Vom Arbeitsmarkt zum Arbeitseinsatz 1933-1945: Dokumente zur Arbeitsmarktpolitik im nördlichen Rheinland und in Westfalen [1 ed.] 9783412525064, 9783412525040

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Vom Arbeitsmarkt zum Arbeitseinsatz 1933-1945: Dokumente zur Arbeitsmarktpolitik im nördlichen Rheinland und in Westfalen [1 ed.]
 9783412525064, 9783412525040

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Vom Arbeitsmarkt  zum Arbeitseinsatz 1933–1945 Dokumente zur Arbeitsmarktpolitik im nördlichen Rheinland und in Westfalen Bearbeitet von Anselm Faust

Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde LXXXV

PUBLIKATIONEN DER GESELLSCHAFT FÜR RHEINISCHE GESCHICHTSKUNDE LXXXV

Zugleich Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Neue Folge 84

Vom Arbeitsmarkt zum ­Arbeitseinsatz 1933 – 1945 Dokumente zur Arbeitsmarktpolitik im nördlichen Rheinland und in Westfalen

Bearbeitet von Anselm Faust

Veröffentlicht mit freundlicher Unterstützung des Landschaftsverbandes Rheinland

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2023 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen ­schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Beschäftigte und Arbeitslose in Duisburg 1932–1935, aus: Mitteilungsblatt des Landesarbeitsamtes Rheinland 1936, S. 62. Korrektorat: Dore Wilken, Freiburg Einbandgestaltung: Hawemann und Mosch, Berlin Satz  : Michael Rauscher, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

ISBN 978-3-412-52506-4

Inhalt Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939. . . . . . . . . .  11 1.1 Der Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  11 1.2 Von der Reichsanstalt zur Arbeitseinsatzbehörde . . . . . . . . . . . . . . .  23 1.2.1 Die „Gleichschaltung“ der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  27 1.2.2 Die Arbeitsverwaltung im Organisationsgeflecht des „Dritten Reiches“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  51 1.3 Von der Arbeitsbeschaffung zum Arbeitseinsatz.. . . . . . . . . . . . . . .  64 1.3.1 Die „Arbeitsschlacht“ I: Arbeitsbeschaffung. . . . . . . . . . . . . . .  66 1.3.2 Die „Arbeitsschlacht“ II: Begleitende Maßnahmen . . . . . . . . . . .  80 1.3.3 Auf dem Weg zum Arbeitseinsatz: Mobilisierung und Lenkung der Arbeitskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  93 1.3.3.1 Das Problem Fluktuation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1.3.3.2 Das Problem Frauenarbeit.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1.3.3.3 Das Problem Landarbeitermangel . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Die Arbeitsverwaltung im totalen Krieg 1939 – 1945 . . . 2.1 Der Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die Arbeitseinsatzbehörde . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Der Arbeitseinsatz im Dienst der Kriegswirtschaft . 2.3.1 Von der Lenkung zur Mängelverwaltung . . . 2.3.2 Frauenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Zwangsarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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139 139 151 167 167 191 198

3. Die Arbeitsverwaltung und der Terror. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 „Arbeitsscheue“, „Arbeitsbummelanten“ und Arbeitsvertragsbrüchige . 3.2 Politisch, religiös und rassisch Verfolgte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Zwangsarbeiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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213 213 239 259

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

269

Archive, Periodika und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

271

Index der Orte und der Namen leitender Beamter der Arbeitsverwaltung . . . . . .

275





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Vorwort Die Bedeutung der Beschäftigungspolitik und die Rolle der Arbeitsverwaltung für das nationalsozialistische Regime formulierte Hitler im Juni 1933 sehr deutlich: Die Arbeitslosigkeit zu mindern, sei „die entscheidende Aufgabe. Nur darin, wie wir diese Aufgabe lösen, wird die Geschichte uns messen. Es ist uns gelungen, eine Verminderung der Arbeitslosen herbeizuführen. Wir müssen verhindern, daß im Winter diese Arbeitslosen nicht wieder zurückströmen. Dazu müssen wir die Apparatur der Arbeit in Ordnung halten, sonst können wir die Zahl der Arbeitslosen nicht weiter reduzieren. Wenn es uns gelingt, diese Frage zu lösen, so haben wir dem neuen System eine derartige Stellung verschafft, daß, damit ausgestattet, diese Regierung Schritt um Schritt ihre anderen Aufgaben verwirklichen kann. Arbeit! Arbeit!“1 Die Arbeitsverwaltung gelangte so zu einem Einfluss, den ihre Gründer keinesfalls beabsichtigt hatten. Inwieweit die Politik der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung im ideologischen Gleichklang mit dem Regime stand, sei dahingestellt. Nachdem sie 1933/34 ihre sozialreformerischen Kräfte (und die jüdischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) der Anfangsjahre entlassen hatte, ist jedenfalls von einem hohen Maß an Interessenübereinstimmung auszugehen. „Die Nationalsozialisten benötigten eine erfahrene und funktionstüchtige Arbeitsverwaltung und verhalfen umgekehrt dort bereits entwickelten modernen sozialtechnischen Konzepten zum Durchbruch. Die ‚nationale Revolution‘ ermöglichte der Reichsanstalt nach innen und außen die Entfaltung und den Nachweis ihrer überlegenen Leistungsfähigkeit.“2 „Im Arbeitseinsatz konnte“, resümierte ihr Präsident Friedrich Syrup 1936, „positiv und umfassend gearbeitet werden.“3 „Arbeitseinsatz als Instrument nationalsozialistischer Politik: Sie diente zur Stabilisierung einer vorgeblich konflikt- und vom Klassenkampf freien ‚Volksgemeinschaft‘ nach innen und zur Verwirklichung der Aufrüstungs- und Expansionspolitik nach außen.“4 Dies geschah in einem Prozess, der 1933 einsetzte, „sich in den nächsten Jahren allmählich beschleunigte und in der Kriegswirtschaft zu einem endgültigen Durchbruch gelangte. An seinem Ende stand die vollständige Neuprogrammierung der Organisation von einem der sozialpolitischen Vorzeigeprojekte der Weimarer Republik zu einer Einrichtung, die nicht nur wesentliche Teile der deutschen Kriegswirtschaft organisierte,

1 Zit. nach Karl-Heinz Minuth  (Bearb.): Akten der Reichskanzlei. Die Regierung Hitler, Teil 1: 1933/34, Bd. 1: 30. Januar 1933 bis August 1933, Boppard/Rhein 1983, S. 632. 2 Horst Kahrs: Die ordnende Hand der Arbeitsämter. Zur deutschen Arbeitsverwaltung 1933 bis 1939, in: Wolf Gruner u.a. (Hg.): Arbeitsmarkt und Sondererlass, Berlin 1992, S. 9–61, hier S. 11 f. 3 Friedrich Syrup: Arbeitseinsatz und Arbeitslosenhilfe in Deutschland, Berlin 1936, S. 89. 4 Dietmar Petzina: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik während des Nationalsozialismus, in: Anselm Faust (Hg.): 100 Jahre Arbeitsmarktpolitik in Rheinland-Westfalen, Essen 1997, S. 57.

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Vorwort

Millionen von Arbeitskräften erfasste und lenkte, sondern auch europaweit am umfassendsten unfreie, erzwungene Arbeit im 20. Jahrhundert verantwortete.“5 Die Verfassung und das Funktionieren des Arbeitsmarktes sind für eine Volkswirtschaft, für die Lebensverhältnisse der Bevölkerung sowie für die Funktionsfähigkeit und die Akzeptanz eines politischen Systems in jedem Fall erheblich. Bezogen auf das „Dritte Reich“ hat das Franz Neumann bereits 1942 auf den Punkt gebracht: „Der Nationalsozialismus unterscheidet sich am schärfsten durch die Kontrolle des Arbeitsmarktes von einer demokratischen Gesellschaft. Der Arbeiter besitzt keine Rechte. Die potentielle und aktuelle Macht des Staates über den Arbeitsmarkt ist so umfassend, wie sie nur sein kann.“6 Die Arbeitsmarktpolitik resp. die Geschichte der Arbeitsverwaltung während des „Dritten Reiches“ ist wiederholt und teils ausführlich dargestellt worden;7 im regionalen Kontext aber noch kaum. Dies gilt auch für das nördliche Rheinland und für Westfalen und Lippe, dem heutigen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Ihre Geschichte von 1933 bis 1945 bleibt noch zu schreiben. Die vorliegende Dokumentensammlung ist auf diesem Weg nur ein erster Schritt, der lückenhaft ist, weil wichtige Themen nicht oder nur knapp behandelt werden konnten. Arbeitsmarktpolitik besteht im Kern aus Arbeitsvermittlung, Arbeitskräftelenkung und Arbeitslosenversicherung, aber umfasst darüber hinaus ein breites Spektrum an Instrumenten von der Fürsorge mit ihren ergänzenden finanziellen Leistungen über die Berufsberatung, die im „Dritten Reich“ zur Berufsnachwuchslenkung mutierte, und das Berufsschulwesen bis zur Regelung der Arbeitsimmigration. Diese Themenfelder ebenso wie ihr Zusammenspiel mit der Lohnpolitik des Regimes konnten an dieser Stelle – wenn überhaupt – nur kursorisch angesprochen werden, obgleich z. B. die Arbeitsverwaltung mit fortschreitender Verknappung deutscher Arbeitskräfte seit 1939 in ebenso fortschreitender Intensität mit der Rekrutierung und Verteilung ausländischer Arbeitskräfte befasst war, womit sie einen entscheidenden Beitrag zur Kriegsführung leistete. Aber das im Kriegsverlauf sich ändernde Verwaltungshandeln gegenüber den unterschiedlichen Ausländergruppen und ihre Arbeits- und Lebensverhältnisse hätten nicht angemessen dargestellt werden können, ohne den Rahmen dieser Dokumentation zu sprengen. 5 Henry Marx: Die Verwaltung des Ausnahmezustands. Wissensgenerierung und Arbeitskräftelenkung im Nationalsozialismus, Göttingen 2019, S. 98. 6 Franz Neumann: Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933–1944, Frankfurt/Main 1984 (zuerst New York 1942), S. 395. 7 Kahrs: Ordnende Hand; Volker Herrmann: Vom Arbeitsmarkt zum Arbeitseinsatz. Zur Geschichte der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung 1929 bis 1939, Frankfurt/Main 1993; Faust: 100 Jahre Arbeitsmarktpolitik; Hans-Walter Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik und ­Arbeitsverwaltung in Deutschland 1871–2002. Zwischen Fürsorge, Hoheit und Markt, Nürnberg o. J. (2003); Dieter G. Maier (Hg.): Geschichte der Arbeitsmarktpolitik und Arbeitsverwaltung in Deutschland. Ausgewählte Texte 1877–1952, Brühl 2008; Karsten Linne: Von der Arbeitsvermittlung zum „Arbeitseinsatz“. Zum Wandel der Arbeitsverwaltung 1933–1945, in: Marc Buggeln; Michael Wildt (Hg.): Arbeit im Nationalsozialismus, München 2014, S. 53–70; Marx: Verwaltung des Ausnahmezustands.



Vorwort

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Des Weiteren definiert sich Arbeitsmarktpolitik auch durch die alltägliche Praxis in den Arbeitsämtern, die sich aus den Quellen kaum erschließt und deshalb ebenfalls weitgehend ausgeblendet bleiben musste: der Umgang mit den Besuchern, die Arbeitsverhältnisse in den Amtsstuben sowie die Ausbildung, Qualifikation und Struktur der Beschäftigten und ihr Selbstverständnis.8 Die vorliegende Dokumentation konnte zu einem Gutteil aus einer temporären Materialsammlung zur Vorgeschichte der nordrhein-westfälischen Arbeitsverwaltung schöp­ fen, die im Rahmen eines vom Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchiv (der heutigen Abteilung Rheinland des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen) zusammen mit dem Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen (seit 2005: Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesanstalt für Arbeit) durchgeführten Forschungsprojektes angelegt wurde.9 Bei der Übertragung der Texte wurden offensichtliche Schreibfehler korrigiert. Sonstige orthografische Eigenheiten wurden kommentarlos übernommen. Ich danke dem Präsidenten das Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, Herrn Dr. Frank Bischoff, und der Leiterin der Abteilung Rheinland, Frau Dr. Martina Wiech, für ihre großzügige Unterstützung sowie der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde für die Aufnahme der Dokumentation in ihre Publikationsreihe.

8 Dies gilt schließlich auch für die Architekturgeschichte der deutschen Arbeitsverwaltung, die von Christiane Mattiesson: Die Rationalisierung des Menschen. Architektur und Kultur der deutschen Arbeitsämter 1890–1945, Berlin 2007, materialreich dargestellt wird, u.a. mit dem Fazit: „In den weitgehend einheitlich im Stil des Neoklassizismus ausgeführten Bauten des Dritten Reiches wurde die Ideologie des Nationalsozialismus verkörpert und gesichert.“ (S. 382). 9 S. Heike G. Buckner: Geschichte der Arbeitsverwaltung im Rheinland und Westfalen, o. J. (= Landesarbeits­ amt Nordrhein-Westfalen: 1914 bis 1933, Bd. 2); Faust: 100 Jahre Arbeitsmarktpolitik.





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1. Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939 1.1 Der Arbeitsmarkt1 Einführung Westfalen und das nördliche Rheinland waren ein Konglomerat unterschiedlicher, sich aber ergänzender Wirtschaftsräume. Um das schwerindustrielle Ruhrgebiet gruppierten sich historisch gewachsene Gewerberegionen wie das Bergische Land, das Siegerland und Minden-Ravensberg, großstädtische Handels- und Verwaltungszentren und weite Agrargebiete u. a. am Niederrhein, im nördlichen Münsterland und in Ostwestfalen. Dementsprechend divers waren die regionalen Arbeitsmärkte. Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise im Herbst 1929, die auch in Deutschland das Wirtschaftsgeschehen und die sozialen Verhältnisse auf Jahre hinaus prägte, folgte die Beschäftigungsentwicklung im Wesentlichen dem typischen Muster einer Konjunkturkrise, wonach sich ihr Beginn zunächst in der Investitionsgüterindustrie bemerkbar macht, weil die Unternehmen in Erwartung schlechter Ertragsaussichten ihre Investitionen drosseln, was sich in einem Rückgang der Produktion und einem Anstieg der Entlassungen in Branchen wie Metall- und Maschinenbau oder Elektrotechnik niederschlägt. Dagegen setzen im Konsumgüterbereich Nachfragerückgang und Entlassungen verzögert ein und in den Branchen, die Produkte des stabilen Bedarfs herstellen, die auch in schlechten Zeiten nur bedingt verzichtbar sind wie Hygieneartikel, Bekleidung und Textilien, Papier, bleibt die Beschäftigung auf einem abgesenkten Niveau stabil. Der 1933 einsetzende Aufschwung folgte – in umgekehrter Reihenfolge – demselben Muster, das allerdings durch die beschäftigungs- und wirtschaftspolitischen und bald auch rüstungspolitischen Maßnahmen des Regimes überlagert wurde und sich auch in den ökonomisch verschieden strukturierten Regionen des Rheinlands und Westfalens unterschiedlich ausprägen konnte. Während Metallindustrie und Maschinenbau schnell wieder Tritt fassten, konnten z. B. die linksrheinischen Textilbetriebe oder die ostwestfälischen und lippischen Möbelhersteller wenig zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen, wogegen der Hoch- und Tiefbau von Arbeitsbeschaffungs- und Notstandsmaßnahmen profitierte. Auch die Beschäftigten des Bergbaus nahmen nur verzögert am Aufschwung teil, weil die Zechen mit der Produktion auf Halde und mit Feierschichten auf die Absatzkrise reagiert hatten und nun zunächst mit dem Abbau der Vorräte und Feierschichten und erst später mit Neuanlegungen auf die Wiederbelebung der Nachfrage antworteten. 1 S. zu diesem Kapitel die in Anm. 7 des Vorworts genannte Literatur; dazu Dietmar Petzina: Zum Pro­blem der Weltwirtschaftskrise im regionalen Vergleich, in: Friedrich-Wilhelm Henning (Hg.): Probleme der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik (=  Schriften des Vereins für Socialpolitik, N.  F., Bd.  89), Berlin 1976, S. 9–42; ders.: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, S. 62 f.

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

Die Landwirtschaft verzeichnete offiziell nur einen geringen Be­schäftigungseinbruch, was auch auf die vielen mithelfenden Familienangehörigen zurückzuführen war, die trotz Beschäftigungsmangel in keiner Arbeitslosenstatistik auftauchten. Diese „versteckte Arbeitslosigkeit“ erklärt auch, warum in manchen Regionen mit ländlich-gewerblicher Mischstruktur die amtlichen Beschäftigungszahlen relativ günstig blieben. Die regional und sektoral ungleichmäßige Beschäftigungsentwicklung blieb bis in die zweite Hälfte der 1930er Jahre ein Charakteristikum des Arbeitsmarktes. Während 1935 reichsweit noch über 2 Mio. Erwerbspersonen arbeitslos waren (10,3 %), klagte die Metallindustrie bereits über Arbeitskräftemangel, und trotz reichsdurchschnittlicher Vollbeschäftigung mit einer Arbeitslosenquote von 4,1 % (1937) wünschte manche Region noch immer Notstandsarbeiten; wobei z. B. die Aachener dauerhaft auf ihre exponierte Lage im Grenzgebiet verwies. Forciert durch die Einführung der Arbeitsdienst- und der Wehrpflicht (1935), die dem Arbeitsmarkt Arbeitskräfte entzogen, war – unbeschadet regional- und branchenspezifischer Abweichungen – seit Mitte der 1930er Jahre nicht mehr die Beseitigung der Arbeitslosigkeit das primäre Aktionsfeld der Arbeitsverwaltung, sondern sukzessive die Ausschöpfung des Arbeitskräftepotentials und die Deckung der Arbeitskräftenachfrage insonderheit der rüstungswichtigen Betriebe und militärischer Bauprojekte – und dies bereits vor Kriegsbeginn. 1] Die Arbeitslosigkeit im Rheinland2 1930–1937

Abb. 1: Die Arbeitslosigkeit […] Aus: Mitteilungsblatt des Landesarbeitsamtes Rheinland 4, 1937, Nr. 7. 2 Ab Ende März 1935 einschließlich Saarland.



Der Arbeitsmarkt

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2] Die Arbeitsschlacht im Bezirk Aachen Regierungspräsident Eggert Reeder: Die Arbeitsschlacht 1933/34 im Regierungsbezirk ­ achen. Eine Rück- und Vorschau. Aachen, den 20. März 1934 A (LAV NRW R, BR 5–16899) Auf Befehl des Führers beginnt mit dem morgigen Tage die zweite Arbeitsschlacht. Vor dem neuen Angriff einen Blick zurück auf das im ersten Kampfabschnitt eroberte Gebiet, dann den Helm fester gebunden, die Waffen und das noch vor uns liegende Gelände geprüft und vorwärts! Zur Zeit der Machtübernahme hatte auch im Regierungsbezirk Aachen das Elend der Massenerwerbslosigkeit seinen Höhepunkt erreicht. So wurden im Februar 1933 im Regierungsbezirk 51 208 Arbeitslose, davon 41 635 Hauptunterstützungsempfänger3 gezählt. Auf 1000 Einwohner entfielen danach 55 Hauptunterstützungsempfänger. Da erfolgte das Angriffssignal zur ersten Arbeitsschlacht durch den Führer. Auf Grund seiner eindeutigen und klaren Weisungen wurde sofort überall auch im Bezirk Aachen die planmässige Bekämpfung der Erwerbslosigkeit eingeleitet. Das Ergebnis war für den besonders schwer bedrohten westlichen Flügel des Reiches ein tiefer Einbruch in die zähe Front der Dauererwerbslosigkeit, die bis dahin unabwendbares Schicksal der Grenzmark zu sein schien. Jahrelangem Abbau folgte endlich die Wiedereinstellung vieler schaffensfreudiger Volksgenossen in den Betrieben, weiteren Tausenden konnte dann im Laufe des Sommers auf der Grundlage des Gesetzes zur Verminderung der Arbeitslosigkeit vom 1. Juni 19334 wieder Arbeit und Brot gegeben werden. Ende September 1933 ging die Gesamtzahl der Unterstützungsempfänger bereits auf 32 105, also um rund 22 % gegenüber dem Stande vom 28. Februar 1933 zurück. Schon diese Abnahme der Erwerbslosigkeit war ein schöner Erfolg, wenn man berücksichtigt, wie schwere Hemmnisse grenzpolitischer und binnenwirtschaftlicher Art gerade im Bezirk Aachen der Niederringung der Arbeitslosigkeit sich entgegenstellten und auch heute noch entgegenstehen. Überall haben die willkürlich gezogenen Grenzen die natürlichen Zusammenhänge zerrissen, viele einst blühende Wirtschaftszweige und Einzelbetriebe wurden in den vergangenen schweren Leidenszeiten vernichtet. Eine Anzahl grosser Werke ist völlig vom Erdboden verschwunden, anderen die Entwicklungsmöglichkeit stark beschränkt worden. […]

3 Arbeitslose erhielten von der Arbeitslosenversicherung für einen gewissen, wiederholt geänderten Zeitraum Hauptunterstützung (Alu). Nach einer Bedürftigkeitsprüfung konnten sie anschließend Krisenunterstützung (Kru) beantragen, die keine Versicherungs-, sondern eine öffentliche Fürsorgeleistung war und zum größeren Teil vom Reich, zum kleineren Teil von den Kommunen finanziert wurde. Schließlich konnten sie – ebenfalls nach einer Bedürftigkeitsprüfung – Wohlfahrtsunterstützung (Wohlu) beziehen, die Teil der kommunalen Fürsorge war. 4 Das „Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit“, 1.6.1933 (RGBl. I, S. 323), war der Start des „Reinhardt-Programms“, des ersten eigenen Arbeitsbeschaffungsprogramms des NS-Regimes.

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

Es war demnach nicht verwunderlich, dass noch im Herbst viele Zweifler für die westliche Grenzmark das in den Wintermonaten der Vorjahre regelmässig beobachtete sprunghafte Ansteigen der Arbeitslosigkeit auch für den Winter 1933/1934 voraussagten. Jedoch hatten diese Ungläubigen nicht damit gerechnet, dass sich schon ebenso bald wie stark die ungeheure Erziehungsarbeit und das planmässige Vorgehen des Führers und seiner Mitarbeiter durchsetzen und alle Nachwirkungen und gegenseitige Störungen überwunden würden. Wenn auch einzelne Wirtschaftszweige nicht aufnahmefähig für Neueinstellungen waren, so erklärten sich um so mehr andere Unternehmungen und besonders auch die Landwirtschaft nicht nur zum Durchhalten der alten und neu aufgenommenen Arbeitskräfte bereit, in vielen Fällen wurden sogar noch weitere Erwerbslose eingestellt mit der Verpflichtung zu voller Beschäftigung während des ganzen Winters. Gleichzeitig setzte gerade in diesem Zeitpunkte die Wirkung des ReinhardtProgramms4 voll ein. So konnte, abgesehen von einem durch den ungewöhnlich starken und anhaltenden Frost im Dezember 1933 verursachten Rückschlag, schon Ende Januar 1934 der seit Jahren niedrigste Stand von 29 452 Hauptunterstützungsempfängern im Regierungsbezirk Aachen erreicht werden. […] Im Gesamtdurchschnitt des Bezirks ist die Zahl der Unterstützungsempfänger je 1 000 Einwohner von 55 am 28.2.1933 auf 33 am 28.2.1934, also um 22 = 40 % gefallen. Die Zahl der Arbeitslosen überhaupt, in der auch Nichtunterstützungsempfänger enthalten sind, sank während des gleichen Zeitraumes entsprechend von 51 208 auf 34 480. Nach den in den letzten Tagen eingegangenen Berichten hat sich allgemein im Bezirk die Lage gegenüber dem Stande vom 28. Februar noch weiter gebessert. So sind bereits die Grenzkreise Schleiden und Monschau als frei von Arbeitslosen gemeldet worden. Ähnlich günstig liegen schon seit längerer Zeit die Verhältnisse in den Kreisen Erkelenz und Geilenkirchen-Heinsberg. […] 3] Die Beschäftigungsentwicklung in den Bezirken Westfalens „Die Entwicklung des Arbeitseinsatzes im Landesarbeitsamtsbezirk Westfalen im August 1936“, in: Der Arbeitseinsatz im Landesarbeitsamtsbezirk Westfalen, 1936, Nr. 9 […] Die Entwicklung des Arbeitseinsatzes seit Januar 1933 war jedoch in Westfalen nicht einheitlich. Daher liegen die Verhältnisse in einigen Teilbezirken bereits sehr viel günstiger, in einigen anderen dagegen noch ungünstiger als der Durchschnitt. Der Bezirk des Landesarbeitsamtes Westfalen gliedert sich im Hinblick auf seine Wirtschafts- und Arbeitsstruktur in 6 sehr unterschiedliche Teilbezirke, die auch im Umfang der Arbeitslosigkeit bei Beginn der Arbeitsschlacht stark voneinander abweichen. Gegenüber einer Durchschnittsbelastung von 91,5 Arbeitslosen auf 1000 Einwohner Ende Februar 1933 waren in dem

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Der Arbeitsmarkt



Kerngebiet des Ruhrgebietes 118,5 Arbeitslose südöstlichen Randgebiet 105,8     ” Märkischen und Siegerland 100,6     ” Minden-Ravensberger gemischtwirtschaftlichen Gebiet  76,2     ” landwirtschaftlichen Bezirk  51,3     ” münsterländischen Textilbezirk  38,8     ” vorhanden. Der günstigere Stand der drei letzten Teilgebiete auch beim Höhepunkt der Krise erklärt sich daraus, dass der landwirtschaftliche Unterbau in diesen Bezirken stärker und damit die Krisenfestigkeit der Bevölkerung erheblich größer ist. Im übrigen überwiegen hier die Konsumgüterindustrien, die naturgemäß bei weitem nicht den Beschäftigungsrückgang zu verzeichnen hatten wie die Produktionsgüterindustrien. Diese Tatsache spiegelt sich klar in den Erfolgszahlen der einzelnen Teilbezirke wieder. Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den westfälischen Teilbezirkena) Bezirk

Zahl der Arbeitslosen Ende

Abnahme von Febr. 1933 bis Aug. 1936

Arbeitslose auf 1000 ­Einwohner

Febr. 1933

Aug. 1936

in v. H.

Febr. 1933

Aug. 1936

1. Schwerindustrie

277 927

79 321

71,5

116,5

34,0

2. Märkisches und ­Siegerland

84 195 

7 601

91,0

100,6

8,6

3. Minden-Ravensberger gemischtwirtschaftlicher Bezirk

63 006

4 780

92,4

76,2

5,8

4. Landwirtschaftlicher Bezirk

42 618

2 739

93,6

51,3

3,3

5. Münsterl. Textil­ bezirk

15 800

2 857

81,9

38,8

7,0

483 495

97 298

80,0

91,5

18,4

Bezirk des Landes­ arbeitsamtes Westfalen a)

Tabelle vom Bearbeiter gekürzt.

Während somit einzelne westfälische Teilbezirke bereits seit einiger Zeit praktisch von Arbeitslosen frei sind, ist die Zahl der Arbeitslosen im Ruhrgebiet noch verhältnismäßig hoch. Der Grund für die geringere Belebung im Ruhrgebiet ist im wesentlichen in den Beschäftigungsverhältnissen des Ruhrbergbaues zu suchen, der bisher nur einen Teil der während der Krisenjahre entlassenen Bergarbeiter wieder aufnehmen konnte. Außerdem muß hierbei berücksichtigt werden, daß die auch im Bergbau geschaffene Mehrarbeit zu einem Teil zum Abbau der Feierschichten benutzt werden mußte.

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

4] Die westfälischen Wirtschaftsbezirke

Abb. 2: Die westfälischen Wirtschaftsbezirke Aus: Der Arbeitseinsatz in Westfalen, 1938, Nr. 9.



Der Arbeitsmarkt

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5] Beschäftigte und Arbeitslose in Duisburg 1932–1935

Abb. 3: Beschäftigte und Arbeitslose […] Aus: Mitteilungsblatt des Landesarbeitsamtes Rheinland, 1936, S. 62.

6] Die Arbeitslage in Roetgen Schreiben des NSDAP-Ortsgruppenleiters von Roetgen an den NSDAP-Kreisleiter in Monschau, Regierungsbezirk Aachen, 23.5.1936 (Abschrift) (LAV NRW R, BR 5–16854) Als Ortsgruppenleiter der Ortsgruppe Roetgen gebe ich Ihnen hiermit einen Bericht über die Arbeitslage in der Ortsgruppe zur Kenntnis. In der letzten Zeit macht sich die schlechte Arbeitsmöglichkeit durch die Mißstimmung der Bevölkerung stark bemerkbar. Dies ist leicht zu verstehen, wenn man feststellt daß die Zahl der Erwerbslosen von Monat zu Monat steigt. Zurzeit hat die Ortsgruppe einen Stand von über l00 Unterstützungsempfänger welche beim Arbeitsamt Simmerath geführt werden. Ausserdem sind in der Gemeinde ca. 12–15 Wolu-Empfänger vorhanden. Diese Zahl beim Arbeitsamt wird sich aber in den ersten Tagen um ca. 40 Mann erhöhen, da die hiesige Tuchindustrie den Betrieb einstellen wird. Dies ist wegen Arbeitsmangel erforderlich. Ausserdem muss man berechnen das bei den angeführten

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

Zahlen keine Jgl. unter 21 Jahren berücksichtigt sind, da diese keine Unterstützung erhalten. Ausserdem hat die Gemeinde noch eine Zahl Erwerblose, welche auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen beim Arbeitsamt nicht geführt werden, da der Richtsatz der Bedürftigkeit innerhalb der Familie überschritten ist. Aber auch hier ist in vielen Fällen die Not so gross wie bei den Unterstützungsempfängern. Wenn man dies alles zusammen zählt, so stellt man fest, dass hier ca. 200–220 Personen erwerbslos sind, und nur von einem Einkommen, das den Richtsätzen entspricht, leben müssen. Das sich dies in den Kreisen des Handwerks und Handels stark bemerkbar macht ist selbstverständlich. Hinzu kommt noch, dass sämtliche in Aachen in der Tuchindustrie beschäftigten Kurzarbeiter sind, und ebenfalls als ledige und verheiratete mit der Kurzarbeiterunterstützung wöchentlich nach Abzug von sozialen Lasten und Fahrgeld ein Einkommen von 12,– bis 16,– Rmk. haben. Das derartige Verhältnisse für die Bevölkerung und für die politische Stimmung untragbar sind, muss von jeder vorgesetzten Stelle anerkannt werden, und für sofortige Abstellung das möglichste getan werden. 7] Kritik an der Arbeitsmarktberichterstattung (LAV NRW R, BR 5–16877) Schreiben des Vorsitzenden des Arbeitsamtes Aachen an den Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland, 26.10.1934 Heute Vormittag wurde ich vom Herrn Regierungspräsidenten Reeder zu dem letzten vom Arbeitsamt in die Presse gebrachten und abschriftlich beigefügten Arbeitsmarktbericht angerufen. Der Herr Regierungspräsident übte in dienstlich-freundschaftlicher Weise Kritik an dem Bericht, indem er – wie auch schon in der Vergangenheit – seinen Standpunkt vertrat, dass er es für unrichtig hält, schön gefärbte und optimistisch gehaltene Berichte in die Presse zu bringen. Man müsse ausgehen von den tatsächlichen Verhältnissen und hierbei auch stehen bleiben, weil es sonst nie und nimmer gelingen werde, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Betrachte man den Stand der Arbeitslosigkeit in der Aachener Grenzmark vom Frühjahr dieses Jahres und vergleiche objektiv die damalige Erwerbslosigkeit mit dem heutigen Stande, der eindeutig schlechter sei, so ergäbe sich ein Bild, das in dem Arbeitsmarktberichte des Arbeitsamtes Aachen nicht wiederspiegele. Hinzu käme, dass, wenn lediglich gute und günstige Entwicklungen des Arbeitseinsatzes – noch dazu unterstrichen durch geschickte Statistiken – zur Darstellung gebracht würden, alle Anstrengungen der Aachener Regierung auf Arbeitsbeschaffungsmassnahmen und Vergrösserung des Arbeitsvolumens (z. B. zur Zeit schwebende Anträge auf unmittelbare oder mittelbare Heeresaufträge) erschwert, wenn



Der Arbeitsmarkt

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nicht unmöglich gemacht würden. Ich habe in meinen Ausführungen dem Herrn Regierungspräsidenten grundsätzlich beigepflichtet, habe aber darauf aufmerksam gemacht, dass der Arbeitsmarktbericht des Aachener Amtes gesehen werden müsste im Zusammenhang mit den Berichten der übrigen rheinischen Arbeitsämter und auch mit der Berichterstattung des Landesarbeitsamtes. Es liesse sich nicht leugnen, dass alle Berichte – soweit mir ein Urteil darüber zusteht – eine optimistische Beurteilung zur Schau trügen. Es zeige sich insoweit ein Bestreben der Reichsanstalt, die Bevölkerung aufzurütteln und sie anzuspornen, mitzumachen, um auch ihrerseits alle Voraussetzungen zu schaffen, die zum glücklichen Gelingen der Arbeitsschlacht nicht nebensächlich sein können. Dies um so mehr, als man in der Vergangenheit den Dingen ihren Lauf liess und lediglich rein sächlich die Ereignisse und Begebenheiten des Arbeitseinsatzes registrierte und den zu Grunde liegenden motoren Kräften nachspürte. Dabei habe ich persönlich den Eindruck, dass die optimistische Form und Färbung der Arbeitsmarktberichte sich in etwa den Presseberichten anderer Ressorts anpasst, bei denen augenscheinlich gleichfalls dem Umstande Rechnung getragen ist, dass sie für das breite Publikum bestimmt sind und Antrieb und Auftrieb vermitteln sollen. Ich möchte aus diesem Grunde auch der Meinung sein, dass bei den angestrebten Tendenzen Arbeitsmarkberichte nicht geeignet sind, um als Grundlage für zentrale Verhandlungen über Projekte von Arbeitsbeschaffungsmassnahmen zu dienen und dass man etwaigen Argumenten aus ihnen hiermit begegnen könnte. Dennoch musste ich dem Herrn Regierungspräsidenten beipflichten; denn ein sächlicher Bericht, der Licht und Schatten bringt und an nüchterner Tatsachenübermittlung festhält, gibt den Nörglern und Kritikastern bestimmt weniger Raum zur Entfaltung. Andererseits verursacht ein gefärbter Bericht bei den breiten Massen zunächst vielleicht Stimmung und Elan, die aber nachher nicht immer standhalten, wenn der Intellektuelle mit Gegenargumenten abschwächt. […] Schreiben des Vorsitzenden des Arbeitsamts Aachen an den Regierungspräsidenten in Aachen, 22.1.1935 Betrifft: Veröffentlichung von Arbeitsmarktberichten in der Tagespresse. Unter Bezugnahme auf die gepflogene grundsätzliche Aussprache füge ich in der Anlage einen Presseberichtsentwurf für den Berichtsmonat Dezember 1934 bei mit der Bitte um Angabe, wenn in politischer Hinsicht Bedenken gegen die Veröffentlichung desselben bestehen sollten.

20

Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

8] Unterstützungsempfänger 1932 – 1938

Abb. 4: Unterstützungsempfänger […] (LAV NRW R, BR 5–16931)

21

Der Arbeitsmarkt



9] Arbeitskräftemangel in fast allen Berufen Pressedienst des Landesarbeitsamtes Rheinland, 9.8.1939 (LAV NRW R, BR 5–16908) Der Präsident des Landesarbeitsamtes Rheinland teilt mit: „Der fast in allen Berufen eingetretene Kräftemangel hat sich im Monat Juli vielfach noch weiter verschärft. Arbeitskräfte aus dem Protektorat5 und ältere, bereits aus dem Arbeitsprozess ausgeschiedene Männer (Rentner, Invalide usw.) bilden z.Zt. die Arbeitsreserve, die für die verschiedenen Arbeitsverrichtungen noch zweckvoll eingesetzt werden kann. Auch der Fraueneinsatz konnte weiter verstärkt werden. Die Erfahrungen mit der Halbtagsbeschäftigung, die in zunehmendem Umfange eingeführt wird, sind im allgemeinen günstig. Für die staatspolitisch vordringlichen Aufgaben mussten wiederum im Wege der Dienstverpflichtung eine erhebliche Anzahl Arbeitskräfte bereitgestellt werden. Die Betriebe nehmen in steigendem Masse Um- und Erweiterungsarbeiten ihrer betrieblichen Anlagen vor, um so Produktionshöchstleistung und -steigerung zu erreichen. Es konnte allgemein festgestellt werden, dass durch die neuen Vorschriften über Arbeitsplatzwechsel die bisherige Fluktuation nachgelassen hat. Die Einbringung der Ernte konnte – soweit die Witterung dies zuliess – überall trotz des grossen Kräftemangels in der Landwirtschaft durch den Einsatz von Erntehelfern aus allen Schichten der Bevölkerung sichergestellt werden. Die Zahl der Beschäftigten stieg auch im Berichtsmonat um rd. 22 000, darunter rund 5 200 Frauen, auf 2 773 748 Ende Juli im Bezirk des Landesarbeitsamtes Rheinland an.“ 10] Die Arbeitslosigkeit in Westfalen und Lippe 1933 – 1939 Arbeitsamtsbezirk

Arbeitslose auf 1000 Einwohner 28.2.1933

31.12.1937

31.3.1939

Ahaus

 36,5

 4,7



Ahlen

 70,2

 3,3

0,5

Arnsberg

 81,2

 1,3



Bielefeld

 71,3

 6,2

0,1

Bocholt

 51,5

 6,4

0,1

Bochum

111,2

 8,9

0,5

Bottrop

127,1

25,1

4,2

Detmold

 82,7

12,1

0,3

5 Das am 16.3.1939 von Hitler proklamierte Protektorat Böhmen und Mähren umfasste nach der im Herbst 1938 erfolgten Annektierung der mährischen Grenzgebiete der Tschechoslowakei die „Rest-Tschechei“, die überwiegend tschechisch besiedelten Gebiete Böhmens, Mährens und Schlesiens.

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

Arbeitsamtsbezirk

Arbeitslose auf 1000 Einwohner 28.2.1933

31.12.1937

31.3.1939

136,8

14,2

2,0

Gelsenkirchen

109,7

22,0

2,7

Gladbeck

109,0

23,0

1,2

Hagen

132,8

 6,7

0,8

Hamm

 97,5

 7,3

1,0

Herford

 94,9

 6,3

0,1

Herne

139,1

14,4

0,4

Iserlohn

 96,8

 0,9



Lüdenscheid

 70,0

 0,3



Dortmund

Lünen

 90,4

 8,1

2,6

Meschede

 50,3

 4,6

0,1

Minden

 63,7

 7,2

0,1

Münster

 36,8

 5,8

0,5

Olpe

 78,8

 4,0

1,7

Paderborn

 46,5

 4,2

0,1

Recklinghausen

 92,2

 7,0

0,1

Rheine

 34,4

 7,4

0,5

Schwelm

141,0

 3,4

0,1

Siegen

 83,3

 5,6

0,1

Soest

 53,5

 1,5

0,1

Witten

119,6

 6,5

0,1

Landesarbeitsamt Westfalen

 91,5

 8,9

0,8

Zusammengestellt aus: Der Arbeitseinsatz in Westfalen und Lippe, Jg. 1939.



Von der Reichsanstalt zur Arbeitseinsatzbehörde

23

1.2 Von der Reichsanstalt zur Arbeitseinsatzbehörde 1] Die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenunterstützung vor 1933 (Friedrich Syrup: Arbeitseinsatz und Arbeitslosenhilfe in Deutschland, Berlin 1936, S. 67 ff.) Das Gesetz vom 16. Juli 1927, das der „Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ die Stellung einer selbständigen Körperschaft des öffentlichen Rechtes mit eigenem Haushalt brachte, regelte gleichzeitig deren Verwaltung als sogenannte wirtschaftliche Selbstverwaltung. Bei jedem Arbeitsamte und Landesarbeitsamte wurde ein Verwaltungsausschuß, bei der Hauptstelle der Reichsanstalt wurden sogar zwei verschiedene Selbstverwaltungsorgane, der Vorstand und der Verwaltungsrat, gebildet. Sie bestanden zu einem Drittel aus Vertretern der Unternehmer, zu einem weiteren Drittel aus Vertretern der Arbeiter- und Angestelltenverbände, zu einem letzten Drittel aus Vertretern der öffentlichen Körperschaften. An der Spitze der Verwaltungsausschüsse der Arbeitsämter stand der Vorsitzende des Arbeitsamtes, an der Spitze des Verwaltungsausschusses des Landesarbeitsamtes stand der Präsident des Landesarbeitsamtes und an der Spitze des Vorstandes und des Verwaltungsrates stand der Präsident der Reichsanstalt. Der Präsident der Reichsanstalt wurde nach Anhörung des Verwaltungsrats und des Reichsrats vom Reichspräsidenten ernannt. Auch die Präsidenten der Landesarbeitsämter wurden nach Benehmen mit dem Vorstand der Reichsanstalt und den obersten Landesbehörden vom Reichspräsidenten ernannt. Sie erhielten die Rechte und Pflichten der Reichsbeamten, waren also, wenn auch nicht für ihre fachliche Arbeit, so doch für ihre Person der zu großen Einflußnahme der Selbstverwaltungskörperschaften entrückt. Die Vorsitzenden der Arbeitsämter wurden dagegen nach Anhörung des Verwaltungsausschusses vom Vorstand ernannt. Ihnen konnten Rechte und Pflichten der Beamten verliehen werden. […] Die Selbstverwaltungskörperschaften entwickelten sich mit der Zeit immer mehr zu kleinen Parlamenten. Dies war unausbleiblich, denn weder die Vertreter der Unternehmer, noch die Vertreter der Arbeiter- und Angestelltenverbände, auch nicht die Vertreter der öffentlichen Körperschaften konnten sich – selbst bei bestem eigenem Willen – freimachen von der Vertretung der Interessen der Körperschaften, denen sie angehörten. Selbstverständlich war diese bewußte oder unbewußte Abhängigkeit häufig auch eine Frage der Persönlichkeit und ihrer mehr oder weniger gefestigten Stellung in ihren Verbänden. Trotzdem haben in den großen Fachfragen die Selbstverwaltungskörperschaften, besonders die zentralen Körperschaften, wenn auch oft nach langen Debatten und erregten Auseinandersetzungen, ihre Aufgabe erfüllt. Sie haben den leitenden Beamten und Angestellten der Reichsanstalt das Leben nicht leicht gemacht, haben sie aber gezwungen, bei jeder Frage das Für und Wider sorgsam abzuwägen. Sie haben auch durch die

24

Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

ständige Fühlung mit der Praxis den Verwaltungskörper der Reichsanstalt vor einem gefährlichen Schematismus und Bürokratismus bewahrt. Dagegen war die entscheidende Stellung der Selbstverwaltungskörperschaften in den Personalangelegenheiten der Reichsanstalt für eine gesunde und sachliche Politik unmöglich. Schon an sich ist eine richtige Personalpolitik schwer und erfordert gerechte, wohlwollende, ja abgeklärte Menschen. Sie kann niemals von einer so heterogenen Vielheit von Menschen gemacht werden, wie es die Selbstverwaltungsorgane der Reichsanstalt waren. Dabei bestand die Gefahr nicht nur in einer unsachgemäßen Auswahl bei Neueinstellungen und in einer ungleichmäßigen, parteiischen Behandlung des Personals der Reichsanstalt, sondern besonders darin, daß einzelne Angestellte der Reichsanstalt bei der Verfolgung persönlicher Interessen Anlehnung und Begünstigung bei einzelnen Mitgliedern der Selbstverwaltungskörper suchten und zum Teil auch fanden. So konnte der Personalkörper nicht zu einem in sich geschlossenen, kameradschaftlichen Gefüge zusammenwachsen. Trotz dieser Schwierigkeiten ging die Arbeit an einer geordneten Regelung des Arbeitseinsatzes unermüdlich voran. Die unerläßlichen Voraussetzungen waren dadurch geschaffen, daß in der Reichsanstalt mit ihrer Hauptstelle, ihren 13 Landesarbeitsämtern und 360 Arbeitsämtern eine Organisation vorhanden war, die sich als Fachbehörde allen wechselnden Anforderungen anpassen konnte und deren Mitarbeiter sachverständig und von der Bedeutung ihrer Aufgabe, den arbeitsuchenden und arbeitslosen Volksgenossen zu helfen, erfüllt waren. 2] Landesarbeitsämter und Arbeitsämter im Rheinland und in Westfalen 1927 Arbeitsamt

Der Bezirk umfasst …

Landesarbeitsamt Westfalen: Provinz Westfalen und Freistaat Lippe-Detmold, Adresse: Dortmund, Landgrafenstraße 135 Ahaus

Coesfeld, Ahaus

Ahlen

LK Beckum

Arnsberg

LK Arnsberg

Bestwig

LKe Meschede und Brilon

Bielefeld

Bielefeld, LKe Bielefeld und Halle i.W.

Bocholt

Bocholt, LK Borken

Bochum

Bochum, Wattenscheid, LK Bochum

Bottrop

Bottrop

Detmold

Freistaat Lippe

Dortmund

Dortmund

Gelsenkirchen-Buer

Gelsenkirchen-Buer u.a.

Gladbeck

Gladbeck, LK Dorsten u.a.

Von der Reichsanstalt zur Arbeitseinsatzbehörde

Arbeitsamt

Der Bezirk umfasst …

Gütersloh

LK Wiedenbrück u.a.

Hagen

Hagen, LK Hagen

Hamm

Hamm u.a.

Hattingen

LK Hattingen

Herford

Herford, LK Herford

Herne

Herne, Wanne-Eickel, Castrop-Rauxel

Iserlohn

Iserlohn, LK Iserlohn u.a.

Kamen

LK Hamm

Lippstadt

LK Lippstadt

Lüdenscheid

Lüdenscheid, LK Altena

Lünen

Lünen, LK Lüdinghausen

Minden

LKe Minden und Lübbecke

Münster

Münster, LKe Münster und Warendorf

Olpe

LK Olpe

Recklinghausen

Recklinghausen und einige Gemeinden der LKe Recklinghausen und Coesfeld

Rheine

LKe Steinfurt und Tecklenburg

Schwerte

LK Hörde

Schwelm

LK Schwelm

Siegen

Siegen, LKe Siegen und Witttgenstein

Soest

LK Soest

Witten

Witten u.a.

Landesarbeitsamt Rheinland: Rheinprovinz (ohne den Kreis Wetzlar) und der oldenburgische Landesteil Birkenfeld, Adresse: Köln, Rothgerberbach 19b Aachen

Aachen, LK Monschau und Teile des LK Aachen

Ahrweiler

LKe Ahrweiler und Adenau

Altenkirchen

LK Altenkirchen

Barmen

Barmen, Elberfeld u.a.

Bonn

Bonn und LK Bonn

Cleve

LK Cleve

Cochem

LKe Cochem und Zell

Duisburg

Duisburg, Hamborn u.a.

Düren

LKe Düren und Jülich

Düsseldorf

Düsseldorf, LK Düsseldorf

Erkelenz

LKe Erkelenz, Heinsberg und Geilenkirchen

Eschweiler

einige Gemeinden der LKe Aachen, Düren und Jülich

Essen

Essen, LK Essen

Geldern

LK Geldern

25

26

Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

Arbeitsamt

Der Bezirk umfasst …

Kempen

LK Kempen u.a.

Koblenz

Koblenz, LKe Koblenz und St. Goar u.a.

Krefeld

Krefeld, LK Krefeld

Kreuznach

LKe Kreuznach, Meisenheim und Simmern

Mayen

LK Mayen u.a.

Moers

LK Moers

Mülheim-Ruhr

Mülheim-Ruhr

München-Gladbach

München-Gladbach, Rheydt, LK München-Gladbach u.a.

Neuß

Neuß, LK Neuß u.a.

Neuwied

LK Neuwied

Oberhausen

Oberhausen, Sterkrade, Osterfeld

Opladen

einen Teil des LK Solingen

Remscheid

Remscheid u.a.

Solingen

Solingen u.a.

Vohwinkel

LK Mettmann

Wesel

LKe Dinslaken und Rees

Zusammengestellt nach: „Beschlüsse des Vorstandes der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung über die Bezirke und Sitze der Landesarbeitsämter vom 2. und 4. November 1927“, in: RABl. 1927, AT, S. 517; „Anschriften der Landesarbeitsämter“, ebd. 1928, AT, S. 232; „Bezirke der Arbeitsämter“, Beilage zum RABl. 1928, Nr. 16.



Von der Reichsanstalt zur Arbeitseinsatzbehörde

27

1.2.1 Die „Gleichschaltung“ der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Einführung Voraussetzung für die Vereinnahmung der Arbeitsverwaltung für die Zwecke des Regimes waren – neben der im nächsten Kapitel beschriebenen Einbindung in die Herrschaftsstrukturen des „Dritten Reiches“ – die Eliminierung ihrer Selbstverwaltung, die Entlassung unerwünschter Beschäftigter und die dauerhafte ideologische Indoktrinierung der Belegschaft. Diese Eingriffe können als „innere Gleichschaltung“ der Reichsanstalt bezeichnet werden.6 Nachdem zunächst der nationalsozialistische Mob viele angeblich unfähige und korrupte Arbeitsamtsdirektoren und -mitarbeiter buchstäblich aus dem Amt getrieben hatte,7 versuchte die Partei in Gestalt von Kommissaren in den Ämtern Fuß zu fassen. Aber anders als die zahllosen Sonderbeauftragten, Reichskommissare und Generalinspektoren, die das nationalsozialistische Herrschaftssystem prägen und verkomplizieren sollten, blieben diese Kommissare nur eine vorübergehende Erscheinung.8 Nachhaltiger wurde die Reichsanstalt durch das Führerprinzip9 verändert, das im Frühjahr 1933 zügig mit mehreren Verordnungen und Erlassen eingeführt wurde; die wichtigsten Befugnisse der Selbstverwaltungsorgane gingen auf den Präsidenten der Reichsanstalt über. Unter Anwendung von zwei „Säuberungsgesetzen“ und eines schnell erlassenen Gesetzes über Ehrenämter10 verloren die Gewerkschaftsvertreter ihre Sitze. Nach diesem Gesetz war eine Neubesetzung mit regimetreuen Arbeitnehmervertretern möglich, blieb aber bedeutungslos, denn die Gremien wurden zwar nicht aufgelöst, existierten faktisch aber nur noch auf dem Papier. Die beiden „Säuberungsgesetze“ schufen auch die rechtliche Handhabe für die „Reinigung“ des Personals der Reichanstalt selbst:11 das „Gesetz über Betriebsvertretungen und über wirtschaftliche Vereinigungen“ vom 4. April 193312 sowie das „Gesetz zur Wie6 Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 47. 7 S. dazu auch Hans-Walter Schmuhl: Die Stadt unter dem Hakenkreuz, in: Werner Freitag (Hg.): Geschichte der Stadt Gütersloh, 2. Aufl., Bielefeld 2003, S. 403–447, hier S. 417 zur Entlassung des Detmolder Arbeitsamtsleiters. 8 Rüdiger Hachtmann, Winfried Süß (Hg.): Hitlers Kommissare. Sondergewalten in der nationalsozialistischen Diktatur, Göttingen 2006, aber ohne Erwähnung der Arbeitsverwaltung. 9 Hierzu ebd., S. 47 ff. 10 Das „Gesetz über Ehrenämter in der sozialen Versicherung und in der Reichsversorgung“, 18.5.1933, RGBl. I, S. 277, bestimmte lapidar: „Inhaber von Ehrenämtern nach … dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung können ihres Amtes enthoben werden.“ Zur Begründung von Amtsenthebungen verwies anschließend die „Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Ehrenämter in der sozialen Versicherung und in der Reichsversorgung“, 19.5.1933, RGBl. I, S. 283, auf das Berufsbeamtengesetz. 11 Dazu Marx: Verwaltung, S. 66 ff. 12 Das Gesetz hob u.a. das Recht der Personalvertretungen auf, gegen Kündigungen von Beschäftigten Einspruch zu erheben, „wenn die Kündigung mit dem Verdacht staatsfeindlicher Bestrebungen begründet wird“. RGBl. I, S. 161.

28

Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

derherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 193313. Nach einem zeitgenössischen Kommentar sei „bei kaum einer Behörde des Reiches so ausgeräumt worden wie bei den Arbeitsämtern“14 – dies auch deshalb, weil unter ihren Beschäftigten sich relativ viele sozialreformerisch engagierte Zentrums-, SPD- und KPD-Mitglieder sowie Gewerkschafter befanden, die z.T. schon vor der Errichtung der Reichsanstalt in Arbeitsnachweisen und Fürsorgestellen tätig gewesen waren. Indessen machte die Ausweitung der Zuständigkeiten, die die Reichsanstalt mit ihren 13 Landesarbeitsämtern und 361 Arbeitsämtern seit 1933 erfuhr, statt eines Personalabbaus eine Verstärkung des Verwaltungsapparats und damit auch der Mitarbeiterschaft erforderlich. Sie wuchs folglich von Frühjahr 1933 bis 1939 von rd. 27.000 auf 40.000 Beamte, Angestellte und Arbeiter an, unter denen sich etwa 5000 neu eingestellte „alte Kämpfer“ befanden. Die personellen Umschichtungen, die Entlassung erfahrener Mitarbeiter und die Einstellung neuer Kräfte, die oft nur die Parteimitgliedschaft qualifizierte, stellte die Reichsanstalt vor enorme Herausforderungen an die Organisation, die Disziplinierung und die fachliche Aus- und Weiterbildung der Belegschaften.15 Dass hierzu auch die ideologische Schulung zählte, war offiziell nicht die Frage, in der Praxis aber schon: ob sie überhaupt, und wenn ja, von der Partei oder von der Reichsanstalt selbst durchgeführt werden sollte. Die Rassenlehre gehörte jedenfalls bald zum Unterrichtsstoff.16 Schon deshalb griffen die gesellschafts- und bevölkerungspolitischen Vorstellungen des Nationalsozialismus in der Arbeitsverwaltung Platz und prägten nicht zuletzt auch das Frauenbild vieler Arbeitsamtsmitarbeiter.17 Ein Berufsberater im Rhein-Wupper-Kreis führte „Rasse- und strukturpsychologische Untersuchungen zur Berufseignung“ durch und folgerte, dass es unter Vorbehalt möglich sei, aus einer bekannten Bevölkerungsstruktur „allgemeine Schlüsse auf eine spezifische berufliche Begabungsrichtung zu ziehen“18, die ein leitender Beamter des Landesarbeitsamtes Westfalen dann auch zog [Dok. 17]. 13 Das Gesetz legte die Kriterien fest, nach denen zur „Wiederherstellung eines nationalen Berufsbeamtentums“ Beamte entlassen werden konnten. RGBl. I, S. 175 ff. 14 „Die Auswechslung des Personals der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“, in: Soziale Praxis 43 (1934), Sp. 714. Nach Berechnung von Ute Vergin: Die nationalsozialistische Arbeitseinsatzverwaltung und ihre Funktion beim Fremdarbeiter(innen)einsatz während des Zweiten Weltkriegs, Diss. Osnabrück 2008, S. 71 f., wurden 35,9 % der leitenden und stellvertretenden Beamten und Angestellten der Arbeitsämter sowie 23 % der Präsidenten der Landesarbeitsämter und 46 % der Stellvertreter entlassen. 15 Dazu Marx: Verwaltung, S. 73 ff. Wegen der hohen Inanspruchnahme vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entschloss sich der Leiter des Arbeitsamtes Detmold, der ohnehin mit dem Kreisleiter im Dauerkonflikt lag, nsFunktionäre seines Amtes für Parteidienste nicht mehr vom Dienst zu befreien. Andreas Ruppert: „Der nationalsozialistische Geist läßt sich nicht in die Enge treiben. Auch nicht vom Arbeitsamt“. Zur Auseinandersetzung zwischen dem Kreisleiter der NSDAP in Lippe und dem Leiter des Arbeitsamtes Detmold in den Jahren 1939 bis 1943, in: Lippische Mitteilungen aus Geschichte und Landeskunde 62 (1993), S. 253–83, hier S. 259. 16 Dieter G. Maier: Anfänge und Brüche der Arbeitsverwaltung bis 1952. Zugleich ein kaum bekanntes Kapitel der deutsch-jüdischen Geschichte, Brühl 2004, S. 111 f. 17 S. u., Kap. 1.3.3.2. 18 Hellmut Ludwig: Rasse- und strukturpsychologische Untersuchungen zur Berufseignung, Düsseldorf 1938,



Von der Reichsanstalt zur Arbeitseinsatzbehörde

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1] Hakenkreuzfahnen auf den Arbeitsämtern Vom Arbeitsamt Dortmund aufgenommenes Telegramm, 19.4.1933 (LAV NRW W, N 100–705) ks nr 13 reichsreg 7 w 19/4 1600 = Donnerstag geburtstag reichskanzlers19 schwarzweissrote und hakenkreuzflagge setzen 2] Die Besetzung von Arbeitsämtern und die Verhaftung ihrer Direktoren Düsseldorf20 Volksparole (Düsseldorf), Nr. 93, 24.4.1933: SA besetzt Arbeitsamt Düsseldorf Massenverhaftungen beim Düsseldorfer Arbeitsamt – Zweites großes Reinemachen SA-Standartenführer Lohbeck als Vollzieher der berechtigten Wünsche der Düsseldorfer Bevölkerung D ü s s e l d o r f . Der Kommissar bei Arbeitsamt Düsseldorf, Pg. Riedmann, teilt mit: Heute morgen gegen 11,35 Uhr erschien ein Sturmbann unter Führung von Sturmbannführer Winter, Sturmbannführer Standartenadjudant Petermann und besetzten das Arbeitsamt. Etwa 10 bis 15 Angestellte wurden aus dem Arbeitsamt entfernt und in Schutzhaft genommen. Vor dem Arbeitsamt sammelte sich nach dem Bekanntwerden dieser Aktion eine nach hunderten zählende, äußerst erregte Menschenmenge an, die in Schmährufe gegen die Inhaftierten ausbrach und versuchte, tätlich gegen dieselben vorzugehen. Alle seelische Qualen, die die Erwerbslosen Düsseldorfs im Laufe der Jahre speziell von den Inhaftierten zu erdulden hatten, kamen spontan zum Durchbruch, und ist es lediglich den vereinten Anstrengungen der äußerst disziplinierten SA-Stürme zu danken, daß die in Schutzhaft Genommenen nicht buchstäblich in Stücke gerissen wurden. Unter den Inhaftierten befand sich auch der ehemalige Kursusleiter K r e u z p o i n t n e r, ein bekanntes und berüchtigtes Mitglied der Münchener Räterepublik, der die Erschießung der Münchener Geiseln im Prinz-Luitpold-Gymnasium an erster Stelle unterzeichnete.21 zit. nach Maier: Anfänge und Brüche, S. 112. 19 Hitlers Geburtstag war der 20.4.1889. 20 S. dazu Sebastian Fleermann, Hildegard Jakobs: Herrschaft der Gewalt. Die nationalsozialistische Machtübernahme 1933 in Düsseldorf (= Kleine Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Bd. 2), Düsseldorf 2013, S. 30 f. 21 Diese Behauptung war frei erfunden.

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

Beim Abtransport der Schutzgefangenen brach die Menge, durch die sichtlich ein befreiendes Aufatmen ging, in begeisterte Heilrufe aus. Die gesamt Aktion lag in den bewährten Händen des SA.–Standartenführers Lohbeck. Für den ebenfalls inhaftierten Personalchef des Arbeitsamtes Düsseldorf, Penning, einen durch das vergangene System begünstigten und äußert schnell beförderten Beamten, übernahm, selbstverständlich ehrenamtlich, der Gauorganisationsleiter der NSBO., Pg. Max Klie, die Personalabteilung des Arbeitsamtes Düsseldorf. Durch diese Maßnahme des Kommissars hat die Belegschaft des Arbeitsamtes die Gewähr, daß mit der bisher gebräuchlichen Vetternwirtschaft ein für allemal Schluß gemacht wird. Für die Bevölkerung Düsseldorfs besteht kein Anlaß, irgendwie beunruhigt zu sein über die geordnete Weiterführung der Amtsgeschäfte, insbesondere der Unterstützungszahlung. Volksparole (Düsseldorf), Nr. 147, 27.6.1933: Düsseldorfs Arbeitsamtsdirektor verhaftet – Dr. Lehbrink und Rosa Neumann in Schutzhaft – Wegen Sabotage! Düsseldorf, 27. Juni  Auf Veranlassung des Kommissars beim Arbeitsamt Düsseldorf, Pg. Riedmann, wurden gestern morgen der Direktor des Arbeitsamtes Düsseldorf, Dr. Hermann Lehbrink, und die Leiterin der weiblichen Arbeitsvermittlung, Frau Rosa Neumann, in Schutzhaft genommen. Die beiden vorbenannten Personen wurden durch ein SA.–Kommando, unter Führung von Standartenführer Lohbeck, in das neue Polizeipräsidium eingeliefert. Der ehemaligen Direktor des hiesigen Arbeitsamtes, Dr. Lehbrink, durchkreuzte in letzter Zeit systematisch bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Maßnahmen des Kommissars. Dr. Lehbrink, der vom Arbeitsamt Münster im Dezember 1931 als 1. Vorsitzender zum Arbeitsamt Düsseldorf versetzt wurde, stand in Münster führenden Zentrumskreisen äußerst nahe. In den letzten Wochen jedoch vollzog sich bei Dr. Lehbrink insofern eine bedeutsame Änderung seiner bisher etwas eigenartigen Einstellung, als er engste Fühlungnahme mit dem Stahlhelm bekam, insbesondere mit der alten, inzwischen abgesetzten Gauleitung des hiesigen Stahlhelms. Diese neue Verbindung wirkte sich dahingehend aus, daß Dr. Lehbrink fortgesetzt versuchte, die im rein nationalsozialistischen Sinne eingeleiteten Maßnahmen des Kommissars zur Säuberung der Verwaltung und der dadurch bedingten Personalneueinstellungen zu sabotieren, bzw. zu hintertreiben. Die Erregung hierüber in den nationalsozialistischen Bevölkerungskreisen war inzwischen derart gesteigert, daß der Kommissar, in aufrichtiger Befürchtung für Leben und Gesundheit des Herrn Dr. Lehbrink besorgt, denselben in Schutzhaft nehmen lassen mußte. So ist mit der baldigen Neubesetzung der freigewordenen Direktorstelle durch einen Nationalsozialisten zu rechnen, der für den äußerst wichtigen Arbeitsamtsbezirk Düsseldorf allen interessierten Kreisen die volle Gewähr bietet, daß wirkliche nationalso-



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zialistische Aufbauarbeit im Sinne unseres obersten Führers und Volkskanzlers Adolf Hitler gewährleistet wird. *** Die Leiterin der weiblichen Vermittlungsabteilung, Frau Rosa Neumann, wurde ebenfalls aus Gründen ihrer persönlichen Sicherheit in Schutzhaft genommen. Diese Maßnahme erwies sich mit Rücksicht auf die vielen Beschwerden als unbedingt erforderlich. Die weibliche Bevölkerung Düsseldorfs, soweit sie das Arbeitsamt in Anspruch nehmen mußte, wird über die Entfernung der Frau Neumann aus den Diensten des Arbeitsamtes sehr erfreut sein, da sie nunmehr die Gewähr hat, daß sich auch hier die Verhältnisse grundlegend ändern, und man darüber hinaus in Zukunft vollstes Verständnis für die sozialen Nöte und seelischen Qualen der bedauernswerten Opfer einer 14jährigen Katastrophenpolitik hat. Wuppertal Volksparole (Düsseldorf), 27. 4. 1933 Wuppertal, 27. April. Der frühere Arbeitsamtsdirektor von Wuppertal, B ö k e n k r ü g e r 22, wurde wegen Verdachts der Aktenbeseitigung in Schutzhaft genommen. Es soll festgestellt worden sein, daß dienstliche Meldungen, die in strafrechtlicher Hinsicht zu verfolgen gewesen wären, aus den Akten beseitigt sind. Bergisch Gladbach23 Auszug aus dem Urteil des Landgerichts Köln im Verfahren gegen Beteiligte an einer Verhaftungsaktion in Bergisch Gladbach am 13. März 1933 (Abschrift) (LAV NRW R, Rep. 231–46) Am 13. März 1933 wurde in Berg.–Gladbach gegen eine Anzahl von führenden Mitgliedern der KPD und SPD durch die Kreisleitung der NSDAP unter Einsatz der SA eine Verhaftungsaktion durchgeführt. Am Tage vorher gab der Kreisleiter Aldinger dazu eine Reihe von Anordnungen und ausserdem eine Liste derjenigen Personen heraus, die von der Aktion betroffen werden sollten. Der Angeklagte Servatius nahm an der Besprechung, in der die Anordnungen ergingen in seiner Eigenschaft als Kreis22 Zu Wilhelm Bökenkrüger (SPD) s. Rheinland-Pfälzische Personendatenbank, https://rpb.lbz-rlp.de/cgibin/wwwalleg/srchrnam.pl?db=rnam&recnums=0008827 (Stand 6.3.2023) mit weiteren Nachweisen sowie Präsident des Lantags Rheinland-Pfalz (Hg.): Die Stellvertreter des freien Volkes. Die Abgeordneten der Beratenden Landesversammlung und des Landtags Rheinland-Pfalz von 1946 bis 2015, Wiesbaden 2016, S. 85. 23 S. dazu Johann Paul: Vom Volksrat zum Volkssturm. Bergisch Gladbach und Bensberg 1918–1945, Ber­ gisch Gladbach 1988, S. 85 ff.; Marx: Verwaltung, S. 65 f.

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pressewart und als Geschäftsführer der Ortsgruppe für den Ortsgruppenleiter Küsgen teil. Am Morgen des 13.3.1933, gegen 9 Uhr, begab er sich zusammen mit dem Mitangeklagten Mauer und Theissen und dem verstorbenen damaligen Truppführer der SA Weiden, welcher die SA in Berg.–Gladbach führte sowie dem ebenfalls verstorbenen Gendarmeriemeister Seckelmann nach dem Arbeitsamt in Berg.–Gladbach, um dort den Zeugen Walterscheidt, welcher damals Leiter des Arbeitsamtes war und der SPD angehörte, festzunehmen. Mauer und Theissen wurden zu diesem Zweck von Weiden zugezogen, weil sie ihm wegen ihrer Feindschaft gegen den Zeugen Walterscheid besonders geeignet erschienen. Die Angeklagten betraten mit Weiden und Seckelmann durch das Vorzimmer des Zeugen dessen Arbeitsraum, wo sie ihn antrafen. Der Angeklagte Servatius erklärte diesem, er sei verhaftet und verliess unmittelbar darauf mit Weiden und dem angeklagten Mauer den Raum, während der Angeklagte Theissen und Seckelmann bei dem Zeugen Walterscheidt zurückblieben. Diesen wurde von einem derjenigen, die das Zimmer verliessen¸ beim Weggehen zugerufen: „Macht voran, wir kommen gleich wieder.“ Wer diese Aufforderung ausgesprochen hat, konnte nicht festgestellt werden. Sobald der Angeklagte Servatius mit den anderen ausser Sicht war, zog Seckelmann eine Reitpeitsche unter seinem Rock hervor und versetzte dem Zeugen Walterscheidt damit drei Schläge über die linke Gesichtshälfte, sodass dieser stark blutete. Der Angeklagte Theissen trat links an Walterscheidt heran und schlug ihm mit der Faust gegen die Kinnlade. Nach einiger Zeit erschienen der Angeklagte Servatius und Weiden wieder im Zimmer, fassten den Zeugen, zogen ihn aus dem Raum und führten ihn die Treppe herunter zum Kraftwagen des Angeklagten Servatius. Auf der Treppe trat der Angeklagte Theissen, der gefolgt war, dem Zeugen Walterscheidt verschiedene Male mit seinen Marschstiefeln ins Gesäss. Der Zeuge wurde anschliessend im Wagen des angeklagten Servatius zur Sistierstelle der Polizei im Rathaus von Berg.–Gladbach gefahren. Er blutete noch während der Fahrt heftig aus seinen Wunden im Gesicht. Als er eine kleine Treppe zur Sistierstelle herabgeführt wurde, trat ihm der Angeklagte Theissen, der auf dem Trittbrett des Wagens mitgekommen war, nochmals ins Gesäss. Der Zeuge Walterscheidt verblieb ¾ Stunden in der Sistierstelle. Etwa nach dieser Zeit erschienen die Angeklagten Servatius und Mauer mit Weiden und Sackelmann. Mauer trug ein Schild, welches an einem Stab angebracht war und die Aufschrift trug: „Ich bin ein Parteibuchbonze.“ Er versuchte es dem Zeugen Walterscheidt mit den Worten aufzudrängen: „Das trägst Du, du Lump.“ Walterscheidt weigerte sich entschieden. Mauer wies ihn auf die draussen aufmarschierte SA hin, die seine Forderung durchzusetzen wisse. […] Walterscheidt fügte sich darauf schliesslich, nahm das Schild und begab sich auf Anordnung der Angeklagten an die Spitze der formierten SA. Unter Vorantritt einer Musikkapelle musste er mit dem Schild in der Hand durch die Stadt ziehen. Er wurde dabei von dem Angeklagten Servatius und Mauer in die Mitte genommen. Mauer stiess während des Marsches einige Male Schmähungen gegen den Zeugen Walterscheidt aus, unter anderem schrie er: „Du Judenknecht, das geschieht Dir recht, Du hättest Dich mit dem Juden Beyer nicht einlassen sollen, dann wäre Dir nichts geschehen.“ Ein Photograph, der von dem Angeklagten Servatius eigens zu diesen Zweck bestellt war,



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nahm den Zeugen Walterscheidt während des Umzuges verschiedene Male auf. Nach Beendigung des Marsches kam Walterscheidt in die Sistierzelle zurück und noch am Nachmittag desselben Tages nach dem Gefängnis Klingelpütz in Köln, wo er über 4 Wochen festgehalten wurde. Die Angeklagten wurden wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung bzw. wegen gefährlicher Körperverletzung zu sechs bzw. drei Monaten Gefängnis verurteilt. 3] Die Drangsalierung des Leiters der Arbeitsamtsnebenstelle Lemgo (LAV NRW R, NW 1972-LB-181) „Lippischer Kurier“ vom 15.2.1933, 2. Beiblatt (Abschrift, Auszug) In Lemgo haben wir auch noch so einen netten Bonzen als Nebenstellenleiter. Von Haus aus ist dieser an sich nicht unsympathische Mann Honigkuchenbäcker, ein Beruf, der ihm neben seiner politischen Zugehörigkeit zur SPD. und zu den freien Gewerkschaften ohne weiteres geeignet macht, die wichtige Nebenstelle in Lemgo zu leiten. Das von ihm geleitete Amt ist denn auch entsprechend der politischen Einstellung des Leiters geziert mit quadratmeter grossen Plakaten der SPD, die bei gutem Willen mit Hilfe einiger Arbeitsloser leicht hätten entfernt werden können. Aber das wäre ja gegen die politische Überzeugung gewesen. Also blieb das Haus rot. Schreiben an den Entnazifizierungs-Berufungsausschuss in Lemgo, 2.12.1946 (Auszug) Auf Grund meiner Zugehörigkeit zur SPD. sollte ich 1933 entlassen werden. Nur mit Rücksicht auf meine schwere Kriegsbeschädigung nahm man von meiner Entlassung Abstand. Darauf wurde ich mehrere Male aufgefordert, den mir zugesandten Antrag auf Aufnahme in die Partei zu unterschreiben. Ich habe mich zunächst geweigert. Als man mich jedoch immer wieder drängte und mir andeutete, daß ich nur meine Stellung behalten könne, wenn ich Mitglied der Partei sei, habe ich mit Rücksicht auf die Versorgung meiner Familie (meine Frau ist seit Jahren arbeitsunfähig krank) den Aufnahmeantrag unterschrieben. Der Nebenstellenleiter blieb im Amt.

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4] Die Entlassung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland24 Schreiben von Waldemar König, Köln, an den Staatssekretär in der Staatskanzlei, 13.2.1933 (BArch R 3901–986) Auf meine unterm 27. August 1932 an den Herrn Reichskanzler gerichtete Beschwerde gegen den Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland S c h e u b l e 25  – Gewerkschaftler von Beruf Schreinergeselle – wegen 1. Die unberechtigte und gesetzwidrige Entfernung aus den Diensten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Angeblicher Grund der Entfernung: „Nichtbeachtung gesetzlicher Bestimmungen bei Ausübung der Dienstgeschäfte“. Tatsächlicher Grund war: Meine Angehörigkeit zur Nationalsoz. Deutschen Arbeiterpartei und Fachschaftsführer der Beamtenabteilung. 2. Nichtbeachtung gesetzlicher Bestimmungen zum Nachteil der Reichskasse. 3. Liquidition von gesetzlich nicht zustehenden Nebenkosten anlässlich von Dienstreisen. 4. Gesetzwidrige Bevorzugung von Angehörigen seiner Gewerkschaftsrichtung bei der Stellenbesetzung im Landesarbeitsamt Rheinland. 5. Nichtbeachtung gesetzlicher Bestimmungen zum Nachteil von Versorgungsberechtigten habe ich bis heute kein Gehör gefunden. Da ich von den Herrn Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung beschieden weder zu den Anschuldigungen vernommen worden bin, richte ich die ergebene Bitte an den Herrn Staatssekretär, meine Angelegenheit dem Herrn Reichskanzler zum weiteren Befinden vorzutragen. Die gesetzwidrige Entfernung, Tyrannisierung und rücksichtslose Benachteiligung hat mich und meine Familie bis zur Verzweiflung gebracht. Ich bitte daher nochmals meine Angelegenheit einer Prüfung unterziehen zu lassen und für meine baldige Wiederverwendung in der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung sowie die sofortige Nachzahlung meines Gehaltes ab 1. September 1932 Sorge zu tragen.

24 Hierzu kurz Horst Romeyk: Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz 1914–1945 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde LXIII), Düsseldorf 1985, S. 414 f. 25 Julius Scheuble (1890–1964) wurde 1946 Präsident des Zentralamts für Arbeit in der britischen Zone, dann stellvertr. Direktor der bizonalen Verwaltung für Arbeit, 1949 Ministerialdirektor im Bundesarbeitsministerium und 1952–1957 Präsident der neugegründeten Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung; Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 362 f.



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Pressedienst des Landesarbeitsamts Rheinland, ohne Datum (Eingangsvermerk beim Ober­­präsidenten der Rheinprovinz: 25.8.1933) (LHA Koblenz, OPK 403–15561) Der frühere Präsident des Landesarbeitsamtes Rheinland, Scheuble, ist nunmehr auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums endgültig ausgeschieden. Eine Besetzung des freigewordenen Postens wird zunächst nicht erfolgen. Die Leitung des Landesarbeitsamtes liegt somit bis auf weiteres in den Händen des ständigen Vertreters des Präsidenten, des Direktors Dr. Opitz26. Mitteilungsblatt des Landesarbeitsamtes Rheinland, 2. Jg., Nr. 3/4, März/April 1935 Der Präsident des Landesarbeitsamtes Rheinland Nachdem mich der Führer mit der Leitung des Landesarbeitsamtes Rheinland beauftragt hat, begrüße ich alle Angehörigen der Reichsanstalt im Bezirke des Landesarbeitsamtes als meine Mitarbeiter. Wir wollen in vertrauensvoller Zusammenarbeit alles, was in unseren Kräften steht, daransetzen, um das große nationale Aufbauwerk des Führers im Rheinland erfolgreich fortzuführen. Heil Hitler! Dr. Beisiegel27 5] Die Entlassung eines Angestellten Schreiben der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung an den Reichsarbeitsminister, 4.9.1933 (BArchn R 3901–20581) Der Angestellte August Müller vom Arbeitsamt Gummersbach war von 1899 bis 1919 Arbeiter und bis Januar 1931 Gewerkschaftssekretär im Zentralverband christlicher Textilarbeiter Deutschlands in Niederseßmar. Am 16.Januar 1931 wurde er in der Arbeitsvermittlung (Angestellter der Vergütungsgruppe IV) beim Arbeitsamt Gummersbach eingestellt. Nach dem Bericht des Landesarbeitsamts hat sich M. für diesen Posten als absolut ungeeignet gezeigt; er war auch im Laufe der mehrjährigen Praxis nicht imstande, sich die erforderlichen Kenntnisse anzueignen; er ist heute noch nicht befähigt, orthographisch und deutsch-sprachlich richtig zu schreiben. 26 Dr. iur. Walter Opitz, geb. 26.10.1891 in Wurzen, war 1940 stellv. Präsident der Zweigstelle Österreich des Reichsarbeitsministeriums und 1942 Reichstreuhänder der Arbeit und Präsident des Landesarbeitsamtes Steiermark-Kärnten. Mathias Krempel: Die Arbeitsverwaltung in der „Ostmark“ von 1938 bis 1945, Diplomarbeit Universität Wien 2011, S. 100, 102; sowie verstreute Angaben im Internet. 27 Zu Dr. Philipp Beisiegel s. LAV NWR R, NW 1037-A/Reg 6860.

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Die Kündigung auf Grund des § 2 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 muß unter diesen Umständen als berechtigt anerkannt werden. Die Zugehörigkeit des Müller zum christlich sozialen Volksdienst28 hat diese Entscheidung nicht beeinflußt. 6] Der „deutsche Gruß“ im Amt Rundverfügung Nr.  580/1933 des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an die Arbeitsamtsdirektoren des Bezirks, 15.7.1933 (LAV NRW W, N 100–705) Der Reichsminister des Innern Dr. Frick hat an die obersten Reichsbehörden, die Reichstatthalter und die Länderregierungen folgendes Schreiben gerichtet: „Nachdem der Parteienstaat in Deutschland überwunden ist und die gesamte Verwaltung im Deutschen Reich unter der Leitung des Reichskanzlers Adolf Hitler steht, erscheint es angebracht, den von ihm eingeführten Gruss allgemein als deutschen Gruss anzuwenden. Damit wird die Verbundenheit des ganzen deutschen Volkes mit seinem Führer auch nach aussen hin klar in Erscheinung treten. Die Beamtenschaft muss auch hierin dem deutschen Volk vorangehen. Deshalb und um eine gleichmässige Übung innerhalb der Behörden zu gewährleisten, bitte ich, für ihren Geschäftsbereich anzuordnen: 1. Sämtliche Beamte, Angestellte und Arbeiter von Behörden grüssen im Dienst und innerhalb der dienstlichen Gebäude und Anlagen durch Erheben des rechten Armes. 2. Beamte in Uniform grüssen in militärischer Form; wenn sie keine Kopfbedeckung tragen, grüssen sie durch Erheben des rechten Armes. 3. Es wird von den Beamten erwartet, dass sie auch ausserhalb des Dienstes in gleicher Weise grüssen. Für meinen Geschäftsbereich habe ich dementsprechende Anordnungen getroffen.“ Den vorstehenden Erlass übersende ich in Abschrift zur Kenntnis und mit der Bitte, ihn dem Personal Ihres Arbeitsamtes zur Kenntnis zu bringen und Entsprechendes für Ihr Amt anzuordnen.

28 Der Christlich-Soziale Volksdienst war eine 1928 gegründete kleinbürgerliche Splitterpartei, die sich als protestantisches Gegenstück zur katholischen Zentrumspartei verstand. Lutz Fahlbusch, Werner Methfessel: Christlich-Sozialer Volksdienst (CSVD) 1929–1933, in: Dieter Fricke (Hg.): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789–1945). Band 1, Köln 1983, S. 464–470.



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7] Die „Kampforganisation zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ in Detmold Rozanski: Beobachtungen und Feststellungen im Arbeitsamt Detmold in der Zeit vom 6. bis 8.11.1933, Berlin 23.11.193329 (BArch R 3903–76) Vorsitzender: O.R.R. B a r g h e r r stellv. Vorsitzender: Hauptmann a.D. S t e i n e c k e . Der stellv. Vorsitzende ist Gaukommissar der NSDAP. für Lippe. Infolge des aus seiner Stellung hervorgehenden Einflusses steht das Arbeitsamt zweifellos im Mittelpunkt der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Der Vorsitzende ist infolge des politischen Übergewichts seines Stellvertreters stark zurückgedrängt. Er hat dem Stellvertreter die gesamten Aufgaben der Arbeitsvermittlung überlassen und ihm auch massgebenden Einfluss auf die Personalbesetzung des Amtes eingeräumt. Somit liegt dem Vorsitzenden im wesentlichen zur Zeit nur die Leitung der Versicherung ob. Da von dem stellv. Vorsitzenden gesetzliche Bestimmungen und Anordnungen des Herrn Präsidenten der Reichsanstalt, die von ihm als unzweckmässig angesehen werden, z.T. ausser acht gelassen werden, bestehen innerhalb des Amtes starke Spannungen, die dadurch hervorgerufen sind, dass die Angestellten sich zum Teil weigern, auf Anordnung des stellv. Vorsitzenden entstandene Ausgaben, die der gesetzlichen Grundlage entbehren, durch ihren Feststellungsvermerk zu decken. Dazu kommt noch, dass sich der stellv. Vorsitzende im Verkehr mit den Angestellten eines Tones bedient, der mit dem Grundsatz der Volksgemeinschaft nicht in Einklang zu bringen ist (Aussagen des Leiters der Vermittlungsabteilung und des Leiters der Verwaltungsabteilung) Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Zur Durchführung der „Arbeitsschlacht“ sind in sämtlichen Gemeinden des Arbeitsamtsbezirks sogenannte „Kampforganisationen“ gebildet worden. Ihnen gehören der örtliche politische Leiter der NSDAP., ein Handwerker, ein Landwirt und ein Arbeitsloser an. An der Spitze dieser örtlichen Organisationen steht die Kampforganisation des Arbeitsamtes. Ihr gehören 4 beim Arbeitsamt neueingestellte SA-Leute an, die sämtlich in die Gehaltsgruppe V eingereiht sind. Sie sind dem stellv. Vorsitzenden unmittelbar unterstellt. Bis vor kurzem zeichneten sie ihre Schreiben selbständig unter der Bezeichnung „Kampforganisationsabteilung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beim Arbeitsamt“. Erst neuerdings ist durch eine Verfügung des Vorsitzenden diese Art der 29 Detlev Humann: „Alte Kämpfer“ in der neuen Zeit. Die sonderbare Arbeitsvermittlung für NS-Parteigänger nach 1933, in: Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 98 (2011), S. 173–194, hier S. 177; ders.: „Arbeitsschlacht“, Arbeitsbeschaffung und Propaganda in der NS-Zeit 1933–1939, Göttingen 2011, S. 167 ff. Laut Humann handelt es sich um einen Prüfbericht der Hauptstelle der Reichsanstalt.

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

Zeichnung untersagt worden. Nach einer Äusserung des stellv. Vorsitzenden ist die Kampforganisation beim Arbeitsamt geschaffen worden, um die verloren gegangene Verbindung des Arbeitsamts zur Bevölkerung wieder herzustellen. Sie soll am 1.12.1933 in das übrige Arbeitsamt eingegliedert werden. […] 8] Das Ende der NSDAP-Kommissare in den Arbeitsämtern (LAV NRW R, BR 5–16910) Rundschreiben des stellv. Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland Dr. Opitz an die Arbeitsamts-Vorsitzenden des Bezirks, 2.8.1933 Der Herr Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat mit Erlass vom 31.7.1933  – I A 1235a/51  – angeordnet, dass im Verfolg der Kundgebung des Herrn Reichskanzlers über den Abschluss der deutschen Revolution30 und des Erlasses des Herrn Reichsarbeitsministers vom 22.7.193331 die Tätigkeit der Kommissare im Bezirk des Landesarbeitsamtes Rheinland als beendet anzusehen ist. Der Herr Kommissar beim Landesarbeitsamt Rheinland hat mir daraufhin mitgeteilt, dass er sämtliche Kommissare innerhalb des Bezirks abberufen hat. Damit ist jede Kontrolle der Amtstätigkeit der Arbeitsämter oder Eingriffe in sie durch unbefugte Stellen künftighin unstatthaft. Soweit die Kommissare Beamte oder Angestellte der Reichsanstalt sind, haben sie sofort den Dienst voll aufzunehmen und unterstehen in jeder Beziehung den Weisungen der Vorsitzenden, zu Dienstreisen außerhalb des Arbeitsamtsbezirks bedürfen sie in jedem Fall meiner Genehmigung. Wo z.Zt. weder ein Vorsitzender noch ein stellvertretender Vorsitzender beim Amt vorhanden ist, hat der rang- und dienstälteste Beamte oder Angestellte sofort die Leitung des Amtes zu übernehmen. Um eine reibungslose Durchführung dieser Anordnung sicherzustellen, bitte ich Sie, mit den zuständigen Parteidienststellen der NSDAP. Fühlung zu halten. Der Herr Oberpräsident und die Herren Regierungspräsidenten sind von mir unterrichtet und gebeten worden, die Durchführung der Anordnung in jeder Beziehung zu unterstützen. Sollten sich unvorhergesehene Schwierigkeiten ergeben, so bitte ich um sofortigen, evtl. fernmündlichen Bericht. „Kommissare bei den Arbeitsämtern zurückgezogen“, in: Eifeler Volkswacht, 4.8.1933 30 Am 6. Juli 1933 erklärte Hitler die nationalsozialistische Revolution für beendet; sie müsse nun „in das sichere Bett der Evolution“ hinübergeleitet werden. Zit. nach Richard J. Evans: Das Dritte Reich, Bd. II/1 und 2, München 2010, S. 27. 31 Franz Seldte, 22.7.1933 (RABl. I, 1933, S. 181): „Ich erwarte, daß auch in meinem Arbeitsbereich die Autorität der Reichsregierung unter allen Umständen sichergestellt bleibt und jeder Versuch, sie zu erschüttern, unterbunden wird.“



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Köln, 4. Aug. Der k. Präsident des Landesarbeitsamtes Rheinland, K. L. D o e r r 32, teilt mit: Die Kommissare, welche bei der nationalsozialistischen Revolution sofort ihre Arbeit bei den Arbeitsämtern im Bezirk des Landesarbeitsamts Rheinland aufnahmen, sind jetzt von der Gauleitung der NSDAP, Gau Köln-Aachen, zurückgezogen worden. Die von ihnen geleistete Vorarbeit hat damit ihrem Abschluß gefunden. Gerade innerhalb der Verwaltung der Arbeitsämter war es unbedingt notwendig, daß Nationalsozialisten als Kommissare eingesetzt wurden, da ein großer Teil des Personals aus ehemaligen marxistischen Gewerkschaftssekretären bestand. Die Personalbereinigung ist auf Grund der Tätigkeit der Kommissare energisch durchgeführt worden. Den Kommissaren, die über 4½ Monate ehrenamtlich gearbeitet haben, gebührt der aufrichtige Dank und lobende Anerkennung der nationalsozialistischen Bewegung. Runderlass des preußischen Innenministers an die Regierungspräsidenten, 26.8.1933 Der Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung teilt mit, daß nunmehr auch die Tätigkeit von Kommissaren bei den Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern beendet ist. Unter Bezugnahme auf meine RdErl. vom 14. Juli 1933 (MBliV. S. 816)33 und vom 28. Juli (MBliV. S. 887) weise ich darauf hin, daß jede Kontrolle der Amtstätigkeit der Landesarbeitsämter und der Arbeitsämter oder Eingriffe in diese seitens unbefugter Stellen unzulässig ist. Im Interesse einer geordneten Durchführung der Arbeitslosenhilfe ersuche ich, dem Herrn Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zur Durchführung seiner hiermit im Zusammenhang stehenden Anordnungen auf Ersuchen Ihre Unterstützung angedeihen zu lassen.

32 Karl Ludwig Doerr (1887–1954), 1933–1945 NSDAP-Reichstagsabgeordneter, in: Datenbank der deutschen Parlamentsabgeordneten, https://www.reichstag-abgeordnetendatenbank.de/select.html?pnd=130453056, (Stand 6.3.2023), sowie Joachim Lilla, Martin Döring, Andreas Schulz: Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924, Düsseldorf 2004. 33 „Tätigkeit von Kommissaren z.b.V.“, 14.7.1933, MBliV 1933, S. 816: „Der RMdJ hat in einem Rundschreiben an die Länderregierungen darauf hingewiesen, daß nach dem siegreichen Abschluß der nationalen Revolution die Staatsgewalt in vollem Umfange in den Händen der nationalsozialistischen Führung liegt. … Kontrollen der Staatsverwaltung oder gar Eingriffe in sie durch außenstehende Stellen dürfen, um eine geordnete Verwaltungstätigkeit nicht zu gefährden, in Zukunft nicht mehr stattfinden …“ Eine Abschrift des Rundschreibens des Reichsinnenministers vom 10.7.1933 befindet sich in LAV NRW W, N 100–705.

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

9] Statistik der entlassenen Angestellten und Arbeiter der Reichsanstalt Schreiben der Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung an den Reichsarbeitsminister betr. Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, 30.11.1933 (BArch R 3901–20580) Hiermit überreiche ich eine Aufstellung über die im Bereiche der Reichsanstalt auf Grund der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums entlassenen Angestellten und Arbeiter. Die Entlassungen sind bis auf einige wenige noch anhängige Fälle restlos durchgeführt. […] Ve r z e i c h n i s der nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums im Bereiche der Reichanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung entlassenen Angestellten und Arbeiter Lfd. Nr.

Landesarbeitsämter Hauptstelle

1 1

2 Ostpreußen

Entlassen wurden auf Grund der Nr. 34 2

3

4

3

4

5

1

1

46

Insgesamt

Bemerkungen

6

7

8

4

52

6

2

Schlesien

16

7

144

3

170

3

Brandenburg

120

46

440

256

862

4

Pommern

34

1

42

2

79

5

Nordmark

84

5

205



294

6

Niedersachsen

14

6

81

6

107

7

Westfalen

123

4

114



241

8

Rheinland

106

3

186

5

300

9

Hessen

24

10

149

7

190

10

Mitteldeutschland

66



154

18

238

11

Sachsen

51

1

293



345

12

Bayern

12

3

169



184

13

Südwestdeutschld.

19

3

66

3

91

14

Hauptstelle



4

3



7

670

94

2092

304

3160

34 S. das folgende Dokument.



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10] Die „Neuordnung der Personalverhältnisse“ in der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Sechster Bericht der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. April 1933 bis zum 31. März 1934. Beilage zum Reichsarbeitsblatt II 1935, Nr. 4, (Auszug) Wie bei allen sonstigen Dienststellen des Reichs, der Länder, Kommunen und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts, so ist auch bei der Reichsanstalt die Personalpolitik im verflossenen Geschäftsjahr durch die nationale Revolution grundlegend beeinflußt worden; die Auswirkung war bei der Reichsanstalt besonders stark, weil ihre früheren Organe sich zum großen Teile aus Vertretern des marxistischen Systems zusammensetzten, die infolge der ihnen auf Grund des AVAVG. eingeräumten Befugnisse u.a. auch auf personellem Gebiet ihre politischen Bestrebungen weitgehend verwirklicht hatten. Die rechtliche Handhabe zu der Personalbereinigung brachten das Gesetz über Betriebsvertretungen und über wirtschaftliche Vereinigungen vom 4. April 1933 (Reichsgesetzbl. I S.  161) sowie das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (Reichsgesetzbl. I S. 175ff.) nebst Durchführungsverordnungen und Ergänzungen. Von den am 1. April 1933 bei der Reichsanstalt vorhandenen rd. 1 500 Beamten und 25 000 Angestellten und Arbeitern wurden von diesen Bestimmungen bis zum Abschluß des Berichtsjahres (31. März 1934) 3 455 Personen betroffen, die sich mit 291 auf Beamte und 3 164 auf Arbeiter und Angestellte verteilen. An Vorsitzenden und ständigen Stellvertretern von Vorsitzenden der Arbeitsämter befinden sich unter den Beamten 111 und unter den Angestellten 148. Von den Vorsitzenden der Landesarbeitsämter und deren Stellvertretern wurden 3 Präsidenten und 6 Stellvertreter entlassen. Im einzelnen wurde das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wie folgt angewandt: § 2 (ohne übliche Vorbildung oder sonstige Eignung) 741 § 3 (nichtarische Abstammung) 102 § 4 (politische Unzuverlässigkeit) 2194 § 5 Abs. 1 (Versetzung in ein niedrigeres Amt) 41 § 5 Abs. 2 (an Stelle der Versetzung in ein niedrigeres Amt die Versetzung in den Ruhestand) 21 § 6 (Versetzung in den Ruhestand zur Vereinfachung der Verwaltung und im dienstlichen Interesse) 356 Hierüber hinaus ist einer größeren Anzahl von Angestellten das Dienstverhältnis auf Grund des Tarifvertrages zum nächstzulässigen Zeitpunkt gekündigt worden, wobei es sich durchweg um Fälle handelt, in denen die vorerwähnten Gesetze formal nicht angewandt werden konnten, anderseits aber die Entfernung der Kräfte aus der Reichsanstalt wegen ihrer politischen Belastung im dienstlichen Interesse dringend geboten war. Mit diesen Maßnahmen kann die Bereinigungsaktion im großen und ganzen als durchgeführt angesehen werden.

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

In dem Maße, in dem die Säuberung des Personalkörpers von nicht mehr tragbaren Personen ihren Fortgang nahm, vollzog sich der Wiederaufbau durch Einstellung von geeigneten, national zuverlässigen Kräften. Ihre Auswahl erfolgte in engster Fühlungnahme mit den zuständigen politischen Stellen und nationalen Verbänden. Das bezieht sich besonders auf die Personen, die als Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende von Arbeitsämtern sowie in sonstigen leitenden Stellen verwandt werden oder hierfür nach entsprechender Ausbildung und Probezeit in Aussicht genommen sind. Die Zahl der im verflossenen Geschäftsjahr als Ersatz neu eingestellten Kräfte ist nicht unbedeutend, darunter ist in erster Linie auf Kämpfer für die nationale Erhebung Rücksicht genommen worden. Daß – von wenigen Ausnahmen abgesehen – eine durchweg glückliche Auswahl getroffen wurde, beweist der Umstand, daß die Arbeitsämter mehr als je zu Ansehen und Bedeutung gekommen sind und an den Erfolgen der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Reichsregierung einen beachtlichen Anteil haben. 11] Die Säuberung der Verwaltungsausschüsse Schreiben (wahrscheinlich) des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an den westfälischen Gaubetriebszellenleiter in Bochum, 24.6.1933 (Abschrift) (BArch R 3903–2274) Betrifft: Umbildung der Verwaltungsausschüsse des Landesarbeitsamtes und der Arbeitsämter meines Bezirks auf Grund des Gesetzes über Ehrenämter in der sozialen Versicherung und der Reichsversorgung vom 18.5.33 (Reichsgesetzblatt Seite 277 und 283). Wie in der mündlichen Verhandlung vom 23.6.33 bereits erörtert, ist nach dem oben genannten Gesetz die Abberufung von Mitgliedern der Verwaltungsausschüsse der Arbeitsämter meines Bezirks und ihre Ersetzung bis zu einer anderweitigen endgültigen Regelung erforderlich. Nach der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Ehrenämter pp. (Reichsgesetzblatt Seite  283) gelten als Richtlinien für die Amtsenthebung und die Neubesetzung im allgemeinen die Grundsätze des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.33 (Reichsgesetzblatt Seite 175) und der dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen. Der Herr Präsident der Reichsanstalt hat mir die Befugnis zur Amtsenthebung der Mitglieder der Verwaltungsausschüsse übertragen. Anliegend übersende ich Ihnen ergebenst ein Verzeichnis der Beisitzer und Beisitzer-Stellvertreter der Verwaltungsausschüsse der Arbeitsämter meines Bezirks, in der die Namen der Arbeitervertreter mit Rotstift durchstrichen sind, die ich auf Grund des Gesetzes über Ehrenämter pp. abberufen habe. Es handelt sich in allen Fällen um Mit-



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glieder der bisher im A.D.G.B.35 und AfA-Bund36 organisierten freien Arbeiter- und Angestellten-Gewerkschaften. Die noch in ihren Ämtern befindlichen Arbeitnehmervertreter sind Mitglieder der im D.G.B.37, Gewerkschaftsring38 und Gedag39 organisierten christlichen und H.D.40 Gewerkschaften sowie Angestelltenverbände. Diese können nur Zug um Zug mit der Neubestellung von Ersatzleuten abberufen werden, weil sonst die Besetzung der Spruchausschüsse41 mit Vertretern der Arbeitnehmer als Beisitzer nicht möglich wäre, wodurch das Spruchverfahren lahmgelegt und den Unterstützungsempfängern Schaden zugefügt würde. Ich bitte nun ergebenst, 1) mir von den nach dem anliegenden Verzeichnis noch im Amt befindlichen Arbeitnehmervertretern diejenigen anzugeben a) die noch abzuberufen sind, b) die in ihren Ämtern verbleiben können. 2) mir gleichzeitig für jeden der von mir bereits abberufenen sowie der von Ihnen zur Abberufung namhaft gemachten Arbeitnehmervertreter je einen Ersatzmann mit genauer Anschrift zu benennen, so dass ich die Neubesetzung der Ämter unverzüglich vornehmen kann. […] Aus dem Verwaltungsausschuss des Landesarbeitsamtes habe ich die nachstehenden Arbeitnehmervertreter abberufen: Beisitzer: Stellvertreter: 1) Gew.Sekr. Böckler42 – Düsseldorf 1) Gew.Sekr. Arnold43- Düsseldorf (A.D.G.B.) (A.D.G.B.) 2) Gew.Sekr. Mittwich – Essen 2) Gew.Sekr. Görsch – Bochum (AfA-Bund) (AfA-Bund) 35 Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund, Dachverband der sozialdemokratisch orientierten Freien Gewerkschaften. 36 Afa-Bund (Allgemeiner Freier Angestelltenbund), Dachverband der sozialdemokratisch orientierten Angestellten-Verbände. 37 Deutscher Gewerkschaftsbund, Dachverband der christlich orientierten Gewerkschaften. 38 Gewerkschaftsring der Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände, Dachverband der liberalen Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände. 39 Gedag (Gesamtverband deutscher Angestelltenverbände), Dachverband der christlich orientierten Angestelltenverbände. 40 Die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine waren Arbeitergewerkschaften in der Tradition des sozialen Liberalismus. 41 Die Spruchausschüsse bei den Arbeitsämtern entschieden über strittige Unterstützungsangelegenheiten. § 178 Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, 16.7.1927, RGBl. I, S. 187. 42 Hans Böckler (1875–1951), Funktionär des Metallarbeiter-Verbandes, 1928–1933 SPD-Reichstagsabgeordneter, 1949–1951 1.  Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Martin Schumacher  (Hg.): M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. Eine biographische Dokumentation, 3. Aufl., Düsseldorf 1994. 43 Emil Arnold, Kassierer im ADGB-Bezirksverband Rheinland-Westfalen-Lippe. Dietrich Scheibe, Margit Wiegold-Bovermann: „Morgen werden wir die Gewerkschaftshäuser besetzen.“ Die Zerschlagung der Gewerkschaften in Rheinland-Westfalen-Lippe am 2. Mai 1933, Essen 2003, S. 188, 261.

