Volkswirtschaftslehre – ein Leitfaden für das Bachelor-Studium [1 ed.] 9783886405428, 9783886401420

Dieses Buch erlaubt einen grundlegenden Einblick in die zentralen Themenstellungen der VWL und ihre Bedeutung für die Wi

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Volkswirtschaftslehre – ein Leitfaden für das Bachelor-Studium [1 ed.]
 9783886405428, 9783886401420

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Bernd Ziegler

VWL Volkswirtschaftslehre – ein Leitfaden für das Bachelor-Studium

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Volkswirtschaftslehre – ein Leitfaden für das Bachelor-Studium

Bernd Ziegler

Volkswirtschaftslehre – ein Leitfaden für das Bachelor-Studium

Deutscher Betriebswirte-Verlag, Gernsbach

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© Deutscher Betriebswirte-Verlag GmbH, Gernsbach 2009 Druck: CPI books GmbH, Ulm ISBN 978-3-88640-142-0

Vorwort In den letzten Jahrzehnten sind die Volkswirtschaften der einzelnen Länder immer enger zusammengerückt, gestützt durch eine zunehmende internationale Arbeitsteilung, neue Transportmöglichkeiten durch die Einführung von Containern und einen verstärkten Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechniken. Dieser Prozess, plakativ als „Globalisierung“ bezeichnet, hat einen intensiven weltweiten Wettbewerb zur Folge. Damit verbunden ist ein rascher Anstieg des Wirtschaftswachstums in Ländern wie China, Indien, Russland und Brasilien, während die Wachstumsraten in den Ländern Nordamerikas und Westeuropas eher zurückgehen – vielfach wird von einer säkularen Verschiebung des Wohlstands gesprochen. Andererseits verbleiben viele Länder Afrikas im Teufelskreis von Armut, Hunger, Seuchen und Stammeskriegen. Seit Anfang der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts hat sich zudem eine einschneidende Veränderung in den Wirtschaftssystemen der Staaten ergeben. Der Wettbewerb zwischen sozialistischen und marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnungen wurde zugunsten der Marktwirtschaft entschieden. All diese Entwicklungen erfordern geradezu ein grundlegendes Verständnis für ökonomische Fragen. Hierzu will das Buch einen Beitrag leisten. Es wurde so konzipiert, dass Teilnehmer von einführenden Kursen in die Volkswirtschaftslehre (VWL) an Universitäten und Fachhochschulen, aber auch an Institutionen der Fort- und Weiterbildung während eines Semesters mit den grundlegenden Fragen, Problemen und Problemlösungen der Volkswirtschaftslehre vertraut gemacht werden. In 14 Kapiteln bietet das Buch einen Einblick in die zentralen Themenstellungen der VWL und ihre Bedeutung für die Wirtschaftspolitik. Der Aufbau ist modular, d.h. jedes Kapitel kann für sich gelesen werden. Außerdem sind die Kapitel, soweit möglich, vom Inhalt her so angelegt, dass das Wichtigste innerhalb einer Vorlesungswoche (mit vier Semesterwochenstunden) behandelt werden kann.

VI

Vorwort

Das Studium der Volkswirtschaftslehre ist heutzutage ohne Kenntnisse der Mathematik nicht mehr möglich. In der Wissenschaft ist die Mathematik das vorherrschende Kommunikationsmittel unter Ökonomen. Nach wie vor gilt allerdings der Ausspruch von Milton Friedman, dass die Mathematik in den Wirtschaftswissenschaften häufig dazu diene, mehr zu beeindrucken als Fortschritte zu machen (FRIEDMAN 1991, S. 36). Das Buch beschränkt sich in den einzelnen Kapiteln auf ein Mindestmaß an Mathematik und verwendet sie nur dort, wo sie zur Klarstellung unerlässlich ist. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die mathematischen Kenntnisse der Studienanfänger sehr heterogen sind. Zudem lassen sich die Grundlagen der Volkswirtschaftslehre auch ohne zu starken Rückgriff auf die Mathematik angemessen behandeln. Bei der Abfassung des Buches habe ich in wesentlichen Teilen auf die 2. Auflage des von mir herausgegebenen Lehrbuchs „Leitfaden zum Grundstudium der Volkswirtschaftslehre“ zurückgegriffen. Insofern steht dieses Buch in einer gewissen Tradition. Während ich mich allerdings bislang auf die Rollen des Herausgebers und Autors eines Kapitels (Kapitel Ökonomische Lehrmeinungen – Übersicht und Orientierung) beschränken konnte, habe ich nunmehr das Buch in eigener Verantwortung geschrieben. Insofern steht es für etwas Neues. Die bewährte Autorenformation wurde auseinandergerissen, da die beiden, von mir sehr geschätzten Kollegen, Prof. Dr. Dr. Franz Haslinger (Kapitel Makroökonomie) und Prof. Dr. Harald Schumacher (Kapitel Mikroökonomie) leider früh verstorben sind. Der Kollege Jürgen Janssen (Kapitel Wirtschaftskreislauf und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung) ist mittlerweile aus dem Hochschuldienst ausgeschieden. Der Verlag und insbesondere Frau Regina Meier haben mich aber ermutigt, die 3. Auflage in Angriff zu nehmen. Hierfür bedanke ich mich recht herzlich und hoffe, dass das Lehrbuch bei den Studierenden die positive Resonanz findet, welche die beiden vorherigen Auflagen hatten. Das vorliegende Lehrbuch wäre ohne engagierte Mitarbeiter nicht zustande gekommen. Mein Dank gilt vor allem Frau Melanie Gohr, die beim Schreiben der verschiedenen Fassungen große Geduld bewiesen hat. Für die Anfertigung der verschiedenen Abbildungen und Tabellen danke ich Frau Lynn Schneider, Herrn Daniel Hundt und Herrn Lars Vogel. Für kritische Anmerkungen oder Verbesserungsvorschläge bin ich stets dankbar (E-Mail: [email protected]). Hamburg, im Juli 2009

