch eher negativ besetzte Vorstellungen in Bezug auf den Mehrsprachigkeitserwerb von Kindern mit türkischem Migrationshintergrund.

Tab. 3:

Aktuelle und klassische Forschungsarbeiten zur Rolle mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund

Autorin(nen)/Autor(en) (Erscheinungsjahr)

Probandinnen/Probanden (Stichprobengröße)

Sprachenkontexte (Land – Bundesland)

Methode(n)/ Instrument(e)

Akbaş & Leiprecht (2015a, b) Gereke et al. (2014)

Pädagogische Fachkräfte und FachschülerInnen mit Migrationshintergrund (n = 32) Leitungskräfte aus Kitas und Fachschulen (n = 401)

Mehrsprachig, ohne spezifischen Sprachenfokus (Deutschland – Baden-Württemberg Bayern Hessen Niedersachsen Nordrhein-Westfalen)

Leitfadeninterviews Gruppendiskussionen Fragebogen

Ewing & Taylor (2009)

Pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund Kinder im Kindergartenalter (n = 301)

Spanisch-Englisch (USA)

Beobachtungen

Gereke et al. (2005)

Pädagogische Fachkräfte (n = 61) Grundschullehrkräfte (n = 34)

Mehrsprachig, ohne spezifischen Sprachenfokus (Deutschland – Niedersachsen)

Fragebogen

Kratzmann et al. (2017) Frank et al. (2016)

Pädagogische Fachkräfte (n = 119) mehrsprachige Kinder 3 bis 6 Jahre (n = 149)

Türkisch-Deutsch Russisch-Deutsch (Deutschland – Bayern Baden-Württemberg)

Fragebogen Beobachtungen mit Ratingskalen

Kratzmann et al. (2013) Kratzmann et al. (2012)

Pädagogische Fachkräfte (n = 97 bzw. n = 10) mehrsprachige Kinder 3 bis 5 Jahre (n = 188)

Türkisch-Deutsch (Deutschland – Bayern Hessen)

Fragebogen Leitfadeninterviews Wortschatztest mit Kindern

Saft & Pianta (2001)

Pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund (n = 197) mehrsprachige Kinder 4;7 Jahre (n = 840)

Mehrsprachig, ohne spezifischen Sprachenfokus (USA)

Regressionsanalysen

Im Rahmen derselben Studie wurde weiter von Kratzmann, Lehrl und Ebert (2013) erforscht, ob sich die Einstellungen der pädagogischen Fachkräfte auf spezifische sprachliche Leistungen der Kinder auswirkten. Hierzu wurde explizit die Entwicklung des rezeptiven Wortschatzes im Deutschen von mehrsprachigen Kindern (n = 188) unabhängig von bestimmten Sprachenkonstellationen in den Altersbereichen von drei bis fünf Jahren im Längsschnittdesign getestet. Die Ergebnisse wurden mit den Fragebogenangaben der beteiligten pädagogischen Fachkräfte verglichen und über-

46

2 Interdisziplinäre Fundierung

prüft, ob ein Zusammenhang zur Haltung gegenüber einer Mehrsprachigkeitsförderung in der Einrichtung bestand. Dabei zeigten sich negative Effekte auf die Wortschatzentwicklung der Kinder im Deutschen, wenn pädagogische Fachkräfte eine erstsprachintegrierende Einstellung hatten und zugleich die Erstsprache in den Familien gepflegt wurde sowie in den Kindertagesstätten ein hoher Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund vorlag (ebd., S. 136ff). Dementsprechend konnte hier keine förderliche Wirkung der Erstsprachunterstützung (s. Kap. 2.3.1) nachgewiesen werden. Es ist denkbar, dass Bemühungen zur Integration von Migrationssprachen durch einzelne pädagogische Fachkräfte im Zusammenhang mit einer ablehnenden Gesamthaltung im Bildungssystem zum Gebrauch von Migrationssprachen nicht positiv wirksam werden. Während die Analysen im Forschungsprojekt BiKS-3-10 unabhängig von einem vorhandenen Migrationshintergrund der pädagogischen Fachkräfte erfolgten, wurde in der in Bayern und Baden-Württemberg durchgeführten Studie ‚Effekte einer aktiven Integration von Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen‘ (IMKi) von Kratzmann, Jahreiß, Frank, Ertanir und Sachse (2017) zwischen pädagogischen Fachkräften mit und ohne Migrationshintergrund differenziert. Als Teilaspekt der Studie wurden die Einstellungen der teilnehmenden pädagogischen Fachkräfte (n = 119) zur Mehrsprachigkeit der türkisch-deutschsprachigen und russisch-deutschsprachigen Kinder der Einrichtungen in einem standardisierten Prä-Post-Design mit Interventions- und Kontrollgruppe zu drei Messzeitpunkten im jährlichen Abstand erfasst (Frank, Jahreiß, Ertanir, Kratzmann & Sachse, 2016, S. 3ff). In den Analysen der Fragebogenerhebung und der Beobachtung sprachlicher Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern mit verschiedenen Ratingverfahren stellte sich die eigene Mehrsprachigkeit der pädagogischen Fachkräfte nicht als relevant heraus (Kratzmann et al., 2017, S. 133ff). Mehrsprachige Fachkräfte sprachen sich vorwiegend wie monolingual deutschsprachige Fachkräfte für eine sprachliche Anpassung der mehrsprachigen Kinder an die Zielsprache Deutsch aus. Dennoch wurde Mehrsprachigkeit in den Alltag der Kindertageseinrichtung integriert, je mehr pädagogische Fachkräfte Mehrsprachigkeit als Bereicherung verstanden und Wissen über Mehrsprachigkeit aufwiesen (ebd.). Auch Ewing und Taylor (2009) fanden in ihrer Studie mit einer Stichprobe mit pädagogischen Fachkräften und Kindern (n = 301) mexikanischer und US-amerikanischer Abstammung in vorschulischen Bildungseinrichtungen keine durchgängigen Vorteile einer ethnischen Übereinstimmung zwischen Fachkraft und Kind. Die Resultate ergaben, dass Jungen zunächst weniger von einer zugewandten Beziehung durch pädagogische Fachkräfte profitierten als Mädchen. Zudem führten konfliktreiche Beziehungen zwischen pädagogischen Fachkräften und Jungen stärker als bei Mädchen zu Verhaltensproblematiken. Ein ethnisch übereinstimmendes Matching konnte bei Jungen keine Verbesserung herbeiführen (ebd., S. 92ff). Demgegenüber konnten Saft und Pianta (2001) in ihrer Studie mit pädagogischen Fachkräften (n = 197) Unterschiede im Hinblick auf ethnische Matching-

2.3 Stand der Forschung

47

Konstellationen feststellen. Im Rahmen von Regressionsanalysen wurde untersucht, wie die pädagogischen Fachkräfte die Beziehungsqualität zu den Kindern (n = 840) im Durchschnittsalter von 4;7 Jahren in Abhängigkeit der ethnischen Übereinstimmung wahrnahmen. So bewerteten die pädagogischen Fachkräfte die FachkraftKind-Beziehung positiver, wenn dieselben ethnischen Merkmale vorlagen (ebd., S. 125ff). Insgesamt zeigt sich in den ausgewählten Studien kein einheitliches Bild zur Einstellung gegenüber Mehrsprachigkeit und zum Vorteil eines sprachlich-kulturellen Matchings. Eine mehrsprachige Unterstützung durch pädagogische Fachkräfte scheint nicht per se wirksam zu sein. Vermutlich hängen die Effekte einer mehrsprachigen Förderung bei Kindern von der Qualität der pädagogischen Intervention einer Fachkraft sowie insgesamt von umgebenden Konstellationen des Teams, des KitaTrägers und des Bildungssystems ab. Einflüsse der Biographie und der Umgebungs-Konstellationen Mit dieser Annahme werden weitere Forschungsergebnisse in den Blick genommen, die Hinweise zu biographischen und umfeldbezogenen Einflüssen auf das pädagogische Handeln pädagogischer Fachkräfte mit mehrsprachigen und interkulturellen Hintergründen liefern. So spielt es eine Rolle, wie eine Person Sprachen erlernt hat, wie sie sich in der Mehrsprachigkeit bewegt, wie sie Sprachenwechsel handhabt und welche interkulturellen und sprachlich-kommunikativen Erfahrungen die Person begleiten (Fix, 2010, S. 11). Weiter stellt sich die Frage, wie Selbstreflexivität im biographischen Zusammenhang für die professionelle Gestaltung sozialer Situationen entwickelt wurde (Fröhlich-Gildhoff, Nentwig-Gesemann & Pietsch, 2011 S. 41). Dazu untersuchten Akbaş und Leiprecht (2015a, b) die Sichtweisen angehender und praktizierender pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund sowie mögliche Einflüsse auf ihr professionelles Handeln in einer bundesweiten Studie in BadenWürttemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Im Rahmen von Leitfadeninterviews wurden pädagogische Fachkräfte (n = 16) sowie Auszubildende mit Migrationshintergrund (n = 16) zur Bildungsbiographie, zu Schwierigkeiten im Berufsfeld und zur interkulturellen Ausrichtung der Einrichtungen befragt. Zusätzlich wurden die Ergebnisse einer Fragebogenerhebung mit Leitungskräften aus Kindertagesstätten (n = 347) sowie aus Fachschulen für Sozialpädagogik bzw. Kinderpflege und Sozialassistenz (n = 54) vergleichend einbezogen. Ebenso fanden Gruppendiskussionen in Kita-Teams (n = 7) statt (Akbaş & Leiprecht, 2015b, 30ff). Der qualitativen Auswertung von Akbaş und Leiprecht (2015a) kann entnommen werden, dass pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund im Laufe ihrer Biographie diversen Abwertungen und Zuschreibungen ausgesetzt sind, die sich implizit und explizit auch in der Ausbildung und Berufstätigkeit bemerkbar machen. Die Betroffenen entwickelten unterschiedliche Strategien, die Erfahrungen zu verarbeiten. Ein mögliches Muster zeigt sich darin, die zuschreibenden Erwartungen einfach zu

48

2 Interdisziplinäre Fundierung

erfüllen und die Rolle einer Expertin bzw. eines Experten für Interkulturalität und Mehrsprachigkeit für die eigene professionelle Verwirklichung zu nutzen. Dagegen ist ein anderes Muster zu erkennen, das sich als anstrengender, beharrlicher Widerstand gegen die erfahrenen Verletzungen abzeichnet (ebd., S. 226f). Im Abgleich mit den Stellungnahmen der Leitungen aus Kindertagesstätten und Fachschulen sowie mit Ergebnissen aus den Gruppendiskussionen konnten die Ursachen der Verletzungen identifiziert werden. So wurde pädagogischen Fachkräften mit Migrationshintergrund teilweise vorgeworfen, dass ihre Sprachkenntnisse im Deutschen keine optimalen Modelle für die Kinder liefern würden (ebd., S. 218), dass damit auch Dokumentationsarbeiten erschwert seien (ebd., S. 219) und die Identifikation mit der deutschen Mehrheitskultur mit entsprechenden erzieherischen Werten nicht ausreichend sei (ebd., S. 220). Hingegen wurden spezifische Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte, beispielsweise Erstsprachkompetenzen, von Leitungskräften oder Einrichtungsteams oft nicht wahrgenommen (ebd., S. 227). Als Reaktion auf diese Verletzungserfahrungen sind verschiedene Tendenzen zu erkennen, wie mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund mit ihrer Rolle als Migrantin bzw. Migrant im frühpädagogischen Berufsfeld umgehen. Eine Tendenz hierzu ist die Anpassung an die deutsche monolinguale und monokulturelle Ausrichtung. Dadurch kann es zu ‚Silencing‘ – einem Verleugnen der eigenen Mehrsprachigkeit – kommen (Panagiotopoulou, 2016, S. 22). Eine andere Tendenz zeigt sich darin, den stereotypen Erwartungen gerecht zu werden und die Rolle der Ansprechperson für alle Probleme im Zusammenhang mit Kindern und Eltern mit Migrationshintergrund zu übernehmen. Dabei besteht die Gefahr, dass den Fachpersonen mit Migrationshintergrund sprachliche und interkulturelle Kompetenzen einfach unterstellt werden (Braun, 2009, S. 265). Eine besondere Sensibiliät oder ein reflexives Wissen für Differenzerfahrungen ist damit aber nicht zwangsläufig verbunden (ebd., S. 269; Mecheril, 2010, S. 18). Schließlich lässt sich eine weitere Tendenz des Ankämpfens gegen diskriminierende Ausgrenzungen, klischeehafte Zuschreibungen oder Mehrheitsausrichtungen feststellen. Damit sind Beschäftigte mit Migrationshintergrund höheren Belastungen ausgesetzt als Fachpersonen ohne Zuwanderungsgeschichte (Oldenburg, Siefer & Beermann, 2010, S. 141ff). Im Vergleich mit Primarlehrkräften mit Migrationshintergrund in der Schweiz deckte Edelmann (2006) gleichfalls eine große Bandbreite an Biographieverläufen und Umgangsweisen mit der eigenen Rolle vom stillschweigend-anerkennenden Typus bis zum kooperativ-synergieorientierten Typus auf (ebd., S. 242ff). Ebenso machen Forschungsergebnisse von Lengyel und Rosen (2012) deutlich, dass bereits angehende Lehrkräfte mit Migrationshintergrund im Studium mit mehrdeutigen und zum Teil widersprüchlichen Erfahrungen konfrontiert werden. Das führt zur Unsicherheit, ob ihre erstsprachlichen Ressourcen überhaupt in der Schule akzeptiert, gefordert oder auch abgelehnt werden (ebd., S. 73). Auch Wenger, Dinsmore & Villagomez (2012) zeigen individuelle Wechselwirkungen biographischer Einflüsse mit der Identitätsbildung bilingualer und monolingualer amerikanischer Lehrkräfte innerhalb der professionellen

2.3 Stand der Forschung

49

Entwicklung im Schulsystem auf (ebd., S. 4ff). Neben der persönlichen Typenausprägung hängt jedoch die Nutzbarmachung des eigenen kulturellen Potenzials auch von den umgebenden Teamstrukturen ab (Edelmann, 2006, S. 246). Auswirkungen von Qualifizierungen Darüber hinaus kann auf der Basis von Hinweisen aus den bereits dargestellten Studien davon ausgegangen werden, dass die sprachlich-kulturelle Ressourcennutzung durch mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund auch vom Stand der Qualifikation beeinflusst wird. Dabei können sich sowohl der schulische Bildungshintergrund als auch die berufliche Weiterqualifizierung der pädagogischen Fachkräfte vorteilhaft auf das Wissen und Können zur Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder auswirken (s. Kap. 2.3.2). Nach Analysen der Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2016) gewinnen Qualifizierungsmaßnahmen im Bereich sprachlicher Bildung zunehmend an Bedeutung, da erst allmählich interkulturelle Bildungsinhalte in die Ausbildungspläne der Fachschulen und Fachakademien für Sozialpädagogik aufgenommen werden. So gehörte der Themenbereich Sprachbildung und Sprachförderung zu den drei häufigsten Fortbildungsinhalten für das frühpädagogische Personal in den vergangenen zehn Jahren (ebd., S. 186). Differenzierte Kenntnisse zu Mehrsprachigkeit und Interkulturalität sind Voraussetzung, um die Lebenslagen, Bildungsvoraussetzungen und Bildungsbedürfnisse mehrsprachig und interkulturell aufwachsender Kinder korrekt einschätzen und die Förderung adäquat gestalten zu können (Preiß, 2013, S. 42). Der Forschungsstand zu Qualifizierungserfolgen mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund erweist sich allerdings noch mäßig. Beispielhaft wird an dieser Stelle ein regionales Fortbildungskonzept in Niedersachsen zur Sprachförderung in Kindertagesstätten und Grundschulen aufgeführt, dessen Evaluationsergebnisse von Gereke, Meinhardt und Renneberg (2005) dargelegt wurden. Zielsetzung des Pilotprojektes war die Entwicklung eines systematisch integrierten und nachhaltigen Sprachförderprogramms in Kooperation zwischen Elementar- und Primarbereich. Zur Implementierung mehrsprachiger Förderung in den Einrichtungen wurden explizit pädagogische Fachpersonen mit nicht-deutschen Erstsprachen einbezogen (ebd., S.40). Die Auswertung der abschließenden Fragebogenerhebung mit pädagogischen Fachkräften (n = 61) und Grundschullehrkräften (n = 34) der Qualifizierungsmaßnahme belegt, dass die Notwendigkeit erstsprachintegrierender Methoden im pädagogischen Alltag von vorschulischen und schulischen Fachkräften klar erkannt wurde (ebd., S.14). Nach wie vor besteht jedoch aufgrund geringem Grundlagenwissens ein hoher Handlungsbedarf in der Aus- und Fortbildung (ebd., S. 147). Im Gegensatz zum frühpädagogischen Berufsfeld sind im schulischen Sektor mehr Hinweise zu Forschungen hinsichtlich Qualifizierungen und Kompetenzbeschreibungen mehrsprachiger Lehrkräfte aus Minderheitsgruppen zu recherchieren. Beispielsweise berichten Benson und Plüddemann (2010) von Ergebnissen eines Trainings für Pädagoginnen und Pädagogen in Südafrika zur mehrsprachigen Erziehung und

50

2 Interdisziplinäre Fundierung

Bildung. Vor dem Hintergrund positiver Kompetenzentwicklungen der teilnehmenden Lehrkräfte im erstsprachbasierten Unterricht in verschiedenen mehrsprachigen afrikanischen Kontexten wurden Schlüsse zur weiteren Konzeptionierung entsprechender Trainingsmaßnahmen gezogen (ebd., S. 371ff). Weiter stellten Kleyn und Reyes (2010) die Bedeutung einer flankierenden Zusatzausbildung für spezifische Lehrmethoden und -materialien und einer Unterstützung mehrsprachiger Lehrkräfte heraus. Dazu wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, kultursensible Curricula im amerikanischen Bildungssystem zu implementieren (ebd.). Außerdem generierten Freeman, Lin und Tsao (2012) differenzierte Kompetenzen mehrsprachiger Lehrkräfte in Texas, um damit Richtlinien für den Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern in mehrsprachigen Klassen zu implementieren (ebd., S. 698ff). Insgesamt ist festzustellen, dass die Rolle pädagogischer Fachkräfte mit mehrsprachigen und interkulturellen Hintergründen noch wenig im wissenschaftlichen Fokus steht. So wie die Förderung der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität innerhalb der vorschulischen und schulischen Bildung nach wie vor kontrovers diskutiert wird, erfährt auch das Potenzial mehrsprachig und interkulturell zusammengesetzter pädagogischer Teams nicht ausnahmslosen Zuspruch. Zwar werden Chancen und Vorteile in der Beschäftigung pädagogischer Fachkräfte im Hinblick auf ein förderliches sprachlich-kulturelles Matching gesehen. Gleichzeitig persistieren stereotype Vorstellungen und Zuschreibungen gegenüber Migrantinnen und Migranten als pädagogisch tätige Fachpersonen. Dementsprechend gestalten mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund ihre professionelle Rolle höchst unterschiedlich in Wechselwirkung mit ihrer eigenen Biographie, mit den Sichtweisen ihrer beruflichen Umgebung und mit den sich daraus entwickelnden individuellen Handlungsperspektiven.

2.4

Zusammenfassung und Folgerungen

Nach der Darlegung von Forschung und Praxis in den Handlungsfeldern pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität werden an dieser Stelle die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst. Dabei kann zunächst von der forschungsleitenden Annahme gewinnbringender Potenziale mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund ausgegangen werden. Diese Vorstellung wird davon unterstützt, dass die Anerkennung sprachlich-kultureller Diversität neue Ressourcen für veränderte frühpädagogische Bezüge bieten kann. Das Potenzial der Fachkräfte entwickelt sich allerdings nicht losgelöst von inneren und äußeren Einflüssen. So existieren Wechselwirkungen zwischen pädagogischen Fachkräften untereinander wie auch zwischen der einzelnen Fachkraft und dem Team. Außerdem befinden sich pädagogische Fachkräfte in einem gesellschaftlichen, kulturellen, ad

2.4 Zusammenfassung und Folgerungen

51

ministrativen und politischen Bedingungsgefüge, das sich interdependent auf die pädagogische Umsetzung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität auswirkt. So vollzieht sich ein dynamischer Entwicklungsprozess im Erleben der einzelnen pädagogischen Fachkraft bezüglich der frühpädagogischen Arbeit mit mehrsprachigen und interkulturell aufwachsenden Kindern. Mit der Stärkung der Potenziale pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund wird die Hoffnung verbunden, die oft noch vorherrschende Monolingualität und Monokulturalität in frühpädagogischen Einrichtungen aufzubrechen. Nur langsam wird in der deutschen Bildungslandschaft akzeptiert, dass Migration und Mehrsprachigkeit Phänomene sind, die nicht defizitär, sondern ressourcenorientiert einbezogen werden müssen. Den Kindern mit nicht-deutschen Erstsprachen und interkulturellen Hintergründen sollen positive Identifikationsmöglichkeiten und emotionale Anker durch ein sprachlich-kulturelles Matching ermöglicht werden. Außerdem soll durch pädagogische Fachkräfte, die über dieselben Sprachen und Kulturbezüge der Kinder verfügen, gewährleistet werden, dass die Fähigkeiten der Kinder translingual und transkulturell eingeschätzt werden und eine adäquate Förderung abgeleitet wird. Für pädagogische Fachkräfte bestehen im Arbeitskontext sprachlich-kultureller Diversität allerdings nicht nur aussichtsreiche Momente, sondern auch Unwägbarkeiten und Barrieren. Häufig wird im Fachdiskurs zwischen einer bildungsorientierten Zweitsprachausrichtung oder einer familienbezogenen Erstsprachförderung, zwischen sprachlich-kultureller Anpassung oder Rückzug in die sprachlich-kulturelle Separierung, zwischen Bildungschancen oder Diskriminierung polarisiert (Allemann-Ghionda et al., 2010, S. 14). Für die migrationspädagogische Forschung ist dabei die Vorgehensweise und die Analyse von Differenzkategorien immer wieder reflexiv zu hinterfragen und zu öffnen (Mecheril, 2014, S. 170f). Nach aktuellen Erkenntnissen wird das mehrsprachige und interkulturelle Potenzial der pädagogischen Fachkräfte – sowohl von Seiten der Einrichtungen und Bildungsträger als auch von den Fachkräften selbst – unterschiedlich genutzt. Wie die Recherchen des bisherigen Forschungsstandes ergeben haben, werden die Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte unter anderem vom Qualifizierungsstand beeinflusst. Außerdem werfen die Forschungsergebnisse zu den Bedingungen im frühpädagogischen Arbeitsfeld mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund sowie ihre Handlungsfähigkeiten bei der Sprachbeobachtung und ihre Rollengestaltung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität die Frage auf, durch welche Konstellationen jeweilige Entwicklungen günstig beeinflusst werden können. Schließlich zeigen bisherige Forschungsergebnisse, dass neben dem Methodenrepertoire vor allem Einstellungen wie auch Wissensbestände pädagogischer Fachkräfte im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität Einfluss auf das professionelle Handeln nehmen. Diese Kompetenzbereiche werden im nachfolgenden Kapitel nun auf der nächsthöheren Konzeptualisierungsebene kategorisiert.

3

Konzeptualisierung – pädagogisches Handeln im Kontext sprachlich-kultureller Diversität des Elementarbereiches

Ausgehend vom aktuellen Stand der Praxis und der Forschung zum Handlungsfeld pädagogischer Fachkräfte im Bereich mehrsprachiger und interkultureller Förderung (s. Kap. 2) wird im dritten Kapitel das professionelle Handeln pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität auf einer abstrakteren Konzeptebene systematisiert. Da die Nutzung und Entwicklung von Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte im Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität weiter untersucht werden sollen, wird im Folgenden ein Kompetenzmodell für den Kontext sprachlichkultureller Diversität des Elementarbereiches in Anlehnung an das Sprachdidaktische Planungs- und Reflexionsmodell von Lüdtke (2012b) vorgestellt.28 Hierfür werden zunächst in der Perspektive der Prozessorientierung die Konstituenten des Modells auf einer ersten Komplexitätsstufe dargelegt (s. Kap. 3.1). Daraufhin werden aus verschiedenen Ansätzen der Strukturorientierung die Kompetenzstrukturen des Modells abgeleitet und auf einer zweiten Komplexitätsstufe erörtert (s. Kap. 3.2). Im Weiteren gilt es zu klären, wie sich aus Kompetenzpotenzialen tatsächlich Ressourcen auf einer dritten Komplexitätsstufe entfalten können (s. Kap. 3.3). Außerdem werden die Ebenen dargestellt, auf denen sich die sprachlich-kulturelle Bildungsarbeit der pädagogischen Fachkräfte mit ihren Kompetenzen vollzieht (s. Kap. 3.4). Eine Zusammenfassung der konzeptionellen Überlegungen (s. Kap. 3.5) liefert den breiten Rahmen des Forschungsvorhabens.

3.1

Konstituenten im Prozess sprachlich-kultureller Diversität

Zur Konzeptualisierung von Kompetenzentwicklungen pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität wird ein Kompetenzmodell zugrunde gelegt, das die Dynamik und Mehrdimensionalität des frühpädagogischen Kontextes abbildet. Das Modell wurde nach der Sprachdidaktiktheorie von Lüdtke (2012b) in Anlehnung an das Sprachdidaktische Dreieck (ebd., S. 476ff) konstruiert und folgt dem Ansatz der Prozessorientierung in Kompetenzmodellen. Unter diesem Ansatz werden die Konstituenten des Modells dargelegt, die prozesshaft miteinander in Verbindung stehen.

28

Je nach Orientierung der professionellen Handlungskompetenzen pädagogischer Fachkräfte können verschiedene Kompetenzmodell-Ansätze unterschieden werden (Anders, 2012, S. 13; FröhlichGildhoff et al., 2011, S. 15; Spitzberg & Chagnon, 2009, S. 10). Für die vorliegende Forschungsausrichtung erscheinen die grundsätzlichen Ansätze der Prozessorientierung und der Strukturorientierung besonders geeignet.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3_3

54

3 Konzeptualisierung

Prozessorientierung in Kompetenzmodellen Für die weitere konzeptionelle Erarbeitung ist zunächst zu definieren, wie der Begriff Kompetenz in der vorliegenden Forschungsarbeit verstanden wird, denn für das Aufspüren von Potenzialen und Ressourcen pädagogischer Fachkräfte sind nicht allein isolierte Fähigkeiten von Bedeutung, z. B. die Fähigkeit, einen russischen Satz auf grammatische Korrektheit zu überprüfen. Vielmehr ist innerhalb eines mehrdimensionalen Fähigkeitskomplexes (Anders, 2012, S. 9) die ganzheitliche Orientierungsund Handlungsfähigkeit in einem beruflichen Themenfeld einzuschließen (Gillen, 2013, S. 3f). Dazu wird der Frage nachgegangen, wie eine Fachkraft in komplexen, mehrdeutigen, nicht vorhersehbaren und sich verändernden Situationen eigenverantwortlich, selbstorganisiert und fachbasiert handelt (Fröhlich-Gildhoff, Weltzien, Kirstein, Pietsch & Rauh, 2014, S. 78). In der Annahme, dass professionelle pädagogische Handlungskompetenzen erlernbar sind (Anders, 2012, S. 9), werden in der didaktischen Folgerung die Prozesse der Kompetenzentwicklung beobachtet und unterstützt (Gillen, 2013, S. 3f). Beispielsweise soll eine pädagogische Fachkraft mit Kenntnissen in der russischen und deutschen Sprache nicht nur den Sprachstand eines Kindes im Russischen und Deutschen beurteilen, sondern in der ganzheitlichen Kompetenz des Abgleichens verschiedener Faktoren im Mehrsprachigkeitserwerb Vermutungen zum Entwicklungsprozess des mehrsprachigen Kindes stellen können. Um den Prozess des professionellen Handelns und Verstehens in der Frühpädagogik darstellen zu können, werden häufig Prozessmodelle gewählt (Anders, 2012, S. 13; Fröhlich-Gildhoff et al., 2014, S. 78). Dazu ist die jeweilige pädagogische Situation der Ausgangspunkt für zirkuläre Prozesse des Wissens und Verstehens, der Analyse und Einschätzung, der Recherche und Forschung, der Planung und Konzeption, der Organisation und Durchführung sowie der Evaluation (Anders, 2012, S. 13; Fröhlich-Gildhoff et al., 2014, S. 78). Hierbei sind die Prozesse von der Handlungsplanung und Handlungsbereitschaft über das tatsächliche Handeln in der konkreten Situation bis zur (Selbst-)Reflexion und Evaluation zu verfolgen und im Sinne der performativen Kompetenz auszuwerten (Fröhlich-Gildhoff et al., 2011, S. 17). Damit können Handlungsanforderungen konkreter pädagogischer Situationen definiert und Kompetenzentwicklungen nachvollzogen werden (Anders, 2012, S. 13).29 Ein prozessorientierter Kompetenzansatz ist deswegen von Bedeutung, da in der Intention der vorliegenden Arbeit nicht ausschließlich Ist-Zustände von Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte im Fokus stehen, sondern vor allem Entwicklungsprozesse in den Blick genommen werden sollen. Insofern richtet sich das Erkenntnisinteresse darauf, welche fachlichen Grundlagen pädagogische Fachkräfte in der Arbeit mit mehrsprachig und interkulturell aufwachsenden Kindern mobilisieren können,

29

Ausführlich wird in einem Beitrag von Spitzberg und Chagnon (2009) auf verschiedene prozessorientierte und mehrdimensionale Kompetenzmodelle im Kontext von Interkulturalität eingegangen.

3.1 Konstituenten im Prozess sprachlich-kultureller Diversität

55

welche Handlungsstrategien die Fachkräfte anwenden, wie sie ihr Vorgehen reflektierten und welche Veränderungen sie selbst in ihrem eigenen Handeln wahrnehmen. Konstituenten im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich In Anbetracht der prozessorientierten Forschungsausrichtung wird das Modell des Sprachdidaktischen Dreiecks von Lüdtke (2012b, S. 476ff) zur Adaption in der vorliegenden Arbeit herangezogen, da hiermit ein eindeutiger Bezug zu sprachpädagogisch tätigen Fachpersonen, zu Kindern und zur Sprache hergestellt werden kann. Außerdem ist eine dynamische und mehrdimensionale Sichtweise in Komplexitätsstufen (ebd.) zur sprachlich-kulturellen Diversität gegeben. Komplexität ist dabei als Kennzeichen didaktischer Realität zu verstehen und umfasst die Vielschichtigkeit, Verwobenheit und Variabilität sprachdidaktischer Praxis (ebd., S. 477f). Diese besondere Herausforderung des sprachlich-kommunikativen Lehrens und Lernens spiegelt sich in ansteigenden Anforderungsniveaus wieder, die sich in Komplexitätsstufen konzeptualisieren lassen (ebd., S. 479). Damit sich also ein Fähigkeitspotenzial zur tatsächlichen Kompetenz in komplexen didaktischen Kontexten entwickeln lässt und darüber hinaus dieses Potenzial als Ressource wirklich entfaltet werden kann, muss eine stetige Komplexitätssteigerung in Betracht gezogen werden. Nach Lüdtke (2012b) treten innerhalb der ersten Komplexitätsstufe die drei Konstituenten des Sprachdidaktischen Dreiecks, nämlich die lehrende Person, die lernende Person und der sprachliche Lerninhalt, in eine trianguläre Beziehung zueinander (ebd., S. 479). In diversitätssensiblen Erweiterungen hinsichtlich sprachlichkultureller Zusammenhänge bezieht sich die Triangulierung der Konstituenten auf die lehrende Person mit sprachlich-kulturell diversitären Erfahrungen, die lernende Person in sprachlich-kulturellen Kontexten und den Gegenstand der Mehrsprachigkeit und Kultur (Lüdtke, 2014, S. 28f, 2016a, S. 478; Schütte, 2018, S. 81ff; Schütte, Polzin, Frank & Lüdtke, 2013, o. S.). Daran orientierend werden im Kompetenzmodell der vorliegenden Arbeit die Konstituenten mit Bezug auf die frühkindliche Bildung und Erziehung im Kontext sprachlichkultureller Diversität konkretisiert und angepasst. Hierbei treten die pädagogische Fachkraft mit ein- oder mehrsprachigen interkulturellen Hintergründen, das Kind mit ebenso diversen sprachlich-kulturellen Hintergründen sowie die Mehrsprachigkeit und Interkulturalität als frühpädagogischer Handlungs- und Entwicklungsgegenstand in eine trianguläre Beziehung innerhalb der ersten Komplexitätsstufe nach Lüdtke (2012b, S. 481) zueinander (s. Abb. 4, S. 56).

56

3 Konzeptualisierung

Abb. 4:

Konstituenten im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich – Komplexitätsstufe 1 (modifiziert nach Lüdtke, 2012b, S. 477)

3.2

Kompetenzstrukturen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

Da im Interesse der Professionalisierungsforschung neben Veränderungsprozessen im pädagogischen Handeln ebenso spezifische Kompetenzkategorien stehen, aus denen pädagogische Fachkräfte mögliche Ressourcen schöpfen können, sind zusätzlich zu prozessorientierten Kompetenzansätzen auch strukturorientierte Ansätze in die Konzeptionalisierung einzubeziehen. Deshalb werden im Weiteren nach einem Überblick über die Strukturorientierung die daraus abgeleitete Kompetenzstruktur im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich aufgezeigt (s. Kap. 3.2.1). Anschließend wird auf die Kompetenzkategorien der Haltung (s. Kap. 3.2.2), des Wissens (Kap. 3.2.3) und des Handlungsrepertoires (s. Kap. 3.2.4) eingegangen. 3.2.1

Von der Strukturorientierung zur Kompetenzstruktur

Wie bereits in einigen Forschungsarbeiten ermittelt wurde (s. Kap. 2.3.3), hängt das Können pädagogischer Fachkräfte in der pädagogischen Arbeit mit mehrsprachiginterkulturell aufwachsenden Kindern von der Einstellung wie auch vom Wissen zu Mehrsprachigkeit und Interkulturalität ab. Hierbei deuten sich bereits Strukturen an,

3.2 Kompetenzstrukturen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

57

die für das Kompetenzmodell der vorliegenden Arbeit von Bedeutung sein können. Insofern wird in den nächsten Absätzen die Strukturorientierung in Kompetenzmodellen zur (sprach)pädagogischen und interkulturellen Arbeit herausgestellt. In der Ableitung daraus wird die Kompetenzstruktur im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich auf der zweiten Komplexitätsstufe nach Lüdtke (2012b, S. 482) verdeutlicht. Strukturorientierung in Kompetenzmodellen Im Folgenden werden verschiedene Varianten von Kompetenzbereichen aus unterschiedlichen Kompetenzmodellen, welche im Hinblick auf das frühpädagogische Handeln pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität Bedeutung erlangen, überblicksartig zusammengestellt (s. Tab. 4, S. 58). In einigen Kompetenzmodellen werden die beschriebenen Kompetenzen in zwei grundsätzliche Bereiche gegliedert. In einem dieser strukturorientierten Kompetenzansätze teilt Anders (2012) die professionelle Handlungskompetenz pädagogischer Fachkräfte in zwei unterschiedliche Facetten ein, nämlich die professionelle Haltung und das Professionswissen (S. 17ff). Thoma und Tracy (2016) gehen mit ihrem standardisierten Erhebungsinstrument ‚SprachKoPFv07‘ zur Erfassung der Sprachförderkompetenz pädagogischer Fachkräfte ebenfalls von zwei Kompetenzbereichen aus, indem argumentiert wird, dass ein spezifisches Wissen und ein zielgerechtes Können für eine erfolgreiche, an den Sprachstand des Kindes angepasste und am natürlichen Spracherwerb orientierte Sprachförderung benötigt wird (ebd., S. 1). Die professionelle Kompetenz pädagogischer Fachkräfte, die für die Bildungs- und Erziehungspraxis passgenau auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes und jeder Familie ausgerichtet sein soll, kann jedoch auch dreiteilig in (Selbst)Reflexion, Wissen und Methodenkompetenz strukturiert werden (Bertelsmann Stiftung, 2017, S. 4). Vergleichbar bezeichnet Rabe-Kleberg (2007) im Zusammenhang mit der Professionalisierung des Elementarbereiches die zu erwerbenden Kompetenzen mit professionellem Habitus, professionellem Wissen und professioneller Handlungskompetenz (ebd., S. 10). Ähnlich kategorisiert Fried (2008) die Sprachförderkompetenzen pädagogischer Fachkräfte und konstatiert auf der Grundlage ihrer Studienergebnisse, dass die Haltung, das Wissen und das Können der Fachkräfte mitentscheiden, wie Kinder ihre Sprachpotenziale entfalten (ebd., S. 266). Analog dazu unterscheiden auch Leu und Kalicki (2014, S. 199) sowie v. Balluseck und Nentwig-Gesemann (2008, S. 28) die Kompetenzkategorien der Reflexion, des theoretischen Wissens und des praktischen Handelns. Ferner bezeichnet Whalley (2011, S. 17) die Kompetenzen frühpädagogischer Einrichtungsleitungen als ‘attitudes’, ‘knowledge’ und ‘skills’ sowie de Jong und Harper (2011, S. 75) die Kompetenzen von Pre-Service Teachers als ‘dispositions’, ‘knowledge’ und ‘practices’. Urban, Vandenbroeck, Van Laere, Lazzari und Peeters (2012) verwenden in ihrer Studie die Kategorien ‘values’, ‘knowledge’ und ‘practices’ (ebd., S. 516).

58 Tab. 4:

3 Konzeptualisierung Handlungskompetenzen in strukturorientierten Ansätzen der Frühpädagogik

Autorin(nen)/Autor(en), (Erscheinungsjahr)

Bezeichnungen zum Bereich Haltungskompetenz

Bezeichnungen zum Bereich Fachkompetenz

Anders (2012)

Professionelle Haltung

Professionswissen

Auernheimer (2010)

Haltung

Wissen

Fähigkeiten

ASHA (2017)

Attitudes

Knowledge

Skills

Balluseck, v. & NentwigGesemann (2008)

Reflexion

Wissen

Handlungsfähigkeit

Bennett (2009)

Attitudes

Knowledge

Skills

Bertelsmann Stiftung (2017)

(Selbst-)Reflexion

Wissen

Methodenkompetenz

de Jong & Harper (2011)

Dispositions

Knowledge

Practices

Erll & Gymnich (2014)

Affektive Kompetenz

Kognitive Kompetenz

Pragmatisch-kommunikative Kompetenz

Fried (2008)

Haltung

Wissen

Können

Leu & Kalicki (2014)

Reflexion

Theoretisches Wissen

Praktisches Handeln

Lüdtke (2016a)

Affektive diversitätssensible Kompetenz

Kognitive diversitätssensible Kompetenz

Kommunikative diversitätssensible Kompetenz

Lüdtke (2014)

Affektive interkulturelle Kompetenz

Kognitive interkulturelle Kompetenz

Kommunikative interkulturelle Kompetenz

Öztürk (2014)

Selbstkompetenz – Hinterfragen

Sachkompetenz – Wissen

Sozialkompetenz – Gestalten

Öztürk (2008)

Affektive Aspekte

Kognitive Aspekte

Verhaltensorientierte Aspekte

Pavitola, Wallander & Bethere (2013)

Einstellungen

Kenntnisse

Fertigkeiten

Schütte (2018)

Affektive diversitätssensible Kompetenz

Kognitive diversitätssensible Kompetenz

Kommunikative diversitätssensible Kompetenz

Spitzberg & Changnon (2009)

Attitudes

Knowledge

Skills

Rabe-Kleberg (2007)

Professioneller Habitus

Professionelles Wissen

Professionelle Handlungskompetenz

Wissen

Können

Thoma & Tracy (2016)



Bezeichnungen zum Bereich Methodenkompetenz –

Urban et al. (2012)

Values

Knowledge

Practices

Whalley (2011)

Attitudes

Knowledge

Skills

3.2 Kompetenzstrukturen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

59

Auch im Bereich interkultureller Kompetenzen wird im pädagogischen Sektor eine ressourcenorientierten Sicht auf Menschen mit anderen Erstsprachen und Herkunftskulturen benötigt (Schondelmayer, 2018, S. 50). Dazu verweisen Bennett (2009, S. 125ff), Spitzberg und Chagnon (2009, S. 11) sowie die American Speech-LanguageHearing Association (ASHA, 2017, o. S.) genauso in der Struktur der drei Kompetenzbereiche ‘attitudes’, ‘knowledge’ und ‘skills’ auf die Bedeutung sprachlichkultureller Kompetenz in der Arbeit mit Kindern und Familien sowie im kollegialen Team. Gleichfalls bezieht sich Öztürk (2008) im Zusammenhang mit interkulturellen Kompetenzen auf die Kategorien der affektiven, kognitiven sowie der verhaltensorientierten Aspekte (ebd., S. 9). In einer späteren Publikation kategorisiert Öztürk (2014) drei Teilkompetenzen in den Perspektiven des Hinterfragens (Selbstkompetenz), des Wissens (Sachkompetenz) und des Gestaltens (Sozialkompetenz) innerhalb einer zirkulär-mehrdimensionalen Kompetenzmatrix. Diese drei Teilkompetenzen stehen in Wechselwirkung zu Dimensionen kultureller Vielfalt (ebd., S. 90ff). Ebenso in drei Kategorien gliedern Erll und Gymnich (2014) interkulturelle Kompetenz in die affektive, kognitive und pragmatisch-kommunikative Teilkompetenz, welche im komplexen dynamischen Zusammenspiel wirksam werden (ebd., S. 11). Lüdtke entwickelte auf der Grundlage ihres dynamischen und mehrdimensionalen Modells des Sprachdidaktischen Dreiecks (ebd., 2012b, S. 476ff) zur Einordnung interkultureller Kompetenz die aufeinander bezogenen Bereiche der affektiven, kognitiven und kommunikativen interkulturellen Kompetenz (ebd., 2014, S. 26). In der Erweiterung auf diversitätssensible Kontexte der Sprache und Kultur strukturiert Lüdtke (2016a) entsprechende Kompetenzen in die affektive, kognitive und kommunikative diversitätssensible Kompetenz (ebd., S. 478). Diese Kompetenzbereiche fokussiert ebenso Schütte (2018) in ihren Forschungsarbeiten (ebd., S. 84). Ferner sollen in der interkulturellen Kommunikation mithilfe eines ebenfalls mehrdimensionalen heuristischen Modells nach Auernheimer (2010) unter den Hauptkategorien Haltungen, Wissen und Fähigkeiten nicht nur kulturelle Differenzen, sondern auch mögliche Machtasymmetrien, Kollektiverfahrungen und Fremdbilder interdependent berücksichtigt werden (ebd., S. 57). Von Einstellungen, Kenntnissen und Fertigkeiten wird auch in einem Modul zur Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte zum Thema Diversität gesprochen (Pavitola, Wallander & Bethere, 2013, S. 130). In der Zusammenschau oben aufgeführter strukturorientierter Ansätze in Kompetenzmodellen (s. Tab. 4, S. 58) kristallisieren sich für eine strukturierte Kompetenzermittlung pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich drei Kategoriengruppen heraus, nämlich Haltungskompetenz, Fachkompetenz und Methodenkompetenz, die jeweils ähnliche Kompetenzbezeichnungen innerhalb der Kategoriengruppe aufweisen.

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3 Konzeptualisierung

Kompetenzstruktur im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich Für die oben herausgearbeiteten Kategoriengruppen der Haltungskompetenz, der Fachkompetenz und der Methodenkompetenz, die für die Kompetenzentwicklung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich als bedeutsam erscheinen, existieren Varianten mit graduell unterschiedlichen Sichtweisen. Auf der einen Seite sind Kompetenzbezeichnungen zu ermitteln, die vor allem eine sprachlich und kulturell diversitätssensible Ausrichtung betonen. Dazu sind die Teilkompetenzen von Lüdtke (2016a, S. 478) und Schütte (2018, S. 84) hervorzuheben, welche die affektive, die kognitive und die kommunikative diversitätssensible Kompetenz umfassen. Auf der anderen Seite sind Kompetenzbezeichnungen vorzufinden, die besonders zur Abbildung von Kompetenzen im frühpädagogischen Kontext geeignet sind. Hierbei ergeben sich auffallende Überschneidungen in den Kategorien der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires. Nunmehr werden die herausgefilterten Kompetenzkategorien im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich einander in Beziehung gesetzt (s. Abb. 5, S. 60).

Abb. 5:

Kompetenzstruktur im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich – Komplexitätsstufe 2 (modifiziert nach Lüdtke, 2012b, S. 479, 2016a, S. 478)

3.2 Kompetenzstrukturen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

61

Das Modell wird somit weiter einer dynamischen und mehrdimensionalen Vorstellung sprachlich-kultureller Diversität gerecht, indem auf der zweiten Komplexitätsstufe nach Lüdtke (2012b, S. 482) Kompetenzen ermittelt werden, die zirkulär und komplementär zueinander im mehrsprachigen und interkulturellen Handeln einer pädagogischen Fachkraft wirksam werden. Dazu wird das ursprüngliche Sprachdidaktische Dreieck (Lüdtke, 2012b, S. 479) diversitätssensibel für den mehrsprachigen und interkulturellen Kontext nach Lüdtke (2016a, S. 478) erweitert. Hierbei treten die sprachlich und kulturell diversitätssensiblen Teilkompetenzen nach Lüdtke (2016a, S. 478) mit einem jeweiligen Pendant frühpädagogischer Konkretisierung in Beziehung. So wird die affektive diversitätssensible Kompetenz (Lüdtke, 2016a, S. 478) konkretisiert in der Kompetenzkategorie der Haltung gegenüber Mehrsprachigkeit und Interkulturalität. Ferner lässt sich die kognitive diversitätssensible Kompetenz (Lüdtke, 2016a, S. 478) in der Kategorie des Wissens über Mehrsprachigkeit und Interkulturalität explizieren. Zudem kann die kommunikative diversitätssensible Kompetenz (Lüdtke, 2016a, S. 478) in der Kategorie des mehrsprachigen und interkulturellen Handlungsrepertoires präzisiert werden (s. Abb. 5, S. 60). Nachfolgend wird auf diese Kompetenzstruktur des Kompetenzmodells sprachlichkultureller Diversität im Elementarbereich differenziert eingegangen. Hierfür werden im Einzelnen die drei Kategorienpaare der affektiven diversitätssensiblen Teilkompetenz und der Haltung gegenüber Mehrsprachigkeit und Interkulturalität (s. Kap. 3.2.2), der kognitiven diversitätssensiblen Teilkompetenz und des Wissens über Mehrsprachigkeit und Interkulturalität (s. Kap. 3.2.3) sowie der kommunikativen diversitätssensiblen Teilkompetenz und des mehrsprachigen und interkulturellen Handlungsrepertoires näher erläutert (s. Kap. 3.2.4). Die aufgeführten Kompetenzbereiche werden im Hinblick auf frühpädagogische Handlungskontexte mehrsprachiger und interkultureller Bildung und Erziehung näher bestimmt. 3.2.2

Affektive diversitätssensible Teilkompetenz und Haltung

Das professionelle Handeln im Kontext sprachlich-kultureller Diversität wird – wie jegliches Handeln allgemein – von den Inspirationen und Motiven einer pädagogischen Fachkraft beeinflusst. Aus dem Längsschnitt bisheriger Erfahrungen und aus dem Querschnitt des intersubjektiven Erlebens werden Ableitungen für eigene und fremde Perspektiven geschaffen. Es sind Erfahrungen aus der eigenen Kindheit und der Ausbildung sowie der Abgleich mit den Grundsätzen der Einrichtung, der Gesellschaft und der Kultur, die eine grundlegende Haltung pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität beeinflussen. Dabei spielt nach Bennett (2009) eine Rolle, wie die Fachkraft sprachlich-kulturelle Erscheinungen filtert und welche Toleranz sie hinsichtlich Differenzen aufbringt, wenn die Erscheinungen von bewährten Mustern abweichen (ebd., S. 128). Insofern setzt sprachlich-kulturelle Haltung zunächst Flexibilität (PPMI, 2017, S. 23) wie auch Reflexionsfähigkeit voraus. In einem von Spitzberg und Changnon (2009)

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3 Konzeptualisierung

aufgeführten Kompetenzmodell ist die Bewusstheit über eigene Werte und die der Gruppen, zu denen ein Zugehörigkeitsgefühl besteht, ein wichtiger Ausgangspunkt im Prozess zur interkulturellen Haltung. Daneben müssen auch fremde Werte eingeordnet und mögliche Abwertungen im Sinne von Diskriminierungen und ethnischen Stereotypien realisiert werden. Außerdem gilt es, Offenheit und Risikobereitschaft in interkulturellen Interaktionen zu vermitteln, um eine gegenseitige Wertschätzung und die Akzeptanz sprachlich-kultureller Diversität zu gewährleisten (ebd., S. 11). Da die Ausbildung einer differenzierten interkulturellen Haltung die Grundlage für die Bildung und Erziehung in der Einwanderungsgesellschaft ist (Preiß, 2013, S. 43), sind die Haltungsaspekte detailliert zu identifizieren. Grundsätzlich ist entscheidend, welche allgemeine Einstellung eine pädagogische Fachkraft gegenüber Mehrsprachigkeit und Interkulturalität vertritt. Eine pädagogische Fachkraft soll Neugier und Interesse an anderen Sprachen und Kulturen mitbringen und Mehrsprachigkeit als Ressource für Bildungs- und Entwicklungsprozesse verstehen (Leu & Schelle, 2013, S. 142). Ebenso soll Verschiedenheit als Normalität begriffen werden und eine Sensibilität für die unterschiedlichen Lebenslagen von Kindern und Familien und deren kulturelle Deutungsmuster aufgebaut sein (ebd., S. 145). Insbesondere sollen pädagogische Fachkräfte nicht nur Sprachen mit einem hohen Prestige wie Englisch oder Französisch anerkennen, sondern gleichfalls Migrationssprachen wertschätzen, die wie Russisch oder Türkisch kein hohes Ansehen in der deutschen Gesellschaft genießen. Die allgemeine Haltung pädagogischer Fachkräfte zu sprachlich-kultureller Diversität ist nach Lüdtke (2016a) weiter durch die affektive diversitätssensible Teilkompetenz zu erweitern und zu differenzieren Damit ist die Fähigkeit zur Empathie gemeint, sich in Menschen mit Merkmalen und Lebensweisen einzufühlen, die von der Norm abweichen. Außerdem soll eine emotionale Offenheit und Toleranz gegenüber Widersprüchen und Unsicherheiten aufgebracht werden, um unterschiedliche subjektive Perspektiven anzuerkennen und wertzuschätzen (ebd., S. 478). Das bedeutet, dass in der frühpädagogischen Arbeit in der Kindertagesstätte die Erstsprachen der Kinder genauso wie die Erstsprachen der pädagogischen Fachkräfte zugelassen werden sollen. Beispielsweise ist es förderlich, wenn die pädagogischen Fachkräfte den Kindern zu erkennen geben, dass sie die Erstsprachen der Kinder schätzen und dass translinguale Kommunikation erlaubt oder sogar erwünscht ist (Leu & Schelle, 2013, S. 142). Dafür muss eine pädagogische Fachkraft die Wirkung ihrer sprachpädagogischen Maßnahmen gleichfalls reflektieren können (ebd.). Daneben ist die Frage, welchen Stellenwert eine pädagogische Fachkraft der Bildungssprache Deutsch und der Ausrichtung auf die deutsche Mehrheitskultur einräumt. Zu bedenken ist, dass sich eine pauschalierende und einseitig wertende Haltung hemmend auf das Selbstwertgefühl von Kindern mit nicht-deutschen Erstsprachen und anderen Herkunftskulturen auswirken kann. Genauso trifft das auf voreingenommene und undifferenzierte Einstellungen gegenüber Eltern mit Migrationshintergrund zu, die wenig deutsche Sprachkenntnisse aufweisen. Beispielsweise sollen

3.2 Kompetenzstrukturen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

63

nach Leu und Schelle (2013) Verständnisschwierigkeiten in der Kommunikation mit Eltern und Kindern als Annäherungsprozess in der interkulturellen Kommunikation gesehen werden (ebd., S. 142). Ferner erweist sich in der Akzeptanz sprachlicher und kultureller Differenz durch das Team, inwieweit Merkmale von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität als wichtige Bestandteile in der pädagogischen Arbeit in der Einrichtung aufgefasst und kooperativ genutzt werden. Darüber hinaus zeigt sich in der Wertschätzung der eigenen sprachlichen und kulturellen Wurzeln durch die pädagogische Fachkraft selbst, wie sprachlich-kulturelle Diversität in ihrer Persönlichkeit verankert ist. Leu und Schelle (2013) konstatieren, dass sich eine kompetente Haltung niederschlägt, wenn die pädagogische Fachkraft ihr eigenes sprachliches Aufwachsen konstruktiv reflektiert (ebd., S. 142). Ebenso spielt der Zugang zur eigenen sozialen Herkunft wie auch zu anderen Sprachen, Kulturen, Religionen und Lebensgewohnheiten eine Rolle (Kovačević, 2016, S. 81). Damit wird die Sichtweise des eigenen kulturellen Bedingungs-, Bezugs- und Wertesystems angesprochen (Leu & Schelle, 2013, S. 145). Generell kann jedoch nicht erwartet werden, dass die hier erläuterten Kompetenzaspekte zur Haltung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität bei mehrsprachigen pädagogisch tätigen Fachpersonen mit Migrationsgeschichte stets ausgeprägt und verfügbar sind. Grundsätzlich ist auch zu vermuten, dass sich das Maß der Zufriedenheit einer pädagogischen Fachkraft mit der frühpädagogischen Tätigkeit auf die Haltung auswirkt. Teilweise bedarf es zudem besonderer Unterstützung, damit aus biographischen Potenzialen tatsächlich Kompetenzen angebahnt werden können (Panagiotopoulou & Rosen, 2016, S. 244). “Teachers must be effectively prepared to embrace the benefits of diversity for schools and all students” (PPMI, 2017, S. 23). 3.2.3

Kognitive diversitätssensible Teilkompetenz und Wissen

In einer weiteren Kompetenzkategorie für das frühpädagogische Handeln im Kontext sprachlich-kultureller Diversität werden Aspekte des Wissens erfasst. Spezifisches Wissen im Bildungsbereich ist deshalb erforderlich, um kindliche Entwicklungsprozesse auch über institutionelle Bildungsübergänge und Schnittstellen hinweg adäquat zu begleiten und mögliche Problembereiche oder Beeinträchtigungen frühzeitig abbauen, auflösen oder überwinden zu können (Wehrmann, 2007, S. 58). Für die mehrsprachige und interkulturelle Entwicklung von Kindern bedeutet das, dass pädagogische Fachkräfte zu einer interdisziplinären Förderung und Beobachtung zusammen mit Lehrkräften und logopädisch bzw. sprachtherapeutisch tätigen Fachkräften beitragen können. Mit ihrem einschlägigen Wissen gilt die pädagogische Fachkraft als „Expertin der Sprachlichkeit im Alltag“ (Steiner, 2006, S. 10). Sie kann die Mehrsprachigkeit und Interkulturalität eines Kindes aus frühpädagogischer Sicht beurteilen (Sulzer, 2013, S. 34), die Interaktionsqualität im Kita-Alltag erhöhen (Wirts, Wildgruber & Wertfein, 2017, S. 148ff) und präventive Hilfen geben. Überdies soll sie rechtzeitig die Notwendigkeit fachdiagnostischer Abklärung erkennen. Wenn zudem

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3 Konzeptualisierung

eine mehrsprachige pädagogische Fachkraft über Kenntnisse der Erstsprache eines Kindes verfügt, kann durch ihre Unterstützung das Problem der Identifizierung und einer möglichen Fehleinschätzung eines erschwerten Zweitspracherwerbs im Deutschen im Gegensatz zu einer genuinen Sprachentwicklungsstörung reduziert werden (s. Kap. 1.4 u. 2.3.2). Auf der Basis der Typisierung des frühpädagogischen Professionswissens hinsichtlich expliziten und impliziten Wissens (Balluseck, v. & Nentwig-Gesemann, 2008, S. 29f; Faas, 2010, S. 222; Fröhlich-Gildhoff et al., 2014, S. 80; Kimble, 2013, S. 3ff) können grundlegend zwei Wissensformen unterschieden werden. Einerseits erwerben pädagogische Fachkräfte durch die bewusste Vermittlung und Aneignung innerhalb der Aus-, Fort- und Weiterbildung ein explizites Wissen, das sprachbasiert definiert, gespeichert und abgerufen werden kann. Andererseits kann auch im Laufe von wiederholten praktischen Erfahrungen einer pädagogischen Fachkraft ein implizites Wissen erworben werden, das im Unterbewusstsein aufgenommen und automatisch bei Bedarf bereitgestellt wird, ohne dass es differenziert beschrieben und begründet werden muss. Beide Wissensformen können sich nach Kimble (2013, S. 11) als codified knowledge und tacit knowledge gegenseitig ergänzen und die Wissenskompetenz erhöhen. Eine explizite Wissensaneignung kann beispielsweise nachhaltiger verarbeitet werden, wenn diese an praktische Erfahrungen angebunden wird. Wiederum können Wahrnehmungen von Praxisphänomenen durch den bewussten Transfer in die Abstraktion vertieft durchdrungen und zu einem späteren Zeitpunkt als Wissensbestandteil aktiv abgerufen werden (Balluseck, v. & Nentwig-Gesemann, 2008, S. 30). Das Wissen pädagogischer Fachkräfte im Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität soll außerdem im Sinne der kognitiven diversitätssensiblen Teilkompetenz nach Lüdtke (2016a) weiter differenziert werden. Hierbei erweist sich von Vorteil, wenn auf ein professionstheoretisches Wissen oder auf kognitive reflexive Fähigkeit zurückgegriffen werden kann (ebd., S. 478). Nach inhaltlichen Domänen kann weiter in ein themenbezogenes Fachwissen, ein frühpädagogisches Grundlagenwissen und ein fachdidaktisches Wissen unterschieden werden (Balluseck, v. & Nentwig-Gesemann, 2008, S. 28; Faas, 2014, S. 178ff; Fröhlich-Gildhoff et al., 2014, S. 80; PPMI, 2017, S. 23). Übertragen auf den Gegenstandsbereich der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder gliedern sich demnach die Wissensdomänen beispielsweise in Wissen über den typischen bzw. abweichenden Mehrsprachigkeitserwerb und über linguistische Sprachkenntnisse, in Wissen über die Bedeutung von Translanguaging (s. Kap. 2.3.1) sowie in Wissen über diagnostische Erhebungsmöglichkeiten in der Kindertagesstätte (s. Kap. 2.3.2). Im Kontext sprachlich-kultureller Diversität kann sich etwa die Beurteilung eines erschwerten Zweitspracherwerbs im Deutschen in der Unterscheidung zu einer genuinen Sprachentwicklungsstörung darauf begründen, dass die pädagogische Fachkraft spezifisch erlernte Faktoren benennen kann, die das Erscheinungsbild charakterisieren und eingrenzen. Die pädagogische Fachkraft kann

3.2 Kompetenzstrukturen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

65

jedoch bei der Einschätzung mehrsprachiger Fähigkeiten eines Kindes auch auf ihre Erfahrungswerte zurückgreifen und das Kind eventuell bei der Beobachtung mit anderen erlebten Fällen sowie Situationen aus der Vergangenheit unbewusst vergleichen. Im Einzelnen werden zum themenbezogenen Fachwissen im Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität in der frühpädagogischen Weiterbildung vor allem Wissensinhalte über die kulturelle Herkunft von Kindern und ihren Familien genannt (u.a. Kovačević, 2016, S. 81; Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, 2011, S. 15). Ferner wird auf notwendige Grundkenntnisse über Phänomene mehrsprachiger Sprachentwicklung sowie Sprachmischungen und Sprachentwicklungsstörungen verwiesen (u.a. Leu & Schelle, 2013, S. 142; Ruberg, 2011, S. 114). Für die Zielgruppe mehrsprachiger sowie einsprachiger pädagogischer Fachkräfte wird neben dem themenbezogenen, dem pädagogischen und dem didaktischen Fachwissen auch das praxisorientierte Handlungswissen aufgeführt, z. B. zur Durchführung mehrsprachiger interkultureller Projekte (Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, 2011, S. 15). Dabei wird deutlich, dass sich methodenbezogene, organisationsbezogene und beratungsbezogene Wissensinhalte mit dem Handlungsrepertoire überschneiden können (Faas, 2014, S. 180). Überdies ergeben sich weitere Verknüpfungen sowohl zur Kompetenzkategorie des Handlungsrepertoires als auch zur Haltung. So erfordern beispielsweise Aufgaben zur Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder neben dem Wissen über Phasen, Erschwernisse und Beeinträchtigungen im Mehrsprachigkeitserwerb gleichzeitig auch haltungsbezogene Einsichten in gesamtsprachliche kindliche Ressourcen sowie handlungsorientierte Kenntnisse zum Elizitieren der Erst- und Zweitsprache beim dialogischen Bilderbuchlesen als Sprachbeobachtungsmethode. Zum Kompetenzbereich des Wissens werden explizit auch mehrsprachige pädagogisch tätige Fachpersonen angesprochen, deren besondere Kenntnisse über Herkunftsländer und -kulturen, über Erstsprachfähigkeiten mehrsprachiger Kinder sowie über mehrsprachige Sprachfördermöglichkeiten in den Einrichtungen genutzt werden sollen (Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, 2011, S. 15). Hier offenbart sich allerdings erneut das Dilemma, dass pädagogischen Fachkräften mit mehrsprachigen und interkulturellen Bezügen von vornherein migrationsspezifische Fähigkeiten zugeschrieben werden. Gleichfalls tendieren wissensaffirmative migrationsbezogene Professionalisierungsstrategien zu kulturalisierenden Verkürzungen und Überbetonungen sozialer Probleme (Kuhn, 2014, S. 137). 3.2.4

Kommunikative diversitätssensible Teilkompetenz und Handlungsrepertoire

Das Handlungsrepertoire bildet im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich die dritte Kategorie und vervollständigt das Kompetenzgeflecht zum mehrsprachigen interkulturellen Handeln pädagogischer Fachkräfte. Kompeten-

66

3 Konzeptualisierung

zen im Handlungsrepertoire und im pädagogischen Verhalten sind nach Preiß (2013) wichtige Voraussetzungen, um die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund nachhaltig gestalten zu können. Für die Entwicklung eines adäquaten Kompetenzprofils benötigen dazu pädagogische Fachkräfte spezifische Angebote in der Aus-, Fort- und Weiterbildung (ebd., S. 42). Dabei soll von den Fachkräften ein methodisches Handlungsrepertoire erworben werden, um Kindern unterschiedliche Lernstrategien anbieten zu können (Lüdtke, 2012b, S. 480; PPMI, 2017, S. 23). Nach Lüdtke (2012b) ist diesbezüglich eine Methodenkompetenz auszubauen, die eine Passung der methodischen Gestaltung zwischen dem Kind und dem sprachlichen Lerngegenstand gewährleistet. Außerdem müssen geeignete Medien und Materialien ausgewählt werden, damit diese der Verarbeitungsfähigkeit der Kinder und dem sprachlichen Erwerbszugang optimal entsprechen. Ferner sind Methoden zu entwickeln und einzusetzen, die zeitlich, räumlich und organisatorisch im pädagogischen Alltag zu realisieren sind (ebd., 480). Für Fortbildungen im Elementarbereich gilt es dabei, methodische und mediale Angebote zu beachten, die als Vorschläge zu verstehen sind und in der situativen Praxis mit den Kindern stets modifiziert werden müssen. In der inhaltlichen Konkretisierung des Handlungsrepertoires für ein wertschätzendes und erfolgreiches Lernen innerhalb einer mehrsprachigen interkulturellen Lernumgebung wird von Boeckmann, Aalto, Abel, Atanasoska und Lamb (2011) angeregt, die Sprachenvielfalt der Kinder zu unterstützen, die mehrsprachigen Erfahrungen und Fähigkeiten der Kinder zu berücksichtigen, flexible Methoden zum Gebrauch der Mehrheits- als auch der Minderheitssprachen umzusetzen sowie die Kinder im eigenaktiven Mehrsprachigkeitserwerb zu bestärken (ebd., S. 31f). Dafür ist nach Lüdtke (2016a) eine kommunikative diversitätssensible Kompetenz auszubilden, um vielfältige Kommunikationsmodi und Konfliktlösungsstrategien anwenden zu können sowie adäquat auf Kommunikationsschwierigkeiten eingehen zu können (ebd. S. 478). Damit eine gezielte gesamtsprachliche Förderung für mehrsprachige Kinder in die Wege geleitet werden kann, wird von der pädagogischen Fachkraft zudem ein differenziertes Handlungsrepertoire zur Sprachbeobachtung und Dokumentation gefordert, mit dem die Sprachentwicklung der Kinder in Bezug auf den Mehrsprachigkeitserwerb genau eingeschätzt werden kann (Leu & Schelle, 2013, S. 142). Zudem sollen pädagogische Fachkräfte in der Lage sein, aus den Ergebnissen der Sprachbeobachtung eine bedarfsgerechte, wirksame und kindgemäße Sprachförderung abzuleiten, durchzuführen und zu evaluieren (Hopp, Thoma & Tracy, 2010, S. 619). Mit Bezug auf die inhaltliche Ausrichtung von Fort- und Weiterbildungsangeboten30 kann davon ausgegangen werden, dass pädagogische Fachkräfte von der Qualifizie30

Eine bundesweite Befragung von Einrichtungsleitungen und pädagogischen Fachkräften in Kindertagesstätten (n = 4.619) durch Beher und Walter (2012) belegte, dass offenbar ein großes Interesse an aktuellen und direkt verwertbaren Fortbildungs- und Weiterbildungsinhalten besteht. 78 % der

3.3 Ressourcenentfaltung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

67

rung des Handlungsrepertoires zum Thema sprachlich-kulturelle Diversität in der Regel besonders angesprochen werden. Der Grund liegt vermutlich im Professionsprofil frühpädagogischer Fachkräfte, in dem die praktische Arbeit mit Kindern deutlich im Vordergrund steht. Deshalb zeigen die Fachkräfte das große Bedürfnis nach konkret umsetzbaren Methoden mit hoher Praxisrelevanz (Beher & Walter, 2012, S. 54). Dadurch kann allerdings das Problem entstehen, dass wenig Bereitschaft aufgebracht wird, methodische Vorschläge sowie auf dem Markt verfügbare Materialien und Medien für die eigene mehrsprachige und interkulturelle Arbeit mit Kindern selbständig zu verändern und an die kindlichen Förderbedürfnisse sinnvoll anzupassen. Darüber hinaus wird möglicherweise das Qualifizierungsinteresse pädagogischer Fachkräfte nur mäßig auf wissens- und haltungsorientierte Inhalte gerichtet.

3.3

Ressourcenentfaltung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

Das in den vorangegangenen Ausführungen dargelegte Kompetenzgefüge in den Kategorien Haltung, Wissen und Handlungsrepertoire auf der zweiten Komplexitätsstufe (Lüdtke, 2012b, S. 482) des Kompetenzmodells sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich weist neben klaren Kategorisierungsmöglichkeit gleichfalls Überschneidungen und Verflechtungen zwischen den Kategorien auf. Haltungsaspekte, Wissensaspekte und Aspekte des Handlungsrepertoires sind jeweils auch in den anderen Kompetenzdomänen systematisch integriert. Beispielsweise erfordert eine reflektierte professionelle Haltung gegenüber einer mehrsprachig ausgerichteten Kita-Konzeption gleichwohl ein ausreichendes Fachwissen sowie Methodenkenntnisse im Bereich der Konzeptionsentwicklung. Oder bei der Umsetzung des Handlungsrepertoires zur Förderung der Erst- und Zweitsprache eines mehrsprachigen Kindes wird zugleich eine wertschätzende Einstellung sowie ein fundiertes Wissen über mehrsprachige Fördermöglichkeiten verlangt. Diese systematischen Überschneidungen und Verflechtungen sind Ausdruck der Dynamik und Interdependenz auf den jeweiligen Komplexitätsstufen innerhalb des Kompetenzmodells sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich. In den folgenden Abschnitten wird in einem nächsten Schritt die Mehrdimensionalität des Modells erneut erweitert und die Betrachtung auf die dritte Komplexitätsstufe nach Lüdtke (2012b, S. 482f) gelegt. Dabei wird zunächst erfasst, wodurch sich sprachlichkulturelle Potenziale von Ressourcen unterscheiden. Außerdem wird die Ressourcenentfaltung in den jeweiligen Kompetenzbereichen verdeutlicht. Schließlich wird auch erfasst, welche Aspekte für die Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität eine Rolle spielen.

Befragten erachteten die Aneignung neuer Kenntnisse und Fähigkeiten sowie Anregungen für die praktische Arbeit als „sehr wichtig“ (ebd., S. 40).

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3 Konzeptualisierung

Vom sprachlich-kulturellen Potenzial zur Ressource Aus den dargelegten Forschungsergebnissen zur Rolle pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität (s. Kap. 2.3.3) sowie in der Konzeptualisierung der Kompetenzbereiche Haltung (s. Kap. 3.2.2), Wissen (s. Kap. 3.2.3) und Handlungsrepertoire (s. Kap. 3.2.4) kann angenommen werden, dass das Potenzial mehrsprachiger und interkultureller Bezüge einer pädagogischen Fachkraft nicht zwangsläufig zu bestimmten Kompetenzen führen muss. So erscheint es sinnvoll, zwischen Potenzialen und Ressourcen zu unterscheiden (Knappik & Dirim, 2012, S. 93). Beispielsweise ist bei einer pädagogischen Fachkraft mit Türkisch als Familiensprache ein Potenzial an türkischen Sprachkenntnissen zu erkennen, welche sie aber möglicherweise noch nie bei der Sprachbeobachtung von türkisch-deutschsprachigen Kindern einsetzte. Gründe dafür könnten sein, dass sich die Fachkraft der Bedeutung der Erstsprachdiagnostik nicht bewusst ist oder dass in der Kindertagesstätte der Grundsatz herrscht, Migrationssprachen in der Kommunikation mit Kindern nicht zu benutzen. Demnach sind unter Potenzialen sowohl Dispositionen in den Anlagen einer Person als auch Entwicklungsanreize durch das Umfeld zu verstehen (Petermann & Schmidt, 2006, S. 119). Ein Potenzial ist also nicht ausschließlich auf das Individuum begrenzt zu erklären, sondern muss ebenso in Wechselwirkung mit der Gesellschaft und der Kultur (Lüdtke, 2012a, S. 61ff) bzw. in der Konkretisierung mit dem Einrichtungsteam und dem gesamten administrativen und politischen System des Elementarbereiches gesehen werden (s. Kap. 2.1, 3.4 u. 4.1). Potenziale können als körperliche, geistige oder emotionale Fähigkeiten und Energien vorliegen, wobei eine Verfügbarkeit darüber nicht zwangsläufig vorhanden sein muss. Ein nicht zur Verfügung stehendes Potenzial kann entweder noch nicht bzw. nicht mehr aktiviert und eingesetzt werden oder es ist zum aktuellen Zeitpunkt für eine sonstige Anforderung anderweitig gebunden (Petermann & Schmidt, 2006, S. 119). Ein Beispiel für ein noch nicht verfügbares Potenzial ist, wenn eine pädagogische Fachkraft mit Türkisch als Erstsprache ihre Kenntnisse im frühpädagogischen Alltag nicht einsetzt, da sie im Rahmen der beruflichen Qualifizierung hierzu noch keine Hinweise zur Verknüpfung erhielt. Für ein nicht mehr verfügbares Potenzial kann das Beispiel einer pädagogischen Fachkraft genannt werden, die zwar Russisch bis zum Jugendalter als dominante Sprache verwendet hatte, es aber seit der Übersiedlung nach Deutschland peinlich empfindet, in der Öffentlichkeit und dementsprechend auch in der Kindertagesstätte Russisch zu sprechen. Schließlich zeigt sich als Beispiel für ein Potenzial, das anderweitig gebunden ist, wenn eine mehrsprachige pädagogische Fachkraft im Zuge einer veränderten beruflichen Funktion, etwa als Einrichtungsleitung, überwiegend konzeptionell und organisatorisch tätig ist und nur noch selten eine mehrsprachige Sprachbeobachtung und -förderung mit Kindern selbst durchführt.

3.3 Ressourcenentfaltung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

69

Im Gegensatz dazu gelten Potenziale, die zum entsprechenden Zeitpunkt verfügbar sind, aktiviert und eingesetzt werden können, nach Petermann und Schmidt (2006, S. 119) als Ressourcen. Diese können analog wie Potenziale in IndividualRessourcen und Umfeld-Ressourcen eingeteilt werden. Zu Individual-Ressourcen gehören personenbezogene Merkmale wie kognitive, sprachliche, wahrnehmungsbezogene und sozio-emotionale Fähigkeiten. Die Fähigkeiten ergeben sich durch vorhandene Entwicklungskonstellationen und Anlagen einer Person oder sie werden aktiv durch eigene Einstellungen und Verhaltensketten mobilisiert (ebd., S. 120). Dementsprechend kann der qualifizierte Einsatz der Erstsprache einer pädagogischen Fachkraft in Kommunikationssituationen mit mehrsprachigen Kindern intuitiv zielgerecht erfolgen oder durch ein reflektiertes professionelles Vorgehen erreicht werden. Im Unterschied zu den individuumsbezogenen Ressourcen ordnen Petermann und Schmidt (2006) zu Umfeld-Ressourcen vor allem Aspekte wie Beziehungsstrukturen, Gegebenheiten des Wohnumfeldes und institutionelle Einflüsse. Diese Umfeldbedingungen wirken als vorhandene Strukturen von außen auf das Individuum ein oder sie werden durch die Person aktiv aufgesucht und mitgestaltet (ebd., S. 120). Das kann übertragen auf den Arbeitskontext einer Kindertagesstätte bedeuten, dass eine in ihrer Erstsprachverwendung unsichere pädagogische Fachkraft mit Migrationshintergrund von einem sprachlich-kulturell wertschätzenden Kita-Team zur mehrsprachigen Gesprächsführung mit Kindern positiv unterstützt wird. Zudem kann die mehrsprachige pädagogische Fachkraft durch den kollegialen Austausch selbst dazu beitragen, dass sich das Klima in der Einrichtung hinsichtlich sprachlichkultureller Diversität verändert und damit der Erstsprachgebrauch erleichtert wird. Ressourcenentfaltung zur Haltung, zum Wissen und zum Handlungsrepertoire Im Weiteren wird visualisiert, wie sich individuelle bzw. umfeldbezogene Ressourcen im Kompetenzmodel sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich ausprägen (s. Abb. 6, S. 70). Orientiert an Lüdtkes Sprachdidaktischem Modell (2012b) kann angenommen werden, dass sich Kompetenzpotenziale durch Synergieeffekte entfalten können (ebd., 483). In der Sichtweise synergetischer Kompetenzentfaltung werden auf der dritten Komplexitätsstufe nach Lüdtke (2012b, S. 482) im Kompetenzmodel sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich das Konstrukt abgebildet, unter dem sich sprachlichkulturelle Potenziale pädagogischer Fachkräfte im pädagogischen Alltag der Kindertagesstätte als Ressourcen entfalten. Die Entfaltungsaspekte werden unter Ressourcenentfaltung zur Haltung, Ressourcenentfaltung zum Wissen und Ressourcenentfaltung zum Handlungsrepertoire gefasst. Weiterhin wirken die affektive, die kognitive und die kommunikative diversitätssensible Teilkompetenz ressourcenfördernd ein (Lüdtke, 2016a, S. 478; Abb. 6, S. 70).

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Abb. 6:

3 Konzeptualisierung

Ressourcenentfaltung im Kompetenzmodell sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich – Komplexitätsstufe 3 (modifiziert nach Lüdtke, 2012b, S. 479, 2016a, S. 478)

Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität Wie die vorangegangenen Ausführungen vermuten lassen, bergen die eigene Mehrsprachigkeit und der eigene Migrationshintergrund ein wertvolles Potenzial für die Entwicklung pädagogischer Professionalität. Damit aus diesen Potenzialen tatsächlich Ressourcen werden, bedarf es verschiedener linguistischer und migrationspädagogischer Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote (Knappik & Dirim, 2012, S. 93). Innerhalb eines wirksamen Konzeptes in der Aus- und Weiterbildung von Pädagoginnen und Pädagogen im Bereich interkultureller Pädagogik sind aufeinander bezogene Wissenskompetenzen, Haltungen und Einstellungen als Handlungskompetenzen zu entwickeln (COHEP, 2007, S. 5). Zwar muss eingeräumt werden, dass Qualifizierungen von pädagogischen Fachkräften im Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität bislang sowohl positive als auch gegenläufige Effekte zeigen (s. Kap. 2.3.3) und allgemein im fachwissenschaftlichen

3.3 Ressourcenentfaltung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

71

Diskurs der berufliche und bildungsbezogene Nutzen hinsichtlich mehrsprachiger und interkultureller Kompetenzen uneinheitlich beurteilt wird (u.a. Allemann-Ghionda et al., 2010, S. 8f; Esser, 2009, S. 71ff; Heimler, 2018, S. 8f). Dennoch existieren Hinweise, dass Bemühungen zur Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität in der Arbeitswelt von Vorteil sein können (s. Kap. 1.4). Mehrsprachig ausgelegte Unternehmen in Europa belegen, dass Investitionen in sprachliche und interkulturelle Kompetenzen ein Gewinn für alle Beteiligten sein können (Commission of the European Communities, 2008, S.8). Firmen werden dazu aufgerufen, durch Schulungen noch mehr sprachliche Ressourcen in der interkulturellen Belegschaft zu fördern (ebd., S 9). Auch im Arbeitsbereich der Kindertagesstätten hängt ein erfolgreiches Handeln grundsätzlich vom Ausbildungsniveau des Fachpersonals ab (Cloos, 2016, S. 18ff), so dass Bestrebungen zur Akademisierung der Frühpädagogik international diskutiert und erforscht werden (Blossfeld & Roßbach, 2012, S. 207ff).31 Allerdings ist die Qualifizierung des pädagogischen Personals noch nicht so weit fortgeschritten, wie es die sprachlich-kulturelle Vielfalt in den Einrichtungen im Zuge von Globalisierung und Migration letztlich erfordert (Tepecik, 2012, S. 126). Der Zugang pädagogischer Fachkräfte zu Qualifizierungsmaßnahmen hängt sowohl von rationalen Entscheidungen ab, indem Aufwand und Nutzen zueinander abgewogen werden, als auch vom Habitus und von den Einstellungen der Fachkräfte hinsichtlich beruflicher und persönlicher Weiterentwicklung (Schmidt-Hertha, 2014, S. 46f). Dabei können biographische Konstellationen, z. B. Bildungserfahrungen einer pädagogischen Fachkraft, die Fort- und Weiterbildungsteilnahme beeinflussen sowie situative Faktoren, z. B. aktuelle Lebens- und Arbeitsbedingungen oder besondere Anreize eines Fortbildungsthemas, zur Aufnahme von Qualifizierungsmaßnahmen eine Rolle spielen (ebd. S. 47f). Das Qualifizierungsverhalten kann allerdings nicht ausschließlich durch die individuelle Disposition der einzelnen pädagogischen Fachkraft erklärt werden, sondern ist stets auch im Zusammenhang des beruflichen Gesamtkontextes einzuordnen (ebd., S. 48). Es liegt also ein komplexes Geflecht an Bedingungsfaktoren vor, welches auf die Zugänge zu Qualifizierungsmaßnahmen des pädagogischen Personals in Kindertagesstätten einwirkt. Demzufolge sind für die Fort- und Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte im Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität nicht nur inhaltlich-thematische Aspekte, sondern ebenso die Komplexität persönlicher Dispositionen und kontextueller Zusammenhänge zu berücksichtigen. Qualifizierungsangebote im Elementarbereich werden zukünftig veränderte berufliche Bedingungen und neue Trends beachten müssen. Temporalisierung, Topographisierung, Digitalisierung und Wissensbasierung sind dazu wichtige Schlüsselbegriffe 31

Blossfeld & Roßbach liefern in einem Beitrag (2012) einen umfassenden Überblick zum nationalen und internationalen Diskurs über die Akademisierung der Ausbildung von pädagogischen Fachkräften.

72

3 Konzeptualisierung

(Seitter, 2011, S. 123f). Für Fort- und Weiterbildungen des pädagogischen Personals in Kindertagesstätten bedeutet dies, dass ein ausreichender Zeitraum für die Qualifizierung zur Verfügung stehen muss. Außerdem ist es sinnvoll, Qualifizierungen in Verbünden durchzuführen, z. B. von gesamten Kita-Teams bis hin zu regionalen Netzwerken. Zusätzlich muss überprüft werden, wie neue Medien und Kommunikationsmöglichkeiten in frühpädagogischen Einrichtungen implementiert werden können und welche Chancen damit eröffnet werden können. Ferner muss der Stellenwert des Wissens zu Mehrsprachigkeit und Interkulturalität für pädagogische Fachkräfte stärker verdeutlicht werden, damit nicht nur methoden- und materialorientierte Fortund Weiterbildungsinhalte favorisiert werden (Beher & Walter, 2012, S. 54). Vor allem ist auch zu bedenken, dass die Gültigkeit des Wissens zunehmend instabil wird (Seitter, 2011, S. 124f), da eine immer schnellere, aber auch unkontrollierte Wissensverbreitung über digitale Informationsmittel und Netzwerke erfolgt. Allerdings steht dieser Wissensaneignung nach wie vor ein traditionelles Lernverhalten von Erwachsenen gegenüber, die einmal erworbene Wissensbestände auf Dauer für gefestigt erachten und in der Berufspraxis eher auf Erfahrungswerte zurückgreifen (ebd.). Die oben aufgeführten theoretischen Annahmen stehen mit folgenden Qualitätskriterien für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen der Expertengruppe Berufsbegleitende Weiterbildung (2013) im Zusammenhang: 

Fort- und Weiterbildung über einen längeren Zeitraum;



Teilnahme von mehreren Mitgliedern einer Einrichtung mit Möglichkeiten zum Austausch und zur Zusammenarbeit;



Wechsel zwischen Input- und Arbeitsphasen sowie zwischen praktischen Erprobungs- bzw. Trainingsphasen und Reflexionsphasen mit differenzierten Rückmeldungen;



Freiräume für selbstbestimmtes und selbstverantwortliches Lernen;



Ansatz an den kognitiven und fachlichen Voraussetzungen sowie an den Überzeugungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Reflexion bestehender Handlungsmuster (ebd., 12ff).

Diesbezüglich konnte im Rahmen eines interkulturell ausgerichteten Schulentwicklungsprojektes in Nordrhein-Westfalen aus den Evaluationsergebnissen geschlossen werden, dass insbesondere der Zeitfaktor, der Praxisbezug, die Möglichkeit moderierender Begleitung sowie die Reflexion von Einstellungen im Kontext gesellschaftlicher Macht und Differenzverhältnisse die Qualität von Qualifizierungsmaßnahmen erhöhen können (Huxel, 2016, S. 156ff). In methodischer Hinsicht bestätigten zudem Untersuchungen innerhalb studentischer Lehrveranstaltungen sowie in Schulen, dass die sprachbiographische Reflexion als Methode zur Professionalisierung geeignet ist (Krumm, 2009, S. 236ff; Lin-Huber, 2014, S. 47ff). Ebenfalls lässt sich die Eig

3.4 Ebenen sprachlich-kultureller Bildungsarbeit

73

nung von Fallvignetten aus Erkenntnissen der Professionalisierungsforschung im frühpädagogischen Bereich ableiten (Stamm, 2014, S. 80). Aus den vorangegangenen theoretischen Überlegungen und empirischen Befunden lassen sich grundsätzliche Leitgedanken entwickeln, die für die Ressourcenentfaltung vorteilhaft erscheinen und als methodische Leitprinzipien verstanden werden können. Ein Grundgedanke dazu ist, dass pädagogische Fachkräfte durch Qualifizierungen Selbststärkung erfahren sollen. Außerdem sollen Bottom-up-Strukturen in Fortbildungen möglich sein, um vorhandene Kompetenzen berücksichtigen zu können. Weiterhin sollen sich Phasen des Inputs und Austausches abwechseln, damit sich explizites und implizites Wissen der pädagogischen Fachkräfte gegenseitig ergänzen können. Ferner sollen Möglichkeiten zur Ausbildung von Bewusstheit und Selbstreflexion gegeben sein. Letztlich sollen pädagogische Fachkräfte in einer Fortbzw. Weiterbildung Wertschätzung und Bestätigung erfahren, um somit die Motivation zur Qualifizierung und praktischen Umsetzung im pädagogischen Alltag zu unterstützen.

3.4

Ebenen sprachlich-kultureller Bildungsarbeit

In den Ausführungen zur Ressourcenentfaltung (s. Kap. 3.3) wurde bereits dargelegt, dass die Förderung von Potenzialen zur Ressourcennutzung nicht allein von der Disposition einer pädagogischen Fachkraft abhängt. Der professionelle Umgang mit sprachlich-kultureller Differenz kann nicht separat durch punktuelle Aktivitäten der einzelnen pädagogischen Fachkraft gestaltet werden, sondern benötigt eine systematische Integration in alle Prozesse frühkindlicher Bildung (Sulzer, 2013, S. 29). Es bedarf eines professionellen Gesamtsystems, in dem – von der Kindertagesstätte bis zur Bundesebene – alle Beteiligten aus den Einrichtungsteams und Trägerorganisationen, aus Institutionen der Aus- und Fortbildung sowie aus der Verwaltung und Politik in einer wechselseitigen Verantwortungsgemeinschaft eine optimale frühpädagogische Praxis ermöglichen (Bertelsmann Stiftung, 2017, S. 4). Im Modell des Projektes ‘Competence Requirements in Early Childhood Education and Care’ (CoRe) der EU-Kommission heben Urban et al. (2012) verschiedene Ebenen hervor, in denen frühpädagogische Kompetenzen zur Entfaltung kommen. Zunächst entwickeln sich Kompetenzen auf der individuellen Ebene der einzelnen Fachperson. Die Fachperson steht mit der Ausbildung von Haltung, Wissen und Handlungsrepertoire unmittelbar in Verbindung mit der institutionellen Ebene des Teams und der Einrichtung. Zwischen den Einrichtungen erfolgt wiederum ein wichtiger Kompetenztransfer auf der inter-institutionellen Ebene. Außerdem wird die Kompetenzentwicklung frühpädagogischer Arbeit auf der politisch-administrativen Ebene gesteuert (ebd., S. 516).

74

3 Konzeptualisierung

In Anlehnung an das CoRe-Projekt konstatieren Friederich und Schoyerer (2016), dass erfolgreiche Professionalisierung nur im Kontext eines kompetenten Gesamtsystems, das die verschiedenen Kompetenzkategorien auf allen Ebenen berücksichtigt, erfolgen kann (ebd., 47). Entsprechend ist es auch für die institutionalisierte frühpädagogische Sprachbildung mehrsprachiger und einsprachiger Kinder notwendig, dass die Arbeit und die Vorstellungen zwischen der pädagogischen Fachkraft, der Familie, der Einrichtung und weiter am Bildungsprozess beteiligten Fachkräften wie auch administrativen Vorgaben abgestimmt wird (Chilla & Niebuhr-Siebert, 2017, S. 21f). Aus den vorhergehenden Ausführungen lassen sich drei relevante Ebenen erschließen, auf denen sich die Bildungsarbeit im Kontext sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich interdependent vollzieht. Zunächst besteht eine Bezugsebene im unmittelbaren Erleben und Handeln einer Fachkraft. Außerdem erstreckt sich die frühpädagogische Arbeit auf gemeinsame professionelle Prozesse im Team. Überdies finden entscheidende Orientierungen und Rahmenvorgaben im System der Bildungsadministration und Politik statt. Fachkraft-Ebene Die Ebene der Fachkraft fokussiert das individuelle pädagogische Geschehen im Nahbereich einer pädagogischen Fachkraft. Im Kontext sprachlich-kultureller Diversität wird damit das mehrsprachige interkulturelle Handeln mit Kindern, Eltern sowie Kolleginnen und Kollegen erfasst. Inwieweit pädagogische Fachkräfte hierzu ihre Kompetenzen erweitern, wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Hinweise aus der Forschung (s. Kap. 2.3.3) lassen die Annahme zu, dass sich persönliche Überzeugungen und biographische Erfahrungen auch im professionellen Wirken einer Fachkraft fortsetzen (Edelmann, 2006, S. 242ff; Dinsmore & Villagomez, 2012, S. 4ff). Gleichfalls kann sich die qualifikations- und berufsbezogene Sozialisation dauerhaft in der frühpädagogischen Arbeit einer pädagogischen Fachkraft überlagern (Akbaş & Leiprecht, 2015a, S. 226f; Lengyel & Rosen, 2012, S. 73). Zudem macht sich im mehrsprachigen und interkulturellen Handeln einer pädagogischen Fachkraft bemerkbar, in welchem Maße die Reflexionsfähigkeit individuell ausgeprägt ist (Bennett, 2009, S. 128; Cloos, 2016, S. 18ff; Fröhlich-Gildhoff, Nentwig-Gesemann & Pietsch, 2011 S. 41; Leu & Schelle, 2013, S. 142; Mecheril, 2010, S. 18). So kann davon ausgegangen werden, dass mit einer hohen Bewusstheit über Zusammenhänge und Vorgänge im Kontext sprachlich-kultureller Diversität schwierige Situationen in der Kindertagesstätte kompetent bewältigt werden können. Professionelle Herausforderungen werden dabei von pädagogischen Fachkräften mit unterschiedlichen Bewertungen kompensiert (Cloos, 2016, S. 18ff, Friederich & Schoyerer, 2016, S. 50). Dementsprechend beeinflussen individuelle Wahrnehmungen der beruflichen Rahmenbedingungen (s. Kap. 2.2.2) das Engagement pädagogischer Fachkräfte im Beruf und ihr Interesse für Weiterqualifizierung (ebd.).

3.4 Ebenen sprachlich-kultureller Bildungsarbeit

75

Team-Ebene Die Team-Ebene weitet sich über den Nahbereich der pädagogischen Fachkraft auf den kollektiven Zusammengang aus. Dieser umfasst alle Mitarbeitenden einschließlich der Einrichtungsleitung sowie Kooperationen mit anderen Teams und anderen Fachkräften. Auf der Grundlage bisheriger Erkenntnisse ist die Kompetenzentfaltung pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität nicht losgelöst von kooperativen Prozessen zu betrachten. So wächst durch das tägliche Miteinander in einer sprachlich-kulturell diversen Belegschaft die interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Köppel, Yan & Lüdicke, 2007, S. 10). Damit können Ressourcen in einem Team mobilisiert werden. Die einzelnen TeamMitglieder ergänzen sich in individuellen Schwerpunkten mit unterschiedlichen persönlichen und berufsqualifizierenden Kompetenzen (Herwig-Lempp, 2016,S. 7). Ferner sind kulturelle und soziale Unterschiede der pädagogischen Fachkräfte im Team als pädagogische Ressource zu nutzen (Leu & Schelle, 2013, S. 144). Beispielsweise kann die Aneignung von Wissenskompetenzen zur Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder in den Kindertagesstätten arbeitsteilig geschehen, um die Vielzahl der in der Einrichtung gesprochenen Sprachen ansatzweise abdecken zu können (Lengyel, 2012, S. 36). Zur Förderung sprachlich-kultureller Ressourcen im Team besteht jedoch die Notwendigkeit, dass die Zusammenarbeit zwischen ein- und mehrsprachigen pädagogisch tätigen Personen frühzeitig erworben wird. Bereits in der Ausbildung der Fachkräfte sollten hierzu kooperative Erfahrungen ermöglicht werden (Sakash & Rodriguez-Brown, 2011, S. 143ff). Dazu soll die Kooperation aller Team-Mitglieder in interdisziplinären Ansätzen ausgebaut werden, um die transversale Bedeutung der Sprache als Medium in allen Lebensbezügen zu vermitteln (Boeckmann, Aalto, Abel, Atanasoska & Lamb, 2011, S. 31f). Allerdings belegen Studienergebnisse, dass die Ressourcenentfaltung in interkulturell zusammengesetzten Teams auch Schwierigkeiten ausgesetzt ist. Gaitanides (2010) stellte im Rahmen von Qualitätszirkeln miteinander verschränkte Problemdimensionen fest. Diese offenbarten sich in Machtaspekten zwischen autochthonen Mehrheits- und allochthonen Minderheitsgruppen, in der vorherrschenden monolingualen Orientierung an der Mehrheitssprache, in der einseitigen Arbeitsteilung zulasten von Beschäftigten mit Migrationshintergrund sowie in stereotypen Zuschreibungen mangelhafter professioneller Kompetenzen von Migrantinnen und Migranten (ebd., S. 154f). Häufig fehlt in den Teams eine konstruktive und interkulturell fokussierte Dialog- bzw. Konfliktkultur (ebd., S. 155). Außerdem sind Probleme im Umgang mit Distanz und Nähe im Kontext sprachlich-kultureller Unterschiede zu erkennen (ebd., S. 157ff). Darüber hinaus scheinen die Ressourcen pädagogischer Fachkräfte zur kooperativen Arbeit im Team in besonderem Maße davon abhängig zu sein, welche Gestaltungsmöglichkeiten Kita-Leitungen und Einrichtungsträger einbringen und welche Ressourcen wiederum vom Gesamtsystem zur Verfügung gestellt werden (Sulzer, 2013, S. 54).

76

3 Konzeptualisierung

System-Ebene Zum globalen Gesamtsystem der frühkindlichen Bildung gehören administrative und politische Gremien bzw. Einheiten. Dazu zählen Kita-Träger, Kultusbehörden mit untergeordneten Verwaltungseinheiten, politische Einheiten sowie Institutionen der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Dieses komplexe System ist genauso wie der kollektive und der individuelle Bereich an der Kompetenzausbildung und Ressourcenentfaltung beteiligt. Auf dieser Ebene sollen die Bedürfnisse und Anforderungen zur Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität registriert und geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. Sowohl durch materiell und personell bereitgestellte Ressourcen als auch durch fachbezogene Leitvorstellungen und Unterstützungen können kollektive und individuelle Potenziale in den Einrichtungen freigesetzt werden (Cloos, 2016, S. 18ff, Friederich & Schoyerer, 2016, S. 50). Eine adäquate materielle und personale Ausstattung des Elementarbereiches kann dazu beitragen, dass im Rahmen von Beschäftigungssicherheiten und ausreichenden Beschäftigungskapazitäten für pädagogische Fachkräfte der berufliche Status und der Verbleib im Berufsfeld erhöht wird (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 170f; s. Kap. 2.2.2). Damit könnte das Qualifikationsniveau gesteigert und durch Maßnahmen zur Herstellung eines sprachlich-kulturellen Matchings die Einstellung, das Wissen und das Handlungsrepertoire zu Mehrsprachigkeit und Interkulturalität erweitert werden (s. Kap. 2.2.3). Neben der Bereitstellung materieller und personeller Ressourcen sind die Bundesländer gefordert, Qualifizierungsinitiativen zur Verwirklichung sprachlich-kultureller Diversität zu verfolgen sowie ein besonderes Augenmerk auf die interkulturelle Öffnung der Bildungseinrichtungen zu richten (Preiß, 2013, S. 35). Dementsprechend wird mittlerweile sprachlich-kulturelle Diversität in allen Bildungs- und Orientierungsplänen für den Elementarbereich bundesweit abgebildet und Vielfalt als Chance wie auch als Qualitätsmerkmal betrachtet (Fthenakis, 2007, S. 78). Dennoch wird das Potenzial pädagogischer Fachkräfte mit nicht-deutschen Erstsprachen für eine mehrsprachige Orientierung und Kommunikation als Konzept in Kindertagesstätten nur in den Bildungs- und Orientierungsplänen von Bayern, Berlin, Hamburg, NordrheinWestfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein aufgeführt (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, Staatsinstitut für Frühpädagogik München, 2016, S. S. 209; Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, 2012, S. 74; Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt, 2014, S. 67; Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen & Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2016, S. 48; Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein, 2012, S. 33; Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft, 2014, S. 21).

3.5 Zusammenfassung und Folgerungen

3.5

77

Zusammenfassung und Folgerungen

In der Gesamtschau zur Konzeptualisierung der mehrsprachigen und interkulturellen Tätigkeit pädagogischer Fachkräfte werden im Folgenden die maßgeblichen Inhalte des in der vorliegenden Arbeit konkretisierten Kompetenzmodells sprachlichkultureller Diversität im Elementarbereich zusammengefasst und Ableitungen für das Forschungsvorhaben geschaffen. In Anlehnung an Lüdtke (2012b, S. 476ff) sind zunächst die Akteure und der Gegenstand hervorzuheben, die im Kompetenzmodell als wesentliche Konstituenten in Beziehung treten. Es handelt sich um die beteiligten Personen, nämlich die pädagogische Fachkraft und das Kind, sowie um den Handlungs- und Entwicklungsgegenstand der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität. Diese drei Konstituenten des Modells stehen in einer Triangulierung zueinander, wobei der pädagogischen Fachkraft die besondere Rolle der Triangulierungsaufgabe zukommt. Das bedeutet, dass eine pädagogische Fachkraft Bezüge zwischen den Kindern und deren mehrsprachig-interkulturellen Handlungs- sowie Entwicklungsprozessen bestmöglich herstellen muss. Zur Triangulierung der Konstituenten im Kompetenzmodell sind im Kontext sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich spezifische Kompetenzen in drei Kategorien erforderlich. Mit Kompetenzen zur Haltung, zum Wissen und zum Handlungsrepertoire sollen Aufgaben zur Sprachbeobachtung, Sprachbildung und Sprachförderung bei mehrsprachig und interkulturell aufwachsenden Kindern durch pädagogische Fachkräfte geleistet werden. Für den Kompetenzbereich der Haltung werden Reflexionsfähigkeit und Flexibilität vorausgesetzt. Ferner äußert sich die Haltung einer pädagogischen Fachkraft im Kontext sprachlich-kultureller Diversität in der Einstellung gegenüber Mehrsprachigkeit und Interkulturalität, in der Akzeptanz des Gebrauchs von Migrationssprachen, in der Sichtweise zur Bildungssprache Deutsch, im Zugang zu Eltern mit Migrationshintergrund, in der Positionierung zum Kita-Team und in der eigenen Wertschätzung sprachlich-kultureller Wurzeln. Letztlich kann die Motivation im Kontext mehrsprachiger interkultureller Arbeit auch von der Zufriedenheit im beruflichen Handeln positiv beeinflusst werden. Die Kompetenzen zum Wissen im Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität können als explizite und implizite Wissensbestandteile vorliegen. Im theorie-praxisverknüpften Professionsbereich der Frühpädagogik ist die Ergänzung und der Abgleich des bewusst erworbenen Wissens mit dem praktischen Erfahrungswissen von Vorteil. Somit können fundierte Anbindungen sowohl zum Grundlagenwissen der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität hergestellt werden als auch zu entsprechenden pädagogischen, didaktischen und methodischen Wissensanteilen. Es kann angenommen werden, dass pädagogische Fachkräfte mit mehrsprachigen und interkulturellen Hintergründen hierzu besondere Wissenskompetenzen aufweisen.