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3) Gew.Sekr. Gubetz – Bielefeld 3) Gew.Sekr. Scheer44 – Hohenlim(A.D.G.B.) burg (A.D.G.B.) 4) Gew.Sekr. Meier – Bochum 4) Gew.Sekr. Kussmann -Dortmund (A.D.G.B.) (A.D.G.B.) Als Arbeitnehmervertreter befinden sich noch in ihren Ämtern: Beisitzer: Stellvertreter: 1) Bezirksleiter Heeke45- Münster (D.G.B.) 1) Gew.Sekr. Hase46 – Dortmund (D.G.B.) 2) Gew.Sekr. Ritterbecks46 – Dortmund 2) Bezirksleiter Koch – Bochum (D.G.B.) (D.G.B.) 3) Gauvorsteher Feger – Düsseldorf 3) Kath. Burg – Essen (D.H.V.) (D.H.V.) 4) Bezirksleiter Braun – Dortmund 4) Gauleiter Mittel – Essen (G.d.A.) (G.d.A.) Ich bitte um gefl. Mitteilung, inwieweit die zuletzt Genannten abzuberufen sind bezw. in ihren Ämtern verbleiben können. Im übrigen bemerke ich, dass der Verwaltungsausschuss des Landesarbeitsamtes eine Tätigkeit nicht mehr ausübt, da seine Befugnisse aufgehoben worden sind, so dass eine Änderung des jetzigen Zustandes hinsichtlich dieses Ausschusses nicht eilbedürftig ist. 12] Die Tätigkeit der Verwaltungsausschüsse (LAV NRW R, BR 5–16910) Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland an den Regierungspräsidenten in Aachen, 16.12.1937 Die Amtszeit der zur Zeit noch im Amt befindlichen Verwaltungsausschußmitglieder der Arbeitsämter, deren Tätigkeit praktisch nur noch bei den Spruchausschüssen ausge44 Georg Scheer, gest. 1940; Funktionär des Deutschen Metallarbeiterverbandes und der SPD in Hohenlimburg; www.wp.de/staedte/hagen/georg-scheer-gruendet-hohenlimburger-bauverein-1926-id211464099. html (Stand 4.8.2017). 45 August Heeke (1881–1964), Bezirksleiter des Zentralverbandes Christlicher Textilarbeiter Deutschlands für Westfalen und Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Westfalen; 1933 aus allen beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten entlassen. Nach 1945 Mitbegründer der Gewerkschaft Textil und des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Münsterland; 1946–1954 CDU-Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag; Bernd Haunfelder: Nordrhein-Westfalen – Land und Leute. 1946–2006. Ein biographisches Handbuch, Münster 2006, S. 467f. 46 Heinrich Hase und Nicolaus Rittersbeck kandidierten 1927 auf der Liste der Zentrumspartei bei der Dortmunder Stadtverordnetenwahl. Vera Bücker, Bernhard Nadorf, Markus Potthoff  (Hg.): Nikolaus Groß  – Arbeiterführer – Widerstandskämpfer – Glaubenszeuge, 2. Aufl., Münster 2001, S. 64.



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übt wird, ist auf Grund des § 16 AVAVG. in Verbindung mit Artikel 4 der Verordnung zur Vereinfachung und Verbilligung der Arbeitslosenversicherung vom 21. März 1932 (RGBl. I S. 157 ff) am 31. Dezember 1937 abgelaufen. Da bisher eine anderweitige Regelung nicht erfolgt ist, ist es erforderlich, daß die zur Zeit im Amt befindlichen Verwaltungsausschussmitglieder der Arbeitsämter auf weitere 5 Jahre bestellt werden und demgemäß deren Amtszeit bis zum 21. Dezember 1942 verlängert wird. Auf Grund einer Anordnung des Herrn Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in Berlin habe ich die Verlängerung ausgesprochen. […] Schreiben des Landrats des Kreises Aachen an den Regierungspräsidenten in Aachen, 17.2.1938 […] Ich erlaube mir den Hinweis, dass den Verwaltungsausschüssen der Arbeitsämter Aachen und Eschweiler keine praktische Bedeutung mehr zukommt, da sie seit der Machtübernahme nicht mehr einberufen worden sind. 13] Die Politisierung der Vorsitzendenkonferenz im Landesarbeitsamt Rheinland (LAV NRW R, BR 5-16850) Schreiben des stellv. Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland Dr. Opitz an den Regierungspräsidenten in Aachen, 31.10.1933 Sehr geehrter Herr Regierungspräsident! Ich beabsichtige, am 17. kommenden Monats in Aachen eine Konferenz der Herren Vorsitzenden meines Landesarbeitsamtsbezirks abzuhalten. Die Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums hat bei den Amtsleitungen der Arbeitsämter zu starken personellen Veränderungen geführt. Zur Erzielung einer einheitlichen nationalsozialistischen Willensbildung innerhalb meines Amtsbereichs beabsichtige ich, künftig den Vorsitzenden-Konferenzen ein politisches Hauptthema voranzustellen. Deshalb richte ich an Sie die ergebene Bitte, die Behandlung des Leitthemas in der Vorsitzenden-Konferenz zu übernehmen. Ich darf hierfür vorschlagen: „Der staatliche Neuaufbau des Deutschen Reiches“. Im Falle Ihres Einverständnisses gestatte ich mir anzuregen, hierzu auch die Herren Landräte Ihres Dienstbereichs und den Herrn Oberbürgermeister der Stadt Aachen einzuladen. Eine derartige gemeinsame Veranstaltung dürfte geeignet sein, die gegenseitigen Beziehungen zur Förderung der künftigen Arbeitsbeschaffungsaufgaben noch fester zu gestalten. Als zweiten Vortragenden habe ich einen alten Kämpfer der nationalsozialistischen Bewegung gewonnen, der zur politischen Lage Deutschlands nach dem Austritt aus dem

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Völkerbund sprechen wird. Nach Behandlung dieses Themas könnte das Mittagessen gemeinsam eingenommen werden. Für eine recht baldige Nachricht wäre ich Ihnen dankbar. Antwort des Regierungspräsidenten, 3.11.1933 Sehr geehrter Herr Dr. Opitz! Für Ihre liebenswürdigen Zeilen vom 31.Oktober danke ich verbindlichst. Ich begrüsse Ihre Absicht aufrichtig, am 17. ds.Mts. hier in Aachen eine Konferenz sämtlicher Vorsitzenden der Arbeitsämter abzuhalten. Ihre Anregung, die Landräte und den Oberbürgermeister von Aachen an der Besprechung zu beteiligen, halte ich für sehr zweckmässig und werde gerne das Weitere veranlassen. Darüber hinaus möchte ich empfehlen, dem Präsidenten der Industrie- und Handelskammer, den Vorsitzenden des Einzelhandelsverbandes wie auch der Handwerkskammer, sowie dem Treuhänder der Arbeit eine Einladung zukommen zu lassen. [...] 14] Die Ausbildung der Arbeitsamtsangestellten Mitteilungen des Landesarbeitsamtes Rheinland, 1934, S. 38 Mit dem Inkrafttreten des AVAVG mußten die neugebildeten Arbeitsämter mit Personal versehen werden. Der damaligen politischen Einstellung entsprechend wurde die Besetzung der einzelnen Stellen durch die Gewerkschaften maßgebend beeinflußt. So kam es, daß die einzelnen Ämter empfindlich unter dem Mangel an geeigneten Fachkräften zu leiden hatten. Hierdurch wurde der Aufbau erschwert, es konnten auch die erhofften Erfolge nicht erzielt werden. Die Reichsanstalt hat in den sechs Jahren ihres Bestehens versucht, den Mangel an fachkundigen Angestellten durch Lehrgänge für die Angestellten auszugleichen. Zu den auf einzelne Tage bemessenen Lehrgängen, die sich auf Spezialgebiete beschränken mussten, konnte immer nur ein kleiner Teil der Angestellten zugelassen werden. Den meisten Angestellten war es fast unmöglich, an den Lehrgängen teilzunehmen; für ihre Aus-, Weiter- und Fortbildung waren sie auf sich selbst angewiesen. Wenn auch die einzelnen Ämter regelmäßigen Dienstunterricht einrichteten und auch trotz der Überbelastung versuchten, ihn durchzuführen, so reichte auch dieser „Unterricht“, der in den meisten Fällen aus Vorträgen über e i n z e l n e Fragen des Tätigkeitsgebietes bestand, nicht aus, das zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Wissen zu vermitteln. Diese Arbeit erfuhr infolge der Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums eine Unterbrechung; für zahlreiche, auf Grund des § 2 entlassene Angestellte, wurden neue Kräfte eingestellt. In vielen Ämtern war der Wechsel so groß, daß mit der Ausbildung von vorn angefangen werden mußte. Einzelne Ämter haben versucht, neuaufgestellte Lehrpläne für die Ausbildung durchzuführen, was infolge der starken Belastung der Vorsitzenden und der Angestellten recht



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schwierig war. Das Landesarbeitsamt führte zweitägige Lehrgänge für die einzelnen Tätigkeitsgebiete der Arbeitsämter durch, die jedoch nicht ausreichen konnten. Es muß nun versucht werden, die fehlenden Grundlagen nachzuholen und dann auf diesem Fundament aufzubauen. Jeder Angestellte muß zunächst allgemein die Grundzüge der gesamten Sozialversicherung kennenlernen. Es ist nicht richtig, das AVAVG herauszunehmen und allein zu behandeln. Die Sozialversicherung ist ein einheitliches Ganzes. Wer von den Angestellten kennt die Bestimmungen der Krankenversicherung, der Invaliden- und Hinterbliebenenversicherung, der Unfallversicherung und der Angestelltenversicherung? Wer hat Kenntnisse vom Staats- und Verwaltungsrecht? Wenn wir ehrlich sein wollen, müssen wir zugestehen, daß sich täglich Mängel bemerkbar machen. […] Es ist selbstverständlich, daß in Zukunft kein Angestellter mehr e i n g e s t e l l t w i r d , d e r n i c h t d i e e r f o r d e r l i c h e s a c h l i c h e Vo r b i l d u n g hat. […] 15] Weltanschauliche Schulung (BArch R 3903–2289) Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an das Schulungsamt des NSDAP-Gaues Westfalen Nord, 4.9.1935 (Entwurf) Die auf Grund des Erlasses des Herrn Präsidenten der Reichanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 12.12.1934 – IA 2090/203 – von den Angestellten der Reichsanstalt abzulegenden Fachprüfungen sollen erstmalig Anfang Dezember dieses Jahres abgehalten werden. Der Vorbereitungsunterricht für die zu der Prüfung zugelassenen Angestellten muss wegen der Kürze des zur Verfügung stehenden Zeitraumes möglichst sofort einsetzen. Im Rahmen des Vorbereitungsunterrichtes wird die weltanschauliche Schulung nicht den kleinsten Raum einnehmen. Für die Selbstvorbereitung nach dieser Richtung hin soll den zur Prüfung zugelassenen Prüflingen das entsprechende N.S.–Schrifttum, soweit es amtlich nicht zur Verfügung gestellt werden kann, zur Anschaffung aus eigenen Mitteln empfohlen werden. Ausserdem würde ich es dankbar begrüßen, wenn vom dortigen Gau-Schulungsamt geeignete Persönlichkeiten für den weltanschaulichen Unterricht der Prüflinge freigestellt werden könnten. Der Vorbereitungsunterricht wird voraussichtlich gegen Ende dieses Monats einsetzen und soll für das Gaugebiet Westfalen-Nord in Münster und Bielefeld und zwar an Mittwoch- und Sonnabend-Nachmittagen abgehalten werden. Ich halte es für zweckmässig, den Aufbau des weltanschaulichen Unterrichts, auch bezüglich des den Prüflingen anhand zu gebenden Schrifttums im engsten Einvernehmen mit den Gau-Schulungsorganisationen der N.S.D.A.P. zu gestalten. […]

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Besprechung der Schulungsreferenten der Landesarbeitsämter Rheinland und Niedersachsen, 11.9.1935 (Auszug) In der weltanschaulichen Schulung werden von den einzelnen Landesarbeitsämtern verschiedene Wege beschritten. In Westfalen sind stark die Gauschulungsämter eingeschaltet worden. Diese sollen auch entsprechende Redner stellen, die auch rechtliche Kenntnisse übermitteln können. Rheinland will auch diese Aufgabe in eigene Regie nehmen und Leitsätze hierüber aufstellen. Rundverfügung Nr. 1123/1936 des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an die Arbeitsämter des Bezirks, 6.10.193647 Nach einem Erlaß des Stellvertreters des Führers vom 20.10.1934 ist die weltanschaulich-politische Schulung Aufgabe der N.S.D.A.P. Stellen außerhalb der N.S.D.A.P. sind zur weltanschaulich-politischen Schulung nicht befugt. Infolgedessen konnte diese auch nicht in den Schulungsplan für den Dienstunterricht in den Arbeitsämtern aufgenommen werden. Da es zu den allgemeinen Staatsbürgerpflichten gehört und es insbesondere für im öffentlichen Dienst Beschäftigte eine selbstverständliche Verpflichtung ist, sich über die herrschende Staatsauffassung und ihre weltanschaulich-politischen Voraussetzungen und Forderungen zu unterrichten, glaube ich, auch für die Anwärter auf die Fachprüfungen einen besonderen Unterricht für dieses Prüfungsgebiet, der übrigens nur von den Gauschulungsämtern der N.S.D.A.P. durchgeführt werden könnte, nicht einrichten zu brauchen. Ich gehe dabei weiter von der Annahme aus, daß sämtliche Angehörigen der Reichsanstalt im Landesarbeitsamtsbezirk Westfalen, soweit sie nicht Mitglied der N.S.D.A.P. sind, irgendeiner Gliederung oder den von ihr betreuten Organisationen angehören, unter deren Aufgaben die weltanschauliche Schulung an erster Stelle steht. Im übrigen handelt es sich bei der in der Prüfungsordnung der Reichsanstalt verlangten Kenntnis der nationalsozialistischen Weltanschauung, der Rassenkunde usw. um grundsätzliche und brennende Fragen des politischen Geschehens unserer Zeit überhaupt, die jedem an unserem völkischen Schicksal bewußt teilnehmenden Volksgenossen ohne besondere Vorbereitung geläufig sein sollten. Wo aber trotzdem die Notwendigkeit bestehen sollte, einzelne Themen dieses Prüfungsgebietes besonders zu behandeln, stelle ich anheim, bei der zuständigen Kreispropagandaleitung Fachredner anzufordern. Besondere Mittel können hierfür allerdings nicht aufgewandt werden.

47 Auch LAV NRW W, K 100–785.



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16] „Das hohe Lied der Kameradschaft“ Dr. Heinrich Stewens, Arbeitsamt Oberhausen: Kameradschaftsgeist im Arbeitsamt, in: Mitteilungsblatt des Landesarbeitsamtes Rheinland 1934, S. 115 f. D a s h o h e L i e d d e r K a m e r a d s c h a f t i s t o f t e r k l u n g e n . Sie ist jedem, der sie erleben durfte, eine Quelle schönster Erinnerungen. Die Bestform der Kameradschaft scheint allerdings an eine Männergemeinschaft gebunden zu sein, die, wenig belastet mit Existenz- und Familiensorgen, ihre ganze Kraft daran setzen kann, ein hohes Ziel zu erkämpfen. […] Beim Arbeitsamt liegen die Voraussetzungen für eine kameradschaftliche Gestaltung der Berufstätigkeit nicht ungünstig. Zunächst stellt die neue Arbeitsverfassung der öffentlichen Verwaltungen und Betriebe die Dienstgemeinschaft und das Führerprinzip in den Mittelpunkt. Ferner wird durch das gemeinsame große Ziel: Beseitigung der Arbeitslosigkeit, das frühere Nebeneinanderarbeiten zu einem Miteinanderarbeiten auf allen Sachgebieten umgestaltet. Die Durchführung der Arbeiten weiterhin geschieht in der militärischen und soldatischen Form. D a s P e r s o n a l d e r A r b e i t s ä m t e r b e f i n d e t s i c h i n d e r e r s t e n S t u r m w e l l e d e r A r b e i t s s c h l a c h t . Endlich löst die starke Beanspruchung des Menschen, die Notwendigkeit, sich mit der ganzen Person einzusetzen, einen Vorgang aus, der im Kriege als Selbstreinigungsprozeß der Front von Unfähigen und Drückebergern bezeichnet wurde. […] Zu unterdrücken ist die Bildung von Kameradschaftsgrüppchen, die aus der Froschperspektive, in Verkennung der neuen Zielsetzung und der Notwendigkeit, auch den letzten Man im Amt in die Kameradschaft einzuschalten, sich mit anderen, meist im Schatten der Arbeitsbeschaffung wirkenden Kollegen zu reiben suchen. Ein wesentliches Merkmal der Kameradschaft ist der Humor, jene einzig richtige Einstellung zu den verhaspelten, boshaft verknoteten, aus der Tücke des Objekts entspringenden, täglichen Berufsereignissen. Der A m t s h u m o r ist zu sammeln. Seine Wiedergabe erfolgt am besten in der altbewährten Bierzeitung. K a m e r a d s c h a f t s g e i s t h ä l t a u f A m t s e h r e . Nach außen hin hat das Amt immer als eine reibungslos funktionierende Anstalt zu gelten. Unkameradschaftlich ist es, organisatorische Schwierigkeiten und gemachte Fehler im Beisein der Besucher, sei es auch nur telephonisch, zu erörtern. Die kameradschaftliche Verschlossenheit beeinträchtigt nicht eine auf G l e i c h a c h t u n g beruhende Behandlung der a r b e i t s l o s e n Vo l k s g e n o s s e n . Der Umgang mit den Erwerbslosen ist einfacher und natürlicher geworden. Der nationalsozialistische Staat hat es verstanden, ihnen das Gefühl der Unterlegenheit zu nehmen; allein die Aussicht auf Arbeit gibt den meisten wieder ihre innere Spannkraft. Früher war der „Inferioritätskomplex“ häufig die Ursache böser Zusammenstöße. Soweit arbeitslose Besucher, vor allem Jugendliche, das erforderliche Maß anständigen Benehmens nicht besitzen, kann die kameradschaftliche Zurechtweisung durch das Personal nicht verübelt werden.

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17] Arbeitseinsatz und Volkstum Direktor Dr. Petersen, Landesarbeitsamt Westfalen: Wirtschaft und Arbeitseinsatz im Lan­ desarbeitsamtsbezirk Westfalen, in: Arbeitseinsatz und Arbeitslosenhilfe 5 (1938), Nr. 23/24. […] Zum Schluß seien noch einige kurze Andeutungen gemacht über den Arbeitseinsatz und Volkstum im westfälischen Raum. Auch wenn in Westfalen kein ganz einheitliches Volkstum vorhanden ist, so ist doch für die Mehrzahl der Bevölkerung Westfalens als Grundhaltung bezeichnend Verschlossenheit und Nüchternheit, die Spärlichkeit der Gefühlsbekundung, der Sinn für Wirklichkeit, die große Heimatliebe und Verbundenheit mit der Scholle. Dazu besitzt der Westfale eine beharrende starke Willenskraft. Diese Eigenschaften machen den westfälischen Menschen besonders zum Bauern geeignet und haben die besondere Art des westfälischen Bauerntums geformt. Der ausgeprägte Wirklichkeitssinn und die Begabung für praktische technische Bereiche, die Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit geben dem westfälischen Menschen auch die Eignung für die Berufe der Eisen- und Stahlgewinnung und -verarbeitung. Auf Schwierigkeiten stößt der Arbeitseinsatz, sobald vom Westfalen Arbeit an kleinen zierlichen Stücken und an weichen, schmiegsamen Stoffen verlangt wird und eine Tätigkeit, die künstlerischen Sinn verlangt. Ebenso ist die Umstellungsfähigkeit des Westfalen infolge seiner sturen Beharrlichkeit mit dem Hang zum Althergebrachten gering. Notwendigen Umstellungen unterzieht sich der Westfale erst nach langem Zögern, durch das wiederholt Schwierigkeiten im Wirtschaftsleben eingetreten sind. Dieser Mangel an Einfühlungsvermögen und Umstellungsfähigkeit, der aus der gesamten seelischen Haltung entspringt, macht den Westfalen weniger gut geeignet zum Händler. Die Art dieses in Westfalen wohnenden Volkstums hat dem Arbeitseinsatz eine bestimmte Richtung gegeben, die etwas für Westfalen Eigenartiges ist. Den Charaktereigenschaften der Bewohner Westfalens entspricht die Art der Industrie, dessen Schwergewicht bei der Schwerindustrie liegt, bei der eisenschaffenden und weniger bei der eisenverarbeitenden Industrie. Auch die westfälische Textilindustrie stellt bevorzugt grobe Gewebe her. Wo die zunehmende Verfeinerung des Werkstoffes und seine feinere Verarbeitung andere Anforderungen an den Menschen stellen, müssen anders geartete Menschen hereingeholt werden.



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1.2.2 Die Arbeitsverwaltung im Organisationsgeflecht des „Dritten Reiches“ Einführung Ein erster möglicher Hinweis auf den Bedeutungszuwachs der Arbeitsverwaltung unter dem NS-Regime war die am 24. März 1933 erfolgte Ernennung ihres Präsidenten Friedrich Syrup48 zum „Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung“, einer aber schon einen Monat später wieder abgeschafften Position.49 Zunächst sah sich die Reichsanstalt indessen mit den Ambitionen der verschiedensten Parteigliederungen konfrontiert – so z. B. bei der Unterbringung arbeitsloser „alter Kämpfer“50. Im August 1934 stellte deshalb Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht im Einvernehmen mit dem Reichsarbeitsminister und dem „Stellvertreter des Führers“ fest, allein der Präsident der Reichsanstalt sei ermächtigt, die Verteilung von Arbeitskräften, insbesondere ihren Austausch, zu regeln und verbot „Einwirkungen von anderen Kräften“.51 Als hartnäckiger Konkurrent insbesondere auf dem Feld der Arbeitsvermittlung erwies sich die Deutsche Arbeitsfront (DAF), die nicht nur ihre arbeitslosen Mitglieder, sondern auch sonstige Arbeitslose unterzubringen sich bemühte.52 Die DAF sollte nach Hitlers Willen dafür sorgen, „dass jeder einzelne seinen Platz im wirtschaftlichen Leben der Nation in der geistigen und körperlichen Verfassung einnehmen kann, die ihn zur höchsten Leistung befähigt und damit den größten Nutzen für die Volksgemeinschaft gewährleistet“.53 Aber obgleich die DAF alsbald zu der mit Abstand größten nationalsozialistischen Massenorganisation heranwuchs, konnte sie auf dem Arbeitsmarkt ihren arbeits- und sozialpolitischen „Totalitätsanspruch“54 nicht gegen die Reichsanstalt durchsetzen.

48 Friedrich Syrup (1881–1945) wurde 1927 der erste Präsident der neu gegründeten Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung. Vom 2.12.1932 bis zum 30.1.1933 war er Reichsarbeitsminister, seit dem 18.2.1933 wieder Präsident der Reichsanstalt. Dieter G. Maier: Friedrich Syrup (1881– 1945). Von der Gewerbeaufsicht an die Spitze der Arbeitsverwaltung, in: Ders., Jürgen Nürnberger, Stefan Pabst (Hg.): Vordenker und Gestalter des Arbeitsmarktes. Elf Biographien zur Geschichte der deutschen Arbeitsverwaltung, Mannheim 2012, S. 115–140. 49 Humann: „Arbeitsschlacht“, S. 71. 50 Dazu Kap. 1.3.2. 51 „Verordnung über die Verteilung von Arbeitskräften“, 10.8.1934, RGBl. I, S. 786; RABl. I, 1934, S. 199. 52 Hierzu Rüdiger Hachtmann: Reichsarbeitsministerium und Deutsche Arbeitsfront. Dauerkonflikt und informelle Kooperation, in: Alexander Nützenadel (Hg.): Das Reichsarbeitsministerium im Nationalsozialismus. Verwaltung – Politik – Verbrechen, Göttingen 2017, S. 137–173, ohne aber auf die Arbeitsmarktpolitik näher einzugehen. 53 „Verordnung des Führers und Reichskanzlers über Wesen und Ziel der Deutschen Arbeitsfront, vom 24.10.1934“, in: Völkischer Beobachter, 25.10.1934; abgedr. in: Thomas Blanke, Rainer Erd, Ulrich Mückenberger, Ulrich Stascheid (Hg.): Kollektives Arbeitsrecht. Quellentexte zur Geschichte des Arbeitsrechts in Deutschland, Bd. 2: 1933–1974, Reinbek b. Hamburg 1975, S. 67 f. 54 DAF-Leiter Robert Ley, zit. nach Hachtmann: Reichsarbeitsministerium, S. 150.

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Dies wurde in dem als Monopolgesetz zu bezeichnenden „Gesetz über Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung“ vom November 1935 besiegelt, das der Reichsanstalt die Alleinzuständigkeit auf den genannten Gebieten zuschrieb.55 Angesichts der eintretenden Rohstoff- und Devisenknappheit entschied sich das Regime 1936, zur Intensivierung der Aufrüstung massiver als zuvor in die Wirtschaft einzugreifen. Hitler forderte die Herstellung der deutschen Kriegsfähigkeit innerhalb der nächsten vier Jahre; er ernannte Hermann Göring zum Beauftragten für den Vierjahresplan und unterstellte ihm eine neue gleichnamige Reichsbehörde mit der Aufgabe, die Konzentration der Wirtschaftskräfte zu koordinieren.56 Ohne eine eigene größere Verwaltungsstruktur aufzubauen, richtete Göring in seiner neuen Behörde u.a. eine Geschäftsgruppe „Arbeitseinsatz“ ein und ernannte Syrup zu einem der beiden Leiter. Dies unterstrich die inzwischen erreichte Bedeutung der Reichsanstalt, leitete aber zugleich ihre Auflösung als „halbautonome“57 Behörde ein, die endgültig vollzogen wurde, als sie um die Jahreswende 1938/39 als Abteilung V „Arbeitseinsatz“ in das Reichs­ arbeitsministerium, das bislang formal nur die Rechtsaufsicht über die Reichsanstalt geführt hatte, eingegliedert wurde. Damit hatte „die Reichsanstalt in ihrer 1927 geschaffenen Form … nach elfjähriger Existenz aufgehört zu bestehen“58. Syrup war jetzt nicht mehr Präsident, sondern Staatssekretär; und kurz darauf wurden die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter unmittelbar dem Ministerium unterstellt. Mithin ressortierte die Arbeitsverwaltung nun sowohl bei der Vierjahresplanbehörde als auch beim Reichsarbeitsministerium, eine für das Herrschaftsgefüge des „Dritten Reiches“ typische Konstruktion. Die Verflechtung mit teils staatlichen, teil parteieigenen Einrichtungen wurde noch intensiver, als die Arbeitsverwaltung in der ersten Jahreshälfte 1939 mit dem Apparat der Reichstreuhänder der Arbeit verkoppelt wurde. Diese im Frühjahr 1933 eingerichtete und ebenfalls dem Reichsarbeitsministerium nachgeordnete Behörde war, nachdem mit den Gewerkschaften auch Kollektivverhandlungen der Arbeitsmarktparteien verboten worden waren, für die Lohn- und Tarifpolitik sowie für die Aufrechterhaltung des betrieblichen Arbeitsfriedens zuständig. Bei Verstößen konnte sie Geldstrafen verhängen und in schweren Fällen Strafantrag bei den Gerichten stellen.59 Im Frühjahr 1939 wurden zunächst die Präsidenten der Landesarbeitsämter und die regionalen Treuhänder zu jeweiligen Stellvertretern der anderen, und kurz darauf wurden die Arbeitsamtsleiter zu Stellvertretern und zu ausführenden Organen („Beauftragte“) der Reichstreuhänder ernannt. Dass sie nun die Verwaltungsarbeit der Treuhänder abwickelte, implizierte für die Arbeitsverwaltung außer Mehrarbeit auch mehr 55 „Gesetz über Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung“, 5.11.1935, RGBl. I, S. 1281. 56 Dietmar Petzina: Autarkiepolitik im Dritten Reich. Der nationalsozialistische Vierjahresplan, Stuttgart 1968. 57 Kahrs: Ordnende Hand, S. 26. 58 Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 159. 59 „Gesetz über Treuhänder der Arbeit“, 19.5.1933, RGBl. I, S. 285; „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“, 10.1.1934, RGBl. I, S. 45 ff.; Sören Eden: Arbeitsrecht im NS-Staat. Die Treuhänder der Arbeit und die Kriminalisierung der Arbeitsvertragsbrüche, in: Nützenadel: Reichsarbeitsministerium, S. 247–281.



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Macht, zumal sie sich nicht mehr an den Grundsatz der lohnpolitischen Neutralität halten musste, die der Reichsanstalt 1927 ausdrücklich aufgegeben worden war. Die administrativen Verflechtungen stärkten die Arbeitsverwaltung und mit der Bündelung vieler Lenkungsvollmachten und vor dem Hintergrund zunehmend angespannter Arbeitsmarktverhältnisse „wuchs die Arbeitsverwaltung bald zu einer der wichtigsten Stützen für die Erreichung der Aufrüstungsziele des Regimes heran“60. Die Zusammenarbeit mit der Wehrmacht begann Ende Februar 1935 mit der Einführung des Arbeitsbuches und der Einrichtung der dazugehörigen Arbeitsbuchkartei61 und lag in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Wiedereinführung der Wehrpflicht am 16. März 1935.62 Nur zwei Monate später übertrug das geheim gehaltene „Gesetz über den Deutschen Volksdienst“ dem Reichsarbeitsminister die Erfassung und den Einsatz aller Reichsangehörigen zwischen dem 15. und 65. Lebensjahr. Zur Durchführung sollte er sich der Reichsanstalt bedienen.63 Zudem war diese an den Vorbereitungen für die im Kriegsfalle notwendige Umstellung des Arbeitsmarktes von Friedens- auf Kriegsverhältnisse beteiligt, zu denen auch Übungen zu den organisatorischen Abläufen in den Ämtern selbst gehörten.64 Das Mehr an Kompetenzen bedeutete keineswegs ein Weniger an Konflikten um Zuständigkeiten und arbeitseinsatzpolitische Grundsätze, die zwar vor allem auf höchster Ebene in Berlin ausgetragen wurden, aber bei der praktischen Anwendung auch in der Region Dynamik entwickeln konnten, insbesondere wenn sie vom Ehrgeiz der beteiligten Akteure befeuert wurden.

60 Marx: Verwaltung, S. 87. 61 S. Kap. 1.3.3. 62 Laut Syrup (Arbeitseinsatz und Arbeitslosenhilfe, S.  109) hatte auch die Arbeitsplatztauschaktion vom Sommer 1934 (s. Kap. 1.3.3) einen kriegswichtigen Effekt, weil „im Falle der Mobilisierung … bei richtiger Schichtung der Altersklassen nur ein bestimmter Anteil der Arbeiterschaft zur Fahne einberufen (werde), so daß ein zeitweises Erliegen der Betriebe infolge der plötzlichen Einziehungen zum Heeresdienst nicht eintreten wird“. 63 Gesetz vom 21. Mai 1935. Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 149; Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 244. In einem Erlass vom 7. März 1936 verpflichtete Syrup die Dienststellen der Reichsanstalt auf die „völlige Geheimhaltung dieser Maßnahmen“. Dies ging so weit, dass nicht einmal alle Beschäftigten eines Arbeitsamtes Kenntnis von der neuen Aufgabe ihrer Behörde erhielten. 64 Hierzu ausführlich Henry Marx: Arbeitsverwaltung und Organisation der Kriegswirtschaft, in: Nützenadel: Reichsarbeitsministerium, S.  282–312; auch Bernhard  R. Kroener: Die personellen Ressourcen des Dritten Reiches im Spannungsfeld zwischen Wehrmacht, Bürokratie und Kriegswirtschaft 1939–1941, in: Bernhard R. Kroener, Rolf-Dieter Müller, Hans Umbreit: Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs. 1. Halbband: Kriegsverwaltung, Wirtschaft und personelle Ressourcen 1939–1941, Stuttgart 1988, S. 693–1002, hier S. 747 f.

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1] Geeignete Pgg. für die Bearbeitung der Arbeitsbeschaffungsangelegenheiten „Betr. Organisation Abt. für Arbeitsbeschaffung im Gau Düsseldorf “, in: Volksparole (Düsseldorf), Nr. 147, 27.6.1933 Im Einvernehmen mit der SA.– und SS.–Führung wird folgendes bestimmt: Die Kreisleitungen der NSDAP. und die entsprechenden Formationen der SA und der SS., sowie der NSBO. werden angewiesen, für jedes Arbeitsamt im Gau einen geeigneten Pg. für die Bearbeitung der Arbeitsbeschaffungsangelegenheiten in den 10 Arbeitsbezirken zu benennen. Diejenigen Kreise und Formationen der SA. und der SS. sowie der NSBO., in deren Bezirk zwei Arbeitsämter liegen, benennen für jedes Arbeitsamt einen am Sitz des Arbeitsamtes wohnhaften Pg. Die benannten Pgg. bearbeiten gemeinschaftlich die nach den Weisungen des Arbeitsbeschaffungsamtes der Gauleitung zusammengestellte Kartothek der arbeitslosen Pgg. Aus ihrer Mitte wird vom Gauarbeitsbeschaffungsamt ein Obmann bestimmt, der den Arbeitsämtern zugeteilt wird. Diesem sind sämtliche dem Arbeitsamt gemeldeten offenen Stellen zwecks Besetzung mit Pgg. zuzuleiten. Die Besetzung geschieht in der Form, daß die bezüglich ihrer Mitgliedschaft älteren Pgg. den jüngeren vorangestellt werden. Unter gleichen haben die Kämpfer der SA. und der SS. den Vorzug. Die Meldungen sind schnellstens zu machen. Es ist unbedingt notwendig, daß schon in den nächsten Tagen die von den Formationen benannten Pgg. in Düsseldorf zusammentreten und die Arbeit aufnehmen. Es ist zu beachten, daß die benannten Pgg. nicht nur mit den Arbeitsämtern, sondern auch mit den Verbänden der Arbeitgeber zusammenarbeiten müssen. Die weiteren Weisungen werden den Benannten direkt zugeleitet. 2] Die Zuständigkeit der Arbeitsämter für die Arbeitslosen Schreiben des stellv. Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland an den Regierungspräsidenten in Düsseldorf, 3.8.1933 (LAV NRW R, BR 7–33657) Hochverehrter Herr Regierungspräsident! Aus Zeitungsmeldungen ersehe ich, dass unter Ihrem Vorsitz eine größere Versammlung zur Erörterung wirtschafts- und sozialpolitischer Gegenwartsfragen stattgefunden hat, wobei in erster Linie die Frage der Unterbringung von Arbeitslosen erörtert worden ist. Ich wäre Ihnen, hochverehrter Herr Regierungspräsident, zu außerordentlichem Dank verpflichtet, wenn Sie das Landesarbeitsamt hierzu in Zukunft zuziehen würden, da ja die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter für diese Fragen in erster Linie zuständig sind. –



Von der Reichsanstalt zur Arbeitseinsatzbehörde

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Gleichzeitig ersehe ich aus der Zeitungsnotiz, dass Sie sich um die Einstellung erwerbsloser älterer Parteigenossen, namentlich bewährter Kämpfer der SA und SS bemühen.65 Ich darf dabei darauf hinweisen, dass durch Verfügung des Herrn Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 9. Juni 1933  – II 538O/8  – bereits bei den Arbeitsämtern eine Sonderaktion zur Vermittlung arbeitsloser Mitglieder der nationalen Wehrverbände durchgeführt wird. Ich danke Ihnen verbindlichst, dass Sie diese Sonderaktion noch nachdrücklichst von sich aus unterstützen wollen. Genehmigen Sie den Ausdruck vorzüglichster Hochachtung, mit der ich die Ehre habe zu zeichnen als Ihr ergebener i.V. Dr. Opitz

65 S. dazu Kap. 1.3.2.

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

3] „Nur das Arbeitsamt“

Abb. 5: Betriebsführer […] Aus: Beilage zum Mitteilungsblatt des Landesarbeitsamtes Rheinland 1, August 1934

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Von der Reichsanstalt zur Arbeitseinsatzbehörde



4] „Neuaufbau der Angestelltenvermittlung“ Pressedienst des Landesarbeitsamtes Rheinland, PD 11/36, 1.2.1936 (RWWA, 20–1287–1) Im Interesse eines einheitlichen Arbeitseinsatzes ist vor kurzem die bisherige Stellenvermittlung der Deutschen Arbeitsfront in die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung eingegliedert worden. Diese ist damit ausschliesslich für die Vermittlung von Angestellten jeder Art zuständig geworden. Im Zuge dieser Vereinheit­ lichung wurde auch der organisatorische Aufbau der Angestelltenvermittlung neu geregelt. Bei den Arbeitsämtern wird die Vermittlung ausgeübt durch die Angestelltenvermittlungsstellen, die nunmehr bei jedem Arbeitsamt eingerichtet bezw. ausgebaut sind. Die Vermittlung umfasst kaufmännische, technische und sonstige Angestellte, insbesondere auch solche aus wissenschaftlichen, künstlerischen und sozialen Berufen. Sie erstreckt sich in erster Linie auf die erwerbslosen Angestellten. Die Inanspruchnahme der Vermittlungsstellen ist aber auch Angestellten nicht versagt, die ihre Stellung wechseln wollen. 5] Die Vermittlungstätigkeit der westfälischen Arbeitsämter Jahr

Bei den Arbeitsämtern registrierte ­Arbeitsuchende Zugänge

Abgänge

abs.

abs.

Arbeitsvermittlungen der Arbeitsämter abs.

% von Spalte 3 = Einschaltquote

1933

507 114

662 575

144 827

21,9

1934

423 560

507 969

199 794

39,3

1935

494 089

531 127

288 353

54,3

1936

482 473

573 083

364 002

63,5

1937

440 802

508 820

369 372

72,6

Zusammengestellt nach: Der Arbeitseinsatz im Arbeitsamtsbezirk Westfalen 1936, Nr. 9; 1938, Nr. 1.

6] Die Notwendigkeit des Vermittlungsmonopols der Arbeitsverwaltung Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an den Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, 30.1.1937 (LAV NRW W, K001–6337) Der erfolgreiche Verlauf der Arbeitsschlacht hat mit aller Deutlichkeit die Richtigkeit und Zweckmässigkeit einer nach einheitlichen Gesichtspunkten durchgeführten plan-

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

mässigen Lenkung des Arbeitseinsatzes bewiesen. Ohne diese einheitliche Führung wäre es nicht möglich gewesen, eine Arbeitseinsatzpolitik zu betreiben, die unter Wahrung der verschiedenen Belange ein solches Ergebnis gehabt hätte. Trotzdem sind mir wiederholt und auch in neuerer Zeit noch Klagen vorgebracht, dass den Arbeitsämtern die Durchführung der ihnen zur Durchführung übertragenen Aufgaben dadurch erschwert wurde, dass sich Stellen der Partei, ihrer Gliederungen, der SA, der SS, der Behörden usw. für ihnen nahestehende Beschwerdeführer, die von einer der zahlreichen Anordnungen betroffen wurden, in besonders nachdrücklicher Weise verwenden. Obgleich diese Stellen in der Regel von der Richtigkeit und Notwendigkeit der von den Arbeitsämtern getroffenen Entscheidungen überzeugt sind, verlangen sie doch, daß in diesem Einzelfall „wegen der besonderen Verhältnisse“ für ihren Schützling eine Ausnahme gemacht werden sollte. Wenn die Arbeitsämter diesen zahlreichen Wünschen nachkämen, wäre sehr bald die Durchführung der Anordnungen über den Arbeitseinsatz unmöglich. Außerdem müßten solche Ausnahmen zwangsläufig eine Verbitterung solcher Arbeitslosen zur Folge haben, die von den gleichen Anordnungen betroffen wurden, aber keine der erwähnten Stellen in Anspruch genommen haben. Sie würden geradezu dazu angereizt, auch ihrerseits irgendwelche Stellen zu suchen, die ihnen dazu verhelfen sollen, ihnen unbequeme Bestimmungen über den Arbeitseinsatz zu beseitigen. Die Erfordernisse, die an den Arbeitseinsatz seit 1933 gestellt werden, sind so vielfältig geworden, dass es einem Aussenstehenden kaum möglich ist, sich einen Überblick über die getroffenen Maßnahmen und das dabei zu Beachtende zu verschaffen. Der Arbeitseinsatz ist damit zu einem Fachgebiet geworden, das nur der beherrschen kann, der mit diesen Aufgaben eingehend vertraut ist, da sonst die Gefahr besteht, dass örtliche und augenblickliche Verhältnisse einen zu starken Einfluss ausüben und das große Ziel in den Hintergrund drängen. Es gilt ja nicht nur, die Arbeitslosen in irgendwelche Arbeit zu bringen, es gilt auch die Belange der verschiedenen Wirtschaftszweige und der Gesamtheit aller arbeitenden Volksgenossen zu wahren. Vor allen Dingen muß dafür gesorgt werden, dass für alle der Wehrhaftmachung des deutschen Volkes dienenden Maßnahmen zu jeder Zeit und an jedem Ort die benötigten Arbeitskräfte und Facharbeiter zur Verfügung stehen, selbst auf die Gefahr hin, dass dadurch andere noch so dringlich erscheinende Arbeiten zurückgestellt werden müssen. Daneben muß die Ernährung der deutschen Bevölkerung sichergestellt und Vorsorge getroffen werden, dass die deutsche Landwirtschaft die geeigneten Arbeitskräfte in genügender Anzahl erhält. Ferner machen die unterschiedliche Entwickelung des Arbeitseinsatzes in den einzelnen Bezirken, die Auflockerung der übervölkerten Gebiete, die Verlagerung von Industrien usw. umfangreiche zwischenbezirkliche Ausgleichsmaßnahmen erforderlich, deren Durchführung eingehende Kenntnisse aller Zusammenhänge verlangen. Hierzu gehört auch der ständige Überblick über die Einsatzfähigkeit des noch zur Verfügung stehenden Personenkreises der Arbeitslosen, der namentlich bei der Bereitstellung der zur Zeit stark benötigten Facharbeiter besondere Bedeutung gewinnt. Die Einsatzfähigkeit der Arbeitslosen ist sowohl in den einzelnen Arbeitsamtsbezirken als auch in



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den Berufen sehr verschieden und richtet sich jeweils nach der besonderen Struktur des Bezirks. So sind von den in Westfalen noch als arbeitslos gemeldeten Volksgenossen nur 51 300 = 46 % einsatzfähig ausserhalb ihres Wohngebietes; 54 % sind also nur auf Arbeit in der Heimat angewiesen. Ihnen darf keiner der überall einsatzfähigen einen Platz wegnehmen. Um diesen notwendigen Ausgleich sicherzustellen, bedarf es neben der Kenntnis der wirtschaftlichen und betrieblichen Verhältnisse der Bezirke vor allem Unterlagen über die Verwendungsfähigkeit jedes einzelnen Arbeitslosen, die nur bei den Arbeitsämtern vorhanden sind. Hieraus ergibt sich wiederum, dass eine einheitliche und planvolle Lenkung des Arbeitseinsatzes nur durch die Arbeitsämter erfolgen kann, da andere Stellen wegen der fehlenden Übersicht zwangsläufig zu Fehlschlüssen kommen müssen. […] Ich darf auch noch darauf hinweisen, dass die Abwickelung von Beschwerden in solchen Angelegenheiten allmählich eine Geschäftsbelastung und einen Schriftwechsel zur Folge hat, dessen Erfolg in keinem Verhältnis mehr zu den dadurch erzielten Ergebnissen steht. Ich muß der ernsthaften Befürchtung Ausdruck geben, dass bei einem Fortschreiten dieser Entwicklung die planvolle Regelung des Arbeitseinsatzes zurücktritt hinter der Erledigung des entfesselten Papierkrieges, der doch gerade um des Gesamterfolges und um der Konzentrierung aller Kräfte auf die tatsächlichen Aufgaben willen auf ein Mindestmaß beschränkt werden müßte. Ebenso wenig ist es aber angängig, dass heute noch die obengenannten Stellen selbständig Vermittlungen tätigen, und sich eigenmächtig ohne Zuziehung des Arbeitsamtes um die Unterbringungen Arbeitsloser bemühen. Das geschieht nicht nur durch Bemühungen bei Unternehmungen im eigenen Bezirk, sondern es fahren sogar Angehörige der obengenannten Stellen in ausserwestfälische Bezirke, um dort Vermittlungen zu versuchen. Abgesehen, dass dadurch in den geregelten Arbeitseinsatz Unruhe und Störung hereingetragen wird, stellt solche Vermittlung auch einen Verstoß gegen das Gesetz über die Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung vom 5.11.35 dar, das der Reichsanstalt, und zwar ihr allein die Aufgaben der Vermittlung überträgt. […] 7] Der Arbeitsamtsleiter „gilt als Reaktionär und ist konfessionell sehr stark gebunden“ (LAV NRW OWL, L111–963) Schreiben des Kreisleiters von Lippe an den Gauleiter Westfalen-Nord, 10.6.1939 In der Anlage überreich ich Abschrift eines Schreibens des Leiters des Arbeitsamtes in Detmold vom 7.6.1939 an den Kreisbauernführer, sowie meine Antwort an den Leiter des Arbeitsamtes vom 10. Juni 1939. Der Leiter des Arbeitsamtes, Pg. Süß – Mitglied der Bewegung seit 1937 – ist von mir bei einer früheren Gelegenheit bereits schlecht beurteilt. Durch diesen neuerlichen Vorgang finde ich meine Vermutung, daß er innerlich

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

der Partei ablehnend gegenübersteht, vollkommen bestätigt. Süß gilt als Reaktionär und ist konfessionell sehr stark gebunden. Ich halte eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit Süß nicht mehr für möglich. Süß ist zwar kriegsbeschädigt; da er jedoch auch mit anderen Stellen bereits Schwierigkeiten hatte, halte ich seine Versetzung für unbedingt geboten und bitte das Weitere von dort aus zu veranlassen.66 Schreiben des Kreisleiters von Lippe an den Leiter des Arbeitsamtes Detmold, 10.6.1939 (Auszug) Aus Ihrem Schreiben entnehme ich, daß zwischen Ihnen und dem Kreisbauernführer bereits vor Wochen eine Besprechung über die Freimachung von Arbeitskräften für die Landwirtschaft stattgefunden hat. Zu meiner größten Verwunderung stelle ich weiterhin fest, daß sie die Auffassung vertreten, daß diese Frage nur allein im Benehmen mit den Kreisbauernführer geregelt werden könnte. Aus der Form und dem Inhalt Ihres Schreiben mußte ich den Eindruck gewinnen, daß Ihnen die Mitarbeit der Dienststellen der Partei und der gewerblichen Wirtschaft unangenehm ist. Sie berufen sich hier auf Anordnungen von Ministerien, die ganz zweifellos von Ihnen falsch ausgelegt werden. Ich darf demgegenüber eindeutig betonen, daß ich als Kreisleiter nicht nur das Recht, sondern die Pflicht habe, mich um die Frage des Arbeitseinsatzes, insbesondere dann, wenn die bisherige Handhabung schon eine erhebliche Unruhe ausgelöst hat, eingehend zu bekümmern und auch weiterhin darum bekümmern werde. 8] Zusammenarbeit mit Wehrmachtsdienststellen Aktenvermerk (Entwurf) des Oberregierungsrats im Reichsarbeitsministerium Hubert Hildebrandt67 für Staatssekretär Syrup und den Beauftragten für den Vierjahresplan Göring, Oktober 1939 (BArch R 3901–20278) Seit Jahren besteht zwischen den Wehrersatzdienststellen und den Arbeitsämtern eine enge Zusammenarbeit mit dem Ziele, die Interessen der Wehrmacht mit den Notwendigkeiten des Arbeitseinsatzes, soweit wie dies aus militärischen Gesichtspunkten möglich ist, in Einklang zu bringen. Die Zusammenarbeit erfolgt in der Form, daß die militärischen Stellen laufend von der Arbeitseinsatzverwaltung über den Stand des Arbeitseinsatzes aufgeklärt und ihnen Anregungen zur Erleichterung des Arbeitseinsatzes gegeben 66 Nachdem die Konflikte mit dem Kreisleiter andauerten, stellte Georg Süß im Winter 1943/44 in Absprache mit dem Präsidenten des Gauarbeitsamtes Westfalen-Nord einen positiv beschiedenen Antrag auf Pensionierung; s. Ruppert: „Der nationalsozialistische Geist“. 67 Zu Dr. Hubert Hildebrandt s. Eckhard Hansen, Florian Tennstedt (Hg.): Biographisches Lexikon zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1871 bis 1945. Bd. 2: Sozialpolitiker in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus 1919 bis 1945, Kassel 2018, S. 77 f.



Von der Reichsanstalt zur Arbeitseinsatzbehörde

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werden. Soweit die militärischen Interessen es erlauben, ist diesen Anregungen durch zentrale Anweisungen des Oberkommandos der Wehrmacht entsprochen worden. I. Musterung. Schon bald nach Inkrafttreten des Vierjahresplanes mußte die Arbeitsverwaltung das Oberkommando der Wehrmacht bitten, bei der Musterung und Aushebung aus Gründen des Arbeitseinsatzes die unentbehrlichen Facharbeiter zurückzustellen. Dies geschah durch Befehl vom 17.4.1937. Von den Musterungspflichtigen der Jahrgänge 1906 und 1907, die insgesamt 1 127 000 betrugen, haben die Arbeitsämter die Zurückstellung von 290 000 Facharbeitern bei den Wehrersatzdienststellen beantragt und in 252 000 Fällen ist diesen Anträgen stattgegeben worden. Die hohen wirtschaftlichen Bedürfnisse des Krieges erforderten bei der Musterung die Berücksichtigung eines größeren Kreises von Facharbeitern für die Zurückstellung. Für die Musterung der Geburtsjahrgänge 1912 und älter hat daher das Oberkommando der Wehrmacht auf unsere Vorschläge die bisherige Liste der unentbehrlichen Facharbeiter der gewerblichen Wirtschaft etwa verdoppelt und sie durch eine Aufführung der Facharbeiterberufe der Land- und Forstwirtschaft ergänzt. Die so erweiterte Liste wird den berechtigten Wünschen des Arbeitseinsatzes gerecht. Die Beteiligung von Beauftragten der Arbeitsämter beim Musterungsgeschäft ermöglicht an Hand der Arbeitsbücher die sofortige Klärung, ob der Musterungspflichtige den einzelnen Facharbeiterberufen angehört. Er wird dann von der Musterung zurückgestellt. II. Musterung von Fachkräften. Zur Sicherung der Gefolgschaften der Wehrbetriebe im Kriegsfall wurden bereits in den letzten Friedensjahren eine große Zahl unentbehrlicher Facharbeiter, die wehrpflichtig waren, unabkömmlich gestellt. Von den Arbeitsämtern wurden 1,4 Millionen Anträge auf Unabkömmlichstellung den Wehrersatzdienststellen vorgelegt. In 1,1 Millionen Fällen wurde diesen Anträgen entsprochen. […] 9] Mobilmachungsübung der Arbeitsverwaltung Rundschreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland an die Arbeitsamtsleiter des Bezirks, 26.9.1938, Geheime Reichssache (BArch R 3901–20132) Betrifft: Erfahrungen bei der kürzlichen Ingangsetzung der Kennziffer 10468 und Deckung des angeforderten Zivilbedarfs der Wehrmacht. 68 Das vom Reichsarbeitsministerium am 1.4.1937 verschickte „Kennziffernverzeichnis für die Aufstellung der Dienstanweisungen für die Mobilmachung im Bereich des Reichs- und Preußischen Arbeitsministeriums“ sah für eine „Spannungszeit“ u.a. in Kennziffer 104 die „Einrichtung von Tag- und Nachtdienst in den Geschäftsräumen und Fernsprecheinrichtungen aller Behörden“ vor. BArch R 41–52. Im September 1938 wurde die „Spannungszeit“ wohl durch die „Sudetenkrise“ ausgelöst.

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Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

Die Ingangsetzung der Kennziffer 104 ist in den Arbeitsämtern meines Bezirkes bis auf verschiedene Ausnahmen im allgemeinen glatt durchgeführt worden. Die Auslösung der Kennziffer im Landesarbeitsamt erfolgte am 24.9. um 22.30 Uhr. Die Mehrzahl der Arbeitsämter stand am 25.9. zwischen 3 Uhr und 3.30 Uhr; der gesamte Landesarbeitsamtsbezirk war jedoch erst um 6 Uhr aktionsbereit. Diese Anlaufzeit ist, selbst wenn man die Schwierigkeit der nächtlichen Alamierung bedenkt, zu lang. Die Fehler lagen teilweise bei der Post, welche die Telegramme mit grosser Verzögerung zustellte, teilweise daran, dass die Amtsleiter dem Landesarbeitsamt falsche Anschriften angegeben oder Wohnungsänderung nicht gemeldet hatten, oder wegen Abwesenheit nicht erreichbar waren. Ich ordne daher an, dass sämtliche Arbeitsamtsleiter mir umgehend nochmals ihre jetzt gültigen Anschriften und die Fernsprechnummern in ihrer Privatwohnung, sowie die Anschriften ihrer Stellvertreter mitteilen und peinlichst darauf achten, dass jede Änderung in den Anschriften sofort dem Landesarbeitsamt gemeldet wird. Die gleiche Meldung haben die Arbeitsamtsleiter der Ämter, bei denen nicht die Leitung eines Ergänzungsbezirkes liegt, sofort an den Leiter des zuständigen Ergänzungsbezirks zu machen, damit es u.U. auch möglich ist, Weisungen des Landesarbeitsamtes im Schneeballsystem über die Leiter der Ergänzungsbezirke weiterzugeben. Ferner hebe ich bis auf weiteres das Recht der Selbstbeurlaubung der Arbeitsamtsleiter auf. Auch über Sonnabend/Sonntag bitte ich, vor einem beabsichtigten Verlassen des Amtsbezirks vorher meine Genehmigung einzuholen. Ich bitte auch, unter allen Umständen sicherzustellen, dass der Amtsleiter oder sein Stellvertreter jederzeit am Dienstsitz erreichbar ist. Befindet sich der Amtsleiter – auch ausserhalb der Dienstzeit oder in der Nachtzeit – ausserhalb des Dienstsitzes, so hat er dies seinem Stellvertreter mitzuteilen und sicherzustellen, dass eilige telefonische oder telegraphische Meldungen seinen Stellvertreter jederzeit erreichen. Auch innerhalb des Wohnortes ist bei Abwesenheit ausserhalb des Arbeitsamtes oder der Wohnung der Aufenthaltsort jeweils so bekannt zu geben, dass sowohl der Amtsleiter wie sein Stellvertreter jederzeit schnellstens erreicht werden können. Bei Auslösung von Kennziffern bitte ich, genau auf deren Wortlaut zu achten. So durfte es nicht vorkommen, wie es geschehen ist, dass anstatt des in Kennziffer 104 vorgesehenen kleinen Personenkreises das gesamte Amtspersonal zu Nachtdienst und Sonntagsdienst in das Amt geholt und dort festgehalten wurde. […] Die Zustellung der Beorderungen für den Zivilbedarf der Wehrmacht durch den Kurierdienst und die Kraftwagen der Arbeitsämter nahm erheblich längere Zeit in Anspruch, als vorher angenommen wurde. So haben z. B. in einem Amt 8 Kraftwagen mit 10 Kurieren zur Zustellung von 275 Beorderungen bis zu 7 Stunden Zeit gebraucht. Dies lag vor allem daran, dass man auf die Schwierigkeiten der Zustellung bei Nacht nicht genügend vorbereitet war. Häufig konnten die Kuriere die Namen an den Haustüren nicht lesen, da sie nicht mit elektrischen Taschenlampen ausgerüstet waren. Auch ist der Zeitverlust, der das Wecken der zu Beordernden bei Nacht erfordert, nicht genügend in Rechnung gestellt. Ich bitte, dies für die künftige Organisation des Kurierdienstes bei



Von der Reichsanstalt zur Arbeitseinsatzbehörde

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Nacht zu berücksichtigen und sofort die Anschaffung der erforderlichen elektrischen Taschenlampen vorzunehmen. Von den Beorderten sind in einigen Arbeitsamtsbezirken 80–90 %, in anderen in grosstädt. Bezirken nur 30%, in Landbezirken nur 50 % erschienen. Diese Prozentzahlen sind ausserordentlich gering. Sie wurden z.T. dadurch bedingt, dass 20–30 % der Zustellungen überhaupt nicht erfolgen konnten, da die Betreffenden verzogen waren. Der Wohnungswechsel war teilweise der VS-Stelle69 von der Arbeitsbuchstelle nicht mitgeteilt worden, teilweise aber auch dem Arbeitsamt überhaupt nicht angezeigt, selbst von solchen Beorderten, die durch die braune Mitteilung hierzu ausdrücklich angehalten waren. Ein Teil der Beorderten hatte auch die Aufforderung nicht ernst genommen und erschien erst am Montag mit dieser im Arbeitsamt, um sich nach dem Näheren zu erkundigen, wieder andere hatten das „sofort“ auf der ihnen am Sonnabend zugestellten Aufforderungskarte so aufgefasst, dass sie sich am nächsten Werktage zu melden hätten und erschienen am Montag früh bei den betreffenden Wehrmachtsstellen. […]

69 Die VS-Stellen der Arbeitsämter waren für die Arbeitsvermittlung für die Rüstungsbetriebe zuständig.

64

Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

1.3 Von der Arbeitsbeschaffung zum Arbeitseinsatz Einführung Voraussetzung für die Politik des Regimes zur Krisenüberwindung war eine Abkehr von der Sparpolitik der letzten Kabinette der Weimarer Republik und die Hinwendung zu einer für die Zeit innovativen expansiven Ausgabenpolitik des Staates zur Ankurbelung der Wirtschaft.70 Zu dieser neuen Art aktiver Konjunkturpolitik, die auch als Arbeitsbeschaffung zu bezeichnen ist, rechnen im weiteren Sinne ordnungs-, wirtschafts-, finanz-, sozialund allgemeinpolitische Instrumente, die zur Wiederbelebung der Konjunktur und damit auch zur Überwindung der Arbeitslosigkeit beitrugen. Dazu gehörten Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, u.a. in den Autobahnbau, die Förderung des privaten Wohnungsund Siedlungsbaus, Steuererleichterungen und einiges mehr. In der ersten Phase der nationalsozialistischen Beschäftigungspolitik, die der Propagandaapparat des Regimes erfolgreich unter das Schlagwort der „Arbeitsschlacht“ stellte, ging es vor allem darum, möglichst schnell möglichst viele Arbeitslose in Beschäftigung welcher Art auch immer zu setzen, resp. sie aus der Arbeitslosenstatistik zu tilgen.71 Wegen der ungleichmäßigen Entwicklung der Beschäftigung, nicht zuletzt aber wegen einer neuen wirtschaftlichen Prioritätensetzung zugunsten der Aufrüstung gingen das Regime und mit ihm die Reichsanstalt bald zu einer neuen Phase ihrer „Arbeitsschlacht“ über, die Hitler am 21.  März 1934 propagandawirksam eröffnete.72 Sie verließen das Konzept der „quantitativen Arbeitsbeschaffung“ und fuhren mit der Arbeitsbeschaffung auch viele Einzelprojekte zurück. Stattdessen setzten sie gezieltere Maßnahmen in Gang, die auch erste dirigistische Eingriffe in den Arbeitsmarkt beinhalteten. Diese Kurskorrektur konkretisierte sich im Mai 1934 im „Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes“, das die Arbeitsverwaltung erstmals dazu berechtigte, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu beschneiden,73 und das deshalb als „arbeitsmarktpolitisches Ermächtigungsgesetz“74 betrachtet werden kann. Und zum ersten Mal fand hier auch 70 Zum Folgenden v.a. Humann: „Arbeitsschlacht“; Adam Tooze: Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Ökonomie im Nationalsozialismus, Bonn 2007. 71 Inwieweit die Maßnahmen zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit zur Überwindung der Wirtschaftskrise beigetragen haben, ist in der Forschung umstritten und kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden. S. Werner Abelshauser: Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder. Deutschlands wirtschaftliche Mobilisierung für den Zweiten Weltkrieg und die Folgen für die Nachkriegszeit, in: VfZ 47 (1999), S.  503–538; Tooze: Ökonomie, S. 87 ff.; kurze Zusammenfassung bei Humann: „Arbeitsschlacht“, S. 16. Sicher ist aber, dass sie langfristig bei der Bevölkerung Zustimmung fanden und dem Regime und insbesondere Hitler persönlich gutgeschrieben wurden, nachdem angesichts des zähen Tempos der Besserung der Lebensverhältnisse zunächst Kritik und Enttäuschungen verbreitet waren. Ian Kershaw: Der HitlerMythos. Volksmeinung und Propaganda im Dritten Reich, Stuttgart 1980, S. 59 ff. 72 S. Kap. 1.1, Dok. 2. Dazu ausführlich Tooze: Ökonomie der Zerstörung, S. 84 ff., und Humann: „Arbeitsschlacht“, S. 635–702. 73 „Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes“, 15.5.1934, RGBl. I, S. 381. S. dazu unten, Kap. 1.3.3. 74 Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 74.



Von der Arbeitsbeschaffung zum Arbeitseinsatz

65

ein zentraler Begriff nationalsozialistischer Arbeitsmarktpolitik im gesetzlichen Kontext Verwendung: der Arbeitseinsatz, „die planmäßige Lenkung der Arbeitskräfte des Volkes nach den übergeordneten Gesichtspunkten der Staatspolitik“75. Noch Jahre später schärfte Reichsarbeitsminister Seldte seinen Ministerialen ein, unbedingt den Begriff „Arbeitseinsatz“ anstelle des „Arbeitsmarkts“ zu verwenden, denn dieser beruhe auf der liberalistischen Vorstellung, dass Arbeitskraft eine Ware darstelle, deren Bezahlung wie auf einem Markt sich nach Angebot und Nachfrage richte. „Der Begriff ‚Arbeitseinsatz‘ dagegen bringt den Gesichtspunkt der staatlichen planvollen Lenkung der Arbeitskräfte nach übergeordneten staatspolitischen Notwendigkeiten zum Ausdruck.“76 Bei vielen Maßnahmen der „Arbeitsschlacht“ fielen den Arbeitsämtern auf Grund ihrer Kenntnisse der wirtschaftlichen und sozialen Situation ihrer Bezirke und der jeweiligen finanziellen und sozialpolitischen Bedingungen der verschiedenen Programme vorbereitende, koordinierende, beaufsichtigende und zuweisende Funktionen zu. Unterdessen wurden parallel zur Entwicklung über die Vollbeschäftigung zum Arbeitskräftemangel die Interventionsbefugnisse der Arbeitsverwaltung Schritt für Schritt ausgebaut, womit diese nicht nur in die Freizügigkeit der Arbeitnehmer eingriff, sondern auch in die Dispositionsfreiheit der Arbeitgeber, deren Personalplanung zunehmend auf die Zustimmung der Arbeitsämter angewiesen war. Und bald beschränkten sich die Eingriffe nicht mehr nur auf die Verteilung und Lenkung der Arbeitsmarktströme, sondern erstreckten sich sukzessive auch auf die innerbetrieblichen Verhältnisse. „Die Möglichkeit, in bestehende Unternehmensverhältnisse einzugreifen, markierte den qualitativen Unterschied zwischen der Arbeitsverwaltung des ‚Dritten Reiches‘ und der Weimarer Republik.“77

75 Oberregierungsrat Dr. Letsch: Grundsätze des Arbeitseinsatzes und der Arbeitseinsatzpolitik, in: Willy Sommer (Hg.): Die Praxis des Arbeitsamtes. Eine Gemeinschaftsarbeit von Angehörigen der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Berlin 1939, S. 35–39, hier S. 35; ganz ähnlich Syrup: Arbeitseinsatz, S. 7; dazu auch Linne: Arbeitsvermittlung, S. 68 f.; Vergin: Arbeitseinsatzverwaltung, S. 76 ff. 76 Im Jahr 1942. Zit. nach Claudia Brunner: Arbeitslosigkeit im NS-Staat. Das Beispiel München, Pfaffenweiler 1997, S. 11 f.; s. dazu auch Dok. 8 in Kap. 1.3.3. 77 Marx: Verwaltung, S. 193.

66

Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

1.3.1 Die „Arbeitsschlacht“ I: Arbeitsbeschaffung Einführung Ein bedeutender Teil der seit 1933 durchgeführten Maßnahmen zum Abbau der Arbeits­ losigkeit wurde unter der Bezeichnung „Notstandsarbeiten“ unter maßgeblicher Mitwirkung der Reichsanstalt abgewickelt.78 Schon das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung von 1927 ergänzte die unterstützende Arbeitslosenfürsorge in der Arbeitslosenversicherung mit der werteschaffenden bzw. produktiven Arbeitslosenfürsorge, um den Arbeitslosen eine zeitlich befristete Beschäftigung zu ermöglichen und zugleich ihre Arbeitsfähigkeit und Arbeitsbereitschaft aufrechtzuerhalten. Unwilligen Leistungsempfängern drohte ein befristeter Entzug der Zahlungen. Mit dem Ziel, die Finanzmittel der Arbeitslosenversicherung statt für Unterstützungszahlungen möglichst produktiv einzusetzen, gewährte die Reichsanstalt Körperschaften des öffentlichen Rechts, v.a. Kreisen, Städten und Gemeinden, eine Grundförderung in Form verlorener Zuschüsse für Projekte zur Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur. Voraussetzung war, dass viel Menschen- und wenig Maschinenkraft eingesetzt wurde, dass die Maßnahmen „zusätzlich“ waren, also ohne Förderung nicht zustande kommen würden, und dass nur Arbeitslosen- und Krisenunterstützte aus der Arbeitslosenversicherung eingestellt wurden. Für anerkannte Wohlfahrtserwerbslose aus der kommunalen Fürsorge mussten die Fürsorgeämter die Grundförderung übernehmen. Diese sollte einerseits Anreiz sein zur Durchführung von Notstandsarbeiten und ein Ausgleich für Mehrkosten, die ihren Trägern durch die Minderleistungen berufsfremder Arbeitskräfte entstanden. Diese Arbeitskräfte wurden den mit der Durchführung beauftragten Unternehmen von den Arbeitsämtern zugewiesen, die darüber hinaus einen Großteil der anfallenden Verwaltungsarbeit erledigten. Denn in den Dienststellen der Reichsanstalt liefen die Informationen über die verschiedenen Programme zusammen. Darauf aufbauend, versuchten die Arbeitsämter, geeignete Träger zu gewinnen, die Projektierung der Maßnahmen zu unterstützen und die Antragsverfahren in Gang zu setzen. Die Landesarbeitsämter hatten die Förderungswürdigkeit der beantragten Maßnahmen zu prüfen. An dieser Organisationsstruktur änderten die Nationalsozialisten wenig  – mit der einen wichtigen Ausnahme, dass seit 1933 zur Freude der Kommunen die Reichsanstalt auch für Wohlfahrtsunterstützte die Grundförderung bezahlte. Auch deshalb schnellten die Zahlen der Notstandsarbeiter 1933 in die Höhe. Von 114.000 Ende April stiegen sie bis zu ihrem absoluten Höhepunkt im April 1934 auf 631.000, worunter sich knapp die Hälfte Wohlfahrtsunterstützte befanden. Auf den anschließenden steilen Rückgang folgten in den Wintern 1934/35 und 1935/36 nochmals Anstiege auf jeweils niedrigerem Niveau. Seit 1934 wurden die Finanzmittel sukzessive zusammengestrichen; 1936

78 S. ausführlich Humann: „Arbeitsschlacht“, S. 242–362; knapper Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 231 ff.

67

Von der Arbeitsbeschaffung zum Arbeitseinsatz



wurden im Jahresdurchschnitt nur noch 122.000 Notstandsarbeiter beschäftigt; im Jahr darauf nur noch ebenso viele wie im Vorkrisenjahr 1928.79 Wie vorgesehen, dominierten bei den von der Reichsanstalt geförderten Projekten handarbeitsintensive Bau- und Kultivierungsmaßnahmen, von denen nach Syrups Vermutung indessen nicht wenige weder zusätzlich noch gemeinnützig waren. Für viele Facharbeiter und das Heer weiblicher und männlicher Angestellter waren sie ohnehin ungeeignet. Und obwohl sich insgesamt die Arbeitsbeschaffung positiv auf die Akzeptanz des Regimes in der Bevölkerung auswirkte, gaben die Arbeitsbedingungen, die Entlohnung und die Unterbringung in Lagern vielerlei Anlass zu Kritik und Unzufriedenheit. 1] Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Bocholt und Dinslaken Bericht der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer Duisburg-Wesel an den NSDAP-Gauwirtschaftsberater in Essen, 3.11.1937 (Auszug) (RWWA, 20–1287–1) II: Stadtverwaltung Bocholt 1. Durchgeführte Arbeitsbeschaffungsmassnahmen: 1933/34

Bau einer Kläranlage und Erweiterung der Kanalisation Strassenbauten

rd. RM ” ”

400 000.– 20 000.–

1935

Strassenbauten

” ”

40 000.–

1935/36

Ausserordentliche Instandsetzung am Städt. Schlachthof

” ”

20 000.–

Strassenbauten und Kanalisation

” ”

23 000.–

Ausserordentliche Arbeiten an Volksschulen

” ”

30 000.–

Erweiterung und Umbau des Städt. Schlachthofes

” ”

250 000.–

1936/37

Ausserordentliche Arbeiten und Ergänzungsarbeiten an den Volksschulen

” ”

65 000.–

Weiter hat sich die Stadt durch Gründung einer Wohnungsbaugesellschaft eingeschaltet, um den Wohnungsbau zu fördern, Bauprogramm bis jetzt

” ”

750 000.–

1937

” ”

113 000.–

Strassen- und Kanalbauten

2. Künftige Arbeitsbeschaffungsprojekte: Aufschliessung von Wohn-, Siedlungs- und Kulturgelände rd. RM 113 000.–. Dieses Projekt ist soweit vorbereitet, dass mit der Ausführung jetzt begonnen werden kann. 79 S. dazu auch die abweichenden, aber im Trend vergleichbaren Zahlen bei Dietmar Petzina, Werner Abelshauser, Anselm Faust: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch, Bd. III: Materialien zur Statistik des Deutschen Reiches 1914–1945, München 1978, S. 122.

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Als weiteres Projekt ist ein Strassenbauprogramm in Vorbereitung, welches auf etwa 2–3 Jahre verteilt werden soll. Kostenaufwand rd. RM 800.000.–. Ausserdem ist noch die Schaffung von Sportanlagen und einer Freibadeanstalt vorgesehen. Hierüber liegt ein geeignetes Projekt noch nicht vor. 3. Vorschläge: Umfangreiche Arbeitsmöglichkeiten können durch die Regulierung der Bocholter Aa geschaffen werden. Da hierfür die Stadt Bocholt nur zu einem kleinen Teil in Frage kommt, kann dieses Projekt von seiten der Stadt nicht nennenswert gefördert werden. Es sind jedoch Verhandlungen mit den zuständigen Stellen aufgenommen, um zunächst einmal die technischen Voraussetzungen über Ausarbeitung eines entsprechenden Projektes zu schaffen. III. Stadtverwaltung Dinslaken 1. durchgeführte Arbeitsbeschaffungsmassnahmen: Die Stadtverwaltung hat in den vergangenen Jahren wie auch in diesem Jahre ganz erhebliche Reparaturarbeiten an ihrem Gebäudebesitz durchführen lassen. In den Jahren 1933–1937 sind für diese Arbeiten im ganzen rd. RM 353 000.– aufgewendet worden und zwar von Jahr zu Jahr steigend. Es wurden für Reparaturarbeiten im Jahre 1933 RM 24 000.–, im Jahre 1937 RM 61 000.– verausgabt, sodass also eine Steigerung der Arbeitsmöglichkeit um ca. 80% erreicht wurde. Ferner kamen als Arbeitsbeschaffung noch folgende Bauten in Frage: Erweiterung eines Schulgebäudes RM 72 000.–, Bau von Garderobe- und Toilettenanlagen an der Badeanstalt RM 13 000.–, Baracken an der Berufsschule usw. Auch im Tiefbauwesen wurden wieder grössere Arbeiten durchgeführt. In den Jahren 1934–1937 wurden 2,320 km neue Strassen angelegt und 4,450 km Kanäle eingebaut. Durch diese Arbeiten flossen der Wirtschaft rd. RM 185 000.– für ­Materiallieferungen zu. Die jährlichen Ausgaben für Unterhaltung des Strassennetzes wurden von RM 50 000.– auf RM 63 000.–, in welcher Summe ein Betrag von RM 35 000.– für Strassen­neubauten nicht enthalten ist, erhöht. Der so zur Ausgabe stehende Betrag von RM 98 000.– kommt der Wirtschaft (Teerindustrie, Steinbrüche, Zementrohrfabriken und Fuhrunternehmerschaft) zugute. 2] Der Nutzen von Notstandsarbeiten Bericht des Landrats des Kreises Recklinghausen an den Regierungspräsidenten in Münster, 27.7.1934 (Auszug) (LAV NRW W, K 001–6918) 4.) Der Einfluß der Notstandsarbeiten auf den Arbeitsmarkt Durch die Ableistung von bisher rund 600 000 Tagewerken sind bis zum 15. Juli ds. Js. insgesamt 4 573 Arbeitslose in Notstandsarbeiten vermittelt worden. Zeitweilig wurden bei etwa 80 Arbeitsstellen rund 3 000 Notstandsarbeiter auf einmal beschäftigt. Welche



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Bedeutung die vom Kreise durchgeführten Notstandsarbeiten in arbeitsmarktpolitischer Hinsicht haben, zeigt die Tatsache, daß bis zum 1. Mai ds. Js. mehr Notstandsarbeiter beschäftigt als seit dem 1. Januar 1933 von den Arbeitsämtern im Bezirke des Landkreises Recklinghausen in freie Arbeit untergebracht wurden. Erst vom 1. Mai ds. Js. ab, als bei dem damals auftretenden Mangel an Tagewerken keine neuen Wohlfahrtserwerbslosen mehr in Notstandsarbeiten vermittelt werden konnten (diese Schwierigkeit ist heute jedoch behoben, es stehen rund 600.000 neue Tagewerke zur Verfügung) ist die Zahl der von den Arbeitsämtern in freie Arbeit vermittelten Erwerbslosen um ein geringes größer geworden als die bisher in Notstandsarbeiten untergebrachten Fürsorgeempfänger. Bis zum 15. Juli ds. Js. wurden von insgesamt 17.085 Erwerbslosen (Stand am 1.1.1933) 4.573 in Notstandsarbeiten und 4.993 von den Arbeitsämtern in sonstige freie Arbeit vermittelt. In diesen Zahlen zeigt sich die große Bedeutung der vom Kreise durchgeführten und geplanten Notstandsarbeiten. Nur hierdurch ist es möglich geworden, die Zahl der Erwerbslosen seit dem 1. Januar 1933 über 50% zu senken. Unverkennbar schaffen die Notstandsarbeiter aber auch manche Arbeitsplätze, die im freien Arbeitsverhältnis besetzt werden. So ist gerade der Verbrauch an Werkzeugen (Schaufeln, Spaten, Hacken usw.) derart groß geworden, daß die einschlägigen Geschäfte des Landkreises zeitweise völlig ausverkauft waren. Das hat natürlich belebend auf die Kleineisenindustrie gewirkt und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze beigetragen. Durch die Vergebung großer Aufträge an die Großeisenindustrie und den Baumaterialiengroßhandel in die Nachbargroßstädte für den Bau der in Verbindung und als Folge der Notstandsarbeiten notwendigen Brückenbauten und sonstigen Arbeiten hat der Kreis zur Belebung der Wirtschaft auch außerhalb seines Bezirks beigetragen. Hieraus erklärt sich auch z.T. die Abneigung der Großstädte, selbst Notstandsarbeiten durchzuführen, weil sie durch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Nachbarbezirke eine erhebliche Belebung der in ihren Bezirken vorhandenen Industrien und damit eine merkliche Verringerung der Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen ohne eigenes Zutun verzeichnen können. Wenn von den Großstädten vorgebracht wird, daß die Ausführung von Notstandsarbeiten durch Landkreise und kleinere Städte unter Inanspruchnahme der ersparten Unterstützung eine Schmälerung der Mittel des Ausgleichsfonds herbeiführe und somit für sie eine Schmälerung in der Form bedeute, daß weniger Staatsbeihilfen ausgeschüttet werden könnten, so muß dem entgegen gehalten werden, daß die Entlastung des Arbeitsmarktes durch die Notstandsarbeiten auch eine Entlastung des Fürsorgehaushalts der Großstädte auf die Dauer und mindestens in der Höhe des vermeintlichen Ausfalls an Staatsbeihilfen bringen muß. 5.) Die Belebung der Wirtschaft durch die Ausführung von Notstandsarbeiten. Die Notstandsarbeiter im Kreise haben durch eine hier erstmalig eingeführte soziale Staffelung der Löhne durchweg einen höheren Lohn als die bisherige Unterstützung. Dieser Lohn ist dem heimischen Gewerbe restlos zugeflossen und hat nachweisbar eine nicht unerhebliche Steigerung des Umsatzes zur Folge gehabt. Von der Reichsanstalt sind bis zum 25. ds. Mts. 1.616.000 RM an Grundförderung in den Kreis geflossen. Diese

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Summe ist im Kreise zusätzlich ausgegeben. Hinzu kommen die sonstigen nicht unerheblichen zusätzlichen Kosten, die von den Trägern der Maßnahmen aufzubringen waren, von denen gleichfalls ein großer Teil im Landkreis geblieben ist. 6.) Die finanziellen Auswirkungen der Notstandsarbeiten auf den Fürsorgehaushalt des Kreises und seiner Gemeinden. Durch die bereits ausgeführten Notstandsarbeiten sind schon jetzt aus der gemeindlichen Fürsorge rund 2 000 anerkannte Wohlfahrtserwerbslose ausgeschieden. Da seit dem 1.4.1933 die Krisenunterstützung nicht mehr befristet ist, ist ein neuer Zugang an Wohlfahrtserwerbslosen nicht mehr zu erwarten. Die mit der Anwartschaft auf die Alu entlassenen Notstandsarbeiter scheiden daher aus der gemeindlichen Fürsorge endgültig aus.80 Auch unter Berücksichtigung des Fortfalls der Reichsfürsorgedotation ist durch das Ausscheiden dieser Leute schon jetzt eine dauernde monatliche Entlastung des Fürsorgehaushalts um mindestens 90.000 RM eingetreten. Zur Zeit befinden sich noch rund 1 300 Fürsorgeempfänger in Notstandsarbeiten. Die Anwartschaft auf den Bezug von Alu wird von allen bis spätestens zum 1. November ds. Js. erworben sein. Sie würden dann gleichfalls den Fürsorgehaushalt nicht mehr belasten. Vom Standpunkt des Gemeindehaushalts aus betrachtet werden die für den Zeitraum der Beschäftigung als Notstandsarbeiter gezahlten ersparten Unterstützungsbeträge und der Wegfall der Reichsfürsorgedotation durch die zukünftige Entlastung mehrfach aufgewogen. 3] Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme „Rurtalsperre Schwammenauel“ Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland an die Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten81, 9.3.1934 (LAV NRW R, BR 5–16882) Betrifft: Drittes Arbeitsbeschaffungsprogramm; hier: Antrag der Rurtalsperrengenossenschaft m.b.H. vom 28. Februar 1934 betreffend „Bau einer Rurtalsperre bei Schwammenauel im Landkreis Schleiden“. Die vorbezeichnete Gesellschaft beantragt zur Durchführung des genannten Vorhabens Mittel des dritten Arbeitsbeschaffungsprogramms, und zwar ein Darlehn in Höhe von 5 200 000.– RM und eine Grundförderung von 3 750 000.– RM. Die Gesamtkosten betragen 12 525 000.– RM und verteilen sich im einzelnen auf: 80 Notstandsarbeiter, die zuvor wegen Ablaufs des Unterstützungszeitraums aus der Arbeitslosenversicherung „ausgesteuert“ worden waren, erwarben sich durch die Teilnahme an Notstandsarbeiten eine erneute Anwartschaft auf Versicherungsleistungen. 81 Die 1930 gegründete, im Besitz des Reiches befindliche Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten AG (Öffa) hatte die Aufgabe, über die Grundförderung der Reichsanstalt hinausgehende Darlehen für Arbeitsbeschaffungsprojekte aufzubringen, indem sie Anleihen im In- und Ausland aufnahm.



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Grunderwerb 2 500 000.– RM Planung, Bauleitung usw. 380 000.– RM Material 2 500 000.– RM Löhne 7 145 000.– RM. Es werden auf der Baustelle insgesamt 1 388 000 Tagewerke erwartet, womit die Beschäftigung von etwa 1800 Arbeitskräften auf die Dauer von 3 Jahren ermöglicht würde. Der Anteil der Lieferindustrie an den Arbeiten ist mit 300 000 mittelbar anfallenden Tagewerken beziffert.[…] Die arbeitsmarktpolitische Bedeutung des Vorhabens ist erheblich. Rein zahlenmässig gesehen ist zunächst augenfällig, daß der Anteil der Löhne an den Gesamtkosten erheblich überwiegt und rd. 69 vH. der bereinigten Gesamtkosten ausmacht. Die Arbeitsintensität des Vorhabens ist daher bedeutend und die Mittel dürften auf diese Weise in erster Linie zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im engeren Baubezirk Verwendung finden. Die Arbeitskräfte wären aus verschiedenen Arbeitsamtsbezirken zu entnehmen; in erster Linie aus dem Bezirk Aachen, daneben auch aus den Bezirken Euskirchen, Erkelenz und Düren. Die Arbeitslosigkeit des Bezirkes Aachen ist aus nachstehenden Zahlen ersichtlich. Am 1.Februar 1934 wurden insgesamt 17 410 Arbeitslose gezählt, von denen 14 685 in Unterstützung standen, und zwar in Alu 1630, Kru 7754 und Wohlu 5301. Auf 1000 Einwohner entfallen hiernach 65,1 Arbeitslose (der Reichsdurchschnitt beträgt 60,5, der Rheinlanddurchschnitt 70,7). Es überwiegen hierbei die langfristig Erwerbslosen, wie in dem hohen Anteil der Krisen- und Wohlfahrtsunterstützten zum Ausdruck kommt. Daneben ist auch in den Bezirken Euskirchen, Erkelenz und Düren eine grössere Anzahl von Erwerbslosen zu verzeichnen. Eine Entlastung des Aachener Bezirks in dem wünschenswerten Umfange konnte trotz verschiedener zusätzlicher Arbeiten noch nicht erzielt werden. […] Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass dem Aachener Bezirk als Grenzgebiet besondere Aufgaben erwachsen, die eine bevorzugte Berücksichtigung dieses Bezirks bedingen. Ich sehe daher in der Bereitstellung von Mitteln zur Entlastung dieses Bezirkes eine vordringliche Aufgabe und messe unter diesem Gesichtspunkt dem gegenwärtigen Vorhaben ganz besondere Bedeutung bei. Aus den dargelegten Gründen befürworte ich grundsätzlich den gegenwärtigen Antrag der Rurtalsperren GmbH. auf Bereitstellung von Darlehnsmitteln. Arbeitsamt Aachen: Nachtrag zu den Richtlinien für die Durchführung der Maßnahme „Bau einer Rurtalsperre in Schwammenauel“, 13.9.1934 (Auszug) (LAV NRW R, BR 5–16882) Arbeitsverweigerung. Die überaus grosse Zahl grundloser Arbeitsverweigerungen bei den zuständigen Vermittlungsstellen und auf der Baustelle gibt Veranlassung, dass mit den schärfsten Mitteln gegen die Saboteure der Aufbauarbeit der Reichsregierung vorgegangen wird. In Erkenntnis dieser Sachlage haben der Herr Regierungspräsident in Aachen und die Herren Landräte in Aachen und Düren in der am 10.9.1934 stattgehabten Sitzung die weitgehendste Mitarbeit zur Bekämpfung der Sabotage der Notstandsarbeiter zugesagt.

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Bei der Einweisung sind die Notstandarbeiter nachdrücklichst auf die Rechtsfolgen der Arbeitsverweigerung hinzuweisen. Sollten bei Vornahme der Einweisung die Notstandarbeiter die Arbeitsaufnahme aus nicht berechtigten Gründen verweigern, so sind die Vermittlungs- und Nebenstellen der beteiligten Arbeitsämter gehalten diese Personen der Abteilung IIIb (Arbeitsbeschaffung) beim Arbeitsamt in Aachen gemäß beiliegendem Vordruck bekanntzugeben. Nach Eingang des Vordruckes wird die Abteilung IIIb beim Arbeitsamt in Aachen die zuständigen Bezirksfürsorgeverbände entsprechend verständigen unter gleichzeitiger Absendung einer Durchschrift an den Herrn Regierungspräsidenten in Aachen, der die Überwachung der Rechtsfolgemassnahmen vornehmen wird. Merkblatt für die zum Talsperrenbau in Schwammenauel einzuweisenden Notstandarbeiter. Die zum Talsperrenbau in Schwammenauel einzuweisenden Notstandsarbeiter sind verpflichtet, zum Arbeitsantritt folgende Arbeitsgeräte und Arbeitspapiere mitzubringen: 1.) Arbeitsgeräte: 1 Schaufel 2.) Arbeitspapiere: Steuerkarte und Invalidenkarte82 3.) Sonstiges: Essgeschirr (Messer-Gabel-Löffel-Essnapf bezw. Teller) Gegenstände zur persönlichen Körperpflege (Seife und Bürste pp.) Bettwäsche und Handtücher werden durch die Bauleitung gestellt. ------------------------------------Rechtsfolgen bei Arbeitsverweigerung: § 90 AVAVG. Wer sich ohne berechtigten Grund trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine Arbeit anzunehmen oder anzutreten, auch wenn sie ausserhalb seines Wohnorts zu verrichten ist, erhält für sechs Wochen keine Arbeitslosenunterstützung. Bei Notstandsarbeitern aus der Wohlfahrtsfürsorge wird bei Arbeitsverweigerung die Hauptunterstützung gemäss den Bestimmungen des Bezirksfürsorgeverbandes ebenfalls für 4 Wochen gesperrt. Arbeitsamt Aachen Anlage zum Bericht der Reichsbetriebsgemeinschaft Bau der Deutschen Arbeitsfront, Bezirk Rheinland, an den Treuhänder der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Rheinland, 12.9.1934 (Auszug) (LAV NRW R, BR 5–16882) Auf Grund der uns bisher zu Ohren gekommenen Klagen der Gefolgschaft der Talsperrenbaustelle in Schwammenauel b/Heimbach Kreis Schleiden, wurde diese mehrmals 82 Versicherungskarte der Rentenversicherung, mit der durch Einkleben von Marken die regelmäßigen Beitragszahlungen nachgewiesen wurden.



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von der Reichsbetriebsgemeinschaft BAU, Bezirk Rheinland, einer genauen und eingehenden Besichtigung unterzogen. Das Ergebnis war niederschmetternd und die Klagen der Gefolgschaft absolut berechtigt. Eine Schilderung der Verhältnisse klingt für jeden Fernstehenden unglaublich, und nur eine persönliche Besichtigung kann die Wahrheit nachstehender Ausführungen bekräftigen. Beschwerden der Gefolgschaft sowie Resultat unserer Untersuchung: Alle Arbeitskameraden werden gezwungen und angehalten, in dem in der Nähe der Baustelle gelegenen Waldlager zu schlafen und ihre gesamte Verpflegung aus der eingerichteten Kantine zu beziehen. Die Unkosten für die Verpflegung sind als ganz enorm anzusehen, und entsprechen in keiner Weise dem Gebotenen. […] Zu Punkt 1: Das Frühstück besteht aus 1 Pfd. trockenen Brot sowie 1 Doppelschnitte geschmiert und 100 gr. Wurst. Es wurde uns gemeldet und bestätigt, dass teilweise verschimmeltes Brot zur Ausgabe gelangte und die Wurst nicht einwandfrei war. […] Zu Punkt 2: Das von der Kantine gelieferte Mittagsessen kostet 0.65 Pfg., vorausgesetzt, dass dieser Aufwand für den Arbeitskameraden tragbar sei – was könnte für diesen Preis bei Massenauflage geboten werden. – Weit gefehlt! Die Kartoffeln sollen in halbgarem Zustand ausgegeben werden. Gemüse wird schlecht gereinigt und abgekocht. Es soll schon Milben und Maden als Beigabe enthalten haben. Fett ist ein rarer ­Artikel und nicht nachweisbar, da selbst beim Abwaschen mit kaltem Wasser das Geschirr restlos gereinigt ist. Als wir dieserhalb unseren Unwillen kundgaben, wurde uns zur Antwort gegeben, früher hätte man das Essen fettreicher gekocht, sei aber davon abgekommen, weil dadurch zu viele Leute an Magen- und Darmkatarrh erkrankt seien. Die Fleischportionen haben in letzter Zeit immer mehr an Gewicht und Größe eingebüßt und werden sehr oft durch einen Rollmops ersetzt. Man stelle sich vor: H ü l s e n f r u c h t s u p p e m i t R o l l m o p s f ü r e i n e n s c h w e r a r b e i t e n d e n M e n s c h e n . […] Zu Punkt 3: Abendessen soll eine noch weiter verdünnte Auflage der Mittagsuppe darstellen und kostet, wie schon erwähnt, auf Essenkarte 0.15.Mk. Sollte der Volksgenosse jedoch zur Füllung seines leeren Magens einer weiteren Portion bedürfen, so wird diese nur mit einem 100%igen Aufschlag, als für 0.30 Pfg. verabreicht. Selbstkochen von Suppen soll durch die Lagerverwaltung mit Umwerfen des Kochgeschirrs geahndet worden sein. Baracken und Betten sowie die übrigen Einrichtungsgegenstände müssen als gut bezeichnet werden. Lediglich dass Wechseln der Bettwäsche gibt zu Klagen Veranlassung. Von einem Vertreter der ausführenden Firma, einem S.A.-Obertruppführer, wurde behauptet, die Wäsche würde alle acht Tage gewechselt.– Dem ist aber nicht so, denn auf Umfrage wurde uns durch die Wäschereifirma bestätigt, dass der Bettwäschenwechsel alle 3–4 Wochen vorgenommen wird. […]

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Vor einiger Zeit war ein Teil der Belegschaft, es handelte sich um eine grössere Anzahl, (grösstenteils keine Berufsbauarbeiter, sondern Musiker, Kellner, Schneider und dergl.) infolge der schlechten Ernährung, ½ Stunde vor Arbeitsschluss bis zum Zusammenbruch so entkräftet, dass sie nicht mehr arbeiten konnten und dieses auch ihrem Meister meldeten. – Die Folge war, dass alle hierbei in Frage kommenden Volksgenossen wegen Arbeitsverweigerung fristlos entlassen wurden, und dadurch erst nach längerer Wartezeit Unterstützung erhalten. – Hier tut Abhilfe allerschnellstens not. Lagebericht der Gestapostelle Aachen für September 1934 (Auszug) (LAV NRW R, BR 1–1024, Bl. 138–191; abgedr. in: Anselm Faust u.a. (Bearb.): Lageberichte rheinischer Gestapostellen, Bd. 1: 1934, Düsseldorf 2012, S. 391–409.) Als besonderes Angriffsziel hat sich die kommunistische Propaganda offenbar das z.Zt. mit 900 Arbeitern belegte Barackenlager des Rurtalsperrenbaues bei Schwammenauel ausgesucht. Obgleich die Unterbringung als ausgezeichnet bezeichnet werden muss und auch die Verpflegung durchweg gut ist, hat sie es unter Ausnutzung bei einem derartigen Unternehmen immer vorkommender kleiner Mängel, die sich verständlicherweise besonders im Anfang zeigen, verstanden, sowohl im Lager selbst als auch im benachbarten Ausland und unter der Arbeiterschaft des Bezirks die Verhältnisse im Lager und an der Baustelle als katastrophal hinzustellen. Durch Zusammenarbeit zwischen den wirtschaftlich und politisch interessierten Stellen der Behörden sowohl als auch der Bewegung und den zuständigen politischen Organen sowie durch Ausmerzung der festgestellten übelsten asozialen Elemente ist es gelungen, eine Besserung der Situation zu erreichen. Es muss jedoch damit gerechnet werden, dass die Baustelle Schwammenauel, die im kommenden Jahre auf 3000 Arbeiter gebracht werden soll, während der vorgesehenen 3-jährigen Bauzeit fortlaufend nachdrücklichen Versuchen staatsfeindlicher Propaganda ausgesetzt sein wird. Sicherlich spielen dabei eine grosse Rolle der Umstand, dass im Kreise Schleiden, in welchem die Baustelle liegt, der tarifliche Stundenlohn 0,53 RM. beträgt, während der weit überwiegende Teil der Arbeiter aus Kreisen kommt, in welchen ein Tarif von 0,61 RM. gilt und dementsprechend hohe Unterstützungssätze gezahlt werden, sowie die Tatsache, dass insbesondere die Wohlfahrtsempfänger, die Familienväter sind, aus ihrem zwar kärglichen, aber im Laufe der Zeit eingespielten Leben eines Wohlfahrtsunterstützungsempfängers herausgerissen und von ihrer Familie, von Schrebergarten pp. getrennt werden. Unter Abwägung aller Möglichkeiten ist inzwischen versucht worden, die dem Arbeiter möglichst günstigste Arbeitszeiteinteilung herauszufinden. Die Einkommensberechnung war ursprünglich darauf abgestellt, dass der bisherige Unterstützungsempfänger neben dem Tariflohn in Höhe von 0,53 RM. je Stunde so viel an Zuschüssen der Genossenschaft in Gestalt von Verpflegungsscheinen und Fahrtkostenzuschuss sowie an Zuschüssen der Bezirksfürsorgeverbände (bezw. für Alu- und Kru-Empfänger Familienzuschläge durch das Arbeitsamt) erhalten sollte, dass er unter Ableistung von vierzig Wochenarbeitsstunden an 4 Tagen mit je 10 Stunden Arbeitszeit nach Abzug aller Kosten für Unterbringung, Verpflegung und Fahrt rund 2.– RM. wöchentlich mehr an Bargeld



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nach Hause bringen sollte, als er bisher Unterstützung erhielt. Bei den Unverheirateten ergab sich auch ohne Zuschüsse ein wöchentlicher Mehrverdienst von über 5.– RM. bei der vorgesehenen Arbeitszeitregelung. Die Ableistung der Vierzig-Stunden-Woche an 4 Tagen erwies sich jedoch als zunächst nicht durchführbar. Es wurde vielmehr erst an 5 Tagen je 8 Stunden, dann an 6 Tagen je 6 2/3 Stunden gearbeitet. Dabei sank der Barlohn fast durchweg – ausser bei den Ledigen – erheblich unter die Fürsorgesätze. Seit dem 17. ds. Mts. werden nun 120 Stunden bei 12-tägiger Arbeit zu je 10 Stunden in zwei Wochen und einer folgenden Freiwoche abgeleistet. Ausserdem ist vom gleichen Zeitpunkt ab noch die Zahl der Verpflegungsscheine vermehrt worden, so dass sich nunmehr sehr viel günstigere Einkommensverhältnisse ergeben und die Arbeiter nach Abzug ihrer Verpflegungs- und Unterkunftskosten auf der Baustelle immer noch wöchentlich 2.20 bis 3.– RM. über dem Unterstützungssatz ausgezahlt bekommen. […] Stellungnahme des NSDAP-Kreisleiters von Schleiden, Franz Binz, zu einem Bericht des Wuppertaler Verwaltungsangestellten Schenk über die Zustände im Arbeitsdienstlager Schwammenauel, 17.3.1937 (LAV NRW R, BR 5–16881) Der Herr Schenk vergisst, daß das Lager in den Jahren 1934/36 zu 90% von Menschen belegt war, die Gegner der nationalsozialistischen Idee und des Staates waren und vor der Machtübernahme zum größten Teil aktiv diese Gegnerschaft bewiesen haben. Diese Menschen wollten garnicht nach Schwammenauel teils aus politischen Gründen, teils, weil sie zu der festgesetzten Entlohnung nicht arbeiten wollten. Als Berufsschmuggler hatten sie zum großen Teil in einigen Stunden manchmal mehr „verdient“, als hier in der ganzen Woche. Der Lohn, der ihnen nach Abzug der Verpflegungs- und sonstigen Unkosten verblieb, lag zum Teil weit unter dem Wohlu.–Satz. Da der Lohn trotz größtem Entgegenkommen der beteiligten Stellen zunächst nicht zu verbessern war, mußten die Aufenthaltsräume entsprechend eingerichtet werden und die Verpflegung so gut wie möglich sein. Ich glaube wohl sagen zu dürfen, daß die Baracken im Lager Schwammenauel in jeder Beziehung als wirklich vorbildlich anzusprechen sind, ebenfalls die Einrichtungen des Kantinen- und Küchenbetriebs. Die Verpflegung, für die der Betrag von täglich 1.26 Rm.– festgesetzt war, hielt in den ersten Monaten jeder Prüfung stand – sie war ausgezeichnet. Die berufsmäßigen politischen Hetzer, die natürlich jede Gelegenheit benutzten, um zu stänkern, verstanden es einige Male „Unzufriedenheit“ zu organisieren. Die seinerzeitige Wahl des Führers nach dem Tode Hindenburgs83 war die politische Veranlassung zu einigen Mätzchen. 83 Nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg am 2.8.1933 wurden mittels Volksabstimmung am 19.8.1933 die Ämter des Reichpräsidenten und des Reichskanzlers vereinigt.

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Die Sender Luxemburg und Straßburg meldeten die Unzufriedenheit auf der „Hölle Schwammenauel“. Ich habe diese Verhältnisse nicht durch salbungsvolle Ermahnungen, wie es vielleicht der Herr Schenk getan hätte, geändert, sondern ich habe die Arbeiter zuerst daran erinnert, daß die NSDAP nicht um die Verhältnisse, die geändert werden mußten, herumgeht, um sie nicht zu sehen, sondern sie nach Möglichkeit bessern werde. Aber die Voraussetzung dafür sei, daß die Hetzereien aufhörten und daß ich nunmehr rücksichtslos gegen die Hetzer als die politischen Gegner vorgehen werde. Einige energische Zugriffe durch die Stapo gaben meinen Ausführungen, die ich an alle Belegschaftsmitglieder richtete, den rechten Nachdruck und die Baustelle war „in Ordnung“. Nachdem kurz darauf durch die Zuschüsse der NSV die Abzüge für die Übernachtung und Verpflegung sehr gemildert wurden, war die „Hölle Schwammenauel“ eine Arbeitsstätte mit in jeder Beziehung zufriedenen Arbeitern. […] 4] „Besondere Förderungsmaßnahmen sind dringend erforderlich“ Schreiben des Regierungspräsidenten in Aachen an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz, 11.3.1937 (LAV NRW R, BR 5–16930) Wiederholt ist von mir und meinen Sachbearbeitern darauf hingewiesen worden, daß gerade für den Aachener Grenzbezirk auch im Jahre 1937 besondere Förderungsmaßnahmen für Notstandsarbeiten dringend erforderlich sind. Eine Fortführung der Sonderaktion für die Grenzgebiete oder eine entsprechende Unterstützung von Notstandsmaßnahmen in diesen Bezirken ist aber nach meiner Kenntnis noch nicht gesichert. Da zurzeit beinahe täglich Anträge auf Unterstützung großer öffentlicher Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei mir eingehen, aus deren Begründung die zwingende Notwendigkeit solcher Arbeiten hervorgeht, bitte ich dringend, sich dafür einsetzen zu wollen, daß recht bald eine Entscheidung über eine umfassende Förderung von Arbeiten in den Notstandsgebieten, insbesondere den Grenzbezirken, erfolgt. […] Lediglich bezüglich der Wohlfahrtserwerbslosen entsprechen die Zahlen im Regierungsbezirk Aachen fast genau dem Reichsdurchschnitt. Die Senkung der Ziffer der Wohlfahrtserwerbslosen von rd. 27 zur Zeit der Machtübernahme auf 2,8 je 1000 Einw. Ende Februar 1937 ist durch die zahlreichen, großen, mit sehr erheblicher Unterstützung aus Reichs- und Staatsmitteln durchgeführten Notstandsarbeiten erreicht worden. Diese Maßnahmen sind zum großen Teil abgeschlossen. Falls keine weiteren neuen großen Arbeiten in Angriff genommen werden können, ist ein Wiederansteigen der Erwerbslosigkeit unvermeidlich, selbst dann, wenn die Verschickung von Facharbeitern aus dem Aachener Bezirk in des Binnenland in noch größerem Umfange als bisher erfolgt. Daß ein solcher verstärkter Abzug von Facharbeitern grenzpolitisch recht bedenklich ist, be-



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darf keiner näheren Darlegung. Andererseits können die geplanten Notstandsmaßnahmen weit über den unmittelbaren arbeitspolitischen Erfolg hinaus in erheblichem Masse zur wirtschaftlichen Festigung des Grenzgebietes beitragen. Im Süden wie im Norden des Bezirks steht der Neugewinnung von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, ferner der Bau von Wirtschaftswegen und Verkehrsstrassen im Vordergrund. Die sorgsame Nachprüfung der evtl. Möglichkeiten, im Rahmen des Vierjahresplan früher hier blühende Industrien wieder zu beleben oder neue gewerbliche Unternehmungen zu errichten, hat in den meisten Fällen zu einem negativen Ergebnis geführt. Auch die Arbeiten im Rahmen des Vierjahresplans sind daher hier im wesentlichen auf Verbesserung der landwirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen. Dazu kommen im Südteil des Bezirkes, im armen Eifelgebiet, Maßnahmen zur Belebung des Fremdenverkehrs, der hier in den letzten Jahren steigende wirtschaftliche Bedeutung erhalten hat. Im Norden des Bezirks sind weite Landstrecken versumpft und können durch Rodung und Dränung in fruchtbares Ackerland umgewandelt werden, in Süden sind neben Ödlandkultivierungen Aufforstungen und Wirtschaftswegebauten in großem Umfange erforderlich. In allen Gebieten gleich notwendig sind Wasserleitungsbauten zur Sicherung, Festigung und Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Erzeugung, insbesondere des Viehstandes. […] 5] Erprobung des Arbeitswillens durch Notstandsarbeit Schreiben des Regierungspräsidenten in Köln an den Landrat in Schleiden, August 1937 (Abschrift) (LAV NRW R, BR 5–16848) Betrifft: Unterbringung Kölner Notstandsarbeiter im Kreis Schleiden Am 27.7.37 hat im Landratsamt Schleiden eine Besprechung stattgefunden, in der u.a die Unterbringung Kölner Notstandsarbeiter bei den aus S-Mitteln84 geförderten Massnahmen Nettersheim, Freilingen, Ahrdorf, Schmidtheim und Flatten erörtert wurde. Dabei soll zur Bedingung gemacht sein, dass ausschliesslich volleinsatzfähige Leute für den Einsatz in Betracht kämen. Diese Auffassung trägt den für den Einsatz von S-Mitteln in erster Linie entscheidenden arbeitspolitischen Gesichtspunkten keine Rechnung. Der grosse Block großstädtischer Erwerbsloser besteht aus solchen Leuten, die infolge vieljähriger Erwerbslosigkeit das Zutrauen zu ihrer eigenen Arbeitsfähigkeit mehr oder minder verloren haben und infolgedessen als subjektiv nicht volleinsatzfähig angesehen werden können Die Arbeitsbeschaffungsmassnahmen müssen deshalb zum Ziel haben, dass namentlich auch der nichtanerkannte Wohlfahrtserwerbslose wieder daran gewöhnt wird, dass er seinen 84 Sondermittel für Not- und Grenzgebiete. Humann: „Arbeitsschlacht“, S. 281 f.