Bernd Ziegler

Vorwort

VII

Eine Lektüreempfehlung für die Leserin und den Leser Je nach Interesse können Sie sich der Volkswirtschaftslehre mit Hilfe des Buches auf unterschiedlichen Wegen nähern. Wer eher einen Einstieg bevorzugt, der theoriegeschichtlichen Leitlinien folgt, sollte mit Kapitel 14 beginnen. Im Laufe meiner langjährigen Erfahrung in der Lehre habe ich festgestellt, dass ein solcher Weg über die Geschichte der Volkswirtschaftslehre durchaus eine Chance bietet, gerade bei Anfängern ein stärkeres Interesse für die Welt der Ökonomie zu wecken. Die meisten Lehrbücher der VWL verzichten leider auf dieses Angebot. Wer ganz „normal“ starten möchte, beginnt mit Kapitel 1. Es enthält einen ersten Einblick in den Untersuchungsgegenstand der Volkswirtschaftslehre, in die ökonomische Modellanalyse, in die Ziele der Wirtschaftspolitik und die Institutionen wirtschaftspolitischer Beratung. Im Kapitel 2 werden Grundkenntnisse des Wirtschaftskreislaufs, der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und der Zahlungsbilanz vermittelt. Diejenigen, die danach zunächst den Pfad der Makroökonomie betreten wollen, sollten mit den Kapiteln 8, 9, 10 und 11 fortfahren. Auf diesem Wege werden Sie mit dem IS/LM-Modell und dem AS/AD-Modell vertraut gemacht. Dabei handelt es sich um die Standardmodelle der Makroökonomie zur Erklärung von Schwankungen der Produktion und des Einkommens in kurz- bzw. mittelfristiger Hinsicht. Wer jedoch zuerst die mikroökonomische Route wählt, setzt seine Lektüre mit den Kapiteln 4, 5, 6 und 7 fort. Dort werden die mikroökonomischen Grundlagen der Konsumentennachfrage, von Produktion und Kosten sowie der Preisbildung auf Märkten mit vollständiger und unvollständiger Konkurrenz behandelt. In Kapitel 12 stehen Internationale Wirtschaftsprobleme im Mittelpunkt. Zunächst wird ein Überblick über die internationale Wirtschafts- und Währungsarchitektur geliefert. Danach werden anhand des Mundell-FlemingModells die Wirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen bei unterschiedlichen währungspolitischen Optionen (feste und flexible Wechselkurse) beschrieben. Kapitel 13 widmet sich der langfristigen ökonomischen Entwicklung. Mit Hilfe des Solow-Modells werden der Einfluss von Kapitalbildung, Bevölkerungswachstum und technischem Fortschritt herausgestellt.

VIII

Vorwort

Wenn Sie – auf welchen Wegen auch immer – durch das Buch gefunden haben, hoffe ich, dass Sie am Ende meine Auffassung teilen, dass es sich bei der Volkswirtschaftslehre um ein spannendes Fach und eine intellektuelle Herausforderung handelt.

Inhaltsverzeichnis Vorwort Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6

V IX

Einführung 1 Gegenstand der Volkswirtschaftslehre ................................................. 1 Grundprobleme wirtschaftlicher Systeme ............................................ 3 Grundideen der Volkswirtschaftslehre ................................................. 9 Die ökonomische Modellanalyse ....................................................... 12 Wirtschaftspolitische Ziele................................................................. 14 Wirtschaftliche Diagnosen, Prognosen und Beratung ....................... 17

2

Wirtschaftskreislauf und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 21 2.1 Der Wirtschaftskreislauf .................................................................... 21 2.2 Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung........................................ 26 2.2.1 Die Systematik der VGR .................................................................... 26 2.2.2 Die Berechnung des Bruttoinlandsproduktes und des Bruttonationaleinkommens ................................................................ 28 2.3 Die Zahlungsbilanz ............................................................................ 30 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6

Grundlagen von Angebot und Nachfrage 34 Markt und Wettbewerb ...................................................................... 34 Das Angebot ....................................................................................... 34 Die Nachfrage .................................................................................... 36 Der Marktmechanismus ..................................................................... 39 Anpassungen an Nachfrage- und Angebotsänderungen..................... 40 Elastizitäten ........................................................................................ 41

4 4.1 4.2

Konsumentenverhalten und Marktnachfrage 49 Konsumentenpräferenzen und Nutzenfunktion.................................. 49 Budgetrestriktion und optimale Verbraucherentscheidung ................ 55

X

4.3 4.4

Inhaltsverzeichnis

Einkommens-, Preis-Konsumkurve/ Einkommens- und Substitutionseffekt .............................................................................. 60 Die Marktnachfrage............................................................................ 64

5 5.1 5.1.1 5.1.2

Produktion, Kosten und Marktangebot 66 Die Produktionsfunktion .................................................................... 66 Die Produktionsfunktion bei isoquanter Faktorvariation ................... 68 Die Produktionsfunktion bei partieller Faktorvariation: das Ertragsgesetz ................................................................................ 70 5.1.3 Die Produktionsfunktion bei totaler Faktorvariation ......................... 73 5.2 Die Kosten der Produktion ................................................................. 74 5.2.1 Die Minimalkostenkombination ......................................................... 76 5.2.2 Die Kostenfunktion ............................................................................ 79 5.3 Die gewinnmaximale Produktionsmenge........................................... 82 5.4 Die unternehmensindividuelle Angebotskurve .................................. 86 5.5 Das Marktangebot .............................................................................. 87 6 6.1 6.2 6.3 6.4

Preisbildung und Gleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz 89 Das Modell der vollständigen Konkurrenz ........................................ 89 Das kurzfristige Konkurrenzgleichgewicht ........................................ 90 Das langfristige Konkurrenzgleichgewicht ........................................ 93 Konsumenten- und Produzentenrente ................................................ 95

7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.2 7.3

Monopol, monopolistische Konkurrenz und Oligopol 99 Monopol ............................................................................................. 99 Die Erlösfunktion des Monopolisten................................................ 100 Das Gewinnmaximum des Monopolisten ........................................ 102 Monopolmaß nach Lerner ................................................................ 103 Effizienzanalyse des Monopols ........................................................ 104 Monopolistische Konkurrenz ........................................................... 106 Oligopol ............................................................................................ 109

8 8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.3 8.4

Makroökonomischer Gütermarkt und IS-Kurve 118 Forschungsprogramme der Makroökonomie ................................... 119 Die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage ...................................... 123 Der Konsum ..................................................................................... 124 Die Investitionen .............................................................................. 128 Gütermarktgleichgewicht bei gegebenen Investitionen ................... 129 Der Multiplikatoreffekt .................................................................... 132

Inhaltsverzeichnis

8.5

XI

8.6 8.7

Gütermarktgleichgewicht bei zinsabhängigen Investitionen: Die IS-Kurve .................................................................................... 136 Der Staat als Nachfrager auf dem Gütermarkt ................................. 143 Der Gütermarkt in einer offenen Volkswirtschaft ........................... 148

9 9.1 9.1.1 9.1.2 9.2 9.3

Makroökonomischer Geldmarkt und LM-Kurve 150 Die Geldnachfrage ........................................................................... 150 Die Transaktionskassennachfrage .................................................... 151 Die Spekulationskasse ...................................................................... 152 Das Geldangebot .............................................................................. 155 Das Geldmarktgleichgewicht: Die LM-Kurve ................................. 155