78

3 Konzeptualisierung

Dem Kompetenzbereich des Handlungsrepertoires wird von pädagogischen Fachkräften nach bisherigen Erkenntnissen besonderes Interesse entgegengebracht. In der Regel sind pädagogische Fachkräfte bestrebt, ihre Kompetenzen hinsichtlich der Verwendung von Medien, Materialien und Methoden zur sprachlich-kulturellen Arbeit zu sichern und auszubauen. Mit Bezug auf die Förderung mehrsprachiger Kinder mit Migrationshintergrund sind besondere Handlungskompetenzen zur Sprachbeobachtung und zur Ableitung spezifischer Sprachfördermaßnahmen notwendig. Die jeweils beschrieben Binnenstrukturen der drei aufgeführten Kompetenzbereiche sind komplementär wirksam. Das bedeutet, dass nicht nur Teilaspekte für ein kompetentes Handeln im Kontext sprachlich-kultureller Diversität ausreichen, sondern die Gesamtheit des jeweiligen Kompetenzbereiches in Betracht gezogen werden muss. Außerdem sind die drei Kompetenzbereiche interdependent miteinander verknüpft und ergänzen sich gegenseitig. Grundsätzlich kann jedoch nicht vorausgesetzt werden, dass das Potenzial an Kompetenzen bei pädagogischen Fachkräften stets gewinnbringend verfügbar sind. Teilweise müssen Kompetenzpotenziale durch Qualifizierungen erst mobilisiert werden, um diese als Ressource wirksam werden zu lassen. Eine Ressourcenentfaltung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität kann jedoch nicht nur auf den individuellen Bereich einer pädagogischen Fachkraft begrenzt verstanden werden, sondern ist auf weiteren Ebenen sprachlich-kultureller Bildungsarbeit zu berücksichtigen. Der Blick muss auf den kollektiven Zusammenhang zu Kolleginnen und Kollegen sowie zur Kita-Leitung ausgeweitet werden. Gleichfalls trägt der globale Kontext der Administration und der Bildungspolitik dazu bei, wie sich die Qualität der mehrsprachigen und interkulturellen Ausrichtung in der Kindertagesstätte konstituiert.

4

Theoretische Generalisierung – sprachlich-kulturelle Identität, Teilhabe und Diversität

Nachdem die Mehrdimensionalität und Dynamik mehrsprachiger und interkultureller Arbeit pädagogischer Fachkräfte auf der Konzeptebene erfasst und strukturiert wurde (s. Kap. 3), wird im vierten Kapitel der Kontext sprachlich-kultureller Diversität auf einer abstrakten theoretischen Ebene betrachtet. Dabei werden Erklärungen für Zusammenhänge des professionellen Handelns und der Ressourcenentfaltung pädagogischer Fachkräfte herausgearbeitet. Hierzu wird insbesondere auf Identitäts-, Teilhabe- und Diversitätsprozesse in sprachlich-kulturellen Dimensionen zwischen Stabilisierung und Destabilisierung mit Bezug auf die Relationale Sprachtheorie nach Lüdtke (2012a) eingegangen (s. Kap. 4.1), da die professionelle Identität einer Fachkraft sowie die Teilhabemöglichkeiten und Diversitätskonstellationen im Team und im Kita-System Auswirkungen auf die Potenzialentwicklung haben können. Somit wird der Kontext sprachlich-kultureller Diversität mit wechselseitigen Bezügen zwischen dem Nahbereich einer pädagogischen Fachkraft bis hin zum globalen Bereich des Systems der Elementarpädagogik theoretisch erklärt. Vor diesem Hintergrund können verschiedene Muster erfasst werden, die sich bei der Entwicklung des Potenzials zur Ressource bei pädagogischen Fachkräften im Kontext sprachlich-kultureller Diversität abbilden. Abschließend werden die theoretischen Überlegungen zusammengefasst und im Hinblick auf das Forschungsvorhaben eingeordnet (s. Kap. 4.2).

4.1

Sprachlich-kulturelle Dimensionen zwischen Stabilisierung und Destabilisierung

Wie bereits im Rahmen der Konzeptualisierung sprachlich-kultureller Diversität erläutert wurde, vollzieht sich die mehrsprachige interkulturelle Arbeit der Elementarpädagogik auf den Ebenen der Fachkraft, des Teams und des Systems (s. Kap. 3.4). Gestützt durch erste Hinweise aus Forschung und Praxis (s. Kap. 2) kann die Annahme weiter verfolgt werden, dass sich das professionelle Handeln einer pädagogischen Fachkraft in Wechselwirkung mit kollektiven Gruppenbeziehungen sowie globalen Systemstrukturen entwickelt. Diese Ebenen sprachlich-kultureller Bildungsarbeit werden nun in einer generalisierenden Perspektive mit Bezug auf die Dimensionen der Relationalen Sprachtheorie nach Lüdtke (2012a) übertragen, um Erklärungsansätze zur Identitäts-, Teilhabe- und Diversitätsentwicklung auf theoretischer Grundlage zu erarbeiten. Die Fachkraft-Ebene, Team-Ebene und System-Ebene des Konzeptes mehrsprachiger interkultureller Arbeit lässt sich in die Theorie der Relationalität von Person und

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3_4

80

4 Theoretische Generalisierung

Sprache nach Lüdtke (2012a) in den Dimensionen des Individuums, der Gesellschaft und der Kultur wie folgt einordnen (s. Abb. 7, S. 80): 

Die Fachkraft-Ebene ist als personalisierter Bereich innerhalb der Dimension des Individuums zu verstehen.



Ferner ist die Team-Ebene als interpersonalisiertes verbindendes Feld zwischen den Dimensionen des Individuums und der Gesellschaft einzuordnen.



Zudem ist die System-Ebene mit institutionellen und programmatischen Bestandteilen übergreifend in den Dimensionen der Gesellschaft und der Kultur zu verorten.

Abb. 7:

Ebenen und Dimensionen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität der Elementarpädagogik (nach Lüdtke, 2012a, S. 61ff)

Durch die Verknüpfung der Ebenen des konzeptuellen Gerüstes sprachlichkultureller Bildungsarbeit mit den Dimensionen der Relationalität von Person und Sprache (Lüdtke, 2012a) können weiterführende Erklärungsansätze verfolgt werden. In dieser interdependenten Struktur der Dimension des Individuums (s. Kap. 4.1.1) der Dimension der Gesellschaft (s. Kap. 4.1.2) sowie der Dimension der Kultur (s.

4.1 Sprachlich-kulturelle Dimensionen

81

Kap. 4.1.3) werden im Folgenden sprachlich-kulturelle Identitäts-, Teilhabe- und Diversitätsprozesse erörtert. Hierbei treten stabilisierende oder destabilisierende Aspekte in allen Dimensionen in Erscheinung (s. Abb. 7, S. 80), die sich förderlich oder hemmend auf die Identitätsbildung, Teilhabemöglichkeiten und Diversitätskonstellationen auswirken. 4.1.1

Sprachlich-kulturelle Identität in der Dimension des Individuums

Mobilität und Globalisierung als heutige gesellschaftliche Realität (s. Kap. 1.4) führen zu Komplexitätssteigerungen und Brüchigkeiten innerhalb von Entwicklungsprozessen, die das Individuum zur fortwährenden Identitätsarbeit zwingen (Lüdtke, 2012a, S. 74). Davon sind insbesondere Menschen betroffen, die Veränderungen in ihrer Lebens-, Sprach- und Berufsbiographie im Zuge eigener Erfahrungen der Migration und des Mehrsprachigkeitserwerbs zu verarbeiten und neu zu integrieren haben. Ebenfalls komplex stellt sich die Identitätsbildung bei Personen dar, die als Kinder zugewanderter Familien interkulturelle sowie mehrsprachige Hintergründe einbeziehen und eine entsprechende Familiengeschichte in sich tragen. Letztlich werden selbst Menschen ohne eigene Migrationshintergründe und ohne Mehrsprachigkeitserfahrungen in ihrer Identitätsentwicklung durch globale sprachlich-kulturelle Veränderungen beeinflusst. So entwickelt sich die Identität des Individuums in einem Bündel an zentralen Verhaltensweisen, Einstellungen und Gefühlen, die einerseits nach innen hin einheitsstiftend als Selbstbild wirken und andererseits nach außen als Charakter und Persönlichkeit in Erscheinung treten (Lüdtke, 2012a, S. 74; Oppenrieder & Thurmair, 2003, S. 40). Dabei zählen sprachliche Prägungen in hohem Maße zu identitätsstiftenden Merkmalen (Bainski, Mannitz, Solga, Yoksulabakan, Volkholz & Sliwka, 2004, S. 226; Krumm, 2009, S. 236; Lüdtke, 2012a, S. 73ff). Die Merkmale umfassen bei Menschen mit Migrationshintergrund unterschiedliche mehrsprachige Konstellationen im Zusammenhang mit Erfahrungen der eigenen oder der familiären Migrationsgeschichte (Hassan, 2012, S. 146). Analog zum Ordnungsschema sprachlicher Identität nach Lüdtke (2012a) lässt sich die sprachlich-kulturelle Identitätsbildung einer Person in die psycho-physische, raumbezogene, soziale, normative, situative und machtbezogene sprachliche Identität strukturieren (ebd., S. 74f). Innerhalb dieser sprachlichen Identitätsdimensionen sind sowohl Aspekte der Stabilisierung als auch der Destabilisierung sprachlich-kultureller Identität zu erkennen (s. Tab. 5, S. 100), auf die im Weiteren näher eingegangen wird. Psycho-physische Ressourcen- oder Defizitorientierung Die psycho-physische sprachliche Identitätsdimension bezieht sich auf individuelle Varietäten und umfasst psychische Aspekte, wie Ausstrahlung und kognitive Fähigkeiten, aber auch physische Eigenschaften, wie Stimmgebung und artikulatorische Realisierungsmöglichkeiten (Lüdtke, 2012a, S. 74). Im Zusammenspiel psychischer

82

4 Theoretische Generalisierung

und physischer Merkmale vermag eine Person sprachliche Authentizität nach außen zu tragen sowie für sich selbst diese Merkmale in einer sprachlichen Identität zu integrieren. Bei mehrsprachigen Hintergründen ist die Vielfalt vorhandener sprachlicher Kompetenzen relevant, um diese als Ressource zu nutzten (Bainski et al., 2004, S. 226). Besonders stellt die Integration der Erst- und Zweitsprache im Sinne von Translanguaging eine wichtige Ressource zur Identitätsbildung dar (García, 2017, S. 17; s. Kap. 2.3.1). Hierzu ist beispielsweise der mehrsprachige Wortschatz in einer ressourcenorientierten Gesamtsicht aller zur Verfügung stehenden Sprachen einer Person als wertvoll und identitätsstiftend anzuerkennen (Montanari et al., 2015, S. 80ff; s. Kap. 2.3.2). Auch der Transfer zwischen zwei grammatischen Sprachsystemen kann die kommunikative Kompetenz einer mehrsprachigen Person erhöhen und damit das sprachliche Selbstwertgefühl stärken (Stitzinger, 2009, S. 55). Ferner unterstreichen erstsprachbedingte Aussprachegewohnheiten oder eine spezielle Mimik und Gestik die Einzigartigkeit und Bedeutsamkeit einer Person als besondere persönliche Note. Mit dieser Auffassung können Veränderungs- und Integrationsleistungen einer Person beim Erwerb einer weiteren Sprache und in der Konfrontation mit einer neuen Umgebungskultur erleichtert und stabilisiert werden. Im Gegensatz dazu wirken jedoch Abwertungen verbaler, paraverbaler, nonverbaler oder extraverbaler Ausprägungen einer Person aufgrund erstsprach- und migrationsbedingter Hintergründe in der Identitätsentwicklung destabilisierend. Wenn beispielsweise der Wortschatz einer mehrsprachigen Person lediglich einseitig hinsichtlich der Mehrheitssprache oder nur separat von Erst- und Zweitsprache registriert wird, besteht die Gefahr, ausschließlich die Defizite und weniger die vorhandenen Gesamtfähigkeiten zu erkennen. Desgleichen werden von der Zielsprache abweichende grammatische Produktionen oft als Fehler bewertet und nicht als Kompetenz im Lernprozess und im Translanguaging aufgefasst. Zudem wird eine Akzentfärbung durch eine Migrationssprache häufig als Ausdruck von Unfähigkeit angesehen. Außerdem kann der Einsatz mimischer und gestischer Mittel Irritationen hervorrufen, wenn diese nicht den Mehrheitsgewohnheiten entsprechen. Letztlich ist es möglich, dass die gesamte Erscheinung und das Auftreten einer Person als fremd entwertet und nicht als einzigartig gewürdigt wird. Diese Phänomene entstehen als intersubjektive Vorgänge (Lüdtke, 2004, S. 110; Trevarthen, 2012, S. 82ff) zwischen Reaktionen von außen und Verhaltensweisen des Individuums nach innen. Aus der sozioökonomisch geprägten soziolinguistischen Perspektive Bourdieus (2005 [i. O. 1982]) lassen sich individuelle Sprechweisen als etwas Wahrgenommenes erklären, das in der Beziehung zu wahrnehmenden Individuen besteht. Ein Sprechstil existiert „[...] nur in Beziehung zu sozialen Akteuren mit eben jenen Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata, durch die er überhaupt erst zu einer solchen Gesamtheit synkretistisch wahrgenommener systematischer Unterschiede werden kann“ (ebd., S. 42f). Negative Wahrnehmungen und Bewertungen können zum Identitätsverlust führen (Lüdtke, 2012a, S. 77), indem die mehrsprachi-

4.1 Sprachlich-kulturelle Dimensionen

83

ge Person mit Migrationshintergrund ihre besonderen Merkmale negiert und vermeidet, sie anderen zu zeigen. Raumbezogene Sicherheiten oder Verunsicherungen Eine weitere sprachliche Identitätsdimension ist raumbezogen. Hierbei identifizieren sich Individuen mit diatopischen Varietäten, die in bestimmten Gebieten und Orten von einer Gruppe gesprochen werden (Lüdtke, 2012a, S. 75). Dazu schaffen Dialekte wie etwa die Oberbayrische Mundart und Regiolekte wie das Münchnerische eine geographische sprachliche Identität sowie Ethnolekte wie der Gebrauch türkischdeutscher Sprachroutinen in vorwiegend urbanen Räumen eine kulturelle sprachliche Identität (ebd., S. 75). Für eine zugewanderte Person mit einer anderen Erstsprache ermöglicht die Mischung artikulatorischer, lexikalischer und grammatischer Elemente der Erstsprache mit der neuen Mehrheitssprache eine identitätsstiftende Verbindung zwischen Herkunft und aktueller Situation (Kalkavan-Aydin, S. 2018, S. 31). Überdies wird mit einer Sprachmischung eine neue sprachliche Varietät hervorgebracht, die sich sowohl vom Alten als auch vom Neuen abhebt. Wenn eine ethnolektische Varietät in einem regionalen Gebiet von einer Gruppe gesprochen wird, kann diese sprachliche Einheit den Menschen Sicherheit im fremden Umfeld vermitteln (Riehl, 2014, S. 115ff). Daneben existiert auch das Phänomen, dass migrierte Personen den Dialekt oder Regiolekt im Einwanderungsland übernehmen. Diese dialektale Integration weist auf eine mögliche Identifikation mit der neuen Umgebung hin. Demgegenüber ergeben sich raumbezogene sprachliche Unsicherheiten, wenn Migrantinnen und Migranten eine regionale sprachliche Anbindung nicht erfolgreich herstellen können. Misslingende Anpassungsversuche an regionalsprachliche Eigenheiten können für die betroffenen Personen demotivierend wirken. Entsprechende erschwerte und limitierte Zugänge resultieren einerseits aus Hürden der allochthonen Minderheit in der Artikulation, des Wort- und Grammatikgebrauchs oder andererseits aus einem abgrenzenden Verhalten der autochthonen Mehrheit. So entwickeln sich vermehrt Gefühle der Fremdheit und Ausgrenzung. Als Folge davon ergeben sich wiederum Verunsicherungen, die den Identitätsprozess beeinträchtigen. Jedoch birgt auch der Gebrauch und die Entfaltung ethnischer Mischsprachen oder der Erhalt von Migrationssprachen innerhalb urbaner Gebiete die Schwierigkeit der positiven Identitätsbildung, wenn diesen ethnischen Varietäten von der Mehrheitsgesellschaft keine Wertigkeit und Anerkennung zugesprochen wird. Soziale Anbindungen oder Isolierungen Sprachlich-kulturelle Identität entwickelt sich gleichfalls in einer sozialen Identitätsdimension. Dabei existieren diastratische Varietäten, die sich als Soziolekt auf Identitätsfaktoren wie das Alter, das Geschlecht und die soziale Zugehörigkeit beziehen (Lüdtke, 2012a, S. 75). Die Anbindung an ein perspektivenabhängiges Sozialprestige wirkt dabei identitätsstiftend (ebd.). Dementsprechend hängt es von den Erwar-

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4 Theoretische Generalisierung

tungen und Lebensperspektiven der Personen ab, inwieweit Zuordnungen zu bestimmten Identitätsfaktoren bestehen. Bei Jugendlichen in migrationsbedingten benachteiligten Lebenslagen und bei erschwerten Bildungsbeteiligungen kann die empfundene Unerreichbarkeit bildungsorientierter Zugänge dazu führen, dass sich sprachliche Identität in besonderen Formen der Jugendsprache und Slangs ausbildet (Jaspers, 2012, S. 57). Diese grenzen sich vom akademischen Sprachstil ab und schaffen Anerkennung innerhalb der eigenen Gruppe durch die Verwendung unkonventioneller, restringierter, migrationsspezifischer, provokanter (Dittmar, 2010, S. 58ff) oder emotiv durchdrungener Sprachcodes (Lüdtke & Frank, 2008, S. 124). In stetiger kreativer Veränderung entwickeln sich hierzu unterschiedliche Ausprägungen bei weiblichen und bei männlichen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund, um geschlechtsspezifische Wertorientierungen in der Ambivalenz zwischen gesellschaftlichen und kulturellen Bezügen neu zu definieren. Die Chancen auf soziale Akzeptanz und Anerkennung stellen bei der Herstellung identitätsaufbauender sprachlicher Anbindungen eine bedeutsame Rolle dar (Schendzielorz, 2011, S. 151ff). So können Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bei Aussicht auf Bildungsteilhabe ebenso bildungsorientierte sprachliche Identitäten durch die Verwendung von Fach- und Fremdsprachelementen entwickeln, um den sozialen und beruflichen Status zu erhalten oder auszubauen. Obwohl ein soziolektischer Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Mehrsprachigkeit und Migration eine selbststärkende Identitätsentwicklung entfalten kann, droht demgegenüber die Isolation durch Abwertung entsprechender sprachlicher Eigenheiten. Sprachliche Abgrenzungen sichern zwar innerhalb der Peergruppe Zugehörigkeiten und Bestätigungen, behindern allerdings die Durchlässigkeit im gesellschaftlichen und bildungsbezogenen System. Damit werden Vorurteile reproduziert und soziale Determinationen gefestigt. Schließlich wirken sich negative soziale Zuschreibungen auch auf das Prestige bestimmter Migrationssprachen aus, was zur Folge haben kann, dass auf den Erhalt von Erstsprachen weniger Wert gelegt wird. Normative Bezüge oder Verstöße Mit sozialen sprachlichen Attributionen gehen normative Orientierungen einher. Eine normative sprachliche Identität entsteht durch normative Bezüge, indem sprachliche Vereinbarungen innerhalb von Standard- oder Substandardvarietäten eingehalten und übernommen werden (Lüdtke, 2012a, S. 75). So erhöhen sich einerseits die Chancen mehrsprachiger Kinder, Jugendlicher oder Erwachsener mit Migrationshintergrund zur Anerkennung im Lernkontext, wenn sie die Bildungssprache regelkonform beherrschen. Andererseits können diese Personen auch Zuspruch erhalten, indem sie sich sprachlich kreativ und außergewöhnlich verhalten. Es ist als Kompetenz aufzufassen, wenn zwar ein verbales Normverhalten in der Mehrheitssprache nicht erreicht, aber dafür mit anderen Mitteln ausgeglichen werden kann, z. B. durch mimisch-gestische Unterstützung oder durch den Einbezug der Erstsprache. Die bewusste Abweichung

4.1 Sprachlich-kulturelle Dimensionen

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sprachlicher Normen kann also prestigeträchtig sein und zur Identitätsbildung beitragen (Lüdtke, 2012a, S. 75; Jaspers, 2012, S. 57f). Allerdings werden normative sprachliche Verstöße nur dann als Kompetenz wahrgenommen, sofern die Abweichungen von anderen akzeptiert werden (Jaspers, 2012, 57f). Doch besonders in Bildungsinstitutionen werden sprachliche Regelverletzungen häufig stigmatisiert. Bourdieu (2005 [i. O. 1982]) bezeichnet in seiner Theorie der ‚Ökonomie des sprachlichen Tausches‘ Bildungsinstitutionen als ‚Bildungsmarkt‘. Dieser wird von den Sprachprodukten der dominierenden Gruppen beherrscht. So werden bereits bestehende Unterschiede des hochwertigen Sprachzugangs gegenüber den erschwerten Zugängen benachteiligter Gruppen verstärkt (ebd., S. 69). Dabei versteht Bourdieu unter einem ‚Markt‘ einen strukturierten Raum von Positionen, die in ihren Wechselbeziehungen in diesem Raum über die Verteilung von Ressourcen bestimmt werden (Thompson, 2005, S. 16). Dadurch wird ein Vermeidungsverhalten jener Lernenden aus benachteiligten Gruppen hervorgerufen und ihre Teilhabe am Bildungsprozess gehemmt. Die Ausbildung eines sprachlichen Selbstwertes mehrsprachiger Menschen wird durch die Sanktionierung ihrer Lernervarietäten beschädigt (Bourdieu, 2005 [i. O. 1982], S. 111), was zum Identitätszerfall führen kann (Lüdtke, 2012, S. 78). Situative Passung oder Nicht-Passung Neben normativen sprachlichen Bezügen entscheiden auch situative sprachliche Anpassungsleistungen einer Person über ihren Erfolg im sprachlichen Identitätsprozess. Eine situative sprachliche Identität bilden Personen durch diaphasische Varietäten, indem sie eine Passung verschiedener sprachlicher Register zu bestimmten Kommunikationskontexten oder sprachlich-stilistischen Anwendungen herstellen (Lüdtke, 2012a, S. 75). Beispielsweise ist es für Erwachsene wichtig, dass sie sich im Gespräch mit Kindern auf die Fähigkeiten des jeweiligen Sprachentwicklungsstandes einlassen und zusätzlich Anregungen auf leicht höherem sprachlichem Niveau geben können. Ferner ist für Fachpersonen im beruflichen Zusammenhang die Beherrschung eines adäquaten sprachlichen Repertoires im Fachgebiet notwendig. Der Erwerb der Mehrheitssprache ist demnach nicht nur auf einem alltagssprachlichen Niveau unabdingbar, sondern auch für den Gebrauch von Fachsprachen erforderlich, um das berufliche Gelingen zu sichern (Bainski et al., 2004, S. 226). Können jedoch diese sprachlichen Register nicht passend angewendet werden, sind Identitätsbeschädigungen der Person zu erwarten (Lüdtke, 2012a, S. 78). Eine pädagogische Fachkraft mit Migrationshintergrund wird zusätzlich zu den mehrsprachigen und interkulturellen Veränderungs- und Integrationsleistungen Schwierigkeiten erhalten, wenn sie in der Kommunikation mit Kindern keine geeigneten Interaktionsmittel einsetzten und keine gelingende Beziehung aufbauen kann. Gleichfalls kann die Akzeptanz im Team schwinden, sofern im fachlichen Bereich eine Verständigung nicht angemessen zu realisieren ist.

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4 Theoretische Generalisierung

Machtvolle oder machtlose Positionen In einer weiteren sprachlichen Identitätsdimension werden Machtpositionen und Einflussmöglichkeiten ausgehandelt. Eine machtvolle sprachliche Identität entsteht, wenn eine Person durch die Verwendung bestimmter sprachlicher Mittel Überlegenheit gegenüber anderen Personen wahrnimmt (Lüdtke, 2012a, S. 75). In der Erziehung und Bildung mehrsprachig und interkulturell aufwachsender Kinder nimmt beispielsweise eine pädagogische Fachkraft mit kongruenten Erstsprachfähigkeiten eine gewisse Machtposition ein, indem sie sich im Gegensatz zu den Team-Mitgliedern in der Erstsprache der Kinder verständigen kann. Sie hat damit den anderen Fachkräften spezifische Kompetenzen voraus. Zudem erhalten Personen eine dominante sprachliche Position, wenn dadurch eine Einflussnahme in der Kommunikation und Interaktion mit der Umgebung erfolgen kann (Jaspers, 2012, S. 58.) Möglicherweise kann eine mehrsprachige pädagogische Fachkraft mit interkulturellen Wurzeln ein Gespräch mit Kindern derselben Herkunftssprache und -kultur leichter lenken, da im Vergleich zu monolingualen Fachkräften umfangreichere sprachliche bzw. kulturelle Einsichten vorliegen. Außerdem sind monolinguale Fachkräfte im Nachteil, da sie von der Gunst der mehrsprachigen Kollegin oder des Kollegen im Hinblick auf situativ notwendige Übersetzungshilfen zwischen dem Personal und den Kindern bzw. den Eltern abhängig sind. Anders verhält es sich, sobald sich die sprachliche Position der Fachperson eher als machtlos erweist. Unterlegene Machtverhältnisse zeigen sich nach Bourdieu (2005 [i. O. 1982]) darin, dass Personen ihre sprachlichen Kompetenzen in sprachlichen Aushandlungsprozessen nicht mit Durchsetzungskraft anbieten können (ebd., S. 76). Eine derartige Situation kann vorliegen, wenn eine pädagogische Fachkraft aufgrund geringer Sprachfähigkeiten in der Mehrheitssprache den Kindern oder anderen Fachkräften unterlegen ist und Gesprächen weder ausreichend folgen, noch diese selbstbestimmt steuern kann. Aus einer unterlegenen sprachlichen Identität kann ein Identitätsverlust resultieren (Lüdtke, 2012a, S. 78) sowie eine Negativspirale im professionellen und privaten Zusammenhang in Gang gesetzt werden. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die sprachlich-kulturelle Identitätsentfaltung in der Dimension des Individuums vielfältige Facetten hinsichtlich psychophysischer, raumbezogener, sozialer, normativer, situativer und machtbezogener Relationen aufweist. Je nach Bedingungs- und Kompetenzgefüge mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund sowie je nach Akzeptanz sprachlich-kultureller Diversität durch die Umgebung entwickeln sich identitätsstabilisierende oder -destabilisierende Konstrukte. Diese scheinen Einfluss auf die Ressourcenentfaltung in der frühpädagogischen Arbeit mit Kindern im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu haben.

4.1 Sprachlich-kulturelle Dimensionen

4.1.2

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Sprachlich-kulturelle Teilhabe in der Dimension der Gesellschaft

Die Sicht auf das sprachlich-kulturelle Handeln pädagogischer Fachkräfte wird nun geweitet, indem die Dynamik des Wandels, des Aufeinandertreffens und des Prozesses sprachlich-kultureller Lebensvollzüge in der Gesellschaft einbezogen wird. Hierbei treten Strategien der Akkulturation nicht lediglich eindimensional durch das Individuum, sondern als plurale Konzepte in Erscheinung (Geisen, 2018, S. 46f).32 Im Zusammenhang mit Migration und Mehrsprachigkeit stellt sich demnach für betroffene Menschen die Herausforderung des individuellen sowie des gesellschaftlichen Umgangs innerhalb von Veränderungen und Aushandlungen sprachlicher und kultureller Bezüge. In der theoretischen Übertragung auf die Relationalität von Person und Sprache nach Lüdtke (2012a) erstreckt sich die Betrachtung gleichfalls sowohl auf sprachlichkulturelle Identitätsdimensionen des Individuums als auch auf die Dimension der Gesellschaft (ebd., S. 67ff). Damit erweitert sich die sprachlich-kulturelle Identitätsbildung auf die sprachlich-kulturelle Teilhabe. Lüdtke (2012a) versteht hierzu, dass Partizipation auf der einen Seite durch sprachliche Homogenität und gesellschaftliche Normentsprechung erreicht wird. Dabei sind Erscheinungen der Systemstabilisierung, der Wertsteigerung und der Tradierung innerhalb sprachlicher Kontexte in der Gesellschaft zu erkennen (ebd., S. 67ff). Auf der anderen Seite wird jedoch nach Lüdtke (2012a) Partizipation durch Normabweichung verhindert, indem sprachliche Defizite von der Gesellschaft abgewertet und marginalisiert werden. Diesbezüglich sind gesellschaftlich-institutionelle Mechanismen festzustellen, die auf die Identifizierung sprachlicher Normabweichungen abzielen, außerdem defizitäre Varietäten abwerten und die Personen ausgrenzen sowie sprachliche Ungleichheit kontrollieren und reproduzieren (ebd., S. 69ff). Auf der Basis des theoretischen Modells nach Lüdtke (2012a) werden in der Adaption für den Kontext Migration und Mehrsprachigkeit die gesellschaftlichen Dimensionen zwischen sprachlich-kultureller Teilhabe und Nicht-Teilhabe weiter erörtert. Zunächst wird auf Prozesse der Normentsprechung und Assimilierung versus der Normabweichung und Separierung eingegangen. Des Weiteren werden Mechanismen der Aneignung von Werten und der Integration versus der Entwertung und Marginalisierung gegenübergestellt. Schließlich werden Strategien innerhalb gesellschaftlich-institutioneller Dimensionen hinsichtlich der Sicherung und des Ausbaus von Erträgen versus der Benachteiligung und Diskriminierung miteinander verglichen (s. Tab. 5, S. 100).

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Für einen umfassenden und vertieften Diskurs im Hinblick auf die Vielschichtigkeit des Begriffes ‚Akkulturation‘ wird auf die Publikation von Zick (2010) verwiesen.

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4 Theoretische Generalisierung

Normeinhaltung und Assimilierung versus Normverletzung und Separierung Das Streben nach sprachlich-kultureller Teilhabe kann das Individuum dazu veranlassen, sich durch sprachliche Normeinhaltung sowie durch Anpassung an kulturelle Normen die Zugehörigkeit und Akzeptanz der Mehrheitsgesellschaft zu sichern (Lüdtke, 2012a, S. 67; Zick, 2010, S. 56). Sprachliche Normen werden allerdings nicht immer partizipativ ausgehandelt, sondern unterliegen häufig der Definition einer dominanten gesellschaftlichen Gruppe, die nicht gleichzeitig die empirische Mehrheit stellen muss (Lüdtke, 2012a, S. 67). Deshalb wird die Normeinhaltung mit Ideologien untermauert, mit denen eine erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe in Aussicht gestellt wird. Normgerechtes sprachliches Verhalten gilt dadurch für die Menschen als Garantie, in das gesellschaftliche Leben eingebunden zu sein, dient jedoch gleichzeitig der Stabilisierung des Systems und der Gruppe, welche die sprachlichen Normen festlegt (ebd., S. 68). Normentsprechung ist außerdem im Zusammenhang mit Migration und Mehrsprachigkeit im Phänomen der Assimilation zu sehen, indem sich zugewanderte Menschen sprachlich-kulturellen Merkmalen der umgebenden gesellschaftlichen Mehrheit anpassen und diese Eigenheiten in hohem Maße übernehmen (Berry, 2017, S. 23; Berry, Phinney, Sam & Vedder, 2010, S. 18). Während hierbei die Eingewanderten verstärkt die Interaktion mit der dominierenden Gesellschaft suchen und in dieser untertauchen, wird die eigene sprachlich-kulturelle Identität nicht weiter bewahrt sowie die Herkunftssprache und -kultur in den Hintergrund gedrängt (ebd.). Diese Ausrichtung ist in deutschen Bildungseinrichtungen zu beobachten, in denen sich mehrsprachige Lehr- und Erziehungspersonen mit Migrationshintergrund an der vorherrschenden monolingual-deutschsprachigen Gesprächspraxis sowie an den kulturellen Konventionen des Teams orientieren. Dabei wird der Gebrauch des Deutschen bevorzugt und vorherrschende Kommunikationsmuster durch die Fachkräfte im Bildungs- und Erziehungskontext übernommen. Wenn jedoch Normverletzungen identifiziert werden, kann dies in der Konsequenz zur sprachlich-kulturellen Nicht-Teilhabe kommen. Die Nichterfüllung einer sprachlichen Norm kann von der Gesellschaft als Defizit aufgefasst sowie mit Ablehnung und Ausschluss sanktioniert werden (Lüdtke, 2012a, S. 70). Andererseits können sprachliche Normabweichungen neue kollektive Identitäten hervorrufen, die sich in hoher Dynamik an der Peripherie des gesellschaftlichen Sprachraumes als Gegenpol zur konventionalisierten homogenen Mitte entwickeln, z. B. in Form von Jugendsprache, Szene-Slangs und Kanak-Sprak oder durch den bevorzugten Gebrauch von Migrationssprachen in bestimmten Vierteln (ebd.). Im Sinne eines Menschenbildes, das individuelle Entwicklungs- und Handlungsmöglichkeit zulässt, sollte die Ausbildung kollektiver Identitäten und Unterscheidungspraktiken als Grundsatz demokratischer Vielfalt verstanden werden (Bainski et al., 2004, S. 221f). Im Kontext von Migration und Mehrsprachigkeit stellt die Separation ein Phänomen dar, bei der sich Migrationsgruppen nur wenig an Normen und Werten des Einwan-

4.1 Sprachlich-kulturelle Dimensionen

89

derungslandes orientieren. Dagegen wird an der ursprünglichen Kultur festgehalten, indem vorwiegend eine Hinwendung zum eigenen Kulturkreis erfolgt (Berry, 2017, S. 23; Berry et al., 2010, S. 18). Überdies wird von den zugewanderten Personen für die Interaktion mit anderen Gruppen, in denen die Mehrheitskultur gepflegt wird, weniger Engagement aufgebracht oder Kontakte ganz vermieden (ebd.). Im frühkindlichen Bildungskontext kann diese Erscheinung vereinzelt bei mehrsprachigen pädagogischen Fachkräften mit noch unzureichenden Deutschkenntnissen und Schwierigkeiten in der kollegialen Kontaktaufnahme vorkommen. Speziell bei einem beruflichen Wiederanfang nach einer Migration kann bei den Fachkräften das Bedürfnis nach vertrauten sprachlich-kulturellen Bezügen bestehen. Allerdings werden diese kollektiven Identitäten von außen negativ konnotiert, wenn die Wahrnehmung auf wenige Gruppenmerkmale reduziert wird und soziale Stereotypen reproduziert werden (Nieke, 2011, S. 57). Sofern sich dabei Migrationsgruppen von den Werten sowie übergreifenden gemeinsamen Zielen der staatlichen Gemeinschaft ausgeschlossen fühlen und sie sich in erster Linie auf ihre eigenen Bedürfnisse und ihre Gruppenidentität konzentrieren, wird eine sprachlich-kulturelle Teilhabe am gesellschaftlichen Gesamtsystem erschwert (Banks, 2017, S. 367). Aneignung von Werten und Integration versus Entwertung und Marginalisierung Im Vergleich zur Strategie der Normeinhaltung kann der Zugang zur sprachlichkulturellen Teilhabe in der Gesellschaft durch die Aneignung von Werten erhöht werden. Hierzu wird nicht nur die Anpassung an sprachliche Normen, sondern der Erwerb von Sprach- und Kommunikationskompetenzen beabsichtigt, mit denen gesellschaftliche Akzeptanz und Anerkennung erreicht werden können (Lüdtke, 2012a, S. 68f). Der Wert der verfügbaren Kompetenzen wird innerhalb der Gesellschaft zwischen Individuen sowie zwischen Gruppen, die im Zentrum des gesellschaftlichen Sprachraumes sprachliche Konventionen vertreten, gegenüber jenen Minderheitsgruppen, die an der Peripherie nicht systemkonforme Sprachprodukte entwickeln, ausgehandelt (ebd., S. 68). Beispielsweise wird mit dem Erwerb und Gebrauch einer Mehrheitssprache, einer Fremdsprache, einer Minderheitssprache oder einer Migrationssprache ein sprachlicher Wert geschaffen, sofern daraus ein gesellschaftlicher Nutzen gezogen werden kann bzw. dieser von der Gesellschaft als Gewinn angesehen wird. Der Wert einer Sprachkompetenz wird nach Bourdieu (2005 [i. O. 1982]) durch den ‚sprachlichen Tausch‘ auf dem ‚sprachlichen Markt‘ bestimmt. Dort ist die gesamte Sozialstruktur mit den sprechenden Personen, den sozialen Gruppen und den verwendeten Sprachen in der Aushandlung des sprachlichen Wertes präsent (ebd., S. 74). Mit der Aneignung und Wertschätzung unterschiedlicher sprachlich-kultureller Werte kann im Migrations- und Mehrsprachigkeitszusammenhang gesellschaftliche Integration gelingen. Die zugewanderten Menschen zeigen in diesem Fall ein Interesse, sprachlich-kulturelle Merkmale anderer gesellschaftlicher Gruppen im täglichen Umgang aufzunehmen und zugleich die eigene Herkunftssprache und -kultur als Wert zu

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4 Theoretische Generalisierung

erhalten (Berry, 2017, S. 23; Berry et al., 2010, S. 18). Somit wird eine sprachlichkulturelle Integrität entwickelt und gleichzeitig angestrebt, sich als Mitglied einer ethnokulturellen Gruppe im Sinne eines integralen Bestandteils des größeren sozialen Netzwerks zu beteiligen (ebd.). Übertragen auf die Situation der Kindertagesstätte würde dies bedeuten, dass sich mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit interkulturellen Bezügen einer vorhandenen Gruppe mit derselben Erstsprache und ähnlichen kulturellen Erfahrungen genauso wie dem Team deutschsprachiger Kolleginnen und Kollegen mit traditionellen deutschen Wurzeln zuordnen. Hierbei erfolgt die Zuordnung nicht statisch, sondern steht funktional mit dem jeweiligen situativen Interaktions- und Kommunikationsbedürfnis der Personen in Verbindung. Neben dem Interesse an gesellschaftlicher Integration und dem Erwerb wie auch dem Erhalt sprachlich-kultureller Werte durch die allochthone Minderheit bedarf es ebenso einer Öffnung und Akzeptanz durch die autochthone Mehrheit, welche die soziale Integration unterstützt und mehrsprachige bzw. interkulturelle Kompetenzen in das Wertesystem der Gesellschaft gewinnbringend eingliedert. Liegen jedoch nach Lüdtke (2012a, S. 67) unfaire und machtbesetzte Aushandlungsprozesse sprachlich-kultureller Werte zwischen Individuen und Gruppen vor, kann dies die sprachlich-kulturelle Nicht-Teilhabe mit der Entwertung mehrsprachiger und interkultureller Kompetenzen zur Folge haben. Der Austausch des sprachlichen Vermögens hängt nämlich nicht nur vom tatsächlichen Gebrauchswert ab, sondern wird zugleich von realen oder symbolischen Machtverhältnissen in der Gesellschaft reguliert (Lüdtke, 2012a, S. 68). Der Wert einer sprachlich-kommunikativen Leistung wird in verschiedenen Gesellschaftsgruppen und Lebensbereichen unterschiedlich beurteilt. Kenntnisse einer Migrationssprache erweisen sich etwa im Arbeitsumfeld als wertlos, wenn diese nicht eingesetzt werden können oder nicht eingesetzt werden dürfen (Esser, 2009, S. 71ff). Ebenso wird eine volle Eingliederung von zugewanderten Personen in Bildungs- und Arbeitsprozesse erschwert, indem ihre Abschlüsse aus den Schul- und Ausbildungssystemen der Herkunftsländer nicht adäquat anerkannt werden. Im Kontext von Migration und Mehrsprachigkeit kann die Entwertung sprachlichkultureller Kompetenz von Migrantinnen und Migranten mit Marginalisierung in Verbindung gebracht werden. Dieses gesellschaftliche Phänomen ist letztlich erzwungen und erfolgt im Zuge eines sprachlich-kulturellen Verlustes oder als Kontaktarmut zu anderen aufgrund von Ausgrenzung (Berry, 2017, S. 23; Berry et al., 2010, S. 18). Für die betroffenen Menschen gibt es dann wenig Möglichkeiten oder Bestrebungen am Erhalt der sprachlich-kulturellen Herkunftswerte (ebd.). Davon können insbesondere Menschen mit einschneidenden Fluchterfahrungen und psychischen Verletzungen betroffen sein. Traumatisierte geflüchtete Personen weisen Gefährdungsmomente auf, sich von der Gruppe bzw. in sich zurückzuziehen und damit nicht mehr an der sozialen Gemeinschaft teilhaben zu können (Lüdtke & Stitzinger, 2017a, S. 91f). Wenn zusätzlich vertraute sprachlich-kommunikative Bezüge im Umfeld nicht mehr

4.1 Sprachlich-kulturelle Dimensionen

91

verfügbar sind, kann das professionelle Handeln in einem Team eine besondere Herausforderung darstellen. Sicherung und Ausbau von Erträgen versus Benachteiligung und Diskriminierung Häufig wird sprachlich-kulturelle Teilhabe in der Gesellschaft machtvoll errungen und verteidigt (Lüdtke, 2012a, S. 69). Verfügbare sprachlich-kulturelle Werte werden dann einer Sicherung unterzogen, damit der Zugang zu begehrten gesellschaftlichen Gruppen kontrolliert werden kann. Vor allem sind im Bildungssystem umfassende Kontrollmechanismen eingerichtet, welche die Einhaltung sprachlicher Normen in Kindertagesstätten und Schulen garantieren sollen (ebd.). Doch nicht nur in tradierten Systemen werden sprachlich-kulturelle Werte gesichert. Beispielsweise versuchen Jugendliche in Minderheitsgruppen, ihr aus unterschiedlichen Gründen herabgesetztes Selbstwertgefühl damit wieder zu bestärken, indem sie innerhalb einer nach außen gesicherten kollektiven Identität negative Stigmata positiv umdeuten und als Kompensation die Mehrheitsgesellschaft abwerten (Bozay, 2012, S. 118). Es werden Sicherungsmaßnahmen ergriffen, selbst wenn damit bestehende gesellschaftliche oder staatliche Traditionen verletzt werden (Banks, 2017, S. 367). Mit dem Ausbau von Erträgen im Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität kann der sprachlich-kulturelle Wert von Migrantinnen und Migranten zusätzlich erhöht und erhalten werden. Als Beispiele hierzu können schulische Bildungsabschlüsse, berufliche Qualifikationen, gelingende Freizeit- und Alltagskontakte oder musikalische, literarische und visuelle Erzeugnisse sowohl in der Mehrheitssprache als auch in der Herkunftssprache genannt werden. Im Kontext der Elementar- und Primarpädagogik kann besonders die Vermittlung zwischen Kulturen und Sprachen bei den Kindern und im Team als Ertrag in der Bildungseinrichtung gesehen werden (Strasser & Steber, 2010, S, 97) und somit die professionelle Wertschätzung sichern. Allerdings werden sprachlich-kulturelle Produkte und Erträge insbesondere von dominanten Gruppensystemen mit machtbesetzten Kontrollen bewahrt. Dadurch wird die sprachlich-kulturelle Nicht-Teilhabe für machtlose, abweichende, beeinträchtigte und marginalisierte Gruppierungen forciert und eine Benachteiligung von Individuen und Gruppen innerhalb des gesellschaftlichen Gesamtsystems bewirkt. Nach Bourdieu (2005 [i. O. 1982]) werden bestehende Unterschiede des ‚sprachlichen Kapitals‘ verstärkt, indem die sprachlichen Produkte auf dem ‚sprachlichen Markt‘ von Gruppen mit Machtzugang beherrscht werden (ebd., S. 69). Als ‚Kapital‘ wird in Bourdieus Theorie nicht nur materielles Kapital, sondern auch Kapital in Form von Wissen, Fähigkeiten, erworbene Bildungsabschlüsse oder symbolische Werte wie Prestige und Ehre verstanden (Thompson, 2005, S. 16). Je offizieller sich der Sprachmarkt an Normen einer Mehrheitssprache orientiert, desto mehr wird dieser von den Autoritäten sprachlicher Kompetenz kontrolliert (Bourdieu, 2005 [i. O. 1982], S. 76f). Im Bildungsbereich verschließen oft Maßnahmen der Sprachdiagnostik und Sprachförderevaluation mit dominanten Wertmaßstäben Zugänge zu anerkannten Bildungsinstitutionen und höherwertigen Abschlüssen (Lüdtke, 2012a, S. 72).

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4 Theoretische Generalisierung

Sprachliche Normabweichungen werden als Defizit erfasst und legitimieren den Ausschluss vom Regelsystem (ebd., S. 71). Indem Benachteiligungen durch Ausschluss verursacht werden oder Herabwürdigungen durch ungerechtfertigte Zuschreibungen und Vorurteile erfolgen, ist im Zusammenhang mit Migration und Mehrsprachigkeit eine Diskriminierung von Individuen und Gruppen mit Zuwanderungsgeschichte zu erkennen (Hormel, 2011, S. 92f). Pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund sind beispielsweise häufiger als ihre Kolleginnen und Kollegen ohne Migrationshintergrund in benachteiligten Arbeitsbedingungen, wie etwa geringeres Qualifikationsniveau, weniger Beschäftigungssicherheit und kürzerer Verbleib im Berufsfeld vorzufinden (s. Kap. 2.2.2). Ebenso offenbaren sich im staatlichen Kontext Diskriminierungen von Personen und Gruppen durch Ausschluss der gesellschaftlichen Teilhabe aufgrund sprachlicher und ethnisch-kultureller Eigenschaften (Banks, 2017, S. 369). Durch Prozesse der Normeinhaltung und Assimilierung, der Aneignung von Werten und Integration sowie der Sicherung und des Ausbaus von Erträgen wird sprachlichkulturelle Teilhabe von Individuen und Gruppen in der Gesellschaft ermöglicht. Im Gegensatz dazu bewirken Normverstöße und Separierung, Entwertungen und Marginalisierung sowie Benachteiligungen und Diskriminierung eine sprachlich-kulturelle Nicht-Teilhabe insbesondere für Individuen und Gruppen aus benachteiligten Minderheiten, die sich am Rande der Gesellschaft befinden. In den sprachlich-kulturellen Aushandlungsprozessen innerhalb der gesellschaftlichen Dimension liegt jeweils eine Dichotomie zwischen sprachlich-kultureller Teilhabe und Nicht-Teilhabe. Entsprechende Mechanismen werden im Kontext von Migration zwischen Minderheits- und Mehrheitsgruppen nicht von den Einwandernden bzw. Eingewanderten alleine gesteuert, sondern stehen in wechselseitiger Beeinflussung zur ansässigen Gesellschaft des Einwanderungslandes (Geisen, 2018, S. 46f). Dadurch bestehen interdependente Abhängigkeiten mit oft ungleich verteilten Machtverhältnissen und Einflussmöglichkeiten. 4.1.3

Sprachlich-kulturelle Diversität in der Dimension der Kultur

Nachdem die Relationen von Identitäts- und Teilhabeprozessen in den Dimensionen des Individuums und der Gesellschaft beleuchtet wurden, wird im Folgenden der Blick auf die Kultur als weitere Dimension nach Lüdtke (2012a) zur theoretischen Erklärung der Vielschichtigkeit und Dynamik sprachlich-kultureller Diversität gerichtet. Dabei ist Kultur als Begriff äußerst facettenreich und komplex. Je nach wissenschaftstheoretischer Verortung existieren eine Vielzahl an Sichtweisen und Definitionen (Lüdtke, 2012a, S. 61; Mecheril, 2010, S. 26; Schütte, 2018, S. 14f; Sulzer, 2013, S. 9). Grundsätzlich kann Kultur als System verstanden werden, im dem soziale Interaktionen sowie von Menschen geschaffene Artefakte und spezifische Denkmuster zum Tragen kommen (Erll & Gymnich, 2014, S. 20ff; Reimann, 2017, S. 20f). Durch die kollektive Konstruktion und das Erleben von Wirklichkeit in sozialen, mate-

4.1 Sprachlich-kulturelle Dimensionen

93

rialen und mentalen Dimensionen (Erll & Gymnich, 2014, S. 19ff) kann sich kulturelle Identität erschließen (ebd., S. 61f). “[...] Culture is a construction, but culture is not purely a cognitive invention. It is both the explanation and the essence of our lived social experience. Our cultural behavior is an ‘enactment’ of our collective experience, and, through this enactment, becomes yet more experience. This is the essence of ‘cultural identity’” (Bennett, 2005, S. 12).

Im Zuge von Migration und Globalisierung rücken Begrifflichkeiten in den Fachdiskurs der Sprachpädagogik, die Kultur weiter hinsichtlich Pluralität und Hybridisierung erfassen. Während im Ansatz von Multikulturalität davon ausgegangen wird, dass Kulturen homogene Einheiten bzw. geschlossene Systeme sind und separat nebeneinander existieren (Erll & Gymnich, 2014, S. 33; Yousefi, 2012, S. 179), bedeutet Interkulturalität, dass Repräsentanten verschiedener Kulturen mit eigenen Themen, Denk- und Lösungsansätzen aus verschiedenen Sichtweisen in dialogische Kommunikation treten, um gemeinsame Perspektiven zu entwickeln (Ekinci-Kocks, 2012, S. 96; Erll & Gymnich, 2014, S. 34ff; Yousefi, 2012, S. 183). Mit Transkulturalität geht dagegen eine prozessuale Transversalität einher, mit der die Differenzierung zwischen Eigenem und Fremden kaum mehr erkennbar ist (Göhlich & Zirfas, 2011, S. 73). Dies führt zur Verflechtung und wechselseitigen Durchdringung der Kulturen mit Auflösung von Grenzen (Reimann, 2017, S. 23; Yousefi, 2012, S. 180).33 Mit Bezug auf die Dimensionen der Relationalen Sprachtheorie nach Lüdtke (2012a) werden in einer erweiterten Sichtweise sprachlich-kulturelle Identitätsprozesse des Individuums sowie sprachlich-kulturelle Teilhabeprozesse in der Gesellschaft nunmehr in der Dimension der Kultur als sprachlich-kulturelle Diversitätsdynamiken beleuchtet. Je nach Wechselwirkungen in den Bedingungsfaktoren kann sich sprachlich-kulturelle Diversität entwickeln oder sich die Tendenz zur Bewahrung sprachlich-kultureller Homogenität durchsetzen. Innerhalb dieser Polarität wird die Ausrichtung auf sprachliche Vielfalt im Gegensatz zur monolingualen Mehrheitsausrichtung dargelegt. Außerdem wird die Ausrichtung auf kulturelle Vielfalt der monokulturellen Mehrheitsausrichtung gegenübergestellt (s. Tab. 5, S. 100). Ausrichtung auf sprachliche Vielfalt versus monolinguale Mehrheitsausrichtung Sprache und Kultur sind eng miteinander verknüpft. Ein grundlegender Zusammenhang besteht darin, dass durch Sprache, in Abgrenzung zur nicht-zeichenhaften bzw. nicht-sprachlichen Welt, kulturelle Teilhabe ermöglicht wird (Lüdtke, 2012a, S. 61ff). Sprache spiegelt Kultur im Sinne gedanklicher und gelebter Konventionen wieder. So werden in verschiedenen Kulturen höchst unterschiedliche Sprachzeichen verwendet sowie im Laufe der Zeit verändert, obwohl das Bezeichnete selbst identisch bleibt und zunächst von allen Menschen unabhängig von sprachlichen Varietäten einheitlich wahrgenommen werden kann (Deutscher, 2011, S. 13). Wiederum werden Men33

In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff ‚Interkulturalität‘ verwendet, da die Vielfältigkeit und Prozesshaftigkeit kultureller Konstellationen bei pädagogischen Fachkräften mit und ohne Migrationshintergrund in dialogischer Sichtweise im Fokus stehen.

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4 Theoretische Generalisierung

schen durch unterschiedliche Sprachkonventionen beeinflusst, in besonderer Weise die Welt der Dinge, Vorgänge und Gedanken zu betrachten (Clark, 2003, S. 18ff). Damit wird Sprache von den Menschen einer Sprachgemeinschaft als distinktives kulturelles Merkmal verstanden. Sprach- und Kulturräume haben sich allerdings im Laufe der Geschichte vor allem im Zuge staatlicher Raumverschiebungen, -auflösungen und -neubildungen immer wieder verändert. Somit ist die Ausrichtung auf sprachliche Vielfalt vor dem Hintergrund der Existenz von Sprachen autochthoner Minderheiten (Brockmann, 2006, S. 90; Wode, 2000, S. 3), Dialekten und weiteren Sprachvarietäten (Hoffmann, 2007, S. 5f) als entsprechendes Abbild der Menschen in der Gesellschaft eine konsequente Ableitung. Teilweise werden kollektivierende Kultursprachen in Mitteleuropa wieder hervorgehoben, wie z. B. die Wiederbelebung der autochthonen Minderheitssprachen Ladinisch und Sorbisch im Rahmen internationaler Kulturprojekte sowie regionaler Frühförderung (Kaulfürstowa, 2018, S. 17ff; Wolfram, 2012, S. 36). Ebenso entstehen neue Sprachenverhältnisse im Zuge von Migration und Globalisierung, die eine Veränderung traditioneller Sprach- und Kommunikationspraktiken notwendig machen. So kann mit der Akzeptanz und Würdigung sprachlicher Diversität Neues entstehen und die Gemeinschaft wandelnde sprachlich-kommunikative Aufgaben bewältigen. Darüber hinaus können mit der Ressource sprachlicher Vielfalt globale Herausforderungen für die Zukunft leichter überwunden werden. Im internationalen Bildungskontext existieren vor allem in Kanada, Schweden und in den Niederlanden Ansätze, die sprachliche Vielfalt der Lernenden wie auch der Lehrenden tatsächlich in den Sprachpraktiken schulischer und vorschulischer Institutionen abbilden (Dirim, Hauenschild & Lütje-Klose, 2008, S. 18). In anderen Ländern, u.a. in Deutschland, gibt es zwar offizielle politisch oder pädagogisch orientierte Verlautbarungen zur Wertschätzung sprachlicher Vielfalt in Bildung und Erziehung, doch die Umsetzung bleibt oft aufgrund individueller und institutioneller Traditionen und Verunsicherungen hinter dem proklamierten Ideal der Mehrsprachigkeitsförderung zurück (Fürstenau & Gomolla, 2011, S. 13; Heimler, 2018, S. 9). Demnach zeigen sich neben offenen Sichtweisen für sprachliche Vielfalt auch entgegengesetzte Perspektiven, die eine monolinguale Mehrheitsausrichtung unterstützen. Mit der Hybridisierung eines Sprachraumes werden gewohnte Sicherheiten verletzt (Sulzer, 2013, S. 6), sodass eine Wiederherstellung und Aufrechterhaltung sprachlicher Routinen den Menschen Schutz und Verlässlichkeit vermitteln. Die Vertrautheit zur eigenen Sprache und entsprechende affirmative Zuschreibungen spiegeln sich in Idiomen verschiedener Sprachen wieder, in denen Bezeichnungen von Sprachen vorkommen (Piirainen, 2016, S. 33). In auffällig ähnlichen Strukturen wird etwa mit den Redewendungen “in plain English”, »en bon franҫais« oder „auf gut Deutsch gesagt“ (ebd., 39) eine Aussage mit dem Hinweis der sprachlichen Verbundenheit untermauert. Dabei wird die jeweilige Sprache emotional positiv empfunden und als klar, direkt, ehrlich bzw. gut verstanden (ebd., 38). Unter den Gesprächsper-

4.1 Sprachlich-kulturelle Dimensionen

95

sonen wird hiermit eine sprachliche Vertrautheit im Sinne von „wir verstehen uns – wir sind unter uns“ ausgedrückt. Mit sprachlicher Homogenisierung geht allerdings auch die Beherrschung des Sprachraumes einher. Im geschichtlichen Rückblick ist zu erkennen, dass sprachliche Homogenität nach dem Denkmuster ‚eine Nation – eine Sprache‘ eine erklärte Auffassung in verschiedenen Epochen und Staatsformen darstellte (Schneider, 2015, S. 11). Meistens wurde die Einsprachigkeit mit Unterdrückung oder Gewalt durchgesetzt, wie etwa durch Inbesitznahme fremder Territorien im Kolonialismus oder durch Expansionspolitik im Imperialismus. Die politische Doktrin einer Standard- und Nationalsprache wurde zusätzlich ideologisch mit dem jeweiligen Welt- oder Glaubensbild legitimiert, beispielsweise die Einführung der Sprache der Eroberer im Zuge der Zivilisierung indigener Völker oder die Kulturalisierung im Missions-Zusammenhang (Lüdtke, 2012a, S. 64). Hierbei offenbart sich ein hierarchisches Gefälle zwischen der höherwertigen oktroyierten Sprache der Machthabenden und den wertlosen archaischen Sprachen der Unterworfenen. Die Durchsetzung einer legitimen Hochsprache gegenüber Dialekten und Mundarten stellt nach Bourdieu (2005 [i. O. 1982]) eine Strategie dar, mit der politische Errungenschaften auf Dauer verankert werden. Damit bezweckt die herrschende Klasse, ihre Vormachtstellung zu untermauern (ebd., 52). Ebenfalls politisch motiviert wurden bei der Neuordnung der ‘Newly Independent States of the former Soviet Union’ (NIS) homogenisierende Einheitssprachen im Sinne gesellschaftlicher Selbststärkung eingesetzt. Nach dem Zerfall der Dominanz des Russischen wurde beispielsweise bei der Staatsgründung der Republik Moldau das Rumänisch-Moldawische als gemeinsame Amtssprache mit der Intention der Vergemeinschaftung und Systemstabilisierung des vielsprachigen Landes bestimmt (Kiel, 2005, S. 112ff). Zudem sollte eine Anpassung des Bildungssystems innerhalb der verschiedenen ethnischen Volksgruppen und Sprachregionen erzielt werden (ebd., S. 118f). In der Tradition einer Einheitssprachenpolitik erhalten häufig ethnische Minderheitssprachen im Hinblick auf den Zugang zu Bildungschancen sowohl von Seiten der Lehrenden als auch der Bevölkerung wenig Zuspruch (Fürstenau & Gomolla, 2011, S. 13; Leung, 2009, S. 228). Nach Bourdieu (2005 [i. O. 1982]) fördert die Vereinheitlichung des Bildungswesens eine Hierarchie des bevorzugten Sprachgebrauchs, die den Zugang zu Bildungsabschlüssen steuert sowie Minderheitssprachen und Dialekte entwertet (ebd., S. 54f). Die Tendenz zur höherwertigen sprachlichen Angleichung zeigt sich auch im international globalisierten Raum. So schafft die Beherrschung der englischen Sprache Zugang zur weltweiten Kommunikation in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Damit wird im Sinne Bourdieus durch die ‚Vereinheitlichung des Marktes‘ eine neue ‚legitime Hochsprache‘ hervorgehoben (Bourdieu, 2005 [i. O. 1982], S. 50ff). Diese wird entweder durch Zugehörigkeit zu einer politisch, wirtschaftlich und wissenschaftlich

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4 Theoretische Generalisierung

bedeutsamen englischen Sprachgemeinschaft oder durch die Berechtigung zum höheren Bildungsweg als Fremdsprache erworben. Trotz historischer Machtpositionen und sprachlicher Einheitskonstellationen konnten demgegenüber andere Sprachen, wie etwa das Russische oder das Türkische, aufgrund des Wertverlustes als Migrationssprachen keine globalen Sprachmärkte anhaltend beherrschen. Ausrichtung auf kulturelle Vielfalt versus monokulturelle Mehrheitsausrichtung Neben der Sprache existieren weitere distinktive kulturelle Merkmale, die von den Menschen einer Gemeinschaft kollektiv verstanden werden, wie z. B. soziale Verhaltensweisen, Erziehungsmuster, Alltagsrituale oder Visualisierungen. Kultur stellt ein Orientierungssystem für das Individuum und für die Gruppe dar (Thomas, 2005, S. 22). Durch das kollektive Fühlen, Denken, Handeln und Bewerten erfolgt eine Sinnstiftung hinsichtlich umgebender Personen und Gegenstände sowie Ereignisfolgen, Prozessabläufen und Verhaltenskonsequenzen (ebd.). Kulturelle Interaktionen, materielle und symbolische Produkte sowie geistige Erzeugnisse können nach der Theorie Bourdieus als ‚kulturelles Kapital‘ bezeichnet werden (Thompson, 2005, S. 16). Bourdieu (1983) unterscheidet dazu drei Arten des Kulturkapitals. Das ‚inkorporierte Kulturkapital‘ entwickelt sich vor allem als Wissen und Bildung zu einem Bestandteil des Individuums (ebd., S. 187). Das ‚objektivierte Kulturkapital‘ kann als Kulturgut materiell oder symbolisch erworben und übertragen werden (ebd., S. 189). Das ‚institutionalisierte Kulturkapital‘ wird von der Gemeinschaft offiziell als Zertifikate und Bildungstitel anerkannt und bestätigt (ebd., 190). Demnach ergeben sich höhere Wertigkeiten an kulturellem Kapital, wenn nicht nur eine kulturelle Ausprägung durch das Individuum ausgebildet wird und diese Merkmale individuelle Beständigkeit erfahren, sondern mit einem kulturellen Gut auch Profit erzielt werden kann bzw. ein Kulturgut durch gesellschaftliche Einrichtungen allgemeine Wertschätzung erfährt und in ‚ökonomisches Kapital‘ (ebd.) eingetauscht werden kann. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher kultureller Wertigkeiten existieren auch im Zusammenhang mit Migration verschiedene Theorien, die kulturelle Transformationsprozesse beschreiben und entweder stärker den Pluralismus mit Berücksichtigung ethnisch-kultureller Vielfalt akzentuieren oder vielmehr die Assimilierung in die Mehrheitsgesellschaft betonen (Han, 2018, S. 8ff). Demzufolge kann die Ausrichtung auf kulturelle Vielfalt in einem interdependenten und dynamischen Spannungsverhältnis zwischen dem ‚Eigenen‘ und dem ‚Fremden‘ eingeordnet werden (Schütte, 2018, S. 15). So bewegen sich entsprechende Diversitätsprozesse in einem Raum, in dem sowohl ‚eigene‘ als auch ‚fremde‘ Anteile miteinander in Beziehung gesetzt werden (ebd.). In einem Verständnis intersubjektiver Prozesshaftigkeit ermöglichen interkulturelle Erfahrungen und Beziehungen, die eigenen Identitäten und ethnischen Verpflichtungen zu bewahren und gleichzeitig in kulturelle Dimensionen von anderen einzudringen (Bennett, 2016, S. 13). Dabei werden Elemente der Herkunftskultur in die fremde Umgebung eingebracht und durch die Interaktion mit

4.1 Sprachlich-kulturelle Dimensionen

97

den Menschen des Einwanderungslandes modifiziert und neu zusammengefügt (Hassan, 2012, S. 146). In den Schnittmengen bildet sich ‚Gemeinsames‘, das Befremdung, Verunsicherung und Abgrenzung überwinden lässt (Schütte, 2018, S. 15). Dabei treten nicht statische Zustände zwischen zwei Polen, sondern dynamische Entwicklungsaspekte in Bezug auf interkulturelle Sensibilität in Erscheinung, die als fortlaufende gegenseitige Anpassung an das gemeinsam geschaffene soziale Umfeld zu verstehen sind (Bennett, 2016, S. 13). Nach dieser Auffassung bilden Menschen mit Migrationserfahrung oder Migrationshintergrund keine starren kulturellen Zugehörigkeiten, sondern vielmehr hybride kulturelle Identitäten (Hassan, 2012, S. 146). Zudem bauen zugewanderte Personen und deren Nachkommen eigene transnationale Netzwerke auf (ebd.). Insofern können Personen mit Migrationshintergrund plurilokal und variabel verortet sein (Reimann, 2017, S. 17) und vollkommen neue kulturelle Identitäten hervorbringen (Hassan, 2012, S. 146). Um aus der kulturellen Vielfalt Gewinn schöpfen zu können, müssen demnach Polarisierungen und statische Festschreibungen überwunden werden. Hierzu ordnet das konstruktivistische ʻDevelopmental Model of Intercultural Sensitivity’ (DMIS) von Bennett (2016) verschiedene Differenzerfahrungen von ethnozentrierten bis ethnorelativierenden Perspektiven ein. Dabei ist die geringste Wertschätzung kultureller Diversität darin zu sehen, dass kulturelle Verschiedenheit als nicht existent oder irrelevant behandelt wird (Denial). Wenig Anerkennung kultureller Vielfalt ist auch bei einer polarisierenden oder existenzbedrohenden Wahrnehmung kultureller Eigenheiten zu erkennen (Defense). Erste Ansätze zur Sensibilisierung von Vorurteilen sind dann festzustellen, wenn kulturelle Unterschiede als Variationen universeller menschlicher Eigenschaften aufgefasst werden (Minimization). Darüber hinaus können sich Sichtweisen ausbilden, welche die Vielfalt von Merkmalen in unterschiedlichen kulturellen Gruppen akzeptieren (Acceptance), wobei hiermit noch keine Wertschätzung garantiert ist. Achtung und Wertschätzung kultureller Vielfalt kann sich erst entwickeln, wenn die Berechtigung anderer kultureller Lebensformen bewusst einbezogen wird und authentische alternative Verhaltensmöglichkeiten entwickelt werden (Adaption). Die höchste Umsetzung kultureller Diversität wird erreicht, sobald kulturelle Verschiedenheit zur Normalität wird (Integration) und institutionelle Wertschätzung erfährt (ebd., S. 10f). In Anlehnung an das DMIS entwickelte Schütte (2018, 2016) zur Erweiterung des Kulturverständnisses im Rahmen von Professionalisierungsprozessen das dynamisch und durchlässig verstandene Stufenmodell kommunikativer interkultureller Kompetenz (KIK). Damit werden die Entwicklungsstufen Negierung, Abwehr, Minimierung, Akzeptanz, Adaptierung und Integration beschrieben, die Menschen beim Erwerb kommunikativer interkultureller Kompetenz durchlaufen (Schütte, 2018, S. 188ff). Schütte (2016) belegt anhand biographischer Selbstreflexionen von Studierenden und beruflich tätigen Personen sprachpädagogischer und sprachtherapeutischer Professionen, dass durch Auslandsaufenthalte ein Zuwachs an kommunikativer interkultureller Kompetenz erwartet werden kann und dass die Themen Fremd-

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4 Theoretische Generalisierung

sein, Fremdbestimmung und Identitätskonflikt im Erwerbsprozess interkultureller Kompetenz eine Rolle spielen (Schütte, 2018, S. 194ff). Interkulturelle Erfahrungen im Spannungsfeld zwischen Negierung und Integration können auch auf den vorschulischen und schulischen Bereich entsprechend übertragen werden. Sowohl auf der Seite der Kinder und Jugendlichen als auch auf der Seite der erwachsenen Bezugspersonen sind Auseinandersetzungen mit Fremdheitsgefühlen, Machtlosigkeit und kulturellen Konflikten notwendig, um Sensibilität für kulturelle Diversität im Bildungsraum zu entwickeln. Außerdem sollten der Vielfältigkeit und Brüchigkeit kultureller Lebensentfaltungen von Lernenden ähnliche interkulturell wahrnehmbare Konstellationen von Lehrenden und Erziehenden gegenüberstehen, damit das Konzept der Hybridität in Bildungsinstitutionen etabliert wird (Bozay, 2016, S. 305; Hassan, 2012, S. 150). Allerdings finden sich derartige Konstellationen noch viel zu wenig in deutschen Bildungseinrichtungen (s. Kap. 2.2.3). Insbesondere gewinnt eine monokulturelle Mehrheitsausrichtung an Zuspruch in der Bevölkerung, wenn sich ethnischkulturelle Herkunftsbezüge im Alltag, Beruf oder Bildungssystem nicht als Vorteil auszeichnen und keine erhöhten Chancen für gesellschaftliche Teilhabe und Bildungserfolg versprechen (u.a. Allemann-Ghionda et al., 2010, S. 8f; Esser, 2009, S. 71ff; Heimler, 2018, S. 8f). Dieser Trend offenbart sich beispielsweise in der Übernahme kulturell populärer Praktiken der Mainstream-Gesellschaft, wie das Zelebrieren von Weihnachten oder Halloween unabhängig von religiösen Anbindungen. „Der Einschluß, die Bestätigung der Zugehörigkeit verleiht Sicherheit, stellt insofern so etwas wie ein Antiserum gegen Vereinzelung, Atomisierung, Entwurzelung – oder, anders gewendet, das Herausfallen aus Netzen – dar“ (Kreutzner, 2003, S. 353). Ähnliche Tendenzen zur Homogenisierung und Angleichung an die Mehrheit sind auf dem Arbeitsmarkt festzustellen, da eine interkulturelle Orientierung den professionellen Status in der Regel nicht erhöht und ethnische Ressourcen nur in wenigen beruflichen Nischen gebraucht und abgerufen werden (Esser, 2009, S. 84). Gleichfalls reproduziert das Bildungssystem aufgrund ethnischer Pädagogisierung entweder ein Bedürfnis nach Selbstpositionierung mit angepasster Bildungsaffinität (Bozay, 2016, S. 297f) oder einen Rückzug in die Selbstethnisierung mit verstärkter Zuwendung zu Minderheitspraktiken und Identifikation mit der Herkunftskultur (ebd., S. 303). Vor allem durch Problematisierungen im Bereich interkultureller Pädagogik sowie durch ethnisierende Vergemeinschaftungen werden im Bildungsbereich Ungleichheiten und Diskriminierung immer wieder neu erzeugt (Hormel, 2011, S. 97). Anhand einer Fallstudie zeigt Akbaba (2013) auf, dass selbst eine Lehrkraft mit Migrationshintergrund Differenzordnungen reproduziert, wenn sie einseitige migrationsspezifische Identifikationen und Zuschreibungen der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund unterstützt. Die Thematisierung von Besonderheit und Außergewöhnlichkeit durch die Lehrkraft sowie die Inszenierung ihrer spezifischen Zugehörigkeit zu den Kindern birgt paradoxerweise ebenfalls ein Risiko zur Stereotypisierung (ebd., S. 191ff).

4.1 Sprachlich-kulturelle Dimensionen

99

Durch die einseitige Beschreibung von Anpassungsleistungen der Menschen mit Migrationshintergrund wird das komplexe Zusammenleben heterogener Gruppen reduziert (Zeoli, 2012, S. 163) und allein auf die tonangebende Mehrheit ausgerichtet. Bourdieu (1987 [i. O. 1979]) spricht vom ‚Klassenhabitus‘ als einheitsstiftendes Erzeugungsprinzip und als aufgezwungene Anpassungsprozesse. Dabei handelt es sich um ein System homogener Handlungsmuster. Entsprechende klassenspezifische Habitusformen sichern den Besitz an Gütern und Macht (ebd., S. 175). Im Kontext der Kindertagesstätte ist vergleichbar ein systemstabilisierender Habitus des pädagogischen Personals vorzufinden, indem pädagogische Fachkräfte das Deutsche als Bildungssprache in den Vordergrund rücken und damit zum Erhalt traditioneller Sprach- und Kommunikationspraktiken beitragen. Aufgrund der hohen bildungsbezogenen Bedeutungszuschreibung des Deutschen gilt es auch für Fachkräfte mit Migrationshintergrund quasi als ethische Verpflichtung, allen Kindern den Zugang zu kulturellen Werten der deutschen Mehrheit zu sichern. Demzufolge stagniert die Einbeziehung eines kultursensiblen Handelns in der Kita als nachrangiges Zugeständnis an Kinder, Eltern und Fachkräfte mit Migrationshintergrund, was sich oft nur als Alibi in Willkommens- und Begrüßungskulturen oder als ethnische Nische mit folklorisierenden Bezügen wiederspiegelt. Mit einer aufgezwungenen kulturellen Ausrichtung auf die Mehrheitsgesellschaft wird die Mitwirkung von Minderheitsgruppen am gesellschaftlichen System und die strukturelle Integration erschwert (Banks, 2017, S. 366). Werte des Systems werden möglicherweise nicht vollständig verinnerlicht, keine starke Identität entwickelt, wenig Wirksamkeit erworben oder partikularistische Gruppenbedürfnisse im Widerstand dazu hervorgehoben (ebd.). Im Bildungskontext zeichnet sich hierzu häufig das Bild von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund als Bildungsverlierer ab. So stehen Kindertagesstätten und Schulen weiterhin vor der Herausforderung, Ungleichheitsverhältnisse und Differenzsetzungen bezüglich der Migrationsbevölkerung auszugleichen. Zusammenfassend sind in Bezug auf die Dimension der Kultur Diversitätsprozesse zwischen Ausrichtungen auf sprachliche und kulturelle Vielfalt oder Tendenzen zur sprachlichen und kulturellen Homogenisierung festzustellen. Dabei überschneiden sich sprachliche und kulturelle Aspekte, indem Sprache eng mit Kultur verknüpft ist und Sprache selbst ein distinktives Merkmal von Kultur darstellt. Insofern bilden Mehrsprachigkeit und Interkulturalität letztlich eine Einheit und sind ganzheitlich als sprachlich-kulturelle Kompetenz zu verstehen (Lüdtke, 2014, S. 28; Schütte, 2018, S. 12). Überdies ist sprachlich-kulturelle Diversität gleichzeitig dynamisch und prozesshaft zu sehen. Sprachlich-kulturelle Diversitätsprozesse vollziehen sich einerseits interdependent zwischen Individuen und Gruppen untereinander sowie zwischen der einzelnen Person und größeren kollektiven Systemen. Diesbezüglich werden je nach Perspektive gegenseitige Differenzen akzentuiert oder Gleichheiten bestätigt (Kim, 2009, S. 55). Hierbei werden Sichtweisen im Sinne von ‚Wir‘ und ‚Nicht-Wir‘ verhandelt (Kim, 2009, S. 55; Simon, 2016, S. 170). Andererseits erfolgen Diversitätspro-

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4 Theoretische Generalisierung

zesse in fortwährender Weiterentwicklung des Einzelnen in der Lebensspanne sowie in Veränderungsabläufen innerhalb der Gesamtgesellschaft. Durch die Fortentwicklung interkultureller Kompetenz des Individuums und der Gesellschaft kann sich wiederum eine ‚Einheit der Vielfalt‘ (Erll & Gymnich, 2014, S. 29) bilden.

4.2

Zusammenfassung und Folgerungen

Je nach Größe, Einfluss, Rechten und Ressourcen einer Migrationsgruppe werden sich ihre Mitglieder als Individuen oder als Gruppe unterschiedlich im Akkulturationsprozess engagieren (Berry, 2017, S. 20). Außerdem spielen individuelle und gruppenbezogene Einstellungen, Motive, Wertorientierungen und Kompetenzen auf der Seite der Zuwandernden bzw. Zugewanderten wie auch auf der Seite der einheimischen Bevölkerung eine Rolle, wie sich sprachlich-kulturelle Diversitätsprozesse ausprägen und sich im Zuge des Migrationsverlaufes verändern (ebd.). In diesem Zusammenhang ergeben sich Stabilisierungs- oder Destabilisierungsprozesse (Lüdtke, 2012a, S. 67ff), die sich auf das Erleben und Handeln der Menschen in der Migrationsgesellschaft auswirken (s. Tab. 5, S. 100).

Tab. 5:

Dimensionen zwischen Stabilisierung und Destabilisierung von Menschen mit mehrsprachigen und interkulturellen Bezügen (modifiziert nach Lüdtke, 2012a, S. 79)

Dimensionen

Individuum

Gesellschaft

Kultur

Stabilisierung sprachlich-kultureller Identität, Teilhabe und Diversität

Destabilisierung sprachlich-kultureller Identität, Teilhabe und Diversität

Sprachlich-kulturelle Identitätsbildung:

Sprachlich-kulturelle Identitätsauflösung:

▪ Psycho-physische Ressourcenorientierung

▪ Psycho-physische Defizitorientierung

▪ Raumbezogene Sicherheiten

▪ Raumbezogene Verunsicherungen

▪ Soziale Anbindungen

▪ Soziale Isolierungen

▪ Normative Bezüge

▪ Normative Verstöße

▪ Situative Passung

▪ Situative Nicht-Passung

▪ Machtvolle Positionen

▪ Machtlose Positionen

Sprachlich-kulturelle Teilhabe:

Sprachlich-kulturelle Nicht-Teilhabe:

▪ Normeinhaltung und Assimilierung

▪ Normverletzung und Separierung

▪ Aneignung von Werten und Integration

▪ Entwertung und Marginalisierung

▪ Sicherung und Ausbau von Erträgen

▪ Benachteiligung und Diskriminierung

Sprachlich-kulturelle Diversität:

Sprachlich-kulturelle Homogenität:

▪ Ausrichtung auf sprachliche Vielfalt

▪ Monolinguale Mehrheitsausrichtung

▪ Ausrichtung auf kulturelle Vielfalt

▪ Monokulturelle Mehrheitsausrichtung

4.2 Zusammenfassung und Folgerungen

101

Aufgrund unterschiedlicher Konstellationen kann auf verschiedenen Identitätsdimensionen die sprachlich-kulturelle Identität eines Individuums gestärkt oder geschwächt werden. Außerdem wird die sprachlich-kulturelle Teilhabe in der Gesellschaft durch Normbezüge, Besitzverhältnisse und Kontrollpraktiken im sprachlich-kulturellen Bereich in der Verknüpfung mit Akkulturationsprozessen unterstützt oder verhindert. Überdies wird die Entwicklung sprachlich-kultureller Diversität mit Bezug zur Kulturdimension aufgrund von Bestrebungen zur Vielfalt oder Tendenzen zur Homogenisierung beeinflusst. Je nachdem welche räumlich-strukturellen Perspektiven hinsichtlich der Bezugskreise des Individuums zum Kollektiv eingenommen werden, können unterschiedliche multiple Identitäten sowie Zugehörigkeiten zu Gesellschaften und Kulturen entstehen. Kollektive Identitäten beziehen sich auf konzentrische Unter- und Überordnungen mit einer aufbauenden Inklusivität, z. B. gemeinschaftliche Identität eines Stadtteiles, einer Stadt, eines Staates, eines Erdteiles oder der Welt (Simon, 2016, S. 170). Außerdem können individuelle, familiäre, professionsbezogene, lokale, regionale, nationale oder globale Sprachidentitäten ausgebildet werden (Pehar, Miletić & Radoš, 2016, S. 53). Ferner können sich parallele, komplexe und hybride Mehrfachidentitäten entwickeln (Simon, 2016, S. 170). Gleichfalls existieren verschiedene Zuordnungen zu Kulturen, wie Familienkulturen, Regionalkulturen oder Nationalkulturen (Layes, 2005, S. 117), z. B. kann eine Person mit einer russisch-deutschen oder türkisch-deutschen Migrationskonstellation gleichzeitig Mitglied eines pädagogischen Teams und einer Freizeitorganisation sein. Neben der Sicht auf ineinandergreifende Sprach- und Kulturräume ist auch eine zeitlich-prozesshafte Perspektive notwendig, um Migrationsauswirkungen auf das Individuum, die Gesellschaft und die Kultur interpretieren zu können. Identität und Kultur sind nicht nur als Zustand des ‚Seins‘, sondern als Vorgang des ‚Werdens‘ zu verstehen (Wicker, 2012, S. 162). So kann die gesellschaftliche Welt als ‚akkumulierte Geschichte‘ betrachtet werden (Bourdieu, 1983, S. 183). Mit Bezug auf Migration vollziehen sich Prozesse vom interkulturellen Kontakt über ethnokulturelle, intersubjektive und intrasubjektive Veränderungen zu unterschiedlichen Ausprägungen sprachlich-kultureller Diversität (Berry, 2017, S. 26). Hierbei spielt eine entscheidende Rolle, ob sprachlich-kulturelle Identifikations-, Teilhabe- und Diversitätsprozesse als Bedürfnis nach Sicherheit vom Individuum bzw. der Gruppe selbst ausgehen oder als Zwang von außen zum Machterhalt erfolgen. Dementsprechend können sich jeweils Varianten mit positiver oder negativer Konnotation entfalten, z. B. ‘melting pot’ als gewünschte lebendige Vergemeinschaftung im Gegensatz zu ‘pressure cooker’ als erzwungene sprachlich-kulturelle Anpassung an eine gesellschaftliche Einheit (Berry, 2017, S. 24). Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass Entwicklungen und Prozesse der mehrsprachigen und interkulturellen Arbeit im Elementarbereich durch das Verhalten der einzelnen pädagogischen Fachkraft, des Teams sowie der konzeptionellen Ausrichtung der Einrichtung und des gesamten Systems frühkindlicher Bildung unter-

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4 Theoretische Generalisierung

stützt, verändert oder gehemmt werden. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass diese Prozesse jeweils von einer individuellen und kollektiven Historie beeinflusst werden.

5

Ableitungen und Annahmen

Aus den bisher herausgearbeiteten Fundierungen, Konzeptualisierungen und Theorien zum Konstrukt sprachlich-kultureller Diversität im Kontext frühpädagogischer Arbeit (s. Kap. 2, 3 u. 4) ergeben sich Ableitungen und Annahmen über den professionellen Nutzen von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität pädagogischer Fachkräfte, welche im fünften Kapitel in den wesentlichen Punkten zusammengefasst und für die empirische Planung orientierend festgehalten werden. Dabei verdichten sich die Ausgangsgedanken der vorliegenden Arbeit, dass Mehrsprachigkeit und Interkulturalität bedeutsame Potenziale pädagogischer Fachkräfte zur sprachlich-kulturell diversitätssensiblen Ausrichtung in der Kindertagesstätte darstellen. Inwieweit diese Potenziale von pädagogischen Fachkräften unter den vorliegenden Bedingungen und Einflüssen tatsächlich verfügbar sind und ausgeschöpft werden können, zeichnet sich durch erste Hinweise im Bereich der Professionalisierung aus Praxiserfahrungen, empirischer Forschung und Theoriebildung ab. Allerdings bestehen zu den Merkmalen pädagogischer Fachkräfte, die zur Ressourcennutzung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität letztlich von Vorteil sind, noch erhebliche Forschungslücken. Potenziale pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität In den dargelegten Proportionen des Migrationsgeschehens in Deutschland wird deutlich, dass Mehrsprachigkeit und Interkulturalität längst ein bestimmendes Thema im gesellschaftlichen Leben und im Bildungsbereich einnehmen. Jedoch schafft die ungleiche Verteilung zwischen erwachsenen Bezugspersonen und Kindern sowie zwischen den pädagogisch tätigen Fachpersonen untereinander mit mehrsprachigen und einsprachigen Bezügen bzw. mit und ohne Migrationshintergrund ein umfassendes und komplexes sprachlich-kulturelles Mismatch (u.a. Licandro & Lüdtke, 2012, S. 289) in vorschulischen und schulischen Einrichtungen (s. Kap. 2.2). Hierbei bilden sich die Proportionen sprachlicher und kultureller Merkmale nicht identisch zur Gesellschaft ab. Ebenso stellen sich Bildungsbedingungen für Kinder sowie Arbeitsbedingungen für Erziehende und Lehrende im Zusammenhang mit Migrationsmerkmalen noch nicht chancengleich dar (u.a. Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 170f). Dementsprechend treten Potenziale hinsichtlich sprachlich-kultureller Vielfalt bislang zu wenig gewinnbringend in Erscheinung. Diese Herausforderungen im Bildungsbereich bedürfen eines besonderen Augenmerks, um sprachlich-kulturelle Diversität als Vorteil realisieren zu können. Hierfür benötigen pädagogische Fachkräfte spezifische Kompetenzen im Kontext sprachlichkultureller Diversität (u.a. PPMI, 2017, S. 23). Diese Kompetenzen lassen sich in die Bereiche der Haltung gegenüber Mehrsprachigkeit und Interkulturalität, des Wissens über Mehrsprachigkeit und Interkulturalität sowie des mehrsprachigen und interkulturellen Handlungsrepertoires gliedern (s. Kap. 3.2). Diesbezüglich scheinen mehr-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3_5

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5 Ableitungen und Annahmen

sprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund spezifische Fähigkeiten hinsichtlich ihrer Erstsprache sowie ihrer Erfahrungen des Mehrsprachigkeitserwerbs und Migrationshintergrundes aufzuweisen (u.a. Akbaş & Leiprecht, 2015b, 30ff). Für die Forschung ergibt sich deshalb die Fragestellung, in welchen Ausprägungen diese Kompetenzen bei pädagogischen Fachkräften mit Mehrsprachigkeitsund Migrationsbezügen gegenüber einsprachigen Fachkräften ohne Zuwanderungsgeschichte als Potenzial vorliegen. Zudem ist von Interesse, welche Rolle mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund im Kontext sprachlichkultureller Diversität in der frühpädagogischen Arbeit mit den Kindern sowie in der Zusammenarbeit im Team und in der Wechselwirkung mit dem System administrativer bzw. politischer Vorgaben und Bedingungen spielen (s. Kap. 3.4). Da hierzu nur wenige empirische Befunde vorliegen sowie bisher kaum Konzepte zur Einbeziehung sprachlich-kultureller Potenziale mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte mit Migrationshintergrund erprobt und systematisch ausgewertet wurden, bedarf es eingehender Analysen, um den resultierenden Handlungsbedarf auf verschiedenen Ebenen der Elementarpädagogik zu ermitteln (Preiß, 2013, S. 57). Dazu sind vor allem qualitative Forschungsausrichtungen geeignet, um vorhandene Potenzialausprägungen zu identifizieren und Mechanismen der Ausschöpfung bzw. der Zurückhaltung von Kompetenzpotenzialen zu ergründen. Besonderes Forschungsinteresse liegt dabei in subjektiven Sichtweisen pädagogischer Fachkräfte, welche vertiefte Einblicke in Perspektiven des Handelns, Fühlens und Denkens von Akteurinnen und Akteuren in der frühpädagogischen Praxis gewähren. Vor dem Hintergrund der Migrationsproportionen in Deutschland gelten pädagogische Fachkräfte mit interkulturellen und mehrsprachigen Hintergründen in den Sprachenkonstellationen Russisch-Deutsch und Türkisch-Deutsch (u.a. Statistisches Bundesamt, 2017, S. 7) als wertvolle Expertinnen und Experten im Kontext sprachlich-kultureller Diversität der Elementarpädagogik (s. Kap. 2.2.1 u. 2.3.3). Um einer diversitätssensiblen Forschungsausrichtung gerecht zu werden, sind unbedingt partizipatorische Ansätze im Forschungsdesign umzusetzen. Entwicklung sprachlich-kultureller Potenziale pädagogischer Fachkräfte durch Professionalisierung Auf der Basis des derzeitigen Forschungsstandes besteht ein weiteres spezifisches Erkenntnisinteresse im Hinblick auf die Potenzialentwicklung pädagogischer Fachkräfte (u.a. Knappik & Dirim, 2012, S. 93) durch Prozesse der Professionalisierung (s. Kap. 3.3). Explizit steht im Fokus des vorliegenden Forschungsvorhabens das Erkenntnisinteresse, wie pädagogische Fachkräfte ihre mehrsprachigen oder einsprachigen Kompetenzen als auch ihre unterschiedlichen kulturellen Bezüge bei der Sprachbeobachtung von mehrsprachig und interkulturell aufwachsenden Kindern einsetzen und durch Qualifizierung ausbauen können. Mit entsprechenden Ergebnissen soll belegt werden, ob und wie mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund Vorteile in die frühpädagogische

5 Ableitungen und Annahmen

105

Arbeit im Sinne des Diversity Managements einbringen können. Es soll explizit die Annahme verfolgt werden, dass pädagogische Fachkräfte dazu beitragen können, Beobachtungen und Diagnosen zur Mehrsprachigkeitsentwicklung von Kindern mit Migrationshintergrund zu verbessern. Mit einem adäquaten Einblick in den Erwerb und Gebrauch der Erstsprachen und in die Gesamtsprachpraxis der Kinder im Sinne des Translanguaging (u.a. García, 2017, S. 17; Montanari et al., 2015, S. 80ff) können Erwerbsproblematiken im Zweitspracherwerb oder genuine Sprachentwicklungsstörungen der Kinder frühzeitig aufgedeckt und Fördermaßnahmen eingeleitet werden (s. Kap. 2.3.1 u. 2.3.2). Qualifizierungen im Rahmen von Interventionen in Forschungsprojekten müssen hierzu die notwendigen diversitätssensiblen Kompetenzstrukturen im Bereich der mehrsprachigen und interkulturellen Entwicklung einbeziehen. Außerdem sind selbststärkende Kompetenzentwicklungsprozesse zu initiieren. Auch hierbei ist zu bedenken, dass eine pädagogische Fachkraft in der Regel nicht unbeeinflusst von kollektiven und systemischen Faktoren an Qualifizierungen teilnimmt (u.a. SchmidtHertha, 2014, S. 46f). Es bedarf einerseits der Ausbildung des expliziten Wissens und andererseits des Rückgriffs auf implizite Wissensbestände durch Praxiserfahrungen (u.a. Fröhlich-Gildhoff et al., 2014, S. 80). Insofern sind möglichst realitätsnahe Erhebungs- und Auswertungsmethoden beispielsweise durch Fallbearbeitungen im Forschungsvorhaben zu integrieren. Merkmale pädagogischer Fachkräfte zur Ressourcennutzung im Kontext sprachlichkultureller Diversität Im Weiteren ist auf der Erkenntnisgrundlage von Stabilisierungs- und Destabilisierungsprozessen (s. Kap. 4.1) in den Dimensionen der Person, der Gesellschaft und der Kultur (Lüdtke, 2012a, S. 61ff) die Ergebnisgenerierung zur Potenzialentwicklung und zur Ressourcennutzung pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlichkultureller Diversität zu verstehen. Diesbezüglich entfalten sich sprachlich-kulturelle Potenziale zu Ressourcen innerhalb komplexer, vielschichtiger und dynamischer Konstellationen und Mechanismen (u.a. Geisen, 2018, S. 46f). Entsprechende Bedingungsgefüge und Prozesse können beteiligt sein, wenn mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund ihre Kompetenzpotenziale ausbauen sowie gewinnbringend einsetzen und wenn das Kita-Team sowie das Bildungssystem diese Kompetenzen wertschätzend eingliedern. So besteht beispielsweise ein Bedürfnis der Menschen mit Migrationshintergrund nach sprachlich-kultureller Sicherheit und Vergemeinschaftung in Subgruppen und -kulturen. Da hiermit Separierung, Machtlosigkeit und Entwertung einhergehen kann, kann ebenso der Wunsch nach Anpassung und Integration innerhalb der Mehrheitsgruppe festgestellt werden. Demgegenüber zeigt die einheimische Gesellschaft die Tendenz nach Sicherung bestehender Werte und homogener sprachlich-kultureller Ausrichtung insbesondere im Bildungssystem. In diesem Zusammenhang wird eine Anerkennung sprachlich-

106

5 Ableitungen und Annahmen

kultureller Vielfalt erschwert und wiederum eine Ausgrenzung der Migrationsgruppen forciert (s. Kap. 4.1). Diesbezüglich liegen weitere ungeklärte Forschungsaspekte vor. Es stellt sich die Frage, welche sprachlich-kulturellen Merkmale pädagogischer Fachkräfte sich besonders für die frühpädagogische Arbeit im Kontext sprachlich-kultureller Diversität auszeichnen. Außerdem ist bislang noch nicht eindeutig erschlossen, inwieweit Unterschiede in bestimmten Konstellationen der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität bei pädagogischen Fachkräften vorliegen. Ferner ist zur Erforschung relevant, in welchem Maße die Potenzialentwicklung und Ressourcennutzung von Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität von persönlichen, kollektiven oder administrativ-politischen Bezugspunkten beeinflusst werden. Letztlich gilt es auch zu untersuchen, welche Auswirkungen Aspekte der persönlichen Sprach-, Lebens- und Berufsbiographie auf die Ressourcennutzung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität haben.

6

Methode – Forschungsdesign der BiKES-Studie

In den Ableitungen und Annahmen über das Potenzial und die Ressourcennutzung von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität im Elementarbereich im professionellen Kontext pädagogischer Fachkräfte zeigen sich wichtige Perspektiven zur Konzeption einer qualitativ ausgerichteten Forschungsarbeit (s. Kap. 5). Auf der Basis dieser Hinweise wurde das Dissertationsvorhaben im Rahmen des Forschungsprojektes ‚Entwicklung professioneller Selbstkompetenz und Stärkung sprachlich-kultureller Potenziale bilingualer ErzieherInnen‘ (Kurzbezeichnung: BiKES – Potenziale bilingual-bikultureller ErzieherInnen stärken) geplant und durchgeführt. Im folgenden fünften Kapitel wird der empirische Aufbau der BiKES-Studie vermittelt. Dazu wird zunächst das forschungsleitende Erkenntnisinteresse mit den drei Forschungsschwerpunkten und den entsprechenden wissenschaftlichen Fragestellungen dargelegt (s. Kap. 6.1). Danach wird der Erhebungs- und Analyseplan der Studie vorgestellt (s. Kap. 6.2). In der anschließenden Erläuterung des Stichprobendesigns wird transparent gemacht, welche Kriterien für die Zellenbesetzung herangezogen wurden (s. Kap. 6.3). Ferner werden Qualitätskriterien aufgezeigt, die im Forschungsprojekt beachtet wurden (s. Kap. 6.4). Um die ermittelten Forschungsergebnisse korrekt einordnen zu können, werden die Instrumente und Methoden der Datengewinnung und der Analyse erklärt (s. Kap. 6.5). Dabei werden die methodischen Schritte der fokussierten leitfadengestützten Expertinnen- und Experteninterviews einschließlich der Auswertung nach der qualitativen Inhaltsanalyse und die Arbeit mit Fallvignetten im Ein-Gruppen-PräPost-Design sowie die Typisierung innerhalb der Ergebnistriangulation aufgezeigt.

6.1

Erkenntnisinteresse

Mit der hauptsächlich qualitativ ausgerichteten BiKES-Studie wurde verfolgt, Potenziale pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität zu generieren. Außerdem war beabsichtigt, die Nutzung entsprechender Potenziale als Ressource zur Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder zu untersuchen. Dabei sollten Merkmalstypen pädagogischer Fachkräfte hinsichtlich erfolgreicher Sprachbeobachtung ermittelt werden. Vor dem Hintergrund dieses Erkenntnisinteresses wurden korrespondierende Schwerpunkte im Forschungsvorhaben gesetzt (s. Kap. 6.1.1) und leitende Forschungsfragen differenziert formuliert (s. Kap. 6.1.2). 6.1.1

Forschungsschwerpunkte

Die BiKES-Studie gliederte sich in drei Forschungsschwerpunkte. Während der erste Schwerpunkt eine Interviewerhebung mit pädagogischen Fachkräften umfasste, wurde im zweiten Schwerpunkt eine Intervention durch eine Qualifizierungsmaßnahme

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3_6

108

6 Methode

mit denselben Fachkräften verfolgt. Mit einer Zusammenführung der Ergebnisse des ersten und zweiten Forschungsschwerpunktes ergab sich ein weiterer dritter Forschungsschwerpunkt (s. Abb. 8, S. 108).

Abb. 8:

I.)

34

Forschungsschwerpunkte der BiKES-Studie im Überblick

Im ersten Forschungsschwerpunkt bestand die Zielsetzung, subjektive Ausgangspotenziale pädagogischer Fachkräfte aufzudecken (s. Abb. 8, S. 108). Nachdem im Vorfeld eine Pilotphase durchgeführt wurde, fanden Interviews mit bilingualen34 und monolingualen pädagogischen Fachkräften mit unterschiedlichen kulturellen Bezügen statt (s. Kap. 6.2.1, 6.5.1 u. 7). Die Fachkräfte wurden zu ihren Zugängen und Einstellungen zur pädagogischen Arbeit mit mehrsprachigen Kindern befragt. Die leitfadengestützten Expertinnen- und Experteninterviews erfolgten vor dem Hintergrund vergleichbarer und selbstreflektierter Kommunikationssituationen der pädagogischen Fachkräfte mit Kindern. Zur Teilnahme an den Interviews konnten pädagogische Fachkräfte Die an der BiKES-Studie teilnehmenden russisch-deutschsprachigen und türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte werden als bilingual bezeichnet, da hier explizit die Sprachenkonstellationen Russisch-Deutsch bzw. Türkisch-Deutsch gemeint sind.

6.1 Erkenntnisinteresse

109

(n = 18) mit den Erstsprachen Russisch, Türkisch und Deutsch von 15 frühpädagogischen Bildungseinrichtungen aus der Stadt und der Region Hannover als Interviewgruppe gewonnen werden (s. Kap. 6.3.1). II.)