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Lebensunterhalt durch eigene Arbeit selbständig verdienen kann. Die sofortige Vermittlung in freie Arbeit führt naturgemäss zu Schwierigkeiten, da das privat-wirtschaftliche Unternehmen im allgemeinen nicht bereit ist und sein kann, den Betreffenden eine gewisse Anlaufzeit zu gewähren, in der sie wieder bis zur vollen Arbeitsfähigkeit durchdringen. Es ist deshalb die besondere Aufgabe der öffentlichen Arbeitsbeschaffungsmassnahmen, den Übergang für die freie Arbeit zu schaffen. Infolgedessen ist Ihr Standpunkt, Herr Landrat, von Gesamtüberblick aus nicht haltbar. Es kommt noch hinzu, dass die jetzt noch verbliebenen großstädtischen Erwerbslosen infolge der verhältnismässig geringen Möglichkeit einer wirksamen Kontrolle der Erprobung des Arbeitswillens besonders bedürfen, was nur dadurch geschehen kann, dass den zahlreichen Einwänden der Minderleistungsfähigkeit von vorneherein durch Anerkennung eines zunächst geringeren Tagewerkserfolges begegnet werden kann. Die in dieser Richtung im eigenen Regierungsbezirk gemachten Erfahrungen sind denkbar günstig. Bei dem Einsatz Stadtkölner Arbeiter sind dort etwa bis zur Hälfte der zum Einsatz gelangenden Wohlfahrtserwerbslosen sogleich nur mit 70% der normalen Tagewerksleistung angesetzt worden. Es hat sich herausgestellt, dass schon nach kurzem infolge des guten Geistes in den Kameradschaftslagern auch diejenigen, die durchaus nicht mehr voll arbeitsfähig zu sein glaubten, den Anschluss an das normale Pensum gefunden hatten. […] 6] Die Reste der werteschaffenden Arbeitslosenhilfe „Die Reste der werteschaffenden Arbeitslosenhilfe“, in: Kölnische Zeitung vom 8.6.1938. AD In den Krisenjahren und in der ersten Zeit des nationalsozialistischen Aufbauwerkes machten die Beträge, welche die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für die wertschaffende Arbeitslosenhilfe  – früher produktive Erwerbslosenfürsorge genannt  – auswarf, einen erheblichen Anteil an ihrer Haushaltsgebarung aus. Die Summen sind zusammengeschmolzen. […] Die Träger der wertschaffenden Arbeitslosenhilfe waren und sind in erster Linie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, auch Gebietskörperschaften wie Gemeinden und Gemeindeverbände. Die M a ß n a h m e n , die zusätzlich aus Mitteln der Reichsanstalt gefördert wurden, waren z u m e i s t s o l c h e d e r L a n d e s k u l t u r einschließlich des Wasserbaues. Alles stand aber vorwiegend im Zeichen der Arbeitsbeschaffung, das heißt der mehr oder weniger planmäßigen Beschäftigung von Arbeitslosen, unter Umständen einer nur zeitweiligen Beschäftigung, um die Menschen wieder in den Genuß der Arbeitslosenversicherung zu bringen. An die Stelle der öffentlichen Arbeitsbeschaffung auf beschränkter gebietsmäßiger Grundlage ist die z e n t r a l e ö f f e n t l i c h e A u f t r a g s e r t e i l u n g d u r c h d a s R e i c h getreten. Das heißt, die Dinge haben sich grundlegend geändert, nicht nur in der Form der Finanzierung, sondern auch in der Auswahl der Objekte. Der Anteil der Reichsanstalt an der Finanzierung



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wird demnächst wohl etwas zurücktreten, weil sie an die Rentenversicherung und an das Ehestandssondervermögen abführen muß. Wehrhaftmachung und Vierjahresplan sind Angelegenheit der Reichszentrale und vollziehen sich nach zentralem Ermessen. Sie haben in erster Linie die Bauwirtschaft und dann aber auch fast die g e s a m t e gewerbliche Wirtschaft gefördert. Wäre heutzutage nicht der Reichsarbeitsdienst, so bestünde in etwa die Gefahr, daß die Landeskulturarbeiten zurückgestellt würden. Bei den letzten großen Maßnahmen der wertschaffenden Arbeitslosenhilfe war es schon schwer, genügend Arbeitslose zu bekommen. Zünftige Tiefbauarbeiter waren kaum noch darunter. Diese Entwicklung scheint parallel gegangen zu sein mit dem Arbeitseinsatz bei den Autobahnen, von denen vor kurzem der Direktor des Arbeitsamtes München, Dr. Adam, in der „Sozialen Praxis“ aussagte, daß sie nur zum geringsten Teil von Tiefbauarbeitern, vielmehr fast ausschließlich von Bäckern, Friseuren, Kellnern, Schlossern und Angehörigen aller möglichen handwerklichen Berufe erbaut worden seien. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß der Ausbau des großdeutschen Wasserstraßennetzes doch wieder mehr Zünftige am Werk sehen muss, die dann anderswo frei zu machen wären, oder frei werden. D i e g e r i n g e n M i t t e l d e r w e r t s c h a f f e n d e n A r b e i t s l o s e n h i l f e werden h e u t e v o r n e h m l i c h i n d e n G r e n z g e b i e t e n eingesetzt, das heißt in jenen Landstrichen, die bei der Beachtung wehrwirtschaftlicher Gesichtspunkte heutzutage nicht so sehr industrieexpansiv gestaltet werden können. So sind auch für das Rechnungsjahr 1938 wieder Sondermittel für diese Grenzgebiete, zu denen sämtliche fünf rheinischen Regierungsbezirke85 gehören, ausgeworfen worden. Bemerkenswert ist, daß Arbeitskräfte, die bei staats- und wirtschaftspolitisch vordringlichen Maßnahmen außerhalb der Grenzgebiete oder auch in diesen selbst eingesetzt werden können, nicht herangezogen werden dürfen. Eine Ausnahme bildet lediglich der Einsatz bei landwirtschaftlichen Meliorationen. Im wesentlichen kommen Arbeitskräfte in Frage, die nicht verpflanzungsfähig oder nicht voll einsatzfähig sind. Es wird bei dem augenblicklichen Stand der Dinge nicht ganz einfach sein, die erforderlichen Arbeitskräfte angesichts der scharfen begrifflichen Begrenzung zu bekommen. Aber wir brauchen diese Betätigung aus ernährungswirtschaftlichen Gründen, und außerdem will das Deutsche Reich sein Grenzland nicht zum Glacis werden lassen. Es muss sich eine arbeitseinsatzmäßige Synthese zwischen diesen Notwendigkeiten einerseits sowie den Anforderungen der Reichsmitte und dem Drang dorthin anderseits finden lassen.

85 Aachen, Düsseldorf, Köln, Koblenz, Trier.

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1.3.2 Die „Arbeitsschlacht“ II: Begleitende Maßnahmen Einführung Die Arbeitsbeschaffung wurde von einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen flankiert, die zusätzliche Arbeitsgelegenheiten kreieren sollten, aber vor allem darauf angelegt waren, bestimmte Bevölkerungsgruppen aus dem Arbeitsmarkt (und aus der Arbeitslosenstatistik) herauszuziehen.86 Beide Ziele – sowie ein bevölkerungspolitisches – kamen bei den Ehestandsdarlehen zum Tragen, der neben den Notstandsarbeiten bekanntesten beschäftigungspolitischen Initiative zu Beginn des „Dritten Reiches“, bei der die Arbeitsämter aber nur eine Nebenrolle spielten.87 Die Kampagne gegen Doppelverdiener88 war keine Erfindung der Nationalsozialisten, nahm aber im Frühjahr 1933 mit Vorstößen von SA, DAF und der Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation (NSBO) Fahrt auf. Konkret ging es beim „unberechtigten Doppelverdienertum“ v.a. um berufstätige Frauen in einem Haushalt, in dem auch ein männliches Mitglied erwerbstätig war. Doch was ein „berechtigtes“ Einkommen war, war kaum zu bestimmen – allein schon, wenn man an die vielen NS-Funktionäre dachte, die gut besoldete Ämter im Partei- und im Staatsapparat zugleich bekleideten. An vielen Orten beteiligte sich die Arbeitsverwaltung an den Aktionen. Das Arbeitsamt Dortmund richtete eine „Amtliche Auskunftsstelle über Doppelverdienste“ ein, und das Arbeitsamt Detmold stellte einer „Kampforganisation“ Diensträume zur Verfügung.89 Im Herbst 1933 untersagte Syrup jedoch im Einvernehmen mit dem Reichsarbeits- und dem Reichswirtschaftsminister seinen Ämtern alle weiteren Eingriffe; sie dürften auch keine entsprechenden Aufrufe mehr verfassen oder mitunterzeichnen. Später schrieb Syrup, er halte den Kampf gegen das Doppelverdienertum insofern für unsozial, „als er den erhöhten Leistungswillen eines Menschen oder einer Familie bestraft, während der Doppelverdienst, der mit Kapitaleinnahmen verbunden ist, unberücksichtigt bleibt und aus Gründen der Kapitalbildung unberücksichtigt bleiben muss“90. Mit der Doppelverdienerkampagne vergleichbare Definitionsprobleme ergaben sich bei der bei den aktionistischen Teilen der NS-Bewegung ebenfalls populären Bekämp86 Dazu ausführlich Humann: „Arbeitsschlacht“; Kurzfassung ders.: Die „Arbeitsschlacht“ als Krisenüberwindung, in: Marc Buggeln, Michael Wildt (Hg.): Arbeit im Nationalsozialismus, München 2014, S. 71–86. 87 Wenn die Frau auf ihren Arbeitsplatz verzichtete (worüber die Arbeitsämter zu wachen hatten), erhielten junge Eheleute ein Darlehen über mehrere Hundert Reichsmark, das ihnen in Form von Gutscheinen ausgegeben wurde, die sie für den Kauf von Hausrat und Einrichtungsgegenständen verwenden konnten. Damit sollten Arbeitsplätze für Männer freigemacht und das Konsumgütergewerbe gefördert werden. Der bevölkerungspolitischen Intention der Maßnahme entsprechend konnten die Darlehen auch „abgekindert“ werden, indem für jedes Neugeborene ein Viertel des Darlehens erlassen wurde. 88 S. a. Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 254 f. 89 Humann: „Arbeitsschlacht“, S. 161 f., 167 f.; s. a. Kap. 1.2.1, Dok. 7. 90 Syrup: Arbeitseinsatz, S. 121.



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fung der Schwarzarbeit, die man begrifflich ins Ungefähre ausweitete.91 Ein Gesetzentwurf, der jedem Arbeitnehmer ein zweites Erwerbseinkommen untersagen wollte, blieb folglich im interministeriellen Abstimmungsverfahren hängen. Zwar waren auch diesmal Arbeitsämter bei vielen örtlichen Aktionen dabei, offenbar jedoch auf eigene Initiative, denn erneut untersagte Syrup im Einklang mit dem Reichsarbeits- und dem Reichswirtschaftsministerium jegliche Beteiligung.92 Die Landhilfe93 war die erste eigene beschäftigungspolitische Maßnahme des „Dritten Reiches“. Mit ihr sollte die großstädtische Erwerbslosigkeit gemindert und Jugendlichen die Möglichkeit zur Integration in das Arbeitsleben ermöglicht werden. Die Arbeitsämter vermittelten für eine Höchstdauer von einem Jahr geeignete Bewerber an einen Bauern, der einen zusätzlichen Bedarf angemeldet hatte und der sich verpflichten musste, den Jugendlichen in die Hausgemeinschaft aufzunehmen, ihn in die Landarbeit einzuführen und ihm eine Vergütung zu zahlen. Dafür erhielt er eine finanzielle Beihilfe. Der Andrang war zunächst groß. Bereits im ersten Jahr vermittelten die Arbeitsämter 270.000 Jugendliche. Die Landhilfe verlor aber schnell an Attraktivität, weil mit angelernten Städtern das Landarbeiterproblem nicht zu lösen war, außerdem zwei unterschiedliche Lebenswelten – eine großstädtische und eine bäuerliche – konfliktreich aufeinanderprallten und dann auch in Industrie und Handel bald wieder Arbeit zu finden war. Die Landhilfe wurde 1934 nur „bis auf weiteres“ verlängert und 1936 ganz eingestellt. Zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit hatte schon in den letzten Jahren der Weimarer Republik der von den verschiedensten Organisationen und Verbänden durchgeführte Freiwillige Arbeitsdienst (FAD) einen großen Zulauf erlebt.94 Er sollte jugendliche Arbeitslose von der Straße holen, in Lagern zusammenfassen und für höchstens 20 Wochen – mehr oder minder – sinnvoll beschäftigen. Er war jedoch nicht unumstritten, weil insbesondere rechte Organisationen ihn als Instrument der Wehrertüchtigung und als Vorstufe zu einer Arbeitsdienstpflicht betrachteten. Mit finanzieller Förderung durch die Reichsanstalt, die auch die Teilnehmer vermittelte, waren 1932 im Monatsdurchschnitt 122.000 Teilnehmer beschäftigt, ein Jahr später knapp 228.000. Seit Frühjahr 1933 verselbständigte sich der Arbeitsdienst und seit Januar 1934 waren die Arbeitsämter nur noch insoweit involviert, als sie die aus dem Dienst ausscheidenden Jugendlichen in reguläre Beschäftigungsverhältnisse vermittelten. Im Sommer 1935 wurde der FAD mit der Einführung der Arbeitsdienstpflicht für alle Jugendlichen 91 Aus Sicht der Sozialversicherung sind „Schwarzarbeiter“ Beschäftigte, die nicht bei der Versicherung angemeldet sind, und Sozialleistungsbezieher, die mehr als geringfügige Arbeit ausführen. Außerdem gilt als „Schwarzarbeit“, wenn ein zulassungspflichtiges Gewerbe ohne Genehmigung ausgeübt oder ein Erwerbseinkommen nicht versteuert wird. 92 Syrup: Arbeitseinsatz, S. 118, ohne Nennung eines Datums. 93 S. a. Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 63 f. 94 S. a. Henning Köhler: Arbeitsdienst in Deutschland. Pläne und Verwirklichungsformen bis zur Einführung der Arbeitsdienstpflicht im Jahre 1935, Berlin 1967; Wolfgang Benz: Vom freiwilligen Arbeitsdienst zur Arbeitsdienstpflicht, in: VfZ 16 (1968), S. 317–46; Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 61 ff.

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zwischen 18 und 25 Jahren in den von der Reichsanstalt völlig losgelösten Reichsarbeitsdienst umgewandelt.95 Zum Katalog der Maßnahmen, die die Arbeitsbeschaffung der Anfangsjahre des Regimes flankierten, rechnet auch die Kampagne zur Unterbringung „alter Kämpfer“, die propagandistisch eine gewisse Rolle spielte, tatsächlich aber weder die Arbeitslosigkeit verringerte noch neue Arbeitsplätze schuf.96 Die bevorzugte Vermittlung arbeitsloser Nationalsozialisten, die der Partei oder der SA bereits vor 1933 angehört hatten,97 war ein Versprechen der NSDAP-Führung, um dessen Einlösung sich gleich nach dem 30. Januar 1933 zahlreiche NS-Dienststellen bemühten, gegen die allerdings die Reichsanstalt ihren Alleinzuständigkeitsanspruch – unter Schwierigkeiten – durchsetzen konnte. Sie selbst stellte rd. 5000 Alt-Parteigenossen ein. 1] Arbeitsbeschaffung im Bezirk Herford Bericht des Arbeitsamtes Herford über die wirtschaftliche Entwicklung im Bezirk im August 1933, 7.9.1933 (LAV NRW OWL, M1 I G 493) Die Lage auf dem Herforder Arbeitsmarkt hat sich im Monat August weiterhin wesentlich gebessert. Von der Besserung wurden sämtliche Berufsgruppen erfasst. Die Aufwärtsentwicklung ist weniger auf saisonmässige und sonstige wirtschaftliche Einflüsse zurückzuführen, als vielmehr einer planmässigen Bewirtschaftung des Arbeitsmarktes. Die vom Arbeitsamt eingeleitete Aktion, die von der N.S.D.A.P. und der N.S.B.O. tatkräftig unterstützt wurde und an der sich ebenfalls die N.S.K.K. durch Stellung von Kraftfahrzeugen beteiligte, brachte den Erfolg, dass die Zahl der Arbeitslosen von 7.736 um 1.708 auf 6.028 zurückging. Die Aktion ist noch nicht zum Abschluss gekommen und auch der Erfolg wird sich rein zahlenmässig gesehen, noch in den nächsten Monaten auswirken. Bei der Aktion richtet das Arbeitsamt in erster Linie sein Augenmerk darauf, durch natürliche Arbeitsbeschaffung Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft zu erhalten, um sie mit verheirateten, männlichen Arbeitnehmern zu besetzen. Gleichzeitig wurden Massnahmen ergriffen, um unberechtigtes Doppelverdienertum auszuschalten, wodurch bis jetzt bereits über 200 Arbeitsplätze frei gemacht und mit Familienvätern, die bisher der öffentlichen Fürsorge anheimfielen, besetzt sind. Der Kampf gegen die Schwarzarbeit wird ebenfalls unnachsichtlich geführt, um so das Handwerk zu unterstützen und die Möglichkeit zu geben, auch seinerseits wieder mehr Arbeitskräfte zu beschäftigen. 95 „Reichsarbeitsdienstgesetz“, 26.2.1935, RGBl. I, S. 769. 96 Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 122 ff.; Humann: „Alte Kämpfer“. 97 Der bevorzugt zu vermittelnde Personenkreis wurde wiederholt neu umschrieben.



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Erfreulich ist, dass Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer das Arbeitsamt im Kampf gegen das Doppelverdienertum und gegen Schwarzarbeit tatkräftig unterstützen, selbst da, wo es für diesen oder jenen Betrieb Schwierigkeiten bringt. In der Haupt-Industrie des hiesigen Bezirks, der Tabak-Industrie brachte die Ausschaltung der Maschinen mit Kraftantrieb eine wesentliche Entlastung für den Arbeitsmarkt. Eine erhebliche Zahl gelernter Tabakarbeiter konnte dadurch wieder in den Produktionsprozess eingeschaltet werden. Wenn auch durch die Stillegung der Maschinen das Bedienungspersonal vorerst zur Entlassung gekommen ist, so ist doch damit zu rechnen, dass die frei gesetzten Kräfte mit der Zeit umgeschult werden und so in der Tabak-Industrie wieder unterkommen können. Aber auch auf die künstliche Arbeitsbeschaffung richtet das Arbeitsamt sein Augenmerk, um dadurch langfristige Arbeitslose wieder in den Arbeitsprozess einzureihen. Es handelt sich hier um Notstandsarbeiten gemäss §  139 AVAVG. In Rahmen dieser Arbeiten werden insbesondere landwirtschaftliche Meliorationen durchgeführt. Z.Zt. werden ca. 500 Arbeitslose bei derartigen Notstandsarbeiten beschäftigt, doch wird sich im Laufe der nächsten Monate die Zahl wesentlich erhöhen. Durch Schaffung einer gewissen Reserve an Notstandsarbeiten beabsichtigt das Arbeitsamt einen Ausgleich im Beschäftigungsgrad des Gesamtbezirkes zu erreichen, insbesondere um dadurch einen Teil der winterlichen Arbeitslosigkeit aufzufangen. […] 2] Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit in der Holzindustrie „Die westfälisch-lippische Möbelindustrie. Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung“, in: Rheinisch-Westfälische Zeitung vom 9.9.1933 (LAV NRW OWL, M1 IG 493) Herford, 7. September. Der Präsident des Landesarbeitsamtes Westfalen, Dr. Ordemann, hatte die führenden Vertreter der ostwestfälisch-lippischen Holzindustrie zu Besprechungen über Maßnahmen zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit in der Holzindustrie eingeladen. An den Verhandlungen nahmen Vertreter der Regierung, der Handelskammern, der Arbeitsämter, der Deutschen Arbeitsfront, der NSBO, des Deutschen Holzarbeiterverbandes, die beteiligten Landräte u.a.m. teil. Die Möbelindustrie im östlichen Westfalen und im Freistaat Lippe, die sich in der Nachkriegszeit gut entwickelt hat und die neben dem Tabak-, Bekleidungs- und Spinnstoffgewerbe der bedeutendste Wirtschaftszweig des Bezirks geworden ist, beschäftigt in rund 600 Groß- und Mittelbetrieben mit rund 15 000 Arbeitern rund 10 Prozent aller überhaupt beschäftigten Arbeitnehmer. Rund 60 Prozent des gesamten deutschen Küchenmöbelbedarfs und rund 50 Prozent des gesamten deutschen Schlafzimmerbedarfs werden von der westfälisch-lippischen Möbelindustrie gedeckt. Nach der Scheinkonjunktur der Jahre 27–29, in denen zahlreiche neue Betriebe entstanden und umfangreiche Betriebserweiterungen vorgenommen wurden, wirkte sich der Konjunk-

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turrückschlag gerade in der Möbelindustrie besonders stark aus. Seit 1930 sind zahlreiche Betriebe in Konkurs geraten und zum Erliegen gekommen. Davon wurden auch Tausende von Holzarbeitern betroffen. Ende August d.J. waren im Bezirk der Arbeitsämter Detmold, Herford, Minden, Paderborn und Gütersloh noch 3 200 Holzarbeiter arbeitslos. Auswüchse besonders starker Lehrlingshaltung, untertariflicher Entlohnung in einigen Randgebieten und damit verbundener unerträglicher Schleuderkonkurrenz sollen bekämpft und durch Ausmerzung von Doppelverdienern und durch Arbeitszeitverkürzung Arbeitsplätze gewonnen werden. Auch die Möbelindustrie will durch eine Einstellung von Arbeitskräften nach sozialen und arbeitsmarktlichen Gesichtspunkten an der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und damit am Abbau der überhöhten Steuerund Soziallasten aktiv mitarbeiten. An der Aussprache beteiligten sich außer den Unternehmern und Behördenvertretern auch die Vertreter der Deutschen Arbeitsfront und der NSBO, die Eingriffe in die Wirtschaft ablehnten und die Eigenverantwortlichkeit des Unternehmers betonten. Den Vorschlägen des Präsidenten des Landesarbeitsamtes folgend, wird nunmehr auch die Holzindustrie in Ostwestfalen und Lippe den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit tatkräftig aufnehmen. 3] „Nicht denunzieren, sondern säubern!“ Pressedienst des Landesarbeitsamtes Rheinland, 20.10.1933 (LAV NRW R, RW 53–176) Der Präsident des Landesarbeitsamtes weist darauf hin, dass anonyme Anzeigen an die Arbeitsämter über Schwarzarbeiter und Doppelverdiener nicht bearbeitet werden können. Wer Übelstände wie Schwarzarbeit und Doppelverdienertum u.s.w. weiss und von seiner nationalen Pflicht zur Mitarbeit bei der Beseitigung der Arbeitslosigkeit durchdrungen ist, der muss auch den Mut haben, mit seinem Namen für die Bekanntgabe von Schwarzarbeitern und ungerechtfertigten Doppelverdienern einzustehen. Es soll nicht denunziert, sondern gesäubert werden. Der Name desjenigen, der dem Arbeitsamt Mitteilungen macht, wird selbstverständlich streng geheim gehalten. 4] Richtlinien zur rationelleren Verteilung der Arbeit Rundschreiben A Nr.  47 der Vereinigung niederrheinisch-westfälischer Arbeitgeberverbände an ihre Mitglieder, 26.8.1933 (LAV NRW OWL, M 1 I G 493) Die dauernde Überwindung der Arbeitslosigkeit ist nur durch eine natürliche Belebung der Wirtschaft möglich.



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Die Belebung der Wirtschaft wird ihrerseits auch wieder verstärkt durch den Rückgang der Arbeitslosigkeit und die damit verbundene schrittweise Senkung der Steuerund Soziallasten. Wirtschaft und Arbeitsmarkt sind heute also untrennbar verbunden. Diese Tatsache muss in jedem Betrieb erkannt werden. Nach dieser Erkenntnis muss in jedem Betrieb gehandelt werden. Grundsätzlich sind heute die Voraussetzungen einer vernünftigen, den wirtschaftlichen Belangen entsprechenden Lohn- und Sozialpolitik vorhanden, aber die Belastung aus der Zeit des Systems ist geblieben. Eine allgemeine und sofortige Senkung der Lasten scheitert vorläufig trotz festen Willens der Regierung daran, dass diese Gelder vordringlich zur Unterstützung der Arbeitslosen benötigt werden. Durch einen weiteren Abbau der Unterstützungssätze sind kaum noch Ersparnisse zu erzielen. Dagegen hat die Wirtschaft selbst die Möglichkeit, durch eine rationellere Verteilung der Arbeit die Voraussetzungen für den notwendigen Abbau der Steuer- und Soziallasten zu schaffen. Nach Angaben des Reichswirtschaftsministers S c h m i t t stehen heute mehr Arbeitnehmer in Arbeit als vor dem Kriege; die Bevölkerungszahl ist nur geringfügig gestiegen. Neben bevölkerungspolitischen Ursachen (Überalterung des Volkskörpers) ist also die gewaltige Umschichtung der Arbeit, die gegenüber der Vorkriegszeit stattgefunden hat, eine wesentliche Ursache der überhöhten Arbeitslosigkeit. In dieser Tatsache liegt sogleich die Möglichkeit ihrer Überwindung, wenn nach folgenden Gesichtspunkten verfahren wird: 1. Jeder neue oder freiwerdende Arbeitsplatz soll mit einem geeigneten Unterstützungsempfänger besetzt werden. (Je höher die Unterstützung, desto grösser die Minderung der öffentlichen Last; gleichzeitig wird damit dem sozial Bedürftigsten geholfen.) Nach diesem Grundsatz ist bisher nur teilweise verfahren. Von je drei im letzten Halbjahr wiedereingestellten Arbeitslosen waren durchschnittlich nur zwei Unterstützungsempfänger, in einzelnen Bezirken und Industrien sogar nur einer. Auf alte Belegschaftsmitglieder soll im Interesse der Werksverbundenheit Rücksicht genommen werden. Auch bei Einstellung von ehemaligen Werksangehörigen sind die sozial und wirtschaftlich Bedürftigsten zu bevorzugen. 2. Die Lastensenkung ist umso grösser, als es in vielen Fällen möglich sein wird, für mehrere unterstützte Arbeitslose die Unterstützung zu sparen, wenn einem Familienmitglied Arbeit und Brot wiedergegeben wird, da damit die Hilfsbedürftigkeit der ganzen Familie behoben ist. 3. Jede Mehrbeschäftigung der Werke soll tunlichst nicht zu einer Erhöhung der Arbeitszeit führen, (sofern die bisherige Arbeitszeit die Existenz der Belegschaft sicherstellt), sondern zur Neueinstellung von Arbeitslosen. Das erfordert Opfer für die Belegschaft und für den Betrieb. Als Richtlinie kann hier, soweit die betrieblichen Verhältnisse es gestatten, vorübergehend eine durchschnittliche 40stündige Arbeitszeit als Masstab anerkannt werden. Die Fälle saisonmässiger Belebung bleiben ausser Betracht. 4. Arbeitsplätze, die von Doppelverdienern eingenommen werden, müssen nach Möglichkeit vorübergehend für sozial Bedürftige, d.h. lastenerzeugende Unterstützungsemp-

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fänger, geräumt werden. Dadurch wird zwar der Lebensstandard der einzelnen davon betroffenen Familien gedrückt, gleichzeitig aber ein weiterer Weg der Entlastung der Wirtschaft eröffnet. […] 5. Schwarzarbeit muss völlig unterbunden werden, zumal sie häufig von Unterstützungsempfängern (auch ohne dass der Arbeitgeber darum weiss) ausgeführt wird. Auch diese Erwerbsmöglichkeiten müssen den unterstützten Arbeitslosen eingeräumt werden; wenn es sich auch häufig nur um Gelegenheitsarbeiten handeln wird, so ergeben sich doch bei der Summierung grosse Einsparungsmöglichkeiten. 6. Unberührt von diesen Richtlinien, die sich auf die Gesamtheit der Arbeitnehmer beziehen, bleibt die bevorzugte Vermittlung der alten Kämpfer der Wehrverbände (SA., SS., St.)98. 7. Bei allen Massnahmen ist darauf Bedacht zu nehmen, dass während des Winters das Errungene gehalten werden kann, damit nach Möglichkeit Rückschläge vermieden werden. Etwa doch notwendig werdende Betriebseinschränkungen sollen tunlichst im Wege der Arbeitsstreckung (Kurzarbeit, oder wo dies möglich, Krümpersystem99) durchgeführt werden. […] Durch die weitestmögliche Anwendung dieser Grundsätze kann erreicht werden, dass jede Einmischung in die Betriebsverhältnisse von dritter Seite unterbleibt. Bei der Neuanlegung von Arbeitslosen ist die Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern wünschenswert und notwendig, damit die bevorzugte Einstellung der sozial Bedürftigsten (und eine entsprechende Senkung der Unterstützungslasten) auch wirklich erreicht wird. Es empfiehlt sich daher, entsprechende Vorschläge vom Arbeitsamt einzufordern; die letzte Entscheidung liegt auch hier beim Unternehmer. Er ist also nicht an die Vorschläge des Arbeitsamts gebunden. Sollte aus besonderen Gründen die Einstellung ohne vorherige Fühlungnahme mit dem Arbeitsamt erfolgen, so empfiehlt es sich trotzdem, dem Arbeitsamt nachträglich davon Kenntnis zu geben. (Einstellung der Unterstützung.) Bei Anwendung dieser Richtlinien soll der Unternehmer eingehend und ernstlich prüfen, ob nicht Arbeitsplätze durch Arbeitszeitverkürzung, Auskämmung von Doppelverdienern für unterstützte Arbeitslose freigemacht werden können. Die Hauptsache ist, dass dieser Appell nicht ungehört verhallt, damit auf freiwilligem Wege unter Schonung der berechtigten Interessen ein möglichst guter Erfolg erreicht wird. So werden etwa berechtigte Klagen verstummen und die Gesetzgebung hat keinen Grund einzugreifen. 98 Zu den nationalen Wehrverbänden rechneten SA, SS und der Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten. 99 Mit dem Krümpersystem sollte nach der Niederlage Preußens gegen Napoleon von 1806/07 die vorgeschriebene Begrenzung des preußischen Heeres umgangen werden: Durch eine schnellere Ausbildung und vorzeitige Entlassung der Rekruten (Krümper) entstand bei gleich bleibender Präsenzstärke des Heeres eine wachsende militärische Reserve. Angesichts der Massenarbeitslosigkeit während der Weltwirtschaftskrise wurde eine Variante dieses Systems auf die Wirtschaft übertragen. Eine Notverordnung vom Oktober 1931 gestattete Betrieben, bei Arbeitsmangel einen ständig wechselnden Teil ihrer Belegschaft zu beurlauben (aber nicht zu entlassen), der während dieser Zeit (reduzierte) Arbeitslosenunterstützung erhielt. 3.  VO des Reichspräsidenten „zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen“ vom 6.10.1931, RGBl. I, S. 537.



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Ein solcher Eingriff würde zweifellos schematisch und den Betrieben erheblich weniger zuträglich sein als eine freiwillige Durchführung obiger Massnahmen. 5] Schlagzeilen für jeden Tag Pressedienst des Landesarbeitsamtes Rheinland, P.D. 10/34 (RWWA, 20–1288–6) Arbeitsschlacht 1934 Schlagzeilen für jeden Tag in der Woche. Nach Möglichkeit an den Kopf des lokalen Teiles zu setzen. 1.) Arbeitsschlacht 1934! Deutscher. Dein Führer ruft! Hilf mit, die Arbeitsschlacht gewinnen. Reihe Dich ein in die Front. Melde jede offene Stelle dem Arbeitsamt! 2.) Arbeitsschlacht 1934! Deutscher Volksgenosse! Millionen Deiner Volksgenossen entbehren noch heute des Segens der Arbeit! Was gedenkst Du zur Behebung der Arbeitslosigkeit beizutragen? 3.) Arbeitsschlacht 1934! Deutscher Unternehmer! Kannst Du nicht noch einige arbeitslose Volksgenossen bei Dir einstellen? Tausend arbeitswillige Hände strecken sich Dir entgegen. Prüfe Deinen Betrieb nochmals auf Einstellungsmöglichkeiten! 4.) Arbeitsschlacht 1934! Deutscher Bauer! Kannst Du nicht noch einen deutschen arbeitslosen Volksgenossen bei Dir beschäftigen? Du trägst dadurch zu einer Verminderung der Arbeitslosigkeit in den Grosstädten bei. Wende Dich an das Arbeitsamt. Es wird Dir unentgeltlich geeignete Arbeitskräfte vermitteln! 5.) Arbeitsschlacht 1934! Deutscher Handwerker! Keine Überzeitarbeit mehr! Lass notleidende deutsche Volksgenossen teilhaben an Deiner Arbeit. Das Arbeitsamt vermittelt Dir jede Fachkraft. 6.) Arbeitsschlacht 1934! Deutscher Volksgenosse. Hast Du alle Arbeitsmöglichkeiten erwogen? Auch für die Arbeitsbeschaffung musst Du Opfer bringen. Gemeinnutz geht vor Eigennutz. 7.) Arbeitsschlacht 1934! Deutscher Arbeiter! Verrichtest Du noch Schwarzarbeit! Schwarzarbeit ist unehrliche Arbeit. Ein Deutscher ist ehrlich. Denke, dass Du ein Deutscher bist!

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6] Rheinische Landhelfer Pressedienst des Landesarbeitsamtes Rheinland, PD 23/35, 1935 (RWWA, 20–1287–1) Die Vermittlung Jugendlicher in die Landwirtschaft hat 1935 im Bezirke des Landesarbeitsamtes Rheinland ein erfreuliches Ausmaß angenommen. Mit 30.667 Landhelfern und Landhelferinnen steht das Landesarbeitsamt Rheinland in der Landhelfervermittlung zur Zeit weit an der Spitze aller deutschen Landesarbeitsämter, von denen ihm nur Westfalen mit rund 21.500 nahe kommt. In der rheinischen Landwirtschaft selbst sind von den rund 30.000 Landhelfern 8389 beschäftigt. In Ostpreußen, Pommern, Schleswig-­Holstein, Mecklenburg und Hannover arbeiten fast 18.000 unserer rheinischen Jugendlichen, während rund 3000 Landhelfer in Bayern, Württemberg und Baden die Arbeit im deutschen Süden erleben. Im August 1934 betrug die Zahl der rheinischen Landhelfer nur 20.790. Es wurden also damals etwa ein Drittel Landhelfer weniger vermittelt und gefördert als in diesem Jahre. Leider befinden sich unter den rund 30.000 Jugendlichen nur 4333 Landhelferinnen, da unsere weibliche städtische Jugend ganz zu Unrecht der Landarbeit gegenüber immer noch sehr zurückhaltend ist, obgleich nach wie vor ein starker Mangel an weiblichen Kräften auf dem Lande besteht. Während manche Jugendliche sofort für dauernd auf dem Lande bleiben, kehrt die Mehrzahl unserer rheinischen Jungen und Mädel nach Ablauf der Landhelferzeit gesund und gekräftigt in die Heimat zurück, viele nur um nach kurzer Zeit erneut landwirtschaftliche Arbeit aufzunehmen, manche mit dem festen Ziel, sich auf dem Lande eine dauernde Existenz aufzubauen. Die Landhilfe unterstützt also wirksam ein wichtiges Ziel des nationalsozialistischen Deutschlands, einen Teil der deutschen Großstadtmenschen wieder zur Scholle zurückzuführen. 7] Die Unterbringung der „Alten Kämpfer“ Rundschreiben des Rheinischen Gemeindetages, 3. Folge 1934, 10.2.1934 (ALVR, PV 8838) Aufruf zur Unterbringung arbeitsloser Angehöriger der nationalen Wehrverbände. Die Treuhänder der Arbeit für die Gebiete Rheinland und Westfalen sowie der Präsident des Landesarbeitsamtes Rheinland haben zur Unterbringung arbeitsloser Angehöriger der nationalen Wehrverbände einen Aufruf an die Reichs-, Staats- und Gemeindeverbände, die Arbeitgeberverbände und andere Stellen gerichtet, in dem sie darauf hinweisen, daß immer noch viele Mitglieder der nationalen Wehrverbände dem Arbeitsprozeß fernstehen. Die Arbeitsvermittelung für die alten Kämpfer ist ausschließlich den Dienststellen der Reichsanstalt bezw. den von der Reichsanstalt zugelassenen sonstigen Vermittelungsstellen übertragen.



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Die Oberste SA-Führung hat angeordnet, daß am Sitze eines jeden Arbeitsamtes von der SA eine Versorgungsstelle eingerichtet wird, die dem Arbeitsamt gegenüber als Sammelstelle des Personenkreises gilt, der für die bevorzugte Vermittelung infrage kommt. Zur Sicherung der Zusammenarbeit zwischen dieser Versorgungsstelle und dem Arbeitsamt ist in jedem Arbeitsamt ein Angestellter bestimmt worden, der gleichzeitig Angehöriger eines Wehrverbandes ist. Der Aufruf betont, daß bei der Besetzung von offenen Stellen die persönliche wie fachliche Eignung des arbeitslosen Wehrverbandsangehörigen vorangestellt wird; denn nur die Arbeitsvermittelung nach den Gesichtspunkten der Eignung verbürgt einen dauernden Erfolg dieser Sondermaßnahme. Zurzeit sind in der Rheinprovinz noch mehr als l0 000 alter Kämpfer arbeitslos. Andererseits ist festgestellt worden, daß ein großer Prozentsatz von Arbeitslosen, die nicht unter den bevorzugt zu vermittelnden Personenkreis fallen, z.T. nach verhältnismäßig kurzer Arbeitslosigkeit wieder in Arbeit gekommen ist. Der Aufruf weist darauf hin, daß derartige Stellenbesetzungen den Befehl des Führers zur alsbaldigen und restlosen Unterbringung der arbeitslosen Angehörigen der nationalen Wehrverbände durchkreuzen. D e r R h e i n i s c h e G e m e i n d e t a g u nt e r s tüt z t e i n d r i n g l i c h d e n Au f ruf und bittet al1e Gemeindebehörden, jeden offenen Arbeitsplatz anzumelden, damit die Arbeitsämter ihrer vornehmsten Pf1icht, d e r A r b e i t s v e r m i t t e 1 u n g d e r A n g e h ö r i g e n d e r We h r v e r b ä n d e , g e nügen können. Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamts Westfalen an den Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung über die Sonderaktion zur Vermittlung arbeitsloser Mitglieder der nationalen Wehrverbände, 8.3.1934 (Abschrift) (LAV NRW W, K 001–6337) In der vorbezeichneten Angelegenheit berichte ich ergebenst folgendes: I.

Stand der Sonderaktion Ende Februar 1934 im Gesamtbezirk des Landesarbeitsamtes Westfalen: 1) Zahl der von den Arbeitsämtern meines Bezirks erfassten Mitglieder der nationalen Wehrverbände pp., die nach den zentralen Richtlinien (vgl. Erlass vom l8.l0.33 – G.Z.II 5380/74) für eine bevorzugte Vermittlung in Frage kommen

12 087 ======

2) Zahl der hiervon bisher durch die Arbeitsämter Vermittelten

7 286

3) Zahl der auf dem Wege freier Arbeitssuche Ausgeschiedenen

1 194

4) Zahl der aus sonstigen Gründen Ausgeschiedenen 5) Zahl der bei den Arbeitsämtern vorgemerkten aber noch nicht untergebrachten Personen

711 2 896 =====

6) Bis zum Ende des Monats Februar l934 sind von den unter Ziffer l) aufgeführten Personen durch die Arbeitsämter meines Bezirks in Arbeitsstellen gebracht (vgl. Ziffer 2) =

60,3 %

7) Insgesamt befanden sich von den unter Ziffer l) Aufgeführten Ende Februar l934 in Arbeit bezw. sind aus sonstigen Gründen aus der Betreuung der Arbeitsämter wieder ausgeschieden 9 191 Personen (vgl. Ziffer 2–4) =

76,0 %

90

Die Arbeitsverwaltung und die Arbeitsmarktpolitik 1933 – 1939

8] Maßnahmen des freiwilligen Arbeitsdienstes in Westfalen, Stand: 31.5.1933 Art der Maßnahme

Maßnahmen

Arbeitsdienst­ willige

abs.

%

abs.

%

357

48,0

23 067

2 874 646

54,2

Herrichtung von Siedlungsund Kleingartenland

44

5,9

3 051

369 841

7,0

Verkehrsverbesserung

94

12,6

4 484

537 709

10,1

Hebung der Volksgesundheit

29

3,9

1 077

136 104

2,6

109

14,7

7 041

968 759

18,2

28

3,8

791

88 245

1,7

Bodenverbesserung

Forstarbeiten Not- und Winterhilfe sonstige Maßnahmen insgesamt

abs.

Tagwerke

83

11,1

2 951

329 970

6,2

744

 100,0

42 462

5 305 274

 100,0

Zusammengestellt nach: „3. Anerkannte Maßnahmen des freiwilligen Arbeitsdienstes im Bezirk des Landesarbeitsamtes Westfalen. Stand: 31. Mai 1933“, in: LAV NRW W, K 101–43860.

9] Protest gegen die Schließung des Arbeitsdienstlagers Sonsbeck Schreiben des Amtsbürgermeisters von Sonsbeck an den Landrat in Moers, 14.3.1936 (LAV NRW R, RW 53–645) Bei meinem Dienstantritt befanden sich die diesigen Gemeinden Sonsbeck, Hamb und Labbeck in den denkbar ungünstigsten wirtschaftlichen Verhältnissen. Die Steuerrückstände waren ungeheuer. Dies lag jedoch nicht an dem guten Willen der Steuerzahler, sondern die Gemeinden gingen, hervorgerufen durch ihre besonders schlechte Verkehrslag und dem Fehlen fast jeglicher Existenzmöglichkeiten, immer mehr dem wirtschaftlichen Ruin entgegen. Im echt nationalsozialistischen Sinne, war es mein ganzes Bestreben aufbauend, zu beginnen. Ich habe mich hierbei nicht allein von praktischen, wirtschaftlich unbedingt notwendigen Gesichtspunkten, sondern auch von ideellen leiten lassen. Die hiesigen Gemeinden hatten schnell die grosse Aufgabe des Führers erfasst. Nachdem die monatelangen zähen Bemühungen der Verwaltung, ein Lager des Reichs­arbeitsdienstes nach Sonsbeck zu bekommen, mit tatkräftiger Unterstützung des Herrn Landrats zum Ziele geführt hatten, stellten die hiesigen Gemeinden, trotz ihrer miserablen finanziellen Lage, allein im Vertrauen auf das dritte Reich und die Hoffnung auf Gesundung der bisher immer besonders stiefmütterlich behandelnden hies. [igen] Gemeinden, alle ihre noch verfügbaren Reserven bereit, um die Arbeitssoldaten in Sonsbeck wohnlich unterzubringen und ihnen hier den Aufenthalt angenehm zu machen. Über 19000.– RMk. wurden zum Ausbau des Lagers verwandt. Jeder nur



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einigermassen annehmbare Wunsch des Arbeitsdienstes wurde erfüllt. Aber auch sonst kam die Bevölkerung dem Arbeitsdienst in jeder Art und Weise entgegen, sodass bald ein inniges Verhältnis zwischen den Arbeitssoldaten des Führers und der Bevölkerung bestand. Die grossen Opfer konnten die hiesigen Gemeinden nur im Vertrauen auf die heutige Führung bringen. Bei Bewilligung der Mittel ging und musste man davon ausgehen, dass das Lager mindest 10 Jahre in Sonsbeck blieb, damit der grösste Teil der aufgewandten Kosten abgeschrieben werden konnte. Vom Kreis und von der hiesigen Verwaltung wurden keine persönlichen Kosten und keinerlei Arbeit und Mühen gespart, um nun auch genügend nutzbringende Arbeit für das Lage zur beschaffen. Über 300 Morgen wurden hier abgeholzt, gerodet und urbar gemacht und so die Erzeugungsschlacht ganz wesentlich gefördert, was gerade für das hiesige Grenzgebiet im Hinblick auf fremde Nahrungsmitteleinfuhr von ungeheurer Wichtigkeit ist. Grössere Aufforstungsarbeiten sind im Gange. Die Gemeinde Hamb wurde durch den Ausbau eines Weges zum Kreise Moers aufgeschlossen. Die seit 1907 geplanten und als unbedingt notwendig anerkannten Meliorationsarbeiten in der Sonsbecker Niederung, die bis dahin stets an der Kostenfrage gescheitert waren, konnten nunmehr durch den Arbeitsdienst in Angriff genommen werden. Die Gemeinden nahmen auch hier wieder enorme Lasten, im Hinblick auf den zu erwartenden Vorteil, auf sich, ist doch der I. Bauabschnitt mit 10.000, der II. mit 10.500 und der III. mit 30.000 Rmk. veranschlagt. Gegen grosse Schwierigkeiten musste hier gekämpft und starke Widerstände überwunden werden, war doch der I. Bauabschnitt lediglich eine notwendige Vorarbeit, um das Übel, was besonders im II. und III. Bauabschnitt liegt, zu beheben. Für 4 Jahre hinaus ist noch allein im hiesigen Bezirk für das Reichsarbeitsdienstlager bis heute Arbeit nachgewiesen. Für die erhoffte Gesundung der hiesigen Gemeinden und nicht allein zuletzt für den gesamten Aufbau des Reiches waren somit die ersten grossen Schritte in dreijähriger mühseliger Arbeit getan. Ein gewisser wirtschaftlicher Vorteil, der durch das Lager Sonsbeck entstanden ist, hat sich schon hier gut bemerkbar gemacht, sind doch die enormen Steuerrückstände der letzten 3 Jahre bis auf ein Minimum zurückgegangen. Die kleineren Landwirte, die die erhoffte Entwässerung des I. Bauabschnittes immer näher rücken sahen und besonders die Sonsbecker Geschäftswelt atmete nunmehr erleichtert auf. Da kam der erste Schlag!  – Die Niederrheinische Holzindustrie, Sonsbecks einziger grösserer Gewerbebetrieb, musste Ende 1935 schliessen. Die Arbeiter aus dem hiesigen Amtsbezirk waren hierdurch brotlos. Die Wohlfahrtskosten stiegen. Vor dem Kriege beschäftigte diese Firma bis zu 150 Arbeiter, zuletzt über 30. Die Arbeitsvermittlung ist hier bei den schlechten Verkehrsverhältnissen besonders schwierig, fast unmöglich. Der Arbeitsdienst blieb hiernach nur noch als einzige Einnahmequelle übrig, flossen doch hieraus dem Wirtschaftsleben nach den von mir gemachten Feststellungen in 8 Monaten rund 24.000 RMk. an Waren, Gehältern und Löhnen direkt oder indirekt zu. Denke ich mir

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auch diese Beträge noch fort, so ist der wirtschaftliche Ruin der hiesigen Gemeinden matematisch zu errechnen. […] Hieraus dürfte ohne Weiteres schon hervorgehen, dass, wenn die Verfügung über Aufhebung des Sonsbecker Reichsarbeitsdienstlagers Wahrheit bleibt, der hiesige Amtsbezirk wirtschaftlich vernichtet ist. Hierdurch wird aber auch die unter unendlichen Schwierigkeiten aufgebaute wirtschaftliche Erneuerung und das Vertrauen zum Reich und seinen Einrichtungen, einen schweren Rückschlag erleiden. Ich habe mich bereits im Sinne der Deutschen Gemeindeordnung für verpflichtet gehalten, mit dem Ortsgruppenleiter der NSDAP, den Ehrenbürgermeistern und weiteren einflußreichen Persönlichkeiten aus dem hiesigen Amtsbezirke, diese, durch die Auflösung des Sonsbecker Lagers geschaffene Lage, eingehend zu besprechen. Alle Herren waren der Meinung, sofort diesen Notruf unter rücksichtsloser Schilderung der kommenden Lage mit der Bitte um alsbaldige Hilfe an den Herrn Landrat zu senden. […]



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1.3.3 Auf dem Weg zum Arbeitseinsatz: Mobilisierung und Lenkung der Arbeitskräfte100 Einführung Neben Vermittlungsangeboten, Einweisungen in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Pflichtarbeit gehörte auch die informelle Lenkung durch Beratung und Information, aber ebenso durch Druck und Drohung zum Repertoire der Arbeitsämter. Und es waren nicht, wie behauptet [Dok. 1], nur mentale Bequemlichkeit und materielle Genügsamkeit, die manchen Arbeitsuchenden veranlassten, nicht jede Stelle, und schon gar nicht jede auswärtige Stelle anzunehmen. Vielmehr widerstrebte ihnen der Eingriff in ihre Entscheidungsfreiheit, mitunter auch eine Trennung von ihren Familien, schreckten ggf. niedrige Löhne oder hohe Fahrtkosten und die schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Arbeitslagern, die der Bevölkerung nicht verborgen blieben. Die „Überzeugungsarbeit“ scheint überwiegend erfolgreich gewesen zu sein, denn, wie der Direktor des Arbeitsamtes Dresden in einer Fachzeitschrift schrieb, habe nur selten „ein Volksgenosse, vor die Frage gestellt, ob er gegen die staatspolitischen Notwendigkeiten handeln und ob er dem Führer seine Gefolgschaft versagen will, den Mut, eine solche Frage zu bejahen“101. Zum traditionellen, aber ungeliebten Instrumentarium der Arbeitsämter gehörte auch die erwähnte Pflichtarbeit, die Leistungsempfängern aus teils pädagogischen, teils disziplinarischen Gründen auferlegt werden konnte. Sie nahm seit 1933 unter Betonung des „arbeitserzieherischen Charakters“ deutlich zu. Die direkten Lenkungseingriffe überschnitten sich anfangs noch mit den Maßnahmen zur Überwindung der Arbeitslosigkeit, insbesondere weil die Beschäftigung regional und branchenmäßig unterschiedlich schnell wieder anzog und weil die Aufrüstung bald ins Zentrum der nationalsozialistischen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik rückte. Bereits im Mai 1934 zielte das „Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes“102 sowohl darauf, die Landflucht wie auch die Erwerbslosigkeit in den Großstädten einzudämmen, weshalb die Reichsanstalt anordnen konnte, dass in der Landwirtschaft Beschäftigte nur mit ihrer Genehmigung in andere Berufe wechseln durften, in der Industrie beschäftigte ehemalige Landarbeiter entlassen werden mussten und in Bezirken mit hoher Arbeitslosigkeit nur mit Zustimmung der Arbeitsämter Personen von außerhalb eingestellt werden durften. Hiervon machte die Reichsanstalt für Hamburg, Bremen und Berlin Gebrauch, wogegen sie diesbezügliche Wünsche anderer Städte ablehnte [Dok. 6]. Und noch vor Ablauf desselben Jahres machte die Reichsanstalt den überbezirklichen Arbeitsplatzwechsel von Metallarbeitern von der Zustimmung der Arbeitsämter abhängig.103 100 Hierzu v.a. Sommer: Praxis des Arbeitsamtes, S.  68–121; Herrmann: Arbeitsmarkt; Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik; Faust: Arbeitsmarkt. 101 Zit. nach Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 193. 102 „Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes“, 15.5.1934, RGBl. I, S. 381. 103 „Anordnung über den Arbeitseinsatz von gelernten Metallarbeitern“, 29.12.1934, RABl. 1935 I, S. 12.

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Während die Reichsanstalt in der Weimarer Republik nur vermittelnd, nicht unmittelbar lenkend auf Beschäftigung und Arbeitsmarkt eingewirkt hatte, erhielt sie mit dem „Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes“ erstmals die Befugnis, in bestehende Arbeitsverhältnisse einzugreifen und die Freizügigkeit der Arbeitskräfte über die Verschickung zu Notstandsarbeiten oder Arbeitsdienstlagern hinaus einzuschränken. Diese Ermächtigungen stellten einen entscheidenden Schritt im Ausbau der Reichsanstalt zur staatlichen Arbeitseinsatzbehörde dar, ohne dass ihm aber schon ein Konzept planvoller Lenkungspolitik zugrunde gelegen hätte.104 So versuchte die Reichsanstalt z. B. zugleich, grundsätzlich an der Arbeitnehmerfreizügigkeit festzuhalten, denn „allzuviele Sperrmauern und Barrieren hätten gerade die tüchtigsten und fähigsten Arbeiter und Angestellten an der Möglichkeit der freien Weiterentwicklung gehindert“105. Auf Dauer war indessen dieser Spagat zwischen den Prinzipien eines sich selbst regulierenden Arbeitsmarktes und einer politisch gewollten Lenkung nicht durchzuhalten. Schon mit ihrer im August 1934 gestarteten Aktion zur altersspezifischen Umverteilung der Arbeitsplätze106 griff die Reichsanstalt erneut in die Arbeitsverhältnisse ein, indem sie alle privaten und öffentlichen Unternehmen aufforderte, die Altersstruktur ihrer Belegschaften zu überprüfen und zu erklären, in welchem Umfang sie bereit seien, jüngere Beschäftigte durch ältere, vom Arbeitsamt zugewiesene Arbeitslose zu ersetzen. Die Einstellung von Unter-25-Jährigen bedurfte nunmehr der Zustimmung des Arbeitsamtes. Bei den Arbeitgebern stieß dieser Eingriff – wie später noch manch anderer – auf Vorbehalte, weil sie die größere Leistungsfähigkeit der jüngeren Beschäftigten im Auge hatten sowie die Tatsache, dass diese bis zum Alter von 21 Jahren geringer entlohnt wurden und überdies weniger gewerkschaftliches oder sozialistisches Gedankengut in die Betriebe hineinbrachten.107 Mit dem Anfang 1935 eingeführten Arbeitsbuch und vor allem mit der dazugehörigen Arbeitsbuchkartei kreierte die Reichsanstalt ein neuartiges Erfassungs-, Kontrollund Planungsinstrument über die Arbeitslosen hinaus für alle abhängig beschäftigten Erwerbspersonen.108 Zugleich war dies die erste systematisch kriegsvorbereitende Maßnahme der Arbeitsmarktpolitik – nicht zufällig ging es auf die Initiative des Kriegsministeriums zurück, das auch einen Großteil der Kosten trug.109 104 Vergl. Kars: Ordnende Hand, S. 22. 105 Friedrich Syrup: Hundert Jahre staatliche Sozialpolitik 1839–1939, hrsg. von Julius Scheuble, Stuttgart 1957, S. 416; Kars: Ordnende Hand, S. 21 f.; s. unten, Kap. 1.3.3.1. 106 „Anordnung über die Verteilung von Arbeitskräften“, 28.8.1934, RABl. 1934 I, S. 202 ff. 107 Mason: Sozialpolitik, S. 134. 108 „Gesetz über die Einführung eines Arbeitsbuches“, 26.2.1935, RGBl. I, S. 311; Direktor Kühne: Das Arbeitsbuch und seine Bedeutung für den Arbeitseinsatz, in: Sommer: Praxis des Arbeitsamtes, S. 45–57; Vergin: Arbeitseinsatzverwaltung, S. 89 ff.; Marx: Verwaltung, S. 120 ff., der die Bedeutung der Arbeitsbuchkartei für die Professionalisierung der Vermittlungs- und Lenkungsfähigkeit der Arbeitsämter ausführlich beschreibt. 109 Mason: Sozialpolitik, S. 162; s. a. Syrup: Arbeitseinsatz und Arbeitslosenhilfe, S. 117; Stefanie Werner,



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Weil in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre der Arbeitskräftemangel nahezu allumfassend wurde, weitete das Regime 1936 und 1937 die Reglementierung v.a. der Metallund der Bauindustrie aus, womit sich auch das Verhältnis der Arbeitsverwaltung zu den Unternehmen veränderte. Bau- und Metallunternehmer benötigten nun für Einstellungen die Genehmigung der Arbeitsämter, die wiederum entschieden, welche Betriebe wie viele Arbeitskräfte erhielten. Schließlich entschied sich das Regime mit der Einführung der Dienstpflicht für den „Weg offener Militarisierung der Arbeitsverhältnisse“110, auch wenn es von diesem Instrument zunächst nur zurückhaltend Gebrauch machte. Eine erste, wegen des Arbeitskräftebedarfs für den Bau der militärischen Befestigungen an der deutschen Westgrenze (Westwall) ergangene Dienstpflichtverordnung vom Juni 1938 erlaubte den Arbeitsämtern, „für Aufgaben, deren Durchführung aus staatspolitischen Gründen keinen Aufschub duldet“, Beschäftigte befristet von einem auf einen anderen Arbeitsplatz umzusetzen,111 und eine zweite Verordnung ermöglichte im Februar 1939 die unbefristete Dienstleistung.112 Kurz darauf wurde darüber hinaus die Lösung von Arbeitsverhältnissen u.a. in der Landwirtschaft und einigen Industrien an die Zustimmung der Arbeitsämter geknüpft.113 Noch zu Friedenszeiten wurden die Befugnisse der Arbeitsverwaltung zur Verschiebung der Beschäftigten zwischen den Betrieben auf die gesamte Wirtschaft ausgedehnt und darüber hinaus nun auch auf den Arbeitsplatzwechsel der Arbeitnehmer, was einen weiteren Eingriff in die Autonomie der Betriebe bedeutete. Alle diese Interventionsbefugnisse der Arbeitsämter schränkten neben der Mobilität der Arbeitnehmer auch die Dispositionsfreiheit der Arbeitgeber ein, an der diese unverändert festhielten. Besonders die im Windschatten der Aufrüstung wirtschaftenden Arbeitgeber klagten über den Abzug eingearbeiteter Fachkräfte. Behördlichen Eingriffen zuvorzukommen, konnte eine Abwehrstrategie sein, eine andere, einen engen Kontakt zu den Ämtern zu pflegen.114 „Die Arbeiter, vor allem die 400.000 zum Westwallbau und für diverse Vierjahresplan-Projekte dienstverpflichteten Arbeiter, waren zu ‚Wirtschaftssoldaten‘ im Sinne der Ideologie umfassender wehrwirtschaftlicher Mobilisierung geworden. Der 1. September 1939 markierte, zumindest von den Möglichkeiten der Arbeitskräftelenkung, nur noch den Übergang vom ‚Als-ob-Krieg‘ zum tatsächlichen Kriegszustand.“115

110 111 112 113 114 115

Harald Degner, Mark Adamo: Hitlers gläserne Arbeitskräfte. Das Arbeitsbuch als Quelle von Mikrodaten für die historische Arbeitsmarktforschung, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 2011/2, S. 175–191; Marx: Verwaltung, S. 120 ff. S. dazu auch Dok. 8 u. 9 in Kap. 1.2.2 und Kap. 3.2. Petzina: Mobilisierung, S. 448. „Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“, 22.6.1938, RGBl. I, S. 652, RABl. 1938 I, S. 210. „Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“, 13.2.1939, RGBl. I, S. 206. „Zweite Durchführungsverordnung zur Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“, 10.3.1939, RGBl. I, S. 444. Vergl. Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 194 f. Petzina: Arbeitsmarkt, S. 66.

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1] Lenkung durch Drohungen und Sanktionen Arbeitsamt Koblenz: Besondere Gegenwartsaufgaben im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, in: Mitteilungsblatt des Landesarbeitsamtes Rheinland 1934, 1 (Juli 1934), Nr. 7, S. 61 f. Im Großkampf gegen die Arbeitslosigkeit gibt es in den verschiedensten Zeitabschnitten bestimmte Aufgaben, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Die umfangreiche öffentliche Arbeitsbeschaffung des Kampfjahres 1933 hatte außer den gewünschten Erfolgen einige u n g e w o l l t e B e g l e i t e r s c h e i n u n g e n i m G e f o l g e . Hierzu gehört vor allem d a s s t a r k e A b w a n d e r n j ü n g e r e r a r b e i t s l o s e r Vo l k s g e n o s s e n i n d i e S t a d t und in die Industriegebiete in der Erwartung, dort Lohnarbeit zu erhalten. Aus demselben Grunde zeigt sich in ländlichen Bezirken eine Abnahme der Bereitschaft zu landwirtschaftlichen Arbeiten, zur Landhilfe und zum Arbeitsdienst. Im Arbeitsamtsbezirk Koblenz befanden sich z. B. Mitte Mai noch 771 männliche arbeitslose Volksgenossen im Alter von 17 bis 25 Jahren. Auf der anderen Seite leidet die Landwirtschaft unter Mangel an Arbeitskräften. In der L a n d h i l f e sind anhaltend 130 bis 150 o f f e n e S t e l l e n vorhanden, die trotz laufender Einzelbesetzung durch täglichen Zugang sich voraussichtlich noch erhöhen werden. Aus dem Industriegebiet und den großstädtischen Arbeitsämtern selbst sind Landhelfer zurzeit nicht zu gewinnen. Beim A r b e i t s g a u 2 4 116 besteht ein starker B e d a r f a n D i e n s t w i l l i g e n , der in den nächsten Wochen sich durch größeren Abgang erheblich erhöhen wird. Um nun möglichst viele der Arbeitsuchenden dieser Altersgruppe im eigenen Bezirk für Landhilfe und Arbeitsdienst zu erobern, hat das Arbeitsamt Koblenz zunächst folgenden Weg beschritten: Die Vermittler der einzelnen Berufsgruppen l a d e n jeweils etwa 20 Arbeitsuchende z u e i n e r B e s p r e c h u n g i n d a s A r b e i t s a m t e i n . Hier wird im kleinen Kreise zunächst festgestellt, wer bereits im Arbeitsdienst gewesen ist und inwieweit diese mit Arbeitspaß versehenen Volksgenossen für die Landhilfe in Frage kommen; darüber hinaus, wer von den Anwesenden sonstige Aussichten und Arbeitsmöglichkeiten, wer zur Reichswehr oder Marine sich gemeldet und bestimmte Einstellungsaussichten hat. Diese werden als Arbeitsuchende, soweit der Arbeitsbeginn oder Einstellungstermin nicht allzufern ist, abgesetzt. Sodann werden die übrigen im einzelnen nach ihren Ansichten, über ihre eigene Lage und nächste Zukunft befragt, um die E i n s t e l l u n g u n d G e s i n n u n g dieser wichtigen Altersgruppe z u e r m i t t e l n . Hierbei mußte festgestellt werden, daß es an klarer Auffassung über die öffentlichen Pflichten eines Volksgenossen, der öffentliche Unterstützung bezieht und ohne Arbeit ist und andererseits durch Arbeitsdienst und Landhilfe Dienst am Volke leisten kann, noch sehr fehlt. Von den Arbeitsuchenden werden die v e r s c h i e d e n s t e n E i n w ä n d e vorgebracht, um sich vor Arbeitsdienst und Landhilfe zu drücken. Der eine erklärt, daß er zu Hause nicht entbehrt werden kann. Bei 116 Der Freiwillige Arbeitsdienst, ab 1935 Reichsarbeitsdienst, war in 40 Arbeitsgaue gegliedert; der Arbeitsgau 24 war der mittelrheinische Bezirk.



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näherer Feststellung und Erörterung ergibt sich, daß der Vater arbeitslos ist, er selbst Zuschlagsempfänger in Höhe von 3,70 Mark. Er muß überzeugt werden, daß die Ausgaben und wirtschaftliche Belastung, die er für die Familie darstellt, mehr Kosten insgesamt verursachen, als 3,70 Mark, die er dem Haushalt zuführt. Der andere sagt, daß er erst seit 14 Tagen Arbeitslosenunterstützung bezieht und dafür nicht jahrelang Arbeitslosenversicherungsbeiträge gezahlt habe, um jetzt in den Arbeitsdienst oder die Landhilfe zu gehen. Der Dritte hat Nachteiliges über den Arbeitsdienst von anderen Volksgenossen gehört, ohne bei näherer Nachforschung genaue Angaben machen zu können. Der Vierte gibt an, daß ihm sein SA- oder SS-Unterführer gesagt habe, wer SA- oder SS-Dienst tue, brauche nicht in den Arbeitsdienst. Und viele andere Einwände werden in diesem kleinen Kreise vorgebracht und zeigen, daß die innere Bereitschaft und die nationalsozialistische Auffassung praktischer Pflichterfüllung noch nicht vorhanden ist. N a c h d e m in diesen Besprechungen die jungen Volksgenossen zu Wort gekommen sind, w i r d v o m Vo r s i t z e n d e n b e z w. Ve r m i t t l e r d a s E r g e b n i s z u s a m m e n g e f a ß t und vor allem darauf hingewiesen, daß im heutigen und zukünftigen Deutschland derjenige junge Volksgenosse, der seine Pflicht im Arbeitsdienst dem Volk gegenüber nicht erfüllt hat, keine Aussicht auf Einstellung in der freien Wirtschaft haben wird, darüber hinaus seine Pflicht hervorragend erfüllt, wenn er bei Eignung landwirtschaftliche Arbeit bezw. Landhilfe leistet. E s wird klar herausgestellt, daß das Arbeitsamt ausschließlich Angehör ige des b e vorzugten Pers onen k reis es, lang f r ist ig arb eitslos e, v e r h e i r a t e t e u n d ä l t e r e Vo l k s g e n o s s e n m i t g r o ß e r F a m i l i e im Zuge der weiteren Wirtschaftsbelebung i n A r b e i t b r i n g e n w i r d , daß die Wirtschaftsführer heute wie in Zukunft Einstellungen von Arbeitskräften ausschließlich durch das Arbeitsamt durchführen werden und sich hieraus die zwingende Folgerung und Pflicht diesen Älteren gegenüber für die unter 25 Jahre alten ledigen und gesunden Volksgenossen ergibt, den öffentlichen Dienst zu leisten. Darüber hinaus wird über die hohe Bedeutung des Arbeitsdienstes (Verwirklichung der wahren Volksgemeinschaft, körperliche Ertüchtigung, Schaffung deutscher Brotfreiheit) gesprochen und den Anwesenden ein Bild über das frische, gesunde Kameradschaftsleben in den Dienstabteilungen gegeben. […] Das Arbeitsamt geht davon aus, daß zunächst versucht werden muß, diese jüngeren Volksgenossen unter klarer Darstellung ihrer Lage in Gegenwart und nächster Zukunft aufzuklären und ihre öffentliche Pflicht ihnen klar vor Augen zu stellen. Nicht mit Paragraphen, Sperren und sonstigen Drohmaßnahmen bürokratischer Art wird hierbei gearbeitet, sondern sowohl für Arbeitsdienst wie Landhilfe muß die innere Bereitschaft des Menschen erobert werden, um gesunde Dauerwerte zu erzielen. […] So wurden von den 771 Arbeitsuchenden nach Abzug der Verheirateten 646 eingeladen. Hiervon erschienen 409 = 63,3 Prozent. Die u n e n t s c h u l d i g t F e r n g e b l i e b e n e n w e r d e n n o c h m a l s b e s o n d e r s g e l a d e n . Von den 409 Erschienenen kamen 237 = 58,2 Prozent für Landwirtschaft und Arbeitsdienst in Frage. Hiervon wurden 116 = 48,9 Prozent gewonnen. Der Rest von 120 Arbeitsuchenden wird nochmals geladen und bei Ergebnislosigkeit der Werbung als Unterstützungsempfänger abgesetzt. Die Sichtung ergibt außerdem den Bestandteil der w i r k l i c h Arbeitsuchenden.

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2] Der Arbeitsvermittler als Erzieher Oberregierungsrat Dr. Käthe Gaebel117, Berlin: Die pädagogischen Aufgaben der Arbeitsvermittlung, in: Reichsarbeitsblatt I 1934, S. 338–40 (Auszug) Es gab eine Zeit, in der es schien, als ob sich die Arbeitsvermittlung in der Weitergabe einiger weniger offener Stellen und bei der großen Masse der Arbeitslosen in der Feststellung ihrer Arbeitslosigkeit erschöpfte. Die Arbeitsvermittlungsstellen erschienen dem breiten Publikum als Stempelstellen, in denen mehr oder weniger formale Arbeit geleistet wurde. In Wahrheit ist die Auffassung auch in der schlimmsten Zeit der Krise nie ganz zutreffend gewesen. Wer aber die Entwicklung der Arbeitsvermittlung in den letzten 11/2 Jahren beobachten konnte, wird mit Befriedigung feststellen, welch freudiges Leben sich heute auf dem einst so steinigen Acker rührt. Die Arbeitsvermittlung steht jetzt vor ganz großen und in gewissem Sinne neuen Aufgaben. Die jahrelange Arbeitslosigkeit ist an dem deutschen Volkskörper nicht spurlos vorübergegangen; ganz besonders die Jugend, die noch nicht im Arbeitsleben verwurzelt und in ihren sittlichen Anschauungen gefestigt war, als die Krise hereinbrach, hat trotz aller Bemühungen der verschiedensten Stellen schweren Schaden genommen. Viele Lehrlinge wurden schlecht vorgebildet, weil es an Unterrichtsstoff fehlte, oft mußte die Lehre vorzeitig abgebrochen werden. Nach beendeter Lehre kamen nicht die Wanderjahre, in denen das Erlernte gefestigt und erweitert wurde, sondern Zeiten der Arbeitslosigkeit, in denen das Erlernte rasch wieder verlorenging. Als vor etwa Jahresfrist zum ersten Male wieder ernste Arbeit geboten werden konnte, zeigten sich erst ganz die Verheerungen jahreslangen Müßigganges. Immerhin: es muß anerkannt werden, daß ein erstaunlich großer Teil der Jugend sich rasch wieder in das Arbeitsleben hineinfand. Es sind aber doch nicht ganz wenige, denen die seelische Kraft hierzu fehlte. Die Rückführung dieser Arbeitsentwöhnten in das Arbeitsleben ist unzweifelhaft bei den Frauen schwerer als bei den Männern. Die erwerbslose Frau hat immer ein Surrogat für ernsthafte Berufsarbeit: etwas Beschäftigung im Hause. Sie erlebt deshalb die Tiefen der inneren Not der Arbeitslosigkeit nie ganz und gewöhnt sich nur zu rasch daran, gedankenlos das Surrogat für das Ganze zu nehmen. Es ist oft erschütternd, wie bedürfnislos die jungen Menschen geworden sind, wie der natürliche Drang des Gesunden und Kräftigen, etwas Rechtes aus dem Leben zu machen, erstorben ist. Auch wenn die Möglichkeit geboten wird, sich herauszuarbeiten, ziehen sie es vor, bei kärglicher Unterstützung unter den dürftigsten Verhältnissen weiter zu vegetieren. Die gebotene Stelle wird nur zögernd, oft nur äußerem Zwange gehorchend, angenommen; zunächst wird mit großer Erfindungsgabe versucht, unter irgendeinem Vorwande auszuweichen. Die Unlust zu jeder Anstrengung prägt sich im Gesicht, in der Haltung, ja in der Sprache aus. Jahrelanger Müßiggang ließ die Muskeln – seelisch und körperlich – erschlaffen. 117 Frauenreferentin und Referentin für Statistik beim Landesarbeitsamt Brandenburg; Biographisches Lexikon Sozialpolitik, Bd. 2, S. 53 f.



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Hier muß der Vermittler als Erzieher eintreten. Er muß vor allem den inneren Antrieb wieder erwecken, die verschüttete Freude am Wirken und am Werk frei machen, er muß an den Stolz und an das Bedürfnis nach Unabhängigkeit appellieren und, wo alles andere verdorrt ist, beim Primitivsten anfangen, bei der materiellen Freude am Geldverdienen. Vor allem aber muß dem Arbeitslosen mit allem Nachdruck deutlich gemacht werden, daß es Pflicht eines jeden Volksgenossen ist, sich sein Brot selbst zu verdienen. Oft gilt es abzutasten, an welcher Stelle angesetzt werden kann, um die Annahme der Arbeit nicht nur äußerlich schmackhaft zu machen, sondern auch innerlich zu begründen. Irgendwie spürt schließlich ja doch der Arbeitslose den sittlichen Ernst, die verantwortungsbewußte Persönlichkeit des Vermittlers und läßt sich von ihr bezwingen. Und nun beginnt der zweite, oft sehr viel schwerere Kampf, die Sorge um das Durchhalten. Der Arbeitsplatz wird angenommen, aber schon nach kurzer Zeit stellen sich die ersten Schwierigkeiten ein, berufliches Versagen, Unfähigkeit zu pünktlicher Pflichterfüllung, gekränktes Selbstbewußsein, schmerzende Muskeln, das Fehlen der gewohnten Ungebundenheit. Wieder muß der Arbeitsvermittler den Arbeitslosen fest anpacken: „Du mußt aushalten, ich lasse Dich nicht los!“ Immer wieder muß Arbeit angeboten werden; ehe nicht das Ziel erreicht ist, darf es kein Nachlassen geben. Der Willenlosigkeit des Arbeitsuchenden muß der Arbeitsvermittler seinen festen Willen entgegensetzen. Ist der tote Punkt erst einmal überwunden, pflegt der Sieg gewonnen zu sein. In vielen Fällen wird diese Erziehungsarbeit im großen zu ergänzen sein durch eine Arbeit im kleinen. Muß doch mit manchem Arbeitsuchenden erst regelrecht exerziert werden, damit er weiß, wie er sich bei der Vorstellung beim Arbeitgeber zu benehmen hat. Er muß dazu gebracht werden, sich dafür sauber anzuziehen, anständig zu halten, es müssen ihm gewisse äußere Manieren beigebracht werden, bei Mädchen muß auf die Entfernung der Kriegsbemalung hingewirkt werden, soll nicht gleich die erste Vorstellung beim Arbeitgeber ins Wasser fallen. Die straffe Erziehung zu einer gewissen äußeren Haltung, zu Sauberkeit, die körperliche Disziplin, die HJ und SA dem jungen Manne vermitteln, sind bei der Arbeitsvermittlung durchaus spürbar; leider werden sie dem jungen Mädchen nicht in gleichem Maße zuteil; die Schicht, an die hier gedacht wird, ist äußerst schwer für den Gemeinschaftsgedanken zu gewinnen und dürfte nur zu einem geringen Bruchteil dem BDM angehören. Etwas der SA Entsprechendes fehlt ja für die älteren Mädchen überhaupt. 3] Pflichtarbeit Regierungsrat H. Pelzer, Landesarbeitsamt Rheinland: Pflichtarbeit als Mittel zur Auflockerung des Restbestandes der Arbeitslosen, in: Die Arbeitslosenhilfe 5 (1938) (Auszug) Zur Zeit der Massenarbeitslosigkeit, also bis zum Jahre 1933, war die Pflichtarbeit das hervorragende Mittel der Prüfung des Arbeitswillens – politisch vielfach als „Zwangsarbeit“ verrufen –. Die im Jahre 1933 mit den großen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen be-

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gonnene Arbeitsschlacht gab der Pflichtarbeit ein ganz anderes Bild. Der in den beiden Bestimmungen der Fürsorgepflichtverordnung und des AVAVG. enthaltene Gedanke von den Pflichten des Arbeitslosen gegenüber der Gesamtheit tritt immer stärker in den Vordergrund; der Grundsatz „keine Unterstützung mehr ohne entsprechende Gegenleistung“ wird wieder im allgemeinen Bewußtsein lebendig, und so gilt die Pflichtarbeit nicht mehr als eine Zwangsmaßnahme, vielmehr erblickt man in ihr die Teilnahme an dem Aufbau, an dem jeder mitarbeiten soll, auch der Unterstützungsempfänger, dem vorerst ein Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft noch nicht vermittelt werden kann. Dann kam die Zeit, in der wir jetzt stehen, in der der Ruf nach Arbeitskräften in allen Berufsarten täglich eindringlicher wird. Mit der nunmehr wiederum veränderten Lage hat sich auch wieder die Bedeutung der Pflichtarbeit gewandelt. Der fürsorgerische Gedanke hat nur noch Bedeutung, soweit es sich um die Prüfung des Arbeitswillens der arbeitsscheuen und asozialen Unterstützungsempfänger handelt, und das auch nur noch bedingt, weil diese Prüfung durch die günstige Arbeitseinsatzlage in vielen Fällen durch das Angebot freier Arbeit erreicht werden kann. Das Schwergewicht liegt dagegen in der Erziehung der noch vorhandenen langfristigen Arbeitslosen, die noch irgendwie einsatzfähig sind, bisher aber dem Arbeitseinsatz noch nicht zur Verfügung gestellt werden konnten, zu einer geregelten und normalen Arbeit. 4] Gesetzliche Schritte zur Arbeitskräftelenkung Oberregierungsrat W. Sparkule, Referent für Arbeitseinsatz im Landesarbeitsamt Dortmund: Der Arbeitsplatzwechsel in der Kriegswirtschaft, in: Westfälische Wirtschaft 4 (1940), H. 9, S. 2 ff. (Auszug) Die ersten Beschränkungen der Freizügigkeit waren überwiegend sozialpolitischen Ursprungs. Der starke Rückgang der Arbeitslosigkeit in den ländlichen Bezirken und der nahezu unveränderte Stand in den Großstädten und Industriezentren noch im Frühjahr 1934 machte allmählich Lenkungsmaßnahmen erforderlich. Die Arbeitsaufnahme und damit praktisch die Niederlassung (Zuzug) in Bezirken mit hoher Arbeitslosigkeit wurde zustimmungspflichtig.118 Gleichzeitig stellte sich heraus, daß der Rückgang der Arbeitslosigkeit bei den jüngeren Arbeitskräften ungleich stärker war als bei den älteren. Die höchst unerwünschten Folgen dieser sozial und wirtschaftlich ungesunden Bevorzugung Jugendlicher und damit Lediger gegenüber älteren Arbeitslosen, die überwiegend Familienväter waren, führten zu der Vorschrift, daß Personen unter 25 Jahren nur mit vorheriger Zustimmung des Arbeitsamtes als Arbeiter oder Angestellte eingestellt werden durften.119 Die an sich verständliche, in unserer besonderen Lage aber bedauerliche und verhängnisvolle Tatsache eines erneuten Wiederauflebens der Landflucht führte 118 „Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes“, 15.5.1934, RGBl. I, S. 381. 119 „Anordnung über die Verteilung von Arbeitskräften“, 28.8.1934, RABl. 1934 I, S. 202 ff.



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dazu, daß der zunächst rein soziale Charakter der Arbeitseinsatzlenkungsmaßnahmen sich immer stärker auf übergeordnete wirtschafts- und staatspolitische Ziele ausrichtete. Voraussetzung der politischen Freiheit ist eine weitgehende wirtschaftliche Unabhängigkeit und hier wiederum größtmögliche Nahrungsfreiheit. Das einzige Mittel hierzu ist eine höchstmögliche Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung, die aber in erster Linie nur durch einen stärkeren Einsatz menschlicher Arbeitskraft erreichbar ist. Zur Unterbindung der Landflucht und Erhaltung des Bestandes an landwirtschaftlichen Arbeitskräften wurde angeordnet, daß bisher in der Landwirtschaft tätige Personen in anderen als landwirtschaftlichen Betrieben oder Berufen für andere als landwirtschaftliche Arbeiten nur mit vorheriger Zustimmung des Arbeitsamts eingestellt werden durften. Den Bestand an landwirtschaftlichen Arbeitern versuchte man dadurch zu verstärken, daß die Arbeitsämter ermächtigt wurden, unter bestimmten Voraussetzung die Entlassung von in Betrieben der gewerblichen Wirtschaft berufsfremd beschäftigten Landarbeitern zu verlangen. Diese Maßnahmen hatten aber bedenkliche psychologische Rückwirkungen auf die Zuführung von Nachwuchskräften zu landwirtschaftlichen Berufen und wurden deshalb bald wieder außer Kraft gesetzt. Für die Folge mußten sich die Arbeitsämter darauf beschränken, durch entsprechende Anwendung der übrigen Lenkungsmaßnahmen der Landwirtschaft mittelbar zu helfen. In der gewerblichen Wirtschaft zeigten sich als erste Folge eines unerhörten Aufstiegs insbesondere in der Produktionsmittel- und Investitionsgütererzeugung, und zwar entscheidend gefördert durch immer umfangreichere öffentliche Aufträge, der sogenannte Facharbeitermangel. Es muß festgestellt werden, daß dieser Facharbeitermangel weniger ein absoluter als vielmehr ein solcher in ganz bestimmten Berufen, aber mehr noch Betrieben, war. Überwiegend stellte er also eine Verteilungsaufgabe. Es kam darauf an, die vorhandenen Facharbeiter dorthin zu bringen, wo das staatliche Interesse ihren Einsatz erforderte. Das sollte durch einen Eingriff in die sogenannte Fluktuation erreicht werden. Die Anordnung über den Arbeitseinsatz von gelernten Metallarbeitern vom 29.12.1934120 unterwarf die Einstellung von Metallarbeitern, die eine ordnungsgemäße Lehre durchgemacht hatten, der Zustimmung des Arbeitsamts, wenn diese Einstellung außerhalb des Arbeitsamtsbezirks erfolgen sollte, in dem der Metallarbeiter seinen Wohnort hatte. Sehr bald erwies sich diese Maßnahme als unzureichend. Nach einer Ausdehnung des persönlichen Geltungsbereichs durch Einbeziehung auch der angelernten Metallarbeiter, die immer mehr zu der ausschlaggebenden Gruppe wurden, sowie der Betriebsbeamten, Werkmeister und Techniker am 7.11.1936121 entwickelte sie sich allmählich zu der Anordnung über den Arbeitseinsatz von Metallarbeitern vom 11.2.1937122, wonach die Einstellung von Metallarbeitern von der Zustimmung des für 120 „Anordnung über den Arbeitseinsatz von gelernten Metallarbeitern“, 29.12.1934, RABl. 1935 I, S. 12. 121 „Zweite Verordnung zur Durchführung des Vierjahresplans über die Sicherstellung des Bedarfs an Metallarbeitern für staats- und wirtschaftspolitisch bedeutsame Aufträge der Eisen- und Metallwirtschaft“, 7.11.1936, RABl. 1936 I, S. 293 f. 122 „Anordnung über den Arbeitseinsatz von Metallarbeitern“, 11.2.1937, RABl. 1937 I, S. 38 f.

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den Betrieb (Verwaltung) zuständigen Arbeitsamts abhängig gemacht wurde, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um gelernte oder angelernte oder in dem Bezirk des Arbeitsamts vorhandene oder auswärtige Metallarbeiter handelt. Eine ähnliche Regelung erfolgte im Baugewerbe. Damit war für die Angehörigen der wichtigsten Mangelberufe das „Recht des freien Arbeitsvertrages“ insofern eingeschränkt, als sie zum Abschluß eines Arbeitsvertrages einer behördlichen Genehmigung bedurften. Die Absicht, die Beschränkung der Freizügigkeit, die nach Bernh. Köhler123 damals „immer noch das einzige Mittel des deutschen Arbeiters zu seiner beruflichen Besserstellung war“, unter keinen Umständen weiter zu treiben als irgend notwendig, erwies sich im Zuge der weiteren Entwicklung immer deutlicher als unhaltbar. Die starken privatkapitalistischen Triebkräfte, die erhebliche Auswirkungsmöglichkeiten fanden, mußten unvermeidlich immer mehr auch auf die Unselbständigen übergreifen. Der Facharbeitermangel verstärkte sich um das Ausmaß des staatlich befohlenen Wirtschaftswachstums. Der Wert des Facharbeiters stieg nicht nur in ideologisch-politischem Sinne. Alle Maßnahmen der Lohnpolitik blieben weitgehend unwirksam gegenüber dem alten Marktgesetz von Angebot und Nachfrage, in verständlicheres Deutsch übertragen: Gegenüber der Disziplinlosigkeit von Betriebsführern, die immer neue Wege fanden, den staatlichen Notwendigkeiten auszuweichen. Es muß festgestellt werden, daß es in den wenigsten Fällen Arbeiter waren, die ihre Arbeitskraft meistbietend verkauften, als vielmehr Unternehmer und deren Beauftragte, die durch das Angebot höherer Löhne oder günstigerer Arbeitsbedingungen eine Bewegung in das deutsche Arbeitsleben brachten, daß z. B. das Jahr 1938 schon weit mehr als 2 Millionen Arbeitsplatzwechsel verzeichnete.124 […] Die Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonders staatspolitischer Bedeutung vom 13.2.1939125 sollte hier Wandel schaffen. Sie beschränkte sich aber wieder nur auf bestimmte Berufe und Wirtschaftszweige. In der Land- und Forstwirtschaft, im Bergbau (erst am 11.7.1939 auch im Steinkohlenbergbau), in der Chemischen Industrie, der Baustoffherstellung und der Eisen- und Metallwirtschaft durften Betriebsführer, Arbeiter und Angestellte eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses erst aussprechen, wenn das Arbeitsamt der Lösung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt hatte.126

123 Bernhard Köhler war Autor u.a. des Buches „Des Führers Wirtschaftspolitik. Rede, gehalten am 8.9.34 in der Sondertagung der Kommission für Wirtschaftspolitik auf dem Reichsparteitag zu Nürnberg“, 4. Aufl., München 1935. 124 S. dazu Kap. 1.3.3.1. 125 „Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“, 13.2.1939, RABl. 1939 I, S. 84 f. 126 „Zweite Durchführungsverordnung zur Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“, 10.3.1939, RGBl. I, S. 444.



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5] Austausch der Belegschaften: Junge durch Alte Schreiben des stellv. Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland an den Oberpräsidenten der Rheinprovinz betr. Verteilung der Arbeitskräfte, 14.9.1934 (LHA Koblenz, OPK 403–15493) In Verfolgung ihrer weitgesteckten Ziele zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat die Reichsregierung innerhalb des Aufgabenkreises der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung nunmehr die Verteilung von Arbeitskräften geregelt. Der Reichswirtschaftsminister erliess unter dem 10. 8. 1934127 im Einvernehmen mit dem Reichsarbeitsminister und dem Stellvertreter des Führers der NSDAP eine Verordnung über die Verteilung von Arbeitskräften. In dieser Verordnung wurde bestimmt, dass der Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ermächtigt ist, die Verteilung von Arbeitskräften, insbesondere ihren Austausch zu regeln. Gleichzeitig wurde der Präsident der Reichsanstalt in dieser Verordnung angewiesen, mit Zustimmung des Reichswirtschafts- und Reichsarbeitsministers die erforderlichen Anordnungen und Richtlinien über die Verteilung der Arbeitskräfte zu treffen. In Verfolg dieses Auftrages erliess der Präsident der Reichsanstalt am 28.8.1934 eine Anordnung über die Verteilung von Arbeitskräften128. Hiernach ist jeder Führer eines Betriebes oder einer Verwaltung verpflichtet, die Zusammensetzung der Gefolgschaft in ihrer altersmässigen Gliederung unter Berücksichtigung betriebstechnischer und wirtschaftlicher Erfordernisse daraufhin zu prüfen, ob sie dem staatspolitischen Gesichtspunkt gerecht wird, der eine bevorzugte Beschäftigung arbeitsloser älterer Arbeiter und Angestellter, insbesondere kinderreicher Familienväter gegenüber Arbeitern und Angestellten unter 25 Jahren erfordert. Die Prüfung ist erstmalig in allen Betrieben und Verwaltungen im September ds.Js. vorzunehmen, wobei der Tag der Prüfung freigestellt ist. Die Führer der Betriebe und Verwaltungen, für die nach dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit129 ein Vertrauensrat zu bilden ist, haben bis zum 1.10.1934 dem zuständigen Arbeitsamt auf einem besonderen Formblatt mitzuteilen, wieviel Arbeiter und wieviel Angestellte über und unter 25 Jahren nach Geschlechtern getrennt zur Zeit der Prüfung in dem Betrieb oder in der Verwaltung tätig waren. Sie haben weiter die Erklärung abzugeben, in welchem Umfange und in welchem Zeitraume ein Austausch von Arbeitskräften vorgenommen werden soll. […]

127 „Verordnung über die Verteilung von Arbeitskräften“, RGBl. 1, S.  786. Zu dieser Verordnung s.o., Kap. 1.2.2. 128 „Anordnung über die Verteilung von Arbeitskräften“, 28.8.1934, RABl. I, S. 202 ff. 129 „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“, 20.1.1934, RGBl. I, S. 45.

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Mitgliederrundschreiben des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Inter­essen in Rheinland und Westfalen, 21.7.1934 (WWA Dortmund, K1, Nr. 2201) Im Anschluß an den mit unserem Rundschreiben vom 21.v.Mts. bekanntgegeben Aufruf des Führers der Wirtschaft haben der Präsident der Reichanstalt für Arbeitsvermittlung, der Führer der Arbeitsfront, der Führer der Wirtschaft und der Reichsjugendführer vor kurzem eine Bekanntmachung erlassen, die geeignet erscheint, unerwünschten Auswirkungen bei der Durchführung der empfohlenen Austauschmaßnahmen vorzubeugen. Wir teilen die Bekanntmachung nachfolgend abschriftlich mit: „Der Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Dr. S y r u p ; der Führer der Deutschen Arbeitsfront, Dr. L e y ; der Führer der Wirtschaft, Graf von der Goltz und der Reichsjugendführer, Baldur von S c h i r a c h , geben folgendes bekannt: Bei der Freimachung von Arbeitsplätzen für ältere Arbeitslose sind in einer Reihe von Fällen auch junge Facharbeiter, die eben ihre Lehre beendet hatten, ja sogar Jugendliche, deren Lehrverhältnis noch nicht abgeschlossen war, aufgefordert worden, den Arbeitsplatz zu verlassen und in den Arbeitsdienst oder in die Landhilfe einzutreten. Es wird nochmals darauf hingewiesen, daß die Auswechslung Jugendlicher gegen ältere und kinderreiche Erwerbslose keinesfalls unter Benachteiligung der Wirtschaft und unter Gefährdung des notwendigen Facharbeiternachwuchses vorgenommen werden darf. Es herrscht heute schon in einer Reihe von Berufen Mangel an qualifizierten Facharbeitern und an Nachwuchs hierfür. Es liegt daher im Interesse der deutschen Volkswirtschaft und des organischen Aufbaus der werktätigen Bevölkerung, daß die berufliche Ausbildung der Jugend in keiner Weise gestört wird. Der vorzeitigen Beendigung des Lehrverhältnisses stehen schon die gesetzlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung entgegen. Besonders bei qualifizierten Berufen ist die Ausbildung zum Facharbeiter keineswegs mit der Lehre abgeschlossen. Zum brauchbaren Facharbeiter reift der Jugendliche erst in den ersten Gehilfejahren heran. Seine vorzeitige Auswechslung würde daher sein berufliches Fortkommen gefährden. Selbstverständlich ist die Teilnahme am Arbeitsdienst auch für ihn vaterländische Pflicht, nur muß versucht werden, sie auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen. Im übrigen weisen wir nochmals darauf hin, daß die Entscheidung für die Freimachung von Arbeitsplätzen, die bisher von Jugendlichen eingenommen wurden, in der Verantwortung des Führers des Betriebes liegt, der bei allen diesen Maßnahmen ausschliesslich vom Vertrauensrat beraten wird.“



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6] Düsseldorf fordert eine Zuzugssperre Schreiben der Stadt Düsseldorf an den Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung betr. Zuzugsbeschränkung, 24.8.1934 (LAV NRW R, RW 53–472) Die Fürsorgestellen des städt. Wohlfahrtsamtes haben schon seit mehreren Monaten festgestellt, dass in Düsseldorf in erheblichem Umfange Zuzüge von Arbeitslosen erfolgen, so dass hierdurch der von der Stadt Düsseldorf mit großem Erfolg durchgeführte Kampf gegen die Arbeitslosigkeit in seiner Auswirkung nicht wenig beeinträchtigt und gefährdet wird. Ist es doch den Bemühungen des Wohlfahrtsamtes gelungen, die Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen von rd. 28 000 Parteien im Dezember 1932 auf rd. 11 500 Parteien herabzusenken. Zwar bietet die 4. Verordnung zur Änderung der Fürsorgepflichtverordnung130 und die in Ausführung dieser Verordnung erfolgte Anerkennung der Stadt Düsseldorf als Notstandsgemeinde die Möglichkeit, gegenüber den hilfsbedürftigen Zuziehenden das Mass der Fürsorge auf das Unerlässliche zu beschränken und die Hilfsbedürftigen unter diesem Druck zum Wegzuge zu veranlassen. Auf der anderen Seite befindet sich aber unter den Zuziehenden ein erheblicher Teil, der in Düsseldorf Arbeit findet und damit den tausenden Volksgenossen in Düsseldorf, die noch auf Arbeit und Brot warten, den Arbeitsplatz wegnimmt. Diesem Zustande glaubt die Stadt Düsseldorf nicht weiter untätig zusehen zu können. Sie hat daher im Benehmen mit dem Herrn Polizeipräsidenten ab 17. Juli 1934 eine Nachprüfung der Arbeitsverhältnisse aller Zuziehenden durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass von den in der Zeit vom 17.7. bis 20.8.34 zugezogenen Personen 947 = 66% in Düsseldorf in Arbeit gekommen sind. Von den verbleibenden 488 Zugezogenen = 34% haben nach eigener Angabe sofort 208 beim Wohlfahrtsamt oder Arbeitsamt Unterstützung beantragt. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass von den übrigen arbeitslosen Zugezogenen noch eine grössere Anzahl der öffentlichen Fürsorge anheimfällt. Die erst seit wenigen Wochen angestellten Ermittlungen zeigen die ernste Tatsache, dass in Düsseldorf täglich mehr als 30 Arbeiter von auswärts zur Einstellung kommen, während beim hiesigen Arbeitsamt und Wohlfahrtsamt insgesamt noch rd. 30 000 Parteien Erwerbslose auf Arbeit warten. Es bedarf wohl keiner weiteren Begründung, dass dem bedenklich starken Zustrom auswärtiger Arbeiter auf den Düsseldorfer Arbeitsmarkt, der durch eigene Arbeitslose noch sehr drückend belastet ist, im Interesse der weiteren Unterbringung der eigenen Erwerbslosen ein starker Riegel vorgeschoben werden muss. Ich bitte daher ergebenst, für Düsseldorf gem. §1 des Gesetzes zur Regelung des Arbeitseinsatzes131 die Anordnung wie für Berlin zu treffen, dass Arbeiter und Angestellte von auswärts nur mit Genehmigung des Arbeitsamtes eingestellt werden können. 130 Die „Verordnung über die Fürsorgepflicht“ vom 13.2.1924 (RGBl. I, S. 100) beschrieb den Aufgabenbereich der Landes- und Bezirksfürsorgeverbände. 131 „Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes“, 15.5.1934, RGBl. I, S. 381.

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7] Die Einführung des Arbeitsbuchs „Arbeitsbuch und Berufsauslese. Die ersten Arbeitsbücher werden ausgestellt – Mittel zum richtigen Arbeitseinsatz  – Berufsfremde werden ausgeschieden“, in: Nationalzeitung (Essen), Nr. 178, 1.7.1935 (Auszug) Wer muss ein Arbeitsbuch haben? Die starke Verankerung des berufsständischen Gedankens im neuen Staat wirkt sich sowohl in der straffen organisatorischen Zusammenfassung aller in Betracht kommenden Berufsangehörigen wie auch in der zielbewußten Förderung aller derjenigen Maßnahmen aus, die der Berufsauslese, Berufsausbildung und Berufsfortbildung dienen. Hierin liegt auch die praktische Bedeutung der Einführung des A r b e i t s b u c h e s für Arbeiter und Angestellte einschließlich der Lehrlinge und Volontäre, die von diesem Monat an verwirklicht wird. Die erste Berufsgruppe, die nach der Machtübernahme der nationalsozialistischen Bewegung für ihre Berufsangehörigen einen Berufsausweis, damals Arbeitspaß genannt, einführte, war das G a s t s t ä t t e n g e w e r b e . Unter den Gastwirtsangestellten hatten nämlich im Laufe der Zeit neben den eigentlichen „Gelernten“ auch viele „Berufsfremde“ Stellung und Beschäftigung gefunden. Dieser Zustand hatte manchenorts dazu geführt, dass die „Ungelernten“ in Arbeit standen, während die „Gelernten“ arbeitslos waren. Daraufhin nahm das Berufsbildungsamt des Gaststättengewerbes eine sogenannte „ B e r u f s b e r e i n i g u n g “ vor, indem es innerhalb seiner Berufsgruppe durchsetzte, daß im Gaststättengewerbe nur derjenige beschäftigt werden durfte, der sich als dazu geeignet und ausgebildet durch seinen Arbeitspaß ausweisen konnte. […] Mit dem Gesetz vom 26. Februar 1935132 wurde dann der Arbeitspaß, jetzt A r b e i t s b u c h genannt, für alle Berufsgruppen als einheitlicher amtlicher Ausweis über die Berufsausbildung und die berufliche Entwicklung der Berufsangehörigen vorgesehen. Am 16. Mai 1935 haben alsdann der Reichswirtschaftsminister und der Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung die zur praktischen Einführung des neuen Arbeitsbuches erforderlichen Ausführungsbestimmungen und Anordnungen erlassen.133 Danach ist der Besitz eines Arbeitsbuches künftig für alle Arbeiter und Angestellte (einschließlich der Lehrlinge und Volontäre), die weniger als 1000 RM. im Monat verdienen, eine unabdingbare Pflicht. In Zukunft darf auch kein Unternehmer einen Arbeiter oder Angestellten einstellen oder beschäftigen, der nicht im Besitze eines Arbeitsbuches ist. Zuwiderhandlungen werden mit empfindlichen Strafen belegt.

132 „Gesetz über die Einführung eines Arbeitsbuches“, 26.2.1935, RGBl. I, S. 311. 133 „Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Einführung eines Arbeitsbuches“, 16.5.1935, RGBl. I, S. 602.