10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5

IS/LM-Modell 161 Simultanes Gleichgewicht auf dem Güter- und Geldmarkt ............. 161 Stabilität des Gleichgewichts ........................................................... 163 Geldpolitik im IS/LM-Modell .......................................................... 164 Fiskalpolitik im IS/LM-Modell ........................................................ 167 IS/LM-Modell ohne LM-Kurve ....................................................... 172

11 11.1 11.1.1 11.1.2 11.1.3

AS/AD-Modell 173 Vom IS/LM-Modell zum AS/AD-Modell ....................................... 173 Die Herleitung der AD-Kurve .......................................................... 174 Die AS-Kurve................................................................................... 178 Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht (Geld-, Güter- und Arbeitsmarkt) ................................................................................... 181 Die Phillips-Kurve ........................................................................... 184

11.2

12 Internationale Wirtschaftsprobleme 187 12.1 Europäische Wirtschafts- und Währungsunion ................................ 187 12.1.1 Die historische Entwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion ................................................................................ 187 12.1.2 Die Europäische Zentralbank ........................................................... 188 12.1.3 Die geldpolitischen Instrumente der EZB ........................................ 190 12.2 Die internationale Wirtschafts- und Währungsordnung .................. 193 12.2.1 Der Internationale Währungsfond .................................................... 193 12.2.2 Die Weltbank ................................................................................... 196 12.2.3 Die Welthandelsorganisation ........................................................... 197 12.3 Das Modell einer offenen Volkswirtschaft ...................................... 198 12.3.1 Der makroökonomische Gütermarkt einer offenen Volkswirtschaft ................................................................................ 199

XII

Inhaltsverzeichnis

12.3.2 Der Devisenmarkt ............................................................................ 202 12.4 Das Mundell-Fleming-Modell.......................................................... 203 12.4.1 Fiskal- und Geldpolitik in einer offenen Volkswirtschaft bei flexiblen Wechselkursen ............................................................ 205 12.4.2 Fiskal- und Geldpolitik in einer offenen Volkswirtschaft bei festen Wechselkursen ................................................................. 208 12.5 Das Modell einer offenen Volkswirtschaft mit flexiblem Preisniveau ....................................................................................... 212 13 13.1 13.2 13.2.1 13.2.2 13.2.3 13.3

Wachstum 216 Einführung ........................................................................................ 216 Das Solow-Modell............................................................................ 217 Kapitalakkumulation und Steady-State-Gleichgewicht ................... 219 Bevölkerungswachstum ................................................................... 222 Technischer Fortschritt ..................................................................... 224 Neue Wachstumstheorie ................................................................... 226

14 14.1 14.1.1 14.1.2 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6

Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre 229 Vorklassische Nationalökonomie ..................................................... 230 Merkantilismus ................................................................................. 230 Physiokraten ..................................................................................... 232 Klassische Nationalökonomie .......................................................... 235 Marxsche Ökonomie ........................................................................ 241 Historische Schule ............................................................................ 245 Neoklassische Nationalökonomie .................................................... 246 Keynes und der Keynesianismus...................................................... 250

Literaturverzeichnis

253

Personenverzeichnis

259

Sachverzeichnis

261

1

Einführung

1.1

Gegenstand der Volkswirtschaftslehre

Wenn Studierende sich für das Fach Volkswirtschaftslehre entscheiden, dann haben sie zumeist ein gewisses Vorwissen vom Untersuchungsgegenstand dieses Faches. Es hat etwas mit der Wirtschaft als Ganzes, mit dem Funktionieren von Märkten und mit der Globalisierung zu tun, um nur einige Aspekte zu nennen. In den ersten Vorlesungen möchten dann die Studierenden vom Professor gerne wissen: Volkswirtschaftslehre – was ist das eigentlich? Als Antwort werden häufig Definitionen aus den bekanntesten volkswirtschaftlichen Standardlehrbüchern zitiert oder auf das eigene Lehrbuch verwiesen – mittlerweile sind fast so viele Einführungsbücher auf dem Markt wie es Professoren für VWL in Deutschland gibt. Ein erstes kleines empirisches Beispiel für Angebot und Nachfrage als zentrale Begriffe der Ökonomie. Oder den Studierenden wird geantwortet, dass es um Entscheidungen zwischen Alternativen der Nutzung knapper Ressourcen geht. Den ersten (leicht irritierten) Blicken wird als Beispiel vor Augen gehalten, dass man auch etwas anderes hätte studieren oder ganz auf ein Studium verzichten können. Mancher Studierender wird sich während des Studiums durchaus gelegentlich die Frage stellen, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat. Werfen wir dennoch zuerst einen Blick auf einige Definitionen aus Standardlehrbüchern: „Die Volkswirtschaftslehre ist .. jene Wissenschaft, die sich bemüht, die Gesetzmäßigkeiten der wirtschaftlichen Realität zu erfassen und mit den gefundenen Gesetzmäßigkeiten konkrete wirtschaftliche Ereignisse zu erklären.“ (SIEBERT/LORZ 2007, S. 17) „Worum geht es in der Volkswirtschaftslehre? Vereinfacht gesprochen befasst sich diese Wissenschaft damit, wie Märkte funktionieren.“ (BOFINGER 2007, S. 33)