Der zweite Forschungsschwerpunkt zielte auf eine Untersuchung, wie pädagogische Fachkräfte die Erst- und Zweitsprache von Kindern einschätzen und welche Schlüsse sie daraus im Hinblick auf Fördermaßnahmen ziehen (s. Abb. 8, S. 108). Damit sollte ermittelt werden, wie vorhandene sprachlichkulturelle Potenziale ausgeschöpft und gesteigert werden können. Hierzu wurden die teilnehmenden pädagogischen Fachkräfte während einer Qualifizierungsmaßnahme begleitet und exemplarisch die Entwicklung der Fähigkeiten zur Beobachtung mehrsprachiger Kinder vor und nach der Intervention im Rahmen von Fallvignetten und dazu eingesetzten Beobachtungsbögen untersucht (s. Kap. 6.2.2, 6.5.2 u. 8). An der Qualifizierungsmaßnahme nahmen dieselben pädagogischen Fachkräfte (n = 18) aus der ersten Erhebungsphase nunmehr als Interventionsgruppe teil (s. Kap. 6.3.1). Zusätzlich waren pädagogische Fachkräfte (n = 18) aus drei weiteren Kindertagesstätten in unterschiedlichen Gebieten Niedersachsens als Referenzgruppe am Forschungsvorhaben beteiligt (s. Kap. 6.3.2). Die Referenzgruppe nahm nicht an der Qualifizierung teil, sondern erhielt im Anschluss an die Erhebung einen Studientag.

III.)

Im dritten Forschungsschwerpunkt sollten typische Merkmale ermittelt werden, die einen Einfluss auf die Qualifizierung zur erfolgreichen Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder haben (s. Abb. 8, S. 108). Dazu wurden die verschiedenen Datensorten der ersten und der zweiten Erhebungsphase im Sinne einer Triangulation miteinander verknüpft, um im Rahmen einer Typisierung von Profilen pädagogischer Fachkräfte einen weiteren Erkenntnisgewinn zu erzielen (s. Kap. 6.2.3, 6.5.3 u. 9).

6.1.2

Forschungsfragen

Analog zu den drei Forschungsschwerpunkten ergaben sich drei grundlegende wissenschaftliche Fragestellungen, die im Rahmen des Forschungsprojektes zu beantworten waren: I.)

Welche Potenziale lassen sich im Bereich mehrsprachiger interkultureller frühpädagogischer Arbeit bei pädagogischen Fachkräften mit unterschiedlichen sprachlich-kulturellen Hintergründen ermitteln?

II.)

Wie entwickeln sich Sprachbeobachtungskompetenzen pädagogischer Fachkräfte im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität durch eine Qualifizierungsmaßnahme?

III.)

Welche typischen Merkmale zu Entwicklungspotenzialen und zur Ressourcennutzung sind im Prozess der Kompetenzentwicklung pädagogischer Fach-

110

6 Methode

kräfte zur sicheren Beurteilung sprachlicher Fähigkeiten und Fördernotwendigkeiten mehrsprachiger Kinder zu erkennen? Theoriegeleitet und auf bisherige Annahmen gestützt werden im Folgenden die drei grundlegenden Fragestellungen ausdifferenziert, um auf diese in der Ergebnisdarstellung im Hinblick auf den Erkenntnisfortschritt detailliert eingehen zu können (Mayring, 2015, S. 60).

Zu I.) Potenziale im Bereich mehrsprachig-interkultureller frühpädagogischer Arbeit Die Frage, wie pädagogische Fachkräfte ihre professionellen Handlungsmöglichkeiten mit mehrsprachigen Kindern mit Migrationshintergrund wahrnehmen und welche Momente als Potenziale in Erscheinung treten, war Gegenstand der Auswertung der Expertinnen- und Experteninterviews. Die Äußerungen der pädagogischen Fachkräfte zur frühpädagogischen Arbeit im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität können als Selbstkonstruktionen verstanden und kompetenzorientiert in Aspekte zur Haltung, zum Wissen und zum Handlungsrepertoire eingeordnet werden (s. Kap. 3.2). Nach dieser Einteilung wurden folgende Fragen im ersten Forschungsschwerpunkt verfolgt: I. 1)

Welche Haltungen zeigen pädagogische Fachkräfte gegenüber der Arbeit mit Kindern im mehrsprachigen interkulturellen Kontext und welche Einflüsse ergeben sich hierzu durch lebens-, berufs- und sprachbiographische Erfahrungen?

I. 2)

Auf welches Wissen können pädagogische Fachkräfte zurückgreifen, wenn sie mit mehrsprachigen Kindern interagieren und auf welchen Kenntnissen basieren die Einschätzungen pädagogischer Fachkräfte zu kindlichen mehrsprachigen Fähigkeiten?

I. 3)

Welches Handlungsrepertoire hinsichtlich sprachlich-kommunikativer Strategien setzen pädagogische Fachkräfte in Interaktionssituationen mit mehrsprachigen Kindern ein?

Subjektive Konstruktionen pädagogischer Fachkräfte bilden sich allerdings nicht losgelöst von Einflüssen ihres Umfeldes, sondern erfolgen in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und kulturellen Bezügen (Lüdtke, 2012a, S. 61ff). So denken und handeln pädagogische Fachkräfte nicht nur aus der unmittelbaren IchPerspektive der Fachkraft, sondern auch in der kollektiven Beziehung zum Team der Kindertagesstätte sowie innerhalb des größeren bildungspolitischen, administrativen, gesellschaftlichen und kulturellen Systems (s. Kap. 3.4). Deshalb wurden die forschungsleitenden Fragen zum Potenzial der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires weiter nach unterschiedlichen Bezugsebenen in den Argumentationen der pädagogischen Fachkraft differenziert:

6.1 Erkenntnisinteresse

I. 4)

111

In welchen Zusammenhängen argumentieren pädagogische Fachkräfte vor allem aus der persönlichen Fachkraft-Perspektive, aus der Sicht des KitaTeams oder in Bezug auf das System der Bildungspolitik, der Organisation des Bildungswesens und der Gesellschaft?

Da mit einer Begrenzung auf bilinguale pädagogische Fachkräfte nur ein kleiner Teil der personellen Möglichkeiten im Elementarbereich angesprochen wäre (u.a. FuchsRechlin & Strunz, 2014, S. 45), bestand die Notwendigkeit, bilinguale wie auch monolinguale Ausgangskompetenzen zu untersuchen und die Fragestellung auf das gesamte Potenzial des pädagogischen Personals in der Kindertagesstätte auszuweiten: I. 5)

Wie nehmen pädagogische Fachkräfte ihre Haltung, ihr Wissen und ihr Handlungsrepertoire im mehrsprachigen interkulturellen Kontext der Elementarpädagogik im Zusammenhang mit der jeweiligen sprachlich-kulturellen Konstellation wahr?

Zu II.) Entwicklung von Sprachbeobachtungskompetenzen im Qualifizierungsprozess Weiter galt es zu überprüfen, inwieweit Potenziale zur frühpädagogischen Arbeit im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität von den pädagogischen Fachkräften durch die Qualifizierung genutzt und ausgebaut wurden. Hierzu lag der Fokus auf der Kompetenzentwicklung zur Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder. Für den zweiten Schwerpunkt des Forschungsprojektes ergaben sich somit folgende wissenschaftliche Detailfragen: II. 1) In welchem Maße erfassen bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte linguistische und kommunikative Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder? II. 2) Wie sicher schätzen bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte die Erstsprachfähigkeiten mehrsprachiger Kinder ein? II. 3) Wie sicher beurteilen bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte die Fähigkeiten im Zweitspracherwerb Deutsch bei mehrsprachigen Kindern? II. 4) Auf welcher fachlichen Grundlage erkennen und unterscheiden bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte sowohl einen erschwerten Deutschspracherwerb als auch eine genuine Sprachentwicklungsstörung in der Erstund Zweitsprache bei mehrsprachigen Kindern und welche Förderempfehlungen leiten die Fachkräfte daraus ab? Diese Fragen sollten vor allem in Bezug auf Veränderungen von Kompetenzen und Sicherheiten pädagogischer Fachkräfte in der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder im Rahmen des Qualifizierungsprozesses beantwortet werden. Gleichzeitig sollten auch mögliche Unterschiede aufgedeckt werden, die im Zusammenhang mit bestimmten Sprachkonstellationen stehen können. Zur kontrollierten Studiendurchführung wurde die Variationsbreite an Sprachkonstellationen begrenzt. Die Erstspra-

112

6 Methode

chen der pädagogischen Fachkräfte waren Russisch, Türkisch oder Deutsch (s. Kap. 6.3.1). Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Arbeit eine weitere Frage beantwortet: II. 5) Wie verändern sich Kompetenzen und Sicherheiten bilingualer und monolingualer pädagogischer Fachkräfte in der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder im Vergleich vor und nach einer Qualifizierungsmaßnahme?

Zu III.) Merkmale zu Entwicklungspotenzialen und zur Ressourcennutzung Schließlich sollte ermittelt werden, wodurch die Kompetenzentwicklung pädagogischer Fachkräfte zur Beobachtung und Einschätzung mehrsprachiger Kinder besonders beeinflusst wurden. Diesbezüglich waren im dritten Forschungsschwerpunkt abschließend zwei weitere Fragen relevant: III. 1) In welchem Maße erweist sich die Bilingualität oder die Monolingualität pädagogischer Fachkräfte bei der Beurteilung sprachlicher Fähigkeiten und Fördernotwendigkeiten mehrsprachiger Kinder von Vorteil? III. 2) Welche typischen Merkmale zeichnen sich bei pädagogischen Fachkräften ab, die durch eine Qualifizierung besondere Sicherheit in der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder erlangten?

6.2

Erhebungs- und Analyseplan

In der Struktur der skizzierten drei Forschungsschwerpunkte wurde der Erhebungsund Analyseplan der 18-monatigen BiKES-Studie konzipiert (s. Abb. 9, S. 113). So wurde innerhalb des ersten Forschungsschwerpunktes eine Interviewerhebung mit pädagogischen Fachkräften zur Ermittlung ihrer Ausgangspotenziale zu Mehrsprachigkeit und Interkulturalität durchgeführt (s. Kap. 6.2.1). Im Anschluss daran erfolgte im zweiten Forschungsschwerpunkt eine Intervention im Rahmen einer Qualifizierungsmaßnahme mit denselben pädagogischen Fachkräften (s. Kap. 6.2.2). Nach den beiden Erhebungsphasen wurden die jeweiligen Ergebnisse in einer Triangulation im dritten Forschungsschwerpunkt zusammengeführt und eine Typisierung von Profilen pädagogischer Fachkräfte vorgenommen (s. Kap. 6.2.3).

6.2 Erhebungs- und Analyseplan

Abb. 9:

Erhebungs- und Analyseplan der BiKES-Studie

6.2.1

Forschungsschwerpunkt I – Interviewerhebung

113

Mit einer Interviewerhebung wurde im ersten Forschungsschwerpunkt herausgearbeitet, welche Potenziale bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte in der frühpädagogischen Arbeit mit Kindern im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität wahrnehmen und einsetzen (s. Forschungsfragen I. 1–5). Zur Sicherung einer erfolgreichen Durchführung wurde eine Pilotphase vorangestellt. Die anschließende Auswertung erfolgte im Wesentlichen nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse.

114

6 Methode

Pilotphase In der Pilotphase35 (s. Abb. 9, S. 113) wurden der Aufbau des Interviewleitfadens und die Methode der Interviewdurchführung getestet, da Informationen für eventuelle Überarbeitungen notwendig sind (Gläser & Laudel, 2010, S. 107). Um Verfälschungen in der Haupt-Interviewerhebung zu vermeiden (ebd., S. 108), wurden für die Vorstudie keine pädagogischen Fachkräfte der Interviewgruppe herangezogen. Dennoch mussten die ausgewählten Fälle der Pilotphase denen der Haupt-Interviewerhebung ähneln (ebd.). Deshalb wurden zwei russisch-deutschsprachige sowie drei türkisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte aus fünf Kindertagesstätten in der Stadt Hannover ausgesucht, die eine 18-monatige Weiterbildungsmaßnahme zur Sprachförderkraft absolviert hatten. Diese Probandinnen kamen somit nicht für die Interviewgruppe in Frage, wiesen jedoch mit ihren verfügbaren Erstsprachen und der abgeschlossenen Erzieherinnenausbildung vergleichbare Merkmale zu den Personen der Interviewgruppe auf. Die Vorstudie enthielt alle methodischen Bausteine wie in der Haupt-Interviewerhebung: Videographien, Selbstreflexionen, fokussierte leitfadengestützte Expertinnen- und Experteninterviews, Transkriptionen und qualitative Inhaltsanalyse (s. Kap. 6.5.1). Die Pilotphase bestätigte einen effektiven Erhebungsablauf und führte zu aussagekräftigen Ergebnissen, sodass die Haupt-Interviewerhebung wie geplant durchgeführt werden konnte. Interviewerhebung Für die Interviewerhebung (s. Abb. 9, S. 113) wurde als bedeutsam erachtet, einen Bezug zu vergleichbaren, konkreten und selbst erlebten Praxissituationen aller befragten pädagogischen Fachkräfte herzustellen. Diese konkreten persönlichen Anknüpfungspunkte dienten über die videostimulierte Selbstreflexion als fokussierter Gesprächsanlass. In der Angleichung einer Interviewform mit videogestützten Selbstkonfrontationen zur Erforschung von Beratungs- und Therapieinteraktionen nach Breuer (2000) folgten alle Interviews einem Ablaufschema, das ebenso in der pädagogischen Interaktionsforschung Anwendung findet: 

Videoaufzeichnung einer Interaktionssituation mit einer Probandin bzw. einem Probanden;



Konfrontation der Probandin bzw. des Probanden mit der videographierten Interaktionssituation;

35

Die Vorstudie erfolgte im Rahmen von drei studentischen Projektarbeiten im Masterstudiengang Sonderpädagogik und Rehabilitationswissenschaften mit dem Schwerpunkt Sprach- und Kommunikationstherapie sowie zwei Masterarbeiten für das Lehramt Sonderpädagogik an der Leibniz Universität Hannover unter der Betreuung des Projektleiters und Autors der vorliegenden Arbeit. Dank gilt Cassandra Drösemeier, Sarah Klosner, Anja Shaw, Elisabeth Strahler und Alen Zarifovic für die Bereitstellung ihrer Ergebnisse.

6.2 Erhebungs- und Analyseplan



115

Befragung der Probandin bzw. des Probanden zu den erinnerten Handlungsanteilen während der Interaktionssituation (Breuer, 2000; Böhme, 2004, S. 135f).

Dementsprechend wurden in der BiKES-Studie Videographien von vergleichbaren Kommunikationssituationen mit jeder pädagogischen Fachkraft, die an der Interviewerhebung teilnahm, und einem Kind mit russisch-deutschem oder türkischdeutschem Sprachhintergrund in der Kindertagesstätte erstellt (s. Kap. 6.5.1.1; s. Abb. 9, S. 113). Im Vorfeld konnten sich die pädagogischen Fachkräfte auf zwei 15minütige Kommunikationssettings mit einem Bilderbuch und mit einer Spielsituation vorbereiten und einstellen. Nach Beendigung der beiden Kommunikationssituationen wurde jeder pädagogischen Fachkraft die Videoaufnahme am Laptop mit der Bitte vorgeführt, ihr Handeln zu kommentieren und zu reflektieren. Diese Selbstreflexionen der pädagogischen Fachkräfte waren Ausgangspunkt der direkt anschließenden fokussierten leitfadengestützten Expertinnen- und Experteninterviews (Gläser & Laudel, 2010; s. Kap. 6.5.1.2; s. Abb. 9, S. 113). Der Erhebungsablauf – von der Videoaufzeichnung bis zum Interview – fand für jede pädagogische Fachkraft separat an einem individuell vereinbarten Termin in ihrer Kindertagesstätte statt. Die gesamte Interviewerhebung erstreckte sich über einen Zeitraum von vier Monaten. Auswertungsphase Alle Interviews wurden per Video aufgezeichnet,36 um die Reproduzierbarkeit für eine wortgetreue schriftliche Überführung der Aussagen der befragten pädagogischen Fachkräfte als Transkription zu gewährleisten (Dresing & Pehl, 2010; s. Kap. 6.5.1.3; s. Abb. 9, S. 113). Die Analyse der transkribierten Interviews erfolgte im Wesentlichen in den methodischen Schritten der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2016, 2015, 2010b; s. Abb. 9, S. 113). In einigen Schritten wurde die Auswertungsmethode an das Forschungsziel der BiKES-Studie angepasst, um zu einer intrapersonalen Profilbildung von Fällen (n = 18) zu gelangen (s. Kap. 6.5.1.4). Dabei wurde innerhalb eines belegten systematischen Interraterprozesses durch zwei Beurteilende die Objektivität der Ergebnisse erhöht. Alle intrapersonalen Profile der befragten pädagogischen Fachkräfte wurden in einem weiteren Auswertungsschritt miteinander verglichen. Hierzu wurden zwischen den Fachkräften ähnliche Aspekte in den genannten Themen kategorisiert und gebündelt sowie als interpersonale Profilbildung zusammengestellt (s. Kap. 6.5.1.5). Die Interviewauswertung lieferte Ergebnisse zu Ausgangspotenzialen des pädagogischen Handelns pädagogischer Fachkräfte im Kontext Mehrsprachigkeit und Interkul-

36

Als Aufzeichnungsgerät wurde ein Camcorder (Canon LEGRIA HF M41) verwendet.

116

6 Methode

turalität. Zudem ergaben sich Hinweise auf notwendige Qualifizierungsinhalte und Methoden für die Intervention in der zweiten Forschungsphase. 6.2.2

Forschungsschwerpunkt II – Intervention

Im zweiten Forschungsschwerpunkt sollte ermittelt werden, wie sich die Potenziale der pädagogischen Fachkräfte im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität für die Einschätzung sprachlicher Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder veränderten (s. Forschungsfragen II. 1–5). Dazu wurde ein Qualifizierungskurs für pädagogische Fachkräfte der Interviewgruppe zum Themenbereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität evaluiert. Um qualitative Veränderungen in den Kompetenzen der teilnehmenden pädagogischen Fachkräfte analysieren zu können, wurden Fallvignetten eingesetzt. Hierbei sollten die pädagogischen Fachkräfte auf Beobachtungsbögen vor und nach der Qualifizierungsmaßnahme ihre Sprachbeobachtungen notieren. Die Ergebnisse einer Referenzgruppe wurden zum Beleg der Zuverlässigkeit des Verfahrens herangezogen. Qualifizierungskurs Für die pädagogischen Fachkräfte der Interviewgruppe wurde in der zweiten Forschungsphase ein Qualifizierungskurs (s. Abb. 9, S. 113) mit einem Fortbildungsvolumen von 40 Stunden konzipiert. Diese Qualifizierungsmaßnahme wurde vom Forschungsteam an zehn vierstündigen Vormittagsterminen im wöchentlichen Rhythmus an der Leibniz Universität Hannover durchgeführt. Aus theoretischen Forschungserkenntnissen konnte abgeleitet werden, dass die Qualifizierung folgende konzeptionelle Aspekte enthalten sollte: 

Austausch von Haltungen zu Mehrsprachigkeit und Interkulturalität sowie Wertschätzung mehrsprachig-interkultureller Hintergründe der Teilnehmenden (s. Kap. 3.2.2);



Aufbau von Wissen zu Mehrsprachigkeit sowie zur Struktur und zum Erwerb der relevanten Erstsprachen Russisch und Türkisch bzw. der Zweitsprache Deutsch (s. Kap. 2.3.1 u. 3.2.3);



Differenzierung des Handlungsrepertoires zur Beobachtung und Förderung der mehrsprachigen Entwicklung von Kindern einschließlich der Erarbeitung von Indikatoren zur gezielten Sprachbeobachtung im Russischen und Türkischen (s. Kap. 2.3.2 u. 3.2.4).37

Die Qualifizierungsmaßnahme wurde demzufolge in zehn thematische Kursblöcke gegliedert, wobei die ersten beiden Blöcke als Einführung in die Intervention fungier37

Den pädagogischen Fachkräften der Interventionsgruppe wurden innerhalb der Qualifizierungsmaßnahme Indikatoren im Bereich des russischen und türkischen Wortschatzes sowie der Grammatik als Referenzrahmen vermittelt (s. Kap. 2.3.2).

6.2 Erhebungs- und Analyseplan

117

ten (s. Tab. 6, S. 117). Vor dem dritten und nach dem letzten Kurstag waren die Termine für die Fallvignettenarbeit vorgesehen.

Tab. 6:

Themen und Inhalte der BiKES-Qualifizierungsmaßnahme

Kursblock

Thema

Inhalt

(à 4 Stunden)

1

Potenziale in der Gruppe

2

Perspektiven zur Qualifizierungsmaßnahme

MZP1

▪ Spurensuche zur Sprach-, Lebens- und Berufsbiographie ▪ Meinungsbildung zur pädagogischen Arbeit im mehrsprachigen und interkulturellen Kontext ▪ Perspektiven für Fortbildungsbausteine zur eigenen Stärkung ▪ Stärken, Probleme und Wünsche in der pädagogischen Arbeit mit mehrsprachigen Kindern ▪ Kooperative Entwicklung von Bausteinen für Qualifizierungsinhalte

Fallvignetten zum Messzeitpunkt 1 (Pre-Test) ▪ Eigene interkulturelle Spurensuche ▪ Sprachliche Diversität in der Gesellschaft ▪ Interkulturelle Arbeit in der Kindertagesstätte

3

Interkulturelle Pädagogik in der Kindertagesstätte

4

Sprache und Kommunikation – ▪ Strukturen der Sprache Dimensionen der Mehrsprachig- ▪ Dimensionen und Erwerbsphänomene der Mehrsprachigkeit keit ▪ Förderansätze

5

Sprachliche Strukturen der deutschen Sprache

6

▪ Besonderheiten des Russischen mit Identifizierungshilfen Sprachliche Strukturen der rus▪ Transferprozesse Russisch – Deutsch sischen Sprache ▪ Spiele, Bewegungsaktionen und Lieder in russischer Sprache

7

Sprachliche Strukturen der türkischen Sprache

▪ Besonderheiten des Türkischen mit Identifizierungshilfen ▪ Transferprozesse Türkisch – Deutsch ▪ Spiele, Bewegungsaktionen und Lieder in türkischer Sprache

8

Netzwerke und Arbeit im Team

▪ Aufgabe, Rolle und Platz als ExpertIn für Mehrsprachigkeit im Team der Kindertagesstätte ▪ Elternarbeit

9

Erschwerter Mehrsprachigkeits▪ Abweichungen im Mehrsprachigkeitserwerb erwerb oder genuine Spra▪ Diagnostische Hilfen chentwicklungsstörung

▪ Lautbildung und Lautdifferenzierung (Artikulation) ▪ Wortschatz und Wortbedeutungen ▪ Satzbildung und Formveränderungen (Grammatik) 38

39

10 MZP2

Sprachbeobachtung und Ableitungen für die Förderung

▪ Förderdiagnostische Struktur ▪ Rekonstruktion der Sprachbeobachtung eines eigenen Kindes in der Kindertagesstätte ▪ Individuelle Fördervorschläge

Fallvignetten zum Messzeitpunkt 2 (Post-Test)

38

Als Identifizierungshilfen im Russischen wurden russische Tiernamen und die Konjunktion потому что [patamúʃta] (= weil) vermittelt (Soultanian, Mihaylov & Reich, 2008, S. 206, 215; s. Kap. 2.3.2).

39

Als Identifizierungshilfen im Türkischen wurden türkische Tiernamen und die Konjunktion çünkü (= weil) vermittelt (Sirim, 2008, S. 233, 244; s. Kap. 2.3.2).

118

6 Methode

Es wurde darauf geachtet, dass der Qualifizierungsprozess durch die pädagogischen Fachkräfte mitbestimmt werden konnte, um dabei ein hohes Maß an eigener Ressourcennutzung zu gewährleisten. Deshalb lagen die Schwerpunkte für die Gruppenmitglieder des Kurses an den ersten beiden Qualifizierungsterminen zunächst darin, sich der individuellen Potenziale für die frühpädagogische Arbeit mit mehrsprachig und interkulturell aufwachsenden Kindern bewusst zu werden (s. Tab. 6, S. 117). Außerdem sollten die Kursteilnehmenden die Selbstwahrnehmung ihrer Potenziale innerhalb unterschiedlicher Expertinnen- bzw. Expertenzirkel im Austausch abgleichen. Dazu wurden Diskurse in Kleingruppen mit jeweils drei Personen zu ähnlichen Biographie-Merkmalen (statistische Drillinge, s. Kap. 6.3.1) sowie Expertinnenbzw. Expertendiskussionen in den Erstsprachgruppen geführt. Ferner wurde die Gruppe dazu angeleitet, ihre inhaltlichen und methodischen Vorstellungen für die Qualifizierungsmaßnahme mitzuteilen. Die pädagogischen Fachkräfte gaben regelmäßig zu Beginn und am Ende der Kursblöcke Rückmeldungen zu den geplanten bzw. durchgeführten Inhalten und Methoden. Fallvignetten und Beobachtungsbögen Damit Veränderungen der pädagogischen Fachkräfte bezüglich der frühpädagogischen Arbeit im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität beobachtet und beschrieben werden konnten, wurde bewusst nur ein Ausschnitt des möglichen Kompetenzspektrums ausgewählt. Dementsprechend fokussierte die Intervention durch die Qualifizierungsmaßnahme gezielt die Kompetenz pädagogischer Fachkräfte, geeignete Förderperspektiven für mehrsprachige Kinder anhand des Einblickes in die Erst- und Zweitsprachentwicklung abzuleiten. Diese Kompetenz erlangt vor allem mit Blick auf pädagogisch-therapeutische Schnittstellen eine besondere Bedeutung (s. Kap. 1.4). Sowohl im Übergang der Kinder von der Kindertagesstätte in die Grundschule als auch in der gegenseitigen Unterstützung pädagogischer und therapeutischer Maßnahmen nehmen pädagogische Fachkräfte eine wichtige Rolle in der sprachdiagnostischen Kooperation ein. Vor diesem Hintergrund wurden zu einem Messzeitpunkt vor der Qualifizierungsmaßnahme (Pre-Test) und zu einem Messzeitpunkt nach der Intervention (Post-Test) mit den pädagogischen Fachkräften jeweils vier Fallvignetten bearbeitet (s. Abb. 9, S. 113). Die Fallbeispiele in den Fallvignetten setzten sich aus zwei Kindern mit der Erstsprache Russisch und zwei Kindern mit der Erstsprache Türkisch zusammen. Von beiden Kindergruppen wies wiederum jeweils ein Kind einen erschwerten Zweitspracherwerb im Deutschen und das andere Kind eine genuine Sprachentwicklungsstörung sowohl in der Erst- als auch Zweitsprache auf (s. Kap. 6.5.2.2). Die Fallvignetten wurden den pädagogischen Fachkräften in Form von Videoclips präsentiert (Auspurg, Hinz & Liebig, 2009; Schnurr, 2003). Um qualitative Veränderungen in der Herangehens- und Beurteilungsweise der pädagogischen Fachkräfte herauszuarbeiten, wurden die Ergebnisse der beiden Mess-

6.2 Erhebungs- und Analyseplan

119

zeitpunkte verglichen. Die Datenerhebung erfolgte mittels eines Beobachtungsbogens, der speziell für die Studie entwickelt wurde (s. Abb. 9, S. 113). Auf diesem BiKES-Beobachtungsbogen (s. Kap. 6.5.2.3) notierten die pädagogischen Fachkräfte ihre Einschätzungen über die Sprachentwicklung der beobachteten Kinder. Die freien schriftlichen Aufzeichnungen der pädagogischen Fachkräfte wurden kriterienorientiert ausgewertet (ebd.; s. Kap. 6.5.2.4). Referenzmaß Wie zuvor erläutert entspricht die Vorgehensweise im zweiten Forschungsschwerpunkt einem Vorher-Nacher-Vergleich ohne Kontrollgruppe, um der vorliegenden Praxis und Realität der sozialen Zusammenhänge gerecht werden zu können (Fröhlich-Gildhoff, 2012, S. 45). Der Schwerpunkt in dieser Forschungsphase bestand in der qualitativen Beschreibung von Potenzialentwicklungen. Zusätzlich wurde eine Gruppe pädagogischer Fachkräfte ausgewählt, die als Referenzgruppe ebenso zu den beiden Messzeitpunkten dieselben Fallvignetten bearbeiteten, ohne an der Qualifizierung teilgenommen zu haben (s. Abb. 9, S. 113). Die Merkmale der Referenzgruppe waren so weit wie möglich zur Interventionsgruppe parallelisiert (s. Kap. 6.3.1. u. 6.3.2). Mit den Ergebnissen der Referenzgruppe sollte ein Nachweis geschaffen werden, dass sich die Methode der Fallvignettenbearbeitung als Erhebungsinstrument zur Ermittlung von Sprachbeobachtungskompetenzen von bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften eignet (s. Kap. 6.5.2.5). 6.2.3

Forschungsschwerpunkt III – Triangulation

Abschließend sollte im dritten Forschungsschwerpunkt durch eine Triangulation von Ergebnissen (s. Abb. 9, S. 113) herausgefunden werden, welche Potenzialmerkmale bei pädagogischen Fachkräften eine besonders qualifizierte Sprachbeobachtung von Kindern im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität begünstigen können (s. Forschungsfragen III. 1–2). Dazu wurden die Resultate der Fallvignettenarbeit aus dem zweiten Forschungsschwerpunkt (s. Kap. 8) zur Grundlage genommen, um die Aussagen der Interviewerhebung im ersten Forschungsschwerpunkt (s. Kap. 7) im Fokus einer Typisierung vertiefend zu analysieren. Hierbei wurden zunächst pädagogische Fachkräfte ausgewählt, die sich nach der Qualifizierungsmaßnahme in der Fallvignettenbeurteilung sehr sicher erwiesen (s. Kap. 8). Die Interviewergebnisse dieser pädagogischen Fachkräfte wurden dann im Sinne einer idealtypischen Konstruktion (Kluge, 2000; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 379f) weiter ausgewertet. Die Profile der pädagogischen Fachkräfte aus den Interviews wurden somit nachbetrachtend typisiert (s. Kap. 9.1). Anschließend wurden zwischen den typisierten Profilen Vergleiche gezogen und Ähnlichkeiten und Abweichungen herausgearbeitet. Damit konnten Fachkräfte-Typen ermittelt werden, die bei der Sprachbeobachtung von mehrsprachig und interkulturell aufwachsenden Kindern besondere

120

6 Methode

Entwicklungspotenziale und eine vorteilhafte Ressourcennutzung aufweisen (s. Kap. 9.2).

6.3

Stichprobendesign

Vor dem Hintergrund des Erkenntnisinteresses (s. Kap. 6.1) und des im Schwerpunkt qualitativ angelegten empirischen Erhebungs- und Analyseplans der BiKES-Studie (s. Kap. 6.2) ist die Zusammenstellung der Stichprobe nach inhaltlicher Repräsentativität von hoher Bedeutung. Das Forschungsziel verfolgt dabei, das Allgemeine im Phänomen des Einzelfalls zu erkennen (Schreier, 2010, S. 239f). So ist von Belang, wie sich dieser Sachverhalt als Typus herausstellt (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 383). Das qualitative Forschungsprojekt konzentriert sich demnach auf die vertiefte Untersuchung von Einzelfällen im mittleren Stichprobenumfang zwischen 6 und 30 Fällen (Hellferich, 2009, S. 173). Je weniger Personen in die Studie einbezogen werden, desto genauer kann die qualitative Analyse erfolgen (Mayring, 2016, S. 42). Die Zahl der Fälle, die empirisch untersucht werden kann, steht dabei auch im Zusammenhang mit dem Zeitplan und dem Bearbeitungsvolumen der Forschung (Gläser & Laudel, 2010, S. 101). Bei der Stichprobengröße der Interview- bzw. Interventionsgruppe (n = 18) bzw. insgesamt mit der Referenzgruppe (n = 36) wäre die Zusammenstellung der Probandinnen und Probanden nach probabilisti-schen Verfahren als Zufallsstichprobe ungeeignet, da zufällige Stichprobenfehler hier zu Verzerrungen führen würden (Kelle & Kluge, 2010, S. 42; Schreier, 2007, S. 236). Daher ist eine gezielte Fallauswahl40 unter Einbezug relevanter Fälle notwendig. Die Fallauswahl wird im Weiteren im Hinblick auf die Interview- bzw. Interventionsgruppe (s. Kap. 6.3.1) sowie auf die Referenzgruppe erläutert und begründet (s. Kap. 6.3.2). 6.3.1

Interview- bzw. Interventionsgruppe

Für die Fallauswahl zur Erhebung der Interviews und der Intervention innerhalb der Qualifizierungsmaßnahme kamen pädagogische Fachkräfte mit einer Tätigkeit in einer Kindertagesstätte, in einer Krippe oder in einem Hort in Frage. Wie im Erhebungsplan vorgesehen, wurden die Interviewgruppe und die Interventionsgruppe über den gesamten Forschungsverlauf mit denselben Personen besetzt und sind letztlich als eine einzige Gruppe zu verstehen. Da sich die Analyseergebnisse (s. Kap. 7 u. 8) ausschließlich auf diesen Personenkreis beziehen, wird hauptsächlich nur von „pädagogischen Fachkräften“ gesprochen. Die Bezeichnungen „Interview 40

Obwohl es sich in der qualitativen Forschung bei der Zusammenstellung von Versuchspersonengruppen um eine Fallauswahl handelt (Schreier, 2010, S. 238), wird in der Literatur ebenso von der Stichprobenziehung gesprochen. Im Weiteren werden beide Begriffe synonym und nicht in der Abgrenzung qualitativer oder quantitativer Ansätze verwendet.

6.3 Stichprobendesign

121

gruppe“ oder „Interventionsgruppe“ werden lediglich dann verwendet, wenn ausdrücklich eine spezifische Zuordnung oder eine Abgrenzung zur Referenzgruppe verdeutlicht werden soll. Im Rahmen einer absichtsvollen Stichprobenziehung (Schreier, 2010, S. 241) war in der BiKES-Studie das Ziel, im qualitativen Sampling nach vorab festgelegten Kriterien möglichst alle Merkmale pädagogischer Fachkräfte einzubeziehen, die für die Fragestellung als relevant gelten (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 182). Dieses Vorgehen bietet sich an, wenn über den Gegenstand bereits Erkenntnisse vorliegen (Schreier, 2010, S. 246). Hierzu spielen in Anbetracht der Ressourcennutzung in der pädagogischen Arbeit mit mehrsprachigen Kindern vor allem sprachliche Konstellationen der pädagogischen Fachkräfte eine Rolle. Außerdem können weitere Merkmale zum biographischen und zum aktuellen Lebens- bzw. Berufsbereich als bedeutsam innerhalb von Professionalisierungsprozessen pädagogischer Fachkräfte angesehen werden (s. Kap. 2.3.3. u. 3.3). Grundbedingungen der Fallauswahl Pädagogische Fachkräfte weisen in ihrer Berufsrolle mit spezifischen Merkmalen ein bestimmtes Expertentum auf. Besonders bilinguale pädagogische Fachkräfte verfügen in Kindertagesstätten über ein spezielles Kontextwissen, das einen Status als Expertin bzw. Experte markiert (Gläser & Laudel, 2010, S. 12f; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 121). Fallgruppen mit Expertinnen und Experten eignen sich für die Theoriegenerierung (Lamnek & Krell, S. 687), die auch im vorliegenden Forschungsprojekt im Vordergrund stand. Bei den pädagogischen Fachkräften der Interview- bzw. Interventionsgruppe trat ein weiteres Merkmal hervor, das durch das Prinzip der Freiwilligkeit gegeben ist (s. Kap. 6.4.1). Der Grundsatz der freiwilligen Teilnahme an der Studie ist vor dem Hintergrund der Forschungsethik unbedingt einzuhalten. Strukturierung der Fallauswahl Auf der Basis der Grundbedingungen sind zur weiteren Strukturierung eines kriteriumsbasierten Samplings nach Ritchie, Lewis und Elam (2003) zwei Grundsätze zu verfolgen. Erstens sollen mit der Fallauswahl alle für den Forschungsgegenstand relevanten Merkmale abgedeckt werden. Zweitens ist sicherzustellen, dass unter jedem Merkmal eine Vielfalt an Ausprägungen und Extrempositionen vorhanden sind, um die Breite des Forschungsgegenstandes erfassen zu können (ebd., S. 79). Um die Erklärungskraft der Studie zu erhöhen, sollten also intervenierende Variablen bzw. Einflussfaktoren möglichst nicht variieren, hingegen sich die zentralen Variablen bzw. Einflussfaktoren voneinander unterscheiden (Gläser & Laudel, 2010, S. 98). Mit entsprechenden Vorgaben wurde im Forschungsprojekt ein Stichprobenplan angelegt, in dem Subgruppen mit bestimmten Merkmalen gebildet wurden. Die jeweiligen Gruppen wiesen im Hinblick auf die Erstsprachen der Personen zum einen ein ho-

122

6 Methode

mogenes Merkmal auf. Zum anderen lagen jeweils vergleichbare heterogene Binnenstrukturen vor, z. B. Altersmischung. In diesem Zusammenhang empfiehlt Schreier (2010) zur Entwicklung eines präzisen qualitativen Stichprobenplanes folgenden Ablauf: 

Im ersten Schritt werden Faktoren bestimmt, die sich auf das zu untersuchende Phänomen auswirken können.



Darauf wird im zweiten Schritt festgelegt, welche Ausprägungen dieser Faktoren im Stichprobenplan berücksichtigt werden sollen.



Der dritte Schritt beinhaltet die Kombination der Faktoren und ihre Ausprägungen in einer Kreuztabelle.



Schließlich wird in einem vierten Schritt geklärt, mit wie vielen Fällen jede Zelle besetzt sein soll (ebd., S. 245).

Bezüglich des ersten Schrittes zeichnete sich in der vorliegenden Studie das Merkmal der Bilingualität bzw. Monolingualität der pädagogischen Fachkräfte als möglicher beinflussender Faktor ab (s. Kap. 2.3.3). Von pädagogischen Fachkräften in Kindertagesstätten werden neben Deutsch am häufigsten die Sprachen Russisch und Türkisch gesprochen (Meyer, 2008, S. 36; Montanari, 2007, S. 55; Rühl, 2009, S. 20; Statistisches Bundesamt, 2017, S. 7; s. Kap. 2.2.1). Deswegen wurden im Stichprobenplan der Interview- bzw. Interventionsgruppe drei Subgruppen mit dem jeweiligen Merkmal einer identischen Erstsprache gebildet: je eine homogene Teilstichprobe mit pädagogischen Fachkräften mit der Erstsprache Russisch (RU), mit der Erstsprache Türkisch (TR) sowie mit der Erstsprache Deutsch (DE). Im zweiten Schritt der Entwicklung des Stichprobenplanes wurden Merkmale festgelegt, mit denen innerhalb der drei Subgruppen der Erstsprache Russisch, Türkisch und Deutsch eine größtmögliche Variation an Ausprägungen geschaffen werden konnte. Mit Bezug auf den Forschungsgegenstand wurden dazu drei Merkmalsbereiche mit einer möglichen Streubreite an Ausprägungen herausgefiltert (s. Tab. 7, S. 123). Einer der Merkmalsbereiche bezieht sich auf die Konstellation der sprachlichen Identität, die von den pädagogischen Fachkräften angegeben wurde. Es war davon auszugehen, dass sich das Niveau- und Dominanzverhältnis in den verfügbaren Sprachen der pädagogischen Fachkräfte unterschiedlich abzeichnet (Anstatt, 2009; Brizić, 2009; Haug, 2008; Reich & Roth, 2002). Ein anderer Merkmalsbereich umfasst lebensbiographische Kennzeichen der pädagogischen Fachkräfte, nämlich das Alter, das Geburtsland und das Kontaktalter mit dem Lebensmittelpunkt Deutschland, da sprachliches Handeln durch individuelle lebensgeschichtliche, gesellschaftliche und kulturelle Bezüge beeinflusst wird (Fix, 2010, S. 11; Lin-Huber, 2014, S. 47ff; Lüdtke, 2012a, S. 61ff).

6.3 Stichprobendesign Tab. 7:

123

Kombination der Merkmale zur Erstsprache mit den Ausprägungen der Sprachkonstellation, der Lebens- und der Berufsbiographie in der Interview- bzw. Interventionsgruppe Erstsprache Russisch

Sprachliche Identität

A) Sprachniveau- und Dominanzverhältnis

Erstsprache Türkisch xx xx xx xx xx xx

L1 > L2 L1 = L2 L1 < L2

xxxx xx

> 20 B1) Altersgruppe

Lebensbiographische Kennzeichen B2) Geburtsland

> 30 > 40 > 50 RU

xxxx x x xxxxxx

xxx xx xxx

TR DE

B3) Kontaktalter mit dem Lebensmittelpunkt Deutschland C1) Berufsabschluss

Berufsbiographie

0–5 6 – 17 18 ≤ EZ SA 0–4

C2) Berufsjahre

5 – 14 15 ≤

xxx xxx xxxxx x x xxxx x

xx xxxx xx xx x xx

Erstsprache Deutsch

xxxxxx x x xx xx

xxxxxx xxxxxx

xxxxxx x x xxxx

Merkmalsausprägungen pädagogischer Fachkräfte A)

= Erstsprache überwiegt (L1 > L2); Erst- u. Zweitsprache ausgeglichen (L1 = L2); Zweitsprache überwiegt (L1 < L2)

B1) = älter als 20 Jahre (>20); älter als 30 Jahre (>30); älter als 40 Jahre (>40); älter als 50 Jahre (>50) B2) = Sowjetunion und Nachfolgestaaten (RU); Türkei (TR); Deutschland (DE) B3) = Deutschland als Lebensmittelpunkt seit Kleinkindalter (0 – 5); seit Schulalter (6 – 17); seit Erwachsenenalter (18 ≤) C1) = Erzieherin bzw. Erzieher (EZ); Sozialassistentin bzw. Sozialassistent (SA) C2) = Berufsjahre mit geringer Anzahl (0 – 4); mit mittlerer Anzahl (5 – 14); mit hoher Anzahl (15 ≤)

Schließlich integriert ein weiterer Merkmalsbereich Aspekte der Berufsbiographie, denn das professionelle Handeln wird in unterschiedlicher Weise von der Berufsausbildung sowie von der beruflichen Erfahrung mitgeprägt (Akbaş und Leiprecht, 2015a, S. 226ff; Edelmann, 2006, 242ff). Hiermit bildet sich auch die typische Schichtung des Berufsfeldes nach den Ausbildungsabschlüssen „Erzieherin“ bzw. „Erzieher“ sowie „Sozialassistentin“ bzw. „Sozialassistent“ ab (Fuchs-Rechlin & Strunz, 2014, S. 6; s. Kap. 2.2.2). Das Merkmal des Geschlechts blieb bei den Kriterien zur Fallauswahl untergeordnet, da sich lediglich ein männlicher Erzieher für die Studienteilnahme interessierte. Die Einbeziehung eines männlichen Teilnehmers

124

6 Methode

entspricht allerdings der Genderasymmetrie im Professionsbereich der Elementarpädagogik41 und erweiterte die Variationsbreite der Fälle. Im dritten Schritt der Strukturierung des Stichprobenplanes wurden alle Merkmale mit den relevanten Ausprägungen miteinander kombiniert (s. Tab. 7, S. 123). In der Bandbreite der Merkmalsausprägungen konnte gewährleistet werden, dass sich die pädagogischen Fachkräfte der Interview- bzw. Interventionsgruppe innerhalb der jeweiligen Teilstichproben – abgesehen von der einheitlichen Erstsprachzuordnung – so weit wie möglich voneinander unterschieden. Die Kombinationsmöglichkeiten waren zwar unter den vorliegenden Akquise-bedingungen deutlich eingeschränkt. Dennoch wurden die Möglichkeiten maximal ausgeschöpft, da sich mit 24 pädagogischen Fachkräften etwas mehr für die Interview- und Qualifizierungsteilnahme interessierten, als für die Erhebung notwendig war. Die Kreuztabelle (s. Tab. 7, S. 123) gibt Aufschluss über die Kombinationsstruktur der Merkmale und ihre Ausprägungen. Alle Merkmale wurden auf der Grundlage der durchgeführten Biographieinterviews generiert (s. Anhang 2, S. 340 u. 3, S. 341). Der letzte und vierte Schritt zur Festlegung der Stichprobe der Interview- bzw. Interventionsgruppe beinhaltete die Klärung der Fallzahl und Zellenbesetzung. Um einen mittleren Fallzahlenumfang für eine qualitative Interviewerhebung zu erreichen (Hellferich, 2009, S. 173), wurde die Stichprobengröße von n = 18 bestimmt. Die Teilstichproben mit den Merkmalen der Erstsprache Russisch, Türkisch und Deutsch wurden mit jeweils sechs Fällen gleich groß besetzt. Damit die Gruppen trotz der unterschiedlichen Ausprägungen weiterhin vergleichbar blieben, wurden die Ausprägungen der verschiedenen Merkmale zwischen den Teilstichproben parallelisiert (s. Tab. 8, S. 125). Für die Parallelisierung wurde die Methode des statistischen Matchings (u.a. Bacher, 2002; Jaenichen, 2002, 392f) für das qualitative Sampling adaptiert. Für alle drei Teilstichproben wurde jeweils eine Person mit zueinander ähnlichen Merkmalsausprägungen zur sprachlichen Identität, zu den lebensbiographischen Kennzeichen sowie zur Berufsbiographie ausgewählt. Es wurden weitgehend übereinstimmende statistische Drillinge aus den unterschiedlichen Erstsprachen einander zugeordnet (s. Tab. 8, S. 125).42

41

Eine Sonderauswertung des Mikrozensus für das Jahr 2014 ergab ein Verhältnis von 4,7 % männlicher gegenüber 95,3 % weiblicher Fachkräfte in der Frühpädagogik (Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 330). In den letzten zehn Jahren konnte eine leichte Verschiebung der Genderasymmetrie zugunsten männlicher Fachkräfte beobachtet werden.

42

Das Matching erfolgte auf der Basismenge von 24 pädagogischen Fachkräften, die sich für die Studienteilnahme interessierten: elf russisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte, sechs türkisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte, sieben deutschsprachige pädagogische Fachkräfte (s. Anhang 2, S. 346). Die Kürzel zur anonymen Kennzeichnung der pädagogischen Fachkräfte setzen sich aus dem Erstsprachkennzeichen (RU = russisch-deutschsprachig, TR = türkischdeutschsprachig, DE= deutschsprachig) sowie der fortlaufenden Personenziffer, die in der Reihenfolge der durchgeführten Interviews vergeben wurde, zusammen.

6.3 Stichprobendesign Tab. 8:

125

Stichprobenplan mit Zellenbesetzung für die Interviewerhebung und die Qualifizierungsmaßnahme

Erstsprache Russisch (n = 6) A)

PF

B1) B2) B3) C1) C2)

RU9 50:50 >30

RU

20

RU10 50:50 >30

RU

13

RU8 30:70 >30

RU

15

RU4 50:50 >40

RU

25

RU11 50:50 >30

RU

RU7 40:60 >50

RU

EZ

Erstsprache Türkisch (n = 6) PF

A)

B1) B2) B3) C1) C2)

7

TR1 60:40 >20

TR

8

EZ

EZ

4

TR4 50:50 >20

DE

0

SA

10

TR6 40:60 >30 k.A. k.A.

SA

EZ

5

TR2 60:40 >30

DE

0

EZ

13

17

EZ

15

TR3 50:50 >40

TR

18

EZ

25

EZ

12

TR5 40:60 >40

TR

20

SA

EZ

Erstsprache Deutsch (n = 6) PF

A)

B1) B2) B3) C1) C2)

1

DE4 100:1 >20

DE

0

EZ

3

2

DE6 100:1 >30

DE

0

EZ

9

k.A. DE5 100:1 >40

DE

0

EZ

22

DE2 100:1 >40

DE

0

EZ

17

25

DE7 100:1 >50

DE

0

EZ

29

20

DE1 100:1 >50

DE

0

EZ

24

Merkmalsausprägungen pädagogischer Fachkräfte (PF) A)

= Sprachniveau- und Dominanzverhältnis: Erstsprache (L1) : Zweitsprache (L2), geschätzte Angaben in %

B1) = Altersgruppe: älter als 20 Jahre (>20); älter als 30 Jahre (>30); älter als 40 Jahre (>40); älter als 50 Jahre (>50) B2) = Geburtsland: Sowjetunion und Nachfolgestaaten (RU); Türkei (TR); Deutschland (DE) B3) = Kontaktalter mit dem Lebensmittelpunkt Deutschland: Angaben in Jahren (z. B.: 20) C1) = Berufsabschluss: Erzieherin bzw. Erzieher (EZ); Sozialassistentin bzw. Sozialassistent (SA) C2) = Berufsjahre: Angaben in Jahren (z. B.: 20) k.A. = keine Angaben vorhanden

6.3.2

Referenzgruppe

Zusätzlich zur Auswahl der pädagogischen Fachkräfte, die an den Interviews und an der Qualifizierungsmaßnahme als Interview- bzw. Interventionsgruppe teilnahmen, wurden pädagogische Fachkräfte gesucht, die flankierend zur Qualifizierungsmaßnahme im zweiten Forschungsschwerpunkt eine Referenzgruppe bildeten. Die Personen der Referenzgruppe beurteilten ebenso wie die Interventionsgruppe verschiedene Videoclips mit mehrsprachigen Kindern im Rahmen von Fallvignetten (s. Kap. 6.5.2.2), ohne eine Qualifizierungsmaßnahme zu erhalten. Mit der Einbeziehung einer Referenzgruppe soll die Zuverlässigkeit und Eignung des Erhebungsinstrumentes der Fallvignettenarbeit belegt und die Güte der gewonnenen qualitativen Daten zur Kompetenzentwicklung der pädagogischen Fachkräfte der Interventionsgruppe dargelegt werden (Flick, 2010a; S. 400f; s. Kap. 6.5.2.5).

126

6 Methode

Strukturierung der Fallauswahl Für die Referenzgruppe wurden pädagogische Fachkräfte (n = 18) aus drei Kindertagesstätten-Teams in Niedersachsen ausgewählt, die sich hinsichtlich der Einwohnerzahl der Stadt, der Region sowie des Anteils mehrsprachiger Kinder in der Tagesstätte unterschieden (s. Tab. 9, 126). Die Absicht war dabei, sowohl gegensätzliche Merkmalsausprägungen (Schreier, 2010, 243f) frühpädagogischen Bildungseinrichtungen als auch die typische landes- und bundesweite Schichtungsstruktur in die Referenzgruppe einfließen zu lassen.

Tab. 9:

Kombination der Merkmale zur Erstsprache mit den Ausprägungen des Alters, des Berufsabschlusses und der Berufsjahre in der Referenzgruppe Erstsprache Russisch 9.000

Einwohnerzahl der Stadt

250.000 550.000 H

Region

B

xx x x xx

L

Anteil mehrsprachiger Kinder

hoch

xxx

gering

sonstige Erstsprache

Erstsprache Deutsch

x xxx x x xxx x xxxx x

xxxxx x xxxx xxxx x xxxxx xxxxx xxxxx x

x

xx

xxx x x x xx

xxxxxxxxx x xxx

> 20* > 30*

Altersgruppe

> 50*

Berufsabschluss

EZ

xx xxx

SA 0–4

Berufsjahre

x

> 40*

x

5 – 14 15 ≤

xx

xxxxxxx

Merkmalsausprägungen pädagogischer Fachkräfte (Referenzgruppe) Einwohnerzahl

= Kleinstadt (9.000 Einwohner); Großstadt (250.000 Einwohner); Großstadt (550.000 Einwohner)

Region

= Regierungsbezirk Hannover (H); Regierungsbezirk Braunschweig (B); Regierungsbezirk Lüneburg (L)

Anteil mehrspr. Ki. = über dem Bundesdurchschnitt von 35,9 % (hoch); unter dem Bundesdurchschnitt von 35,9 % (gering) Altersgruppe

= älter als 20 J. (>20); älter als 30 J. (>30); älter als 40 J. (>40); älter als 50 J. (>50) * Angaben nicht vollst.

Berufsabschluss

= Erzieherin bzw. Erzieher (EZ); Sozialassistentin bzw. Sozialassistent (SA)

Berufsjahre

= Berufsjahre mit geringer Anzahl (0 – 4); mit mittlerer Anzahl (5 – 14); mit hoher Anzahl (15 ≤)

Soweit wie möglich wurde die weitere systematische Merkmalsstreuung ähnlich wie in der Interventionsgruppe parallelisiert. Dabei wurden das Alter, der Berufsab-

6.4 Qualitätskriterien

127

schluss und die Berufsjahre der pädagogischen Fachkräfte berücksichtigt (s. Tab. 9, S. 126). Die Informationen zur Merkmalsausprägung der ausgewählten pädagogischen Fachkräfte der Referenzgruppe wurden den ausgewerteten Fragebögen entnommen (s. Anhang 3, S. 341). Abweichungen gegenüber der Interventionsgruppe Bei der Auswertung der Fallvignettenbearbeitung der Referenzgruppe wurden ausschließlich die Ergebnisse zu den Fallvignetten mit russisch-deutschsprachigen Kindern herangezogen, da nur wenige pädagogische Fachkräfte mit der Erstsprache Russisch und keine Fachkräfte mit türkischer Erstsprache zur Verfügung standen. Dafür bildete sich das Merkmal der Bilingualität in weiteren Erstsprachen wie Polnisch, Spanisch und Niederländisch ab. Die pädagogischen Fachkräfte der Referenzgruppe erhielten statt einer Qualifizierungsmaßnahme einen Studientag mit Inhalten der Qualifizierungsmaßnahme nach Abschluss des zweiten Messzeitpunktes. Diese abweichenden Teilnahmebedingungen können mitverantwortlich sein, dass sich die pädagogischen Fachkräfte der Referenzgruppe gegenüber der Interventionsgruppe bei der Bearbeitung der Fallvignetten bereits zum ersten Messzeitpunkt weniger differenziert und präzise äußerten. Auch im weiteren Verlauf der Studie war das Engagement in der Referenzgruppe im Allgemeinen niedriger als in der Interventionsgruppe, wie die Durchsicht der Stellungnahmen in den Beobachtungsbögen belegte. Unter den erläuterten Gegebenheiten und Intentionen werden die Ergebnisse der Referenzgruppe ausschließlich im Sinne eines methodischen Schrittes zur Qualitätsabsicherung vorgestellt (s. Kap. 6.5.2.5) und nicht zum Qualifizierungsvergleich mit der Interventionsgruppe im Ergebnisteil herangezogen.

6.4

Qualitätskriterien zur Datengewinnung und Analyse

Neben präzisen Überlegungen zum Erkenntnisinteresse der Forschung (s. Kap. 6.1) sowie zum Forschungsdesign (s. Kap. 6.2) und zur Stichprobe (s. Kap. 6.3) galt es in der Forschungsarbeit mit Menschen, ethische Grundsätze genau zu beachten. Diese werden im Weiteren aufgezeigt und belegt (s. Kap. 6.4.1). Außerdem werden die Gütekriterien im qualitativen Forschungsdesign überprüft, um die Qualität der Ergebnisse nachzuweisen (s. Kap. 6.4.2). Schließlich werden auch die leitenden methodischer Prinzipien der Studie dargelegt, mit denen der Forschungscharakter verdeutlicht wird (s. Kap. 6.4.3).

128

6.4.1

6 Methode

Ethische Grundsätze im Forschungsvorhaben

In der qualitativen Forschung erhalten insbesondere ethische Grundsätze eine hohe Bedeutung, da Menschen im Fokus von Untersuchungen stehen. Die Probandinnen und Probanden nehmen eine wichtige Rolle im qualitativen Forschungsdesign ein. Grundlegend muss beispielsweise für die BiKES-Studie bedacht werden, dass ohne Teilnahme der pädagogischen Fachkräfte keine Durchführung der Studie möglich gewesen wäre. Zudem hätten unter ungünstigen Bedingungen im Verlauf des Forschungsprojektes für die pädagogischen Fachkräfte Situationen mit problematischem Ausgang entstehen können. Zeitweise wurden auch Kinder in Interaktionssituationen mit pädagogischen Fachkräften eingebunden. Diese Kinder bedurften eines besonderen Schutzes, damit Abhängigkeitsverhältnisse und kindliche Ausgangslagen im Projekt nicht ausgenutzt werden konnten. Dementsprechend benötigt die Forschungsbeziehung zwischen den forschenden Personen und den Personen der Praxis allgemein anerkannte Regelungen, die stets das Wohl aller Beteiligten im Blick haben (Kiegelmann, 2010, S. 384). Damit sind Standards einzuhalten, die national und international festgelegt sind. Der Code of Ethics der American Sociological Association (ASA) (1999) hält hierfür eine Auflistung genereller Prinzipien sowie ethischer Standards bereit. Diese lassen sich auch in den Themenkatalogen des Deutschen Ethikrates (2017) wiederfinden. Besondere Geltung erlangt für die BiKES-Studie beispielsweise der Themenbereich Migration (ebd.). Zur Durchführung der Studie sind weiter folgende Punkte relevant: informierte Einwilligung, Freiwilligkeit, Vermeidung von Schaden, Vermeidung von Täuschung, Anonymität, Orientierung an sprachlich-kulturellen Richtlinien, Offenlegung von Vorannahmen und Wertvorstellungen, Prozessethik, interdisziplinärer Diskurs (Bortz & Döring, 2006, S. 41-45; Gläser & Laudel, 2010, S. 48-57; Kiegelmann, 2010, S. 384-389). Allerdings ist nicht allein darauf zu achten, ob die Standards eingehalten, sondern vor allem auch wie diese umgesetzt werden (Unger, 2014, S. 21f).43 43

Zur Teilnahme am Forschungsprojekt wurden alle pädagogischen Fachkräfte sowie die Erziehungsberechtigten der Kinder, die in den Videographien beteiligt waren, über die Ziele, Inhalte und Methoden der BiKES-Studie in schriftlicher Form und zusätzlich in persönlichen Erstgesprächen eingehend informiert. Auf dieser Grundlage gaben die pädagogischen Fachkräfte und die Erziehungsberechtigten ihre schriftliche Einwilligung zur Teilnahme. Außerdem wurde die freiwillige Teilnahme der pädagogischen Fachkräfte bereits beim Erstgespräch mit den jeweiligen Kita-Leitungen sowie in den schriftlichen Hinweisen zur Einwilligungserklärung explizit betont. Zudem wurden alle Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Zustimmung zur Studienteilnahme jederzeit ohne Auflagen und Folgen für die Betroffenen widerrufen werden konnte. Ferner wurden alle Mitarbeitende im Forschungsteam geschult, Anzeichen von Schädigungen sensibel wahrzunehmen und ein generelles wertschätzendes und für die Beteiligten angenehmes Vorgehen in allen Phasen des Projektes einzuhalten. Ebenso wurde in der BiKES-Studie auf die Vermeidung von Täuschungen durch transparente Informationen im Voraus und bei Bedarf auch im Nachhinein geachtet. Überdies wurde die Anonymität aller Beteiligten im Rahmen aktueller Datenschutzrichtlinien eingehalten, z. B. durch den Einsatz eines zufallsgenerierten Codesystems. Darüber hinaus wurden zur Orientierung an sprachlich-kulturellen Richtlinien Informationen schriftlich oder mündlich neben Deutsch auch auf Russisch und Türkisch gegeben. Schließlich wurden Vorannahmen und Wertvorstellungen auf In-

6.4 Qualitätskriterien

6.4.2

129

Gütekriterien im qualitativen Forschungsdesign

Qualitätsstandards waren im Forschungsprojekt nicht nur im Bereich ethischer Grundsätze einzuhalten, sondern mussten auch im Hinblick auf Gütekriterien gesichert sein. Für die qualitative Forschung liegt eine große Breite und Vielfalt an Diskursen über Gütemaßstäbe sowie über Möglichkeiten der entsprechenden Systematisierung vor (Breuer & Reichertz, 2001). Aus der Fülle an Leitlinien werden im Folgenden zunächst allgemeine Qualitätskriterien für das qualitative Forschen mit Relevanz für die BiKES-Studie fokussiert und anschließend sechs Gütekriterien für die qualitative Studie konkretisiert. Allgemeine Qualitätskriterien für die qualitative Forschung Als zentrale Prinzipien guter qualitativer Forschung können folgende bedeutsame Kriterien herausgestellt werden: Offenheit, Bedeutung, Kontextbezogenheit, Reflexivität, Explikation, Angemessenheit, intersubjektive Nachvollziehbarkeit (Schnapp, Schindler, Gschwend & Behnke, 2006, S. 17). Zusätzlich lassen sich weitere Aspekte aufführen: Forschung als Kommunikation, Prozesscharakter von Forschung und Gegenstand, Flexibilität (Lamnek & Krell, 2016, S. 33). Die genannten allgemeinen Qualitätskriterien wurden in der BiKES-Studie zunächst durch die Offenheit der Methodenkonstruktion eingelöst. Die Methoden orientierten sich zwar an konkreten Vorlagen, die allerdings an die spezifischen Fragestellungen und Umsetzungsmöglichkeiten genau angepasst wurden (s. Kap. 6.5.1 – 6.5.3). Außerdem erwies sich das Forschungsziel von hoher Bedeutung im Hinblick auf die zunehmende Sprachenvielfalt und Interkulturalität in unserer heutigen Gesellschaft (s. Kap. 2.2). Überdies bezog sich die Studie explizit auf den Kontext der Professionalisierung in der frühpädagogischen Praxis, indem der fachliche Austausch mit Kindertagesseinrichtungen und weiteren Institutionen gewinnbringend hergestellt werden konnte (s. Kap. 6.4.3). Zudem bestand im Projekt der Grundsatz der Reflexivität insbesondere im methodischen Vorgehen der Interviewerhebung (s. Kap. 6.5.1.1). Das Forschungsvorhaben wurde allen Beteiligten in verschiedenen Stadien eingehend erklärt und kommt dadurch dem Prinzip der Explikation nach (s. Kap. 6.4.3). Ferner wurden Erhebungsmethoden eingesetzt, mit denen in Angemessenheit der Mittel differenzierte Forschungsergebnisse generiert werden konnten. Dazu wurde besonders darauf geachtet, dass eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit aller methodischen Schritte möglich war (s. Kap. 6.5.1 – 6.5.3).

formationsseiten veröffentlicht, z. B. Webseite und Flyer. Gleichzeitig wurde auf die Prozessethik geachtet, indem beispielsweise ein System für Rückmelde- und Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen wurde. Gleichfalls wurde ein interdisziplinärer Diskurs zwischen Forschung und Praxis geführt und ein regelmäßiger Austausch mit Kooperationspartnerinnen und -partnern verwirklicht. Nach Projektabschluss wurden jeder pädagogischen Fachkraft und allen Erziehungsberechtigten der beteiligten Kinder die im Projekt entstandenen audiovisuellen Aufzeichnungen in Form einer DVD ausgehändigt.

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6 Methode

Der Forschungsansatz der BiKES-Studie stellte darüber hinaus die Kommunikation in den Mittelpunkt der Untersuchungen – sowohl im Zusammenhang mit dem Forschungsgegenstand als auch in den Bereichen der Methoden und der Kooperation zwischen Forschung und Praxis (s. Kap. 6.1). Dazu wies die Anlage des Forschungsdesigns einen Prozesscharakter auf, der sich im dreiphasigen Gesamtaufbau und in der Struktur der Intervention zeigte (s. Kap. 6.2). Schließlich konnte mit hoher Flexibilität auf ungünstige organisatorische Gegebenheiten bei der Akquise der pädagogischen Fachkräfte und bei der Realisierung der Interviewtermine reagiert werden (s. Kap. 6.3). Gütekriterien für die qualitative Studie Aus den beschriebenen allgemeinen Prinzipien des qualitativ forschenden Handelns lassen sich spezifische Gütekriterien ableiten, die bereits in der Planung des Forschungsdesigns wie auch in der Reflexion der angewendeten Methodik und der gewonnen Daten zu berücksichtigen sind. Die hauptsächlich qualitativ angelegte BiKES-Studie orientierte sich an Gütekriterien qualitativer Forschung, da sich die klassischen Kriterien quantitativer Forschungsmethoden – wie Validität, Reliabilität und Objektivität – hierzu nicht widerspruchsfrei auf das qualitative Vorgehen übertragen lassen (Flick, 2014, S. 412f; Mayring, 2016, S. 141f, 2015, S. 124). Zwar existieren Ansätze zur Adaption von Kriterien zur Standardisierung und Kontrolle quantitativer Merkmalsmessungen auf die qualitative Forschung (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 21-28). Diese Ansätze werden jedoch kritisch eingeschätzt und stehen im Gegensatz zur qualitativen Forschungslogik (Steinke, 2015, S. 319). Zweifellos sind generelle Ansprüche von Güteabschätzungen dennoch in der qualitativen Forschungsarbeit umfassend zu erfüllen. Allerdings bedürfen Gütekriterien der qualitativen Forschung der Reformulierung und Modifizierung bzw. der Anpassung an methodenangemessene Kriterien (Flick, 2010a, S. 398; Steinke, 2015, S. 323). Dazu wurden in den letzten zehn Jahren Möglichkeiten und Umsetzungen diskutiert, ohne sich bislang auf allgemeingültige Lösungen zu verständigen (Dumm & Niekler, 2014, S. 19; Flick, 2010a, S. 405, 2007, S. 192; Reichertz, 2009; Steinke, 2010, S. 319f). Für das vorliegende Forschungsprojekt wurden sechs qualitative Gütekriterien nach Mayring (2016) zur Beurteilung herangezogen: Regelgeleitetheit, argumentative Interpretationsabsicherung, Verfahrensdokumentation, Nähe zum Gegenstand, kommunikative Validierung, Triangulation (ebd., S. 144ff). Diese sechs Kriterien bezogen sich konkret auf die Forschungsstruktur der Studie und belegen die Qualität des Vorgehens. Nachfolgend werden die Kriterien im Zusammenhang mit dem Forschungsdesign der BiKES-Studie reflektiert. Das Vorgehen in den Erhebungen und Analysen der BiKES-Studie wurde innerhalb einer exakten Regelgeleitetheit systematisiert. Der Prozess der Datengewinnung und der Datenanalyse wurde in präzise Einzelschritte gliedert. Damit konnten die Forschungsarbeiten zielführend gesteuert und von allen Beteiligten im Forschungsteam eindeutig nachvollzogen werden. So wurden beispielsweise der Interviewleitfaden

6.4 Qualitätskriterien

131

theoretisch abgeleitet, klare Transkriptionsregeln formuliert und Kodierrichtlinien festgelegt. Ebenso wurden eindeutige Kriterien für die Beurteilung der Sprachbeobachtungskompetenzen in den Fallvignetten aufgestellt. Außerdem wurden alle Mitglieder des Forschungsteams für die Interviewdurchführung geschult. Dadurch konnten methodisch gesicherte Abläufe ausgeführt werden (s. Kap. 6.5.1 – 6.5.3). Neben der genauen Strukturierung der Verfahrensschritte musste gleichfalls die Deutung des Erhebungsmaterials abgesichert sein. Dazu wurde mit einer auf das Forschungsvorhaben bezogenen Konzeptbildung und theoretischen Fundierung (s. Kap. 3. u. 4.) eine argumentative Interpretationsabsicherung ermöglicht. Somit konnten alle auswertenden Personen vergleichbare Analyseschritte vornehmen und ihre Interpretationen innerhalb der qualitativen Inhaltsanalyse (s. Kap. 6.5.1.4 – 6.5.1.6) sowie bei der Auswertung der Fallvignettenbearbeitung (s. Kap. 6.5.2.4) theoriegeleitet und schlüssig begründen. Die Erhebung und Auswertung der qualitativen Daten wurden in der Studie im Rahmen einer genauen Verfahrensdokumentation belegt. Deshalb war es wichtig, die Erhebungsmethoden im Interviewsetting und in der Fallvignettenbearbeitung zu den beiden Messzeitpunkten sowie die Durchführung der Qualifizierungsmaßnahme detailliert aufzuzeichnen. Ebenfalls wurden alle Regeln der Transkription sowie der qualitativen Inhaltsanalyse und der Kategorisierung der Fallvignettenbearbeitung schriftlich festgehalten. Dabei wurden auch prozesshafte Anpassungen fortwährend aktualisiert. Zudem galt es, das gesamte Erhebungsmaterial, wie Videographien, Transkripte, Frage- und Beobachtungsbögen, sowie alle Ergebnisse in den verschiedenen Auswertungs- und Interrater-schritten im Sinne der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit (Steinke, 2015, S. 324) zu digitalisieren oder analog zu archivieren. Um die Nähe zum Forschungsgegenstand als weiteres qualitatives Gütekriterium zu gewährleisten, wurden alle Videographien und Interviews in den jeweiligen Kindertagesstätten der pädagogischen Fachkräfte durchgeführt. Ebenso sollten auch alle beteiligten Kinder in der alltäglichen Kita-Umgebung mit ihren pädagogischen Bezugspersonen in natürlicher Weise interagieren können. Die videographierten Kommunikationssituationen zwischen pädagogischer Fachkraft und Kind wurden in vivo ohne Anwesenheit des Forschungsteams durchgeführt, um Störfaktoren durch Beobachtende zu vermeiden. Eine besondere Praxisnähe wurde auch dadurch hergestellt, indem die pädagogischen Fachkräfte mit dem dialogischen Bilderbuchlesen und dem freien Spielangebot als geläufige frühpädagogische Methoden vertraut waren (s. Kap. 6.5.1.1). Die Gültigkeit der Ergebnisse des qualitativen Forschungsdesigns wurde durch eine kommunikative Validierung untermauert. Hierzu erfolgten rückversichernde Befragungen der pädagogischen Fachkräfte zu den Erhebungssituationen. Die Fachkräfte konnten ihre durchgeführten Kommunikationssituationen nachbetrachten und kommentieren. Ferner wurden sie zur Methodik der Interviews (s. Kap. 7.3) und zur Fallvignettenarbeit (s. Kap. 8.3) befragt. Zusätzlich wurden die pädagogischen Fachkräf-

132

6 Methode

te regelmäßig gebeten, ihre Meinung zum Inhalt und der Methode der Qualifizierungsmaßnahme mitzuteilen (s. Kap. 6.2.2). Damit konnten weitere Erkenntnisse für absichernde Interpretationen gewonnen werden. Schließlich wurde die Qualität der wissenschaftlichen Aussage im Forschungsprojekt durch die Triangulation von Ergebnissen der Interviewerhebung und der Fallvignettenbearbeitung erhöht (s. Kap. 9). Gleichzeitig wurden die im Schwerpunkt qualitativ erhobenen Daten mit ergänzenden Häufigkeitszählungen quantitativ abgeglichen und relativiert (s. Kap. 6.5.1.7 u. 6.5.2.6). 6.4.3

Methodische Leitprinzipien der Studie

Eine grundsätzliche Überlegung bei der Konzipierung des Forschungsdesigns war sowohl für den ersten als auch für den zweiten Forschungsschwerpunkt die Einbindung von Kooperationspartnerinnen und -partnern aus dem Fachbereich der Elementarpädagogik, um eine Nähe zum Praxisalltag herzustellen.44 Damit konnte der Gegenstand der Forschung soweit aufbereitet werden, dass dieser eine weitgehende Gültigkeit für die Praxis erreichte. Als weiteres Grundprinzip in der BiKES-Studie galt, nicht über pädagogische Fachkräfte im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu forschen, sondern mit den Fachkräften und für sie auf Augenhöhe den Themenkomplex zu erschließen (Bergold & Thomas, 2010, S. 333). Um die Erhebungen sprach- und kultursensibel zu realisieren, setzte sich auch das mitarbeitende Projektteam aus Personen mit mehrsprachigen und interkulturellen Hintergründen zusammen. Dadurch war es möglich, eine vorteilhafte sprachlich-kulturelle Passung zwischen den Forschenden und den an der Forschung Teilnehmenden herzustellen, indem dieselben Herkunftssprachen und entsprechende kulturelle Bezüge auf beiden Seiten auftraten. So verfügten Mitarbeitende im Forschungsteam über die Erstsprache Russisch bzw. Türkisch und über eigene Migrationserfahrungen. Außerdem wurde im Forschungsprojekt der Leitgedanke verfolgt, den pädagogischen Fachkräften durch die Projektbeteiligung eine Stärkung in ihrer professionellen Selbstkompetenz zu vermitteln (s. Kap. 3.3). Deswegen wurde während der Interviews die Expertise der pädagogischen Fachkräfte für die Arbeit mit mehrsprachigen Kindern in frühpädagogischen Bildungseinrichtungen besonders hervorgehoben. Zu44

Besonderer Dank gilt der Projektstelle Sprachförderung und Mehrsprachigkeit der Landeshauptstadt Hannover für den Feldzugang, außerdem der Ada- und Theodor-Lessing-Volkshochschule Hannover für den fachlichen Austausch zu Fragen der Organisation der Qualifizierungsmaßnahme, ferner der Akademie für Leseförderung der Stiftung Lesen an der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover für die Empfehlungen zum Einsatz eines geeigneten Bilderbuches in der Erhebungssituation, darüber hinaus dem Sprachheilkindergarten Langenhagen und der Praxis für Logopädie Rüdiger Rother & Team in Hannover für die Vermittlung von Kindern der Fallvignetten sowie der Logopädie-Praxis Gudrun Schmidt in Braunschweig, der Praxis für Logopädie Dirk Heiden in Hannover, der Praxis für Logopädie Margarete Weger in Burgdorf und der Logopädischen Praxis Katja Steffen in Bremen für die Eignungsbeurteilung der Fallvignetten.

6.4 Qualitätskriterien

133

dem wurden Bottom-up-Strukturen aufgebaut (s. Kap. 3.3), die es den pädagogischen Fachkräften ermöglichten, sich an der Gestaltung der Qualifizierungsmaßnahme aktiv zu beteiligen. So lieferten auch die Ergebnisse der Befragung der pädagogischen Fachkräfte im ersten Forschungsschwerpunkt wertvolle Hinweise aus der Praxis für die Konzeptionierung der Qualifizierungsmaßnahme im zweiten Schwerpunkt. Die von den pädagogischen Fachkräften vorgetragenen Wünsche und Qualifizierungsbedürfnisse konnten entsprechend in den Qualifizierungskurs eingebaut werden. Weiterhin konnten die pädagogischen Fachkräfte Einfluss auf die Maßnahme nehmen, indem sie regelmäßig die Gelegenheit für Rückmeldungen erhielten. Überdies wurde in der BiKES-Studie sowohl der Input als auch der Austausch als bedeutsames Prinzip verstanden (s. Kap. 6.2.2). Einerseits sollten die pädagogischen Fachkräfte ihr Wissen zu Mehrsprachigkeit und Interkulturalität im Rahmen der Qualifizierung erweitern und differenzieren, indem neue Erkenntnisse von außen angeregt wurden. Ebenso erfolgten zur Methodik im Forschungsvorhaben transparente Informationen. Andererseits sollte auch das Erfahrungswissen von den pädagogischen Fachkräften ausgetauscht und diskutiert werden. Gruppendiskussionen ermöglichten die Übertragung subjektiver Selbstperspektiven der pädagogischen Fachkräfte auf die Ebene der Fremdperspektive (Stitzinger, 2014, S. 314). Als weiteres Leitprinzip wurde im Forschungsprojekt die Ausbildung von Bewusstheit und Selbstreflexion (s. Kap. 3.3) umgesetzt. Mit den Impulsen in den Interviews sollten sich die befragten pädagogischen Fachkräfte ihrer mehrsprachigen und interkulturellen Kompetenzen bewusst werden. Entsprechende sprachlich-kulturelle Potenziale sollten aufgedeckt und reflektiert werden. Damit konnten erst- bzw zweitsprachliche und interkulturelle Erfahrungen der pädagogischen Fachkräfte zur Professionalisierung im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität eingebracht werden. Die Forschungsergebnisse werden weiter als Bestandteil in die Aus-, Fort- und Weiterbildung eingehen. Damit kann auch der Herausforderung begegnet werden, innerhalb eines zunehmenden sprachlich-kulturellen Mismatches in Kindertagesstätten (s. Kap. 2.2.3) geeignete Handlungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Darüber hinaus war im BiKES-Projekt die Wertschätzung aller teilnehmenden Fachkräfte als grundsätzliches Prinzip verankert (s. Kap. 3.3). Die pädagogischen Fachkräfte wurden als Expertinnen bzw. Experten der frühpädagogischen Praxis angesehen und erhielten Bestätigung hinsichtlich ihrer mehrsprachigen und interkulturellen Bezüge (s. Kap. 3.3). Zur Ermittlung von Potenzialen in der mehrsprachigen interkulturellen Arbeit im Elementarbereich wurden bewusst die subjektiven Sichtweisen der pädagogischen Fachkräfte fokussiert. Die Orientierung am Subjekt begründete sich aus dem Leitgedanken, dass das Handeln einer Person erst in der ganzheitlichen Betrachtung sowie mit der Berücksichtigung ihrer lebensgeschichtlichen Zusammenhänge und ihrer aktuellen Problemlösungsmöglichkeiten interpretiert werden kann (Mayring, 2016, S. 24). So galt es, Ideen und Vorstellungen der pädagogischen Fachkräfte zu erkennen, ihre Erfahrungen und Handlungsmöglichkeiten herauszufinden sowie ihre Bedürfnisse und Wünsche zu verstehen. Die inneren Perspektiven

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6 Methode

der Fachkräfte, wie persönliche Einstellungen, individuelle Empfindungen und eigene Gedanken, sollten im Sinne von Selbstkonstruktionen (s. Kap. 2.3.3) nachvollzogen werden. Damit lag die Zielsetzung im Forschungsprojekt in der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf eine Theorie durch die Erfassung des Allgemeinen im Individuellen (Schreier, 2010, S. 248). Wie auch im Konzept der Transferability (Lincoln & Guba, 2008) bestand die Absicht, Alternativen zur quantitativen Generalisierung zu entwickeln. Die durch die Maßnahme erzeugten Entwicklungsprozesse der teilnehmenden Personen sollten erkannt und das dahinterliegende Prinzip des Kompetenzzuwachses verallgemeinert werden (von Kardoff & Schönberger, 2010, S. 368). Um den Intentionen der beiden Forschungsschwerpunkte der BiKES-Studie gerecht werden zu können, wurde eine Designkombination (Mayring, 2010a, S. 231) umgesetzt. Es bestand aus Elementen eines deskriptiven Designs und Merkmalen eines Zusammenhangsanalyse-Designs (ebd., S. 233f). So konnten in der Interviewerhebung Potenziale als Selbstkonstruktionen pädagogischer Fachkräfte erfasst und durch die Qualifizierungsmaßnahme Veränderungen hinsichtlich einer Ressourcennutzung identifiziert werden. Dementsprechend handelte es sich um eine Multiple Methods Study (Collier & Elman, 2008, S, 781f; Schreier & Odağ, 2010, S. 266). In Abgrenzung zur Mixed Methods Study (Schreier & Odağ, 2010, S. 266) dominierte hierbei das Paradigma der qualitativen Forschung, jedoch wurde die Studie durch unterschiedliche Erhebungs- und Auswertungsverfahren erweitert: Videographien von Praxissituationen der pädagogischen Fachkräfte, videogestützte Selbstreflexionen, fokussierte leitfadengestützte Expertinnen- und Experteninterviews, qualitative Inhaltsanalyse, Intervention durch eine Qualifizierungsmaßnahme, Fallvignettenarbeit zu zwei Messzeitpunkten. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden damit auf unterschiedlichen Ebenen gewonnen. Durch die Kombination der verschiedenen Methoden bzw. verschiedenen Datensorten (Triangulation) (Flick, 2008, S. 10) konnte ein weiterer Erkenntnisgewinn erzielt werden. So ergänzten sich die Ergebnisse gegenseitig (komplementär) (Flick, 2010b, S. 284) und dienen der Entwicklung neuer Hypothesen.

6.5

Instrumente und Methoden der Datengewinnung und Analyse

Auf der Basis differenzierter Qualitätskriterien wurden Instrumente und Methoden zur Datenerhebung und Auswertung ausgewählt, mit denen Kompetenzpotenziale pädagogischer Fachkräfte im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität im Hinblick auf Ausprägungen und Veränderungen ermittelt werden konnten. Dabei sollten subjektive Perspektiven pädagogischer Fachkräfte beleuchtet werden, um Annahmen über Wirkungen in der mehrsprachigen interkulturellen Arbeit mit Kindern weiter zu differenzieren und neue Sichtweisen hierzu zu entdecken.

6.5 Instrumente und Methoden

135

Nachfolgend werden die Erhebungs- und Auswertungsinstrumente im Einzelnen erläutert. Dabei erfolgt die Darstellung in der Struktur der bereits vorgestellten Forschungsschwerpunkte (s. Kap. 6.1.1 u. 6.2). Zuerst wird die Vorgehensweise zur Erhebung und Auswertung der fokussierten leitfadengestützten Expertinnen- und Experteninterviews innerhalb des ersten Forschungsschwerpunktes erklärt (s. Kap. 6.5.1). Danach erfolgt eine Erläuterung der Fallbeobachtungen mit Fallvignetten des zweiten Forschungsschwerpunktes (s. Kap. 6.5.2). Schließlich wird die Methode der Typisierung von Profilen pädagogischer Fachkräfte im Rahmen einer Triangulation von Ergebnissen der Interviewerhebung und der Fallvignettenarbeit aus dem dritten Forschungsschwerpunkt beschrieben (s. Kap. 6.5.3). 6.5.1

Forschungsschwerpunkt I – Fokussierte leitfadengestützte Expertinnen- und Experteninterviews

Um einen Einblick in die Methoden und Instrumente der Interviewerhebung und auswertung für den ersten Forschungsschwerpunkt der BiKES-Studie zu erhalten (s. Forschungsfragen I. 1–5), wird im Folgenden das Erhebungssetting der fokussierten leitfadengestützten Expertinnen- und Experteninterviews vorgestellt (s. Kap. 6.5.1.1). Anschließend werden die Leitfadenkonstruktion für die Interviewdurchführung präzisiert (s. Kap. 6.5.1.2) und die notwendige schriftliche Übertragung der videographierten Interviews im Transkriptionsprozess erläutert (s. Kap. 6.5.1.3). Außerdem wird die Auswertung der Transkripte in den Schritten der qualitativen Inhaltsanalyse erörtert (s. Kap. 6.5.1.4). Damit konnten intrapersonale Profile der pädagogischen Fachkräfte ermittelt werden. Der Vergleich der intrapersonalen Profile und die Zusammenführung zu einem interpersonalen Profil aller pädagogischen Fachkräfte der Studie wird im Weiteren dargestellt (s. Kap. 6.5.1.5). Überdies werden die einzelnen Analyseschritte, die fortwährend einem genau festgelegten Interraterverfahren unterzogen wurden, aufgezeigt (s. Kap. 6.5.1.6). Ferner wird das Vorgehen der flankierenden Frequenzanalysen zu den Interviewergebnissen beschrieben (s. Kap. 6.5.1.7). 6.5.1.1 Erhebungssetting Vor den Interviews mit den pädagogischen Fachkräften wurden Videographien von Kommunikationssituationen mit den pädagogischen Fachkräften und Kindern erstellt sowie anschließende Selbstreflexionen durch die pädagogischen Fachkräfte am Videomaterial durchgeführt. Diese methodische Abfolge sollte dazu führen, dass sich alle pädagogischen Fachkräfte bei der anschließenden Interviewdurchführung auf Erfahrungen einer vergleichbaren Ausgangssituation im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität beziehen können.

136

6 Methode

Videographien Die konkrete Anknüpfung an eine Praxissituation als Grundlage für das Interview fand für die pädagogischen Fachkräfte im Kontext der Kommunikation mit Kindern in der eigenen Kindertagesstätte statt. Allerdings sollten die Situationen von den pädagogischen Fachkräften nicht beliebig gewählt werden. Vielmehr sollten vergleichbare Gegebenheiten bzw. Konstellationen vorliegen, die allen pädagogischen Fachkräften im Voraus bekannt waren. Dabei wurden zwei Situationen vereinbart. In der ersten Kommunikationsanordnung interagierte jeweils eine pädagogische Fachkraft mit einem mehrsprachigen Kind im Rahmen des dialogischen Bilderbuchlesens. Die Fachkraft und das Kind sollten sich gegenseitig kennen. Das Kind verfügte entweder über die Erstsprache Russisch oder Türkisch. Als Bilderbuch kam „Die Torte ist weg! Eine spannende Verfolgungsjagd“ von Tjong-Khing (2006) zum Einsatz. Das Buch ist für Kinder ab vier Jahren geeignet und enthält ausschließlich Bilder ohne Text. Somit konnten die pädagogischen Fachkräfte frei mit den Kindern kommunizieren. Im bilingualen Sprachmodus zwischen pädagogischer Fachkraft und dem Kind konnte situativ die Erstsprache und/oder die Zweitsprache im Sinne des Translanguaging verwendet werden (s. Kap. 2.3.1). Nach dem Bilderbuchlesen begleitete die pädagogische Fachkraft das mehrsprachige Kind im freien Spiel in einer zweiten Kommunikationsanordnung zusammen mit zwei weiteren Kindern. Von den zwei anderen Kindern sollte ein Kind ebenfalls mehrsprachig sein und dieselbe Erstsprache sprechen wie das erste Kind aus der Bilderbuchsituation. Das dritte Kind sollte monolingual deutschsprachig sein. In dem offenen Spielangebot, aus dem sich spontane Rollenspiele, Versteckspiele oder andere Ideen entwickeln konnten, wurden Spielmaterialien und Figuren mit Bezug auf das Bilderbuch angeboten. Das Cover des Bilderbuches lag ebenso aus. Das Kind, das bereits in der ersten Kommunikationssituation teilnahm, besaß im Hinblick auf das angebotene Spiel- und Bildmaterial eine Rolle als Expertin bzw. Experte und konnte diesbezüglich in der Kindergruppe sprachlich vermitteln. In den Kommunikationssituationen kamen einerseits realistische mehrsprachiginterkulturelle Kontexte des Kita-Alltages vor, in denen nach Kochinka (2010) die soziale Wirklichkeit des Interagierens und Handelns beobachtet werden konnte. Andererseits wurden die Situationen in einer Mischform konstruiert und damit für Vergleichsmöglichkeiten kontrolliert (ebd., S. 455). Beide Kommunikationssituationen wurden auf jeweils ca. 15 Minuten begrenzt, um Überforderungen der Kinder und der pädagogischen Fachkräfte zu vermeiden. Die Kommunikationssituationen wurden ohne Beisein einer Forscherin oder eines Forschers videographiert. Mitglieder des Forschungsteams stellten lediglich die Kameras im Vorfeld in Position. Hiermit konnten die Vorteile der nicht-teilnehmenden Beobachtung sowie die Möglichkeit der Reproduzierbarkeit und die hohe Detaillierung der Wirklichkeitsabbildung genutzt werden (Wagner-Willi, 2013, S. 134). Im Gegensatz zum Interview richtet sich die Videobeobachtung als weiterer Vorzug direkt

6.5 Instrumente und Methoden

137

und konkret auf die Erhebungssituation, auch wenn diese experimentell angelegt ist (Tuma, Schnettler & Knoblauch, 2013, S. 32). Die Videographie fungierte in der BiKES-Studie jedoch nicht als Erhebungsinstrument für die Forschenden, sondern diente gezielt für die pädagogische Fachkraft als späteres Reflexionsmedium. Selbstreflexionen Nachdem die pädagogische Fachkraft die beiden Kommunikationssituationen beendet hatte, wurden die Videosequenzen am Laptop gemeinsam mit einer Person aus dem Forschungsteam, die danach das Interview führte, betrachtet. Die Videobetrachtung fand in einem separaten Raum in der Kindertagesstätte statt. Die pädagogische Fachkraft wurde dazu motiviert, Kommentare zu ihrem Handeln mit den Kindern zu geben. Hiermit wurde die Methode des ‚Lauten Denkens‘ unterstützt, bei der die Gedanken und Gefühle der pädagogischen Fachkraft aus der Bilderbuch- und Spielsituation durch das eigene Verbalisieren ins Bewusstsein der Fachkraft rücken sollten (Konrad, 2010, S. 481). Die interviewende Person unterstützte den Reflexionsprozess durch aktives Zuhören. Die pädagogische Fachkraft hatte jederzeit die Möglichkeit, das Abspielen der Videos zu unterbrechen oder bestimmte Szenen auf Wunsch zu wiederholen. Zur Vermittlung der Selbstbestimmtheit wurde der pädagogischen Fachkraft bewusst die Bedienung des Laptops überlassen. Das Videomaterial konnte somit als Stimulus bei der weiteren Erhebung sprachlicher Daten im Interview wirken (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 153). Die Phasen der videographierten Bilderbuch- und Spielsituation sowie die anschließende Selbstreflexion waren in der Perspektive der methodischen Leitlinien des Forschungsvorhabens zur Entwicklung professioneller Selbstkompetenz und Stärkung (s. Kap. 6.4.3) vor allem als Grundlage für die fokussierte Interviewdurchführung vorgesehen. Interviewdurchführung Unmittelbar aus der reflektierenden Nachbetrachtung der Videographien wurde mit jeder pädagogischen Fachkraft das Gespräch als fokussiertes leitfadengestütztes Expertinnen- bzw. Experteninterviews in der Face-to-Face-Kommunikation weitergeführt. Die Interviews wurden audiovisuell aufgezeichnet, damit später eine umfängliche Rekonstruktion der Interviewsituationen möglich war und ein hoher Differenzierungsgrad für den Transkriptionsprozess erhalten blieb. Jedes Interview umfasste nach der Videobetrachtung etwa 45 Minuten und wurde mit einem 15-minütigen Biographieinterview abgeschlossen. Alle Interviewerhebungen erfolgten vormittags innerhalb eines Zeitraumes, für den die pädagogischen Fachkräfte von ihren dienstlichen Verpflichtungen freigestellt wurden. Aus dem Forschungsteam war eine zweite Person für die Organisation und Technik zuständig.

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6 Methode

Jedes Interview wurde von einer Person aus dem Forschungsteam45 geführt, die über dieselbe Erstsprache wie die befragte pädagogische Fachkraft verfügte. Damit sollten zwei Aspekte Berücksichtigung finden: Zum einen wurde damit für russisch-deutschsprachige und türkisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte ein bilingualer Sprachmodus eröffnet. Das bedeutete, dass die bilingualen pädagogischen Fachkräfte im Interviewverlauf je nach Bedarf und Situation Deutsch und/oder Russisch bzw. Türkisch verwenden konnten. In diesem Sprachmodus sollte es den pädagogischen Fachkräften leichter fallen, beispielsweise über persönliche Erfahrungen zu sprechen, fachliche Phänomene auszudrücken oder russische bzw. türkische Aussagen der Kinder wiederzugeben. Ebenso sollten sprachliche Missverständnisse reduziert werden (Schulze, 2006, S. 205).46 Neben der sprachlichen Passung zwischen befragter und interviewführender Person konnte zum anderen auch eine höhere Übereinstimmung bezüglich kultureller Hintergründe ermöglicht werden (ebd.). Den pädagogischen Fachkräften sollte mit einem interkulturellen Matching erleichtert werden, zum Beispiel einen angenehmen Zugang zum Interview zu finden, sich schneller verstanden zu fühlen oder ein offenes Gespräch zu führen. Die pädagogischen Fachkräfte mit Migrationshintergrund konnten damit Verhaltensweisen der Kinder, die auf kulturelle Bezüge zurückzuführen sind, vermutlich mit weniger Erklärungsschwierigkeiten mitteilen. Darüber hinaus konnten sich auch die pädagogischen Fachkräfte mit deutschen Wurzeln gegenüber ebenso monolingualen deutschsprachigen Personen möglicherweise authentischer im Interview verhalten. Ihre Antworten und Stellungnahmen erfolgten eventuell bei Themen zur kulturellen Akzeptanz weniger in der Perspektive sozialer Erwünschtheit. Über die methodische Dimension der sprachlich-kulturellen Passung hinaus erfolgten die Befragungen der pädagogischen Fachkräfte als Expertinnen- bzw. Experteninterviews (Bogner, Litting & Menz, 2014; Gläser & Laudel, 2010; Meuser & Nagel, 2016). Das Expertinnen- bzw. Experteninterview hebt sich im Charakter dadurch ab, indem bewusst bestimmte Personen befragt werden, die den Interviewenden spezifische Einblicke in Phänomene als Expertinnen und Experten verschaffen. Diese Intention wurde den befragten pädagogischen Fachkräften in der BiKES-Studie deutlich gemacht und ihr Expertentum bereits im Vorgespräch hervorgehoben. Der Begriff der Expertin bzw. des Experten wird allerdings im Zusammenhang mit qualitativen Befragungen sehr unterschiedlich verstanden (Mey & Mruck, 2010, S. 427; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 119) und soll an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden.

45

Dank gilt Berivan Akin, Susanne Schatral, Alevtina Vasileva und Patrycja Wysocka-Theeg.

46

Schulze (2006) zeigt in Ihrer biographietheoretischen Untersuchung über die lebens- und gesellschaftsgeschichtliche Einbettung von Krankheitsverläufen türkischer Personen mit Migrationshintergrund im Rahmen biographisch narrativer Interviews, wie fremdsprachige Textsegmente erst durch eine sinnhafte ganzheitliche Verknüpfung mithilfe von Kenntnissen der Erstsprache und kultureller Hintergründe korrekt interpretiert werden konnten (ebd., S. 204ff).

6.5 Instrumente und Methoden

139

In der Orientierung an Meuser & Nagel (2002) wurden in den Expertinnen- und Experteninterviews der BiKES-Studie die pädagogischen Fachkräfte als besondere Wissensträger gesehen, die nicht nur Wissen und Erfahrungen über optimales Rollenhandeln und ideale institutionelle Abläufe übermitteln konnten, sondern auch Zugang zu entsprechenden Problembereichen, Schwierigkeiten und Fehlerquellen hatten (ebd., S. 258). Demzufolge waren besonders bilinguale Fachkräfte zur Befragung über die noch nicht vollständig implementierte mehrsprachige und interkulturelle Förderung in Kindertagesstätten geeignet. Außerdem fanden die Expertinnen- und Experteninterviews als fokussierte Interviews statt, indem die erlebten Kommunikationssituationen der pädagogischen Fachkräfte mit den Kindern als Ausgangspunkt der Befragung aufgenommen wurden. Charakteristisch für fokussierte Interviews ist, dass alle befragten Personen eine konkrete Situation erlebt haben, die im Interview aus der persönlichen Wahrnehmung und Empfindung noch einmal betrachtet wird (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 134). Aus der eigenen Sicht der pädagogischen Fachkräfte wurden damit individuelle Haltungen, Wissensbestände und Handlungskonzepte zur pädagogischen Arbeit mit Kindern im mehrsprachig-interkulturellen Kontext kommentiert. Ausgehend von dieser persönlichen Sichtweise wurde im Interviewverlauf der Blickwinkel zum Themenbereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität allmählich erweitert. So wurden im Gespräch weitere Ebenen der Argumentation leitfadengestützt erschlossen. Die Erstellung eines Leitfadenkataloges war vor dem Hintergrund der Komplexität des Themenfeldes und der bestehenden theoretischen Grundannahmen sinnvoll. 6.5.1.2 Leitfadenkonstruktion Der Einsatz eines Interviewleitfadens diente der interviewführenden Person zur Strukturierung des Gesprächs innerhalb des inhaltlich dichten und theoretisch begründeten Themenfeldes der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität in der Frühpädagogik. Dabei sollte den pädagogischen Fachkräften ermöglicht werden, diesen Themenkomplex auf drei verschiedenen Argumentationsebenen zu erschließen (s. Kap. 3.4): 

das konkrete Erleben der Bilderbuch- und Spielsituationen aus der persönlichen Sicht der pädagogischen Fachkraft (Fachkraft-Ebene);



die Wahrnehmung des kollektiven Bezugsrahmens in der Sicht des KitaTeams (Team-Ebene);



die übergeordnete Sicht auf Wünsche, Zukunft, Bildungssystem, Bildungspolitik und Gesellschaft (System-Ebene).

Mit der Interviewlenkung innerhalb dieser drei Argumentationsebenen war beabsichtigt, dass sich die pädagogischen Fachkräfte mit dem Themenkomplex der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität von der eigenen nahen Perspektive über die beruf-

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6 Methode

lich kollektive Perspektive bis zur zukunftsorientierten globalen Perspektive auseinandersetzten (s. Abb. 10, S. 140).

Abb. 10: Argumentationsebenen im Interviewleitfaden

Innerhalb der Argumentationsebenen wurden durch die interviewführende Person gezielte Impulse gegeben, damit sich die befragten pädagogischen Fachkräfte mit den drei theoriegeleiteten Kompetenzbereichen zur Beobachtung und Förderung mehrsprachiger Kinder befassten (s. Kap. 3.2.2 – 3.2.4): 

Haltung gegenüber mehrsprachiger interkultureller Bildung und Erziehung;



Wissen über Mehrsprachigkeit und interkulturelle Zusammenhänge;



Handlungsrepertoire zur Beobachtung und Förderung von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität.

Diese drei Kompetenzbereiche bildeten die inhaltlichen Kategorien des Leitfadenkataloges. Die Kategorien wurden als Impulsfragen auf den verschiedenen Argumentationsebenen in jeweils erweiterten Perspektiven zirkulär aufgenommen (s. Abb. 11, S. 141). Dabei orientierte sich die Reihenfolge der thematisierten Kompetenzbereiche an der Schlüssigkeit der Gesprächsführung. Auf der Basis der Selbstreflexion lag es nahe, auf der Fachkraft-Ebene Impulse zur Haltung gegenüber den erlebten Kommunikationssituationen zu stellen. Danach schien es geeignet, auf das konkrete Handlungsrepertoire einzugehen. Die Impulsfragen zum Wissen über das Sprachund Kommunikationsverhalten des Kindes beim Bilderbuchlesen und in der Spielsituation wurden erst später gestellt, da Aussagen darüber vermutlich erhöhte Anforderungen bedeuteten. Dagegen erschien es dann auf der Systemebene logischer, in umgekehrter Abfolge der Impulse zu den Kompetenzbereichen vorzugehen, da hiermit der globale Ausblick auf den Themenbereich von der konkreten Vorstellung des Wissens und des Handlungsrepertoires zur abstrakteren Dimension der Haltung sinnvoll zugänglich wurde (s. Abb. 11; S. 141).