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Die Ausstellung eines Arbeitsbuches ist bei dem zuständigen A r b e i t s a m t zu beantragen und erfolgt das erstemal kostenfrei; nur bei Ersatz eines verlorengegangenen oder unbrauchbar gewordenen Arbeitsbuches müssen bestimmte Gebühren entrichtet werden. Beim Antritt einer neuen Stelle hat der Arbeiter oder Angestellte dem Unternehmer sofort sein Arbeitsbuch zur Aufbewahrung auszuhändigen. Dieser ist für die sorgfältige Aufbewahrung des Arbeitsbuches verantwortlich und haftbar. Nach Beendigung der Beschäftigung hat der Betriebsführer in das Arbeitsbuch den Tag des Beginnes, die genaue Art und den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzutragen. […] Es mag nicht unerwähnt bleiben, daß auch früher schon Arbeitskarte und Arbeitsbuch als amtliche Ausweise in Gebrauch waren, jene für schulpflichtige Kinder, die im Rahmen der Bestimmungen des Kinderschutzgesetzes Erwerbsarbeit verrichteten, und dieses für minderjährige Jugendliche, die entsprechend den Bestimmungen der Reichsgewerbeordnung in gewerblicher Arbeit standen. Indessen dienten diese Ausweise im wesentlichen pädagogischen Zwecken, während das neue, jetzt eingeführte allgemeine Arbeitsbuch ausschließlich ein Mittel der Berufsauslese, der Berufsertüchtigung und des richtigen Arbeitseinsatzes sein wird. 8] Vorbereitung des Arbeitsmarktes für den „Ernstfall“ Deutschland-Berichte der Sopade, September 1936, B 25. Das Arbeitsbuch und die entsprechende Kartei bei den Arbeitsämtern dienen erstens der genauen Bestandsaufnahme über die in Deutschland vorhandenen Arbeitskräfte und ermöglichen zweitens eine dauernde genaue Kontrolle über den jeweiligen Aufenthalt und die jeweilige Tätigkeit eines jeden Arbeiters und Angestellten. Aus dem freien Arbeiter wird auch in dieser Beziehung der unfreie, unter Kontrolle stehende Arbeiter. Es war nicht nur eine nationalsozialistische Spielerei, wenn der Begriff „Arbeitsmarkt“ durch den Begriff „Arbeitseinsatz“ ersetzt worden ist. Es handelt sich in Deutschland nicht mehr in erster Linie darum, einen Ausgleich zwischen dem Angebot und der Nachfrage an Arbeitskräften herzustellen, sondern im Vordergrund steht die Aufgabe, die Arbeitskraft wehrwirtschaftlich möglichst zweckmäßig einzusetzen. Praktisch bedeutet das: Die Freizügigkeit der Arbeiter ist aufgehoben. Sie dürfen nicht mehr nach Gutdünken ihren Arbeitsplatz wechseln, sie müssen sich nach Bedarf verschicken lassen und werden schließlich, soweit sie nicht in der Industrie Verwendung finden  – sei es wegen fehlender Ausbildung, sei es weil in ihrem Fach keine Arbeiter mehr gebraucht werden -, als regelrechte Zwangsarbeiter beim Straßenbau oder irgendwelchen kommunalen Notstandsarbeiten „eingesetzt“. Hier hat sich bereits eine Veränderung gegenüber früher vollzogen, die in ihrer Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Es handelt sich im Dritten Reich längst nicht mehr darum, Arbeitslose aus der Statistik verschwinden zu lassen wie in der ersten Zeit nach dem Hitler-Umsturz, sondern es handelt sich darum, ein System des dauernden wehrwirtschaftlichen Arbeitseinsatzes zu

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entwickeln, das sich heute noch im Versuchs- oder Vorbereitungsstadium befindet, das aber bald organisatorisch voll ausgebaut und ständig für den „Ernstfall“ bereit sein wird. 9] Probleme beim Bau des Westwalls Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland an den Vizepräsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, 10.6.1938, Geheime Reichssache (BArch R 3901–20188) Betrifft: Arbeitseinsatz bei Heeresbauten Die Festungs-Inspektion IX in Köln hat mir mitgeteilt, daß vom 20. Juni 1938 ab ein Arbeitseinsatz in großem Umfange für Befestigungsarbeiten an der Landesgrenze durchgeführt werden muß. Soweit ich bisher unterrichtet bin, handelt es sich um Arbeiten an der ganzen Grenze vom Arbeitsamtsbezirk Kleve bis zum Amt Saarbrücken. Die zuständige militärische Dienststelle ist der Inspekteur für die Westbefestigung beim Generalkommando XII in Wiesbaden, dem angeblich 4 Festungsinspektionen unterstehen. Eine dieser Inspektionen ist die Inspektion Nr. IX in Köln. Wie ich heute fernmündlich bei der Dienststelle in Wiesbaden ermittelt habe, wird die Bedarfsanforderung heute an den Herrn Präsidenten der Reichsanstalt über das Reichskriegsministerium abgesandt. Umfang und Gliederung der Arbeitskräfte konnten bisher für die gesamte Maßnahme noch nicht genau ermittelt werden. Jedoch hat mir die Inspektion IX mitgeteilt, daß für ihren Bereich (von Monschau bis Bitburg) Etwa 150 Tiefbautechniker 750 Facharbeiter (Maurer, Zimmerer, Betoniere) und 1200 Bauhilfsarbeiter benötigt werden. Nach Erkundigungen beim Arbeitsamt in Trier liegt dort seit gestern ein Bedarf an 70 Tiefbautechnikern und 2500 Arbeitskräften (überwiegend Bauhilfsarbeiter) vor. Nach einer fernmündlichen Erkundigung bei der Dienststelle in Wiesbaden beläuft sich der gesamte Bedarf auf über 500 Tiefbautechniker. Die dringendste Sorge ist zunächst die Bereitstellung der Tiefbautechniker, da diese zuerst benötigt werden und jedenfalls für den Bereich der Inspektion IX die Facharbeiter durchweg von den Baufirmen aus Schlesien mitgebracht werden. Die Bauhilfsarbeiter sollen möglichst ganz aus dem Bezirk des Landesarbeitsamtes Rheinland unter Ausschöpfung aller noch vorhandenen Möglichkeiten und unter Zurückstellung der zwischenbezirklichen Vermittlungen in andere Landesarbeitsamtsbezirke gewonnen werden. Demgegenüber stehen einsatzfähige Tiefbautechniker nicht mehr zur Verfügung. Benötigt werden Tiefbautechniker mit Technikumabschluß. Erfahrungen im Betonbau sind unbedingt erforderlich. Neben Tiefbautechnikern mit Technikumvor-



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bildung kommen auch Diplom-Ingenieure sowie besonders erfahrene ältere Poliere in Frage, die Erfahrungen im Betonbau haben und Baustellen beaufsichtigen können. Das Alter soll grundsätzlich mindestens 30 Jahre betragen. Politische Zuverlässigkeit ist unbedingt notwendig. Zur Gewinnung der Tiefbautechniker stehen 2 Wege offen, und zwar der eine Weg zu den Verwaltungen und der andere Weg zu den Baufirmen der freien Wirtschaft. Im Einvernehmen mit dem Herrn Oberpräsidenten habe ich zunächst, von der Erwägung ausgehend, daß die Tiefbauabteilungen bei den Großstädten z.Zt. weniger beschäftigt sind als z. B. die Kulturämter, die Oberbürgermeister der Großstädte über 100000 Einwohner zu einer Sitzung im Landesarbeitsamt Rheinland am Mittwoch, den 15. Juni 1938, 11 Uhr eingeladen, um hier die Möglichkeiten der Gewinnung von Tiefbautechnikern zu erörtern. Die Aussichten erscheinen allerdings, wie ich glauben möchte, nicht groß. Grössere Möglichkeiten für die Gewinnung von Kräften bietet m.E. die freie Wirtschaft. Mit den Vertretern der beiden maßgebenden Wirtschaftsgruppen der Bauindustrie in Düsseldorf und Köln habe ich diese Möglichkeiten bereits erörtert. Nach der Ansicht des Geschäftsführers der Düsseldorfer Gruppe, Herrn Dr. Knecht134, der in dieser Sache auch mit dem Leiter der Reichsgruppe, Generaldirektor Vögler135, Fühlung genommen hat, ist es jedoch nur dann möglich, Tiefbautechniker zur Verfügung zu stellen, wenn andere Arbeiten stillgelegt werden; denn der Anteil der öffentlichen Aufträge im Tiefbau macht ungefähr 95 v.H. aller Tiefbauaufträge aus. Nach der Ansicht der Wirtschaftsgruppe kann die Frage also nur auf dem Wege einer Planung gelöst werden mit der Maßgabe, daß die Zahl der für vorliegende Zwecke zu stellenden Tiefbautechniker unbedingt gestellt werden muß, während andere Arbeiten, wie z. B. die der Reichsautobahn, zum Teil stillgelegt werden müssen. Übrigens muß die Reichsautobahn nach der Darlegung der Inspektion IX dies schon deshalb tun, weil sie besondere Aufgaben erhalten hat, die ebenfalls mit der Landesverteidigung im Zusammenhang stehen. […] Bericht des Sicherheitsdienstes des Reichsführers-SS, Unterabschnitt Aachen, an den Regierungspräsidenten in Aachen, über „Schwierigkeiten im Grenzgebiet“, 5.9.1938 (Auszug) (LAV NRW R, BR 5–16829 II) III. Sachliche Mängel grundsätzlicher Art Die meisten der bisher beobachteten Mängel und Fehler lassen sich in der Erfahrung zusammenschliessen: 134 Dr. Karl Knecht wurde 1939 Geschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Bauindustrie; kurz: Christiane Botzet: Ministeramt, Sondergewalten und Privatwirtschaft. Der Generalbevollmächtigte für die Regelung der Bauwirtschaft, in: Rüdiger Hachtmann, Winfried Süß (Hg.): Hitlers Kommissare. Sondergewalten in der nationalsozialistischen Diktatur, Göttingen 2006, S. 115–138, hier S. 129. 135 Eugen Vögler, seit 1927 Vorstandsvorsitzender des Essener Bauunternehmens Hochtief; s. Erwin Dickhoff: Essener Köpfe, Essen 2015 (Neuauflage).

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Mit der Vermehrung der bei den Bauvorhaben beschäftigten Arbeiter ist die notwendige Verstärkung der für die tätigen Stäbe, wie Büros der Baufirmen, Dienststellen der Behörden und Partei, und eine erhöhte Beschaffung von Versorgungsgütern nicht Hand in Hand gegangen. 1.) Die ersten Fehler entstehen bereit im Stabe des Generalinspektors für das Strassenbauwesen To d t 136, in Wiesbaden. Wie die Praxis erweist, erfolgt die Regelung des Arbeitseinsatzes nach starrem Plan und ohne Rücksicht darauf, ob die Frontabschnitte auch die zuletzt eingewiesenen Arbeiter versorgungs- und betreuungsmässig verdaut haben, ob ihre Unterbringung, Ernährung und Bezahlung usw. geregelt und sichergestellt ist und die belegten Ortschaften und Kreise die plötzliche und unerwartete Mehrbelastung hinsichtlich der Bereitstellung von Quartieren und Lebensmitteln, der erforderlichen Wasserversorgung ertragen können. Das Landesarbeitsamt, als nächste eingeschaltete Instanz, vermittelt die Aufträge des Todt-Stabes vorbehaltlos. Die angeforderte Zahl Arbeiter wird, nach Beschäftigungsarten spezifiziert, auf die Arbeitsämter verteilt, die die Aushebungen durchführen. Diese immer noch festzustellende Planlosigkeit in der Durchführung der Aushebungen verursacht einen ganzen Komplex weiterer Fehler. Es wurde z. B. häufig beobachtet, dass durch Aushebung von Arbeitern auch solche Betriebe in ihrer Produktion gehemmt werden, die als Herstellungsfirmen für die Bauvorhaben in irgendeiner Weise tätig sind (Kiesgruben, Fuhrunternehmen, Ziegeleien und andere rüstungswichtige Betriebe). Ebenso erfolgt, namentlich in den letzten Tagen, immer häufiger die Vermittlung nichtvolleinsatzfähiger Arbeitskräfte, die nach kurzer Tätigkeit bereits in ärztliche Behandlung gegeben werden müssen. Der arbeitsmässige Einsatz zeigt ein ebenso grosses Durcheinander. So wurde z. B. festgestellt, dass gelernte Zimmerleute als Erdarbeiter eingewiesen wurden, während auf der gleichen Baustelle starker Mangel an gelernten Verschalern herrschte. Vergessen wird ferner hierbei, was weiter unten eingehender ausgeführt wird, dass einer bestimmten Anzahl von Arbeitern auch eine entsprechende Anzahl von Bürokräften für Baufirmen (Lohnbuchhalter), Bürgermeisterämter, Krankenkassenverbände usw. zugeteilt werden müssten. Dazu wiederholen sich immer noch die Fälle unzweckmässigen Einsatzes von Arbeitern in entferntere Gebiete, die besser in der Nähe ihres Wohnortes in die Massnahmen eingewiesen werden könnten. Hier liessen sich unnötige Kosten für Unterbringung und Transport sparen. Andererseits ist gerade in jüngster Zeit festzustellen, dass selbst Betriebe mit hoher Belegschaft im Grenzgebiet der Abgabe eigener Arbeiter für die Bauvorhaben Schwierigkeiten entgegensetzen und sogar den Arbeitsämtern gegenüber drohen, im Falle der 136 Dem Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen und Generalbevollmächtigten für die Regelung der Bauwirtschaft Fritz Todt unterstand die nach ihm benannte „Organisation Todt“, die für den Bau militärischer Anlagen eingerichtet worden war. Art. „Organisation Todt“, in: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, S. 688 f.



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Nichtrückgängigmachung ihrer Massnahmen bezw. deren Wiederholung ihre Unternehmen einfach aus dem Grenzgebiet herauszuziehen und nach Mitteldeutschland zu verlegen. In solchen Fällen erscheinen staatspolizeiliche Massnahmen gegenüber den Betriebsdirektionen angebracht. 2.) Auch bei den weiteren Schwierigkeiten, die im eigentlichen Verlauf der Arbeit auftreten, gilt die Erfahrung: Verstärkter Arbeitseinsatz erfordert personelle Verstärkung der für die Arbeiter schaffenden Betriebe. Zwei grosse Klagenkomplexe seien vorangestellt: a) die nicht endenwollenden Klagen der Arbeiterschaft über unregelmässige und unzureichende Zahlung der Löhne, über das ungesunde Vorschusssystem, in dem man sie nun schon seit Wochen hält, haben Anlass zu näheren Untersuchungen gegeben und gezeigt, dass nicht immer Mangel an sozialem Verständnis oder gutem Willen bei den Baufirmen vorliegt, sondern fast immer die aus Personalmangel herrührende Unmöglichkeit, ein ordentliches Entlohnungssystem durchzuführen, diktiert. Allen Baufirmen fehlen noch immer Lohnbuchhalter, Steuersachbearbeiter u.ä. Bürokräfte. Kleinere beauftragte Firmen, die jetzt mit ungewohnt hoher Belegschaft arbeiten, haben nie eine ordnungsmässige Lohnbuchhaltung geführt, sondern diese Arbeiten als Nebenarbeiten von einer Bürokraft erledigen lassen. Sie sehen sich jetzt außerstande, sowohl Lohnbuchhalter auf dem Arbeitsmarkt zu finden, als auch die erforderlichen technischen Einrichtungen mit dem vorhandenen Büropersonal und ihren geringen Sachkenntnissen selbst zu schaffen. […[ Ähnliche Zustände herrschen bei den Amtsbürgermeistereien, deren Büro- und Polizeikräfte bei weitem nicht ausreichen. Dabei darf nicht verkannt werden, dass den Bürgermeisterämtern ein Grossteil Arbeit im Rahmen des Gesamten zufällt, da sie täglich um Unterstützung in der Beseitigung von Schwierigkeiten angegangen werden und durch die Übernahme von Eigenverantwortung bereits viele Schwierigkeiten beseitigt haben. b.) Die Versorgungslage der Arbeiter und Zivilbevölkerung hat sich im Regierungsbezirk Aachen in zwei Landkreisen (Aachen-Land und Schleiden/Eifel) bereits katastrophal entwickelt. Gänzlich unzulänglich ist hier vor allem die Fleischversorgung. Soweit es sich um die Fleischversorgung der in Lagern untergebrachten Arbeiter handelt, hat die DAF. erhöhte Fleischzuteilung an die mit der Belieferung der Lager beauftragten Metzger beim Viehwirtschaftsverband in Bonn erreicht. Unberücksichtigt blieb hier bisher lediglich, dass auch die in Lagern untergebrachten Arbeiter noch zusätzlich Fleisch- und Wursteinkäufe in den Metzgereien tätigen und somit die Zivilbevölkerung der Ortschaften zu kurz kommt. Anders liegen die Verhältnisse für die Arbeiter, die in Privatquartieren untergebracht sind, bezw. für den Quartiergeber und den restlichen Teil der Ortsbevölkerung. Sie sind bisher bei der Festsetzung der Fleischkontingente für die Metzgereien unberücksichtigt geblieben.

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Schreiben der Fa. H. Beckmann Söhne, Baumwoll- und Kunstseiden-Weberei und Ausrüstung, Bocholt, an die Industrie- und Handelskammer Duisburg, 6. Mai 1939 (RWWA, 20–1289–2) Betr. Gestellung von Arbeitskräften für die Westfront In der Einlage senden wir Ihnen die Durchschrift eines heute an das hiesige Arbeitsamt gerichteten Schreibens. Leider sind wir in Zukunft nicht mehr in der Lage, weitere Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, da hierdurch die Fertigstellung unserer Exportaufträge teilweise in Frage gestellt, zum mindesten aber stark hinausgezögert würde, zumal wir bereits jetzt schon nicht unerhebliche Fabrikationsschwierigkeiten haben. Verzögerungen in der Lieferung verärgern die ausländischen Kunden bekanntlich ausserordentlich, sodass weitere Bestellungen zweifelhaft sind. Wir haben den Eindruck, dass die hiesigen Firmen nicht völlig gleichmässig zur Hergabe von Arbeitskräften herangezogen werden. Unsere Anregung geht daher dahin, sich vom hiesigen Arbeitsamt die von den einzelnen Firmen bisher abgegebenen Kräfte aufgeben zu lassen. Hierdurch erhalten Sie eine Übersicht darüber, wie die Firmen im einzelnen erfasst wurden. Sollten sich tatsächlich Ungleichmässigkeiten ergeben, bitten wir für eine Abstellung dieses, wie wir meinen, Übelstandes bemüht zu sein. An das Arbeitsamt Bocholt / Westf. den 6. Mai 1939 Gegen die Gestellung eines weiteren Gefolgschaftsmitgliedes zur Westfront müssen wir aus nachstehenden Gründen protestieren. Wie aus nachstehender Aufstellung ersichtlich ist, haben wir bereits, wie namentlich mit Daten aufgeführt, bis heute 8 Arbeitskräfte zur Westfront gestellt. Zum Arbeitsdienst kamen am 30. März ds. Jhs. 2 Gefolgschaftsmitglieder. Zum Militär für 3 Monate werden am 15. ds. Mts. 3 Mann eingezogen. […] Am 1. Oktober wird zum Militärdienst 1 Gefolgschaftsmitglied und zum Arbeitsdienst 3 Mitglieder der Belegschaft eingezogen. Wie aus der umstehenden Aufstellung ersichtlich hat die Firma genügend Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Die Gestellung weiterer Arbeitskräfte ist uns unmöglich, da die Abfertigung eiliger Exportaufträge hierunter leidet und diese Sendungen nicht pünktlich verschifft werden können. Ein grosser Teil der noch beschäftigten Stühle läuft auf Export und diese Förderung des Exportes ist aus der Rede des Führers unter allen Umständen zu gewährleisten. Wir sehen uns ausserstande den zur Stellung heute herangezogenen Johann Paus aus den erwähnten Gründen abzugeben.



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10] Facharbeitermangel bei der Fried. Krupp AG (BArch-MARW 19–2129) Schreiben des Vorstands der Fried. Krupp AG an Generalmajor Thomas, Chef des Wehrwirtschaftsstabes beim Oberkommando der Wehrmacht, 9.5.1938 (Auszug) Für das Jahr 1938 haben wir ermittelt, welche Arbeitskräfte wir auf der Fabrik durch die bereits in Angriff genommenen Sondermaßnahmen durch verstärkte Lehrlingsausbildung bezw. Umschulung selbst stellen können. Hierbei wird besonders deutlich, daß wir bei aller Anstrengung auf diesem Gebiet bereits im Jahre 1938 nicht imstande sein werden, unseren eigenen Bedarf selbst zu decken. Dieses Verhältnis wird in den nächsten Jahren kaum günstiger werden können. Wir halten uns für verpflichtet, Ihnen diese äußerst bedenkliche Lage eingehend zu schildern, da wir im Falle der Nichtbeschaffung der benötigten Arbeitskräfte voraussichtlich nicht in der Lage sein werden, die Aufträge der Wehrmacht und Reichsbahn termingemäß ausführen zu können. Wenn wir uns auch bewußt sind, daß wir mit allen nur denkbaren Kräften dieses Problem selbst zu meistern versuchen müssen, so glauben wir, heute schon übersehen zu können, daß dieses Problem ohne ungewöhnliche Sondermaßnahmen nicht bewältigt werden kann. Wir wären Ihnen daher für Ihren Rat bezw. Ihre Mithilfe dankbar, um dieser für uns außerordentlich schwierigen Lage begegnen zu können. Die im hiesigen Bezirk bezw. Gebiet noch zur Verfügung stehenden Fachkräfte sind derart verschwindend gering, daß eine Deckung unseres Bedarfs aus dem hiesigen Revier unmöglich erscheint. Wenn wir auch nach der uns bekannten allgemeinen Arbeitsmarktlage annehmen müssen, daß anderenorts gleiche oder ähnliche Verhältnisse vorliegen, so sehen wir uns doch zu dem Schluß gezwungen, daß anscheinend die Beschaffung der notwendigen Arbeitskräfte nur durch eine Sondermaßnahme möglich sein wird, die, da sie den Einsatz von Kräften für rüstungswichtigste Aufgaben bedeutet, nur mit Ihrer Mitwirkung und Unterstützung durchgeführt werden könnte. Über eine Sondermaßnahme haben wir bereits Herrn Dr. Syrup, Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Berlin, einen Vorschlag unterbreitet. Diese Maßnahme würde darin bestehen, daß aus den in Österreich vorhandenen137 möglichst ledigen Facharbeitern und angelernten Arbeitern diejenigen schnellstens zur Beschäftigung auf unserer Fabrik eingesetzt würden, die für den 137 Österreich litt wesentlich länger als Deutschland unter einer hohen Arbeitslosigkeit. 1937 lag die Quote noch immer bei 21,7 %, weshalb seit dem „Anschluss“ am 12. März 1938 der Arbeitsmarkt des Landes für die unter Arbeitskräftemangel leidende deutsche Wirtschaft interessant war. Dieter Stiefel: Arbeitslosigkeit. Soziale, politische und wirtschaftliche Auswirkungen – am Beispiel Österreichs 1918–1938, Berlin 1979; Felix Butschek: Der österreichische Arbeitsmarkt – von der Industrialisierung bis zur Gegenwart, Stuttgart 1992, S. 90 ff., 109; ders.: Österreichische Wirtschaftsgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart, 2. Aufl., Wien u.a. 2012, S. 234 ff.

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Wiederaufbau der österreichischen Industrie noch nicht sofort benötigt werden. Wir glauben einen doppelten Vorteil darin zu sehen, indem diese Fachkräfte für uns eine wesentliche Entlastung bedeuten würden, andererseits aber durch den schnellen Einsatz in ihrer Berufsarbeit der österreichischen Industrie für ihren etwaigen späteren Wiedereinsatz in Österreich dadurch wertvoller werden. Wir möchten nicht verfehlen, Ihnen dafür, daß wir Ihnen diese Angelegenheit vertragen durften, unseren verbindlichsten Dank auszusprechen und wären Ihnen für Ihre baldige Stellungnahme verbunden. Schreiben des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung an das Oberkommando der Wehrmacht, 15.6.1938 Zur Deckung des dringlichsten Bedarfs der Friedr. Krupp A.G. im Jahre 1938 habe ich die Reichsausgleichstelle für Arbeitsvermittlung138 angewiesen, den auch Ihnen aus der Übersicht bekannten Bedarf an Arbeitskräften soweit wie möglich im Ausgleich in aller erster Linie aus Österreich zu decken. Darüber hinaus für die kommenden Jahre bis 1942 weitere Maßnahmen zu treffen ist nicht möglich, weil bei der derzeitigen Lage des Arbeitseinsatzes bereits Kräfte im voraus für einen derartig weiten Zeitraum für bestimmte Betriebe nicht zurückgestellt werden können und im übrigen eine solche Zurückstellung auch deshalb nicht möglich wäre, weil die Gesamtentwicklung des Arbeitseinsatzes für eine derartige Zeitspanne nicht mit aller Sicherheit vorausgesehen werden kann. […] Schreiben der Gußstahlfabrik der Fried. Krupp AG an das Marinewaffenamt des Oberkommandos der Kriegsmarine, 22.6.1938, Geheim (Abschrift) Im Vorgangsschreiben hatten wir ausgeführt, dass eine wesentliche Voraussetzung für die Erfüllung des Programms nach Plan 76, der die Grundlage für den Plan 87 bildete, die rechtzeitige Bereitstellung der erforderlichen Fach- und Hilfsarbeiter ist. In Verbindung mit den örtlichen und zentralen Arbeitsämtern sowie durch eigene Massnahmen des Werkes (Umschulung, vermehrte Lehrlingseinstellungen usw.) wird es voraussichtlich möglich sein, in den nächsten Jahren etwa 1000 Arbeiter jährlich zu bekommen. Darüber hinaus werden jedoch noch für die Rüstungsbetriebe erforderlich: Bis zum1.10.1938 rd. 1000 Mann Im Laufe des Jahres 1939 ” 1500 ” 1940 ” 1000 ” Dieser Bedarf kann nur durch Sondermassnahmen gedeckt werden.

138 Die Reichsausgleichsstelle der Reichsanstalt sollte den überbezirklichen Arbeitsmarktausgleich fördern. Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 246.

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Als geeignete Massnahme käme nach unserer Ansicht gegebenenfalls in Betracht, die 1937 zum Wehrdienst und 1938 zum Reichsarbeitsdienst eingezogenen Arbeiter freizustellen. Es handelt sich hierbei um:

Gelernte Ungelernte Arbeiter Zusammen 1937 253 222 475 (Wehrdienst) 1938 262 183 445 (Arb.–Dienst) _____ zus. 920. Falls dieser Anregung Folge geleistet werden könnte, müssten die Freistellungen spätestens zum Oktober 1938 erfolgen. […] Aktenvermerk im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt beim Oberkommando der Wehrmacht (Rü IVb), 5.7.1938 Heute sprach der Personalreferent der Firma Krupp in Essen, Herr Girod, sowie weitere Vertreter der Fa. Krupp beim W Stb vor und überreichte eine neue Aufstellung über den Gesamtarbeiterbedarf der Fa. Krupp bis zum Jahre 1942. In der Unterredung wies G. darauf hin, daß in diesem Jahre bei der Fa. Krupp rd. 500 Facharbeiter ausscheiden, um in den Arbeitsdienst einzutreten. Die Fa. Krupp hat beim O.K.M. darum gebeten, die Zurückstellung dieser arbeitsdienstpflichtigen Facharbeiter zu erwirken. Heute Vormittag waren die Vertreter der Fa. K. bei der Reichsausgleichsstelle und haben mit dieser zusammen einen Plan wegen der Anwerbung von Arbeitskräften in Österreich und im Rheinlande durchgesprochen. Herrn Girod wurde anheimgegeben, erst das Ergebnis der Anwerberreise abzuwarten. Da noch nicht bekannt ist, ob die Fa. K hinsichtlich der Bedarfsdeckung unter die Verordnung139 vom 22.6. cr.140 fällt, wurde über das nach dieser Bestimmung evtl. einzuleitende Verfahren nicht gesprochen. Schreiben des Oberkommandos der Kriegsmarine an den Wehrwirtschaftsstab beim Oberkommando der Wehrmacht, 8.8.1938, Geheime Kommandosache […] Nachdem sich die Firma bereits in einem Schreiben vom 7.4.38 an den Präsidenten Syrup und in einem Schreiben vom 9.5.38 an den Chef des Wehrwirtschaftstabes mit Vorschlägen zur Deckung ihres großen Facharbeiterbedarfs gewandt hatte, macht sie nunmehr in dem o.a. Schreiben vom 22.6.38 an das Oberkommando der Kriegsmarine

139 „Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“, 22.6.1938, RGBl. I, S. 652, RABl. 1938 I, S. 210. 140 Currentis = des laufenden Jahres.

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weitere Vorschläge, die auf eine Befreiung vom Arbeitsdienst und auf eine Zurückstellung bzw. Freistellung vom Wehrdienst hinauslaufen. Bei den großen Aufgaben, die die Firma für den Aufbau der Kriegsmarine und des Heeres durchzuführen hat und bei dem erheblichen Bedarf an Facharbeitern hierfür, deren rechtzeitige Bereitstellung für die fristgerechte Durchführung der Aufgaben Vorbedingung ist, wird gebeten, die von der Firma vorgeschlagenen weiteren Maßnahmen zu prüfen und weiter zu verfolgen. Schreiben des Oberkommandos der Wehrmacht an das Oberkommando der Kriegsmarine, 17.8.1938, Entwurf Die Vorschläge der Fa. Krupp auf Befreiung wehrpflichtiger Arbeitskräfte vom Arbeitsdienst und vom Wehrdienst sind d.E. bei dem großen Mangel der Wehrmacht an neuzeitlich ausgebildeten Soldaten nicht durchführbar. Durch die Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 22.6.38 ist die Möglichkeit gegeben, den unbedingt notwendigen Bedarf an Facharbeitern auf anderem Wege bereit zustellen. 11] Die Bemühungen der Gewerkschaft „Porta“ um Arbeitskräfte (LAV NRW OWL, M 1 I U Nr. 1696) Aktenvermerk beim Regierungspräsidenten in Minden, 31.3.1939 Gelegentlich einer Besprechung mit dem Betriebsführer der Gewerkschaft „Porta“141, Direktor D i n t e r, ergab sich, daß die Förderung der Gewerkschaft, die zurzeit etwa 800 bis 1000 to täglich beträgt, nach dem Stande des technischen Ausbaues der Grube verdoppelt werden könnte, falls die nötigen Arbeitskräfte zur Verfügung ständen. Die Gewerkschaft soll nach dem ihr im Rahmen des Vierjahresplanes erteilten Auftrag im Jahre 1939 600.000 to fördern. Diese Förderung wird sie erreichen, wenn sie die jetzige Förderung verdoppelt und dies ist wieder abhängig von der Zuweisung neuer Arbeitskräfte. Die Gewerkschaft stößt hierbei auf große Schwierigkeiten. Mit dem Leiter des hiesigen Arbeitsamtes habe ich deshalb verhandelt. Er wäre dankbar, wenn der Regierungspräsident eine entsprechende Anfrage an ihn schriftlich richtete, die er dann offenbar dazu verwenden will, um bei seiner vorgesetzten Stelle vorstellig zu werden. Im übrigen wies er darauf hin, daß der Arbeitsmarkt im hiesigen Bezirk außerordentlich schwierig liege. Z. B. fehlen für den Bau der Autobahn im hiesigen Bezirk allein noch etwa 600 Arbeitskräfte. Auch soll der Bezirk ständig noch Arbeitskräfte nach außerhalb abgeben.

141 Eisenerzbergwerk „Gewerkschaft Porta“ in Dützen bei Minden.



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Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an den Regierungspräsidenten in Minden, 16.5.1939 Der Gestellung der erforderlichen Arbeitskräfte für die Gewerkschaft „Porta“ wird vom zuständigen Arbeitsamt Minden allergrößte Beachtung geschenkt. In engster Zusammenarbeit mit der Leitung der Erzgrube ist die Vermittlungsstelle für den Bergbau bemüht, laufend geeignete Arbeitskräfte, die sich aus der Fluktuation heraus melden, der Erzgrube zuzuweisen. Außerdem wird das Arbeitsamt bei dem anderweitigen Arbeitseinsatz der nach Fertigstellung der Reichsautobahnstrecke im Bezirk Minden freiwerdenden Arbeitskräfte nach Möglichkeit die Gewerkschaft „Porta“ berücksichtigen. Ob darüber hinaus seitens der Reichsausgleichstelle, wie vorgesehen, Arbeitskräfte aus Böhmen und Mähren zur Verfügung gestellt werden können, ist z.Zt. noch nicht zu übersehen Für die Gewerkschaft Porta sind 30 Kräfte vorgesehen. Das Arbeitsamt Minden hat Abschrift dieses Schreibens erhalten mit der Weisung, den erforderlichen Kräftebedarf nach Möglichkeit zu decken. Aktenvermerk beim Regierungspräsidenten in Minden, 25.5.1939 Zwischen dem Sachbearbeiter des Landesarbeitsamtes und meinem Sachbearbeiter ist gelegentlich eines anderen Termins in Dortmund die Frage der Zuweisung von Arbeitskräften für die Gewerkschaft „Porta“ eingehend erörtert worden. Das Landesarbeitsamt versprach, zu tun was in seinen Kräften stehe, erklärte aber, daß eine Verpflichtung von Arbeitskräften zu Gunsten der Gewerkschaft „Porta“ so lange nicht möglich sei, als der Erzbergbau nicht zu den Unternehmen zähle, für die eine Verpflichtung ausgesprochen werden könne. Zurzeit würden alle verfügbaren Arbeitskräfte in den Bergbau und in die Landwirtschaft verwiesen. Es wird zu prüfen sein, ob ein Antrag an den Herrn Reichswirtschaftsminister auf Ausdehnung der Verpflichtungsmöglichkeit für den Erzbergbau Aussicht auf Erfolg hat. Es wird weiterhin mit dem Landesarbeitsamt Fühlung gehalten; ebenso mit der Gewerkschaft „Porta“. Aktenvermerk beim Regierungspräsidenten in Minden, 25.6.1939 Besprechung des Unterzeichneten im Reichsarbeitsministerium, Abteilung V, über die Beschaffung von Arbeitskräften für den Erzbergbau und über die Ermässigung der z.Zt. laufend noch an den Reg.Bez. Minden gestellten Anforderungen auf Abgabe von Arbeitskräften an fremde Bezirke. An der Besprechung nahm der technische Leiter der Gewerkschaft Porta, Dir. Dinter, der gleichzeitig von der Grube „Wohlverwahrt“, Kleinenbremen, mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt war, teil. Die Unterhaltung mit Oberreg.Rat Hildebrand142, 142 Dr. Hubert Hildebrandt; s. die Kurzbiografie bei Kim Christian Priemel: Arbeitsverwaltung vor Gericht.

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dem zuständigen Referenten, ergab, dass er bereit ist, auch für den Erzbergbau die Verpflichtung berufsfremd gewordener Arbeitskräfte auszusprechen, die bisher nicht erfolgte. Er gab zu, dass es möglich sein müsse, neben den Anforderungen für den Kohlenbergbau die z. Zt. ganz besonders dringlich sind, weil die Reichsbahn nicht einmal über die zur Aufrechterhaltung ihres Betriebes erforderlichen Kohlenmengen verfügen soll, auch die verhältnismässig nicht so bedeutenden Anforderungen für den hiesigen Erzbergbau zu erfüllen. Er bittet nur, über die Reichsstelle für Wirtschaftsausbau einen entsprechenden Antrag an das Reichsarbeitsministerium zu stellen. Weitere Vorstellungen in dem Referat für die Zuweisung von Arbeitskräften aus dem Protektorat und aus Flüchtlingslagern ergaben, dass man dort die hiesigen Verhältnisse offenbar nicht genügend kannte, insbesondere nicht wusste, dass der Erzbergbau auch mit nicht bergmännisch vorgebildeten Arbeitskräften auskommen kann. Hätte man dies gewusst, so wäre voraussichtlich eine stärkere Zuweisung aus dem Protektorat möglich gewesen. Das Reservoir an diesen Arbeitskräften ist aber z. Zt. erschöpft. Dagegen wurde zugesagt, etwa 32 Flüchtlingsfamilien sofort für die Erzgruben zur Verfügung zu stellen. Bedingung hierfür war, dass Wohnungen im ausreichenden Umfang bereit standen. Wie aus der Unterredung mit Oberreg.Rat Hildebrand und auch aus der Unterhaltung mit den übrigen Sachbearbeitern hervorging, zählt Westfalen neben Sachsen zu den Gegenden Deutschlands, aus denen z Zt. noch Arbeitskräfte in erheblichem Umfang zu Gunsten der Vierjahresplan- und Rüstungsbetriebe herausgezogen werden. Man erklärte, dass es trotz der grossen Wirtschaftsintensität des Mindener Bezirks nicht möglich sei, hiervon abzugehen, weil die Zahl der vorgenannten Betriebe im Bezirk selbst nicht so hoch sei, wie anderwärts und garnichts anders übrig bliebe, als den ungeheuren Bedarf an Arbeitern für diese Zwecke aus den wenigen Bezirken herauszuziehen, in denen dies nach Ansicht der Berliner Stellen noch möglich sei. Schreiben der Betriebsleitung der Gewerkschaft „Porta“ an den Regierungspräsidenten in Minden, 14.7.1939 Auf Ihr Schreiben vom 10. d.M. teilen wir Ihnen mit, daß uns aus dem Flüchtlingslager Gogolin143 durch Vermittlung der Arbeitsämter Neuruppin144 und Forst i.L.145 insgesamt 52 polnische Flüchtlinge zugewiesen worden sind.

Das Reichsarbeitsministerium und die Nürnberger Prozesse 1945–1949, in: Nützenadel: Reichsarbeitsministerium, S. 461–493, hier S. 485. 143 Kleinstadt in Oberschlesien, seit 1945 zu Polen gehörig. Ein Flüchtlingslager in Gogolin konnte nicht ermittelt werden. 144 Kleinstadt nördlich von Berlin. 145 Kleinstadt in der Niederlausitz.



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12] Vom Rheinland zur Arbeit nach Brandenburg Deutschland-Berichte der Sopade, Februar 1939, A 39 RHEINLAND-WESTFALEN: D-Zug Richtung Berlin: In Duisburg stürmt eine laut schreiende Menschengruppe von etwa 80 Personen, Männer und Frauen, den Zug, ärmliche Kleidung, teilweise werktäglich. Gepäck: meist der im 3. Reich den Reisekoffer des kleinen Mannes bildende Persilkarton. In meinem Abteil nimmt der Reiseleiter Platz mit einigen Mädchen und Frauen. Bald stellt sich heraus: es sind beschäftigungslose Textilarbeiter aus dem Krefeld-Rheydter Gebiet, die nach Brandenburg umgesiedelt werden sollen, die Männer zum Reichsautobahnbau, die Frauen in eine in Brandenburg neu entstandene Fabrik. Die Leute erscheinen nacheinander in unserem Abteil, um vom Reiseleiter das ihnen zustehende Zehrgeld von 2,– RMk. in Empfang zu nehmen. Kurze Zeit später ist ein Teil betrunken, sie haben das Geld im Speisewagen in Bier umgesetzt. Der Reiseleiter erzählt mir im Verlaufe der Nacht, mit anderen Kollegen bringe er Woche für Woche solche Gruppen Beschäftigungsloser zur Umsiedlung ins Innere des Landes. Die Verheirateten hätten jedes Vierteljahr das Recht, ihre Familie zu besuchen. Der Krefeld-Rheydter Textilbezirk sei der Bezirk mit der größten Arbeitslosigkeit, der heute noch den höchsten Prozentsatz von Arbeitslosen in Deutschland besitzt.

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1.3.3.1 Das Problem Fluktuation146 Einführung Fluktuation, d. h. der selbstbestimmte Arbeitsplatzwechsel der Beschäftigten, ist ein Charakteristikum eines freien Arbeitsmarktes. Ein auffälliger Anstieg der Fluktuations­ quote signalisiert ein Ungleichgewicht zwischen knappem Angebot und steigender Nachfrage nach Arbeitskräften, das diesen ermöglicht, gegenüber konkurrierenden Arbeitgebern ihre Marktmacht auszuspielen und durch Stellenwechsel ihre Position zu verbessern. Im „Dritten Reich“ konnte der kontinuierliche Anstieg der Arbeitsplatzwechsel zunächst als eine Folge des im Laufe des Konjunkturaufschwungs sich ausweitenden Arbeitsplatzangebots akzeptiert werden. Seit etwa 1936 wies jedoch insbesondere die Arbeitskräftewanderung von den Konsumgüterindustrien zu den besser bezahlenden kriegswichtigen Betrieben unmissverständlich auf ein Auseinanderdriften der Arbeitsund Einkommensverhältnisse zwischen den Branchen hin und auf eine wachsende Unzufriedenheit der Beschäftigten über ihre Situation. Obgleich die Arbeitsverwaltung ein gewisses Verständnis für die selbstgewählten Ar­beitsplatzwechsel zeigte, drohte deren Zunahme ihre Interventionsziele zu konterkarieren. Während insbesondere die im Windschatten der Rüstungskonjunktur wirtschaftenden Unternehmen einen in ihren Augen unfairen Konkurrenzkampf um die knappen Arbeitskräfte beklagten, fühlten sich die Arbeitnehmer durch die von der Arbeitsverwaltung verordneten Mobilitätsbeschränkungen benachteiligt. Tatsächlich ging seit 1936 die Fluktuation der Arbeitnehmer zurück, ohne dass sich im Einzelnen das Gewicht der möglichen Einflussfaktoren (Vollbeschäftigung, Erschwerung des Arbeitsplatzwechsels etc.) bestimmen lässt.147 1] Facharbeiterabwanderung Schreiben der Vereinigte Flanschenfabriken und Stanzwerke AG, Hattingen, an die Industrie- und Handelskammer Bochum betr. Abwerbung von Arbeitern, 22.9.1936 (Abschrift) (WWA Dortmund, K1, Nr. 2187) Infolge der anhaltenden Belebung der Wirtschaft ist vielfach ein Mangel an Arbeitskräften, insbesondere an Qualitätsarbeitern, festzustellen. Diese Tatsache hat dazu geführt, dass Arbeitskräfte von einem Betriebe zum anderen wegengagiert werden, wobei als Anreiz häufig günstigere Arbeits- und Lohnbedingungen angeboten wurden. Auch in 146 Hierzu auch Werner u.a.: Arbeitsbuch. 147 Tatsächlich ging seit 1936 die Fluktuation der Arbeitnehmer zurück, ohne dass sich im Einzelnen das Gewicht der möglichen Einflussfaktoren (Vollbeschäftigung, Erschwerung des Arbeitsplatzwechsels etc.) bestimmen lässt; ebd.



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unserem Betrieb mussten wir erleben, dass uns 3 tüchtige Dreher vom Opel-Werk in Brandenburg-Havel wegengagiert wurden. In Anbetracht dessen, dass es uns nicht möglich war, entsprechenden Ersatz zu bekommen, haben wir s.Zt. unter Anlehnung an die Bestimmungen der Anordnung über den Arbeitseinsatz vom gelernten Metallarbeitern vom 29.12.1934148 dem hiesigen Arbeitsamt mitgeteilt, dass wir mit dem Weggang dieser 3 Dreher nicht einverstanden sind. Nach Ablauf der Kündigungsfrist haben trotzdem diese 3 Dreher bei uns aufgehört. Das Arbeitsamt Hattingen hat infolge unseres Einspruchs die vom Arbeitsamt Brandenburg-Havel angeforderten Arbeitsbuchkarten, ohne die kein Arbeitnehmer beschäftigt werden darf, nicht abgesandt, hat vielmehr das Arbeitsamt Brandenburg-Havel darauf aufmerksam gemacht, dass die 3 Leute sofort zu entlassen und an ihren früheren Arbeitsplatz zu verweisen sind. Inzwischen sind mehrere Wochen vergangen, die Dreher sind nicht nur nicht im Opel-Werk zur Entlassung gekommen, sondern sie haben sich schriftlich an hiesige Arbeitskameraden gewandt und diesen mitgeteilt, dass auch für weitere Dreher in Brandenburg gegen günstigere Lohnbedingungen Arbeit zu finden sei. Auf Grund dieser Nachrichten haben wiederum verschiedene Facharbeiter von uns die Absicht, ihre Stellung zu wechseln. Wenn dies eintreten sollte, so sind wir tatsächlich, da z.Zt. entsprechender Ersatz an Qualitätsarbeitern nicht zu haben ist, gezwungen, Betriebseinschränkungen in unserer mech. Werkstatt vorzunehmen, die sich nicht unwesentlich auf die übrigen Betriebsteile auswirken dürften. Es muss daher unter allen Umständen dafür gesorgt werden, dass der wirtschaftlich starken Industrie vornehmlich in mitteldeutschen Bezirken die Möglichkeit genommen wird, auf Grund eines günstigeren Lohnangebots die hier im Industriebezirk so notwendigen Facharbeiter wegzuengagieren. Nach den Bestimmungen über den Arbeitseinsatz von gelernten Metallarbeitern vom 29.12.1934 macht sich der Werksführer bezw. der Arbeitnehmer strafbar, wenn diese Anordnungen des Gesetzes nicht genauestens befolgt werden. Es ist uns daher unverständlich, dass das Arbeitsamt in Brandenburg-Havel, welches durch uns bezw. durch das hiesige Arbeitsamt über diesen Fall genau informiert ist, nicht durchgreift. […] 2] „Die Freizügigkeit ist immer noch das einzige Mittel des Arbeiters zu seiner wirtschaftlichen Besserstellung“ Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an die Industrie- und Handelskammer zu Dortmund betr. Stellenwechsel weiblicher Schreibkräfte, 17.2.1937 (WWA, K1–2188) Der in den letzten Jahren aufgetretene Mangel an weiblichen Schreibmaschinenkräften ist mir bekannt. Die zuständigen Stellen tragen diesem Umstand durch vermehrte Ausbildung von Nachwuchskräften Rechnung. 148 29.12.1934, RABl. 1935 I, S. 12; s.o., Kap. 1.3.3.

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Solange dieser Mangel besteht, wird ein gewisses Bestreben, in besser bezahlte Stellen zu wechseln, nicht zu verhindern sein. Gesetzliche Bestimmungen, einen solchen Stellenwechsel zu unterbinden, bestehen nicht. Es ist auch nicht möglich, die Vermittlung veränderungswilliger Gefolgschaftsmitglieder von der vorherigen Zustimmung ihrer derzeitigen Betriebsführer abhängig zu machen. Die Arbeitsuchenden  – soweit sie in Beschäftigung stehen  – werden bei der Aufnahme des Arbeitsgesuches darauf hingewiesen, dass sie einen Stellenwechsel nur nach ordnungsgemäßer Kündigung oder im Einvernehmen mit ihrem Betriebsführer vornehmen dürfen. Im übrigen ist der Arbeitsvertrag ausschließlich Angelegenheit der Beteiligten. Das Arbeitsamt hat sich jeder grundsätzlichen Einwirkung darauf zu enthalten. Vom Arbeitsamt Dortmund wird mir berichtet, dass gute Gehälter etwa 150.– bis 180.– RM monatlich für Kräfte die l60 bis 200 Silben schreiben, nicht nur von der Schwerindustrie, sondern auch von zahlreichen anderen Betrieben gezahlt werden. Vielleicht wäre es angesichts der im Laufe der letzten Jahre erreichten Besserung der Wirtschaftsverhältnisse doch möglich, dass die Betriebsführer der veränderten Lage Rechnung tragen, indem sie tüchtigen Kräften Aufstiegsmöglichkeiten gewähren. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass nach nationalsozialistischer Auffassung, wie sie z. B. der Leiter der Kommission für Wirtschaftspolitik der NSDAP. vertritt, die Freizügigkeit immer noch das einzige Mittel des Arbeiters zu seiner wirtschaftlichen Besserstellung ist. Jede zwangsweise Unterbindung – abgesehen von ihrer Beschränkung durch eine staatliche Kontrolle wie beispielsweise bei den Metallarbeitern aus wehrpolitischen Gründen – würde mit nationalsozialistischen Grundsätzen nicht vereinbar sein. Das wirksamste Mittel zur Bekämpfung eines über das vertretbare Mass hinausgehenden Stellenwechsels dürfte aber wohl in der Wahrung der Disziplin der beteiligten Wirtschaftsgruppen und Berufsstände zu suchen sein, die durch gegenseitige Gehaltsüberbietungen erst den Anreiz zu derartigen Erscheinungen geben. 3] Betriebliche Zwangsmaßnahmen gegen Abwanderung Schreiben des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung an das Oberkommando der Wehrmacht, 24.9.1938, Geheim (BArch RW 19–2129) […] Bei der Fa. Dr. Waldrich149 handelt es sich um ein Unternehmen – dessen wehrwirtschaftliche Aufgaben in keiner Weise verkannt werden -, das sich in einem außerordentlichen konjunkturellen Aufschwung befindet und sich nicht scheut, diesen gegebenenfalls auch auf Kosten der Gefolgschaft zu betreiben. 149 Die Fa. Waldrich in Siegen war ein führender Hersteller von Walzenbearbeitungsmaschinen; über seine Geschichte informiert das Unternehmen unter: https://www.waldrichsiegen.de/unternehmen/chronik/ (Stand 3.3.23).



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Während die Fa. zur Erledigung ihrer fristgebundenen Aufträge Fachkräfte von anderen Firmen engagiert – so wurde der Ingenieur Krausen am 1.7.1938 von der Fa. Wagner & Co. übernommen -, sieht sie die Metallarbeiteranordnung lediglich als Schutzmaßnahme für den Betrieb an und beurteilt die Frage der Abwanderung von Fachkräften ausschließlich im betriebsegoistischen Interesse. Diese einseitige Einstellung geht so weit, daß die Firma mit allen Mitteln die Abwanderungsbestrebungen zu unterbinden versucht, wenn sie durch die Abwanderung von Fachkräften Unannehmlichkeiten für den Betrieb befürchtet. So wurden Gefolgschaftsmitglieder die von der Fa. abzuwandern beabsichtigten, von der Geheimen Staatspolizei vorgeladen und dort unzulässigerweise bestimmt, auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz zu verbleiben. 4] Das Verbot von Abwerbungen und die Reaktionen (BArch-MA RW 19–2129) 3. Anordnung des Reichstreuhänders der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Westfalen. Auf Grund der Verordnung über die Lohngestaltung des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 25. Juni 1938 (RGBI. I S.691150) erlasse ich für mein Wirtschaftsbiet folgende Anordnung: § 1 Untersagt ist jede Handlung, die darauf abzielt, in ungekündigtem Arbeitsverhältnis stehende Gefolgschaftsmitglieder durch das Anbieten besserer Lohn- und Arbeitsbedingungen aus einem Betriebe abzuwerben. § 2 Dieses Verbot gilt für alle Unternehmer, Führer der Betriebe, deren Beauftragte, Gefolgschaftsmitglieder und alle sonstigen Personen. § 3 Wer dieser Anordnung zuwiderhandelt oder sie umgeht, wird nach § 2 der Verordnung über die Lohngestaltung vom 25. Juni 1938 auf meinen Antrag mit Gefängnis oder Geldstrafe, letztere in unbegrenzter Höhe, oder mit einer dieser Strafen bestraft. Essen, den l8. November 1938. gez. Hahn Reichstreuhänder der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Westfalen.

150 Die Verordnung beauftragte die Reichstreuhänder der Arbeit, „die Lohn- und Arbeitsbedingungen zu überwachen und alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um eine Beeinträchtigung der Wehrhaftmachung und der Durchführung des Vierjahresplans durch die Entwicklung der Löhne und der sonstigen Arbeitsbedingungen zu verhindern“. Insbesondere sollten sie die Löhne verbindlich festlegen.

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Schreiben des Vorstandsmitglieds der Gelsenkirchener Bergwerks-AG Hueck an die Niederrheinische Industrie- und Handelskammer Duisburg-Wesel, 15.12.1938 (RWWA, 20–1290–2) Auf das Schreiben an die Herren Mitglieder des Industrieausschusses vom 8.12.38 betreffend Verbot der Abwerbung von Arbeitskräften teile ich mit, daß nachteilige Folgen der Anordnung des Herrn Reichstreuhänders hier nicht beobachtet worden sind. Im Gegenteil erscheint es sehr erwünscht, daß sie zur Vermeidung von Unzuträglichkeiten ergangen ist, die gerade im hiesigen Bergbau schon zu ernsten Sorgen Anlaß geben. Die Abwanderung von Bergleuten hat im letzten Jahr einen solchen Umfang angenommen, daß weitgehende staatliche Maßnahmen angebracht sind, um dem Bergbau die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Vierjahresplan möglich zu machen. Der Hauptanlaß für diese Abwanderungsbestrebungen sind zweifellos Locklöhne. Die Bergbaugruppe Hamborn hat sich gerade heute veranlaßt gesehen, einen besonders krassen Fall dieser Art dem Herrn Reichstreuhänder bekanntzugeben. Eine mündliche Aussprache der Ausschußmitglieder über diese Frage erscheint mir erwünscht. Schreiben der Demag AG151, Duisburg, an die Niederrheinische Industrie- und Handelskammer Duisburg-Wesel, 18.1.1939 (RWWA, 20–1290–2) Der Anordnung des Reichstreuhänders der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Westfalen vom 18.11.1938 liegt erkennbar das Bestreben zugrunde, im Stadium des starken Wirtschaftsaufstiegs und des gleichzeitigen allgemeinen Mangels an Arbeitskräften dem Wegziehen von Gefolgschaftsmitgliedern von dem einen in das andere Unternehmen entgegenzutreten, um die zur Bewältigung der Aufgaben dringend notwendige Lohnund Preisstabilität einerseits und den ebenso nötigen Arbeitsfrieden in den Betrieben andererseits sicherzustellen. Leider wird nach unserer Meinung dieser Zweck nur unvollkommen erreicht: 1.) Verstöße gegen die Anordnung sind bei „geschicktem“ Vorgehen des abwerbenden Betriebes nur schwer nachzuweisen. 2.) Die Strafmaßnahme bringt den Abgeworbenen nicht zurück; sie kann auch den in der Zeit vor dem Abgang durch die psychologische Unruhe bereits eingetretenen Schaden nicht mehr beseitigen. 3.) Die räumliche Beschränkung auf unser Wirtschaftsgebiet ermöglicht es Unternehmern außerhalb unseres Wirtschaftsgebietes, weiterhin Arbeitskräfte aus unserem Wirtschaftsgebiet wegzuholen, ohne daß diese Unternehmer ebensolche Folgen zu gewärtigen hätten wie diejenigen in unserem Wirtschaftsgebiet.

151 Die 1910 gegründete Demag (Deutsche Maschinenbau-Aktiengesellschaft) in Duisburg stellte u.a. Industrieausrüstungen, Kräne und Lokomotiven her.



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4.) Auch soweit die Anordnung befolgt wird, bleiben zahlreiche Momente übrig, die den erstrebten Erfolg vereiteln. Im ganzen sehen wir die Lage wie folgt: Im vergangenen Jahre haben wir, bedingt durch die augenblicklichen Konjunkturverhältnisse, bei unserem technischen Personal einen starken Wechsel gehabt. Es ist uns aber bis zum Erlaß der Anordnung doch noch möglich gewesen, die durch Wehrdienst und sonstigen Abgang wie auch durch Wechsel zu anderen Betrieben ausgeschiedenen Arbeitskräfte durch andere zu ersetzen. Wenn auch diese über das normale Maß hinausgehende Fluktuation ein starkes Steigen der Gehälter des technischen Personals mit sich geführt hat, so war es uns durch die Personalergänzungsmaßnahmen doch möglich, die uns von wichtigen Staatsstellen übertragenen Aufgaben zu erfüllen, und ebenso haben wir auch unsere für die deutsche Wirtschaft so außerordentlich wichtigen Exportaufträge einigermaßen pünktlich erledigen können. Das kann sich aber nunmehr ändern durch die Anordnung des Reichstreuhänders der Arbeit unseres Wirtschaftsgebietes, der uns e i n e Möglichkeit der Heranziehung neuer Arbeitskräfte verschlossen hat, der es aber nicht verhindern kann, daß uns von Firmen außerhalb des Gebietes Arbeitskräfte fortengagiert werden. Diesbezügliche Bedenken haben wir dem Reichstreuhänder schon persönlich in einer Einzelbesprechung mitgeteilt, ebenso in der vom Reichstreuhänder der Arbeit einberufenen Sitzung im Kaiserhof in Essen am 11. ds. Mts. Die für die Betriebe anderer Bezirke bestehengebliebene Möglichkeit, uns Kräfte wegzunehmen, erfordert entweder eine gleiche Anordnung in den anderen Bezirken oder sonstige Maßnahmen. Wir haben dem Reichstreuhänder in dieser Richtung z. B. vorgeschlagen, zu überlegen, ob nicht veranlaßt werden könnte, einheitlich im Reich für alle Angestellten eine sechsmonatige Kündigungsfrist gesetzlich anzuordnen. Dies würde die große Zahl der wesentlich konjunkturbedingten Kündigungen von Seiten der Gefolgschaftsmitglieder unseres Erachtens schlagartig erheblich verringern. Wir haben den Reichstreuhänder auch gebeten, mit allem Nachdruck an den höchsten Stellen dafür einzutreten, daß die Anzeigen-Inflation in den Tageszeitungen und Fachzeitschriften in Zukunft möglichst ganz abgestoppt wird, und zwar in Bezug auf die Anzeigen, in denen Arbeitskräfte für die ganze große Reihe der technischen Berufe gesucht werden. Wir hörten, daß diese Angelegenheit schon vor einiger Zeit in Berlin erörtert wurde, wobei man darauf hingewiesen habe, daß die Presse auf die Anzeigen aus finanziellen Gründen nicht verzichten könnte. Wir glauben aber, daß die Fernhaltung der bestimmt nicht gering zu veranschlagenden Beunruhigung in der Angestelltenschaft mit ihren finanziellen und arbeitsmäßigen Schäden ungleich wichtiger ist, als das Interesse der Presse an reichlichen Inserateinnahmen. […] Die Unruhe wird vergrößert durch die enormen Forderungen der jungen Techniker, jungen Diplomingenieure und Maschinenbauschüler, die eben erst das Examen bestanden haben, die also noch keine praktische Erfahrung besitzen, aber heute Einstellungsgehälter ab RM 275,– bezw. RM 350,– fordern und (notgedrungen) erhalten. Durch diese außergewöhnlich hohen Bezüge für Anfänger werden natürlich alle anderen Bezüge auf den technischen Büros maßgeblich beeinflußt. Die Auswirkung macht sich so-

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gar schon in den kaufmännischen Büros bemerkbar. Vor nicht langer Zeit war ein großer Teil der Techniker, die einfache Arbeiten zu leisten haben, mit einem Gehalt von RM 250,– bis RM 275,– im Monat zufrieden. Heute verlangen sie natürlich RM 350,–, wenn ein Maschinenbauschüler schon ohne Praxis RM 275,– und mehr als A n f a n g s g e h a l t verlangt. […] Wir haben in diesem Zusammenhang den Treuhänder auf die immer höher werdenden Bezüge der weiblichen Schreibkräfte hingewiesen. Der Mangel an weiblichen Schreibkräften hat manche Firma dazu veranlaßt, so hohe Gehälter zu bezahlen, daß nun auch diese Gehaltsfragen überall aufgerollt werden. Steigen allgemein die Gehälter der weiblichen Schreibkräfte, so hat das natürlich zur Folge, daß alle anderen kaufmännischen Kräfte auch mehr verdienen wollen; also auch diese Gruppe von Angestellten wird dann immer unzufriedener und unruhiger und möchte sich verbessern. Das Problem der Gehälter gerade bei den Maschinenfabriken wird immer schwieriger. Man wird das verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß z. B. bei einer Firma, wie die Demag, auf 3 Arbeiter ein Angestellter kommt, der Zahl nach also 25 % Gehaltsempfänger und 75 % Lohnempfänger vorhanden sind. Die gesamte Gehaltssumme beträgt aber die Hälfte der gesamten Lohnsumme, also 35 % gegen 66⅔ %. Ein merkliches Steigen der Gehälter muß die Fabrikate verteuern und pumpt zugleich ein beträchtliches Mehr an Gehaltssumme in den Verbrauchsgütermarkt, sodaß auch hier Folgen unausbleiblich sind, die die Reichsregierung aus bekannten Gründen verhindern möchte. Wir bitten Sie, auch diesen Punkten Ihre Beachtung zuzuwenden und sie entsprechend ihrer Bedeutung für die weitere Entwicklung bei den von Ihnen wohl beabsichtigten Anregungen zu verwerten. Bericht der Wehrwirtschafts-Inspektion VI, Münster, 3.9.1938 (BArch-MA RW 19–40) Betrifft.: Sonderbericht über die Stimmung der Gefolgschaften in R.–Betrieben Der Unterzeichnete hat außer dem persönlichen Eindruck bei Werksbesuchen durch die Leiter der Wehrwirtschaftsstellen über die Stimmung der Gefolgschaften in R.–Betrieben des hiesigen Bereichs Feststellungen machen lassen, deren Ergebnis im Folgenden unterbreitet wird. […] Auf die Dauer gesehen erwartet die Arbeiterschaft eine Verbesserung der Löhne entsprechend den verbesserten wirtschaftlichen Verhältnissen als Einhaltung eines ihr gegebenen Versprechens besserer Lebenshaltung. Die Lohnfrage dürfte im Augenblick bei Vermeiden von Preissteigerungen und Aufrechterhaltung guter Versorgung kein beunruhigendes Moment sein, wenngleich die Stimmung der Bevölkerung wesentlich von ihrer materiellen Sicherstellung stark beeindruckt wird. 4.) Aufhebung der Freizügigkeit. Ernster zu bemerken sind die zahlreichen Klagen über die gesetzliche Regelung der Freizügigkeit, derzufolge der einzelne nicht mehr nach seinem Willen den Arbeitsplatz



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wechseln kann. Möglichkeit weiterer und eventuell besserer Ausbildung, höhere Lohnangebote, Verbesserung der sozialen Stellung sind die Gründe der Abwanderung. Weiteste Kreise der arbeitenden Bevölkerung sehen in dieser Unfreiheit eine Bevorzugung der Industrie, sich billige Arbeitskräfte zu erhalten. Durch disziplinwidriges Verhalten wird vielfach die Aufgabe des alten Arbeitsplatzes erzwungen.

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1.3.3.2 Das Problem Frauenarbeit152 Einführung Die Reichsanstalt befand sich in Übereinstimmung mit der nationalsozialistischen Frauenpolitik der Anfangsjahre, nicht Frauen, sondern „die Männer als die Familienernährer vordringlich wieder in Arbeit zu bringen und damit für das Gedeihen der deutschen Familie als einer der Eckpfeiler eines gesunden und geordneten Staatswesens die notwendige Grundlage zu schaffen“153. Viele Regelungen der Fürsorge und der Arbeitslosenunterstützung zielten auf die Förderung der Familien, insbesondere der kinderreichen; auch die Ehestandsdarlehen154 sollten Frauen vom Arbeitsmarkt nehmen, und die meisten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eigneten sich vor allem für Männer.155 Der Doppelverdienerkampagne des Jahres 1933 schloss sich die Reichsanstalt allerdings nicht an, wenngleich sich manches Arbeitsamt zunächst beteiligte.156 Aber viele Frauen konnten und wollten auf Erwerbsarbeit nicht verzichten, Handel und Industrie wussten preiswerte Frauenarbeit zu schätzen, und aus Landwirtschaft und gewerblichen Klein- und Mittelbetrieben waren die „mithelfenden Familienangehörigen“ ohnehin nicht wegzudenken. Angesichts des sich verschärfenden Arbeitskräftemangels kam es daher Mitte der 1930er Jahre zu einem Paradigmenwechsel, ohne dass die traditionelle Rollenzuschreibung, wonach der Platz der Frauen eigentlich in Heim und Küche zu sein habe, ganz aufgegeben wurde. Selbst die DAF, die noch wenige Jahre zuvor den Kampf gegen die Doppelverdienerinnen geführt hatte, sah nun „in der Frauenarbeit zum Teil eine Notwendigkeit, zum anderen, insbesondere soweit sie die ledigen, auf sich selbst angewiesenen Frauen betrifft, einen durchaus gesunden und normalen Vorgang. Wichtig ist nur, daß der Frau in jeder von ihr getanen Arbeit ihr Frauentum erhalten werden kann, daß sie entsprechend ihrem fraulichen Wesen und ihrer körperlichen Kraft geschützt und richtig geleitet wird.“157 Im Sommer 1939 wies das Reichsarbeitsministerium die Arbeitsämter in einem geheimen Runderlass an, verheiratete Frauen nicht zur Dienstpflicht heranzuziehen,158 152 Zum Thema v.a. Dörte Winkler: Frauenarbeit im Dritten Reich, Hamburg 1977; Stefan Bajohr: Die Hälfte der Fabrik. Geschichte der Frauenarbeit in Deutschland 1914–1945, Marburg 1979; über die gewerbliche Frauenarbeit hinausblickend Nicole Kramer: Haushalt, Betrieb, Ehrenamt. Zu den verschiedenen Dimensionen der Frauenarbeit im Dritten Reich, in: Buggeln/Wildt: Arbeit im Nationalsozialismus, S. 33–59; zusammenfassend Marx: Verwaltung, S. 254 ff. 153 Achter Bericht der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 1. April 1935 bis zum 31. März 1938, S. 8 (Beilage zum RABl. 1936). 154 S. die Einführung zu Kap. 1.3.2. 155 S. den kompakten Überblick bei Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 75 ff. 156 S. die Einleitung zu Kap. 1.3.2. 157 Alice Rilke: Zur Frage der Frauen-Erwerbstätigkeit, in: Monatshefte für NS-Sozialpolitik 3 (1936), S. 291– 294. 158 Winkler: Frauenarbeit, S. 62, 88.



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und trotz gegenteiliger Ankündigung kam es erst im September 1939 zu einer Arbeitsdienstpflicht auch für die weibliche Jugend. Unter diesen Voraussetzungen stieg nach der Mitgliederstatistik der Krankenkassen die Anzahl der beschäftigten weiblichen Arbeiter und Angestellten von einem Tiefpunkt 1932 mit 4,6 Mio. selbst in den Jahren 1933 um 150.000 und 1934 um 300.000 an und wuchs bis 1939 kontinuierlich auf 6,8 Mio.159 Die Frauenerwerbsquote steigerte sich im gleichen Zeitraum von 34,2 auf 36,2 %.160 Zu Kriegsbeginn war mithin das weibliche Arbeitskräftepotential längst nicht ausgeschöpft. Es lag „an einer Mischung aus ideologischen, praktischen und politischen Rücksichtnahmen, weswegen auch mit den deutschen Frauen die Arbeitskräftelücke nicht geschlossen werden konnte“161. 1] Die „Umschichtung der erwerbstätigen Frauen“ Friedrich Syrup: Arbeitseinsatz und Arbeitslosenhilfe in Deutschland, Berlin 1936, S. 126 f. Der Zustand, daß während der Krise in nicht wenigen Fällen Familienväter arbeitslos zu Hause saßen, den Haushalt versahen und Kinder warteten, während die Frauen durch Fabrikarbeit den Lebensunterhalt der Familie erwarben, war grotesk. Mit der Gesundung der Wirtschaftslage muss das Ziel erreicht werden, daß Mütter grundsätzlich nicht einer Erwerbsarbeit nachgehen, sondern ihre volle Kraft der Familie widmen. Weiter muß dahin gestrebt werden, die jungen Mädchen im verstärkten Umfange den hauswirtschaftlichen und sozialen Berufen zuzuleiten, um sie so auf ihren späteren natürlichen Beruf als Mutter und Hausfrau vorzubereiten. Dieser angestrebten Umschichtung der erwerbstätigen Frauen dienen auch die Ehestandsdarlehen und die Steuererleichterungen bei Beschäftigung weiblicher Hausgehilfen. Alle gelegentlich auftretenden Befürchtungen in Frauenkreisen, man wolle die Frauen systematisch von einer Erwerbstätigkeit im Wirtschaftsleben ausschalten, sind unbegründet. Derartige Maßnahmen würden weder von wirtschaftlichen noch von sozialen Gesichtspunkten zu vertreten sein. Zudem soll man in Erinnerung behalten, was die Frauenarbeit im Weltkriege bedeutet hat und bei kriegerischen Entwicklungen in der Zukunft bedeuten wird. Allerdings wird der geregelte Arbeitseinsatz der Frauen in viel stärkerem Maße als im Weltkriege die gesundheitlichen Anforderungen der Arbeitsverrichtungen berücksichtigen müssen. 159 Länderrat des Amerikanischen Besatzungsgebiets (Hg.): Statistisches Handbuch von Deutschland, München 1949, S. 474. 160 Frauenerwerbsquote = Anteil der weiblichen Erwerbstätigen am weiblichen Bevölkerungsteil. Dietmar Petzina, Werner Abelshauser, Anselm Faust: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch III. Materialien zur Statistik des Deutschen Reiches 1914–1945, München 1978, S. 54. 161 Marx: Verwaltung, S. 257.

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2] Mütter sollen grundsätzlich keiner Erwerbsarbeit nachgehen Hildegard Hoffmann: Die Arbeitsvermittlung der verheirateten Frauen. Erfahrungen aus dem Arbeitsamtsbezirk Gladbach-Rheydt, in: Die Arbeitslosenhilfe 4 (1937), S. 225 ff. Die verheiratete Frau, ganz besonders die Mutter, ist durch die Notwendigkeit, neben ihrer Berufsarbeit ihre Familie versorgen zu müssen, in ihrer Vermittlungsfähigkeit sehr eingeengt. Diese Tatsache tritt bei der Vermittlungsarbeit deutlich in Erscheinung. Präsident Dr. Syrup sagt in dem Buche „Arbeitseinsatz und Arbeitslosenhilfe in Deutschland“162 zu dieser Frage: „Mit der Gesundung der Wirtschaftslage muss das Ziel erreicht werden, daß Mütter grundsätzlich nicht einer Erwerbsarbeit nachgehen, sondern ihre volle Kraft der Familie widmen.“163 Wir versuchen in Gladbach-Rheydt dieses Ziel auf folgenden Wegen zu erreichen. Die beim Arbeitsamt gemeldeten Frauen scheiden sich in zwei Gruppen a) Frauen, deren Männer ebenfalls arbeitslos sind. Die Arbeitslosmeldung ist meistens eine unumgängliche Notwendigkeit; b) Frauen, die, obwohl die Ehemänner in Arbeit stehen, aus irgendwelchen Gründen versuchen, durch die Arbeitsvermittlung eine Erwerbsarbeit zu erhalten. Bei der ersten Gruppe von Frauen – zahlenmäßig ist sie die bedeutendere – findet sich in der Regel folgende Situation. Die Frau ist, da sie zu einem späteren Zeitpunkt als der Mann arbeitslos wurde, H a u p t u n t e r s t ü t z u n g s e m p f ä n g e r i n . Ihre Vermittlungsfähigkeit ist jedoch durch die Tatsache, dass sie während der Zeit der Arbeitslosigkeit Mutter wurde, wesentlich geringer geworden, und sie kann die Arbeit nicht mehr unter den gleichen Voraussetzungen annehmen wie vor Beginn der Arbeitslosigkeit. Wir erleben es in unserer Vermittlungsarbeit immer wieder, dass uns von verheirateten Frauen, die in eine Arbeit zugewiesen werden sollen, entgegnet wird, dass sie nicht wüßten, wer die Sorge für den Haushalt und die Kinder übernehme, wenn die Erwerbsarbeit sie zwinge, tagsüber von zu Hause fort zu sein. […] Wie ist es zu erreichen, dass diese Frauen in die Lage versetzt werden, ihren Hausfrauen- und Mutterbedarf164 auszuüben? Die beste Lösung in allen Fällen, in denen der Mann arbeitsfähig, aber arbeitslos ist, ist die b a l d i g e Ve r m i t t l u n g d e s E h e m a n n e s . Die Tatsache, daß die Frau Hauptunterstützungsempfängerin ist, führt leicht dazu, daß der Ehemann nicht mehr deutlich genug die Verpflichtung spürt, daß er derjenige ist, der für den Unterhalt seiner Familie zu sorgen hat. Unser erstes Ziel war es daher sicherzustellen, daß gerade diese Männer intensiv von der männlichen Vermittlungsarbeit erfaßt werden. Die Frauen wurden aufgefordert bei den Kontrollmeldungen 162 S. das vorstehende Dokument. 163 Anschließend heißt es bei Syrup: „Weiter muß dahin gestrebt werden, die jungen Mädchen in verstärktem Umfange den hauswirtschaftlichen und sozialen Berufen zuzuleiten, um sie so auf ihren späteren natürlichen Beruf als Mutter und Hausfrau vorzubereiten.“ 164 Wahrscheinlich gemeint: Mutterberuf.



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gleichzeitig die Meldekarten der Männer regelmäßig vorzulegen. Die Meldekarten der Männer wurden von der Vermittlerin mit dem deutlichen Hinweis, daß die Frau Unterstützung bezieht, versehen und es wurde festgelegt, daß die Männer dieser Frauen bei der Arbeitszuweisung genau so berücksichtigt werden, wie HUE in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen. Außerdem führten männliche und weibliche Arbeitsvermittlung gemeinsam einmalig eine Arbeitsberatung durch, zu der Mann und Frau bestellt wurden. Bei dieser Arbeitsberatung konnten die Männer zum Teil für eine Berufsumschulung gewonnen werden, zum Teil konnte den Familien zunächst einmal durch Einweisung des Mannes in Notstandsarbeit geholfen werden. Wenn diese Arbeitsberatung auch nicht unmittelbar zu einem großen zahlenmäßigen Vermittlungserfolg führte, so wurde doch dadurch erreicht, daß der Mann wieder klarer die Pflicht zur Arbeit empfand und die Frau erhielt das Bewußsein, daß ihre Arbeitsaufnahme nur noch vorübergehend nötig sein werde und daß auch wir im Arbeitsamt den Wunsch haben, sie von dem Zwange der Erwerbsarbeit zu befreien. […] Bei der zweiten Gruppe von Frauen – es handelt sich hier um Frauen, die sich beim Arbeitsamt als Arbeitsuchende melden, obwohl der Ehemann arbeitet  – gestaltet sich die Prüfung der Vermittlungsfähigkeit wesentlich einfacher. Diese Frauen kommen in der Regel aus Verhältnissen, in denen die Versorgung der Familie und der Kinder durch die Mithilfe von Verwandten oder Bekannten zunächst einmal sichergestellt ist. Die Ursache der Arbeitsnachfrage dieser Frauen ist oft eine wirtschaftliche Notlage, bedingt durch Krankheit in der Familie, Kurzarbeit des Mannes oder ähnliche Gründe. Eine Vermittlung dieser Frauen wird erfolgen, wenn nicht andere noch bedürftigere Arbeitsuchende gemeldet sind. Der in letzter Zeit stärker in Erscheinung tretende Mangel an Facharbeiterinnen führt ebenfalls zu einer vermehrten Einstellung von verheirateten Frauen, deren Männer in Arbeit sind. Aufgabe der Arbeitsämter ist es, durch Schulungsmaßnahmen, Gewährung von Anlernzuschüssen, richtige Lenkung des Berufsnachwuchses das Facharbeiterproblem so zu lösen, dass auf die Dauer die Mitarbeit derjenigen Frauen, deren Männer in einem geregelten Arbeitsverhältnis stehen, nicht mehr notwendig sein wird. Sehr wesentlich ist es, daß die Betriebsführer in der gleichen Richtung arbeiten wie die Arbeitsämter und gerade bei der Einstellung von Frauen und Müttern das erforderliche Verantwortungsbewußtsein zeigen.

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1.3.3.3 Das Problem Landarbeitermangel Einführung Der Landarbeitermangel165 begleitete die deutsche Landwirtschaft seit dem 19.  Jahrhundert, denn während der Arbeitskräftebedarf wegen einer anhaltenden agrarischen Produktionsintensivierung zunahm, konnten die ländlichen Arbeitsverhältnisse und die oft als eng empfundenen dörflichen Milieus mit der Sogkraft der Industrie und der expandierenden Städte nicht konkurrieren. Daran änderte sich auch nach 1933 nichts. 1907 waren im Deutschen Reich 35,2 Mio. Menschen in der Landwirtschaft tätig, 1933 28,9 Mio. und 1939 nur noch 25,9 Mio. In Westdeutschland verringerte sich im selben Zeitraum der Anteil der Arbeiter an den im Agrarsektor Tätigen von 27,2% auf 20,2%.166 Die Ursachen für die Land-Stadt-Wanderung lagen offen zu Tage und waren im Grunde seit Jahrzehnten dieselben. Einschränkungen des Arbeitsplatzwechsels, Landjahr, Landhilfe und Ernteeinsätze der verschiedensten Art konnten deshalb die Landflucht nicht bremsen und eine forcierte Mechanisierung der Landarbeit die fehlenden Arbeitskräfte nicht völlig kompensieren. Zu einer nachhaltigen Bekämpfung der Abwanderung vom Land, die vor allem eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und insbesondere der Löhne beinhaltet hätte, konnte sich das Regime nicht entschließen, denn trotz aller „Blut- und Bodenideologie“ und lautstarker Autarkiepropaganda waren doch die rüstungsindustriellen Interessen stärker  – zumal die nationalsozialistische Agrarpolitik einseitig auf den Bauernstand, „den Heger deutschen Blutes“167, ausgerichtet war. Wie so oft waren es die Widersprüche in den nationalsozialistischen Zielsetzungen, die die Landflucht nicht verhinderten. „Die Forcierung der Aufrüstung konnte das Lohn- und Lebensgefälle zwischen Land und Stadt in der Praxis nicht aufheben, sondern verstärkte es trotz der Erhöhung der Landarbeiterlöhne.“168

165 Adelheit von Saldern: Mittelstand im „Dritten Reich“. Handwerk – Einzelhändler – Bauern, Frankfurt/ Main 1979, S.  81, bezeichnet die Landarbeiterfrage als „dunkles Kapitel in der nationalsozialistischen Agrarpolitik“; Gunther Mahlerwein: Grundzüge der Agrargeschichte, Bd. 3: Die Moderne (1880–2010), Köln, Weimar, Wien 2016, S. 120 ff.; Peter Exner: Ländliche Gesellschaft und Landwirtschaft in Westfalen 1919–1969, Paderborn 1997, S. 116–123. 166 Petzina, Abelshauser, Faust: Arbeitsbuch, S. 55 ff. „Westdeutschland“ fasst die Rheinprovinz, Westfalen, Land Hessen und Hessen-Nassau zusammen. 167 Zit. nach Exner: Ländliche Gesellschaft, S. 117. 168 Saldern: Mittelstand, S. 82.



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1] Die Landarbeitersituation im Landkreis Kleve Die Strukturformen des Arbeitseinsatzes in der Landwirtschaft. Cleve: Bearbeitet von dem landw. Vermittler Daamen, in: Mitteilungsblatt des Landesarbeitsamtes Rheinland 2, März/April 1935, Nr. 3/4, S. 26 ff. (Auszug) In der Landwirtschaft sind 18 856 Personen tätig. Von der Gesamtzahl der Bevölkerung des Kreises gehören etwa 33 Prozent zur Landwirtschaft. Der Arbeiterbedarf ist in den Weidewirtschaften geringer als in den reinen Ackerbaubetrieben, jedoch müssen die meisten Landwirte fremde Arbeitskräfte heranziehen. Während diese vor dem Kriege hauptsächlich aus Holland kamen, werden sie jetzt durchweg aus dem Industriegebiet vermittelt. Die Ursache des Mangels an einheimischen landwirtschaftlichen Arbeitern ist dieselbe wie überall, der Zug zur Stadt, zur Industrie. Ein großer Teil der Arbeiterbevölkerung ist auf dem Lande wohnen geblieben, hat aber die landwirtschaftliche Beschäftigung aufgegeben und in den industriellen Werken, z. B. von Cleve, Goch sowie Spyck, Beschäftigung gefunden. Von Interesse ist wohl die Feststellung, daß von den in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeitnehmern etwa 85 Prozent unter 25 Jahren alt ist. Dies ist ein Beweis dafür, daß die Leute eine Existenzmöglichkeit in der Landwirtschaft nicht sehen. – Wie weit die Landwirtschaft außer den eigenen, fremde Arbeitskräfte beschäftigt, geht aus folgenden Zahlen hervor: Es waren beschäftigt durchschnittlich männl. weibl. im Jahre 1914 2137 1389 1915 1820 1423 1919 1610 1523 1923 1456 1203 1925 1621 1253 1927 1790 1298 1930 1867 1225 1931 1805 1143 1932 1745 1050 am 1.4.1933 1717   966 am 31.12.1933 1922 1065 am 1.7.1934 2033 1062 am 1.8.1934 1975 1054 Diese Zahlen zeigen die starke Abnahme von männlichen und die Zunahme von weiblichen Arbeitskräften während des Krieges. Die Abnahme hält auch nach dem Kriege an und zeigt sich jetzt auch bei der Zahl der beschäftigten Mädchen infolge der größe­ ren Beschäftigungsmöglichkeiten in der Industrie. Erst ab 1925 tritt eine langsame Steigerung der männlichen Arbeitskräfte ein. Die Beschäftigungsmöglichkeiten in der

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Industrie werden ungünstiger und ein Teil der männlichen Arbeitskräfte wendet sich wieder der Landwirtschaft zu, wohingegen die weiblichen Arbeitskräfte aus finanziellen Gründen fast in allen Industrie- und Gewerbebetrieben gesucht werden und der Mangel an diesen Kräften immer größer wird. – Ab 1930 sinkt dann auch wieder die Zahl der beschäftigten männlichen Arbeitskräfte. Der Grund ist wohl hauptsächlich darin zu suchen, daß es der Landwirtschaft von Jahr zu Jahr schlechter ging und an Löhnen gespart wurde. Es wird jedem landwirtschaftlichen Vermittler, der in diesen Jahren Außendienst machte, augenscheinlich gewesen sein, daß Arbeiten, die sonst üblicherweise von den Knechten oder Mägden verrichtet wurden, jetzt von den eigenen Söhnen oder Töchtern ausgeführt wurden oder im Übermaße die Bauersfreu belasteten. – Einen plötzlichen Wandel brachte dann das Jahr 1933 durch die Einrichtung der Landhilfe. Man sieht von April bis Dezember ein starkes Steigen der männlichen und auch weiblichen Arbeitskräfte infolge der vermittelten Landhelfer. Diese Steigerung hält bis Juli d.J. an und zeigt ab August ein allmähliches Sinken, da ein Teil der Helfer nach Ablauf des Landjahres nicht mehr gefördert werden oder aus sonstigen Gründen ihre Stelle verlassen. – Während bei den männlichen Arbeitskräften mit der Vermittlung der Landhelfer der Vorkriegsstand der beschäftigt gewesenen Kräfte fast erreich ist, sieht man bei den weiblichen Kräften trotz der zeitweisen Belebung durch die Landhilfe ab 1919 ein immer weiteres Sinken der Beschäftigungszahl, die den Vorkriegsstand bei weitem nicht erreicht. – Die Ursachen liegen hier in dem Mangel an verfügbaren Mädchen, der im Kreise Cleve besonders deswegen spürbar ist, weil einmal die Industrie bisher die jugendlichen Mädchen vom Lande aufsog und die übrigen Mädchen der Landgemeinden in Privathaushaltungen tätig sind. Ein hoher Prozentsatz solcher Mädchen ist als Hausangestellte im benachbarten Holland beschäftigt (höhere Löhne). 2] Maßnahmen zur Behebung des ländlichen Arbeitskräftebedarfs Landesarbeitsamt Westfalen-Lippe: Neue Maßnahmen zur Deckung des Bedarfs an landwirtschaftlichen Arbeitskräften, 3.4.1935. (WWA, K1, Nr. 2187) Bereits im vorigen Frühjahr machten sich im Zuge der Arbeitsschlacht Schwierigkeiten bei der Beschaffung der notwendigen Arbeitskräfte für die Landwirtschaft bemerkbar. Die Arbeitslosigkeit war in ländlichen Gebieten stark zurückgegangen, in großstädtischen und industriellen Bezirken aber noch sehr hoch. Da unter diesen Umständen eine erneute Abwanderung von Arbeitskräften in die Stadt und in die Industrie nicht vertreten werden konnte, erließ die Reichsregierung am 15.5.1934 das Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes, nach dem die Einstellung von Arbeitnehmern jeder Art in bestimmten Bezirken (Berlin, Hamburg, Bremen) und bisher landwirtschaftlichen Arbeitnehmern in bestimmten Wirtschaftszweigen (z. B. Bergbau, Großeisenindustrie,



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Baugewerbe) von der Zustimmung der Arbeitsämter abhängig gemacht wurde.169 Eine bessere Kräfteversorgung der Landwirtschaft und gleichzeitige Entlastung der Arbeitslosenzentren bezweckte auch die Anordnung über die Verteilung von Arbeitskräften: im Wege des Arbeitsplatzaustausches sollen Jugendliche ihre Arbeitsplätze älteren Arbeitslosen einräumen, um vorübergehend im Arbeitsdienst oder in der Landhilfe tätig zu sein. Dem gleichen Ziele eines ausreichenden Arbeitseinsatzes in der Landwirtschaft dient in diesem Frühjahr das Gesetz zur Befriedigung des Bedarfs der Landwirtschaft an Arbeitskräften,170 zu dem der Präsident der Reichsanstalt jetzt folgende Anordnung erlassen hat, die mit dem 1.4. in Kraft getreten ist: „Die Vorsitzenden der Arbeitsämter können verlangen, daß Personen, die in der Zeit vom 1. Januar 1932 bis zum Inkrafttreten dieser Anordnung als landwirtschaftliche Arbeiter, ländliches Gesinde, Wanderarbeiter (Schnitter), Melker oder als Familienangehörige des Unternehmers in der Landwirtschaft wenigstens 2 Jahre tätig waren, aber in anderen als landwirtschaftlichen Betrieben oder Berufen mit anderen als landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt sind, vom Unternehmer (Arbeitgeber) ihres Betriebes entlassen werden.“ Über die bisherigen Bestimmungen hinaus ist es danach also möglich, daß solche Arbeitskräfte, die in den letzten 3 Jahren mehr als 2 Jahre in der Landwirtschaft tätig waren, auf Anfordern der Arbeitsämter aus ihren bisherigen gewerblichen oder industriellen Arbeitsplätzen entlassen werden, um erneut in der Landwirtschaft tätig zu werden. Die Arbeitsämter werden dieses Verlangen allerdings nur dann aussprechen, wenn die offenen Stellen in der Landwirtschaft nicht anderweitig, d.h. insbesondere aus dem Personenkreis der Arbeitslosen, besetzt werden können. Die Landwirtschaft hat die große Aufgabe, die Ernährung des deutschen Volkes weitmöglichst sicherzustellen. Diesem Gedanken dient die Erzeugungsschlacht. Es ist selbstverständlich, daß die großen Ziele, die dabei erstrebt werden, nicht dadurch illusorisch gemacht werden dürfen, daß trotz der noch immer bestehenden Arbeitslosigkeit die vorhandenen fachlich vorgebildeten Arbeitskräfte für die Landwirtschaft nicht gestellt werden können. 3] „Bauern! Stellt schon jetzt Arbeitskräfte ein!“ Pressedienst des Landesarbeitsamtes Rheinland, Pressenotiz, o. D.171 (RWWA, 20–1290–2) Im vergangenen Jahre ist es noch gelungen, den Bedarf der rheinischen Landwirtschaft an Arbeitskräften zu decken. Im Jahre 1937 stehen aber bekanntlich weniger Arbeits169 S.o., Kap. 1.3.3. 170 „Gesetz zur Befriedigung des Bedarfs der Landwirtschaft an Arbeitskräften“, 26.2.1935, RGBl. I, S. 310. 171 Posteingangsstempel: 2.12.1936.

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kräfte zur Verfügung. Deshalb müssen die Vorbereitungen für den Arbeitseinsatz 1937 schon jetzt getroffen werden. Ein starker Bedarf an landwirtschaftlichen Arbeitskräften besteht im nächsten Jahre auch in anderen Reichsteilen. Denn schon jetzt liegt bei den rheinischen Arbeitsämtern eine starke Nachfrage aus anderen Landesarbeitsamtsbezirken, besonders aus Nord- und Ostdeutschland vor. In diesen Bezirken haben sich die Bauern bereit erklärt, infolge der großen Nachfrage schon in den Wintermonaten ihre Arbeitskräfte einzustellen. Die rheinischen Arbeitsämter werden trotz des großen auswärtigen Bedarfs zuerst die Nachfrage der rheinischen Bauern decken. Hierfür ist es aber notwendig, daß sämtliche rheinischen Bauern und Landwirte ihr landwirtschaftliches Personal anders als in den Vorjahren schon in den Wintermonaten, und zwar spätestens bis Anfang Januar 1937 bei den Arbeitsämtern anfordern und in Dauerstellen einstellen. Es wird erwartet, daß die rheinischen Betriebsführer dem obengenannten Beispiel der Bauern und Landwirte aus Nord- und Ostdeutschland nicht nachstehen. Verspätete Anmeldungen können wahrscheinlich nicht mehr berücksichtigt werden. 4] Die Ursachen des Landarbeitermangels Schreiben des Arbeitsamtes Gütersloh an den Regierungspräsidenten in Minden, 21.12.1935 (LAV NRW OWL, M1 III E-1446) […] Der Mangel an landwirtschaftlichen weiblichen Arbeitskräften besteht im hiesigen Bezirk schon seit Jahren und ist eine Folge der vielseitigen Arbeitsmöglichkeiten für Frauen. Allein die Wäschefabrik in Rheda beschäftigt 1000 Mädchen, die vorwiegend ländlichen Bezirken entstammen. Ausserdem ist in Gütersloh und im Kreis Wiedenbrück in den Fabriknähereien, in den Bauwoll- und Seidenwebereien- und in der Fleischwaren- und Holzindustrie Arbeit in reichem Masse für weibliche Arbeitskräfte vorhanden. Soweit es sich um gelernte Arbeit handelt, werden zu Ostern eines jeden Jahres eine grosse Anzahl von Jugendlichen eingestellt, als Nachwuchs für die durch Heirat ausscheidenden Kräfte. Wegen der niedrigen Löhne werden für manche Arbeiten Frauen vorgezogen. Warum wird die Fabrikarbeit der landwirtschaftlichen Arbeit vorgezogen? 1. Wegen der 8 stündigen Arbeitszeit, die es erlaubt, nach Beendigung der Arbeit den Eltern in der Kötterei oder der Mutter in kinderreichen Familien im Haushalt zu helfen. 2. Wegen des höheren Barlohns, der zum Unterhalt der Familie oder zur Beschaffung der Aussteuer verwandt wird. 3. Wegen der vorwiegend leichten und sauberen Arbeit. Hierbei werden weite Wege gerne in Kauf genommen, um die Vorzüge von Fabrikarbeit oder anderer besserer Arbeit im Handwerk, auf dem Büro oder im Geschäft zu geniessen. Warum wird die Annahme von Landstellen abgelehnt? 1. Wegen der geringen Bewertung des Landmädchenstandes,



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2. Wegen der schweren schmutzigen Arbeit, die selten die Möglichkeit bietet, auch hauswirtschaftliche Kenntnisse in hinreichendem Masse zu erwerben, 3. Wegen der geringen Barlöhne, 4. Wegen des Mangels an Freizeit. Diese Gründe werden immer und immer wieder bei der Vermittlung in die Landwirtschaft als massgebend für die Ablehnung dieser Stellen angegeben. Schreiben des Landrats des Kreises Erkelenz an die Rheinische Zentralstelle für den Vierjahresplan, 30.3.1939 (LAV NRW R, BR 5–16904) Ich habe bereits in früheren Berichten auf die Dringlichkeit der Hebung des Landarbeitermangels hingewiesen. Die verschiedensten Versuche auf diesem Gebiet haben bisher kaum zu einem greifbaren Erfolg geführt. Schon seit längerer Zeit ist von der hiesigen Verwaltung die Errichtung von Heuerlings- und Werkwohnungen gefördert worden, weil der Landflucht hierdurch wesentlich entgegengewirkt werden kann. Es wurden aber nur wenige dieser Wohnungen für die landwirtschaftlichen Arbeiter errichtet. Der mangelnde Erfolg der Bemühungen war auf eine irrige Auslegung der für die Sicherung der Finanzierungsbeihilfen aufgestellten Bedingungen zurückzuführen. Die Landwirte hatten angenommen, daß zur Sicherung eine Belastung in Abtl. III des Grundbuchs eingetragen werden müsse, während in Wahrheit nur die Eintragung einer Rente in Abtl. II gefordert wird. Nach Klarstellung dieses Irrtums durch den Regierungspräsidenten ist von der hiesigen Verwaltung ein erneuter, besonders intensiver Werbefeldzug durchgeführt worden, von dem alle infrage kommenden Landwirte und Bauern erfaßt wurden. 80 Landwirte mit mehr als 5 fremden Arbeitskräften sind allein bei der hiesigen Verwaltung vorgeladen und entsprechend aufgeklärt und beraten worden. Es ist dabei die Feststellung gemacht worden, daß der Landwirtschaft (mit wenigen Ausnahmen) ein ausreichendes soziales Verständnis für ihre Arbeiter mangelt. Trotz günstiger Bedingungen können die Landwirte sich nicht dazu entschließen, gesunde Wohnungen für ihre Gefolgschaftsmitglieder zu schaffen. Stichhaltige Gründe für die Nichterrichtung sind bisher von keinem vorgebracht worden. Die Landwirte erkennen die Vorteile der vom Staat gewährten Beihilfen an, geben auch zu, daß Wohnungen dringend notwendig sind, wollen sich zum guten Schluß aber „die Sache nochmals überlegen“, um es dabei bewenden zu lassen. Sie lassen die Arbeiter nach wie vor in alten Kammern und über den Pferdeställen schlafen und wohnen und verlassen sich hinsichtlich der Behebung des Landarbeitermangels allein auf den Staat, ohne selbst tatkräftig für eine Änderung der unbefriedigenden Zustände einzutreten. M.E. wäre es angebracht, zwingende Vorschriften in dieser Richtung hin anzustreben. Mit anderen Mitteln ist den Landwirten nicht beizukommen. Hierbei dürfte eine Erweiterung der Vergünstigungen (mit der Absicht, hierdurch einen verstärkten Anreiz auszuüben) vor der Volksgesamtheit nicht zu verantworten sein.





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2. Die Arbeitsverwaltung im totalen Krieg 1939 – 1945 2.1 Der Arbeitsmarkt1 Einführung Dank der rüstungswirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Vorbereitungen hielt sich im Herbst 1939 – anders als 1914 – der Beschäftigungsrückgang in Grenzen, wenngleich die Konsumgüterindustrien vorübergehend unter Auftragsmangel und Arbeitskräfteentzug litten und mitunter mit „Arbeitsstreckung, Werksbeurlaubung und Entlassung der nicht auf Erwerb angewiesenen, insbesondere weiblichen Arbeitskräfte“2 reagierten. Die Einberufungen zur Wehrmacht und die Forcierung der Rüstung bewirkten schnell Vollbeschäftigung, die alsbald in Überbeschäftigung und Arbeitskräftemangel mündete. Wenngleich vor dem Hintergrund der sozialen Unruhen während des Ersten Weltkrieges das Regime darauf bedacht war, die Belastungsfähigkeit und -bereitschaft der Bevölkerung zu schonen, hieß das in Hitlers Perspektive nur, „den Volksgenossen genügend Nahrung zu garantieren und das Reich vor Luftangriffen zu schützen“,3 während die Ausschöpfung des Arbeitskräftepotentials und die Umverteilung der Beschäftigten in die unmittelbar rüstungswichtigen Industrien durchgehend erste Priorität genossen.4 Dementsprechend arbeiteten schon im Sommer 1941 rd. 60 % aller Arbeitskräfte für die Rüstung, wobei zu bedenken ist, dass auch die Konsumgüterindustrien zu einem Teil militärische Auftraggeber belieferten.5 Nach der schnellen Niederlage Frankreichs, während der Fortsetzung des Kampfes gegen England und der Entscheidung für einen Überfall auf die Sowjetunion 1940/41 gab es mehrere „Umsteuerungen“ in der Rüstungspolitik, langfristig blieb es aber bei der Priorisierung der jetzt noch forcierten Rüstung, der entsprechenden Lenkung der Arbeitskräfte und einer andauernden Arbeitskräfteknappheit, die sich durch die Einberufungen zur Wehrmacht sukzessive verschärfte. In der Folge ging trotz der Anstrengungen zur Mobilisierung der Bevölkerung die Gesamtzahl der zivilen deutschen Beschäftigten von 39,1 Mio. (1939) auf 28,4 Mio. (Herbst 1944) zurück.6 Die Frauener1 S. hierzu v.a. Kroener: Personelle Ressourcen; ders.: „Menschenbewirtschaftung“, Bevölkerungsverteilung und personelle Rüstung in der zweiten Kriegshälfte (1942–1944), in: Kroener u.a.: Organisation und Mobilisierung des deutschen Machtbereichs, 2. Halbband, Stuttgart 1999, S. 777–1001; Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 281 ff.; Petzina: Arbeitsmarkt. 2 Bericht des Landesarbeitsamtes Westfalen über den Arbeitseinsatz im Landesarbeitsamtsbezirk Westfalen im Monat September 1939, LAV NRW W, K 001–5098. 3 Tooze: Ökonomie der Zerstörung, S. 497. 4 S. hierzu auch die Einführung in Kap. 2.3.1. 5 Richard J. Overy: „Blitzkriegswirtschaft“? Finanzpolitik, Lebensstandard und Arbeitseinsatz in Deutschland 1939–1942, in: VfZ 36 (1988), S. 379–435, hier S. 414. 6 Petzina, Abelshauser, Faust: Arbeitsbuch, S. 85.

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werbstätigkeit konnte während des gesamten Kriegsverlaufs nicht ausgedehnt werden, gewann aber wegen des Militärdienstes der Männer an Gewicht.7 Bereits in den ersten beiden Monaten des Krieges gegen die UdSSR erwies sich die „Arbeitseinsatzlage“, wie Generalfeldmarschall Keitel erklärte, als „der größte Engpass der Rüstungswirtschaft“8, der durch deutsche Arbeitskräfte allein nicht aufzulösen war. Schon seit dem ersten Kriegsjahr sollte der Einsatz ausländischer Zivil- und Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener diese Lücke füllen. 1944 schließlich war rd. ein Fünftel der im Deutschen Reich Beschäftigten Ausländer.9 1] September 1939 Aktenvermerk der IHK Duisburg-Wesel über eine Besprechung mit dem Leiter des Arbeitsamtes Duisburg und dessen Stellvertreter am 12.9.1939 (RWWA, 20–1289–2) Als Ergebnis der Aussprache kann als wesentlich festgestellt werden: 1.) Eine Schock-Wirkung, wie sie 1914 gleich nach Kriegsausbruch etwa 1,5 Millionen Arbeitslose auf den Arbeitsmarkt geworfen hat, ist diesmal gänzlich ausgeblieben. 2.) Die Arbeitslosigkeit bildet nach wie vor kein Problem, hingegen eine vorübergehende Beschäftigungslosigkeit besonders im Handwerk und in einzelnen Gruppen des Einzelhandels, wie auch in der Textilindustrie, in der sie wohl am längsten andauern dürfte. 3.) Es haben sich weit über Bedarf ältere Frauen freiwillig zur Beschäftigung in gewerblichen Berufen gemeldet, unter ihnen viele, die sich schon im Weltkrieg in gleicher Weise betätigt haben, sodass davon im zwischenbezirklichen Ausgleich zahlreiche Vermittlungen an die Arbeitsämter Essen und Mülheim vorgenommen werden konnten. Bericht des Landesarbeitsamts Westfalen über den Arbeitseinsatz im Landesarbeitsamtsbezirk Westfalen im Monat September 1939, 10.10.1939, vertraulich (LAV NRW W, K 001–509) Die Arbeitslage wurde während des Berichtsmonats weitgehend von den politischen Ereignissen beeinflußt. Die zahlreichen Einberufungen von Gefolgschaftsmitgliedern aus allen Betrieben für die Reichsverteidigung, sowie die Sicherstellungen für die heereswichtigen Betriebe lösten eine große Nachfrage nach Arbeitskräften aus, die die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsämter stark ansteigen ließ. Diesem zusätzlichen Bedarf standen Freistellungen vom Arbeitskräften und Einschränkungen in der Arbeitszeit in solchen Wirtschaftszweigen gegenüber, deren Produktion nicht lebenswichtig ist, oder 7 Dazu Kap. 2.3.2. 8 Zit. nach Dietrich Eichholtz: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft, Bd. 2, Berlin 2003, S. 183. 9 Dazu Kap. 2.3.3.



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durch die verschiedenen Beschränkungsanordnungen gedrosselt wurde. Hierzu gehören in der Hauptsache Konsumgüterindustrien, die sich nur zum Teil und auch nur langsam von der Friedens- auf die Kriegswirtschaft umstellen können. Es ist in allen Arbeitsamtsbezirken gelungen, die hierdurch hervorgerufene starke Bewegung aufzufangen und die entlassenen Vg. meist sofort andersweitig anzusetzen. Erleichtert wurden diese Bemühungen durch den hohen Arbeiterbedarf der heereswichtigen Industrien sowie der verschiedensten Maßnahmen der Betriebe, wie Arbeitsstreckung, Werksbeurlaubung und Entlassung der nicht auf Erwerb angewiesenen, insbesondere weiblichen Arbeitskräfte. Dieser Entwicklung entsprechend hat die Zahl der Arbeitslosen während des Berichtsmonats keine nennenswerte Erhöhung erfahren. Die Zunahme betrug bei den Männern 206 und bei den Frauen 832, so daß Ende September insgesamt 2.663 Arbeitslose, uns zwar 830 Männer und 1.833 Frauen bei den westfälischen Arbeitsämtern gemeldet waren. Bei einem Bestand von rund 1.700.000 Beschäftigten (1.250.000 Männer und 450.000 Frauen) beträgt somit der Anteil der Arbeitslosen an der Gesamtzahl der Arbeiter und Angestellten nur 0,15 v. H. […] 2] November/Dezember 1939 Einsatzlagebericht des Landesarbeitsamts Rheinland für die Zeit vom 21.11–4.12.1939 (LAV NRW R, BR 1015–84) I. Allgemeine Entwicklung des Arbeitseinsatzes. Der Beschäftigungsgrad blieb im ganzen gesehen unverändert günstig. Geringe Schwankungen, die teils saisonbedingt und teils durch weitere Umstellungsarbeiten der Friedens- auf Kriegswirtschaft verursacht wurden, beeinflussten die Gesamtentwicklung nicht. Die Betriebe sind überwiegend wieder in der Lage, ihren Bedarf an Arbeitskräften oder eine notwendige Freisetzung zahlenmässig und zeitlich klarer zu übersehen. Im allgemeinen überwiegt der Kräftebedarf noch immer stark. Selbst die Aussenberufe, das Baugewerbe und die Landwirtschaft, nahmen trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit noch Arbeitskräfte auf. Für kriegswichtige Bauten im Operationsgebiet mussten wieder zahlreiche Arbeitskräfte im Wege der Dienstverpflichtung gestellt werden. Die den Arbeitseinsatz beeinflussenden Transportschwierigkeiten dauern fort. Die den Wasserwegen nicht angeschlossenen Steinkohlenzechen, insbesondere im Saarland, sowie die rheinischen Braunkohlenbetriebe und vereinzelt Großbetriebe der Eisenerzeugung klagen über steigenden Waggonmangel. Die Halden und Lager dieser Betriebe sind zum Teil überfüllt, sodass im Bergbau Feierschichten eingelegt werden mussten. Die Versorgung der Eisen- und Metallwirtschaft mit Facharbeitern und angelernten Facharbeitern bereitet unverändert Schwierigkeiten. Die Rückkehr entlassener Soldaten und ihr Einsatz als Metallfacharbeiter hat noch nicht die notwendige Entlastung gebracht.