2

1 Einführung

„Volkswirtschaftslehre ist die Wissenschaft von der Bewirtschaftung der knappen gesellschaftlichen Ressourcen.“ (MANKIW/ TAYLOR 2008, S. 3) „Economics specializes in the study of that part of the total social system which is organized through exchange und which deals with exchangeables“. (BOULDING 1969, S. 4) Schon diese wenigen Beispiele zeigen, dass es keine einfache Antwort auf die Frage gibt: Was ist Volkswirtschaftslehre? Eine interessante Antwort auf die Frage: „What ist economics“ lautet: „Economics ist what economists do“ (LIPSEY/HARBURY 1992, S. 4). Wir beginnen deshalb damit, die Aufgabenfelder näher zu untersuchen, mit denen sich Ökonomen heute beschäftigen. Dabei ist zwischen positiver und normativer Ökonomik zu unterscheiden. In der positiven Ökonomik geht es um Beschreibungen und Erklärungen, während sich die normative Ökonomik mit Werturteilen befasst. Fragen der normativen Ökonomik lassen sich nicht mit richtig oder falsch beantworten, sie erfordern gesellschaftliche bzw. politische Entscheidungen. Ein erstes Aufgabenfeld der Volkswirtschaftslehre liegt in der exakten Beschreibung ökonomischer Sachverhalte: Wie hoch sind die Arbeitslosigkeit, die Inflationsrate und das Wirtschaftswachstum und mit welchen Indikatoren kann ich diese jeweils messen? Neben der Beschreibung ist die Erklärung ökonomischer Ereignisse von großer Bedeutung: Warum kommt es beispielsweise zu Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Produktion? Derartige Erklärungen erfolgen in der Volkswirtschaftslehre zumeist auf der Basis von Theorien. Hier liegt eine weitere Schwierigkeit für den Anfänger. In der Ökonomie haben wir es in vielen Fällen mit konkurrierenden Theorien zu tun. Ein Ökonom, der die Arbeitslosigkeit unter Anwendung der Keynesianischen Theorie erklärt, kommt zu anderen Ergebnissen als derjenige, der dem neoklassischen Erklärungsansatz den Vorzug gibt. WINSTON CHURCHILL hat einmal gesagt: „Whenever I ask Englands`s six leading economists a question, I get seven answers – two from Mr. Keynes” (TREBEIS [Hrsg.] 1994, S. 120). Ein weiteres Feld, auf dem Ökonomen tätig sind, ist die Erstellung von Prognosen. Wie werden sich der Arbeitsmarkt, die Inflation und das Wachstum in der Zukunft entwickeln? Prognosen sind wissenschaftlich begründete Vor-

1.2 Grundprobleme wirtschaftlicher Systeme

3

aussagen zukünftiger Entwicklungen. Sie erfolgen zumeist unter Verwendung statistischer und ökonometrischer Verfahren. In Deutschland werden Konjunkturprognosen durch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute und den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, genannt die „Fünf Weisen“, erstellt. Die Aussagekraft von Prognosen ist allerdings umstritten. „Ein Konjunkturprognostiker ist jemand, der Dir morgen genau sagen kann, warum das, was er gestern vorhersagt hat, heute nicht eingetroffen ist.“ (TREBEIS [Hrsg.] 1994, S. 121). Ökonomen beschäftigen sich auch mit wirtschaftpolitischen Instrumenten, die geeignet sind, bestimmte Ziele zu erreichen. Je nach Akteuren lassen sich die Instrumente der Wirtschaftspolitik unterteilen in Fiskalpolitik (Einnahmen- und Ausgabenseite des Staates), Geldpolitik (Zentralbank) und Einkommenspolitik (Tarifparteien). In der Auseinandersetzung mit all diesen Feldern (Beschreibung, Erklärung, Prognose, Empfehlung) lernen Studierende der VWL, wie Ökonomen denken und argumentieren. Die dabei verwendeten Methoden wirken auf den Anfänger zunächst befremdlich. „Da blick ich nicht durch. Das ist zu kompliziert für mich“ – solche und ähnliche Redensarten hört man häufig, wenn Studierende der VWL nach den Vorlesungen in der Cafeteria zusammensitzen.

1.2

Grundprobleme wirtschaftlicher Systeme

In einer Volkswirtschaft werden jeden Tag für Millionen von Menschen Güter und Dienstleistungen produziert. Angefangen von Brötchen über Zeitungen, Autos bis hin zum Airbus 380. Dieser komplexe ökonomische Prozess ist auf ein funktionsfähiges Wirtschaftssystem angewiesen. Zentrale Aufgabe eines Wirtschaftssystems ist es, die Versorgung der Menschen mit Gütern und Dienstleistungen sicherzustellen. Hinsichtlich der Klassifikation von Gütern wird zum einen zwischen freien und wirtschaftlichen Gütern unterschieden, zum anderen zwischen privaten und öffentlichen Gütern. Als wirtschaftliche Güter werden all diejenigen Güter bezeichnet, die knapp sind und nach denen ein Bedürfnis besteht. Bei nicht knappen Gütern, handelt es sich um freie Güter, wie z.B. die Luft zum Atmen oder der Sand in der Wüste. Die Unterteilung zwischen privaten Gü-

4

1 Einführung

tern und öffentlichen Gütern orientiert sich an den Kriterien der Nichtausschließbarkeit und der Nichtrivalität. Öffentliche Güter liegen dann vor, wenn niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden kann und keine Rivalität beim Konsum besteht. Standardbeispiele für öffentliche Güter sind Straßen, Bildung und nationale Verteidigung. Am bekanntesten ist das Leuchtturmbeispiel. Ein Leuchtturm bietet allen Schiffen auf See Orientierung, nicht nur einem bestimmten Schiff. Kein Schiff kann von der Nutzung ausgeschlossen werden und es gibt auch keine Rivalität zwischen den Schiffen. Private Güter sind dadurch gekennzeichnet, dass Individuen von der Nutzung ausgeschlossen werden können. Der Ausschluss erfolgt in der Regel über den Preis. Zugleich liegt Rivalität vor. Ein Auto, das jemand kauft, kann nicht zugleich von einer anderen Person gekauft werden. Werden private Güter aufgrund gesellschaftlicher Präferenzen zu öffentlichen Gütern, wie beispielsweise staatliche Theater und Museen, spricht man von meritorischen Gütern. Güter und Dienstleistungen sind Mittel der Bedürfnisbefriedigung. Bedürfnisse sind das Verlangen, einen als Mangel empfundenen Wunsch zu beseitigen. Um die Bedürfnisse zu beschreiben, wird häufig auf die Maslowsche Bedürfnispyramide zurückgegriffen, benannt nach dem amerikanischen Psychologen A. MASLOW (1908-1970). Danach lassen sich die menschlichen Bedürfnisse in Form einer Pyramide abbilden. Die unterste Stufe umfasst die grundlegenden physiologischen Bedürfnisse, wie Hunger und Durst. Danach folgen Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse und als letztes die Bedürfnisse nach Anerkennung und Wertschätzung sowie Selbstverwirklichung. In der Volkswirtschaftslehre werden Bedürfnisse als individuell und unbegrenzt definiert. Aus einem Bedürfnis entsteht ein Bedarf, wenn sich die Bedürfnisbefriedigung auf die Erlangung bestimmter Güter richtet. Zur Nachfrage wird der Bedarf, wenn die entsprechende Zahlungsbereitschaft gegeben ist und auf dem Markt tatsächlich geltend gemacht wird. Zur Bedarfsdeckung werden die vorhandenen volkswirtschaftlichen Ressourcen eingesetzt: • Arbeit (Arbeitspotential in quantitativer und qualitativer Hinsicht) • Kapital (produzierte Produktionsmittel, wie Maschinen, Anlagen, Gebäude, technologisches know how) • Boden (landwirtschaftliche Nutzung, industrielle Nutzung, verkehrsmäßige Nutzung, Bodenschätze)