6.5 Instrumente und Methoden

141

Abb. 11: Zirkuläre Erschließung von Kompetenzbereichen auf drei Argumentationsebenen

Somit konnte ein nach Kompetenzbereichen und Argumentationsebenen differenzierter Leitfadenkatalog konstruiert werden (s. Tab. 10, S. 142). Die im Leitfadenkatalog aufgeführten Impulsfragen dienten der interviewführenden Person als Gerüst zur Befragung. Für eine sichere Interviewführung enthielt der Leitfadenkatalog zusätzliche Unterfragen zu den einzelnen Kompetenzbereichen auf den verschiedenen Argumentationsebenen (s. Anhang 1, S. 338). Gleichfalls wurden die Fragestellungen für bilinguale und für monolinguale pädagogische Fachkräfte ausdifferenziert. Damit sollte sichergestellt werden, dass alle Aspekte der theoretischen Annahmen über den Themenbereich bei allen befragten Personen angesprochen wurden (Gläser & Laudel, 2010, S. 143). Der Einsatz des Interviewleitfadens bedeutete allerdings nicht, dass die Formulierungen oder die Reihenfolge der Fragen verbindlich eingehalten werden mussten (Gläser & Laudel, 2010, S. 42 u. 143f). Ein derartiges Vorgehen würde der qualitativen Befragung widersprechen. Vielmehr sollte die Sachlogik der Forschenden stets der Darstellungslogik der Befragten nachgeordnet bleiben (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 130). In einer freien, situationsangepassten Herangehensweise mit offenen Impulsen und Ad-hoc-Nachfragen der interviewführenden Person sollte sowohl ein mögliches Spektrum (Breite) als auch eine Differenziertheit (Tiefe) in den Aussagen der pädagogischen Fachkräfte hervorgelockt werden.

142

6 Methode

Tab. 10: Leitfadenkatalog mit Impulsfragen zu Kompetenzbereichen auf drei Argumentationsebenen Einstiegsinformationen Informationen zum Ablauf und Aufbau des Interviews

Impulsfragen zur Fachkraft-Ebene Haltung

Wie ging es Ihnen bei der Bilderbuch- und Spielsituation?

Handlungsrepertoire

Wie gingen Sie beim Betrachten des Bilderbuches vor?

Wissen

Was fiel Ihnen Besonderes am Sprach- und Kommunikationsverhalten des Kindes während der Bilderbuch- und Spielsituation auf?

Impulsfragen zur Team-Ebene Haltung

Wie nehmen Sie Ihre Arbeit mit zweisprachigen Kindern in der Kita wahr? (Was können Sie aus Ihrer Kita-Praxis berichten?)

Wissen

Was muss man Ihrer Meinung nach wissen, um in der Kita Sprachbeobachtung, Sprachbildung und Sprachförderung von mehrsprachigen Kindern durchführen zu können?

Handlungsrepertoire

Welche Aktivitäten zur Sprachbeobachtung, Sprachbildung und Sprachförderung mehrsprachiger Kinder setzen Sie und Ihr Kita-Team bislang um?

Impulsfragen zur System-Ebene Wissen

Über welche theoretischen Grundlagen sollte man zur Sprachbeobachtung, Sprachbildung und Sprachförderung mehrsprachiger Kinder noch wissen?

Handlungsrepertoire

Welche weiteren Maßnahmen zur Sprachbeobachtung, Sprachbildung und Sprachförderung mehrsprachiger Kinder könnten Sie sich vorstellen?

Haltung

Wie könnte man die pädagogische Arbeit im mehrsprachigen Bereich in der Kita weiter gestalten?

Ausstiegsimpulse Gibt es weitere Aspekte, die wir bislang nicht erwähnt haben, die Sie aber wichtig für eine gelingende Sprachbeobachtung von mehrsprachigen Kindern halten? Welche der angesprochenen Themen haben Ihr besonderes Interesse geweckt? Welche Themen lagen Ihnen besonders am Herzen? Welche der angesprochenen Themen halten Sie gerade für Ihre Kita wichtig? Wo fühlten Sie sich in Ihrer Haltung, in Ihrer Praxis bestätigt? Wie war das Interview für Sie und was würden Sie uns zum Schluss mit auf den Weg geben? Dank für die Interviewteilnahme

Bei der Verwendung des Leitfadens galt es das Kriterium der Offenheit, das Kriterium der Spezifität sowie das Kriterium der Kontextualität und Relevanz zu beachten (ebd., S. 128f). Das bedeutete, dass sich die interviewführende Person auf den situativen Frage- und Antwortverlauf spontan einstellen musste. Gleichzeitig galt es auch, bei Unklarheiten nachzuhaken und Detaillierungen bei den pädagogischen Fachkräften anzuregen. Überdies musste die Befragung sowohl subjektive Betrachtungsmög-

6.5 Instrumente und Methoden

143

lichkeiten der pädagogischen Fachkräfte zulassen als auch eine Orientierung am Leitfaden gewährleisten. Jedes Interview wurde mit Informationen zum Ablauf und zum Aufbau des Interviews eingeleitet. Zum Ende des Interviews wurden Ausstiegsimpulse gegeben, um nicht angesprochene Aspekte aufzugreifen und die persönliche Dimension noch einmal ins Spiel zu bringen. Letztlich sollte auch die Wertschätzung der der pädagogischen Fachkraft als Expertin bzw. Experte abschließend verdeutlicht werden. Nach jedem Interview wurde von den Forschenden ein Postskript (Mey & Mruck, 2010, S. 431) angefertigt.47 Zusätzlich zu den Expertinnen- und Experteninterviews wurden die pädagogischen Fachkräfte zu lebens-, sprach- und berufsbiographischen Aspekten befragt. Dabei wurden Fragen zum familiären Umfeld, zur Sprachverwendung sowie zur Ausbildung und beruflichen Tätigkeit der pädagogischen Fachkraft gestellt (s. Anhang 2, S. 340). Die Schilderungen zur Sprach- und Berufsbiographie sollten ergänzende Hinweise zu sprachlich-kulturellen Potenzialen der pädagogischen Fachkräfte liefern. 6.5.1.3 Transkriptionsprozess Für die Übertragung der audiovisuell aufgezeichneten Interviews in eine schriftliche Transkription wurden Transkriptionsregeln (s. Tab. 11, S. 144) nach dem Gesprächsanalytischen Transkriptionssystem 2 (GAT 2) in der basalen Ausbaustufe des Minimaltranskriptes (Selting et al., 2009, S. 359-369) leicht adaptiert angewendet. Die Entscheidung für eine Orientierung an GAT 2 begründete sich zunächst in der Zielsetzung, das Gesprächsmaterial im Wesentlichen nach dem manifesten semantischen Inhalt auszuwerten und eine gute Lesbarkeit des Textes zu gewährleisten. Dennoch sollte im Transkript eine Nähe zum Originalton der pädagogischen Fachkraft erhalten bleiben. Besondere sprachliche Formulierungen, Abweichungen von der Standardsprache und Sprachmischungen wurden als Expertise der befragten Personen verstanden und als Informationsgehalt aufgenommen. Deshalb wurden die Transkriptionsregeln nach GAT 2 im Sinne einer wörtlichen Verschriftung in einer Mischform zwischen Standardorthographie und literarischer Umschrift umgesetzt. Zudem sollte der gesamte Redebeitrag nicht nur mit verbalen Elementen, sondern auch mit prosodischen paraverbalen Erscheinungen und nonverbalen Ereignissen abgebildet werden (Dresing & Pehl, 2010, S. 727). Damit konnten Rezeptionssignale, die sprachliche Inhalte relativieren bzw. hinsichtlich der Bedeutung verändern, in der Auswertung berücksichtigt werden.

47

Das Postskript enthielt das Datum und den Beginn des Interviews, den Namen der interviewführenden Person, das Kürzel der befragten pädagogischen Fachkraft (Erstsprachkennzeichen, fortlaufende Personenziffer, Datum des Interviews), wesentliche Rahmenbedingungen zum Ort, zu weiteren Anwesenden und zu Störfaktoren.

144

6 Methode

Tab. 11: Regeln zur Transkription der Interviews Gesprächsaspekte

Transkriptionskriterien

Transkriptionsbeispiele

Verbale Aussagen in deutscher Sprache

wörtliche Transkription, auch von der Standardsprache abweichende Formulierungen, Transkription umgangssprachlicher Wort- und Laut-Verschleifungen, Interjektionen, Groß- und Kleinschreibung nach deutscher Rechtschreibung, Interpunktionsregeln: Punkt, Komma, Fragezeichen, Ausrufezeichen

... dass es alles religiösische Hintergründe hat ... so ne Sache drinne

Transkription russischer Wörter in kyrillischer Schrift mit zusätzlicher deutscher Übersetzung in einfachen runden Klammern, Transkription türkischer Wörter in türkischer Rechtschreibung mit zusätzlicher deutscher Übersetzung in einfachen runden Klammern

... wo ist meine мaечка (russisch: Unterhemd)?

Pausenfüller

Verzögerungslaute

... äh; ... ähm“

Gesprächspartikel

Gesprächspartikel der Verneinung, der Zustimmung, des Nachdenkens, wenn die Gesprächspartikel als Antwort bzw. Reaktion zu verstehen sind

Verbale Aussagen in nichtdeutscher Sprache

... uh, ... piiiii ... die Eltern und Kinder ... tja, was muss man wissen?

... wie sagt man das, etkileniyorlar (türkisch: beeindruckt)

... mhmh ... mhm ... hm

Betonung Prosodie

Betonungen von Silben und Wörtern in Großbuchstaben, wenn die Aussage damit relativiert wird

... was UNSER Team anbetrifft

Sprechgeschwindigkeit

paraverbale Elemente in doppelten runden Klammern, wenn die Aussage damit relativiert wird oder wenn das Element als Antwort bzw. Reaktion zu verstehen ist

((gedehnt))

nonverbale Elemente in doppelten runden Klammern und in der Verbform der 3. Person ohne Personalpronomen, wenn die Aussage damit relativiert wird oder wenn das Element als Antwort bzw. Reaktion zu verstehen ist

((nickt))

Pausen

Pausen ab 5 Sekunden in einfachen runden Klammern mit Zeitangabe, längere Unterbrechung in einfachen runden Klammern mit Zeitangabe und Grund

(7 sec.) (1 min., Gesprächsunterbrechung aufgrund externer Störung)

Abbrüche

unvollständige Wörter und Sätze am Ende mit Schrägstrich

... keine familiäre Migran/ also Deutsch, alles

Unverständlichkeiten

unverständliche Wörter und Satzteile mit dem vermuteten Wortlaut mit Fragezeichen oder als „unverständlich“ gekennzeichnet in einfachen runden Klammern

... weil da (alle?) Deutsch und Russisch verstehen ... es gibt verschiedene (unverständlich)

Überschneidungen

sprachliche Überschneidungen in eckigen Klammern deckungsgleich untereinander

I: noch andere [Sprachen]? B: .................... [Englisch], ein bisschen.

Personennamen

Namen anonymisiert als „Name“ in einfachen runden Klammern; ggf. „Name 1“, „Name 2“

... dann hat (Name)

Lautstärke Atmung stimmhafte Atmung Räuspern Lachen Handlungen Körperhaltung Gestik Mimik

((leise)) ((atmet tief ein)) ((seufzt)) ((räuspert sich)) ((lacht))

((zeigt mit den Händen)) ((lächelt))

6.5 Instrumente und Methoden

145

Eine entsprechende kommentierte Transkription mit zusätzlichen Informationen über das Wortprotokoll hinaus (Mayring, 2016, S. 94) erhöhte die eindeutige Interpretation der Aussagen der befragten pädagogischen Fachkräfte. Beispielsweise konnten damit Phänomene wie Begeisterung und Überzeugtheit oder Unsicherheit und Ironie gedeutet werden. Außerdem wurden in der Transkription Unterbrechungen im Gespräch und im Sprechfluss sowie unverständliche Passagen gekennzeichnet (Gläser & Laudel, 2010, S. 194). Darüber hinaus wurden auch Wort- und Satzabbrüche markiert (Dresing & Pehl, 2015, S. 23). Damit konnten weitere Hinweise zur Deutung erfasst werden. Zusätzlich wurden im begleitenden Manual der BiKES-Studie Anweisungen für eine einheitliche Vorgehensweise zur Transkriptionsarbeit gegeben.48 In Anbetracht des Auswertungszieles war es notwendig, das gesamte Interviewmaterial zu transkribieren. Jede Transkription wurde von der jeweiligen Person erstellt, die auch das Interview leitete, um erstsprachliche Bezugssysteme und kulturelle Hintergründe einzubeziehen (Schulze, 2006, S. 205). Zusätzlich wurden alle transkribierten Interviews von speziell geschulten studentischen Hilfskräften49 sowie vom Projektleiter und Autor der vorliegenden Arbeit anhand des Original-Videomaterials rücküberprüft (Double Check), damit Fehler beim Abhören und Übertragen in die Schriftform weitgehend vermieden werden konnten (Gibson & Brown, 2009, S. 120). 6.5.1.4 Qualitative Inhaltsanalyse – Intrapersonale Profilbildung Nach der Transkription des Videomaterials erfolgten mehrere Analyseschritte für jedes Interview in der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2016, 2015, 2010b). Diese Auswertungsmethode wurde gewählt, da hiermit eine große Textmenge mit inhaltsanalytischen Regeln interpretiert werden konnte und intersubjektiv nachvollziehbar war. Aussagen der befragten Personen ließen sich sowohl qualitativ systematisieren als auch zur Ergänzung quantitativ zusammenfassen (Mayring, 2015, S. 602). Zur Festlegung der Analyse mussten zunächst grundlegende methodische Entscheidungen getroffen werden, damit danach eine für das BiKES-Projekt geeignete Vorgehensweise zur intrapersonalen Themengenerierung ausgearbeitet werden konnte. Dabei sicherten integrierte Interraterprozesse die Zuverlässigkeit der gewonnenen Ergebnisse.

48

Auf der Grundlage der fixierten Transkriptionsregeln und der Durchführungshinweise im Manual wurde der Transkriptionsprozess mit der Software f4 realisiert. Das Programm ermöglichte eine automatische Zeitmarkensetzung und Kennzeichnung der interviewführenden Person sowie der befragten Person (Dresing & Pehl, 2015, S. 33f). Ergänzend wurden fortlaufende Zeilennummern nach der Speicherung der Transkripte im Word-Format gesetzt, um Ankerstellen korrekt zitieren zu können (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 169). Zur Identifikation der Dokumente wurden im Transkriptionskopf die Angaben des Interview-Postskripts festgehalten (Dresing & Pehl, 2010, S. 727).

49

Dank gilt Elena Dänecke, Carolin Lawrenz, Madita Kraps, Julia Wendel und Verena Zauner.

146

6 Methode

Grundlegende methodische Entscheidungen Das Ziel der Auswertung der Interviews war, Rückschlüsse auf subjektive Konstruktionen der befragten Personen zu ziehen (Mayring, 2010b, S. 13). Damit sollte die Bandbreite der professionellen Zugänge pädagogischer Fachkräfte zu Mehrsprachigkeit und Interkulturalität sowie deren Umsetzungen in der Kita-Praxis abgebildet und erklärt werden. Für diese rekonstruierende Untersuchung auf der Basis von Expertinnen- bzw. Experteninterviews eignete sich die qualitative Inhaltsanalyse, da hiermit das Gesprächsmaterial mit einem Analyseraster auf relevante Informationen überprüft und interpretativ weiterverarbeitet werden konnte (Gläser & Laudel, 2010, S. 46f). Für die Interpretation des Gesprächsmaterials wurden zwei Grundformen der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2016) ausgewählt: 

Durch eine inhaltliche Strukturierung wird das Material nach festgelegten Ordnungskriterien gefiltert, um einen Querschnitt durch den Gesamtinhalt zu legen und diesen einzuschätzen.



Mit einer Zusammenfassung wird das Material auf wesentliche Inhalte reduziert, um ein abstrahiertes Abbild der Inhalte zu erhalten (ebd., S. 115).

Es erschien zielführend, zunächst die gesamten Informationen aufzunehmen ohne Textteile bereits im frühen Analysezeitpunkt zu eliminieren. Alle Bestandteile sollten dabei nach theoretischen Annahmen gegliedert und festgehalten werden. Hierzu ermöglichte die inhaltliche Strukturierung als Interpretationsform der qualitativen Inhaltsanalyse, das Interviewmaterial mittels Kategorien und Unterkategorien zu ordnen (Mayring, 2015, S. 103). So wurde ausgehend von der Leitfadenkonstruktion ein theoriegeleitet entwickeltes Kategoriensystem festgelegt, mit dem die Interviewtexte in deduktiver Vorgehensweise analysiert wurden. Erst in der weiteren Bearbeitung sollte der kategorisierte Inhalt auf ein überschaubares Maß zusammengefasst werden. In Anbetracht der Zusammenführung aller Interviews war eine Komprimierung zweifellos notwendig. Innerhalb dieses Verdichtungsprozesses sollten einerseits die auf das Material gelegten Kategorien als Grobeinteilung erhalten bleiben und andererseits neue inhaltliche Differenzierungen herausgearbeitet werden. Nach diesen Überlegungen war die Zusammenfassung als Form der Interpretation innerhalb der qualitativen Inhaltsanalyse für den nächsten Auswertungsschritt geeignet (ebd., S. 69). Der zusammenfassende Abstraktionsprozess erfolgte dann mittels induktiver Kategorienbildung. Der chronologische Gesprächszusammenhang wurde in dieser Auswertungsphase fragmentiert, da die kommunikative Sinnstruktur hier nicht mehr von Bedeutung war (Mayring, 2016, S. 97). Die Entscheidung für eine geschichtete Auswertungsmethode – zuerst deduktiv durch eine inhaltliche Strukturierung und danach induktiv durch eine Zusammenfassung sowie Generierung von Themen – führte zu einer Anpassung der qualitativen Inhaltsanalyse in der BiKES-Studie. Bei der Anwendung der qualitativen Inhaltsanalyse wird insbesondere empfohlen, das Vorgehen nicht zu starr, sondern auf den konkreten Forschungsgegenstand flexibel auszurichten (Mayring, 2015, S. 131). Ent-

6.5 Instrumente und Methoden

147

sprechend wurde die Auswertung der Interviews in einer Analysemischform und teilweise in der Zusammenlegungen von Analyseschritten durchgeführt, welche im Weiteren erklärt werden. Analyseschritte intrapersonaler Themengenerierung Um Themen zu generieren, die für die befragten pädagogischen Fachkräfte in den Interviews bedeutsam waren, erfolgte für jedes Interview im Anschluss an die Transkription eine Auswertung in den Schritten des Kodierens, der Generalisierung, der Reduktion und der Bündelung nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring, 2016, 2015, 2010b). Mithilfe des Kategoriensystems der drei Kompetenzbereiche der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires (s. Kap. 3.2.2 – 3.2.4) wurde zunächst das deduktive Kodieren durchgeführt (s. Abb. 12, S. 147). Mit den drei zusätzlichen Subkategorien der Fachkraft-Ebene, der Team-Ebene und der System-Ebene (s. Kap. 3.4) ergab sich eine inhaltliche Feinstrukturierung des Textmaterials in der Perspektive der Ermittlung von Kompetenzpotenzialen auf unterschiedlichen Argumentationsebenen.50

Abb. 12: Analyseschritte intrapersonaler Profilbildung 50

Die Zuordnung von Textstellen zu Haupt- und Subkategorien erfolgte computergestützt mit der Software MAXQDA, ein Programm für die sozialwissenschaftlich orientierte Datenanalyse (VERBI Software, 2014). Hiermit konnten Textsegmente mit digitalen Farbmarkierungen und Kategorienbezeichnungen kodiert werden.

148

6 Methode

Für das Kodieren wurden zwei Grundregeln festgelegt. Erstens musste geklärt werden, welchen Umfang ein kodiertes Segment (Coding) mindestens bzw. höchstens haben sollte (Mayring, 2015, S. 61). Es wurde bestimmt, dass so viel Text enthalten sein sollte, um es auch unabhängig vom ursprünglichen Textzusammenhang immer noch verstehen zu können (Kuchartz & Rädiker, 2010, S. 742). Ein Coding konnte sich dementsprechend auf eine Aussage sowohl in einem Abschnitt mit mehreren Sätzen als auch auf einen Satz oder einen Satzteil erstrecken. Es konnte selbst ein separates Wort kodiert werden, wenn etwa die interviewte Person elliptisch auf eine vorhergehende Äußerung oder auf eine Frage Bezug nahm. In solchen Fällen war es notwendig, entsprechende Gesprächsanschlüsse, z. B. den vorangegangenen Frageimpuls, einzubeziehen. Der maximale Umfang eines Codings sollte einen Redebeitrag bis zum Sprecherwechsel im Sinne eines Turns (Schmitt, 2005) nicht übersteigen. Zweitens musste ein Coding gleichzeitig einer Haupt- und einer Subkategorie zugeordnet werden können. Mit diesen beiden Grundregeln wurde das gesamte Material von allen Interviews strukturiert. In den nachfolgenden drei exemplarischen Ausschnitten aus dem Transkript des Interviews mit einer russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft (RU10) wurden neun Segmente mit unterschiedlichen Umfängen kodiert: Beitrag von Turn zu Turn, mehrere Sätze, Satz und Satzteil. Die Codings wurden entweder in den Kompetenzbereich der Haltung, des Wissens oder des Handlungsrepertoires eingruppiert. Zusätzlich wurden die Codings den Unterkategorien der Fachkraft-Ebene oder der Team-Ebene zugeordnet. In diesem Interview zeigten sich keine Aussagen auf der System-Ebene.

Wissen Fachkraft-Ebene Handlungsrepertoire Fachkraft-Ebene Wissen Fachkraft-Ebene Handlungsrepertoire Fachkraft-Ebene

Handlungsrepertoire Fachkraft-Ebene

51

„B: 03:34 Da (Name 2) äh, noch mehr Russisch spricht als Deutsch und ihr noch an Wortschatz mangelt, habe ich beide Sprachen einbezogen. Ich habe erstmal auf Deutsch angefangen und äh, wenn ich gemerkt habe, dass sie das nicht versteht, habe ich auf Russisch das ihr nochmal gesagt oder es war auch so, dass sie teilweise auf Russisch angefangen hat etwas zu erzählen und dann habe ICH auf Deutsch ihr diese Geschichte/ äh, diesen Satz nochmal übersetzt oder so, so dass das Kind auch die deutsche Sprache LERNT. Und dann äh, gabs auch Situation, wo sie die Wörter nicht richtig ausgesprochen hat oder die Sätze nicht richtig formuliert hat, und dann hab ich sozusagen wie eine Schallplatte nachgesprochen, 51 aber dann auch in äh, richtigen Satz aufgebaut. Genau“ (RU10, Z. 315-321). „B: 06:16 (Name 2). Äh, in dem ich das, das, ne, was ich schon vorhin gesagt habe, in dem ich entweder die Sätze wiederholt habe und zwar richtig ausgesprochen oder äh, wenn ich gemerkt habe, dass sie äh, etwas nur auf Russisch sagt oder es nicht versteht, ne. Wenn sie etwas sagt, aber das nicht klar rüber kommt, weil sie/ weil ihr äh, die Wörter fehlen, dann habe ich das richtig auf Deutsch nochmal gesagt oder ihr auf Russisch das Gleiche gesagt und nochmal mit ihr auf Deutsch gesprochen“ (RU10, Z. 360-364).

Zitationen aus Transkripten der BiKES-Studie werden mit dem Kürzel der pädagogischen Fachkraft und der Zeilennummer bzw. den Zeilennummern in Klammern gekennzeichnet, z. B. (RU10, Z. 100102).

6.5 Instrumente und Methoden Handlungsrepertoire Team-Ebene Wissen Fachkraft-Ebene Haltung Fachkraft-Ebene Handlungsrepertoire Fachkraft-Ebene

149

„B: 24:23 Ja, also ich bin noch, hm, erstens äh, möchte ich für uns, für unsere Kita, dass die Elternarbeit noch äh, mehr gestärkt wird, dass wir vielleicht auch Projekte, was äh, die verschiedenen Kulturen angeht, dass die Eltern äh, zusammenwachsen, dass auch unsere Eltern sehen, es gibt doch andere Nationalitäten hier. Ich weiß auch, ehrlich zu sagen, wissen das alle Kinder, welche/ aus welchen Ländern wir/ die Kinder sind. Das ist mir sehr wichtig, denn heutzutage leben wir ja alle multikulturell und das soll auch äh, auch gefördert werden. Das wird mir sehr wichtig. ... Soll man jetzt mit dem Kind äh, die Muttersprache sprechen am Anfang, soll man nicht? Ist es denn äh/ wie ist es für die anderen Kinder? Ist es für die Eltern von Vorteil? ...“ (RU10, Z. 638-653).

Nach dem Kodieren erlaubte die Softwareverwendung die digitale Zusammenstellung der markierten Codings pro Kategorie und die Übertragung in ein Excel-Format. In diesem Dateiformat wurden die nächsten zusammenfassenden Analyseschritte vorgenommen. Aufgrund der großen Textmenge wurde die Paraphrasierung des Textes mit dem nächsten Auswertungsschritt der Generalisierung verbunden (Mayring, 2015, S. 70f). Dementsprechend wurden alle kodierten Textsegmente nicht nur paraphrasiert, sondern gleichzeitig auf einem höheren Abstraktionsniveau verallgemeinert und generalisiert (s. Abb. 12, S. 147; s. Tab. 12, S. 150). Das bedeutete, dass sowohl sprachliche Ausschmückungen, Wiederholungen oder unwichtige Gesprächspartikel entfernt als auch die grammatischen Personalformen verändert wurden. So wurden die Aussagen der pädagogischen Fachkraft (1. Person Singular bzw. Plural) bei der Generalisierung abstrahiert und aus der Sicht der forschenden und beobachtenden Person umformuliert (3. Person Singular bzw. Plural). Zur weiteren inhaltlichen Verdichtung und Zusammenfassung des Materials wurde eine Reduktion vorgenommen (s. Abb. 12, S. 147; s. Tab. 12, S. 150). Der Schritt zur Reduktion wurde damit vollzogen, indem die vorherigen Satzstrukturen aufgelöst und die Inhalte im Sinne von charakterisierenden Überschriften zusammengefasst wurden. Im letzten Schritt der intrapersonalen Auswertungen erfolgte eine Bündelung (Mayring, 2015, S. 72). der ermittelten Überschriften zu verschiedenen Themen im Sinne einer induktiven Kategorisierung (s. Abb. 12, S. 147; s. Tab. 12, S. 150). Diesbezüglich wurden inhaltsähnliche Überschriften unter einem gemeinsamen Thema zusammengeführt und der Umfang des Interviewmaterials noch einmal deutlich verdichtet. Damit wurde eine Ordnung des Materials nach bestimmten Themen zur Konstruktion deskriptiver Systeme geschaffen (Mayring, 2016, S. 99f). Im Folgenden wird die Auswertungsarbeit der Generalisierung, Reduktion und Bündelung anhand der veranschaulichten kodierten Textsegmente des Interviewtranskriptes mit der russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft (RU10) beispielhaft dargelegt (s. Tab. 12, S. 150).

150

6 Methode

Tab. 12: Intrapersonale Profilbildung am Beispielausschnitt der Interviewanalyse RU10 K E Zeile

Segmente

Generalisierung

Reduktion

Bündelung

Ha F 641- Das ist mir sehr wichtig, denn Der PF ist wichtig, dass

Förderung von Förderung von MultikultuMultikulturali-tät als wichti- ralität als persönliches ges persönliches Anliegen Anliegen der PF

Wi F 315 Da (Name 2) äh, noch mehr

Feststellung des vorwiegenden Gebrauchs der Erstsprache und eines geringen Wortschatzes des Kindes durch die PF

643 heutzutage leben wir ja alle multikulturell und das soll auch äh, auch gefördert werden. Das wird mir sehr wichtig.

Multikulturalität gefördert wird, da ihrer Meinung nach heutzutage alle multikulturell leben.

Die PF stellt fest, dass das Russisch spricht als Deutsch Kind noch vorwiegend und ihr noch an Wortschatz Russisch spricht und der mangelt Wortschatz noch gering ist.

vorwiegender Gebrauch der Erstsprache und Schwierigkeiten des Kindes auf den Ebenen der Artikulation und der Syntax

Wi F 319- Und dann äh, gabs auch

Die PF beobachtete, dass das Kind die Wörter nicht richtig aussprach und die Sätze nicht richtig formulierte.

Wi F 640- Ich weiß auch, ehrlich zu

Die PF möchte wissen, aus Wunsch der PF nach Wunsch nach Kenntnissen welchen Ländern die Kenntnissen über die über regionale Kinder sind. Herkunftsländer der Kinder Hintergünde der Kinder

Hn F 315- habe ich beide Sprachen

Die PF bezog bei der Bilderbuchbetrachtung beide Sprachen ein. Sie begann auf Deutsch zu erzählen. Bei Verständnisschwierigkeiten des Kindes, wiederholte sie die Aussage auf Russisch. Wenn das Kind auf Russisch erzählte, übersetzte die PF die Aussagen des Kindes in das Deutsche, da das Kind auch im Deutschen gefördert werden soll.

320 Situation, wo sie die Wörter nicht richtig ausgesprochen hat oder die Sätze nicht richtig formuliert hat 641 sagen, wissen das alle Kinder, welche/ aus welchen Ländern wir/ die Kinder sind. 319 einbezogen. Ich habe erstmal auf Deutsch angefangen und äh, wenn ich gemerkt habe, dass sie das nicht versteht, habe ich auf Russisch das ihr nochmal gesagt oder es war auch so, dass sie teilweise auf Russisch angefangen hat etwas zu erzählen und dann habe ICH auf Deutsch ihr diese Geschichte/ äh, diesen Satz nochmal übersetzt oder so, so dass das Kind auch die deutsche Sprache LERNT.

Beobachtung der PF von Schwierigkeiten des Kindes in der Aussprache und im Satzbau

flexibler Gebrauch der PF von Russisch und Deutsch bei der Bilderbuchbetrachtung, um auf Verständnisschwierigkeiten eingehen zu können und ebenso die Deutsche Sprache beim Kind zu fördern

Hn F 320- und dann hab ich sozusagen Die PF wiederholte die

korrekte Wiederholung der Aussage des Kindes in korrektem Satzbau durch die PF

Hn F 360- Äh, in dem ich das, das, ne,

Wenn die PF bemerkte, dass das Kind nur Russisch benutzt bzw. mit Deutsch Schwierigkeiten hatte, dann wiederholte sie die Aussage zuerst korrekt auf Deutsch oder nannte den Inhalt auf Russisch und dann noch einmal auf Deutsch.

Unterstützung des Kindes bei Verständnis- und Äußerungsschwierigkeiten durch den flexiblen Gebrauch der PF von Russisch und Deutsch

Hn F 374- Jetzt ein Beispiel. Also ich

Die PF ging auf die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes ein, indem sie auf den Inhalt und die Formulierung des Kindes genau achtete und dann die Aussage des Kindes im Deutschen wiederholte bzw. ins Russische über-

Eingehen der PF auf sprachliche Möglichkeiten des Kindes im Russischen wie auch im Deutschen durch Wiederholung bzw. Übersetzung

321 wie eine Schallplatte nachge- Aussage des Kindes in sprochen, aber dann auch in korrektem Satzbau. äh, richtigen Satz aufgebaut. Genau. 364 was ich schon vorhin gesagt habe, in dem ich entweder die Sätze wiederholt habe und zwar richtig ausgesprochen oder äh, wenn ich gemerkt habe, dass sie äh, etwas nur auf Russisch sagt oder es nicht versteht, ne. Wenn sie etwas sagt, aber das nicht klar rüber kommt, weil sie/ weil ihr äh, die Wörter fehlen, dann habe ich das richtig auf Deutsch nochmal gesagt oder ihr auf Russisch das Gleiche gesagt und nochmal mit ihr auf Deutsch gesprochen 376 denke, ich hab das in/ indem ich ja mit ihr gut zugehört habe, wie SIE spricht, WAS sie sagt, dann genau das Gleiche wiederholt oder nochmal ihr auf Russisch übersetzt, dass/ so, so bin ich auch darauf eingegangen,

flexibler Gebrauch von Russisch und Deutsch bei der Bilderbuchbetrachtung zum Eingehen auf Verständnisschwierigkeiten und zur kontinuierlichen Deutschförderung

6.5 Instrumente und Methoden

151

[auf ihre sprachliche Fähigkei- setzte. ten.]

Hn F 646- Soll man jetzt mit dem Kind

Die PF ist verunsichert 647 äh, die Muttersprache sprebezüglich des Gebrauchs chen am Anfang? Soll man der Erstsprache mit den nicht? Ist es denn äh/ wie ist Kindern in der Kita. es für die anderen Kinder? Ist es für die Eltern von Vorteil?

Hn T 638- Ja, also ich bin noch, hm,

640 erstens äh, möchte ich für uns, für unsere Kita, dass die Elternarbeit noch äh, mehr gestärkt wird, dass wir vielleicht auch Projekte, was äh, die verschiedenen Kulturen angeht, dass die Eltern äh, zusammenwachsen, dass auch unsere Eltern sehen, es gibt doch andere Nationalitäten hier.

Die PF wünscht sich für ihre Kita mehr interkulturell ausgerichtete Elternarbeit, z. B. über Projekte. Die Eltern würden dann mehr über andere Kulturen erfahren und dadurch mehr Anschluss zueinander bekommen.

Unsicherheit der PF bezüglich des Einsatzes der Erstsprache

Unsicherheit bezüglich des Einsatzes der Erstsprache

Wunsch für das Kita-Team nach interkulturell ausgerichteter Elternarbeit und Intensivierung der Kontakte der Eltern untereinander

Wunsch für das Kita-Team nach stärkerer Etablierung interkultureller Aspekte in der Elternarbeit

PF = pädagogische Fachkraft Kompetenzbereiche (K)

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Ebenen der Argumentationsperspektiven (E)

F = Fachkraft

T = Team

Hn = Handlungsrepertoire

Nach den beschriebenen Analyseschritten ergaben sich intrapersonale Profile von allen befragten pädagogischen Fachkräften (s. Abb. 12, S. 147). In jedem intrapersonalen Profil kristallisierten sich Themen heraus, die Hinweise gaben, wie die pädagogische Fachkraft Potenziale für das frühpädagogische Handeln mit mehrsprachigen Kindern mit Migrationshintergrund nutzt. 6.5.1.5 Zusammenführung der Inhaltsanalysen – Interpersonale Profilbildung Nach der Auswertung des Textmaterials mit der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse wurden alle herausgearbeiteten intrapersonalen Profile weiter zur komparativen Analyse herangezogen. Die vergleichende Beurteilung der Fälle war vorgesehen, um die Erklärungskraft der Studie zu erhöhen (Gläser & Laudel, 2010, S. 98). Dazu wurden zwei zusammenfassende Analyseschritte durchgeführt und somit interpersonale Themengruppen sowie Kernthemengruppen gebildet. Danach konnten die generierten Kernthemengruppen in den Analyseschichten der Leitfadenkategorien ausgewertet werden. Im Wesentlichen wurden qualitative Ergebnisse untersucht, um phänomenologische Aspekte zu charakterisieren und einen differenzierten Einblick in die Selbstkonstruktionen der pädagogischen Fachkräfte zu erhalten. Flankierend wurden auch quantitative Übersichten hergestellt, mit denen Ergebnisproportionen innerhalb der Gesamtstichprobe verdeutlicht werden konnten. Analyseschritte interpersonaler Themen- und Kernthemengruppierung Durch die Zusammenführung von allen intrapersonalen Profilen (n = 18) der pädagogischen Fachkräfte ergaben sich insgesamt 795 Themen. Diese wurden im interpersonalen Vergleich induktiv kategorisiert und in übergeordneten Themengruppen zusammengefasst (s. Abb. 13, S. 152; s. Tab. 13, S. 153).

152

6 Methode

Abb. 13: Analyseschritte interpersonaler Profilbildung

Durch die Klassifizierung wurde das Datenmaterial nach empirisch und theoretisch sinnvollen Ordnungsgesichtspunkten gegliedert, um so eine strukturierte Beschreibung der Inhalte zu ermöglichen (Mayring, 2015, S. 24). Hiermit kristallisierten sich 67 Gruppen mit jeweils ähnlichen Themen heraus. Die interpersonal ermittelten Themengruppen bezogen sich teilweise auf alle intrapersonalen Profile der befragten pädagogischen Fachkräfte. Tendenziell charakterisierten jedoch die herausgearbeiteten interpersonalen Themengruppen unterschiedliche Teile der Interviewgruppe. Stellenweise traf eine generierte Themengruppe sogar nur auf eine einzelne Fachkraft zu. In einem nächsten Auswertungsschritt galt es, alle interpersonalen Themengruppen, die bereits den drei Kompetenzkategorien der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires sowie den jeweiligen Subkategorien der Fachkraft-Ebene, der Team-Ebene und der System-Ebene zugeordnet waren, erneut nach inhaltlichen Gesichtspunkten zu gruppieren und zu strukturieren. Ohne die kategoriale Gliederung der Kompetenzbereiche und Argumentationsebenen zu eliminieren – aber dennoch unabhängig davon bei der Neu-Gruppierung – wurden weiter thematisch übergeordnete interpersonale Kernthemengruppen induktiv zusammengestellt (s. Abb. 13, S. 152; s. Tab. 13, S. 153).

6.5 Instrumente und Methoden

153

Somit führte die interpersonale Profilbildung durch jeden der beiden Analyseschritte zu einem kontinuierlichen Strukturierungs- und Verdichtungsprozess, um schließlich relevante Gesamtaussagen treffen zu können. Innerhalb von zehn Kernthemengruppen bildeten sich Potenzialmerkmale des pädagogischen Personals im Kontext mehrsprachiger und interkultureller frühpädagogischer Arbeit in unterschiedlichen Gewichtungen und Zuordnungen ab. Zusätzlich zu den zehn Kernthemengruppen ergab sich ein weiteres Themengruppenbündel, in dem Stellungnahmen der befragten pädagogischen Fachkräfte zu ihrer Teilnahme am Forschungsprojekt eingeordnet werden konnten.

Tab. 13: Interpersonale Profilbildung am Beispielausschnitt der Themengruppe zur allgemeinen Wertschätzung der Erstsprache bei russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften Kernthemengruppe: Gebrauch der Erstsprache und Stellenwert der Mehrsprachigkeit Themengruppe: Allgemeine Wertschätzung der Erstsprache RU4

Ha F

große Relevanz für Erwerb und Gebrauch der Erstsprache in der Familie

Ha S

RU8

RU9 Sensibilisierung von Familien für die Bedeutung der Erstsprache

RU10

RU11

Wertschätzung der eigenen Erstsprache und Wunsch der Weitergabe an die eigenen Kinder

Relevanz des Gebrauchs der Erstsprache hinsichtlich der Vermittlung von Akzeptanz für Kinder und Eltern

Sensibilisierung der Eltern für die Weitergabe und Pflege der Erstsprache für ihre Kinder

2. Thema 1. Thema

Ha T

RU7

Unterstützung des Gebrauchs der Erstsprache in der Familie und in der Kita

offene Haltung gegenüber dem Gebrauch der Erstsprachen durch die Kinder und PFs in der Kita

interkulturelle und mehrsprachige Offenheit unter den KitaKollegInnen

negative Bewertung des Verbots zum Gebrauch der Erstsprachen zwischen Kindern und Eltern in anderen Kitas

1.Thema

Ha F

1. Thema

K E

PF = pädagogische Fachkraft Pädagogische Fachkräfte

RU = russisch-deutschsprachig

Kompetenzbereiche (K)

Ha = Haltung

Ebenen der Argumentationsperspektiven (E)

F = Fachkraft

T = Team

S = System

154

6 Methode

In der obigen Darstellung wird beispielhaft ein Ausschnitt der interpersonalen Profilbildung zur Themengruppe mit Bezug auf die allgemeine Wertschätzung der Erstsprache durch russisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte aufgezeigt (s. Tab. 13, S. 153). Diese Themengruppe ist eines von zehn Themenbündeln der Kernthemengruppe, die sich thematisch auf den Gebrauch der Erstsprache und den Stellenwert der Mehrsprachigkeit bezieht. Im Analyseausschnitt der Kernthemengruppe zum Gebrauch der Erstsprache und Stellenwert der Mehrsprachigkeit (s. Tab. 13, S. 153) sind Themen mit der Zuordnung zum Kompetenzbereich der Haltung aus den Perspektiven der Fachkraft, des Teams oder des Systems vorzufinden. Größtenteils wurde dazu ein Thema pro pädagogischer Fachkraft generiert. Nur bei der pädagogischen Fachkraft RU10 offenbarten sich zwei Themen innerhalb dieser Themengruppe. In einem weiteren exemplarischen Ausschnitt interpersonaler Profilbildung ist ein anderes Themengruppenmuster zu erkennen (s. Tab. 14, S. 155).Dabei handelt es sich um die Themengruppe des Wissens russisch-deutschsprachiger pädagogischer Fachkräfte über sprachliche Fähigkeiten des Kindes in Erst- und Zweitsprache während der Bilderbuch- und Spielsituation. Diese Themengruppe ist Teil der Kernthemengruppe, die mit insgesamt vier Themengruppen thematisch das Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen bei Kindern umschließt. Hierzu wurden ausschließlich Zuordnungen zum Kompetenzbereich des Wissens auf der Fachkraft-Ebene ermittelt. In diesem Abbild fällt auf, dass bei der pädagogischen Fachkraft RU8 fünf Themen innerhalb der Themengruppe subsumiert wurden. Dagegen stellt sich die Themendifferenziertheit bei den restlichen russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften in geringerem Ausmaß dar (s. Tab. 14, S. 155).

6.5 Instrumente und Methoden

155

Tab. 14: Interpersonale Profilbildung am Beispielausschnitt der Themengruppe zum Wissen russisch-deutschsprachiger pädagogischer Fachkräfte über sprachliche Fähigkeiten des Kindes in der Erst- und Zweitsprache während der Bilderbuch- und Spielsituation Kernthemengruppe: Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen bei Kindern Themengruppe: Wissen über sprachliche Fähigkeiten des Kindes in Erst- u. Zweitsprache bei Erhebung RU4

RU7

Wi F

Kenntnis und Wahrnehmung sprachlicher Transferprozesse zwischen Erstund Zweitsprache während des mehrsprachigen Erwerbsprozesses

Beurteilung der sehr guten herkunftssprachlichen Kenntnisse des Kindes im WortWor schatz und Erzählfertigkeit im Gegensatz zu den weniger gut entwickelten Kenntnisse im Deutschen

Wi F

Wi F

Thema 2 Thema 3 Thema 4

Wi F

Thema 5

Wi F

Thema 1

K E

RU9

RU10

RU11

Erkennen der Wortschatzschwierigkeiten des Kindes im Russischen und im Deutschen neben guten Wahrnehmungsfähigkeiten

RU8

Interpretation der Wortwahl des Kindes im Deutschen im Abgleich mit existierenden Bezeichnungen in der Erstsprache

vorwiegender Gebrauch der Herkunftssprache und Schwierigkeiten des Kindes auf den Ebenen der Artikulation und der Syntax

Kenntnisse über den unterschiedlichen Gebrauch und die Erwerbsqualitäten der Erst- und Zweitsprache sowie von Sprachmischungen und Übersetzungsfähigkeiten bei drei Kindern in der Erhebungssituation

Nutzung herkunftssprachlicher Kenntnisse der PF zur Entschlüsselung von Lautmalereien und Fantasiebezeichnungen von Tiernamen des Kindes

Wahrnehmung der PF bezüglich der Dominanz, aber auch der Zurückhaltung im aktiven und rezeptiven Gebrauch des Deutschen beim Kind und des Gebrauchs von einzelnen russischen Wörtern in der Erhebungssituation

Feststellung der PF hinsichtlich der kindlichen Wahrnehmung eines bilingualen oder monolingualen Sprachmodus in verschiedenen Kita-Situationen mit adäquatem Gebrauch des Russischen oder des Deutschen sowie der Strategie des Sprachwechsels

Feststellung eines nicht altersadäquaten Sprachstandes im Bereich Wortschatz und Satzbildung beim Kind im Russischen wie auch im Deutschen im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Zeigegesten

allgemein positive Bewertung der Äußerungsfähigkeiten des Kindes in der Erhebungssituation trotz grammatischer Fehler im Deutschen

Erkennen des Sprachverständnisses des Kindes in der Erst- und Zweitsprache, aber noch geringen aktiven Sprachverwendungsmöglichkeite n in beiden Sprachen Erkennen der falschen Verwendung von Präpositionen

156

6 Methode

PF = pädagogische Fachkraft Pädagogische Fachkräfte

RU = russisch-deutschsprachig

Kompetenzbereiche (K)

Wi = Wissen

Ebenen der Argumentationsperspektiven (E)

F = Fachkraft

Analyseschichten der Kernthemengruppen Die verschiedenen interpersonal zusammengefassten Kernthemengruppen ließen in Bezug zu den drei Kompetenzkategorien der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires (s. Kap. 3.2.2 – 3.2.4) unterschiedliche Muster erkennen (s. Abb. 14, S. 156). Dazu wurden in der Ergebnisdarstellung der Kernthemengruppen jeweils Zuordnungen zu den Kompetenzkategorien hergestellt (s. Kap. 7.2). Außerdem wurden die Subkategorien der Argumentationsperspektiven aus der persönlichen Fachkraft-Ebene, der Team-Ebene der frühpädagogischen Einrichtung sowie der bildungsadministrativen, bildungspolitischen und gesellschaftlichen System-Ebene (s. Kap. 3.4) in weiteren Analyseschichten beleuchtet (s. Kap. 7.2).

Abb. 14: Analyseschichten innerhalb der Kernthemengruppen

6.5 Instrumente und Methoden

157

Darüber hinaus wurde ermittelt, welche spezifische Bedeutung die verschiedenen Kernthemen innerhalb der Interviewgruppe (s. Kap. 6.3.1) für russischdeutschsprachige und türkisch-deutschsprachige sowie für monolingual deutschsprachige pädagogische Fachkräfte aufwiesen. Dabei wurden die Anteile der Äußerungen und der Differenzierungsgrad der Themen der befragten pädagogischen Fachkräfte der drei Teilgruppen miteinander verglichen (s. Kap. 7.2). Somit konnten Ausgangspotenziale der pädagogischen Fachkräfte zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität im Hinblick auf Themenspektren sowohl in der Zuordnung zu Kompetenzkategorien als auch zu Argumentationsebenen und zu den Stichprobengruppen identifiziert werden (s. Abb. 14, S. 156). 6.5.1.6 Interraterprozess Im qualitativen Auswertungsverfahren galt es, ein bestimmtes Maß an Interpretationsübereinstimmung innerhalb des Auswertungsteams zu erreichen, damit die Ergebnisse als wissenschaftliche Aussage Gültigkeit besitzen (s. Kap. 6.4.2). Eine Überprüfung der Beurteiler-übereinstimmungen sollte stets angewendet werden, wenn mehrere Personen am Auswertungsprozess beteiligt sind. Allerdings ist eine statistische Interrater-Reliabilität nur bei Analysen mit eindeutigen Zuordnungen durchführbar und diese ist umso schwieriger nachzuweisen, je differenzierter sich das Kategoriensystem darstellt (Mayring, 2015, S. 124). Deswegen konnten in der BiKES-Studie die Übereinstimmungen der strukturierenden Kodierungen und der zusammenfassenden Interpretationen nicht in einer quantitativen Interrater-Reliabilität erfasst werden. Die Kodierungen und Interpretationen erfolgten nämlich nicht in numerischer Zuordnung, sondern in Form verbaler Beschreibungen. Zur Erzielung weitgehender Beurteilerübereinstimmungen musste daher besonders darauf geachtet werden, dass Indikatoren zur Interpretation innerhalb gemeinsamer Analyseprozesse im Sinne von Interpretationsregeln erarbeitet sowie die gewonnenen Ergebnisse zur Entwicklung eines gemeinsamen Auswertungsverständnisses fortlaufend diskutiert wurden (Gläser & Laudel, 2010, S. 210). Dazu mussten spezifische Kenntnisse im Auswertungsteam geschaffen werden. Ferner galt es, die methodische Vorgehensweise sowie den Abstraktionsgrad der Interpretationen zu vereinheitlichen. Vor diesem Hintergrund wurde innerhalb der Analyseschritte intrapersonaler Profilbildung ein genauer Plan für den Interraterprozess erstellt und umgesetzt. In diesem Plan wurde folgendes Ablaufschema festgelegt (s. Tab. 15, S. 159): 

Das erste transkribierte und mit Double Check kontrollierte Interview wurde komplett im kooperativen Austausch innerhalb des Forschungsteams kodiert. Flankierend wurden die Kodierregeln gemeinsam spezifiziert und mit beispielhaften Zuordnungen ergänzt.

158

6 Methode



Das zweite und dritte Interview kodierten der Projektleiter und Autor der vorliegenden Arbeit sowie eine wissenschaftliche Hilfskraft unabhängig voneinander. Anschließend wurden die Codings in beiden Interviews hinsichtlich der Übereinstimmungen überprüft. In Anlehnung an die klassische Einteilung von Interrater-Reliabilitätswerten nach Landis und Koch (1977, S. 165) wurden die Übereinstimmungen vom Auswertungsteam eingeschätzt und vier Kategorien zugeordnet: fast vollkommene Übereinstimmung (über 80 % der Inhalte), erhebliche Übereinstimmung (über 60 % bis 80 % der Inhalte), mittelgradige Übereinstimmung (über 40 % bis 60 % der Inhalte) und keine bis mäßige Übereinstimmung (bis 40 % der Inhalte). Bei einer quantitativen Berechnung der Interrater-Reliabilität wäre nach Bortz und Döring (2006) mit einem Cohens-Kappa-Koeffizienten von über 0.60 von einer akzeptablen Beurteilerübereinstimmung auszugehen (ebd., S. 277). Dementsprechend wurde für die BiKES-Studie festgelegt, dass im Interraterprozess inhaltlich-sinngemäße Übereinstimmungen von über 60 % der Codings bzw. der zusammengefassten Überschriften erreicht werden mussten. Bei geringeren Übereinstimmungen war ein erneuter gemeinsamer Auswertungsdurchgang mit dem Austausch der Auswertungsinterpretationen (konsensuelle Validierung) innerhalb des Forschungsteams notwendig (ebd., S. 328).



Das vierte und fünfte Interview wurde jeweils nur vom Projektleiter und Autor der vorliegenden Arbeit kodiert, ohne eine Einschätzung der Übereinstimmungen vorzunehmen, da die vorangegangenen Kodierarbeiten – einschließlich der gemeinsamen Überarbeitungen – als erheblich übereinstimmend eingestuft werden konnten.



Das sechste Interview kodierten wieder beide Auswertungspersonen unabhängig voneinander und kontrollierten danach die Übereinstimmungen. Der Interraterprozess konnte dabei auf ein akzeptables Niveau gebracht werden.



Aufgrund der guten Übereinstimmungen reichte es bei den nächsten drei Interviews aus, dass diese jeweils nur von einer Auswertungsperson ohne anschließende Überprüfung der Beurteilerübereinstimmung kodiert wurden.



Das zehnte und elfte Interview wurde wieder separat kodiert und anschließend verglichen. Die Übereinstimmungsrate war abermals als akzeptabel zu bezeichnen.



Für die letzten sieben Interviews erübrigte sich ein Kodiervergleich, da der bisherige Interraterprozess zufriedenstellend verlief.



Analog zu diesem Ablaufverfahren wurden ebenso die zwei darauf folgenden Analyseschritte der intrapersonalen Profilbildung durchgeführt. Dabei wurden die Generalisierungen der Textsegmente sowie die Reduktionen auf Überschriften verglichen und im Interraterprozess angepasst.

6.5 Instrumente und Methoden

159



Die Bündelung der Überschriften zu Themen – als letzter Schritt zur intrapersonalen Profilbildung – wurde bei allen Interviews gemeinsam innerhalb des Forschungsteams durchgeführt.



Alle Auswertungsschritte der intrapersonalen Profilbildung wurden schließlich vom Projektleiter und Autor der vorliegenden Arbeit erneut als Double Check überprüft.

Tab. 15: Interraterprozess innerhalb der Analyseschritte intrapersonaler Profilbildung

Interview RU8 RU10 RU4 TR2 DE6 DE2 TR1 RU9 DE4 DE1 TR3 TR5 TR6 RU11 TR4 RU7 DE7 DE5 alle

B1 X X X X X X X X X X X X X X

Kodieren B2 X X X X X

X X

X X X

Generalisierung und Reduktion B1 B2 Ü X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X X Double Check

Ü X X X

Bündelung Ü X X X X X X X X X X X X X X X X X X

B1 = erste beurteilende Person des Forschungsteams B2 = zweite beurteilende Person des Forschungsteams Ü

= Prüfung der Beurteilerübereinstimmung = auf Beurteilerübereinstimmung geprüfte Interviews

Mit dem skizzierten Interraterablauf konnten gut 30 % des Interviewmaterials auf Beurteiler-übereinstimmung eingeschätzt werden. Damit liegt der Umfang des geprüften Materials über dem von Yoder & Symons (2010, S, 159f) empfohlenen Anteil von 20 %. In der sich anschließenden Auswertungsarbeit, bei der alle intrapersonalen Profile (n = 18) interpersonal gegenübergestellt und zusammengefasst wurden, konnte eine weitere Qualitätssicherung realisiert werden. Die Analyseschritte erfolgten dann nicht mehr nach dem zuvor beschriebenen Interraterprozess, sondern durchgängig nach dem Sechs-Augen-Prinzip. Das bedeutete, dass sämtliche nachfolgend aufgeführten methodischen Schritte zur interpersonalen Profilbildung gemeinsam von zwei wis-

160

6 Methode

senschaftlichen Hilfskräften des Forschungsteams sowie dem Projektleiter und Autor der vorliegenden Arbeit im konstanten gegenseitigen Abstimmungsprozess durchgeführt wurden. 6.5.1.7 Frequenzanalysen zur Interviewerhebung Die bisher erläuterten Instrumente und Methoden zur Erhebung und Auswertung folgten in der BiKES-Studie primär dem Paradigma der qualitativen Forschung. Dabei wurde im Wesentlichen untersucht, in welchen Ausprägungen sich subjektive Konstruktionen pädagogischer Fachkräfte zu Mehrsprachigkeit und Interkulturalität als Potenzial darstellten. Hierzu wurden Aussagen und Stellungnahmen der pädagogischen Fachkräfte hinsichtlich des inhaltlichen Gehalts durch Kodieren, Strukturieren und Zusammenfassen analysiert. Neben diesen qualitativen Auswertungsschritten wurden begleitend Frequenzanalysen (Häufigkeitszählungen) durchgeführt. Damit sollte die Relevanz der Ergebnisse auch in quantitativen Proportionen abgebildet werden. Mit diesem Vorgehen konnte der in der Forschung oft bestehende Gegensatz zwischen rein qualitativen und quantitativen Methoden ansatzweise überwunden werden (Mayring, 2015, S. 20). Im ersten Forschungsschwerpunkt wurden zusätzlich zur qualitativen Ergebnisgenerierung flankierende Übersichten im Rahmen von Frequenzanalysen hergestellt. Damit sollte die differenziert ermittelte qualitative Datenlage überschaubar aufbereitet und die Bedeutung einzelner Aspekte in Relation zueinander gestellt werden. Grundsätzlich konnte davon ausgegangen werden, dass sich eine Integration quantitativ orientierter Analysen für ein überwiegend qualitativ angelegtes Forschungsprojekt als Optimierung erweist (Mayring, 2001). So konnten in der BiKES-Studie qualitative Ergebnisse durch zusätzliche quantitative Analysen ergänzt und relativiert werden (Kelle, 2001, 2007). Aufgrund der für das qualitative Design absichtlich reduzierten Stichprobe wurden ausschließlich Häufigkeiten qualitativer Phänomene deskriptiv festgestellt und verglichen (Mayring, 2015, S. 15). Im Rahmen von Frequenz- bzw. Häufigkeitsanalysen wurden bestimmte Elemente des ermittelten Datenmaterials ausgezählt und in ihrer Häufigkeit mit dem Auftreten anderer Elemente gegenübergestellt (Lamnek, 2010, S. 456; Mayring, 2015, S. 13). Zur Visualisierung der Interviewergebnisse im ersten Forschungsschwerpunkt wurden Häufigkeiten der Kategorienzuordnung in tabellarischer Darstellung zu jeder der zehn Kernthemengruppen (s. Kap. 7.2.1. – 7.2.10) sowie zum zusätzlichen Themengruppenbündel der Stellungnahmen zum Forschungsprojekt (s. Kap. 7.3) aufgelistet. Die horizontalen Reihen (X-Achse) der Tabellen enthalten die ausgewählten Fälle der Interviews. Die vertikalen Reihen (Y-Achse) führen die generierten Kategorien auf (s. Tab. 16, S. 161). In dieser Tabellenmatrix können Besonderheiten und Auffälligkeiten in der Kategorienzuordnung verdeutlicht werden (Kuchartz & Rädiker, 2010, S. 745). Die Häufigkeit bzw. die Anzahl der von einer pädagogischen Fachkraft angesprochenen Themen innerhalb einer Themengruppe wird in der tabellarischen Darstellung der vorliegenden Arbeit durch die Größe zugeordneter Punkte veran-

6.5 Instrumente und Methoden

161

schaulicht. Je größer ein Punkt in der Tabellenmatrix abgebildet wird, desto häufiger wurde hierzu ein Thema mit unterschiedlichen Aspekten angesprochen (s. Tab. 16, S. 161). Damit zeigt sich die Differenziertheit der Themen einer pädagogischen Fachkraft zu einer Themengruppe. Mit der Darlegung der Häufigkeit einer Kategorie sollte die Bedeutung der Kategorie untermauert werden (Mayring, 2015, S. 53).

Tab. 16: Tabellarisches Schema zur Visualisierung von Häufigkeiten in der Kategorienzuordnung Päd. Fachkräfte Themengruppen

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7

Themengruppe X Themengruppe Y Themengruppe Z





      







 







  

 











RU = TR = DE = russisch-deutschsprachig türkisch-deutschsprachig deutschsprachig = 1 = 2 = 3 = 4 = 5 Differenziertheit der Themen  Thema  Themen  Themen Themen Themen Pädagogische Fachkräfte



6.5.2



Forschungsschwerpunkt II – Fallbeobachtungen mit Fallvignetten

Die Erhebungs- und Auswertungsmethoden im zweiten Forschungsschwerpunkt der BiKES-Studie fokussierten qualitative Kompetenzveränderungen der pädagogischen Fachkräfte im Zusammenhang mit einer Intervention (s. Forschungsfragen II. 1–5). Dazu wurde ein spezielles Erhebungssetting mit einem Vorher-Nachher-Vergleich entwickelt (s. Kap. 6.5.2.1). Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen einer Arbeit mit Fallvignetten, die eigens für die BiKES-Studie erstellt wurden (s. Kap. 6.5.2.2). Um die Beurteilungen der pädagogischen Fachkräfte zu den Fallvignetten erfassen zu können, wurde ein für die Studie konzipierter Beobachtungsbogen eingesetzt (s. Kap. 6.5.2.3). Die von den pädagogischen Fachkräften ausgefüllten Beobachtungsbögen wurden in einer Analyse der Sprachbeobachtungen nach einem spezifischen Kategorienschema qualitativ erfasst (s. Kap. 6.5.2.4). Mit dem Vergleich der Ergebnisse mit einer Referenzgruppe und mit der Einbeziehung von Einschätzungen einer Expertinnen- bzw. Expertengruppe wurde ein Referenzmaß geschaffen, mit dem die Zuverlässigkeit der Erhebungs- und Auswertungsmethode bewertet werden konnte (s. Kap. 6.5.2.5). Schließlich wurden zusammenfassende Frequenzanalysen durchgeführt, um eine Übersicht über mögliche Veränderungen von Sprachbeobachtungskompetenzen der pädagogischen Fachkräfte zu erhalten (s. Kap. 6.5.2.6). 6.5.2.1 Erhebungssetting Unter der Fragestellung, wie sich Veränderungen im Kompetenzspektrum pädagogischer Fachkräfte durch eine Qualifizierung zeigten, wurde in der BiKES-Studie eine Intervention in Form einer 40-stündigen Qualifizierungsmaßnahme im Themenbe-

162

6 Methode

reich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität in der Kindertagesstätte durchgeführt (s. Kap. 6.2.2). Hierzu wurde ein quasi-experimenteller Versuchsplan mit Datenerhebungen zu zwei Messzeitpunkten ohne Kontrollgruppe realisiert (Hertel, Klug & Schmitz, 2010). Damit wurden Merkmale der teilnehmenden pädagogischen Fachkräfte als natürliche und nach Fallkriterien zusammengestellte Gruppe – im Gegensatz zur randomisierten, nach statistischen Kriterien zufällig gezogenen Stichprobe – vor und nach dem Qualifizierungskurs verglichen (Bortz & Döring, 2006, S. 54f; Hertel et al., 2010). Einhergehende personenbezogene Störvariablen, wie beispielsweise der Einfluss besonderer Motivationen, spezieller Fähigkeiten oder außerordentlicher Wertschätzungen, auf die Beteiligung an der Qualifizierung und in der Folge auf die Qualifizierungsergebnisse, konnten in dem Erhebungsdesign nicht kontrolliert werden. Da zudem die Versuchsanordnung nicht mit einer zusätzlichen Kontrollgruppe, die mit der Interventionsgruppe vergleichbar war, sondern ausschließlich mit einer merkmalsähnlichen Referenzgruppe (s. Kap. 6.3.2) ausgeführt wurde, war nicht beabsichtigt, tatsächlich die Effekte der konkreten Qualifizierungsmethode nachzuweisen. Vielmehr galt es, mit einem zuverlässigen Erhebungsinstrument herauszufinden, wie sich Kompetenzveränderungen bei pädagogischen Fachkräften durch eine Qualifizierung auswirkten, insbesondere auch unter individuellen, personenbezogenen Einflüssen. Mit der Qualifizierung wurde verfolgt, den teilnehmenden pädagogischen Fachkräften die Möglichkeit zu geben, ihre Potenziale bewusster einzusetzen und für die Beurteilung von Erst- und Zweitsprachfähigkeiten mehrsprachiger Kinder zu nutzen. Dazu wurden im Qualifizierungskurs unter anderem Identifizierungshilfen zur Sprachbeobachtung in den jeweiligen Sprachen herausgestellt. Beispielsweise wurden im Bereich der Wortschatz- und Wortbedeutungsentwicklung typische Erwerbsphasen zu Tiernamen und das Einprägverhalten entsprechender Begriffe thematisiert oder im grammatischen Bereich die Einleitung von Nebensätzen im Russischen, im Türkischen und im Deutschen beleuchtet. Erst mit entsprechenden Kenntnissen und Einsichten in den Erwerb und den Gebrauch der Sprachen eines Kindes können folgerichtige Ableitungen für Fördermaßnahmen getroffen werden. Diesbezüglich wurden vor und nach dem Qualifizierungskurs im Rahmen der Bearbeitung von Fallvignetten die Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte zur Beurteilung mehrsprachiger kindlicher Fähigkeiten und zur Einschätzung von Förderbedürfnissen erhoben. 6.5.2.2 Fallvignetten Im Sinne sozialwissenschaftlicher und psychologischer Positionierungen wird unter einer Vignette eine hypothetische Objekt- oder Situationsbeschreibung verstanden, welche eine zu befragende Person beurteilen soll (Auspurg, Hinz & Liebig, 2009, S. 60). Die Personen werden dazu gebeten, situationsentsprechende Handlungsweisen

6.5 Instrumente und Methoden

163

anzugeben und zu begründen (Schnurr, 2003). Für das Erhebungsziel in der BiKESStudie war speziell die Verwendung von Videoszenen im Sinne von Fallbeispielen angebracht, welche als Stimuli zur Beurteilung durch die pädagogischen Fachkräfte dienten. Für die systematische Zusammenstellung der Fallvignetten (Auspurg et al., S. 62) war die Praxisorientierung ein entscheidendes Kriterium in der BiKES-Studie. Die Begründung dazu liegt darin, dass durch vorgegebene alltagsnahe Darstellungen in Fallvignetten kognitive Strukturen der an der Forschung teilnehmenden Personen gut erschlossen werden können (Stiehler, Fritsche & Reutlinger, 2012). So wurde für die Forschung ein selbst erstelltes Videomaterial angewendet (Przyborski & WohlrabSahr, 2014, S. 160f), das genau dem Erhebungssetting der Bilderbuch- und Spielsituation des ersten Forschungsschwerpunktes entsprach (s. Kap. 6.5.1.1). Dazu wurden jeweils zwei russisch-deutschsprachige und zwei türkisch-deutschsprachige Kinder in der mehrsprachigen translingualen Kommunikation (s. Kap. 2.3.1) mit jeweils einer Erzieherin derselben Erstsprache in einer Eins-zu-EinsSituation sowie mit der Erzieherin und zwei anderen Kindern in einer Kleingruppe videographiert. Dadurch entstanden vier Fallvignetten mit einer jeweiligen Zeitdauer von ca. 10 Minuten, wovon in den russisch-deutschsprachigen wie auch in den türkisch-deutschsprachigen Konstellationen jeweils ein Fall mit einem erschwerten Zweitspracherwerb im Deutschen und jeweils ein Fall mit einer genuinen Sprachentwicklungsstörung auftrat (s. Tab. 17, S. 163).52

Tab. 17: Zusammenstellung der Fallvignetten nach Merkmalskategorien Erstsprache Russisch

Mädchen mit erschwertem Deutschspracherwerb

Junge mit genuiner Sprachentwicklungsstörung

52

Erstsprache Türkisch

Fallbeispiel ‚Katja‘

Fallbeispiel ‚Esma‘

Einzelsituation (Bilderbuchlesen), russisch-deutschsprachige Fachkraft

Einzelsituation (Bilderbuchlesen), türkisch-deutschsprachige Fachkraft

Kleingruppe (Spielsituation), russisch-deutschsprachige Fachkraft

Kleingruppe (Spielsituation), türkisch-deutschsprachige Fachkraft

Fallbeispiel ‚Sascha‘

Fallbeispiel ‚Emircan‘

Einzelsituation (Bilderbuchlesen), russisch-deutschsprachige Fachkraft

Einzelsituation (Bilderbuchlesen), türkisch-deutschsprachige Fachkraft

Einzelsituation (Spielsituation), russisch-deutschsprachige Fachkraft

Einzelsituation (Spielsituation), türkisch-deutschsprachige Fachkraft

In den Fallvignetten der Kinder mit erschwertem Deutschspracherwerb sind sprachliche Lernprozesse während des dialogischen Bilderbuchlesens erkennbar und erleichtern damit die Abgrenzung zur genuinen Sprachentwicklungsstörung (s. Kap. 2.3.2).

164

6 Methode

Durch eine Kreuzung einer Vielzahl an Merkmalen in Fallvignetten sind komplexe Beurteilungs- und Entscheidungsprobleme simulierbar (Auspurg et al., S. 63). Allerdings ist bei der Zusammenstellung der Fallvignetten zu beachten, dass die Komplexität der dargestellten Situation weder zu hoch noch zu gering sein darf, da einerseits die Verarbeitungskapazität der Befragten berücksichtigt werden muss und anderseits ein Informationsmangel ebenso Auswirkung auf die Möglichkeiten der Beantwortung haben kann (ebd., S. 66). Zusätzlich sind Lern- und Ermüdungseffekte zu bedenken, da diese bei der Fallvignettenbearbeitung in Wechselwirkung zueinanderstehen (ebd., S. 67). 6.5.2.3 Beobachtungsbögen Unmittelbar nach jeder Betrachtung einer Fallvignette wurden die pädagogischen Fachkräfte gebeten, die in den vier Fallbeispielen präsentierten Kinder hinsichtlich ihrer sprachlichen Fähigkeiten und ihrer möglichen Förderbedürfnisse einzuschätzen. Um später die Beurteilungen der befragten Personen auswerten zu können, sollten die Aussagen in schriftlicher Form als Transkription oder Mitschrift vorliegen (Stiehler et al., 2012). Deshalb wurde in der BiKES-Studie ein spezieller Beobachtungsbogen eingesetzt, auf denen die pädagogischen Fachkräfte ihre Beurteilungen notieren sollten. Der selbst entwickelte Beobachtungsbogen, der in der Studie als Erhebungsinstrument zur Fallvignettenarbeit fungierte (s. Anhang 6, S. 344), gab freie Antwortmöglichkeiten zu zwei Perspektiven vor. Erstens sollten die pädagogischen Fachkräfte schriftlich in Stichpunkten festhalten, was sie den fiktiven Eltern der Kinder in den Fallbeispielen empfehlen würden. Die pädagogischen Fachkräfte wurden darauf hingewiesen, dass sie ein möglichst umfassendes Bild zu den Fähigkeiten in beiden Sprachen des Kindes und zur notwendigen Förderung vermerken sollten. Ihre Antworten sollten die Fachkräfte auch kurz begründen. Zweitens bestand die Aufgabe, die Fallvignettenarbeit zu reflektieren, indem der eigene Lösungsprozess sowie die Fallvignette selbst hinsichtlich des Sachverhaltes und der Qualität des Videoausschnittes beurteilt werden sollten. Außerdem enthielt der BiKES-Beobachtungsbogen knappe, aber wichtige Hintergrundinformationen über das Kind, um tatsächlich korrekte Einschätzungen vornehmen zu können. Flankierend wurde von den pädagogischen Fachkräften ein für die Studie entwickelter Fragebogen ausgefüllt. Dieser Fragebogen ging in der vorliegenden Arbeit nicht in die Auswertung ein und wird deshalb nicht weiter vorgestellt. Lediglich die Angaben zur Sprach-, Lebens- und Berufsbiographie wurden mit den Aussagen der pädagogischen Fachkräfte im Interviewteil zur Biographie abgeglichen. 6.5.2.4 Analyse der Sprachbeobachtungen Die schriftlichen Beurteilungen der pädagogischen Fachkräfte auf dem BiKESBeobach-tungsbogen waren Grundlage für die Analyse ihrer Sprachbeobachtungs-

6.5 Instrumente und Methoden

165

kompetenzen vor und nach der Qualifizierungsmaßnahme. Dazu galt es, ein vignettenspezifisches Kategoriensystem zu konzeptionieren, das zur differenzierten Auswertung herangezogen werden konnte (Stiehler et al., 2012). Dazu wurden drei Hauptkategorien festgelegt, die auf der Basis fachlicher Systematisierung begründet liegen (s. Kap. 2.3.2). 

Unter die erste Hauptkategorie fielen alle Stichpunkte der pädagogischen Fachkräfte, mit denen die Erstsprache der Kinder aus den Fallbeispielen beschrieben wurden. Hierbei wurde differenziert, ob die Erstsprache von den pädagogischen Fachkräften als altersgerecht (typisch), verzögert oder beeinträchtigt eingestuft wurde.



In der zweiten Hauptkategorie wurden die schriftlichen Aussagen der pädagogischen Fachkräfte zu den Fähigkeiten der Kinder in der Zweitsprache Deutsch kodiert. Analog zur ersten Kategeorie wurden die Einschätzungen der pädagogischen Fachkräfte nach einem kontaktzeitgerechten (typischen), verzögerten oder beeinträchtigten Deutscherwerb unterschieden.



Die dritte Hauptkategorie umfasste alle Bemerkungen der pädagogischen Fachkräfte zum vermuteten sprachlichen Förderbedarf der Kinder. Dazu waren je nach Fallbeispiel Empfehlungen zur Förderung des Erstsprachgebrauchs, zur präventiven bzw. spezifischen Förderung des Deutscherwerbs oder aber zur sprachtherapeutischen Intervention richtig.

Zur Beurteilung sprachlicher Fähigkeiten und Fördernotwendigkeiten der mehrsprachigen Kinder in den Fallbeispielen waren sichere Stellungnahmen in den genannten Hauptkriterien entscheidend. Damit konnte von den pädagogischen Fachkräften eine grobe Unterscheidung von Kindern mit einem erschwerten Deutschspracherwerb und Kindern mit einer genuinen Sprachstörung in einer ersten Vermutung getroffen werden (s. Kap. 2.3.2). Mit weiteren Differenzierungen auf den linguistischen Ebenen vermochten die pädagogischen Fachkräfte ihre Annahmen bezüglich der Erst- und Zweitsprachfähigkeiten sowie der Förderbedürfnisse der Kinder zu untermauern. Die Angaben der Fachkräfte wurden entsprechend unter folgenden Kategorien von den Auswertungspersonen kodiert und als zutreffend oder nicht zutreffend eingestuft (s. Kap. 8.1 u. 8.2). 

Entweder traf ein erstsprachlicher lautlicher Transfer in der Zweitsprache Deutsch oder nicht überwundene phonetisch-phonologische Prozesse des Kindes in beiden Sprachen zu.



Weiter konnte es sich je nach Fall um einen eingeschränkten Zuwachs im deutschen Wortschatz oder um eine beeinträchtigte Wortschatz- und Wortbedeutungsentwicklung in der Erst- und Zweitsprache handeln.



Ferner waren grammatische Erwerbsverzögerung im Deutschen mit Satzfragmenten und anhaltenden Übertragungen aus der Erstsprache in die

166

6 Methode

Zweitsprache oder eine beeinträchtigte grammatische Entwicklung der Kinder in beiden Sprachen, insbesondere der Regelstrukturen, zutreffend. Schließlich wurden auch Beobachtungen der pädagogischen Fachkräfte zum Sprachhandeln der dargestellten Kinder vom Auswertungsteam kodiert und ausgewertet. 

Dazu wurden allgemeine Beobachtungen der pädagogischen Fachkräfte zur Kommunikation der Kinder festgehalten.



Daneben konnten Beobachtungen der Fachkräfte zur Mimik, zur Gestik und zum Blickkontakt der Kinder aufgenommen werden.



Überdies wurde von den pädagogischen Fachkräften zwischen einer altersgerechten oder einer beeinträchtigten Entwicklung in den Basiskompetenzen korrekt oder nicht korrekt unterschieden.

Um neben qualitativen Ausprägungen in den Beurteilungen der pädagogischen Fachkräfte zwischen den beiden Messzeitpunkten auch quantitative Übersichten zu erhalten, wurden die Häufigkeiten in den drei Hauptkategorien nach folgendem Schema aufgelistet: 

Von der jeweiligen pädagogischen Fachkraft wurden drei Hauptkategorien erkannt.



Die pädagogische Fachkraft gab zwei Hauptkategorien zutreffend an.



Von der Fachkraft wurde eine Hauptkategorie korrekt eingeschätzt.

6.5.2.5 Referenzgruppe und Expertinnengremium als Referenzmaß Im Rahmen der Auswertung der Fallvignettenarbeit wurden die Beurteilungsergebnisse einer flankierend betreuten Referenzgruppe (s. Kap. 6.3.2) als Referenzrahmen herangezogen. Damit konnte ein Nachweis der Reliabilität im Sinne einer heuristischen Kontrolle bezüglich der Fallvignetten und des BiKES-Beobachtungsbogens als Messinstrument hergestellt werden (Flick, 2010a; S. 400f). Die pädagogischen Fachkräfte (n = 18) der Referenzgruppe wurden wie die Teilnehmenden der Interventionsgruppe mit allen vier Fallvignetten zu zwei Messzeitpunkten im gleichen Zeitabstand konfrontiert. Zur Auswertung der Fallvignettenarbeit innerhalb der Referenzgruppe wurden die schriftlichen Notizen der pädagogischen Fachkräfte aus dem BiKES-Beobachtungsbogen zu den vier Fallvignetten entsprechend der drei Hauptkategorien wie bei der Interventionsgruppe kodiert und ausgewertet (s. Kap. 6.5.2.4). Dabei handelte es sich um die Beurteilungen der Erstsprache, der Zweitsprache und der Fördernotwendigkeiten der Kinder in den Fallbeispielen durch die pädagogischen Fachkräfte. Wenn sich aus den Aufzeichnungen der Fachkräfte im BiKES-Beobachtungsbogen Hinweise zur sicheren Einschätzung der kindlichen Erstsprachfähigkeiten, der Zweitsprachfähigkeiten sowie der Ableitung zur geeigneten Förderung bzw. therapeuti-

6.5 Instrumente und Methoden

167

schen Intervention ergaben, wurden die entsprechenden Kategorien als korrekt markiert. Da sich in der Referenzgruppe keine pädagogische Fachkraft mit der Erstsprache Türkisch befand, wurden ausschließlich die beiden Fallvignetten ‚Katja‘ und ‚Sascha‘ mit russisch-deutschsprachigen Kindern in die Auswertung einbezogen. Im Vergleich zwischen den Messzeitpunkten wurden insgesamt 14 Kategorien bei der Fallvignette ‚Katja‘ zum MZP1 sowie 16 Kategorien zum MZP2 korrekt erkannt. Bei der Fallvignette ‚Sascha‘ konnten gleichbleibend 13 korrekte Kategorien sowohl zum MZP1 als auch zum MZP2 in der Gesamtheit ausgewertet werden. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass die Bearbeitung der Fallvignetten durch die pädagogischen Fachkräfte der Referenzgruppe vom ersten Messzeitpunkt zum zweiten Messzeitpunkt mit einem lediglich geringfügigen Zuwachs an korrekt beurteilten Kategorien ziemlich stabil blieb. Zur Erstellung eines Referenzmaßes wurden die korrekten Markierungen der pädagogischen Fachkräfte der Referenzgruppe summiert und nach dem Häufigkeitsschema ausgezählt, das genauso wie bei der Interventionsgruppe angewendet wurde: drei Hauptkategorien, zwei Hauptkategorien oder eine Hauptkategorie von einer pädagogischen Fachkraft fachlich richtig erkannt (s. Kap. 6.5.2.4). Die Aufstellung in der Häufigkeitsschichtung nach der Anzahl der sicher eingeschätzten Hauptkategorien pro pädagogischer Fachkraft der Referenzgruppe zeigte nur eine leichte Verschiebung der Werte (s. Abb. 15, S. 167).

Häufigkeitsschichtung nach Hauptkategorienanzahlen (Referenzgruppe - Fallvignetten ‚Katja‘ und ‚Sascha‘) 18

Häufigkeiten

14 1 Kategorie 2 Kategorien

6

3 Kategorien

3 1 MZP1 (n=18)

1 MZP2 (n=18)

Abb. 15: Häufigkeitsschichtung nach Hauptkategorienanzahlen in der Gesamtheit der Fallvignetten ‚Katja‘ und ‚Sascha‘

168

6 Methode

Während 18-mal zum MZP1 nur eine Hauptkategorie innerhalb einer Fallvignette fachlich richtig genannt wurde, ergab sich zum MZP2 14-mal eine Hauptkategorie. Zwei sicher beurteilte Hauptkategorien für eine Fallvignette konnten dreimal zum MZP1 und sechsmal zum MZP2 herausgefunden werden. Lediglich einmal wurden drei Hauptkategorien für eine Fallvignette sowohl zum MZP1 als auch zum MZP2 korrekt eingeschätzt. Die Sicherheit in den Einschätzungen der pädagogischen Fachkräfte der Referenzgruppe nahm also zwischen den Messzeitpunkten etwas zu. Insgesamt lassen die Resultate der Fallvignettenarbeit in der Referenzgruppe den Schluss zu, dass eine Messwiederholung mit den eingesetzten Fallvignetten ‚Katja‘ und ‚Sascha‘ sowie dem BiKES-Beobachtungsbogen lediglich zu leicht veränderten Werten führte. Neben dem Referenzmaß bezüglich der Referenzgruppe wurden zusätzlich zwei russisch-deutschsprachige und zwei türkisch-deutschsprachige Logopädinnen als Expertinnen-gremium in die Forschung einbezogen.53 Dabei wurden der Inhalt und die Darbietung der Beispiele in den Fallvignetten dem Urteil der Sprachexpertinnen unterzogen. Die vier Logopädinnen bearbeiteten jeweils die zwei Fallvignetten zur eigenen Erstsprache und bewerteten die Lösbarkeit bzw. die Schwierigkeitsstufe der Fallbeispiele. Alle vier Logopädinnen vermochten die Erst- und Zweitsprachfähigkeiten wie auch die Förderbedarfe der Kinder weitgehend korrekt einzuschätzen. Ferner gaben sie an, dass die Fallvignetten gut zu bewältigen wären. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Referenzgruppe sowie der Bewertungen des Expertinnengremiums kann die Fallvignettenarbeit als Erhebungs- und Auswertungsverfahren in der Tendenz als ausreichend zuverlässig bezeichnet werden. Sie entspricht damit den qualitativen Gütekriterien (s. Kap. 6.4.2) und sichert die Aussagekraft der Ergebnisse der Interventionsgruppe im zweiten Forschungsschwerpunkt. 6.5.2.6 Frequenzanalysen zur Fallvignettenarbeit Mit den dargelegten Instrumenten und Methoden zur Erhebung und Auswertung innerhalb des zweiten Forschungsschwerpunktes wurde ermittelt, wie sich Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte zur Beobachtung mehrsprachiger Kinder durch eine Intervention veränderten. Genauso wie im ersten Forschungsschwerpunkt wurden auch im zweiten Forschungsschwerpunkt neben der qualitativen Ergebnisgewinnung ergänzende Frequenzanalysen durchgeführt. So wurden die Ergebnisse der Fallvignettenarbeit zusätzlich in einer Häufigkeitszählung zusammengefasst (s. Kap. 8.4). Dazu wurden Aufzeichnungen der pädagogischen Fachkräfte aus dem BiKESBeobachtungsbogen ausgewertet und kodiert. Die spezifischen Einschätzungen der Fachkräfte zur Erst- und Zweitsprache der Kinder in den Fallvignetten sowie zu notwendigen Förderableitungen bildeten die drei Hauptkategorien. Mit dem Datenmate53

Dank gilt der Logopädie-Praxis Gudrun Schmidt in Braunschweig, der Praxis für Logopädie Dirk Heiden in Hannover, der Praxis für Logopädie Margarete Weger in Burgdorf sowie der Logopädischen Praxis Katja Steffen in Bremen.

6.5 Instrumente und Methoden

169

rial der als korrekt markierten Hauptkategorien wurden verschiedene Frequenzanalysen durchgeführt. Zuerst wurden Gesamtsummenwerte der Hauptkategorien zu den beiden Messzeitpunkten errechnet. Überdies wurden Häufigkeiten in der Schichtung der erreichten Kategorienanzahlen ausgezählt. Ferner wurden die als richtig geltenden Hauptkategorien gegliedert nach Fallvignetten und nach Fachkräftegruppierung summiert. Schließlich konnte diesbezüglich ein quantifizierter Kompetenzspiegel in der Zusammenschau aller pädagogischen Fachkräfte der Interventionsgruppe erstellt werden (s. Kap. 8.4). 6.5.3

Forschungsschwerpunkt III – Typisierung von Profilen pädagogischer Fachkräfte

Die Darlegung der Methodologie des Forschungsvorhabens wird vervollständigt, indem die abschließende und verbindende Triangulation der Ergebnisse vorgestellt wird. Diese Art der Auswertung wurde vorgenommen, um die Resultate des ersten und des zweiten Forschungsschwerpunktes zusammenzuführen (s. Forschungsfragen III. 1–2). Im Rahmen der Triangulation der Ergebnisse der Interviewerhebung sowie der Fallvignettenarbeit war beabsichtigt, vertiefte Erkenntnisse über die Ressourcennutzung pädagogischer Fachkräfte im Hinblick auf die Sprachbeobachtung zu erschließen (s. Kap. 9). Hierzu wurde eine methodenkombinierende Triangulation vorgenommen, um mit unterschiedlichen Zugängen neue Perspektiven zu gewinnen (Flick, 2011, S. 49). Dabei sollte ergründet werden, welche Merkmale bei den pädagogischen Fachkräften eine Rolle spielten, um sich für eine sichere Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder erfolgreich zu qualifizieren. Diesbezüglich wurden drei pädagogische Fachkräfte der Interview- bzw. Interventionsgruppe mit besonders sicheren Beurteilungskompetenzen innerhalb der Fallvignettenarbeit mithilfe einer Häufigkeitsanalyse der korrekt markierten Hauptkategorien ermittelt (s. Kap. 8.4). Mit diesen drei Fällen wurde eine Typisierung auf der Grundlage der im Biographieinterview erhobenen sprach-, lebens- und berufsbiographischen Kategorien erstellt und die drei intrapersonalen Profile miteinander verglichen (s. Kap. 9.1). Auffälligkeiten und Besonderheiten konnten diesbezüglich sowohl durch die Gegenüberstellung qualitativer Phänomene als auch durch den Vergleich von Häufigkeitsanteilen festgestellt werden (s. Kap. 9.2). Der relative Anteil einer Kategorie als Maß für die quantitative Bedeutung unterstützte hierzu die Strategie der Triangulation (Kuchartz & Rädiker, 2010, S. 746).

7

Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I – Potenziale mehrsprachig-interkultureller frühpädagogischer Arbeit

Analog zur Struktur der Forschungsschwerpunkte (s. Kap. 6.1.1) sowie unter Berücksichtigung der Fragestellungen (s. Kap. 6.1.2) werden auf der Grundlage der begründeten Methoden und Auswertungsschritte in den nachfolgenden Kapiteln die Ergebnisse der BiKES-Studie dargestellt. Dabei handelt es sich in diesem siebten Kapitel zunächst um die Ergebnisse der fokussierten leitfadengestützten Interviews (s. Kap. 6.5.1), die im Rahmen der Erhebung der Ausgangspotenziale in einer hauptsächlich qualitativ vertieften Perspektive ausgewertet wurden (s. Forschungsfragen I. 1–5). Hierzu wurden die kategorisierten Themen des Interviewmaterials in Themengruppen zusammengefasst und charakterisiert. Die Auswertung der Themengruppen erfolgte wiederum gebündelt in Kernthemengruppen. Zusätzlich wurde eine überblicksartige Beschreibung der Ergebnisse in ihren quantitativen Dimensionen vorgenommen. In den generierten intrapersonalen Profilen (s. Kap. 6.5.1.4) sowie interpersonalen Profilen (s. 6.5.1.5) bildeten sich Selbstkonstruktionen pädagogischer Fachkräfte hinsichtlich ihrer Kompetenzen im Bereich der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires (s. Kap. 3.2.2 – 3.2.4) im Kontext mehrsprachiger und interkultureller Arbeit in der Kindertagesstätte ab. Diese Selbstkonstruktionen werden im Weiteren in der Struktur der Kernthemengruppen untersucht. Dazu wird zuerst ein Überblick über die zehn herausgearbeiteten Kernthemengruppen im proportionalen Vergleich hergestellt (s. Kap. 7.1). Daran schließt sich eine ausführliche Analyse mit inhaltlicher Ausdifferenzierung dieser Kernthemengruppen an (s. Kap. 7.2). Danach werden, neben einer komprimierten Darlegung von Stellungnahmen der pädagogischen Fachkräfte zum Forschungsprojekt (s. Kap. 7.3), Kernaussagen der Interviewanalyse in qualitativer und quantitativ deskriptiver Fokussierung zusammengefasst (s. Kap. 7.4).

7.1

Proportionen der Kernthemengruppen

Mit der thematischen Bündelung interpersonaler Themengruppen konnten zehn Kernthemengruppen erfasst werden, die die zentralen Themenbereiche der befragten pädagogischen Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller frühpädagogischer Arbeit markieren (s. Kap. 7.2.1 – 7.2.10). Alle generierten Themen stehen im inhaltlichen Zusammenhang mit der leitfadengestützten Interviewstruktur (s. Kap. 6.5.1.2). Die einzelnen Frageimpulse wurden jedoch von den Interviewten mit unterschiedlicher Intensität und Differenziertheit beantwortet. Im Ergebnisvergleich der qualitativen intrapersonalen Inhaltsanalysen zeigten sich divergierende Häufungen, Schwer-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3_7

172

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

punktbildungen und Ausdifferenzierungen hinsichtlich der Themen aller Befragten. Über die intrapersonale Bedeutung der einzelnen Themen einer pädagogischen Fachkraft hinaus offenbarten sich in der interpersonalen Gesamtschau Kernthemengruppen mit stärkerer oder geringerer Relevanz bezogen auf die Gesamtstichprobe (s. Abb. 16, S. 172).54

Abb. 16: Kernthemengruppen der interpersonalen Profilbildung

Das Größenverhältnis der Schriftzüge aller Schlagwörter der interpersonalen Kernthemengruppen drückt die inhaltliche Differenziertheit der Äußerungen aller befragten pädagogischen Fachkräfte zu den Kernthemengruppen aus. Je größer der Titel einer Kernthemengruppe dargestellt ist, desto umfangreicher und differenzierter nahmen die Fachkräfte zu bestimmten Themen innerhalb der Interviews Stellung. So steht die Mehrsprachigkeit von Kindern im Zentrum der Graphik (s. Abb. 16, S. 172), da Beschreibungen zum Gebrauch von Erstsprachen und zur Bedeutung von Mehrsprachigkeit in der frühkindlichen Bildung und Erziehung mit besonders differenzierten Gesichtspunkten (152 Themen) von den pädagogischen Fachkräften genannt wurden. Daneben weisen zwei weitere interpersonale Kernthemengruppen methodische Aspekte zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung (116 Themen) sowie konzeptionelle Gedanken zur Sprach- und Kultursensibilität in der Kindertagesstätte (113 Themen) mit hoher Gewichtung auf, wie an der Größe der entsprechenden Schriftbilder zu sehen ist (s. Abb. 16, S. 172).

54

Alle sogenannten „Wortwolken“ (word clouds) wurden mit dem Online-Tool „Wordle“ erstellt. TM Feinberg, J. (2014). wordle . Abgerufen von http://www.wordle.net/.

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

173

Im mittleren Häufigkeits- und Differenzierungsbereich sind Themen der interviewten Fachkräfte erkennbar, die zwei weiteren interpersonalen Kernthemengruppen zuzuordnen sind. Es handelt sich dabei um Beschreibungen pädagogischer Fachkräfte über ihre Fähigkeiten zum Erkennen von Sprachkompetenzen mehrsprachiger Kinder (89 Themen) sowie Erläuterungen zur Relevanz von Mehrsprachigkeit in der Elternarbeit (63 Themen) (s. Abb. 16, S. 172). Außerdem ließen sich im analysierten Interviewmaterial Themengruppen mit etwas geringerem Ausmaß und Differenzierungsgrad in fünf weitere interpersonale Kernthemengruppen zusammenfassen. Diese beinhalten Themenaspekte, die auf Kenntnisse und praktische Umsetzungen von Gesprächsführungsmethoden (57 Themen) hinweisen oder die als Selbstbeschreibungen zur sprachlich-kulturellen Identität der pädagogischen Fachkräfte (55 Themen) zu verstehen sind. Ferner waren im Analysematerial Hinweise der pädagogischen Fachkräfte auf die Reflexionsfähigkeit ihres pädagogischen Handelns (40 Themen) zu erkennen. Ebenfalls wurde von pädagogischen Fachkräften Stellung zum Erwerb und Gebrauch der Zweitsprache Deutsch (40 Themen) in der frühpädagogischen Einrichtung, im Elternhaus und in der Gesellschaft bezogen. Schließlich wurden auch Äußerungen zu Kenntnissen über das Umfeld der Kinder (20 Themen) gegeben (s. Abb. 16, S. 172). Neben diesen zehn interpersonalen Kernthemengruppen war in einigen Aussagen der pädagogischen Fachkräfte zusätzlich ein Themenbündel zu erkennen, das sich auf Bewertungen zum Forschungsprojekt (50 Themen) bezog (s. Abb. 16, S. 172). Diese Stellungnahmen wurden gesondert zusammengefasst und werden im Anschluss an die Darstellung der Kernthemengruppen aufgezeigt (s. Kap. 7.3). Damit wird die Wahrnehmung der Interviewerhebung sowie die Akzeptanz der Qualifizierungsmaßnahme seitens der beteiligten pädagogischen Fachkräfte belegt.

7.2

Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

Nachfolgend werden in zehn Unterkapiteln die Kernthemengruppen hinsichtlich der inhaltlichen Bedeutung untersucht. Die Reihenfolge der Kapitel erfolgt wie im vorangegangenen Kapitel nach der Themenhäufigkeit und Differenziertheit der Äußerungsanteile der Kernthemengruppen in der proportionalen Übersicht (s. Kap. 7.1). Die Darstellung der Kernthemengruppen geht demnach von den Aussagen der pädagogischen Fachkräfte zum Stellenwert der Mehrsprachigkeit bei Kindern und dem Gebrauch der Erstsprache in der Kindertagesstätte aus (s. Kap. 7.2.1). Darauf folgt die Darlegung einer Kernthemengruppe, in der Themen der pädagogischen Fachkräfte zur allgemeinen Sprachbeobachtung und Sprachförderung zusammengefasst wurden (s. Kap. 7.2.2). Die Auswertung einer weiteren Kernthemengruppe bezieht sich auf die Sprach- und Kultursensibilität in der frühpädagogischen Arbeit (s. Kap. 7.2.3). In den nächsten beiden Kernthemengruppen wird das Erkennen mehrspra-

174

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

chiger Kompetenzen bei Kindern durch die pädagogischen Fachkräfte (s. Kap. 7.2.4) sowie die Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext (s. Kap. 7.2.5) beleuchtet. Im Weiteren fokussieren zwei Kernthemengruppen Methoden der Gesprächsführung (s. Kap. 7.2.6) sowie die eigene sprachlich-kulturelle Identität der pädagogischen Fachkräfte (s. Kap. 7.2.7). Daran schließen sich die letzten drei Kapitel der Kernthemengruppen an, die im Schwerpunkt auf die Reflexion des pädagogischen Handelns in der Bilderbuch- und Spielsituation eingehen (s. Kap. 7.2.8) sowie den Stellenwert der Zweitsprache Deutsch in der Frühpädagogik (s. Kap. 7.2.9) und die Kind-UmfeldKenntnisse von pädagogischen Fachkräften (s. Kap. 7.2.10) beleuchten. Für die sprachpädagogische Arbeit im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität offenbarten sich vorhandene Potenziale bilingualer pädagogischer Fachkräfte im Vergleich zu monolingualen Fachkräften. Diesbezüglich ließen sich in den drei Kompetenzbereichen Haltung, Wissen und Handlungsrepertoire sowie auf den drei Argumentationsebenen, nämlich Fachkraft-Ebene, Team-Ebene und System-Ebene, sowohl vorteilhafte als auch hemmende Aspekte herausfiltern. 7.2.1

Stellenwert der Mehrsprachigkeit und Gebrauch der Erstsprache

Insbesondere mit dem Blick auf Kinder nannten die befragten pädagogischen Fachkräfte außerordentlich häufig vielschichtige Aspekte explizit zur Relevanz der Mehrsprachigkeit und zum Gebrauch von Erstsprachen. Diese Kernthemengruppe stellt die umfangreichste Zuordnung von Aussagen der Interviewten dar (s. Abb. 17, S. 174).55

Abb. 17: Gebrauch der Erstsprache und Stellenwert der Mehrsprachigkeit bei Kindern im interpersonalen Profil 55

Das jeweilige Schlagwort zur Kernthemengruppe des entsprechenden Unterkapitels wird in allen nachfolgenden Wortwolken-Abbildungen graphisch hervorgehoben.

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

175

Die Angaben erfolgten durchgängig auf drei Ebenen, nämlich zunächst aus der persönlichen Sichtweise, ferner in der kollektiven Identität des Einrichtungsteams und überdies in der Perspektive des administrativen und politischen Systems. Am meisten nahmen bilinguale pädagogische Fachkräfte Stellung zur Wertschätzung von Erstsprachen und der mehrsprachigen Entwicklung, zu Einschränkungen im Gebrauch von Erstsprachen, zum Wissen bzw. zum unsicheren Wissen über den Zweitspracherwerb mehrsprachiger Menschen, zur Einsicht über die emotionale Funktion der Erstsprache, zur Handhabung des Sprachgebrauches der Erst- und Zweitsprache in der Bilderbuch- und Spielsituation und im pädagogischen Alltag sowie zum Gebrauch der Erstsprache als Sicherheitsfaktor im pädagogischen Alltag. Monolinguale pädagogische Fachkräfte gingen dagegen vermehrt auf die emotionale Funktion der Erstsprache für Kinder sowie auf Einschränkungen im Gebrauch von Erstsprachen und auf Wissensbedarfe über Erstsprachen ein (s. Tab. 18, S. 176). Allgemeine Wertschätzung der Erstsprache Zur Bedeutung der Erstsprache äußerten sich ausnahmslos alle bilingualen pädagogischen Fachkräfte entweder aus ihrer eigenen persönlichen Sicht oder auf der Ebene des Teams oder im Blickwinkel des gesellschaftlichen und bildungspolitischen Systems. Monolingual deutschsprachige pädagogische Fachkräfte teilten sich hierzu deutlich weniger mit (s. Tab. 18, S. 176). Bei bilingualen pädagogischen Fachkräften waren besondere Wertschätzungen gegenüber der eigenen Erstsprache zu erkennen. Zugleich wurde der Wunsch von bilingualen Fachkräften genannt, die Erstsprache an die eigenen Kinder weiterzugeben. Aus der Gruppe der bilingualen pädagogischen Fachkräfte bestand zudem das Interesse, mit dem eigenen Erstsprachhintergrund auch über die Familie hinaus andere nach Deutschland eingewanderte Menschen mit noch wenigen Kenntnissen in der deutschen Sprache zu unterstützen. Ferner sprachen bilinguale Fachkräfte dem Erwerb und Gebrauch der Erstsprache in den Familien eine wichtige Funktion zu und möchten laut ihren Angaben Eltern und Kinder dafür sensibilisieren. Nach Aussagen der Befragten könne damit Menschen im Mehrsprachigkeitserwerb Sicherheit vermittelt werden. Außerdem solle Zwang und Druck für den Deutscherwerb vermieden werden. „Ich würde niemandem sagen: ‚Ihr redet nur bitte zu Hause Deutsch und hier wird nur Deutsch geredet‘, ob das ne polnisches Kind oder russisches Kind ist. [...] Ich würde das selber nicht gut finden, wenn einer zu mir: ‚Hier wird Deutsch gesprochen.‘ Also das würde ich auch nicht 56 gut finden“ (TR2, Z. 564-577). „Ja, die Eltern haben vollkommen recht. Ja, ich bin auch der Meinung, und ich sage auch den Eltern, dass die zu Hause unbedingt mit den Kindern Muttersprache reden müssen. Das ist auch richtig. Und Deutsch lernen die Kinder auch im Kindergarten, später auch in der Schule. Deutsch werden die Kinder sowieso lernen. Und Muttersprache darf auf jeden Fall nicht verloren gehen“ (RU4, Z. 384-387).