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In der Textilindustrie besserte sich die Lage weiter. Zahlreiche Webereien konnten die Arbeitszeit leicht erhöhen. Die Betriebe sind überwiegend nicht mehr in der Lage, weitere Arbeitskräfte abzugeben; sie fordern sogar die in den ersten Kriegsmonaten wegen Betriebseinschränkung abgegebenen Facharbeiter zurück. Die Weiterentwicklung der Beschäftigungslage ist allerdings fraglich; sie hängt ganz von der zukünftigen Rohstoffzuteilung ab. […] 3] Frühjahr 1940 Bericht des Landesarbeitsamtes Westfalen über den Arbeitseinsatz im Arbeitsamtsbezirk Westfalen vom 1. bis 15. Mai 1940 (LAV NRW W, K 001–5098) Die Ausdehnung des Krieges im Westen auf Holland und Belgien brachte eine weitere Verschärfung des Arbeitseinsatzes mit sich, vor allem in den Gebieten Westfalens, die zahlreiche Holländer beschäftigen. Es besteht jedoch die Hoffnung, daß diese Störungen nur vorübergehender Art sind, da in Kürze mit einer Neuregelung des Arbeitseinsatzes der holländischen Arbeitskräfte zu rechnen ist. Die Einberufungen zum Wehrdienst haben wiederum erhebliche Lücken im Gefolgschaftsbestand verursacht. Die Nachfrage der Rüstungsbetriebe nach Fach- und Hilfsarbeitern ist unverändert stark geblieben. Die während der Berichtszeit erfolgten Zuweisungen von männlichen Arbeitskräften, die unter den schwierigsten Umständen aus anderen Berufen abgezogen werden mußten, und der Einsatz von Frauen bedeuten keine Entlastung, trotzdem auch wiederum daneben zahlreiche Verpflichtungen vorgenommen wurden. Bereits im März wurden 4.500 und im April 6.000 Arbeitskräfte dienstverpflichtet, eine Zahl, die aller Voraussicht nach im Mai noch weiter steigen wird. Diese Zahl mag für denjenigen, der über die Bedeutung der Wirtschaft in Westfalen und über die Bedeutung des Arbeitseinsatzes nicht genauestens unterrichtet ist, gering erscheinen. Wenn aber berücksichtigt wird, daß Westfalen die wichtigste Waffenschmiede des Reiches ist und daß infolgedessen jeder Abzug von Arbeitern aus kriegs- und lebenswichtigen Betrieben erfolgen muß, kann man sich eine schwache Vorstellung von den ungewöhnlichen Schwierigkeiten bei den Dienstverpflichtungen machen. Bei der Bewertung dieser Zahlen muß immer wieder darauf hingewiesen werden, daß durch diese Dienstverpflichtungen keine zusätzlichen Arbeitskräfte gewonnen werden, sondern daß es sich nur um eine Verlegung von beschäftigten Vg. von nicht unbedingt kriegswichtigen zu den besonders bedeutsamen Arbeiten handelt. Eine Behebung der Arbeitseinsatzschwierigkeiten ist aber nur durch den Ansatz zusätzlicher Arbeitskräfte möglich. […]



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4] Das dritte Kriegsjahr 1942 Bericht des Landesarbeitsamtes Rheinland über die Arbeitseinsatzlage im August 1942 (Abschrift), 7.9.1942 (LAV NRW W, K001–5137) Die einsatzmässigen Veränderungen im 3. Kriegsjahr10 ergeben sich aus Vergleichen der letzten Erhebungen der Arbeitsämter über die beschäftigten Arbeiter und Angestellten in der Aufgliederung nach Wirtschaftsbereichen. […] Danach hat sich die Zahl der beschäftigten Männer einschliesslich der Kriegsfangenen und Ostarbeiter um 53.000 = 3,5% verringert, die der Frauen um 60.435 = 7,2 v.H. erhöht. Die Zahl der beschäftigten deutschen Männer sank um 112.000 (von 1.400.000 auf 1.288.000). Das Kriegsgefangenenkontingent stieg um rd. 3.000 (von 98.000 auf 101.000), während sich die Zahl der beschäftigten männlichen Ausländer und Ostarbeiter um fast 58.000 (von 90.000 auf 148.000) erhöhte. Bei den Frauen stieg der Bestand an beschäftigten deutschen Kräften von rd. 819.000 auf 829.000, also um rd. 10.000. Die Zahl der beschäftigten ausländischen Frauen hat sich um rd. 50.000 (von 17.000 auf 67.000) erhöht. Wenn die Arbeitsämter hiernach das Äusserste getan haben, den Kräftebedarf zu decken und auf den ersten Blick das Zahlenbild verhältnismässig günstig aussieht, so darf es über die tatsächlichen Schwierigkeiten des Arbeitseinsatzes, die von Monat zu Monat erheblich wachsen, nicht hinwegtäuschen. Dem gegenüber Herbst 1941 fast unveränderten Kräftebestand stehen wesentlich erhöhte Leistungsauflagen sowohl im landwirtschaftlichen wie auch im gewerblichen Sektor gegenüber. Das gilt beispielsweise für die in letzter Zeit verfügten neuen Produktionsauflagen im Bergbau, in der Eisen schaffenden Industrie, im Lokomotivbau, im Generatorenbau, in der Chemischen Industrie und in vielen anderen Rüstungsindustrien im Rheinland. Viele dieser notwendigen Leistungssteigerungen sind aus der Selbsthilfe der Betriebe heraus durch organisatorische und technische Massnahmen ohne zusätzliche Kräftestellung ermöglicht worden. Darüber hinaus hat sich aber ein Anwachsen des zusätzlichen Kräftebedarfs der Betriebe trotz Anlegung immer schärferer Maßstäbe nicht vermeiden lassen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meine im Julibericht erwähnten 6 Gründe für die Kräftebedarfserhöhung der rheinischen Wirtschaft, insbesondere auf die ungünstige Berücksichtigung im Ausländereinsatz, die Bombenschäden, die „über“mässigen Einziehungen zur Wehrmacht und den Rückgang der Leistungen. Mit Hilfe der Ostarbeiterzuweisungen in den Monaten März bis Juli konnte der laufende Kräftebedarf im Rheinland keineswegs auch nur annähernd gedeckt werden. Es ist bezeichnend, dass aus verschiedenen Rüstungsbetrieben sehr ernste Mitteilungen über Produktionsrückgänge gemacht werden. Dem Landesarbeitsamt liegen zurzeit rd. 40.000 geprüfte, ausserordentlich dringende Anforderungen auf Ostarbeiter vor, für die Unterkünfte bereits zur Verfügung stehen. Die Landwirtschaft braucht notwendig 4.000 zusätzliche Kräfte für die Hackfruchternte, 10 Von August 1941 bis August 1942.

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die Ernährungswirtschaft 2.000 für die Herbstkampagne. In früheren Jahren konnten für diese Bedarfsspitzen durch innerbetrieblichen Ausgleich entsprechende Kräftekontingente zusätzlich gestellt werden. Das ist in diesem Jahr ohne Kriegsgefangene oder Ostarbeiter nicht möglich, weil alle überhaupt beschäftigten Kräfte so festliegen, dass ein Austausch auch nur für vorübergehende Zeit unmöglich ist. […] 5] Die Situation im Ruhrkohlenbergbau Protokoll der Besprechung der Arbeitsamtsleiter des Bezirks Westfalen-Süd am 23.7.1943 (Auszug) (LAV NRW W, N 100–1167) Das teilweise festzustellende Abfallen der Förderzahlen trotz verstärkten Arbeitseinsatzes zeigt die unbedingte Notwendigkeit der weiteren Kräftegestellung  – geeigneter Arbeiter – für den Bergbau. Oberregierungsrat Dr. Bauer gibt dann eine Übersicht über die Entwicklung des Arbeitseinsatzes im Ruhrkohlenbergbau seit Beginn des Krieges und geht näher auf die einzelnen Kräftebedarfsdeckungsaktionen ein. Z.Zt. läuft im Ruhrkohlenbergbau die Juni/Juli-Aktion, im Rahmen derer den einzelnen Arbeitseinsatzdienststellen des Reichs eine Auflage auf Gestellung von 20 000 bergbaufähigen Kräften gegeben worden ist. Auf den Bezirk Westfalen entfallen davon 4 000 Kräfte. Von den 20 000 sind bisher nicht ganz 3 000 gestellt. Der Bezirk Westfalen hat von seiner Auflage bisher 297 Kräfte gestellt. Es ist anzunehmen, dass gegen Ende des Monats die Ziffern steigen werden. Besondere Schwierigkeiten sind deswegen aufgetreten, weil die Ersatzgestellung nicht in hinreichendem Umfange durchgeführt werden konnte, da die zugesagten Transporte aus dem Osten, aus denen der Ersatz bereitgestellt werden soll, nicht eintreffen. Es wird festgestellt, daß seit Beginn des Krieges 232 000 Kräfte in den Ruhrbergbau hereingebracht worden sind, das bedeutet praktisch, daß 2/3 des Bestandes in diesem Zeitraum fluktuiert haben. Aus der Mai-Aktion (4000 Kräfte) fehlen nur noch einige Zuweisungen. 6] Juli 1943 Rüstungskommando Köln: Überblick über die in der Zeit vom 1. Juli–30. September 1943 aufgetretenen wesentlichen Probleme (Auszug) (BArch RW 21–35–14) Juli 1943, Arbeitseinsatzlage Die Arbeitseinsatzlage war durch die Terrorangriffe auf Köln und Aachen gekennzeichnet. Die Fertigungen fast aller Betriebe war durch Wegbleiben der totalgeschädigten Belegschaft und solcher Gefolgschafter, die, ohne erheblich geschädigt zu sein, der Ar-



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beit fernblieben, in Mitleidenschaft gezogen. Die Lage wurde im Anfang noch dadurch verschlimmert, daß die Arbeitsämter und Parteidienststellen vielen Gefolgschaftsmitgliedern erlauben, sich neue Arbeitsstätten in ungefährdeten Gebieten zu suchen. Der Befehl des R.M.f.B.u.M. 3 Tage nach dem Bombenschaden sich wieder dem Betrieb zur Verfügung zu stellen, kam zu spät. Die Rückkehr der Geflüchteten geht zu langsam vor sich. Schärfere Maßnahmen gegen solche als Fahnenflucht zu bezeichnende Handlung sind notwendig. Ausserdem wird seitens der Industrie vielfach der Wunsch geäussert, daß zur Durchführung einer besseren Arbeitsdisziplin die Uniformierung der Gefolgschaftsmitglieder alsbald erfolge. 7] September 1943 Bericht des Gauarbeitsamtes Westfalen-Süd über den Arbeitseinsatz im Gauarbeitsamtsbezirk Westfalen-Süd für den Monat September 1943, 7.10.1943 (LAV NRW W, K001–5140) Die Tätigkeit der Arbeitsämter konzentrierte sich in Monat September auf die Durchführung der AZS-Aktion 4311. Es wurden im Rahnen dieser Auskämmaktion 11.289 Kräfte bei einem Soll von 15.500 umgesetzt. Von der Gesamtzahl der umgesetzten Kräfte entfallen 7.727 auf Frauen und Mädchen. Das Ergebnis ist vom Standpunkt der Bedarfsdeckung im Rüstungssektor aus befriedigend, für die Abgabebetriebe haben sich jedoch fast untragbare Schwierigkeiten ergeben. Ein großer Teil der ausgekämmten Betriebe mit ziviler Fertigung, die vielfach im Bereich des Kriegsauflageprogramms12 liegt, ist bis an die Grenze der Existenzfähigkeit von Arbeitskräften entblößt worden. Aber auch eine Einengung der Versorgung der Bevölkerung mit dem Lebensnotwendigsten konnte nicht vermieden werden. Die Härten und Spannungen im zivilen Sektor können lediglich durch Einsatz meldepflichtiger Frauen gemildert werden. Aber durch die steigende Zahl der arbeitsunwilligen Frauen sowie der aus gesundheitlichen und sonstigen persönlichen Gründen freizugebenden Frauen (in einem Dortmunder Großbetrieb betrug beispielsweise Juni/Juli 1943 die Zahl der krankfeiernden Frauen 34–38 v.H., bei einem Krankheitsstand der Ostarbeiterinnen von 4 v.H.) ist nicht nur die Auffüllung der durch die AZS-Aktion gerissenen Lücken zweifelhaft, sondern selbst die Erfolge bei der Abdeckung des vordringlichsten Kräftebedarfs in der Rüstungsindustrie werden zum Teil durch den Ausfall von weiblichen Kräften aus der Meldepflichtaktion wieder aufgehoben. Die letzten Großangriffe (Bochum und Hagen) bringen erneut erhebliche Schwierigkeiten in den Arbeitseinsatz, vor allem bei den Frauen, Jugendlichen und Ausländern. Die mühselige Aufbauarbeit beginnt nun in Bochum zum sechsten Male. 11 AZS = Auskämmung des zivilen Sektors; s. a. Kap. 2.3.1. 12 Mit dem Kriegsauflageprogramm sollte die Erzeugung versorgungswichtiger Verbrauchsgüter sichergestellt werden bei einem Mindestaufwand an Material, Arbeitskräften und Energie.

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Eine große Entlastung ist durch den Einsatz der italienischen Militärinternierten13 zu erwarten. Das für Westfalen-Süd vorgesehene Kontingent ist inzwischen wiederholt erhöht worden. Es beträgt zur Zeit rd. 49.000. Der erste Einsatz konnte erst Anfang Oktober vorgenommen werden. […] 8] April 1944 Bericht des Gauarbeitsamtes und Reichstreuhänder der Arbeit Westfalen-Nord an den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über die Arbeitseinsatzlage im Monat April 1944, 11.5.1944 (Auszug) (LAV NRW W, K001–5140) Der Monat April hat dem Arbeitseinsatz keinerlei Entspannung gebracht. Zwar ist der Gesamtbedarf an Arbeitskräften infolge Besetzung der Pflichtjahrstellen14 gegenüber dem Vormonat um 2.800 auf 35.359 zurückgegangen, doch ist der Bedarf im Rüstungssektor, wo die stärkste Spannung liegt, noch um 338 auf 8.568 gestiegen. Eingesetzt wurden einschliesslich der Schulentlassenen, die nicht in Berufsausbildungsstellen eingetreten sind, 20.036 Kräfte gegenüber 16.549 im März. Die Steigerung ist vorwiegend der Landwirtschaft und im übrigen der Rüstungswirtschaft, der Bauwirtschaft und dem Bergbau zugute gekommen. Der Neuzugang an Ausländern betrug 2.193, vorwiegend Ostarbeiter und Niederländer, unter diesen 500 Arbeitserziehungshäftlinge; ausserdem wurden 632 Kriegsgefangene neu eingesetzt. Im Quartal vom 1.1. bis 31.3.1944 ist die Zahl der beschäftigten inländischen männlichen Arbeiter und Angestellten infolge Einberufung zur Wehrmacht um 5.724 zurückgegangen, während die Zahl der beschäftigten ausländischen Männer um 242 gestiegen ist. Die Zahl der beschäftigten deutschen Frauen ging in der gleichen Zeit um 1.600 und die der ausländischen Frauen um 600 zurück. Der Beschäftigungsrückgang betrug insgesamt am 31. März gegenüber dem 31. Dezember 1943 7.689. Ein Wiederansteigen der beschäftigten deutschen Frauen ist erst in diesem Quartal infolge Eingliederung 13 Als italienische Militärinternierte wurden diejenigen italienischen Soldaten bezeichnet, die nach Abschluss des Waffenstillstandes zwischen Italien und den Alliierten im September 1943 von deutschen Truppen festgenommen wurden und sich weigerten, den Krieg auf der Seite Hitlers und Mussolinis fortzusetzen. „Militärinternierte“, in: Gabriele Hammermann: Zwangsarbeit für den „Verbündeten“. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der italienischen Militärinternierten in Deutschland 1943-1945 (= Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, Bd. 99), Tübingen 2002. 14 Nach der „Anordnung zur Durchführung des Vierjahresplans über den verstärkten Einsatz von weiblichen Arbeitskräften in der Land- und Hauswirtschaft“ vom 15.2.1938 (RABl. I, 1938, S. 46) durften junge Frauen unter 25 Jahren von den Betrieben nur dann neu eingestellt werden, wenn sie eine mindestens einjährige Tätigkeit in der Land- oder Hauswirtschaft nachweisen konnten. Dieses Jahr konnte auch in der Landhilfe oder im Landjahr abgeleistet werden. Humann: „Arbeitsschlacht“, S. 510.



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der Schulentlassenen ins Erwerbsleben zu erwarten. Die Anträge auf Zustimmung von Arbeitsverhältnissen, auf Beurlaubungen oder verkürzte Arbeitszeit wegen zu verrichtender Landarbeit haben im Berichtsmonat erheblich zugenommen. Im vergangenen Jahre sind die meldepflichtigen Frauen für die Landbestellung häufig zunächst zurückgestellt worden. In diesem Jahre musste jedoch ein wesentlich schärferer Masstab bei der Entscheidung der Anträge angelegt werden, jedoch konnte in zahlreichen Fällen die Zustimmung aufgrund der gegebenen Verhältnisse nicht verweigert werden. 9] Winter 1944/45 Bericht des Gauarbeitsamtes und Treuhänder der Arbeit Westfalen-Süd an den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über den Arbeitseinsatz im Monat November u. Dezember 1944, 15.1.1945, geheim (Auszug) (BArch R 3901–20290a) Die Erschütterungen des Wirtschaftslebens und damit des Arbeitseinsatzes infolge des Luftkrieges haben in den Monaten November und Dezember weiter zugenommen, vor allem durch die wiederholten Angriffe auf die Städte Bochum, Dortmund, Hagen, Hamm, Soest, Herne, Wanne-Eickel, Castrop-Rauxel sowie durch erstmalige Terrorangriffe auf Siegen und Witten. Der Schwerpunkt des Arbeitseinsatzes hat sich infolgedessen zeitweilig in den genannten Bezirken aus dem Bereich produktiven und kriegswichtigen Einsatzes auf die Behebung und Beseitigung der Schäden fortgesetzter Fliegerangriffe verlagert, Arbeiten, die als Voraussetzung für Wiederherstellung einigermaßen tragbarer Arbeits- und Lebensverhältnisse unaufschiebbar sind. Abgesehen von den äußeren Erschwerungen des Arbeitseinsatzes infolge Verkehrszerstörungen, Unterbrechungen der Kohlen- und Stromversorgung sowie infolge zahlloser Zerstörungen und Schäden von Betrieben aller Art und Wohnstätten rufen die verstärkten Angriffe in Verbindung mit den sich täglich häufenden Alarmen eine Unruhe hervor, die den Leistungsgrad und den Arbeitswillen vor allem bei den Frauen erheblich beeinträchtigt. Zu den unmittelbaren Störungen des Arbeitseinsatzes kommt noch die Schwächung der Schlagkraft der von den Angriffen betroffenen Arbeitsämter hinzu. Die langwierigen Unterbrechungen des Fernsprechverkehrs, die unzulängliche Postzustellung, die starke Einschränkung des Nahverkehrs, die unzureichende Hilfe der polizeilichen Meldeämter, die nach jedem Terrorangriff immer wieder vor den selben Schwierigkeiten stehen, erschweren die Erfassung und Heranführung der Volksgenossen an die Arbeitseinsatzdienststellen sehr. Der Terrorangriff auf Witten am 12.12.1944 verursachte auch an der Dienststelle des Gauarbeitsamtes starke Schäden, die dessen Dienstbetrieb sehr behinderten.

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10] Februar 1945 (BArch R 3901–20290a) Fernschreiben des Regierungs-Amtmanns Bräuer vom Gauarbeitsamt Westfalen-Nord an den Generalarbeitseinsatz, Reichsinspektion, Potsdam-Rehbrücke, 24.2.1945 Mit Bezug auf meine Fernschreiben vom 21. und 23. Februar ergab Lagebesprechung der Arbeitsamtsdirektoren des Ostteils des Gauarbeitsamtsbezirks Westfalen-Nord, dass produktive Fertigung zwar auch unter starkem Einschluss von Fliegerschäden und Alarmen, aber noch nicht so unter spürbarem Kohle- und Strommangel steht. Die Lage kann indessen stündlich ernstere Formen annehmen, wenn es nicht gelingt, die täglich neuen umfangreichen Bahnunterbrechungen schnellstens zu beseitigen. In den Betrieben stauen sich die fertigen Güter, weil der Abtransport nicht mehr funktioniert. Versteckte Arbeitslosigkeit scheint im gewissen Umfange schon eingetreten zu sein, sie wird aber von den Betrieben nicht gemeldet. Durch die Selbstherrlichkeit der Organe der Rüstungswirtschaft bleiben der Arbeitseinsatzverwaltung Kräftebewegungen verborgen, in die sie regulierend eingreifen müsste. Es ist daher schwierig, den Überschuss voll einsatzfähiger Arbeitskräfte festzustellen. Allerdings bereinigen sich die Betriebe in starkem Masse von unwirtschaftlichen Kräften, insbesondere beschränkt verwendungsfähigen Frauen und bieten vielfach auch schon fremdvölkische Arbeitskräfte nur deswegen an, weil sie nicht mehr ausreichend ernährt werden könnten. Die Ernährungslage hindere auch die Umsetzung grösserer Kräfteeinheiten. Fremdvölkische Frauen können nach ihrer Entbindung in zunehmendem Masse nicht mehr in Arbeit gebracht werden, sodass daraus die Frage erwächst, wer die Fürsorge dieser Frauen übernimmt. Trotz dieser Umstände lässt die Gesamtlage nach Feststellungen des Gauarbeitsamtes noch einen Kräftebedarf von 12000 Kriegsgefangenen und Ausländern für Landwirtschaft (7000), Bergbau (2000), Rüstung (2000), Flugplatzanlagen (1000), davon 1/3 Kriegsgefangene aufkommen. Die Abschaltung von Betrieben ist wegen Energiemangel noch nicht zum Zuge gekommen, sie wird hier auch mehr von der Aufschlüsselung der noch verfügbaren Stahlbasis als der Energiefrage bestimmt. Zur Räumung feindbedrohter Gebiete wird sehr bezweifelt, ob eine Rückführung von Kriegsgefangenen und Ausländern arbeitseinsatzmässig überhaupt noch einen Zweck hat. Jedenfalls verneint Westfalen-Nord die Einsatzmöglichkeit solcher Flüchtlingsströme. Sie führen nur zur unnützen Einengung des Lebensraums. Auch die Rückführung der Arbeitsbuchkartei und Filme sei praktisch wegen der Transportmittelfrage nicht lösbar, sie habe aber auch keinen Sinn, weil sie durch Wanderung, Zerstreuung und Unauffindbarkeit der Arbeitsbuchinhaber wertlos wird. Gauarbeitsamt beklagt sehr, dass Antworten auf Anfragen an Zentrale garnicht oder stark verzögert und durch die Ereignisse überholt eingehen. Auch erführe man neue Arbeitseinsatzmassnahmen viel eher über dritte Stellen als von der eigenen übergeord-



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neten Stelle, sodass dadurch Stellung und Ansehen der Arbeitseinsatzverwaltung untergraben würden. In und um Detmold ist zurzeit der Bahnverkehr in allen Richtungen unterbrochen, sodass sich dadurch meine Rückreise verzögert. Notiz des Regierungsamtmanns Bräuer, o. D. Ueber meine Feststellungen zur Lage des Arbeitseinsatzes in den GAA-Bezirken Westfalen Süd und Westfalen Nord (Ostteil) habe ich mit Fernschreiben vom 21., 23 und 24.2.1945 berichtet. Da bisher nur ein Fernschreiben angekommen ist, übergebe ich anbei Abschriften. Ergänzend wird noch vermerkt: 1) Durch die Auswirkungen des Luftkrieges starker Ausfall der AÄ. Schlagkraft der AE-Verwaltung würde völlig erlahmen, wenn nicht schnellstens wieder für Arbeitsfähigkeit gesorgt würde. Einige AÄ haben darin vorbildliches geleistet. Als weitere Folge des Luftkrieges ist auch den GÄÄ Verbindung mit den AÄ und Üeberblick über die Arbeitseinsatzlage verloren gegangen. Eingerichteter Postkurier von fortlaufenden Bahnunterbrechungen beeinflusst. 2) Im praktischen Arbeitseinsatz ist die Hauptsorge als Folge des Luftkrieges der Verkehr. Feind hat alle wichtigen Knotenpunkte ausgeschaltet. Lokausfall sehr ernst. Üeber wichtige Strecken geht 8 bis 10 Stunden lang überhaupt kein Zug. Waggons fehlen. Abtransport der Fertigung nicht mehr möglich. Am 13.2. bei einem Soll von 14000 G’Wagen nur 6000 gestellt. Kohle: Förderung von zuletzt 400 bis 420000 Tonnen heute nur noch höchstens 200000 Tonnen. Jetzt systematische Zerstörung der Schächte u. Kokereien. Haldenbestände von 10 auf 4 Millionen vermindert. Bergbau verträgt keine Eingriffe kann und muss auch noch Kräfte haben. Ruhrgaserzeugung – von der grosse Teile der Wirtschaft des Westens abhängen – nur noch 25% der vorhandenen Kapazität. Unter Berücksichtigung überbezirklicher Abgaben nur noch etwa 10% Lieferung an westfälische Industrie. Stromlage demgegenüber besser; man glaubt einigermassen zurechtzukommen. Brennendstes Problem: Stahlerzeugung, früher 6½ Millionen Tonnen pro Monat, jetzt nur noch 500 000 Tonnen. Davon muss Munitionsnotprogramm allein 210 000 Tonnen haben. Bedenklich, was für neue Panzer und Kanonen übrig bleibt. 3) Aus Lagebesprechung mit den AA-Direktoren Westfalen-Nord ergab sich übereinstimmend, dass sich OT noch mehr aufblähe bei umgekehrter Arbeitsentwicklung. OT tarnt Lage dadurch, dass sie keine Meldungen über Einstellung und Beendigung von Bauten machen. Wohl aber neue Kräfteanforderungen stellen. 4) Gau-AA Westfalen-Nord beklagt, dass Post noch immer nach Coesfeld geleitet würde, obwohl es schon lange seinen geänderten Dienstsitz gemeldet habe.15 15 S. dazu Dok. 15 in Kap. 2.2.

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5) Beide GAA-Präsidenten (Westfalen Süd und Westfalen Nord) haben in den AADirektoren-Arbeitsbesprechungen besonders begrüsst, dass sich in der für sie besonders schwierigen Lage auch einmal einer von der Zentrale sehen lasse. Ebenso, dass jetzt in der mittleren, besonders aber AA-Ebene stärkstens selbst aktiv gehandelt werden dürfe.



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2.2 Die Arbeitseinsatzbehörde16 Einführung Die Lenkung der deutschen Kriegswirtschaft wurde nicht von einer einzigen Institution organisiert, denn je nach Erfordernis und Branchen waren unterschiedliche Akteure zuständig. Bei der Versorgung der Wirtschaft mit Arbeitskräften kam der Arbeitsverwaltung die zentrale Funktion zu, die Anforderungen von Wirtschaft und Militär zu begutachten, entsprechend der von der Wehrmacht vorgegebenen (und wechselnden) Dringlichkeitsstufen zu priorisieren und schließlich nach Möglichkeit zu befriedigen. Die für die Arbeitsverwaltung wichtigste Instanz auf der Seite des Kriegswirtschaftsapparats waren die den Wehrkreisen zugeordneten Rüstungsinspektionen (RüIn) auf regionaler und die ihnen unterstellten Rüstungskommandos auf lokaler Ebene.17 Sie waren u.a. zuständig für die Mobilmachung der Rüstungsbetriebe (R-Betriebe), für Belegungs- und Fertigungsvorschläge, Bedarfsanweisungen an Arbeitskräften sowie Produktions- und Betriebsmitteln sowie die Aufsicht über Werkluftschutz- und Werksicherheitsdienstmaßnahmen. Sie waren dem Wehrwirtschaftsstab des Oberkommandos der Wehrmacht, und dieses wiederum dem Kriegsministerium nachgeordnet. Für die weniger oder nicht rüstungsrelevanten Branchen und Bereiche galten andere Zuständigkeiten. Die Arbeitsverwaltung hatte also mit mehreren und mitunter im Laufe der Kriegsjahre neu eingerichteten oder neu organisierten Verwaltungen zu tun.18 Hinzu kamen Prüfungskommissionen, die sich aus Mitarbeitern der Arbeitsverwaltung und Vertretern der Wehrmacht zusammensetzten. Sie sollten mittels Überprüfung der Betriebe vor Ort den zweckdienlichen Einsatz der Arbeitskräfte feststellen und veranlassten zahlreiche Stilllegungs- und Auskämmaktionen. An ihre Stelle traten 1942 Rüstungskommissionen mit der Aufgabe, über die Arbeitskräfteverteilung hinaus alle rüstungsrelevanten Belange von der Auftragsvergabe über die Rohstoffzuweisung bis hin zur Arbeitskräfteverteilung zu koordinieren. Ihnen gehörten nun auch Abgesandte u.a. verschiedener Ministerien, der DAF, der Partei und der wirtschaftlichen Selbstverwaltungskörperschaften an.19 Es zeigte sich, dass es 1940/41 keine einzige und zentrale Autorität für die Verteilung der Arbeitskräfte gab, sondern mehrere Stellen beteiligt waren, von denen es keiner gelang, ihre eigene Linie den anderen oder gar dem Militär aufzunötigen. „Alle Kombattanten dieser multibürokratischen Schlacht beschuldigten sich gegenseitig der Inkom16 Hierzu v.a. Kroener u.a.: Organisation und Mobilisierung; Vergin: Arbeitseinsatzverwaltung, S.  69–226; Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 283 ff.; Marx: Verwaltung, passim. 17 Bis November 1939 Wehrwirtschaftsinspektionen (WiIn) mit den unterstellten Wehrwirtschaftsstellen (WWiSt). 18 Zusammenfassung der Zuständigkeiten und Abläufe bei Marx: Verwaltung, S. 161 ff., 187 ff. Für Westfalen und die nördliche Rheinprovinz waren die Rüstungsinspektion VI in Münster und für das südliche Rheinland (Regierungsbezirke Koblenz und Trier) die Rüstungsinspektion XII in Wiesbaden zuständig. 19 Marx: Verwaltung, S. 224 ff., 239 ff.

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petenz und Ineffizienz.“20 Deshalb setzte Hitler im März 1942 Gauleiter Fritz Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz ein, weil „die Sicherstellung der für die gesamte Kriegswirtschaft, besonders für die Rüstung erforderlichen Arbeitskräfte … eine einheitlich ausgerichtete, den Erfordernissen der Kriegswirtschaft entsprechende Steuerung des Einsatzes sämtlicher verfügbaren Arbeitskräfte einschließlich der angeworbenen Ausländer und der Kriegsgefangenen sowie die Mobilisierung aller noch unausgenutzten Arbeitskräfte“ erfordere.21 Während Sauckel selbst Görings Vierjahresplanbehörde unterstellt war, wurden deren bisherige Geschäftsgruppe „Arbeitseinsatz“ aufgelöst und die Arbeitsverwaltung aus dem Reichsarbeitsministerium (Abteilung V – Arbeitseinsatz) aus- und in die Dienststelle des Generalbevollmächtigten eingegliedert. Diese Machtkonzentration konnte jedoch immerwährende Kompetenzstreitigkeiten in Berlin und vor Ort22 nicht verhindern, sodass Sauckel guten Grund hatte, im April 1942 in einer Grundsatzerklärung zu unterstreichen, „alle technischen und verwaltungsmäßigen Vorgänge des Arbeitseinsatzes obliegen ausschließlich der Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, den Landesarbeitsämtern und den Arbeitsämtern“23. Die Struktur der Arbeitsverwaltung blieb zunächst unverändert. Allerdings ernannte Sauckel die NSDAP-Gauleiter zu seinen Bevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, mit denen die Landesarbeitsämter eng zusammenzuarbeiten hätten. Weil dies aber offenbar nicht recht funktionierte, synchronisierte Sauckel die Organisation der Arbeitsverwaltung und die der Treuhänder der Arbeit schließlich mit derjenigen der Partei, indem er an Stelle der zu diesem Zeitpunkt bestehenden 26 Landesarbeitsämter und der Treuhänder 42 Gauarbeitsämter errichtete, deren Bezirke auch mit denen der Reichsverteidigungskommissare und diese wiederum mit denen der Gauleiter identisch waren. Die Reichsverteidigungskommissare erhielten per Führererlass vom 6.11.1942 ein praktisch unbegrenztes Weisungsrecht gegenüber allen zivilen Behörden.24 Innerhalb des Geflechts von Partei, Wehrmacht, Wirtschaft und staatlichen Behörden vermochte die Arbeitsverwaltung erhebliche Wirkung zu entfalten. „Mittels ihrer Leis20 Tooze: Ökonomie der Zerstörung, S. 498. 21 „Erlass des Führers über einen Generalbevollmächtigen für den Arbeitseinsatz“, 21.12.1942, RGBl. I, S. 179. Zum Generalbevollmächtigten zuletzt Swantje Grewe: Der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz und das Reichsarbeitsministerium, in: Nützenadel: Reichsarbeitsministerium, S. 387–422. 22 Zum Beispiel Detmold: Ruppert: „Der nationalsozialistische Geist.“ 23 „Allgemeine Grundsätze des GBA. Das Programm, herausgegeben am Geburtstag des Führers 1942“, in: Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz: Handbuch für die Dienststellen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und die interessierten Reichsstellen im Großdeutschen Reich und in den besetzten Gebieten, Bd. 1, bearb. von Friedrich Didier, Berlin 1944, S. 27–38, hier S. 39. 24 Die Reichsverteidigungskommissare waren zu Beginn des Krieges zur „einheitlichen Steuerung der zivilen Reichsverteidigung“ eingesetzt worden. Joachim Lilla: Die Organisation der kriegswirtschaftlichen Sonderverwaltungen und der Reichsverteidigung im Rheinland (1936/1939 bis 1945), in: Internetportal „Rheinische Geschichte“ (https://rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-orga nisation-der-kriegswirtschaftlichen-sonderverwaltungen-und-der-reichsverteidigung-im-rheinland19361939-bis-1945/DE-2086/lido/57d1339870b7d6.64059227#toc-22) (Stand 3.3.23).



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tungsfähigkeit stemmte sie die komplexe Aufgabe der Arbeitskräftelenkung und hielt damit trotz des eklatanten Mangels die Kriegswirtschaft lange Zeit aufrecht.“25 Wegen des Aufgabenzuwachses verdoppelte sich die Belegschaft der Arbeitsverwaltung von 1939 bis Mitte 1944 von ca. 40.000 auf 80.000 Beamte, Angestellte und Arbeiter,26 doch standen diese Zahlen nur auf dem Papier. Tatsächlich war die Schwächung des Personalbestandes eklatant, denn durch Einberufungen zur Wehrmacht und Abordnungen in die besetzten Gebiete oder zu anderen Dienststellen war in manchen Bezirken ein Fünftel bis ein Drittel des Mitarbeiterbestandes nicht verfügbar.27 Das Oberkommando der Wehrmacht erklärte in der Regel nur die führenden Mitarbeiter für unabkömmlich, und im Laufe des Krieges nahm auch diese Praxis ab.28 Erst gegen Kriegsende ging die faktische Bedeutung der Arbeitsverwaltung sukzessive zurück, weil mit dem Verlust der besetzten Gebiete der Strom der zu verteilenden Zwangsarbeiter versiegte, während die Zerstörung vieler Wirtschaftsanlagen Arbeitskräfte freisetzte, die sich im stillschweigenden Konsens mit den Betrieben dem Zugriff der Arbeitsämter entzogen. Zugleich wurde deren Kontroll- und Verteilungsfähigkeit durch die Beschädigung ihrer eigenen Verwaltungsgebäude, die Verlagerung der Dienststellen und die Unterbrechung der Kommunikationswege empfindlich beeinträchtigt.29 1] Koordinationsmängel bei der Arbeitseinsatzlenkung Vortragsnotiz innerhalb der Wehrwirtschaftsinspektion IV (Münster), 12.8.1940 (BArch-MA RW 19–307) Der Schriftverkehr der letzten Wochen um die praktischen Erfahrungen bei der Umsteuerung der Rüstung gemäß der neuen Führerentscheidung30 haben ergeben, daß eine Einheitlichkeit in der Lenkung des Arbeitseinsatzes fehlt. Obwohl bei der Reichsarbeitsverwaltung die letzte und ausschließliche Entscheidung über den Arbeitseinsatz liegt und dieser zweckmäßigerweise im Einvernehmen zwischen den Dienststellen des W Rü Amtes und der Arbeitsverwaltung gesteuert wird, geben sowohl die WT selbst, als auch ihre Beschaffungsämter und auch der Reichsminister für Bewaffnung und Munition Ar-

25 Marx: Verwaltung, S. 161. 26 Einschließlich der deutschen Arbeitsverwaltung in den besetzten Gebieten. Maier: Anfänge und Brüche, S. 99. 27 Vergin: Arbeitseinsatzverwaltung, S. 141. 28 Ebd., S. 74, 141. 29 S. dazu auch Dok. 15 in Kap. 2.2. 30 Nach dem schnellen Sieg über Frankreich ordnete Hitler an, die eben erst angelaufene Umstellung der Wirtschaft auf Rüstungsbedürfnisse zu verlangsamen und die Belastung der Bevölkerung wieder zu verringern. Rolf-Dieter Müller: Die Mobilisierung der deutschen Wirtschaft für Hitlers Kriegsführung, in: Kroener u.a.: Organisation und Mobilisierung I, S. 349–692, hier S. 489.

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beitseinsatzbefehle heraus, die zum Teil an den grundlegenden Richtlinien des OKW und des Wi Rü Amtes vorbei gehen, teils diesen auch direkt widersprechen. […] 2] Arbeitskräftebeschaffung für die Ruhröl GmbH in Gelsenkirchen (LAV NRW W, K001–5146) Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an das Wehrkreiskommando VI (Münster), 3.12.1940 (Abschrift) Wie mir bekannt geworden ist, sind auf Vorstellung des Beauftragten des Generalbevollmächtigten für Sonderfragen der chemischen Erzeugung für den Wehrkreis VI, Herrn Veerhoff, der Firma Ruhröl G.m.b.H. aus Landesschützenbataillonen 124 Metallfacharbeiter zur Verfügung gestellt worden. So sehr ich es begrüße, daß Fachkräfte, die bei der Wehrmacht nicht gebraucht werden, der Wirtschaft zur Verfügung gestellt werden, ebenso sehr muss ich aber Wert darauf legen, daß solche Arbeitseinsatzmaßnahmen nicht ohne Beteiligung der dafür zuständigen Arbeitseinsatzbehörde getroffen werden. Andersfalls besteht nicht nur die Gefahr, daß der planmässige Arbeitseinsatz gestört wird, sondern auch die Gefahr, daß solche Sonderhilfen nicht bei besonders dringlichen Aufgaben gewährt werden, sondern nur den besonders geschäftigen Vertretern einzelner Gruppen oder Betriebe zugute kommen. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß die Bedarfsstellen selbst nicht immer objektiv über den tatsächlichen Kräftebedarf der betreuten Vorhaben urteilen und gern ihre Aufgaben als vordringlich auch gegenüber tatsächlich noch dringlicheren hinstellen, die an erster Stelle kriegsentscheidend sind. […] Antwort des Chefs des Generalstabs des Wehrkreiskommandos VI (Münster), 17.12.1940 […] Daß diese schnelle, die Produktion eines besonders bedeutsamen Betriebes der Kriegswirtschaft wirkungsvoll fördernde Hilfsmassnahme des Wehrkreiskdos. nicht nur nicht die verständnisvolle Zustimmung des Präsidenten den Landesarbeitsamtes Westfalen, sondern sogar dessen mißbilligende Kritik findet, ist eine Tatsache, die das Wehrkreiskdo. aufs Äußerste befremdet. Diese Kritik zwingt das Wehrkreiskdo. zu folgender Stellungnahme: Der Wehrkreisbefehlshaber wird sich vom Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen das Recht nicht bestreiten lassen, in Kriegszeit die ihm unterstellten Truppen für Notstände der Bevölkerung und der Wirtschaft im Wehrkreis VI nach eigener Entscheidung einzusetzen, soweit die Truppenbelange solches zulassen. Er lehnt es ab, vor solchen Massnahmen grundsätzlich die Stellungnahme des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen einzuholen. Eins solche Stellungnahme wird insbesondere dann entbehrlich sein, wenn Hilfsmassnahmen von behördlich beauftragten Personen beantragt werden. Im vorliegenden Falle z. B. ist die Hilfe des Wehrkreiskdos. nicht von



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„besonders geschäftigen Vertretern einzelner Gruppen oder Betriebe“, sondern vom Beauftragten einer oberen Reichsbehörde erbeten worden. 3] „Die Hauptschwierigkeiten liegen auf dem Gebiete des Personaleinsatzes“ Kriegstagebuch des Rüstungskommandos Dortmund vom 1.6. bis 31.8.1940 (Auszug) (BArch-MA RW 21–14, Nr. 3) Die Hauptschwierigkeiten im Gebiet liegen z.Zt. bei der Fertigung der Geräte des Wehrmachtteiles Heer und, wie schon immer, auf dem Gebiete des Personaleinsatzes. Gerade auf diesem letzten Arbeitsgebiet entsteht allmählich aber sicher, eine nicht absehbare Verwirrung. Es entstehen zuviel Stellen, die beauftragt sind oder es zu sein glauben, in dieses schwierige Kapitel mit Anweisungen glauben eingreifen zu können. Spielte sich die Erledigung aller Punkte, die den Personalbewirtschaftungseinsatz betreffen zwischen Betrieben, Rü Kdo und Arbeitsamt ab, so weiß nun bald niemand mehr, wer eigentlich im Bezirk den Einsatz der Kräfte lenkt und regelt. Eines ist allerdings klar geblieben, die Zuweisung benötigter Arbeitskräfte kann nur durch das Arbeitsamt erfolgen. Diesem Arbeitsamt hat bisher das Rü Kdo begutachtend über die Höhe der Anforderungen seitens der Betriebe zur Seite gestanden. Vor längerer Zeit tauchte dann im Gebiet ein Beauftragter des Wehrkreisbeauftragten VI auf, der den Einsatz der notwendigen Kräfte lenken wollte. Durch Eintreten der Rü In gelang es aber, die Tätigkeit dieses Beauftragten stillzulegen. Jetzt ist durch den Rüstungs-Ausschuß VI ein besonderer Beauftragter für Arbeitseinsatzfragen bestellt worden. Ob die Arbeit dieses Beauftragten irgendwelche Früchte bringen wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls kann nach Ansicht des Rü Kdos keine besondere Leistung herauskommen, da ihm die Verhältnisse bei den vielen am Wehrmachtgerät beschäftigten Firmen völlig unbekannt sind. […] Es mehren sich auch wieder die Fälle, in denen Betriebe sich an die Auftrag gebenden Stellen der Wehrmacht wenden mit Beschwerden, daß sie ihre Aufgaben nicht erfüllen könnten, wenn weiter laufend Arbeitskräfte entzogen würden. Die Betriebe bitten dabei um Anweisung an Rü Kdo und Arbeitsämter, daß ihnen die Kräfte belassen und gesichert werden. (Mannesmann, und Langschede31) Diese Beschwerden und Bitten kommen dann als Anweisung an das Rü Kdo, das von eınem Arbeiterentzug nichts weiß und auch schon vorher stets bestrebt gewesen ist, den Betrieben durch die U-Stellung32 die benötigten Leute zur Möglichkeit der Fertigung zu sichern. In dem erwähnten Fall Langschede ist das Vorgehen aber ganz unverständlich, da dem Betrieb gerade durch das Rü Kdo zur Bewältigung einer Sonderaufgabe Spezialkräfte über das zuständige Arbeitsamt zugewiesen worden sind. In den ganzen vergangenen Monaten haben sich die 31 Möglicherweise ist die vom Thyssen-Konzern in Langschede (bei Fröndenberg, Kreis Unna) betriebene Umformtechnikanlage gemeint. 32 Wahrscheinlich gemeint: uk-Stellung = unabkömmlich.

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Betriebe stets mit ihren Wünschen an das Rü Kdo gewandt. Wie kommt es, daß sie sich jetzt wieder an die Zentralstellen hilfesuchend wenden? 4] Die personelle Ausdünnung der Arbeitsämter Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen-Lippe an den Reichsarbeitsminister (Entwurf), 29.1.1941 (LAV NRW W, N 001–4) Gelegentlich der in der vorstehenden Angelegenheit stattgefundenen Besprechung meines Personalreferenten, Regierungsrat Dr. Dorau, mit Herr Oberregierungsrat Beil wurde zugesagt, daß mit Rücksicht auf den im meinem Bezirk herrschenden Mangel an leitenden Kräften von einer Einberufung je einer Kraft des höheren und des gehobenen Dienstes abgesehen und der seit einiger Zeit als Leiter einer Reichskommission tätige Leiter des Arbeitsamtes Bielefeld, Regierungsrat Dr. Kuhle, mir wieder zur Verfügung gestellt werden sollte. Ich wiederhole die bereits mündlich vorgetragene Bitte und führe zur Begründung an, daß mir durch Abordnung in die Ost- und Westgebiete und durch Einberufung zur Wehrmacht innerhalb kurzer Zeit allein 8 Arbeitsamtsleiter entzogen worden sind. Außerdem ist in Kürze mit einer weiteren Einberufung des Leiters des Arbeitsamtes Herne, Oberregierungsrat Dr. Mueller, zur Wehrmacht zu rechnen. Den Bereitstellungsschein hat er inzwischen erhalten. Ferner ist der Leiter des Arbeitsamtes Münster, Oberregierungsrat Dr. Mertins, seit Wochen dienstunfähig. Auf baldige Wiederaufnahme des Dienstes besteht keine Aussicht. Unter diesen Umständen bitte ich nochmals, nicht nur von der Einberufung der im vorstehenden Erlaß bezeichneten Kräfte abzusehen, sondern auch darum bemüht zu sein, daß Oberregierungsrat Dr. Kuhle möglichst bald die Leitung des Arbeitsamtes Bielefeld wieder übernimmt. 5] Die Zusammenarbeit der Landesarbeitsämter mit den Gauleitern Rundschreiben des Generalbeauftragten für den Arbeitseinsatz Fritz Sauckel an die Präsidenten der Landesarbeitsämter, 14.10.1942 (BArch R 3901–20289) Mit der Einsetzung der Gauleiter zu meinen Bevollmächtigten für den Arbeitseinsatz in den Gauen sollen die gewaltigen inneren Kräfte der nationalsozialistischen Weltanschauung auf dem Gebiet der Menschenbetreuung und Menschführung durch die Partei für die Durchführung der Aufgaben des Arbeitseinsatzes erschlossen und damit der Arbeitseinsatz zum grössten Erfolg für die deutsche Rüstungs-, Kriegs- und Ernäh-



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rungswirtschaft geführt werden. Ich hatte hierzu angeordnet, dass die Präsidenten der Landesarbeitsämter mit ihren Mitarbeitern den Gauleitern zu jeglicher Auskunft und Beratung zur Verfügung stehen und die Anregungen und Wünsche der Gauleiter zum Zwecke von Verbesserungen beim Arbeitseinsatz im Rahmen der bestehenden Vorschriften und Gesetze und des geordneten Geschäftsganges zu erfüllen haben. Darüber hinaus ist es jedoch erforderlich, dass Sie Ihrerseits die für Ihren Bezirk zuständigen Gauleiter ständig über alle wichtigen Fragen auf dem Gebiet des Arbeitseinsatzes unterrichtet halten. Es wird Ihre Aufgabe sein, zu diesem Zweck in dauernder Fühlung mit den Gauleitern zu bleiben und auch sicherzustellen, dass eine gleiche Fühlungnahme zwischen Ihren Mitarbeitern und den zuständigen Sachbearbeitern bei den Gauleitungen unterhalten wird. Nur wenn die Gauleiter und durch sie sämtliche Hoheitsträger der Partei jederzeit darüber unterrichtet sind, welche Ziele es auf dem Gebiet des Arbeitseinsatzes zu erreichen gilt und welche Wege gegangen werden müssen, um zu diesen Zielen zu gelangen, können die Dienststellen der Arbeitseinsatzverwaltung bei ihrer Arbeit von den Dienststellen der Partei die Hilfe erhalten, die sie Durchführung ihrer Aufgaben benötigen. Insbesondere ist es unbedingt notwendig, dass die politischen Dienststellen im einzelnen über die Fragen und Aufgaben unterrichtet sind, die sich aus der Durchführung der mir übertragenen Aufgaben des Arbeitseinsatzes und vor allem aus dem Einsatz einer grossen Anzahl fremdvölkischer Arbeitskräfte für den einzelnen deutschen Volksgenossen ergeben. Wenn in einem Gaubezirk noch kürzlich erklärt wurde: „Wenn in diesem Winter im Gau jemand erfrieren muss, so sollen zunächst die Russen (d.h. die im Gau eingesetzten russischen Zivilarbeiter) erfrieren.“, so lässt eine solche Äusserung deutlich erkennen, dass in diesem Gaubereich die Verbindung zwischen Arbeitseinsatzverwaltung und den zuständigen politischen Stellen noch nicht eng genug ist; denn es ist ja gerade eine der wichtigsten Aufgaben des Arbeitseinsatzes und der Zusammenarbeit zwischen ihnen und den Gauleitern als meinen Bevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, dafür Sorge zu tragen, dass die der deutschen Rüstungs- und Ernährungswirtschaft zugeführten fremdvölkischen Kräfte so gehalten werden, dass sie ein Höchstmass an Leistung zu vollbringen vermögen. Es geht deshalb keinesfalls an, nur die deutschen Volksgenossen vor Mangelerscheinungen schützen zu wollen und unbedenklich eine ungenügende Versorgung der fremdvölkischen Arbeitskräfte in Kauf zu nehmen, vielmehr ist es notwendig, sich jederzeit bewusst zu sein, dass zur Erringung des Sieges nicht allein von den deutschen Volksgenossen sondern auch von den fremdvölkischen Arbeitskräften ein Höchstmass an Leistung verlangt werden muss und es unsinnig wäre, fremdvölkische Arbeitskräfte unter hohem Aufwand für die deutsche Wirtschaft heranzuholen und einzusetzen, sie dann aber infolge mangelnder Versorgung in ihrer Leistungsfähigkeit absinken oder vielleicht zugrunde gehen zu lassen. […]

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6] Der Reichsverteidigungskommissar ist „zuständig für alles“ Niederschrift über eine Besprechung bei Gauleiter Florian (Düsseldorf) als Reichsverteidigungskommissar am 14.12.1942 (Auszug) (LAV NRW R, RW 47–10) Vor einiger Zeit, so erklärte der Gauleiter, habe beim Innenministerium auf Grund der neuen gesetzlichen Bestimmungen über die Reichsverteidigungskommissare eine Besprechung stattgefunden, an der außer dem Innenminister und seinen engen Mitarbeitern, der Generalfeldmarschall Keitel33 sowie die Gauleiter teilgenommen haben. Die Sitzung stand unter dem Vorwort: „Einheit, Partei, Staat und Wehrmacht.“ Der Innenminister und auch Generalfeldmarschall Keitel wiesen darauf hin, daß diese Drei-Einheit die metorische34 Kraft des Staates sei. Zuständig für alles sei, so habe die Sitzung ergeben, heute der Reichsverteidigungskommissar. Vor allen anderen Anordnungen hätte die Reichsverteidigung zu gelten, da alle nicht dieser Richtung dienenden Belange z.Zt. ausgeschaltet seien. Dabei sei für die Reichsverteidigungskommissare keine neue Dienststelle notwendig gewesen, da die bestehenden Dienststellen der Partei und des Staates miteinander verkoppelt worden seien. Der Gauleiter Sauckel, der an der Sitzung nicht nur als Gauleiter, sondern als Vertreter der Reichsstelle für Arbeitsbeschaffung teilnahm, will Gauarbeitsämter und Treuhänder einführen. Die genaue Überwachung des Arbeitslebens sei deswegen von besonderer Bedeutung, weil z.Zt. in Deutschland auf je 4 deutsche, 1 ausländischer Arbeiter käme. Die Arbeitsämter müßten aus diesem Grunde ein Instrument der Partei sein, damit die Partei stets über die Vorkommnisse am Arbeitsplatz unterrichtet sei. Es soll angestrebt werden, daß in jedem Gau eine Rüstungskommission gebildet wird. Zur Zeit bestehen für die Gaue Essen, Düsseldorf und Köln eine Rüstungskommission in Essen, deren Verlegung nach Düsseldorf aber angeregt ist und erfolgen soll.

33 Wilhelm Keitel (1882–1946, hingerichtet), 1938–1945 Chef des Oberkommandos der Wehrmacht. Samuel W. Mitcham jr.: Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, in: Gerd R. Ueberschär (Hg.): Hitlers militärische Elite. Bd. 1, Darmstadt 1998, S. 112–120. 34 Unleserlich.



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7] Der Präsident des Gauarbeitsamtes ist kein sog. Fachmann „Leistungssteigerung um der Gemeinschaft willen. Gauleiter Florian führt den neuen Präsidenten des Gauarbeitsamtes Düsseldorf in sein Amt ein“, in: Rheinische Landeszeitung, 5.9.1943 Auf Vorschlag des G a u l e i t e r s F l o r i a n hat der G e n e r a l b e v o l l m ä c h t i g t e für den Arbeitseinsatz, Gauleiter Sauckel, G a u a m t s l e i t e r S t a d t r a t Ebel35 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und des Reichstreuhänders der Arbeit beauftragt. In einer schlichten Feierstunde im Saale der neuen Dienststelle des Gauarbeitsamtes Düsseldorf an der Golzheimer Heide führte am Sonnabendvormittag Gauleiter F l o r i a n den Gauamtsleiter Pg. Horst Ebel als Präsidenten des Gauarbeitsamtes Düsseldorf und Reichstreuhänder der Arbeit für den Gau Düsseldorf in sein Amt ein. […] Mit der Amtseinführung des ersten Gauarbeitsamtspräsidenten, so führte der Gauleiter aus, vollziehe sich ein r e v o l u t i o n ä r e r A k t , der normalerweise bereits bei der Machtübernahme hätte stattfinden müssen. […] Die Aufgabe der neuen nationalsozialistischen Arbeitsämter ist ihrem Inhalt nach eine Arztaufgabe, von der das Volk erwartet, dass sie sich restlos einsetzt für das Allgemeinwohl. Diese neuen sozialen Arbeitsämter sind G e b e f a k t o r e n ; sie haben die Aufgabe, dem Volke etwas zu geben. Deutschland erwartet von ihnen, daß sie die hier angesetzten Arbeitskräfte so eingliedern, daß Höchstleistungen erzielt werden, eine wahrhaft große und edle Aufgabe! […] Der Extrakt dieser Gedanken, so betonte der Gauleiter, habe dazu geführt, die Wahl für den ersten Präsidenten des neuen Gauarbeitsamtes zu treffen. Aus Grundsatz sei davon abgesehen worden, einen sogenannten Fachmann vorzuschlagen; denn heute könne nur einer Fachmann sein: der N a t i o n a l s o z i a l i s t . Alles andere sei sekundärer Art. Daher sei ein Nationalsozialist ernannt worden, von man wisse, daß er nichts anderes ist als parteigebunden, und der die Gefolgschaft zu nationalsozialistischen Kämpfern erziehen will und kann.

35 Horst Ebel, geb. 1905, studierte neun Semester an der Niederrheinischen Verwaltungsakademie, war seit 1935 Stadtrat in Düsseldorf, 1933–1938 Leiter des städtischen Amtes für kulturelle Angelegenheiten, anschließend Dezernent für Werbe- und Schulsachen, den Schlacht- und Viehhof und für die Marktverwaltung. Stephanie Schäfers: Vom Werkbund zum Vierjahresplan. Die Ausstellung „Schaffendes Volk“, Düsseldorf 1937, Düsseldorf 2001, S.  403 (auch: http://schaffendesvolk1937.de/personenverzeichnis/aus stellungsleitung-stadtverwaltung-politiker) (Stand 3.3.23); Stephan Laux: Zwischen Traditionalismus und „Konjunkturwissenschaft“: Der Düsseldorfer Geschichtsverein und die rheinischen Geschichtsvereine im Nationalsozialismus, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 141/142 (2005/2006), S. 107–157, hier S. 137; LAV NRW R, NW 1037-A/Reg.–07313 und NW 1000-EÜ-01776.

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8] Die Gauarbeitsämter im nördlichen Rheinland und in Westfalen Auszug aus einer Liste der Gauarbeitsämter, o. D.36 (BArch RA 41–53; dass. in: Handbuch für die Dienststellen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Bd. 1, Berlin 1944, S. 283–90)

19. GAUARBEITSAMT WESTFALEN-NORD Sitz: Münster i.W., z.Z. Coesfeld, Rosenstr. 3 Präsident: RTrhdA. Hahn. ARBEITSÄMTER: Ahlen, Bielefeld, Bocholt, Detmold, Gelsenkirchen, Herford, Minden, Münster, Paderborn, Recklinghausen, Rheine, Stadthagen. 20. GAUARBEITSAMT WESTFALEN-SÜD Sitz: Dortmund, z.Z. Witten/Ruhr, Breddestr. 8 Präsident: Gauwirtschaftsberater Baller ARBEITSÄMTER: Arnsberg, Bochum, Dortmund, Hagen, Hamm, Herne, Iserlohn, Lüdenscheid, Meschede, Olpe, Schwelm, Siegen, Soest, Witten. 21. GAUARBEITSAMT ESSEN Sitz: Essen, Adolf-Hitler-Str. 35 (Baedekerhaus) Präsident: Gauobmann Johlitz. ARBEITSÄMTER. Duisburg, Essen, Geldern, Kleve, Moers, Mülheim, Oberhausen, Wesel. 22. GAUARBEITSAMT DÜSSELDORF Sitz: DÜSSELDORF-UNTERRATH, An der Golzheimerheide 98 (Heideschule) Präsident: Stadtrat Ebel. ARBEITSÄMTER: Düsseldorf, Gladbach-Rheydt, Kempen, Krefeld, Neuss, Opladen, Remscheid, Solingen, Velbert, Wuppertal. 23. GAUARBEITSAMT KÖLN-AACHEN Sitz: Köln-Lindenthal, Universitätsstr. 22 Präsident: RTrhdA. Binz. ARBEITSÄMTER. Aachen, Bergisch-Gladbach, Bonn, Düren, Erkelenz, Eschweiler, Eupen, Euskirchen, Gummersbach, Horrem, Köln, Siegburg.

36 S. dazu Verzeichnisse der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter vom 1.6.1941 und der Gauarbeitsämter und Arbeitsämter, Stand 1944/45, bei Vergin: Arbeitseinsatzverwaltung, S. 560 f.



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9] „Die Zusammenarbeit mit dem Gauarbeitsamt Düsseldorf hat sich besonders gut gestaltet“ Kriegstagebuch des Rüstungskommandos Düsseldorf vom 1.10. bis 31.12.1943 (Auszug) (BArch-MA RW 21–15) Die Zusammenarbeit mit dem Gauarbeitsamt Düsseldorf hat sich besonders gut gestaltet. Die Schaffung des Gauarbeitsamtes hat dem Rüstungskommando eine wesentliche Erleichterung gebracht infolge der Möglichkeit engster Zusammenarbeit am Ort, insbesondere bei der Abdeckung kurzfristiger Auflagen, der guten allgemeinen Übersicht des Gauarbeitsamtes über die Arbeitseinsatzlage und seiner besseren Unterrichtung über die Betriebe des Bereichs. Besonders beschäftigt hat das Kommando gegen Ende des Monats die Kugellager-Aktion zu Gunsten der Firma G.u.J. Jaeger37, Wuppertal, die wegen der Auswirkungen des Luftangriffs auf Schweinfurt bevorzugt mit Facharbeitern unterstützt werden musste. Es ist gelungen, dieser Firma bisher 30 hochwertige Facharbeiter aus anderen Wuppertaler Betrieben zuzuweisen. 10] „Was sind wir? Was machen wir? Wie machen wir es?“ Dienst-Verfügung des Leiters des Arbeitsamtes Dortmund betr. Ausbildung der neu eingestellten Gefolgschaftsmitglieder, 15.9.1941 (Auszug) (LAV NRW W, N 100–785) Durch Einberufungen zur Wehrmacht und durch Abordnung in die eingegliederten oder im Laufe des Krieges besetzten Gebiete wurden den Arbeitsämtern zahlreiche ausgebildete Arbeitskräfte entzogen, während zu den friedensmäßigen Aufgaben immer neue, insbesondere auch kriegswichtige Aufgaben den Arbeitsämtern übertragen wurden. Die Arbeitsämter waren und sind daher gezwungen, für diese entzogenen Arbeitskräfte und auch darüber hinaus neue Arbeitskräfte einzustellen, die vielfach unzureichend vorgebildet sind. Insbesondere mußten Jugendliche und weibliche Arbeitskräfte eingestellt werden. Die daher unbedingt notwendige und grundlegende Ausbildung erfolgt durch den Dienstunterricht. Selbstverständlich kann und soll diese Ausbildung die Anleitung am Arbeitsplatz nicht ersetzen. Diese wird um so erfolgreicher sein, je planmäßiger der Einsatz der neu eingestellten Kräfte vorgenommen wird. Es muß auch im Kriege erreicht werden, daß ein natürliches Hineinwachsen in die Aufgaben eines Arbeitsamtes mit einer von Anfang an vollen Arbeitsleistung möglich ist. Schon in der Anfangsstel37 Die Metallgießerei und Maschinenfabrik G.&J. Jaeger GmbH in Wuppertal gehörte seit 1933 zur Fa. Kugelfischer in Schweinfurt, die – wie auch andere Schweinfurter Unternehmen – auf die Herstellung von Wälzlagern (Kugellagern) spezialisiert war. Eigene Angaben zur Unternehmensgeschichte sind abrufbar unter: http://www.albert-gieseler.de/dampf_de/firmen0/firmadet6222.shtml.

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lung muß durch sorgfältige Überwachung und Beobachtung der Arbeitsleistung und Arbeitsweise der neuen Kraft die weitere Verwendungsmöglichkeit – etwa für Aufgaben der Menschenführung (Arbeitseinsatz, Berufsberatung), oder mehr für Aufgaben der Verwaltung  – festgestellt werden. (Vergleiche Erlass des Herrn Reichsarbeitsministers vom 23. Mai 1941 – I c 2080/277 -). Neben dieser praktischen Anleitung am Arbeitsplatz der neu eingestellten Arbeitskräfte steht die theoretische Unterweisung, der Dienstunterricht. Aufgabe dieses Dienstunterrichtes ist, eine Einführung in das Aufgabengebiet der Arbeitseinsatzverwaltung zu geben, die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Fachgebieten und die Berührung mit Aufgaben anderer Verwaltungszweige aufzuzeigen. Es soll versucht werden, den neuen Kräften Lust und Liebe an der Arbeit allgemein, insbesondere an den größeren Aufgaben der Arbeitseinsatzverwaltung zu geben, innere Anteilnahme für ihre Arbeit zu erwecken und sie zu verantwortlicher Haltung in der Erfüllung ihrer Dienstpflichten zu erziehen. […] Auf einen kürzeren Nenner gebracht, ergibt sich, daß der vorgesehene Dienstunterricht Antwort geben soll auf die Fragen: 1.) Was sind wir? 2.) Was machen wir? 3.) Wie machen wir es? 11] „Unsere Arbeitsämter müssen Hochburgen des Willens zum Endsieg sein“ Manifest des Generalbeauftragten für den Arbeitseinsatz (im Flugzeug über den besetzten Gebieten verfaßt, den 20.4.1943), in: Handbuch für die Dienststellen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Bd. 1, S. 41–50; dass. in: Mitteilungen des Generalbeauftragten für den Arbeitseinsatz, Nr. 4, 1.5.1943 (BArch R 3901–29) […] Gerechtigkeit, Vernunft, Zucht und Ordnung sowie e i g e n e v o r b i l d l i c h e H a l t u n g sind die Imponderabilien, deren sich die Arbeitseinsatzbehörden und Dienststellen der Reichstreuhänder der Arbeit bei der Durchführung ihrer unendlich schweren und verantwortungsreichen Aufgaben stets bewußt sein müssen. Ich verlange nochmals bedingungslose Erfüllung aller Aufgaben und Pflichten, die den mir zur Verfügung gestellten Dienststellen des Reichsarbeitsministeriums und seiner Außenbehörden obliegen. Ich wiederhole daher auch am Schluß dieses Manifestes: Das entscheidende Moment für das Gelingen unserer Aufgaben liegt in der verständnisvollen und richtigen Behandlung und Betreuung aller deutschen Volksgenossen und Volksgenossinnen, die mit unseren Dienststellen in Berührung kommen. Willkür, unsachliche Barschheit, Grobheit und Unhöflichkeit oder gar verletzende Redensarten sind für Beamte und Angestellte einer deutschen Arbeits- und Sozialbehörde vollkommen unwürdig.



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Darüber hinaus hat sich ganz besonders im Kriege jeder Beamte und Angestellte eines deutschen Arbeitsamtes im Innen- und Außendienst eines einwandfreien und vorbildlichen Verhaltens zu befleißigen. Wir müssen alle deutschen Menschen aller Volksschichten, mit denen wir dienstlich und außerdienstlich in Berührung kommen, mit vollendetem Takt behandeln. Wir müssen allen bei uns Rat und Auskunft heischenden Volksgenossen gütig und freundlich zur Verfügung stehen. Auch unangenehme Besuche sind mit absoluter Korrektheit zu behandeln. Auf diese Weise leistet die Arbeitseinsatzverwaltung dem deutschen Volk und seinem unvergleichlichem Führer Adolf Hitler einen unschätzbar großen Dienst nicht nur durch die Erfüllung der rein fachlichen Aufgaben, sonders besonders auch durch die Stärkung des allgemeinen Vertrauens zur sozialen Gerechtigkeit im Großdeutschen Reich. Dieses allgemeine Vertrauen unseres Volkes aber zu den Dienststellen seiner Arbeitsverwaltung ist auch eine Voraussetzung für den Sieg. Alle unsere Arbeitsämter und Dienststellen müssen Hochburgen der zuversichtlichen Stimmung und des fanatischen Glaubens sowie des Willens zum Endsieg sein und bleiben. 12] Das „Verhalten gegenüber den Volksgenossen“ (LAV NRW W, N 100–706) Rundverfügung Nr. 1297/1944 des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Treuhänder der Arbeit Westfalen-Süd an die Arbeitsämter, 20.10.1944 (Auszug) Schon seit Kriegsbeginn wird von berufenen Stellen immer wieder den Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes zur Pflicht gemacht, sich den Volksgenossen gegenüber eines zuvorkommenden Verhaltens zu befleissigen und ihnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Dazu gehört nicht nur, dass man in höflicher Weise mit ihnen verhandelt und sie in höflicher und sachlicher Form aufklärt, sondern es gehört in erster Linie auch dazu, dass man auf ihre knapp gemessene Zeit Rücksicht nimmt, sie nicht unnötig warten lässt und von einer Stelle zur anderen schickt. Entsprechende Aufrufe sind in neuerer Zeit vom Gauleiter und auch von mir ergangen und in allen Dienststellen zum Aushang gebracht worden. Trotz aller Belehrungen werden aber immer wieder Klagen in der Bevölkerung über eine ungehörige Behandlung bei den Arbeitsämtern laut. Insbesondere wird vorgebracht, dass gerade die jüngeren weiblichen Kräfte in einer überheblichen Art das Publikum abfertigen. Dass eine solche Behandlungen ältere Frauen verärgert und verbittert, ist selbstverständlich. Antwort des Leiters des Arbeitsamtes Dortmund, 30.10.1944 (Auszug) Verschiedene Vorfälle in meinem Amt haben mich einige Erfahrungen sammeln lassen, die ich nachstehend zur Kenntnis geben möchte.

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Ich habe im Einvernehmen mit meinen leitenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen von jeher darauf gesehen, daß nicht zu junge Kräfte zur Abfertigung des Publikums eingesetzt wurden, und diesen jeweils eingeschärft, in höflicher und zuvorkommender Weise dem ratsuchenden Publikum entgegenzutreten. Die häufigen täglichen Fliegeralarme und die letzten Bombenangriffe auf Dortmund haben nun bei dem Publikum eine Einstellung aufkommen lassen, die nicht ohne weiteres unbeanstandet hingenommen werden kann. An sich menschlich und persönliche Wünsche des Publikums, die nach den strengen arbeitseinsatzmässigen Gesichtspunkten der Ablehnung verfallen müssen, geben den Anlass zu unliebsamen Auseinandersetzungen, die wegen der fehlenden Objektivität der Ratsuchenden von diesen sogleich in das Persönliche übertragen werden. Gerade die relativ jüngeren Kräfte zwischen 25 und 30 Jahren sind nach meinem Dafürhalten aber in der Lage, geistig, seelisch und körperlich die Anstrengungen auf sich zu nehmen, die der Publikumsverkehr mit sich bringt, als die älteren Kräfte, deren Nervenverschleiss durch die zeitbedingten Verhältnisse ungleich höher ist als die der relativ jüngeren Kräfte. Besonders die letzten 3 Wochen, die mich wegen der bekannten Umstände dazu gezwungen haben, dauernd zwischen den einzelnen Vermittlungsstellen zu verweilen, haben in mir diese Erkenntnis aufkommen lassen. Das Arbeitsamt ist mit seinen Aufgaben, die auf die Erfüllung der örtlichen bezw. überörtlichen Arbeitseinsatzbedürfnisse ausgerichtet sind, mit dem Wehrmeldeamt der Wehrmacht vergleichbar. Ich glaube, es wird niemand in den Sinn kommen, etwa den sachbearbeitenden Soldaten oder die Zivilangestellte als persönlich beeinflusst und ihm nicht wohlgesinnt anzusehen, wenn er zur Einziehung zur Wehrmacht vorgesehen wird, während der gleichgelagerte Vorgang bei der Arbeitsweise eines Arbeitsamtes, das ja auch seine gebundene Marschroute hat, bei manchem Volksgenossen dies als unumstössliche vorgefasste Meinung auslöst. Ich darf die Bitte vortragen, bei gegebener Gelegenheit die Angestellten und Beamten der Arbeitseinsatzverwaltung bei ihrer mühevollen Arbeit gegen die meist unsachlichen und unbegründeten Angriffe des Publikums grundsätzlich in ihren Schutz zu nehmen, wobei die Untersuchung des einzelnen Beschwerdefalles naturgemäss in keiner Weise ausgeschlossen sein soll. 13] Die Arbeitsverwaltung pocht auf ihr Vermittlungsmonopol Schreiben des Landesarbeitsamtes Westfalen an den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, 16.3.1943 (BArch R 3901–20229) Aus Mitteilungen verschiedener Betriebe meines Bezirks, die in die Lufttorpedofertigung eingeschaltet sind, ist mir bekannt geworden, daß der Sonderausschuß AW 7, Sachbearbeiter Herr Ministerialrat Dr. Schreiber in Fa. Berliner Maschinenbau A.G., vorm. Schwarzkopf, Berlin N 65, Chausseestr. 87, hochqualifizierte Facharbeiter ohne



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Beteiligung der Arbeitseinsatzdienststellen an andere Betriebe vermittelt hat. Bisher sind mir folgende Fälle bekannt geworden: l.) Rondo-Werke, Schwelm 30 franz. Facharbeiter 2.) Miele & Cie., Gütersloh 30 franz. Facharbeiter 3.) Metallwerke Wandhofen 20 franz. Metallfacharbeiter. Nach den übereinstimmenden Schilderungen der beteiligten Arbeitsämter ist dabei folgendermaßen verfahren worden: Die genannten Betriebe sind von dem Sonderausschuß fernmündlich unterrichtet worden, daß die benannten Kräfte im Auffanglager Rehbrück bei Potsdam zur Verfügung ständen und daß sie sofort einen Transportabholer nach dort in Marsch setzen sollten. Hiervon wurden weder das Landesarbeitsamt Westfalen noch die beteiligten Arbeitsämter unterrichtet. Wenn auch der Einsatz dieser Facharbeiter vom Fertigungsstandpunkt aus gesehen begrüßt werden muß, so erscheint mir doch das hier geübte Verfahren nicht am Platze zu sein. Mir ist bis heute nicht bekannt geworden, daß dem Sonderausschuß AW 7 ein Auftrag zur nichtgewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung erteilt worden ist. Ich bin auch weiterhin nicht darüber unterrichtet worden, daß für die Lufttorpedofertigung der Kräftebedarf zentral von der Firma Bamag38 für ihre gesamten Unterlieferanten mit angefordert und die Verteilung der eingehenden Arbeitskräfte dem Sonderausschuß AW 7 übertragen worden ist. Auf die schwerwiegenden Folgen, die durch die Ausschaltung der Arbeitseinsatzdienststellen durch Doppelzuweisungen, durch unrichtigen Einsatz von qualifizierten Facharbeitern und durch das Fehlen von Unterbringungsmöglichkeiten entstehen können, brauche ich hierbei nicht besonders hinzuweisen. 14] Lob und Tadel für die Arbeitsämter Kriegstagebuch des Rüstungskommandos Essen vom 1.1.43–31.3.43 (Auszug) (BArch-MA RW 21–18/10) Die Zusammenarbeit des Rüstungskommandos mit den Arbeitsämtern war nach wie vor vorbildlich. Nichtsdestoweniger konnte seitens des Rüstungskommandos die auf Grund der Anordnung des Reichsministers für Bewaffnung und Munition vom 4.5.43 geforderte Meldung über monatliche Arbeitseinsatzentwicklung nicht durchgeführt werden, da die Arbeitsämter auf Grund einer Anweisung des Landesarbeitsamtes Rheinland die für die Meldung benötigten Unterlagen dem Rüstungskommando nicht zugängig machen durften. 38 Wahrscheinlich ist die Berlin-Anhaltische Maschinenbau-Aktiengesellschaft, seit den 1920er Jahren Pintsch-Bamag AG, in Berlin gemeint; dazu Informationen unter: http://www.albert-gieseler.de/dampf_ de/firmen4/firmadet47612.shtml; https://www.bb-wa.de/leistungen/archivierung/510-berlin-anhaltischemaschinenbau-ag-bamag.html (beide Stand 31.8.22).

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Kriegstagebuch der Rüstungsinspektion VI (wahrscheinlich 4. Quartal) 1943 (Auszug) (BArch-MA RW 20–6, Nr. 12) Festgestellt werden muß ferner, daß die Arbeitseinsatzdienststellen Verfügungen zentraler Stellen stur nach dem Buchstaben behandeln, nicht aber ihrem Sinne unter Beachtung der bezirklichen Notwendigkeiten Rechnung tragen. Auch dieses erschwert den Rüstungsdienststellen die Aufgabendurchführung erheblich. Je größer die Enge auf dem Arbeitseinsatzgebiet wird bei gleichzeitig steigenden bzw. wechselnden Dringlichkeitsprogrammen, desto notwendiger ist die straffe Lenkung des Arbeitseinsatzes durch die Rüstungsdienststellen. Denn diese sind, wie auch im Erlaß des R.M.f.R.u.K. vom 29.10.43 in Abschnitt IV dargelegt, die einzigen Stellen, die den Gesamtüberblick über die Auftragslage in den einzelnen Betrieben haben. Auf die Dauer muß also die in diesem Erlaß festgelegte Trennung der Verantwortung für die Auftragsverteilung durch die Ausschüsse und Ringe einerseits und für die Lenkung des Arbeitseinsatzes durch die Rüstungsdienststellen andererseits zu unüberbrückbaren Gegensätzen führen. 15] Kurierdienst zwischen den Ämtern Interne Verfügung des Arbeitsamtes Münster, 11.10.1944 (LAV NRW W, N 100–1953) Das Gauarbeitsamt hat einen neuen Kurierdienst eingeführt. Das Nähere ergibt sich aus der anliegenden Verfügung vom 3.10.44–1040/ I 260 – .39 Zur Durchführung der Ziffer 5 der Verfügung entsendet der Leiter der Nebenstelle Warendorf täglich einen Kurier einen Kurier nach Rheda, der dort in der Bahnhofswirtschaft von dem Kurier des Arbeitsamtes Herford die Post für das Arbeitsamt Münster und die übrigen westlichen Arbeitsämter sowie die beiden Stellen des Gauarbeitsamtes in Münster und Coesfeld entgegennimmt. Die Post ist dem Angestellten Stahlhat zu übergeben, der sie am folgenden Morgen nach Münster bringt und sie dem Boten Hermsen übergibt. Hermsen liefert die für das Arbeitsamt Münster bestimmt Post sofort im Zimmer 56 ab und bringt die übrige Post zur Dienststelle des Gauarbeitsamtes im Oberpräsidium (Schloßplatz). Die an das GAA.Westf.–Nord gerichtete Post des Arbeitsamtes Münster nimmt der Angestellte Stahlhut abends mit nach Warendorf und übergibt sie der dortigen Nebenstelle, damit sie der Kurier am nächsten Morgen mit nach Rheda bringt. Der Kurier hat die Post dem Kurier des AA.Herford zu übergeben oder, falls dieser nicht anwesend sein sollte, in den Briefkasten am Postamt Rheda einzuwerfen. 39 Laut dieser Verfügung war die Hauptabteilung des Reichstreuhänders Westfalen-Nord zuvor von Münster in das Arbeitsamt Herford und die Hauptabteilung Verwaltung in das Arbeitsamt Detmold umgezogen, während die Hauptabteilung Arbeitseinsatz in Coesfeld verblieb, wohin sie zuvor schon ausgelagert worden war. Deshalb war eine Neuorganisation des Kurierdienstes erforderlich geworden (LAV NRW W, N 100–1953).



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2.3 Der Arbeitseinsatz im Dienst der Kriegswirtschaft 2.3.1 Von der Lenkung zur Mängelverwaltung40 Einführung Da die Militarisierung des Arbeitsmarktes schon in Friedenszeiten weit vorangetrieben worden war, musste bei Kriegsbeginn lediglich die Dienstpflichtverordnung vom Februar 1939 angewendet und die Reglementierung von Arbeitsplatzwechseln auf alle Arbeitnehmer ausgedehnt werden,41 um den Anforderungen der Kriegswirtschaft zunächst gerecht zu werden. „So viel Normalität wie möglich, so viel Krieg wie nötig“42, lautete die Devise, weshalb es anfangs weniger um Mobilisierung, als vielmehr um Umverteilung ging. Ihr dienten auch die verschiedenen Auskämmaktionen, deren Möglichkeiten sich aber bald erschöpften, zumal sie neben der Konsumgüterindustrie vor allem mittelständische Betriebe in Handel und Gewerbe betrafen, die schon vor dem Krieg ausgedünnt worden waren. Hierbei zeigten die regionalen Arbeitsämter manches Verständnis für die Belange der einheimischen Wirtschaft.43 Den im Winter 1942/43 dekretierten Übergang zum „totalen Krieg“ verdichtete Hitler im Februar 1943 in „klare Parolen“, wonach die Wehrmacht Männer brauche und die Rüstungsindustrie Arbeitskräfte. [Dok.  9] Jetzt entstand die „Welle jener Maßnahmen des faschistischen Machtapparats, die, begleitet von starkem propagandistischem 40 S. hierzu v.a. Marie-Luise Recker: Nationalsozialistische Sozialpolitik im Zweiten Weltkrieg, München 1985, bes. S.  58–81, 155–193, mit Betonung der rüstungswirtschaftlichen Aspekte; Kroener: Personelle Ressourcen; ders.: „Menschenbewirtschaftung“; Schmuhl, Arbeitsmarktpolitik, S. 283 ff., 338 ff. 41 „Verordnung über die Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels“, 1.9.1939, RGBl I, S. 1685. 42 Hans-Ulrich Thamer: Verführung und Gewalt. Deutschland 1933–1945, Berlin 1986, S. 711. Die Frage, ob die ersten Kriegsjahre parallel zur militärischen „Blitzkriegs“-Strategie eine „Periode friedensähnlicher Kriegswirtschaft“ (Petzina: Arbeitsmarkt, S. 66) gewesen seien, wird strittig diskutiert. Dazu v.a. Alan S. Milward: Die deutsche Kriegswirtschaft 1939–1945, Stuttgart 1966; Petzina: Mobilisierung; Richard J. Overy: „Blitzkriegswirtschaft“? Finanzpolitik, Lebensstandard und Arbeitseinsatz in Deutschland 1939–1942, in: VfZ 36 (1988), S. 379–435; Tooze: Ökonomie der Zerstörung, S. 497 ff.; Marx: Verwaltung, S.  183  ff.; Bernhard  R. Kroener: Der Kampf um den „Sparstoff “ Mensch. Forschungskontroversen über die Mobilisierung der deutschen Kriegswirtschaft 1939–1943, in: Wolfgang Michalka  (Hg.): Der Zweite Weltkrieg. Grundzüge, Analysen, Forschungsbilanz, München 1989, S.  402–417, hier S.  210, bilanziert: „Die Schwäche der Gegner, die Fähigkeit, kritische Lagen aus einer grundsätzlichen, wenn auch partiellen Identität mit den Zielen des Regimes improvisatorisch zu lösen, nicht aber ein verbindliches Konzept gesamtstaatlicher Mobilisierung prägten das Bild der deutschen Kriegsanstrengungen bis zum Ende des Frankreichfeldzuges.“ 43 S. Dok. 3; auch Kap. 2.3.3, Dok. 1. Hierzu ausführlich Recker: Sozialpolitik, S. 68 ff., die am Beispiel des Landesarbeitsamtes Westfalen zeigt, dass die regionalen Arbeitseinsatzbehörden wenig Energie entwickelten, ihre Lenkungsbefugnisse gegen Widerstände und Verzögerungen durchzusetzen. Vielmehr hätten sie sich mehr als Anwälte der regionalen Wirtschaft denn als Dienstleister für die Rüstungsindustrie verstanden und im Interesse der regionalen Strukturpolitik mittelständische Gewerbe- und Handwerksbetriebe zu schützen versucht.

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Druck, die deutsche Bevölkerung ‚total‘ für den Krieg mobilisieren sollten“.44 Sie betrafen „erstens die Überprüfung aller Uk.–Stellungen, zweitens die Freistellung aller nicht für kriegswichtige Zwecke eingesetzten Arbeitskräfte in Staat und Partei, die Einstellung aller nicht kriegswichtigen Arbeiten und die Stilllegung der damit befassten Dienststellen, drittens die Meldepflicht für alle bisher noch nicht für den Arbeitseinsatz erfassten Männer im Alter zwischen 16 und 65 und Frauen im Alter zwischen 17 und 50 Jahren sowie, viertens die Stilllegung von Betrieben und Unternehmen in Handel, Handwerk und Gewerbe, soweit sie nicht für die Kriegswirtschaft oder die Sicherung des lebensnotwendigen Bedarfs tätig waren“.45 Diese wichtige arbeitseinsatzpolitische Zäsur erfolgte vor allem wegen der unzweckmäßigen Organisation der Verwaltung des „Sparstoffs Mensch“46, und weniger, weil das Arbeitskräftepotential noch nicht genügend ausgeschöpft worden war. Jetzt kam es zur Verschärfung der Maßnahmen und zur Optimierung der Organisation. Die Arbeitsämter waren mit der Verwaltung des Mangels aufs Äußerste beansprucht und bemüht, ihre Aufgaben so lange zu erledigen, bis es nichts mehr zu mobilisieren, zu lenken und umzuverteilen gab.47 1] Weitere Beschränkungen des Arbeitsplatzwechsels Deutschland-Berichte der Sopade, Februar 1940, B 10 Die „Verordnung zur Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels“ vom 1. September 193948 beseitigt auch den letzten Rest von Freizügigkeit, der dem deutschen Arbeiter noch geblieben war. Danach gibt es keinerlei Lösung eines Arbeitsverhältnisses mehr ohne Zustimmung des Arbeitsamtes, und zwar für alle Arbeiter, Angestellten, Hausangestellten und selbst für Lehrlinge. Ein Lehrling, z. B. dessen Lehrvertrag abläuft, bedarf zur Lösung des Arbeitsverhältnisses der besonderen Zustimmung des Arbeitsamtes. Außerdem braucht jeder Unternehmer, der eine Arbeitskraft einstellen will, die Zustimmung des Arbeitsamtes: „Neu gegenüber dem bisherigen Rechtszustand ist vor allem die Erweiterung des persönlichen Geltungsbereichs auf den nicht arbeitsbuchpflichtigen Personenkreis, sowie des sachlichen Geltungsbereichs auf alle Wirtschaftszweige und öffentlichen und privaten Verwaltungen, sowie auf die Haushaltungen. Damit ist eine allgemeine Kündi44 Eichholtz: Kriegswirtschaft, Bd. 2, S. 126. 45 Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 338. 46 Ebd., S. 282. 47 Während die Alliierten fast schon den Rhein erreicht hatten, fand noch am 21. und 23. Februar 1945 eine Lagebesprechung der Arbeitsamtsdirektoren des Ostteils des Gauarbeitsamtsbezirks Westfalen-Nord statt (s. Kap. 2.1, Dok. 10), und im Bezirk Westfalen-Süd war für den 21./22. Februar eine ebensolche Tagung zumindest geplant (LAV NRW W, N 100–1176). 48 „Verordnung über die Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels“, 1.9.1939, RGBl I, S. 1685.



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gungs- und Einstellungsbeschränkung erfolgt.“ („Reichsarbeitsblatt“ vom 25. September 193949). 2] Schwierigkeiten und Erfolge bei der Umschichtung der Arbeitskräfte Bericht der Wehrwirtschafts-Inspektion VI (Münster) vom 11.10.1939 (Auszug) (BArch-MA RW 19–56) Im Arbeitseinsatz ist z.Zt. eine gewisse Beruhigung eingetreten, jedoch besteht nach wie vor unter anderem in der Metallindustrie noch grosser, ungedeckter Bedarf an Fachkräften. Nach einem Bericht des Arbeitsamtes Köln an das Landesarbeitsamt Rheinland hatte sich im dortigen Bezirk das Sicherstellungsverfahren infolge Anerkennung einer sehr grossen Anzahl neuer W-Betriebe völlig festgefahren. Nach Ansicht des Arbeitsamtes würde, wenn allen diesen Sicherstellungsanträgen entsprochen wird, dies die Bindung von rd. 150 000 Arbeitskräften für Betriebe bedeuten, die vielleicht zum grössten Teil gar keine Kriegsaufträge erhalten werden. Hieraus hat sich die Notwendigkeit ergeben, in weitestem Umfange von dem bisherigen Sicherstellungsverfahren abzugehen, weil es zuviel Kräfte bindet. Die Arbeiten für kriegswichtige Fertigung in den Betrieben sind teilweise so unterschiedlich und die Aufträge werden so sprunghaft vergeben und entzogen, dass ein WBetrieb, aus dem heute verfügbare Arbeitskräfte entnommen werden können, morgen selbst Zusatzbedarf haben kann. So wurde beispielsweise für die Fa. Ford A.-G., Köln, als anerkannter W-Betrieb der gesamte Personalbestand sichergestellt. Noch zu Beginn des Monats musste für den Betrieb ein Zusatzbedarf von 782 Kräften sichergestellt werden. Zwei Tage nach der Durchführung dieser Sicherstellung meldete der Betrieb, dass er 150 Arbeitskräfte sofort und weitere 2 700 zum 15.10. entlassen müsse. Nachdem die Verhandlungen über die anderweitige Unterbringung durchgeführt waren, ergab sich, dass von den zur Entpflichtung vorgesehenen Sichergestellten rund 1 500 erneut sichergestellt werden müssten, da der Betrieb inzwischen einen Auftrag erhalten hatte. Durch derartige Vorkommnisse geht der notwendige Überblick über den tatsächlich vorhandenen und den benötigten Kräftebedarf leicht verloren. Bericht der Rüstungsinspektion VI (Münster) vom 27.3.1940 (Auszug) (BArch-MA RW 20–6, Nr. 18) Da die Arbeitsämter im Laufe der Monate immer weniger zur Deckung des angeforderten Bedarfs in der Lage waren (sie mussten im Gegenteil dazu übergehen, nach Mass49 Oberregierungsrat Dr. Letsch, Berlin: Die Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels im Kriege, in: RABl. II 1939, S. 345 ff.

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gabe der Dringlichkeit selbst gebundene Arbeitskräfte in W-Betrieben freizumachen), sah sich die Rü In VI im Februar veranlasst, den Landesarbeitsämtern Rheinland und Westfalen die klare Frage vorzulegen, ob mit der Zuführung des angeforderten Bedarfs durch die Arbeitsämter überhaupt in vollem Umfange gerechnet werden könne. Von den Landesarbeitsämtern gingen nur ausweichende Antworten ein. Sie vermochten bindende Zusicherungen, insbesondere bezüglich der Termine, nicht zu geben. Die von den Landesarbeitsämtern vertretene Forderung, Aufträge nur noch in Gegenden mit leichter zu lösender Arbeiterfrage zu verlegen, konnte von der Rü In nicht anerkannt werden, da, entgegen den friedensmässigen Grundlagen, im Kriege sich die hohen Anforderungen nur im Anschluss bezw. unter Ausnutzung bestehender Betriebe erreichen lassen. Die geschilderte Arbeitseinsatzmangellage wurde noch verstärkt durch die, trotz aller Einwendungen der Rü In, den Landesarbeitsämtern auferlegten Arbeitergestellungen im Rahmen des Reichsausgleichs. So musste das Landesarbeitsamt Westfalen nach einem Bericht vom Februar 1940 immer noch 1267 Facharbeiter aus dem Gebiet herausziehen, obwohl in der Zeit vom 20.12.39 bis 25.1.40 nur 50 % des im eigenen Bereich angeforderten Bedarfs für die Munitionsfertigung vermittelt werden konnte. Es wird daher erneut betont, dass im Interesse der Erfüllung der gestellten Aufgaben weiterer Entzug unterbleiben muss. Bericht des Landesarbeitsamtes Westfalen über den Arbeitseinsatz im Landesarbeitsamtsbezirk Westfalen in der Zeit vom 1. bis zum 31. August 1940 (Auszug) (LAV NRW W, K 001–5058) Überblickt man den Verlauf des Arbeitseinsatzes während des ersten Kriegsjahres, so kann festgestellt werden, daß die Arbeitseinsatzgestaltung den Erfordernissen des Krieges voll Rechnung getragen hat, wesentlich hierzu beigetragen haben die Verordnung über die Dienstpflicht und die Arbeitsplatzwechselbeschränkung50, die es den Arbeitsämtern ermöglichen, auftretende Spannungen frühzeitig zu beheben. Hinzu kommt die in größtem Ausmaße durchgeführte Einschaltung der vorher nicht oder nicht mehr im Erwerbsleben stehenden weiblichen Personen und Pensionäre, die dort angesetzt wurden, wo durch die Einberufungen von Arbeitern und Angestellten Lücken entstanden waren, oder die Umstellung der Wirtschaft auf den Kriegsbedarf den Ansatz zusätzlicher Arbeitskräfte erforderlich gemacht hatte. Geschichte des Einsatzes des Rüstungskommandos Düsseldorf während des Krieges, II. Teil, 1.4.–30.9.1940 (Auszug) (BArch-MA RW 21–16/3) Zu Beginn des zweiten Kriegshalbjahres blieb der weitaus grösste Teil des Bedarfs an Arbeitskräften für die Rüstungsindustrie auch bei weitgehendster Inanspruchnahme der 50 S.o., Dok. 1.



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noch vorhandenen und für die Wehrmachtfertigung geeigneten Kapazitäten ungedeckt. Um diese fehlenden Arbeitskräfte freizumachen, erging im Februar von Generalfeldmarschall Göring die Weisung, alle Betriebe mit kriegsunwichtiger Fertigung rücksichtslos zu schliessen, die dadurch freiwerdenden und geeigneten Kräfte der Wehrmachtfertigung zuzuführen und die nicht ohne weiteres einsetzbaren Arbeiter anzulernen oder umzuschulen. Die Verordnung hierüber wurde am 21. Februar 1940 vom Reichswirtschaftsminister erlassen.51 Die Durchführung wurde den Bezirkswirtschaftsämtern52 übertragen; bei Betrieben mit Wehrmachtfertigung waren ausserdem das Rü.Kdo. und das Landesarbeitsamt eingeschaltet. Bei den 5 Industrie- und Handelskammern des Rüstungsbereichs fanden Sitzungen statt, an denen sich die technischen Gruppen des Rü.Kdos. beteiligten, um aufgrund ihrer Kenntnis von Betrieben und Erzeugnissen auf möglichst weitgehende Stillegung hinzuwirken, aber auch um zu verhindern, dass Betriebe mit wichtiger Wehrmachtsgerätefertigung stillgelegt wurden. Da an diesen Sitzungen ausserdem Vertreter der Industrieabteilung der Wirtschaftskammer, der Fachgruppen, der Arbeitsämter, der DAF, der NSDAP sowie der Kreiswirtschaftsämter teilnahmen, war die Zusammenarbeit aller massgebenden Stellen gesichert. Bei diesen Besprechungen über die einzelnen Firmen lag der grösste Teil von etwa 7000 Fragebögen, die die Industrie- und Handelskammern versandt hatten, vor. Soweit bei diesen Besprechungen nicht alsbald über die Stillegung Beschluss gefasst werden konnte, wurde die Überprüfung der Betriebe angeordnet. Bis Ende März hatte ein zu diesem Zwecke eingesetzter Prüfungsausschuss 146 KL-Betriebe und 4825 Handwerksbetriebe mit 7129 und 7077 Gefolgschaftsmitgliedern geprüft. Diese Aktion konnte aber nicht annähernd im vorgesehenen Umfang durchgeführt werden. Fast sämtliche mittleren und grösseren Betriebe waren – meist mittelbar – mit Wehrmachtaufträgen belegt, insbesondere aber für den Export tätig. Infolgedessen blieb für die Stillegung nur eine Anzahl kleiner Firmen übrig, deren Gefolgschaftsmitglieder sich zu 50 vH als einsatzfähig erwiesen. Deshalb konnte nur ein Bruchteil der insgesamt für die Wehrmachtfertigung erforderlichen Kräfte durch diese Massnahmen freigemacht werden. Infolgedessen sah man sich in den meisten Fällen genötigt, sich auf Stillegung oder Verkleinerung einzelner Abteilungen zu beschränken. Die Aktion fand schliesslich ihr Schwergewicht in einer ständig fortgesetzten Überprüfung der Betriebe zum Zwecke der Auskämmung. Angeforderte Arbeitskräfte wurden den Betrieben nur noch zugeteilt, wenn ein innerbetrieblicher Ausgleich, auch wenn dadurch eine weniger wichtige Fertigung zum Erliegen kam, nicht mehr möglich erschien. Die erwartete grosse Entlastung des Arbeitsmarktes blieb zwar aus, es war aber wiederum eine stärkere Konzentration auf die Wehrmachtfertigung erreicht worden.

51 Dazu Müller: Mobilisierung, S. 446. 52 Die Bezirkswirtschaftsämter waren bei verschiedenen Verwaltungsbehörden zur einheitlichen Ausrichtung und Verwaltung aller wirtschaftlichen Maßnahmen eingerichtet worden. Lilla: Organisation.

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3] Keine regionalen Sonderwünsche Bericht des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen über den Arbeitseinsatz im Landesarbeitsamtsbezirk Westfalen vom 16. bis 30. November 1939 (Auszug) (LAV NRW W, K 001–5098) Die Arbeitsämter berichten übereinstimmend, daß ein weiterer Abzug von Metallfacharbeitern für außerwestfälische Maßnahmen kaum mehr tragbar ist. In fast jedem Fall werden vom Betriebsführer Reklamationen vorgebracht. Die Nachprüfung erfordert viel Zeit und verzögert die Erledigung der Aufträge. Bei der Überprüfung der Betriebe zum Zwecke der Gewinnung von Metallfacharbeitern wurde festgestellt, daß Facharbeiter, die zur Zeit keine Facharbeiten verrichten, bei un- oder angelernter Arbeit infolge des Akkordlohnes bis zu 30% mehr verdienen als bei Facharbeiten, so daß sie bei Dienstverpflichtungen erhebliche Lohneinbußen erleiden, die zu einer berechtigten Unzufriedenheit führen. Schreiben der Rüstungsinspektion VI an das Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt beim Oberkommando der Wehrmacht, 29.5.1940 (Abschrift) (LAV NRW W, K 001–5146) Die Versuche, durch Stillegung oder Auskämmung kriegsunwichtiger Betriebe Arbeitskräfte für Wehrmacht- und Schwerpunktprogramme freizumachen, scheiterten u.a. an der Auftragsvergebung in handelsüblichen Geräten durch Beschaffungsstellen, welche weder die Rüstungsinspektion noch die Bezirksausgleichstellen einschalten. So sind hier als Mob-Anweisungen an zur Stillegung vorgesehene Holzbearbeitungsbetriebe kürzlich 56 Millionen Paar Holzschuhsohlen für die Zivilbevölkerung herausgegeben worden. Die Arbeitsämter wagen daher nicht, diese Betriebe anzutasten und ihnen Arbeiter zu entziehen. Die Standortverwaltungen, die teilweise in Westpreussen liegen, und Bauleitungen der Luftwaffe geben an kriegsunwichtige Betriebe Aufträge auf Spinde, Schemel und andere Einrichtungsgegenstände. Mit solchen Bescheinigungen verhindern diese Firmen jeden geplanten Kräfteabzug beim Arbeitsamt. Durch diese Vorfälle wird die mühsam durchgeführte Auskämmaktion, an der Arbeitsämter und Rü Kdos monatelang beteiligt waren, völlig zwecklos. Die Stillegungsaktion hat insgesamt die in sie gesetzten Erwartungen keinesfalls erfüllt. […] Schreiben der Abteilung V „Arbeitseinsatz“ des Reichsarbeitsministeriums an die Präsidenten der Landesarbeitsämter, 13.7.1940 (Vertraulich!) (BArch, Berlin, R 3901–20281) Der Führer hat kürzlich entschieden, daß bei der Behandlung von Fragen des Arbeitseinsatzes sowie anderer Wirtschaftsfragen Reichsstatthalter, Landesregierungen und Oberpräsidenten „nicht eigenmächtig und einseitig die Interessen ihres Gebiets wahren



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dürfen, sich vielmehr den das allgemeine Interesse berücksichtigenden Anordnungen der Obersten Reichsbehörden zu fügen haben“. Diese Weisung des Führers ist den Reichsstatthaltern, den Landesregierungen, dem Reichskommissar für die Saarpfalz und den preußischen Oberpräsidenten mit Erlaß des Reichsministers des Innern vom 5. Juni 1940 – I 452/40–2155 – mit dem Ersuchen um genaueste Beachtung zur Kenntnis gebracht worden. Ich gebe Ihnen hiervon im Anschluß an meinen Runderlaß vom 27. Mai 1940 – Va 5552/2938/40 g  – Kenntnis. Über Erschwerungen des Arbeitseinsatzes, insbesondere des überbezirklichen Ausgleichs, die dadurch entstehen, daß die vorgenannte Weisung des Führers nicht beachtet wird, ist mir umgehend zu berichten. Für die Leiter der Arbeitsämter ist je ein Abdruck beigefügt. 4] Die „Ungeeignetheit“ dienstverpflichteter Arbeiter (BArch-MA RW 19–2135) Schreiben des Reichsarbeitsministers an das Oberkommando der Wehrmacht, 5.4.1940 Betr.: Physische und moralische Ungeeignetheit von Arbeitskräften, die durch die AÄ vermittelt werden. Vorgang: Ihr Schreiben vom 13. März 1940-Az.66 h 20 Wi Rü Amt/Rü IVd,Nr. 2027/40g. Die von Ihnen angeführten Einzelfälle werden durch den Präsidenten des Landesarbeitsamts Rheinland überprüft werden. Nach den bisherigen Erfahrungen bei ähnlichen Beschwerden können die AÄ. die Eignung der für die Dienstverpflichtung in Aussicht genommenen Kräfte in einzelnen Fällen infolge der Dringlichkeit der Anforderungen und mangels der nötigen Vorbereitungszeit leider nicht so gründlich untersuchen, wie es an sich wünschenswert wäre. Andererseits hat sich aber gezeigt, dass die Aufnahmebetriebe bei Anwendung der Dienstpflichtverordnung vielfach eine Bestauslese anstreben. Dies ist aber mit Rücksicht auf die gegenwärtige Anspannung der Arbeitseinsatzlage nicht möglich. Den Abgabebezirken und ihren Betrieben, die schon in grossem Umfang Kräfte für die Rüstungsindustrie bereitstellen mussten, kann nicht zugemutet werden, stets nur die besten Kräfte zur Verfügung zu stellen. Dies müsste die Gefolgschaftsstruktur der Betriebe in den Abgabebezirken auf die Dauer allzu ungünstig beeinflussen. Den Bedarfsbetrieben muss zugemutet werden – wenn nicht besondere betriebliche Aufgaben vorliegen – Kräfte mit normaler Leistungsstreuung einzustellen und in Einzelfällen  – wie bei ortsansässigen Kräften des Betriebes  – auch auf persönliche Umstände Rücksicht zu nehmen, wenn diese Kräfte im übrigen zu ausreichenden Arbeitsleistungen befähigt sind. Sehr häufig haben die von den Aufnahmebetrieben abgelehnten Kräfte bis zuletzt in ihrem alten Betrieb zufriedenstellend gearbeitet. Zu den Einzelfällen nehme ich Stellung, sobald der Bericht des Landesarbeitsamts Rheinland vorliegt.