1.2 Grundprobleme wirtschaftlicher Systeme

5

Die drei Grundfragen Jede Gesellschaft hat daher drei grundlegende Entscheidungen zu treffen: 1. Welche Güter sollen produziert werden und in welcher Menge? Mit den vorhandenen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital können eine Vielzahl von Güter und Dienstleistungen in unterschiedlicher Menge und Qualität produziert werden. 2. Wie sollen die Güter produziert werden? Welche Produktionstechnologien bzw. welches technologische Wissen stehen zur Verfügung, um die Güter zu produzieren. 3. Für wen sollen die Güter produziert werden? Wer erhält die produzierten Güter? Nach welchen Regeln wird die Verteilungsentscheidung getroffen? Die Antworten auf diese Fragen führen zur Ausgestaltung des Wirtschaftssystems. Hierzu stehen zwei grundlegende Modelle zur Verfügung: die dezentrale Lösung und die zentrale Lösung. Im ersten Fall werden alle genannten Entscheidungen über den Markt koordiniert (Marktwirtschaft). Die zentrale Lösung erfordert einen gesamtwirtschaftlichen Plan (Planwirtschaft), der die Entscheidungen der Planbehörde (Staat) enthält. Damit richtige Entscheidungen positiv bzw. falsche Entscheidungen negativ sanktioniert werden, bedarf es eines Informations- und Sanktionssystems. In einer Marktwirtschaft informieren Preise; ein hoher Preis signalisiert Knappheit, ein niedriger Preis Überfluss. Als Belohnung dient der Gewinn. Wenn Unternehmen andererseits nicht die Güter produzieren, für die es eine Nachfrage gibt, werden sie Verluste erleiden und langfristig aus dem Markt ausscheiden. In einer Planwirtschaft werden den Betrieben mit Hilfe von Plankennziffern Informationen gegeben. Bei Realisierung der Planvorgaben können Prämien vergeben, bei Nichtrealisierung Strafen erfolgen. Letztlich ist noch die Entscheidung über die Eigentumsordnung an Produktionsmitteln zu treffen. Liegt das Eigentum an den Produktionsmitteln überwiegend in privater Hand oder liegt es in den Händen des Staates bzw. der Gesellschaft. Im ersten Fall spricht man von einem kapitalistischen, im zweiten Fall von einem sozialistischen Wirtschaftssystem. Die meisten realen Gesellschaften weisen ein Mischsystem auf, in dem allerdings die Bedeutung von Markt und Staat unterschiedlich ausgeprägt ist.

6

1 Einführung

Die Produktionsmöglichkeiten Die Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft werden durch die Knappheit der Ressourcen begrenzt. Die Knappheit ergibt sich daraus, dass die Ressourcen nicht ausreichen, um alle Bedürfnisse zu befriedigen. Knappheit impliziert somit, dass eine Wahl zwischen alternativen Verwendungsmöglichkeiten der Ressourcen stattfinden muss. Die Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft lassen sich graphisch mit Hilfe der Transformationskurve darstellen. Gehen wir von einem einfachen Modell einer Volkswirtschaft aus, in dem zwei Gütergruppen produziert werden: Konsumgüter (KG) und Investitionsgüter (IG). Die alternativen Produktionsmöglichkeiten zeigt Tabelle 1.1:

A B C D E F

KG 300 280 240 180 100 0

IG 0 20 40 60 80 100

Tabelle 1.1: Mengenkombinationen von Konsum- und Investitionsgütern

Mit den vorhandenen Ressourcen können maximal 300 Einheiten Konsumgüter produziert werden. Werden dagegen alle Ressourcen für die Herstellung von Investitionsgütern verwendet, sind maximal 100 Einheiten möglich. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es eine Vielzahl von Kombinationen, die durch die Punkte B bis E veranschaulicht werden. Eine Erhöhung der Investitionsgüterproduktion ist nur möglich, wenn weniger Konsumgüter produziert werden. In Punkt C wird beispielsweise auf 60 Einheiten Konsumgüter verzichtet, um 40 Einheiten Investitionsgüter herzustellen. Dazu müssen Ressourcen von der Konsumgüterproduktion in die Investitionsgüterproduktion umgeleitet werden.

1.2 Grundprobleme wirtschaftlicher Systeme

7

Die Zunahme der Produktion von Investitionsgütern „kostet“ einen Verzicht von Konsumgütern. Diese Kosten stellen die Opportunitätskosten dar. Das sind allgemein die Kosten eines Gutes, ausgedrückt in Einheiten des Gutes, auf dessen Produktion verzichtet werden muss. Die graphische Darstellung der Wertepaare aus Tabelle 1.1 ergibt die Produktionsmöglichkeiten- oder Transformationskurve (siehe Abbildung 1.1)

KG

300

A

∆ IG

B

H

∆ KG

C

200

D 100

E

G

F 20

40

60

80

100

IG

Abbildung 1.1: Produktionsmöglichkeiten- oder Transformationskurve

Die Transformationskurve zeigt die Grenze der Produktionsmöglichkeiten. Auf ihr liegen alle Gütermengenkombinationen, die in einer Volkswirtschaft mit den vorhandenen Ressourcen maximal produziert werden können. Da alle Ressourcen vollständig genutzt werden, sind die Punkte auf der Kurve effiziente Produktionsmöglichkeiten. Kombinationen rechts der Transformationskurve sind nur durch Wachstum möglich (Punkt H), Kombinationen unterhalb der Kurve stellen eine ineffiziente Nutzung der vorhandenen Ressourcen dar (Punkt G). Verläuft die Transformationskurve, wie in unserem Beispiel, konkav zum Nullpunkt („nach innen gewölbt“), dann steigen die Opportunitätskosten entlang der Kurve. Betrachten wir dazu Abbildung 1.2: Die Bewegung von Punkt B nach Punkt C kann in zwei Abschnitte zerlegt werden. Zuerst erfolgt eine vertikale Bewegung nach unten (-∆KG), die den Rückgang der Kon-

8

1 Einführung

sumgüterproduktion verdeutlicht. Ausgleichend dazu erfolgt eine horizontale Bewegung, welche den Zuwachs der Industriegüterproduktion anzeigt (∆IG).