56

Für eine bessere Lesbarkeit wurden alle Ankerzitate aus den Interviews bezüglich unbedeutender Pausenfüller, Gesprächspartikel und Wiederholungen geglättet, sofern damit keine wesentlichen inhaltstragenden oder relativierenden Elemente eliminiert wurden.

176

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

Tab. 18: Kernthemengruppe zum Gebrauch der Erstsprache und Stellenwert der Mehrsprachigkeit

K E Themengruppe F

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7 

Wertschätzung Ha T der Erstsprache

 



S Ha

Ha

































F Einschränkungen



im Gebrauch T der Erstsprache

F T

Wertschätzung der Mehrsprachigkeit Wissen über den Mehr-

Wi F sprachigkeitserwerb



















 















Einsichten in emotionale

Wi F Funktion der Erstsprache 



F









T

Hn

T











 

Erst- und Zweitsprachgebrauch im päd. Alltag

















faktor im päd. Alltag











































  















RU = russisch-deutschsprachig

TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Hn = Handlungsrepertoire

Kompetenzbereiche (K) Ebenen der Argumentationsperspektiven (E) Differenziertheit der Themen



 

S Pädagogische Fachkräfte





Gebrauch der Erst-

Hn T sprache als Sicherheits-





 

F





Wissensbedarfe zu Erstsprachen

Erst- und ZweitsprachgeHn F brauch bei Bilderbuch

F



 



S F







Überholtes Wissen über Wi T Mehrsprachigkeitserwerb und Verunsicherungen

Wi

 







F = Fachkraft 

=

1 Thema

2  = Themen

T = Team



=

3 Themen

S = System



=

4 Themen

5  = Themen

Der hohe Stellenwert der Erstsprachen wurde in den Interviews auch zum Teil aus der Sicht der Kita-Teams ausgedrückt. Dem Gebrauch der Erstsprachen wurde vereinzelt sogar eine höhere Priorität im Vergleich zum Zweitspracherwerb vom Einrichtungsteam zugesprochen. Überdies wurde gelegentlich die Mehrsprachigkeit pädagogischer Fachkräfte als Ressource im Kita-Team verstanden. In einem Einzelfall wurde tatsächlich von der Mehrsprachigkeit als Einstellungskriterium und von einer besonderen Wertschätzung des Teams gegenüber der bilingualen pädagogischen Fachkraft berichtet.

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

177

„Das wird auch wirklich so angesehen, dass ich eingestellt hier wurde. Ich arbeite jetzt nicht so lange, seit einem Jahr bin ich jetzt hier und als ich eingestellt wurde, kam dann auch der Satz: ‚Ach Mensch, Sie können doch Türkisch, können mehrere Sprachen, das ist ganz toll, eignet sich super. Wir suchen sowieso ne Fachkraft, die sich danach gut/.‘ Also da wurde schon drauf geachtet“ (TR1, Z. 460-464).

In einigen Antworten bilingualer pädagogischer Fachkräfte war mit Bezug auf den gesellschaftlichen Paradigmenwechsel eine Besinnung auf die Wichtigkeit des Erstsprachgebrauchs zu vernehmen, nachdem früher eher eine Anpassung an das Deutsche erfolgt sei. So wurde das in manchen Kitas und Schulen noch bestehende Verbot zum Gebrauch der Erstsprachen zwischen Kindern und Eltern sowie die Priorität des Deutschen deutlich kritisiert. „Ja, vor paar Jahren, wir haben gesagt: ‚Ja wir gehen, hier ist Deutschland, unsere Kinder müssen Deutsch lernen, wenn nicht Muttersprache.‘ Nach der Zeit [...], haben sie gesagt: ‚Die Muttersprache ist wichtig‘ “ (TR5, Z. 415-417). „Aber da merkt man auch schon wieder, dass die Lehrer auch gar nicht auf diesem Stand sind, dass in den Köpfen der Erzieherinnen teilweise und auch in der Lehrerpädagogin immer noch dieses Bild ist, ja jetzt muss Deutsch gesprochen werden“ (TR1, Z. 583-586).

Einschränkungen im Gebrauch der Erstsprache Neben einer allgemeinen Wertschätzung von Erstsprachen sind im Interviewmaterial dennoch stellenweise einschränkende Bemerkungen von bilingualen wie auch monolingualen pädagogischen Fachkräften aus der Ich- und Team-Betrachtung zu verzeichnen (s. Tab. 18, S. 176). Es wurden Bedenken weniger pädagogischer Fachkräfte sowie distanzierte und gegensätzliche Einstellung in Einrichtungsteams gegenüber dem Erwerb und dem Gebrauch von Erstsprachen innerhalb der Kindertagesstätte vorgetragen. Der Gebrauch der Erstsprache wurde von einzelnen Fachkräften und Teams nur im geeigneten Raum und in besonderen Situationen ohne Ausgrenzung anderer empfohlen. Der einheitlichen Kommunikationssprache Deutsch wurde eine Vorrangstellung zur besseren Verständigung und Konfliktklärung eingeräumt. „Wenn ja zum Beispiel fünf andere dabei sind, einer ist Afrikanisch, dann haben wir hier eine (Name) mit hinduistischen Hintergrund, die dann auch wieder was ganz anderes spricht, dann finde ich auch schwierig, weil das dann wieder zur Ausgrenzung führt oder zur Abgrenzung, wenn sich jetzt ne türkische Kollegin mit nem türkischen Kind unterhält und fünf Anderssprachige sind auch noch dabei“ (DE6, Z. 328-332).

Allgemeine Wertschätzung der Mehrsprachigkeit Alle russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte sowie etwa die Hälfte der türkisch-deutschsprachigen und monolingual deutschsprachigen Fachkräfte bezogen sich im Interview in ihren Einstellungen zur sprachlichen Diversität nicht ausschließlich auf die Erstsprache. Sie machten vor allem Angaben zum Spracherwerb von Kindern mit Migrationshintergrund im Zusammenhang des Erst- und Zweitspracherwerbs (s. Tab. 18, S. 176). Es wurden persönliche und biographische Erfahrungen wie auch Teamauffassungen hinsichtlich eines positiven Mehrsprachigkeits-

178

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

erwerbs und -gebrauchs geschildert sowie auf den Bedarf weiterer Forschung im Bereich der Mehrsprachigkeit hingewiesen. Dabei wurden Empfehlungen für den Erwerb der Erstsprache in der Familie in den ersten drei Lebensjahren und anschließendem Zweitspracherwerb in der frühpädagogischen Einrichtung ausgesprochen. Ebenso wurde die Gleichwertigkeit von Erst- und Zweitsprache von den pädagogischen Fachkräften konstatiert. Sie beschrieben die Pflege der Erstsprachen in den Familien als auch eine ausgewogene bilinguale familiäre Sprachverwendung als Bereicherung und Erleichterung im Spracherwerb und als Ressource in der kommunikativen Alltagsbewältigung. Eine gemischtsprachige Gruppe gelte nach Ansicht einiger pädagogischer Fachkräfte als förderlich für das Erlernen einer Zweitsprache und könne ein Geborgenheitsgefühl und besondere Wertschätzung vermitteln. „Die fühlen sich, glaube ich, dann verborgen. Sie fühlen sich dann mal ernst genommen und nochmal die sind was Besonderes. [...] Es ist ja trotzdem in der Öffentlichkeit man spricht Deutsch, wir sind die Deutsche, man soll Deutsch sprechen. Und hier fühlen sie sich nochmal, wenn ich dann noch Russisch. Ach, wir sind ja ganz was Besonderes. Wir sind ja toll. Wir können ja beide Sprache, denn wird drüber geredet. Es gibt ja noch andere Kinder, die dann halt andere Sprachen sprechen. Und die werden einfach ernst genommen, einfach mit ihrer Sprache so wie die sind“ (RU11, Z. 677-682). „Ich finds für Kinder immer ne ganz tolle Möglichkeit, einfach wenn sie mehr als eine Sprache wirklich perfekt fließend sprechen können später. Ich find, das kann nur Vorteile haben“ (DE4, Z. 48-50).

Wissen über den Mehrsprachigkeitserwerb Im Hinblick auf einen vorteilhaften Umgang mit Mehrsprachigkeit im frühpädagogischen Alltag wurden von den pädagogischen Fachkräften nicht nur Aspekte zur Haltung genannt, sondern auch einschlägiges Wissen angesprochen. Das Themenspektrum der befragten pädagogischen Fachkräfte zum Wissen über den Mehrsprachigkeitserwerb ist mit unterschiedlicher Verteilung zu den Teilstichproben zu verzeichnen (s. Tab. 18, S. 176). Die Hälfte aller bilingualen pädagogischen Fachkräfte teilte Wissensbestände über den Spracherwerb mehrsprachiger Menschen mit. Dabei war zu bemerken, dass russisch-deutschsprachige Fachkräfte gegenüber türkisch-deutschsprachigen Fachkräften ihr Wissen zu Mehrsprachigkeit meist mit anderer Schwerpunktsetzung darlegten. Aus den Aussagen pädagogischer Fachkräfte mit russischsprachigem Hintergrund konnten Kenntnisse zu Sprachvergleichen zwischen Russisch und Deutsch entnommen werden. Teilweise sei dieses Wissen im Rahmen der Ausbildung erworben worden. Von den pädagogischen Fachkräften wurden artikulatorische und grammatische Besonderheiten in beiden Sprachen gegenübergestellt und entsprechende Abweichungen im Sprachaufbau als Grund für Erschwernisse im Lernprozess vor allem für Erwachsene verstanden. „Weil es ist schwer wirklich für die Menschen, die hier nicht aufgewachsen sind, sondern als Erwachsene hier gekommen sind nach Deutschland. So zum Beispiel alle Artikel zu lernen, weil es gibt keine Regel dafür“ (RU8, Z. 680-682).

Pädagogische Fachkräfte mit türkischsprachigem Hintergrund verwiesen hingegen mit ihrem Wissen zu Mehrsprachigkeit stärker auf neue Erkenntnisse zur Befürwor-

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

179

tung der Pflege der Erstsprache in der Perspektive einer vorteilhaften Beeinflussung der gesamten Sprachentwicklung. Sie erklärten, dass eine stabile Beherrschung der Erstsprache auf allen sprachlichen Ebenen einen erfolgreichen Zweitspracherwerb begünstige. Zudem wurde aus der Gruppe der türkisch-deutschsprachigen Fachkräfte bekräftigt, dass Mehrsprachigkeit nicht zwangsläufig zu Schwierigkeiten im Deutscherwerb führe. „Man kann ja nicht fortsetzen, dass man nur weil man zweisprachig oder dreisprachig aufwächst, heißt es nicht, dass man unbedingt in der deutsche Sprache schwächer sein muss. [...] Also das gibt ja diese ganzen Studien über Sprache, die hatte ich mir vor kurzen bei diesen Fortbildung nochmal erklärt bekommen. Die hat nochmal wirklich darauf hingewiesen, dass es auf KEINEN FALL so ist, dass die Kinder, die beidsprachig aufwachsen schwächer sind als die anderen Kindern auch nicht im Bereich Sprache“ (TR1, Z. 555-565).

Einsichten in die emotionale Funktion der Erstsprache Während allgemeine Kenntnisse über Mehrsprachigkeit ausschließlich von bilingualen pädagogischen Fachkräften erwähnt wurden, äußerten sich zur emotionalen Funktion der Erstsprache auch monolingual deutschsprachige Fachkräfte (s. Tab. 18, S. 176). Dazu nahmen etwa mehr als die Hälfte der Interviewten wahr, dass es für Kinder in besonders belastenden Situationen ein Bedürfnis sei, die Erstsprache zu benutzen. Nach Aussagen der pädagogischen Fachkräfte könnten Probleme der Kinder auf emotionaler Ebene besser bewältigt werden. Außerdem wurde vorgetragen, dass der Gebrauch der Erstsprache ein Gefühl der Akzeptanz, der Sicherheit und der Zugehörigkeit verschaffe sowie in der Eingewöhnungsphase unterstützend und vertrauensfördernd wirke. „Eingewöhnungszeit braucht man seine Muttersprache GANZ stark, vor allen Dingen bei solchen Kindern. Wenn sie bisschen Deutsch gekonnt hätten, zwar auch hättes auch geklappt, aber die fühlen sich geborgener, die fühlen sich vertrauter, deswegen finde ich das WICHTIG. Also vor allen Eingewöhnungszeit“ (TR3, Z. 738-741).

Gleiche Sprachkenntnisse und eine kulturelle Vertrautheit erleichtere nach Kenntnisstand der pädagogischen Fachkräfte auch die soziale Eingliederung der Kinder sowie die Mitteilungsfähigkeit vor allem bei Themen aus dem Privatleben. „Wenn es über Mama, Papa, Geschwister, Wochenende, Urlaub geht irgendwie, dann kommen die oft erzählen, ach am Wochenende hab ich das und das gemacht. Und dann gehts Russisch oder wenn sie sich dann irgendwie verletzt haben, sich wehgetan habe, wenn sie irgendwie traurig sind, dann kommt auch eher Russisch. Wenn es so auf diese Gefühlsebene geht, dann ist da öfter“ (RU11, Z. 661-664).

Überholtes Wissen über den Mehrsprachigkeitserwerb und Verunsicherungen Neben aktuellen Auffassungen zum Thema Mehrsprachigkeitserwerb und -gebrauch existierten vereinzelt auch Verunsicherungen und überholtes Wissen über die Mehrsprachigkeitsentwicklung (s. Tab. 18, S. 176). Gelegentlich wurde etwa von monolingualen pädagogischen Fachkräften der gleichzeitige Mehrsprachigkeitserwerb als ein allgemeines Erschwernis in der Sprachentwicklung angesehen. Überdies wurde angenommen, dass das Erlernen einer zweiten Sprache unbedingt siche-

180

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

re Kenntnisse in der Erstsprache bedürfe oder dass Kinder mit derselben Erstsprache oft voneinander eine fehlerhafte Grammatik erwerben würden. „Und untereinander lernen sie ja dann alle auch irgendwie ne fehlerhafte Grammatik, die sich dann auch wieder weiterverbreitet, weil sie alle eben aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen. Bei uns ist hauptsächlich die türkische Kultur so vorherrschend. Ja. Das wird dann oft fehlerhaft weitergegeben“ (DE6, Z. 261-263).

In einzelnen Schilderungen bilingualer pädagogischer Fachkräfte offenbarten sich Verunsicherungen einiger Eltern wie auch Kolleginnen und Kollegen hinsichtlich der Stellung des Erst- und Zweitsprachgebrauchs. Nach Auffassung der befragten Fachkräfte werde die Unsicherheit zusätzlich durch einseitige Beratungen der Lehrkräfte im Bildungssystem unterstützt. „Ich hab immer noch Eltern, die zu mir kommen: ‚Mensch, die Lehrer sagen‘, und das sind Eltern, die wirklich kaum Deutsch sprechen können, die sagen: ‚Die Lehrer sagen, wir sollen mit unseren Kindern Deutsch sprechen‘ “(TR1, Z. 577-579). Und da sind die Eltern doch verwirrt, die wissen überhaupt nicht was die da machen sollen und hören dann doch auf die Lehrer“ (TR1, Z. 590f).

Wissensbedarfe zu Erstsprachen Unsicherheiten hinsichtlich der Beurteilung der mehrsprachigen Entwicklung könnten nach Meinung der pädagogischen Fachkräfte neben mangelnden oder ungeeigneten Wissensbestandteilen zum Mehrsprachigkeitserwerb gleichfalls durch fehlende Kenntnisse bezüglich der Erstsprachen der Kinder hervorgerufen werden. Besonders monolingual deutschsprachige pädagogische Fachkräfte bemängelten in den Interviews, dass sie nicht ausreichend über Fremdsprachenkenntnisse und Übersetzungsfähigkeiten verfügen und wenig Einblick in Sprachstrukturen anderer Sprachen haben (s. Tab. 18, S. 176). Sie wünschten sich deshalb für sich persönlich und für das gesamte Team sichere Einschätzungsfähigkeiten des altersgemäßen Entwicklungsstandes in der Erstsprache. „Also, ich denke mal, dass wir ein bisschen mehr geschult werden müssen, auch, sag ich jetzt mal, im Türkischen, dass wir auch vielleicht die Möglichkeit haben, so wie jetzt Englisch, dass man mal ein türkische Sprache, eine russische Sprache irgendwie als Fortbildung, einfach mal so Crash-Kurs kriegt, dass man wirklich die Hauptsachen, mit denen man sich verständigen kann“ (DE5, Z. 541-544). „Ich denke schon, dass man dann ein bisschen mehr geschulter werden, aber wie gesagt, wenn ich die Sprache nicht kenne, weiß ich nicht, ist das normal, ist das altersentsprechend. Das kann ich halt nur bei den deutschen Kindern sagen. Das weiß ich bei den anderen zum Beispiel gar nicht“ (DE5, Z. 580-582).

Flexibler Gebrauch der Erst- und Zweitsprache in der Bilderbuch- und Spielsituation Neben der Einstellung und dem Wissen bzw. den Erfahrungen zum Mehrsprachigkeitserwerb und -gebrauch stelle vor allem nach den Ausführungen bilingualer pädagogischer Fachkräfte die Umsetzung im Handlungsrepertoire besondere Anforderungen an sie. Hierzu zeigten bilinguale pädagogische Fachkräfte umfangreiche und differenzierte Anknüpfungspunkte (s. Tab. 18, S. 176). Explizit schilderten alle russisch-deutschsprachigen und türkisch-deutschsprachigen Fachkräfte im Rahmen der Befragung, wie sie ihre Erst- und Zweitsprachkompetenzen in der Bilderbuch- und

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

181

Spielsituation einsetzten. Sie berichteten vom situativen Gebrauch ihrer Erstsprache Russisch bzw. Türkisch und von Sprachwechseln zwischen Erst- und Zweitsprache mit Bezug auf die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder. Dabei wurden von den bilingualen Fachkräften der Sprachwechsel bei lexikalischen Lücken im Deutschen sowie die sprachvergleichende Wiederholung ganzer Sätze in der anderen Sprache genannt. Außerdem konnte den Aussagen der Fachkräfte entnommen werden, dass sie sich in der Wahl der verwendeten Sprache an den jeweils vorliegenden bilingualen oder monolingualen Sprachmodus orientierten. Die pädagogische Fachkraft habe dann die Erst- und Zweitsprache benutzt, wenn alle im Gespräch beteiligten Personen tatsächlich über beide Sprachen verfügten. Des Weiteren seien laut Angaben der Fachkräfte direkte Fehlerkorrekturen der Kinder vermieden und stattdessen korrekte Modelle wiedergegeben worden. Damit könne nach Überlegungen der befragten Fachkräfte eine kontinuierliche Förderung des Deutscherwerbs bei den Kindern unterstützt werden. Daneben fungiere die flexible und an das Kind angepasste Verwendung der Erstsprache aufgrund des sprachlich-emotionalen Rückhaltes zur Vertrauensbildung sowie zur Unterstützung der Konzentration des Kindes und zur Aufrechterhaltung des Gespräches. „Und auf eine Situation, wo ich gemerkt hab, aha, ist doch schwer zu verstehen für ihn, da hab ich die Frage auf Russisch gesagt und dann hab ich sofort gemerkt, aha, er versteht, er weiß das. Dann für war das die Zeichen, dann mach mal noch einfacher oder lass mal für ihn ein bisschen Zeit, dass er dann mehr auch erzählen kann“ (RU9, Z. 392-396). „Wenn ich gemerkt habe, wie das Kind mich gut verstanden haben, dann habe ich natürlich auch mal auf Türkisch gefragt, was das Kind da sieht. Aber ich glaube es ist gut, wenn man auch mit den zweisprachige Kinder auch auf diese Muttersprache sprechen kann. Damit fühlt das Kind sich sicher oder konzentriert sich noch mehr, denke ich mal“ (TR6, Z. 352-355). „Ich habe öfter mal auf Deutsch und Türkisch diese Sätze, die gleiche Sätze wieder genommen, wiederholt“ (TR6, Z. 362f).

Bilinguale pädagogische Fachkräfte drückten jedoch auch ihre gelegentliche Verunsicherung aus, ihre Erstsprachen in der Situation der Bilderbuchbetrachtung und der Spielszenerie zu verwenden, wenn sich das Team auf die Vorrangstellung des Deutschen im Kita-Alltag geeinigt habe. „Da habe ich mich vielleicht doch ein bisschen unsicherer Gefühl, weil normalerweise ist das so, dass ich versuche mich überwiegend in Deutsch zu unterhalten. [...] Aber hier habe ich das ein bisschen umgeändert, weil ich mir dachte, gut wir haben hier jetzt Thema Sprache. [...] Wenn sie jetzt Türkisch spricht, ist das für mich in Ordnung, aber wie gesagt im Alltag achten wir schon darauf, dass sie überwiegend Deutsch spricht, gerade bei solchen Bilderbuchbetrachtungen (TR1, Z. 274-286).

Flexibler Sprachgebrauch der Erst- und Zweitsprache im pädagogischen Alltag Nicht nur zur erhobenen Bilderbuch- und Spielsituation äußerten sich die bilingualen pädagogischen Fachkräfte hinsichtlich des Gebrauchs ihrer Erst- und Zweitsprache. Die meisten türkisch-deutschsprachigen Fachkräfte und jeweils etwa die Hälfte der befragten Fachkräfte der russisch-deutschsprachigen sowie der monolingual deutschsprachigen Stichprobe schilderten ebenso einen flexiblen Sprachgebrauch der Erst- und Zweitsprache in Bezug auf den pädagogischen Alltag in der Kinderta-

182

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

gesstätte (s. Tab. 18, S. 176). Die auf unterschiedliche Situationen abgestimmte Erst- und Zweitsprachverwendung werde entweder persönlich gehandhabt oder bei Kolleginnen und Kollegen im Team wahrgenommen. Die Angaben der bilingualen Fachkräfte zur Pflege der Mehrsprachigkeit bezogen sich einerseits auf einen gewinnbringenden Spracherwerb der Kinder mit Migrationshintergrund und andererseits auf ein privates Anliegen mancher zugewanderten Fachkräfte selbst. In den Aussagen waren Wertschätzung und Anerkennung der Erstsprachen mit der Gleichwertigkeit zu Deutsch zu erkennen. Es war die Rede von einer Balance zwischen der Erstund Zweitsprache. Hierzu wurden teilweise erprobte Medien oder Methoden wie beispielsweise mehrsprachige Bilderbücher oder Lieder in verschiedenen Sprachen genannt. „Ich glaube, das ist auch ganz gut, dass sie sich auch angenommen fühlt und ihre Sprache auch irgendwie anerkannt, dass das es auch ne gleichwertige Sprache. Ich kann ruhig ja Russisch sprechen. Ja, in Kindergarten auch ein Bilderbuch auf Russisch Sprachen“ (RU7, Z. 400-402).

Überdies bestehe der Wunsch einiger pädagogischer Fachkräfte nach mehrsprachiger Unterstützung der Kinder unter Beteiligung bilingualer wie auch monolingual deutschsprachiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Außerdem werde auf die Kooperation mit mehrsprachigen Eltern vertraut. „Dann kann man auch diese türkischen Eltern einladen und sagen, unsere Thema ist Herbst, könnt ihr zu Hause den Kindern auch erzählen, was Herbst ist. Woran erkennt man Herbst? Auf Muttersprache und dann auch zusammen paar Herbstlieder zu Hause singen, kann man auch alles Spiele dann Herbst Türkisch machen, zusammen arbeiten“ (TR5, Z. 430-433).

Bei monolingual deutschsprachigen Eltern hingegen sei laut der interviewten Fachkräfte weniger Interesse für die Pflege von Erstsprachen in der Kindertagesstätte zu erwarten, obwohl bei deutschsprachig aufwachsenden Kindern durchaus eine offene Haltung gegenüber Migrationssprachen von den Fachkräften vorgefunden werde. „Bei uns gibs viele ausländische Kinder, also auch Türke zum Beispiel. Die Kinder lernen auch von einer Zweitsprache, also die deutsche Kinder werden jetzt von türkischen Kinder auch Türkisch, also sie fragen: ‚(Name) wie kann ich das sagen?‘ [...] Jetzt reden die deutschen 57 58 59 Kinder auch mit türkischen Kinder: ‚Yapma!‘ oder ‚Birak!‘, ‚Hayir!‘, solche leichte Wörter können die deutsche Kinder auch“ (TR6, Z. 604-609).

Eine Befürwortung des gleichwertigen Gebrauchs der Erst- und Zweitsprache innerhalb eines mehrsprachigen Kita-Teams wurde im Allgemeinen auch von monolingualen Kolleginnen und Kollegen ausgesprochen. Allerdings wurden zugleich Einschränkungen und Bedingung hinsichtlich der Kontextangemessenheit gestellt. „Ansonsten ist es so, dass wir eben gucken, dass wir möglichst gutes Sprachvorbild bieten, oftmals auch, also ich finde das zum Beispiel auch gut, wenn die türkischen Kollegen mit den türkischen Kindern in ihrer Muttersprache kommunizieren. [...] Aber ich find das immer in angemessenen Rahmen stattfinden“ (DE6, Z. 324-328). 57

deutsch: Mach das nicht!

58

deutsch: Lass das!

59

deutsch: Nein!

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

183

Gebrauch der Erstsprache als Sicherheitsfaktor im pädagogischen Alltag Im Zusammenhang mit einem situationsangepassten Gebrauch der Erst- und Zweitsprache im alltäglichen pädagogischen Geschehen sowie auf der Grundlage des Wissens und der Erfahrung wurde durchgehend von allen bilingualen pädagogischen Fachkräften im methodischen Repertoire speziell der Einsatz der Erstsprache in der Perspektive des Sicherheitsgefühls betont (s. Tab. 18, S. 176). Russisch und Türkisch werde von den interviewten Fachkräften demnach als geeignete Möglichkeit für die sprachliche Kontaktaufnahme in der Eingewöhnungsphase mehrsprachiger Kinder mit Migrationshintergrund in frühpädagogischen Bildungseinrichtungen gewählt. Deutsch als Zweitsprache rücke im Handlungsrepertoire der bilingualen pädagogischen Fachkräfte in der Regel erst später in den Vordergrund. Diese Herangehensweise werde auch zu einem großen Teil von den Einrichtungsteams befürwortet. Für die Fachkräfte ergebe sich damit eine Chance, durch den Aufbau von Vertrauen, Sicherheit und Geborgenheit bei den mehrsprachigen Kindern die Eingewöhnung und Integration in der Kindertagesstätte zu erleichtern. Zudem sei den bilingualen Fachkräften wichtig, mit dem Gebrauch ihrer Erstsprache Kinder im Sprachverständnis zu unterstützen und sprachlich zu aktivieren. „Jetzt in der Eingewöhnungszeit, hab ich jetzt zwei, drei Russisch sprechende Kinder, die können zwar auch Deutsch, aber wir haben dann gleich eine bessere Beziehung, würde ich jetzt nicht sagen, aber die Beziehung kommt schneller zu Stande, weil wir einfach die gleiche Sprache sprechen, die eventuell dem Kind auch mehr am Herzen liegt. Und dann kann ich die Kinder auch gleich verstehen und Verständnis ist einfach schneller da. Und dann gewöhnen sie sich auch viel, viel schneller an mich. [...] Und da haben die Kinder es leichter und ich auch. Und meine Kolleginnen dann natürlich auch“ (RU11, Z. 637-645).

Außerdem wurden von bilingualen pädagogischen Fachkräften emotional bedeutsame Situationen wie beispielsweise Probleme und Konflikte mehrsprachiger Kinder angesprochen, bei denen die Erstsprache im Gespräch genutzt werde. Natürlich, in Konfliktsituationen spreche ich mit den Kindern auf Türkisch, also mehrwiegend auch Konflikte, weil wegen der Unsicherheit, wenn das Kind dann nicht das auf Deutsch sagen kann, was ist denn eigentlich, was ihm eigentlich anliegt“ (TR4, Z. 555-560).

Nach Erfahrung bilingualer Fachkräfte beruhige es zusätzlich manche Eltern, wenn diese wissen, dass in der Einrichtung die Erstsprache der Kinder gesprochen werden darf. „Und eine Mutter hört dann nur (Name RU11) und kam dann gleich: ‚Sprechen Sie Russisch?‘ [...] ‚Dürfen Sie da auch mit den Kindern sprechen? Echt?‘. ‚Да. 60 Ja, ich darf auch mit den Kindern sprechen.‘ [...] Ich glaub, wenn die Eltern sich dann so aufgehoben fühlen und so GUT aufgehoben fühlen, dann überträgt es sich auf Kinder“ (RU11, Z. 770-774).

Die Verwendung der Erstsprache bilingualer pädagogischer Fachkräfte werde von den Kolleginnen und Kollegen im Kita-Team allerdings nicht ausschließlich positiv beurteilt. Bilinguale Fachkräfte berichteten auch von kritischen Stimmen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und von schwieriger Überzeugungsarbeit im Team.

60

deutsch: Ja

184

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I „Im Team? Hm ((nachdenklich)). Unterschiedlich. Ich muss mir, glaub ich, das Ganze irgendwie mal wirklich erkämpfen, dass ich überhaupt Russisch spreche“ (RU11, Z. 778f).

Die Forderung nach der Etablierung des Erstsprachgebrauchs in der Eingewöhnungszeit der Kinder in frühpädagogischen Bildungseinrichtungen wurde letztlich mit Bezug auf die administrative Ebene von einer bilingualen pädagogischen Fachkraft vorgetragen, indem sie die Beschäftigung von bilingualen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern empfahl. „Aber im Kindergarten ist verdammt schwer für die Kinder. Deswegen ist das auch sehr, sehr wichtig, dass man in den Einrichtungen zweisprachige Erzieherinnen hat. Damit diese Kinder auch bisschen, wirklich bisschen einfacher haben AM Anfang“ (TR3, Z. 758-760).

Zwischenfazit Insgesamt konnte den Stellungnahmen der pädagogischen Fachkräfte in den Interviews zum Stellenwert der Mehrsprachigkeit und zum Gebrauch der Erstsprache zum größten Teil eine wertschätzende und offene Haltung entnommen werden. Es wurde für eine Gleichwertigkeit im Umgang von Erst- und Zweitsprache plädiert, jedoch die Verwendung des Deutschen als gemeinsame Kommunikationssprache hervorgehoben. Die Wissensbestände zum Thema Mehrsprachigkeit waren besonders aus dem Erfahrungsschatz der pädagogischen Fachkräfte angereichert. Gelegentlich wurde auf nicht mehr zeitgemäße Vorstellungen zurückgegriffen. Dennoch war zu bemerken, dass russisch-deutschsprachige und türkisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte häufig an ihre Erstsprachkenntnisse anknüpfen können und auf der Basis ihrer Mehrsprachigkeitserfahrung das eigene Wissen differenziert und aktuell erweitern. Das zeigte sich besonders in den Schilderungen der bilingualen pädagogischen Fachkräfte zu ihrem Handlungsrepertoire in der Bilderbuch- und Spielsituation wie auch allgemein im frühpädagogischen Alltag. Der Einsatz von Russisch und Türkisch werde von den Fachkräften demnach flexibel an die Bedürfnisse und sprachlichen Möglichkeiten der Kinder angepasst. Vor allem wurde dabei der Gebrauch der Erstsprachen im Zusammenhang mit emotional bedeutsamen Situationen wie beispielsweise der Eingewöhnungszeit der Kinder in den Einrichtungen genannt. Dieser situationsspezifische Umgang mit den Erstsprachen werde von den Kolleginnen und Kollegen in den Teams der befragten pädagogischen Fachkräfte in der Regel begrüßt. Vereinzelt formulierten die pädagogischen Fachkräfte den Gebrauch von Erstsprachen sogar als Forderung an die Bildungsadministration im Elementarbereich. 7.2.2

Methoden zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung

Neben Überlegungen zur Unterstützung der Mehrsprachigkeit und des Erstsprachgebrauchs bei Kindern bezogen sich die befragten pädagogischen Fachkräfte in umfangreichen und differenzierten Äußerungen in den Interviews auf allgemeine Gesichtspunkte zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung unabhängig davon, ob es sich um einsprachige oder mehrsprachige Kinder handelte. Diese Aspekte wurden in eine entsprechende Kernthemengruppe gefasst (s. Abb. 18, S. 185).

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

185

Abb. 18: Methoden zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung im interpersonalen Profil

Dabei konnten Wissensbestände und Wissensbedarfe sowie das vorhandene Handlungsrepertoire und Veränderungsbedarfe der pädagogischen Fachkräfte zu Sprachbeobachtungs- und Sprachfördermethoden festgestellt werden (s. Tab. 19, S. 186). Die pädagogischen Fachkräfte äußerten sich dazu mit deutlichem Anteil der monolingual deutschsprachigen Fachkräfte aus der persönlichen Ich-Sicht wie auch aus dem gemeinsamen Blickwinkel des pädagogischen Teams und in der Perspektive auf das administrative und politische System. Spezifische Kenntnisse der Sprachförderarbeit Zur Entwicklung von Methodenkompetenz im Bereich Sprachbeobachtung und Sprachförderung wurden in den Interviews von wenigen pädagogischen Fachkräften spezifische Kenntnisse als notwendige Basis dargelegt. Vereinzelt gaben monolingual deutschsprachige und russisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte diesbezüglich Einblick in ihre Wissensbestände (s. Tab. 19, S. 186), die sie durch Ausbildung und Fortbildung oder durch Erfahrungen aus dem pädagogischen Alltag erworben haben. Es wurden Kenntnisse zur Förderung der Mundmotorik und der korrekten Artikulation, Wissen zur Aktivierung der kindlichen Äußerungsfähigkeit, fundierte Deutschkenntnisse sowie Einsichten über die Dimensionen und die Strukturen der Sprache vorgetragen. „Jede Sprache hat nen eigenen Rhythmus und wenn man das rausgekriegt, dann gehts ganz schnell. Und das muss man auf jeden Fall wissen, finde ich. Also wenn man die Sprache gar nicht kennt, hört sie sich wie ‚piiiiiiiii‘ ((gedehnt)). Du weißt ja gar nicht, wo das Wort anfängt, wo es aufhört, wo n Satz anfängt, wo es aufhört. Und wenn man das schon rausgekriegt hat, dann ist es leichter“ (RU11, Z. 839-843).

186

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

Tab. 19: Kernthemengruppe zu Methoden zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung K E Themengruppe Spezifische Kenntnisse

Wi F der Sprachförderarbeit

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7 



F



 











Wissensbedarfe für

Wi T Sprachbeobachtung und Sprachförderarbeit

Hn

Hn







  





S









F Methoden zur Sprach beobachtung und T Sprachförderung











 



Sprachbeobachtung und T Optimierungswünsche







  







Qualifizierungsbedarfe

Hn T für Sprachförderung und  Optimierungswünsche

S



Pädagogische Fachkräfte















 









 









RU = russisch-deutschsprachig

TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Hn = Handlungsrepertoire

Kompetenzbereiche (K) Ebenen der Argumentationsperspektiven (E) Differenziertheit der Themen













   





F Unsicherheiten bei der

F







F = Fachkraft 

=

1 Thema

2  = Themen

T = Team



=

3 Themen

S = System



=

4 Themen

5  = Themen

Wissensbedarfe für die Sprachbeobachtung und Sprachförderarbeit Während sich die vorhandenen Kenntnisse der pädagogischen Fachkräfte zur Sprachförderarbeit in den Befragungen nur in knappen Bemerkungen offenbarten, nahmen die geäußerten Wissensbedarfe zur Beobachtung und Förderung der Sprache der Kinder einen deutlich breiteren Umfang mit differenzierteren Angaben ein (s. Tab. 19, S. 186). Es wurde von allen monolingualen deutschsprachigen und den meisten türkisch-deutschsprachigen sowie einigen russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften der Bedarf an Wissensaufnahme sowie der Wunsch nach Anregungen und Austausch mit anderen Kolleginnen und Kollegen mitgeteilt. Dabei wurden Themen genannt, wie etwa Sprach- und Kommunikationstheorie, Spracherwerb, emotionale und psychische Aspekte der Sprache, neurolinguistisches Wissen, Sprachstrukturen des Deutschen, Einschätzungsfähigkeit des altersgemäßen kindlichen Entwicklungsstandes, Sprachbildung von Kindern unter drei Jahren, theoretische Vertiefungen im Bereich der Sprachförderung sowie Reflexionsmöglichkeiten der sprachpädagogischen Arbeit. „Ich finde da muss man wissen, ab wie vieltem Alter man in der Sprache entwickelt sein muss oder sollte, damit man solche Festlegungen machen kann, sagen kann, das Kind ist jetzt sprachauffällig oder sprachgestört“ (TR4, Z. 723-725).

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

187

„Ist die Art und Weise, wie ich Sprachanlässe geschaffen, ist das okey? War das so, dass ich sagen kann, ich erreiche so die Kinder? Ich hab jetzt so den Eindruck. Aber es muss ja nicht unbedingt so sein. Ist da selber noch Verbesserungsbedarf, muss ich da Haltung ändern oder meine Art ändern, mit Kindern umzugehen? Also ich hab schon das Gefühl, aber kann ich noch mehr tun? Ja, gibt es noch Dinge, die ich beachten muss und nicht weiß vielleicht?“ (DE2, Z. 816-820).

Ein Bedarf an fachlicher Weiterentwicklung und Reflexion hinsichtlich verbesserter Sprachbeobachtung und Sprachförderung wurde von den pädagogischen Fachkräften gleichfalls für das gesamte Team als wichtig erachtet. Dabei wurde ebenso an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer geringen Fortbildungsfrequenz gedacht. „Da war Sprache auch n Thema einfach, da hat man sich auch viel mit auseinandergesetzt und auch über den kindlichen Spracherwerb und so was. Ich glaube, dass das bei älteren Kollegen vielleicht nicht unbedingt so der Fall war und dass da einfach ja fachlich durchaus irgendwo Fortbildungsbedarf besteht“ (DE4, Z. 304-307).

Zusätzlich wurde von den pädagogischen Fachkräften eine stärkere Berücksichtigung der Vermittlung von Kenntnissen zur Sprachentwicklung bereits im schulischen Rahmen und in der Ausbildung gefordert. „Mehr in den Schulen eben, dass mehr in den Schulen gemacht wird über Sprachentwicklung oder während der Ausbildung. [...] Dass da hin auch mehr gemacht wird, da wird fast eigentlich ganz wenig gemacht oder fast gar nichts“ (TR4, Z. 795-801).

Methoden zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung Gegenüber den Äußerungen in der Kategorisierung des Wissens konnten zur allgemeinen Sprachbeobachtung und Sprachförderarbeit hingegen im Handlungsrepertoire der bilingualen wie auch der monolingualen pädagogischen Fachkräfte umfassendere und detailliertere Angaben festgestellt werden (s. Tab. 19, S. 186). Neben Schilderungen aus der persönlichen Sicht der Fachkräfte wurden vor allem Handlungsweisen und Methoden der Teams mitgeteilt. Hierzu wurde ein besonders breites Spektrum an medialen und methodischen Möglichkeiten aufgezählt, wie etwa Bilderbücher, Lieder, Gesellschaftsspiele, Bewegungsspiele, Rollenspiele, Gespräche, Malen und Basteln, um sprachliche Fähigkeiten der Kinder zu beobachten und zu fördern. „Mit dem Kind reden. Bilderbücher, Bilderbuchbetrachtung ganz stark finde ich. Und dass man mit den Kindern Gespräche führt, was wir auch fast jeden Tag machen. [...] Über Erlebnisse, die sie halt gesehen und erlebt haben oder was sie zu Hause gemacht haben. [...] Da kann man nämlich ganz gut feststellen, wer wie weit gehen kann. Wie weit kann dieses Kind sprechen, wie weit kann das Kind sich äußern. [...] Da kann man die auch genau den Stand des Kindes sehen und dementsprechend auch helfen. Und Spiele, Gesellschaftsspiele ganz wichtig“ (TR3, Z. 842-852).

Die pädagogischen Fachkräfte berichteten nicht nur von alltagsbasierten Maßnahmen zur Beobachtung und Förderung sprachlicher Fähigkeiten der Kinder, sondern auch von speziellen Sprachförderprogrammen und Sprachbeobachtungssystemen. Dabei wurde Sprachbeobachtung und Sprachförderung als Aufgabe aller pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einrichtungsteam unabhängig vom sprachlich-kulturellen Hintergrund verstanden. Dementsprechend war den befragten bilin-

188

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

gualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften ein Austausch über die Sprachbeobachtungs- und Sprachförderarbeit mit Kolleginnen und Kollegen wichtig. Nach Aussagen der Fachkräfte erstrecke sich die Kooperation ebenfalls auf Sprachförderkräfte und Grundschullehrkräfte sowie die Eltern der Kinder. „Wir haben ja auch bestimmte Beobachtungssituationen, wird ja jedes Kind beobachtet von verschiedenen Personen und dann gucken wir auch immer wieder darauf. Und dann natürlich auch, wenn die Leute kommen von der Familie wie auch immer und halt so Entwicklungsberichte brauchen. Da gucken wir alle gemeinsam auf das Kind“ (DE1, Z. 321-324).

Unsicherheiten bei der Sprachbeobachtung und Optimierungswünsche Obwohl in manchen Einrichtungen die Sprache der Kinder konzeptionell beobachtet und gefördert werde, existierten bei einzelnen bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften sowie in pädagogischen Teams dennoch Unsicherheiten und Optimierungswünsche bezüglich der Sprachbeobachtung und Dokumentation (s. Tab. 19, S 186). Es wurde erklärt, dass die Vielzahl an Beobachtungsbögen manchmal überfordernd sei. Zudem wurde mitunter die Funktion und Effizienz aufgrund eines hohen Dokumentationsaufwandes in Frage gestellt. Überdies wurden Unerfahrenheit der Fachkräfte bis hin zu fehlenden Sprachbeobachtungskonzepten in den Einrichtungen angemerkt. „Tausende Beobachtungsbögen, wo man selber auch manchmal denkt, was ist denn jetzt das Beste? Was ist nen das Richtige? Also vielleicht da noch ein System, noch das Neuste auf den Stand bringen und ja mitziehen, welche Ziele stecken hinter dieser Beobachtungsbögen“ (RU10, Z. 683-685). „Ich kenne keine Sprachförderungsbögen“ (RU10, Z. 703f).

Qualifizierungsbedarfe für die Sprachförderung und Optimierungswünsche Neben verbesserten Methoden zur Sprachbeobachtung wurden von einigen bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften auch Qualifizierungsbedarfe und Optimierungswünsche explizit für die Sprachförderung aufgeführt (s. Tab. 19, S. 186). Hierbei wurden spezielle Methoden und Medien zur sprachlich-kommunikativen Förderung der Kinder genannt. Außerdem bestehe der persönliche Wunsch, eine vielfältige und individualisierte Sprachförderung umsetzen zu können. „Was ich mir wünsche, [...] viel mehr Bilderbuchbetrachtung, viel mehr kleine Gesprächsrunden mit den Kindern zu führen und mit dem Bilderbuch, so wie es heute war mit wenig Utensilien dann nachzuspielen. Da kann ich wirklich ne Menge für mich auch rausziehen. [...] Oder Gesellschaftsspiele oder allgemein auch im Alltag beim Frühstück, beim Mittagessen, wenn man sich im Treppenhaus trifft. [...] Da halt wirklich nochmal mit den Kindern wieder ins Gespräch kommen, was leider MIR nicht immer gelingt“ (DE7, Z. 390-396).

Damit Sprachförderung tatsächlich von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern effektiv umgesetzt werden könne, bedürfe es aus der kollegialen Sicht der Kita-Teams eines ressourcenorientierten Austausches der Fachkräfte und einer Reflexion der sprachpädagogischen Arbeit. Ferner wären nach Auffassung des pädagogischen Personals in einigen Einrichtungen weitere Fortbildungen sowie die methodische Unterstützung von in der Einrichtung tätigen Sprachförderkräften sinnvoll.

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

189

„Toll wäre natürlich immer jemand, der ne Sprachförderfortbildung hat. Und das dann möglichst auch mit allen irgendwie teilt. Das ist ja auch ein Grund, warum wir hier großes Interesse haben so insgesamt als Einrichtung“ (DE6, Z. 383-385).

Der Wunsch nach Qualifizierung und Optimierung in der Sprachförderarbeit wurde von mehreren monolingual deutschsprachigen und russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften sowie einer türkisch-deutschsprachigen Fachkraft auch an das administrative und politische System frühkindlicher Bildung adressiert. So wurden Weiterbildungsangebote für pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund gewünscht. Ferner argumentierten die Fachkräfte, dass mehr sprachpädagogisch ausgebildetes Personal zur Verfügung stehen sollte, dass Kooperationen mit externen Fachkräften konsequenter aufgebaut werden müsste, dass mehr Zeit und finanzielle Mittel für die Sprachförderarbeit eingeräumt werden könnte, oder dass die Gruppengrößen in den Kindertagesstätten reduziert werden sollten. „In kleinen Gruppen. Es ist ja selten möglich. Wir machen es schon möglich, aber trotzdem unter zehn Kinder läuft´s nicht. [...] Das wäre dann einfach intensivere Arbeit“ (RU11, Z. 938940). „Ich wünsche mir mehr Personal, mehr Geld, mehr Stunden, mehr einfach Sprachförderkräfte, aber auch wenn dann ausgebildete Sprachförderkräfte“ (RU11, Z. 950f).

Zwischenfazit Dem Themenbereich der allgemeinen Sprachbeobachtung und Sprachförderung widmeten sich die befragten pädagogischen Fachkräfte mit umfangreichen und differenzierten Stellungnahmen. Der vergleichsweise hohe Anteil an Interviewantworten mit Bezug auf die systemische Ebene der Bildungsadministration und Bildungspolitik hinsichtlich Optimierungs- und Qualifizierungswünschen steht im Zusammenhang mit Aussagen zu problematischen Rahmenbedingungen in der frühpädagogischen Arbeit. Doch auch auf der Ebene der Einrichtungsteams sowie auf der persönlichen Ebene einzelner pädagogischer Fachkräfte sind fachliche Entwicklungsbedarfe aus dem Interviewmaterial herauszufiltern. Diese Bedürfnisse korrespondieren mit Angaben, dass einerseits Sprachbildung und Sprachförderung in den Konzeptionen der Krippen, Kindertagesstätten und Horte bereits Eingang gefunden haben und andererseits, dass das spezifische Wissen und das Handlungsrepertoire der pädagogischen Fachkräfte noch nicht optimal ausgebaut werden konnten. Damit setzten sich insbesondere monolingual deutschsprachige pädagogische Fachkräfte in den Interviews auseinander. 7.2.3

Sprachsensible und interkulturelle Arbeit

Im Zusammenhang mit dem Schwerpunkt des Forschungsprojektes und dem Leitfragenkatalog der Interviewerhebung lag es nahe, dass sich die befragten pädagogischen Fachkräfte nicht nur mit allgemeinen Fragen zur Sprachförderung und Sprachbeobachtung beschäftigten, sondern sich besonders mit dem Stellenwert und der Umsetzung sprach- und kultursensibler Arbeit in der Kindertagesstätte auseinandersetzten und sich umfangreich und differenziert im Gespräch äußerten.

190

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

Zur Sensibilität bezüglich mehrsprachig-interkultureller Arbeit in der Kindertagesstätte berichteten die pädagogischen Fachkräfte in den Interviews besonders vielschichtig sowohl aus der persönlichen Ich-Sicht als auch aus der kollektiven Team-Sicht. Innerhalb dieser Kernthemengruppe (s. Abb. 19, S. 190) bezogen sich die Befragten vor allem auf gewinnbringend erlebte und wahrgenommene Konstellationen mehrsprachiger und interkultureller Arbeit und teilweise auch auf kritisch beurteilte und veränderungswürdige Verhältnisse. Dazu ergab sich eine breite Streuung in der Differenziertheit des Interviewmaterials durch alle Gruppen der bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräfte. Im Einzelnen befassten sich die Befragten mit der Wertschätzung mehrsprachig-interkultureller Arbeit, mit Kenntnissen und Wissensbedarfen zur interkulturellen Arbeit sowie mit der praktizierten Sprach- und Kultursensibilität in der Bilderbuch- und Spielsituation wie auch im pädagogischen Alltag mit Kindern und Eltern aus verschiedenen Perspektiven (s. Tab. 20, S.192).

Abb. 19: Sensibilität bezüglich mehrsprachig-interkultureller Arbeit im interpersonalen Profil

Allgemeine Wertschätzung mehrsprachiger interkultureller Arbeit Grundlegend wurden pädagogische Haltungen im Sinne einer allgemeinen Wertschätzung gegenüber sprachlicher und kultureller Diversität von den pädagogischen Fachkräften konstruiert (s. Tab. 20, S.192). Entsprechend wurde ein offenes sprachlich und kulturell tolerantes Miteinander in der Kindertagesstätte wie auch im gesellschaftlichen Alltag als gewinnbringend und bereichernd verstanden. Von den pädagogischen Fachkräften werde Kultursensibilität und ein Verständnis für mehrsprachige Entwicklungsprozesse sowohl den Kindern als auch den Eltern vermittelt. Letztlich zählten laut den Schilderungen der bilingualen wie auch der monolingualen pädagogischen Fachkräfte Menschlichkeit und Anerkennung als wichtigste Faktoren in der

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

191

pädagogischen Arbeit mit Kindern im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität. „Und wenn du offen für die Kinder bist und wenn du so diese Gefühl zu den Kindern hast und gehst auf die Bedürfnisse von den Kindern, dann ist es egal, von welcher Kultur die kommen und ob sie mit Sprachen kommen oder ohne Sprachen kommen. [...] Und dass die Kinder sich willkommen fühlen. Das ist das Wichtigste“ (RU8, Z. 642-648). „Vielleicht einfach die Kultur verstehen, das sage ich wieder so, dass man dann reinschaut und wenn das Mensch hier ist, als Elternteil, dass man dann den Gefühl auch gibt, [...] die sind herzlich willkommen“ (RU9, Z. 828-830). „Ich finde es schön, dass wir so viele Kulturen hier haben“ (TR4, Z. 532). „Ich find eigentlich, man profitiert auch immer davon. Sei es nun von anderen Sprachen oder anderen Kulturen“ (DE6, Z. 66-70).

Die Unterstützung einer Multikulturalität wurde von mehreren pädagogischen Fachkräften als Möglichkeit der Förderung des gegenseitigen Lernens und Respektierens der Kinder untereinander verstanden. Ebenso wurden der interkulturelle Austausch und das Miteinander als wichtige Aspekte in der Arbeit mit Familien gesehen. Dabei solle nach Meinung pädagogischer Fachkräfte Kooperation durch Akzeptanz und Offenheit entwickelt werden. „Wenn man so kunterbunt ist und dann lernen sie untereinander auch zu respektieren. Also das ist auch wichtig. Den anzunehmen wie sie sind, ob sie ein Tuch tragen müssen oder ein Tuch nicht tragen müssen“ TR2, Z. 501-503). „Ja, das ist für mich auch so Sinn eines Familienzentrums, dass sie auch was dazugeben und wir wieder was dazu geben können, dass es einfach für alle ein Gewinn ist“ (DE1, Z. 417f).

Bei einigen bilingualen pädagogischen Fachkräften wurde eine explizite Suche nach einem mehrsprachig und interkulturell ausgerichteten beruflichen Umfeld geschildert. Sie bezeichneten die Förderung von Interkulturalität als wichtiges persönliches Anliegen. So sei ein Arbeitsplatz mit sprachlich-kultureller Vielfalt gewählt worden, um die eigene Mehrsprachigkeit vorteilhaft einsetzen zu können. „Das war nach meinem Wunsch, dass ich die Stelle wechsele und dass ich in der Richtung gehe, wo mehr ausländische Kinder, wo mehr Kulturelle ist, dass ich in die Richtung schon gehe“ (RU9, Z. 313-315). „Das sind Kindergärten, Einrichtungen, die in einem sozialen Umfeld sind, wo Familien hohen Migrationshintergrund haben [...], also das ist so ein Milieu, wo ich gerne arbeiten wollte, weil ich glaube, dass ich gerade diese Mehrsprachigkeit einfach hier besser entfalten kann“ (TR1, Z. 204-207).

Darüber hinaus berichteten die pädagogischen Fachkräfte, dass ein interkultureller Ansatz in der Kindertagesstätte auch gemeinschaftlich in den pädagogischen Teams zur Selbstverständlichkeit erklärt werde. Dazu werde ein interkulturelles Klima von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als förderliches Element der sprachlichen Arbeit unterstützt. „Also bei uns ist es so, dass wir haben ja bunter bunt, obs russische Kinder, polnische Kinder, türkisch, kurdisch, afrikanisch, indisch, persisch, also es ist unterschiedlich bei uns, deutsche Kinder, wir sind bunter bunt. Daher ist es eigentlich nicht ne große Diskussion, also jetzt man versucht wie möglich mit den Kindern viel zu arbeiten. [...] Wir versuchen wie möglich Angebo-

192

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I te dahin zu bringen, dass die Kinder sich entfalten können, auch die Sprache lernen können“ (TR2, Z. 540-545).

Tab. 20: Kernthemengruppe zur mehrsprachigen und interkulturellen Arbeit K E Themengruppe Ha

Wi

Wi

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10 RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7

F Allgemeine Wertschät-



zung mehrsprachiger

T interkultureller Arbeit F Kenntnisse zu





























 









 













Keine kulturellen Aspekte Sprach- und Kultur-





   





Hn F in Bilderbuchsituation Hn T sensibilität im Team



 

Beachtung kultureller AsHn F pekte in Bilderbuchsituat. 







Sprach- und Kultur-









Interkulturalität im

T pädagogischen Alltag

Hn F sensibilität im päd. Alltag

Hn







Interkulturalität im

T pädagogischen Alltag F Wissensbedarfe zu







 









 













 

F Wunsch nach mehr

Sprach- u. Kultursensi-

T bilität in der Einrichtung

Wunsch nach besseren Hn S Bedingungen









RU = russisch-deutschsprachig

TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Kompetenzbereiche (K)

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Hn = Handlungsrepertoire

Ebenen der Argumentationsperspektiven (E)

F = Fachkraft

T = Team

Pädagogische Fachkräfte

Differenziertheit der Themen



=

1 Thema



=

2 Themen



=

3 Themen

S = System



=

4 Themen

5  = Themen

Reflektierte Kenntnisse zu Interkulturalität im pädagogischen Alltag Neben Stellungnahmen zur Haltung gegenüber mehrsprachiger und interkultureller Arbeit in der Frühpädagogik reflektierten außerdem die befragten pädagogischen Fachkräfte kulturelle Aspekte im Alltag der Kindertagesstätte auf der Grundlage ihres Wissens (s. Tab. 20, S.192). Dabei wurde hauptsächlich die Gesamtsituation der Einrichtung aus dem persönlichen Blickwinkel betrachtet. Hierzu wurden Kenntnisse über den konkreten Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in der eigenen Kindertagesstätte erwähnt. Im Detail wurde von den pädagogischen Fachkräften das Auftreten verschiedener Kulturen wahrgenommen und innerhalb ethnischer Gruppen eine differenzierte Vielfalt erkannt. Zudem wurde das Interesse der Kinder an anderen Sprachen und Kulturen, wenn dafür Raum gegeben wird, bemerkt. Andererseits registrierten die pädagogischen Fachkräfte auch die Zurückhaltung einiger Kinder, den eigenen kulturellen Hintergrund nach außen zu tragen. Somit wurden von den

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

193

Fachkräften sowohl kulturelle Unterschiede zwischen Kindern klassifiziert wie auch individuelle Prägungen und Gemeinsamkeiten. „Und da bin ich dann manchmal ganz erstaunt, wenn dann die russischen Kinder halt Russisch singen, das ist auch ganz toll. Also wir führen das jetzt ein und ich muss sagen, ich bin einfach erstaunt, weil ich das den Kindern gar nicht so zuordne. Also anders ist es, wenn wir moslemische Kinder haben, da ist es rein äußerlich schon sichtbar, die kommen woanders her, aber bei unseren russischen Kindern, die ja meistens sogar hier geboren sind, spür ich das nicht so“ (DE2, Z. 420-425). „Man kann nicht alle, die aus Russland, die kommen nicht alle aus Russland, alle sind unterschiedlich sozialisiert, das muss man auch sagen, die haben unterschiedliche Bildungsspannen“ (DE2, Z. 646-648).

Über die direkte Bezugnahme auf die eigene Kindertagesstätte sowie punktueller und anlassbedingter Kenntnisse kultureller Einflüsse der Kinder hinaus verfügten die pädagogischen Fachkräfte auch über allgemeines theoretisches Wissen zu interkultureller Pädagogik und zu spezifischen Umsetzungsmöglichkeiten. Sie bemerkten dazu die besondere Relevanz dieses Wissens für die pädagogische Arbeit. In den Befragungen wurde beispielsweise sowohl von der Komplexität als auch von der Sicherheit kultureller Prägung berichtet. Vor allem wurden von den pädagogischen Fachkräften Verbindungen von kulturellen Einflussfaktoren zum Spracherwerb und Sprachgebrauch gezogen. Dabei wurde die Notwendigkeit von Kenntnissen sprachlich-kultureller Hintergründe in der mehrsprachigen und interkulturellen Arbeit mit Kindern und ihren Eltern bekräftigt, um Besonderheiten und Schwierigkeiten ganzheitlich verstehen zu können. „Deutsche Kultur ist total anderes als die anderen Kultur, also man muss auch Hintergrund wissen, damit man auch mit den Eltern gut sich verstehen können und umgehen kann. Also zum Beispiel, ich habe letztes Jahr ein Fortbildung gemacht. Ich wusste nit, warum die Eltern so ein bissen viel Verantwortung von den Erziehern haben wollten, dann habe ich da gelernt, dass in Russland ist das so, man nimmt viel Verantwortung und die wollen auch hier in Deutschland auch so von Erziehern viele Verantwortung haben“ (TR6, Z. 574-580).

Ein nützliches Fundament an Wissen für die mehrsprachig-interkulturelle Arbeit in der Kindertagesstätte werde nach vereinzelten Aussagen pädagogischer Fachkräfte durch absolvierte Fortbildungen im Team aufgebaut. Hierzu wurde von neuen Erkenntnissen für die Arbeit des Kita-Teams mit mehrsprachigen Familien berichtet. Ebenfalls wurden Unterschiede zwischen den Familienkulturen erkannt. „Also wir hatten jetzt ganz interessant ne interkulturelle Sensibilisierung nennt sich das, drei Tage lang hatten wir so ne Fortbildung, genau wie auch über die Sprache gesprochen über die Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, aber auch über die Kultur, die dahinter steckt, weil ganz oft gibt es so Kulturkonflikte zwischen solche Einrichtungen in der Familie“ (TR1, Z. 439442).

Wissensbedarfe zu Interkulturalität im pädagogischen Alltag Allerdings konnten den Äußerungen der befragten pädagogischen Fachkräfte nicht nur Wissensbestände, sondern teilweise auch Wissensbedarfe zum Thema Interkulturalität entnommen werden (s. Tab. 20, S.192). Dazu bestand von einigen pädagogischen Fachkräften der allgemeine Wunsch nach Erweiterung des theoretischen Wissens zu interkultureller Pädagogik. Von anderen Fachkräften wurde wiederum

194

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

das Bedürfnis formuliert, Kenntnisse über spezielle Aspekte zu erwerben, etwa regional kulturelle Eigenheiten, Hintergründe der Migration von Familien, Zusammenhänge und Möglichkeiten der mehrsprachigen interkulturellen Kommunikation. Ferner wurde erwähnt, dass gelegentlich das Interesse einer gesamten Kindertagesstätte vorliege oder von der pädagogischen Fachkraft eine Empfehlung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgesprochen werde, an Fortbildungen im Themenbereich mehrsprachig-interkultureller Arbeit mit Kindern und Eltern in der Frühpädagogik teilzunehmen. „Ich kann empfehlen, dass auch im Einrichtung in den Kita, was hier mal auch über den Zweisprachliche da so verschiedene Fortbildungen machen, genauso was die Hintergrund also, wie kann man mit diesen Kind oder mit den Kindern umgehen oder mit den Eltern zum Beispiel, das ist auch sehr wichtig“ (TR6, Z. 571-574). „Also, die Kollegen wollen auch gerne sich teilnehmen, wenn ich solche Fortbildungen wir bekommen, wollen gerne sofort teilnehmen“ TR6, Z. 746f).

Praktizierte Kultur- und Sprachsensibilität im Kita-Alltag und in der Elternarbeit Schließlich gaben die Antworten der pädagogischen Fachkräfte neben ihrer Haltung und den Wissenskonstruktionen umfangreichen Einblick in ihr Handlungsrepertoire zur praktizierten Sprach- und Kultursensibilität im Alltag der Kindertagesstätte und in der Elternarbeit. Dabei konnten qualitative und quantitative Unterschiede zwischen den bilingualen pädagogischen Fachkräften mit russisch-deutschsprachigem und türkisch-deutschsprachigem Hintergrund sowie den monolingual deutschsprachigen Fachkräften festgestellt werden (s. Tab. 20, S.192). In quantitativer Hinsicht unterschieden sich alle drei Gruppen der Stichprobe im Umfang der Themenaspekte zum Bereich des sprach- und kultursensiblen Handelns in der Kindertagesstätte. Während diesem Bereich deutlich weniger Äußerungen der russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte zugeordnet werden konnten, lagen dazu mehr Aussagen von den türkisch-deutschsprachigen und fast durchgängig von monolingual deutschsprachigen Fachkräften vor. Weitere Besonderheiten zeigten sich unter qualitativer Betrachtung. So berichteten pädagogische Fachkräfte der beiden bilingualen Gruppen von gewinnbringenden Effekten in der mehrsprachigen und interkulturellen Arbeit mit Kindern und Eltern aufgrund der Passung der sprachlich-kulturellen Hintergründe. Bilinguale pädagogische Fachkräfte beschrieben sich als Vermittelnde zwischen den Sprachen und den Kulturen in der Kindertagesstätte. Nach deren Meinung werde der Kontaktaufbau, die Vertrauensbildung und die Integration der Kinder in die Gemeinschaft der Einrichtung im Zusammenhang mit ähnlichen sprachlich-kulturellen Erfahrungen erleichtert. Ebenso werde eine positive Verbindung zwischen der Kindertagesstätte und dem Elternhaus durch interkulturelle Bezüge und Wertschätzung kultureller Besonderheiten wie auch durch den Einsatz von Erstsprachen geschaffen. Dazu wurden von einzelnen bilingualen pädagogischen Fachkräften konkrete Beispiele aufgeführt. „Vielleicht kann ich auch die Kinder oder die Eltern auch mehr nachvollziehen oder verstehen, ihre Sorgen sozusagen. [...] Wenn die hören das, wenn ich so Akzent oder in die Sprache habe und die werden dann nicht so gehemmt oder so, [...] die reden dann mit mir, egal ob ist das

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

195

richtig oder falsch. [...] Dann sehen sie meine Reaktion, ich verstehe die und dann baut man sich gute Beziehung zwischen mir und verschiedenen Eltern“ (RU9, Z. 582-599).

Trotz des Mangels an eigenen mehrsprachig-interkulturellen Hintergründen äußerten sich rein deutschsprachige pädagogische Fachkräfte differenziert zur bewussten Sprachverwendung im Gespräch mit Personen, die über wenige oder keine Deutschkenntnisse verfügen. So seien monolinguale Fachkräfte nach eigenen Angaben besonders bemüht, eine vorteilhafte Kommunikation mit allen Kindern wie auch Eltern aufzubauen und vereinzelte Grundkenntnisse in verschiedenen Erstsprachen in den Einrichtungen zu erwerben. Manche deutschsprachige Fachkräfte erzählten, dass sie über die kulturelle Herkunft und die Lebenssituation von Migrantenfamilien recherchieren. Zusätzlich registrierten monolinguale pädagogische Fachkräfte positive Auswirkungen auf die sprachliche Entwicklung der Kinder sowie die Elternarbeit. Zudem stellten einige monolinguale Fachkräfte nicht nur Differenzen, sondern auch Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen fest und gaben der individuellen Sicht auf jede Familie den Vorrang vor kulturellen Zuschreibungen. „Am besten ist es auch ne guten Kontakt gleich von Anfang an, wenn die Kinder erst sechs Jahre alt sind, und in Hort kommen, gleich n guten Kontakt herzustellen. Sei es durch n freundliches offenes Wesen oder auf die Eltern zugehen und annehmen. Dann ist es natürlich grade hier im Gebiet auch wichtig, dass man sich mit der Lebenssituation der Eltern auseinandersetzt und so nen Einfühlungsvermögen auch hat sowohl für ihre Lebensweise, also für ihren kulturellen Hintergrund (DE6, Z. 372-376).

Bei der Auswertung des Interviewmaterials zeichneten sich in der Zuordnung zum mehrsprachigen interkulturellen Handeln in der Kindertagesstätte zusätzlich zwei Besonderheiten ab. Wenig bzw. keine Beachtung kultureller Aspekte in der Bilderbuch- und Spielsituation Erstens wurden in den Interviews explizit im Zusammenhang mit den von allen pädagogischen Fachkräften durchgeführten Bilderbuch- und Spielsituationen nur sehr wenige kulturelle Aspekte genannt (s. Tab. 20, S.192). Teilweise wurde sogar ausgedrückt, keine kulturellen Faktoren während des Bilderbuchlesens bzw. des anschließenden Spielangebotes bewusst wahrgenommen zu haben. „Also ich kann jetzt dazu nicht viel sagen, weil mir fällt jetzt nicht ein, dass ich da irgendwie die kulturelle Hintergründe miteinbezogen habe. [...] Bei dieser Geschichte, nein, da habe ich nicht auf die kulturellen Hintergründe eingegangen“ (RU10, Z. 331-345).

Praktizierte Sprach- und Kultursensibilität in der Identität des Einrichtungs-Teams Zweitens offenbarte sich, dass sich zwar nicht alle pädagogischen Fachkräfte aus dem individuellen Erleben der Fachkraft-Ebene äußerten, aber trotzdem fast ausschließlich alle Fachkräfte Angaben in der Identität des Teams machten (s. Tab. 20, S.192). Hierzu wurden Projekte, Maßnahmen und Veranstaltungen der Kindertagesstätten und der angeschlossenen Familienzentren genannt, bei denen Aktivitäten und Unterstützungen für Familien mit Migrationshintergrund angeboten werden. Dabei handelte es sich um Hilfestellungen für Eltern in der Sprachförderung ihrer Kinder

196

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

und um Interventionen zum Ausgleich mangelnder Deutschkenntnisse der Eltern selbst. Zudem berichteten pädagogische Fachkräfte von ihren Einrichtungsteams, die Vorkehrungen zur Integration der Eltern in den Kita-Alltag treffen und spontane Eltern-Kind-Angebote durchführen. So werde laut Schilderungen einiger Befragten immer mehr auf die dauerhafte Implementierung mehrsprachiger und interkultureller Arbeit in der Einrichtung geachtet. „Bei uns gibs Rucksackprojekt, Netzwerkspracheprojekt, also Elterncafé, Mutter-Kind Gruppe gibs bei uns, Elternkochen machen wir einmal pro Monat mit verschiedene Hintergrunde, Eltern also Deutsche, Türke, Kurden, Russen. [...] Bei uns feiern wir auch Festen, Bayram zum Beispiel. Und wir haben eine Hort-Gruppe der (Name)-Schule, da bekommen auch die zweisprachige Kinder Nachhilfe. [...] Jetzt haben wir, dass wir auch für die Eltern und Kinder Nachmittagsspiel einführen, damit die Eltern auch die deutsche Spiele kennenlernen können und die Eltern können auch die Spiele leihen, mit nach Hause bringen, können mit ihrem eigenen Kind auch zu Hause die deutsche Spiele spielen und kennenlernen“ (TR6, Z. 544-555). „Die Form der Arbeit ändert sich ja auch ein Stück, ja, und ich glaube, wir sind insgesamt alle dabei, da einfach mal mehr zu gucken. Ja, die Dinge dauerhaft, das ist mir zum Beispiel wichtig, nicht zu sagen: ‚So wir machen jetzt vom zehnten Oktober bis zum fünfzehn Oktober, gestalten wir mal eine russische Woche.‘ Das ist Quatsch. Sondern so ne Umgebung für die Kinder auch zu schaffen, dass sie sich dauerhaft ja auch wiedererkennen, ihre Kultur wiedererkennen“ (DE2, Z. 570-575).

Die Erläuterungen zur mehrsprachigen interkulturellen Arbeit in der Kindertagesstätte bezogen sich in der teamorientierten Wahrnehmung der pädagogischen Fachkräfte mehrheitlich auf Eltern mit mehrsprachigen und migrantischen Hintergründen sowie auf ihre Kinder. Das Potenzial des mehrsprachig-interkulturellen pädagogischen Personals werde laut Aussagen der befragten Fachkräfte von den Kolleginnen und Kollegen nur vereinzelt erkannt. Vorwiegend registriere das jeweilige Team pädagogische Fachkräfte mit anderen sprachlichen und kulturellen Herkünften lediglich in der Zuschreibung von Zuständigkeiten und kultureller Kenntnisse. „Durch unsere Kolleginnen. Die sagen: ‚Ah, wir haben jetzt Zuckerfest und deswegen sind die Kinder halt so und so.‘ Oder: ‚Sie kommen heute bestimmt nicht, weil das Zuckerfest ist‘, oder so was. Das kriegen wir dann von unseren Kolleginnen mitgeteilt“ (DE5, Z. 573-575).

Wunsch nach mehr Sprach- und Kultursensibilität in der Einrichtung Schließlich konnten dem Interviewmaterial nicht nur gewinnbringend verankerte Aspekte zur mehrsprachigen und interkulturellen frühpädagogischen Arbeit in der Kindertagesstätte entnommen werden, sondern ebenfalls auch kritische Stellungnahmen und Wünsche nach mehr Sprach- und Kultursensibilität im Alltag der Einrichtung. Hierzu wurde hauptsächlich aus der kollektiven Team-Sicht argumentiert, dass eine offene Haltung und theoretisches Wissen notwendige Voraussetzungen für die pädagogische Arbeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer zunehmend durch Migration und Mehrsprachigkeit geprägten Kindertagesstätte seien (s. Tab. 20, S.192). Dazu existiere nach Ansicht einiger Einrichtungsteams ein noch zu geringes Angebot hinsichtlich mehrsprachiger interkultureller Arbeit. Teilweise werde in der Teamgemeinschaft die Schwierigkeit aufgrund geringer Freiräume gesehen, interkulturelle Ansätze in den pädagogischen Alltag einzubauen. In einem Kita-Team einer

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

197

befragten pädagogischen Fachkraft gebe es gegensätzliche Meinungen zur pädagogischen Arbeit im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität. Demgegenüber wurde in einer anderen Interviewaussage ausdrücklich eine längerfristige Netzwerkarbeit innerhalb des ganzen Teams der Einrichtung zur Etablierung einer interkulturellen pädagogischen Arbeit betont. „Ich hab so das Gefühl, es reicht noch nicht, um das so dauerhaft in dem Alltag zu manifestieren. Sondern ich bin jetzt noch so weit, dass ich sage: ‚So Kollegin, was machen wir jetzt mal?‘, [...] wahrscheinlich bin ich da etwas so ungeduldig, [...] es ist noch Prozess, das kann man nicht auf Biegen und Brechen, da gehören einfach alle dazu und im Grunde muss man jetzt so seine Fäden spinnen, ja, und das Netz dann vollständig so und das merke ich schon“ DE2, Z. 846-851).

Die Kritik an der bisherigen Praxis mehrsprachiger und interkultureller Arbeit in den Einrichtungen sowie entsprechende Veränderungswünsche der Teams wurden von den pädagogischen Fachkräften weiter im Speziellen für die Elternarbeit vorgetragen. Dazu wurde von fehlenden Projekten und von Schwierigkeiten berichtet, Eltern in die Kindertagesstätte aufgrund des Zeitmangels der Eltern und des nur vereinzelt vorhandenen elterlichen Engagements kulturell und sprachlich einzubeziehen. Nach einer Anmerkung einer pädagogischen Fachkraft aus dem Hort nehme der Kontakt zu Eltern von Hortkindern aufgrund der wachsenden Selbstständigkeit der Kinder noch weiter ab. Somit bestehe in den Teams der Wunsch nach mehr Kooperation mit mehrsprachigen und interkulturell geprägten Eltern. Es gebe Überlegungen zur intensiveren Unterstützung der Eltern im eigenen Deutscherwerb sowie in der Vorbildfunktion für ihre Kinder im Hinblick auf eine mehrsprachige Förderung. Die konzeptionelle Einbindung eines mehrsprachig-interkulturellen pädagogischen Personals wurde in den Interviews auch in der Perspektive von Veränderungen und Wünschen nur teilweise genannt. „Bei uns ist es so, dass die Elternarbeit, die kulturelle Elternarbeit noch ein bisschen so im Hintergrund steht, was ja eigentlich sehr wichtig ist, also auch die Kommunikation zwischen den Eltern, die Kulturen miteinander zu verbinden“ (RU10, Z. 453-455). „Ich denke mal, wenn das mehr angenommen werden würde, würde sich hier auch im Gebiet was tun. Auch ändern. Und die Eltern könnten sicherer, ich sag jetzt mal zum Job Center gehen, zur Bank gehen, [...] oder Stadtbücherei, wo wir die Eltern eigentlich, ich sag jetzt mal hinlotsen oder denen das schmackhaft machen. Aber dadurch, dass sie das nicht richtig sprechen können, nehmen sie solche Sachen nicht an“ (DE5, Z. 797-802). „Ich finde, da müssten wir noch so ein bisschen dran arbeiten. Aber es ist auch schwierig, finde ich, das wirklich ins Alltagsgeschäft einzubauen“ (DE7, Z. 142f). „Ich bin von diesem Kindergarten in einen anderen Kindergarten gegangen, die haben das überhaupt nicht akzeptiert. Und das war nicht wichtig für die, das andere“ (TR5, Z. 504f).

Wunsch nach besseren Bedingungen in der mehrsprachig-interkulturellen Arbeit Letztlich wurde auch in der Adressierung an die übergeordnete politischadministrative Ebene des frühpädagogischen Bildungssystems auf die nicht ausreichende finanzielle Unterstützung hingewiesen, um Integrationsmaßnahmen für Familien mit Migrationshintergrund effektiv realisieren zu können (s. Tab. 20, S.192).

198

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I „Ich finde ganz gut, wenn die Möglichkeit gibts, durch diese Angebote, was bei uns zum Beispiel läufen für die Eltern, die sind auch manche kostenlos, die Kosten auch das übernehmen, sozusagen unsere Gesellschaft oder so. Das ist vielleicht Einstieg für die Eltern, dass sie einfach aus der Wohnung raus kommen, dass sie sich bisschen, na ja, selbstständig fühlen oder so, den Weg zu uns sogar kommen“ (RU9, Z. 866-870).

Zwischenfazit In den vorangegangenen Abschnitten mit Bezügen zur Sprach- und Kultursensibilität in der frühpädagogischen Praxis konnten differenzierte Stellungnahmen der interviewten Fachkräfte übergreifend zu den Bereichen der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires festgestellt werden. Dabei ließen sich grundsätzliche Wertschätzungen gegenüber Mehrsprachigkeit und Interkulturalität sowie Chancen des gegenseitigen sprachlich-kulturellen Austausches identifizieren. Auffallend häufig wurde aus der kollegialen Sicht des Einrichtungsteams berichtet. Darüber hinaus waren auch persönliche Sichtweisen der pädagogischen Fachkräfte deutlich erkennbar. Ebenfalls offenbarte sich im Interviewmaterial ein punktuelles Wissen zur sprachund kultursensiblen Arbeit der pädagogischen Fachkräfte und der Teams wie auch der Wunsch nach theoretischem Wissen. Im Handlungsrepertoire sahen sich die bilingualen pädagogischen Fachkräfte aufgrund ihrer sprachlich-kulturellen Passung zu den Herkunftskulturen und Erstsprachen der Kinder und Eltern im Vorteil. Demgegenüber gaben die monolingual deutschsprachigen Fachkräfte ein besonderes Interesse zu erkennen, das vorhandene sprachlich-kulturelle Mismatch auszugleichen. Insgesamt wurde die mehrsprachig-interkulturelle frühpädagogische Arbeit vorwiegend auf Interventionen mit Eltern, die keine oder geringe Deutschkenntnisse aufweisen, bezogen. Dazu wurde allerdings auch Kritik vorgetragen und von noch zu wenig etablierten Konzepten in den Einrichtungen berichtet sowie Forderungen an das administrative politische System gestellt. Letztlich werde eine bilinguale pädagogische Fachkraft mit Migrationshintergrund mit ihren Merkmalen und Kenntnissen von den Kolleginnen und Kollegen zwar wahrgenommen. Das Potenzial eines interkulturellen mehrsprachigen Einrichtungsteams werde jedoch konzeptionell noch wenig genutzt. 7.2.4

Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen bei Kindern

Im Kontext der Überlegungen zur sprach- und kultursensiblen frühpädagogischen Arbeit setzten sich die befragten pädagogischen Fachkräfte ebenfalls mit der spezifischen Beobachtung mehrsprachiger Fähigkeiten von Kindern und mit der Ableitung daraus resultierender Erkenntnisse im Hinblick auf geeignete Fördermaßnahmen auseinander. Diesbezüglich konnten im Interviewmaterial Themengruppen zusammengefasst werden, die schwerpunktmäßig das Erkennen sprachlicher Kompetenzen mehrsprachiger Kinder zum Inhalt hatten (s. Abb. 20, S. 199). Außerdem vermittelten die pädagogischen Fachkräfte ihr Wissen zu Einflussfaktoren des Sprachverhaltens von Kindern.

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

199

Abb. 20: Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen bei Kindern im interpersonalen Profil

Der besondere Fokus auf diese Kernthemengruppe (s. Abb. 20, S. 199) ergab sich im Zusammenhang mit der Ausrichtung des Forschungsprojektes und der entsprechenden Leitfadenkonstruktion für die Interviews. In den Aussagen der befragten bilingualen wie auch monolingualen pädagogischen Fachkräfte fanden sich durchgängig eine Vielzahl an Themen, die sich sowohl auf die konkreten Bilderbuch- und Spielsituationen als auch auf das pädagogische Alltagsgeschehen bezogen (s. Tab. 21, S. 200). Dazu nahmen die befragten pädagogischen Fachkräfte vor allem aus der Ich-Perspektive mit Bezug auf eigene Erfahrungen und Kenntnisse Stellung. Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen in der Bilderbuch- und Spielsituation Zunächst waren im Zusammenhang mit der konkreten Bilderbuch- und Spielsituation häufig pauschale Beschreibungen der pädagogischen Fachkräfte zu allgemein guten oder mangelnden Sprachständen in der Erstsprache und bzw. oder der Zweitsprache zu erkennen (s. Tab. 21, S. 200). Dabei wurden Kinder untereinander verglichen, aber auch individuelle Entwicklungen registriert. Im Einzelnen wurden Dominanzverhältnisse zwischen der Erst- und Zweitsprache der Kinder mit der Wahrnehmung von Erzählfertigkeiten, Sprechfreude und emotionalen Beteiligung oder von Hemmungen und Zurückhaltungen erklärt. Vereinzelt wurden Übersetzungsfähigkeiten zwischen Erst- und Zweitsprache der Kinder und nonverbale Verständigungsmöglichkeiten bemerkt. Mögliche notwendige Interventionen für eine spezifische Sprachförderung oder eine sprachtherapeutische Versorgung wurden allerdings kaum differenziert eingeschätzt. Weiter wurden sprachliche Transferprozesse und verschiedene Formen von Sprachmischungen sowie das adäquate sprachliche Verhalten der mehrsprachigen Kinder im monolingualen Sprachmodus bzw. mit Strategien des Sprachwechsels im bilingualen Sprachmodus geschildert.

200

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I „(Name) konnte in Deutsch nicht so richtige Sätze aussprechen. Weil in ihrer Muttersprache hat sie diese Verben sehr gut benutzt und erzählt. Wenn sie ganze Satz bauen musste, hat sie so gemischt mit Deutsch und Türkisch zusammen. Manchmal hat sie zu einer türkischen (unv.) Affe gesagt, danach hat sie den ganzen Satz Türkisch erzählt“ (TR5, Z. 233-236).

Neben vorwiegend allgemeinen Annahmen zu sprachlichen Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder charakterisierten einige pädagogische Fachkräfte die kindlichen Sprachstände auch mit linguistischen Merkmalen. Dabei wurden sowohl produktive als auch rezeptive Fähigkeiten von pädagogischen Fachkräften erkannt. Hauptsächlich wurden die Entwicklung und der Gebrauch des Wortschatzes beurteilt. Mit geringerer Häufigkeit, allerdings mit gelegentlichen Detailkennzeichnungen, bestimmten einige pädagogische Fachkräfte die sprachlichen Fähigkeiten der Kinder in der Artikulation und der Grammatik. Während sich die Einschätzungen bei monolingualen Fachkräften auf den kindlichen Deutscherwerb und -gebrauch mit vereinzelten vagen Vermutungen zu den Erstsprachfähigkeiten bezogen, erstreckten sich die Kenntnisse bei bilingualen Fachkräften übergreifend auf die Erst- und die Zweitsprache der Kinder. „Da würde ich sagen, ist er weiter im Deutschen. Ich denke ja. Also ich kann kein Türkisch, aber ich sehe es oft aus der Reaktion von der Mama, wie sie denn auf das Kind eingeht [...] Ich denke mal, dass er da halt Sätze gesprochen hat, ob sie nun vollständig sind, richtig sind, das weiß ich nicht, aber so im Deutschen kommt das jetzt langsam. Und für die Kinder, die zweisprachig aufwachsen, finde ich, macht das er eigentlich ganz gut“ (DE5, Z. 434-440). „Und auf Russisch auch, wie wir zum Beispiel in unserer Sprache deklinieren, wir haben keine Artikel, aber wir deklinieren die Endungen und (Name), sie kann das nicht, sie ist nicht so reif, nicht so weit und sie kann die Grammatik nicht. Und sie, an ihrer Stelle, sie übersetzt schon auf Deutsch, von Deutsch auf Russisch, und dann sie benutzt natürlich auch diese Endungen, Deklination und Artikel auch nicht, weil in russischer Sprache keine Artikel gibs“ (RU4, Z. 226230).

Tab. 21: Kernthemengruppe zum Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen bei Kindern K E Themengruppe Erkennen mehrspr. KomWi F petenzen bei Bilderbuch Erkennen von Einfluss Wi F faktoren bei Bilderbuch

Wi

F Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen im

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7 









   









  









 

   





 









T pädagogischen Alltag Erkennen von Einfluss

 















 

Wi F faktoren im päd. Alltag



Pädagogische Fachkräfte

RU = russisch-deutschsprachig

TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Hn = Handlungsrepertoire

F = Fachkraft

T = Team

Kompetenzbereiche (K) Ebenen der Argumentationsperspektiven (E) Differenziertheit der Themen





=

1 Thema





2  = Themen





=



3 Themen

S = System



=

4 Themen

5  = Themen

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

201

Erkennen von Einflussfaktoren in der Bilderbuch- und Spielsituation Außerdem wurde auf alle drei Teilstichproben verteilt über Einflussfaktoren auf das sprachliche Verhalten der Kinder in der Bilderbuch- und Spielsituationen berichtet (s. Tab. 21, S. 200). Denn es war oft von einer ungleichmäßigen sprachlichen Beteiligung der mehrsprachigen Kinder die Rede. Dabei zeichneten sich in den Schilderungen der interviewten pädagogischen Fachkräfte Faktoren ab, die entweder eine kindliche Zurückhaltung in der Bilderbuch- und Spielsituation erklärten, oder Faktoren, die eine hohe Aktivität des Kindes markierten und begründeten. Laut Aussagen der pädagogischen Fachkräfte könnten Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Ablenkungen durch die Kamera, die angebotenen Medien, der Zeitrahmen sowie die Besonderheit der Erhebungssituation im Allgemeinen eine Rolle für eine geringere sprachliche Beteiligung gespielt haben. Häufiger sei allerdings das beobachtete Rückzugsverhalten des Beobachtungskindes während der Spielsituation nach Angaben der pädagogischen Fachkräfte aufgrund der Gruppenkonstellation verursacht worden. Hierzu wurde von den pädagogischen Fachkräften die Vermutung präzisiert, dass ein vorliegender monolingualer Sprachmodus oder eine Subgruppenbildung unter Ausschluss eines Kindes sowie ein großer Altersunterschied gegenüber einem sehr jungen Kind der Grund für Kommunikationshemmungen hätte sein können. „(Name 1) und (Name 2) spiele nicht sehr oft zusammen, weil sie ist ja jung und (Name 2) hat andere Spielpartner. Und wenn es bestimmte Kinder, die türkisch wären, hätte sie nur Türkisch gesprochen, das weiß ich, wenn ein bestimmtes Kind, aber was nicht jetzt im Kindergarten mehr ist jetzt, das hat man gemerkt also ne. Und (Name 2) kann ja kein Türkisch und (Name 1) versteht das auch, dass sie, wenn sie Türkisch redet, dass (Name 2) das nicht versteht. [...] Und (Name 1) ist einfach zurückhaltender, einfach vom Spielverhalten jetzt her als (Name 2)“ (TR2, Z. 392-400).

Demgegenüber sei für die sprachliche Aktivierung der mehrsprachigen Kinder in der Situation des Bilderbuchlesens und beim anschließenden Spiel in der Kleingruppe nach Meinung der pädagogischen Fachkräfte ebenfalls die Gruppenzusammensetzung verantwortlich gewesen. Deshalb hätten manche pädagogische Fachkräfte auf der Grundlage ihres Kenntnisstandes die Spielgruppen nach der Herkunft und nach den Sprachentwicklungsständen der Kinder zusammengestellt, um mit einer individuellen Passung Einfluss auf ein förderliches Kommunikationsverhalten nehmen zu können. Allgemein waren in den Interviews Aussagen über sprachliche Einflussfaktoren zu vernehmen, wie beispielsweise die kindliche Wahrnehmungsfähigkeit und die kognitiven Fähigkeiten, die kindliche Fantasie und Spontaneität, Persönlichkeitsmerkmale hinsichtlich allgemeiner Aktivität, Selbstbewusstheit und Dominanz des Kindes und der flexible Umgang mit Verständigungsschwierigkeiten. Ferner wurden von den pädagogischen Fachkräften auch das Interesse der Kinder am Buch und deren besondere Wünsche und Bedürfnisse genannt. Vor allem wurden von den Fachkräften Zusammenhänge sprachlicher Aktivierungsfaktoren mit einem bilingualen Sprachmodus und vorteilhaft integrierenden Peer-Konstellationen sowie mit vertrauten Beziehungsverhältnissen zur erwachsenen Bezugsperson gesehen. „Ich glaube, das Kind hat das umgekehrt und dass sie einfach so, oder sie hat vor mir das geglaubt, dass ich auch mit dem Kind auf Türkisch gesprochen habe und dann, okay, ich kann

202

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I auch jetzt, das Kind hat gemerkt, dass das Kind auch jetzt auch ihre Muttersprache oder ihre eigene Sprache sprechen kann“ (TR6, Z. 436-439).

Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen im pädagogischen Alltag Nachdem die meisten pädagogischen Fachkräfte ausführlich über die mehrsprachigen Fähigkeiten der Kinder und die möglichen Einflussfaktoren zur Kommunikation in der konkreten Bilderbuch- und Spielsituation Auskunft gaben, äußerten sich die Fachkräfte über die kindlichen Sprachfähigkeiten in der alltäglichen Wahrnehmung der gesamten Kindertagesstätte weniger ausführlich (s. Tab. 21, S. 200). Dennoch wurde im Einzelnen zusätzlich zu allgemeinen Beobachtungen der sprachlichen Entwicklung in der Erst- und Zweitsprache der Kinder von sprachlichen Schwierigkeiten während der Eingewöhnungszeit in der Kindertagesstätte aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse der Kinder berichtet. „Aber es ist leider auch so, was wir beobachten, früher war das so, dass die Kinder mehr Deutsch konnten als jetzt. Jetzt können die gar nicht, nicht mal ein Wort. Weil sie zu Hause Türkisch sprechen. Leider kann ich das so aus der Praxis sagen. Wenn sie mit drei Jahren herkommen, können sie kein Wort“ (TR3, Z. 748-751).

Erkennen von Einflussfaktoren im pädagogischen Alltag Ebenso mit Bezug auf die Kindertagesstätte im Allgemeinen gaben einige bilinguale pädagogische Fachkräfte Erklärungen für das sprachlich-kommunikative Verhalten der Kinder im pädagogischen Alltag (s. Tab. 21, S. 200). So werde ein gemeinsamer sprachlich-kultureller Hintergrund von Kind und Bezugsperson als Zusatzvorteil gesehen. Doch der Gebrauch der Erstsprache von den Kindern mit Migrationshintergrund werde nach Überzeugung einer bilingualen Fachkraft durch die Dominanz des Deutschen in den Einrichtungen verdrängt. „Sie fühlen sich als anderer Mensch oder die vergessen die türkische Sprache. [...] Es wird nicht akzeptiert, die legen keinen Wert für Muttersprache, es ist nichts eigentlich. Wofür brauchen wir Türkisch oder kurdische Muttersprache? Wir leben hier in Deutschland und die Kinder halten sich zurück“ (TR5, Z. 312-316).

Zwischenfazit Insgesamt konnten die pädagogischen Fachkräfte vor allem die Sprachfähigkeiten der Kinder in der Bilderbuch- und Spielsituation einschätzen und deren Sprach- und Kommunikationsverhalten begründen. Dabei beurteilten bilinguale pädagogische Fachkräfte sowohl die Erst- als auch die Zweitsprache der Kinder teilweise sogar differenziert auf linguistischen Ebenen. Dagegen wurden aufgrund mangelnder Erstsprachkenntnisse von den monolingual deutschsprachigen Fachkräften die Fähigkeiten der mehrsprachigen Kinder vorwiegend im Deutschen fokussiert. Das Wissen über Erst- und Zweitsprachstände von Kindern in der gesamten Kindertagesstätte und über entsprechende sprachlich-kommunikative Einflussfaktoren wurde von den pädagogischen Fachkräften weniger mitgeteilt. Überdies ließen die pädagogischen Fachkräfte in den Interviews erkennen, dass sie ihre Kenntnisse über den Spra-

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

203

chentwicklungsstand und die Kommunikation mehrsprachiger Kinder in ihren Einrichtungen insbesondere auf der Grundlage eigener (mehr)sprachlicher Hintergründe sowie durch Erfahrungen aus der Berufspraxis erworben haben. In geringerem Maße wurde von den befragten Fachkräften auch breiteres theoretisches Wissen über Mehrsprachigkeit herangezogen, das sich bereits in der Kernthemengruppe zum Gebrauch der Erstsprache und zum Stellenwert der Mehrsprachigkeit offenbarte (s. Kap. 7.2.1). 7.2.5

Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext

Genaue Kenntnisse über sprachliche Fähigkeiten der Kinder wurden von den befragten pädagogischen Fachkräften auch mit der Beratung von Eltern in Verbindung gebracht. Bezüge zu Eltern mit Migrationshintergrund wurden bereits an einigen Stellen innerhalb der Kernthemengruppe zur Mehrsprachigkeit und zum Erstsprachgebrauch (s. Kap. 7.2.1) wie auch der Kernthemengruppe zur sprach- und kultursensiblen Arbeit in der Kindertagesstätte (s. Kap. 7.2.3) hergestellt. Darüber hinaus beschäftigten sich die befragten pädagogischen Fachkräfte explizit mit dem Handlungsrepertoire in der Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext. Die Analyse des Interviewmaterials zeigte, dass die Kommunikation mit Eltern mit anderen Erstsprachen von den pädagogischen Fachkräften als bedeutsam für ihre professionelle Handlungsfähigkeit erachtet wurde. In der Kernthemengruppe zur Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext (s. Abb. 21, S. 203) wurden Themen zusammengefasst, die zur einen Hälfte aus der Sichtweise der pädagogischen Fachkraft und zur anderen Hälfte aus der Perspektive der Team-Identität berichtet und beurteilt wurden.

Abb. 21: Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext im interpersonalen Profil

204

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

Dabei wurde von den pädagogischen Fachkräften über den fachlichen Austausch mit Eltern berichtet wie auch über den Einsatz der Erstsprachen und entsprechender Schwierigkeiten in Elterngesprächen und über Möglichkeiten des Ausgleichs fehlender Erstsprachkenntnisse in der Elternarbeit (s. Tab. 22, S. 205). Austausch mit Eltern über Mehrsprachigkeit und Sprachentwicklung Generell werde laut Aussagen in den Interviews ein Austausch mit Eltern über Mehrsprachigkeit und über die Sprachentwicklung ihrer Kinder von fast allen bilingualen pädagogischen Fachkräften sowie von der Hälfte der monolingualen Fachkräfte der Stichprobe durchgeführt und im Kita-Team konzeptionell abgestimmt (s. Tab. 22, S. 205). So bestehe neben dem Austauschbedürfnis der Eltern über die Sprachentwicklungsfortschritte ihrer Kinder ebenfalls ein Informationsbedarf von Seiten der Kindertagesstätte zum Einblick in die Kind-Umfeld-Situation hinsichtlich des familiären Sprachgebrauchs und der Migrationshintergründe. Die pädagogischen Fachkräfte skizzierten dazu, dass sowohl kurze Spontangespräche von einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stattfinden würden als auch eine umfassende Elternarbeit der gesamten Kindertagesstätte mit Austausch und Öffnungsangeboten zur pädagogischen Arbeit vorzufinden sei. „Also hier, die Eltern kriegen ja das ja mit. Wir machen ja dieses Beobachtung, was ich gesagt hatte. Dieses Buch wird für die Kinder mit Fotos und Beschriftung, was wir gemacht haben. Dann wird das mit den Eltern besprochen und welche Beobachtung wir gemacht haben. Die Eltern müssen auch aktuelle, auch Bescheid, wie Entwicklungsstand gerade ist. Oder es wird immer nachgefragt, wie weit ist mein Kind. [...] Und die Angebote sehen sie ja, was wir machen, das ist ja transparent, was wir machen. Ob wir Ausflüge machen, Beobachtung. Die Eltern haben ja auch ne Möglichkeit, Donnerstag hier auch vorbeizukommen mittags, um sich auch zuzusetzen. Das ist immer da also. Wir sind immer ansprechbar“ (TR2, Z. 700-710).

Nach Aussagen der pädagogischen Fachkräfte gebe es Elterngespräche mit Empfehlungen zur Pflege der Erstsprache wie auch zum Stellenwert des Zweitspracherwerbs. Das Kita-Personal beabsichtige damit, möglichen Verunsicherungen der Eltern entgegenzuwirken sowie für einen familiären Erstsprachgebrauch zu plädieren und einen sensiblen, bedarfsgerechten Deutscherwerb zu unterstützen. Die Kindertagesstätte zeige auch gezielte Sprachfördermethoden auf und empfehle den Eltern beispielsweise Bilderbücher. In besonderen Fällen konnten den Schilderungen der pädagogischen Fachkräfte auch Kritiken an den Familienpraktiken zum Sprachgebrauch entnommen werden. Dabei wurde von einer notwendigen Überzeugungsarbeit berichtet. „Und hier im Kindergarten sagen wir den Eltern, die sollen die Sprache mit den Kindern sprechen, in der sie sich wohl fühlen, in der sie sich gut ausdrücken können. Es bringt nichts wenn eine Mama ganz abgehackt und schlecht Deutsch spricht, weil dann lernt das Kind auch gleich FALSCH zu reden. Das ist es ja irgendwo unlogisch“ (TR1, Z. 580-583).