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Bericht des Präsidenten des Landesarbeitsamts Rheinland, 8. Mai 1940 Nach den Berichten der Arbeitsämter sind die im Verzeichnis der Rüstungsinspektion des Wehrkreises II namentlich aufgeführten Dienstverpflichteten in ihrem Beruf voll einsatzfähig und nach dem Prüfungsergebnis der Geheimen Staatspolizeistellen für Rüstungsbetriebe geeignet. Die inzwischen aus dem Rüstungsbetrieb in der Seestadt Wismar zurückgekehrten Arbeitskräfte sind wieder in rheinische Metallbetriebe als vollwertige Facharbeiter eingesetzt oder zum Wehrdienst einberufen worden. […] 5] Diskussionen um die Umverteilung der Arbeitskräfte im Kreis Herford (LAV NRW W, K 001–5148) Schreiben des NSDAP-Kreisleiters in Herford an die Kanzlei des Gauleiters, Reichsstatthalters und Oberpräsidenten in Westfalen, 22.8.1940 Solange die Herstellung der verschiedenen Rüstungsgegenstände, als da sind Munition, Waffen usw., vordringlich war, haben wir alle mitgeholfen, dass aus den Industriezweigen, die wenig oder garnicht mit Rüstungsaufträgen bedacht waren, die Arbeitskräfte weitgehend entzogen wurden, um sie an anderen Stellen, wo sie dringlicher gebraucht wurden, einzusetzen. Die Anforderungen des Landesarbeitsamtes waren ausserordentlich grosse und weitgehende, hervorgerufen durch den Mangel an Arbeitskräften in gewissen Gebieten unseres Gaues, in denen die wichtigsten Industrien massiert sind. Das hiesige Arbeitsamt ist mit grossem Eifer seiner Aufgabe, die Anforderungen des Landesarbeitsamtes zu erfüllen, nachgekommen. Ich habe mich persönlich immer dafür ausgesprochen und mit eingesetzt, dass das Arbeitsamt die vielen Kräfte frei bekam, die es laut Anforderung des Landesarbeitsamtes benötigte. Es ist bei verschiedenen Unternehmungen damit der Punkt erreicht worden, von dem man sagen kann, es geht nicht mehr weiter, wenn nicht die Lebensfähigkeit des Unternehmens ernstlich gefährdet werden soll. Nachdem vor etwa 3 bis 4 Wochen eine gewisse Erleichterung insofern eintrat, als der Führer die Herstellung von Munition drosseln liess und nur noch ein gewisser Teil der Rüstung vordringlich blieb, habe ich mit dem Leiter des hiesigen Arbeitsamtes eine sehr eingehende Rücksprache gehabt, bei der der Kreisobmann der DAF. und der Kreiswirtschaftsberater zugegen waren und ihn dringlich ersucht, mit dem Entzug von Arbeitskräften nunmehr aufzuhören, da m.E. einerseits in unserem Kreise fast auf der ganzen Linie bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft waren, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass die Unternehmungen doch wenigstens noch lebensfähig bleiben sollen, andererseits die Notwendigkeit des Einsatzes von Kräften an anderen Stellen nicht mehr oder wenigstens nicht mehr wie in dem bisherigen Umfange gegeben ist. Leider habe ich in den letzten Tagen feststellen müssen, dass trotz dieser eingehenden Rücksprache, bei der der Leiter



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des Arbeitsamtes selbst zugab, dass ein weiterer Entzug von Arbeitskräften nicht tunlich sei, die Entziehung von Arbeitskräften seinen Fortgang nimmt. Es ist wirklich an der Zeit, dass der Gau auf das Landesarbeitsamt dahingehend einwirkt, dass auf die lebensnotwendigen Belange nunmehr Rücksicht genommen wird, weil ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die Anforderung von Arbeitskräften bei Rüstungsbetrieben in übertriebenem Masse erfolgt. Vielleicht geschieht das in der Annahme, man müsse 100% fordern, um wenigstens 50% zu kriegen, vielleicht auch deswegen, weil der veränderten und erleichterten Situation noch nicht Rechnung getragen wird. Schreiben des Gauobmanns der Gauwaltung Westfalen-Nord der Deutschen Arbeitsfront an den Reichsverteidigungskommissar, Gauleiter und Oberpräsidenten Dr. Alfred Meyer, 11.9.1940 Sehr geehrter Gauleiter! Den mir übermittelten Bericht habe ich inhaltlich zur Kenntnis genommen und gebe ich Ihnen hierzu im nachstehenden meine Stellungnahme: Beim Entzug von Arbeitskräften wurde, entsprechend ihrer Bedeutung für die Wehrwirtschaft, unter anderem die Möbelindustrie des Kreises Herford stark mitgenommen. Dieser Kräfteentzug wurde von mir seinerzeit insoweit gutgeheißen, als der Rüstungsindustrie unbedingt Arbeiter zugeführt werden mußten und zum anderen die sozialpolitisch und betriebsorganisatorisch guten Betriebe, soweit es im Bereich des Möglichen lag, verschont blieben. Die starke Auskämmung der Betriebe speziell im Kreise Herford gab bereits vor einiger Zeit Veranlassung zu einer Unterredung zwischen dem Leiter des Arbeitsamtes Herford, Pg. Dr. Flotho, und meinem Hauptabteilungsleiter Pg. Klümper. Trotz gegebener Zusagen sind weitere Betriebe der Auskämmung verfallen und ist die Rentabilität der Großzahl der Herforder Möbelfirmen heute praktisch in Frage gestellt.  – Ich vertrete daher den gleichen Standpunkt wie der Pg. Nolting, daß ein weiterer Entzug von Arbeitskräften, zumal in der Rüstungsindustrie eine gewisse Entlastung eingetreten ist, einmal nicht mehr unbedingt notwendig und darüber hinaus auch nicht mehr tragbar ist. Es ist mir bekannt, dass gerade unsere Möbelindustrie in Westfalen bei der Abgabe von Arbeitskräften stärkstens betroffen wurde, während andererseits z. B. Süddeutschland so gut wie verschont geblieben ist. Schreiben des Gauwirtschaftsberaters der NSDAP-Gauleitung Westfalen-Nord an den Reichsverteidigungskommissar, Gauleiter und Oberpräsidenten Dr. Meyer, 26.10.1940 Auf Ihr Schreiben vom 2.9.40 in obiger Angelegenheit überreiche ich Ihnen in Abschrift eine Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Westfalen. Wie die Dinge nun mal liegen, sind die Ausführungen des Landesarbeitsamtes durchaus zutreffend. Solange die Wehrmachtsfertigung bezw. die Rüstung erhöhte Anforderungen an den Arbeitseinsatz stellt, ist es nicht zu vermeiden, dass der zivilen Fertigung Arbeitskräfte entzogen werden. Die

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von den Inhabern der betroffenen Betriebe vorgebrachten Beschwerden sind zwar erklärlich, jedoch ist es nicht ohne weiteres möglich, ihnen stattzugeben. Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an den Reichsverteidigungskommissar, Gauleiter und Oberpräsidenten Dr. Meayer, 19.9.1940 Den Ausführungen des Kreisleiters Nolting vom 22.8.1940 scheint im wesentlichen die leider vielfach verbreitete Ansicht zu Grunde zu liegen, als ob durch die Beendigung des Krieges in Frankreich eine Entspannung der Arbeitseinsatzlage eingetreten sei und als durch die zeitweilige Drosselung der Munitionsfertigung, die inzwischen z.T. schon wieder aufgehoben ist, Arbeitskräfte in nennenswertem Umfang frei geworden seien. Diese Annahme ist nicht richtig. Durch Führerbefehl ist im Juli und August d.J. eine Umsteuerung der Rüstung angeordnet worden, die für Westfalen im ganzen gesehen nicht zu einer Erleichterung der Einsatzlage, im Gegenteil zu einer Verschärfung geführt hat. Die Bedeutung und Leistungsfähigkeit der westfälischen Industrie haben dazu geführt, daß in starkem Maße Fertigungen der neuen Schwerpunktprogramme nach Westfalen gelegt sind. Hierdurch ist aber ein erneuter starker Bedarf vor allem an Facharbeitern ausgelöst, der die Einsatzverwaltung vor äußerst schwierige Aufgaben stellt. Hinzu kommt, daß nach den Angaben einzelner Rüstungskommandos ein großer Teil der zunächst abgestoppten Munitionsaufträge nunmehr doch erledigt werden muß. Ich bitte daher, auch die politischen Stellen immer wieder darauf hinzuweisen, daß die, wie ich zugeben muß, vielfach harten Maßnahmen der Arbeitsämter von der Notwendigkeit diktiert sind, die benötigten Kräfte für das Schwerpunktprogramm (Sonderstufe !) unter allen Umständen zu stellen. Es handelt sich hierbei um Aufträge von kriegsentscheidender Bedeutung, denen gegenüber alle an sich sehr berechtigten Bedenken zurücktreten müssen. Die Rüstungswirtschaft hat daher auch heute den unbedingten Vorrang gegenüber der zivilen Fertigung. 6] Die erneute Auskämmung der Verbrauchsgüterindustrie (BArch R 3901–20252) Schreiben des Unterstaatssekretärs im Reichswirtschaftsministerium von Hanneken an Staatssekretär Syrup, 2.12.1940 Die hohen Anforderungen an Arbeitskräften für die Herstellung des unmittelbaren Wehrmachtsbedarfes wie auch des mittelbaren Kriegsbedarfes machen es erforderlich, den Dienststellen der Arbeitseinsatzverwaltungen die Erzeugnisse der Verbrauchsgüterindustrie zu benennen, auf die die Bevölkerung ohne schwerere Schädigungen zeitweise verzichten kann.



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Die hierdurch eingeleiteten Produktionseinschränkungen werden über die zur Rohstoffersparnis bereits angeordneten Maßnahmen erheblich hinausgehen. Ich habe daher nach sorgfältiger Prüfung und in Zusammenarbeit mit den beteiligten Stellen eine Liste dieser entbehrlichen Erzeugnisse aufgestellt (E-Liste = Liste der entbehrlichen Erzeugnisse). In dieser Liste, die in 1000 Exemplaren für die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter beigefügt ist, sind die entbehrlichen Waren, nach Wirtschaftsgruppen und Fachgruppen geordnet, in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Sie ist nach dem Stand vom 15. November erstellt und gilt vorläufig bis zum 15. April 1941. Ich behalte mir vor, die Liste laufend zu ergänzen bezw. mit Deckblättern zu versehen und bitte daher, auf eine seitenrichtige Vervielfältigung zu achten. Ich lege besonderen Wert darauf, daß diese Liste oder einzelne entbehrliche Erzeugnisse den Betrieben vorerst keinesfalls bekanntgegeben werden, damit eine vollständige und den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Erfassung der entbehrlichen Fertigung und der hierfür eingesetzten Arbeitskräfte bei den Betriebsbesichtigungen durch die Arbeitseinsatzdienststellen gewährleistet ist. Mit Rücksicht auf die Besonderheiten der einzelnen Industriezweige sind der Liste Erläuterungen zu den Erzeugnissen der einzelnen Wirtschaftsgruppen beigefügt. Ich bitte, die anliegenden Abdrucke an Ihre Arbeitseinsatzdienststellen mit der Anweisung weiterzuleiten, aus Betrieben mit hiernach entbehrlicher Fertigung alle einsatzfähigen Kräfte abzuziehen. Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an das Reichsarbeitsministerium, 5.2.1941 Nach den hier vorliegenden Meldungen der Arbeitsämter meines Bezirks konnten im Laufe des Monats Januar 1941 Kräfte aus den im übersandten Verzeichnis aufgeführten Fertigungen nicht gewonnen werden. Nach den bisherigen Erfahrungen ist kaum damit zu rechnen, daß hieraus noch Arbeitskräfte in nennenswertem Umfange abgezogen werden können. Diese Betriebe sind vielmehr in der Hauptsache bereits seit Beginn des Krieges mehrfach auf den Abzug von Kräften überprüft und entsprechend ausgekämmt worden. Soweit derartige entbehrliche Erzeugnisse überhaupt noch hergestellt werden, geschieht dies im Zuge der nicht zu drosselnden Exportfertigung. Die Arbeitsämter haben sich dieserhalb auch nochmals mit den zuständigen Industrie- und Handelskammern in Verbindung gesetzt, die fast durchweg die Möglichkeit, die jetzt noch bestehende Fertigung zu drosseln, mit Rücksicht auf die Einschaltung derartiger Betriebe in den Export verneinen. Desgl. 16.4.1941 Die zu Beginn der Berichtszeit noch ausstehenden Betriebsüberprüfungen von Betrieben, die noch entbehrliche Erzeugnisse der Verbrauchsgüterindustrie nach der mit obi-

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gem Bezugserlass übersandten Liste herstellen, sind im Laufe des Monats März restlos durchgeführt worden. Hierbei konnten noch 55 männliche und 7 weibliche Arbeitskräfte freigestellt und Aufgaben der Sonderstufe SS53 zugeführt werden. Mit Rücksicht darauf, dass weitere Ergebnisse nicht mehr zu erwarten sind, bitte ich, mich von der laufenden Berichterstattung nunmehr zu entbinden. 7] Der Arbeitskräftemangel „lässt sich durch Befehle allein nicht aus der Welt schaffen“ Kriegstagebuch der Rüstungsinspektion VI (Münster) für die Zeit vom 1.6. bis 30.9.1942 (Auszug) (BArch-MA RW 20–6/6) Die klare, oft schon betonte Tatsache, dass Arbeiter-Reserven nicht mehr da sind, vielmehr Leute überall, besonders aber Facharbeiter fehlen, lässt sich durch Befehle und Anordnungen allein nicht aus der Welt schaffen. Wenn es, wie in Anordnungen üblich, heisst, die Betriebe sollen zur Deckung von Lücken oder Mehrforderungen den Bedarf bei ihren zuständigen Arbeitsämtern zur Erledigung anfordern, so bleiben dies Worte, weil Taten, die restlos befriedigen können, aus Mangel nicht folgen können.54 8] Die Organisation der Arbeitskräfteverteilung im Wehrkreis VI Schreiben des Rüstungsinspekteurs VI und der Präsidenten der Landesarbeitsämter Niedersachsen, Rheinland und Westfalen an die Rüstungskommandos und Arbeitsämter im Wehrkreis VI, 24.6.1942 (BArch-MA RW 20–6, Nr. 6) In einer Besprechung zwischen Reichsminister Speer55, General Thomas56 und Gauleiter Sauckel wurde festgestellt, dass den vielen Einzelwünschen und Einzelforderungen 53 „Sonderstufe SS“ war eine Dringlichkeitsstufe für die Ausführung von Wehrmachtsaufträgen. 54 Z.B. konnten im Gauarbeitsamtsbezirk Westfalen-Süd im Lauf des Juli 1943 6.542 Arbeitskräfte in die Rüstungsindustrie vermittelt werden, doch am Ende des Monats bestand noch ein Bedarf von 19.870. Für September 1943 lauteten die Zahlen 14.302 und 21.688. Bericht des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Treuhänder der Arbeit Westfalen-Süd über den Arbeitseinsatz im Gauarbeitsamtsbezirk Westfalen-Süd für den Monat September 1943, LAV NRW W, K 001–5140. 55 Albert Speer war u.a. Reichsminister für Bewaffnung und Munition (1942–1945). Vgl. Ludolf Herbst: Speer, Berthold Konrad Hermann Albert, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 24, 2010, S. 644–646 (= https://www. deutsche-biographie.de/gnd118615998), Stand 3.3.23. 56 General Georg Thomas war von 1939 bis November 1942 Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes im Oberkommando der Wehrmacht. Vgl. Roland Peter: General der Infanterie Georg Thomas, in:



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der Industrie auf Arbeiterzuweisung und Vorlage dieser Forderung an den verschiedensten Stellen nicht mehr stattgegeben werden kann. Gleichzeitig wurden bestimmte Weisungen für die Abstimmung von Bedarf und Deckung gegeben. Demzufolge haben der Rüstungsinspekteur bezw. die Rüstungskommandeure den Bedarf an Arbeitskräften und die Dringlichkeit seiner Deckung bei den Rüstungsbetrieben festzustellen und den Arbeitseinsatzdienststellen anzugeben, in welcher Höhe und an welchen Stellen nach ihrer Auffassung zuerst Arbeitskräfte einzusetzen sind. Die Arbeitseinsatzdienststellen werden für schnellste Befriedigung dieses angeforderten Sofortbedarfes besorgt sein. Rü In VI und die LAÄ. verfügen in gegenseitiger Übereinstimmung folgendes Verfahren: Alle Anforderungen von Arbeitskräften sind von den Betrieben in zweifacher Ausfertigung zu stellen: 1.) bei dem zuständigen Arbeitsamt, das die Prüfung nach arbeitseinsatzmässigen Grundsätzen vornimmt und die überprüften Bedarfszahlen dem LAA. zuleitet, soweit der Bedarf nicht aus dem eigenen Bezirk gedeckt werden kann, 2.) bei dem zuständigen Rü Kdo, das diese nach Auftragslage und Dringlichkeit der Programme überprüft. Soweit keine örtliche Prüfung unter Beteiligung des Rü Kdos erfolgt und das Arbeitsamt bei grösseren Anforderungen oder in zweifelhaften Fällen die Ausfüllung des für alle Arbeitsämter einheitlichen Zusatzfragebogens für notwendig hält, werden 2 Stücke den Betrieben zwecks Ausfüllung übersandt, die beide nach Ausfüllung vom Betrieb dem Rü Kdo einzureichen sind. Das eine Stück behält das Rü Kdo, während das zweite Stück mit der Stellungnahme des Rü Kdos dem AA. zurückgereicht wird. Soweit Zusatzfragebogen nicht für nötig gehalten werden, sind Bedarf und Deckung zwischen Rü Kdo und AA. im regelmässigen Gedankenaustausch jede Woche abzustimmen. Das Rü Kdo stellt auf Grund der ihm vorliegenden Personalanforderungen für jedes AA. eine Liste der Firmen, und zwar nach der Dringlichkeit geordnet, auf. Änderungen der Dringlichkeit gibt das Rü Kdo jede 2. Woche durch Eintragen einer neuen Zahlenfolge in der nächsten Längsspalte der Liste dem AA. auf (vergl. beiliegendes Muster). Dieses ist als Rangfolge nunmehr für die Zuweisung der Arbeitskräfte an die einzelnen Betriebe unter Berücksichtigung einsatzmässiger Gesichtspunkte richtunggebend. In dieses Verfahren der Kräftebedarfsdeckung sind einzubeziehen nur die von den Rüstungsdienststellen betreuten Betriebe mit der Gesamtheit ihrer Fertigung sowie die Firmen des Mineralölprogramms. Die Rü Kdos melden zum 25. j.Mts. der Rü In die Betriebe, die besonders dringlich sind oder deren Bedarf überhaupt nicht oder nur zu einem unwesentlichen Teil gedeckt werden konnte. Auf Grund dieser Unterlagen übersendet die Rü In monatlich den LAÄ. eine in der Reihenfolge der Dringlichkeit geordnete Liste. Zur Befriedigung dieses Kräftebedarfs werden die LAÄ. die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Gerd Ueberschär (Hg.): Hitlers militärische Elite. Von den Anfängen des Regimes bis Kriegsbeginn, Bd. 1, Darmstadt 1998, S. 248-257.

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Die Rü Kdos und LAÄ. werden Zweifel und sonstige auftretende Schwierigkeiten durch laufende, wenn nötig täglich stattfindende persönliche oder fernmündliche Besprechungen klären. Diese Besprechungen sollen insbesondere dazu dienen, dass die AÄ. den Rü Kdos über die Einsatzlage in den einzelnen Bezirken und Sektoren Auskunft geben, damit diese für ihre Maßnahmen ein zuverlässiges Bild über die Bedarfsdeckung allgemein und im Rüstungssektor gewinnen können. In diesem Sinne sind die Rü Kdos insbesondere auch über die bisherigen Zuweisungen zu den Rüstungsbetrieben und den Betrieben des Mineralölprogramms, sowie über dringliche Aufträge ausserhalb dieser Programme zu unterrichten. Die Rü Kdos werden ihrerseits in diesen Besprechungen den AÄ. die Betriebe benennen, aus denen von nachrangigen Fertigungen Kräfte für die dringlicheren abgezogen werden können. Eine entsprechende Fühlung wird in der Mittelinstanz zwischen der Rü In und den LAÄ. erfolgen. Erhalten die LAÄ. von ihrer vorgesetzten Stelle Auflagen zur bevorzugten Zuweisung von Kräften (z. B. für die Landwirtschaft, Reichsbahn und dergl.) die die Zuweisung von Kräften zum Rüstungssektor und zum Mineralölprogramm wesentlich beeinflussen, so teilen sie dies umgehend der Rü In mit. […] 9] „Die Wehrmacht braucht Männer, die Rüstungsindustrie braucht Arbeitskräfte“ Niederschrift über die 1. Sitzung des Verteidigungsausschusses und Kriegswirtschaftsstabes für den Gau Essen, 10.2.1943, vertraulich (Auszug) (LAV NRW R, RW 37–10) Sodann erteilte der stellv. Gauleiter dem Vizepräsidenten des Landesarbeitsamtes in Köln, Dr. Wahrburg, das Wort. Dieser ging von dem Wortlaut des Führererlasses57 aus. Der Führer hat klare Parolen gegeben. Die Wehrmacht braucht Männer, die Rüstungsindustrie braucht Arbeitskräfte. Den Bedarf müssen wir durch Umgruppierungen decken. Vier besondere Aufgaben enthält der Führererlaß: 1. schärfste Überprüfung der Uk.–Stellungen, 2. Stillegung oder Zusammenlegung von Dienststellen. 3. die Meldepflicht für Männer vom 16. – 65. und für Frauen vom 17. – 45. Lebensjahr, 4. die Freimachung von Arbeitskräften aus Handel, Handwerk und Gewerbe durch Stillegung oder Zusammenlegung von Betrieben. Die Maßnahmen sollen in engster Zusammenarbeit mit den Organisationen von Handel, Handwerk und Gaststättengewerbe durchgeführt werden. Es 57 Gemeint ist der geheime „Erlaß des Führers über den umfassenden Einsatz von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung“ vom 13.1.1943, der angesichts der sich abzeichnenden Katastrophe von Stalingrad das Ziel hatte, alle wehrfähigen Männer für den Fronteinsatz freizumachen. An den „Führererlass“ anschließend erließ Sauckel die „Verordnung über die Meldung von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung“ vom 27.1.1943 (RGBl. I, S. 67 f.) und die „Verordnung zur Freimachung von Arbeitskräften für kriegswichtigen Einsatz“ vom 29.1.1943 (RGBl. I, S. 75 f.). Dazu ausführlich Kroener: „Menschenbewirtschaftung“, S. 849; s. a. Eichholtz: Kriegswirtschaft, Bd. 2, S. 125 f., 227 f.; Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 338.



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handelt sich um einen Plan, der in erster Linie den Bedarf an Menschen berücksichtigt. Es darf nicht dazu kommen, daß etwa freigewordene Kräfte Arbeitslosenunterstützung beziehen. Es sollen aber nicht nur Menschen, es sollen auch Kohlen, Energie, Räume und Maschinen gespart werden. Nebenbei soll auch dem sogenannten u.U58 -Geschäft begegnet werden. Der Arbeitseinsatz ist aber das Hauptmotiv. Rücksicht soll auf fliegergeschädigte und kleine und kleinste Existenzen genommen werden, deren Zerstörung keinen Gewinn für den Arbeitseinsatz bedeuten würde. In der Industrie ist bisher der Erfolg der Rationierung bescheiden. Zur Überprüfung der Herstellungsvorgänge und zu einer Überprüfung von der Auftragsseite her hat der Wehrkreis VI wichtige Vorschläge unterbreitet. Durch die Sperrung der Reisetätigkeit wird gleichfalls manche Störung wegfallen. Die Meldepflicht endigt am 31.3.43, die übrigen Maßnahmen sollen am 15.3.43 durchgeführt sein. Die Überschneidung der Stillegungsmaßnahmen mit dem Aufruf durch die Arbeitsämter soll dadurch vermieden werden. Propagandistisch waren die Maßnahmen gut vorbereitet. Das Volk ist einverstanden. Die Verordnung über die Meldepflicht ist milde. Der Andrang zu den Arbeitsämtern ist stark. Freiwillige werden in großem Umfange vermittelt. Reichsbahn und Reichspost werden die Zustimmungen zu Einstellungen nicht versagt. Dıe Volksgenossen, die sich freiwıllig zur Arbeit melden, gehorchen ihrem Pflichtgefühl. Der Gedanke, daß Wünsche geäußert werden können und daß hierbei zuerst mahlt, wer zuerst kommt, spielt mitunter wohl auch mit. Das Volk hat auf die Propaganda reagiert. Es ist zu wünschen, daß Ehefrauen und Töchter führender Männer mit gutem Beispiel vorangehen. Wichtig ist, daß die Bestimmungen nicht umgangen werden. Bequeme Halbtagsbeschäftigungen im Büro des Vaters oder Onkels dürfen nıcht genehmigt werden. Der Andrang zum DRK ist aufgefallen, das DRK mußte Sperre einlegen. 10] Vereinheitlichung der verschiedenen Sonderaktionen Einleitung für das Kriegstagebuch des Rüstungskommandos Bielefeld für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.6.1943 (Auszug) (BArch-MA RW 21–7, Nr. 13) Durch die ständig weiter laufenden Einberufungen zur Wehrmacht und zum RAD wurde der Einsatz von deutschen Facharbeitern noch mehr eingeengt. Der nur zahlenmäßig gestellte Ersatz durch Kriegsgefangene, zivile Ausländer oder Meldepflichtige (Fraueneinsatz) brachte keine Entspannung. Günstig wirkte sich aus, daß für die SE IIAktion59 die Einberufungsraten der einzelnen Monate jetzt schon festgelegt wurden und die erste Rate (Juni) noch gering war (nur 1/8 der Gesamtquote). Hierdurch wird auch

58 Unleserlich. 59 SE = Sondereinziehungsaktion für die Wehrmacht.

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für die Betriebe eine klare Planung und die Anforderung und Anlernung der Ersatzkräfte ermöglicht. Durch die verschiedenen Arten der Kräfteanforderungen, wie 1. Rotzettel-, 2. ListenVerfahren, 3. Kräftebedarf für Rü (April) 43 (rotumrandete Zettel des RM f.B.u.M.)60, 4. Dringlichkeitsliste der Rüstungskommandos bzw. Rüstungsinspektion an die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter, 5. Sonderaktionen (z. B. Bombenmassenabwurf) war keine einheitliche Linie mehr bei den Zuweisungen der Kräfte zu beobachten. Eine einfachere Form und Zusammenfassung der verschiedenen Methoden war wünschenswert und versprach auch mehr Erfolg bei der Zuteilung der vorhandenen einsetzbaren Arbeitskräfte. Es wird deshalb begrüßt, daß durch Verfügung des RM f.B.u.M. vom 11.6. diese Vereinheitlichung der Anforderungen in Vereinbarung mit dem GBA angeordnet und jetzt nur noch das Rotzettelverfahren anzuwenden ist. 11] Der Arbeitskräftebedarf der Lippstädter Eisen- und Metallwerke61 (BArch R 3901–20234) Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, 13.4.1943 Das Arbeitsamt Soest berichtet mir, daß die Lippstädter Eisen- und Metallwerke G.m.b.H. in Lippstadt durch das Reichsluftfahrtministerium die Auflage erhalten haben, die Produktion von Stahl-Traggurten für Flugzeuge neu aufzunehmen. Diese Stahl-Traggurte sollen nach Ausführungen von Herrn Direktor Lutter der Lippstädter Eisen- und Metallwerke G.m.b.H. als Ersatz für solche, die bisher in Duraluminium hergestellt wurden, gefertigt werden. Für diese Fertigung, die in Deutschland neu anläuft, ist eine neue Halle von 12 000 qm vorgesehen, in der ursprünglich 2 cm-Zünder hergestellt werden sollen. Als Ersatz hierfür ist ein seit dem Weltkrieg stilliegendes Lokomotivwerk vorgesehen, das mit erheblichen Kosten zunächst instand gesetzt werden muß. Dieses Bauvorhaben ist inzwischen in die Wehrkreisrangfolgeliste aufgenommen worden. Für diese neue Fertigung ist insgesamt ein Kräftebedarf von 1 595 Arbeitskräften geltend gemacht worden, und zwar zu folgenden Terminen:

60 Mit der Aktion Rü-43, die auch als Rotzettel-Verfahren bezeichnet wurde, sollte ein Kräfteausgleich zwischen Militär und Industrie erreicht werden: Im Tausch gegen Einberufene sollte die Wehrmacht entbehrliche Kräfte – wie Verletzte oder sehr junge Männer an die Industrie abgeben. Kroener: „Menschenbewirtschaftung“, S. 825. 61 Die Lippstädter Eisen- und Metallwerke gehörten zum Dortmund-Hörder Hüttenverein. Im November 1944 wurde auf dem Firmengelände ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald eingerichtet, das mit ungarischen Jüdinnen belegt wurde; https://www.herbert-naumann.de/lippstadt-i.html; https:// lisa.gerda-henkel-stiftung.de/lippstadt_hospitalstrasse_46?nav_id=9023 (beide Stand 31.8.22).



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Zum 30. 4.1943 462 Arbeitskräfte ” 30. 6.1943 190 ” ” 30.10.1943 480 ” ” 31.12.1943 210 ” ” 28. 2.1944 248 ” Abgesehen von 100 deutschen Fach- und angelernten Kräften, die überwiegend als Vorarbeiter bezw. als Kolonnenführer eingesetzt werden, kann sich der Rest von 1 495 Arbeitskräften aus ungelernten weiblichen (auch ausländischen Arbeitskräften) zusammensetzen. Die Gestellung dieser Kräfte wird große Schwierigkeiten verursachen. Angeblich hat aber das Reichsluftfahrtministerium zugesagt, diese Kräfte aus einem besonderen Kontingent zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen dieses Kontingents sollen nach den Ausführungen von Herrn Lulei vom Reichsluftfahrtministerium, Fernruf. Nr.  12 00 46 (Hausapparat 3074), Vertreter Herr Künholt (Hausapparat 2946), 500 deutsche Frauen aus Konzentrationslägern zugesagt sein. Der Kräftebedarf wird in Kürze von mir einer eingehenden Prüfung unterzogen. Nach den Ausführungen von Herrn Direktor Lutter in einer am 8. März 1943 stattgefundenen Vorbesprechung ist aber zu erkennen, daß der größte Teil der angegebenen Arbeitskräfte zur Durchführung der neuen Produktion gestellt werden muß. Ich bitte daher schon vorab zu klären, ob das Reichsluftfahrtministerium überhaupt in der Lage ist, aus besonderen ihm zur Verfügung stehenden Kontingenten Arbeitskräfte irgendwelcher Art hierfür zur Verfügung zu stellen. Weiterhin müssen die Unterbringungsvorschriften für die KZ.–Frauen baldmöglichst geklärt werden, die nach den Ausführungen von Herrn Direktor Lutter fest zugesagt sind. Außerdem müßte geklärt werden, ob die bisherige Herstellung der Gurte in Duraluminium vollständig fortfällt und ob die in den bisherigen Herstellerfirmen freiwerdenden Arbeitskräfte zu Gunsten der neuen Stahl-TraggurteFertigung umgesetzt werden. Für baldgefl. Unterrichtung bitte ich Sorge zu tragen. Antwort des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, 22.4.1943 (Entwurf) Nach Rücksprache mit dem R.d.L.u.Ob.d.L. kommt die Stahlgurtfertigung nur für bestimmte Flugzeugmuster in Frage und läuft neben der Fertigung der Gurte in Duraluminium her. Zu der Frage, ob und in welchem Umfang ggf. die Umsetzung von Kräften aus der Duraluminium-Fertigung möglich ist, kann vom RLM selbst nicht Stellung genommen werden. Ich bitte, diese Frage mit der Rüstungsinspektion zu klären, soweit die Herstellerbetriebe in Ihrem Bezirk liegen. Die Verhandlungen über die Bereitstellung von Frauen aus Kz-Lagern sind noch nicht abgeschlossen. Der R.d.L.u.Ob.d.L. glaubt mit dem Einsatz von 500 Frauen mit Bestimmtheit rechnen zu können. Hierüber werden Sie zu gegebener Zeit von mir weitere Mitteilung erhalten. Der übrige Kräftebedarf soll durch Zuweisung von Kräften im Rahmen der einzelnen Monats-Aktionen gedeckt werden. So sind in den Betriebslisten des Monats März bereits 150 und im April 71 männliche und 200 weibliche Kräfte vorgesehen.

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Die Arbeitsverwaltung im totalen Krieg 1939 – 1945

12] Totaler Kriegseinsatz der Justiz Rundschreiben des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Reichstreuhänder der Arbeit Köln-Aachen an die Leiter der Arbeitsämter des Gaues, 6.9.1944 (LAV NRW R, RW 86–2) Der Herr Oberlandesgerichtspräsident Köln übersandte mir die beiliegenden Listen von Gefolgschaftsangehörigen des Oberlandesgerichts, des Landgerichtsbezirks Köln, des Amtsgerichtsbezirks Köln, des Landgerichtsbezirks Aachen, des Landgerichtsbezirks Bonn sowie die Rechtsanwälte und Notare, die sofort für die Rüstungsindustrie zur Verfügung gestellt werden. Es handelt sich hierbei um rund 1/4 der zu diesem Zweck insgesamt freizugebenden Kräfte. Die restlichen 3/4 werden in gleichen Teilen am 1.10., 1.11. und 1.12.44 zur Verfügung gestellt. Ich bitte, sofort das weitere zu veranlassen. Abschrift 90 E-43.3280/44

Landgericht K ö l n

Vor- u. Zuname

Dienststellung

Geburtstag

Wohnung

Tauglichkeitsgrad

Dr. Theissen Paul

LGDir.

18.2.1882

Wipperfürth Lenneperstr. 11

nicht gemustert

Regner ­Daniel

LGRat

27.2.1883

K.-Ehrenfeld Everhardtstr.54

nicht gemustert

Blandow Otto

Assessor

9.4.1913

Berg.Gladb. Rich.Zanderstr.36

zeitl. untauglich

5.8.1915

K.-Rath Rösratherstr. 321

zeitl. untaugl. bis 30.6.1944

Hoffmann Klaus



Führer Ernst

Justizinsp.

28.3.1892

K.–Holweide Rotkäppchenweg 30

bedingt kv.

Michels, Peter

GVOllz. AG.Kerpen

25.2.1899

K.-Sülz Lindenthalgürtel 7

av

Bülow Ernst

OGVollz. AG.Gummersbach

9.10.1890

Gummersbach Wehrenbeul

bedingt kv

Stenger, Friedrich

Justizsekretär

14.3.98

Köln, Alteburgerplatz 2

ausgemustert

Schmitz, ­Gerhard

AG. Wiehl

5.9.93

Wiehl Bez.Köln (Amtsgericht)

nicht gemustert

Petermann, Wilhelm

JOW.

17.6.97

K.-Zollstock, Alfterstr.18

ausgemustert

Klein, Johann

JW.

9.10.92

K.-Ehrenfeld Glasstr. 15

bedingt kv

Mondorf, Peter

JHW

28.12.06

K.–Sülz, Euskirchenerstr.54

ausgemustert

Cichutek Paul

JHW.

18.6.83

Porz Urbach 49

nicht gemustert

Brinck Heinrich

Justizangest.

4.10.94

K.–Sülz Weyertal 18

ausgemustert

185

Der Arbeitseinsatz im Dienst der Kriegswirtschaft

Vor- u. Zuname

Geburtstag

Wohnung

Zimmermann Adam

Dienststellung ”

21.5.96

K.–Zollstock Altstätterst. 22

Graff Peter



2.3.91

Bad Godesberg Würzerstr. 82

av. untauglich

Solb…62 Ernst

AG.Gummersbach

9.9.01

Gummersbach

Kaulbars Anita

Justizangest.

9.13.0463

Köln, Hülchratherstr. 6

4.6.1910

Köln Kyffhäuserstr.11

Darix Therese



Tauglichkeitsgrad ”

Grabowski, Elisabeth

Justizangest. AG. Bensberg

1.11.96

Bensberg Overrathstr.1

Klein Johanna

Justizangestl. AG. Bergheim

8.2.23

Fortuna u. Bergheim/Erft Kirchstr. 28

Stemmler Klara

Justizangest. AG. Kerpen

10.10.98

Kerpen Bez.Köln Hindenburgstr.36

Kottlars Alice

Justizangest. AG. Brühl

24.10.08

Brühl Rosenhof 2

Dahmen August

Aktenhefter

2.3.89

Köln-Bickendorf Bussardweg 36

taubstumm, aber gelernter Buchbinder

Mohra Georg

Justizaushelfer AG Brühl

25.12.69

Brühl

nicht gemustert

Breidenbach Josef

Justizaushelfer AG. Wipperfürth

11.3.83

Wipperfürth Gaulstr. 3

nicht gemustert

13] Dienstverpflichtung Wuppertaler Schauspieler und Tänzerinnen (LAV NRW R, BR 140–2) Schreiben des Landesleiters der Reichskulturkammer beim Landeskulturwalter Gau Düsseldorf an das Arbeitsamt Wuppertal, 6.10.1944 Wie ich aus einem mir vorliegenden Bericht ersehe, sind die Bühnenschaffenden des dortigen Stadttheaters bei der dortigen Fa. Metzenauer & Jung64 dienstverpflichtet wor62 Unleserlich. 63 Offenbar ein Schreibfehler. 64 Ein Unternehmen für elektroautomatische Schaltgeräte; kurzer Hinweis auf https://www.fanal.de/fanalgestern-und-heute (Stand 3.3.23).

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Die Arbeitsverwaltung im totalen Krieg 1939 – 1945

den. Die angeführten Klagen der eingesetzten Mitglieder über zu anstrengende körperliche Arbeit und vor allem die zu lange Arbeitszeit von 11½ und sogar 12½ Stunden veranlassen mich, das Arbeitsamt auf die Bestimmungen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz der Kulturschaffenden hinzuweisen, wonach diese so einzusetzen sind, daß sie keinerlei Schaden an ihrer Berufstätigkeit erleiden. Ich berufe mich auch auf die von dem früheren Obmann Försterling vom Wuppertaler Stadttheater bei mir persönlich vorgebrachten Klagen in dieser Angelegenheit und bitte das Arbeitsamt, die möglichst sofortige Umverpflichtung der bei der obigen Firma eingesetzten Künstler und Künstlerinnen zu veranlassen und sie so einzusetzen, daß diese Künstler mit leichteren Arbeiten betraut werden. […] Es wird sich ja wohl auch die Möglichkeit bieten, das Ballett z. B. als Straßenbahnschaffnerinnen unterzubringen. Für das Künstlerpersonal wird es doch vielleicht möglich sein, bei der Stadt eingestellt zu werden. Auch könnten die weiblichen Mitglieder der Bühne in einer Nähstube mit Anfertigen oder Ausbessern von Uniformen und Wäsche für die Wehrmacht beschäftigt werden, wie es doch auch an anderen Bühnen der Fall ist. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg! Ich bitte jedenfalls nochmals dringend um entsprechende Änderung der augenblicklichen Zustände. Antwort des Leiters des Arbeitsamtes Wuppertal, 20.10.1944 Ich nehme Bezug auf mein Schreiben vom 11.10.44, in dem ich Ihnen bereits mitteilte, dass der Einsatz eines Teils der Wuppertaler Bühnenangehörigen bei der Firma Metzenauer & Jung in Zusammenarbeit mit dem Kulturdezernenten der Stadt Wuppertal, Parteigenossen M ü h l h a u s e n , erfolgte. Inzwischen habe ich Gelegenheit genommen, den Einsatz persönlich zu überprüfen, nachdem Parteigenosse Mühlhausen eine gleiche Prüfung eine Woche zuvor durchgeführt hatte. Ich bin mit ihm zu der Auffassung gekommen, dass die Arbeit bei der Firma Metzenauer & Jung auch für Bühnenschaffende durchaus zumutbar ist. Dabei gehe ich von dem Standpunkt aus, dass die Künstler eine wirklich produktive Arbeit im Rahmen der Rüstungswirtschaft leisten sollen und dass die Schliessung nicht nur aus optischen Gründen erfolgt ist. Die Firma Metzenauer & Jung nimmt weitgehend auf die Wünsche der Künstler Rücksicht, soweit es sich mit den betrieblichen Belangen verträgt. Die Arbeit ist durchweg sehr leicht und kann ohne weiteres geleistet werden. Dass die stetige teilweise auch monotone Arbeit von 60 bezw. 56 Stunden den Künstlern schwer fällt, ist erklärlich. Das gleiche Los tragen aber auch die vielen Angestellten, Beamten, Studenten und Schülerinnen, die im gleichen Einsatz stehen und sehr oft die gleiche Sensibilität mitbringen wie die Künstler. Zu den in Ihrem Schreiben aufgeführten Einzelheiten und Anregungen bemerke ich folgendes: […] 3) Ihre Anregung, das Ballett als Straßenbahnschaffnerinnen unterzubringen, verkennt die Beanspruchung gerade bei diesem Beruf, noch dazu, wo es in den Winter hineingeht. Die besonders schwierigen Wuppertaler Verkehrsverhältnisse machen hier die Tätigkeit als Schaffnerin noch besonders anstrengend. –

Der Arbeitseinsatz im Dienst der Kriegswirtschaft



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4) Ein Einsatz bei der Stadtverwaltung kann deshalb nicht infrage kommen, weil diese selbst rund 400 Kräfte für die Wehrmacht und Rüstung abgeben muss. Trotzdem habe ich für nicht einsatzfähige Kräfte in 5 Fällen eine Ausnahme gemacht. […] 14] Amtsleiterbesprechung 1944 Rundverfügung Nr.  575/1944 des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Treuhänder der Arbeit Westfalen-Nord an die Leiter der Arbeitsämter, 19.5.1944 (LAV NRW W, N 100–909) Hiermit lade ich die Herrn Leiter der Arbeitsämter zu der gelegentlich der Amtsleiterbesprechung in Bad Salzuflen angekündigten Amtsleiterbesprechung auf Mittwoch, den 31.5.1944, und Donnerstag, den 1.6.1944, nach Bad Horn, Hotel Vialon, ein. Tagesordnung: Mittwoch, 31.5.1944, 10.00–12.30 Uhr. 1. Behandlung der dauernd nicht einsatzfähigen Ostarbeiter. Errichtung von Kinderheimstätten für Ostarbeiter- und Polenkinder. Berichterstatter: ORR. Lünenborg. 2. Flüchtlinge, insbesondere Ostarbeiter, die von der Polizei wieder aufgegriffen, und deren Wiedereinsatz. Berichterstatter: ORR. Lünenborg. 3. Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft 1944. Berichterstatter: ORR. Lünenborg. 4. Abdeckung der Rotzettel in Zusammenarbeit mit den Rüstungsdienststellen. Berichterstatter: ORR. Lünenborg. 15.00–17 Uhr 5. Fraueneinsatzfragen. Berichterstatterin: Frau RR. Dr. Wernsing. Donnerstag, 1.6.1944, 9.00–9.45 Uhr 6. Krankenversorgung der Ausländer unter besonderer Berücksichtigung der Ostarbeiter. Berichterstatter: Dipl. Volkswirt Starke. 7. (10.00–10.30 Uhr) Verwaltungsangelegenheiten. Berichterstatter: ORR. Dr. Baak. 8. Verschiedenes. […]

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Die Arbeitsverwaltung im totalen Krieg 1939 – 1945

15] „Nur mit dem stärksten und schnellen Einsatz aller Kräfte“ ist der Krieg zu gewinnen Rundverfügung des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Reichstreuhänder der Arbeit Westfalen-Süd an die Arbeitsämter des Gaues, 21.11.1944 (BArch R 3901–20290a) Die zweite Schlacht um das Ruhrgebiet ist entbrannt. Der Feind will in diesen unser Schicksal entscheidenden Tagen und Wochen den Großeinbruch in das Reich erzwingen. Durch den Masseneinsatz von Menschen und Material soll die Abwehrfront unserer tapferen Soldaten niedergewalzt werden. Mit fortgesetzt andauernden Terrorangriffen seiner starken Luftstreitkräfte auf Verkehrsadern, Städte, Energie- und Rüstungsbetriebe will der Feind die Versorgung unserer Armeen zerschlagen und die Widerstandskraft von Front und Heimat brechen. Diesem Vernichtungswillen unserer Gegner haben gerade wir im Ruhrgebiet in noch viel stärkerem Maße als bisher unsere geeinte und gesammelte Abwehrkraft entgegenzuwerfen. Dort, wo der Feind versorgungsmäßig gesehen Angriffsschwerpunkte bildete, indem er wichtige Verkehrsknotenpunkte, Elektrizitäts- Wasser und Gaswerke und ähnl. zum Ausfall brachte, sind von uns unverzüglich und mit allen verfügbaren Kräften stärkste Schwerpunkte der Abwehr zu bilden. Sollten hervorgerufen durch Feindeinwirkungen irgendwann und irgendwo Arbeitskräfte für kürzere oder längere Dauer freiwerden, müssen sie sofort von uns erfasst und im Einvernehmen mit den sonst noch zuständigen Stellen bevorzugt an diesen Schwerpunkten unserer Abwehr eingesetzt werden. Es ist nicht an der Zeit, Kräfte vorsorglich zu horten oder durch Inanspruchnahme gesetzlicher Möglichkeiten auf Eis zu legen. Mit Verkürzung der Arbeitszeit, Gewährung von mehr oder weniger Zwangsurlaub, Zahlung von Ausfallvergütungen, Verlegenheitsbeschäftigungen und ähnlichem, ist kein Krieg zu gewinnen, sondern nur mit dem stärksten und schnellen Einsatz aller Kräfte an der richtigen Stelle. Insbesondere dürfen auch keine Beurlaubungen von Halbtagsfrauen oder von Frauen mit Familie erfolgen. Wo Gefahr besteht, daß dieser Personenkreis nicht mehr weiter beschäftigt weiter kann, müssen vorübergehend deutsche männliche und weibliche Kräfte bevorzugt für Aufgaben im bombengeschädigten Industriegebiet unseres Gaues abgegeben werden. In dieser Zeit höchster Entscheidungen ist jedes betriebliche, lokale oder bezirkliche Interesse, das dem Gesamtinteresse entgegensteht, rücksichtslos auszumerzen. Ich erwarte von jedem Amtsleiter, daß er und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nur so die Dinge sehen und dementsprechend handeln und notfalls mit größter Tatkraft und unbedingter Zielsicherheit durchgreifen. Wenn an sich auch gesetzlich die Möglichkeit der Herabsetzung der Arbeitszeit durch die Betriebsführer und die Zahlung einer Ausfallvergütung besteht, so darf doch unter den derzeitigen Verhältnissen nur im äußersten Notfall und vorübergehend von diesen Bestimmungen Gebrauch gemacht werden, da sowohl im Gauarbeitsamtsbezirk als auch darüber hinaus noch Tausende von Arbeitskräften für die Rüstung und sonstige kriegs-



Der Arbeitseinsatz im Dienst der Kriegswirtschaft

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und lebenswichtige Aufgaben fehlen. Es muß daher von den Arbeitsämtern alles unternommen werden, eine volle Weiterbeschäftigung der Arbeitskräfte bei vordringlichen kriegswichtigen Fertigungen sicherzustellen. Nach den bisherigen Erfahrungen versuchen alle möglichen hierfür nicht befugten Stellen ohne Einschaltung des Arbeitsamtes von den Betrieben für weniger dringliche oder lebenswichtige Maßnahmen Kräfte auszuleihen. Zum Teil wurden solche Umsetzungen von Arbeitskräften in größerem Maße vorgenommen, ohne daß das Arbeitsamt unterrichtet wurde. Derartige, einen geregelten Arbeitseinsatz störende Maßnahmen, müssen von den Arbeitsämtern von vornherein unterbunden werden! Anregungen und Wünsche, die den vorhergenannten Grundsätzen auf Bildung von Abwehrschwerpunkten entsprechen, sollen weitgehend gefördert werden. Die Lenkung und den Einsatz der Kräfte müssen aber die Arbeitsämter und das Gauarbeitsamt in Zusammenarbeit mit allen zuständigen Stellen fest in der Hand behalten. Diese Forderung entspricht gleichfalls der Auffassung des Gauleiters und Reichsverteidigungskommissars. Die Aufrechterhaltung der Zugehörigkeit von Gefolgschaftsmitgliedern zum bisherigen Betrieb ist durch die Arbeitsämter zu gewährleisten. Es empfiehlt sich daher vielfach der geschlossene Einsatz der freigewordenen Gefolgschaftsmitglieder eines Betriebes an der neuen Arbeitsstätte. Das Ziel sämtlicher Maßnahmen der Arbeitsämter muß zunächst darauf gerichtet sein, mit den freiwerdenden Arbeitskräften die Ursachen der Betriebsstörungen zu beseitigen. […] 16] Aushändigung der Arbeitsbücher an die Gefolgschaftsmitglieder Schreiben des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Reichstreuhänder der Arbeit Düsseldorf an die Leiter der Arbeitsämter des Bezirks, 22.1.1945 (BArch R 3903–2263) Ein Arbeitsamt hat angeregt, die Arbeitsbücher der Gefolgschaftsmitglieder nicht mehr durch die Betriebsführer aufbewahren zu lassen, sondern die Betriebsführer anzuweisen, die Arbeitsbücher an die Gefolgschaftsmitglieder auszuhändigen. Der Antrag wurde damit begründet, dass bei einem Luftangriff in den Betrieben eine grössere Zahl von Arbeitsbüchern abhanden gekommen sei und die Vermittlungstätigkeit dadurch erheblich erschwert werde, weil die Arbeitsbuchkartei zurückgeführt65 worden sei. Als Ergebnis der Aussprache in der Amtsleiterbesprechung am 17.1.1945 wurde festgestellt, dass gegen diese Regelung folgende Gründe sprechen: 1.) Die Aushändigung an die Gefolgschaftsmitglieder verlangt eine Änderung der Verordnung über das Arbeitsbuch vom 22.4.193966, die entweder nur durch den Gau-

65 Rückführung bedeutet die Verlagerung aus frontnahen in (vermeintlich) sichere Gebiete. 66 „Verordnung über das Arbeitsbuch“, 22.4.1939, RGBl. I, S. 824.

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Die Arbeitsverwaltung im totalen Krieg 1939 – 1945

leiter und Reichsverteidigungskommissar oder durch den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz erlassen werden kann. 2.) Abgesehen von den stimmungsmässigen Auswirkungen ist zu befürchten, dass den Gefolgschaftsmitgliedern durch die Aushändigung des Arbeitsbuches, auch wenn das Arbeitsverhältnis im Arbeitsbuch nicht ausgetragen ist, die ungenehmigte Abwanderung aus den frontnahen oder luftbedrohten Gebieten erleichtert werden. 3.) Die Aushändigung der Arbeitsbücher an die Gefolgschaftsmitglieder wird dazu führen, dass bei den Gefolgschaftsmitgliedern Arbeitsbücher in grösserer Zahl abhanden kommen und wesentlich mehr abgenutzt werden, als dies bisher der Fall war. Die aufgetretenen Schwierigkeiten lassen sich dadurch beheben, dass die Betriebsführer durch ein Anschreiben aufgefordert werden, wie es an sich schon Pflicht eines Betriebsführers wäre, die Arbeitsbücher luftschutzsicher unterzubringen. Falls die Rückführung der Arbeitsbuchkartei erforderlich macht, das Arbeitsbuch bei jedem Vermittlungsvorgang vorzulegen, ist mit der Vorladungskarte zum Ausdruck zu bringen, dass die Vorladungskarte dem Betriebsführer vorzulegen und er verpflichtet ist, dem Gefolgschaftsmitglied das Arbeitsbuch für den Besuch beim Arbeitsamt auszuhändigen. Er hat sich nach Erledigung der Angelegenheit das Arbeitsbuch vom Gefolgschaftsmitglied zurückgeben zu lassen.



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2.3.2 Frauenarbeit Einführung Trotz des Anstiegs der Frauenerwerbstätigkeit gab es 1939 noch eine Reserve von ca. 6,5 Mio. nicht erwerbstätiger, aber erwerbsfähiger Frauen.67 Dennoch zögerte das Regime bis Anfang 1943, neben Männern zwischen 16 und 65 Jahren  – mit einigen Ausnahmen – auch alle Frauen zwischen 17 und 45 Jahren zur Meldung bei den Arbeitsämtern zu verpflichten.68 Der Erfolg war aber bescheiden, und insgesamt blieb die Anzahl deutscher erwerbstätiger Frauen mit 14–15 Mio. fast konstant. Wegen des Kriegsdienstes des männlichen Bevölkerungsteils wuchs aber ihr Anteil und damit auch ihre Bedeutung für die deutsche Wirtschaftsleistung von 37,3 % (1939) auf 52,5 % (1944).69 Dennoch blieb trotz vieler betrieblicher Sozialleistungen die Bereitschaft der Industrieunternehmen, durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen die Bedingungen für Frauenarbeit zu verbessern, begrenzt – jedenfalls solange sie auf ausländische Arbeitskräfte zurückgreifen konnten. Der seit 1933 schwelende Konflikt zwischen Ideologie, Aufrüstungszielen und sozialen Rücksichtnahmen wurde auch im Krieg nicht entschieden, wobei jedoch die kriegswirtschaftlichen Anforderungen je länger, je deutlicher die Oberhand gewannen. 1] Nicht erwerbstätige verheiratete Frauen sollen nicht zur Erwerbsarbeit herangezogen werden Verfügung (Schreibanweisung) der Abteilung V „Arbeitseinsatz“ des Reichsarbeitsministeriums an die Kanzlei des Ministeriums, 7.9.1939, Eilt! (BArch R 3901–30159) Betrifft: Dienstverpflichtung von Ehefrauen 1.) Vermerk. Herr Staatssekretär Dr. Syrup hat entschieden, daß bisher nichterwerbstätige verheiratete Frauen auch weiterhin nicht zur Erwerbsarbeit herangezogen werden sollen, sofern sie sich nicht völlig freiwillig dem Arbeitseinsatz zur Verfügung stellen. Die LAÄ sind entsprechend anzuweisen. 2.) An die Herren Präsidenten der Landesarbeitsämter (Persönliche Anschriften). Vorgang: Runderlaß vom 3.7.1939 – VA 5551.6/628/39 g – . 67 Winkler: Frauenarbeit; Bajohr: Hälfte der Fabrik. Zusammenfassung bei Marx: Verwaltung, S. 254 ff. 68 „Verordnung über die Meldung von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung“, 27.2.1943, RGBl. I, S. 67. 69 Petzina, Abelshauser, Faust: Arbeitsbuch, S. 85; Bajohr: Hälfte der Fabrik, S. 252.

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In dem obengenannten Runderlaß habe ich bestimmt, daß im friedensmäßigen Arbeitseinsatz Frauen, die häusliche und Familienpflichten zu erfüllen haben, nicht zu Dienstverpflichtungen heranzuziehen sind, es sei denn, daß sie bisher schon als Arbeitnehmer tätig waren und ihre familiären und gesundheitlichen Verhältnisse sich inzwischen nicht geändert haben. Auch unter den gegenwärtigen Umständen halte ich es nicht für tunlich, auf bisher nicht erwerbstätige Ehefrauen zurückzugreifen, soweit die Frauen sich nicht freiwillig dem Arbeitseinsatz zur Verfügung stellen. Ich bitte deshalb, dafür Sorge zu tragen, daß nach den Anweisungen des obengenannten Runderlasses auch weiterhin verfahren wird. Der Kräftebedarf für Betriebe mit staatspolitisch bedeutsamen Aufgaben muß durch die Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten (Einsatz von Kräften aus staatspolitisch nicht wichtigen Betrieben  – insbesondere von Arbeiterinnen und Angestellten, die durch Einschränkung oder Stillegung derartiger Betriebe frei werden  –, (überbezirklicher Ausgleich, Einsatz freiwilliger Kräfte usw.) befriedigt werden. Sollte dieses nicht möglich sein, bitte ich mir zu berichten. 2] Lockerung von Vorschriften zur Frauenarbeit Schreiben des Reichwirtschaftsministeriums an das Reicharbeitsministerium, 30.11.1939 (BArch R 3901–20158) […] Die Firma I.P. Bemberg A.G. in Wuppertal-Oberbarmen erzeugt Kupferkunstseide. Die Erzeugung ist mit Beginn der Kriegswirtschaft erheblich umgestellt worden. Sie dient ausschließlich der Deckung von Wehrmachtsbedarf und vordringlichem Zivilbedarf. Die Umstellungen, die sich gegenüber der Friedensproduktion des Werkes ergaben, bedingen einen Mehreinsatz von Arbeitskräften, die zur Bewältigung des der Firma von mir gestellten Mob-Programms erforderlich sind. Nach den eigenen Angaben der Firma handelt es sich um einen Zusatzbedarf von etwa 800 bis 1000 Mädchen. Ich verweise diesbezüglich auf mein an Sie gerichtetes Schreiben vom 21. November 1939 – II Text. 2773/39 g –, mit dem ich um die Genehmigung zur Beschäftigung dieser weiblichen Arbeitskräfte in Nachtschichten gebeten hatte und gleichzeitig auf Ihr Antwortschreiben vom 24. November 1939 – III A Nr. 596/39 g –. Nachdem, wie mir vom Vorstand der Firma mitgeteilt wurde, geeignete männliche Arbeitskräfte nicht in genügender Zahl vom Arbeitsamt nachgewiesen werden können, bitte ich, das zuständige Arbeitsamt von dort aus zu ermächtigen, der Firma die angeforderten weiblichen Arbeitskräfte zuzuweisen und die erforderlichen Maßnahmen für deren Sicherstellung zu treffen. Ich lege großen Wert auf eine beschleunigte Erledigung dieser Angelegenheit und wäre dementsprechend, wie auch fernmündlich vereinbart, dankbar, wenn das zuständige Arbeitsamt bezw. Landesarbeitsamt von ihnen vorab telefonisch angewiesen werden könnte, damit eine Unterbrechung in der Erzeugung vermieden wird. Ich habe



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meinerseits der Firma mitgeteilt, sich in einigen Tagen wieder mit ihrem zuständigen Arbeitsamt zur Beschaffung der weiblichen Arbeitskräfte in Verbindung zu setzen. 3] Auch der Fraueneinsatz wird schwieriger Schreiben des Bochumer Vereins für Gussstahlfabrikation AG an den Reichsverteidigungskommissar Dr. Meyer in Münster, 25.5.1940 (LAV NRW W, K 001–5147) Wir haben in unseren Betriebsabteilungen bis heute ca. 3.100 Frauen für leichtere Arbeiten eingestellt, um männliche Gefolgschaftsmitglieder für körperlich schwere Arbeiten freizumachen. Der Arbeitseinsatz von Frauen gestaltet sich in letzter Zeit jedoch immer schwieriger, da sich auch bei den Frauen ein fühlbarer Mangel an geeigneten Kräften bemerkbar macht und andererseits das Interesse der Frau für die Aufnahme einer gewerblichen Arbeit durch mancherlei Umstände unterbunden wird. So sind z. B. Frauen, deren Männer einberufen worden sind, selbst wenn es die familiären Verhältnisse ohne weiteres zulassen (kinderlos usw.), nicht geneigt, eine Arbeit aufzunehmen, da ihnen auf Grund der Bestimmungen über Gewährung von Familienunterhalt ein Teil ihres Verdienstes auf die Unterstützung angerechnet, praktisch somit von der Unterstützung abgezogen wird. Beispiel: Eine kinderlos verheiratete Frau würde bei Einberufung ihres Mannes, der vor der Einberufung einen Monats-Nettoverdienst von RM 180,– hatte, an Unterstützung vom Reich erhalten: Familienunterhalt RM 68,–– Mietbeihilfe RM 35,–– insges. RM 103,–– Steht die Frau jedoch in Arbeit und hat einen monatlichen Nettoverdienst von RM 115,–– so werden auf die Unterstützung nicht angerechnet ” 21,33 bleiben RM 93,67 Die Hälfte des verbleibenden Teils von RM 93,67 = ” 46,83 ------------wird jedoch auf die Unterstützung angerechnet, so daß die Frau nicht RM 103,–, sondern RM 103,– abzgl. RM 46,83 = RM 56,17 an Unterstützung erhält. In einigen Fällen hat diese Maßnahme dazu geführt, daß Frauen, die als Hilfsdreherinnen usw. angelernt und vollwertig eingesetzt waren, bei Einberufung ihres Mannes unter Angabe anderer Gründe die Arbeit aufgegeben haben und somit der Rüstungsindustrie verloren gingen.

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In Anbetracht des sich steigernden Bedarfs an weiblichen Arbeitskräften wäre daher zu erwägen, ob nicht durch Änderung der Bestimmungen über den Familienunterhalt Einberufener der Verdienst werktätiger Frauen bei der Festsetzung des Familienunterhaltes außer Ansatz bleibt, oder aber, daß der bisher gekürzte Betrag auf ein Sperrkonto überwiesen wird und der Familie des Einberufenen evtl. nach Beendigung des Krieges zur Verfügung steht. 4] Probleme bei der Rheinischen Kunstseide AG Schreiben der Rheinischen Kunstseide Aktiengesellschaft an das Arbeitsamt Krefeld, Nebenstelle Uerdingen, 16.10.1941 (BArch R 13 XII-550) Anfang dieses Jahres wurde uns sowohl von der Rüstungsinspektion als auch vom Gewerbeaufsichtsamt und der Deutschen Arbeitsfront die Genehmigung erteilt, in unseren Fabrikationsbetrieben Wäscherei und Spinnerei Frauen auch in Nachtschicht zu beschäftigen. Da diese Arbeit 20–25% höher bezahlt wird als in unserem Textilbetrieb, haben wir auch genügend Arbeitskräfte erhalten, teils von ausserhalb, teils aus unserem Textilbetrieb. Die Erlaubnis, Frauen in den genannten Abteilungen zu beschäftigen, war uns jedoch von den vorgenannten Stellen nur für eine vorübergehende Zeit gestattet worden und zwar nur solange, bis die von uns beantragten belgischen Arbeitskräfte hier eintreffen würden und diese angelernt wären. Nachdem die Belgier angelernt waren, haben wir die Frauen auch absprachegemäss wieder aus den Fabrikationsbetrieben herausgezogen. Automatisch ging natürlich das Einkommen der Frauen entsprechend herunter, da wir lt. Tarifordnung in unseren Textilbetrieben nicht dieselben Löhne und Prämien zahlen dürfen, wie in unseren Fabrikationsbetrieben. Viele Frauen, die vorher die Arbeit in den Fabrikationsabteilungen der höheren Entlöhnung wegen gerne gemacht hatten, fanden nun alle erdenklichen Gründe, um den Arbeitsplatz zu wechseln. Sämtliche Kündigungen sind mit Genehmigung des Arbeitsamtes vollzogen worden. Erschwerend kam noch hinzu, dass die Betriebe im Bereich der Arbeitsämter Hamborn, Homberg usw., aus welchen Gebieten wir die weiblichen Arbeitskräfte in der Hauptsache hatten, selbst in grossem Umfange weibliche Arbeitskräfte einstellten. Die Frauen konnten in diesen Betrieben mehr verdienen als in unserem Textilbetrieb und waren vor allen Dingen auch näher zu Hause. Aus all diesen Gründen ist uns nun eine grosse Anzahl von Frauen abgewandert, für die wir bisher keinen Ersatz bekommen haben. Hätten wir diese Entwicklung voraussehen können, so hätten wir seinerzeit gleichzeitig eine Anzahl Holländerinnen und Belgierinnen mit angefordert. Nach genauer Schätzung haben wir heute einen Bedarf von rd. 200 Frauen für unseren Textilbetrieb. In der Melanchthonstrasse in Krefeld haben wir nun ein Ledigenheim für weibliche Arbeitskräfte eingerichtet, worin wir etwa 150 Frauen unterbringen können. In Uer-



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dingen in der Krefelderstrasse ist ein gleiches Heim bei einer Belegschaft von etwa 80 Frauen eingerichtet worden. […] Wie der Rechtsunterzeichnete bereits mit Ihnen besprochen hat, soll versucht werden, aus den Arbeitsamtsbezirken, die im Grenzgebiet liegen, weibliche Arbeitskräfte für uns anzufordern. Wir bitten Sie, die Angelegenheit möglichst schnell zu bearbeiten, da wir in unserem Textilbetrieb sehr in Rückstand gekommen sind. Wie Sie wissen, gehören wir zur kriegsentscheidenden, rohstoffschaffenden Industrie und müssen deshalb unsere Produktion nach den Anforderungen des Rüstungskommandos einstellen. 5] „Sorgfalt im Einsatz von Frauen ist eine hohe Pflicht“ Dr. L. Wernsing, Landesarbeitsamt Dortmund: Die Lenkung des Arbeitseinsatzes von Frauen, in: Westfälische Wirtschaft 5 (1941), H. 1, S. 2–5 (Auszug) Grundsatz bei dem Einsatz von Frauen ist es, verheiratete Frauen möglichst ihrer Familie zu erhalten und sie nur unter gewissen Voraussetzungen einer Erwerbsarbeit zuzuführen. Bei der Meldung verheirateter Frauen für einen Arbeitseinsatz wird die NSV. zur Stellungnahme aufgefordert, ob aus familiären Gründen der Einsatz der betreffenden Frau vertretbar ist. Der Einsatz von verheirateten Frauen im Wege der Dienstverpflichtung ist nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht möglich. Weibliche Arbeitskräfte können auch nicht überall angesetzt werden, wo ein augenblicklicher Bedarf auftaucht. Der Herr Reichsarbeitsminister hat für den Fraueneinsatz im Kriege bestimmt, daß in Arbeiten, die bisher von Männern verrichtet worden sind, Frauen und Mädchen nur einzusetzen sind, wenn männliche Arbeitskräfte nicht zur Verfügung stehen. Im Zweifelsfalle muss das Urteil der Gewerbeaufsicht eingeholt werden. Die vorgesehen Arbeiten und der Betrieb müssen für Frauen geeignet sein, andernfalls können Frauen nicht zugewiesen werden. Vor dem ersten Einsatz von Frauen prüfen Arbeitsamt, Gewerbeaufsicht und DAF., ob die Voraussetzungen für eine Frauenbeschäftigung gegeben sind. Zu der Geeignetheit einer Arbeit für Frauen muß eine entsprechende Leistungsfähigkeit der Frau kommen, die sie befähigt, die verlangten Aufgaben zu erfüllen. Diese Sorgfalt im Einsatz von Frauen ist eine hohe Pflicht, da durch eine Schädigung der Gesundheit der Frauen durch ihre Erwerbstätigkeit die biologische Volkskraft geschwächt würde. Hier kann bei Frauen kein Versuch gemacht werden, ob eine Arbeit noch geleistet werden kann, sondern es muß vorbeugend gehandelt werden. Im Einsatz von Frauen mit kleinen Kindern wird große Zurückhaltung geübt, da diese Frauen ihren Familienaufgaben, vor allem auch der Erziehung der Kinder erhalten bleiben sollen. Kann aber auf den Einsatz dieser Frauen nicht verzichtet werden, muß durch die Einrichtung von Kindergärten die Betreuung der Kinder während der Arbeitszeit der Mütter vorher sichergestellt sein. Durch die Arbeitsschutzbestimmungen wird die Doppelbelastung solcher Frauen durch Erwerbsarbeit und Familienpflichten erträglich ge-

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staltet. Die Wirtschaft hat darüber hinaus für solche Frauen auch häufig Erleichterungen z. B. hinsichtlich der Arbeitszeit eingeführt. 6] Lob und Tadel für die Frauen (BArch-MA RW 21–18/10) Kriegstagebuch des Rüstungskommandos Essen vom 1.1.43–31.3.43 (Auszug) Der Einsatz der auf Grund der Verordnung über die Meldung von Männern und Frauen für Aufgaben der Reichsverteidigung70 und auf Grund der Stillegungsmaßnahmen gewonnenen Kräfte von Rüstungsbetrieben wurde im engsten Zusammenarbeiten mit den Arbeitsämtern durchgeführt. Ein abschließendes Urteil über das Ergebnis der Umsetzung kann noch nicht gegeben werden. Es steht jedoch fest, daß die aus der Meldepflicht gewonnenen männlichen Arbeitskräfte nur höchstens zu 10% für die Rüstungsindustrie einsatzfähig sind. Eine Stillegung von Betrieben hat bisher in bemerkenswertem Maße noch nicht erfolgen können. Von den durch die Meldepflicht erfaßten Frauen wurde bisher auch nur ein Teil eingesetzt (in einzelnen Arbeitsamtsbezirken bis zu 50%). Bei der Durchführung der Aktion haben sich unvorhergesehene Verzögerungen ergeben, die zu Beginn nicht überblickt werden konnten. Doch versuchen die Arbeitsämter mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln, diese Schwierigkeiten baldmöglichst zu überwinden. Allgemein wird die gute Haltung und der gute Wille der in der Rüstungsindustrie zum Einsatz gekommenen Frauen gelobt, die die hier und da zu Tage getretene, naturgegebene Ungeschicklichkeit in Arbeiten technischer Art mehr als ausgleichen. Festzustellen ist, daß der Frauenanteil am Arbeitseinsatz im stetigen Steigen begriffen ist, ein Beweis dafür, daß die Betriebe sich immer mehr auf Frauenbeschäftigung umstellen. Von den Betrieben wurde der neuen Aktion, von einigen Ausnahmefällen abgesehen, großes Verständnis entgegen gebracht, sodaß hierdurch den Arbeitseinsatzstellen die Arbeit wesentlich erleichtert wurde. Bei einer Reihe von Betrieben ist, um den Einsatz der zum größten Teil nur für halbe Tage verfügbaren Frauen möglich zu machen, in weitem Umfang die 6-Stunden-Schicht eingeführt. Kriegstagebuch des Rüstungskommandos Essen vom 1.7.–30.9.1943 (Auszug) Das über den Einsatz deutscher Frauen in der Rüstungswirtschaft jetzt vorliegende umfangreiche Material erhärtet die von Anbeginn an geltend gemachte Befürchtung, daß die Aktion als ein Fehlschlag angesehen werden muß. Die Gründe, auf psychologischen wie auf physiologischen Gebiete liegend, sind bekannt, sodaß nur übrig bleibt, diese be70 S. oben, Anm. 68.



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dauernswerte Tatsache festzustellen. Eine derartige Aktion ohne rücksichtslose Strenge und schärfste Eingriffe in das persönliche Eigenleben des für den Einsatz infrage kommenden Frauenkreises durchgeführt, muß in Halbheiten stecken bleiben und zu Mißerfolgen führen. 7] Die Mobilisierung von Frauen verstärken, aber Dienstverpflichtungen vermeiden Schreiben des Gauarbeitsamtes und Reichstreuhänder der Arbeit Essen an die NSDAPGauleitung Essen, 10.8.1944 (LAV NRW R, RW 37–87) […] Im Gau Essen ist aus dem Kreis der nach den bisherigen Bestimmungen meldepflichtigen Frauen eine Reserve vorhanden. Es handelt sich überwiegend um solche Frauen, die aufgrund gesundheitlicher, häuslicher oder infolge schwieriger Verkehrsverhältnisse nicht für einen Einsatz in den Betrieben herangezogen werden konnten. Sie konnten daher zunächst nur in Heimarbeit angesetzt werden. Da der Umfang der zur Verfügung stehenden Heimarbeit noch nicht so gross ist, konnten diese Frauen zunächst überhaupt nicht eingesetzt werden. Die Möglichkeit, sie für Putzarbeit heranzuziehen, die in den meisten Fällen von ihnen ausgeführt werden kann, bestand nicht, soweit sie sich weigerten, eine solche Arbeit zu übernehmen. Das war aber nach den Berichten der Arbeitsämter aus den verschiedensten Gründen bisher meist der Fall. Die Arbeitsämter sind nunmehr von mir angewiesen worden, ohne Rücksicht auf die Person den dringenden Bedarf an Putzfrauen mit Frauen aus der Meldepflichtaktion zu besetzen, sofern diese Frauen für eine kriegswichtige Arbeit nicht einsatzfähig sind. Ich stimme mit der Auffassung der Frauenschaft völlig überein, doch habe ich bisher Dienstverpflichtungen für solche Arbeiten weisungsgemäss nicht durchgeführt. Wenn ich auch bei der heutigen Lage notfalls dienstverpflichten würde, so halte ich es doch für dringend erforderlich, daß die Frauenschaft zur Vermeidung der Dienstverpflichtung diesen Einsatz besonders propagandistisch vorbereitet und wäre ausserordentlich dankbar, wenn dies geschehen könnte. Bei dem Einsatz müsste m.E. vor allen Dingen der Weg der nachbarlichen Hilfe, der in einigen mir bekannten Fällen erfolgreich beschritten wurde, auch ohne besondere Zwangsmassnahmen zum Ziele führen.

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Die Arbeitsverwaltung im totalen Krieg 1939 – 1945

2.3.3 Zwangsarbeit Einführung Obwohl die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in Deutschland eine lange Tradition besaß, spielte sie in den 1930er Jahren mit 375.000 Personen (1938) für den deutschen Arbeitsmarkt keine wichtige Rolle, sieht man von den polnischen Saisonarbeitern ab. Einer größeren Anwerbung, die den Arbeitskräftemangel abgeschwächt hätte, standen v.a. rassistische Ressentiments entgegen, denn insbesondere Osteuropäer hätten „in hohem Maße das deutsche Volkstum gefährdet“71. Mit Kriegsbeginn waren solcherlei Befürchtungen kein durchschlagender Hinderungsgrund mehr, zumal das Regime ihnen mit gestuften Disziplinierungs- und Separierungsmaßnahmen Rechnung trug. Zu den auf den Arbeitsmärkten verbündeter oder neutraler Staaten wie z. B. Italien oder Bulgarien, v.a. aber der annektierten oder besetzten Länder, insbesondere Polens, der Niederlande und Frankreichs, angeworbenen (und in den besetzten Ländern bald schon zwangsrekrutierten) Arbeitskräften kamen die zur Arbeit herangezogenen Kriegsgefangenen. „Mit ihnen begann das Kapitel ausländischer Zwangsarbeiter in der deutschen Kriegswirtschaft.“72 Schon in dieser Phase spielte die Arbeitsverwaltung eine Schlüsselrolle. Seit dem Überfall auf die Sowjetunion wurden schließlich Millionen von „Ostarbeitern“ in das Reich verschleppt und in der letzten Phase des Krieges wurde auch der Arbeitseinsatz von Konzentrationslagerhäftlingen zu einem – quantitativ allerdings nachrangigen – Faktor der Kriegswirtschaft. Mit dem 1943 einsetzenden schrittweisen Rückzug deutscher Truppen aus Russland gab es indessen kaum noch neue Kriegsgefangene und die Rekrutierungsgebiete in Osteuropa schrumpften von Monat zu Monat, weshalb trotz zunehmender Brutalisierung der Aushebungsmethoden auch das scheinbar unerschöpfliche Reservoir an „Ostarbeitern“ zu versiegen begann. Ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene wurden zunächst vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt, dann auch in den Rüstungsbetrieben und schließlich in allen Bereichen der deutschen Wirtschaft, obgleich laut Völkerrecht Kriegsgefangene nur zu Arbeiten herangezogen werden durften, die nicht im Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen standen.73 71 Syrup: Arbeitseinsatz, S.  98. Zu diesem Kapitel u.a. Ulrich Herbert: Fremdarbeiter. Politik und Praxis des „Ausländer-Einsatzes“ in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, Berlin, Bonn 1999; Mark Spoerer: Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz: ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939–1945, Stuttgart, München 2001; Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S.  295  ff., 314  ff.; Vergin: Arbeitseinsatzverwaltung; Elizabeth Harvey: Arbeitsverwaltung und Arbeitskräfterekrutierung im besetzten Europa. Belgien und das Generalgouvernement, in: Nützenadel. Reichsarbeitsministerium, S. 348–386; Marx: Verwaltung, S. 260 ff., 279 ff. Als regionales Beispiel Ruppert: „Der nationalsozialistische Geist“, S. 267–275, mit einer vergleichsweise ausführlichen Darstellung des Verhaltens des Detmolder Arbeitsamtes gegenüber den Zwangsarbeitern. 72 Marx: Verwaltung, S. 261. 73 Vergin: Arbeitseinsatzverwaltung, S. 285.



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In Lippe wurden bereits Ende September 1939 1356 polnische Kriegsgefangene in der Wirtschaft beschäftigt, davon 700 in der Landwirtschaft. Im Juni des folgenden Jahres wurden dort 1290 polnische Zivilarbeiter und 992 Kriegsgefangene gezählt.74 Im Mai 1943 lag der Ausländeranteil an den Beschäftigten im Rheinland bei 16,9 %, im schwerindustriellen Gau Essen bei 18,7 %; auf die männlichen Beschäftigten bezogen waren es 26,5 % bzw. 30 %.75 D.h. im Ruhrgebiet war bereits zu dieser Zeit jeder dritte bis vierte männliche Arbeitnehmer Zwangsarbeiter; und dabei blieb es nicht. Mitte 1944 befanden sich 7,6 Mio. Kriegsgefangene und ausländische Zivilarbeiter im Deutschen Reich, das entsprach 26,5 % aller männlichen und weiblichen Beschäftigten. In der Landwirtschaft lag ihr Anteil bei 46,4 % und im Bergbau und in der Metallindustrie bei rd. 30 %. Auf den Zechen des Ruhrgebiets waren es im Winter 1943/44 sogar 41 %.76 1944 stagnierte die Zahl der Zwangsarbeiter, ihre Bedeutung für die Kriegswirtschaft aber nahm weiter zu, weil zur gleichen Zeit die Zahl der deutschen Beschäftigten zurückging. Auf ihrem Weg von der Rekrutierung bis zur Beschäftigung in der deutschen Wirtschaft war die Arbeitsverwaltung in mehrfacher Hinsicht mit den Zwangsarbeitern befasst: – bei der Registrierung und Überprüfung des Bedarfs der deutschen Wirtschaft, – bei der Anwerbung resp. Zwangsrekrutierung ziviler Arbeitskräfte im besetzten Ausland durch die dort eingerichteten Dienststellen der Reichsanstalt, – bei der Begleitung der Transporte durch eigens abgestellte Mitarbeiter der Arbeitsämter, – bei der Verteilung der Arbeitskräfte auf die Betriebe. Hierfür richteten die Landesarbeitsämter Durchgangslager (Dulags)77 ein und für die Kriegsgefangenen Arbeitsamts-Außenstellen in den Stammlagern (Stalags) für Kriegsgefangene78. – bei ihrem Einsatz in den Betrieben und mitunter auch bei ihrer Unterbringung sowie schließlich – bei ihrer Disziplinierung.79

74 Ruppert: „Der nationalsozialistische Geist“, S. 267. 75 Anlage zum Bericht des Landesarbeitsamtes Rheinland über die Arbeitseinsatzlage im Monat Mai 1941, in: LAV NRW R, RW 86–3. 76 Herbert: Fremdarbeiter, S. 221 ff., 256 f., 314 ff. 77 Die Aufsicht und die arbeitseinsatzmäßige Betreuung der Durchgangslager oblag den jeweiligen Arbeitsämtern, die Verwaltung der Lager zumeist der Deutschen Arbeitsfront in Verbindung mit den Arbeitsämtern. Für die Bewachung wurden „Kräfte des Bewachungsgewerbes“ angeworben. Vergin, Arbeitseinsatzverwaltung, S. 359 ff. 78 Ebd., S. 288 ff. 79 S. dazu Kap. 3.3.

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1] Polnische Kriegsgefangene für die Landwirtschaft (LAV NRW W, K 001–5187) Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an den Reichsverteidigungskommissar für den Bereich des Wehrkreises VI, Gauleiter und Oberpräsident Josef Terboven, 22.9.1939, Geheim! Nach fernmündlicher Mitteilung des Generalkommandos VI – Major Dietrich – soll in allernächster Zeit in Hemer (Krs. Iserlohn) ein Gefangenenlager für etwa 10 000 polnische Kriegsgefangene eingerichtet werden.80 Die Gefangenen sollen in erster Linie für die Bergung der Rübenernte eingesetzt werden. In Westfalen kommen hauptsächlich die Bezirke Paderborn, Höxter, Warburg, Soest und Unna für den Einsatz in Frage. Die näheren Einzelheiten sollen demnächst beim Generalkommando VI besprochen werden. Das Landesarbeitsamt Westfalen soll für das Gefangenenlager eine Vermittlungsfachkraft abordnen, der die technische Durchführung des Arbeitseinsatzes der Kriegsgefangenen obliegt. Abschrift dieser Mittelung habe ich den Gauleitern Westfalen-Nord und -Süd übersandt. Ferner habe ich das Landesarbeitsamt Rheinland unterrichtet für den Fall, daß auch im Bezirk des Landesarbeitsamtes im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen ein Einsatz von Rübenarbeitern in Frage kommt und nach Lage der Verhältnisse tragbar ist. Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an den Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, 11.11.1939 (Abschrift) Die Möglichkeit, Kriegsgefangene in der Landwirtschaft und in besonders bestimmten Wirtschaftszweigen beschäftigen zu können, hat bei den Interessenten eine starke Nachfrage nach diesen Arbeitskräften ausgelöst. Allein die Anforderungen der Kreisbauernschaften übersteigen die Zahl von über 17.000. Bisher sind eingetroffen im Stalag VI A in Hemer, Kreis Iserlohn, rund 12.000 und im Stalag VI D in Dortmund rund 2.400, also insgesamt 14.400 Kriegsgefangene. Die Verteilung der Kriegsgefangenen auf die einzelnen Kreisbauernschaften bitte ich aus beiliegenden Aufstellung zu ersehen. Danach waren in der westfälischen/lippischen Landwirtschaft bis zum 4.11. ds.Js. insgesamt rund 11.000 Kriegsgefangene eingesetzt. An die rheinische Landwirtschaft sind aus dem Stalag VI A in Hemer annähernd 1 000 Gefangene abgegeben worden. Nichtlandwirtschaftliche Aufträge sind bisher nur in ganz geringem Umfange berücksichtigt worden. Einer Firma, die im Bezirk Bochum äußerst dringliche Lagerarbeiten (Lagerung von 120.000 to Düngemitteln aus der an das Räumungsgebiet angren80 Zum Stammlager (Stalag) VIa für Kriegsgefangene in Hemer s. http://www.stalag-via.de/stalvor.htm (Stand 8.12.2022).



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zenden Zone) auszuführen hat, sind 151 Gefangene zugewiesen worden. Bei dem Bau des Wasserwerks Echthausen, Kreis Arnsberg, sind 60 Gefangene beschäftigt. Ferner hat eine Baufirma, die Tunnelarbeiten an der Strecke Hagen-Siegen im Kreise Olpe ausführt, 60 Gefangene erhalten. Wie ich vom Landesarbeitsamt Niedersachsen erfahre, ist kaum damit zu rechnen, daß aus den beiden Lagern im Emsland81, die auch für Westfalen vorgesehen sind, wegen des starken Eigenbedarfs der niedersächsischen Landwirtschaft Gefangene in größerem Umfange an Westfalen abgegeben werden können. Zunächst wird nur ein Kommando von 50 Mann aus dem Lager im Emsland in den nächsten Tagen für Torfarbeiten im Bezirk des Arbeitsamts Bocholt gestellt. Der Einsatz der Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft war zunächst nur für die Hackfruchternte und Herbstbestellungsarbeiten vorgesehen. Bei einer Besprechung mit den Kreisbauernführern habe ich jedoch festgestellt, daß ein erheblicher Teil der Kriegsgefangenen auch während der Wintermonate in der Landwirtschaft verbleiben muß, da durch den Mangel an landwirtschaftlichen Arbeitskräften in den Vorjahren eine ganze Reihe wichtiger Arbeiten liegengeblieben ist, die jetzt mit Hilfe der Gefangenen nachgeholt werden müssen. Trotzdem habe ich angesichts der erheblichen Anforderungen an Gefangenen für Meliorationsarbeiten usw., die gleichfalls im Interesse der Volksernährung liegen, die Arbeitsämter angewiesen, gemeinsam mit den Kreisbauernschaften festzustellen, inwieweit und ab wann bisher in der Landwirtschaft tätige Gefangene für Meliorationsarbeiten im Bedarfsfalle herausgezogen werden können. […] 2] Richtlinien für den Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen Stellv. Generalkommando VI: Richtlinien für den Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen, Münster, 9.10.1939, Nur für den Dienstgebrauch! (LAV NRW W, K 001–5187) Die nachstehenden Richtlinien berücksichtigen die massgebenden Vorschriften sowie die Ergebnisse seitheriger Erfahrungen und einer Besprechung mit Vertretern der Landesarbeitsämter, der inneren Verwaltung und der öffentlichen Bedarfsstellen für Kriegsgefangene usw. am 2. Oktober 1939 in Dortmund. […] 2.) Steuerung des Arbeitseinsatzes. a) Der Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen geschieht nach Richtlinien, die vom Reichsarbeitsministerium den Landesarbeitsämtern gegeben werden. Es sind zuständig:

81 Zu den Emslandlagern Habbo Knoch: Die Emslandlager 1933-1945, in: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Bd. 2, München 2005, S. 532-570.

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Das Landesarbeitsamt Westfalen in Dortmund für das Stalag VI/A (Hemer bei Iserlohn) und VI/D (Dortmund). Das Landesarbeitsamt Westfalen auch für das Rheinland, soweit Abgaben aus dem Stalag VI/A in Betracht kommen. Das Landesarbeitsamt Rheinland in Köln, soweit Dulag F (Köln) in Betracht kommt. Das Landesarbeitsamt Niedersachsen in Hannover für Abgaben aus den Stalag VI/B (Veersen im Emsland) und VI/C (Bathorn im Emsland), Aus den Lagern VI/B und VI/C sollen Kriegsgefangene auch in Westfalen und Lippe durch Vermittlung des Landesarbeitsamtes Westfalen eingesetzt werden. b) Für Zwecke der Arbeitsvermittlung ist zu jedem Lagerkommandanten inzwischen ein Beauftragter der genannten Landesarbeitsämter getreten. Diese haben ausserdem je ein „federführendes Arbeitsamt“ bestimmt, und zwar Für Stalag VI/A das Arbeitsamt Iserlohn, „ „ VI/B „ Nordhorn, „ „ VI/C „ Nordhorn, „ „ VI/D „ Dortmund, „ Dulag F „ Köln […] 3] Polnische Landarbeiter für Westfalen Rundverfügung Nr. 90/140 des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an die Arbeitsämter, 6.2.1940, betr. Hereinholung polnischer Landarbeiter (Abschrift) (LAV NRW OWL, M 1 I P 1669) 1. Der Herr Reichsarbeitsminister hat für den Arbeitsamtsbezirk Westfalen ein grösseres Kontingent an volkspolnischen landwirtschaftlichen Arbeitskräften zur Verfügung gestellt, das voraussichtlich ausreichen wird, um den Bedarf an landwirtschaftlichen Arbeitskräften für das Jahr 1940 zu decken. Die Arbeitskräfte werden sämtlich aus dem Bezirk des Arbeitsamts Radom (Kreise Radom und Kozienice) angeworben. Aufträge zur Vermittlung von Arbeitskräften aus anderen Bezirken der Ostgebiete und des Generalgouvernements können daher nicht berücksichtigt werden. Ferner sind namentliche Anforderungen – auch solche aus dem Arbeitsamtsbezirk Radom – grundsätzlich zurückzuweisen. 2. Zu der Anwerbung sind von hier aus Vermittler entsandt worden. Ausserdem nehmen an der Anwerbung 3 Kreisgefolgschaftswarte der Landesbauernschaft Westfalen teil. […] 4. Die angeworbenen Kräfte werden durch Sonderzüge mit durchschnittlicher Stärke vom 600–800 Personen in die Aufnahmebezirke befördert. Die Züge werden nach Möglichkeit an solchen Orten, die für die Weiterverteilung der Kräfte verkehrsgünstig liegen, halten. Die Aussteigestationen werden von mir bestimmt und den Arbeitsämtern unter Angabe der Zahl der Arbeitskräfte, die dort auszusteigen haben, rechtzeitig bekannt ge-



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geben. Zur Abholung aus den Anwerbegebieten sind von allen Arbeitsämtern Transportbegleiter zur Verfügung zu stellen und nach näherer Weisung zu entsenden. Diese brauchen nicht sprachkundig zu sein, müssen aber Uniform tragen. Vom Arbeitsamt Radom wird jedem Transport ein männlicher und weiblicher Transportbegleiter beigegeben. Die Transportbegleiter müssen im übrigen im Besitz eines gültigen Reisepasses, Passierscheins und eines Dienstreiseausweises sein. Der Passierschein ist bei der Ortspolizeibehörde des Wohnorts zu beantragen. 5. Zur Übernahme der Transporte sind unverzüglich nach Bekanntgabe des Eintreffens und der Haltestationen vom Leiter des Arbeitsamtes die notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Für die Abwicklung ist ein grösserer Saal möglichst in der Nähe des Bahnhofs bereitzustellen, entsprechend herzurichten (Heizung usw.) sowie Verpflegung der polnischen Landarbeiter vorzubereiten. Ferner sind Angestellte des Arbeitsamts in ausreichender Zahl einzusetzen. […] 9. Das Verhalten der deutschen Bevölkerung, insbesondere der Bauern und Landwirte gegenüber den zivilen volkspolnischen Arbeitskräften ist nach den Grundsätzen der Behandlung von Kriegsgefangenen scharf zu überwachen. Es ist streng darauf zu achten, dass unter keinen Umständen deutsche landwirtschaftliche Arbeiter polnischen Arbeitskräften weichen müssen. Es ist für die Zukunft der deutschen Landwirtschaft von entscheidender Bedeutung, dass durch den Einsatz von polnischen Arbeitskräften die Landflucht nicht neuen Auftrieb bekommt. 4] Bedarf an Kriegsgefangenen Lagebericht des Rüstungskommandos Düsseldorf für die Zeit vom 5.5. bis 5.6.1940, 6.6.1940 (Auszug) (BArch-MA RW 21–16/2) Die Lage auf dem Gebiet des Arbeitseinsatzes hat sich gegenüber dem letzten Bericht nicht gebessert. Nach wie vor sind die Anforderungen von Facharbeitern und vor allen Dingen kräftigen Hilfsarbeitern sehr gross und von den Arbeitsämtern nicht zu befriedigen. Der Ruf nach Kriegsgefangenen ist deshalb sehr dringend. Deren Einsatz würde eine bedeutende Erleichterung auf dem Gebiet des Arbeitseinsatzes bringen. Allein die Firma Rheinmetall-Borsig A.–G., Düsseldorf, hätte sofort Verwendung für etwa 500 Gefangene. Dazu kommen unzählige andere Betriebe, die ebenfalls Gruppen von 50–100 Mann gebrauchen könnten. Soweit nicht grössere Zahlen in Frage kommen, wird bezüglich der Unterkunftsfrage vorgeschlagen, zur Erleichterung der Bewachung in den Städten grössere Gefangenlager zu errichten, von wo aus die einzelnen Trupps täglich an ihre Arbeitsstätten gebracht werden.

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5] Die Erfahrungen einer Zeche mit italienischen Arbeitern Schreiben der Zeche Gewerkschaft ver. Klosterbusch an das Arbeitsamt Bochum, 26.10.1940 (Abschrift) (LAV NRW W, K 001–3169) Auf Ihr o.a. Schreiben teilen wir Ihnen mit, daß von den uns überwiesenen italienischen Arbeitern bereits 21 wieder abgekehrt und in die Heimat zurückgefahren sind. In allen Fällen – bis auf einen Fall – haben die Leute aus nichtigen Gründen einfach die Arbeit niedergelegt und waren trotz aller Bemühungen sowohl seitens der Zeche wie auch seitens des Herrn Inspektor Becherini nicht zu bewegen hierzubleiben. Auf Veranlassung von Herrn Becherini haben wir den Leuten die Rückfahrkarten besorgt und sie fahren lassen müssen. Da die Leute nur 4 bis 6 Wochen hier gearbeitet haben, sind uns ganz außerordentlich hohe Kosten entstanden, ohne daß wir von den Leuten praktisch irgendeinen Nutzen gehabt hätten. Fast alle uns zugewiesenen Leute stammen aus Italien, haben vom Bergbau nicht die geringste Vorstellung und waren dazu auch noch in einer sehr schlechten körperlichen Verfassung. Wie uns die Leute s.Zt. berichteten, war der größte Teil von ihnen lange Zeit arbeitslos gewesen oder hatte in Kurzarbeit nur 3 Tage in der Woche gearbeitet. Daß diese Leute, die mit einem geringen Einkommen stets eine große Familie zu ernähren hatten, hier erst “herausgefuttert“ werden mußten, ist verständlich. Die Verpflegungskosten hatten daher auch in diesen ersten 6 Wochen eine entsprechende Höhe, wir mußten in dieser Zeit rund 50% mehr als vorgesehen für die Verpflegung aufwenden. Trotzdem die Leistung der Leute nur im Durchschnitt etwa 60% der erwarteten Leistung betrug, haben wir im Monat September (Arbeitsaufnahme der Italiener am 27.8.4O) einen Durchschnittslohn für die unter Tage beschäftigten Italiener von RM 8,19 gehabt! Dieses Entgegenkommen ist uns von den Leuten sehr schlecht belohnt worden. Wie oben schon gesagt, haben eine ganze Reihe von Leuten nacheinander aus den nichtigsten Gründen die Arbeit niedergelegt, der eine bekam „schlecht Luft in der Grube“, der andere wollte nur Butterbrote mit „Salami“ haben (wenn nicht, kann er nicht weiter arbeiten), wieder ein anderer wollte sofort RM 12.– bis 15.– verdienen (angeblich sei dies bei der Werbung versprochen worden), andere wollten nicht mit dem Abbauhammer arbeiten und wieder andere nicht Steine laden usw.. Trotz aller Bemühungen und Vorstellungen, zuerst durch den Dolmetscher, dann durch die Zeche und zuletzt durch Herrn Becherini, wollten die Leute keine Vernunft annehmen und wollten nach Hause, falls ihnen die einzelnen, unsinnigen Forderungen nicht erfüllt würden. Wir brauchen nicht darauf hinzuweisen, welche großen Schwierigkeiten im Grubenbetriebe dadurch entstehen, wenn von heute auf morgen so viel Leute die Arbeit niederlegen, wir möchten auch an dieser Stelle nur darauf hinweisen, daß unsere Gefolgschaft diese Haltung lebhaft kritisiert und darüber verärgert ist, daß die Ausländer allgemein besser gestellt werden als der deutsche Arbeiter. […]



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Wir bitten Sie nun um folgendes: Die uns übersandte Rechnung über Fahrtkosten, Verwaltungskostenbeitrag und Beschäftigungsgebühr sieht für 45 Mann einen Betrag von RM 1 656.– vor. Da von den 45 Leuten aber schon 21 wieder abgekehrt sind, bitten wir, diese 21 Mann von Ihrer Rechnung abzusetzen, da durch diese 21 Mann der Vertrag nicht eingehalten wurde. Es wäre u.E. ein unbilliges Verlangen, wenn wir für diese Leute, die zu dem Zeitpunkt, an dem die Rechnung eintrifft, schon wieder abgekehrt sind, alle Kosten zahlen müssen. […] 6] Schwierigkeiten bei der Entlohnung u.a. Lagebericht des Reichstreuhänders der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Westfalen-Niederrhein über das III. Vierteljahr 1940; Vertraulich! (Auszug) (LAV NRW W, K 001–5109) Der Ausländereinsatz hat im letzten Vierteljahr zu besonders starken Zuweisungen von Italienern (vor allen im Bergbau), Polen (vor allem in der Landwirtschaft), Holländern, Belgiern und Franzosen (besonders im Baugewerbe und in der Eisen- und Metallindustrie) geführt. Schwierigkeiten hat oft die Entlohnung gemacht, da bei der Werbung häufig zu hohe Löhne und auch zu günstige sonstige Arbeitsbedingungen behauptet worden sind. Es wurden beispielsweise belgischen Facharbeitern, die in Remscheid eingesetzt werden sollten, Löhne von 95 Rpf. genannt, während der höchste Facharbeiterlohn in der anfordernden Fabrik 85 Rpf. betrug. Die Leistungen der Ausländer werden – abgesehen von den in der Industrie angesetzten Polen – im allgemeinen als gut bezeichnet. Die in der Landwirtschaft angesetzten Polen scheinen im Gegensatz zu denen in der Industrie im allgemeinen befriedigende Leistungen zu bringen. 7] „Hier könnte noch mancher deutsche Hilfsarbeiter durch Ausländer ersetzt werden“ Landesarbeitsamt Rheinland: Einsatzlagebericht für den Monat November 1941 (Vertraulich! Nur für den inneren Dienstgebrauch), (Auszug) (LAV NRW R, RW 86–3) Die zusätzliche Hereinnahme weiterer Ausländer steht im Vordergrund aller Arbeitsmarktmassnahmen. Der Ausländeranteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten liegt im Rheinland, trotz aller Bemühungen des Landesarbeitsamtes leider wesentlich niedriger als in fast allen anderen Bezirken. Daran ändert sich im wesentlichen auch dann nichts, wenn man den Grenzgängereinsatz mit berücksichtigt. Dieser Nachteil trifft besonders hart die Engpassbezirke mit qualifizierten Arbeiten und die Bezirke der Eisen schaffenden Industrie. Hier könnte noch mancher deutsche Hilfsarbeiter durch Ausländer ersetzt werden und zu wichtigeren Arbeiten herangezogen werden, wenn es gelänge

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den Gesamtbestand an Ausländern im Rheinland zu erhöhen. Abwehrmässig ist das mit Rücksicht auf den verhältnismässig noch geringen Anteil der Ausländer und Kriegsgefangenen in Höhe von rund 11% der Arbeitsbuchpflichtigen vertretbar. 8] Die beschäftigten Arbeiter und Angestellten im Landesarbeitsamtsbezirk Rheinland 1941/42 August 1941

August 1942

abs. Beschäftigte insg.

%

2 423 993

abs.

%

2 433 129

davon: Ausländera)

106 922

4,4

125 322

5,2

Kriegsgefangene

98 359

4,1

101 611

4,2





89 603

3,7

Ostarbeiter

a) Angeworbene bzw. zwangsrekrutierte zivile ausländische Arbeitskräfte. Zusammengestellt nach dem Bericht des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland über die Arbeitseinsatzlage im August 1942, 7.9.1942, LAV NRW W, K 001–5137.