KG

B

∆ IG

KG C

IG Abbildung 1.2: Steigung der Produktionsmöglichkeiten- oder Transformationskurve

Das Verhältnis (∆KG/∆IG) nimmt entlang der Transformationskurve zu; es bildet zugleich die Opportunitätskosten ab. Die steigenden Opportunitätskosten sind darauf zurückzuführen, dass die Umlenkung der Produktionsfaktoren von der Konsumgüter- in die Investitionsgüterindustrie Produktivitätsverluste zur Folge hat. Bei gleichbleibenden Opportunitätskosten ergibt sich eine linear verlaufende Transformationskurve. Steigung von Kurven Die Steigung einer Kurve misst die Veränderung einer Variablen y in Reaktion auf eine Veränderung einer anderen Variablen (x) um eine Einheit. Die Variable y wird dabei auf der senkrechten Achse (Ordinate), die Variable x auf der waagerechten Achse (Abszisse) abgetragen. Die Steigung lässt sich als Quotient „∆y durch ∆x“ bestimmen. Bewegen sich x und y in die gleiche Richtung, dann hat die Steigung ein positives Vorzeichen; bewegen sie sich entgegengesetzt, dann ist die Steigung negativ. Im Fall der konkav verlaufenden Transformationskurve ist die Steigung negativ. Der Anstieg einer Kurve wird immer über die Abszisse (x-Achse) gemessen.

1.3 Grundideen der Volkswirtschaftslehre

9

Betrachten wir Abbildung 1.2 noch einmal. Die Gerade durch B und C wird als Sekante bezeichnet. Wenn Punkt C unverändert bleibt und Punkt B sich entlang der Kurve in Richtung C bewegt, dann dreht sich die Sekante um C. Die sich im Grenzfall ergebende Gerade, gegen welche die Sekante strebt, nennt man Tangente an die Kurve in Punkt C. Lässt sich die Funktion des Graphen durch y = f(x) beschreiben, dann ist es möglich, die Steigung der Tangente in Punkt C zu ermitteln. Die Steigung der Sekante BC ist dann ∆y/∆x, der Bruch ∆y/∆x wird als Differenzenquotient bezeichnet. Wenn B sich entlang des Graphen auf C zu bewegt, geht ∆x gegen 0. Dieser Grenzwert ist der Differential-Quotient oder die 1. Ableitung. Formal ist folgende Notation üblich: f ′(x) =

dy y = dx lim x x→0

Der Differentialquotient gibt die Steigung der Tangente an die Kurve in Punkt C an. Wenn wir nun die Steigung in jedem einzelnen Punkt der Kurve betrachten, dann lässt die Steigung sich durch Anlegen einer Tangente verdeutlichen. Da es sich um eine konkav gekrümmte Kurve handelt, nimmt die Steigung entlang der Kurve zu.

1.3

Grundideen der Volkswirtschaftslehre

Unter Grundideen sollen diejenigen ökonomischen Ideen verstanden werden, die die Geschichte des ökonomischen Denkens geprägt haben und mit denen auch künftig die Volkswirtschaftslehre zu tun haben wird. Solche grundlegenden Ideen sind die Konzeptionen des ökonomischen Kreislaufs, des wirtschaftlichen Gleichgewichts und des Wirtschaftswachstums. Durch den Kreislaufgedanken haben die Zusammenhänge von Wirtschaftssektoren und Wirtschaftsprozess zum ersten Mal eine einheitliche Darstellung gefunden. Infolgedessen gilt die erste Darstellung eines ökonomischen Kreislaufs, das Tableau Économique, das FRANÇOIS QUESNAY vor über zweihundert Jahren erarbeitete, als Innovation in der Geschichte des ökonomischen Denkens.

10

1 Einführung

FRANÇOIS QUESNAY (1694-1774) war ein französischer Arzt, der sich erst im späten Lebensalter mit wirtschaftlichen Fragen befasste. Er gilt als Begründer und Oberhaupt der physiokratischen Schule der Ökonomie. Diese war der Auffassung, dass allein die Landwirtschaft Quelle des nationalen Reichtums ist, da nur dort ein Überschuss erzielt werden kann; Handwerk und Manufakturproduktion wurden als unproduktiv angesehen. QUESNAY war der erste, der die wirtschaftlichen Abläufe in einer Volkswirtschaft mit Hilfe des Kreislaufgedankens veranschaulichte. Die Physiokraten waren ferner der Auffassung, dass die Wirtschaft einer natürlichen Ordnung folgt, in die man nicht eingreifen soll: Laissez faire, laissez passer – le monde va de lui-même.

Ein Kreislauf stellt in anschaulicher Weise die zwischen den verschiedenen Sektoren der Gesamtwirtschaft fließenden Ströme dar und vermittelt nicht nur eine Vorstellung vom Prozess der Wertschöpfung und Wertübertragung, sondern auch von der Ordnung der Gesamtwirtschaft. Im Kreislaufbild der physiokratischen Schule veranschaulichen drei Klassen die Struktur der damaligen Wirtschaftsgesellschaft und die sich zwischen diesen Klassen vollziehenden Transaktionen von Gütern und Leistungen den Ablauf des Wirtschaftsprozesses. Inhaltlich war das von QUESNAY entwickelte Schema mit den drei Klassen der Grundeigentümer, landwirtschaftlichen Pächter sowie Händler und Handwerker Ausdruck der feudalistischen Wirtschafts- und Sozialstruktur und damit zeitbedingt. Aber die Konzeption eines Wirtschaftskreislaufs reicht weit über diese Zeit hinaus und ist eine der herausragenden Ideen der Wirtschaftswissenschaft. Die Idee des wirtschaftlichen Gleichgewichts ist ebenso einfach und genial wie der Kreislaufgedanke. Auch ihr begegnen wir bereits sehr früh. Gleichgewicht wurde allgemein als ein Zustand verstanden, in dem die wirtschaftlichen Kräfte zu einem Ausgleich gekommen sind. Wissenschaftsgeschichtlich lag es nahe, die Vorstellung eines Gleichgewichts der wirtschaftlichen Kräfte in Analogie zum mechanischen Weltbild zu entwickeln. Nach Auffassung der klassischen Nationalökonomie gibt es für alle ökonomischen Größen Gleichgewichtswerte, die durch die natürliche Ordnung eindeutig bestimmt sind. In der Realität können die Größen von ihren Gleichgewichtswerten zwar temporär abweichen, jedoch besteht beständig eine Tendenz zum Gleichgewicht. So hat zum Beispiel nach Auffassung klassischer Ökonomen, wie SMITH,

1.3 Grundideen der Volkswirtschaftslehre

11

RICARDO und MILL, der Marktpreis oder tatsächliche Preis eines Gutes stets die Tendenz, sich seinem natürlichen oder langfristigen Gleichgewichtspreis anzupassen. ADAM SMITH (1723-1790), DAVID RICARDO (1772-1823) und JOHN STUART MILL (1806-1873) gehören zu den berühmtesten Vertretern der klassischen Nationalökonomie oder klassischen politischen Ökonomie. Diese verstand sich als Gegenentwurf zum Merkantilismus. Das Individuum soll danach im Eigeninteresse handeln und nicht durch den Staat reglementiert werden. Die unsichtbare Hand des Marktes führt zu einer Harmonie von Eigeninteressen und gesellschaftlichem Interesse.