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

205

Tab. 22: Kernthemengruppe zur Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext K E Themengruppe Hn

Hn

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7

  

F Austausch mit Eltern

über Mehrsprachigkeit T und Sprachentwicklung





F













T

Einsatz der Erstsprache in der Elternarbeit Schwierigkeiten bei Erst-

Hn F spracheinsatz mit Eltern Hn























































F Ausgleich fehlender



Erstsprachkenntnisse



 







RU = russisch-deutschsprachig

TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Hn = Handlungsrepertoire

F = Fachkraft

T = Team

Kompetenzbereiche (K) Ebenen der Argumentationsperspektiven (E) Differenziertheit der Themen





T in der Elternarbeit

Pädagogische Fachkräfte





=

1 Thema

2  = Themen



=

3 Themen

S = System



=

4 Themen

5  = Themen

Einsatz der Erstsprache in der Elternarbeit Zur Bewältigung der komplexen Aufgabe in der Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext erfolge nach Aussagen der pädagogischen Fachkräfte in den Teams häufig eine Rollenzuteilung: auf der einen Seite pädagogische Fachkräfte ohne Kenntnisse in den Erstsprachen der Eltern und auf der anderen Seite Fachkräfte mit entsprechenden Erstsprachkompetenzen (s. Tab. 22, S. 205). So wurde der Einsatz der Erstsprache im Gespräch mit Eltern mit wenig Deutschkenntnissen, abgesehen von einer Ausnahme, von allen bilingualen Fachkräften der Stichprobe im Interview ausführlich angesprochen. Dazu sahen die bilingualen pädagogischen Fachkräfte ihre Erstsprachfähigkeiten zum einen als persönliche Ressource und zum anderen als Ressource für die gesamte Einrichtung. Oft sei jedoch ein gemeinsamer Team-Prozess bzw. ein kooperativer Austausch zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erforderlich, damit eine Akzeptanz für spezielle Funktionen und eine einvernehmliche Aufgabenverteilung aufgebaut werden könne. Die bilingualen Fachkräfte könnten dann wertgeschätzt als Dolmetscherinnen und Dolmetscher fungieren und eine geachtete Vermittler-Rolle zwischen den Eltern und den Kolleginnen und Kollegen ausüben. Der bilinguale Sprachmodus erleichtere nach Angaben der bilingualen Fachkräfte die Zusammenarbeit mit nichtdeutschsprachigen Eltern und verhelfe zu einer größeren Präsenz der Eltern in der Kindertagesstätte, da die Sprachbarriere überwunden werden könne. Die bilinguale pädagogische Fachkraft könne im Elterngespräch auf die besonderen sprachlichkommunikativen Bedürfnisse der Eltern eingehen, sich an die Möglichkeiten der Eltern anpassen und eine herkunftssprachliche Vertrauensbasis schaffen.

206

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I „Von den Eltern glaub ich, positiver kann gar nix sein. Seitdem ich jetzt da bin, kommen auch russische Eltern. Veranstalten wir Baustellen-Feste, Sommerfeste, Elternabende. Und dann kommen die eher. Wenn ich die anspreche und sage, komm vorbei, wir machen das und das, wir machen draußen jetzt irgendwie buddeln wir Reifen ein, wir brauchen Hilfe. Oder Elternabend geht um dieses um dieses Thema. Wenn ich die normal anspreche und sage, ach, ich bin auch da, dann kommen die. [...] Früher sind die Eltern einfach nicht erschienen, weil die einfach auch die Sprache nicht konnten und jetzt kommen die immer. Ich hab die immer da“ (RU11, Z. 702-725).

Schwierigkeiten im Einsatz der Erstsprache in der Elternarbeit Neben Hinweisen für eine meist erfolgreiche Integration bilingualer Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte im Kita-Team wurden gelegentlich auch Schwierigkeiten und Überforderungen der bilingualen Fachkräfte im Einsatz ihrer Erstsprache im Elternkontakt geäußert (s. Tab. 22, S. 205). Von einer bilingualen pädagogischen Fachkraft wurden hohe Anforderungen geschildert, wenn sie gleichzeitig mit russischsprachigen und deutschsprachigen Eltern Gespräche führe. Sie berichtete diesbezüglich von eigenen Unsicherheiten im Gebrauch der Erstsprache. Außerdem wurde vom Rollenkonflikt zwischen Übersetzungsaufgaben und inhaltlicher Beteiligung bei kollegial assistierenden Elterngesprächen berichtet. Zudem könne auch Druck von monolingual deutschsprachigen Kolleginnen und Kollegen auf die pädagogische Fachkraft mit Erstsprachkenntnissen zum Übersetzen von Gesprächsinhalten ausgeübt werden, wenn sie sich mit Eltern in der Erstsprache unterhalte. „Ja, wenn ich so mit einem Eltern Türkisch gesprochen habe, dann wird gesagt, ja, was hast du erzählt? Haben wir das nicht verstanden. Es ist irgendwo ein schlechte Gefühl, dann muss ich gleichzeitig auch Deutsch sofort übersetzen“ (TR5, Z. 309-311).

Ausgleich fehlender Erstsprachkenntnisse in der Elternarbeit Die Ressource des mehrsprachigen pädagogischen Personals für die Kommunikation mit Eltern mit wenig Deutschkenntnissen werde fast ausnahmslos von allen monolingual deutschsprechenden pädagogischen Fachkräften genutzt und als hilfreich empfunden, da die fehlenden eigenen Kenntnisse in den Erstsprachen der Eltern als Erschwernis bewertet wurden (s. Tab. 22, S. 205). Auch über die Elternarbeit hinaus gaben monolinguale pädagogische Fachkräfte an, dass sie bilinguale Kolleginnen und Kollegen um Unterstützung bei der Kommunikation mit mehrsprachigen Kindern und zur Sprachbeobachtung bitten würden. Im günstigsten Fall erfolge dabei ein kollegialer Austausch. „Das ist meistens dann wirklich explizit fallbezogen auf einzelne Elternteil, wo die Kommunikation schwierig ist oder einzelne Kinder, die gar kein deutsches Verständnis haben und herkommen, wo man sich dann schon mit seinen Kollegen berät dann im Team dann halt auch, wie man da am besten rangeht“ (DE4, Z. 787-790).

Wenn das Team über mehrsprachige Kompetenzen nicht verfüge, würden Elterngespräche stellenweise auf Englisch geführt oder weitere Familienmitglieder, andere Eltern, Kinder, sonstiges Kita-Personal sowie externe Dolmetscherinnen oder Dolmetscher mit entsprechenden Erstsprachfähigkeiten hinzugezogen werden.

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

207

„Wir haben ganz viele russische Eltern, die werden auch als Dolmetscher, also, die ich als Dolmetscherin auch einsetze. Oder wir haben einen Küchenzauberer, der ist Türke, den hol ich mir dann auch schon mal hoch. ‚Kannst du bitte mal ebend übersetzen?‘ Also das geht, das geht wirklich“ (DE7, Z. 300-302).

Zwischenfazit Obwohl die Zusammenarbeit mit Eltern gegenüber der Bildungs- und Erziehungsarbeit mit Kindern im beruflichen Alltag einer frühpädagogischen Fachkraft letztlich einen untergeordneten Tätigkeitsumfang einnimmt, wurde der mehrsprachigen Elternarbeit von den pädagogischen Fachkräften in den Interviews dennoch eine besondere Relevanz zugeschrieben. Mit den Antworten konnten insgesamt verschieden gelagerte Aspekte aufgedeckt werden, die sich quantitativ und qualitativ in der Auswertung bemerkbar machten. Es zeigte sich, dass die Herausforderung, sich mit mehrsprachigen Eltern über Mehrsprachigkeit und über die Sprachentwicklung ihrer Kinder auszutauschen, von den pädagogischen Fachkräften sowohl in der Arbeit durch Einzelne als auch innerhalb von Team-Konstellationen gelöst werden könne. Außerdem kristallisierte sich eine Rollenzuweisung und Aufgabenverteilung zwischen bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften heraus. Einerseits wurden dabei vorteilhafte Ressourcen von beiden Fachkräftegruppen gesehen. Andererseits wiesen bilinguale pädagogische Fachkräfte auf Schwierigkeiten hin, den Ansprüchen des mehrsprachigen Kontextes sowie den Kolleginnen und Kollegen stets gerecht zu werden. Eine für alle Beteiligten zufriedenstellende mehrsprachige Elternarbeit erfordere eine gemeinsame konzeptionelle Herangehensweise. 7.2.6

Methoden sprach- und kommunikationsfördernder Gesprächsführung

Gegenüber der professionellen Zusammenarbeit mit Eltern stellt das pädagogische Handeln mit Kindern für eine pädagogische Fachkraft in der Kindertagesstätte die Hauptbeschäftigung dar. Der frühpädagogische Auftrag der Bildung und Erziehung von Kindern erfordert unter anderem Handlungskonzepte, die bereits in der Kernthemengruppe zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung (s. Kap. 7.2.2) sowie in der Kernthemengruppe zur Beurteilung sprachlicher Fähigkeiten von Kindern (s. Kap. 7.2.4) beleuchtet wurden. Überdies bildete sich im Interviewmaterial eine weitere Kernthemengruppe mit Aussagen der pädagogischen Fachkräfte zu ihrem Handlungsrepertoire im Bereich der Gesprächsführung mit Kindern in der konkreten Bilderbuch- und Spielsituation ab. Insgesamt konnte in der Kernthemengruppe zu Methoden sprach- und kommunikationsfördernder Gesprächsführung eine gemäßigte Themenhäufung verzeichnet werden (s. Abb. 22, S. 208). In den Interviews bezogen sich die befragten pädagogischen Fachkräfte vorwiegend auf das erlebte Gespräch während der Bilderbuchbetrachtung sowie des anschließenden Spiels und sprachen daher ausnahmslos aus ihrer persönlichen Erfahrung und nicht aus der Sicht des Teams. Die Fachkräfte beurteilten dabei die Einsatzmöglichkeiten des verwendeten Bilderbuches sowie die

208

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

verwendeten Gesprächsführungsmethoden mit und ohne Bilderbuch (s. Tab. 23, S. 209).

Abb. 22: Methoden sprach- und kommunikationsfördernder Gesprächsführung im interpersonalen Profil

Einsatz des Bilderbuches als Medium Bemerkenswert war, dass sich fast alle pädagogischen Fachkräfte zum Einsatz des Bilderbuches in der Erhebungssituation äußerten (s. Tab. 23, S. 209). Das Bilderbuchlesen wurde von ihnen als bekannte und geeignete Methode zur sprachlichen Förderung im Kita-Alltag eingeordnet. Ursprüngliche Bedenken wegen des fehlenden Textes haben im Laufe der Erhebungssituation ausgeräumt werden können. Zum großen Teil wurde das Bilderbuch ohne Text von den pädagogischen Fachkräften als vorteilhaftes Medium zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung insbesondere im Bereich der Wortschatzentwicklung eingestuft. Zudem begrüßten sie die förderlichen Impulsmöglichkeiten durch die narrative Funktion der Motive im Buch zum Beziehungs- und Dialogaufbau sowie zum fantasievollen Weiterspielen. Das Buch könne nach Ansicht der pädagogischen Fachkräfte sprachenunabhängig eingesetzt werden. Es ermögliche in individueller Vorgehensweise eine Aktivierung von unterschiedlichen Erstsprachen wie auch der Zweitsprache Deutsch in der Sprachproduktion genauso wie in der Rezeption. „Ich finde, das ist ein tolles Bilderbuch und wir haben jetzt so nur auf die Geschichte mit der Torte konzentriert, aber da waren ganz viele Tiere noch nebenbei und da könnte man ganz tolle Geschichten noch erzählen und noch ganz, ganz viel machen so, was nebenbei noch passiert und wo man noch mehr Wortschatz erweitert und Satzbildung, genauso wie in russischen wie in deutschen Sprachen“ (RU8, Z. 418-421).

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

209

Tab. 23: Kernthemengruppe zu Methoden sprach- und kommunikationsfördernder Gesprächsführung

K E Themengruppe

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7

Einsatz des BilderHn F buches als Medium Einschränkungen im Hn F Einsatz des Bilderbuches GesprächsführungsmeHn F thoden ohne Medien

Pädagogische Fachkräfte

RU = russisch-deutschsprachig

TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Kompetenzbereiche (K)

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Hn = Handlungsrepertoire

Ebenen der Argumentationsperspektiven (E)

F = Fachkraft

T = Team

Differenziertheit der Themen

 

  

















     





=

1 Thema





=

2 Themen





=

 









 

3 Themen





 







S = System



=

4 Themen

5  = Themen

Einschränkungen im Einsatz des Bilderbuches Die überwiegende Zustimmung der pädagogischen Fachkräfte zur Verwendung des Bilderbuches in der Erhebungssituation ließ die Einschätzung zu, dass die Fachkräfte das eingesetzte Bilderbuch zur sprachlichen Aktivierung der Kinder in der Erstund Zweitsprache im Allgemeinen als geeignet erachteten. Trotzdem wurden von wenigen pädagogischen Fachkräften geringfügige Einschränkungen vorgetragen (s. Tab. 23, S. 209). Ein Optimierungswunsch bezog sich auf den zeitlichen Rahmen der Bilderbuchbetrachtung und ein weiterer Wunsch richtete sich an das Format des Buches. Außerdem wurde in einer Nennung die Vielfalt der parallelen Motive im Buch sowie die fehlende Textvorgabe nicht explizit als Vorteil gesehen. „Ich fands schwer. [...] Möchte ich sagen, ja eigentlich schwer, weil es ist meine Meinung, mag auch falsch sein, aber ich finde kleine Vorgaben solltens sein, damit man die Kinder sprachlich herausfordern kann. Weil sie stehen vor einem Buch, ich auch heute, womit fange ich an, wo fange ich an, was ist hier wichtiger, worum gehts denn. Das sind solche Fragen. Aber wenn ich dann Anhaltspunkt hätte, sei es nur ein oder zwei Sätze, mehr nicht, sollte auch nicht sein, dann weiß man, woran man sich halten kann. Für mich, vielleit auch fürs Kind“ (TR3, Z. 687-692).

In diesem Beispiel wünschte sich die pädagogische Fachkraft eine sprachliche Vorlage für das Kind, aber auch für sich selbst. Offenbar war es für die pädagogische Fachkraft ein Bedürfnis, pädagogisch angemessen zu agieren und dem Kind ein sprachlich korrektes Vorbild zu liefern. Medienunabhängige Gesprächsführungsmethoden Für das sprachpädagogische Handeln ist zudem eine Gesprächsführung und eine sprachliche Aktivierung der Kinder ohne Medieneinsatz bedeutsam. Hierzu gaben mehr bilinguale pädagogische Fachkräfte als monolinguale Fachkräfte Hinweise in den Interviews (s. Tab. 23, S. 209). Von den pädagogischen Fachkräften wurden unterschiedliche Strategien genannt, die während des Bilderbuchlesens erfolgreich zur

210

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

Schaffung von Sprechanlässen verwendet wurden. Es handelte sich vor allem um ein individuelles Eingehen auf persönliche Hintergründe des Kindes sowie um das Ermöglichen von Freiräumen für das Kind mit Vermeidung von Fehlerkorrekturen. Außerdem sei das Schaffen von Vorkenntnissen zum Buchinhalt strategisch umgesetzt worden. Neben dem Herbeiführen von Sprechanlässen wurden von den pädagogischen Fachkräften verschiedene Fragemethoden genannt, um die Kinder in der Bilderbuchsituation sprachlich zu aktivieren sowie inhaltlich und sprachformal zu unterstützen. Zusätzlich wurde von wenigen pädagogischen Fachkräften die Rolle des eigenen Sprachvorbildes betont und die Strategie aufgeführt, durch das Übersetzen von Begriffen zwischen der Erstsprache und dem Deutschen zur Wortschatzförderung beizutragen. Schließlich war in den Aussagen der pädagogischen Fachkräfte auch die Technik des Modellierens zu erkennen, mit der die pädagogische Fachkraft dem Kind auf der formalen Sprachebene ein korrektes Modell liefere, aber gleichzeitig auf der inhaltlichen Bezugsebene des Kindes das Gespräch weiterführe. „Und im Allgemein mache ich das immer so, dass ich eher so n Feedbe/ also sie sagt etwas, ich gebe da drauf einen Feedback und frage dann nochmal, wie meinst du das oder ich sage genau das, was sie gesagt hat und wenn sie sich dann nochmal hört, dann verbessert sie sich automatisch nochmal, also ich sage nicht, das hast du falsch gemacht, das musst du jetzt nochmal so sagen, sondern mehr so im Gespräch, das entwickelt sich dann immer so, durch die Fragen und Impulse verbessert sie sich selber. [...] Ich habe das klar bewusst gemacht bei mir, weil es wichtig war, aber sie selber hat das unbewusst gemacht. Wir waren im Geschehen drin, ihr war wichtig, wo bleib jetzt die Torte, was ist jetzt damit passiert, das war ihr wichtig, aber im Hintergrund hat sie immer noch sich so ein Stück weit verbessert, bei dem was sie gesagt hat“ (TR1, Z. 317-325).

Zwischenfazit Insgesamt konnten in den Aussagen der pädagogischen Fachkräfte zu ihrem Handlungsrepertoire im Bereich der sprach- und kommunikationsfördernden Gesprächsführungsmethoden, die sie während der Bilderbuch- und Spielsituation anwendeten, unterschiedliche Ansätze festgestellt werden. Im Schwerpunkt wurde von den pädagogischen Fachkräften auf das vorgelegte Bilderbuch als vertrautes Gesprächsführungsmedium Bezug genommen. Dabei vermochten sie die Bedeutung für die Sprachbeobachtung und Sprachförderung gewinnbringend einzuschätzen, wenngleich vereinzelte Unsicherheiten und Vorbehalte aufgrund der Offenheit des textfreien Bilderbuches bestanden. Weitere, medienunabhängige, sprach- und kommunikationsfördernde Gesprächsgestaltungen wurden insbesondere von bilingualen pädagogischen Fachkräften angesprochen. Einzelne dargelegte Beispiele verwiesen auf qualifizierte methodische Kompetenzen. 7.2.7

Sprachlich-kulturelle Identität der Fachkraft

Über das Expertinnen- bzw. Experteninterview hinaus konnten unter Einbezug von Antworten der befragten pädagogischen Fachkräfte zu ihrer Sprach- Lebens- und Berufsbiographie differenzierte Aspekte der eigenen sprachlich-kulturellen Identität

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

211

herausgearbeitet werden. Diese Aspekte wurden in einer entsprechenden Kernthemengruppe zusammengefasst (s. Abb. 23, S. 211).

Abb. 23: Sprachlich-kulturelle Identität der Fachkraft im interpersonalen Profil

Die pädagogischen Fachkräfte schilderten vor allem Wahrnehmungen zur eigenen biographischen und aktuellen Situation als bilinguale oder monolinguale Fachperson. Vorwiegend wurde dabei auf der persönlichen Fachkraft-Ebene argumentiert. Die Äußerungen konnten ausschließlich dem Kompetenzbereich der Haltung zugeordnet werden. Dazu fanden sich Themen zur Sprach- und Berufsbiographie, Stellungnahmen zur eigenen Mehr- oder Einsprachigkeit und Bewertungen der eigenen beruflichen Situation (s. Tab. 24, S. 212). Wahrnehmung der sprachlich-kulturellen Identität Von mehreren pädagogischen Fachkräften mit Migrationshintergrund und nichtdeutscher Erstsprache wurde eine offene Haltung gegenüber dem eigenen sprachlich-kulturellen Hintergrund vermittelt (s. Tab. 24, S. 212). Dabei wurde das Herkunftsland oft als Heimatland beschrieben. Selbst wenn mittlerweile auch heimische Gefühle für Deutschland bestünden, wurde teilweise von einigen bilingualen pädagogischen Fachkräften das Land des Aufwachsens nachdrücklich als Heimat bezeichnet. Zusätzlich existiere bei anderen bilingualen Fachkräften das Gefühl einer zweiten Heimat zum jetzigen Wohnort in Deutschland. Wiederum zeigten sich andere Verbundenheitsgefühle, indem Deutschland als das Land mit der größten Vertrautheit fungiere im Gegensatz zum Herkunftsland als Urlaubsland. Es offenbarten sich demnach verschiedene interkulturelle Konstellationen. So konnte sich ein Teil der pädagogischen Fachkräfte insbesondere nur mit einer Kultur identifizieren oder auch

212

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

die kulturelle Identität im Laufe der Zeit wechseln. Außerdem zeigte sich, dass ein anderer Teil der Fachkräfte eine bikulturelle oder mehrdimensionale Identifikation nach neuerer Auffassung der Akkulturation (Zick, 2010) entwickelt habe. Dementsprechend wurden in den Interviews von den russisch-deutschsprachigen und türkisch-deutschsprachigen Fachkräften Äußerungen innerhalb der Pole zwischen einbzw. mehrdimensionaler und transitorischer Identifikation gegeben. „Doch, also meine Heimat ist immer noch Tajikistan, aber ich fühle mich hier, ja wie sagt man das jetzt, auch heimisch ((lacht))“ (RU10, Z. 65f). „Natürlich ((lacht)) Tunceli also. Aber außer Hannover kann ich nicht irgendwo andere Stadt leben, also Hannover ist mein zweite Heimat sage ich mal“ (TR6, Z. 54f).

Über die kulturelle Zuordnung hinaus gaben pädagogische Fachkräfte mit russischer oder türkischer Erstsprache auch Stellungnahmen zum eigenen Sprachgebrauch. In einem Spektrum zwischen der Bevorzugung einer Erst- oder Familiensprache und einer mehrsprachigen Balance waren entsprechende Themen in den Interviews vorzufinden. Beispielsweise wurde die Erstsprache Russisch oder Türkisch klar als Muttersprache erklärt. Die Erstsprache habe zudem öfters Priorität im Gebrauch innerhalb des Familienkreises der pädagogischen Fachkräfte. Es könne sich jedoch ebenso eine positiv wahrgenommene Alltäglichkeit und Wertschätzung zur Erst- wie auch zur Zweitsprache entwickeln. „Für mich gehört das zum Alltag, das ist genauso wie für Sie jetzt, für Sie gehört Essen und Trinken zum hier und für mich sind die Sprachen jetzt irgendwie, ich kann gar nicht ohne die, irgendwie gehören zu mir und das ist normal“ (RU11, Z. 228-230).

Tab. 24: Kernthemengruppe zur sprachlich-kulturellen Identität pädagogischer Fachkräfte K E Themengruppe Ha F Ha F Ha F Ha F Ha F Ha

Eigene sprachlichkulturelle Identität Verunsicherungen in Identitätsbildung Erstsprache u. Migration als Ressource Eigener Deutscherwerb als Erschwernis Freude über eigenes Fremdsprachenlernen

F Wahrnehmung einer

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7







 











































 



 

 









positiven beruflichen

T Situation















RU = russisch-deutschsprachig

TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Kompetenzbereiche (K)

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Hn = Handlungsrepertoire

Ebenen der Argumentationsperspektiven (E)

F = Fachkraft

T = Team

Pädagogische Fachkräfte

Differenziertheit der Themen



=

1 Thema



=

2 Themen



=

3 Themen

S = System



=

4 Themen

5  = Themen

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

213

Verunsicherung in der sprachlich-kulturellen Identitätsbildung Im Gegensatz zur offenen Positionierung sprachlich-kultureller Identität erschienen unklare Einordnungen oder verschwommene Vorstellungen bis hin zu Unsicherheiten. Hierzu gaben vorwiegend türkisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte Angaben zu kulturellen Aspekten (s. Tab. 24, S. 212). Dabei waren undeutliche kulturelle Identitätsbeschreibungen und Zuordnungen zum Heimatbegriff zu erkennen. Ferner wurden Schwierigkeiten bei der Integration unterschiedlicher kultureller Ausprägungen des aktuellen Wohnortes und der gefühlten Heimat beschrieben. Für manche der türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte sei es ein Gefühl, nicht richtig zu Hause zu sein. Sie würden sowohl in Deutschland wie auch in der Türkei als Ausländerinnen bzw. Ausländer gelten, selbst wenn die Migrationserfahrung nur in zweiter Generation vorliege. Diese Sicht und Zuschreibung von außen führe zur Verunsicherung hinsichtlich sprachlich-kultureller Zugehörigkeit, zur Unzufriedenheit und zum Gefühl des Heimatverlustes. „Eigentlich ist man nirgendwo zu Hause, weil man da als Deutsche zählt und hier auch als Ausländer“ (TR4, Z. 61f). „Es gibt so Momenten wo man dann irgendwie für irgendwas ganz Blödes angemacht wird, also das sind diese ganz typischen Sachen, wenn man auf der Straße ist und dann fragt man sich noch, also Mensch, was machst du hier eigentlich, was soll das, muss das denn jetzt sein, also dann, da kommt glaube ich diese Zerrissenheit her, das ist von außen wie man selbst angenommen wird, so man selber, das merke ich gar nicht die meiste Zeit, so, und ich denk doch gar nicht so“ (TR1, Z. 51-55).

Wahrnehmung der eigenen Mehrsprachigkeit und Migration als Ressource Die sprachlich-kulturelle Identitätsbildung werde bei den bilingualen pädagogischen Fachkräften weiterhin davon beeinflusst, wie sie ihre eigene Mehrsprachigkeit und Migrationserfahrungen als Ressource verstehen könnten. Die Mehrheit der befragten pädagogischen Fachkräfte mit nicht-deutscher Erstsprache habe die Mehrsprachigkeit positiv und wertschätzend erlebt (s. Tab. 24, S. 212). Sie würden die eigenen mehrsprachigen Fähigkeiten als Vorteil empfinden, indem anderen Menschen sprachliche Hilfestellungen gegeben werden könnten. Die vorteilhafte Wahrnehmung hinsichtlich der Ressourcennutzung habe sich teilweise erst im beruflichen Zusammenhang mit dem Gebrauchswert und dem bedarfsbedingten Einsatz bei Kindern sowie Kolleginnen und Kollegen in der Kindertagesstätte entwickelt. Vor dem Hintergrund der eigenen Probleme im Zweitspracherwerb und im Kontext der sprachlichen Erziehung der eigenen Kinder werde ein höheres Verständnis für die Schwierigkeiten mehrsprachiger Kinder im Zweitspracherwerb aufgebracht. „Also, ich finds toll. Es ist immer was Positives eben und ich hab eben Glück gehabt, dass ich die zwei Sprachen kann. Und ich kann Menschen helfen, zum Beispiel, die kein Deutsch können, ich kann sie unterstützen und das ist was Tolles, also ich mach was Tolles, weil ich in dem Moment einem hilfslosen Menschen helfen und ich finds wichtig für MICH“ (TR4, Z. 177180).

214

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

Wahrnehmung des eigenen Deutscherwerbs als Erschwernis In der Darstellung einiger bilingualer pädagogischer Fachkräfte seien die eigenen mehrsprachigen Fähigkeiten nicht sofort als Ressource empfunden worden. Es liege besonders bei pädagogischen Fachkräften, die erst im Jugend- oder im Erwachsenenalter mit Deutsch konfrontiert wurden, ein erschwerter Weg des Deutscherwerbs als Zweitsprache mit negativen Erinnerungen zurück (s. Tab. 24, S. 212). Es habe sich dabei um Unsicherheiten und Umstellungsschwierigkeiten sowie um Beeinträchtigung in der Lebensführung und beruflichen Qualifizierung bis hin zu emotionalen und psychischen Belastungen gehandelt. „Von Anfang an, das war natürlich schwer. Ich war sehr depressiv, ich konnte nichts verstehen, nichts sagen, eben saß ich nur zu Hause und hatte auch Angst raus zugehen“ (RU4, Z. 43f).

Negative und unklare Erinnerungen an den eigenen erschwerten Deutscherwerb wurden auch von einer Interviewpartnerin genannt, die bereits als Kind mehrsprachig aufgewachsen ist. „Davor war es immer ne Last, also ich habe es so empfunden, weil es gab immer mir in diesen Sprachen, eher sprachliche Barriere, sprachliche Konflikten, man wurde immer wieder von den Lehrern zurechtgewiesen, [...] man hat irgendwie ne Last damit zu verbinden“ (TR1, Z. 32-35).

Freude über das eigene Fremdsprachlernen Für pädagogische Fachkräfte ohne Migrationshintergrund und Mehrsprachigkeitserwerb stellte die eigene sprachlich-kulturelle Identitätsbildung vordergründig weniger ein Thema zur Besprechung während der Interviews dar (s. Tab. 24, S. 212). Nach den Angaben der monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte hätten ihre Identitätsentwicklungen zum großen Teil innerhalb der Mehrheitskultur und der Mehrheitssprache Deutsch stattgefunden. Allerdings erfolge bei entsprechender Konfrontation auch von deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte eine konstruktive Auseinandersetzung mit den eigenen sprachlichen Werten. So drückten die befragten Fachkräfte ihre Offenheit für fremde Sprachen und den Wunsch nach Sprachbeherrschung aus. Sie schätzten Fremdsprachkenntnisse überwiegend positiv sowie sinnvoll ein und würden sich wünschen, fremde Sprachen freudvoll zu erwerben. „Wider Erwartens hab ich erst, ich hab dann natürlich auch noch ein bisschen geübt ((lacht)) und hatte überhaupt keine Hemmungen, also ich hab dann auch fast die ganze, also mit den Menschen nur Französisch gesprochen. Das war toll. Also, ich hab erst gedacht, ich wechsle dann bestimmt auch mal ins Englische, aber wenn mir die Wörter nicht eingefallen sind, da hab ich die einfach weggelassen ((lacht)). Also, es hat mir viel Spaß gemacht. Und es war auch schön zu sehen, wie die anderen Menschen reagiert haben, dass man sich Mühe gegeben hat und das war mir halt auch immer wichtig zu zeigen, ich geb mir jetzt Mühe“ (DE2, Z. 108-114).

Wahrnehmung einer positiven beruflichen Situation Ein relevanter Faktor innerhalb der Identitätsbildung als pädagogische Fachkraft stellte sich auch in der Wahrnehmung der eigenen beruflichen Situation und Entwick-

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

215

lung heraus. Vor allem russisch-deutschsprachige und monolingual deutschsprachige Fachkräfte sprachen einen positiven Zugang zum Beruf und die Zufriedenheit durch die Freude an der Arbeit mit Kindern aus (s. Tab. 24, S. 212). Besonders wurden die Anerkennung von Seiten der Kinder und die Wertschätzung professioneller Kompetenzen genannt. Durch die berufliche Bestärkung und das fachliche Interesse würden sich für die Fachkräfte gewinnbringende Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen. Außerdem werde die Möglichkeit zur Kommunikation im beruflichen Alltag als attraktiv empfunden. Letztlich werde auch die Unterstützung durch das Kita-Team und gleichfalls die Förderung der individuellen professionellen Entfaltung in der Einrichtung sehr erfreut aufgenommen. „Frau (Name), die haben mir sofort gesagt, die werden keine Fehler bei mir korrigieren, die haben sozusagen mein Inhalt oder so, was ich abgegeben habe, verstanden und eingeschätzt oder so, dass richtig oder falsch oder nicht, dass ich über was weiß ich, was anderes schreibe und so. Da haben mich richtig gestärkt, in diesen Sachen, dann war für mich vielleicht leichter oder so oder, was heißt leichter, die haben mich gesehen und die haben mich eingeschätzt, ja, und unterstützt. Und das hat mir ein bisschen, na ja weiter gebracht oder vielleicht gesagt so, du machst jetzt weiter, du gibst nicht auf, sozusagen“ (RU9, Z. 236-241).

Zwischenfazit Zusammenfassend konnten den Themen zur sprachlich-kulturellen Identität der bilingualen pädagogischen Fachkräfte unterschiedliche Positionen entnommen werden. Zum Teil waren klare Zuordnungen von Persönlichkeitsmerkmalen bilingualer pädagogischer Fachkräfte zur Herkunftssprache und Herkunftskultur zu vernehmen. Von manchen bilingualen Fachkräften wurde allerdings eher zur aktuellen Umgebungssprache und Umgebungskultur eine Identifikation ausgesprochen. Daneben zeigten sich auch ausbalancierte Konstellationen der Mehrsprachigkeit und integrierte interkulturelle Bezüge. Überdies waren bei einigen bilingualen pädagogischen Fachkräften Verunsicherungen oder diffuse Wahrnehmungen zur eigenen sprachlichkulturellen Identität zu bemerken. Eigene belastende Migrationserfahrungen sowie Erschwernisse im Zweitspracherwerb Deutsch wurden jedoch teilweise als Chance zur sensibleren Wahrnehmung von möglichen Schwierigkeiten bei Kindern dargestellt. Monolingual deutschsprachige pädagogische Fachkräfte hingegen nannten vereinzelt ihre negativen Erfahrungen, aber auch ihre Interessen und Wünsche hinsichtlich des Erwerbs anderer Sprachen. Schließlich wurde von manchen bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften die eigene positive berufliche Situation als Selbststärkung hervorgehoben. 7.2.8

Reflexion pädagogischen Handelns in der Bilderbuch- und Spielsituation

Die individuelle sprachlich-kulturelle Identität der pädagogischen Fachkräfte spiegelte sich schließlich in der Vielfalt der Aussagen zum professionellen Handeln in der Kindertagesstätte wieder. Persönliche Ausprägungen zeigten sich hierzu in den Themen der Kernthemengruppen zur Gesprächsführung pädagogischer Fachkräfte mit Kindern (s. Kap. 7.2.6) und zur Elternarbeit im Kontext von Mehrsprachigkeit und Inter-

216

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

kulturalität (s. Kap. 7.2.5). Neben dem konkreten Handeln mit Kindern und Eltern beschrieben die pädagogischen Fachkräfte ihr Handlungsrepertoire auch im Bereich der Reflexion des pädagogischen Geschehens. Obwohl die Reflexion pädagogischer Planung und Umsetzung als bedeutsames Qualitätsmerkmal postuliert wird (Balluseck, 2008, S. 29ff), erschien jedoch im Interviewmaterial nur eine geringe Themenhäufung hinsichtlich der Nachbetrachtung und Selbsteinschätzung zur durchgeführten Bilderbuchbetrachtung und Spielszenerie mit den ausgewählten Kindern. Die in der Kernthemengruppe zur pädagogischen Reflexion (s. Abb. 24, S. 216) zusammengefassten Themen ließen sich trotzdem gestreut durch alle Gruppen der befragten pädagogischen Fachkräfte ermitteln. Allerdings konnten etwa doppelt so viele Themen zur Reflexion der Bilderbuch- und Spielsituation bei den monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften gegenüber den bilingualen Fachkräftegruppen generiert werden. Die Befragten bewerteten ihr eigenes Vorgehen in der Bilderbuch- und Spielsituation zwischen den Polen der sprachlich-kommunikativen Lenkung und der Offenheit. Ebenso reflektierten sie ihre Sprachbeobachtungsfähigkeit (s. Tab. 25, S. 217).

Abb. 24: Reflexion pädagogischen Handelns in der Bilderbuch- und Spielsituation im interpersonalen Profil

Reflexion eines gelenkten Vorgehens In den Interviews äußerten sich einige pädagogische Fachkräfte mit allgemeinen positiven Bemerkungen zur methodischen Lenkung der Bilderbuch- und Spielsituation (s. Tab. 25, S. 217). Trotz gelegentlicher unsicherer Verwendung der eigenen Sprache sowie teilweiser unerwarteter Störungen in der Interaktion mit den Kindern wurde von den Fachkräften ein angemessenes pädagogisches Verhalten und methodisches

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

217

Reagieren bestätigt. Zudem wurde ausgesagt, methodische Möglichkeiten dabei voll genutzt zu haben. „Ich habe schon das Gefühl ((gedehnt)), dass ich jetzt nicht extra schwierige Wörter genommen habe, sondern ich hab versucht, es einfach auszudrücken. Also keine Fremdwörter zu benutzen, darauf hab ich eigentlich schon geachtet und trotzdem war dann schon der eine oder andere Moment, wo ich dachte, puh, war das jetzt doch zu schwierig. Aber das ist denn manchmal so Momente, wo ich dann nicht so ganz sicher bin, verwende ich jetzt das schwierige Wort oder nicht, überfordere ich ihn damit und meistens versuche ich es dann doch. Also, wenns gerade ums Wortschatz geht, besondere Gegenstände benennen, muss das ja nicht unbedingt was mit seiner Sprache zu tun haben. Ja, die benutze ich dann meistens trotzdem“ (DE2, Z. 395-402).

Tab. 25: Kernthemengruppe zur Reflexion des pädagogischen Handelns in der Bilderbuch- und Spielsituation K E Themengruppe Hn F Hn F Hn F

Reflexion eines gelenkten Vorgehens Reflexion eines offenen Vorgehens Reflexion zwischen Lenkung und Offenheit Reflexion der Beobachtungsfähigkeit

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7  





































 





 

 











RU = russisch-deutschsprachig

TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Kompetenzbereiche (K)

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Hn = Handlungsrepertoire

Ebenen der Argumentationsperspektiven (E)

F = Fachkraft

T = Team

Hn F

Pädagogische Fachkräfte

Differenziertheit der Themen







=

1 Thema



=

2 Themen



=

3 Themen

S = System



=

4 Themen

5  = Themen

Reflexion eines offenen Vorgehens Bei weiterer Betrachtung war ebenso festzustellen, dass einige pädagogische Fachkräfte offene Handlungsstrategien als geeignete methodische Vorgehensweise in der Bilderbuch- und Spielsituation einschätzten (s. Tab. 25, S. 217). Selbst wenn vereinzelte Unsicherheiten in der Beurteilung vermittelt wurden, sahen die pädagogischen Fachkräfte ihre meist intuitive sprachliche Zurückhaltung bei der Bilderbuchbetrachtung als vorteilhaft. Durch die sensible Steuerung in der Bilderbuchbetrachtung und in der Spielführung habe eine sprachlich-kommunikative Aktivierung und Herausforderung der Kinder stattgefunden. Die pädagogischen Fachkräfte nahmen wahr, wie sie auf die Interessen und Fähigkeiten der Kinder eingegangen sowie mit mehrsprachigen Konstellationen umgegangen seien und wie sie Spielmaterialien gewinnbringend genutzt und problematische Situationen überwunden hätten. „Eigentlich lasse ich lieber die Kinder agieren, also ich möchte das nicht vorgeben. Es ist ja was vorgegeben, das ist ja das Buch auf der einen Seite und (Name) hat ja nun gleich loserzählt und wenn es mir ein bisschen zu schnell wurde, wenn ich dachte, oh, jetzt wirds vielleicht schwammig, auch für sie, sie übersieht vielleicht irgendwas. Hab ich ja nochmal drauf hingewiesen, aber beim Spielen selber ja, das ein oder andere einfach nochmal gezeigt, ums

218

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I weiterzubringen, weil ich dachte, dass es vielleicht ins Stocken kommt, aber vielleicht wars auch zu viel beim Spielen. Vielleicht hätte ich mich da noch ein bisschen mehr zurücknehmen müssen“ (DE1, Z. 165-171).

Reflexion des Vorgehens zwischen Lenkung und Offenheit Allerdings wurden auch Zweifel an der Angemessenheit der sprachlichen Zurückhaltung oder der stärkeren Lenkung durch die pädagogischen Fachkräfte bis hin zur selbstkritischen Stellungnahme vorgetragen (s. Tab. 25, S. 217). Einige pädagogische Fachkräfte bekräftigten trotzdem die notwendige Steuerung des Gesprächsablaufes. Damit sei das Interesse des Kindes auf das Bilderbuch gelenkt und das kindliche Verständnis gesichert worden. Zudem sei es möglich gewesen, einen inhaltlichen Zusammenhang und eine Orientierung herstellen sowie den Handlungsstrang aus dem Bilderbuch in der Spielsituation erneut aufnehmen zu können. Andere pädagogische Fachkräfte waren der Überzeugung, durch eine dosierte Kontrolle für eine gleichmäßige Rollenverteilung und Mitspracherecht für alle Kinder im Spiel gesorgt zu haben. „Also ich hab das zwar Regie geführt und dann wieder Fragen gestellt und ich war auch richtig dabei drin, wo ich am Anfang gedacht habe, ich werde mich vielleicht zurückziehen müssen, weil die Kinder dann da drauf stürmen. Aber haben sie nicht gemacht. Aber ich fand, dass wir die Rollen sehr gut aufgeteilt haben und deswegen auch alle Mitspracherecht hatten“ (RU10, Z. 270-274).

Reflexion der Beobachtungsfähigkeit Schließlich wurden von den pädagogischen Fachkräften ihre Sprachbeobachtungsinteressen sowie ihre Sprachbeobachtungsfähigkeiten innerhalb der Bilderbuch- und Spielsituationen dargelegt. Vor allem reflektierten monolingual deutschsprachige Fachkräfte ihre Kompetenzen zur Sprachbeobachtung im Deutschen wie auch ihre Schwierigkeiten, die Erstsprache des Kindes aktivieren und einschätzen zu können (s. Tab. 25, S. 217). Manche pädagogische Fachkräfte räumten ein, dass sie aufgrund der geteilten Aufmerksamkeit auf die gesamte Kindergruppe die Beobachtung der Sprache des ausgewählten Kindes in der Spielsituation weniger fokussiert vorgenommen hätten. „Aber das ist ja immer so. Mit einem Kind ist es immer natürlich einfacher als mit drei Kindern. Oder eigentlich, meistens haben wir immer noch mehr Kinder“ (DE2, Z. 387f).

Zudem seien von den pädagogischen Fachkräften mehr inhaltliche als sprachformale Anteile in der Aussage des Kindes aufgenommen worden. „Ich will nicht sagen, dass ichs überhöre, aber ich schau immer mehr nach dem Inhalt“ (DE2, Z. 506f).

Zwischenfazit Es zeigte sich, dass pädagogische Fachkräfte ihr pädagogisches Handeln in der Erhebungssituation beim Bilderbuchlesen und bei der Anleitung der Spielgruppe mit

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

219

dem Fokus der Sprachbeobachtung und Sprachförderung reflektierten und den Erfolg ihrer oft intuitiv spontanen, didaktisch-methodischen Entscheidungen beurteilten. Sie hoben dabei entweder eine Lenkung und Steuerung des sprachpädagogischen Geschehens oder ein offenes Vorgehen als geeignet hervor. Gleichfalls zeigten sich einige pädagogische Fachkräfte hierzu verunsichert. Im Zusammenhang mit der Variationsbreite des pädagogischen Reflexionsverhaltens war festzustellen, dass sich nicht alle pädagogischen Fachkräfte differenziert im Sinne einer Analyse der Bilderbuch- und Spielsituation äußerten. 7.2.9

Stellenwert der Zweitsprache Deutsch

Bei der Auswertung der Interviews zeigte sich, dass sich die professionelle Reflexionsfähigkeit nicht nur auf das konkret-individuelle pädagogische Handeln bezog, sondern auch im Zusammenhang mit konzeptionell-übergeordneten pädagogischen Herangehensweisen stand. Hierzu konnten bereits in der Kernthemengruppe zur Mehrsprachigkeit und zum Gebrauch der Erstsprachen (s. Kap. 7.2.1) sowie in der Kernthemengruppe zur Sprach- und Kultursensibilität (7.2.3) bedeutsame Aspekte herausgearbeitet werden. Außerdem befanden sich im Interviewmaterial Aussagen der befragten pädagogischen Fachkräfte, die sich übergeordnet auf die Relevanz des Erwerbs und des Gebrauchs der Zweitsprache Deutsch bezogen (s. Abb. 25, S. 219).

Abb. 25: Stellenwert der Zweitsprache Deutsch im interpersonalen Profil

In dieser Kernthemengruppe wurden Äußerungen pädagogischer Fachkräfte zusammengefasst, die auf eine hohe Bedeutung des Deutscherwerbs als Zweitsprache für das schulische und berufliche Fortkommen verwiesen. Außerdem wurde die eigene soziale Integration durch den Deutscherwerb aus der persönlichen Erfahrung

220

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

bilingualer pädagogischer Fachkräfte mit selbst erlebter Migration erwähnt. Vor diesem Hintergrund wurde ebenso von mehreren bilingualen Fachkräften der selbst wahrgenommene Qualifizierungsbedarf im Erwerb der deutschen Sprache angesprochen. Darüber hinaus wurde auch von einigen monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften die Notwendigkeit der Sprachförderarbeit im Bereich des Deutscherwerbs als Zweitsprache für Kinder genannt. Wenngleich hauptsächlich aus der individuellen Sicht der Fachkraft-Ebene argumentiert wurde, waren auch einige Ausführungen auf der Team-Ebene sowie an das administrative System gerichtete Wünsche auszumachen (s. Tab. 26, S.220).

Tab. 26: Kernthemengruppe zum Stellenwert der Zweitsprache Deutsch K E Themengruppe Zweitspracherwerb aus Ha F persönlicher Erfahrung

Ha

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7











F Einstellung zur Sprach-



T sprache Deutsch



förderarbeit in der Zweit-

F





Konzepte zur Sprach-

Hn T förderarbeit in der Zweit-

 

sprache Deutsch









S Eigener QualifizierungsHn T bedarf im Zweitspracherwerb im Deutschen

S



 

 



















RU = russisch-deutschsprachig

TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Hn = Handlungsrepertoire

F = Fachkraft

T = Team

Kompetenzbereiche (K) Ebenen der Argumentationsperspektiven (E) Differenziertheit der Themen





F

Pädagogische Fachkräfte







=

1 Thema

2  = Themen



=

3 Themen

S = System



=

4 Themen

5  = Themen

Zweitspracherwerb aus persönlicher Erfahrung bilingualer pädagogischer Fachkräfte Der Erwerb der deutschen Sprache wurde von den befragten russischdeutschsprachigen Fachkräften im Gegensatz zu türkisch-deutschsprachigen Fachkräften häufiger als Grund-voraussetzung für einen erfolgreichen Bildungsweg und die soziale Integration angesehen (s. Tab. 26, S. 220). In ähnlicher Proportion wurde zudem das Bedürfnis geäußert, die eigenen Sprachkenntnisse im Deutschen laufend bis hin zu muttersprachähnlichen Kenntnissen zu verbessern. So waren sich diesbezüglich besonders pädagogische Fachkräfte mit russisch-deutscher Sprachkonstellation über die Schwierigkeiten, aber auch über die Vorteile im persönlichen Entwicklungsprozess und im eigenen schulischen sowie beruflichen Fortkommen bewusst.

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

221

Dabei wurde einerseits von großen Unsicherheiten und Anstrengungen im Deutscherwerb sowie von Vernachlässigungen der Erstsprache und von Ängsten während der Ausbildung berichtet. Andererseits gaben die Befragten auch ihre Freude über sprachliche Fortschritte und über die langsam gewachsene Übereinstimmung zwischen der kulturellen und sprachlichen Identität zu erkennen. „Und dann habe ich ganz klein angefangen, erstmal mit der Ausbildung als Kinderpflegerin, obwohl ich damals schon Erzieherin machen konnte. Aber ich hatte Angst, weil sprachlich noch nicht gut war. [...] Also ich hatte eine sehr langen Werdegang ((lacht)). Bis zu der Erzieherin. Bereue das aber auch nicht, weil ich so denke, ich habe meine Sprache ein bisschen auf n guten Stand gebracht“ (RU10, Z. 35-41). „Am Anfang hatte Deutsch gar kein Gefühl für mich, das war so eine Sprache ohne Gefühl. Ich hab sie gebraucht, um einfach hier zu leben, um weiter zu kommen, um die Ausbildung zu machen, aber das war jetzt eine Sprache ohne Gefühl. Und jetzt mittlerweile kann ich sagen, ja, die kriegt jetzt auch Gefühl, die kriegt jetzt so die Form, die kriegt jetzt auch Farbe“ (RU11, Z. 171-174).

Einstellung zur Sprachförderarbeit im Bereich Deutsch als Zweitsprache Der Erwerb der Zweitsprache Deutsch erhielt nicht nur im persönlichen Bezug bilingualer pädagogischer Fachkräfte einen besonderen Stellenwert, sondern wurde gleichfalls von monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften als wichtige Voraussetzung für Bildungsprozesse und für die soziale Integration von Kindern verstanden. Allerdings äußerten sich dazu nur die Hälfte der monolingual deutschsprachigen Fachkräfte und eine türkisch-deutschsprachige Fachkraft (s. Tab. 26, S.220). Ihrer Ansicht nach werde der Eintritt in die Kindertagesstätte durch angemessene Deutschkenntnisse mehrsprachig aufwachsender Kindern erleichtert. Außerdem waren die pädagogischen Fachkräfte überzeugt, dass durch bestehende und weiter auszubauende Aktivitäten des Kita-Teams im Bereich der Förderung des Deutschen als Zweitsprache die Zukunftschancen der Kinder erhöht werden könnten. „Weil es nun mal halt, die müssen die Sprache können, das ist für mich sehr, sehr wichtig. Wenn sie in die Schule kommen, dass man denen nicht sagt. Es liegt an der Sprache. Das ist auch mein Ziel so“ (TR3, Z. 797f).

Von den pädagogischen Fachkräften bestand ferner der Wunsch nach gemeinsam getragenen Konzepten für die Sprachbildungs- und Sprachförderarbeit und für sprachliche Vorbilder in den Einrichtungen. Von einer monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft wurde zudem die Frage aufgeworfen, ob die Förderung der deutschen Sprache bei Kindern besser von Fachkräften mit deutscher Erstsprache oder auch von Fachkräften mit nicht-deutscher Erstsprache unterstützt werden könne. Von einigen interviewten Fachkräften ging die Sorge aus, dass sprachliche Fähigkeiten der Kinder bei Eintritt in die Kindertagesstätte geringer werden würden. Somit wurde von diesen Fachkräften Sprachbildung und Sprachförderung sowohl für die große Anzahl mehrsprachiger Kinder wie auch für monolingual deutschsprachig aufwachsende Kinder als bedeutsam aufgefasst. „Was ich auch schade finde ist, dass so Sprachförderung für die deutschen Kinder jetzt gerade hier in sozialem Brennpunkt nicht so aufgenommen wird. Das heißt, im Maßen nur für Kin-

222

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I der mit Migrationshintergrund, hier haben wir ganz viele deutsche Kinder, die auch keine, nicht richtig die Muttersprache können, weil sie das von ihren Eltern auch nicht können und dass diese Kinder auch ganz oft ausgeschlossen werden. Das heißt nun immer, nein, nur mit Migrationshintergrund, so aber viele deutsche Kinder brauchen das auch. Und das find ich schade“ (DE5, Z. 777-783).

Handlungskonzepte zur Sprachförderarbeit im Bereich Deutsch als Zweitsprache Wie im vorangegangenen Abschnitt ersichtlich wurde, teilten nur monolingual deutschsprachige und türkisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte explizit ihre Einstellung zum Spracherwerb im Deutschen in den Interviews mit. Dennoch offenbarten sich in weiteren Aussagen von türkisch-deutschsprachigen wie auch von russisch-deutschsprachigen und monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften Hinweise auf ihr Handlungsrepertoire im Bereich der Förderung von Deutsch als Zweitsprache (s. Tab. 26, S.220). Es war die Rede von einer von Anfang an kontinuierlichen Sprachförderung in der Zweitsprache Deutsch für Kinder mit anderen Erstsprachen. Deutsch fungiere dabei nach Angaben der Befragten als allgemeine Kommunikationssprache in der Gruppe und in der gesamten Einrichtung. Eine Fixierung mehrsprachiger Kinder auf pädagogische Fachkräfte mit derselben Erstsprache wurde als ungünstig erklärt. Zudem würden einige pädagogische Fachkräfte stabile Deutschkenntnisse von Eltern mit Migrationshintergrund erwarten, damit mehrsprachige Kinder in der Familie sowohl in der Erstsprache als auch im Deutschen unterstützt werden könnten. Als spezifische Strategien zur Förderung im Deutscherwerb wurden von pädagogischen Fachkräften die zunehmende Aktivierung verbaler kindlicher Äußerungen und die Verhinderung nonverbaler Stagnation genannt. Für die Fachkräfte würden außerdem Wiederholungen und die kontinuierliche Ansprache als geeignete Mittel zur Sprachförderung darstellen. „Man kann versuchen, auch wenn es nicht versteh, sollte man immer weiter reden, bis es irgendwann versteht. Man sollte nicht aufgeben finde ich, also ist so meine Perspektive für die Zukunft für die Kinder. Ich würde da auch keinem Kind n Druck machen. Das hilft nicht, also immer auch wenn sie versteht, das Gleiche wiederholen. Obwohl man manchmal denkt, oh, man hat das hundertmal gesagt, dann versteh das Kind nicht und nicht aufgeben finde ich“ (TR2, Z. 719-723).

Auch in der kollektiven Sichtweise der pädagogischen Teams werde Deutsch als gemeinsame Verständigungssprache schrittweise nach der Eingewöhnungszeit der Kinder in den Einrichtungen gefördert, wie einige der bilingualen und monolingualen Fachkräfte berichteten. Gleichfalls wurde die Notwendigkeit der Förderung des Deutschen für alle Kinder sowie die Einbeziehung der Eltern von den pädagogischen Fachkräften konstatiert. „Ich denke, sie wissen, dass wir ganz viel dafür tun, dass die Kinder auch hier gut aufgenommen werden und auch die deutsche Sprache spielerisch lernen“ (RU10, Z. 458f).

Letztlich wurde im Kontext der Elternberatung von einer Interviewpartnerin mit Blick auf die öffentlichen Medien argumentiert, dass auch diese eine einflussreiche Rolle im Deutscherwerb spielen würden.

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

223

„Am Fernsehen hören sie das. Das lernen sie auch. Natürlich wo man merkt, wo s Schwierigkeiten ist, wo ich mal ne Mutter gesagt, wo s ne türkisches Programm gesehen hat. Da habe ich gesagt, da muss bisschen aufpassen, also bisschen wenn sie nur Türkisch, hat er Schwierigkeiten einfach“ (TR2, Z. 568-571).

Qualifizierungsbedarf im Zweitspracherwerb bilingualer Fachkräfte Neben dem Handlungsrepertoire zur Förderung des Deutscherwerbs bei Kindern reflektierten die Hälfte der russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte und eine türkisch-deutschsprachige Fachkraft die Qualität ihrer eigenen sprachlichen und schriftsprachlichen Kompetenzen im Deutschen mit dem Ziel, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern (s. Tab. 26, S.220). Damit solle auch eine gezieltere Sprachförderarbeit mit Kindern im Deutschen bewirkt werden. „Das ist wichtig, wie ich bei den Kindern mache, aber wie gesagt, ich kann das nicht richtig beurteilen, wenn ich selber nicht richtig grammatikalisch spreche oder nicht großer Wortschatz habe oder die Artikel nicht richtig verwende oder noch was. Und deswegen, ich finde erstmal auch dort selber so deutsche Sprache beherrschen, dass man dann sagen kann, ja jetzt, jetzt kannst du das“ (RU8, Z. 676-680).

Genauso wie ein offener Umgang der bilingualen pädagogischen Fachkraft mit ihrem sprachlich-kulturellen Hintergrund werde die eigene kritische Einschätzung persönlicher sprachlicher Kompetenzen und Schwierigkeiten durch ein vertrauensvolles Klima in der pädagogischen Arbeit mit Kindern sowie mit Team-Kolleginnen und Kollegen erleichtert. „Und sogar wenn ich rede, ich mache da auch Fehler, sozusagen mit meiner Satzbau [...] dann wird das korrigiert, aber [...] von böser Seite [...] wird das nicht korrigiert. Oder ich wechsle immer diese schwere Wörter, na ja so ‚Handtücher‘ oder auf Russisch wird das umgekehrt. Dann lachen wir darüber und dann manche sogar, die sagen, wenn wir auf Deutsch reden, [...] werden wir die Wörter, was weiß ich, verdreht oder komisch ausgesprochen. Also in dem Fall finde ich total klasse [...], also wir sind ganz gutes Team“ (RU9, Z. 653-659).

Schließlich wurde auch der Wunsch an das Bildungssystem nach berufsspezifischen Deutschkursen für pädagogische Fachkräfte mit nicht-deutschen Erstsprachen und Migrationshintergrund vorgetragen. „Früher war das bei Verdi zum Beispiel so ein Kurs für Erzieher und jetzt machen die nur leider für Hauswirtschaftkräfte so ein Deutsch. Also ich finde das schade. Ich weiß nicht, ob es sich nicht bewährtet hat für die Erzieher“ (RU8, Z. 709-711).

Zwischenfazit Dem Zweitspracherwerb im Deutschen wurde von den befragten bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften ein besonderer Stellenwert mit unterschiedlicher Gewichtung beigemessen. Dabei legten russisch-deutschsprachige und türkisch-deutschsprachige Fachkräfte ihre Haltung und ihr Handlungsrepertoire zur Förderung des Deutschen hauptsächlich aus der persönlichen Betroffenheit des eigenen Deutscherwerbs als Zweitsprache und der entsprechenden Ausbildungssituation dar. Demgegenüber sahen monolingual deutschsprachige und einige bilinguale pädagogische Fachkräfte die Bedeutung des Zweitspracherwerbs im Deutschen fer-

224

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

ner aus der Perspektive allgemeiner Bildungschancen sowie der Möglichkeit gemeinsamer Kommunikation. 7.2.10 Kenntnisse der Kind-Umfeld-Situation Im Interviewmaterial befanden sich schließlich auch Themen zum Kind-Umfeld mehrsprachiger Kinder von einem Großteil der bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräfte. Dennoch konnte nur eine Kernthemengruppe mit geringer Themenhäufigkeit und Differenziertheit gebildet werden (s. Abb. 26, S. 224).

Abb. 26: Kenntnisse der Kind-Umfeld-Situation im interpersonalen Profil

In der bereits behandelten Kernthemengruppe zur Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext (s. Kap. 7.2.5) wurden bereits thematisch ähnliche Aussagen der pädagogischen Fachkräfte erfasst. Diese Aussagen grenzten sich jedoch mit durchgehendem Bezug zum Handlungsrepertoire gegenüber den Angaben über die Kind-UmfeldSituation mit ausschließlichen Wissensbeständen und Wissensbedarfen zur Situation der Kinder in ihrem Umfeld ab (s. Tab. 27, S. 225). Wissensbestände zur Kind-Umfeld-Situation Zu den Wissensbeständen der pädagogischen Fachkräfte zur Kind-Umfeld-Situation zählten Kenntnisse über das Herkunftsland und die Erstsprache des Kindes, die Biographie, die Geschwisterfolge sowie die sprachlichen Hintergründe in der Familie des Kindes (s. Tab. 27, S. 225). Einige pädagogische Fachkräfte gaben an, den praktizierten familiären Sprachmodus zu kennen und zu wissen, ob die Erstsprache und bzw. oder die Zweitsprache als Familiensprache gesprochen würde. Dadurch nahmen diese pädagogischen Fachkräfte wahr, welche Wünsche die Eltern hinsichtlich

7.2 Kernthemengruppen interpersonaler Profilbildung

225

des Erhalts der Erstsprache bei ihren Kindern hätten und wie Mehrsprachigkeit in der Familie gepflegt werde. „Weil ihre Muttersprache ist Kurdisch, aber sie kann natürlich Türkisch besser als Kurdisch, sagte die Mutter mir so. Deutsch hat sie hier in den Kindergarten gelernt. Zu Hause sprechen sie nur auf Kurdisch und Deutsch“ (TR6, Z. 371-373). „Ja, also bei russischmächtigen Kindern ganz viele Eltern die haben auch so ein Wunsch, dass die Kinder so viel wie möglich auf Muttersprache unterhalten werden“ (RU4, Z. 370f).

Einige pädagogische Fachkräfte stellten zusätzlich fest, dass neben der elterlichen Befürwortung des Gebrauchs der Erstsprache auch Befürchtungen der Eltern hinsichtlich eines erschwerten Zweitspracherwerbs der Kinder vorliegen würden. Die pädagogischen Fachkräfte merkten an, die Sorgen der Eltern und deren problembelasteten Erfahrungen zu kennen, die zu einem verstärkten Fokus auf den Deutscherwerb und zur Vernachlässigung der Erstsprache führen würden. „Ich glaube, das liegt an Eltern, weil für die Eltern, na ja, das ist das so Fehler oder unserer Fehler, das Kind muss auf Deutsch reden. Sofort oder so. Manche sind nicht so bewusst oder so, das warum oder so, weil die sehen erstmal, das Kind soll die Sprache beherrschen hier, dass es alles sozusagen verstehen kann, ja? Oder sogar vergessen, eigene Muttersprache weiter zu bringen“ (RU9, Z. 778-781).

Teilweise waren sich die pädagogischen Fachkräfte darüber bewusst, dass bei den Eltern auch eine fehlende Problemwahrnehmung bezüglich möglicher sprachlicher Erwerbsschwierigkeiten des Kindes vorliegen könne. Ebenso könne nach Kenntnis der pädagogischen Fachkräfte ein Desinteresse der Eltern an der mehrsprachigen Arbeit in der Kindertagesstätte oder eine Hemmung gegenüber dem Kontakt zum Kita-Personal wegen befürchteter Sprachverständnisschwierigkeiten bestehen. „Sie bringen ihr Kind, sie holen ihr Kind ab. Sie haben wenig Interesse, was die Kinder an dem Tag, an IHREM Arbeitstag, was die Kinder an ihrem Arbeitstag so geleistet haben“ (DE7, Z. 445-447).

Tab. 27: Kernthemengruppe zu Kenntnissen der Kind-Umfeld-Situation K E Themengruppe Wissen zur KindWi F Umfeld-Situation Wissensbedarfe zur Wi F Kind-Umfeld-Situation

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7 

















  







RU = russisch-deutschsprachig

TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Kompetenzbereiche (K)

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Hn = Handlungsrepertoire

Ebenen der Argumentationsperspektiven (E)

F = Fachkraft

T = Team

Pädagogische Fachkräfte

Differenziertheit der Themen



=

1 Thema



=

2 Themen



=

3 Themen

S = System



=

4 Themen

5  = Themen

226

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

Wissensbedarfe zur Kind-Umfeld-Situation Zu den Einblicken der pädagogischen Fachkräfte über die Kind-Umfeld-Situation zeigten sich auch Wissensbedarfe (s. Tab. 27, S. 225). Manche pädagogische Fachkräfte beklagten den erschwerten Zugang zu Informationen über Hintergründe des Kindes aufgrund reduzierter Elternkontakte. So würde ihnen das Wissen über die Einstellung der Eltern zur Mehrsprachigkeit beschränkt werden und es bliebe lediglich bei Versuchen, das Verhalten des Kindes aus der Perspektive seiner familiärkulturellen Hintergründe vage zu erklären. „In der Spielsituation hätt ichs wahrscheinlich sofort gesagt, dass das Mädchen sich die Schürze umbindet, ein Mädchen mit arabischem Hintergrund, (Name) hat nen türkischen Hintergrund, obwohl ich das schön fand, dass er sich da nicht rausgezogen hat. Also dass vielleicht so n bisschen das Rollenbild, was zu Hause vielleicht vorgelebt wird“ (DE4, Z. 209-212).

Zwischenfazit In der Analyse der Kenntnisse und Wissensbedarfe der pädagogischen Fachkräfte zur Kind-Umfeld-Situation wurde ersichtlich, dass sich die Einblicke der Fachkräfte im Wesentlichen auf familiäre Konstellationen und Sichtweisen der Eltern zur Mehrsprachigkeit beschränkten. Das weitere gesellschaftlich-kulturelle Umfeld wurde in den Interviews von den Befragten weniger in den Blick genommen. Insgesamt wurde den Kenntnissen zur Kind-Umfeld-Situation ein untergeordneter Stellenwert von den pädagogischen Fachkräften beigemessen.

7.3

Stellungnahmen zum Forschungsprojekt

Im Interviewmaterial ließ sich neben den zehn Kernthemengruppen ein weiteres Themengruppenbündel ermitteln, das Stellungnahmen der pädagogischen Fachkräfte zum durchgeführten Forschungsprojekt umfasste (s. Abb. 27, S. 227). In diesem separat herausgearbeiteten Themengruppenbündel wurden Positionen und Beurteilungen der befragten Fachkräfte zu ihren Erwartungen und ihren Zugängen zur Projektteilnahme sowie ihre Bewertungen zur Projektdurchführung ausgewertet (s. Tab. 28, S. 227). Damit sollte zusätzlich ein Nachweis zu den Einstellungen der teilnehmenden pädagogischen Fachkräfte gegenüber der Interviewerhebung und der Qualifizierungsmaßnahme erbracht werden, um die Aussagen der Fachkräfte hinsichtlich der Gültigkeit interpretieren zu können. Allgemeine Zustimmung zum Forschungsprojekt Alle teilnehmenden Fachkräfte beurteilten die Beteiligung am Projekt aus ihrer persönlichen Perspektive. Die Bewertungen spiegelten zum größten Teil positive Empfindungen und Gedanken der pädagogischen Fachkräfte zur Studie wieder. Die

7.3 Stellungnahmen zum Forschungsprojekt

227

Fachkräfte äußerten zunächst ihre durchweg zustimmenden Haltungen gegenüber dem Forschungsprojekt im Allgemeinen. „Ich finde es gut, dass erstmal so die Kita, halt um die Kinder geht mit Mehrsprachigkeit und dass man auch jetzt für die Erzieher sich interessiert, die auch zwei Sprachen sprechen. Das finde ich halt gut“ (RU11, Z. 983-985).

Abb. 27: Stellungnahmen zum Forschungsprojekt im interpersonalen Profil

Vorteile durch Wissenszuwachs Außerdem erläuterten die pädagogischen Fachkräfte ihre persönlichen Vorteile des Wissenszuwachses durch die Teilnahme am Projekt. „Ich finde das super gut. Weil es wird ganz viel über interkulturelle Erziehung gesprochen, aber ich habe doch nicht so viel vielleicht gemacht. Das finde ich gut, dass so eine Forschungsprojekt gibt“ (RU7, Z. 734f). Tab. 28: Themengruppenbündel zur Beurteilung der Teilnahme am Forschungsprojekt K E Themengruppe

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7

Allg. Zustimmung zum

Ha F Forschungsprojekt

























Vorteile durch Wi F Wissenszuwachs Zustimmung zum konHn F zeptionellen Vorgehen Bedenken zur Bilder Hn F buch- und Spielsituation



Pädagogische Fachkräfte

RU = russisch-deutschsprachig

TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Kompetenzbereiche (K)

Ha = Haltung

Wi = Wissen

Hn = Handlungsrepertoire

Ebenen der Argumentationsperspektiven (E)

F = Fachkraft

T = Team

Differenziertheit der Themen











=

1 Thema







   













 







 





=



2 Themen



=

3 Themen

S = System



=

4 Themen

5  = Themen

228

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

Zustimmung zum konzeptionellen Vorgehen Ferner beurteilten die befragten Fachkräfte das konzeptionelle Vorgehen des Forschungsteams in der Interviewsituation sowie in der Bilderbuch- und Spielsituation insgesamt als vorteilhaft und praxistauglich. „Ich fand auch die Fragen ganz toll formuliert und man hat Lust, sich mitzuteilen. Da ist auch da jemand und interessiert sich für die Arbeit, ja und das wirkt für mich nicht wie ein Abfragen, sondern ich habe Lust, über meine Arbeit zu erzählen“ (DE2, Z. 907-909). „Ich würde so, dass ihr das so weitermacht. Also ich finde gerade, was ihr gewählt habt auch mit den Stofftieren, dieses Nachspielen, das ist das Tollste finde ich, das Buch angucken, da haben die Kinder was in der Hand“ (TR2, Z. 766-768).

Bedenken zur Bilderbuch- und Spielsituation Nur wenige Bedenken wurden von russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften und einer monolingual deutschsprachigen Fachkraft zur Erhebung mit dem Bilderbuch und dem anschließenden freien Spielangebot hinsichtlich der Videographie erwähnt. „Also es war ganz interessant, das war mein erstes sozusagen Video-Aufnahme mit ein Kind und, na ja, als ich da mit dem Kind drin war und als die Kamera an wurde gemacht, da war ich so ein bisschen aufgeregt oder da habe ich sogar von der Video-Aufnahme gemerkt oder gehört. Meine Stimme war ein bisschen nicht so wie normal oder so, wenn ich mit den Kindern rede“ (RU9, Z. 358-361).

Zwischenfazit Allgemein erfuhren die Inhalte und Vorgehensweisen innerhalb des Forschungsprojektes eine hohe Zustimmung durch die beteiligten pädagogischen Fachkräfte. Die Fachkräfte drückten sowohl zum gesamten Konzept des Projektes als auch zum Interviewablauf einschließlich der Bilderbuch- und Spielsituationen durchweg ihre Zufriedenheit aus. Es sei ihnen professionelle Wertschätzung vermittelt worden. Die Teilnahme am Projekt habe für die pädagogischen Fachkräfte fachliche Vorteile aufgezeigt. Mit der Aussicht auf die Qualifizierungsmaßnahme sei eine gewinnbringende Fortbildungsmöglichkeit verknüpft worden. Insgesamt seien auch die Rahmenbedingungen der Erhebungen von den pädagogischen Fachkräften als geeignet empfunden worden.

7.4

Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen

Vor dem Hintergrund der Analyse der Kernthemengruppen sowie des Themenbündels der Stellungnahmen zum Forschungsprojekt wird im Weiteren eine zusammenfassende Betrachtung der Ergebnisse interpersonaler Profilbildung der bilingual russisch-deutschsprachigen und türkisch-deutschsprachigen sowie monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte hinsichtlich ihrer Potenziale im Kon-

7.4 Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen

229

text von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität vorgenommen. Die Kernaussagen der interpersonalen Interviewanalyse beziehen sich zunächst auf qualitative Aspekte der Kompetenzbereiche Haltung, Wissen und Handlungsrepertoire und anschließend auf quantitative Aspekte zur Verteilung der Kompetenzbereiche sowie der Argumentationsebenen Fachkraft, Team und System. Qualitativer Fokus auf den Kompetenzbereich Haltung In der Gesamtschau der qualitativen Interviewauswertung konnten im Fokus der Kompetenzkategorie zur Haltung nachfolgende Kernaussagen über Selbstkonstruktionen pädagogischer Fachkräfte getroffen werden. Hierzu war grundsätzlich eine Wertschätzung gegenüber interkultureller frühpädagogischer Arbeit von den meisten bilingual russisch-deutschsprachigen und türkisch-deutschsprachigen wie auch von monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften zu identifizieren. Darüber hinaus wurden von allen bilingualen und vereinzelt auch von den monolingualen pädagogischen Fachkräften Befürwortungen zur Pflege nicht-deutscher Erstsprachen in den Familien und frühpädagogischen Einrichtungen durchgängig vermittelt. Allerdings waren gelegentlich auch Einschränkungen im Gebrauch nicht-deutscher Erstsprachen von monolingualen wie auch bilingualen Fachkräften zu vernehmen. Diesbezüglich wurde die verstärkte Verwendung von Deutsch als gemeinsame Kommunikationssprache empfohlen. Im Hinblick auf eine gleichwertige Berücksichtigung von Erst- und Zweitsprache äußerten sich hingegen alle russisch-deutschsprachigen pädagogische Fachkräfte und teilweise auch die Fachkräfte der beiden anderen Gruppen. Diese Einstellungen gegenüber dem Spracherwerb und dem Sprachgebrauch im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität standen größtenteils im Zusammenhang mit der sprachlich-kulturellen Identität der pädagogischen Fachkräfte. So konnte festgestellt werden, dass pädagogische Fachkräfte mit einem bewussten Migrationserleben und einem erschwerten Zweitspracherwerb im Jugend- oder Erwachsenenalter eine besonders sensible Haltung zum eigenen Mehrsprachigkeitserwerb und -gebrauch und dem der Kinder in der Kindertagesstätte mitteilten. Dieser Zusammenhang war bei mehreren russisch-deutschsprachigen und vereinzelt auch türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften zu erkennen. Gleichfalls korrelierten die Stellungnahmen dieser Fachkräfte häufig mit der zuversichtlichen Wahrnehmung eigener mehrsprachiger und interkultureller Ressourcen als auch mit der Erkenntnis des eigenen notwendigen Deutscherwerbs in der Bildungs- und Berufsbiographie. Zudem konnten teilweise Bezüge zur Zufriedenheit im Beruf hergestellt werden. Demge-genüber konnten jedoch teilweise Verunsicherungen in der Identitätsbildung pädagogischer Fachkräfte verzeichnet werden, wenn sie in der zweiten Migrationsgeneration als Kinder zugewanderter Eltern in Deutschland aufwuchsen und sie eine diffuse Wahrnehmung ihres mehrsprachigen, interkulturellen Lebenskontextes ausdrückten. Das traf auf einige türkisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte zu.

230

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

Im Gegensatz zu bilingualen Personen mit Migrationshintergrund wurde von monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften in der Regel bemerkt, dass ihnen ein Spektrum an Mehrsprachigkeitserfahrungen und Hintergründe zu anderen Herkunftskulturen fehle. Allerdings traten in den Aussagen der meisten interviewten deutschsprachigen Fachkräfte Offenheit gegenüber anderen Sprachen und Wünsche zur Sprachbeherrschung in Erscheinung, obwohl das Fremdsprachlernen oft eine Hürde sei. So offenbarte sich in den Positionen monolingualer Fachkräfte vereinzelt die Akzeptanz gegenüber des Gebrauchs von Migrationssprachen. Gleichzeitig wurden jedoch der Zweitspracherwerb und der Zweitsprachgebrauch des Deutschen deutlich betont. Qualitativer Fokus auf den Kompetenzbereich Wissen In der Kategorisierung zur Kompetenzkategorie des Wissens wurde in der Interviewauswertung ersichtlich, dass durchaus mehrsprachige und teilweise auch interkulturelle Hintergründe bilingualer pädagogischer Fachkräfte zur Einschätzung sprachlichkommunikativer Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder genutzt wurde. Durchgängig wurden von allen bilingualen pädagogischen Fachkräften Beurteilungen zu sprachlichen Fähigkeiten der betreuten mehrsprachigen Kinder in der konkreten Bilderbuchund Spielsituation vorgenommen. Die bilingualen pädagogischen Fachkräfte schilderten Beobachtungen zur Beherrschung und zur Nutzung der Erst- und Zweitsprache der Kinder. Dabei wurden neben allgemeinen Feststellungen zum (mehr)sprachlich-kommunikativen Verhalten der Kinder teilweise auch differenzierte Einblicke in sprachstrukturelle Fähigkeiten des kindlichen Lexikons und der Wortbedeutungsentwicklung sowie der Wort- und Satzgrammatik vermittelt. Darüber hinaus beurteilten auch alle monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte die beobachteten sprachlich-kommunikativen Erscheinungen der Kinder. Dabei wurde überwiegend nur die Zweitsprachentwicklung und -verwendung im Bereich des deutschen Wortschatzes und ansatzweise in der Grammatik fokussiert. Größtenteils wurden dazu pauschale Aussagen formuliert. Gelegentlich waren flankierende Vermutungen zu Erstsprachfähigkeiten zu registrieren. Über die konkrete Bilderbuch- und Spielsituation hinaus wurden von allen pädagogischen Fachkräften häufig auch sprachlich-kommunikative Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Kinder im Alltag der Einrichtung im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität entsprechend beschrieben. Abgesehen von Betrachtungen der kindlichen Sprache und Kommunikation im engeren Sinne setzten sich in den Befragungen fast alle pädagogischen Fachkräfte mit den Einflussfaktoren zum sprachlich-kommunikativen Verhalten in der Erst- und Zweitsprache der Kinder während der Bilderbuch- und Spielsituation auseinander. Teilweise bemerkten bilinguale pädagogische Fachkräfte ebenso Faktoren, die im Einrichtungsalltag die Kinder im Sprach- und Kommunikationsverhalten beeinflussen. Zudem äußerten bilinguale sowie monolinguale pädagogische Fachkräfte ihr Wissen über die emotionale Funktion der Erstsprache und die Bedeutung kultureller Wurzeln.

7.4 Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen

231

Ferner wurden einzelne Beurteilungen von bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften über kindliche Fähigkeiten durch Kenntnisse zur Kind-UmfeldSituation unterstützt. Das Wissen über Sprache und Kommunikation im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität war hauptsächlich durch praktische Erfahrungen der befragten pädagogischen Fachkräfte geprägt. Stellenweise verfügten vor allem bilinguale pädagogische Fachkräfte über theoriegeleitetes Wissen über Mehrsprachigkeit und interkulturelle Zusammenhänge. Die vorhandenen Wissensbestände schienen für alle pädagogischen Fachkräfte zur Einschätzung der kindlichen Sprachentwicklung und zur Förderung von Sprache und Kommunikation bei mehrsprachigen Kindern mit Migrationshintergrund noch nicht optimal aufgebaut zu sein, da diesbezüglich hohe Wissensbedarfe und Fortbildungswünsche vorgetragen wurden. Ebenfalls konnten Bedürfnisse von monolingualen pädagogischen Fachkräften verzeichnet werden, Einblicke in andere Sprachen zu erhalten. Qualitativer Fokus auf den Kompetenzbereich Handlungsrepertoire Schließlich schlugen sich Aspekte der Haltung und des Wissens pädagogischer Fachkräfte bezüglich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität auch in der Kompetenzkategorie des Handlungsrepertoires nieder. So konnte grundsätzlich ein Methodenrepertoire und Interesse zur interkulturellen Förderung in der frühpädagogischen Einrichtung quer durch alle Fachkräftegruppen und insbesondere von monolingualen Fachkräften festgestellt werden. Zudem wurden interkulturelle Angebote auf konzeptioneller Ebene pädagogischer Teams unabhängig von der sprachlich-kulturellen Zusammensetzung nahezu von allen befragten pädagogischen Fachkräften genannt. Gleichfalls war ein praxisbezogenes Methodenrepertoire im allgemeinen sprachpädagogischen Handeln innerhalb der Selbsteinschätzung aller pädagogischen Fachkräfte zu erkennen. Dabei wurde mehrheitlich ausgesagt, dass Sprachbeobachtung, Sprachbildung und Sprachförderung als Konzept in der Kindertagesstätte umgesetzt werde. Deutlich nahmen dazu monolinguale pädagogische Fachkräfte Stellung. Die Umsetzung spezifischer methodischer Momente zur Unterstützung der mehrsprachigen Entwicklung sprachen hingegen nur bilinguale pädagogische Fachkräfte an. Nach deren Aussagen werde die eigene Erstsprache Russisch bzw. Türkisch vor allem als Sicherheitsfaktor in der Eingewöhnungsphase in der Einrichtung und in emotional belastenden Situationen der Kinder eingesetzt. Alle russischdeutschsprachigen und türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte gaben außerdem an, dass sie in der Bilderbuch- und Spielsituation ihre Erst- und Zweitsprachverwendung flexibel an die Erfordernisse des Gesprächs- und Spielverlaufes mit den Kindern angepasst hätten. Meist reflektierten zudem bilinguale pädagogische Fachkräfte ihre angewandten Gesprächsführungstechniken. Im allgemeinen Zusammenhang mit dem Lenkungs- und Öffnungsverhalten sowie mit der Wahrnehmung von Sprachbeobachtungsmöglichkeiten bezogen teilweise auch monolin-

232

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

guale pädagogische Fachkräfte Stellung. Das eingesetzte Bilderbuch wurde nahezu von allen bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften als besonders geeignet bewertet. Neben der sprachpädagogischen Arbeit mit Kindern im Kontext sprachlich-kultureller Diversität zeichnete sich im Handlungsrepertoire der pädagogischen Fachkräfte eine intensive Elternarbeit im Hinblick auf Partizipation und Austausch im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität ab. Dazu wurde der Einsatz der eigenen Erstsprache von annähernd allen bilingualen pädagogischen Fachkräften in der Kommunikation mit russisch- bzw. türkischsprachigen Eltern verdeutlicht. Von monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften wurde der eigene Kenntnismangel über andere Sprachen als Manko beschrieben. Dementsprechend würden sie bilinguale Kolleginnen und Kollegen um Unterstützung bei der Kommunikation mit Kindern und Eltern mit Migrationssprachen ersuchen. Wie in den vorangegangenen Absätzen aufgezeigt, zielte das Handlungsrepertoire der befragten pädagogischen Fachkräfte einerseits auf eine mehrsprachige und interkulturelle Förderung mit spezifischen Handlungsmöglichkeiten durch den Einsatz der Erstsprachen bilingualer pädagogischer Fachkräfte. Andererseits bezog sich das dargelegte Handlungsrepertoire lediglich auf allgemeine (sprach)pädagogische Konzepte und interkulturelle Angebote insbesondere der monolingualen Fachkräfte. Deshalb wurde im Bereich des Handlungsrepertoires ebenso wie im Wissensbereich vor allem im Kontext von Mehrsprachigkeit und teilweise im interkulturellen Handeln ein deutlicher Unterstützungs- und Fortbildungsbedarf zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung ausgedrückt. Zusätzlich wünschten sich bilinguale pädagogische Fachkräfte eine kooperative Unterstützung und institutionelle Qualifizierung in ihrem Zweitspracherwerb, sofern sie ihre unsicheren Deutschkenntnisse als Beeinträchtigung in ihrem beruflichen Handeln wahrgenommen hatten. Quantitativer Fokus auf die Verteilung der Kompetenzbereiche: Haltung – Wissen – Handlungsrepertoire In der vorangegangenen Fokussierung qualitativer Aspekte zu den Kompetenzkategorien der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires wurden neben inhaltlichen Kernaussagen zu Potenzialen pädagogischer Fachkräfte zur mehrsprachigen und interkulturellen frühpädagogischen Arbeit bereits auch Proportionen hinsichtlich der Relevanz für russisch-deutschsprachige, türkisch-deutschsprachige und monolingual deutschsprachige pädagogische Fachkräfte dargelegt. In den folgenden Abschnitten werden quantitative Aspekte weiter im Hinblick auf die Verteilung der Kompetenzbereiche sowie der Argumentationsebenen zusammengefasst. Mit dem Blick auf das gesamte Interviewmaterial aller pädagogischen Fachkräfte der Stichprobe war zu erkennen, dass durchgängig die meisten Schilderungen und Argumente der Interviewten dem Kompetenzbereich des Handlungsrepertoires zuzuordnen waren (s. Anhang 4, S. 342). Der Anteil intrapersonaler Codings in der Kate-

7.4 Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen

233

gorie des Handlungsrepertoires stellte im Durchschnitt aller Interviews mit 56 % knapp über die Hälfte aller kodierten Textteile. Deutlich weniger Codings wurden in der Kategorie des Wissens mit 27 % sowie in der Kategorie der Haltung mit 17 % generiert (s. Abb. 28, S. 233). So nahmen die Aussagen zum Handlungsrepertoire der befragten pädagogischen Fachkräfte einen besonders hohen thematischen Stellenwert ein. Diese ungleiche Kategorienzuordnung ergab sich dadurch, dass die pädagogischen Fachkräfte in den Interviews auf die Frageimpulse zum Handlungsrepertoire ausführlicher antworteten.

Abb. 28: Verteilung der Kompetenzbereiche im Vergleich kodierter Textstellen und generierter Themengruppen

Die Proportionen der Themenanteile zwischen den Kategorien der Kompetenzbereiche der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires verschoben sich in den Ergebnissen des intrapersonalen deduktiven Kodierens und der intrapersonalen induktiven Themengenerierung sowie bei der interpersonal vergleichenden Themengruppierung geringfügig. Im Analyseprozess von der intrapersonalen zur interpersonalen Profilbildung fand eine leichte Angleichung aller drei Kategorien statt. Dementsprechend wurden in der Kategorie des Handlungsrepertoires 35 Themengruppen interpersonal zusammengefasst. In den Kategorien des Wissens und der Haltung wurden jeweils 16 Themengruppen zugeordnet (s. Anhang 5, S. 343). Das entspricht etwa einer prozentualen Verteilung von 52 % im Bereich des Handlungsrepertoires sowie 24 % im Bereich des Wissens und 24 % im Bereich der Haltung (s. Abb. 28, S. 233). Somit ist im Vergleich der Anzahl der Codings zur Anzahl der Themengruppen eine minimale Diskrepanz zu bemerken. Die Kategorie des Handlungsrepertoires mit den durchschnittlich umfangreichsten Aussagen zeigt sich etwas weniger themendifferenziert gegenüber der Kategorie der Haltung mit der allgemein geringsten Aussagehäufung, aber mit der höchsten thematischen Dichte. Die thematische Dichte bzw. die Differenziertheit der Themen ergab sich aus der Anzahl der generierten Themen und Themengruppen.

234

7 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt I

Quantitativer Fokus auf die Verteilung der Argumentationsebenen: Fachkraft – Team – System Eine weitere proportionale Besonderheit offenbarte sich im Hinblick auf die Ebenen der Argumentationsperspektiven. Insgesamt wurde in den Befragungen mit einem Anteil von gut zwei Drittel aller Themengruppen aus der persönlichen Sicht der Fachkraft-Ebene geschildert und argumentiert (s. Anhang 5, S. 343). Besonders in den Kompetenzkategorien der Haltung und des Wissens wurden Schilderungen und Argumentationen mit 67 % überwiegend aus der persönlichen Sicht der pädagogischen Fachkräfte vorgenommen (s. Abb. 29, S. 234). Lediglich in der Kategorie des Handlungsrepertoires lag der Anteil der generierten Themengruppen auf der Ebene der Team-Identität mit 30 % (s. Anhang 5, S. 343) leicht höher als bei den anderen beiden Kompetenzbereichen (s. Abb. 29, S. 234).

Abb. 29: Verteilung der Argumentationsebenen der Themengruppen im Vergleich der Kompetenzbereiche

In allen Kompetenzbereichen zeichneten sich mit 8 % am wenigsten Themengruppen (s. Anhang 5, S. 343) auf der administrativen und gesellschaftlichen SystemEbene ab (s. Abb. 29, S. 234). Mit Bezug auf die System-Ebene wurde nur dann von den pädagogischen Fachkräften argumentiert, wenn Kritik am Bildungssystem hinsichtlich existierender Handlungsbedingungen geübt wurde und Veränderungswünsche vorgetragen wurden. Dabei bezogen sich bilinguale pädagogische Fachkräfte vermehrt auf die mehrsprachige und interkulturelle Arbeit und monolinguale Fachkräfte ausschließlich auf die allgemeine sprachpädagogische Arbeit. Mit der Auswertung der Interviewerhebung kann als Zwischenergebnis bereits festgehalten werden, dass bilinguale pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund

7.4 Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen

235

sowie deutschsprachige pädagogische Fachkräfte mit deutschen Wurzeln im Allgemeinen vermittelten, dass die frühpädagogische Arbeit erfolgreich bewältigt werden könne. Generell zeigten alle pädagogischen Fachkräfte eine positive Einstellung gegenüber sprachlich-kultureller Diversität. Insbesondere erhöhten erfahrungsbasiertes Wissen sowie eigene Erlebnisse der Migration und im Deutschspracherwerb das Bewusstsein für sprachliche Prozesse und unterstützten die Sprachbeobachtung. Ferner werde von bilingualen Fachkräften die Erstsprache in der Kommunikation mit mehrsprachigen Kindern und Eltern größtenteils eingesetzt, wenn ein Gefühl der Sicherheit vermitteln werden solle. Allerdings waren bei allen pädagogischen Fachkräften im Umgang mit Mehrsprachigkeit auch Verunsicherungen zu identifizieren. Außerdem bestand ein Bedürfnis, das explizite Wissen über Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu erweitern. Zudem wurde Stärkung und Unterstützung in der frühpädagogischen Arbeit mit mehrsprachigen Kindern mit Migrationshintergrund als notwendig erachtet und von den pädagogischen Fachkräften gewünscht. Insofern war es zielführend, in der BiKES-Studie weiter zu untersuchen, wie sich Ausgangspotenziale pädagogischer Fachkräfte im Rahmen einer Intervention durch einen Qualifizierungskurs entwickelten.

8

Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II – Potenzialentwicklung von Sprachbeobachtungskompetenzen

Nachdem die Potenzialkonstellationen bilingualer und monolingualer pädagogischer Fachkräfte im Kontext mehrsprachiger und interkultureller frühpädagogischer Arbeit herausgestellt wurden (s. Kap. 7), wird im nachfolgenden achten Kapitel der Analyseschwerpunkt darauf gelegt, wie sich die Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte im Zuge einer Qualifizierungsmaßnahme im Bereich der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder mit Migrationshintergrund zu zwei Messzeitpunkten (Ersterhebung = MZP1; Zweiterhebung = MZP2) veränderten (s. Forschungsfragen II. 1–5). Dazu wurden die Ergebnisse der Bearbeitung von vier Fallvignetten in der Erst- und Zweiterhebung anhand schriftlicher Einschätzungen der pädagogischen Fachkräfte auf dem BiKES-Beobachtungsbogen (s. Kap. 6.5.2.3) zunächst qualitativ ausgewertet. Um darüber hinaus Veränderungen in der Gesamtschau darlegen zu können, wurden die Ergebnisse nach der korrekten Hauptkategorienanzahl (s. Kap. 6.5.2.6) jeweils quantifiziert miteinander verglichen. Damit sollen Belege für eine erfolgreiche Nutzung vorhandener Potenziale pädagogischer Fachkräfte im Kontext der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder offen gelegt werden. Die Erfassung der Ergebnisse zu den Fallvignetten erfolgt in der Gliederung der mehrsprachigen Kontexte zuerst in der russisch-deutschsprachigen (s. Kap. 8.1) und danach in der türkisch-deutschsprachigen Konstellation der Fallbeispiele (s. Kap. 8.2). Im Anschluss daran werden reflektierende Stellungnahmen der pädagogischen Fachkräfte zu den Fallvignetten dargestellt, um die Eignung der Fallvignetten zusätzlich einschätzen zu können (s. Kap. 8.3). Ferner liefert ein zusammenfassender qualitativer sowie quantitativer Überblick Kernaussagen zur Entwicklung von Sprachbeobachtungskompetenzen pädagogischer Fachkräfte im mehrsprachigen Kontext (s. Kap. 8.4).

8.1

Erfassung von Fallvignetten im russisch-deutschsprachigen Kontext

Die Fallvignetten mit russisch-deutschsprachiger Konstellation bezogen sich auf die Fallbeispiele ‚Katja‘ (s. Kap. 8.1.1) und ‚Sascha‘ (s. Kap. 8.1.2). Diese beiden Fallbeispiele unterschieden sich im Wesentlichen dadurch, dass im Fallbeispiel ‚Katja‘ ein erschwerter Zweitspracherwerb im Deutschen mit altersgerechten russischen Erstsprachfähigkeiten beobachtet und im Fallbeispiel ‚Sascha‘ eine genuine Sprachentwicklungsstörung in der Erst- und Zweitsprache identifiziert werden konnte (s. Kap. 6.5.2.2).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3_8

238

8.1.1

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Fallvignette ‚Katja‘

Ersterhebung ‚Katja‘ – MZP1 Bei der qualitativen Analyse schriftlicher Lösungen der pädagogischen Fachkräfte zur Fallvignette ‚Katja‘ war festzustellen, dass bereits zum MZP1 von fast allen russisch-deutschsprachigen Fachkräften zwei wesentliche Hauptkategorien zur Einschätzung der mehrsprachigen Fähigkeiten des Mädchens genannt wurden (s. Tab. 29, S. 239). Es handelte sich sowohl um das korrekte Erkennen einer altersgerechten Erstsprachentwicklung wie auch um die schlüssige Ableitung einer präventiven und spezifischen Sprachförderung im Deutscherwerb. Entsprechend wurde von den russisch-deutsch-sprachigen pädagogischen Fachkräften ein sicherer und bevorzugter Erstsprachgebrauch des Kindes im Russischen notiert und mit Beobachtungen bezüglich des Wortschatzes und der Grammatik belegt. Zudem wurden geeignete Maßnahmen für den Zweitspracherwerb in der expressiven wie auch rezeptiven Dimension aufgeführt. Es wurde empfohlen, häufig Bilderbücher und Hörgeschichten sowie Erzählungen und Gespräche auf Deutsch anzubieten, Kontakte zu deutschsprachigen Kindern durch einen regelmäßigen Kita-Besuch herzustellen und Gespräche auf Deutsch zusätzlich zu Hause anzuregen. Bezüglich der Einschätzung der kindlichen Zweitsprachfähigkeiten als dritte Hauptkategorie wurden jedoch nur von der Hälfte der russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte Angaben mit eher pauschalen Charakterisierungen gemacht. Beispielsweise wurde ausgedrückt, dass ein geringer Deutschsprachgebrauch vorläge, das Kind Zeit und Unterstützung benötige und es sich bemühe, Wörter einzuprägen. Im Vergleich dazu registrierten mit ähnlich allgemeinen Stichpunkten etwas mehr deutschsprachige pädagogische Fachkräfte, aber lediglich eine türkisch-deutschsprachige Fachkraft einen erschwerten Deutschspracherwerb im Fallbeispiel. Beurteilungen zu den Erstsprachfähigkeiten des Mädchens erfolgten allerdings ausschließlich als vage Vermutungen hinsichtlich einer altersentsprechenden Entwicklung. Trotzdem kamen alle türkisch-deutsch-sprachigen und überdurchschnittlich viele deutschsprachige pädagogische Fachkräfte zu dem Schluss, dass eine präventive und gezielte Förderung der Zweitsprache Deutsch angebracht sei, indem ziemlich übereinstimmende Empfehlungen wie bei den russisch-deutsch-sprachigen Fachkräften schriftlich fixiert wurden. Wenige bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte der Qualifizierungsmaßnahmen beurteilten zusätzlich sprachliche Fähigkeiten des Mädchens im Rahmen des Deutscherwerbes in der Kategorie der Aussprache sowie der Wortschatzund der Grammatikentwicklung. Weiterhin wurden auch vereinzelt korrekte Beobachtungen im Bereich des Kommunikationsverhaltens festgehalten und Ideen zur Sicherung der Erstsprachentwicklung vermerkt. Dazu wurde vor allem für den Gebrauch der Erstsprache Russisch in der Kindertagesstätte und in der Familie plädiert.

8.1 Erfassung von Fallvignetten im russisch-deutschsprachigen Kontext

239

Tab. 29: Erfassung der Fallvignette ‚Katja‘ zur Ersterhebung (MZP1) Kategorien Altersgerechte Erstsprachentwicklung Verzögerte Erstsprachentwicklung Beinträchtigte Erstsprachentwicklung Typischer Zweitspracherwerb Erschwerter Zweitspracherwerb Beeinträchtigung in der Zweitsprache Erstsprachlicher lautlicher Transfer Phonetischphonologische Prozesse Geringer Zuwachs Wortschatz Deutsch Beeinträchtigter Wortschatz u. bedeutung Verzögerte gramm. Entwickl. Deutsch Beeintr. gramm. Entwicklung, Regelstrukturen Beobachtungen der Kommunikation Beobachtungen der Mimik, Gestik, Blickkont. Altersgerechte Entwickl. in Basiskompetenzen Beeinträcht. in Basiskompetenzen Förderung des Erstsprachgebrauchs Präventive u. spezif. Sprachförd. Deutsch Sprachtherapeut. Intervention notwendig

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7





















































Ärztliche Abklärung

Pädagogische Fachkräfte KategorienTypen KategorienErfassung

RU = russisch-deutschsprachig Hauptkategorien



=

korrekte Hauptkategorie



TR = türkisch-deutschsprachig

DE = deutschsprachig

Nebenkategorien

nicht zutreffende Kategorien

unsicher = vermutete Hauptkategorie



korrekte

= Nebenkategorie



nicht korrekte

= Kategorie

240

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Insgesamt waren keine falschen Einschätzungen der pädagogischen Fachkräfte in den Aufzeichnungen des Beobachtungsbogens vorzufinden. Zweiterhebung ‚Katja‘ – MZP2 Die schriftlichen Lösungen aller pädagogischen Fachkräfte zur Fallvignette ‚Katja‘ zeigten in der Auswertung zum MZP2 ein hohes Maß an korrekten und differenzierten Beurteilungen in den drei Hauptkategorien der Erfassung einer altersgerechten Erstsprachentwicklung und eines erschwerten Zweitspracherwerbes des Kindes sowie einer plausiblen Ableitung einer präventiven und spezifischen Sprachförderung im Deutschen (s. Tab. 30, S. 241). Dabei belegten die Aussagen zur Erstsprache Russisch einen noch genaueren Blick aller pädagogischen Fachkräfte im Vergleich zum MZP1. Es wurden die sehr guten Fähigkeiten des Mädchens im bevorzugten Gebrauch des Russischen mit altersgemäßen grammatischen Regelstrukturen ausgedrückt. Außerdem wurde der erschwerte Deutschspracherwerb mit der knapp zweijährigen Kontaktzeit mit der Zweitsprache folgerichtig begründet und insbesondere von deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften mit Hinweisen auf Wortschatz- und Grammatikdefizite erläutert. Überdies nahmen einige deutschsprachige pädagogische Fachkräfte dennoch die erfolgreichen kindlichen Bemühungen in der Abspeicherung deutscher Wörter während des Bilderbuchlesens wahr und räumten deshalb dem Deutscherwerb des Mädchens bis zum Schuleintritt bei einer Optimierung der Sprachlernbedingungen gute Chancen ein. Ferner bemerkten einzelne bilinguale und mehrere monolinguale pädagogische Fachkräfte das aktive, offene und selbstbewusste Sprachhandeln des Kindes. Eine Förderung des Zweitspracherwerbes erachteten schließlich alle pädagogischen Fachkräfte als notwendig und schlugen dazu geeignete und detaillierte Möglichkeiten korrekt vor. Dabei wurden vor allem einzelne Methoden zur Sprachförderung aufgelistet, explizit der Wortschatz und Grammatikerwerb angesprochen sowie die kommunikative Funktion zu deutschsprachigen Kindern und Erwachsenen in der Kindertagesstätte und im Kind-Umfeld genannt. Neben der angezeigten Deutschförderung wurde weiterhin der Gebrauch der Erstsprache von einigen pädagogischen Fachkräften fundiert befürwortet. Ebenso wie zum MZP1 wurden auch zum MZP2 keine Fehleinschätzungen in den unterschiedlichen Kategorien vorgenommen.