9] Die beschäftigten Arbeiter und Angestellten im Gauarbeitsamtsbezirk Essen 1942/43 31.12.1942 abs. Beschäftigte insgesamt

660 499

davon: Ausländera)

116 885

31.12.1943 %

abs.

%

673 067 17,7

157 544

23,4

Zivile Ausländer, Ostarbeiter und Kriegsgefangene. Zusammengestellt nach dem Bericht des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Treuhänder der Arbeit Essen über die Arbeitseinsatzlage im Monat Januar 194482,14.2.1944, LAV NRW W, K 001–5140. a)

82 Im Dokument fälschlich Januar 1943.

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Der Arbeitseinsatz im Dienst der Kriegswirtschaft



10] Von den Arbeitsämtern im Gauarbeitsamtsbezirk Westfalen-Süd eingesetztea) Arbeitskräfte 1943–1944 Gesamtwirtschaft davon Ausländer insges.

insges.

%

Juli 1943

18 566

8 792

47,4

April 1944

16 134

5 824

36,1

Rüstungswirtschaft Juli 1943

6 542

4 294

65,8

April 1944

5 016

2 616

51,1

a) Vermittelte oder zugewiesene Personen. Zusammengestellt nach den Berichten des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Reichstreuhänder der Arbeit über den Arbeitseinsatz im Gauarbeitsamtsbezirk im Monat September 1943 und im Monat April 1944, LAV NRW W, K 001–5140.

11] Die beschäftigten Ausländera) im Landesarbeitsamtsbezirk Rheinland nach Staatsangehörigkeit Staatsangehörigkeit Belgien Frankreich Italien Jugoslawien u. Kroatien

25.9.1941

31.12.1942

abs.

%

abs.

%

12 347

11,1

17 983

6,5

3 272

3,0

15 728

5,7

11 323

10,2

11 748

4,4

8 018

7,2

6 800

2,5

Niederlande

33 634

30,2

42 6982

15,5

Generalgouvernement u. Bialystock

29 793

26,8

42 670

15,5

Ostarbeiter Sonstige insgesamt





126 519

46,0

12 841

11,5

10 972

3,9

111 228

100,0

275 112

100,0

a) Ohne Kriegsgefangene. Zusammengestellt nach der Abschrift des Berichts des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland über die Arbeitseinsatzlage für den Monat Januar 1943, LAV NRW R, RW 86–3.

208

Die Arbeitsverwaltung im totalen Krieg 1939 – 1945

12] Durchgangslager für sowjetrussische Arbeitskräfte Rundschreiben der Gestapoleitstelle Düsseldorf an ihre Außendienststellen und Grenzpolizeikommissariate, 12.2.1942 (LAV NRW R, RW 36–42) Nachstehend übersende ich einen Auszug aus dem Erlaß des Reichssicherheitshauptamtes vom 6. Februar 1942 – II E I b – 35 311 – mit der Bitte um Kenntnisnahme und Beachtung: „Auf Anordnung des Reichsmarschalls werden in den bisher besetzten sowjetrussischen Gebieten in grösstem Umfange sowjetrussische Arbeitskräfte angeworben, die im Reichsgebiet eingesetzt werden sollen. Mit Rücksicht darauf, dass die zum Einsatz gelangenden Kräfte jahrelang dem verhetzenden Einfluß des Bolschewismus ausgesetzt waren, sind besonders strenge Bewachungsmaßnahmen erforderlich. […] B. Bewachung innerhalb der Reichsgrenzen. 1. Durchgangslager. Von den Landesarbeitsämtern werden sogenannte Durchgangslager mit Entlausungseinrichtungen aufgestellt, in die die sowjetrussischen Arbeitskräfte vor ihrer endgültigen Aufteilung auf die Betriebe letztmalig geschlossen transportiert werden. Der Aufenthalt in diesen Lagern soll möglichst kurz bemessen sein. In den Bezirken der Landesarbeitsämter befinden sich folgende Durchgangslager: Bezirk Aufstellungsort Westfalen Soest pp. pp. Für die Bewachung während des Transports vom Entseuchungslager zum Durchgangslager ist die Ordnungspolizei verantwortlich. Ihre Bewachungspflicht endet mit der Abgabe der Transporte an die Durchgangslager. […] C. Der Meldeweg. Nachdem die Transporte aus den besetzten Gebieten gemeldet worden sind, erfolgt von hier aus eine Benachrichtigung der für den Arbeitseinsatz zuständigen Inspekteure sowie der betreffenden Staatspolizei(leit)stellen. Ferner werden von hier aus die Fachgruppen des Bewachungsgewerbes und das Reichsarbeitsministerium unterrichtet. Die Staatspolizei(leit)stellen setzen sich sofort mit dem zuständigen Landesarbeitsamt und dem Bezirksobmann des Bewachungsgewerbes […] in Verbindung und überprüfen die eingerichtete Bewachung.“ […]



Der Arbeitseinsatz im Dienst der Kriegswirtschaft

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13] Probleme beim Ausländereinsatz Protokoll der Besprechung der Arbeitsamtsleiter des Bezirks Westfalen-Süd am 23.7.1943 (Auszug) (LAV NRW W, N 100–1167) Oberregierungsrat Dr. Haselhof macht Ausführungen über den Ausländereinsatz, insbesondere auch über die Rückführung von vertragsbrüchigen ausländischen Arbeitskräften. Als besonders wichtig wird die Rückführung kranker Ostarbeiter, von denen inzwischen im Bezirk Westfalen 2 000 vorhanden sind, deren Einsatzfähigkeit nicht mehr gegeben ist und die zum großen Teil in betriebseigenen Lägern liegen, herausgestellt. Oberregierungsrat Dr. Haselhof weist darauf hin, daß mit deren Rückführung in Kürze zu rechnen ist und vom GBA. nach den vorliegenden Informationen in Kürze dazu die notwendigen Weisungen ergehen werden. An Krankenhausbaracken sind im LAA-Bezirk Westfalen 57 vorhanden, allerdings noch nicht alle ausgestattet. Weiterhin wird auf den schlechten Zustand und die für den Arbeitseinsatz nicht tragbare Zusammensetzung der letzthin eingegangenen Ostarbeitertransporte verwiesen. Es waren in größerem Umfange Kinder und nicht ältere einsatzfähige Menschen bei diesen Transporten. Darüber ist dem GBA. berichtet worden. Der Arbeitsvertragsbruch bei Ost- und Westarbeitern ist in der letzten Zeit erheblich angestiegen. Es muß mit allem Nachdruck versucht werden, zu erreichen, geflüchtete Ostarbeiter wieder ihren Betrieben zuzuführen. Die Arbeitsämter haben diesen Fragen besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Bei den Westarbeitern ist neuerdings die Möglichkeit seitens des Reichstreuhänders gegeben, bei bestimmten Betrieben den Urlaub zu sperren, da ein großer Teil der beurlaubten Westarbeiter in letzter Zeit nicht zurückgekehrt ist. Bei weiterem Anhalten des Ausbleibens beurlaubter Westarbeiter soll von der Anordnungsbefugnis, Urlaubssperre zu verhängen, zunächst bei einzelnen Betrieben unverzüglich Gebrauch gemacht werden.

210

Die Arbeitsverwaltung im totalen Krieg 1939 – 1945

14] Der Zwangsarbeitereinsatz in Westfalen 1943 Bericht des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz über den Arbeitseinsatz im Landesarbeitsamtsbezirk Westfalen in der Zeit vom 1. bis 31. März 1943, 6.4.1943, Geheim! (Auszug) (LAV NRW W, K 001–5140) Der Neuzugang an Ausländern blieb im März hinter dem Vormonatsergebnis noch zurück. Er betrug 8.641 Kräfte, von denen 6.900 auf Belgien und Frankreich und 900 auf die Niederlande entfielen. Im Berichtsmonat liefen 3 Transporte mit 5.638 sowjetischen Kriegsgefangenen im Stalag 32683 ein. Die Gefangenen wurden wegen Fleckfieberverdacht sofort in Quarantäne gelegt. Während der erste Transport in den letzten Märztagen zum Einsatz freigegeben wurde, sollen die beiden übrigen Anfang April eingesetzt werden. An voll einsatzfähigen Kriegsgefangenen wurden der Rüstungswirtschaft 160 und dem Bergbau 170 Sowjetrussen zugeführt, während die Land- und Forstwirtschaft rd. 1.300 und die übrige Wirtschaft rd. 80 aufpäppelungsfähige Sowjetrussen erhielt. Die im Stalag Senne anfallenden, für Be- und Entladungsarbeiten tauglichen sowjetrussischen Kriegsgefangenen sind gemäß Weisung des Herrn GBA. den Landesarbeitsämtern SteiermarkKärnten, Wien-Niederdonau, Alpenland und Hessen im Rahmen der Nov.–Rü-Aktion84 überwiesen worden. Im Rahmen der Aktion Aufbau 9. Welle waren aus dem Landesarbeitsamtsbezirk 790 französische Kriegsgefangene in die Heimat zu entlassen. Die Aktion wurde im Berichtsmonat zu Ende gebracht. 15] Die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Ausländer Bericht des Präsidenten des Landesarbeitsamtes und Reichstreuhänder der Arbeit Westfalen-Süd über den Arbeitseinsatz im Gauarbeitsamtsbezirk Westfalen-Süd für den Monat Oktober 1943, 8.11.1943, Geheim! (Auszug) (LAV NRW W, K 001–5140) Die Gesamtzahl der Bergarbeiterbelegschaft im Ruhekohlenbergbau steht für Oktober 1943 noch nicht endgültig fest. Im September 1943 war die Belegschaftsziffer um 51.899 auf 398.388 gestiegen. Gegenüber dem Stand vor Beginn des Krieges (vorletzter Tag im August 1939) hat sich damit die Belegschaft um 62.620 Mann vermehrt. Dagegen stellte sich die Kohlenförderung, die im August 1939 11.549.805 t = 427.771 t arbeitstäglich 83 Kriegsgefangenen-Stammlager 326 Senne in Holte-Stukenbrock; https://stalag326.de (Stand 3.3.23). 84 Dazu Kroener: „Menschenbewirtschaftung“, S. 825 ff.

Der Arbeitseinsatz im Dienst der Kriegswirtschaft



211

betrug, im September 1943 lediglich auf 10.077.960 t = 387.614 t arbeitstäglich, was einem Förderungsrückgang um 1.471.845 t = 66.887 t arbeitstäglich gleichkommt. Der Grund für diesen Förderungsrückgang ist in den besonderen Kriegsverhältnissen, vor allem aber in dem starken Anteil der ausländischen Arbeitskräfte an der Belegschaft, zu suchen. In diesem Zusammenhang verdient folgende Zusammenstellung einer Großschachtanlage des Dortmunder Bezirkes über die Durchschnittsleistung der Ausländer, die als allgemeingültig angesehen werden kann, Beachtung. Nationalität:

Leistungsgrad:

Bemerkungen:

Polen

100 %

sehr ausdauernd, für bergm. Arbeiten gut geeignet

Sowj. Kr.Gef.

50–60 %

halten mit der Arbeitsleistung stark zurück

Belg. Kr.Gef.

75 %

Westarbeiter

60 %

Ukrainer

70 %

geringe Arbeitsdisziplin

Ostarbeiter

60 % 65–70 %

bei starkem Jugendlichenanteil Einzelleistungen Erwachsener

Italiener



Einsatz läuft erst 6 Schichten. 5% willig, 30% verweigert Grubenarbeit; sehr leistungsschwach

Hierzu wird noch besonders hervorgehoben, daß die im Berichtsmonat im Bergbau erstmalig eingesetzten italienischen Militärinternierten85 neben ihren völlig unbefriedigenden Leistungen noch faul und widerspenstig sind. 16] „Ein weiteres Nachlassen der Leistungsintensität vor allem bei den Westarbeitern“ Arbeitseinsatzbericht des Präsidenten des Gauarbeitsamtes und Reichstreuhänder der Arbeit Westfalen-Süd für den Monat Dezember 1943, 13.1.1944, Geheim! (Auszug) (LAV NRW W, K 001–5140) Die Arbeitseinsatzlage hat sich also im wesentlichen nicht geändert, es ist im Gegenteil mit einer weiteren Verschärfung durch erhöhte Einberufungen zur Wehrmacht und zum RAD sowie durch Ausweitung der Fertigung zu rechnen. Dem stehen z.Zt. ganz ungenügende Neuzugänge an ausländischen Arbeitskräften und Kriegsgefangenen gegenüber. Es kamen im Berichtsmonat für die Rüstung nur rund 200 zivile Ausländer neu herein. An Kriegsgefangenen wurden rd. 2.500 neu eingetrof85 Als italienische Militärinternierte wurden die ca. 600.000 italienischen Soldaten bezeichnet, die nach Abschluss des Waffenstillstandes zwischen Italien und den Alliierten im September 1943 von deutschen Truppen festgenommen worden waren und sich geweigert hatten, mit ihnen den Krieg fortzusetzen. Zum Kontext vgl. Hammermann: Zwangsarbeit.

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Die Arbeitsverwaltung im totalen Krieg 1939 – 1945

fene Kriegsgefangene dem Bergbau und rund 1.600 Kriegsgefangene der Rüstungswirtschaft zugeführt. Hierunter befindet sich eine geringe Zahl ital. Militärinternierter, die sich seinerzeit noch in den Stalags unseres Bezirks befanden. Außerdem kamen auf dem Wege der Umsetzung aus der Landwirtschaft anderer Gauarbeitsämter 6.200 Kräfte für die Rüstungsindustrie herein. Im eigenen Bezirk wurden auf diesem Wege 200 Kräfte für die Rüstungsindustrie und 1.350 für die Forstwirtschaft gewonnen. Diese Zuweisungen haben nur eine unwesentliche Entlastung mit sich gebracht, zumal sich zu gleicher Zeit nach Feststellungen der Inspektion des Ost- und Westarbeitereinsatzes ein weiteres Nachlassen der Leistungsintensität vor allem bei den Westarbeitern bemerkbar macht. In einem Arbeitsamtsbezirk z. B. stieg die Zahl der Vertragsbrüche bei den Westarbeitern von 340 auf 431, und zwar bei den Belgiern von 41 auf 68 und bei den Franzosen von 116 auf 193. Auch bei den Holländern waren, vor allem in der Weihnachtszeit, zunehmende Vertragsbrüche festzustellen. Demgegenüber ist die Zahl der vertragsbrüchigen Ostarbeiter vielfach weiter rückläufig. So waren in einem Bezirk im Berichtsmonat von rd. 9.500 Ostarbeitern nur 68 vertragsbrüchig. Ob der Rückgang der Ostarbeiterfluchten auf die Bemühungen zurückzuführen ist, die Ostarbeiter korrekt zu behandeln und für ordnungsgemäße Unterkunft und Verpflegung zu sorgen, werden das Frühjahr und die darauf folgenden Sommermonate erweisen, da bekanntlich in den Jahreszeiten mit den besseren Witterungsverhältnisse die Fluchten immer stark angestiegen sind.



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3. Die Arbeitsverwaltung und der Terror 3.1 „Arbeitsscheue“, „Arbeitsbummelanten“ und Arbeitsvertragsbrüchige Einführung Bei ihrer Gründung 1927 verfügte die Reichsanstalt bei Verstößen gegen die Regeln der Vermittlung und der Versicherung lediglich über Sanktionsmöglichkeiten innerhalb ihres eigenen Verwaltungsrahmens, etwa durch Ausschluss von der Vermittlung oder durch Kürzung und Entzug von Unterstützungsleistungen. Nach dem „Gesetz zur Regelung des Arbeitseinsatzes“ vom 15.5.1934 konnte sie beispielsweise Personen, die ohne Genehmigung des Arbeitsamtes zur Arbeitsaufnahme in einen gesperrten Bezirk gezogen waren, bei Arbeitslosigkeit die Unterstützung verweigern.1 Auch Pression und Einschüchterung gehörten zum Repertoire der Ämter.2 Aber schon 1937 konnten z. B. Unternehmer, die gegen die Bestimmungen der Metallarbeiterverordnung verstießen, „mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten“ bestraft werden. Die gleiche Strafe drohte demjenigen, „der sich vorsätzlich ohne Zustimmung als Arbeiter oder Angestellter einstellen oder beschäftigen läßt“.3 Eine Voraussetzung für die Ausweitung und Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten des Regimes, die mit der Expansion der Interventionsbefugnisse der Reichsanstalt einhergingen, war die seit 1933 vollzogene Kriminalisierung des Arbeitsrechts. Indem Arbeit nicht mehr in erster Linie dem Erwerb des individuellen Lebensunterhalts dienen sollte, weil die nationalsozialistische Ideologie sie zum „Dienst an der Volksgemeinschaft“ umdefinierte, wurden innerbetriebliche Konflikte und Ordnungsverstöße im Lauf der 1930er Jahre immer seltener im Rahmen des Arbeitsrechts verhandelt, sondern als Straftatbestände Gegenstand polizeilicher Ermittlungen und strafgerichtlicher Verfahren.4 Eine Zusammenarbeit mit der Polizei resp. der Geheimen Staatspolizei gab es schon im ersten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft bei lokalen Aktionen gegen das Doppelverdienertum.5 Sie verstetigte sich bei den politischen Überprüfungen der Be-

1 S. Kap. 1.3.3. 2 Dazu Dok. 1 in Kap. 1.3.3. 3 Rundverfügung des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 12.2.1937: „Arbeitseinsatz von Metallarbeitern“: RABl. I, 1937, S. 38 f. 4 Buggeln/Wildt: Arbeit im Nationalsozialismus, mit mehreren einschlägigen Beiträgen; Eden: Arbeitsrecht. Hin und wieder kam es aber schon in den ersten Jahren des „Dritten Reiches“ zu polizeilichen Zwangsmaßnahmen wie Schutzhaft und Lagereinweisungen gegen Arbeitsvertragsbrüchige und „Arbeitsscheue“; die Initiative scheint v.a. von den kommunalen Fürsorgestellen ausgegangen zu sein. Detlef Humann: Ordentliche Beschäftigungspolitik? Unterstützungssperren, Drohungen und weitere Zwangsmittel bei der „Arbeitsschlacht“ der Nationalsozialisten, in: VfZ 60 (2012), S. 33–67. 5 Humann: „Arbeitsschlacht“, S. 179–194.

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Die Arbeitsverwaltung und der Terror

legschaften von geschützten Betrieben.6 Eine Kooperation ergab sich auch seit 1938 bei der Organisation der jüdischen Zwangsarbeit.7 Noch intensiver erfolgte sie bei der Aktion gegen „Arbeitsscheue“ im Frühjahr 1938.8 Weil Arbeit als „Dienst an der Volksgemeinschaft“ galt, lag es ideologisch nahe, arbeitsfähige, aber willentlich nicht arbeitende Personen zusammen mit Prostituierten, Bettlern, Landstreichern, Alkoholikern u.a. als „Asoziale“ zu stigmatisieren. Gegen sie konnte seit 1937 polizeiliche Vorbeugehaft verhängt werden. Darüber hinausgehend ordnete Ende Januar 1938 der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler eine „Aktion Arbeitsscheu Reich“ an, die ein „einmaliger, umfassender und überraschender Zugriff “ sein sollte, weil andernfalls die „Arbeitsunwilligen“ sofort Arbeitswilligkeit vortäuschen würden, „ohne aber nach wie vor fruchtbare Arbeit zu leisten“9. Den Arbeitsämtern war hierbei die Aufgabe zugewiesen, der Gestapo infrage kommende Personen zu benennen, die anschließend in Schutzhaft genommen und ggf. in das Konzentrationslager Buchenwald geschickt werden sollten. Abgesehen vom Drohpotential dieser Aktion für künftige „Arbeitsverweigerer“ profitierten die Arbeitsämter wegen der Reduzierung der Zahl der Dauererwerbslosen von ihrer Mitwirkung. Folgerichtig schloss Syrup „Asoziale“ im September 1939 vom Bezug der Arbeitslosenunterstützung grundsätzlich aus.10 Zur entscheidenden Veränderung kam es im Frühjahr 1939 durch die Verflechtung der Arbeitsverwaltung mit den Reichstreuhändern der Arbeit, wodurch die Arbeitsämter mit der Durchführung der Lohn- und Betriebsordnungen, mit Arbeitskonflikten, mit Arbeitsrechtsverstößen und insbesondere mit Arbeitsvertragsbrüchen, „Arbeitsscheu“ und „Arbeitsbummelei“ befasst wurden. Erstmals hatten sie sich jetzt auch um innerbetriebliche Angelegenheiten zu kümmern und verfügten über die den Treuhändern zustehenden Untersuchungs- und Sanktionsrechte.11 Zugleich wurde die Definition des 6 Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 204 f. 7 Nur kurz Dieter Maier: Arbeitseinsatz und Deportation. Die Mitwirkung der Arbeitsverwaltung bei der nationalsozialistischen Judenverfolgung in den Jahren 1938–1945, Berlin 1994, S. 46. 8 Wolfgang Ayaß: „Asoziale“ im Nationalsozialismus, Stuttgart 1995; zusammenfassend Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 261 ff. Im Juni 1938 schloss sich eine weitere Aktion gegen „Arbeitsscheue“ an, die aber in der Hand der Kriminalpolizei lag. Christian Faludi: Die „Juni-Aktion“ 1938. Eine Dokumentation zur Radikalisierung der Judenverfolgung, Frankfurt/Main 2013. In Köln war die Beteiligung des Arbeitsamtes an der Verfolgung „Asozialer“ gängige Praxis; Thomas Roth: Die „Asozialen“ im Blick der Gestapo – Zur kriminalpolizeilichen Verfolgung von Landstreichern, Bettlern, „Arbeitsscheuen“ und Fürsorgeempfängern nach 1933, in: Harald Buhlan, Werner Jung (Hg.): Wessen Freund und wessen Helfer? Die Kölner Polizei im Nationalsozialismus (= Schriften des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln, Bd. 7), Köln 2000, S. 424–491, bes. S. 440 f. 9 Zit. nach Wolfgang Ayaß (Bearb.): „Gemeinschaftsfremde“. Quellen zur Verfolgung von „Asozialen“ 1933– 1945, Stuttgart, 1998, S. 81 f. 10 Erlass des Reichsarbeitsministers (in Vertretung Dr. Syrup) „zur Durchführung der Verordnung über Arbeitslosenhilfe“, 11.9.1939, RABl. 1939 I, S. 432 ff.: „Asoziale stehen für den Arbeitseinsatz nicht zur Verfügung und gehören deshalb nicht in den Kreis der Unterstützungsempfänger des Arbeitsamts. Asozial ist, wer aus Arbeitsscheu Arbeitsmöglichkeiten beharrlich nicht nutzt oder nicht genutzt hat oder die Bemühungen, ihm Arbeit zu verschaffen, beharrlich vereitelt.“ Dazu auch Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 263. 11 Hierzu und zum Folgenden zusammenfassend Marx: Verwaltung, S. 214 ff. Zu den Treuhändern der Arbeit



„Arbeitsscheue“, „Arbeitsbummelanten“ und Arbeitsvertragsbrüchige

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Arbeitsvertragsbruchs erheblich ausgeweitet. Auch die Verweigerung bestimmter Tätigkeiten, absichtlich langsames Arbeiten, unentschuldigtes Fehlen, Verspätungen oder Beschimpfungen von Vorgesetzten galten jetzt als Vertragsbruch.12 Als Beauftragte der Treuhänder konnten die Arbeitsämter nun Anzeigen der Arbeitgeber entgegennehmen, die Beschuldigten einbestellen und eigenständig vernehmen und ggf. bei der Polizei Anzeige erstatten. Ab 1941 durften sie erstmals selbständig Geldund Ordnungsstrafen verhängen. Darüber hinaus konnten sie bei der Gestapo die Einweisung in Konzentrationslager bzw. Arbeitserziehungslager beantragen.13 Zumindest zu Beginn jedoch entwickelten nicht alle Gestapostellen denselben Verfolgungseifer wie die Arbeitsbehörden [Dok. 8]. Durch einen in der Regel mehrwöchigen Aufenthalt in einem dieser von der Gestapo selbst betriebenen Arbeitserziehungslager sollten die Häftlinge unter KZ-ähnlichen Bedingungen von weiteren Verstößen gegen die Betriebsregeln abgeschreckt werden. Eines dieser Lager wurde 1940 in Hunswinkel bei Lüdenscheid eingerichtet.14 Je länger der Krieg dauerte, je schwieriger die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und je höher der Anteil ausländischer Zwangsarbeiter wurden, umso mehr erodierten Betriebstreue, Arbeitsdisziplin und Arbeitsbereitschaft, aber auch die Leistungsfähigkeit der Belegschaften. Die Verfolgung von „Arbeitsscheu“, „Arbeitsbummelei“ und Arbeitsvertragsbruch im Kooperationsdreieck Arbeitgeber  – Arbeitsämter  – Gestapo absorbierte einen beträchtlichen Teil der Kapazitäten der Arbeits- und Verfolgungsbehörden und war nur mit eingespielten Verwaltungsroutinen (und z. B. mit neuen Formularen)15 abzuwickeln. Die Arbeitsverwaltung war nunmehr integraler Bestandteil des nationalsozialistischen Terrorapparats.

Eden: Arbeitsrecht; s. auch oben die Einführung zu Kap. 1.2.2. 12 Eden: Arbeitsrecht, S. 273. 13 Gabriele Lotfi: KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich, Stuttgart, München 2000, S. 56 f.; Vergin: Arbeitseinsatzverwaltung, S. 476 f.; Martin Spira: Einblicke in die Verfolgungstätigkeit der Staatspolizeistelle Trier, in: Thomas Grotum (Hg.): Die Gestapo Trier. Beiträge zur Geschichte einer regionalen Verfolgungsbehörde, Köln, Weimar, Wien 2018, S. 129–145, bes. S. 139 ff. 14 Neben Hunswinkel gab es im nördlichen Rheinland und in Westfalen noch Arbeitserziehungslager in Essen und Recklinghausen, zu denen im Verlauf des Krieges weitere Lager unterschiedlicher Art hinzukamen. Lotfi: KZ der Gestapo. Zu dem zum Arbeitserziehungslager umfunktionierten Konzentrationslager Messeturm in Köln s. Karola Fings: Messelager Köln. Ein KZ-Außenlager im Zentrum der Stadt (= Schriften des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Köln, Bd. 3), Köln 1996, S. 145 ff. S. a. Friederich Brinkmann: Das „Arbeitserziehungslager“ Lahde 1943–1945, in: Joachim Meynert, Arno Klönne  (Hg.): Verdrängte Geschichte. Verfolgung und Vernichtung in Ostwestfalen, Bielefeld 1986, S. 167–196. 15 Vergin: Arbeitseinsatzverwaltung, S. 473 ff.

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Die Arbeitsverwaltung und der Terror

1] Sanktionen gegen Arbeitsverweigerer u.a. Schreiben des Vorsitzenden des Arbeitsamtes Aachen an den Regierungspräsidenten in Aachen, 21.5.1937 (LAV NRW R, BR 5–16902) Angesichts des neuen grossen Erfolges des deutschen Kampfes gegen die Arbeitslosigkeit ist auch das Arbeitsamt Aachen mit verstärkten Mitteln bemüht, die immer noch grosse Zahl von Arbeitslosen durch Arbeitsvermittlung zu senken. Tausende von Volksgenossen des Aachener Bezirkes sind im Laufe der vier Jahre nationalsozialistischer Staatsführung in Arbeit vermittelt worden. Die besondere Lage unseres Bezirkes macht es jedoch unmöglich, die noch verbliebenen rund 10 400 Arbeitslosen im engeren Bezirk oder in der näheren Umgebung unterzubringen. Wie in allen übrigen Bezirken des Reiches, müssen auch die restlichen Aachener Arbeitslosen zwischenbezirklich vermittelt werden. Diese Notwendigkeit ist von den meisten Volksgenossen erkannt worden. Auch die arbeitslosen verheirateten Volksgenossen, die sich für das Wohl ihrer Familie verantwortlich fühlten und das Herumlungern leid waren, haben in grosser Zahl die Unbequemlichkeit des Ortswechsels und die vorübergehende Trennung von ihren Angehörigen auf sich genommen in dem Bestreben, sich eine neue gesunde Lebensgrundlage zu schaffen. Es gibt aber heute in unserem Bezirk auch noch Menschen, die es wie vor der Machtübernahme für möglich halten, die ihnen angebotene zumutbare auswärtige Arbeit ohne hinreichenden Grund abzulehnen. Sie stecken die Hände in die Taschen, beziehen Unterstützung oder leisten Schwarzarbeit, oder leben von Schmuggel. Sie warten allenfalls, bis ihnen vom Arbeitsamt wieder ein Platz bei einer örtlichen Notstandsarbeit zum Erwerb einer neuen Unterstützungsanwartschaft zugewiesen wird. Auf diese Zuweisung warten sie jedoch heute umsonst. […] Um eine Einheitlichkeit im Arbeitseinsatz zu ermöglichen, sehe ich es daher als Pflicht an, Ihnen in Zukunft alle Fälle von Unterstützungssperren, von unberechtigten Arbeitsverweigerungen, von selbstverschuldeter Arbeitsaufgabe oder ungerechtfertigter Ablehnung auswärtiger Arbeitsaufnahme schriftlich Mitteilung zu machen mit dem Anheimgeben, den Ihnen unterstellten Parteidienststellen die etwa notwendig erscheinenden Weisungen zugehen zu lassen. Zu Ihrer vertraulichen Kenntnisnahme darf ich noch anfügen, dass besonders krasse Fälle von Sabotage solcher Art auf Weisung des Herrn Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, als Beauftragter für die Durchführung des Vierjahresplans, laufend auf dem Dienstweg dem Herrn Ministerpräsidenten Göring zur weiteren Verfolgung mitgeteilt werden.



„Arbeitsscheue“, „Arbeitsbummelanten“ und Arbeitsvertragsbrüchige

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2] Die Aktion gegen „Arbeitsscheue“ 1938 in Kleve (LAV NRW R, RW 18–23) Schreiben des kommissarischen Landrats von Kleve an den Bürgermeister von Goch, 24.2.1938 Ich bitte mir bestimmt bis zum 1. März ds. Jahres Namen, Wohnort und Wohnung der in Ihrem Verwaltungsbezirke vorhandenen arbeitsscheuen Personen anzugeben. Als solche sind anzusehen: a) in erster Linie solche Personen, die nachweisbar in 2 Fällen die ihnen angebotenen Arbeitsplätze ohne berechtigten Grund abgelehnt oder die Arbeit zwar aufgenommen aber nach kurzer Zeit ohne stichhaltigen Grund wieder aufgegeben haben. b) solche von den Arbeitsämtern nicht erfassten Personen, bei denen auf Grund ihres gesamten Verhaltens mit Sicherheit anzunehmen ist, dass die wiederholten Bemühungen der zuständigen Stellen, sie in geregelte Arbeit zu bringen, unzulänglich gewesen wären. (Landstreicher und Trinker sind nicht zu erfassen; die Leute müssen arbeitsfähig sein.) Aktennotiz aus dem Landratsamt Kleve (Abschrift), 10.3.1938 Gestern, 12 Uhr, fand im Konferenzsaal der Staatspolizeistelle in Düsseldorf eine Dienstbesprechung der Sachbearbeiter für polizeiliche Angelegenheiten der Stadt- und Landkreise unter Leitung des Herrn Reg. und Krim. Rats Sommer16 statt. Es wurden folgende Punkte besprochen: 1) Erlass des RFSS vom 26.1.38 (schriftlich nur den Aussenstellen der Staatspolizei zugegangen und den Landratsämtern pp inhaltlich am 24.2.38 telefonisch mitgeteilt) betr. Massnahmen gegen Arbeitsscheue (asoziale Elemente)17. Der hauptsächlichste Inhalt des vorbezeichneten Erlasses wurde nochmals kurz bekanntgegeben. Die zu treffenden Massnahmen kommen nur für Reichsdeutsche – nicht Ausländer – in Betracht, bei 16 Franz Sommer (1897–1980) war 1934–1939 Leiter der Staatspolizeistelle Düsseldorf. Bastian Fleer­mann, Hildegard Jakobs, Frank Sparing: Die Gestapo Düsseldorf 1933–1945. Geschichte einer nationalsozialistischen Sonderbehörde im Westen Deutschlands, Düsseldorf 2012, S. 23. 17 Erlass des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei an das Geheime Staatspolizeiamt u.a., 26.1.1938: Der Reichs- und Preußische Innenminister habe die Kriminalpolizei ermächtig, unter gewissen Voraussetzungen Berufs- und Gewohnheitsverbrecher sowie asoziale Elemente, zu denen auch Arbeitsscheue zu rechnen seien, in Vorbeugehaft zu nehmen. „Arbeitsscheue im Sinn dieses Erlasses sind Männer im arbeitsfähigen Lebensalter, deren Einsatzfähigkeit in der letzten Zeit durch amtsärztliches Gutachten festgestellt worden ist oder noch festzustellen ist, und die nachweisbar in zwei Fällen die ihnen angebotenen Arbeitsplätze ohne berechtigten Grund abgelehnt oder die Arbeit zwar aufgenommen, aber nach kurzer Zeit ohne stichhaltigen Grund wieder aufgegeben haben.“ Die Arbeitsämter seien bereits angewiesen worden, die ihnen bekannten Arbeitsscheuen zu ermitteln und den Gestapostellen zu melden. Zit. nach: Ayaß: „Gemeinschaftsfremde“, S. 81 f.

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denen die Voraussetzungen des Erlasses gegeben sind. Es sind nur Männer in arbeitsfähigem Lebensalter festzunehmen zwecks späterer Unterbringung in Arbeitslagern. Die Auswahl der Festzunehmenden hat nach Anhörung der Wohlfahrtsämter bezw. Arbeitsämter zu erfolgen. Die Massnahmen gegen diese asozialen Elemente sind streng geheim zu halten. […] Schreiben der Gestapostelle Düsseldorf an den Landrat in Kleve, 12.4.1938 (Abschrift) Die mehrfach verschobene Aktion gegen Arbeitsscheue ist nunmehr durch das Geheime Staatspolizeiamt auf den 21.4.1938 festgesetzt worden. Ich ordne daher folgendes an: 1.) Am 21.4.1938 setzt schlagartig die Festnahme der Betroffenen ein. […] 3] Schutzhaft für einen Schlosser aus Kleve (LAV NRW R, RW 58–55539) Formular-Schreiben des Arbeitsamtes Kleve Arbeitsamt: Kleve Kleve, den 2. März 1938 An die Staatspolizei – Leit – Stelle – Kriminalpolizeistelle in Düsseldorf Betrifft: Anzeige Asozialer und Arbeitsscheuer. I. Personalien: Familienname: Brück Familienstand: verheiratet Vorname: Alex Geburtsname, -alter Wohnort: Kleve der Ehefrau geb. 31.12.90 Strasse: Großer Heideberg 10 Wohnort und Strasse Geburtstag: 26.8.90 (bei getrennter Haushaltsführung): Geburtsort und Kreis: Geldern Erlernter Beruf: Maschinenschlosser Erlernter Beruf: Maschinenschlosser Welche Art der öffentl. Unterstützung bezieht der Arbeitsscheue und in welcher Höhe: Unterstützg. eingestellt Zuletzt ausgeübter Für welche Angehörigen erhält er Beruf: ” Familienzuschläge bezw. erhöhte Unterstützung:



„Arbeitsscheue“, „Arbeitsbummelanten“ und Arbeitsvertragsbrüchige

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Mitglied der NSDAP. oder von Gliederungen der Partei (soweit dem Arbeitsamt bekannt). II. Tatbestand der Arbeitsscheu bezw. des asozialen Verhaltens: Wann, wie oft Arbeit bezw. Teilnahme an Ausbildungs- oder Fortbildungsmassnahmen verweigert, bezw. Arbeit ohne Grund aufgegeben (kurze, aber erschöpfende Darstellung des Sachverhalts): Januar 1937 Vermittlung nach Dessau abgelehnt. Sept. 1937 nach Wilhelmshaven (Marinewerft) vermittelt; Antritt der Arbeit verweigert. Welche Vorstrafen sind dem Arbeitsamt bekannt? 2 Wochen Haft wegen Betrug u. Bedrohung Ist dem Arbeitsamt etwas über die politische Einstellung bekannt? Zugehörigkeit (auch frühere) zu staatsfeindlichen Parteien oder Organisationen: --Anzeigenblatt der Polizei für die Personalakte Brück […] Politischer Lebenslauf: hat keiner Partei angehört (frühere politische Einstellung, Betätigung und jetzige Einstellung zum Staat, Mitglied einer NS.Organisation oder Formation) Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen ist er nicht Der Schlosser Alex Brück wurde am 21.4.1938 wegen Arbeitsscheu in Schutzhaft genommen. Er hat es bis heute ständig abgelehnt ihm vom hiesigen Arbeitsamt zugewiesene Arbeit anzunehmen. Weiterhin ist er hier als Gewohnheitstrinker bekannt. In politischer, spionagepolizeilicher, sowie krimineller Hinsicht ist er noch nicht in Erscheinung getreten. Führung und Ruf sind infolge seiner Trunksucht schlecht. Strafen sind hier nicht vermerkt. Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen ist er nicht. Ärztliche Bescheinigung des Kreisgesundheitsamtes Kleve, 25.4.1938 Bei Herrn Alex B r ü c k aus Kleve, Großer Heideberg 10, wurden keine ansteckenden oder sonstigen Krankheiten festgestellt. B. ist lagerfähig und kann Erdarbeiten im Freien verrichten. Vernehmungsprotokoll der Kriminalpolizei Kleve, 21.4.1938 Vorgeführt erscheint der Schlosser Alex B r ü c k , 47 Jahre alt, wohnhaft hier Grosser Heideberg 10 und erklärt, nachdem er mit dem Gegenstand meiner Vernehmung bekannt gemacht wurde: Mir ist eröffnet worden, dass ich wegen Arbeitsscheu in Schutzhaft genommen wurde. Gegen diese Maßnahme erhebe ich Einspruch mit der Begründung, dass ich niemals

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arbeitsscheu gewesen bin. Ich habe mich beim hiesigen Arbeitsamt mehrmals freiwillig zur Facharbeit gemeldet, wurde dann aber jedesmal zu irgendeiner anderen Arbeit vermittelt, welche allerdings von mir abgelehnt wurde, mit dem Bemerken, dass ich zu der Arbeitsstelle hingeschickt werden möchte, zu welcher ich mich freiwillig gemeldet hätte. Dieses wurde dann vom hiesigen Arbeitsamt abgelehnt und mir ein Schein vorgelegt, auf welchem vermerkt war, dass ich die mir zugewiesene Arbeit ablehne, den ich dann unterschreiben musste. Mir ist vom hiesigen Arbeitsamt nur einmal Facharbeit nach Wilhelmshaven zugewiesen worden, welche von mir abgelehnt wurde. Erst vor einigen Tagen bin ich als Facharbeiter vom hiesigen Arbeitsamt nach Rostock vermittelt worden. Ich erwarte täglich Bescheid, dass ich diese Arbeitsstelle antreten kann. Ich habe mehrmals mit dem Arbeitsvermittler Siebers beim hiesigen Arbeitsamt starke Meinungsverschiedenheiten gehabt. Meine Inschutzhaftnahme wegen Arbeitsscheu führe ich darauf zurück. Aktenvermerk der Kriminalpolizei Kleve, 27.4.1938 Nach meiner Beurteilung ist B r ü c k arbeitsscheu und wird es auch bleiben. Es ist daher unbedingt erforderlich, den B r ü c k in ein Arbeitslager unterzubringen. Schreiben des Geheimen Staatspolizeiamtes, Berlin, an die Staatspolizeistelle Düsseldorf, 17.5.1938 Gegen B r ü c k wird Schutzhaft bis auf weiteres angeordnet. Von der Überführung des B r ü c k in das KL Buchenwald ist zunächst abzusehen. Nach Angabe des B. hat er sich mehrmals freiwillig beim Arbeitsamt um Arbeit als Schlosser bemüht. Er will jedoch jedesmal zu anderer Arbeit vermittelt worden sein. Es berührt eigenartig, dass bei der heutigen Facharbeiterknappheit dem B. andere Arbeit als als Schlosser zugewiesen worden ist. Ich ersuche, diesen Punkt noch eingehend zu klären. Schreiben des Arbeitsamtes Kleve an den Bürgermeister von Kleve, 14.6.1938 Dem A. Brück ist am 21.12.1936 Arbeit in seinem Beruf nach Dessau angeboten. Die Annahme lehnte er unbegründet ab. Am 1.6.37 ist er in seinen Beruf zur Marinewerft Wilhelmshaven vermittelt. Er hat diese Arbeit […] ebenfalls nicht angenommen. Aus diesen beiden Fällen dürfte zu ersehen sein, dass die Aussage des B., ihm sei berufsfremde Arbeit angeboten worden, nicht der Wahrheit entspricht. Anfang August 1938 wird Brück in das Konzentrationslager Buchenwald transportiert. Bei der Haftüberprüfung im Oktober 1938 lehnt die Gestapo Düsseldorf eine Entlassung ab.



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Stellungnahmen zur erneuten Haftprüfung am 19.1.1939 Polizei Kleve, 9.1.1939 (Abschrift): Eine Entlassung des Alex B r ü c k aus der Schutzhaft wird von hieraus abgelehnt, weil nach hiesigem Ermessen der Zweck der Schutzhaft noch nicht erfüllt ist, da Brück ein derart notorischer Faulpelz ist, der jahrelang nicht gearbeitet hat, oder nur solche Arbeit verrichtete, dass er das nötige Geld für Schnaps bekam, sofort nach seiner Entlassung wieder in seine alten Fehler verfallen würde, zumal er sich mit seiner Familie nicht verstehen kann. Für Brück sowie für seine Familie ist es besser, wenn er noch längere Zeit in Schutzhaft bleibt, wenigstens solange bis er gründlich in den Arbeitsprozess eingereiht ist und keine Gefahr mehr besteht, dass er nach seiner Entlassung wieder in seine alten Fehler verfällt. Der Landrat von Kleve, 19.1.1939: Ich kann mich der Auffassung der Polizeiverwaltung Kleve nicht anschließen. Brück befindet sich schon seit dem 21.4.1938 in Schutzhaft und ich nehme an, dass er jetzt im Falle seiner Entlassung einer geregelten Arbeit nachgehen wird. Brück ist von Beruf Schlosser. Nach dem in Abschrift beigefügten Schreiben des hiesigen Arbeitsamts vom 9. ds. Mts. besteht ein erheblicher Bedarf an Schlossern, und es ist auch die sofortige Unterbringung des Brück in eine Arbeitsstelle durch das Arbeitsamt möglich. Unter diesen Umständen spreche ich mich für eine Entlassung des Brück aus der Schutzhaft aus. Arbeitsamt Kleve, 9.1.1939 (Abschrift): Es besteht ein erheblicher Bedarf an Schlossern, sodass die Unterbringung des Alex B r ü c k bei Arbeitswilligkeit möglich ist. – Ob das Ziel nach Ablauf der Schutzhaft erreicht sein wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich bitte, hierüber die Ortspolizeibehörde auf Grund ihrer Kenntnis der privaten Verhältnisse des B. zu hören. Der Lagerkommandant des Konzentrationslagers Buchenwald, 11.1.1939 (Abschrift, Auszug): Die Führung und Arbeitsleistungen des B. im Lager sind zwar auf Grund des hier bestehenden Zwanges im allgemeinen zufriedenstellend. Es kann jedoch nicht angenommen werden, daß die bisherige kurze Schutzhaft B. schon soweit gebessert hat, daß er sich nach einer evtl. Entlassung der Volksgemeinschaft unterordnet. Eine Entlassung lehne ich als noch verfrüht ab. Nach einem Bericht der Gestapostelle Düsseldorf, die ebenfalls eine Entlassung ablehnt, verlängert das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin erneut die Schutzhaft. Stellungnahme der Staatspolizeistelle Düsseldorf anlässlich einer erneuten Haftprüfung, 5.5.1939 (Auszug) Die nunmehr einjährige Schutzhaft dürfte nicht ohne Wirkung auf ihn geblieben sein und ihn zur Einsicht seines asozialen Verhaltens gebracht haben.

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Es ist anzunehmen, daß er sich bei einer etwaigen Freilassung verantwortungsbewußt in die heutige Volksgemeinschaft einreihen wird. Brück ist Facharbeiter. Er kann mit einer sofortigen Arbeitszuweisung rechnen. Brück wird am 3.7.1939 aus dem Konzentrationslager Buchenwald entlassen 4] Die Bekämpfung von Bummelschichten Rundverfügung des Reichstreuhänders der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Westfalen-Niederrhein, 5.12.1939 (LAV NRW W, K 001–5109) Da bisher eine wirksame Bekämpfung von Bummelschichten in der Praxis nicht erreicht werden konnte, ist nunmehr im Einvernehmen mit sämtlichen beteiligten Stellen (Gauleitungen, Gauwaltungen der DAF., Kriminalpolizei, Geheime Staatspolizei, Abwehrstelle) folgendes Verfahren festgelegt worden: 1. Grundsätzlich muss versucht werden, das Bummeln von Gefolgschaftsmitgliedern innerhalb des Betriebes zu bekämpfen. Zu diesem Zweck hat in erster Linie eine sorgfältige Überprüfung durch den Führer des Betriebes und den Betriebsobmann18 zu erfolgen, bevor dem Beschuldigten eine Verwarnung vor dem Vertrauensrat19 erteilt wird, die schriftlich niederzulegen ist. Dabei werden die Dienststellen der DAF. wertvolle Hilfe leisten. 2. Im Wiederholungsfalle kann das Gefolgschaftsmitglied dem für den Betrieb zuständigen Beauftragten des Reichstreuhänders (Leiter des Arbeitsamts) gemeldet werden, der es nach Untersuchung des Falles schriftlich verwarnen wird. 3. Im weiteren Wiederholungsfall kann das Gefolgschaftsmitglied dem Beauftragten erneut gemeldet werden, der es dann durch die Kriminalpolizei verwarnen lassen wird. Falls besondere Gründe für die Annahme vorliegen, dass auch die Verwarnung durch die Kriminalpolizei ebenso wie die vorherigen Warnungen keinen Erfolg haben, und in besonders eilbedürftigen Fällen kann von dieser 3. Verwarnung abgesehen werden. 4. Wenn das Gefolgschaftsmitglied trotz der wiederholten Verwarnungen weiterhin bummelt, so kann der Reichstreuhänder der Arbeit auf Grund einer entsprechenden Mitteilung an seinen Beauftragten und nach einer Untersuchung durch den letzteren bei der Geheimen Staatspolizei die Schutzhaftverhängung beantragen. 5. Falls auch nach diesen Massnahmen das Gefolgschaftsmitglied noch weiter bummeln sollte, so stellt der Beauftragte des Reichstreuhänders der Arbeit bei den ordentli-

18 Die Betriebsobmänner waren die Vertreter der Deutschen Arbeitsfront in den Betrieben. 19 Gemäß Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit v. 20.1.1934 (RGBl. I, S. 45) war der Vertrauensrat die gewählte Vertretung der Belegschaft, die dem „Führer des Betriebes … beratend zur Seite“ stand.



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chen Gerichten Strafantrag und veranlasst den Erlass eines Strafbefehls und eine Aburteilung im Schnellverfahren. […] Es muss also in jedem Falle versucht werden, erst einmal innerbetrieblich die Gefolgschaftsmitglieder zu einer besseren Arbeitsdisziplin zu bringen, bevor die ausserhalb des Betriebes stehenden Stellen eingeschaltet werden können. Ich hoffe, dass die Führer der Betriebe dementsprechend die einzelnen Fälle der Bummelei sorgfältig untersuchen, damit mir nicht, wie es in der letzten Zeit leider vorgekommen ist, Leute als Bummelanten gemeldet werden, obgleich sie an den fraglichen Tagen zur Wehrmacht eingezogen worden waren u.ä. Wenn so alle Stellen zur Bekämpfung des willkürlichen Feierns zusammenarbeiten, wird hoffentlich bald ein Erfolg erzielt werden können. 5] Die Sanktionierung von Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte Rundschreiben des Inspekteurs der Sicherheitspolizei und des SD in Düsseldorf Nockemann20 an die Gestapo(leit)stellen in Düsseldorf, Münster, Aachen, Bielefeld, Dortmund, Köln und Osnabrück, 1.3.1940 (LAV NRW W, K 001–5076) In der letzten Zeit war eine auffallende Zunahme der Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte in Wirtschaftsbetrieben, insbesondere der Tätlichkeiten gegen Grubensteiger festzustellen. Im Einvernehmen mit dem Höheren SS- und Polizeiführer, dem Herrn Reichsverteidigungskommissar und den Reichstreuhändern der Arbeit ordne ich daher – entsprechend den gegen Bummelschichten getroffenen Maßnahmen – an: 1. Vorkommende Tätlichkeiten gegen Vorgesetzte werden von den Betrieben dem Reichstreuhänder der Arbeit bezw. dessen Beauftragten gemeldet und von diesem umgehend in Zusammenarbeit mit der DAF untersucht. 2. Soweit Reichstreuhänder und Deutsche Arbeitsfront nicht eine ihrerseits auszusprechende Verwarnung für ausreichend halten, wird der Vorgang vom Reichstreuhänder umgehend der zuständigen Staatspolizei(leit)stelle zugeleitet mit dem Antrag auf a) staatspolizeiliche Warnung oder b) Inschutzhaftnahme auf die Dauer zwischen 10–21 Tagen oder c) Inschutzhaftnahme und Überführung in ein Konzentrationslager. 3. Die notwendigen staatspolizeilichen Maßnahmen werden von den zuständigen Staatspolizei(leit)stellen umgehend durchgeführt. Der Reichstreuhänder wird darüber unterrichtet. 4. Die karteimäßige Auswertung der getroffenen Maßnahmen erfolgt durch den Reichstreuhänder der Arbeit bezw. durch dessen Beauftragten. 20 Zu Dr. Johannes Nockemann s. Faust: Lageberichte, Bd. II/2, S. 1569.

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6] Die Errichtung des Arbeitserziehungslagers Hunswinkel Aktenvermerk des Höheren SS- und Polizeiführers West Friedrich Jeckeln21, Düsseldorf, 3.9.1940 (Abschrift) (LAV NRW R, RW 37–14) Wie aus anliegender Niederschrift über die Sitzung des Reichsverteidigungsausschusses am 16.8.40 zu ersehen ist, wurde seitens der verschiedensten Stellen über die Unzulänglichkeiten, die sich beim Arbeitseinsatz von Zivil-Polen ergeben haben, gesprochen. Es handelt sich vornehmlich um folgende 5 Punkte: l.) Allgemein wurde seitens der Betriebsführer sowie seitens des Gauobmannes der Deutschen Arbeitsfront und der Hoheitsträger der Partei darüber Klage geführt, dass die Zivil-Polen in ihrer Arbeitsleistung dauernd nachliessen, und dass sie heute, im Durchschnitt gesehen, vielleicht nur noch bei 30% eines deutschen Normalarbeiters läge. Aber nicht nur allein bei den Zivilpolen wurde diese geringe Arbeitsleistung festgestellt, sondern auch der schlechte Teil der deutschen Arbeiterschaft würde in seiner Arbeitsleistung dauernd absinken. Zu diesem Punkte habe ich den versammelten Herren meine Erfahrungen in meinem früheren Gebiet mitgeteilt und hierbei zum Ausdruck gebracht, dass das selbe Absinken der Arbeitsleistung auch dort angefangen hätte. Im Einvernehmen mit den Reichswerken Hermann Göring ist dann durch mich ein Einziehungslager für Arbeitsbummler und renitente Elemente eingerichtet worden, das sich sehr segensreich auswirkte. Die Erfahrung des vergangenen Winters hatte nämlich gezeigt, dass die Verhängung der Schutzhaft keine abschreckende Massnahme darstellt, weil die Arbeitsbummelanten sich in der warmen Zelle und bei immerhin ausreichender Verpflegung ganz wohl fühlten, und ihnen eine von einer deutschen Behörde verhängte Strafe keineswegs als eine Ehrenstrafe erschien. Ich machte dem Reichsverteidigungskommissar den Vorschlag, sich im Wehrkreis VI ein ähnliches Lager aufzuziehen. Dieses Lager soll nach meinem Vorschlag zunächst eine Aufnahmefähigkeit von etwa 200–300 Mann haben und soll an einer Arbeitsstelle errichtet werden, wo an sich schon die Art der Arbeit als ganz besonders schwer angesehen werden kann. Die Erziehungsarbeiter müssen vollkommen kaserniert und in ihrer Freizügigkeit vollkommen eingeengt werden, und ausserdem hätten sie eine tägliche Arbeitszeit von 12 Stunden zu verrichten. Durch entsprechende Erziehungsmassnahmen – für die es eine gesetzliche Handhabe allerdings nicht gibt, sollen renitente Elemente entweder zur Vernunft gebracht werden, oder aber, wenn dies nicht gelingt, endgültig in ein Konzentrationslager zur Überführung kommen. 21 Friedrich Jeckeln (1895–1946); 1936–1940 Leiter des SS-Oberabschnitts „Mitte“ (Braunschweig); 1940– 1941 Führer des SS-Oberabschnitts „West“ und 1941 Höherer SS- und Polizeiführer West in Düsseldorf. 1946 u.a. wegen der Teilname an Erschießungen zum Tode verurteilt und hingerichtet; vgl. den Eintrag in Landeskundliches Informationssystem Baden-Württemberg, https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/PERSON/kgl_biographien/120640910/Jeckeln+Friedrich, (Stand 6.3.2023).



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Der Reichsverteidigungskommissar sowie die übrigen anwesenden Behördenvertreter stimmten meinem Vorschlag zu. Ich habe hierauf den Inspekteur der Sicherheitspolizei mit der Weisung versehen, bei einer Grossfirma und möglichst in einem Grossteinbruch, den Arbeitseinsatz solcher Erziehungsarbeiter vorzubereiten. Bei der Hoch-Tief A.G. wurde eine solche Möglichkeit gefunden. Die Hoch-Tief-A.G. stellt in Hunswinkel ein Lager mit einer Fassungsmöglichkeit von 300 Insassen zur Verfügung.22 Für die Dauer der Überführung in Erziehungsarbeit werden die Erziehungsarbeiter Gefolgschaftsmitglieder von der HochTief-A.G. und werden auch von dieser entlöhnt und beköstigt. Die Lagerverwaltung liegt in Händen der zuständigen Staatspolizeistelle23, und zwar wird ein Beamter der Staatspolizei als Lagerführer abgeordnet. Die Bewachung des Lagers erfolgt durch Polizeireservisten des Kommandos der Schutzpolizei in Dortmund. Der Befehlshaber der Ordnungspolizei, General Lankenau24 hat von mir schriftlich und mündlich Anweisung erhalten, die erforderliche Zahl von Polizeireservisten bereitzuhalten. Eine auf meine Weisung vom Inspekteur der Sicherheitspolizei ausgearbeitete Lagerordnung und Erziehungsordnung hat meine Zustimmung erhalten. Das Lager ist hierauf am 24.8.40 erstmalig mit rund 100 Mann belegt worden. Die weitere Belegung dieses Lagers mit Arbeitsunwilligen, sowohl mit Arbeitern deutscher Nationalität, als auch mit solchen fremdländischer, wird im Einvernehmen der Reichstreuhänder der Arbeit vorgenommen. Die Reichstreuhänder der Arbeit machen den zuständigen Staatspolizeistellen diejenigen Arbeiter namhaft, die trotz verschiedener Ermahnungen sich der Arbeitsbummelei oder der Arbeitssabotage schuldig gemacht haben. Die so Namhaftgemachten werden dann von den Staatspolizeistellen im Einvernehmen mit der Lagerführung zu bestimmten Terminen in das Lager eingewiesen. Als Dauer der Arbeitserziehung sind zunächst 6 Wochen festgelegt worden. Es ist des weiteren die Bestimmung von mir getroffen worden, dass die deutschen Arbeiter von denen fremder Abstammung getrennt unterzubringen und auch in getrennten Kolonnen zum Arbeitseinsatz zu bringen sind. 2.) – 3.) pp.

22 Lager ca. 2 km südöstlich von Lüdenscheid; heute innerhalb des Versetalsperre-Sees. Zum Arbeitserziehungslager: Lotfi: KZ der Gestapo, bes. S. 96 ff. 23 Für die Lagerverwaltung war die Gestapostelle Dortmund zuständig; sie musste aber die Verantwortung für das Lager schon wenige Wochen nach seiner Errichtung 1940 an die Gestapoleitstelle Düsseldorf abgeben; im März 1945 übernahm die Gestapo Köln das Lager. Ebd., S. 99, 296. 24 Zu Lankenau vgl. Christoph Spieker: Traditionsarbeit. Eine biografische Studie über Prägung, Verantwor­ tung und Wirkung des Polizeioffiziers Heinrich Bernhard Lankenau 1891-1983 (= Villa ten Hompel Schrif­ ten, Bd. 12), Essen 2015.

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7] Bei den Chemischen Werken Hüls besteht „laufend ein fühlbarer Mangel an Arbeitskräften“ Denkschrift der Chemischen Werke Hüls GmbH „Die Arbeitsdisziplin auf der Baustelle der Chemischen Werke Hüls G.m.b.H., Marl, Krs. Recklinghausen“, 16.10.1940, zur Begründung von Verzögerungen bei den Bauarbeiten. (LAV NRW W, K 001–5146) […] Als grösstes Hindernis, die Arbeiten voranzutreiben, stellten sich aber mehr und mehr die Schwierigkeiten der Beschaffung brauchbarer Arbeitskräfte heraus, die es von vornherein unmöglich machten, für die Montage eine 2. Schicht einzuführen. Wir verfügten am 1. April 1940 auf der Baustelle über einen Arbeiterstand von 6.759 Mann. Als zusätzlichen Bedarf gaben wir 1.296 Arbeitskräfte an. Die zuständigen Behörden, das Arbeitsamt Recklinghausen, das Landesarbeitsamt Dortmund, die Aussenstelle Essen der Organisation Todt und vor allem auch das Reichsamt für Wirtschaftsausbau waren mit allen Kräften bemüht, uns die notwendige Anzahl der Bau- und Montagearbeiter und ferner die für das Anfahren des Werkes ausserordentlich wichtigen Betriebsarbeiter zur Verfügung zu stellen. Ihren Bemühungen gelang es, in der Zeit vom 1. April bis 12. Oktober 1940 insgesamt folgende Arbeitskräfte der Baustelle Hüls zuzuweisen: Werkseigene 2.189 Bau- u. Mont.–Arb. 5.709 Insges. 7.898 Darunter 1.842 ausländische Arbeiter Diese bei der heutigen Lage des Arbeitsmarktes ausserordentliche Leistung der zuständigen Behörden hätte in normalen Fällen vollauf genügen müssen, unseren Bedarf an Arbeitskräften jederzeit zu decken. Trotzdem mussten wir dem Reichsamt für Wirtschaftsausbau und dessen Aussenstellen laufend einen fühlbaren Mangel an Arbeitskräften in Höhe von etwa 680–1000 Arbeitern melden. Diese Tatsache erklärt sich einmal daraus, dass ein grosser Teil der uns zugewiesenen Arbeitskräfte nach verhältnismässig kurzer Zeit der Baustelle wieder verlorengehen und ferner daraus, dass die Qualität der uns zugewiesenen Arbeitskräfte meist unter dem Durchschnitt liegt. Der enorm grosse Abgang von Arbeitskräften geht am besten aus folgenden Zahlen hervor: Stand am 1.4.40 6.759 ””   12.10.40 9.645 Effektiver Zugang 2.886 Zugewiesen i.d. Zeit v.1.4.–12.10.40 7.898 Es ergibt sich somit ein Gesamtabgang von 5.012 Arbeitskräften. Das sind 63,5% der uns zugewiesenen Arbeitskräfte.



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Dieser Abgang wird zum geringeren Teil durch Einberufungen, normale Dienstentpflichtungen und andere berechtigte Gründe erklärt; zum grösseren Teil ist jedoch das Abziehen von Arbeitskräften von unserer Baustelle durch das eigenmächtige Verlassen seitens der Arbeitskräfte selbst verursacht, das durch die geringe Arbeitsmoral auf der Baustelle ausserordentlich stark unterstützt wird. Als Beispiel hierfür führen wir nur folgendes an: Von 345 Holländern sind heute noch 141 auf der Baustelle. Von 357 Slowaken noch 182; d.h., allein 379 Holländer und Slowaken haben die Arbeitsstelle verlassen und sind ohne triftigen Grund in ihre Heimat zurückgekehrt. Den deutschen Behörden stehen scheinbar keine gesetzlichen Mittel zur Verfügung, um diese willkürliche Abwanderung ausländischer Arbeitskräfte zu verhindern. […] Bei den deutschen Arbeitern ist ein willkürliches Verlassen des Arbeitsplatzes, soweit eine Dienstverpflichtung vorliegt, gesetzlich nicht möglich. Wir machen jedoch die Beobachtung, dass diejenigen Arbeitskräfte, denen die Arbeit auf der Baustelle Hüls aus irgendeinem Grunde nicht passt, mit allen Mitteln und meistens leider auch mit Erfolg versuchen, ihre Entlassung durchzusetzen. Das geschieht zunächst so, dass sie Tage, ja sogar Wochen unentschuldigt vom Arbeitsplatz wegbleiben und schliesslich, wenn sie von seiten der Behörden wieder und wieder verwarnt werden, durch ungehöriges Verhalten ihre Weiterbeschäftigung auf der Baustelle unmöglich machen und damit ihre Entlassung durchsetzen. Wir haben über diese Verhältnisse dem Reichsamt und den zuständigen Behörden des öfteren berichtet und auch mit dem Reichstreuhänder der Arbeit bezw. seinem Beauftragten, dem Arbeitsamt Recklinghausen, über die Möglichkeit einer Abstellung dieser Misstände verhandelt. Von den Behörden ist uns für solche Fälle folgendes Verfahren vorgeschrieben: Bei unentschuldigtem Fehlen eines Gefolgschaftsmitgliedes muss dieses in Gegenwart des Betriebsobmannes verwarnt und zur ordentlichen Einhaltung seiner Arbeitspflicht ermahnt werden. Zeigt sich daraufhin keine Besserung, so erfolgt gewöhnlich nach einer Zeit von 2–3 Wochen eine Anzeige beim Arbeitsamt als Beauftragten des Treuhänders der Arbeit, das das betr. Gefolgschaftsmitglied wiederum ernsthaft vermahnt und zur Besserung anhält. Nach weiteren 2–3 Wochen wird, wenn das Gefolgschaftsmitglied keine Besserung zeigt, eine neue Anzeige erstattet, die seitens des Arbeitsamtes zum grössten Teil mit einer neuen Verwarnung beantwortet wird. Erst wenn diese nichts fruchtet, wird zu strengen Massnahmen, wie Inhaftierung usw. geschritten. Nach diesem Verfahren sind von uns in der Zeit vom 1.3.40–15.10.40 rd. 800 mündliche und schriftliche Verwarnungen ausgesprochen und 250 Anzeigen beim Beauftragten des Reichstreuhänders erstattet worden. Darauf erfolgten 10 Festnahmen zur Entfernung von der Baustelle und 29 Inhaftierungen durch die Geheime Staatspolizei. Aus dem geschilderten Verfahren geht hervor, dass eine offenbar unwillige Arbeitskraft erst nach Verlauf von 1–2 Monaten, oft auch noch länger, wirklich ernsthaft zur Verantwortung gezogen wird, da nach unseren Erfahrungen die Verwarnungen auf solche Leute nur selten einen nachhaltigen Eindruck macht.

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Wir müssen daher feststellen, dass unsere Bau- und Montage-Firmen und unsere Betriebe keinen Wert darauf legen, ein solches Gefolgschaftsmitglied weiter zu beschäftigen, da die ewigen Meldungen nach Ansicht der Firmen und Betriebe doch keinen Erfolg und das unwillige Gefolgschaftsmitglied selbst durch sein arrogantes und nach seiner Ansicht strafloses Benehmen die übrige an sich arbeitswillige Gefolgschaft verdirbt. Die Angelegenheit endet dann auch meistens so, dass die betreffende Bau- oder Montage-Firma oder der Betrieb der Arbeiterannahme das unwillige Gef.–Mitglied zur Verfügung stellen muss, sodass es dem Werk praktisch verloren geht, da es auf der Baustelle nicht anderweitig verwendet werden kann. Auf diese Weise erreichen die Unwilligen ohne weiteres das, was sie wollen, nämlich die Dienstentpflichtung von Hüls. Die in Frage kommenden Arbeiter wissen dieses auch ganz genau. Es liegen bei uns Äußerungen vor, etwa dieses Inhalts: „Ich bin bisher noch von jeder Arbeitsstelle, die mir nicht passte, losgekommen.“ Bei der so geschilderten Sachlage ist es unserem Bau- und Montage-Personal unmöglich, mit den zugewiesenen Arbeitskräften die gestellten Aufgaben termingemäss zu lösen. Die Bau- und Montage-Firmen lehnen die Zuweisung weiterer unbrauchbarer Arbeitskräfte ab und weigern sich, Meldungen von Bummelanten, die nach ihrer Ansicht keinen Zweck haben, zu machen. Sie versuchen vielmehr, unzuverlässige Arbeitskräfte so schnell wie möglich loszuwerden. So herrscht dauernd ein Mangel an Arbeitskräften trotz fortwährender Zuweisung neuer Leute. Wir möchten zur Ehre der bei uns beschäftigten Arbeiter betonen, dass die eben geschilderten unwilligen Arbeiter weitaus in der Minderzahl sind. Sie beherrschen aber durch ihre negative Auffassung von der Arbeit vollkommen die Arbeitsmoral und drücken diese im gesamten weit unter das normale Niveau. […] 8] „Scharfes Durchgreifen“ gegen Arbeitsvertragsbruch Lagebericht des Reichstreuhänders der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Westfalen-Niederrhein über das III. Vierteljahr 1940. Vertraulich (Auszug) (LAV NRW W, K 001–5109) Infolge des scharfen Durchgreifens mit gerichtlichen Strafverfahren, Schutzhaftverhängungen und Überweisung in ein Arbeitserziehungslager ist nach einem Höchststand im August dieses Jahres im September ein Nachlassen des Arbeitsvertragsbruchs zu verzeichnen. Auch die Anrechnung auf den Urlaub scheint abschreckend zu wirken; von ihr macht besonders stark der Bergbau Gebrauch. Ebenso scheinen sich die Veröffentlichungen von Bestrafungen am schwarzen Brett gut auszuwirken. Einzelne Metallbetriebe scheuen allerdings die Urlaubsanrechnung, wenn die Gefolgschaftsmitglieder ihren diesjährigen Urlaub bereits erhalten haben, da sie bei Anrechnung auf den nächstjährigen Urlaub eine Abwanderung der betreffenden Gefolgschaftsmitglieder befürchten. Besonders schwierig ist die Bekämpfung des Arbeitsvertragsbruchs von Frauen und



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insbesondere von Hausgehilfinnen. Die Gerichte verurteilen nur in den seltensten Fällen zu empfindlichen Geld- oder Gefängnisstrafen und ebenso zeigt sich die Gestapo sehr zurückhaltend. Auch die Disziplin der Jugendlichen läßt vielfach sehr zu wünschen übrig, und bezeichnenderweise wenden sich jetzt häufig Eltern an meine Beauftragten, um ein Vorgehen gegen ihre bummelnden Söhne zu erreichen. 9] Eine Meldung an die Partei Formular-Schreiben des Leiters des Arbeitsamtes Münster als Beauftragter des Reichstreuhänders der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Westfalen-Niederrhein an die NSDAP-Kreisleitung Herne-Castrop-Rauxel, 29.4.1941 (LAV NRW W, S 012–46) Betrifft: Zuwiderhandlung gegen die 8. Allgemeine Anordnung des Reichstreuhänders der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet WestfalenNiederrhein vom 29.3.193925; hier: Colle, Emil ……………………...… geb. am: 28.7.09 …… wohnhaft in: Castrop-Rauxel ………… Oskar …………Str…7 Obiges Gefolgschaftsmitglied wurde auf Grund einer Anzeige der Firma C. Voigt Söhne, Castrop-Rauxel ……… vom 22.3.41 am: 29.4.41 … wegen: pflichtwidrigen Fernbleibens von der Arbeit …………………………………………………. schriftlich verwarnt. Bei erneutem Verstoß gegen die 8. Allgemeine Anordnung bin ich gezwungen, den Herrn Reichstreuhänder der Arbeit zu bitten, die Verhängung einer Schutzhaft oder die Unterbringung in das Arbeitserziehungslager „Versetalsperre“26 bei der Staatspolizei zu beantragen. Ich bitte, auch von dort aus auf ..Colle ……………. einzuwirken, daß er – sie – seine – ihre – Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis regelmäßig und pünktlich erfüllt, damit weitere Maßnahmen vermieden werden. Vordruck: B.Tr.Nr.13.

25 Die „Allgemeine Anordnung“ des Reichstreuhänders der Arbeit Westfalen-Niederrhein vom 29.3.1939 (LAV NRW W, K 001–5109) sanktionierte Arbeitsvertragsbruch („pflichtwidrig der Arbeit fernbleiben, die Arbeit verweigern oder böswillig mit der Arbeit zurückhalten“) mit Gefängnis oder Geldstrafe in unbegrenzter Höhe. 26 Gemeint ist das Arbeitserziehungslager Hunswinkel (s. Dok. 6).

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10] Anträge der Gestapo auf Dienstverpflichtung (LAV NRW R, RW 36–29) Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen an den Inspekteur des Sicherheitsamtes27 in Düsseldorf, 22.11.1941 (Abschrift) Betrifft: Zusammenarbeit der Arbeitsämter mit den Dienststellen der Gestapo In der letzten Zeit sind verschiedentlich von den örtlichen Dienststellen der Gestapo Anträge auf Dienstverpflichtung von Arbeitskräften bei den Arbeitsämtern gestellt mit der Begründung, daß die betreffenden Kräfte ihrer Umgebung und ihrem Aufgabengebiet entzogen werden sollten, da eine negative Beeinflussung anderer Volksgenossen durch sie zu befürchten ist. Arbeitseinsatzmäßige Gründe für die Dienstverpflichtungen lagen nicht vor. Solche Wünsche bringen die Arbeitsämter in eine schwierige Lage. Denn nach der Verordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonders staatspolizeilicher28 Bedeutung vom 13.2.1939, RGB. I, Seite  20629, hat die Dienstverpflichtung nur die Durchführung der Aufgaben, die der Beauftragte für den Vierjahresplan als besonders bedeutsam und unaufschiebbar bezeichnet, sicherzustellen. Eine Dienstverpflichtung aus anderen Gründen ist gesetzlich nicht zulässig. Hinzu kommt, dass die Durchführung solcher Dienstverpflichtung meist auf heftigen Widerstand auch bei dem Betriebsführer stößt, da die Arbeitskräfte auf ihren Arbeitsplätzen voll beschäftigt sind und geeignete Ersatzkräfte nicht zur Verfügung gestellt werden können. Der wahre Grund soll in solchen Fällen nicht genannt werden. Ich bitte um gefällige Stellungnahme, ob das Vorgehen der Ihnen nachgeordneten Dienststellen auf eine allgemeine Anordnung beruht, insbesondere auch dazu, ob nicht von den Arbeitsämtern den Verpflichteten die Gründe für die Dienstverpflichtungen bekannt gegeben werden können. Schnellbrief der Gestapo-Außendienststelle Duisburg an die Staatspolizeileitstelle Düsseldorf, 19.1.1942 Von der Aussendienststelle Duisburg sind Anträge auf Dienstverpflichtung von Arbeitskräften bei den Arbeitsämtern bisher nicht gestellt worden. Nach hiesiger Auffassung ist eine Dienstverpflichtung von Arbeitskräften, bei denen eine negative Beeinflussung anderer Arbeiter zu befürchten ist, nicht angebracht, da diese Personen hierdurch der Beobachtung entzogen werden. Falls aus staatspolizeilichen Gründen die Dienstverpflichtung einer Person angebracht sein sollte, dürfte die Bekanntgabe der Gründe an die Verpflichteten auf keinen Fall zweckmässig sein. 27 Richtig: Sicherheitsdienstes. 28 Richtig: staatspolitischer. 29 S. oben, Kap. 2.3.1.



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11] Verwarnungen machen keinen Eindruck Geschichte des Einsatzes des Rüstungskommandos Düsseldorf, 1.9.–31.12.1941 (Auszug) (BArch-MA RW 21–16, Nr. 8) Der Arbeitsfrieden nahm während der Berichtszeit eine ungünstige Entwicklung. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass das böse Beispiel ausländischer Arbeiter und deutscher Dienstverpflichteter die Stammbelegschaft in einem schlechten Sinne beeinflusst. Die unzulängliche Versorgung mit Fett und der zeitweilige Mangel an Kartoffeln, Gemüsen und Obst, das lange Schlangestehen vor den Kaufläden hatte zur Folge, dass insbesondere bei der weiblichen Belegschaft die Zahl der Bummelschichten zeitweise ausserordentlich anstieg, und dass die Klagen der Ehefrauen über wachsende Ernährungsschwierigkeiten die Stimmung der Männer in den Betrieben beeinträchtigten. Hinzu kommt die anhaltend lange Arbeitszeit und im Sommer eine häufige Beeinträchtigung der Nachtruhe durch Fliegeralarm. Die Treuhänder der Arbeit sind nur schwer zu bewegen, besonders böswillige Bummelanten zu verwarnen; die Verwarnung macht auf diese Leute in der Regeln keinen Eindruck; eine gerichtliche Bestrafung aber lässt sich nur mit einem solchen Aufwand an Zeit, Schreibereien und Laufereien erreichen, dass praktisch den Betriebsführern kein Mittel zur Verfügung steht, dem schlechten Einfluss solcher Leute auf die Gefolgschaft entgegenzuwirken. Fälle, in denen der Arbeitsfrieden eines ganzen Betriebs bedroht war, sind bisher nicht vorgekommen. Mit dem Abflauen der Fliegeralarme und der seit September etwas reichhaltigeren Versorgung mit Gemüsen und Kartoffeln hat sich die Stimmung in den Betrieben wieder etwas gebessert. 12] Merkblatt zur Senkung der betrieblichen Fehlstände Die Deutsche Arbeitsfront, Gauverwaltung Westfalen-Nord, Der Gauobmann; Der Präsident des Gau-Arbeitsamtes und Reichstreuhänder d. Arbeit Westfalen Nord: Bekämpfung der Fehlstände in den Betrieben. Merkblatt für die Betriebsführer der nordwestfälischen Betriebe, Coesfeld (1.9.1944) (LAV NRW OWL, L 80.13, Nr. 955) Betriebsführer der nordwestfälischen Betriebe! Das Gesetz des totalen Krieges, unter dem wir beim Eintritt in das 6. Kriegsjahr stehen, verlangt von der Heimat äußerste Kraftentfaltung. Während alle Anstrengungen darauf gerichtet sind, weitere Reserven für den Arbeitseinsatz in der Rüstungsindustrie zu mobilisieren, haben die Betriebsführer dafür zu sorgen, daß eine Produktionsbeeinträchtigung durch vermeidbare Fehlstunden unterbleibt. Betriebe, die einen anormal hohen Fehlstand haben und nichts oder nicht Ausreichendes dagegen unternehmen, können nicht mit einer Zuweisung weiterer Arbeitskräfte, sondern eher mit einem Abzug rechnen. Jeder Betriebsführer hat sich vor Au-

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gen zu halten, daß durch Senkung seines betrieblichen Fehlstandes eine große Zahl von Arbeitskräften eingespart werden kann. Dieses Merkblatt enthält eine Zusammenfassung aller in die Hand des Betriebsführers gelegten Mittel, den Fehlstand in seinem Betriebe so niedrig wie möglich zu halten. […] B. Staatliche Maßnahmen: 1. Ausländer: Flüchtige und bummelnde Ausländer sind sofort der zuständigen Stelle der Geheimen Staatspolizei, oder, wenn eine solche nicht besteht, der Ortspolizei zu melden. (Vordruck s. Anlage 1 u. 2). Die Betriebe werden von der Gestapo von dem Sachausgang unterrichtet. Es ist Einzelanzeige, also nicht listenmäßige Anzeige zu erstatten. Fluchtmeldungen sind umgehend (Durchschlag an Beauftragten des Reichstreuhänders), Meldungen über Nichtrückkehrer aus dem Urlaub erst 6 Tage nach Ablauf des gewährten Urlaubs der Gestapo zu erstatten. 2. Inländer Anzeigen gegen bummelnde deutsche Gefolgschaftsmitglieder sind an den Leiter des Arbeitsamtes als Beauftragten des Reichstreuhänders zu erstatten. Zweckmäßig ist die Verwendung des in der Anlage beigefügten Anzeigenformblattes (s. Anlage 3). Zur Maßregelung eines unverbesserlichen Bummelanten kann die Anzeige des Betriebsführers an den Beauftragten des Reichstreuhänders auch schon vor Ausschöpfung aller betrieblichen Maßnahmen erfolgen. […]

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„Arbeitsscheue“, „Arbeitsbummelanten“ und Arbeitsvertragsbrüchige



13] Bestrafungen männlicher Arbeitskräfte wegen Arbeitsvertragsbruchs im Gauarbeitsamtsbezirk Westfalen-Nord, Mai 1944 Inländer

Ausländer

Unter Arbeitsvertragsbruch flüchtig gewordene Ausländer

169

203

632

Verwarnung

 10



Ordnungsstrafe

 69

  5

Bestrafte Arbeitskräfte davon wurden bestraft durch die Reichstreuhänder mit

Gerichte mit Geldstrafe





 31

  4

Verwarnung

 34

 32

Schutzhaft

 10

 13

Arbeitserziehungslager

 14

110

Konzentrationslager

  1

 39

Freiheitsstrafe Polizei mit

Zusammengestellt nach „Männer. Statistik der wegen Arbeitsvertragsbruchs bestraften Arbeitskräfte, Berichtsmonat Mai 1944“, Gauarbeitsamtsbezirk Westfalen-Nord, (LAV NRW W, K 001–5065).

14] Der störende Einfluss eines Lehrhauers (LAV NRW R, RW 58–28477) Schreiben der Direktion der Zeche Wilhelmine Victoria (Gelsenkirchen) an die GestapoAußendienststelle Gelsenkirchen, 24.7.1943 Betreff: Theodor Herdecke, geb. 21.1.1906, wohnhaft Essen-Katernberg, Wilhelminen­strasse Nr. 12 Herdecke hat in der Zeit vom 1.7. – 6.7.1943 seine Arbeit willkürlich versäumt. Am 7.7.1943 wurde H. von Herrn Betriebsführer Limberg eindringlich verwarnt und mit einer Buße belegt. H. versprach Besserung und arbeitete bis zum 11.7.1943. Seit dem 12.7.1943 feiert H. abermals ununterbrochen willkürlich. Abgesehen von dem störenden Einfluss auf den geordneten Betriebsablauf bedeutet das Verhalten des H. eine Herausforderung der übrigen Arbeitskameraden und ist darüber hinaus unvereinbar mit dem kriegsbedingten Willen nach Leistungssteigerung und Pflichterfüllung innerhalb der Heimatfront.

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Die Arbeitsverwaltung und der Terror

Das Schreiben wird von der Gestapo-Außendienststelle Gelsenkirchen an die Gestapo-Außendienststelle Essen und von dort an den Beauftragten des Reichstreuhänders der Arbeit (Arbeitsamt) in Essen weitergeleitet. Vernehmungsprotokoll des Arbeitsamtes Essen, 31.8.1943 Der Grund meiner Vorladung wurde mir zur Kenntnis gegeben. Ich bestreite durchaus nicht, vom 1. bis 6.7. und seit dem 12.7.43 der Arbeit bei der Firma Bergwerksges. Hibernia A.G., Bergwerksdirektion Wilhelmine Viktoria in Gelsenkirchen ferngeblieben zu sein. Ich begründe mein Fernbleiben mit Krankheit, verschiedentlich war ich beim Arzt, wurde jedoch nicht arbeitsunfähig geschrieben. Lediglich 3 Tage Schonung wurden mir bewilligt (etwa vom 12. bis 14.7.43). Da ich mich nicht wohl fühlte, habe ich die Arbeit nicht wieder aufgenommen. Um Pflege zu haben, musste ich sogar meine Frau aus Niederdonau zurück kommen lassen. Ich werde die Arbeit morgen am 1.9. wieder aufnehmen. Mir ist erklärt worden, dass meine Entschuldigungsgründe nicht glaubhaft und nicht stichhaltig sind und dass ich wegen meines Verhaltens bestraft werden kann. Ich bleibe jedoch bei meinen Aussagen. Die gesetzlichen Bestimmungen wurden mir bekannt gegeben. Ich bin unterrichtet, dass Verstösse hiergegen mit Geld- und Freiheitsstrafen geahndet werden. Schreiben des Arbeitsamtes Essen an die Gestapo-Außendienststelle Gelsenkirchen, 1.9.1943 Betrifft: Haftsache Theodor H e r d e c k e , geb. 21.1.1906, wohnhaft Essen-Katernberg, Wilhelminenstr. 12 Unter Bezugnahme auf ihren Anruf übersende ich wunschgemäss die Anzeige der Bergwerksdirektion Wilhelmine Victoria nebst Vernehmungsprotokoll in zweifacher Ausfertigung. Der weitere Verlauf des Verfahrens ist unbekannt. 15] Der Arbeitsvertragsbruch der Helene Engels (LAV NRW R, RW 58–38034) Schreiben des Arbeitsamtes Mönchengladbach-Rheydt an den Polizeipräsidenten von Mönchengladbach, 30.4.1943 (Abschrift) Als Anlage übersende ich Ihnen meinen Strafantrag an den Oberstaatsanwalt beim Landgericht M.Gladbach und den gesamten Vorgang betr. Helene Engels mit der Bitte,



„Arbeitsscheue“, „Arbeitsbummelanten“ und Arbeitsvertragsbrüchige

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Helene Engels, die sich z.Zt. im Polizeigefängnis M.Gladbach, Spatzenberg, befindet, von dort aus unverzüglich der Staatsanwaltschaft vorzuführen, da die Gefahr besteht, dass Helene Engels sich erneut meiner Nachforschung entzieht. Schreiben des Leiters des Arbeitsamtes Mönchengladbach an den Oberstaatsanwalt beim Landgericht Mönchengladbach, 30.4.1943 (Abschrift) Betrifft: Strafantrag gegen Helene Engels, geb. 6.11.1921 in Rheydt, wohnhaft Rheydt, Diltheystr 14/16 beschäftigt als Hasplerin bei der Firma Heynen & Gruber, Rheydt Gegen die obengenannte Helene Engels stelle ich auf Grund des §2 der Verordnung über die Lohngestaltung vom 25.6.193830 (RGBl. I, S. 691) in Verbindung mit der Anordnung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vom 20.7.1942 gegen Arbeitsvertragsbruch und Anwerbung sowie des Forderns unverhältnismässig hoher Arbeitsentgelte in der privaten Wirtschaft (RABl. Nr. 22 vom 5.8.1942)31 Antrag auf Strafverfolgung. Die Firma Elin- und Schorchwerke AG., Rheydt, erstattete am 14.7.1942 erstmalig gegen Helene Engels Anzeige wegen Arbeitsvertragsbruchs. Meinen schriftlichen Vorladungen zur verantwortlichen Vernehmung leistete sie keine Folge, ihr Aufenthalt war auch nach polizeilicher Feststellung nicht zu ermitteln. Am 14.7.1942 erhielt ich durch die Kriminalpolizei M.Gladbach den Bescheid, dass Helene Engels festgenommen worden sei und sich z.Zt. zwecks Ausheilung einer Geschlechtskrankheit im Krankenhaus „Maria Hilf “, M.Gladbach befinde. Nach erfolgter Ausheilung sollte sie einem Zwangsarbeitslager zugeführt werden. Die Firma Heynen & Gruber, Rheydt, bei der Helene Engels dann eingesetzt worden ist, teilte mir am 24.3.1943 mit, dass Helene Engels auch dort ihre Arbeitsbummelei fortsetzte. Nach verantwortlicher Vernehmung vom 12.3.1943, bei der Engels Krankheit als Grund für ihr Fernbleiben angab, setzte ich am 16.3.1943 eine Ordnungsstrafe in Höhe von 30.– RM gegen sie fest. Nach Erhalt des Ordnungsstrafbescheides hat Helene Engels die Arbeit ganz niedergelegt und die elterliche Wohnung verlassen, sie treibt sich seit dieser Zeit umher. Heute erscheint der Vater der Helene Engels, Heinrich Engels, Rheydt, Diltheystr. 14/16, in der Beauftragtenstelle und gibt an, dass seine Tochter nach Hause zurückgekehrt sei, er habe sie unverzüglich durch die Kriminalpolizei festnehmen lassen. Wie ich in Erfahrung bringe, befindet sich Helene Engels gegenwärtig im hiesigen Polizeigefängnis Spatzenberg. 30 § 2 belegte alle Zuwiderhandlungen gegen Maßnahmen der Reichstreuhänder mit Gefängnis- oder Gelstrafen. 31 Nach § 2 durfte ein Gefolgschaftsmitglied nicht „der Arbeit pflichtwidrig fernbleiben, d.h. insbesondere ohne hinreichende Entschuldigung fehlen, wiederholt ohne ausreichenden Grund verspätet zur Arbeit erscheinen oder die Arbeit pflichtwidrig verlassen“. Verstöße konnten mit Gefängnis oder Geldstrafen in unbegrenzter Höhe geahndet werden.

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Die Arbeitsverwaltung und der Terror

Es handelt sich bei Helene Engels um eine hartnäckige Arbeitsbummelantin, die sich ohne festen Wohnsitz umhertreibt und sich ihren Arbeitskameradinnen gegenüber noch brüstet, dass sie „keine Lust zum Arbeiten“ habe. Da im Interesse des Arbeitseinsatzes ein derartiger grober Verstoss gegen die Arbeitsdisziplin nicht ungesühnt bleiben darf, beantrage ich, die Anklage zu erheben und die Aburteilung im Schnellverfahren herbeizuführen. […] Aktenvermerk der Geheimen Staatspolizei, Außendienststelle Mönchengladbach, 11. Mai 1943 Die Reichsdeutsche Helene Engels ist geständig, aus Arbeitsunlust u. Interesselosigkeit ihre Arbeit niedergelegt u. sich umhergetrieben zu haben. Sie machte bei ihrer Vernehmung nicht den Eindruck, daß sie sich ihres straffälligen Verhaltens bewußt und sie ihre Handlungsweise bereut. Verfügung (Schreibanweisung) der Gestapo-Außendienststelle Mönchengladbach an ihre Kanzlei, 18. Mai 1943 Urschriftlich dem Herrn Leiter des Arbeitsamtes M.Gladbach als Beauftragten des Reichstreuhänders der Arbeit in M.Gladbach mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Die beschuldigte Engels wurde durch Urteil des hiesigen Amtsgerichts im Schnellverfahren – Akz. 23 Ds. 136/43 beschl. -zu 4 Monaten Gef. verurteilt. 16] Der Arbeitsvertragsbruch eines Bergarbeiters (LAV NRW R, RW58–21904) Formular-Schreiben des Gauarbeitsamtes und Reichstreuhänders der Arbeit Essen an die Gestapo-Außendienststelle Duisburg, 24.9.1943 Betrifft: Schutzhaftverhängung Unter Bezugnahme auf die Anordnung des Inspekteurs der Sicherheitspolizei und des SD in Düsseldorf vom 5.7.1940 – B 3.41 70 g – beantrage ich, gegen das am … 28.2.1911 …………………………… in …Werden……………………………………… geborene Gefolgschaftsmitglied … Matthias Hambücker ……………………………………… wohnhaft in …… Duisburg-Hamborn, Steigerstr. 31 ………………………………………….. beschäftigt bei der ….…..…………… Firma Gewerkschaft Walsum, Duisburg-Hamborn .……………………………………………………………............................................................ die Verhängung der Schutzhaft, da das Gefolgschaftsmitglied trotz der bisherigen Verwarnungen wieder willkürlich der Arbeit ferngeblieben ist. Als Beweismittel überreiche ich meine Handakte mit der Bitte um demnächstige Rückgabe.



„Arbeitsscheue“, „Arbeitsbummelanten“ und Arbeitsvertragsbrüchige

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Von dem Veranlaßten bitte ich mir Mitteilung zu machen. Schreiben der Gestapo-Außendienststelle Duisburg an die Gestapoleitstelle Düsseldorf, 23.10.1943 H a m b ü c k e r ist seit Juli 1941 als Lehrhauer bei der Schachtanlage Walsum in Hamborn beschäftigt. Vorher war er mehrere Jahre auf der Zeche Konkordia in Oberhausen tätig. Auf beiden Stellen ist er wiederholt willkürlich seiner Arbeit ferngeblieben. Wegen Arbeitsvertragsbruchs befand er sich im März/April 1941 für die Dauer von 6 Wochen im Arbeitserziehungslager Hunswinkel. Nach dieser Zeit hat er zunächst regelmässig gearbeitet, begann aber bald wieder zu bummeln. Die von ihm wegen seines pflichtwidrigen Verhaltens angegebenen Gründe können nicht als stichhaltig angesehen werden. Von der Betriebsführung und dem Beauftragten des Reichstreuhänders der Arbeit wurde er mehrfach verwarnt und mit Geldbussen belegt. Nach seiner letzten Verwarnung durch den Reichstreuhänder der Arbeit am 7.8.1943 hat er noch an einigen Tagen willkürlich die Arbeit versäumt. Die nochmalige Überführung des Hambücker in ein Arbeitserziehungslager für die Dauer von 50 Tagen wird in Vorschlag gebracht. Er ist lt. amtsärztlicher Untersuchung voll arbeitsfähig, gesund und frei von Ungeziefer. Vermerk der Gestapo-Außendienststelle Duisburg, 9.11.1943 Der Bergmann Matthias H a m b ü c k e r war wegen Arbeitsvertragsbruchs zur Anzeige gebracht. Seine Überführung in ein Arbeitserziehungslager für die Dauer von 50 Tagen war beantragt, konnte jedoch wegen Sperrung des Lagers Essen-Mülheim32 nicht durchgeführt werden. Er wurde auf Grund der Verfügung der Stapoleitstelle Düsseldorf vom 21.10.43 – II E (A) 133637/43 – nach 21 Tagen entlassen mit der Weisung, sich umgehend auf seiner Arbeitsstelle zu melden. H. wurde eindringlich gewarnt und darauf hingewiesen, daß er bei Bekanntwerden weiterer Klagen mit strengen Maßnahmen rechnen muß. Die Gewerkschaft Walsum hat fernmündlich Nachricht erhalten. Vermerk der Gestapo-Außendienststelle Duisburg, 10.3.1944 Der Präsident des Gauarbeitsamtes und RTA. in Essen bittet mit Schreiben vom 8.3.1944 – II 22548/41 – um Mitteilung, welche Massnahmen gegen den Bergmann Matthias H a m b ü c k e r ergriffen wurden und um Rücksendung der am 24.9.43 nach hier gesandten Akten.

32 Möglicherweise erfolgte die vorübergehende Sperrung wegen einer Überfüllung des Lagers; s. Lotfi: KZ der Gestapo, S. 192.

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Die Arbeitsverwaltung und der Terror

Schreiben (Entwurf) der Gestapo-Außendienststelle Duisburg an das Gauarbeitsamt und Reichstreuhänder der Arbeit Essen, 10.3.1944 H a m b ü c k e r wurde am 9.11.43 wegen Sperrung des AEL. Essen-Mülheim nach 21-tägiger Haft entlassen. 17] Ein verlängertes Polizeigefängnis in Burscheid (LAV NRW R, RW 36–18) Schreiben der Gestapoleitstelle Düsseldorf an ihre Außendienststelle Wuppertal, 18.6.1944 Das Gauarbeitsamt Düsseldorf wurde hier am 13.6.1944 vorstellig mit der Bitte, falls hierzu die Möglichkeit gegeben wäre, bei der Firma Götz-Werke33 in Burscheid ein verlängertes Polizeigefängnis34 einzurichten, weil die Firma Götz-Werke dringendste kriegswichtige Fertigung zu erledigen habe. Der Sachbearbeiter des Gauarbeitsamtes wurde von hier aus darauf hingewiesen, daß eine Notwendigkeit zur Errichtung eines verlängerten Polizeigefängnisses so ohne weiteres nicht anerkannt werden kann. Die Angelegenheit würde hier aber durchgeprüft werden. Ich bitte um Bericht, ob von dort aus entsprechend dem Anfall an Häftlingen und dem vorhandenen Haftraum insbesondere in den verlängerten Polizeigefängnissen die Notwendigkeit besteht, bei den Götz-Werken eine solche Einrichtung vorzunehmen. Antwort der Außendienststelle Düsseldorf Die Errichtung eines verlängerten Polizeigefängnisses bei der Fa. Götz-Werke AG in Burscheid wird von hier aus nicht für erforderlich gehalten.

33 Die Goetze-Werke waren ein Zulieferer für den Maschinen- und Motorenbau; https://www.deutsche-biographie.de/sfz21524.html 34 Elisabeth Thalhofer: Geschichte der Polizeihaftlager in der NS-Zeit, S.  9 (https://www.gedenkstaettenforum.de) (Stand 3.3.23): „Die verlängerten Polizeigefängnisse waren zum einen Verteilerstationen in die KZ. Zum anderen dienten sie als Disziplinierungsstätten zur Bestrafung von ‚Arbeitsvertragsbruch‘ oder ‚Bummelei‘. Nach einer zeitlich begrenzten Haftzeit wurden die zu diesem Zweck eingelieferten Gefangenen wieder entlassen. Auch zur Ahndung geringerer Widersetzlichkeiten und Versäumnisse, bei der eine KZ-Inhaftierung unangemessen erschien, erwiesen sie sich als geeignete Alternative. Nicht zuletzt deshalb etablierten sie sich so schnell auf jener stark von Dezentralisation gekennzeichneten Verfolgungsebene. In dieser Beziehung übernahmen die Erweiterten Polizeigefängnisse die Funktionen von Arbeitshäusern, traditionellen Polizeigefängnissen und Arbeitserziehungslagern. Gerade die Bestrafung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern bildete einen wichtigen Teil des brutalen Tagesgeschäftes und manches Erweitertes Polizeigefängnis entstand unmittelbar auf dem Werksgelände von Firmen und Betrieben.“



Politisch, religiös und rassisch Verfolgte

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3.2 Politisch, religiös und rassisch Verfolgte Einführung Der Präsident der Reichsanstalt versuchte zunächst, an dem aus der Weimarer Republik übernommenen Prinzip festzuhalten, nach dem es eine Diskriminierung bestimmter Personengruppen weder bei der Arbeitsvermittlung noch bei der Arbeitslosenversicherung geben durfte, doch gelang es ihm nicht, diese Linie konsequent und auf Dauer durchzusetzen.35 Zwar schrieb Syrup Ende 1934, ehemalige Angehörige einer marxistischen Partei dürften von der Arbeitsvermittlung nicht ausgeschlossen werden, wenn sie an der „Aufbauarbeit des nationalsozialistischen Deutschlands“ teilnehmen wollten,36 und die Reichsanstalt hielt Ende 1936 ausdrücklich an dem Grundsatz fest, wonach es einen förmlichen Ausschluss aus der Arbeitsvermittlung nicht gäbe, doch lehnte es z. B. 1937 ein Mitarbeiter des Arbeitsamtes Bielefeld ab, einen parteilosen Arbeiter nach dessen Entlassung aus politischer Haft in Arbeit zu vermitteln37. In den Rüstungsbranchen galt die Maxime der politischen Neutralität ohnehin nicht. Bei der sicherheitspolitischen Überprüfung von Beschäftigten und Stellenbewerbern von Rüstungsbetrieben kam es frühzeitig zur Zusammenarbeit mit der Geheimen Staatspolizei, die sich später intensivierte. Nach Weisung des Reichsinnenministers spielten die Arbeitsämter hierbei die Rolle von Schaltstellen zwischen den pflichtgemäß sich erkundigenden Arbeitgebern und der Gestapo, die entsprechende Untersuchungen durchführte, deren Ergebnisse wiederum in der Arbeitsbuchkartei der Arbeitsverwaltung festgehalten wurden.38 Obwohl die Ernsten Bibelforscher (Zeugen Jehovas)39 in Deutschland nur 25.000 Mitglieder zählten, wurden sie während der „Dritten Reiches“ wie keine andere religiöse Sekte verfolgt. Denn weil sie glaubten, allein der göttlichen, nicht aber der staat35 Laut § 59,1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung von 1927, der nach 1933 weiterhin Gültigkeit hatte, war „die Arbeitsvermittlung unparteiisch, insbesondere ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einer Vereinigung auszuüben“. Für die ohne Beleg erfolgte Feststellung Maiers: Anfänge und Brüche, S. 108, solange die Arbeitslosigkeit hoch gewesen sei, seien Gegner der NSDAP systematisch von der Arbeitsvermittlung ausgeschlossen worden, weshalb viele Verfolgte erst mit Beginn des Arbeitskräftemangels wieder eine Beschäftigung gefunden hätten, findet sich zumindest für das Rheinland und für Westfalen kein Nachweis. 36 Zit. nach Dieter Maier: Arbeitsverwaltung und nationalsozialistische Judenverfolgung in den Jahren 1933–1939, in: Wolf Gruner u.a. (Hg.): Arbeitsmarkt und Sondererlass, Berlin 1990, S. 63–136, hier S. 125, Anm. 34. Das Folgende ebd. 37 Monika Minninger: Politisch und religiös Verfolgte in Stadt und Kreis Bielefeld – Ein Überblick, in: Joachim Meynert, Arno Klönne (Hg.): Verdrängte Geschichte: Verfolgung und Vernichtung in Ostwestfalen 1933–1945, Bielefeld 1986, S. 53 f. 38 Hierzu knapp Herrmann: Arbeitsmarkt, S. 153. 39 S. v.a. Detlef Garbe: Zwischen Widerstand und Martyrium. Die Zeugen Jehovas im „Dritten Reich“, 4. Aufl., München 1993 (=  Studien zur Zeitgeschichte, Bd.  42); Volltext: https://open.ifz-muenchen.de/client/#/ view/9783486559923 (Stand 3.3.23).

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lichen Obrigkeit Gehorsam schuldig zu sein, verweigerten sie den „Deutschen Gruß“, den Beitritt in nationalsozialistische Organisationen und den Militärdienst. Sie galten als „asoziale Elemente“, weshalb sie nicht mehr in Arbeit vermittelt und vom Bezug von Wohlfahrts- und der Arbeitslosenunterstützung ausgeschlossen wurden. Nicht alle Dienststellen vor Ort hielten sich daran,40 andere dagegen baten zur Erleichterung ihrer Arbeit ihre regional zuständigen Gestapostellen um Verzeichnisse von Bibelforschern. Viele Zeugen Jehovas wurden in Schutzhaft genommen und in Konzentrationslager verbracht, wo manche von ihnen starben. Andere wurden wegen Wehrdienstverweigerung hingerichtet. Gegenüber der jüdischen deutschen Bevölkerung41 scheint die Arbeitsverwaltung in den ersten Jahren der von ihrem vorgesetzten Reichsarbeitsminister Seldte u.a. vorgezeichneten Linie gefolgt zu sein, „dass auch den nichtarischen Angestellten und Arbeitern der Schutz der Regierung“42 zustehe, und die „Judenfrage“ eher dilatorisch behandelt zu haben. Vom Freiwilligen Arbeitsdienst und von der Landhilfe wurden sie gleichwohl ausgeschlossen,43 und den Arbeitsamtsmitarbeitern vor Ort war offenbar unbenommen, ggf. antisemitische Ressentiments auszuleben44. Die Situation für die Juden verschärfte sich in dem Maße, wie infolge der zahlreichen Diskriminierungen sich ihre Erwerbsmöglichkeiten verschlechterten und sich gegen den allgemeinen Trend ihre Arbeitslosigkeit vergrößerte, während zugleich das Gesetz vom 5. November 1935, das der Reichsanstalt das endgültige Vermittlungsmonopol bescherte, neben den Vermittlungsstellen z. B. der DAF auch die der jüdischen Verbände verbot.45 Nach Erlass der „Nürnberger Gesetze“, die u.a. die Beschäftigung jüdischer Hilfen in „arischen“ Haushalten untersagten, sah sich Syrup veranlasst, die ihm unterstellten Ämter darauf hinzuweisen, die Arbeitsvermittlung habe sich „künftig nach diesen und den noch weiterhin ergehenden Gesetzen und Verordnungen, die das Verhältnis der Juden zum deutschen Volk regeln, zu richten“. Dies mache er den Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern „zur besonderen Pflicht“.46 Die Verhältnisse verschlechterten sich auf ein Weiteres, als vor dem Hintergrund des mittlerweile eingetretenen Arbeitskräftemangels und der im Zuge der fortschreitenden Kriegsvorbereitungen sich seit Mitte 1938 verschärfenden antijüdischen Maßnahmen die Ausschöpfung des jüdischen Arbeitskräftepotentials für das Regime interessant wurde; zugleich sollten auch die öffentlichen Fürsorgeleistungen für notleidende Juden 40 Hierzu knapp Hermann: Arbeitsmarkt, S. 190 f. 41 Zum Folgenden v.a. Maier: Arbeitsverwaltung und ns. Judenverfolgung 1933–1939; ders.: Arbeitsein­ satz und Deportation 1938–1945; Wolf Gruner: Arbeitseinsatz und Zwangsarbeit jüdischer Deutscher 1938/1939, in: Gruner u.a.: Arbeitsmarkt und Sondererlass, S. 137–155; zusammenfassend Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 319–337. 42 Zit. nach Maier: Arbeitsverwaltung und Judenverfolgung, S. 71. 43 Ebd., S. 103 f. 44 Beispiele ebd., S. 73, 111; zur besonders diskriminierenden Behandlung der „Ostjuden“ S. 83 ff. 45 S. o., Kap. 1.2.3. 46 Erlass Nr. 98/35 vom 26.11.1935, zit. nach Maier: Arbeitsverwaltung und Judenverfolgung, S. 91.