Die spätere Entwicklung gab die normative Vorstellung einer natürlichen Ordnung auf, behielt aber die Grundkonzeption des Gleichgewichts bei. Gleichgewicht wird heute allgemein definiert als ein Zustand, in dem die Handlungen der wirtschaftlichen Akteure miteinander konsistent, mithin keine Planrevision erforderlich ist. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass wirtschaftliches Gleichgewicht in der Wirklichkeit nicht vorkommt. Stets wird es Wirtschaftssubjekte geben, deren Erwartungen enttäuscht wurden und die deshalb ihre Entscheidungen revidieren. Die Gleichgewichtskonzeption ist daher primär ein theoretisches Instrument und der Modellanalyse vorbehalten. Wirtschaftliches Gleichgewicht ist formal-logisch nichts anderes als die mathematische Lösung eines ökonomischen Modells. Sind die relevanten ökonomischen Zusammenhänge in einem Modell genau spezifiziert, etwa in der Form eines Gleichungssystems, so drückt sich das Gleichgewicht in einer der Gleichungen des Systems aus. Diese Gleichung wird als Gleichgewichtsbedingung bezeichnet. Als dritte grundlegende Idee der Volkswirtschaftslehre gilt schließlich die Idee des ökonomischen Wachstums. Dieser Gedanke einer bestimmten Fortentwicklung des ökonomischen Systems besaß schon in der klassischen Nationalökonomie große Bedeutung und hat später in ganz verschiedenen Abwandlungen eine entscheidende Rolle gespielt. Klassische Ökonomen, wie beispielsweise RICARDO und MILL, waren der Auffassung, dass die wirtschaftliche Entwicklung langfristig auf einen statio-

12

1 Einführung

nären Zustand hinausläuft; das Wachstum mithin an Grenzen stößt. Auch K. MARX und J. SCHUMPETER entwarfen verschiedene Vorstellungen hinsichtlich der Überlebensfähigkeit des industriellen Kapitalismus. Die meisten Ökonomen der Gegenwart sind der Ansicht, dass funktionierende Märkte, technischer Fortschritt und Strukturwandel dafür sorgen, dass es keine Grenzen des Wachstums gibt. Allerdings herrscht auch weitgehende Übereinstimmung, dass Wachstum „nachhaltig“ erfolgen sollte, d.h. die wirtschaftliche Entwicklung sollte eine Zerstörung ihrer Grundlagen vermeiden.

1.4

Die ökonomische Modellanalyse

Ökonomische Analysen erfolgen zumeist auf der Basis eine Modells. Wir wollen daher zunächst klären, was unter ökonomischen Modellen zu verstehen ist. Ganz allgemein ist ein Modell das Abbild eines Zusammenhangs in beliebigem Abstraktionsgrad. Modelle werden entwickelt, um komplexe Sachverhalte vereinfacht darzustellen. Weniger bedeutsame Details werden weggelassen, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Die Schwierigkeit besteht darin, die „richtigen“ Vereinfachungen auszuwählen. Häufig wird mit einem einfachen Modell begonnen, das im weiteren Verlauf der Analyse komplexer und damit auch realitätsnäher wird. Ökonomische Modelle bilden die wesentlichen Beziehungen zwischen den ausgewählten Variablen ab. Dabei wird zwischen endogenen und exogenen Variablen unterschieden. Die Werte der endogenen Variablen werden „innerhalb“ des Modells bestimmt, während die Werte der exogenen Variablen „außerhalb“ des Modells festgelegt werden. Modelle sind in der Regel Systeme von Gleichungen. Man unterscheidet bei diesen Gleichungen Definitionsgleichungen, Strukturgleichungen, Verhaltensgleichungen und Gleichgewichtsbedingungen. 1. Definitionsgleichungen legen fest, wie bestimmte Begriffe zu verstehen sind, die in das Modell eingehen. Ein Beispiel ist die Definition der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage (YN). Im einfachen Modell besteht sie aus der Konsumnachfrage (C) und der Investitionsnachfrage (I): YN = C + I. Ein Beispiel aus der mikroökonomischen Theorie des Unternehmens ist

1.4 Die ökonomische Modellanalyse

13

die Erlösgleichung, die den Erlös (E) definiert als Produkt aus Preis (p) mal Menge (x): E = p x. 2. Strukturgleichungen sind (a) technische oder technologische Relationen. Die technischen Bedingungen werden zum Beispiel ausgedrückt durch eine Produktionsfunktion. Diese enthält bestimmte Annahmen über das Verhältnis der Faktoreinsatzmengen (input) zu der Ausbringungsmenge (output). Betrachtet man lediglich zwei Produktionsfaktoren und bezeichnet diese mit r1 und r2 sowie die Ausbringungsmenge mit x, dann lautet die Produktionsfunktion:

x = f (r1 , r2 ) (b) Annahmen über institutionelle Beziehungen. Ein Beispiel ist die Festsetzung eines Mindestreservesatzes für von den Kreditinstituten bei der Zentralbank zu haltende Guthaben. Ein anderes Beispiel sind Steuersätze. 3. Verhaltensgleichungen formulieren Hypothesen über das Verhalten von Wirtschaftssubjekten. Ein einfaches Beispiel ist die makroökonomische Konsumfunktion C = Caut + cY. Sie enthält die Annahme, dass die Konsumnachfrage aus einem einkommensunabhängigen (autonomen) Teil besteht (Caut) und aus einem Teil, der mit wachsenden Einkommen in einer bestimmten, durch c (sogenannte marginale Konsumneigung) ausgedrückten Weise zunimmt. 4. Gleichgewichtsbedingungen beschreiben Situationen, in denen die Handlungen der wirtschaftlichen Akteure miteinander konsistent sind. Gleichgewicht auf einem Markt liegt beispielsweise nur dann vor, wenn Angebot und Nachfrage übereinstimmen, so dass als Gleichgewichtsbedingung xA = xN gilt. In der Volkswirtschaftslehre werden verschiedene Gruppen von Modellen unterschieden. Nach dem Untersuchungsgegenstand gibt es mikroökonomische und makroökonomische Modelle. Erstere beschäftigen sich mit dem Verhalten der einzelnen Wirtschaftssubjekte (Konsumenten, Produzenten) und der Preisbil-