8.1 Erfassung von Fallvignetten im russisch-deutschsprachigen Kontext

241

Tab. 30: Erfassung der Fallvignette ‚Katja‘ zur Zweiterhebung (MZP2) Kategorien

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7

Altersgerechte Erstsprachentwicklung Verzögerte Erstsprachentwicklung Beinträchtigte Erstsprachentwicklung Typischer Zweitspracherwerb Erschwerter Zweitspracherwerb Beeinträchtigung in der Zweitsprache Erstsprachlicher lautlicher Transfer Phonetischphonologische Prozesse Geringer Zuwachs Wortschatz Deutsch Beeinträchtigter Wortschatz u. bedeutung Verzögerte gramm. Entwickl. Deutsch Beeintr. gramm. Entwicklung, Regelstrukturen Beobachtungen der Kommunikation Beobachtungen der Mimik, Gestik, Blickkont. Altersgerechte Entwickl. in Basiskompetenzen Beeinträcht. in Basiskompetenzen Förderung des Erstsprachgebrauchs Präventive u. spezif. Sprachförd. Deutsch Sprachtherapeut. Intervention notwendig



































































Ärztliche Abklärung

Pädagogische Fachkräfte KategorienTypen KategorienErfassung

RU = russisch-deutschsprachig Hauptkategorien



=

korrekte Hauptkategorie

TR = türkisch-deutschsprachig Nebenkategorien



unsicher = vermutete Hauptkategorie



=

DE = deutschsprachig nicht zutreffende Kategorien korrekte Nebenkategorie



=

nicht korrekte Kategorie

242

8.1.2

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Fallvignette ‚Sascha‘

Ersterhebung ‚Sascha‘ – MZP1 In der Fallvignette ‚Sascha‘ formulierten zum MZP1 bereits mehr als die Hälfte der russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte Stichpunkte zu einer der Hauptkategorien und wiesen damit korrekt auf die beeinträchtigte Erstsprachentwicklung des Jungen im Russischen hin (s. Tab. 31, S. 243). Außerdem erfassten die Hälfte der russisch-deutschsprachigen Fachkräftegruppe Beeinträchtigungen im Deutschspracherwerb. Die Angaben der Fachkräfte enthielten jedoch überwiegend Stichpunkte, die die Problematik im Erst- und Zweitspracherwerb des Kindes nur grob erschlossen. Im Wesentlichen wurde nur auf die undeutliche Aussprache zusätzlich verwiesen. So leitete lediglich eine russisch-deutschsprachige pädagogische Fachkraft die Dringlichkeit einer sprachtherapeutischen bzw. logopädischen Behandlung ab. Für eine Aufnahme von Sprachtherapie bzw. Logopädie sprachen sich zwar die Hälfte der deutschsprachigen Fachkräfte und eine türkisch-deutschsprachige Fachkraft aus, aber die wenigen Vermutungen zur beeinträchtigten Erstsprache des Kindes wurden ohne sichere Erklärung abgegeben. Gleichfalls lagen zu den Beeinträchtigungen in der Zweitsprache nur bei einer pädagogischen Fachkraft zusätzliche Beschreibungen zur undeutlichen Aussprache sowie zum nicht altersgerechten Wortschatz, Satzbau und Artikelgebrauch vor. So zogen schließlich fast alle bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräfte falsche Schlüsse für die Intervention und gaben einer präventiven bzw. spezifischen Sprachförderung gegenüber einer sprachtherapeutischen bzw. logopädischen Maßnahme den Vorrang. Einige pädagogische Fachkräfte regten dennoch fachlich richtig eine flankierende Förderung der Erstsprache Russisch in der Familie und in der Kindertagesstätte an.

8.1 Erfassung von Fallvignetten im russisch-deutschsprachigen Kontext

243

Tab. 31: Erfassung der Fallvignette ‚Sascha‘ zur Ersterhebung (MZP1)

Kategorien Altersgerechte Erstsprachentwicklung Verzögerte Erstsprachentwicklung Beinträchtigte Erstsprachentwicklung Typischer Zweitspracherwerb Erschwerter Zweitspracherwerb Beeinträchtigung in der Zweitsprache Erstsprachlicher lautlicher Transfer Phonetischphonologische Prozesse Geringer Zuwachs Wortschatz Deutsch Beeinträchtigter Wortschatz u. bedeutung Verzögerte gramm. Entwickl. Deutsch Beeintr. gramm. Entwicklung, Regelstrukturen Beobachtungen der Kommunikation Beobachtungen der Mimik, Gestik, Blickkont. Altersgerechte Entwickl. in Basiskompetenzen Beeinträcht. in Basiskompetenzen Förderung des Erstsprachgebrauchs Präventive u. spezif. Sprachförd. Deutsch Sprachtherapeut. Intervention notwendig

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7





















 

 









 

  























 































Ärztliche Abklärung

Pädagogische Fachkräfte KategorienTypen KategorienErfassung

RU = russisch-deutschsprachig Hauptkategorien



=

korrekte Hauptkategorie

TR = türkisch-deutschsprachig Nebenkategorien



unsicher = vermutete Hauptkategorie



DE = deutschsprachig nicht zutreffende Kategorien

=

korrekte Nebenkategorie



=

nicht korrekte Kategorie

244

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Zweiterhebung ‚Sascha‘ – MZP2 Zum MZP2 veränderten sich die schriftlichen Beurteilungen zur Fallvignette ‚Sascha‘quer durch alle pädagogische Fachgruppen. Alle drei Hauptkategorien wurden von fast allen bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften korrekt aufgeführt (s. Tab. 32, S. 245). Den beeinträchtigten Erst- wie auch den Zweitspracherwerb des Jungen bezeichneten die pädagogischen Fachkräfte als nicht altersgerecht, eingeschränkt, erschwert oder gestört. Explizit wurde von einigen pädagogischen Fachkräften von einer Sprachentwicklungsstörung gesprochen. Zudem wurden detailliert auf unterschiedlichen Sprachebenen die kindlichen sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten charakterisiert. Dabei wurde die undeutliche Aussprache bemerkt, ebenso der geringe Wortschatz in beiden Sprachen wie auch insbesondere die fehlerhafte Verbstellung, Verbklammer und Verbflexion. Vor dem Hintergrund einer korrekten und vorwiegend differenzierten Erfassung der kindlichen Entwicklung im Russischen wie auch im Deutschen kamen die russischdeutsch-sprachigen pädagogischen Fachkräfte mit nur einer Ausnahme zu dem fachkundigen Schluss, dass der Junge eine sprachtherapeutische bzw. logopädische Unterstützung benötige. Auch türkisch-deutschsprachige und monolingual deutschsprachige pädagogische Fachkräfte erzielten zum großen Teil ähnlich korrekte Interventionsableitungen. Sinnvoll erwähnten deutschsprachige pädagogische Fachkräfte sogar eine Behandlung in beiden Sprachen des Kindes. Zusätzlich gaben alle türkisch-deutschsprachigen, viele russisch-deutschsprachige Fachkräfte und eine deutschsprachige Fachkraft den Rat, ebenfalls den Deutscherwerb pädagogisch in der frühpädagogischen Einrichtung zu fördern. Außerdem wurde vereinzelt von bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften die Förderung der Erstsprache als gleichwertig erachtet.

8.1 Erfassung von Fallvignetten im russisch-deutschsprachigen Kontext

245

Tab. 32: Erfassung der Fallvignette ‚Sascha‘ zur Zweiterhebung (MZP2)

Kategorien Altersgerechte Erstsprachentwicklung Verzögerte Erstsprachentwicklung Beinträchtigte Erstsprachentwicklung Typischer Zweitspracherwerb Erschwerter Zweitspracherwerb Beeinträchtigung in der Zweitsprache Erstsprachlicher lautlicher Transfer Phonetischphonologische Prozesse Geringer Zuwachs Wortschatz Deutsch Beeinträchtigter Wortschatz u. bedeutung Verzögerte gramm. Entwickl. Deutsch Beeintr. gramm. Entwicklung, Regelstrukturen Beobachtungen der Kommunikation Beobachtungen der Mimik, Gestik, Blickkont. Altersgerechte Entwickl. in Basiskompetenzen Beeinträcht. in Basiskompetenzen Förderung des Erstsprachgebrauchs Präventive u. spezif. Sprachförd. Deutsch Sprachtherapeut. Intervention notwendig

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7





























KategorienErfassung





























 





 





Ärztliche Abklärung

Pädagogische Fachkräfte KategorienTypen



 











korrekte Hauptkategorie





















Hauptkategorien =





RU = russisch-deutschsprachig









TR = türkisch-deutschsprachig Nebenkategorien



unsicher = vermutete Hauptkategorie



=

DE = deutschsprachig nicht zutreffende Kategorien korrekte Nebenkategorie



=

nicht korrekte Kategorie

246

8.2

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Erfassung von Fallvignetten im türkisch-deutschsprachigen Kontext

Im Rahmen der Fallvignetten im türkisch-deutschsprachigen Kontext befassten sich alle pädagogischen Fachkräfte mit dem Fallbeispiel ‚Esma‘ (s. Kap. 8.2.1) und mit dem Fallbeispiel ‚Demircan‘ (s. Kap. 8.2.2). Während im erstgenannten Fallbeispiel ein erschwerter Deutschspracherwerb des Kindes mit altersentsprechenden Fähigkeiten in der Erstsprache Türkisch vorlag, bestand bei dem Kind im zweiten Fallbeispiel eine genuine Sprachentwicklungsstörung in der Erstsprache Türkisch wie auch in der Zweitsprache Deutsch (s. Kap. 6.5.2.2). 8.2.1

Fallvignette ‚Esma‘

Ersterhebung ‚Esma‘ – MZP1 Im Rahmen der Fallvignette ‚Esma‘ notierten zum MZP1 zwei türkisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte Hinweise zum guten Sprachverständnis und zur erwerbsgerechten Produktion ganzer Sätze im Türkischen, welche der Hauptkategorie der altersentsprechenden Erstsprachentwicklung zuzuordnen waren (s. Tab. 33, S. 247). Zu einer ähnlichen Einschätzung kamen auch wenige pädagogische Fachkräfte mit nicht-türkischer Erstsprache, wobei ihre Vermutungen hinsichtlich einer guten Wortschatzverwendung nicht auf sicheren Einblicken in das Türkische beruhten. Diese Unsicherheiten führten neben zutreffenden Vermutungen auch zu einer falschen Beurteilung zu den Erstsprachfähigkeiten des Mädchens. Zu den Fähigkeiten in der Zweitsprache Deutsch formulierten die Hälfte aller bilingualen pädagogischen Fachkräfte und eine monolinguale deutschsprachige Fachkraft, dass das Mädchen eine undeutliche Aussprache aufweise und die Sprache noch nicht adäquat verwenden könne. Teilweise wurden diese Aussagen jedoch von türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte nicht auf einer sicheren Kenntnisbasis getroffen. Vor dem Hintergrund lückenhafter Einschätzungen zur Erst- und Zweitsprachentwicklung des Kindes leiteten trotzdem mehr als die Hälfte der türkisch-deutschsprachigen und der deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte sowie einer russischdeutschsprachigen Fachkraft eine notwendige präventive bzw. spezifische Sprachförderung im Deutschen ab. Zudem bekräftigten viele bilinguale und monolinguale Fachkräfte die Wichtigkeit, das Mädchen ebenso in seiner Erstsprache durch spielerisch-kommunikative Angebote auf verschiedenen Ebenen im Elternhaus zu fördern. Diese Empfehlungen standen bei einigen pädagogischen Fachkräften zusätzlich im Zusammenhang mit Beobachtungen zum unsicheren und gehemmten Kommunikationsverhalten des Kindes.

8.2 Erfassung von Fallvignetten im türkisch-deutschsprachigen Kontext

247

Tab. 33: Erfassung der Fallvignette ‚Esma‘ zur Ersterhebung (MZP1)

Kategorien

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7

Altersgerechte Erstsprachentwicklung Verzögerte Erstsprachentwicklung Beinträchtigte Erstsprachentwicklung Typischer Zweitspracherwerb Erschwerter Zweitspracherwerb Beeinträchtigung in der Zweitsprache Erstsprachlicher lautlicher Transfer Phonetischphonologische Prozesse Geringer Zuwachs Wortschatz Deutsch Beeinträchtigter Wortschatz u. bedeutung Verzögerte gramm. Entwickl. Deutsch Beeintr. gramm. Entwicklung, Regelstrukturen Beobachtungen der Kommunikation Beobachtungen der Mimik, Gestik, Blickkont. Altersgerechte Entwickl. in Basiskompetenzen Beeinträcht. in Basiskompetenzen Förderung des Erstsprachgebrauchs Präventive u. spezif. Sprachförd. Deutsch Sprachtherapeut. Intervention notwendig







































 

































Ärztliche Abklärung

Pädagogische Fachkräfte KategorienTypen KategorienErfassung

RU = russisch-deutschsprachig Hauptkategorien



=

korrekte Hauptkategorie

TR = türkisch-deutschsprachig Nebenkategorien



unsicher = vermutete Hauptkategorie



DE = deutschsprachig nicht zutreffende Kategorien

=

korrekte Nebenkategorie



=

nicht korrekte Kategorie

248

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Zweiterhebung ‚Esma‘ – MZP2 Das Fallbeispiel ‚Esma‘ wurde zum MZP2 von den pädagogischen Fachkräften im Hinblick auf zwei der Hauptkategorien, nämlich der altersgerechten Erstsprachentwicklung sowie der Ableitung zur präventiven bzw. spezifischen Sprachförderung im Deutschen, deutlich präziser eingeschätzt als zum MZP1 (s. Tab. 34, S. 249). In der Zweiterhebung gelang es türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften am besten, die Erstsprache des Mädchens hinsichtlich der Fähigkeiten im Wortschatz sowie der Verbstellung und Nebensatzbildung zu beurteilen. Doch auch einige deutschsprachige und russisch-deutschsprachige Fachkräfte vermochten Indikatoren zum Erkennen des türkischen Wortschatzes und der Einleitung von Nebensätzen korrekt anzuwenden. Somit wurden von der Hälfte der türkisch-deutschsprachigen wie auch von den meisten russisch-deutschsprachigen und sogar von allen deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften differenzierte Empfehlungen zum gezielten Deutscherwerb in der Kindertagesstätte und in der Familie genannt. Die vermerkten Stichpunkte beschrieben verschiedene geeignete sprachpädagogische Methoden und verwiesen auf eine erforderliche kontinuierliche Beobachtung der Sprachentwicklung des Kindes. Bei einer optimierten präventiven sprachlichen Förderung sahen einige pädagogische Fachkräfte durchaus erfolgreiche Perspektiven im Deutschspracherwerb des Kindes. Zugleich wurde in den schriftlichen Aufzeichnungen von einigen pädagogischen Fachkräften sinnvoll der weitere Gebrauch und der Aufbau des Türkischen durch die Eltern angeregt. Wenngleich von den bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften zum MZP2 deutlich häufiger korrekte Interventionsableitung getroffen wurden, waren jedoch die Angaben zu den sprachlichen Fähigkeiten im Deutschen gegenüber dem MZP1 nicht viel aussagefähiger und exakter. Diesbezüglich zeigten sich die Stichpunkte in der Zweiterhebung ähnlich fragmentarisch wie in der Ersterhebung. Überdies wurden vereinzelt kontaktzeitgerechte Zweitsprachfähigkeiten unzutreffend attestiert.

8.2 Erfassung von Fallvignetten im türkisch-deutschsprachigen Kontext

249

Tab. 34: Erfassung der Fallvignette ‚Esma‘ zur Zweiterhebung (MZP2)

Kategorien Altersgerechte Erstsprachentwicklung Verzögerte Erstsprachentwicklung Beinträchtigte Erstsprachentwicklung Typischer Zweitspracherwerb Erschwerter Zweitspracherwerb Beeinträchtigung in der Zweitsprache Erstsprachlicher lautlicher Transfer Phonetischphonologische Prozesse Geringer Zuwachs Wortschatz Deutsch Beeinträchtigter Wortschatz u. bedeutung Verzögerte gramm. Entwickl. Deutsch Beeintr. gramm. Entwicklung, Regelstrukturen Beobachtungen der Kommunikation Beobachtungen der Mimik, Gestik, Blickkont. Altersgerechte Entwickl. in Basiskompetenzen Beeinträcht. in Basiskompetenzen Förderung des Erstsprachgebrauchs Präventive u. spezif. Sprachförd. Deutsch Sprachtherapeut. Intervention notwendig

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7



KategorienErfassung































 













Ärztliche Abklärung

Pädagogische Fachkräfte KategorienTypen









Hauptkategorien korrekte Hauptkategorie





RU = russisch-deutschsprachig

=











TR = türkisch-deutschsprachig Nebenkategorien



unsicher = vermutete Hauptkategorie



DE = deutschsprachig nicht zutreffende Kategorien

=

korrekte Nebenkategorie



=

nicht korrekte Kategorie

250

8.2.2

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Fallvignette ‚Demircan‘

Ersterhebung ‚Demircan‘ – MZP1 Zum Fallbeispiel ‚Demircan‘ wurden zum MZP1 von den türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften keine Stichpunkte in der Zuordnung zu den drei Hauptkategorien notiert (s. Tab. 35, S. 251). Hierzu äußerten sich nur eine russischdeutschsprachige und eine deutschsprachige pädagogische Fachkraft, indem vage und pauschale Vermutungen zur beeinträchtigten Erst- und Zweitsprachentwicklung des Jungen im Sinne einer Sprachentwicklungsstörung formuliert wurden. Außerdem gingen fälschlicherweise einige deutschsprachige pädagogische Fachkräfte lediglich von einer verzögerten Erstsprachentwicklung und einem erschwertem Zweitspracherwerb aus. Das Fallbeispiel regte hingegen viele bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte dazu an, eingehender das allgemeine kommunikative Verhalten zu charakterisieren und weniger die sprachlichen Schwierigkeiten des Kindes im Türkischen und im Deutschen zu bestimmen. Dabei beobachteten die Fachkräfte zutreffend die starke Sprechhemmung und die geringe Sprechmotivation des Jungen und hielten entsprechende Stichpunkte fest. Auf dieser Beobachtungsgrundlage empfahlen viele der bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräfte, neben der Förderung und Abklärung der Erstsprachfähigkeiten, eine präventive bzw. spezifische Zweitsprachförderung im Deutschen. Differenziert wurden dazu Vorschläge für eine interessengerechte und ressourcenorientierte Sprachförderung in beiden Sprachen des Kindes vermerkt. Ferner sei den pädagogischen Fachkräften wichtig, dem Jungen motivierende und selbststärkende Kommunikationssituationen zu vermitteln. Obwohl die genannten Empfehlungen der pädagogischen Fachkräfte vorteilhaft auf das kommunikative Erscheinungsbild des Kindes abgestimmt waren und das kindliche Sprachlernen äußerst sinnvoll unterstützen könnten, reichten die Angaben zur exakten Bestimmung der erforderlichen Interventionen nicht aus. Nur eine russisch-deutschsprachige und eine deutschsprachige pädagogische Fachkraft nannten hierzu die sprachtherapeutische bzw. logopädische Behandlungsnotwendigkeit.

8.2 Erfassung von Fallvignetten im türkisch-deutschsprachigen Kontext

251

Tab. 35: Erfassung der Fallvignette ‚Demircan‘ zur Ersterhebung (MZP1)

Kategorien

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7

Altersgerechte Erstsprachentwicklung Verzögerte Erstsprachentwicklung Beinträchtigte Erstsprachentwicklung Typischer Zweitspracherwerb Erschwerter Zweitspracherwerb Beeinträchtigung in der Zweitsprache Erstsprachlicher lautlicher Transfer Phonetischphonologische Prozesse Geringer Zuwachs Wortschatz Deutsch Beeinträchtigter Wortschatz u. bedeutung Verzögerte gramm. Entwickl. Deutsch Beeintr. gramm. Entwicklung, Regelstrukturen Beobachtungen der Kommunikation Beobachtungen der Mimik, Gestik, Blickkont. Altersgerechte Entwickl. in Basiskompetenzen Beeinträcht. in Basiskompetenzen Förderung des Erstsprachgebrauchs Präventive u. spezif. Sprachförd. Deutsch Sprachtherapeut. Intervention notwendig



 













 

 

















  









 





 

 





















 





Ärztliche Abklärung

Pädagogische Fachkräfte KategorienTypen KategorienErfassung

RU = russisch-deutschsprachig Hauptkategorien



=

korrekte Hauptkategorie

TR = türkisch-deutschsprachig Nebenkategorien



unsicher = vermutete Hauptkategorie



DE = deutschsprachig nicht zutreffende Kategorien

=

korrekte Nebenkategorie



=

nicht korrekte Kategorie

252

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Zweiterhebung ‚Demircan‘ – MZP2 Gegenüber den Angaben der pädagogischen Fachkräfte zur Fallvignette ‚Demircan‘ zum MZP1 waren die Aufzeichnungen zum MZP2 in der Zuordnung zu den drei Hauptkategorien genauer und zutreffender (s. Tab. 36, S. 253). Während in der Ersterhebung von keiner türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft dazu Notizen verfasst wurden, konnte in der Zweiterhebung von zwei türkisch-deutschsprachigen Fachkräften teilweise eine sichere und teilweise eine vage Einordnung des sprachlich-kommunikativen Erscheinungsbildes des Jungen zu einer Sprachentwicklungsstörung vernommen werden. Ebenso bezeichneten mehrere deutschsprachige pädagogische Fachkräfte und eine russisch-deutschsprachige Fachkraft fachkundig die Erstsprach- wie auch die Zweitsprachfähigkeiten des Kindes als nicht altersgerecht und beeinträchtigt. Allerdings wurde daneben insbesondere von deutschsprachigen sowie russischdeutschsprachigen pädagogischen Fachkräften entweder unvollständig nur der Erstspracherwerb oder nur der Zweitspracherwerb als erschwert angesehen. Teilweise wurden auch unpräzise oder widersprüchliche Feststellungen aufgeschrieben, obwohl von verschiedenen pädagogischen Fachkräften die Zweitsprachfähigkeiten des Jungen differenziert auf der kindlichen Wortschatz- und Grammatikebene eingeschätzt werden konnte. Wie bereits in der Ersterhebung lag auch in der Zweiterhebung der Fokus der Beobachtung mit ähnlichen Stichpunkten auf dem zurückhaltenden und sprecharmen Kommunikationsverhalten des Kindes. So wurde in der Ableitung notwendiger Maßnahmen sogar noch eingehender von fast allen pädagogischen Fachkräften auf eine präventive bzw. spezifische Sprachförderung im Türkischen wie auch im Deutschen hingewiesen. Damit könnte nach Meinung der Fachkräfte dem Jungen in der Kindertagesstätte und zu Hause zur sprachlichen Selbstbewusstheit, Sicherheit und Sprechfreude in beiden Sprachen verholfen werden. Diese Vorschläge konnten zur flankierenden sprachpädagogischen Förderung durchaus als sinnvoll eingestuft werden, galten aber letztlich im erforderlichen Maßnahmenkatalog für den Jungen als nicht ausreichend. Zur Förderentscheidung einer Sprachtherapie bzw. Logopädie gelangten zwar in der Zweiterhebung ebenso wie in der Ersterhebung keine türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte. Aber die Hälfte der russisch-deutschsprachigen und zwei deutschsprachige pädagogische Fachkräfte fixierten eine Sprachtherapie bzw. Logopädie größtenteils sicher als gebotene Intervention. Von einer deutschsprachigen Fachkraft wurde darüber hinaus die Aufnahme von Sprachtherapie in beiden Sprachen plausibel angeraten.

8.2 Erfassung von Fallvignetten im türkisch-deutschsprachigen Kontext

253

Tab. 36: Erfassung der Fallvignette ‚Demircan‘ zur Zweiterhebung (MZP2)

Kategorien Altersgerechte Erstsprachentwicklung Verzögerte Erstsprachentwicklung Beinträchtigte Erstsprachentwicklung Typischer Zweitspracherwerb Erschwerter Zweitspracherwerb Beeinträchtigung in der Zweitsprache Erstsprachlicher lautlicher Transfer Phonetischphonologische Prozesse Geringer Zuwachs Wortschatz Deutsch Beeinträchtigter Wortschatz u. bedeutung Verzögerte gramm. Entwickl. Deutsch Beeintr. gramm. Entwicklung, Regelstrukturen Beobachtungen der Kommunikation Beobachtungen der Mimik, Gestik, Blickkont. Altersgerechte Entwickl. in Basiskompetenzen Beeinträcht. in Basiskompetenzen Förderung des Erstsprachgebrauchs Präventive u. spezif. Sprachförd. Deutsch Sprachtherapeut. Intervention notwendig

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7

 



















 













 







 















 











































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 































Ärztliche Abklärung

Pädagogische Fachkräfte KategorienTypen KategorienErfassung

RU = russisch-deutschsprachig Hauptkategorien



=

korrekte Hauptkategorie

TR = türkisch-deutschsprachig Nebenkategorien



unsicher = vermutete Hauptkategorie



=

DE = deutschsprachig nicht zutreffende Kategorien korrekte Nebenkategorie



=

nicht korrekte Kategorie

254

8.3

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Stellungnahmen zu den Fallvignetten

Neben der Beurteilung der vier Fallbeispiele wurde zusätzlich ein Beobachtungsauftrag gestellt. Die pädagogischen Fachkräfte wurden angeregt, Rückmeldungen im offenen Antwortformat auf dem BiKES-Beobachtungsbogen zu geben, wie sie die Fallvignettenarbeit bewältigen konnten (s. Kap. 6.5.2.3). Hierzu erfolgten allerdings nur von wenigen pädagogischen Fachkräften Angaben im Sinne einer Reflexion der Aufgabenstellung und des eigenen Lösungsprozesses. Dennoch konnten in dem geringen Antwortmaterial Tendenzen ermittelt werden, wie einige pädagogische Fachkräfte ihre Beobachtungssicherheit einschätzten und wie sie die Art und Qualität der Videosequenzen bewerteten. Mit der Auswertung dieser Angaben ergaben sich Hinweise zur Eignung der vier Fallvignetten innerhalb der Qualifizierungsmaßnahme sowie zur Interpretation der Ergebnisse zu beiden Messzeitpunkten (MZP1 – MZP2). Zur Fallvignette ‚Katja‘ formulierten zum MZP1 einige bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte, dass die Bearbeitung des Fallbeispieles ein sicheres Gefühl vermittelt habe (s. Tab. 37, S. 255). Nur von einer türkisch-deutschsprachigen und einer deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft wurde die Erschwernis ausgedrückt, keinen Einblick in das Russische und zu wenige Hintergrundinformationen zu dem Kind zur Verfügung gehabt zu haben. Zum MZP2 bewerteten größtenteils dieselben pädagogischen Fachkräfte das Fallbeispiel als gut lösbar. Zudem wurde in den Aufzeichnungen vermerkt, dass durch die Qualifizierungsmaßnahme die Sicherheit zur Sprachbeobachtung und Auswertung erhöht worden sei. Ferner wurden nunmehr keine Stichpunkte notiert, die auf Unsicherheiten hinwiesen. Bezüglich der Beschäftigung mit der Fallvignette ‚Sascha‘ vermittelten in den Rückmeldenotizen zum MZP1 lediglich eine russisch-deutschsprachige und eine türkischdeutschsprachige pädagogische Fachkraft ihr Gefühl von Sicherheit und Bereicherung (s. Tab. 37, S. 255). Dagegen hätten für einige bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte Beurteilungsschwierigkeiten aufgrund mangelnder Russischkenntnisse oder geringer Informationen über das Kind bestanden. Die Reflexionsstichpunkte der pädagogischen Fachkräfte änderten sich zum MZP2 dahingehend, dass mehr Aussagen zur Sicherheit als zur Unsicherheit im Sprachbeobachtungsprozess formuliert wurden. Dazu wurde von einigen bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften festgestellt, dass die Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten des Kindes nach der Qualifizierungsmaßnahme leichter gefallen sei. Trotzdem gaben eine türkisch-deutschsprachige und eine deutschsprachige pädagogische Fachkraft an, zusätzliche Beobachtungssequenzen oder erweiterte Kenntnisse im Russischen zur exakten Auswertung zu benötigen.

8.3 Stellungnahmen zu den Fallvignetten

255

MZP

‚Demircan‘ MZP2 MZP1

‚Esma‘ MZP2 MZP1

‚Sascha‘ MZP2 MZP1

‚Katja‘ MZP2 MZP1

Fallv.

Tab. 37: Selbstreflexionen pädagogischer Fachkräfte zur Erfassung der Fallvignetten KateRU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7 gorien Sicherheit













Unsi cherheit



Sicherheit















Unsicherheit Sicherheit



Unsicherheit Sicherheit













Unsicherheit



Sicherheit





Unsicherheit



Sicherheit Unsicherheit



 























Sicherheit Unsicherheit



Sicherheit Unsicherheit

Pädagogische Fachkräfte

  RU = russisch-deutschsprachig ‚Katja‘

Fallvignetten KategorienErfassung





 

TR = türkisch-deutschsprachig ‚Sascha‘

russisch-deutschsprachig russisch-deutschsprachig erschwerter genuine SprachZweitspracherwerb entwicklungsstörung



‚Esma‘

türkisch-deutschsprachig erschwerter Zweitspracherwerb



 

DE = deutschsprachig ‚Demircan‘

türkisch-deutschsprachig genuine Sprachentwicklungsstörung

 = Angaben zur Selbstreflexion hinsichtlich der Bewältigung der Sprachbeobachtung

Zur Fallvignette ‚Esma‘ lag zum MZP1 eine Rückmeldung einer russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft vor, in der die gute Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Fallbeispieles zum Ausdruck gebracht wurde (s. Tab. 37, S. 255). Jedoch teilten in den schriftlichen Reflexionen vor allem viele türkisch-deutschsprachige und deutschsprachige pädagogische Fachkräfte mit, dass die Erfassung der Fallvignette in Bezug auf die undeutliche Sprache des Kindes schwer gewesen sei. Zum MZP2 erhöhten sich die Äußerungen über Sicherheiten bei der Sprachbeobachtung. Dazu reflektierten zwei türkisch-deutschsprachige und zwei deutschsprachige pädagogische Fachkräfte ihre guten Einschätzungsfähigkeiten. Überdies wurde auch die Freude über das Selbstvertrauen in das Fachwissen von einer deutschsprachigen Fachkraft verdeutlicht. Nur bei zwei russisch-deutschsprachigen pädago-

256

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

gischen Fachkräften bestand noch die Unsicherheit, die türkischen Sprechanteile des Kindes zu bewerten. Bei der Fallvignette ‚Demircan‘ offenbarten sich zum MZP1 keine schriftlichen Hinweise der pädagogischen Fachkräfte auf Sicherheiten im Beobachtungs- und Auswertungsprozess (s. Tab. 37, S. 255). Vielmehr wurden von einigen türkisch-deutschsprachigen und deutschsprachigen Fachkräften Schwierigkeiten bei der Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten des Kindes ausgedrückt. Weiterhin wurden auch zum MZP2 Unsicherheiten bei der Beurteilung sowie das Bedürfnis nach weiteren Hintergrundinformationen und zusätzlichem Videomaterial zur besseren Einschätzung von einigen bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräften notiert. Allerdings bezeichneten schließlich eine türkisch-deutschsprachige und zwei deutschsprachige pädagogische Fachkräfte die Fallvignette nach der Qualifizierung als leichter erfassbar. Letztlich war in der Zusammenschau der Reflexionen festzustellen, dass vermutlich ein Schwierigkeitsgefälle in der Aufgabenbewältigung der Fallvignetten existiert. Zunächst können zur Fallvignette ‚Katja‘ zum MZP2 bei vier pädagogischen Fachkräften Hinweise zur Sicherheit und keinerlei Angaben zur Unsicherheit ermittelt werden. Demgegenüber treten zu den Fallvignetten ‚Sascha‘ und ‚Esma‘ zum MZP2 zwar bei vier pädagogischen Fachkräften ebenso Aufzeichnungen zur selbst eingeschätzten Sicherheit auf, jedoch lassen sich zudem bei zwei pädagogischen Fachkräften Einträge über Unsicherheiten ausfindig machen. Bei der Fallvignette ‚Demircan‘ überwiegen allerdings noch zum MZP2 die Selbstreflexionen im Hinblick auf Unsicherheit. Zwischenfazit Im Überblick über die Reflexionen der pädagogischen Fachkräfte zu den vier Fallvignetten zeigten sich im Vergleich der beiden Messzeitpunkte ein Zuwachs an Angaben zu einer sicheren Bearbeitung sowie zum MZP2 deutlich weniger Unsicherheiten bei der Erfassung der Fallbeispiele. Diesbezüglich lagen die Kompetenzen zur Beobachtung und zur Beurteilung kindlicher mehrsprachiger Fähigkeiten bzw. Förderbedarfe in der Selbsteinschätzung der pädagogischen Fachkräfte nach der Qualifizierungsmaßnahme höher. Ebenso war eine Ressourcennutzung der Erstsprachkompetenzen bilingualer pädagogischer Fachkräfte zum MZP2 bemerkbar, da in der Zweiterhebung diese Fachkräfte zu den Fallvignetten in der eigenen Erstsprachkonstellation, mit Ausnahme bei der Fallvignette ‚Demircan‘, keine Notizen zu Unsicherheiten vermerkten.

8.4

Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen

Zur Gesamterfassung der Fallvignetten werden im Folgenden die wichtigsten Kernaussagen zum einen im Fokus der qualitativen Auswertung herausgestellt. Dabei

8.4 Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen

257

handelt es sich um Besonderheiten in der Umsetzung der Erst- und Zweitsprachbeobachtung von mehrsprachigen Kindern durch bilingual russisch-deutschsprachige und türkisch-deutschsprachige sowie monolingual deutschsprachige pädagogische Fachkräfte. Zum anderen liefert eine Zusammenfassung mit quantitativem Fokus eine Übersicht über Entwicklungen von Sprachbeobachtungskompetenzen der bilingualen und monolingualen pädagogischen Fachkräfte vor und nach der Qualifizierungsmaßnahme. Qualitativer Fokus auf die Erfassung der Fallvignetten In der Gesamtschau der qualitativen Analyse ergab sich zum MZP2 allgemein ein Bild über häufiger korrekte wie auch stärker differenzierte Angaben der pädagogischen Fachkräfte im BiKES-Beobachtungsbogen gegenüber den Aufzeichnungen zum MZP1. Das bedeutet, dass den pädagogischen Fachkräften in der Regel in der Zweiterhebung öfter eine treffende Einschätzung zu den sprachlichen Fähigkeiten der präsentierten mehrsprachigen Kinder gelang als in der Ersterhebung. Zudem erwiesen sich in der Zweiterhebung die notierten Formulierungen präziser hinsichtlich der fachlichen Bezeichnungen und der genutzten Kriterien. Eine differenziertere Beobachtungs- und Einschätzungskompetenz der Erst- und Zweitsprache durch die pädagogischen Fachkräfte wurde zum MZP2 mit Stichpunkten zu linguistischen Besonderheiten der mehrsprachigen Kinder im Kontext von Sprachentwicklungsstörungen belegt. Aufgrund kriterienorientierter Betrachtungen phonetisch-phonologischer Auffälligkeiten erreichten die pädagogischen Fachkräfte in der Zweiterhebung sicherer gegenüber der Ersterhebung zutreffende Beurteilungen. Teilweise erkannten die pädagogischen Fachkräfte auch einzelne Schwierigkeiten der Kinder bei der Stellung des Verbes im Satz sowie bei der Nebensatzbildung und bemerkten Defizite in der Wortschatz- und Wortbedeutungsentwicklung. Diese strukturierte Herangehensweise erleichterte mehreren pädagogischen Fachkräften die korrekte Abgrenzung einer genuinen Sprachentwicklungsstörung zu einem erschwerten Zweitspracherwerb. Neben Beobachtungen auf den linguistischen Ebenen konzentrierten sich die pädagogischen Fachkräfte grundsätzlich auch auf das kommunikative Verhalten der Kinder. Dazu wurden Hinweise auf die Sprechmotivation und emotionale Gesprächsbeteiligung der Kinder gegeben wie auch auf deren kommunikativen Einsatz verbaler bzw. nonverbaler Mittel und den Gebrauch der Erst- bzw. Zweitsprache. Die Beachtung kindlicher pragmatisch-kommunikativer Fähigkeiten schuf für die pädagogischen Fachkräfte im Allgemeinen eine breite und konkret wahrnehmbare Grundlage für die Sprachbeurteilung. Auf diese Beobachtungen stützten sich viele pädagogische Fachkräfte besonders dann, wenn sprachstrukturelle Details auf den linguistischen Ebenen in der Erst- oder der Zweitsprache weniger erfasst werden konnten. Auf der Basis der Beobachtungen und Beurteilungen sprachlich-kommunikativer Fähigkeiten leiteten die pädagogischen Fachkräfte unterschiedliche Maßnahmen zur

258

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Unterstützung der Förderbedarfe der mehrsprachigen Kinder ab. Zunächst war festzustellen, dass quer durch alle bilingualen und monolingualen Fachkräftegruppen zu allen Fallbeispielen häufig eine Förderung in der Erstsprache des Kindes durch die Eltern zusätzlich zur Deutschförderung in der frühpädagogischen Einrichtung oder der Sprachtherapie bzw. Logopädie vorgeschlagen wurde. Diese Empfehlungen deckten sich mit den Interviewaussagen der pädagogischen Fachkräfte zur allgemeinen Wertschätzung von Mehrsprachigkeit und zum Gebrauch der Erstsprachen vor allem in der Familie (s. Kap. 7.2.1). Weiter stellte sich heraus, dass je präziser die Sprachbeobachtung in der Erst- und in der Zweitsprache auf den linguistischen Mikrostrukturen im Abgleich mit dem pragmatisch-kommunikativen Erscheinungsbild und mit Daten der Sprachbiographie (z. B. die Kontaktzeit mit der Zweitsprache) erfolgte, umso häufiger gelangen den pädagogischen Fachkräften korrekte Ableitungen zu Interventionsnotwendigkeiten. Allerdings wurden in manchen Fällen selbst bei geringer Kenntnisbasis trotzdem ansatzweise Förderempfehlungen zutreffend notiert. Darüber hinaus konnten qualitative Unterschiede in der Tendenz zwischen den Fachkräftegruppen vernommen werden. So zeichneten sich auf den ersten Blick bei der Sprachbeobachtung und Beurteilung mehrsprachiger Fähigkeiten Vorteile bilingualer Beobachtungskompetenzen hinsichtlich der Erstspracheinschätzung ab. Diese Vorteile offenbarten sich jedoch vor allem in den russisch-deutschsprachigen Konstellationen. So erfassten russisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte die Fallbeispiele mit den Kindern im russisch-deutschsprachigen Kontext exakter von der Sprachbeobachtung bis zur Förderableitung. Türkisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte erwiesen sich hingegen nur bei der Beurteilung einer altersgerechten Erstsprachentwicklung im Türkischen gegenüber den anderen Fachkräftegruppen überlegen. Obwohl monolingual deutschsprachige pädagogische Fachkräfte häufig ihren Mangel an Erstsprachkenntnissen in den Stichpunkten des Beobachtungsbogens wie auch in den Interviews (s. Kap. 7.2.1, 7.2.3 u. 7.2.4) ausdrückten, erzielten sie in der Gesamtheit ähnlich gute Fallbearbeitungen wie türkisch-deutschsprachige Fachkräfte. Letztlich ist jedoch eine pauschale Zuordnung von Sprachbeobachtungs- und Sprachbeurteilungskompetenzen in der Tendenz zu bestimmten Fachkräftegruppen zu kurz gegriffen und muss des Weiteren relativiert werden. So ließen sich in einzelnen Fällen unter den bilingual russisch-deutschsprachigen und türkisch-deutschsprachigen wie auch monolingual deutschsprachigen Fachkräften wiederum deutlich voneinander abweichende Einschätzungen mehrsprachiger kindlicher Fähigkeiten und entsprechende Förderableitungen ermitteln. Demnach verteilten sich sichere und korrekte, aber auch unsichere und nicht korrekte Erfassungen der Fallvignetten auf alle drei Fachkräftegruppen.

8.4 Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen

259

Quantitativer Fokus auf die Erfassung der Fallvignetten Die vorgenannten qualitativen Auswertungsergebnisse bestätigten sich ebenso in der quantifizierten Zusammenschau aller Fallvignetten (s. Anhang 7, S. 345). Dabei wurden Verbesserungen bei der Sprachbeobachtung der pädagogischen Fachkräfte zwischen den Messzeitpunkten in den Summenwerten korrekter Einschätzungen in den Hauptkategorien sichtbar (s. Tab. 38,S. 259).

Fallvignetten

MZP

Tab. 38: Erfassung von Fallvignetten zu zwei Messzeitpunkten im quantitativen Überblick

1

‚Esma‘

2

3

2

MZP1

‚Katja‘ ‚Sascha‘

RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7

1

1

2

3

3

1

2

1

3

1

1

1

3

1

1

1

1

2

Summen MZP1

1

2

1

2

1

1

2

1

1

1

1

2

1

5

4

7

2

1

1

1 5

6

5

2

1

Summe MZP1 gesamt

3

2

3

3

7

2

4

3

0

3

2

3

3

3

2

2

3

3

2

3

3

1

2

3

2

3

3

2

1

1

1

2

1

2

2

1

63 3

3

3

2

3

3

3

2

2

3

‚Sascha‘

1

3

2

3

3

3

3

3

2

2

1

1

1

2

3

1

3

1

2

1

1

8

8

8

10

MZP2

‚Katja‘

‚Demircan‘ Summen MZP2

5

2

Differenzen MZP2 – MZP1 Pädagogische Fachkräfte

7

9

5

8

5

4

7

10

10

10

4

7

8

2

2

4

7

3

8

0

4

8

133 4

3

4

1

5

RU = russisch-deutschsprachig ‚Katja‘

Fallvignetten

1

2

Summe MZP2 gesamt

Kategorien

1

2

‚Demircan‘

‚Esma‘

2

1

4

3

7

TR = türkisch-deutschsprachig ‚Sascha‘

russisch-deutschsprachig russisch-deutschsprachig erschwerter genuine SprachZweitspracherwerb entwicklungsstörung eine als korrekt

1 = eingestufte Hauptkategorie

‚Esma‘

türkisch-deutschsprachig erschwerter Zweitspracherwerb

zwei als korrekt

2 = eingestufte Hauptkategorien

DE = deutschsprachig

3

‚Demircan‘

türkisch-deutschsprachig genuine Sprachentwicklungsstörung

drei als korrekt

= eingestufte Hauptkategorien

260

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Außerdem traten im quantitativen Überblick tendenzielle Häufungen korrekter Erstund Zweitspracheinschätzungen sowie geeigneter Förderempfehlungen in der Zuordnung zu bestimmten Fachkräftegruppen in Erscheinung. Schließlich wurde die Streuung korrekter und nicht korrekter Fallbearbeitungen der pädagogischen Fachkräfte in der quantitativen Auswertung deutlich. Die Feststellung, dass die Erst- und Zweitsprache sowie die Fördernotwendigkeit eines Kindes zum MZP2 von den pädagogischen Fachkräften insgesamt sicherer und differenzierter im Vergleich zum MZP1 eingeschätzt wurden, belegen die Summenwerte der als korrekt eingestuften Hauptkategorien (s. Tab. 38, S. 259). Zum MZP 1 wurden in der Gesamtheit aller pädagogischen Fachkräfte 63 Hauptkategorien korrekt erfasst. Der Gesamtwert erhöhte sich zum MZP2 um mehr als das Doppelte auf 133 korrekte Hauptkategorien. Mit nur einer Ausnahme erzielte im Einzelnen jede pädagogische Fachkraft einen höheren Wert zum MZP2, wie die Differenzen zwischen MZP2 und MZP1 zeigen. Gleichfalls ergab sich zwischen den Messzeitpunkten eine deutliche Veränderung der Ergebnisse nach der Häufigkeitsschichtung der erreichten Kategorienanzahlen (s. Anhang 7, S. 345). Bei jeder Fallvignette konnten die pädagogischen Fachkräfte maximal drei korrekt erfasste Hauptkategorien erzielen. In der Häufigkeitsschichtung konnten aber auch zwei korrekte Hauptkategorien bzw. nur eine oder keine korrekte Erfassung auftreten. So ergaben sich zum MZP1 in der Gesamtheit aller pädagogischen Fachkräfte 24-mal eine erreichte Hauptkategorie, 12-mal zwei Hauptkategorien und 5-mal drei Hauptkategorien innerhalb einer Fallvignette. Zum MZP2 kamen hingegen insgesamt nur 15-mal eine Hauptkategorie, jedoch 20-mal zwei Hauptkategorien und sogar 26-mal drei Hauptkategorien für eine Fallvignette vor (s. Abb. 30, S.260).

Häufigkeitsschichtung nach Hauptkategorienanzahlen 26

24 Häufigkeiten

20 15 12

1 Kategorie 2 Kategorien 3 Kategorien

5

MZP1 (n=18)

MZP2 (n=18)

Abb. 30: Häufigkeitsschichtung nach Hauptkategorienanzahlen in der Gesamtheit aller Fallvignetten

8.4 Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen

261

Ein Zuwachs der Summenwerte der von allen pädagogischen Fachkräften erzielten Hauptkategorien zum MZP1 und MZP2 war ebenso im differenzierten Vergleich der vier Fallvignetten zu verzeichnen (s. Anhang 7, S. 345). Auffallend steigerten sich zwischen den Messzeitpunkten die als korrekt eingestuften Hauptkategorien zu den Fallvignetten der Kinder mit genuinen Sprachentwicklungsstörungen (‚Sascha‘ und ‚Demircan‘) weit über den doppelten Wert. Gleichfalls konnten Steigerungen korrekter Beurteilungen bei den Fallvignetten der Kinder mit erschwertem Deutscherwerb (‚Katja‘ und ‚Esma‘) festgestellt werden. Diese Steigerungen betrugen etwas weniger als das Doppelte (s. Abb. 31, S. 261).

Summenwerte gegliedert nach Fallvignetten

Kategoriensummen

48 42 29

‚Katja‛

28

‚Sascha‛ 15 16

15

‚Esma‛ ‚Demircan‛

3 MZP1 (n=18)

MZP2 (n=18)

Abb. 31: Summen erzielter Hauptkategorien gegliedert nach Fallvignetten

Allerdings wurden die Fallvignetten hinsichtlich sicherer Erst- und Zweitspracheinschätzungen sowie geeigneter Förderempfehlungen insgesamt zu beiden Messzeitpunkten in Abstufungen erfasst, die annähernd den von den pädagogischen Fachkräften empfundenen Schwierigkeitsgraden glichen (s. Kap. 8.3). Die meisten als korrekt eingestuften Hauptkategorien ergaben sich zur Fallvignette ‚Katja‘, etwas weniger zu ‚Sascha‘ und zu ‚Esma‘ sowie am wenigsten zu ‚Demircan‘. Ferner trat bei der Hochrechnung der Hauptkategorien eine Häufung fachgerechter Lösungen bei den bilingualen Fachkräftegruppen zum MZP1 auf (s. Anhang 7, S. 345). Diese Tendenz zeigte sich vor allem bei russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften in den Fallvignetten im russisch-deutschsprachigen Kontext. Insbesondere bei der Fallvignette ‚Katja‘, einem Fallbeispiel mit erschwertem Deutscherwerb und einer altersgerechten Sprachentwicklung im Russischen, ließen sich zum MZP1 höhere Summenwerte bei russisch-deutschsprachigen pädagogi-

262

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

schen Fachkräften ermitteln (s. Abb. 32, S. 262). Zum MZP2 erzielten hingegen auch türkisch-deutschsprachige und deutschsprachige pädagogische Fachkräfte hierzu ähnliche Summenwerte wie Fachkräfte mit Russisch als Erstsprache.

Summenwerte zur Fallvignette ‚Katja‘ nach Fachkräftegruppierung

Kategoriensummen

17 15

14

7

RU MZP1 (n=6)

TR MZP1 (n=6)

16

8

DE MZP1 (n=6)

RU MZP2 (n=6)

TR MZP2 (n=6)

DE MZP2 (n=6)

Abb. 32: Summen erzielter Hauptkategorien zur Fallvignette ‚Katja‘ nach Fachkräftegruppierung

Etwas höhere Summenwerte ergaben sich auch bei türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften zum MZP1 (s. Anhang 7, S. 345) bei der Identifizierung eines erschwerten Zweitspracherwerbs im Deutschen und einer altersgerechten türkischen Sprachentwicklung im Rahmen der Fallvignette ‚Esma‘ (s. Abb. 33, S. 263). Zum MZP2 erreichten allerdings die anderen Fachkräftegruppen ohne Erstsprache Türkisch leicht höhere Kategoriensummen als die türkisch-deutschsprachigen Fachkräfte. Eine Streuung hoher oder geringer Einschätzungskompetenzen konnte überdies bei allen Fachkräftegruppen nachgewiesen werden (s. Anhang 7, S. 345). Vor allem zum MZP2 – nachdem in der Qualifizierungsmaßnahme den Teilnehmenden verschiedene Indikatoren zur Erfassung des Russischen und des Türkischen vermittelt wurden – schätzten mehrere pädagogische Fachkräfte unabhängig von der Erstsprachkonstellation die Hauptkategorie bezüglich der Erstsprachfähigkeiten der Kinder in den Fallvignetten hochgradig korrekt ein.

8.4 Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen

263

Kategoriensummen

Summenwerte zur Fallvignette ‚Esma‘ nach Fachkräftegruppierung

11 9 7 5

4

RU MZP1 (n=6)

8

TR MZP1 (n=6)

DE MZP1 (n=6)

RU MZP2 (n=6)

TR MZP2 (n=6)

DE MZP2 (n=6)

Abb. 33: Summen erzielter Hauptkategorien zur Fallvignette ‚Esma‘ nach Fachkräftegruppierung

Durch die Summierung aller erzielten Hauptkategorien (Beurteilungen der Erstsprache, der Zweitsprache und der Fördernotwendigkeiten der Kinder) konnten in der Gesamtheit aller Fallvignetten für jede pädagogische Fachkraft unterschiedliche Häufigkeitswerte errechnet werden (s. Tab. 39, S. 264). Damit lässt sich im Weiteren die Umsetzung von Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte bei der Fallvignettenbearbeitung im Sinne eines quantifizierten Kompetenzspiegels darstellen. Hierzu wurden die Ergebnisse vor und nach der Qualifizierungsmaßnahme separat aufgeschlüsselt, um die Vorteile von Erstsprachkenntnissen zu berücksichtigen. Zusätzlich wurden Unterschiede zwischen den Messzeitpunkten hinsichtlich der Sprachbeobachtungsentwicklung der pädagogischen Fachkräfte herausgearbeitet. Schließlich galt es auch, Gesamtergebnisse auszuwerten, um die Konstanz im Entwicklungsprozess abbilden zu können. Dementsprechend konnten in diesem quantifizierten Kompetenzspiegel (s. Tab. 39, S. 264). zunächst die Summen der erzielten Hauptkategorien sowohl zu beiden Messzeitpunkten getrennt als auch im Gesamten pro pädagogische Fachkraft ausgewiesen werden. Außerdem wurden die Differenzen zwischen MZP1 und MZP2 berechnet. Um besonders hohe Werte zu identifizieren, wurde ferner ermittelt, wie häufig drei korrekte Hauptkategorien erzielt wurden. Darüber hinaus konnten von diesen generierten Werten wiederum die Fälle mit den Höchstwerten herausgefiltert werden. Als Maß für die höchsten Werte wurde jeweils das obere Quintil (20 % der höchsten Werte innerhalb der Gesamtstichprobe) definiert (s. Anhang 8, S. 346).

264

8 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt II

Tab. 39: Häufigkeiten erzielter Hauptkategorien und Höchstwerte in der Gesamtheit aller Fallvignetten RU4 RU7 RU8 RU9 RU10RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7 Summen Hauptkategorien MZP1

1

Summen Hauptkategorien MZP2

5

Summen Hauptkategorien MZP1 + MZP2

6

Differenzen Hauptkategorien MZP2 – MZP1

4

Anzahl von 3 Hauptkategorien MZP2 + MZP1

1

5

4

x 8

8

7

5

6

5

x

x

x

x

8

10

7

9

13 3

12 4

15

15 13

14

x

x

x

1

5

3

2

3

1

4

2

2

1

4

4

4

x

x

x

4

2

3

Pädagogische Fachkräfte

RU = russisch-deutschsprachig

1

x

0

2

3

7

2

4

3

0

10 10

10

4

7

8

x

x

x

13 17

12

8

10

8

8

0

4

x 5

8

5

4

7

7

9

8

6

10

x 3

7

2

2

4

x

0

Gesamt Höchstwerte

1

x

Anzahl von Höchstwerten MZP2 + MZP1

Höchstwerte

2

1

0

7

3

x 1

1

1

2

x 3

8

x

2

0

0

2

2

0

0

1

x 0

1

0

0

TR = türkisch-deutschsprachig

0

2

4

DE = deutschsprachig

= Kennzeichnung der Werte im oberen Quintil (s. Anhang 8, S. 346) = Kennzeichnung der Gesamtwerte im oberen Quintil (s. Anhang 8, S. 346)

Bei der Betrachtung der Ergebnisse fällt auf, dass insgesamt in der Gruppe der russisch-deutschsprachigen sowie in der Gruppe der monolingual deutschsprachigen Fachkräfte gleich viele Höchstwerte zu registrieren sind. Während jedoch bei pädagogischen Fachkräften mit Russisch als Erstsprache die Höchstwerte zum MZP1 überwiegen, treten bei monolingual deutschsprachigen Fachkräften vor allem zum MZP2 und in der Differenz zwischen beiden Messzeitpunkten Höchstwerte auf. Letztlich verteilen sich hohe Häufigkeiten im oberen Fünftel der Werte auf alle drei Fachkräftegruppen. In Anbetracht der meisten Höchstwerte kristallisieren sich die drei pädagogischen Fachkräfte RU10, TR1 und DE2 heraus, die jeweils einer anderen Teilstichprobe zugehören (s. Tab. 39, S. 264). Schließlich stellt sich die Frage, welche subjektiven Einflussfaktoren für das ermittelte Ergebnis der Fallvignettenbearbeitung, insbesondere mit Blick auf die drei vorgenannten pädagogischen Fachkräfte, eine Rolle gespielt haben. Im Rahmen einer Triangulation von Daten der ersten und der zweiten Forschungsphase soll letztlich herausgefunden werden, welche Potenzialkonstellationen Hinweise auf eine erfolgreiche Ressourcennutzung von pädagogischen Fachkräften zur Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder geben. Dazu werden im nächsten Kapitel die pädagogischen Fachkräfte RU10, TR1 und DE2, die bei der Beurteilung der Fallvignetten eine besonders hohe Sprachbeobachtungsqualifizierung zeigten, in der weiteren Analyse

8.4 Qualitativ und quantitativ zusammenfassende Kernaussagen

265

schwerpunktmäßig betrachtet. Hierbei werden zunächst besondere Merkmale der intrapersonalen Profile der drei pädagogischen Fachkräfte aus der Interviewerhebung charakterisiert. In einer Zusammenfassung und Gegenüberstellung soll dann das Gemeinsame und Typische verdeutlicht werden.

9

Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt III – Merkmale zu Entwicklungspotenzialen und zur Ressourcennutzung

In der vorangegangenen Ergebnisdarstellung (s. Kap. 8) zeichnete sich einerseits ab, dass besonders bei bilingualen pädagogischen Fachkräften Beobachtungskompetenzen zu den eigenen Erstsprachen vorlagen. Andererseits wurde deutlich, dass die Erweiterung entsprechender Kompetenzen nicht allein auf die Merkmale der Erstsprachkenntnisse und spezieller interkultureller Zugänge zurückzuführen sind. Qualifizierungseffekte zur Beurteilung sprachlicher Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder konnten nämlich auf alle Fachkräftegruppen verteilt festgestellt werden. Um eine Antwort darauf zu finden, welche Potenziale sich bei pädagogischen Fachkräften zur Qualifizierung für die Sprachbeobachtung im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität vorteilhaft als Ressource entwickelten (s. Forschungsfragen III. 1–2), wurden die Ergebnisse der Häufigkeitsanalysen zur Fallvignettenarbeit im zweiten Forschungsschwerpunkt (s. Kap. 8.4) für eine rückführende Betrachtung der Ergebnisse der Interviewerhebung aus dem ersten Forschungsschwerpunkt (s. Kap. 7.2) herangezogen. Dem Gedanken der idealtypischen Konstruktion in der qualitativen Forschung folgend (Kluge, 2000; Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 379f), wurden explizit die drei pädagogischen Fachkräfte RU10, TR1 und DE2 mit besonderen Sprachbeobachtungskompetenzen (s. Kap. 8.4) für die Triangulation in den Fokus genommen. Zu diesen pädagogischen Fachkräften werden nun im neunten Kapitel die Profile, die sich aus der Interviewauswertung ergaben, nachbetrachtend typisiert (s. Kap. 9.1). Abschließend werden die Profile miteinander verglichen und Besonderheiten in den Querlagen ermittelt, um Typen mit Entwicklungspotenzialen und vorteilhafter Ressourcennutzung zur Sprachbeobachtung zu generieren (s. Kap. 9.2).

9.1

Typische Merkmale ausgewählter Profile pädagogischer Fachkräfte

Als Grundmerkmal in den Ergebnissen der Fallvignettenarbeit konnten hohe Sprachbeobachtungskompetenzen und überaus positive Entwicklungen durch die Qualifizierung bei den pädagogischen Fachkräften Frau N. (RU10, s. Kap. 9.1.1), Frau A. (TR1, s. Kap. 9.1.2) und Frau M. (DE2, s. Kap. 9.1.3) identifiziert werden. Zur weiteren Typisierung wurden die Ausgangsmerkmale aus den Lebens-, Sprach-, und Berufsbiographien dieser drei pädagogischen Fachkräfte beleuchtet. Der Blick richtete sich dabei auf die Konstellation der Migration und Identitätsbildung, auf die Integration verfügbarer Sprachen sowie auf die Gegebenheiten von Ausbildung und beruflicher Situation. Anschließend wurden die intrapersonalen Profile der ausgewählten pädagogischen Fachkräfte zur Typenbildung untersucht. Hierzu wurden folgende relevante Kategorien aus der interpersonalen Profilbildung mit typischen Ausprägun-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3_9

268

9 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt III

gen fokussiert: Sprachbeobachtung, Einstellung zur Mehrsprachigkeit, Gebrauch der Erstsprache und anderer Sprachen, Kultursensibilität und interkulturelle Ausrichtung, Reflexion des pädagogischen Handelns, Stellenwert der Zweitsprache Deutsch, Gesprächsführungsmethoden, Kenntnisse zu Sprachfähigkeiten der Kinder, Elternarbeit, Erleben im eigenen Spracherwerb, Bewertung der beruflichen Situation, Bewertung des Forschungsprojektes (s. Anhang 9, S. 347). 9.1.1

Russisch-deutschsprachige pädagogische Fachkraft Frau N.

Zur Lebens-, Sprach-, und Berufsbiographie konnten dem Biographieinterview mit der pädagogischen Fachkraft Frau N. folgende bedeutsame Ausgangsmerkmale entnommen werden: 

Frau N. weist eigene Migrationserfahrungen auf, da sie als 13-jähriges Kind mit ihrer Familie aus Tadschikistan nach Deutschland immigrierte. Bei Frau N. konnte eine gut integrierte interkulturelle Identität in Bezug auf ihr Zugehörigkeitsgefühl sowohl zu ihrem Herkunftsland als auch zu Deutschland wahrgenommen werden.



Mittlerweile beherrsche Frau N. die Zweitsprache Deutsch ähnlich gut wie die Erstsprache Russisch. Ihre Erstsprache sei sogar etwas in den Hintergrund gerückt. Sie empfinde die Erstsprache wie auch die Zweitsprache wichtig. Konsequent vermittle sie die Erstsprache auch an ihre eigenen Kinder weiter.



Frau N. weist einen Realschulabschluss auf und habe früher das Interesse gehabt, das Abitur zur Aufnahme eines Studiums zu erwerben. Sie habe sich dann aber für eine Ausbildung zur Erzieherin entschieden. Mit vier Jahren Berufserfahrung steht sie eher noch am Anfang ihrer beruflichen Tätigkeit.

Im intrapersonalen Profil von Frau N. traten bestimmte Themen gehäuft und mit besonders differenzierten Stellungnahmen hervor (s. Abb. 34, S. 269). 

In der Befragung erklärte Frau N. sehr differenziert, dass sie Methoden zur Sprachbeobachtung kenne, aber dazu auch Optimierungsbedarf bei sich und dem Kita-Team habe.



Außerdem äußerte Frau N. im Interview an mehreren Stellen, dass sie ihre Erstsprache in der Kita und in der Familie flexibel einsetze. Überdies interessiere sie sich dafür, wie sie ihre Erstsprache pädagogisch sinnvoll verwenden kann.



Zudem befürwortete Frau N. allgemein die mehrsprachige Entwicklung und gab an, dass sie ihre eigene Mehrsprachigkeit als wertvoll einschätze.



Frau N. vermochte in der Befragung ihre Kenntnisse über Sprachfähigkeiten mehrsprachiger Kinder detailliert vermitteln. Ebenso registrierte sie, dass soziale Faktoren im Sprachgebrauch eine Rolle spielen würden.

9.1 Typische Merkmale ausgewählter Profile



269

Aus ihrem eigenen Erfahrungshintergrund beurteilte Frau N. die besondere Bedeutung des Erwerbs der Bildungssprache Deutsch. Es sei ihr wichtig, bei der Sprachförderung eine Transparenz hinsichtlich des Gebrauchs der Zweitsprache Deutsch in der Kindertagesstätte zu schaffen. Daneben kritisierte sie jedoch, dass die deutsche Sprache gegenüber den Erstsprachen zu häufig im Vordergrund stehe.

Abb. 34: Themenkonstellation im intrapersonalen Profil der russisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft Frau N.

Weitere Themen offenbarten sich im Gespräch mit Frau N. in nachfolgenden Kategorien (s. Abb. 34, S. 269): 

Für Frau N. sei es wichtig, Kultursensibilität in der frühpädagogischen Arbeit umzusetzen. Um diese Zielsetzung einzulösen, wolle sie und ihr Kita-Team noch mehr zum Thema Interkulturalität wissen.



Ferner gab Frau N. zu erkennen, dass sie ihr Vorgehen bei der Gesprächsführung mit Kindern und bei der Sprachbeobachtung reflektiert betrachte.



Zudem erläuterte Frau N. ihre in der Bilderbuch- und Spielsituation eingesetzten Gesprächsführungsmethoden und beurteilte das Bilderbuch als geeignet für die Sprachförderarbeit.



In Elterngesprächen führe Frau N. einen Austausch über Mehrsprachigkeit und Interkulturalität.



Für Frau N. habe mit der Einwanderung ein sehr belastend empfundener Zweitspracherwerb im Deutschen begonnen, der sich aber trotz großer Erschwernis im Verlauf der schulischen und beruflichen Bildung erfolgreich ent-

270

9 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt III

wickelt habe. Allerdings sehe sie bei sich selbst immer noch Verbesserungsbedarf im Deutschen. 

Überdies schilderte Frau N., dass sie sich in ihrer beruflichen Situation überaus wohl fühle und sich in der Kindertagesstätte selbst verwirklichen könne.



Schließlich bewertete Frau N. das Forschungsprojekt bezüglich des konzeptionellen Vorgehens in der Bilderbuch- und Spielsituation wie auch im Interview als positiv.

9.1.2

Türkisch-deutschsprachige pädagogische Fachkraft Frau A.

Auch im Biographieinterview mit der pädagogischen Fachkraft Frau A. traten zur Lebens-, Sprach-, und Berufsbiographie wesentliche Ausgangsmerkmale wie folgt in Erscheinung: 

Frau A. verfügt über eigene Migrationserfahrungen. Als sie acht Jahre alt war, kam sie im Rahmen der Familienzusammenführung aus der Türkei nach Deutschland, wo ihr Vater bereits seit ihrer Geburt lebte. Im Interview schilderte sie zur Frage des Zugehörigkeitsgefühl, dass sie es nicht genau definieren könne. Je nachdem wo sie sich gerade aufhalte, fühle sie sich sehr wohl und verspüre damit eine Empfindung der Heimat.



Der Situation entsprechend verwende Frau A. ihre beiden Herkunftssprachen Türkisch bzw. Arabisch oder die Zweitsprache Deutsch. Ihre Deutschkenntnisse seien aktuell etwas besser als ihre Herkunftssprachen. Dennoch pflege sie ihre Herkunftssprachen regelmäßig und wolle diese an ihre Kinder weitergeben.



Nach ihrem Realschulabschluss habe Frau A. überlegt, das Abitur zu absolvieren und ein Studium aufzunehmen. Ihre Entscheidung sei dann jedoch auf eine Erzieherinnenausbildung gefallen. Sie befindet sich am Beginn der Berufstätigkeit, indem sie seit einem Jahr als Erzieherin tätig ist.

Das intrapersonale Profil von Frau A. wies einige vergleichbare Themen auf, die teilweise eine ähnliche Häufigkeit und Differenzierung wie im Profil der pädagogischen Fachkraft Frau N. zeigten (s. Abb. 35, S. 271). 

Frau A. befürwortete die Mehrsprachigkeit der Kinder. Sie verstehe die kindliche Mehrsprachigkeit wie auch ihre eigene Mehrsprachigkeit als bedeutsame Ressource.



Deswegen setze Frau A. ihre Erstsprache in der Kindertagesstätte und in der Familie flexibel und bedarfsorientiert ein. Sie wisse von der emotionalen Funktion der Erstsprache.



Außerdem beschrieb Frau A. Methoden zur Sprachbeobachtung. Im Interview wurde von ihr ein hoher persönlicher wie auch teambezogener Wissens- und Optimierungsbedarf zur Sprachbeobachtung ausgedrückt.

9.1 Typische Merkmale ausgewählter Profile

271



Gegenüber Interkulturalität reflektierte Frau A. eine besondere Wertschätzung. Auch im Kita-Team bemerke sie eine vorteilhafte Kultursensibilität.



Ebenfalls zeigte Frau A. differenzierte und reflektierte Einblicke in ihre Gesprächsführungsmethoden in der Bilderbuch- und Spielsituation sowie zur Erst- und Zweitsprachförderung im Kita-Team. Bilderbücher sehe sie als geeignete Medien zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung.

Abb. 35: Themenkonstellation im intrapersonalen Profil der türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft Frau A.

In der Befragung mit Frau A. waren noch andere Themen zu folgenden Kategorien auszumachen (s. Abb. 35, S. 271): 

Frau A. führte die Bedeutung des Deutscherwerbs für die Bildungschancen der Kinder auf. Allerdings kritisierte sie die häufige Vorrangstellung der Zweitsprache Deutsch und Verunsicherungen im Mehrsprachigkeitserwerb durch Lehrkräfte.



Daneben äußerte Frau A., dass sie die Erst- und Zweitsprache des Kindes beim Bilderbuchlesen habe wahrnehmen können. Ihr Wissen allgemein über Mehrsprachigkeit und ihre Kenntnisse über soziale Einflussfaktoren im Sprachgebrauch der Kinder ließen hierzu ein vorteilhaftes Kompetenzspektrum erkennen.



Ferner gebrauche Frau A. ihre Erstsprache als geschätzte Vermittlerin in der Elternarbeit und zum Abbau von Sprachbarrieren. Gleichfalls führe sie Elterngespräche zum Thema Mehrsprachigkeit.

272

9 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt III



Den Erwerb des Deutschen habe Frau A. mit der Immigration als große Belastung empfunden. Doch im Laufe der Schulzeit und der Ausbildung habe sie ihre Sprachkompetenz im Deutschen erfolgreich aufbauen können.



Frau A. nahm positiv zu ihrer beruflichen Situation Stellung. Sie teilte im Interview mit, dass sie in der Kindertagesstätte ihre Mehrsprachigkeit gut einsetzen könne und sich dort sehr wohl fühle. Sie wünsche sich gerne Weiterbildungen.



Letztlich offenbarte Frau A. ihre Zufriedenheit gegenüber der Vorgehensweise im Forschungsprojekt. Sie habe die Projektteilnahme als gewinnbringende Möglichkeit zur fachlichen Weiterentwicklung verstanden.

9.1.3

Deutschsprachige pädagogische Fachkraft Frau M.

Zur Lebens-, Sprach-, und Berufsbiographie kristallisierten sich aus dem Biographieinterview der pädagogischen Fachkraft Frau M. folgende Ausgangsmerkmale heraus: 

Frau M. ist in Deutschland aufgewachsen. Sie fühle sich trotz einer früheren Umzugssituation in den Süden Deutschlands dennoch im mittleren Norddeutschland beheimatet. Ihre Bezüge zum Ausland sollen sich bislang auf Urlaubssituationen erstreckt haben. Trotz ihrer eher regionalen Orientierung habe sie Kontakte zu russisch- und polnischsprachigen Personen.



Frau M. spricht monolingual Deutsch und erklärte im Interview, dass die Umgebungssprache Deutsch für sie dominant sei. Jedoch interessiere sie sich besonders für fremde Sprachen.



Sie besuchte eine Fachoberschule und habe darüber nachgedacht, Sozialpädagogik zu studieren. Sie habe sich jedoch für die Ausbildung zur Erzieherin entschieden. Mittlerweile ist sie seit 17 Jahren als Erzieherin tätig und habe mehrere frühpädagogische Bereiche kennen gelernt.

Im intrapersonalen Profil von Frau A. konnten einzelne Themen vorgefunden werden, die vergleichbar häufig und differenziert wie in den Profilen der pädagogischen Fachkräfte Frau N. und Frau A. vorkamen (s. Abb. 36, S. 273). 

Insgesamt war bei Frau M. festzustellen, dass die Reflexion der pädagogischen Arbeit im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität für sie eine besondere Bedeutung einnimmt. Mehrmals überdachte sie in der Befragung ihr eigenes Handeln und das ihrer Kolleginnen und Kollegen zur Sprachbeobachtung. Ihr war auch die Optimierung von Methoden zur Sprachbeobachtung wichtig und sie äußerte hierzu einen Wissensbedarf.



Gleichzeitig zeigte Frau M. im Interview eine sehr intensive Reflexion über den Themenkomplex Interkulturalität und vermittelte, dass sie interkulturelle Zusammenhänge sehr wertschätze. Für sie bestehe ein besonderer Optimierungsbedarf für eine weitgehende Kultursensibilität in der frühpädagogischen

9.1 Typische Merkmale ausgewählter Profile

273

Arbeit. Dabei plädierte sie aus der persönlichen Sicht wie auch aus der Perspektive des Teams der Kindertagesstätte für eine Berücksichtigung der Interkulturalität der Kinder und Eltern.

Abb. 36: Themenkonstellation im intrapersonalen Profil der deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft Frau M.

Weitere Themen ergaben sich im Interviewmaterial von Frau M. in folgenden Konstellationen (s. Abb. 36, S. 273): 

Frau M. konnte Angaben zum Stand des Kindes im Deutscherwerb aus der Erhebungssituation machen. Überdies äußerte Sie ihre Kenntnisse zu sozialen Einflussfaktoren im Sprachgebrauch der Kinder.



Explizit vermochte Frau M. auch ihre Gesprächssteuerung in der Bilderbuchund Spielsituation reflektierend betrachten.



Dementsprechend achte Frau M. neben dem intuitiven Sprachgebrauch ebenso auf einen reflektierten Einsatz ihrer Sprache. Das eingesetzte Bilderbuch beurteilte sie zudem als sehr geeignet für die Sprachbeobachtung.



Im Erwerb des Deutschen sei ihr die Sensibilisierung aller Kinder wichtig.



Daneben drückte Frau M. explizit ihre Wertschätzung gegenüber der Mehrsprachigkeit von Kindern aus.



Da Frau M. neben Deutsch über keine andere Erstsprache verfügt, habe sie ein großes Interesse am Fremdspracherwerb und wünsche sich sehr, mehrere Sprachen zu sprechen. Sie habe auch einen großen Wissensbedarf für ande-

274

9 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt III

re Erstsprachen. Es sei ihr bewusst, dass Erstsprachen eine emotionale Funktion aufweisen. 

Gern würde Frau M. andere Sprachen noch intensiver in ihre Arbeit einbeziehen, allerdings sei das Sprachlernen für sie stets eine große Anstrengung gewesen. Sie habe während ihrer Schulzeit eher eine ablehnende Haltung zum eigenen Fremdsprachlernen gehabt.



Demgegenüber schilderte Frau M. ihre berufliche Situation äußerst positiv. Sie sei sehr zufrieden, dass die Kommunikation in ihrem Beruf einen großen Stellenwert einnehme. Sie habe den Wunsch, sich professionell immer weiterzuentwickeln.



Hinzukommend bewertete Frau M. die gesamte konzeptionelle Vorgehensweise des Forschungsprojektes, explizit auch den Ablauf der Interviews, als sehr motivierend.

Zwischenfazit Vor dem Hintergrund der vorangegangenen Merkmalsbestimmung biographischer Ausgangslagen und der Typisierung der Profile der pädagogischen Fachkräfte Frau N., Frau A. und Frau M. kann zusammenfassend festgehalten werden, dass sich Merkmale auffallend ähnlich abbilden. Allerdings sind bestimmte sprachlich-kulturelle Ausgangsmerkmale der drei untersuchten pädagogischen Fachkräfte anders angelegt und führen zu leicht unterschiedlichen Merkmalsproportionen.

9.2

Typen pädagogischer Fachkräfte mit besonderen Entwicklungspotenzialen und vorteilhafter Ressourcennutzung

Nachdem die Ausgangsmerkmale sowie die intrapersonalen Profile der pädagogischen Fachkräfte Frau N., Frau A. und Frau M. typisierend aufgezeigt wurden, konnten diese in einer vergleichenden Analyse zusammengeführt werden. Dabei wurden gemeinsame Merkmale herausgearbeitet wie auch differenzierende Merkmalsausprägungen ermittelt. Nachfolgend wird nun eine deskriptive Zusammenschau besonderer Aspekte der Lebens-, Sprach- und Berufsbiographie aufgezeigt, um damit übereinstimmende wie auch voneinander abweichende Ausgangsmerkmale festzuhalten. Danach wird anhand eines Typentableaus eine fokussierte Charakterisierung von Fachkraft-Typen mit besonderen Entwicklungspotenzialen und vorteilhafter Ressourcennutzung für Sprachbeobachtungskompetenzen im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität abgeleitet. Die typischen biographischen Ausgangsmerkmale der pädagogischen Fachkräfte stellten sich in der Zusammenfassung und Gegenüberstellung wie folgt dar:

9.2 Typen pädagogischer Fachkräfte

275



Bezüglich der Lebensbiographie sind verstärkt bei Frau N. und Frau A. interkulturelle Bezüge aufgrund ihrer selbst erlebten Migration im Kindesalter gegeben. Diese beiden Fachkräfte beschrieben für sich eine interkulturelle Identität mit einem Zugehörigkeitsgefühl sowohl zur Herkunfts- als auch zur Mehrheitskultur in Deutschland. Im Vergleich dazu liegt bei der deutschsprachigen pädagogischen Fachkraft Frau M. kein Migrationshintergrund vor. Trotzdem ist bei Frau M. ein Interesse für interkulturelle Kontakte erkennbar.



Vergleichbar bildet sich die Typisierung hinsichtlich der Sprachbiographie ab. Eine Lebensbedeutsamkeit zum Gebrauch mehrerer Sprachen ist explizit bei den beiden bilingualen pädagogischen Fachkräften Frau N. und Frau A. gegeben. Ihren Aussagen entsprechend ist eine balancierte Mehrsprachigkeit mit konsequenter Pflege und Weitergabe der Erstsprache bzw. der Erstsprachen auszumachen. Nur geringfügig würden mittlerweile die Erstsprachfähigkeiten in den Hintergrund treten. Dagegen kann Frau M. als monolingual aufwachsende Person auf keine andere Erstsprache neben Deutsch zurückgreifen. Sie offenbarte jedoch ihr großes Interesse, fremde Sprachen in ihr Leben einzubeziehen.



Schließlich können auch typische Merkmale in der Berufsbiographie der pädagogischen Fachkräfte vernommen werden. Alle drei Fachkräfte erwarben einen mittleren Bildungsabschluss und äußerten Überlegungen, ihre Qualifikation durch ein Studium zu erweitern. Letztendlich trafen sie jedoch die Entscheidung für eine Ausbildung zur Erzieherin. Aktuell befinden sich die beiden bilingualen pädagogischen Fachkräfte Frau N. und Frau A. zu Beginn sowie die deutschsprachige Fachkraft Frau M. im mittleren Zeitraum der beruflichen Tätigkeit.

Im Weiteren werden Fachkräfte-Typen vorgestellt, denen hohe Kompetenzen und Entwicklungspotenziale im Kontext der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder zugesprochen werden können. Hierzu werden die typisierten intrapersonalen Profile der pädagogischen Fachkräfte Frau N., Frau A. und Frau M. im Überblick verglichen (s. Anhang 9, S. 347). Dabei werden die Typen systematisch zueinander in Verhältnis gestellt und in einem Typentableau angeordnet sowie auffällige Querachsen untersucht (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 380). Im nach den Kernthemengruppen gegliederten Typentableau der drei pädagogischen Fachkräfte (s. Anhang 9, S. 347) ergeben sich Besonderheiten in der Perspektive eines gemeinsamen Grundtypus mit der Differenzierung in zwei Untertypen. Grundtypus mit besonderem Entwicklungspotenzial und vorteilhafter Ressourcennutzung für Sprachbeobachtungskompetenzen Mit dem Blick auf das Typentableau können hervorstechende Merkmale eines Grundtypus einer pädagogischen Fachkraft, die sich für die Sprachbeobachtung im

276

9 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt III

Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität besonders qualifiziert auszeichnet, festgestellt werden (s. Tab. 40, S. 277). 

Vor allem tritt das Thema Sprachbeobachtung bei allen drei pädagogischen Fachkräften als Typenmerkmal deutlich hervor. Dabei sind Reflexionen über verfügbare Methoden wie auch entsprechende Optimierungs- und Wissensbedarfe zu bemerken.



Weitere Typenmerkmale sind die hervorgehobene Wertschätzung gegenüber Mehrsprachigkeit und die Befürwortung des Erstsprachgebrauchs. Diesbezüglich sind sowohl Wissensbestände, insbesondere zur emotionalen Funktion von Erstsprachen, als auch Wissensbedarfe zur Systematik anderer Sprachen auszumachen.



Außerdem wird die Relevanz der Kultursensibilität und der interkulturellen Ausrichtung in der frühpädagogischen Arbeit im Typentableau betont. Hierzu handelt es sich um Reflexionen zu konzeptionellen Umsetzungen sowie um persönliche und teamorientierte Wünsche nach Wissenserweiterung und Optimierung im Bereich Interkulturalität.



Eine hohe Bedeutung als Typenmerkmal erhält gleichfalls die Reflexion des pädagogischen Handelns. Dabei bestehen vor allem Bezüge zu konkreten Erfahrungen, beispielsweise zur Gesprächs- und Spiellenkung sowie zur Sprachbeobachtung im Rahmen der durchgeführten Bilderbuch- und Spielsituation.



Ein anderes verbindendes Merkmal lässt sich in der Bewertung der Zweitsprache Deutsch feststellen. Der Deutscherwerb wird besonders im Hinblick auf Bildungschancen kritisch diskutiert und steht im Zusammenhang mit dem KitaKonzept, mit der Elternarbeit oder mit persönlichen Einstellungen. Dabei herrscht ein Plädoyer für eine ausgewogene und situative Unterstützung sowohl der Zweit- als auch der Erstsprache.



Ferner offenbart sich ein Typenmerkmal hinsichtlich der Kenntnisse über sprachliche Fähigkeiten des Kindes in der Erst- und Zweitsprache. Diese Kenntnisse beziehen sich auf spezifische Sprachbeobachtungen oder auf allgemeine Einschätzungen zur Sprachentwicklung der Kinder in der Kindertagesstätte.



In typischer Konstellation existieren daneben auch Kenntnisse über Methoden sprach- und kommunikationsfördernder Gesprächsführung. Hierzu liegen Beurteilungen für den sinnvollen Einsatz des Bilderbuches in der Erhebungssituation sowie Reflexionen über die eigene Sprachverwendung vor.



Ergänzend stellen sich in den Querlagen zusätzliche Typenmerkmale heraus. Auffallend ähnlich zeigt sich das Belastungserleben im eigenen Zweit- oder Fremdspracherwerb. Zudem wird die berufliche Situation mit Entwicklungsmöglichkeiten insgesamt positiv bewertet. Schließlich kann im Gesamten eine

9.2 Typen pädagogischer Fachkräfte

277

hohe Zufriedenheit bezüglich der Teilnahme am Forschungsprojekt vernommen werden.

Tab. 40: Merkmale eines Grundtypus mit besonderem Potenzial zur qualifizierten Sprachbeobachtung

Kernthemengruppe Methoden zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung

Russisch-deutschsprachige Fachkraft

Türkisch-deutschsprachige Fachkraft

Deutschsprachige Fachkraft

● Methodenrepertoire zur Sprachbeobachtung im Kita-Alltag ● Optimierungsbedarf zu Methoden der Sprachbeobachtung und Sprachförderung ● Wissensbedarf zur Sprachförderarbeit

Gebrauch der Erstsprache ● uneingeschränkte Befürwortung des Gebrauchs von Erstsprachen in der Kita und Stellenwert der ● Wissen über die emotionale Funktion von Erstsprachen Mehrsprachigkeit ● Wissensbedarf über Erstsprachen Interkulturelle und mehrsprachige Arbeit

● Wertschätzung der Interkulturalität und Kultursensibilität ● Wissens- und Optimierungsbedarf sowie Reflexion interkultureller Hintergründe

Reflexion zum Handeln in Bilderbuch- u. Spielsituat. ● Reflexion der Gesprächs- und Spiellenkung sowie der Sprachbeobachtung Stellenwert der Zweitsprache Deutsch

● Relevanz des Deutscherwerbs für Bildungschancen im Rahmen der Kita-Arbeit, der Elternarbeit oder persönlicher Bezüge

Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen bei Kindern

● Kenntnisse zu sprachl. Fähigkeiten des Kindes in der Erst- und Zweitsprache bzw. gezielt nur in der Zweitsprache in der Erhebungssituation u. im Kita-Alltag ● Wissen über soziale Faktoren im Sprachgebrauch der Kinder

Methoden sprach- und kommunikationsfördernder Gesprächsführung

● positive Beurteilung des eingesetzten Bilderbuches ● Kenntnisse zu Gesprächsführungsmethoden u. Reflexion über eigene Sprache

Sprachlich-kulturelle Identität der Fachkraft

● Wahrnehmung des eigenen Zweitspracherwerbs bzw. Fremdspracherwerbs als Belastung ● positive Wahrnehmung der eigenen beruflichen Situation und Entwicklungsmög lichkeit

Stellungnahme zum Forschungsprojekt

● positive Beurteilung des Forschungsprojektes

Untertypus mit mehrsprachigem und interkulturellem Hintergrund Im Typentableau ist neben einem gemeinsamen Grundtypus einer erfolgreich qualifizierten pädagogischen Fachkraft auch ein Untertypus in einer Nuancierung zum Grundtypus erkennbar. Diese erweiterte Differenzierung ergibt sich aus den oben aufgeführten Ausgangsmerkmalen des mehrsprachigen und interkulturellen Hintergrundes einer pädagogischen Fachkraft mit folgenden zusätzlichen Merkmalen (s. Tab. 41, S. 278). 

Innerhalb dieser Typendifferenzierung erlangt der Gebrauch der Erstsprache einen eindeutig persönlichen Bezug. Das entsprechende Typenmerkmal bezieht sich auf den konkreten Einsatz der verfügbaren Erstsprache der päda-

278

9 Ergebnisse zum Forschungsschwerpunkt III

gogischen Fachkraft. Im Idealfall wird die Erstsprache flexibel und situativ eingesetzt und dient mehrsprachigen Kindern zur Unterstützung in der Balance zwischen Erst- und Zweitsprache sowie zur Sicherheit in emotional belastenden Situationen. 

Aufgrund eigener Erstsprachfähigkeiten und eigener Migrationserfahrungen wird das Setting im bilingualen und interkulturellen Austausch mit Eltern über Sprachentwicklung und Mehrsprachigkeit vorteilhaft und häufig genutzt.



Überdies führt eine bewusste Wahrnehmung eigener Potenziale zu einer Wertschätzung der Mehrsprachigkeit als persönliche Ressource.

Tab. 41: Zusätzliche Merkmale eines Untertypus mit mehrsprachigem und interkulturellem Hintergrund Kernthemengruppe

Russisch-deutschsprachige Fachkraft Türkisch-deutschsprachige Fachkraft

● Konsequenter Gebrauch der eigenen Erstsprache während der Erhebung und in der eigenen Familie Gebrauch der Erstsprache und Stellenwert der ● Gebrauch der eigenen Erstsprache als Sicherheitsfaktor für die Kinder in Belas Mehrsprachigkeit tungssituationen ● Kritik an Vorrangstellung des Deutschen Elternarbeit im mehrsprachigen Kontext

● Austausch mit Eltern über Sprachentwicklung und Mehrsprachigkeit

Sprachlich-kulturelle Identität der Fachkraft

● Wertschätzung der eigenen Mehrsprachigkeit als Ressource

Untertypus ohne Mehrsprachigkeit und ohne Migrationshintergrund Darüber hinaus ist im Typentableau ein zweiter Untertypus vorzufinden, der ebenfalls mit dem Ausgangsmerkmal des sprachlich-kulturellen Hintergrundes in Verbindung steht. Bei diesem Untertypus handelt es sich um eine für die Sprachbeobachtung besonders qualifizierte pädagogische Fachkraft mit deutschen Wurzeln und monolingualem deutschen Sprachgebrauch mit folgenden ergänzenden Typenmerkmalen (s. Tab. 42, S. 279). 

Ein auffälliges Typenmerkmal wird hierzu mit einem erhöhten Wissensbedarf für die Sprachförderarbeit und für Erstsprachen markiert.



Ebenso besteht als erweitertes Merkmal eine intensive Reflexion der interkulturellen Konzeption in der Kindertagesstätte. Ferner wird noch mehr Kultursensibilität in der Kita-Arbeit eingefordert.



Letztlich zeigt sich ein großes Interesse an fremden Sprachen und an der Kommunikation mit diesen, selbst wenn sich das Sprachenlernen beschwerlich erweist.

9.2 Typen pädagogischer Fachkräfte

279

Tab. 42: Zusätzliche Merkmale eines Untertypus ohne Mehrsprachigkeit und ohne Migrationshintergrund Kernthemengruppe Methoden zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung

Deutschsprachige Fachkraft ● erhöhter Wissensbedarf zur Sprachförderarbeit

Gebrauch der Erstsprache und Stellenwert der ● erhöhter Wissensbedarf über Erstsprachen Mehrsprachigkeit Interkulturelle und mehrsprachige Arbeit

● intensive Reflexion zu Interkulturalität im Kita-Alltag ● Wunsch nach mehr Kultursensibilität in Kita-Arbeit

Sprachlich-kulturelle Identität der Fachkraft

● Interesse an fremden Sprachen

Zwischenfazit Mit der Triangulation der Ergebnisse im Hinblick auf eine Typenbildung konnte ein Grundtypus herausgearbeitet werden, bei dem eine besonders qualifizierte Sprachbeobachtungsentwicklung vor dem Hintergrund der Ergebnisse der BiKES-Studie angenommen werden kann. Dieser Grundtypus einer pädagogischen Fachkraft vereint die oben aufgeführten Merkmale der Kernthemengruppen soweit vorteilhaft, dass sich eine erfolgreiche Potenzialentwicklung im Sinne einer Ressourcennutzung zur Sprachbeobachtung im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität abzeichnete. Dabei existieren zwei Untertypen, die als Ausgangsmerkmal entweder über Mehrsprachigkeit und Interkulturalität verfügen oder einen monolingualen Deutschsprachgebrauch ohne Migrationshintergrund aufweisen. Beide Untertypen zeigen spezifische Merkmale, mit denen Vorteile genutzt und Nachteile ausgeglichen werden können.

Die Bildung eines Ideal-Typus ist hier der Schlüssel zur Generalisierung der gewonnenen Erkenntnisse (Bohnsack, 2005, S. 76f). Mit der Suche nach dokumentierten Hinweisen auf Regeln und gemeinsame Strukturen konnte das Typische der Einzelfälle beschrieben und ein Schritt in die Verallgemeinerung vollzogen werden (Fröhlich-Gildhoff, 2012, S. 49). Um die Ergebnisse auf eine generalisierende Ebene zu übertragen, sollen des Weiteren alle Forschungsergebnisse der BiKES-Studie zusammenfassend interpretiert und beurteilt werden.

10

Diskussion und Schlussfolgerungen – vom Potenzial zur Ressource

Im Hinblick auf die Verallgemeinerung neuer Erkenntnisse werden im zehnten Kapitel die Ergebnisse der BiKES-Studie aus der Interviewerhebung im ersten Forschungsschwerpunkt (s. Kap. 7) und aus der Fallvignettenarbeit im zweiten Forschungsschwerpunkt (s. Kap. 8) sowie aus der Typenbildung im dritten Forschungsschwerpunkt (s. Kap. 9) nachfolgend interpretiert und bewertet (s. Kap. 10.1). Dabei werden die leitenden Forschungsfragen (s. Kap. 1.2 u. 6.1.2) beantwortet und die erzielten Erkenntnisse dargelegt. Ferner werden das Vorgehen innerhalb der Studie kritisch reflektiert und methodische Limitationen aufgezeigt, um die Aussagekraft und Relevanz der Forschung realistisch einordnen zu können (s. Kap. 10.2).