Politisch, religiös und rassisch Verfolgte

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verringert werden. Während unmittelbar nach den antijüdischen Pogromen vom 9./10. November 1938 den Juden eine „Sühneleistung“ von einer Mrd. Mark auferlegt und ihnen betriebliche Unternehmungen in Handel, Handwerk und Gewerbe untersagt wurden, ordnete Syrup den beschleunigten und gesonderten Einsatz aller arbeitslosen Juden an und wiederholte Anfang März 1939, unbeschäftigte Juden seien zu harter Arbeit gruppenweise und abgesondert als „dienstverpflichtet“ einzusetzen.47 Bei der Organisierung half ggf. die Gestapo.48 Mit Kriegsbeginn und weiterer Arbeitskräfteverknappung wurden die Maßnahmen verschärft. 1941 wurde eine Arbeitspflicht für alle Juden dekretiert. Die Arbeitsverwaltung zwang nun nicht mehr nur die arbeitslosen, sondern alle erwerbsfähigen Juden zur Arbeit. Auch eine Zusammenfassung in Lagern wurde nun möglich, für deren Verwaltung die Arbeitsämter aber nicht zuständig waren; wohl aber für den Arbeitseinsatz der Lagerinsassen.49 Bei den im Winter 1941/42 einsetzenden Deportationen waren die Arbeitsämter in der Regel (aber nicht immer) für die Auswahl der jüdischen Beschäftigten zuständig. Wünsche der Rüstungswirtschaft wurden zunehmend weniger und schließlich überhaupt nicht mehr berücksichtigt.50 „Da die Anzahl der im Deutschen Reich lebenden Roma und Sinti mit ca. 20 000 gering war, spielten die ‚Zigeuner‘ in der NS-Propaganda eine untergeordnete Rolle. Das heißt jedoch nicht, dass das Feindbild weniger ausgeprägt und die Praktiken weniger durchgreifend gewesen wären.“51 Die Arbeitsverwaltung scheint sich anfangs auch ihnen gegenüber – soweit mangels ausreichender Unterlagen Aussagen möglich sind – neutral verhalten zu haben, wurde aber alsbald in die Ausgrenzungs- und Verfolgungsmaßnahmen miteinbezogen. So hatten die Arbeitsämter die Arbeitsbücher der Roma und Sinti gesondert zu kennzeichnen und auch „solche Personen, die nach ihrem Aussehen, ihren Sitten und Gebräuchen als Zigeuner angesehen werden können, ohne als solche bezeichnet zu sein“52, zu melden. Die für den ambulanten Handel erforderlichen Wandergewerbescheine z. B. wur47 Zit. nach Gruner, Arbeitseinsatz, S. 144. 48 Nur kurz Maier: Arbeitseinsatz und Deportation, S. 46. 49 S. u.a. Joachim Meynert: Zwangsarbeit und Ghettoisierung – Zur Existenz sog. jüdischer „Umschulungslager“ 1939–1943 am Beispiel des Lagers „Bielefeld-Schloßhofstraße“, in: Meynert, Klönne: Verdrängte Geschichte, S.  147–166; Antonius Rübbelke: „Man schämt sich“  – Judenverfolgung in Paderborn, ebd., S. 121–143, zum Lager am Grünen Weg in Paderborn. 50 Zur Beteiligung der deutschen Arbeitsverwaltung am Holocaust in den besetzen Ländern s. Anm. 7, und zuletzt Michael Wildt: Holocaust und Arbeitsverwaltung. Der jüdische Arbeitseinsatz in den Ghettos der besetzten Gebiete, in: Nützenadel: Reichsarbeitsministerium, S. 423–457. 51 Karola Fings: Sinti und Roma. Geschichte einer Minderheit, München 2016, S. 63; dies., Ulrich Friederich Opfermann: Zigeunerverfolgung im Rheinland und in Westfalen 1933-1945. Geschichte, Aufarbeitung und Erinnerung, Paderborn u.a. 2012; Michael Zimmermann: Die Verfolgung der Roma und Sinti, in: Anselm Faust (Hg.): Verfolgung und Widerstand im Rheinland und in Westfalen 1933–1945, Düsseldorf 1992, S. 200–14; zusammenfassend Schmuhl: Arbeitsmarktpolitik, S. 334–337. 52 Zit. nach Maier: Arbeitsverwaltung und Deportation, S. 200.

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den ihnen seit 1934 nicht mehr ausgestellt und seit 1936 waren freie Vertragsabschlüsse als Musiker nicht mehr möglich, da die Arbeitsämter ihr Vermittlungsmonopol auch auf diesem Feld geltend machten und sich in Absprache mit der Reichsmusikkammer die Vermittlung vorbehielten. Parallel zur Einschränkung eigenständiger Erwerbsarbeit wurden Sinti und Roma von der Wohlfahrts- und Arbeitslosenunterstützung ausgeschlossen und in Pflichtarbeitsstellen eingewiesen. Der rassistischen Logik des Regimes entsprechend wurden sie im Frühjahr 1938 auch in die Aktion gegen „Arbeitsscheue“53 einbezogen. Um sie aus dem Stadtbild zu verdrängen und leichter kontrollieren zu können, entstanden schon vor 1939 in zahlreichen Städten „Zigeunerlager“, z. B. in Köln, Essen, Gelsenkirchen, Düsseldorf. Im Krieg wollte man auf ihre Arbeitskraft aber zunächst nicht verzichten. Um die „Lücken, die durch die Einziehung zur Wehrmacht allenthalben unter den Werktätigen entstanden sind“, zu schließen, begannen die Arbeitsämter nun auch bezüglich der Sinti und Roma „auf jene fremdvölkischen Personen zurückzugreifen, die rassisch oder politisch im Gegensatz zum Deutschtum stehen“.54 Und wie bei den Juden waren die Arbeitsämter auch in die Vorbereitung der Deportationen der Roma und Sinti einbezogen. 1] Die Überprüfung der Zuverlässigkeit der Arbeitskräfte Erlass des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung an die Präsidenten der Landesarbeitsämter, 30.7.1937, Geheim! (BArch R 3901–220) Das Verfahren zur Überprüfung der Zuverlässigkeit der Arbeitskräfte ist bisher durch freie Vereinbarungen zwischen der Polizei, den Abwehrstellen55 und den Landesarbeitsämtern bezirklich geregelt worden. Schwierigkeiten sind zuweilen dadurch entstanden, daß die Überprüfungen nicht rechtzeitig durchgeführt werden konnten. Bei der jetzigen Verknappung der Arbeitskräfte muß Vorsorge getroffen werden, daß die Deckung des Bedarfs der staats- und wirtschaftspolitisch wichtigen Betriebe an Arbeitskräften nicht durch eine Langwierigkeit des Überprüfungsverfahrens beeinträchtigt wird. Im Einvernehmen mit dem Herrn Reichskriegsminister – Abwehrabteilung – und dem Geheimen Staatspolizeiamt, Berlin, werden für dieses Verfahren folgende Richtlinien aufgestellt:

53 S. Kap. 3.1. 54 H. Küppers: Die Beschäftigung von Zigeunern, in: RABl. V, 1942, S. 176 f. 55 Die bis 1938 beim Reichwehrministerium angesiedelte Abteilung „Abwehr“ war u.a. für die Bekämpfung der militärischen Spionage zuständig; vgl. Brün Meyer, Tilmann Koops u. Norbert Müller, Einleitung, in: Norbert Müller, Helma Kaden, Gerlinde Grahn u.a. (Bearb.): Das Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht. Eine Dokumentation (= Materialien aus dem Bundesarchiv, Bd. 16), Koblenz 2007, S. 43ff.



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1.) Die Einstellung von neuen Arbeitskräften in wehrmachtseigenen Betrieben, in der Rüstungsindustrie und bestimmten kriegs- und lebenswichtigen Betrieben, sowie die Deckung des Bedarfs der Wehrmacht an zivilen Arbeitskräften soll grundsätzlich nur durch Inanspruchnahme der Vermittlungseinrichtungen der Arbeitsämter vorgenommen werden. Wenn ausnahmsweise eine Einstellung ohne Vermittlung des Arbeitsamtes stattgefunden hat, soll das Arbeitsamt unverzüglich Mitteilung erhalten. 2.) Das Arbeitsamt soll grundsätzlich nur überprüfte Arbeitskräfte den Rüstungsbetrieben und sonstigen geschützten Betrieben zuweisen, sofern der Betriebsführer in dem Vermittlungsauftrag ein dahingehendes Verlangen zum Ausdruck gebracht hat. Ist das Arbeitsamt nicht in der Lage, überprüfte Arbeitskräfte in absehbarer Zeit zuzuweisen, so kann es Nichtüberprüfte, allerdings unter besonderem Hinweis auf die Tatsache der unterbliebenen Überprüfung, zuweisen. 3.) Die Abwehrbeauftragten der Arbeitsämter haben zu prüfen, ob der Vermittlungsauftrag von einem geschützten oder ungeschützten Betrieb gestellt worden ist. Auskunft über die geschützten Betriebe, seien es Rüstungsbetriebe oder kriegs- und lebenswichtige Betriebe, erhalten die Arbeitsämter über ihren Abwehrbeauftragten von den Abwehrstellen. Die Abwehrbeauftragten der Arbeitsämter haben daher mit den Abwehrstellen Fühlung zu nehmen. 4.) Für die Überprüfung der Arbeitskräfte ist die Geheime Staatspolizei zuständig. Die Abwehrabteilung des Reichskriegsministeriums hat darauf hingewiesen, daß nur das Ergebnis der Überprüfung der Geheimen Staatspolizei maßgebend ist. Der Geheimen Staatspolizei bleibt es überlassen, soweit es erforderlich ist, die Dienststellen der Partei und der staatlichen Verwaltung hieran zu beteiligen. Die Geheime Staatspolizei hat zugesagt, nach Möglichkeit auch vorsorgliche Überprüfungen durchzufuhren. Die Arbeitsämter sollen daher, jedoch nur soweit dies notwendig ist, bei den Stellen der Geheimen Staatspolizei eine vorsorgliche Überprüfung einer entsprechenden Zahl von Arbeitskräften beantragen. Durch das Reichskriegsministerium (Abwehrabteilung) werden die Abwehrstellen, durch das Geheime Staatspolizeiamt die Staatspolizeileitstellen und die Staatspolizeistellen entsprechend unterrichtet und angewiesen. 5.) Das Ergebnis der Überprüfung ist in den Arbeitsbuchkarten durch Kennzeichen festzulegen. Bei den Arbeitern und Angestellten, die wegen politischer Unzuverlässigkeit aus Rüstungsbetrieben entlassen worden sind oder in Rüstungsbetrieben nicht eingestellt werden dürfen, ist auf die Arbeitnehmerkarte in dem Feld „Bemerkungen“ rechts unten mit Tinte und unter Hinzusetzung von Handzeichen und Datum von dem Abteilungsleiter der Vermittlung, dem Nebenstellenleiter oder einem anderen schriftlich von dem Vorsitzenden des Arbeitsamts hierzu bestellten Angestellten oder Beamten ein „O“ einzutragen und hinter dieses Zeichen das Aktenzeichen der Dienststelle der Geheimen Staatspolizei und das Prüfungsdatum zu setzen (z. B. „O“ Bln.1O3 1.4.1937). In gleicher Weise erhält die Arbeitnehmerkarte des auf Grund einer Prüfung als unbedenklich Bezeichneten ein „+“ anstatt des „O“. Ich bitte, nach diesen Richtlinien zu verfahren.

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Zum 1. Oktober l937 bitte ich mir über Ihre Erfahrungen zu berichten. Soweit Schwierigkeiten bei dem Verfahren nicht aufgetreten sind, kann Fehlanzeige erstattet werden. 2] Die Beschäftigung eines „politisch unzuverlässigen“ Arbeiters (BArch R 3901–20217) Schreiben des Parteipolitischen Amtes der Kanzlei des Führers der NSDAP an die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, 25.4.1938 Betrifft: Franz Semanick, Solingen, Elsterbusch 34. Geb.: 26.7.1897. Der Obengenannte war vor der Machtübernahme in einer kommunistischen Organisation, aus der er nach seiner Angabe 1932 herausgesetzt wurde. Bei der Machtübernahme wurde er als politisch unzuverlässig vom März 1933 bis September 1934 in ein Erziehungslager eingeliefert. Nach seiner Entlassung besuchte er einen Umschulungskursus und wurde von dem Arbeitsamt Solingen zu den Deutschen Edelstahlwerken in Remscheid als Vertikal-Bohrer vermittelt. Er hat dort vom 15. März 1938 bis zu seiner ohne Grund erfolgten fristlosen Entlassung am 6. April 1938 gearbeitet und erhielt die Bescheinigung, dass seine Führung und Leistungen einwandfrei waren. Ich nehme an, dass er von der Überwachungsstelle als politisch unzuverlässig bezeichnet wurde und aus diesem Grunde entlassen werden musste. Ich bitte Sie, das zuständige Arbeitsamt darauf hinzuweisen, dass Volksgenossen, gegen deren Beschäftigung in geschützten Betrieben die Abwehrstelle, auf Grund ihrer früheren politischen Einstellung, bestimmt Einspruch erhebt, nicht erst in solche Betriebe vermittelt werden. Ich bitte Sie gleichzeitig, die Unterbringung des Semanick in eigener Zuständigkeit weiter zu bearbeiten. Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland an den Vizepräsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, 28.5.1938 Das Arbeitsamt Solingen berichtet mir, dass Semanick durch die zuständige Fachvermittlungsstelle dem Arbeitsamt Remscheid für die Deutschen Edelstahlwerke in Remscheid vorgeschlagen wurde. Dem Solinger Vermittler war der Charakter der Deutschen Edelstahlwerke als geschützter Betrieb nicht bekannt. Das Arbeitsamt Remscheid selbst teilt mir mit, dass, nachdem eine dringende Anforderung des Betriebes nach einem Vertikal-Bohrer vorlag, es die Vermittlung des S. unter Beachtung des Erlasses vom 30.7.1937 – W 5221/5/37 Abschn. 2 – durchgeführt habe. Ein besonderes Verlangen des Betriebsführers auf vorherige Prüfung der politischen Zuverlässigkeit ist nicht gestellt worden. Offenbar hatte eine vorherige Überprüfung des S. auf politische Zuverlässigkeit



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nach allgemeinen Gesichtspunkten unabhängig von der Zuweisung zu den Edelstahlwerken nicht stattgefunden, sodass auch aus der Kennzeichnung der AK-Karte die politische Unzuverlässigkeit des S. nicht zu ersehen war. Wie mir das Arbeitsamt Solingen berichtet, ist S. seit dem 2. Mai 1938 bei der Firma Kurt Haybach, Maschinenfabrik, Solingen-Ohligs, die nicht geschützter Betrieb ist, als Hilfsdreher beschäftigt. 3] Warnung vor der Vermittlung eines Bauarbeiters Schreiben des Landesarbeitsamtes Westfalen an die Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenunterstützung, 21.7.1938, Geheim! (BArch R 3901–20217) Betrifft: Warnung vor der Vermittlung des Wladislaus Meronk, geb. am 13.12.1900 in Gowodlino. Die Geheime Staatspolizei, Staatspolizeistelle Dortmund, in Dortmund-Hörde teilt mir unter dem 10.6.1938 – III Tgb. Nr. 334/38 Br.Nr. 3144 – folgendes mit: „ M e r o n k war bei der Baufirma Weinrich in Münster als Polier tätig und auf dem Flugplatz in Handorf bei Münster beschäftigt. Seine fristlose Entlassung erfolgte am 30.4.1938, weil er nach Mitteilung der Firma Weinrich nicht die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Polier besitzt. Vor einigen Tagen wurde er beim Arbeitsamt in Münster vorstellig, um sich eine Stellung als Polier bezw. Bauführer vermitteln zu lassen. Hierbei brachte er dem Beamten des Arbeitsamtes gegenüber zum Ausdruck, dass eine Arbeitsvermittlung zu Behörden bezw. behördenähnlichen Betrieben für ihn zwecklos sei, weil er als Nichtarier dort keine Beschäftigung erhalte. Da Meronk für eine Beschäftigung in heereswichtigen Betrieben ungeeignet ist, bitte ich, ihn für derartige Betriebe nicht zu vermitteln.“ Ich habe mich darauf hin nochmals mit dem Arbeitsamt Münster in Verbindung gesetzt. Das Arbeitsamt Münster teilt mir unter dem 9.7.1938 mit, dass Meronk nach Mitteilung der Geheimen Staatspolizei Münster ehemaliger Schutzhäftling ist und aus diesem Grunde für eine Beschäftigung in heereswichtigen Betrieben und in Betrieben mit staatspolitisch wichtigen Aufträgen nicht in Frage kommt. Meronk selbst weiss genau, dass er in solche Stellen nicht vermittelt werden darf, gibt aber den Dienststellen der Reichsanstalt an, dass er Nichtarier sei und deshalb zu Behörden nicht vermittelt werden könne. Diese Erklärungen Meronks beruhen jedoch auf Unwahrheit. Es dürfte sich empfehlen, durch eine allgemeine Benachrichtigung der Arbeitsämter vor einer Vermittlung des M. zu warnen.

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4] Bibelforscher sind „asoziale Elemente“ Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland an den Vorsitzenden des Arbeitsamtes Wuppertal, 8.8.1937 (Abschrift) (Faksimile o. Nachweis, in: Duisburg im Nationalsozialismus. Eine Dokumentation zur Ausstellung des Stadtarchivs Duisburg (1983), S. 108.) Nach einem Schreiben des Herrn Reichs- u. Preussischen Ministers der Inneren vom 14.5.1937 – Nr. V St. 924 IV/26 –, dem der Herrn Reichs- und Preussische Arbeitsminister zugestimmt hat, sind die Angehörigen der „Ernsten Bibelforscher“ asoziale Elemente, die dem Arbeitseinsatz nicht zur Verfügung stehen. Infolgedessen ist ihnen die Anerkennung als Wohlfahrtserwerbslose grundsätzlich und ausnahmslos zu versagen. Aus dem gleichen Grunde muss aber auch Arbeitslosigkeit gemäss § 89a AVAVG. verneint werden. Denn wer dem Arbeitseinsatz nicht zur Verfügung steht, kann auch nicht als arbeitslos bezeichnet werden. Etwaige Unterstützungsanträge von Angehörigen der „Ernsten Bibelforscher“ sind daher gemäss § 89a. AVAVG. durch einspruchsfähigen Bescheid zurückzuweisen. Schreiben der Staatspolizeistelle Düsseldorf an ihre Außendienststellen und die Polizeiverwaltungen in Neuss und Viersen, 15.1.1938 (LAV NRW R, RW 16–31 u. RW 18–22) Verschiedene Arbeitsämter sind an Aussendienststellen mit dem Ersuchen um Überlassung von Verzeichnissen derjenigen Personen herangetreten, die als Bibelforscher bekannt sind, bezw. wegen ihrer Anhänger- oder Täterschaft für die I.B.V. zur Verantwortung gezogen wurden. Das Ersuchen wurde damit begründet, dass einer Auslegung des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland zufolge Angehörige der Bibelforscher als asoziale Elemente anzusehen seien, die dem Arbeitseinsatz nicht zur Verfügung stehen und denen deshalb Anerkennung als Wohlfahrtserwerbslose grundsätzlich und ausnahmslos zu versagen sei. Auf meine Anfrage an das Landesarbeitsamt Rheinland, ob allgemein mit derartigen Anfragen zu rechnen sei, teilte mir der Präsident des Landesarbeitsamtes Rheinland in Köln-Lindenthal, Kanalstr., mit Schreiben vom 4.10.1937 – III a 7204 – mit, dass nicht beabsichtigt gewesen sei, von der Geheimen Staatspolizei Verzeichnisse der in den einzelnen Bezirken der Arbeitsämter ansässigen Bibelforscher zu erbitten. Die Mithilfe der Geheimen Staatspolizei sollte lediglich in Einzelfällen in Anspruch genommen werden. Ich ersuche, bei weiteren derartigen Anfragen seitens der Arbeitsämter entsprechend zu verfahren. […]



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5] Beschleunigte, aber abgesonderte Beschäftigung der Juden Rundschreiben des Präsidenten der Reichsanstalt an die Präsidenten der Landesarbeitsämter u.a. (Abschrift), 20.12.1938 (WWA Dortmund, K1, Nr. 2188) Nach den mir vorliegenden Berichten hat sich die Zahl der arbeitslosen Juden erheblich vermehrt. Der Staat hat kein Interesse daran, die Arbeitskraft der einsatzfähigen arbeitslosen Juden unausgenutzt zu lassen und diese unter Umständen aus öffentlichen Mitteln ohne Gegenleistung zu unterstützen. Es ist anzustreben, alle arbeitslosen und einsatzfähigen Juden beschleunigt zu beschäftigen und damit nach Möglichkeit die Freistellung deutscher Arbeitskräfte für vordringliche, staatspolitisch wichtig Vorhaben zu verbinden. Der Einsatz erfolgt in Betrieben, Betriebsabteilungen, bei Bauten, Meliorationen usw., abgesondert von der Gefolgschaft. Ich ersuche Sie daher, unverzüglich bei den öffentlichen und privaten Unternehmern Ihres Bezirks auf die Bereitstellung solcher Arbeiten hinzuwirken. Es ist sichergestellt, dass dem Unternehmer oder seinem Betrieb aus der Tatsache, dass er Juden beschäftigt, keinerlei Nachteile erwachsen. […] Rundschreiben des Reichsarbeitsministeriums an die Präsidenten der Landesarbeitsämter u.a., ca. August 1939 (Abschrift) (BArch R 11–1220) […] In einigen Landesarbeitsamts-Bezirken stößt der Arbeitseinsatz der Juden trotz vorhandener Beschäftigungsmöglichkeiten angeblich noch auf Schwierigkeiten, weil die Betriebe Einsprüche durch die Dienststellen der Partei oder deren Gliederungen befürchten. Ich bitte, in diesen Fällen mit den Dienststellen der Partei und ihren Gliederungen in Verbindung zu treten und sie davon zu unterrichten, daß mein Runderlaß vom 20. Dezember 1938 mit ausdrücklicher Billigung des Beauftragten für den Vierjahresplan, Ministerpräsident Generalfeldmarschall Göring, ergangen ist. Können die Schwierigkeiten bezirklich nicht behoben werden, ist mir sofort (also außerhalb der monatlichen Meldung) zu berichten. Es besteht Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß der Arbeitseinsatz der Juden ausschließlich gruppenweise erfolgen soll. Nachdem der Arbeitseinsatz der Juden in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist, mehren sich jetzt die Anträge von Firmen, früher beschäftigte Juden wieder in ihrem Betrieb einstellen zu dürfen. Derartige Anträge sind abzulehnen. […] Nach den Erfahrungsberichten sind die Juden bisher in der Hauptsache bei Straßen-, Kanal- Tiefbau- und Notstandsarbeiten, in Ziegeleien oder als Bauhilfsarbeiter angesetzt worden. Nur in wenigen Fällen wurden Juden zu Meliorationsarbeiten herangezogen. Der Herr Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft hat jedoch darauf hingewiesen, daß Meliorationsarbeiten im Interesse der Ernährungswirtschaft größte Bedeutung zukommt. Es ist daher dringend erwünscht, daß die Juden mehr als bisher

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bei Meliorationsarbeiten angesetzt werden. Ich bitte deshalb, mit den dafür zuständigen Stellen umgehend in Verbindung zu treten und in den künftigen Erfahrungsberichten den Einsatz der Juden [bei] Meliorationsarbeiten besonders zu behandeln. Von Presseveröffentlichungen oder sonstigen Bekanntmachungen über den Arbeitseinsatz der Juden ist abzusehen. 6] Arbeitslager und Pflichtarbeit für die Duisburger Juden Umlauf des Wohlfahrtsamtes Duisburg, 17.3.1939 (StA Duisburg, Bestand 5050–905) Betrifft: J u d e n . Grundsätzlich sollen sämtliche unterstützte Juden arbeiten. Bis jetzt sind 12 männliche Juden, die voll einsatzfähig und lagerfähig sind, dem Arbeitsamt zur Einweisung in eine Arbeitsmaßnahme des Landesarbeitsamtes Köln vorgeschlagen worden. Sie werden in allernächster Zeit eingewiesen und in der Eifel lagermässig untergebracht. Nähere Mitteilung darüber folgt. Sämtliche übrigen unterstützten Juden, männliche und weibliche, die unter 65 Jahre alt sind, und irgendwie noch arbeiten können, werden zum 20.3.1939 in Pflichtarbeit beim Grünflächenamt eingewiesen und zwar für 4 Tage wöchentlich zu je 8 Stunden ohne Zuschlag. Die Arbeitsstellen befinden sich für die Juden aus dem Stadtgebiet südlich der Ruhr, Düsseldorfer Chaussee 145 (Baumschule) und für die Juden aus dem Stadtgebiet nördlich der Ruhr in Laar, Apostelstr. 84 und in Hamborn. Es handelt sich im leichte bis mittelschere Arbeiten in Baumschulen und Gehölzpflanzungen. […] Mit dem Arbeitsamt ist vereinbart, dass die weiblichen jüdischen WE. sich jeden Samstag 8 Uhr beim Arbeitsamt (in Duisburg Mercedeshaus, in Hamborn bei der Nebenstelle) als Arbeitssuchende zu melden haben. 7] Arbeitseinsatz von Juden im Siegkreis (LAV NRW R, RW 18–18) Schreiben der Fa. Gebrüder Filk, Spich-Troisdorf b. Köln, an den Landrat des Siegkreises, 20.6.1941 Von dem Arbeitsamt in Siegburg erhalten wir unter dem 17. Juni 1941 die Mitteilung, daß in allernächster Zeit, die im Arbeitsprozeß stehenden Juden in einem größeren Gebäude in Niederkassel zusammengezogen werden. Wir werden aufgefordert, schnell­ stens eine Baracke zu bauen, oder für sonstige Unterkunftsmöglichkeiten zu sorgen, da-



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mit die Juden, die an den Wochentagen ihren neuen Wohnsitz nicht erreichen können, auf diese Weise untergebracht werden. Die Beschaffung einer Baracke dürfte jedoch unter den heutigen Verhältnissen sehr schwierig sein. Die Baracke müßte ja auch eingerichtet werden und käme die Beschaffung der Einrichtungsgegenstände noch hinzu. Wir treten daher an Sie heran, mit der Bitte, zu prüfen, ob den Juden – es kommen ca. 20 Mann infrage  – Fahrräder beschafft werden könnten, oder aber, ob es möglich ist, daß die elektr. Kreisbahn morgens und abends je einen Wagen einlegen kann, der dem Beginn und Schluß der Arbeitszeit der Juden Rechnung trägt. Die Bahnen müßten so gelegt werden, daß die Juden morgens 7 Uhr hier sein und nachmittags 17 Uhr hier abfahren könnten. Die jetzt täglich bis Spich fahrenden Wagen sind für die Arbeitszeit nicht passend, da morgens 810 Uhr und abends 19 Uhr je 1 Wagen geht. Für eine baldige Stellungnahme zu der Angelegenheit wären wir Ihnen dankbar. Schreiben der Fa. Heinrich Odermath, Fabrik feuerfester Erzeugnisse, in Düsseldorf-Benrath an das Landratsamt Siegburg, 20.6.1941 Vom Arbeitsamt Siegburg erhalte ich unter dem 17. cr. (Gesch.Z. IIb/5431/V3) die Nachricht, dass die im Arbeitsprozess stehenden Juden in einem grösseren Gebäude in Niederkassel zusammengezogen würden. Falls nicht von den Betrieben Unterkunftsmöglichkeiten geschafft würde, so wäre mit einem Ent[zug d]56ieser jüdischen Arbeitskräfte zu rechnen, wofür kein Ersatz gestellt werden könne. In meinem Siegburger Grubenbetrieb werden die Juden Albert Falkenstein, Siegburg, Kronprinzenstraße 11, und Max Heli, Siegburg, Holzgasse 32, beschäftigt. Ich habe in Siegburg starken Mangel an Arbeitskräften und bin daher auf jede einzelne mir verbliebene Arbeitskraft zur Aufrechterhaltung des Betriebes angewiesen. Mein Unternehmen ist ein W-Betrieb und zum Spezialbetrieb erklärt worden. Um nun die jüdischen Arbeitskräfte zu erhalten, bitte ich Sie in Uebereinstimmung mit dem Antrag der Firma Gebrüder in Spich, auch den bei mir beschäftigten jüdischen Arbeitern die Benutzung der Strassenbahn zur Erreichung der Arbeitsstelle zu gestatten. Ich bin mit vordringlichen Aufträgen stark überlastet und kann auf die Arbeitsleistung der beiden bei mir beschäftigten Juden nicht verzichten, ohne mit diesen Aufträgen empfindlich in Rückstand zu geraten. Antwort des Landrats des Siegkreises an die beiden Firmen, 26.6.1941 Auf Ihr vorbezeichnetes Schreiben teile ich mit, dass eine Umsiedlung der Juden nach Niederkassel z.Zt. nicht beabsichtigt ist.

56 Unleserlich.

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8] Das Arbeitsamt und das Lager Much (LAV NRW R, RW 18–18) Aktenvermerk des Leiters der Bezirksstelle Köln der Reichsvereinigung der Juden Deutschlands über eine Besprechung beim Landrat in Siegburg zur Umsiedlung der Juden in das Arbeitsdienstlager Much57, 10.4.1941 (Auszug) Bei der unter dem heutigen Datum stattgefundenen Vorsprache beim Herrn Landrat in Siegburg werden folgende Fragen erörtert. V. Arbeitseinsatz Der Herr Regierungsassessor beim Landratsamt erklärt, dass der Arbeitseinsatz, sobald die Leute oben58 sind, vom zuständigen Arbeitsamt geregelt wird. Bericht des Bürgermeisters von Much an den Landrat des Siegkreises, 17.7.1941 Am 8. ds. Mts. fand in meinem Büro eine Besprechung mit dem Vertreter der Firma Metallwerke Elektra59 in Gummersbach, einen Vertreter des Arbeitsamtes und dem Unterzeichneten bezg. Beschäftigung der Juden im Lager Much statt. Die Metallwerke Elektra in Gummersbach sind bereit, in der Hälfte des Tagesraumes im Lager Much durch Insassen des Lagers Arbeiten ausführen zu lassen. Im Laufe dieser Wochen sollen die Arbeiten noch aufgenommen werden. Die Arbeiten werden am Tisch verrichtet und sind Transmissionsanlagen und dergleichen nicht erforderlich. Schreiben des Landrats des Siegkreises an die Gestapostelle Köln, 6.8.1941 In Erledigung vorbezeichneter Verfügung berichte ich, daß die Zusammenlegung der Juden des Siegkreises, wie bereits fernmündlich mitgeteilt, restlos durchgeführt worden ist. Mit Ausnahme der achtköpfigen Judenfamilie David Israel Cohn in Quirrenbach bei Oberpleis wurden alle jüdischen Wohnungen in arischen Häusern freigemacht. Die Freimachung der vorbezeichneten Wohnung konnte bisher nicht erfolgen, da im Amtsbezirk Oberpleis jüdische Häuser nicht vorhanden sind. Nach Mitteilung des hiesigen Arbeitsamtes kann auch z.Zt. aus arbeitseinsatzmäßigen Gründen eine anderweitige Vermittlung des Cohn nicht erfolgen, sodaß auch dadurch die Unterbringung der Familie Cohn in einem anderen Amtsbezirk nicht möglich ist. Im übrigen handelt es sich um eine kleine, in einem schlechten 57 Bruno H. Reifenrath: Die Internierung der Juden in Much. Ein Buch des Gedenkens, Siegburg 1982; Stefan Kraus: Nationalsozialistische Lager und Haftstätten in der Rheinprovinz, in: Internetportal Rheinische Geschichte (http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/nationalsozialistischelager-und-haftstaetten-in-der-rheinprovinz/DE-2086/lido/5d6f6cf15ded88.93331660) (Stand 3.3.23). 58 Much liegt rd. 180 m höher als Siegburg. 59 Angaben des Unternehmens unter: https://www.pickhardt-family.de/unternehmen-pickhardt/metallwerkelektra (Stand 3.3.23).



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Zustande befindliche Wohnung, die von einem Arier erst wieder bewohnt werden könnte, nachdem sie gründlich instandgesetzt worden wäre. Aus den vorgenannten Gründen dürfte es zweckmäßig sein, die Judenfamilie in der arischen Wohnung weiter zu belassen. 9] Die Denunzierung eines ehemaligen Viehhändlers60 (LAV NRW R, RW 58–61474) Schreiben des Arbeitsamtes Kempen an den Landrat des Kreises Kempen-Krefeld, 29.1.1942 In St. Hubert, Königstraße 12 wohnt der Nichtarier Max Israel Mendel, geb. 5.2.94. M. ist mit einer Arierin verheiratet und hat 4 Kinder im Alter von 8, 6, 5 und 2 Jahren. Mendel war bis zum Jahre 1936 als Vierhändler selbständig, ab 24.7.41 wurde er als Hilfsarbeiter zu der Firma Josef Scheuring, Krefeld, Papiersackfabrik zugewiesen. Wegen Vernachlässigung seiner Arbeit wurde M. am 8.8.41 und am 25.8.41 durch den Leiter des Arbeitsamtes Krefeld als Beauftragten des Reichstreuhänders der Arbeit verwarnt. Seit dem 9.10.41 ist er bei der Firma Scheuring nicht mehr zur Arbeit erschienen. Eine erneute Anzeige der Firma Scheuring ist nicht eingegangen. Mendel entzieht sich mithin dem Arbeitseinsatz. Nach einer Mitteilung des Ortsgruppenleiters der NSDAP. in St. Hubert darf M., weil er mit einer arischen Frau verheiratet ist, in St. Hubert wohnen bleiben. Aus dem gleichen Grunde ist er in Versorgung z. B. Raucherkarte, Kleiderkarte allen anderen Personen gleichgestellt. Es erregt nun immer mehr Aufsehen und Ärgernis, dass der Jude Mendel auch ohne Davidsstern hier herumläuft. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Angelegenheit einer Nachprüfung unterziehen würden und evtl. die Evakuierung des Juden Mendel veranlassten. Von dem Geschehenen bitte ich, mich zu unterrichten. Im Auftrag: Sipmann61 Protokoll der Gestapo-Außendienststelle Krefeld vom 4.11.1942 über die Vernehmung des am 1.11.1942 verhafteten Max Mendel Bis zu meinem 14. Lebensjahr habe ich die Volksschule in Kempen besucht. Mein Vater war von Beruf Viehhändler und hatte ich noch 4 Geschwister. Nach der Schulentlassung 60 Eine ausführliche Darstellung des Vorgangs bei Hans Kaiser: Kempen unter dem Hakenkreuz, Bd. 2: Eine niederrheinische Kreisstadt im Krieg (= Schriften des Kreises Viersen, Bd. 42,2), Viersen 2014, S. 446-56; auch https://stolpersteine-kempen.de/biographien/max-mendel (Stand 3.3.23). Für Max Mendel wurde 2018 in Krefeld ein „Stolperstein“ verlegt. 61 Der stellvertretende Arbeitsamtsleiter Ernst Sipmann war ein stadtbekannter nationalsozialistischer Aktivist. 1949 wurde er wegen seiner Beteiligung an den Ausschreitungen während der „Kristallnacht“ in Kempen verurteilt; ebd.

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kam ich zu einem Metzger nach Hannover in die Lehre und verblieb dort 3 Jahre. Danach arbeitete ich 8 Monate als Geselle in Koblenz und späterhin auch in Krefeld. Im Jahre 1912 trat ich in das Geschäft meines Vaters ein und verblieb darin bis zum Jahre 1937, wo mir die Handelserlaubnis entzogen wurde. Bis zum Jahre 1941 habe ich dann keinen Beruf ausgeübt, bin aber am 24.7.1941 als Hilfsarbeiter zu der Papiersackfabrik Scheuring in Krefeld vermittelt worden. z.S. Schon bald nach meiner Einstellung blieb ich meiner Arbeit bei der Firma Scheuring fern, weil ich krank war, was ich durch ärztliches Attest belegen konnte. Seit dem 9.10.1941 bin ich meiner Arbeit bei Scheuring gänzlich fern geblieben, da ich mich noch krank fühlte, aber nicht mehr im Besitz eines Krankenscheines war. Ich gebe damit also zu, daß ich jetzt schon seit über 1 Jahr nicht mehr gearbeitet habe, sondern mich immer zu Hause aufhielt und dort meiner Frau die Wirtschaft führte, da diese selbst kränklich ist. Gelebt habe ich in dieser Zeit von Unterstützungen und Zuweisungen seitens meiner Verwandten. Als Grund für mein Fernbleiben von der Arbeit gebe ich an, daß mir erstens mein Arbeitsverdienst bei der Firma Scheuring zu gering war und ich mich von dieser Firma schickaniert fühlte. Auf Vorhalt: Wenn mir vorgehalten wird, daß ich wissen musste, daß ich ohne Erlaubnis meines Arbeitgebers, bezw. des Arbeitsamtes der Arbeit nicht fernbleiben darf, dann muss ich hierzu sagen, daß mir dies nicht bekannt war, da ich immer selbständig war. Ich gebe zu, daß ich zwar im August 1941 schon 2x vom Arbeitsamt Krefeld verwarnt worden bin, doch bezogen sich diese Verwarnungen lediglich auf mein Kranksein. Im Oktober 1941 war ich wieder beim Arbeitsamt Krefeld gewesen und hatte dort wegen eines Arbeitsplatzwechsels vorgesprochen. Man sagte mir dort, daß ich einen schriftlichen Antrag einreichen sollte, was ich aber späterhin versäumt habe. Da ich seit dem 9.10.1941 meiner Arbeit bei Scheuring ferngeblieben war, von keiner Seite aber diesbezüglich mehr etwas hörte, sagte ich mir, daß die Sache in Ordnung ginge. Wenn mir vorgehalten wird, daß meine Angaben, wonach ich nicht gewußt haben will, daß ich nur mit Zustimmung des Arbeitsamts der Arbeit fernbleiben darf, recht unglaubhaft erscheinen, so sehe ich das ein. Ich habe mich zwar wiederholt um Arbeit bemüht, bin aber nirgendwo untergekommen, weil ich Jude bin. Wenn mir gesagt wird, daß ich mich durch mein Verhalten des Arbeitsvertragsbruchs schuldig gemacht habe, so sehe ich das ein, war mir aber bisher dessen nicht bewußt. Ich weiß, daß ich als Jude mich in Deutschland besonders einwandfrei zu führen habe, zumal man mir, mit Rücksicht auf meine Frau und meine Kinder, gestattet hat, hier verbleiben zu können.62 Mir wurde eröffnet, daß ich nunmehr einem Arbeitserziehungslager zugeführt werde. Ich verspreche, nach Entlassung aus diesem Lager, jede Arbeit, die mir das Arbeitsamt 62 Mendel führte eine „privilegierte Mischehe“. Er war mit einer nichtjüdischen Frau verheiratet und deshalb zunächst von einem Umzug in ein „Judenhaus“ und von einer Deportation verschont worden.



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zuweist, aufnehmen zu wollen und werde ich nie wieder gegen die in Deutschland gültigen Arbeitsregeln verstoßen. Es ist mir bekannt, daß ich im Wiederholungsfalle mit den schärfsten staatspolizeilichen Maßnahmen und evtl. mit meiner Einweisung in ein Konzentrationslager zu rechnen habe. Schreiben von Maria Mendel an die Geheime Staatspolizei Krefeld, 20.11.42 Am 3. November wurde mein Mann zur Polizei nach Krefeld bestellt. Ich wartete den ganzen Tag, aber mein Mann kam nicht zurück. Auf Anfrage bei der Polizei erhielt ich die Antwort, er würde nun vorläufig nicht zurückkommen. Bis heute, den 20. November, war ich ohne Nachricht. Ich bin der arische Teil und stehe hier mit 5 kleinen Kindern von 1½-8 Jahren. Meine Kinder gehören nicht zur jüdischen Religion, dadurch braucht mein Mann auch nicht den Stern tragen. Mein Mann war 4 Jahre im Weltkriege. Er hat das Verwundetenabzeichen in schwarz. Er hat ein Kreisärztliches-Attest, da er durch Verstümmelung der rechten Hand und Fehlen des Mittelfingers nicht für Schwer- und Tiefbauarbeiten heranzuziehen ist. Trotzdem wurde er vom Arbeitsamt nur zu solchen Stellen hingewiesen. In einer Sackfabrik hatte er eine Woche gearbeitet u. hatte sich eine Blutvergiftung wodurch er wochenlang in Behandlung war, dann war ich durch meine Krankheiten nicht in der Lage meinen Haushalt mit den 5 hilfsbedürftigen Kindern vorzustehen. Eine Hilfe, wie bei anderen kinderreichen Familien, wie Pflichtjahrmädchen oder von Seiten der N.S.V. stand uns nicht zur Verfügung. Was blieb mir sonst übrig als meinen Mann im Hause zu halten. Wir haben einen großen Garten nebst einige Ziegen u. Kleinvieh u. haben uns einfach u. spärlich mit Hilfe der Verwandten durchgeschlagen. Da ich in nächster Zeit das sechste Kind erwarte u. ich nicht allein sein kann möchte ich bitten den Fall genau zu prüfen. Denn nicht mein Mann ist der Leidtragende, sondern die Familie. Ich selbst komme aus einer deutschen Familie. Mein Großvater hat schon 25 Jahre u. einige Monate im preußischen Heer gedient. Meine beiden Brüder sind in diesem Kriege. Einer in Rußland und einer in Frankreich. Es würde bestimmt keinen guten Eindruck machen wenn sie hören daß die ganze Zukunft der Schwester hin ist. Ich möchte auch keine Unterstützung annehmen. Man kann hier dem Mann eine Arbeit geben, die er machen kann. Und gerne will ich mit dazu beitragen um unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Ich bitte nochmals den Fall zu prüfen u. im Interesse der Familie Milde walten zu lassen. Mit deutschem Gruß Frau Maria Mendel Max Mendel wurde am 8. Februar 1943 nach Ausschwitz deportiert und am 14. März 1943 als verstorben gemeldet.

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10] Schutzhaft für eine Düsseldorfer Jüdin (LAV NRW R, RW 58–61530) Am 1.9.1941 wird die Düsseldorferin Henny Stern von der Gestapo festgenommen, die darüber am 16.9.1941 an das Reichssicherheitshauptamt berichtet: Seit September 1940 befindet sich die Jüdin in jüdischem Arbeitseinsatz bei der Firma Fischer, Aktiengesellschaft für Blechverarbeitung in Düsseldorf-Oberkassel, Prinzenallee 21. Schon kurze Zeit nach ihrer Arbeitsaufnahme, wurde seitens der Firma beim hiesigen Arbeitsamt Klage darüber geführt, daß die Stern nur sehr unwillig und nur unter dauernden Ermahnungen ihrer Arbeit nachginge. Vom Beginn ihrer Tätigkeiten an versucht die Stern, ihre Rassengenossinnen ebenfalls von der Arbeit abzuhalten. Hierbei hatte sie bereits nach einigen Tagen eine tätliche Auseinandersetzung mit anderen jüdischen Arbeiterinnen. Sehr oft kam sie zu spät zur Arbeitsstelle, an Samstagen (Sabbat) fehlte sie fast immer. Als sie eines Tages von ihrem Abteilungsleiter auf ihre Arbeitspflichten aufmerksam gemacht wurde, erklärte sie diesem: „Was soll ich denn solange arbeiten, etwa um Deutschland reich zu machen?“ Vom Leiter des hiesigen Arbeitsamtes als Beauftragter des Reichstreuhänders der Arbeit wurde die Stern im Mai ds.Js. wegen ihrer Bummelei bei der Arbeit und wegen ihres sonstigen Benehmens ihren Vorgesetzten und auch ihren jüdischen Arbeitskolleginnen gegenüber, gewarnt. Trotzdem hat sich ihre Arbeitswilligkeit nach dieser Warnung nicht gebessert. Da die Jüdin Stern am 1.ds.Mts. gegen einen deutschblütigen Arbeiter, der ihr bezgl. ihrer Arbeit etwas sagen wollte, tätlich wurde und hiernach auch trotz aller Vorhaltungen und Ermahnungen nicht mehr die Arbeit aufnehmen wollte, wurde sie an diesem Tage in Schutzhaft genommen. Von einer Vernehmung wurde Abstand genommen, weil die Stern bewußt in allen Punkten die Unwahrheit sagte. Vor allen Dingen erklärte sie, daß nicht sie, sondern der deutschblütige Arbeiter zuerst nach ihr geschlagen habe. Demgegenüber wurde von den Zeugen des Vorfalls einwandfrei erklärt, daß die Jüdin zuerst den Arbeiter geschlagen habe, worauf dieser sich zur Wehr setzte. Ich bitte gegen die Jüdin Stern Schutzhaft und Überführung in das Konzentrationslager Ravensbrück zu beantragen. Am 28.10.1941 wird Henny Stern in Schutzhaft genommen und anschließend in das KZ Ravensbrück transportiert. Dort stirbt sie am 8.6.1942.



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11] „Die im kriegswichtigen Arbeitseinsatz stehenden Juden sind zunächst von der Evakuierung zurückzustellen“ (LAV NRW R, Mikrofilm A 28/2) Von der Gestapoleitstelle Düsseldorf aufgenommene telegrafische Rundverfügung des Reichs­sicherheitshauptamts an alle Gestapo(leit)stellen u.a., 21.5.1942, Geheim Im Zuge der Evakuierungsaktion Lublin/Izbica konnten, abgesehen von einigen Ausnahmen, saemtliche Evakuierungsdienststellen im Altreich die nach den Richtlinien fuer eine Evakuierung in Betracht kommenden Juden erfassen. – Um die im Osten noch vorhandenen Aufnahmemoeglichkeiten fuer eine weitere Evakuierung restlos ausnuetzen zu koennen, ist die Zahl jener im dortigen Dienststellenbereich bisher verbliebenen Juden anzugeben, die unter genauester Beachtung der Richtlinien noch evakuiert werden können. Termin: 27.5.43. Fehlanzeige ist erforderlich. […] Die im kriegswichtigen (unterstrichen) Arbeitseinsatz stehenden Juden sind, sofern sie von den in Betracht kommenden Arbeitseinsatzstellen (Gaubevollmaechtigte fuer den Arbeitseinsatz usw.) z.Zt. nicht freigegeben werden koennen, zunaechst bis auf weiteres von der Evakuierung zurückzustellen (unterstrichen). (Verbindung mit dem Gaubvollmaechtigten fuer den Arbeitseinsatz aufnehmen). […] Rundverfügung der Gestapoleitstelle Düsseldorf an die Außendienststellen, Landräte und Oberbürgermeister des Bezirks, 22.5.1942 Für die bevorstehende Evakuierung von Juden nach dem Osten bezw. in das Altersghetto Theresienstadt bitte ich, zur restlosen Erfassung der im dortigen Bereich wohnhaften Juden bis Dienstag, dem 26.5.1942, 17’00 Uhr (Termin genau), nach folgenden Punkten zu berichten: 1.) Zahl der Juden deutscher Staatsangehörigkeit (einschl. der staatenlosen sowie Juden ehemals polnischer und luxemburgischer Staatsangehörigkeit). […] 10.) Zahl der im kriegswichtigen Arbeitseinsatz stehenden Juden, sofern sie von den in Betracht kommenden Arbeitseinsatzstellen (Gaubevollmächtigter für den Arbeitseinsatz) nicht freigegeben werden können. […] Zu Ziffer 10 werden aus Viersen, Neuss, Krefeld, Mönchengladbach, Düsseldorf, Oberhausen, Kleve, Dinslaken, Mettmann, Geldern, Grevenbroich, Opladen, Moers, Wesel, Emmerich, Kaldenkirchen niemand, aus Wuppertal 54, aus Essen 107, aus Duisburg 9 und aus Kempen eine Person gemeldet.

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12] Eine Diskussion um die Deportation arbeitsfähiger Juden aus Essen (LAV NRW R, Mikrofilm A 28/2) Schreiben des Arbeitsamtes Essen an die Gestapo-Außendienststelle Essen, 19.3.1943, Geheim (Abschrift) Betrifft: Arbeitseisatz der Juden Vorgang: Ihr Schreiben vom 18.3.42 – IIB4–742/42 g – Ihrem Vorschlage, 50 % der bei den Firmen Giessler, Kurz und Schuler u. Co. beschäftigten Juden sowie die nach dem 15.12.41 bei der Firma Vita Zahnfabrik eingestellten Jüdinnen sofort für eine etwaige Evakuierung freizugeben, stimme ich trotz der damit verbundenen arbeitseinsatzmässigen Schwierigkeiten aus staatspolitischen Gesichtspunkten zu. Die Firmen sind von mir verständigt und aufgefordert worden,  – soweit erforderlich  – als Ersatz zivile ausländische Arbeitskräfte oder Kriegsgefangene anzufordern. Sie sind weiterhin unterrichtet worden daß sie voraussichtlich noch in diesem Sommer mit dem Ausscheiden der restlichen Juden rechnen müssen. Schreiben des Arbeitsamtes Essen an die Gestapo-Außendienststelle Essen, 12.4.1943, Geheim! (Abschrift) Betrifft: Arbeitseinsatz der Juden Als Anlage überreiche ich Ihnen Abschrift eines Schnellbriefes des Herrn Reichsarbeitsministers Va 5431/1936/42 g vom 27.3.1942, wonach Juden, die in einem kriegswichtigen Betrieb beschäftigt sind, bis auf weiteres grundsätzlich nicht mehr evakuiert werden sollen zur gefälligen Kenntnis. Gelegentlich der heutigen Besprechung meines Sachbearbeiters  – Herrn Amberge  – mit Ihrem Herrn Kosthorst wurde ersterem mitgeteilt, daß dort von einer Verfügung im Sinne des beigefügten Schnellbriefes nichts bekannt sei, und der Transport von 410 Juden bereits zusammengestellt und am Dienstag, dem 21.4.42 in Marsch gesetzt würde. Auf Grund des Schreibens des Herrn Reichsarbeitsministers und aus arbeitseinsatzmäßigen Gründen kann ich mich aber leider mit dem Abzug der in kriegswichtigen Betrieben eingesetzten Juden nicht einverstanden erklären. Falls z. B. vom RWE Karnap (Baufirma Gieseler u. Kurz) Kräfte abgezogen werden, ist die Stromversorgung der kriegswichtigen Betriebe gefährdet. Aus diesem Grunde bitte ich, im Sinne des Erlasses des Herrn Reichsarbeitsministers von einem Azug der Juden vorläufig abzusehen. Über das Veranlaßte bitte ich mich zu unterrichten. 1 Anlage



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Schnellbrief des Reicharbeitsministeriums an die Präsidenten der Landesarbeitsämter, 27.2.1942, Geheim! (Abschrift) Betr.: Arbeitseinsatz der Juden Erlass vom 11.11.41 – Va 5431/8722/41 g. – Erlass vom 10.12.42 – Va 5431/9629/41 g.– Auf Anfrage hat der Herr Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches und Beauftragter für den Vierjahresplan mitgeteilt, daß nach den z.Zt. geltenden Richtlinien und inzwischen stattgefundenen Besprechungen Juden, die in einem kriegswichtigen Betrieb beschäftigt sind, bis auf weiteres grundsätzlich nicht mehr evakuiert werden. Abschrift dieses Schreibens haben der Chef des Sicherheitsdienstes und des SD und das OKW Ri Rü Amt erhalten. Ich bitte um Kenntnisnahme. Über trotzdem noch auftretende Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Evakuierung von Juden bitte ich mir gegebenenfalls zu berichten. Abdrucke für die Arbeitsämter sind beigefügt. Aktenvermerk in der Gestapoleitstelle Düsseldorf – II B – , 18.4.1942 Krim. Oberasst. Kosthorst von der A.St. Essen sprach am 17.ds. Mts. hier vor und teilte mit, daß das Arbeitsamt in Essen unter Berufung auf den Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 27.3.1942  – Va 5431/1936/42g gegen die Evakuierung des größten Teiles des von der A.St. Essen vorgesehenen Juden am 22. ds. Mts. Einspruch erhebe mit der Begründung, die betreffenden Juden seien in einem kriegswichtigen Betrieb beschäftigt. Die Berücksichtigung dieses Einspruchs hätte zur Folge, daß die Zahl der von Essen abzuschiebenden Juden von rd. 415 auf etwas über 100 zurückgehen würde, da die Rückstellung jüdischer Arbeiter gleichzeitig die Rückstellung ihrer Familienangehörigen, entsprechend den Richtlinien des RSHA., zur Folge haben müßte. Eine heutige fernmündl. Rückfrage beim RSHA. – SS-Obersturmf. Nowak – ergab, daß nur diejenigen Juden zurückzustellen sind, die nicht nur in rüstungswichtigen Betrieben beschäftigt sind, sondern auch durch die Art ihrer speziellen Beschäftigung (Facharbeiter an Spezialmaschinen usw.) z.Zt. unersetzlich sind. Auf keinen Fall käme eine Rückstellung von Leuten in Frage, die auf Arbeitsposten stehen, für die andere ungelernte oder angelernte Arbeiter verwendet werden können (Hilfsarbeiter, Heizer oder sonst dergl.). Krim.Rat Nohles, Leiter der A.St. Essen, wurde heute fermdl. im Sinne der Ziffer 2 unterrichtet und gebeten, mit dem Arbeitsamt nochmals in dieser Richtung Fühlung zu nehmen. Sollten sich trotz Berufung auf die zwischen der A.Stelle und dem Arbeitsamt getroffene und vom letzteren unter dem 19.3.42 bestätigte Regelung Schwierigkeiten ergeben, so wird der Herr Stapoleiter mit dem Reichstreuhänder der Arbeit unmittelbar Fühlung nehmen. K.R. Nohles wurde gebeten, die Verhandlungen zu beschleunigen und das Ergebnis sowie die Namen der ausfallenden Personen unverzüglich nach hier durch-

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zugeben. Eine wesentliche Verringerung der für den Transport vorgesehenen Personen dürfe nicht eintreten. Wv. sofort. 13] Keine Beschäftigung von Roma und Sinti in Wehrmachtsbetrieben Schreiben der Abteilung V („Arbeitseinsatz“) des Reichsarbeitsministeriums an die Präsidenten der Landesarbeitsämter, 19.2.1940, Geheim (BArch R 3901–20217) Das OKW. hält die Beschäftigung von Zigeunern in Wehrmachtsbetrieben und geschützten Betrieben für untragbar, da es sich vielfach um charakterlich minderwertige und vorbestrafte Personen handelt, die daher als unzuverlässig – unabhängig davon, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder nicht  – anzusehen sind. Zigeuner dürfen in solche Betriebe nicht vermittelt werden. Der Reichsführer SS ist vom Oberkommando der Wehrmacht gleichzeitig gebeten worden, in Erweiterung des §3 der Grenzzonenverordnung baldmöglichst ein Verbot des Aufenthalts von Zigeunern in der Grenzzone zu erlassen. Ich bitte, die AÄ zu unterrichten. Die erforderlichen Abdrucke sind beigefügt.



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3.3 Zwangsarbeiter63 Einführung Die Kontroll- und Disziplinierungsbefugnisse der Arbeitsverwaltung, die längst bis in die Betriebe hineinreichten, erstreckten sich auch auf die Zwangsarbeiter. Das Augenmerk der Ämter richtete sich auf ihre Unterbringung, Versorgung und Behandlung, für die allerdings neben anderen in erster Linie die Deutsche Arbeitsfront zuständig war, auf den zweckmäßigen Einsatz der Ausländer in den Betrieben und insbesondere auf ihre Arbeitsdisziplin. In der Praxis konnte dies im Interesse eines rationellen Umgangs mit dem Produktionsfaktor Arbeitskraft zu Berichten über Unzulänglichkeiten bei der betrieblichen Verwendung und über Unzuträglichkeiten bei der Behandlung der Zwangsarbeiter führen; vor allem jedoch begann die Verfolgung von „Arbeitsscheu“, „Arbeitsbummelei“ und Arbeitsvertragsbruch die Verwaltungskapazität der Ämter zunehmend zu absorbieren, wobei sie wie gewohnt eng mit den Betriebsleitungen und den nationalsozialistischen Verfolgungsinstanzen zusammenarbeiteten.64 Wenig überraschend blieben Arbeitsbereitschaft und Arbeitseffektivität der Ausländer hinter den Erwartungen der deutschen Arbeitgeber zurück, und dies umso mehr, je deutlicher sich die militärische Niederlage Deutschlands abzeichnete. Die überwiegend unwürdigen und allzu oft menschenverachtenden Lebens- und Arbeitsumstände der Zwangsarbeiter (die in dieser Dokumentation nur andeutungsweise aufscheinen) wie auch die Bestrafung von Verstößen unterschieden sich nicht nur von denen der deutschen Arbeitskräfte65, sondern differierten auch je nach ihrer „Volkstumszugehörigkeit“. An der Spitze einer rassistisch definierten Hierarchie standen die Arbeitskräfte aus West-, Nord- und Teilen Südosteuropas. Schlechter gestellt waren die Polen und am unteren Ende der Skala rangierten die aus der Sowjetunion stammenden „Ostarbeiter“. Mit dem Arbeitseinsatz der Häftlinge der verschiedenen Arbeits-, Polizei-, Sonderund Konzentrationslager66 und -gefängnisse war die Arbeitsverwaltung in der Regel nicht befasst – jedenfalls soweit sie sich innerhalb der Grenzen des „Altreichs“ befanden.67

63 S. zu diesem Kapitel die in Kap. 2.3.3 angegebene Literatur. 64 Dazu Vergin: Arbeitseinsatzverwaltung, S. 469–509. Inwieweit die regionalen Arbeitsverwaltungen bei der Behandlung der Zwangsarbeiter tatsachlich die von Vergin festgestellten Spielräume besaßen und nutzten, muss mangels Vorarbeiten offen bleiben. S. dazu Dok. 3 und Ruppert: „Der nationalsozialistische Geist“, S. 267–275. 65 S. dazu auch Dok. 12 in Kap. 3.1. 66 S. aber Dok. 11 in Kap. 2.3.1. 67 Zur Rolle der Arbeitsämter beim Arbeitseinsatz regulärer Strafgefangener s. Vergin: Arbeitseinsatzverwaltung, S. 333 f.

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1] Die Unterbringung belgischer Arbeiter in Wuppertal Schreiben des Arbeitsamtes Wuppertal an den Polizeipräsidenten in Wuppertal, 22.11.1940 (Abschrift) (LAV NRW R, BR 007–45358) Ihre an die Fa. I.P. Bemberg unter dem 15.11. ergangene Verfügung wurde mir von dem Betrieb vorgelegt. Es wurde dabei darauf hingewiesen, daß 100 Flamen, die Privatquartiere haben, entlassen werden müssen, wenn von der Durchführung der Verfügung nicht Abstand genommen wird. Den eingesetzten Arbeitskräften wurde bei der Werbung versprochen, daß sie in Privatquartieren wohnen könnten. Unter diesen Verhältnissen wurden auch 25 Familien eingesetzt. Vor dem Einsatz hat ein durch das Reichsarbeitsministerium in den ehemals belgischen Gebieten mit der Werbung beauftragter Beamten ausdrücklich noch einmal zur Bedingung gemacht, die Flamen aus aussenpolitischen Gründen zu behandeln wie Inländer. Ausserdem kommt ein Einsatz, wenn die Entlassung bei der Fa. Bemberg unvermeidbar ist, woanders im hiesigen Bezirk nicht in Frage; von der Schädigung der kriegswichtigen Produktion des Betriebes Bemberg ganz abgesehen. Mit Rücksicht auf diese Schwierigkeiten und die politische Bedeutung der Sache habe ich am l9.d.M. eine mündliche Unterredung mit dem Herrn Reichstreuhänder der Arbeit für das Wirtschaftsgebiet Westfalen-Niederrhein in Essen gehabt. Dieser erklärte, die Anordnungen des Herrn Reichsmarschalls wären nur für den Einsatz im Ruhrbergbau ergangen. Die dortigen Verhältnisse würden eine solche Regelung erfordern. Eine Ausdehnung auf andere Wirtschaftszweige und Gebiete wäre nicht vorgesehen. Er, der Herr Reichstreuhänder der Arbeit, würde, diese Angelegenheit klarzustellen, aber noch einmal in Berlin vorstellig werden. Ich bitte deshalb ergebenst, von der Durchführung Ihrer Verfügung entgegen der Anweisung des Herrn Regierungspräsidenten bis zur endgültigen Klarstellung absehen zu wollen. [handschriftliche Randbemerkung:] 1) Der Angestellte Pistor, der dies Schreiben entworfen, teilte mir heute auf mein Befragen nach dem Grund obiger Bemerkung fernmündlich mit, daß ein kurze Zeit vorher mit G.Pol.R. Gilbert geführtes Ferngespräch damit endigte, daß G. eine Entscheidung der Regierung über den Umfang der Ausländer-Lagerpflicht erwirken wolle. Ich habe ihn darauf hingewiesen, daß er denn doch nicht die Worte „entgegen der Anweisung des pp“ hätte gebrauchen dürfen, was er auch einsah. 17.12.40 [Unterschrift]



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2] Der zweckmäßige Einsatz der Ostarbeiter Gemeinsames Rundschreiben des Arbeitsamtes Duisburg und der Kreiswaltung Duisburg der Deutschen Arbeitsfront an alle Betriebe, die Ostarbeiter und Kriegsgefangene beschäftigen, o. D. (1942 oder später), Abschrift (LAV NRW R, RW 86–1) Nachdem ein großer Teil des Kräftebedarfs durch die Zuweisung von Ostarbeiter (innen) gedeckt werden konnte, ist, einer Anordnung des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz, Gauleiter Sauckel, zufolge, nunmehr das Hauptaugenmerk der Betriebe auf den berufsrichtigen und zweckmässigen Einsatz jedes einzelnen Ostarbeiters und jeder Ostarbeiterin im Betrieb zu richten. Es muss dadurch erreicht werden, dass sich die Durchschnittsleistungen der Ostarbeiter den Leistungen der deutschen Gefolgschaft wenigstens annähernd anpassen. Auf keinen Fall ist es tragbar, dass die Betriebe sich mit Arbeitsleistungen von 50–60% bei Ostarbeitern abfinden und, statt zu versuchen, durch geeignete Maßnahmen diese Leistungen zu erhöhen, eine entsprechend größere Zahl von Arbeitskräften anfordern, um durch den zahlenmässig größeren Einsatz von Kräften die Minderleistungen des einzelnen Ostarbeiters auszugleichen. Zur Lösung der Frage des berufsrichtigen Einsatzes unterbreiten die unterzeichneten Stellen den Betrieben folgende Anregungen Überprüfung der Ostarbeiter in beruflicher Hinsicht. Dis bisher gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass die grosse Mehrzahl ungelernter, z.T. aus der Landwirtschaft kommender und sogar jugendlicher Ostarbeiter, sehr gute Leistungen nach erstaunlich kurzer Einarbeitungszeit bei solchen Arbeiten erreichte, die keinen dauernden Wechsel des Arbeitsganges bezw. eine damit verbundene häufige geistige Umstellung erfordern. So erreichen z. B. jugendliche aus der Landwirtschaft kommende Ostarbeiter im Alter von 12–16 Jahren bei Einsatz in der Granatendreherei eines hiesigen Betriebes an der Drehbank schon nach 14 Tagen 70% der Leistungen deutscher Arbeitskräfte. Es ist demnach erforderlich, dass jeder Betriebsführer prüft, welche Arbeiten dieser Art in seinem Betrieb noch durch Ostarbeiter verrichtet werden können. Entsprechende Umsetzungen, die Zug um Zug erfolgen müssen, sind anzustreben. Die bisher mit diesen Arbeiten beschäftigten deutschen Gefolgschaftsmitglieder oder Ausländer anderer Nationalitäten sind, soweit sie irgend dazu geeignet erscheinen, hochwertigeren Arbeiten zuzuführen evtl. für solche umzuschulen. […] Kontrolle der Betriebsstätten Eine regelmässige Kontrolle der Betriebsstätten der Ostarbeiter muss durch Betriebsführer und verantwortliche Betriebs- bzw. Abteilungsleiter durchgeführt werden, damit die Gewähr besteht, dass die Leistungsfähigkeit von Beginn bis zum Ende der Arbeitsschicht ausgeschöpft wird. Es ist den unterzeichneten Dienststellen bekannt, dass in verschiedenen Fällen deutsche Gefolgschaftsmitglieder, selbst Vorarbeiter und Meister, den Ostarbeitern

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gegenüber sehr großzügig waren und es sogar zuließen, dass sich die Ostarbeiter während der Arbeit Essen kochten. Derartige Feststellungen müssen zwangsläufig den Eindruck erwecken, dass entweder die Arbeitsdisziplin innerhalb des Gesamtbetriebes bezw. der betreffenden Betriebsabteilung mangelhaft ist oder dass der betreffenden Betriebsabteilung zuviel Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Das Arbeitsamt beabsichtigt, bei erneuter Feststellung derartiger Verhältnisse, den infrage kommenden Betrieben einen Teil der zugewiesenen Ostarbeiter zu entziehen, um sie einem zweckmässigen Einsatz zuzuführen. Unterbringung. Die Arbeitsfreudigkeit der Ostarbeiter ist stark von der ordnungsmässigen Unterbringung und Verpflegung abhängig. Die für eine wohnliche Ausgestaltung der Lager erforderlichen Mittel sind im Vergleich zu den Erstellungskosten eines Lagers geringfügig. Trotzdem entspricht eine Reihe von Lagern nicht den zu stellenden Anforderungen. Es wird dringend empfohlen, dass die Betriebsführer selbst von Zeit zu Zeit die Lager besichtigen und die Anordnungen treffen, die geeignet sind, die Lager in den Zustand zu versetzen, der den wiederholten Anweisungen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz entspricht. Die Kreishauptstelle Arbeitseinsatz der DAF. wird auf Wunsch interessierter Betriebs- und Lagerführer die Besichtigung von Lagern ermöglichen, die in jeder Beziehung einwandfrei sind. Es ist bemerkenswert, dass gerade diese Betriebe besonders günstige Arbeitsleistungen ihrer Ostarbeiter aufzuweisen haben. Verpflegung. Dem Bedürfnis der Ostarbeiter nach mengenmässig ausreichender Verpflegung ist besonders Rechnung zu tragen. Mit einem Liter warmem Essen je Mittags- und Abendmahlzeit vermag der Ostarbeiter nicht auszukommen. Die von den Ernährungsämtern zugeteilten Lebensmittelmengen genügen durchaus zur Bereitung einer reichlichen und schmackhaften Verpflegung, besonders dann, wenn von der Möglichkeit, das Essen mengenmässig durch zusätzliche Verwendung der verschiedenen Kohlarten und Steckrüben zu strecken, Gebrauch gemacht wird. Auf die Qualität des Essens legt der Ostarbeiter keinen allzu großen Wert. Die Kost muss allerdings abwechslungsreich sein und soll nicht jeden Tag einen Steckrübenzusatz aufweisen. Suppen mit starkem Wasserzusatz sind zu vermeiden. Bei den großen Mengen, die der Ostarbeiter zu sich nimmt, besteht bei der dann allzu reichlichen Flüssigkeitsaufnahme die Gefahr von Erkrankungen, insbesondere Oedemen. Interessehalber wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach den Unterlagen des GBAE. verschiedene Betriebe die von den Ernährungsämtern zuzuteilenden Lebensmittelmengen nur zum Teil in Anspruch nehmen. Es ergibt sich aus Vorstehendem, dass auf die Eignung des Küchenpersonals besonders geachtet werden muss, und dass die Verpflegung laufend durch Beauftragte des Betriebsführers zu kontrollieren ist. Freizeitgestaltung. Von erheblicher Bedeutung ist die Freizeitgestaltung der Ostarbeiter. Sie hat den Zweck, den Stumpfsinn, der bei der großen Masse der männlichen Arbeitskräfte zu beobachten



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ist, zu dem die slavischen Völker an sich neigen, der z.T. aber auch noch eine Folge der bolschewistischen Erziehung und der Verhältnisse ist, in denen diese Menschen in der Sowjetunion gelebt haben, zu überwinden und sie damit auch aufgeschlossener und arbeitsfreudiger im Betrieb zu machen. Das Fehlen einer ausreichenden Freizeitgestaltung führt entweder zu Lagerpsychosen oder vertieft den schon bestehenden Stumpfsinn dieser Arbeitskräfte. Die Deutsche Arbeitsfront führt seit kurzer Zeit in den Lagern Veranstaltungen unter Eınsatz einer Ostarbeiter-Sing-, Spiel- und Tanzgruppe durch, die sehr gute Ergebnisse gezeigt haben. In den größeren Lagern sollen ähnliche Gruppen gebildet werden, die Träger der lagereigenen Freizeitgestaltung sind und darüber hinaus auch ausgetauscht werden sollen. Diese Bestrebungen müssen von den Einsatzbetrieben und Lagerführern gefördert werden. Lagerpersonal. Bei einer Reihe von Betrieben besteht die Tendenz, dıe Zahl des in- und ausländischen Lagerpersonals so niedrig wie möglich zu halten. Dabei wird die Grenze des Notwendigen vielfach unterschritten. Insbesondere wird vielfach die Freistellung besonderer Kräfte für die Reinigung abgelehnt und verlangt, dass die Ostarbeiter diese in ihrer Freizeit selbst durchführen. Angesichts der Tatsache, dass die 16 Ostarbeiter durchweg 10–12 Stunden täglich arbeiten, dass ein Teil der Freizeit für die zur Vermeidung der Ungeziefergefahr notwendige, besonders gründliche körperliche Reinigung (auf die das Lagerpersonal besonders zu achten hat) und für die Instandhaltung und Reinigung der Kleidung aufzuwenden ist, halten die unterzeichneten Dienststellen derartige Maßnahmen der Betriebe nicht für tragbar. Die Arbeits- und Einsatzfreudigkeit der Ostarbeiter muss darunter leiden, wenn sie nach vielstündiger, meist schwerer Arbeit auch noch Reinigungsarbeiten im Lager ausführen müssen. Diese werden dann meist auch sehr nachlässig vorgenommen, sodass Ordnung und Sauberkeit in Lagern stets zu beanstanden sind Die Freistellung von Kräften für die Lagerreinigung ist deshalb dringend erforderlich (deutsche Kräfte dürfen hierzu natürlich nicht eingesetzt werden). Das deutsche Personal muss zahlenmässig ausreichen, um den ständigen Überblick und die Kontrolle über Lager und Ostarbeiter zu behalten. Daneben können zuverlässige und geeignete Ostarbeiter als Lager- bezw. Barackenälteste  – Warte für Freizeitgestaltung, Gesundheitswarte etc. bestimmt in größeren Lagern ganz oder teilweise von der Arbeit freigestellt werden. Diese Kräfte sind dem deutschen Lagerführer unterstellt und verantwortlich. Dem Arbeitsamt und der DAF. sind Läger bekannt, in denen eine anscheinend sehr hohe Zahl in- und ausländischen Lagerpersonals von der Arbeit in der Produktion freigestellt ist. Die Arbeitsleistungen der Ostarbeiter sind aber gerade in diesen Betrieben besonders günstig, sodass der Ausfall der „unproduktiv“ eingesetzten Kräfte in der Produktion durch die erzielten Mehrleistungen der produktiv tätigen Ostarbeiter um ein Mehrfaches ausgeglichen wird. […]

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3] Die Behandlung polnischer Landarbeiter Schreiben des Leiters des Arbeitsamtes Detmold an die NSDAP-Kreisleitung Lippe, 12.12.1941 (Auszug) (LAV NRW OWL, L 113–964) Der Grund für die Arbeitsvertragsbrüche der Polen ist fast durchweg in der Mißhandlung der Polen durch die Bauern festgestellt. Nachdem im Laufe dieses Jahres die Misshandlungen der Polen durch die Bauern sehr stark zugenommen hatten, wandten sich die Polen brieflich an das durch §14 der Tarifordnung für die polnischen Arbeiter bei meinem Amt errichtete Schiedsgericht. Da ich aber in den seltensten Fällen den Beschwerden der Polen stattgegeben habe, haben die Polen, wie sie auch in ihren Schreiben immer angedroht haben, versucht, durch Selbsthilfe aus den Vertragsverhältnissen herauszukommen. Sie wurden einfach flüchtig. Ich habe sofort in jedem mir bekannt gewordenen Falle ein Strafverfahren eingeleitet, das aber in den wenigsten Fällen zum Erfolg führte, weil der Pole eben nicht aufzufinden war. Dadurch, dass es einer grossen Anzahl von Polen geglückt war, ungehindert über die Grenze zu kommen, machten diese Beispiele Schule. Bis jetzt sind mir ca. 50 Fälle bekannt geworden, in denen die Polen einfach ausgerissen sind. Ich habe in allen diesen Fällen Strafanträge über den Herrn Präsidenten des Landesarbeitsamtes Westfalen bei den zuständigen Gerichten gestellt. Bis jetzt sind 6 Verurteilungen von den zuständigen Gerichten ausgesprochen, nachdem man die Ausreisser ergriffen hatte. Die übrigen Fälle hängen noch alle in der Luft, da die Gerichte den Aufenthaltsort (trotz Fahndungs-Ersuchen) der Flüchtlinge nicht herausbekommen haben. An den Arbeitsplatz konnte bisher keiner der 6 Flüchtlinge zurückgeführt werden, weil sie erst ihre Strafe absitzen müssen. Ich habe weiter in meinem Einsatzbericht vom 1.11.41, der Ihnen ja zur Kenntnis vorliegt, ausgeführt, dass die Abwanderung der Polinnen infolge Schwangerschaft immer grösseres Ausmass annimmt. In 1 Gemeinde z. B. mussten sämtliche dort angestellten 5 Polinnen wegen Schwangerschaft nach Hause geschickt werden. Polinnen, denen die Rückkehr in die Heimat aus anderen Gründen abgeschlagen werden musste, haben bereits erklärt, dass sie versuchen würden, über den Weg der Schwangerschaft in die Heimat zurückzukommen. Insgesamt sind wegen Schwangerschaft bisher 46 Polinnen in die Heimat zurückgekehrt. Bei dieser Gelegenheit darf ich darauf hinweisen, dass ich auch den Bauern immer und immer wieder sagen lasse, dass Ersatz für ausgerissene und abgeschobene Polen nicht gestellt werden kann. Ich habe Mitteilung vom Arbeitsamt Krakau, dass es streng verboten ist, Ersatz zu stellen. Den Bauern ist dauernd zur Pflicht gemacht, die Polen streng, aber gerecht zu behandeln. Jede Arbeitskraft muss pfleglich behandelt werden, da gerade an landwirtschaftlichen Arbeitskräften immer noch sehr großer Mangel herrscht. Es ist daher auch nicht zu verantworten, dass die Bauern glauben, zur Selbsthilfe schreiten zu können und ihre Polen misshandeln. Für die Bestrafung der Polen bei irgendwelchen Widersetzlichkeiten sind die Polizeistellen eingesetzt. Ich habe in



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meinem Einsatzbericht ausdrücklich ausgeführt, dass Bauern, die früher ihre deutschen Arbeitskräfte schlecht behandelt haben, auch jetzt wieder diejenigen sind, die die ihnen zugewiesenen polnischen Arbeitskräfte und nicht diese allein, sondern auch alle anderen in der Landwirtschaft eingesetzten ausländischen Arbeitskräfte misshandeln und der landwirtschaftlichen Vermittlungs-Abteilung dadurch enorme Belastung bringen. Bei der Nachprüfung dieser Fälle ergab sich, dass eine Anzahl von Bauern zur Deckung ihres Vorgehens sich bei den politischen Stellen unter falscher Darlegung des Tatbestandes und mit grossen Klagen über die beschäftigten Polen beschwerte. Trotzdem die Untersuchungs-Kommission den Tatbestand einwandfrei festgestellt hat, liessen sich die Bauern nicht überzeugen und behaupteten in frecher Weise, das Arbeitsamt stelle sich einseitig in der Beurteilung des Falles vor die Polen und berücksichtige nicht die von den Bauern gemachten Angaben. 4] Lebensmittelpakete für Ostarbeiter und polnische Arbeitskräfte Rundverfügung des stellv. Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland an die Leiter der Arbeitsämter, 25.2.1943 (LAV NRW R, RW 86–2) Immer wieder wird mir von den Arbeitsämtern berichtet, daß deutsche Bauern sich dazu bereit finden, Ostarbeitern und polnischen Arbeitskräften, die ihnen zum vorübergehenden Einsatz in der Rüstungsindustrie, dem Bergbau und der Holz- und Forstwirtschaft abgenommen wurden, Lebensmittelpakete zukommen zu lassen. Offenbar sind sich diese Bauern nicht bewußt, daß sie für die Erzeugung und Weiterleitung von Lebensmitteln an die rechtmäßigen Bedarfsträger lediglich Treuhänder des deutschen Volkes sind und nicht das Recht haben, die Verteilung nach ihrem eigenen Gutdünken und in Anstrebung persönlicher Vorteile auf dem Gebiete des Arbeitseinsatzes vorzunehmen, und daß sie sich in unverantwortlicher Weise ausserhalb der deutschen Volksgemeinschaft stellen, wenn sie Angehörigen von Feindesstaaten Ernährungsmöglichkeiten bieten, die über den Rahmen der gesetzlichen Regelung hinausgehen. Es bedarf eines rücksichtslosen Eingriffs gegen diese Mißstände. Ich bitte deshalb die Herren Leiter der Arbeitsämter, auf deren Ausmerzung ihr besonderes Augenmerk zu richten. In erster Linie sind die Führer aller Betriebe, in denen aus der Landwirtschaft eingesetzte Polen und Ostarbeiter beschäftigt werden, zu veranlassen, alle für diese eingehenden Päckchen und Pakete auf ihren Inhalt nachzuprüfen und von Verstößen obiger Art Ihnen sofort unter Angabe des Absenders, Empfängers und Inhalts der Sendung und Beifügung etwaiger schriftlicher Mitteilungen und nicht verderblicher Gegenstände Kenntnis zu geben. Alle so oder auf andere Weise ermittelten Fälle sind mit vorstehenden Angaben, Unterlagen und Gegenständen der Gestapo zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Absender anzuzeigen. Von jeder Anzeige ist mir eine Abschrift zur Kenntnis zuzuleiten, desgleichen dem zuständigen Arbeitsamt, wenn der Absender in einem an-

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deren Arbeitsamtsbezirk wohnt. Bei allen Maßnahmen ist engste Fühlungnahme mit den Kreis- und Ortsbauernführern erforderlich. Ferner sind diese zu veranlassen, die Bauern ihres Bezirks entsprechend zu belehren und auf die Unzulässigkeit der oben beanstandeten Handlungen hinzuweisen. Schließlich ist den Betriebsführern noch nahezulegen, die eingegangenen Lebensmittel nicht den von den Absendern bezeichneten Empfängern auszuhändigen, sondern der Lagerküche zur Verwendung bei der Gemeinschaftsverpflegung zuführen zu lassen, und zwar nur der Lagerküche für reichsdeutsche Arbeiter, wenn eine solche vorhanden ist. Die Oberpostdirektionen meines Bezirks haben Abschrift dieser RdVerfg. zur Kenntnis mit der Bitte erhalten, die Postämter anzuweisen, bei ihnen bekannt werdende Verstöße obiger Art den jeweils zuständigen Arbeitsämtern mitzuteilen. 5] Die Vermittlung aufgegriffener Ostarbeiter (LAV NRW, RW 36–43) Bericht des Gestapo-Grenzkommissariats Kleve an die Gestapoleitstelle Düsseldorf, 14.10.1943 Die Zuwanderung von Ostarbeitern in die bäuerlichen Bezirke hält an. Nach wie vor werden die aufgegriffenen Russen durch die Arbeitsämter zu Landwirten vermittelt, so allein durch das Arbeitsamt in Geldern in den Monaten August und September 1943 insgesamt 25 männliche und weibliche Ostarbeiter. Die Personen werden ohne Zuhilfenahme eines Dolmetschers unter den angegebenen Namen, die meist falsch sind, bei der Landwirtschaft eingesetzt. Sagt den Russen die zugewiesene Arbeit nicht zu, so wandern sie bald wieder ab und treiben sich vagabundierend umher. Ist aber vor allen die Verpflegung gut, so teilen sie dies ihren in der Industrie beschäftigten Kameraden mit und fordern diese auf ebenfalls die Arbeitsstelle zu verlassen und nachzukommen. Sie teilen ihren Genossen bis ins einzelne Verhaltungsmassregeln mit u.a. dahingehend, dass sie sich falschen Namen und angeben sollen, dass sie von einem Transport abgekommen sind. Eine Überwachung dieser Ostarbeiter ist nicht möglich, da sie einzeln bei Landwirten im gesamten Landkreis untergebracht sind. Abgesehen von den bestehenden sicherheitspolizeilichen Bedenken, werden hierdurch der Schwerindustrie in erheblichem Umfang Arbeitskräfte entzogen. Ich bitte zu veranlassen, dass sämtliche aufgegriffene Ostarbeiter bei denen der frühere Arbeitsplatz nicht festgestellt werden kann, nicht in der Landwirtschaft, sondern sofort zur Schwerindustrie vermittelt werden, wo sie zumindest lagermässig untergebracht sind.



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Antwort der Gestapoleitstelle Düsseldorf, 23.10.1943 Der Präsident des Landesarbeitsamtes Rheinland hat mit Verfügung vom 12.3.1943 die Leiter der Arbeitsämter im Wehrwirtschaftsgebiet VI b68 angewiesen, jede Neuvermittlung aufgegriffener Ostarbeiter, die nicht im Besitze gültiger Ausweispapiere bzw. Arbeitspapiere sind und über ihren bisherigen Beschäftigungsort bzw. Firma keine Angaben machen können, den örtlichen Dienststellen der Staatspolizei anzuzeigen. Mit Schreiben vom 8.7.1943–11 L – E R – 1/7–254/43- an den Präsidenten des Landesarbeitsamtes Rheinland in Köln wurde hierzu von hier der Vorschlag gemacht, die festgenommenen und den Arbeitsämtern zugeführten Ostarbeiter nicht, auch nicht vorübergehend, in der Landwirtschaft sondern stets in der Industrie zum Arbeitseinsatz zu bringen. Unter Bezugnahme auf den von hier gemachten Vorschlag wird anheimgestellt, durch Rücksprache mit den Leitern der Arbeitsämter in Geldern und Kleve auf eine entsprechende Regelung für den dortigen Bezirk hinzuwirken.

68 Der rheinische Teil des Wehrwirtschaftsgebiets VI (= Wehrkreis VI, Münster) bildete das Wehrwirtschaftsgebiet VIb.





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Abkürzungsverzeichnis AA, AÄ Arbeitsamt, Arbeitsämter ADGB Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund AE-Verwaltung Arbeitseinsatzverwaltung AEL Arbeitserziehungslager Afa-Bund Allgemeiner freier Angestelltenbund AG Aktiengesellschaft, Amtsgericht AK-Karte Arbeitsbuchkarteikarte Alu Arbeitslosenunterstützung ALVR Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland AZS-Aktion Auskämmung des zivilen Sektors av arbeitsverwendungsfähig AVAVG Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung BA Bundesarchiv BDM Bund Deutscher Mädel cr. currentis = des laufenden (Monats, Jahres) DAF Deutsche Arbeitsfront DGB Deutscher Gewerkschaftsbund DHV Deutschnationaler Handlungsgehilfen-Verband DRK Deutsches Rotes Kreuz Gau-AA Gauarbeitsamt GBA(E) Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz GdA Gewerkschaftsbund der Angestellten Gedag Gesamtverband deutscher Angestelltenverbände GVOllz. Gerichtsvollzieher HD-Gewerkschaften Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine HUE Hauptunterstützungsempfänger IBV Internationale Bibelforscher-Vereinigung JHW/JW/JOW Justizhauptwachtmeister/Justizwachtmeister/Justizoberwachtmeister K-Betriebe kriegswichtige Betriebe Kru Krisenunterstützung kv kriegsverwendungsfähig LAA Landesarbeitsamt LAV NRW OWL Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Ostwestfalen-Lippe LAV NRW R Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland LAV NRW W Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen LGDir. Landgerichtsdirektor LGRat. Landgerichtsrat LK Landkreis MBliV Ministerialblatt der Inneren Verwaltung NSBO Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation NSKK Nationalsozialistisches Kraftfahr-Korps NSV Nationalsozialistische Volkswohlfahrt

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Abkürzungsverzeichnis

OGVollz. Obergerichtsvollzieher OKM Oberkommando der Wehrmacht ORR Oberregierungsrat OT Organisation Todt RAD Reichsarbeitsdienst R.d.L.u.Ob.d.L. Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe RfAA Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung RFSS Reichsführer SS RLM Reichsluftfahrtministerium RdI Reichsminister des Innern R.M.f.B.u.M. Reichsminister für Bewaffnung und Munition R.M.f.R.u.K. Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion Rmk Reichsmark RTA Reichstreuhänder der Arbeit RTrhdA Reichstreuhänder der Arbeit RüI, Rü In Rüstungs-Inspektion RüKdo Rüstungskommando RWWA Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv Köln SA Sturmabteilung SD Sicherheitsdienst des Reichsführers SS SS Schutzstaffel St Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten Stalag (Kriegsgefangenen-)Stammlager uk unabkömmlich Vg. Volksgenosse(n) VfZ Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte VS Verschlusssache VSWG Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte W-Betrieb Wehrwirtschaftlicher Betrieb Wehrkreiskdo. Wehrkreiskommando Wo(h)lu Wohlfahrtsunterstützung W Rü Amt Wehrwirtschafts- und Rüstungs-Amt beim Oberkommando der Wehrmacht WStb Wehrwirtschaftsstab beim Oberkommando der Wehrmacht WT Wehrmachtsteile (Heer, Marine, Luftwaffe) z.S. zur Sache





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Archive, Periodika und Literatur Benutzte Archive

ALVR Archiv des Landschaftsverbandes Rheinland BArch Bundesarchiv (hier: Berlin-Lichterfelde) BArch-MA Bundesarchiv-Militärarchiv LAV NRW OWL Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Ostwestfalen-Lippe, Detmold LAV NRW R Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, Duisburg LAV NRW W Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Westfalen, Münster LHA Koblenz Landeshauptarchiv Koblenz RWWA Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv Köln StA Duisburg Stadtarchiv Duisburg WWA Westfälisches Wirtschaftsarchiv Dortmund Zeitgenössische Periodika

Arbeitseinsatz und Arbeitslosenhilfe Der Arbeitseinsatz im Landesarbeitsamtsbezirk Westfalen Der Arbeitseinsatz in Westfalen Der Arbeitseinsatz in Westfalen und Lippe Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade) 1934–1940, Salzhausen, Frankfurt/Main, 2. Auflage 1980 Kölnische Zeitung Ministerialblatt der Inneren Verwaltung Mitteilungsblatt des Landesarbeitsamtes Rheinland Reichsarbeitsblatt Reichsgesetzblatt Soziale Praxis Volksparole Ausgewählte Literatur

Ayaß, Wolfgang  (Bearb.): „Gemeinschaftsfremde“. Quellen zur Verfolgung von „Asozialen“ 1933–1945, Stuttgart, 1998. Bajohr, Stefan: Die Hälfte der Fabrik. Geschichte der Frauenarbeit in Deutschland 1914– 1945, Marburg 1979. Buckner, Heike G.: Geschichte der Arbeitsverwaltung im Rheinland und Westfalen (= Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen: 1914 bis 1933, Bd. 2), o. J., o. J. Buggeln, Marc, Wildt, Michael (Hg.): Arbeit im Nationalsozialismus, München 2014.

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Archive, Periodika und Literatur

Didier, Friedrich (Bearb.): Handbuch für die Dienststellen des Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und die interessierten Reichsstellen im Großdeutschen Reich und in den besetzten Gebieten, Bd. 1, Berlin 1944. Eden, Sören: Arbeitsrecht im NS-Staat. Die Treuhänder der Arbeit und die Kriminalisierung der Arbeitsvertragsbrüche, in: Nützenadel: Reichsarbeitsministerium, S. 247–281. Eichholtz, Dietrich: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft, Bd. 2, Berlin 2003. Faust, Anselm (Hg.): 100 Jahre Arbeitsmarktpolitik in Rheinland-Westfalen. Vom Ende des 19.  Jahrhunderts bis zur Gegenwart (= Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens, Bd. 43), Essen 1997. Faust, Anselm, Rusinek, Bernd.–A., Dietz, Burkhard (Bearb.): Lageberichte rheinischer Gestapostellen, 3 Bände (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, Bd. LXXXI), Düsseldorf 2012–16. Fricke, Dieter  (Hg.): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789–1945), 4 Bde., Köln 1983–1986. Gruner, Wolf: Arbeitseinsatz und Zwangsarbeit jüdischer Deutscher 1938/1939, in: Ders. u.a. (Hg.): Arbeitsmarkt und Sondererlass, Berlin 1990, S. 137–155. Gruner, Wolf, Kahrs, Horst, Maier, Dieter, Brustin-Berenstein, Tatiana: Arbeitsmarkt und Sondererlass. Menschenverwertung, Rassenpolitik und Arbeitsamt (= Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik, Bd. 8), Berlin 1990. Hachtmann, Rüdiger: Arbeitsmarkt und Arbeitszeit in der deutschen Industrie 1929 bis 1939, in: Archiv für Sozialgeschichte 27 (1987), S. 177–227. Ders.: Reichsarbeitsministerium und Deutsche Arbeitsfront. Dauerkonflikt und informelle Kooperation, in: Nützenadel: Reichsarbeitsministerium, S. 137–173. Hammermann, Gabriele: Zwangsarbeit für den „Verbündeten“. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der italienischen Militärinternierten in Deutschland 1943-1945 (= Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom, Bd. 99), Tübingen 2002. Hansen, Eckhard, Tennstedt, Florian (Hg.): Biographisches Lexikon zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1871 bis 1945. Bd. 2: Sozialpolitiker in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus 1919 bis 1945, Kassel 2018. Herrmann, Volker: Vom Arbeitsmarkt zum Arbeitseinsatz. Zur Geschichte der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung 1929 bis 1939, Frankfurt/Main 1993. Humann, Detlev: „Arbeitsschlacht“, Arbeitsbeschaffung und Propaganda in der NS-Zeit 1933–1939, Göttingen 2011. Ders.: „Alte Kämpfer“ in der neuen Zeit. Die sonderbare Arbeitsvermittlung für NS-Parteigänger nach 1933, in: VSWG 98 (2011), S. 173–194. Ders.: Die „Arbeitsschlacht“ als Krisenüberwindung, in: Buggeln/Wildt: Arbeit im Nationalsozialismus, S. 71–86. Kahrs, Horst: Die ordnende Hand der Arbeitsämter. Zur deutschen Arbeitsverwaltung 1933 bis 1939, in: Gruner: Arbeitsmarkt und Sondererlass, S. 9–61. Kershaw, Ian: Der Hitler-Mythos. Volksmeinung und Propaganda im Dritten Reich, Stuttgart 1980. Kranig, Andreas: Lockung und Zwang. Zur Arbeitsverfassung im Dritten Reich, Stuttgart 1983. Kroener, Bernhard, Müller, Rolf-Dieter, Umbreit, Hans: Organisation und Mobilisierung des



Archive, Periodika und Literatur

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Index der Orte und der Namen leitender Beamter der Arbeitsverwaltung Aachen 18 f., 25, 45 f., 71f., 76, 109, 160, 216, 223 – Landkreis 13, 25, 71, 76, 111, 216 Adenau 25 Ahaus 21, 24 Ahlen 21, 24, 160 Ahrweiler 25 – Landkreis 25 Altena 25 Altenkirchen 25 Arnsberg 21, 24, 160 Baak (GauAA Westfalen-Nord) 187 Baller (GauAA Westfalen-Süd) 160 Bargherr (AA Detmold) 37 Bad Horn 187 Bathorn (Emsland) 202 Beckum 24 Beisiegel, Philipp 35 Bergisch Gladbach 31 ff., 160 Bestwig 24 Bielefeld 21, 44, 47, 146, 160, 223, 239, 241 Binz, Franz 75 f., 160 Bocholt 21, 24, 67 f., 112, 160, 201 Bochum 21, 24, 43 f., 120, 145, 147, 160, 200 f., 204 f. Bökenkrüger, Wilhelm 31 Bonn 25, 160 Borken, Landkreis 24 Bottrop 21, 24 Brilon 24 Burscheid 238 Castrop-Rauxel 25, 147, 229 Cochem 25 Coesfeld 24 f., 149, 160, 166 Detmold 21, 24, 27 f., 37 f., 59 f., 80, 84, 149, 152, 160, 166, 198, 264f. Dinslaken 67 f., 255 – Landkreis 26 Doerr, Karl Ludwig 39 Dorsten, Landkreis 24 Dortmund 22, 24, 29, 44, 80, 117, 121 f., 145, 147, 160 f., 163 ff., 200 ff., 211, 223, 225 f., 245

Duisburg 17, 25, 119, 124 ff., 140, 160, 230, 236 ff., 248, 255, 261 ff. – Hamborn 24, 124, 194, 236 f., 248 Düren 25, 71, 160 – Landkreis 25 Düsseldorf 29ff., 43f., 54, 79, 105, 109, 158 ff., 203, 217, 225, 242, 249, 254 f. Dützen (b. Minden) 117 Ebel, Horst 159f. Echthausen (Kreis Arnsberg) 201 Emmerich 255-258, 260 Erkelenz 25, 160 – Landkreis 14, 25, 71, 137, 160 Essen 25, 43 f., 115, 125, 140, 158, 160, 215, 226, 233 f., 237 f., 242, 255-258 – Landkreis 25 Eschweiler 25, 45, 160 Eupen 160 Euskirchen 160 – Landkreis 71 Flotho (AA Herford) 175 Geilenkirchen-Heinsberg, Landkreis 14, 25 Geldern 25, 160, 255, 266 f. – Landkreis 25 Gelsenkirchen 22, 154 f., 160, 233 f., 242 – Buer 24 Gladbeck 22, 24 Goch 133, 217 Grevenbroich 255 Gummersbach 35 f., 160, 184 f., 250 Gütersloh 25, 84, 136 f., 165 Hagen 22, 25, 146 f., 160, 201 – Landkreis 25 Hahn, Karl 123, 160 Halle i.W. 24 Hamm 22, 25, 147, 160 – Landkreis 25 Haselhof (GauAA Westfalen-Süd) 209 Hattingen 25, 120 f. – Landkreis 25

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Index der Orte und der Namen leitender Beamter der Arbeitsverwaltung

Heinsberg s. Geilenkirchen-Heinsberg Hemer (Kreis Iserlohn) 200, 202 Herford 22, 25, 83 f., 160, 166 – Landkreis 25, 82, 174 f. Herne 22, 25, 147, 156, 160, 229 Hörde, Landkreis 25 Holte-Stukenbrock 210 Horrem 160 Hunswinkel (bei Lüdenscheid) 215, 224 f., 229, 237 Iserlohn 22, 25, 160, 202 – Landkreis 25 Johlitz (GauAA Essen) 160 Jülich, Landkreis 25 Kaldenkirchen 255 Kamen 25 Kempen 26, 160, 251 ff., 255 – Landkreis 26 Kleve 25, 108, 160, 217-222, 266 f. – Landkreis 25, 133 f. Koblenz 26, 96 f., 252 – Landkreis 26, 251 Köln 31-34, 39, 77f., 144 f., 160, 169, 184 f., 202, 214 f., 225, 242 Krefeld 26, 119, 160, 194 f., 251 ff., 255 – Landkreis 26 Kreuznach 26 – Landkreis 26 Kuhle (AA Bielefeld) 156 Labbeck (Kreis Moers) 90 Langschede (Kreis Unna) 155 Lehbrink, Hermann 30 Lemgo 33 Lippstadt 25, 182 f. – Landkreis 25 Lübbecke, Landkreis 25 Lüdenscheid 22, 25, 160 Lüdinghausen, Landkreis 25 Lünen 22, 25 Lünenborg (GauAA Westfalen-Nord) 187 Marl 226ff. Mayen 26 – Landkreis 26 Meisenheim, Landkreis 26

Mertins (AA Münster) 156 Meschede 22, 160 – Landkreis 24 Mettmann 255 – Landkreis 26 Minden 11, 15, 22, 25, 84, 116 ff., 160 – Landkreis 25 Moers 26, 160, 255 – Landkreis 26, 90 f. Mönchengladbach 26, 234 ff., 255 – Landkreis 26 Monschau 108 – Landkreis 25 Much (Siegkreis) 250f. Mueller (AA Herne) 156 Mülheim/Ruhr 26, 140, 160, 237 f. Münster 156, 160, 166, 239, 245 Neumann, Rosa 30 f. Neuss 26, 160, 255 – Landkreis 26 Neuwied 26 – Landkreis 26 Niederkassel (Siegkreis) 248 f. Nordhorn 202 Oberhausen 26, 49, 160, 237, 255 Olpe 22, 25, 160 – Landkreis 25, 210 Opitz, Walter 35, 38, 45 f., 55 Opladen 26, 160, 255 Ordemann (LAA Westfalen) 83 Paderborn 22, 84, 160 Penning (AA Düsseldorf) 30 Pelzer, H. (LAA Rheinland) 99 f. Petersen (LAA Westfalen) 90 Quirrenbach (Siegkreis) 250 Recklinghausen 22, 25, 160, 215, 226 f. – Landkreis 25, 68 ff. Rees, Landkreis 26

Remscheid 26, 160, 205, 244 Rheda 136, 166 Rheine 22, 25, 160 Rheydt 26, 119, 130, 160, 234 f.



Index der Orte und der Namen leitender Beamter der Arbeitsverwaltung

Roetgen 17 Saarbrücken 108 Scheuble, Julius 34 f. Schleiden, Landkreis 14, 74, 77 f., 111 Schwammenauel (Kreis Schleiden) 70-76 Schwelm 22, 25, 160, 165 – Landkreis 25 Schwerte 25 Siegburg 160, 248 ff. Siegen 22, 25, 122, 147, 160, 201 – Landkreis 25 Simmern, Landkreis 26 Soest 22, 25, 147, 160, 182, 200, 208 – Landkreis 25 Solingen 26, 160, 244 f. – Landkreis 26 Sonsbeck (Kreis Moers) 90 ff. Sparkule, W. (LAA Dortmund) 100 ff. Spich-Troisdorf (b. Köln) 248 St. Goar, Landkreis 26 Stadthagen 160 Steinfurt, Landkreis 25 Stewens, Heinrich 49 Sipmann, Ernst 251 Süß, Georg 59 f. Syrup, Friedrich 7, 23, 51 ff., 65, 67, 80 f., 113, 115, 129 f., 191, 198, 214, 239 ff.

Tecklenburg, Landkreis 25 Trier 108 Veersen (Emsland) 202 Velbert 160 Viersen 255 Vohwinkel 26 Wahrburg (LAA Rheinland) 180 Walterscheidt (Bergisch Gladbach) 32 f. Wanne-Eickel 25, 147 Warendorf 166 – Landkreis 25 Wattenscheid 24 Wernsing, L. (GauAA Westfalen-Nord) 187, 195f. Wesel 26, 67 f., 124 f., 140, 160, 255 Wiedenbrück, Landkreis 25, 136 Witten 22, 25, 147, 160 f. Wuppertal 31, 160 f., 185 ff., 192 ff., 255, 260 – Barmen 25 – Elberfeld 25 Zell, Landkreis 25

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