10.1

Interpretation und Bewertung der Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse der BiKES-Studie in der Gliederung der drei durchgeführten Forschungsschwerpunkte beurteilt und Antworten auf die leitenden Forschungsfragen gegeben. Hierzu wird zuerst auf die Generierung von Potenzialen pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität im Rahmen der Interviewerhebung des ersten Forschungsschwerpunktes eingegangen (s. Kap. 10.1.1). Im Anschluss daran werden die Ergebnisse der Potenzialentwicklung pädagogischer Fachkräfte zur Sprachbeobachtung mehrsprachig und interkulturell aufwachsender Kinder aus dem zweiten Forschungsschwerpunkt beleuchtet (s. Kap. 10.1.2.). Ferner werden die Ergebnisse der Typisierung, die im dritten Forschungsschwerpunkt ermittelt wurden, im Hinblick auf die Ressourcennutzung durch pädagogische Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität fokussiert (s. Kap. 10.1.3.). 10.1.1. Beantwortung der Forschungsfragen im Forschungsschwerpunkt I – Potenziale im Kontext sprachlich-kultureller Diversität Im ersten Forschungsschwerpunkt wurde der Fragestellung nachgegangen, welche Potenziale sich bei pädagogischen Fachkräften mit unterschiedlichen sprachlichkulturellen Hintergründen im Bereich mehrsprachiger interkultureller Arbeit der Elementarpädagogik ermitteln lassen. Hierzu wurden Selbstkonstruktionen pädagogischer Fachkräfte im Zusammenhang mit Expertinnen- und Experteninterviews ausgewertet. Vor dem Hintergrund der Struktur der Kompetenzkategorien frühpädagogischer Arbeit im Kontext sprachlich-kultureller Diversität (s. Kap. 3.2) zeichnen sich in den Stellungnahmen der pädagogischen Fachkräfte unterschiedliche Zuordnungen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3_10

282

10 Diskussion und Schlussfolgerungen

zu den Kompetenzbereichen der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires ab. Im Allgemeinen vermittelten die pädagogischen Fachkräfte innerhalb der Studie, dass die frühpädagogische Arbeit erfolgreich bewältigt werden kann und drückten damit ein positives professionelles Selbstverständnis aus. Die Fachkräfte wünschten sich jedoch deutlich eine Stärkung und Unterstützung in ihrer Arbeit mit mehrsprachig und interkulturell aufwachsenden Kindern. Auf dieser Grundlage sind zehn inhaltlich gegliederte Kernthemengruppen zu identifizieren. Diese offenbaren die Sichtweisen der pädagogischen Fachkräfte sowohl zur Mehrsprachigkeit von Kindern als auch zur Methodik der Sprachbeobachtung bzw. Sprachförderung, zur Sprachund Kultursensibilität in der Kita, zu den eigenen Sprachbeobachtungskompetenzen im Bereich der Mehrsprachigkeit, zur Relevanz von Mehrsprachigkeit in der Elternarbeit, zu Methoden der Gesprächsführung mit Kindern, zur eigenen sprachlichkulturellen Identität, zur Reflexionsfähigkeit des pädagogischen Handelns, zum Erwerb und Gebrauch der Zweitsprache Deutsch in der Kita und im Elternhaus sowie zu Kenntnissen über das Umfeld der Kinder. In diesen Selbstkonstruktionen der pädagogischen Fachkräfte lassen sich in unterschiedlichen Anteilen sowohl Themen mit bereits erfolgreichen Zugängen, Kenntnissen und Handlungsperspektiven identifizieren als auch Themen ermitteln, in denen Unsicherheiten, Probleme oder Veränderungsbedarfe ausgedrückt wurden. Haltungen und biographische Einflüsse pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlich-kultureller Diversität Unter der Fragestellung (I. 1), welche Haltungen (s. Kap. 3.2.2) pädagogische Fachkräfte gegenüber der Arbeit mit Kindern im mehrsprachigen interkulturellen Kontext zeigen und welche Einflüsse sich hierzu durch lebens-, berufs- und sprachbiographische Erfahrungen ergeben, kann grundlegend ausgesagt werden, dass hierzu die pädagogischen Fachkräfte kompakt und differenziert Stellung bezogen. Sie zeigten alle eine positive Einstellung gegenüber sprachlich-kultureller Diversität. In der Regel wird die interkulturelle frühpädagogische Arbeit von den pädagogischen Fachkräften wertgeschätzt. Dazu erfolgten vor allem aus der Gruppe mehrsprachiger Fachkräfte Befürwortungen zur Pflege von Migrationssprachen in den Familien und frühpädagogischen Einrichtungen. Gelegentlich waren auch Bedenken im Gebrauch nichtdeutscher Erstsprachen von pädagogischen Fachkräften zu bemerken. Insbesondere konnten Empfehlungen zur Verwendung von Deutsch als gemeinsame Kommunikationssprache durchgehend vernommen werden. Hierzu kamen Kratzmann und Team (2017) in ihrer Studie ebenso zum Ergebnis, dass sich pädagogische Fachkräfte vorwiegend für eine sprachliche Anpassung mehrsprachiger Kinder an die deutsche Sprache aussprachen (ebd., S. 133ff). Selbst wenn einzelne Verunsicherungen im Umgang mit Migrationssprachen bestehen, zeichnet sich dennoch in der BiKESStudie eine offene Haltung zur Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität in der Kindertagesstätte grundsätzlich ab. Stärker negativ besetzte Vorstellungen von pädago

10.1 Interpretation und Bewertung der Ergebnisse

283

gischen Fachkräften in Bezug auf den Mehrsprachigkeitserwerb von Kindern mit türkischem Migrationshintergrund ergaben sich dagegen in der Studie von Kratzmann und Pohlmann-Rother (2012, S. 860). Einflüsse biographischer Erfahrungen offenbarten sich auffallend im Zusammenhang mit einem bewussten Migrationserleben und einem erschwerten Zweitspracherwerb im Jugend- oder Erwachsenenalter der pädagogischen Fachkräfte. Bei einer positiven Integration mehrsprachiger und interkultureller Erfahrungen ist eine besonders sensible Haltung zum eigenen Mehrsprachigkeitserwerb und -gebrauch erkennbar. Dies zeigt Auswirkungen auf eine besondere Bewusstheit in der mehrsprachiginterkulturellen Arbeit mit Kindern und auf die Anerkennung der kindlichen mehrsprachigen Entwicklung. Vor allem ist bei einer erfolgreichen Überwindung einer brüchigen Sprachbiographie eine positiv integrierte Identität mit vorteilhafter und feinfühliger Übertragung auf die sprachpädagogische Arbeit mit Kindern zu erkennen. Überdies korrespondiert die Erkenntnis pädagogischer Fachkräfte, dass der Deutscherwerb in der eigenen Bildungs- und Berufsbiographie ein förderlicher Faktor darstellte, mit einer zuversichtlichen Perspektive auf mögliche mehrsprachig-interkulturelle Ressourcen. In der Studie von Dinsmore & Villagomez (2012) werden hierzu individuelle Wechselwirkungen biographischer Einflüsse mit der Identitätsbildung bestätigt (ebd., S. 4ff). Bezüglich einer positiven Ressourcenwahrnehmung bestehen auch Korrelationen zur Zufriedenheit im Beruf. Demgegenüber sind einige Verunsicherungen in der Identitätsbildung türkisch-deutschsprachiger pädagogischer Fachkräfte in der zweiten Migrationsgeneration auszumachen. Dabei wurden diffuse Wahrnehmungen des mehrsprachigen, interkulturellen Lebenskontextes ausgedrückt. In anderen Studien, wie beispielsweise bei Edelmann (2006), ist die Bandbreite an Biographieverläufen und Umgangsweisen mit der eigenen Rolle noch größer (ebd., S. 242ff). Auch Lengyel und Rosen (2012) deckten eher widersprüchliche Erfahrungen durch biographische Erfahrungen auf (ebd., S. 73). Aus der Studie von Akbaş und Leiprecht (2015a) kann entnommen werden, dass pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund im Laufe ihrer Biographie diversen Abwertungen und Zuschreibungen ausgesetzt sind (ebd., S. 226f). Diese Abweichungen zu den Ergebnissen der BiKES-Studie können in der Zusammensetzung der Stichproben begründet liegen, da in diesen Studien meist ein Querschnitt durch das gesamte pädagogische Personal gezogen wurde und sich damit ein breiteres Abbild ergab. Wissen pädagogischer Fachkräfte und Einschätzungen kindlicher Sprachfähigkeiten im Kontext sprachlich-kultureller Diversität Mit der Frage (I. 2), auf welches Wissen (s. Kap. 3.2.3) pädagogische Fachkräfte zurückgreifen können, wenn sie mit mehrsprachigen Kindern interagieren und auf welchen Kenntnissen die Einschätzungen pädagogischer Fachkräfte zu kindlichen mehrsprachigen Fähigkeiten basieren, ist als Antwort im Wesentlichen das erfahrungsbasierte Wissen zu nennen. Besonders bei mehrsprachigen pädagogischen Fachkräften erhöhten eigene Erlebnisse der Migration und des Deutschspracher-

284

10 Diskussion und Schlussfolgerungen

werbs das Bewusstsein für sprachliche Prozesse und unterstützten die Sprachbeobachtung von Kindern. Stellenweise nutzten pädagogische Fachkräfte auch ihre interkulturellen Hintergründe zur Einschätzung sprachlich-kommunikativer Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder, wie auch in der Studie von Thoma und Team (2012) erkannt werden konnte (ebd., S. 52). Neben allgemeinen Beurteilungen zum sprachlich-kommunikativen Verhalten der mehrsprachigen Kinder sind teilweise auch genaue Kenntnisse über sprachstrukturelle Merkmale des kindlichen Lexikons und der Wortbedeutungsentwicklung sowie der Wort- und Satzgrammatik zu registrieren. Bei monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften sind ebenfalls Kenntnisse zur Beurteilung sprachlich-kommunikativer Erscheinungen der Kinder festzustellen. Vorwiegend bestand dabei ein Blick auf die Zweitsprachentwicklung und -verwendung. Über pauschale Einschätzungen hinaus wurden auch der deutsche Wortschatz und ansatzweise die Grammatik bewertet. Gelegentlich existierten Vermutungen zu Erstsprachfähigkeiten bei monolingualen pädagogischen Fachkräften. Alle pädagogischen Fachkräfte ließen erkennen, dass sie die Sprache und Kommunikation der Kinder sowohl in konkreten Situationen wahrnehmen als auch aus der Erinnerung Sprachentwicklungsstände und das Kommunikationsverhalten von Kindern einschätzen konnten. Dabei wurden auch Einflussfaktoren zum sprachlichkommunikativen Verhalten in der Erst- und Zweitsprache der Kinder erwähnt sowie Erklärungen zur emotionalen Funktion der Erstsprache und der kulturellen Wurzeln erbracht. Kenntnisse zur Kind-Umfeld-Situation wurden ergänzend hinzugezogen. Das Wissen über Sprache und Kommunikation im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität ist hauptsächlich durch praktische Erfahrungen der pädagogischen Fachkräfte geprägt. Theoriegeleitetes Wissen liegt hierzu vereinzelt bei mehrsprachigen pädagogischen Fachkräften aufgrund absolvierter Fortbildungen vor. Dies wird ebenso in den Ergebnissen von Thoma und Team (2012) bestätigt und zusätzlich mit höheren Bildungsabschlüssen erklärt (ebd., S. 52). Es zeigt sich, dass Wissensbestände zur Einschätzung der Sprachentwicklung und zur Förderung von Sprache und Kommunikation bei mehrsprachigen Kindern mit Migrationshintergrund noch nicht optimal aufgebaut sind. Knopp (2008) wie auch Thoma und Team (2012) belegen ebenfalls in ihren Studien, dass pädagogische Fachkräfte nur über ein geringes Wissen im Bereich diagnostischer Verfahren sowie des Spracherwerbs verfügen und auf oberflächliche Auffälligkeiten in der Zielsprache Deutsch fixiert sind (Knopp, 2008, 284ff; Thoma et al., 2012, S. 52ff). Vorteilhaft erscheint in den Ergebnissen der BiKES-Interviews, dass mit dem hohen Wissensbedarf klar formulierte Fortbildungswünsche einhergehen. So ist das Bedürfnis pädagogischer Fachkräfte erkennbar, das explizite Wissen über Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu erweitern. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Fried (2007) in ihrer Studie, in der ein Zusammenhang zwischen einem überdurchschnittli-

10.1 Interpretation und Bewertung der Ergebnisse

285

chen Wissen mit einer besonders professionellen Haltung wie auch entsprechender Berufszufriedenheit und Selbstwirksamkeit zu vernehmen ist (ebd., S. 28). Handlungsrepertoire pädagogischer Fachkräfte in Interaktionssituationen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität Eine weitere Fragestellung (I. 3) bezieht sich darauf, welches Handlungsrepertoire (s. Kap. 3.2.4) hinsichtlich sprachlich-kommunikativer Strategien pädagogische Fachkräfte in Interaktionssituationen mit mehrsprachigen Kindern einsetzen. Hierzu kann zunächst beantwortet werden, dass der Schwerpunkt der professionellen Wahrnehmung der pädagogischen Fachkräfte verstärkt im Kompetenzbereich des Handlungsrepertoires liegt, obwohl sich die analysierten Themen im Interviewmaterial etwas weniger differenziert als in den Kompetenzkategorien der Haltung und des Wissens darstellen. Ein Methodenrepertoire zur interkulturellen Förderung in der Elementarpädagogik kann grundsätzlich quer durch alle Fachkräftegruppen und insbesondere von monolingualen Fachkräften bemerkt werden. Bei interkulturellen Angeboten wurden Bezüge zum Team und zur konzeptionellen Ebene der Kita hergestellt. Dieser Handlungsbereich scheint eine breitere kollektiv geplante Umsetzung zu benötigen und ist weniger von einer einzelnen Fachkraft zu bewältigen. Ein bedeutsamer Handlungsaspekt stellt für mehrsprachige pädagogische Fachkräfte der Einsatz der eigenen Erstsprache dar. Damit möchten die Fachkräfte den Kindern die Eingewöhnung in der Einrichtung erleichtern und emotional belastende Situationen für Kinder und Eltern entschärfen, indem die Erstsprache als Sicherheitsfaktor dient. Darüber hinaus wird die Erst- und Zweitsprachverwendung flexibel an verschiedene Kommunikationssituationen angepasst. Unbewusst wird damit auf die natürliche Mehrsprachigkeitspraxis des Translanguaging eingegangen (García & Lin, 2017; Wei & García, 2017). Auch bei Garrity und ihrem Team (2015) werden unbewusste translinguale Sprachpraktiken bei pädagogischen Fachkräften mit unterschiedlichen Sprachdominanzen im pädagogischen Alltag in ihrer Studie belegt (ebd., S. 186ff). Ebenso weisen Schwartz und Asli (2014) translinguales Sprachhandeln mit qualitativen und quantitativen Daten signifikant nach (ebd., 25f). Die in konkreten Situationen angewandten Gesprächsführungstechniken wurden von pädagogischen Fachkräften, insbesondere von mehrsprachigen Fachkräften, wahrgenommen und reflektiert, wenngleich dieser Aspekt des Handlungsrepertoires in der frühpädagogischen Arbeit nicht außerordentlich im Vordergrund steht. Vergleichbar wurden von pädagogischen Fachkräften Sprachbeobachtungsmöglichkeiten sowie das Lenkungs- und Öffnungsverhalten in Gesprächssituationen mit Kindern reflektiert. Die reflektorische und planungsbezogene Arbeit einer pädagogischen Fachkraft in der Kindertagesstätte tritt vermutlich gegenüber dem praktischen Tun in den Hin-

286

10 Diskussion und Schlussfolgerungen

tergrund, da auch die zur Verfügung stehende Vor- und Nachbereitungszeit relativ gering bemessen ist.61 Der Fokus pädagogischer Fachkräfte in der Selbstkonstruktion frühpädagogischer Arbeit scheint stärker auf die Anwendung des Repertoires geeigneter und umsetzbarer Methoden und Medien gerichtet zu sein. Diese schwerpunktmäßige Orientierung lässt sich mit den Anforderungen der pädagogischen Fachkräfte hinsichtlich des täglichen unmittelbaren Handelns mit Kindern im sprachlich-interkulturellen Kontext begründen. Das professionelle Kerngeschäft von pädagogischen Fachkräften in Kindertagesstätten besteht in der pädagogischen Gestaltung von Kommunikations- und Interaktionsbeziehungen mit den Kindern und für die Kinder (Bertelsmann Stiftung, 2017, S. 4). Das sprachpädagogische Handeln gründet sich bei den pädagogischen Fachkräften im allgemeinen auf ein praxisbezogenes Methodenrepertoire. Den Blick auf Sprachbeobachtung, Sprachbildung und Sprachförderung als Konzept in der Kindertagesstätte nahmen vor allem monolinguale pädagogische Fachkräfte. Hingegen wurden spezifische methodische Momente zur Unterstützung der mehrsprachigen Entwicklung von Kindern eher von mehrsprachigen pädagogischen Fachkräften fokussiert. Insgesamt werden auf der einen Seite lediglich allgemeine (sprach)pädagogische Konzepte und interkulturelle Angebote von monolingualen Fachkräften unterstützt. Auf der anderen Seite ist eine mehrsprachige und interkulturelle Förderung mit spezifischen Handlungsmöglichkeiten durch den Einsatz der Erstsprachen pädagogischer Fachkräfte festzustellen. Saft und Pianta (2001) belegten hierzu, dass pädagogische Fachkräfte die Fachkraft-Kind-Beziehung positiver bewerten, wenn dieselben ethnischen Merkmale vorlagen (ebd., S. 125ff). Diesen Ergebnissen wiederspricht die Studie von Kratzmann und Team (2013), in der bezüglich der Sprachförderung in der Erstsprache Türkisch keine förderliche Wirkung gefunden werden konnte (ebd., S. 136ff). Auch in weiteren Ergebnissen stellte sich die eigene Mehrsprachigkeit der pädagogischen Fachkräfte nicht als relevant heraus (Kratzmann et al., 2017, S. 133ff). Ähnlich konnten auch Ewing und Taylor (2009) keine durchgängigen Vorteile einer ethnischen Übereinstimmung zwischen Fachkraft und Kind erkennen (ebd., S. 92ff). Neben der frühpädagogischen Arbeit mit den Kindern liegt im Handlungsrepertoire pädagogischer Fachkräfte ein Fokus auf der Elternarbeit im Hinblick auf Partizipation und Austausch im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität. Für pädagogische Fachkräfte ist die Familie der wichtigste Bezugspunkt von Kindern. Zugleich sind die Eltern die erste Anlaufstelle im Rahmen der Kooperation zwischen Kindertagesstätte und Elternhaus. Bei Eltern mit geringen Deutschkenntnissen kommen die Erstsprachfähigkeiten mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte durchgängig zum 61

Zur umfassenden Erfüllung weiterer Aufgaben neben der pädagogischen Arbeit mit den Kindern – wie beispielsweise Vor- und Nachbereitung, Teamgespräche und Dokumentationen – müssten dem pädagogischen Personal laut Empfehlung der Bertelsmann Stiftung (2016) letztlich 25 % der Arbeitszeit zur Verfügung stehen (ebd., S. 2).

10.1 Interpretation und Bewertung der Ergebnisse

287

Einsatz. Zudem ersuchen monolinguale Fachkräfte ihre mehrsprachigen Kolleginnen und Kollegen um Unterstützung bei der Kommunikation mit Kindern und Eltern mit Migrationssprachen. Schließlich ist im Handlungsrepertoire pädagogischer Fachkräfte vor allem im Kontext von Mehrsprachigkeit und teilweise im interkulturellen Handeln ein Unterstützungs- und Fortbildungsbedarf zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung bemerkbar. Zudem wünschen sich mehrsprachige pädagogische Fachkräfte Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen sowie durch professionelle Fortbildungen in ihrem Zweitspracherwerb, sofern sie in ihrem beruflichen Handeln ihre unsicheren Deutschkenntnisse als Beeinträchtigung wahrnehmen. Sichtweisen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität mit Bezug zur Fachkraft, zum Kita-Team oder zum Bildungssystem Mit der Fragestellung (I. 4) zu den Sichtweisen pädagogischer Fachkräfte auf verschiedenen Argumentationsebenen soll beantwortet werden, in welchen Zusammenhängen die Fachkräfte vor allem aus der persönlichen Fachkraft-Perspektive, aus der Sicht des Kita-Teams oder in Bezug auf das System der Bildungspolitik, der Organisation des Bildungswesens und der Gesellschaft argumentieren (s. Kap. 3.4). Dabei offenbart sich, dass der Blick hauptsächlich von der Ich-Ebene der Fachkraft ausgeht. Insgesamt wurde mit einem Anteil von gut zwei Dritteln aller Themengruppen der Interviewauswertung aus der persönlichen Sicht mitgeteilt, insbesondere in den Kompetenzkategorien der Haltung und des Wissens. Dieses Phänomen lässt sich damit begründen, dass Haltungen und Wissen zu sprachlich-kulturellen Aspekten möglicherweise von pädagogischen Fachkräften bevorzugt vor dem Hintergrund der eigenen Meinung und Erfahrungswelt und weniger in der Auffassung der pädagogischen Einrichtung oder des gesamten Bildungssystems ausgedrückt werden. Außerdem dürfte das konkrete Erleben in der Bilderbuch- und Spielsituation sowie in der Video-Selbstreflexion jeweils vor den Interviews eine Rolle gespielt haben, dass die pädagogischen Fachkräfte ihre Kenntnisse und Wissensbestandteile hauptsächlich in Bezug zur eigenen Handlungsstruktur wiedergaben (s. Kap. 6.5.1.1). Vermutlich dadurch, dass sich die pädagogischen Fachkräfte im Interview häufig auf das erlebte Gespräch während der Bilderbuchbetrachtung und des anschließenden Spiels bezogen, sprachen sie hierzu ausnahmslos aus ihrer persönlichen Erfahrung und nicht aus der Sicht des Teams. Weniger als ein Drittel des Interviewmaterials wird von den pädagogischen Fachkräften aus der Team-Perspektive argumentiert. Lediglich in der Kategorie des Handlungsrepertoires kann ein etwas höherer Anteil der generierten Themengruppen auf der Ebene der Team-Identität ausgemacht werden. So wird also im Handlungsrepertoire die Team-Ebene mit angesprochen. Ein Grund dafür kann in der praktizierten Team-Kultur in manchen Kindertagesstätten gegeben sein, die kooperatives pädagogisches Handeln der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu fördern vermag. In diver-

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10 Diskussion und Schlussfolgerungen

sitätssensiblen Handlungskonzepten pädagogischer Teams wird zugleich das Bedürfnis der Menschen mit anderen sprachlich-kulturellen Wurzeln nach ethnischer und sprachlicher Gruppenidentität berücksichtigt (Kim, 2009, S. 55; Lüdtke, 2012a, S. 68; Simon, 2016, S. 170) als auch der Leitgedanke einer integrierten mehrsprachig-interkulturellen Gesellschaft für Eltern und Kinder verfolgt (s. Kap. 4.1). Allerdings ist die Einbeziehung in das Team bei mehrsprachigen pädagogischen Fachkräften mit Migrationshintergrund nicht immer gegeben. Unter ungünstigen Arbeitsbedingungen zugewanderter pädagogischer Fachkräfte kann davon ausgegangen werden, dass die konzeptionelle Mitarbeit im Kita-Team erschwert wird (Akbaş & Leiprecht, 2015a, S. 207f; Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 174ff; Fuchs-Rechlin & Strunz, 2014, S. 40ff). Selbst wenn pädagogisch ausgebildete Fachkräfte mit Migrationssprachen als Lehrkräfte für herkunftssprachlichen Unterricht in Schulen beschäftigt sind, werden diese nur peripher in die Konzeption und Durchführung von leistungsbezogenen Förderangeboten einbezogen (Bender-Szymanski, 2003, S. 215). Bezüglich des Handlungsrepertoires zur Elternarbeit wurde sowohl auf der Ebene der Fachkraft als auch auf der Ebene des Teams von den pädagogischen Fachkräften ausgegangen. So erweist sich einerseits die klassische deutschsprachige Elternarbeit, abgesehen von gruppenübergreifenden Elternaktionen, Festen und Projekten, eher als alleiniger Auftrag für die Erst- und Zweitkraft der jeweiligen Kindergruppe. Dagegen besteht andererseits bei der Elternarbeit im mehrsprachigen und interkulturellen Kontext eine Notwendigkeit zur Zusammenarbeit unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Herausforderung der Elternpartizipation ist in Bezug auf Mehrsprachigkeit und Migration besser als Gemeinschaftsaufgabe lösbar. Auffallend wurde von pädagogischen Fachkräften selten aus der Sicht der SystemEbene argumentiert. Pädagogische Fachkräfte bezogen sich nur dann auf das Bildungssystem, wenn Kritik an existierenden Arbeitsbedingungen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität geübt wurde und Veränderungswünsche ausgedrückt wurden. Orientierungen an administrativen Vorgaben, beispielsweise an Bildungsplänen, oder die Mitwirkung in politischen Gremien, etwa in einer Bildungsgewerkschaft, stehen vermutlich innerhalb der Arbeitsstrukturen pädagogischer Fachkräfte nicht im Vordergrund. Wahrnehmung von Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte im Zusammenhang mit der jeweiligen sprachlich-kulturellen Konstellation Die Frage (I. 5), wie pädagogische Fachkräfte ihre Haltung, ihr Wissen und ihr Handlungsrepertoire im mehrsprachigen interkulturellen Kontext der Elementarpädagogik im Zusammenhang mit der jeweiligen sprachlich-kulturellen Konstellation wahrnehmen, soll Potenziale zwischen mehrsprachigen und einsprachigen pädagogischen Fachkräften aufdecken. Dazu kristallisieren sich zunächst einzelne Vorteile mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte gegenüber monolingual deutschsprachigen

10.1 Interpretation und Bewertung der Ergebnisse

289

Fachkräften aufgrund von Erstsprachkenntnissen, Mehrsprachigkeitserfahrungen und interkulturellen Bezügen heraus. Mehrsprachige pädagogische Fachkräfte bezogen sich vermehrt auf die mehrsprachige und interkulturelle Arbeit und zeigten sich etwas aufgeschlossener für den Erwerb und Gebrauch von Erstsprachen als ihre monolingualen Kolleginnen und Kollegen. Besonders russisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte plädierten für eine gleichwertige Berücksichtigung von Erstund Zweitsprache. Mehrsprachige pädagogische Fachkräfte beachteten vermehrt die Fähigkeiten der Kinder zur Nutzung der Erst- und Zweitsprache. Allerdings ist mit Differenzerfahrung nicht gleichzeitig Differenzsensibilität oder ein reflexives Wissen über die Bedeutung von Differenzerfahrung verbunden (Braun, 2009, S. 269). Dementsprechend kann nicht immer festgestellt werden, dass pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund ihre mehrsprachigen und interkulturellen Potenziale diversitätssensibel wahrnehmen und gewinnbringend abrufen konnten (s. Kap. 1.4). Im Gegensatz zu mehrsprachigen pädagogischen Fachkräften mit Migrationshintergrund fehlt monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften in der Regel ein Repertoire an mehrsprachigen Erfahrungen und Einblicke in andere Herkunftskulturen. Dennoch zeigt sich bei den meisten deutschsprachigen Fachkräften, trotz mancher Hürden im Fremdsprachenlernen, eine Offenheit gegenüber anderen Sprachen. Der eigene Kenntnismangel über andere Sprachen wurde als Manko empfunden. Deswegen wurden Wünsche zur Beherrschung fremder Sprachen formuliert. Den Mangel an sprachlich-kulturellen Fähigkeiten gleichen deutschsprachige pädagogische Fachkräfte mit einem besonderen Engagement und Interesse für Fremdsprachen und für interkulturelle Arbeit aus. In der Studie von Gereke und Team (2005) wird deutlich, dass Defizite im Bereich anderer Erstsprachen und interkultureller Handlungskompetenzen durch den Besuch entsprechender Fortbildungsmaßnahmen von monolingualen pädagogischen Fachkräften kompensiert werden (ebd., S. 64). Der Brückenschlag zwischen den Sprachen und Kulturen gelingt aus der Perspektive der monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräfte nicht aufgrund des Potenzials eigener sprachlich-kultureller Hintergründe, sondern vor allem im Zuge eines besonders reflektierten und sensiblen Zugangs zu mehrsprachigen Kindern und Eltern mit Migrationshintergrund. So akzeptierten monolinguale Fachkräfte vereinzelt den Gebrauch von Migrationssprachen. Dennoch betonten monolinguale pädagogische Fachkräfte nach wie vor den Zweitspracherwerb und -gebrauch des Deutschen. Monolinguale Fachkräfte bezogen sich dementsprechend vermehrt auf die allgemeine sprachpädagogische Arbeit. 10.1.2. Beantwortung der Forschungsfragen im Forschungsschwerpunkt II – Potenzialentwicklung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität Im Rahmen einer Intervention in Form einer Qualifizierungsmaßnahme für pädagogische Fachkräfte wurde im zweiten Forschungsschwerpunkt untersucht, wie sich

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10 Diskussion und Schlussfolgerungen

Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte zur Beurteilung mehrsprachiger Fähigkeiten von Kindern verändern. Die Daten wurden aus den schriftlichen Aufzeichnungen der teilnehmenden pädagogischen Fachkräfte innerhalb einer Fallvignettenarbeit gewonnen. Der Schwerpunkt der Analysen lag in der Herausarbeitung der verfügbaren Kompetenzen der pädagogischen Fachkräfte, mehrsprachig und interkulturell aufwachsende Kinder in ihren sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten einzuschätzen und mögliche Problembereiche sowie Förderimplikationen abzuleiten. Die Kompetenzen der Fachkräfte wurden zu zwei Messzeitpunkten verglichen. Beobachtungskompetenzen pädagogischer Fachkräfte hinsichtlich linguistischer und kommunikativer Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder Bezüglich der Fragestellung (II. 1), in welchem Maße bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte linguistische und kommunikative Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder erfassen, kann allgemein belegt werden, dass im Gegensatz zu linguistischen Fähigkeiten stärker direkt beobachtbare kommunikative Fähigkeiten der Kinder im Blick der pädagogischen Fachkräfte waren. Trotzdem liegen Betrachtungen pädagogischer Fachkräfte zu phonetisch-phonologischen Auffälligkeiten der Kinder mit einer Steigerung hinsichtlich des Korrektheitsgrades und der Differenziertheit zum zweiten Messzeitpunkt vor. Teilweise wurden auch einzelne Schwierigkeiten der Kinder bei der Verbstellung, Nebensatzbildung sowie Wortschatz- und Wortbedeutungsentwicklung von pädagogischen Fachkräften richtig erkannt und zugeordnet (s. Kap. 2.3.2). Die Beobachtungen pädagogischer Fachkräfte zum kommunikativen Verhalten der Kinder bezogen sich auf die Sprechmotivation und emotionale Gesprächsbeteiligung der Kinder. Ebenso wurde der kommunikative Einsatz verbaler bzw. nonverbaler Mittel und der situative Gebrauch der Erst- bzw. Zweitsprache der Kinder aufgenommen. Die Beachtung der kindlichen pragmatisch-kommunikativen Fähigkeiten stellte für pädagogische Fachkräfte eine breit anwendbare Grundlage für die Sprachbeurteilung dar. Diese Strategie trat besonders in Erscheinung, wenn sprachstrukturelle Details auf den linguistischen Ebenen in der Erst- oder der Zweitsprache der Kinder nicht sofort erfasst werden konnten (s. Kap. 2.3.2). Die Konzentration der Sprachbeobachtung auf kommunikative Merkmale lässt sich mit der Wissensstruktur pädagogischer Fachkräfte erklären. Während Einschätzungen pädagogischer Fachkräfte zum kommunikativen Verhalten von Kindern in Gesprächssituationen auf der Basis des frühpädagogischen Erfahrungswissens möglich sind, wird zur Ermittlung differenzierter Strukturmerkmale auf den Sprachebenen explizites linguistisches Grundlagenwissen benötigt. Über dieses Wissen verfügen nicht alle pädagogischen Fachkräfte in ausreichendem Maße (Knopp, 2008, 284ff; Thoma et al., 2012, S. 52ff).

10.1 Interpretation und Bewertung der Ergebnisse

291

Beobachtungskompetenzen pädagogischer Fachkräfte hinsichtlich des Erstspracherwerbs mehrsprachiger Kinder Zur Frage (II. 2), wie sicher bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte die Erstsprachfähigkeiten mehrsprachiger Kinder einschätzen, zeichnet sich als Antwort zunächst ein gewisser Vorteil mehrsprachiger Beobachtungskompetenzen ab. In den Fällen, in denen mehrsprachige pädagogische Fachkräfte ihre Erstsprache zum Einsatz bringen, sind höhere Sprachbeobachtungsleistungen festzustellen. Insbesondere bei russisch-deutschsprachigen Fachkräften erweisen sich die Einschätzungen der kindlichen Erstsprachentwicklung im Russischen exakter von der Sprachbeobachtung bis zur Förderableitung im Vergleich zu den anderen Fachkräftegruppen. Diese Sprachbeobachtungskompetenzen offenbarten sich bereits vor der Qualifizierung. Bei türkisch-deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften ergibt sich jedoch nur ein geringer Vorsprung gegenüber den anderen Fachkräftegruppen bei der korrekten Beurteilung des Fallbeispiels mit einer altersgerechten Erstsprachentwicklung des Kindes im Türkischen. Im Gegensatz zu mehrsprachigen pädagogischen Fachkräften fällt bei monolingual deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften eine deutliche Selbstzuschreibung bezüglich des Mangels an Erstsprachkenntnissen auf. Dennoch wurden in der Gesamtheit ähnlich gute Fallbearbeitungen wie bei türkisch-deutschsprachigen Fachkräften erzielt. Die Ergebnisse lassen sich dadurch erklären, dass deutschsprachige pädagogische Fachkräfte vermutlich die in der Qualifizierungsmaßnahme erworbenen Indikatoren zur Identifikation der Wortschatz- und Grammatikentwicklung konsequenter anwendeten. Generelle Überlegenheiten mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte hinsichtlich bestimmter Erstspracheinschätzung können allerdings nicht pauschal zugeschrieben werden und bedürfen der Relativierung, wie auch die bereits dargelegten Studien bestätigen (u.a. Ewing & Taylor, 2009; Kratzmann et al., 2017; Kratzmann et al., 2013; Kratzmann & Pohlmann-Rother, 2012). In der BiKES-Studie verteilen sich sowohl qualifizierte als auch unsichere Sprachbeobachtungskompetenzen auf alle Fachkräftegruppen. Ferner liegen in der Stichprobe der russisch-deutschsprachigen Fachkräftegruppe im Durchschnitt höhere schulische und berufliche Qualifikationsmerkmale vor, die sich möglicherweise vorteilhaft auswirkten. Ferner ergeben sich bei den Fallvignetten mit russisch-deutschsprachigen Kindern höhere korrekte Kategoriensummen als bei den Fallvignetten mit türkischdeutschsprachigen Kindern. Insofern kann bei der Bearbeitung der Fallvignetten mit russisch-deutschsprachigen Kindern von einem geringeren Schwierigkeitsgrad im Vergleich zu den Fallvignetten mit türkisch-deutschsprachigen Kindern ausgegangen werden. Ebenso kann auf eine Schwierigkeitsabstufung von den Fallvignetten mit genuiner Sprachentwicklungsstörung zu den Fallvignetten mit erschwertem Deutschspracherwerb geschlossen werden. Diese Interpretation korrespondiert gleichfalls mit

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10 Diskussion und Schlussfolgerungen

den Selbsteinschätzungen der pädagogischen Fachkräfte zur Bearbeitung sowie zur Qualitätsbewertung der Fallvignetten. Beobachtungskompetenzen pädagogischer Fachkräfte hinsichtlich des Zweitspracherwerbs mehrsprachiger Kinder Unter der Frage (II. 3), wie sicher bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte die Fähigkeiten im Zweitspracherwerb Deutsch bei mehrsprachigen Kindern beurteilen, kann generell die Aussage getroffen werden, dass bei der Sprachbeobachtung insbesondere die kindlichen Fähigkeiten im Deutschen von den Fachkräften fokussiert werden. Dieses Vorgehen lässt sich vor allem bei monolingual deutschsprachigen Fachkräften nachweisen. Insgesamt scheint es aber sowohl monolingual deutschsprachigen als auch mehrsprachigen pädagogischen Fachkräften leichter zu fallen, die Sprachentwicklung mehrsprachiger Kinder im Deutschen zu beurteilen. Der Grund dafür kann in der gängigen Beobachtungspraxis der Frühpädagogik liegen, bei der das Deutsche als Bildungssprache einen bedeutsamen Stellenwert einnimmt (s. Kap. 2.2.3). Zudem existieren im deutschen Sprachraum überwiegend Sprachbeobachtungs- und Sprachdiagnostikverfahren für den Erst- bzw. Zweitspracherwerb im Deutschen. Geeignete Verfahren zur Abklärung von Erstsprachkenntnissen mehrsprachiger Kinder stehen nicht ausreichend zur Verfügung (s. Kap. 2.3.2) und werden im Elementarbereich entweder kaum genutzt oder sind in den Einrichtungsteams nicht bekannt (s. Kap. 1.4). Hinsichtlich der Zweitsprache Deutsch ist allgemein auch ein Zuwachs an korrekten Einschätzungen bei der Fallvignettenarbeit zu vernehmen. Das bedeutet, dass die Intervention durch eine Qualifizierungsmaßnahme im Bereich mehrsprachiger Beobachtung ebenfalls eine Wissensvertiefung bei pädagogischen Fachkräften im Hinblick auf die deutsche Sprache bewirken kann. Fachliche Grundlage für Sprachbeobachtungen und Förderempfehlungen pädagogischer Fachkräfte Mit der Frage (II. 4), auf welcher fachlichen Grundlage bilinguale und monolinguale pädagogische Fachkräfte sowohl einen erschwerten Deutschspracherwerb als auch eine genuine Sprachentwicklungsstörung in der Erst- und Zweitsprache bei mehrsprachigen Kindern erkennen und unterscheiden bzw. welche Förderempfehlungen die Fachkräfte daraus ableiten, soll die Kompetenzstruktur der Fachkräfte beleuchtet werden. Dazu ist grundsätzlich zu bemerken, dass eine strukturierte Herangehensweise bei der Sprachbeobachtung pädagogischer Fachkräfte zu korrekten Abgrenzungen einer genuinen Sprachentwicklungsstörung zu einem erschwerten Zweitspracherwerb führte. So gingen korrekte Förderableitungen im Wesentlichen mit differenzierten linguistischen Beschreibungen auf verschiedenen Sprachebenen in der Erst- und in der Zweitsprache einher. Erfolgreiche Einschätzungen gelangen überdies mit dem Abgleich des pragmatisch-kommunikativen Erscheinungsbildes und der

10.1 Interpretation und Bewertung der Ergebnisse

293

Sprachbiographie des Kindes, z. B. die Kontaktdauer im Deutscherwerb (s. Kap. 2.3.2). Allerdings kann nicht ausgesagt werden, dass diese Grundlagen per se bei pädagogischen Fachkräften vorliegen. Das zeigt sich darin, dass in allen Fachkräftegruppen zu den Fallbeispielen oft pauschal eine Förderung und ein Gebrauch der Erstsprache des Kindes durch die Eltern neben dem Deutscherwerb in der Kindertagesstätte vorgeschlagen wurde. Diese Erscheinung korrespondiert zwar im positiven Sinne mit Ergebnissen zur Wertschätzung von Erstsprachen in der Familie, bezieht sich jedoch nicht zwangsläufig auf eine fundierte Kenntnislage der pädagogischen Fachkräfte. Mit ähnlich gutem Glauben wurde von pädagogischen Fachkräften die Aufnahme von Sprachtherapie bzw. Logopädie empfohlen. Ferner ist erstaunlich, dass selbst bei undifferenzierter Kriterienanwendung dennoch im Ansatz Fördervorschläge als zutreffend zu verzeichnen sind. Dabei dürfte es sich um erfahrungsbezogene Einschätzungen oder um Zufallstreffer handeln. Allerdings lässt sich wiederum im Zuge der Qualifizierung ein Ausbau fachlicher Grundlagen allgemein bestätigen. Kompetenzentwicklung pädagogischer Fachkräfte zur Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder Die Fragestellung (II. 5), wie sich Kompetenzen und Sicherheiten bilingualer und monolingualer pädagogischer Fachkräfte in der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder im Vergleich vor und nach einer Qualifizierungsmaßnahme verändern, kann zunächst damit beantwortet werden, dass mit nur einer Ausnahme Verbesserungen zwischen den beiden Messzeitpunkten hinsichtlich zutreffender Einschätzungen pädagogischer Fachkräfte zu sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten mehrsprachiger Kinder vorliegen. Das zeigt sich darin, dass zum zweiten Messzeitpunkt häufiger korrekte und differenziertere Beschreibungen der pädagogischen Fachkräfte gegenüber dem ersten Messzeitpunkt zu identifizieren sind. Bei der Zweiterhebung sind auch die fachlichen Bezeichnungen und die genutzten Kriterien präziser. Auffallende Steigerungen der Sprachbeobachtungskompetenzen sind hauptsächlich bei den Fallvignetten im Kontext genuiner Sprachentwicklungsstörungen zu registrieren, da hierzu deutlich geringere Vorkenntnisse zu Beginn der Qualifizierung bestanden. Dagegen wiesen russisch-deutschsprachige pädagogische Fachkräfte bereits vor der Intervention allgemein höhere Trefferwerte in den Einschätzungen auf, sodass sich hierbei leichte Deckeneffekte bemerkbar machen. Zwischen den Messzeitpunkten veränderte sich ebenfalls vorteilhaft die Häufigkeitsschichtung in den Abstufungen korrekter Hauptkategorien. Positive Effekte durch Qualifizierungsmaßnahmen konnten auch in den Ergebnissen von Kleyn und Reyes (2010) mit positiven Kompetenzentwicklungen der teilnehmenden Lehrkräfte im erstsprachbasierten Unterricht nachgewiesen werden. Ähnlich konnten Benson und Plüddemann (2010) in ihrer Studie die Bedeutung einer flankierenden Zusatzausbildung für spezifische Lehrmethoden und -materialien und einer Unterstützung mehrsprachiger Lehrkräfte herausstellen (ebd., S. 371ff).

294

10 Diskussion und Schlussfolgerungen

10.1.3. Beantwortung der Forschungsfragen im Forschungsschwerpunkt III – Entwicklungspotenziale und Ressourcennutzung im Kontext sprachlichkultureller Diversität Durch eine Triangulation der Ergebnisse der Interview- und der Fallvignettenauswertung wurde im dritten Forschungsschwerpunkt analysiert, was dazu beiträgt, dass Potenziale pädagogischer Fachkräfte als Ressource für das adäquate Handeln innerhalb sprachlich-kultureller Diversität vorteilhaft genutzt werden. Insbesondere wurde das Erkenntnisinteresse verfolgt, wie sich die Merkmale der Mehrsprachigkeit und Interkulturalität gegenüber der Monolingualität und geringen interkulturellen Erfahrungen auszeichnen. Unter dem Prinzip einer Positivselektion wurden die Profilmerkmale von drei pädagogischen Fachkräften aus allen drei Fachkräftegruppen miteinander typisierend gegenübergestellt. Vorteile der Mehrsprachigkeit gegenüber Einsprachigkeit pädagogischer Fachkräfte bei der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder Unter der Fragestellung (III. 1), in welchem Maße sich die Bilingualität oder Monolingualität pädagogischer Fachkräfte bei der Beurteilung sprachlicher Fähigkeiten und Fördernotwendigkeiten mehrsprachiger Kinder von Vorteil erweist, sollen Antworten zur aktuellen Debatte hinsichtlich des Nutzens eines mehrsprachig und interkulturell zusammengesetzten Teams in Kindertagesstätten gegeben werden. Hierzu zeichnet sich innerhalb der BiKES-Studie ab, dass zur Sprachbeobachtung mehrsprachig und interkulturell aufwachsender Kinder der Einblick in die Erstsprache zu genaueren Beurteilungen und Förderableitungen führen kann. Durch die Unterstützung von pädagogischen Fachkräften im diagnostischen Prozess können Kinder mit sprachpädagogischem oder sprachtherapeutischem Förderbedarf frühzeitiger für die erforderlichen Maßnahmen vorgeschlagen werden (s. Kap. 1.4). Außerdem kann das Kompetenzpotenzial im Rahmen von Qualifizierungen gewinnbringend im Sinne der Ressourcennutzung ausgebaut werden (s. Kap. 3.3). Weiterhin eröffnet der konsequente und flexible Gebrauch der eigenen Erstsprache der pädagogischen Fachkräfte nach dem Translanguaging-Ansatz die Möglichkeit für mehrsprachige Kinder, ihre sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten gesamtsprachlich zu nutzen (s. Kap. 2.3.1). Überdies fungiert der Gebrauch der eigenen Erstsprache als Sicherheitsfaktor für mehrsprachige Kinder in Belastungssituationen. Ebenso bieten mehrsprachige und interkulturelle Hintergründe der pädagogischen Fachkräfte Identifikationsmöglichkeiten für Eltern mit denselben sprachlich-kulturellen Bezügen (s. Kap. 4.1). Damit kann ein vertrauensvoller Austausch mit Eltern über die Sprachentwicklung und Mehrsprachigkeit ihrer Kinder erfolgen. Dazu muss jedoch von den pädagogischen Fachkräften selbst eine Wertschätzung der eigenen Mehrsprachigkeit als Ressource vorliegen und die Vorrangstellung des Deutschen kritisch beurteilt werden.

10.1 Interpretation und Bewertung der Ergebnisse

295

Im Gegensatz dazu ergibt sich bei der Monolingualität pädagogischer Fachkräfte ein Mangel an Einblicken in die Erstsprachen der Kinder und eingeschränkte Translanguaging-Möglichkeiten. Dieses Manko kann jedoch durch eine erhöhte Wissensaneignung zu Erstsprachen und zur mehrsprachigen Sprachförderarbeit ausgeglichen werden. Indizien zur erfolgreichen Ressourcennutzung sind bei deutschsprachigen pädagogischen Fachkräften das grundsätzliche Interesse an fremden Sprachen sowie eine intensive Reflexion zur interkulturellen Arbeit in der Kita und der Wunsch nach mehr Kultursensibilität in der frühpädagogischen Arbeit Insgesamt lässt sich allerdings keine eindeutige Aussage treffen, ob Mehrsprachigkeit und Interkulturalität nützlich oder unnütz ist (Meyer, 2008, S. 32). Es kann auch nicht erwartet werden, dass eine besondere Wirkung von einem sprachlich-kulturell divers zusammengesetzten Team ausgeht, sofern der verstärkte Einsatz von pädagogischen Fachpersonen mit mehrsprachigen und interkulturellen Hintergründen nicht in eine pädagogische Gesamtstrategie zur Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität eingebettet ist (Strasser & Steber, 2010, S. 117f). Letztlich führt die Frage, ob Mehrsprachigkeit und Interkulturalität Vorteile oder Handicaps darstellen, in eine Sackgasse (Maas, 2005, S. 124). Statt dessen sollte untersucht werden, unter welchen Bedingungen mehrsprachige und interkulturelle Kompetenzen gefördert werden können (Maas, 2005, S. 124). Dazu sollten nicht ausschließlich mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund im Fokus stehen, sondern alle Fachkräfte als dynamischer Bestandteil sprachlich-kultureller Diversität einbezogen werden (s. Kap. 1.4). Typische Merkmale pädagogischer Fachkräfte als Möglichkeit zur Ressourcennutzung bei der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder Mit der Beantwortung der Frage (III. 2), welche typischen Merkmale sich bei pädagogischen Fachkräften abzeichnen, die durch eine Qualifizierung besondere Sicherheit in der Sprachbeobachtung mehrsprachiger Kinder erlangten, wird eine Perspektive erarbeitet, mit der polarisierende Zuschreibungen innerhalb der Diskussion um mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund überwunden werden können. Hierbei werden typische Merkmale herausgefiltert, die zu einer erfolgreichen Ressourcennutzung bei der Sprachbeobachtung beitragen können. Im Bereich der Haltung (s. Kap. 3.2.2) erweist sich vor allem die uneingeschränkte Befürwortung des Gebrauchs von Erstsprachen in der Kindertagesstätte als vorteilhaft. Zugleich ist die Wertschätzung der Interkulturalität und Kultursensibilität von Bedeutung. Daneben ist ein gleichberechtigter Blick auf den Deutscherwerb zur Sicherung von Bildungschancen im Rahmen der Kita-Arbeit, der Elternarbeit oder persönlicher Bezüge sinnvoll. Die Wahrnehmung eines belastenden eigenen Zweitspracherwerbs bzw. Fremdspracherwerbs kann dann zu einer diversitätssensiblen Ausrichtung führen, sofern Schwierigkeiten bewältigt werden konnten. Schließlich wirkt sich ebenfalls gewinnbringend aus, wenn die eigene berufliche Situation mit

296

10 Diskussion und Schlussfolgerungen

entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten positiv wahrgenommen wird und Offenheit für Neues besteht. Zusätzlich sind Aspekte im Bereich des Wissens (s. Kap. 3.2.3) relevant. Explizit sind Kenntnisse über sprachliche Fähigkeiten von Kindern in der Erst- und Zweitsprache wichtig. Ebenso zählen Kenntnisse zu Gesprächsführungsmethoden und die Reflexion über die eigene Sprache dazu. Flankierend schlagen sich Wissensbestände zur emotionalen Funktion von Erstsprachen und zu sozialen Faktoren im Sprachgebrauch der Kinder positiv nieder. Doch nicht nur verfügbares Wissen, sondern auch selbst erkannte Wissensbedarfe über Erstsprachen sowie zur Sprachförderarbeit und zu interkulturellen Hintergründen sind notwendig. Weitere Aspekte sind im Bereich des Handlungsrepertoires (s. Kap. 3.2.4) zu finden. Dazu kann ein geeignetes Methodenrepertoire zur Sprachbeobachtung im Kita-Alltag gerechnet werden. Überdies sind die Reflexion wie auch die Erkenntnis zur Optimierung hinsichtlich Methoden der Sprachbeobachtung, Sprachförderung und Gesprächsführung relevant. Dementsprechend wird auch durch internationale Forschung belegt, dass Fachpersonen qualifizierte Arbeit leisten und Erfolge im Beruf erzielen können, wenn die eigenen Erwartungen an die berufliche Handlungskompetenz hoch sind (Fried, 2007, S. 27).

10.2

Methodische Limitationen

Die oben zusammengefassten und interpretierten Ergebnisse der BiKES-Studie liefern Erkenntnisse aus einem vorwiegend qualitativ erhobenen Datenmaterial. Die Analyse von Einzelfällen erfolgte innerhalb methodisch kontrollierter sowie transparent dokumentierter Verfahrensschritte (s. Kap. 6.5). Dabei wurde auf die Einhaltung spezifischer Qualitätskriterien qualitativer Forschung geachtet (s. Kap. 6.4). Außerdem wurde der Fallauswahl eine hohe Bedeutung beigemessen (s. Kap. 6.3), um aus gezielt reduzierten Einzelphänomenen auf das Allgemeine schließen zu können (Schreier, 2010, S. 239f). Die Verallgemeinerung konnte somit am Typischen herausgearbeitet werden (Przyborski & Wohlrab-Sahr, 2014, S. 383). Damit die Relevanz und Aussagekraft der Ergebnisse korrekt eingeordnet werden können, werden im Weiteren methodische Limitationen der Studie aufgezeigt. Hierzu werden die kritischen Aspekte unter den Kriterien Fallauswahl und Verfahrensschritte zusammengefasst. Fallauswahl Für die Zusammensetzung der Stichprobe wurde ein präziser Stichprobenplan mit einer differenzierten Chronologie in der Fallauswahl berücksichtigt (u.a. Ritchie,

10.2 Methodische Limitationen

297

Lewis und Elam, 2003, S. 79; Schreier, 2010, S. 245; s. Kap. 6.3.1). Trotz hoher Stimmigkeit in der Zellenbesetzung mussten Kompromisse bei der Umsetzung toleriert werden. Mit der Adaption des statistischen Matchings (u.a. Bacher, 2002; Jaenichen, 2002, 392f) für das qualitative Sampling konnte eine weitgehende Parallelisierung realisiert werden, mit der jedoch bestehende Merkmalsunterschiede in den Fachkräftegruppen nicht vollkommen ausgeglichen werden konnten. Auch nach der Bildung von annähernd gleichen Merkmalszuordnungen zu den zwei Fachkräftegruppen der Sprachenkonstellationen Russisch-Deutsch und Türkisch-Deutsch sowie in der Erweiterung auf die Gruppe monolingual deutschsprachiger pädagogischer Fachkräfte lagen Ungleichheiten hinsichtlich schulischer und beruflicher Basisqualifikationen sowie Migrationskonstellationen bzw. kultureller Hintergründe vor. Die Möglichkeit der idealen Fallauswahl war im Zusammenhang pragmatischer Gründe auf 24 teilnehmende pädagogische Fachkräfte begrenzt. Zum einen engte der vorgesehene Tagungsort der Qualifizierungsmaßnahme an der Leibniz Universität Hannover das Auswahlspektrum geeigneter Fälle im Vorfeld auf den Großraum Hannover ein.62 Zum anderen beschränkte die Religionszugehörigkeit den Kreis potenzieller Personen für die Stichprobenauswahl (s. Kap. 2.2.1). Viele Kindertagesstätten in Deutschland sind christlichen Trägerschaften zugeordnet und beschäftigen nur in Ausnahmefällen pädagogische Fachkräfte, die keiner oder einer anderen Glaubensgemeinschaft angehören (Akbaş & Leiprecht, 2015a, S. 216).63 Deshalb stellte insbesondere die Auswahl von pädagogischen Fachkräften mit der Erstsprache Türkisch im Zusammenhang mit einer nicht-christlichen Glaubenszugehörigkeit eine große Herausforderung dar. Ein weiterer Aspekt, der die Zusammensetzung der an der BiKES-Studie beteiligten pädagogischen Fachkräfte beeinflusste, ist das Qualitätskriterium der Freiwilligkeit. Aufgrund der Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme war davon auszugehen, dass die teilnehmenden pädagogischen Fachkräfte dem Forschungsprojekt mit einem besonderen Interesse gegenüberstanden. Es offenbarte sich eine hohe Motivation der pädagogischen Fachkräfte in ihren mündlichen und schriftlichen Äußerungen, am Forschungsprojekt mitzuwirken. Bei einer überdurchschnittlichen Interessiertheit der Teilnehmenden muss jedoch damit gerechnet werden, dass sich die Ergebnisse an-

62

Der Regierungsbezirk Hannover erweist sich jedoch mit einer Migrationsbevölkerung, die im Bundesdurchschnitt liegt, für die Fallauswahl als geeignet (s. Kap. 2.2.1). Im Jahr 2015 betrug der Anteil an Personen mit Migrationshintergrund im Regierungsbezirk Hannover zwischen 20 % und 25 % (Statistisches Bundesamt, 2017, 24).

63

Von kirchlichen Trägern können kirchliche Anforderungen bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gestellt werden. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) (2017) setzt zur beruflichen Mitarbeit grundsätzlich die Zugehörigkeit zur Evangelischen Kirche oder einer Kirche, die zur Evangelischen Kirche in Kirchengemeinschaft verbunden ist, voraus (S. 11f). Nach § 9 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (2013) ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften zulässig (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006, zuletzt geändert am 03. April 2013).

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10 Diskussion und Schlussfolgerungen

ders abbilden können, als bei einer mäßigen Bereitschaft zur Studienteilnahme (Kelle & Kluge, 2010, S. 42). Dieser Faktor kann sicherlich als besondere Ausprägung einer Expertise gewertet werden und erweist sich im Hinblick auf das Forschungsziel durchaus als vorteilhaft. So kann angenommen werden, dass die Aussagen der pädagogischen Fachkräfte in den Interviews und in der Fallvignettenarbeit offen, motiviert und selbstbestimmt erfolgten. Vermutlich liegen demnach die entsprechenden Stellungnahmen in einem Spektrum, das eine überdurchschnittliche fachliche Aufgeschlossenheit für das Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalität abbildet. Im Sinne einer Positivselektion konnten hiermit Perspektiven zur Überwindung der Polarisierung in aktuell geführten Diskursen im Kontext Mehrsprachigkeit und Migration geschaffen werden. Allerdings kann bei der Verallgemeinerung der Ergebnisse nicht auf die Allgemeinheit pädagogischer Fachkräfte im Elementarbereich generalisiert werden. Die Studienergebnisse stellen demnach keinen Querschnitt an Sichtweisen und Potenzialkonstellationen des pädagogischen Personals in deutschen Kindertagesstätten dar, sondern zeigen einen Typus mit Merkmalen auf, die sich für die Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität als besonders gewinnbringend erweisen. Verfahrensschritte Neben der genauen Fallauswahl wurden spezifische Verfahrensschritte im Studiendesign berücksichtigt, um das Forschungsziel erreichen zu können. Indem Qualitätskriterien qualitativer Forschung weitgehend eingehalten wurden (s. Kap. 6.4) sowie unterschiedliche Erhebungsmethoden und Auswertungsschritte ineinander übergriffen (s. Kap. 6.5), konnte eine vielschichtige Erhebung und Analyse zuverlässiger Daten realisiert werden. So wurden verschiedene Perspektiven auf den Forschungsgegenstand eingenommen und ebenso eine Partizipation der an der Studie teilnehmenden pädagogischen Fachkräfte ermöglicht. Dazu nahm das Qualitätskriterium der kommunikativen Validierung im Forschungsverlauf einen wichtigen Stellenwert ein (Mayring, 2016, S. 144ff). Hierzu wurden Rückmeldemöglichkeiten für pädagogische Fachkräfte im Studienverlauf innerhalb der Interviews sowie der Beurteilungen der Fallvignettenarbeit und Evaluationen der Qualifizierungseinheiten integriert. Die Selbstreflexionen wurden nach vereinzelten anfänglichen Unsicherheiten von allen pädagogischen Fachkräften ausdrücklich als Bereicherung verstanden. Damit konnte einerseits die Gültigkeit der Verfahrensschritte im Hinblick auf die praktische Relevanz im Feld der Elementarpädagogik abgesichert werden. Andererseits wurde damit die Einbindung der Teilnehmenden in den Forschungsprozess intensiviert. In diesem Zusammenhang muss berücksichtigt werden, dass es aufgrund einer derartigen Öffnung zu Verschiebungen der Auswertungsgrundlage kommen kann (Bergold & Thomas, 2010, S. 342). Die teilnehmenden pädagogischen Fachkräfte erhielten diesbezüglich eine besondere Aufmerksamkeit und wurden in ihrem Kompetenzbildungsprozess in hohem Maße bestärkt. Deshalb sind die Ergebnisse der Kompetenzentwicklung pädagogischer

10.2 Methodische Limitationen

299

Fachkräfte durch die Intervention unter dem Blickwinkel selbststärkender und wertschätzender Einflussnahme zu relativieren. In dieser Hinsicht ergibt sich keine Vergleichbarkeit zur Referenzgruppe (s. Kap. 6.3.2) und keine Generalisierungsmöglichkeit zur Grundgesamtheit des pädagogischen Personals der Frühpädagogik. Allerdings können daraus wichtige Prinzipien für Unterstützungssysteme in Kindertagesstätten sowie für die Fort- und Weiterbildung abgeleitet werden. Innerhalb des Forschungskonzeptes wären weitere Untersuchungen und Auswertungen möglich gewesen. Im Zuge des mehrphasigen Vorgehens zur Interviewerhebung wurden Aktivitäten pädagogischer Fachkräfte innerhalb von Kommunikationssituationen mit Kindern initiiert, die als Videoaufzeichnungen zur Selbstreflexion genutzt wurden (s. Kap. 6.5.1.1). Die Phasen der Kommunikationssituationen wie auch der Selbstreflexion wurden videographiert und dienten in der BiKES-Studie als Fokus für eine vergleichbare Ausgangslage der Interviews. Das entstandene Videomaterial hätte zusätzlich als Datengrundlage für Interaktionsanalysen zwischen Fachkraft und Kind fungieren können (Kochinka, 2010, S. 456). Hierbei wären sprachlich-kulturelle Identitätsprozesse und Abstimmungsprozesse auf linguistischer Ebene auswertbar gewesen. Ebenfalls hätten die Selbstreflexionen der pädagogischen Fachkräfte die Option eröffnet, Analysen zur Selbstwirksamkeit der Fachkräfte durchzuführen (Konrad, 2010, S. 481) und später mit den Interviewergebnissen zu triangulieren. Ebenso wurde die Überlegung verworfen, mit einem flankierend eingesetzten Fragebogen ergänzende quantitative Daten zu gewinnen und im Rahmen eines Mixed Method Designs mit den qualitativen Ergebnissen zu verknüpfen (Schreier & Odağ, 2010, S. 256ff), da die Stichprobe für quantitative Analysen zu klein war. Ferner wurde gegen die Möglichkeit entschieden, zur Fallvignettenarbeit einen standardisierten Beobachtungsbogen zu verwenden. Die im deutschen Sprachraum zur Verfügung stehenden standardisierten Beobachtungsbögen, hätten die Spezifität der Fallvignettenthematik nicht ausreichend abbilden können.

11

Fazit – pädagogische Fachkräfte als Akteurinnen und Akteure im Kontext sprachlich-kultureller Diversität

Im Rahmen der Interpretation, Bewertung und Relativierung der Ergebnisse der BiKES-Studie wurden entlang der beantworteten Forschungsfragen wesentliche Schlussfolgerungen zur Potenzialkonstellation und Ressourcennutzung von Sprachbeobachtungskompetenzen pädagogischer Fachkräfte im Kontext sprachlichkultureller Diversität gezogen (s. Kap. 10). Daraus ergeben sich abschließend für das elfte Kapitel weitere Hinweise bezüglich Forschungsdesiderata (s. Kap. 11.1) und Implikationen für die Praxis (s. Kap. 11.2).

11.1

Ausblick für die Forschung

Das Forschungsprojekt wurde innerhalb der Thematik über Potenziale und Ressourcen sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich enger auf den Kontext der Sprachbeobachtung mehrsprachig und interkulturell aufwachsender Kinder durch pädagogische Fachkräfte präzisiert und eingegrenzt. Vor diesem Hintergrund wurden vorab Themenbereiche ausgegrenzt, die den Rahmen der Forschungsarbeit gesprengt hätten. Außerdem sind Fragen im Forschungsprozess offen geblieben, die zusätzlich hätten verfolgt werden können. Zudem sind Fragen durch die Forschungsarbeit neu aufgeworfen worden. Diese unbearbei-teten Fragen werden im Folgenden als Anschlussfragen für weiterführende Forschungen aus der Sicht des Verfassers der vorliegenden Arbeit aufgeführt. Offen gebliebene Anschlussfragen Das Forschungsdesign der BiKES-Studie hätte mit veränderten Erhebungsschritten und Auswertungsverfahren weitere Optionen zur Erforschung spezifischer Fragestellungen ermöglicht. Nachdem ermittelt wurde, in welcher Art sich Kompetenzveränderungen im Rahmen einer Intervention vollzogen haben, könnten nunmehr über die qualitativen Ergebnisse hinaus mit einer Interventionsstudie in einem Prä-PostDesign mit einer Kontrollgruppe quantitative Daten zum Beleg der in der BiKESStudie ermittelten Phänomene erzielt werden. Hierbei ist die Forschung auf einen Versuchsplan ausgelegt, der eine größere Stichprobe umfasst und Störeinflüsse auf die Intervention weitgehend kontrolliert. Somit würde die Erhebung der spezifischen Fragestellung nachgehen, ob genau die Inhalte der durchgeführten Qualifizierungsmaßnahme und die Form der Fortbildungsveranstaltung Effekte auf die Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte zeigen. Dazu könnten generalisierbare Daten gesammelt werden, welche die Hypothese beweisen, dass pädagogische Fachkräfte mit bestimmten sprachlich-kulturellen Merkmalszuordnungen in bestimmten Ausma-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3_11

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11 Fazit

ßen zur Steigerung ihrer Sprachbeobachtungskompetenzen im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität in der Lage sind. Diese Forschung würde die vertiefte subjektive Perspektive hinsichtlich der Potenziale und Ressourcennutzung pädagogischer Fachkräfte verlassen und dafür standardisierte und vergleichbare Größen zur Kompetenzentwicklung einbeziehen. Neu aufgeworfene Anschlussfragen Während die Möglichkeit einer quantitativen Forschungsausrichtung im Kontrollgruppen-Interventions-Design im Anschluss an die quantitativen Ergebnisse der BiKESStudie eine gängige Forschungserweiterung darstellen würde, bestehen darüber hinaus zusätzliche Alternativen qualitativer Forschung, welche die bestehende Fragestellung differenzieren und ausbauen würde. In der durchgeführten Studie wurde eine Positivselektion angewendet, um einen Ideal-Typus herauszufiltern, mit dem Antworten auf bestehende Verunsicherungen mehrsprachiger und einsprachiger pädagogischer Fachkräfte gefunden wurden. Genauso könnte ein gegenteiliger Ansatz konzipiert werden, indem insbesondere Momente des Scheiterns im Kontext sprachlich-kultureller Diversität in den Fokus genommen werden. Im Umkehrschluss könnten die Ergebnisse mit den Resultaten der BiKES-Studie abgeglichen werden und zur ergänzenden Validierung beitragen. Außerdem wäre nicht nur interessant, die Extrempositionen der Potenzialentwicklung und Ressourcennutzung zur Sprachbeobachtung im Kontext von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu ermitteln, sondern die Diversität von Merkmalen und Umsetzungsmöglichkeiten im Sinne einer Typenbildung zu untersuchen. Dabei könnten verschiedene Typen pädagogischer Fachkräfte am Interview- oder Fallvignettenmaterial herausgearbeitet werden. Entsprechende Ergebnisse wären ebenso für die Fortbildungslandschaft sowie für das Diversity Management hilfreich. Anschlussfragen aus vorab ausgegrenzten Themenbereichen Bestimmte Themenbereiche wurden in der BiKES-Studie bewusst ausgeschlossen, um den Fokus auf Potenziale und Ressourcen pädagogischer Fachkräfte insbesondere zur Sprachbeobachtung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität zu legen. Auf die genaue und differenzierte Sprachbeobachtung und -diagnostik baut eine gezielte Sprachförderung auf. Diese nimmt in der frühpädagogischen Praxis einen großen Raum ein. Deswegen wäre als Anschlussfrage, welche Sprachförderkompetenzen pädagogischer Fachkräfte vor allem Translanguaging-Praktiken unterstützen, zur weiterführenden Forschung sinnvoll. Ferner erweist sich bei Interventionsstudien zunächst relevant, welche direkten Wirkungen sich beispielsweise durch eine Fortbildung bei den teilnehmenden Personen ergeben (Output). Schließlich ist jedoch weiterhin von Interesse, wie sich die erworbene professionelle Qualität auch in der frühpädagogischen Arbeit auf die Kinder auswirkt (Outcome). Dazu wären ethnographische Feldstudien denkbar. Konkret

11.2 Implikationen für die Praxis

303

könnte ebenso ein Studiendesign umgesetzt werden, indem der Fragestellung nachgegangen wird, wie sich sprachlich-kommunikative Fähigkeiten bei Kindern in einem Längsschnittvergleich verändern, während die pädagogischen Fachkräfte regelmäßige fachliche Unterstützungen zur Sprachförderung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität begleitend erhalten. Da im Kontext sprachlich-kultureller Diversität fortlaufend Identifikationsprozesse zwischen Kind und pädagogischer Fachkraft vollzogen werden, besteht ein Erkenntnisinteresse, wie identitätsrelevante Aushandlungen zwischen den Beteiligten in der Kindertagesstätte erfolgen. Mögliche Fragestellungen könnten sich konkret auf das Phänomen der Aushandlungsprozesse beziehen oder unterschiedliche sprachlichkulturelle Konstellationen in Betracht nehmen. Im Rahmen von Mikrosequenzanalysen aus videographierten Interaktionshandlungen zwischen Kind und Fachkraft wäre eine indikatorengestützte Herausarbeitung von stabilisierenden oder destabilisierenden Momenten möglich. Wenngleich abgeschlossene Forschungsarbeiten im Themenfeld von Mehrsprachigkeit und Interkulturalität des pädagogischen Personals bereits einen schulbezogenen Fokus einnehmen und eher noch Forschungslücken bei mehrsprachigen pädagogischen Fachkräften mit Migrationshintergrund im Elementarbereich bestehen, wären Übertragungen des Forschungsformates der BiKES-Studie auf den Schulkontext sinnvoll. Gerade im schulischen Bildungssystem werden zwar Leitlinien und Grundsatzpapiere zur Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität engagiert nach außen getragen; diese finden jedoch im tatsächlichen Unterrichtsgeschehen noch wenig Entsprechung. Da sich ein Mangel an mehrsprachigen Lehrkräften mit Zuwanderungsgeschichte in der Schule am deutlichsten abzeichnet, bedarf es hier verstärkter Bemühungen, mit Forschungsergebnissen neue Perspektiven zu eröffnen. Möglich wären Studien mit Fragestellungen zu biographischen Einflüssen von Lehrkräften mit mehrsprachigen und interkulturellen Bezügen, zu ethnisierenden Zuschreibungen von Schülerinnen und Schülern durch Lehrkräfte mit und ohne Migrationshintergrund, zu Maßnahmen des Diversity Managements an Schulen oder zu Auswirkungen von Translanguaging-Praktiken auf Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler.

11.2

Implikationen für die Praxis

Nach den Ableitungen der Forschungsergebnisse der BiKES-Studie für empirische Anschlussfragen werden abschließend Implikationen für die Praxis als Ausblick zusammengefasst. Auf der Grundlage aller gewonnenen Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich relevante Aspekte für die Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität im Bildungsprozess mit Bezug auf das professionelle Handeln pädagogischer Fachkräfte ableiten. Dabei werden Hinweise zur Interdependenz von Fachkraft, Team und System im Kontext sprachlich-kultureller Diversität gegeben. Außerdem

304

11 Fazit

werden inhaltliche Anhaltspunkte zu den Kompetenzpotenzialen der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires im Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität aufgezeigt. Zum Schluss werden grundsätzliche Empfehlungen zur Ressourcennutzung und Professionalisierung zur Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität ausgesprochen. Interdependenz von Fachkraft, Team und System im Kontext sprachlich-kultureller Diversität Die Herausforderungen und Chancen hinsichtlich der Existenz sprachlich-kultureller Vielfalt in Bildungseinrichtungen werden bislang von den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren unterschiedlich wahrgenommen. Mehrheitlicher Konsens besteht jedoch darin, dass ungleiche Proportionen im Abbild von Migration im Bildungswesen zukünftig ausgeglichen werden sollten. So werden allmählich von Politik, Administration und Gesellschaft Bemühungen unternommen, den Anteil des Bildungspersonals mit mehrsprachigen Bezügen und Migrationshintergrund zu erhöhen (u.a. Autorengruppe Fachkräftebarometer, 2017, S. 170; BAMF, 2010, S. 51f; Fuchs-Rechlin, 2010b, S. 10). Allerdings wird nicht alleine die Anstellung von pädagogisch tätigen Fachpersonen mit dem Merkmal Mehrsprachigkeit und Migrationshintergrund ausreichen, um sprachlich-kulturelle Vielfalt vorteilhaft zu nutzen. Der Weg zwischen (Selbst)Ethnisierung und Integration hängt schließlich von vielschichtigen Strukturen und dynamischen Prozessen ab (u.a. Lüdtke, 2012a, S. 75ff). So muss zunächst in der Einordnung pädagogischer Konzeptionierungen erkannt werden, dass neben der jeweiligen aktuellen und konkreten Konstellation des sprachlich-kulturellen Handelns auch individuelle lebensgeschichtliche Einflüsse, gewachsene Traditionen in Bildungseinrichtungen und gesellschaftliche Historien stets mitbedacht werden müssen (s. Kap. 4.2). Neben dieser zeitlich-prozesshaften Perspektive sind auch räumlich-strukturelle Perspektiven in der jeweiligen Dynamik zu berücksichtigen. Dazu sind in der Kindertagesstätte, ähnlich wie im großen Abbild der Gesellschaft, sowohl aufgezwungene als auch selbst initiierte Tendenzen zur sprachlichen und kulturellen Homogenisierung auszumachen (u.a. Lüdtke, 2012a, S. 67ff). Diese Tendenzen erscheinen innerhalb von Subgruppen, z. B. pädagogische Fachkräfte mit türkischem Migrationshintergrund im gemeinsamen bilingualen Sprachmodus oder die türkische Subkultur im Stadtteil, wie auch in größeren Bezugssystemen, z. B. die deutschsprachige Orientierung als Bildungsausrichtung in der Kindertagesstätte oder der Gebrauch des Deutschen als einheitliche Kommunikationssprache in der Gesellschaft. Im Gegensatz dazu entwickeln sich Ausrichtungen zur Anerkennung und Wertschätzung sprachlich-kultureller Vielfalt, indem unterschiedliche Potenziale als Ressourcen für alle genutzt werden, z. B. der flexible und situative Einsatz der Erstsprache in der Eingewöhnungszeit der Kinder in der Kita oder die erstsprachliche Unterstützung für das Gespräch mit Eltern unter den Bedingungen geringer Deutschkenntnisse.

11.2 Implikationen für die Praxis

305

Bedeutsam erscheint hierzu, diese aufgezeigten Tendenzen zur sprachlichkulturellen Homogenisierung bzw. die Entwicklungen zur sprachlich-kulturellen Vielfalt nicht zu polarisieren (s. Kap. 4.1.3). Vielmehr sind die Hintergründe der Beeinflussung, des Zwangs und der Machtausübung oder des Bedürfnisses nach Vergemeinschaftung, Sicherheit und Freiwilligkeit im pädagogischen Diskurs zu thematisieren. Überdies müssen Bedingungen und Einflussfaktoren zur Stabilisierung bzw. Destabilisierung (s. Kap. 4.2) der professionellen Situation pädagogischer Fachkräfte in eine umfassend angelegte Konzeption der Bildungseinrichtung aufgenommen werden. Das betrifft die sprachlich-kulturelle Identitätsbildung der Fachkräfte sowie die sprachlich-kulturelle Teilhabemöglichkeit in der frühpädagogischen Arbeit mit Kindern und im Team als auch die Nutzung sprachlich-kultureller Vielfalt innerhalb der KitaKultur. Um den hohen Ansprüchen der Implementierung sprachlich-kultureller Diversität im Elementarbereich gerecht zu werden, muss zukünftig noch mehr den Dynamiken und Verschiebungen von Handlungs- und Betrachtungsräumen (Mecheril, 2014, S. 170f; Wicker, 2012, S. 167) sowie der Bildung hybrider Identitäten (Wicker, 2012, S. 161) Anerkennung beigemessen werden. Darüber hinaus betrifft letztlich die Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität mit Themen zu Mehrsprachigkeit und Interkulturalität alle pädagogischen Fachkräfte. Der angemessene Umgang mit mehrsprachig und interkulturell aufwachsenden Kindern kann nicht nur durch die Kompetenz von ‚Spezialisten‘ erreicht werden (Bainski, 2004, S. 229). Erstens sind mehrsprachige pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund oder besonders qualifizierte Fachkräfte nicht von vornherein der Aufgabe alleine gewachsen. Zweitens ist die pädagogische Arbeit der einzelnen Fachkraft immer in ein größeres Geflecht mit interdependenter Beeinflussung als auch gegenseitiger Unterstützung eingebunden. Die weiteren Bezugskreise dieses Geflechts, nämlich das Kita-Team und das gesamte frühpädagogische Bildungssystem, sind in die Konzeptionsentwicklung einzubeziehen (s. Kap. 3.4). Mit dieser Sichtweise kann sprachlich-kulturelle Diversität ebenfalls an Übergängen und Schnittstellen in der Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätte, Schule und Sprachtherapie weitergetragen werden. Während der kollektive Blick pädagogischer Fachkräfte bereits innerhalb der Einrichtungen aussichtsreich aufgebaut ist, werden Unterstützungsmöglichkeiten und Orientierungshilfen zwischen Institutionen und im System der Bildungsorganisation noch zu wenig genutzt bzw. nicht als Einflussgröße realisiert, z. B. geringe inter-institutionelle Verankerungen von Übergängen und Kooperationen sowie zu wenig Beachtung von Bildungs- und Orientierungsplänen in der täglichen Praxis. Als Schlussfolgerung ist das Themenspektrum in den Bereichen Mehrsprachigkeit und Interkulturalität bereits in der pädagogischen Ausbildung diversitätssensibel zu bearbeiten. Weiterhin bedarf es der entsprechenden Sensibilisierung innerhalb von Fort- und Weiterbildungen und ebenso in Form der regelmäßigen Unterstützung vor Ort in der Kita-Praxis. (u.a. Akbaş & Leiprecht, 2015b, S. 227; Bainski, 2004, S. 229).

306

11 Fazit

Kompetenzpotenziale zu Haltung, Wissen und Handlungsrepertoire im Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität Mit Bezug auf die Forschungsergebnisse der BiKES-Studie lassen sich für die Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie für die prozesshafte Praxisbegleitung und Unterstützung pädagogischer Fachkräfte innerhalb ihrer Teams relevante Kompetenzbereiche ableiten. Insbesondere stellte sich in der Studie heraus, dass das explizite Wissen (s. Kap. 3.2.3) pädagogischer Fachkräfte zur Mehrsprachigkeit stärker fokussiert werden sollte. Dieses Wissen ist erforderlich, um den Mehrsprachigkeitserwerb, die Bedeutung des Erst- und Zweisprachgebrauchs, Sprachmischungen, Translanguaging aber auch Problembereiche eines erschwerten Zweitspracherwerbs im Deutschen bzw. genuine Sprachentwicklungsstörungen korrekt einordnen zu können. Überdies liegen nach den Studienergebnissen bei pädagogischen Fachkräften und ihren Teams bereits offene und wertschätzende Haltungen (s. Kap. 3.2.2) gegenüber sprachlich-kultureller Diversität vor. Für die Ausbildung, Weiterqualifizierung und Prozessbegleitung im pädagogischen Alltag ist dennoch der Kompetenzbereich der Haltung weiterhin aufzunehmen. Pädagogischen Fachkräften soll ermöglicht werden, eigene Spuren sprachlich-kultureller Varietäten wahrzunehmen und in das pädagogische Handeln zu integrieren. Zusätzlich zur Akzeptanz mehrsprachiger Abweichungen bei Kindern und Erwachsenen sowie der Stellung mehrsprachiger Fachkräfte mit Migrationshintergrund im Team ist dabei der Blick auf Nuancen, Schattierungen, Vermischungen und Verschiebungen zu richten. Damit soll die Vielfalt der eigenen Sprachlichkeit und Kulturalität von jeder Person entdeckt werden können. Ferner zeigen Ergebnisse der BiKES-Studie, dass besonders das Handlungsrepertoire (s. Kap. 3.2.4) der pädagogischen Fachkräfte im Kontext Mehrsprachigkeit und Interkulturalität in der eigenen Wahrnehmung erfasst wird. Dazu ist allgemein ein hohes Bedürfnis festzustellen, möglichst praxisorientierte Anregungen in Fortbildungen zu erhalten. In der Zusammenführung aller Erkenntnisse muss jedoch betont werden, dass ein vorteilhaftes Handeln im Kontext sprachlich-kultureller Diversität weniger methodische Vorlagen, sondern theoretische Ableitungen benötigt, die mit eigenen Einstellungen und Motiven sowie mit dem eigenen Erfahrungswissen und dem eigenen methodischen Repertoire verknüpft werden müssen. Handlungsvorgaben können zwar eine praktische Hilfe für den unmittelbaren Alltag sein und fehlende Wissensbestandteile ausgleichen, doch können diese wiederum ein offenes und situationsangepasstes Vorgehen deutlich einschränken. So ist es unabdingbar, über ein Basiswissen im Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu verfügen, um dieses im praktischen Handeln mit Kindern flexibel anwenden zu können. Vor allem sollte in der Verbindung von Haltung, Wissen und Handlungsrepertoire das Phänomen Translanguaging in Qualifizierungs- und Unterstützungsmaßnahmen aufgenommen werden (Collins, 2014, S. 12; García & Lin, 2017; Montanari et al. 2015, 80ff; Panagiotopoulou, 2016, S. 15f; Wei & García, 2017; s. Kap. 2.3.1).

11.2 Implikationen für die Praxis

307

Ressourcennutzung und Professionalisierung zur Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität Der Aufbau, die Weiterentwicklung und die Sicherung von Kompetenzpotenzialen zur Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität sollten als übergreifende Maßnahmen in der frühpädagogischen Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie in der prozessbegleitenden Unterstützung (Huxel, 2016, S. 157f) in der Kindertagesstätte verstanden werden. Das bedeutet, dass Qualifizierungen zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalität sowie die Anpassung und Integration der Inhalte für ein diversitätssensibles sprachlich-kulturelles Handeln als fortwährende zirkuläre Vorgänge aufgefasst werden müssen (Expertengruppe Berufsbegleitende Weiterbildung, 2013, S. 30). Zur Umsetzung zirkulärer Professionalisierung im Kontext sprachlich-kultureller Diversität bieten sich Qualifizierungsgemeinschaften, regionale Zugänglichkeiten zu Fortbildungen und die Einbindung von Universitäten an (Gogolin, 2007, S 68). Außerdem sollten in der Ausbildung, Weiterqualifizierung und begleitenden Praxisunterstützung einerseits grundlegende und systematische Kompetenzentwicklungen und andererseits situative und fallbezogene Auseinandersetzungen verankert sein. Diesbezüglich konnten aus der Typenbildung der BiKES-Studie inhaltliche Themenbereiche herausgearbeitet werden, die sich für Qualifizierungen in systematischen sowie situativen und fallbezogenen Anteilen besonders eignen. Hierbei ist die Beschäftigung mit der eigenen sprachlich-kulturellen Identität ein essenzieller Ausgangspunkt zur diversitätssensiblen Kompetenzentwicklung. Außerdem sind eigene Motivationen und Zugänge zum Thema Mehrsprachigkeit und Interkulturalität zu reflektieren. Weiter erlangen Themenaspekte zur interkulturellen und mehrsprachigen Arbeit sowie zum Stellenwert der Mehrsprachigkeit und des Erst- und Zweitsprachgebrauchs eine hohe Bedeutung. Vor allem ist auch das Erkennen mehrsprachiger Kompetenzen bei Kindern im Sinne der Gesamtsprachlichkeit als Themenschwerpunkt anzubieten. Ergänzend sollten thematische Aspekte zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung sowie zur Kommunikation mit Kindern in verschiedenen Sprachformaten im Kontext sprachlich-kultureller Diversität behandelt werden. Im aufgeführten Themenspektrum können alle drei Kompetenzbereiche der Haltung, des Wissens und des Handlungsrepertoires angesprochen und zur vorteilhaften Ressourcenentfaltung komplementär integriert werden. Grundlegend sind Prinzipien zur wirksamen Kompetenzentwicklung zu beachten, die sich aus den Ergebnissen der BiKES-Studie verallgemeinern lassen. Dazu zählen an erster Stelle die Wertschätzung, Bestätigung und Selbststärkung der pädagogischen Fachkräfte. Diese Aspekte offenbarten sich gehäuft im Interviewmaterial und in den schriftlichen Rückmeldungen zum Qualifizierungskurs der Studie. Weiterhin sollten Bottom-up-Strukturen und Austauschmöglichkeiten innerhalb von Qualifizierungen enthalten sein. Zudem sind geeignete Anlässe zur Selbstreflexion und zur Entwicklung von Bewusstheit zu schaffen. Letztlich sind jedoch nicht nur horizontale Entwicklungsmöglichkeiten auszuschöpfen, sondern gleichfalls vertikale Input-Phasen zugunsten notwendiger Wissensvermittlung zu integrieren.

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11 Fazit

Letztlich sind weitere organisatorisch-methodische Überlegungen zur Konzeptionierung von Qualifizierungen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität wichtig. Dazu sollten sich entsprechende Maßnahmen über einen längeren Zeitraum erstrecken (Expertengruppe Berufsbegleitende Weiterbildung, 2013, S. 17; Huxel, 2016, S. 156f). Ebenso sind sprachbiographische Reflexionen als Methode zur Klärung eigener Anteile sprachlich-kultureller Diversität geeignet (Krumm, 2009, S. 236ff; LinHuber, 2014, S. 47ff). Ferner sind Fallvignetten zur praxisnahen Anbindung sinnvoll (Stamm, 2014, S. 80).

Mit der Implementierung und Umsetzung sprachlich-kultureller Diversität wird das Ziel gesetzt, individuelle Horizonte aller pädagogischen Fachkräfte gewinnbringend zu erweitern. Zudem sind die individuellen sprachlich-kulturellen Kompetenzen der Fachkräfte zum Nutzen aller in den Bildungseinrichtungen wertzuschätzen und adäquat zu integrieren. Schließlich sollen die vielfältigen sprachlichen Identitäten der Kinder und Erwachsenen in interkulturellen Verknüpfungen erschlossen werden, sodass in Anlehnung an das eingangs zitierte tschechische Sprichwort ... ... mit jeder neuen Sprache eine neue Seele gewonnen werden kann.

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Anhang

Anhang 1: Leitfaden Expertinnen- bzw. Experteninterview................................... 338 Anhang 2: Leitfaden Biographieinterview.............................................................. 340 Anhang 3: Biographie-Items.................................................................................. 341 Anhang 4: Codings – Quantifizierter Überblick...................................................... 342 Anhang 5: Bündelungen im Interviewmaterial – Quantifizierter Überblick............. 343 Anhang 6: BiKES-Beobachtungsbogen zu Fallvignetten....................................... 344 Anhang 7: Auswertung Fallvignetten – Quantifizierter Überblick........................... 345 Anhang 8: Auswertung Fallvignetten – Summen, Mittelwerte, Quintile................. 346 Anhang 9: Typisierung intrapersonaler Profile – RU10, TR1, DE2........................ 347

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Stitzinger, Vom Potenzial zur Ressource, Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26470-3

338

Anhang

Anhang 1: Leitfaden Expertinnen- bzw. Experteninterview Kursiv und Klammern = Alternativfragen für monolinguale pädagogische Fachkräfte

Einstiegsimpuls Information zum Ablauf und Aufbau des Interviews

(A) Bezug zu den zwei Kommunikationssituationen Haltung Wie ging es Ihnen bei der Bilderbuch- und Spielsituation? In welchen Momenten ging es Ihnen gut? In welchen Momenten ging es Ihnen nicht so gut?

Handlungsrepertoire Wie gingen Sie beim Betrachten des Bilderbuches vor? (Wie konnten Sie Ihre unterschiedlichen Sprachen, die Sie können einsetzen?) Wie sind Sie mit dem Erstsprach-Hintergrund des Kindes umgegangen? (Wie konnten Sie kulturelles Hintergrundwissen in die Situation einbeziehen? Wie konnten Sie sich Ihre kulturelle Vertrautheit mit der Herkunftskultur des Kindes in der Vorlesesituation zu Nutze machen?) Wie konnten Sie den kulturellen Hintergrund des Kindes einbeziehen? Wie konnten Sie das Bilderbuch und das Spiel nutzen, um die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes im Bereich Artikulation, Wortschatz und Grammatik hervorzulocken?

Wissen Was fiel Ihnen Besonderes am Sprach- und Kommunikationsverhalten des Kindes während der Bilderbuch- und Spielsituation auf? In welchen Momenten gebrauchte das Kind seine Muttersprache und in welchen Momenten Deutsch? Welche Sprachmischungen konnten Sie beobachten? (Sprachwechsel, Transfer von Sprachstrukturen) In welchen Momenten konnten Sie kulturspezifische Einflüsse wahrnehmen? Was konnten Sie bezüglich der sprachlichen Fähigkeiten bei dem Kind im Bereich Aussprache, Wortschatz und Grammatik beobachten? (Fähigkeiten und Schwierigkeiten) Wie eignet sich die Bilderbuch- und Spielsituation zur Sprachbeobachtung und Sprachförderung?

(B) Bezug zum KiTa-Alltag im Allgemeinen Haltung Wie nehmen Sie Ihre Arbeit mit zweisprachigen Kindern in der KiTa wahr? (Was können Sie aus Ihrer KiTa-Praxis berichten?) Wie empfinden die Kinder in der KiTa Ihre Arbeit im mehrsprachigen Bereich? Wie geht es Ihnen mit Eltern mit anderen Herkunftsprachen? Welche Aspekte diskutieren Sie im KiTa-Team hinsichtlich mehrsprachiger Kinder?

Wissen Was muss man Ihrer Meinung nach wissen, um in der KiTa Sprachbeobachtung, Sprachbildung und -förderung von mehrsprachigen Kindern durchführen zu können? Welche Kenntnisse zur Sprachbeobachtung fallen Ihnen ein? zu Kommunikationsprozessen? zu kulturellen Eigenheiten? zum Mehrsprachigkeitserwerb? zur Kind-Umfeld-Situation?

Handlungsrepertoire Welche Aktivitäten zur Sprachbeobachtung, Sprachbildung und Sprachförderung mehrsprachiger Kinder setzen Sie und Ihr KiTa-Team bislang um? Wie realisieren Sie die Sprachbeobachtung? Wie realisieren Sie die Sprachbildung und Sprachförderung?

Anhang

339

(C) Bezug zu globalen Wünschen und Zukunftsperspektiven Wissen Über welche theoretischen Grundlagen sollte man zur Sprachbeobachtung, Sprachbildung und -förderung mehrsprachiger Kinder noch wissen? Welche Kenntnisse zur Sprachbeobachtung wären hilfreich? zu Kommunikationsprozessen? zu kulturellen Eigenheiten? zum Mehrsprachigkeitserwerb? zur Kind-Umfeld-Situation?

Handlungsrepertoire Welche weiteren Maßnahmen zur Sprachbeobachtung, Sprachbildung und -förderung mehrsprachiger Kinder könnten Sie sich vorstellen? Wie könnte man die Sprachbeobachtung optimieren? Wie könnte man die Sprachbildung und Sprachförderung optimieren?

Haltung Wie könnte man die pädagogische Arbeit im mehrsprachigen Bereich in der KiTa weiter gestalten? Wie könnte sich die Unterstützung der Sprachbeobachtung, Sprachbildung und Sprachförderung Ihrer Meinung nach im mehrsprachigen Kontext verändern? Welche Chancen könnten sich für Kinder und deren Eltern aus veränderten Bedingungen im mehrsprachigen Bereich ergeben? Welche Rahmenbedingungen könnten die mehrsprachige und interkulturelle Bildung und Erziehung von Kindern in den KiTas optimieren (Aus-, Weiter- und Fortbildungsmaßnahmen, administrative Regelungen etc.)?

Ausstiegsimpulse Gibt es weitere Aspekte, die wir bislang nicht erwähnt haben, die Sie aber wichtig für eine gelingende Sprachbeobachtung von mehrsprachigen Kindern halten? Welche der angesprochenen Themen haben Ihr besonderes Interesse geweckt? Welche Themen lagen Ihnen besonders am Herzen? Welche der angesprochenen Themen halten Sie gerade für Ihre Kita wichtig? Wo fühlten Sie sich in Ihrer Haltung, in Ihrer Praxis bestätigt? Wie war das Interview für Sie und was würden Sie uns zum Schluss mit auf den Weg geben?

Vielen Dank für das offene Gespräch!

340

Anhang

Anhang 2: Leitfaden Biographieinterview Kursiv und Klammern = Alternativfragen für monolinguale pädagogische Fachkräfte

(I)

Familiäres Umfeld

Erzählen Sie bitte etwas von Ihrer familiären Herkunft! Welches Land ist Ihr Geburtsland? In welchem Land sind Sie aufgewachsen? (Welches Land empfinden Sie als Ihre Heimat?) Beschreiben Sie bitte Ihr familiäres und soziales Umfeld, in dem Sie aufgewachsen sind! (Seit wann leben Sie in Deutschland?) Haben Sie auch in einem anderen Land als Deutschland gelebt? (Wie kam es dazu, dass Sie in Deutschland leben?) Welche Auslandserfahrung haben Sie gemacht? (Was können Sie von Ihrer jetzigen Lebenssituation erzählen?)

(II)

Eigene Sprachverwendung

Welche Sprachen sprechen Sie und mit welchen Anteilen? Zählen Sie bitte die Sprachen auf, in denen Sie Kenntnisse haben! (Welche Sprache betrachten Sie als Ihre Muttersprache, welche als Ihre Zweitsprache?) (Wie geleichberechtigt sind Ihre Sprachen?) Wie entwickelte sich Ihre Zwei- oder Mehrsprachigkeit? (Seit wann würden Sie sich selbst als zweisprachig (mehrsprachig) bezeichnen?) Wie schätzen Sie Ihr eigenes Niveau in den Sprachen, in denen Sie Kenntnisse haben, ein? (Was denken Sie über Ihre eigene Zwei- oder Mehrsprachigkeit?) Was denken Sie über Zwei- oder Mehrsprachigkeit?

(III) Ausbildung und Berufliche Tätigkeit Wie verlief Ihre Ausbildung? Welche Ausbildung haben Sie absolviert und wo? Welche Zusatzqualifikation haben Sie erworben? Welche Bedeutung hatte Sprachbildung und Sprachförderung in Ihrer Ausbildung? Welche Bedeutung hatte Mehrsprachigkeit in Ihrer Ausbildung? Wie sieht Ihre Arbeitssituation in dieser KiTa aus? Haben Sie vor dieser Tätigkeit bereits in einer anderen Kita gearbeitet? auch in Ihrem Herkunftsland? Seit wann arbeiten Sie in diesem Kindergarten? Inwieweit entspricht Ihre berufliche Tätigkeit Ihren beruflichen Wünschen? Wie fühlen Sie sich in Ihrer derzeitigen beruflichen Situation?

Vielen Dank für Ihre differenzierte Auskunft!

Anhang

Anhang 3: Biographie-Items

(I)

Familiäres Umfeld

Allgemeine Angaben zur Person Geburtsland Land des Aufwachsens Zugehörigkeitsgefühl Familiäres und soziales Umfeld Einwanderung nach Deutschland Jetzige Lebenssituation (II)

Eigene Sprachverwendung

Sprachkenntnisse Sprachliche Identität (Niveau, Dominanz) Entwicklung zur Zweit-/Mehrsprachigkeit Einstellung zu Mehrsprachigkeit (III) Ausbildung und berufliche Tätigkeit Ausbildung im Herkunftsland Ausbildung in Deutschland Thema Sprache und Mehrsprachigkeit in der Ausbildung Zusatzqualifikationen Berufsjahre insgesamt Berufsjahre in dieser KiTa Derzeitige Arbeitssituation

341

342

Anhang

CodingsRU4 RU7 RU8 RU9 RU10 RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7 Anteile

Anzahl Haltung

6

9

8

24

16

23

24

11

12

11

16

13

13

21

8

9

12

Prozent Durchschnitt

Anhang 4: Codings – Quantifizierter Überblick

5

Prozent Haltung

8% 18% 11% 24% 19% 24% 28% 14% 14% 16% 20% 17% 17% 18% 11% 13% 18% 9% 17%

Anzahl Wissen

23

Prozent Wissen

12

26

24

12

22

17

20

17

21

23

24

25

39

24

24

14

16

30% 25% 36% 24% 14% 22% 20% 25% 19% 31% 28% 32% 33% 34% 35% 36% 20% 27% 27%

Anzahl Handlungs- 48 repertoire

28

39

52

56

53

45

48

59

36

42

38

38

56

37

34

43

38

Prozent Handlungs- 62% 57% 53% 52% 67% 54% 52% 61% 67% 53% 52% 51% 50% 48% 54% 51% 62% 64% 56% repertoire Anzahl gesamt

77

49

73 100 84

98

86

79

88

68

81

75

76 116 69

67

69

59

Anhang

343

Anhang 5: Bündelungen im Interviewmaterial – Quantifizierter Überblick Proportionen von Themenbündelungen ThemenMenge

ThemengruppenMenge

KernthemengruppenMenge / Themenbündel zum Forschungsprojekt

Kernthemengruppierung

745

62

10

Stellungnahmen zum Forschungsprojekt

50

5

1

Gesamt

795

67

11

Proportionen kompetenzspezifischer und kompetenzübergreifender Bündelungen (gesamt) ThemenMenge

Kompetenzspezifisch

326

Kompetenzübergreifend Gesamt

ThemengruppenMenge

KernthemengruppenMenge plus Themenbündel zum Forschungsprojekt

41 %

35

52 %

6

55 %

469

59 %

32

48 %

5

45 %

795

100 %

67

100 %

11

100 %

Proportionen der Zuordnungen zu Kompetenzbereichen (gesamt) Themengruppen-Menge Haltung

16

24 %

Wissen

16

24 %

Handlungsrepertoire

35

53 %

Gesamt

67

100 %

Proportionen der Zuordnungen zu Kompetenzbereichen und Argumentationsebenen (gesamt) Fachkraft ThemengruppenMenge Haltung

16

67 %

Wissen

16

Handlungsrepertoire

33

Gesamt / Durchschnitt

65

Team ThemengruppenMenge

System ThemengruppenMenge

6

25 %

2

8%

67 %

6

25 %

2

8%

62 %

16

30 %

4

8%

65 %

28

27 %

8

8%

344

Anhang

Anhang 6: BiKES-Beobachtungsbogen zu Fallvignetten Fallbeispiel

Kind: Name Daten: Alter Geburtsland frühkindlicher Spracherwerb wesentlicher Erstkontakt mit Deutsch aktueller Sprachgebrauch in KiTa aktueller Sprachgebrauch in Familie

Teilnahme-Code:

Folgende Empfehlungen würde ich den Eltern geben: _________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________

Die Aufgabe zur Fallbearbeitung reflektiere ich wie folgt: _________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________ _________________________________________________________________________________

Anhang

345

Fallvignette / korrekte RU4 RU7 RU8 RU9 RU10 RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7 Kategorienanzahl E_Katja Z_Katja E_Sascha Z_Sascha E_Esma Z_Esma E_Demircan Z_Demircan Summen_E+Z Summen_E+Z

1 3 1 1

6

2 3 2 3 1 1

3 3

2 2 2 2 3 1 1 1 2 2 1 2 1 13 12 15 74

E_Katja 1 E_Sascha E_Esma E_Demircan Summen_E 1 Summen_E Summen_E_Katja Summen_E_Esma

2 2 1

3

5

4

Z_Katja Z_Sascha Z_Esma Z_Demircan Summen_Z Summen_Z Summen_Z_Katja Summen_Z_Esma

3 1 1

3 3 1 1 8

Summe E Summe Z Differenzen_E-Z

1 5 4

5 8 3

4 8 4

Anzahl 1-Kat_E Summ. 1-Kat._E Anzahl 2-Kat_E Summ. 2-Kat._E Anzahl 3-Kat_E Summ. 3-Kat._E

1

1

1

Anzahl 1-Kat_Z Summ. 1-Kat_Z Anzahl 2-Kat_Z Summ. 2-Kat_Z Anzahl 3-Kat_Z Summ. 3-Kat_Z

2

5

1

1 15

3 3 3 3

1 2

1 2

1 3

3 1

2

2 2

1

1 3 1 3 3 3

13

14

7

2 2 9

3 1 1

3 3

5

6

1 1 3

1

5

2

1

2

1

3 3 3 1 10

3 3 1

3 3 3

2 3

0

7

9

5

7 8 1

5 10 5

6 7 1

5 9 4

2 5 3

1 8 7

1

2

0

2

2

1

0

0

0

0

0

1

2

1

0

2

1

1

0

0

2 2 2

2

1 1 1

1 1 1

3

3

2 2 2 1 7

3 1

2 3 2

4

7

3 2 3 2 10

3 3 3 1 10

0

0

0

1

2

3 3 2 2 10

2 4 2

3 7 4

3 10 7

7 10 3

2 10 8

1

0

3

3

1

2

1

0

0

3

3

2

3

1

0

0

0

0

3 0 4

1 0 4

2 0 4

2 1 1

1 4 0

1 8

77 57 44 18

196

4 19 8 5

3

2 1 1

2 2 1 2 7

0

29 15 16 3

1 0

63

3 3 1 1 8

48 42 28 15 133

4 4 0

3 7 4

0 8 8

63 133

2

1

0

24

1

1

0

12

0

0

0

5

2

1

2

15

1

3

0

20

0

0

2

26

4 2 0

2 4 0

2 0 2

39 32 31

0 1

0

0

1

0 6

1

0

2

2

0

2 8

1

1

1

2

3

2

7 2 5 1

2 10

1

29 48 15 42 16 28 3 15

5

0

0

3

2

4 49 16 11

3

2 1 1

2 1 1

0

8 1

2 2

9

0

4

8 68

1 1

3 5 2

1

0

10 3 2 2

2

1 2

1

5

0

4 1

2 12

1 1

2

3 2

0

8 0

2 13

2 2 1 1 1 1

2

2 0

1

10

1 3 1 3

9

4 2

6

2 3 2 3 2 3 1 1 17

38 15 8

3

1

3

2 2 2 2 8

5 0

1 3 1 2 1 3

16 7 7 2 3 2 1 8

0

1

1 2 1 3 1 2

2

6 0

1

1

28 14 4 3 2 1 2 8

8

2 3

54

46 17 9

Anzahl 1-Kat_E+Z 3 Anzahl 2-Kat_E+Z 0 Anzahl 3-Kat_E+Z 1 Höchste Werte Niedrigste Werte

2 2 1 2 7

3 3 1 3 1 3

Summen gesamt

Anhang 7: Auswertung Fallvignetten – Quantifizierter Überblick

9 1 2 1

1 1 1

3 2 1

3 2 2

2 3 3

2 2 2

346

Anhang

Summen MZP1

1

5

4

7

5

6

5

2

1

3

2

3

3

7

2

4

3

0

3,50

5

Summen MZP2

5

8

8

8

10

7

9

5

8

5

4

7

10

10

10

4

7

8

7,39

10

Summen MZP1 + MZP2

6

13

12

15

15

13

14

7

9

8

6

10

13

17

12

8

10

8 10,89

14

Differenzen MZP2 – MZP1

4

3

4

1

5

1

4

3

7

2

2

4

7

3

8

0

4

8

3,89

7

1

2

2

1

4

4

4

1

0

1

1

1

2

3

2

0

0

2

1,72

3

0

1

0

2

4

2

3

0

1

0

0

0

2

4

2

0

0

1

1,22

3

Summen von 3 korrekten Kategorien Anzahl von Höchstwertereignissen

obere Quintile

Summen / RU4 RU7 RU8 RU9 RU10 RU11 TR1 TR2 TR3 TR4 TR5 TR6 DE1 DE2 DE4 DE5 DE6 DE7 Differenzen

Mittelwerte

Anhang 8: Auswertung Fallvignetten – Summen, Mittelwerte, Quintile

Anhang

347

Anhang 9: Typisierung intrapersonaler Profile – RU10, TR1, DE2

Kategorien

Frau A. (TR1)

Frau M. (DE2)

Methoden zur Sprachbeobachtung (2) Optimierung der Sprachbeobachtung (3) Wissensbedarf zur Sprachbeobachtung (1)

Methoden zur Sprachbeobachtung (3) Optimierung Sprachbeobachtung (5) Wissensbedarf Sprachbeobachtung (3)

Einstellung zur Befürwortung der MehrspraMehrsprachigkeit chigkeit (3) Wertschätzung der eigenen Mehrsprachigkeit (2)

Befürwortung der Mehrsprachigkeit (6) eigene Mehrsprachigkeit als Ressource in der Kita (1)

Befürwortung der Mehrsprachigkeit (2)

Gebrauch der flexibler Einsatz der ErstspraErstsprache und che in der Kita und Familie (5) anderer Sprachen Wissensbedarf zum pädagogischen Einsatz von Erstsprachen (1)

Erstsprachgebrauch der päd. Fachkraft und der Kinder in der Kita und Familie (9) Wissen über die emotionale Funktion der Erstsprache (1)

Interesse an Fremdsprachen (1) Wissen über die emotionale Funktion der Erstsprache (2) Wissensbedarf über Erstsprachen (1)

Sprachbeobachtung

Frau N. (RU10) Methoden zur Sprachbeobachtung (4) Optimierung der Sprachbeobachtung (5)

Kultursensibilität Kultursensibilität (2) Kultursensibilität (3) und interkulturelle Wissensbedarf zu Interkultura- Reflexion zu Interkulturalität Ausrichtung lität (2) (1)

Kultursensibilität (7) intensive Reflexion zu Interkulturalität (5) Optimierung im Bereich Interkulturalität (5)

Reflexion des pädagogischen Handelns

Reflexion der Gesprächsführung und Sprachbeobachtung (2)

Reflexion der Gesprächsführung und Sprachbeobachtung (2)

Reflexion der Gesprächsführung und Sprachbeobachtung (6)

Stellenwert der Zweitsprache Deutsch

Bedeutung der Bildungssprache Deutsch aus eigener Erfahrung (3) Kritik an der Priorität des Deutschen (1)

Bedeutung des DeutscherBedeutung des Deutscherwerbs für Bildungschancen (2) werbs für alle Kinder (2) Kritik an der Priorität des Deutschen (1)

Gesprächsführungsmethoden

positive Beurteilung des eingesetzten Bilderbuches (1) Gesprächsführungsmethoden (2)

positive Beurteilung des eingesetzten Bilderbuches (2) Gesprächsführungsmethoden (3)

positive Beurteilung des eingesetzten Bilderbuches (1) Gesprächsführungsmethoden (1)

Kenntnisse zu Kenntnisse über mehrspraSprachfähigkeiten chige Sprachfähigkeiten der der Kinder Kinder (3) Wissen über soziale Faktoren im Sprachgebrauch (1)

Kenntnisse über mehrsprachige Sprachfähigkeiten der Kinder (1) Wissen über soziale Faktoren im Sprachgebrauch (1)

Kenntnisse über Sprachfähigkeiten der Kinder spezifisch im Deutschen (4) Wissen über soziale Faktoren im Sprachgebrauch (2)

Elternarbeit

Austausch mit Eltern über Austausch mit Eltern über Mehrsprachigkeit und Interkul- Mehrsprachigkeit und Interkulturalität (2) turalität (2) Einsatz der Erstsprache (2)

Erleben im eigenen Spracherwerb

Belastung im eigenen Deutscherwerb (1)

Bewertung der beruflichen Situation

positive berufliche Identität (1) positive berufliche Identität mit Verwirklichungsmöglichkeiten im Bereich Mehrsprachigkeit und Interkulturalität (2)

Bewertung des Forschungsprojektes

positive Bewertung des Forschungsprojektes (2)

Belastung im eigenen Deutscherwerb (1)

Belastung im eigenen Fremdsprachlernen (1) hohe Zufriedenheit im Beruf mit Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und Kommunikation mit Kindern (4)

Zufriedenheit im Forschungs- Forschungsprojekt als motivieprojekt und Möglichkeit der rend empfunden (1) Weiterentwicklung (3)

Ziffern in Klammern jeweils nach der Bezeichnung der Themengruppe = die Anzahl der Themen