14

1 Einführung

dung auf Märkten, während makroökonomische Modelle die Beziehungen zwischen gesamtwirtschaftlichen Variablen untersuchen. Eine weitere Unterscheidung ist die zwischen Partial- und Totalanalyse. Wird beispielsweise nur ein einzelner Markt betrachtet, ohne die Beziehungen zu anderen Märkten, hat man es mit einer Partialanalyse zu tun. Eine Totalanalyse stellt die Interdependenzen zwischen allen Märkten in den Vordergrund. Ferner wird zwischen statischen und dynamischen Modellen unterschieden. Statische Modelle richten ihr Interesse auf die Bestimmung von Gleichgewichtszuständen. Die Analyse von Anpassungsprozessen im Zeitablauf bei Störungen des Gleichgewichts erfordert ein dynamisches Modell. Komparativ statische Modelle vergleichen unterschiedliche statische Gleichgewichtslösungen. In den meisten Modellen wird das Gleichgewicht als Referenzpunkt für die Analyse von Ungleichgewichten verwendet. Daneben gibt es aber auch Modelle, die explizit davon ausgehen, dass es keine Gleichgewichtslösungen gibt. Werden die Variablen des Modells vom Zufall beeinflusst, so handelt es sich um ein stochastisches Modell. Lassen sich die Größen aus den Gleichungen des Modells eindeutig bestimmten, wird das Modell deterministisch genannt. Modelle können verbal, graphisch oder mathematisch dargestellt werden.

1.5

Wirtschaftspolitische Ziele

Unter Wirtschaftspolitik versteht man in der Regel alle jene Maßnahmen, mit denen der Staat in den Wirtschaftsablauf eingreift. Grundsätzlich wird zwischen Ordnungspolitik, Strukturpolitik und Prozesspolitik unterschieden. Während die Ordnungspolitik das Lenkungssystem einer Wirtschaft (Markt/Plan, Wahlen, Verhandlungen) betrifft, geht es bei der Strukturpolitik um Fragen der Infrastruktur, der sektoralen sowie der regionalen Wirtschaftsstruktur. Zur Prozesspolitik zählen insbesondere die Maßnahmen, die den Wirtschaftsprozess beeinflussen, wie vor allem Fiskalpolitik und Geldpolitik.

1.5 Wirtschaftspolitische Ziele

15

Der Begriff Ordnungspolitik geht auf WALTER EUCKEN (1891-1950) zurück, der von 1927 bis zu seinem Tode an der Universität Freiburg lehrte. Er prägte den Begriff des Ordoliberalismus. Danach hat der Staat die Aufgabe, die wettbewerblichen Spielregeln festzulegen und zu überwachen. Innerhalb dieser Spielregeln sollen die Wirtschaftssubjekte frei handeln. Entscheidendes Kriterium für ordoliberale Interventionen ist die Marktkonformität; die Eingriffe dürfen den Markt nicht ersetzen, sondern müssen ihn im Sinne einer gewünschten Ordnung beeinflussen. Die Ideen des Ordoliberalismus hatten großen Einfluss auf die Gestaltung der Wirtschaftsordnung in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Akteure der Wirtschaftspolitik sind neben dem Staat, die Zentralbank, Gewerkschaften und Arbeitgeber, Selbstverwaltungsorganisationen und internationale Institutionen. Die Motive für wirtschaftspolitisches Handeln können einer bestimmten Ideologie (Liberalismus, Konservatismus, Sozialismus) folgen, interessengeleitet (Einzelinteressen, Gruppeninteressen, Gemeinwohl) oder durch Sachzwänge (Technik, Umwelt, Interventionsspirale) geprägt sein. Das magische Viereck Wirtschaftspolitik verfolgt zumeist mehrere Ziele, zwischen denen unterschiedliche Zielbeziehungen bestehen können. Ziele können miteinander harmonieren, d.h. die Erreichung eines Ziels wirkt sich positiv auf ein anderes Ziel aus. Ziele können aber auch in Konkurrenz zueinander stehen, d.h. die Erreichung eines Ziels geht zu Lasten eines anderen Ziels. Eine Metapher für diese Art von Zielbeziehungen ist das magische Viereck. Das magische Viereck (siehe Abbildung 1.3) umfasst vier wirtschaftspolitische Ziele, die gleichzeitig die Hauptziele der staatlichen Wirtschaftspolitik sind. Sie werden erstmalig in § 1 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 (vereinfacht: Stabilitätsgesetz) benannt. In diesem Paragraphen wird die Prozesspolitik mit der Ordnungspolitik verknüpft, da die Maßnahmen zur gleichzeitigen Erreichung dieser Ziele im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung zu treffen sind. Das magische Viereck besteht aus folgenden wirtschaftspolitischen Zielen:

16

• • • •

1 Einführung

Hoher Beschäftigungsstand Stabilität des Preisniveaus Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum Außenwirtschaftliches Gleichgewicht

hoher Beschäftigungsstand

stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum

stabiles Preisniveau

außenwirtschaftliches Gleichgewicht

Abbildung 1.3: Magisches Viereck

Werden alle vier Ziele gleichzeitig erreicht, spricht das Gesetz von einem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht. Das gleichzeitige Erreichen von allen vier Zielen ist aber ein Idealzustand, der in Realität kaum zu verwirklichen sein wird, daher auch die Bezeichnung „magisch“. Die Problematik liegt darin, dass zwischen einzelnen Zielen des magischen Vierecks Zielkonflikte vorliegen, vor allem zwischen Preisniveaustabilität und hohem Beschäftigungsstand. Andere Ziele wiederum harmonieren miteinander, z.B. Wirtschaftswachstum und hohes Beschäftigungsniveau. Quantifizierung der Ziele Als Indikatoren für das Ziel hoher Beschäftigungsstand dienen die Zahl der registrierten Arbeitslosen und die Arbeitslosenquote (ALQ). Letztere wird ermittelt, indem die Zahl der registrierten Arbeitslosen durch die Zahl der zivilen Erwerbspersonen (Erwerbstätige und Arbeitslose) dividiert wird. Bei

1.6 Wirtschaftliche Diagnosen, Prognosen und Beratung

17

welcher Arbeitslosenquote Vollbeschäftigung vorliegt, ist nicht eindeutig definiert. Gegenwärtig geht man von einer Zielgröße von ungefähr 4 % aus. Die Preisstabilität wird über die Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) ermittelt. Dabei geht der Toleranzbereich bis 2 %, d.h. es sollte keine Preissteigerungsrate von über 2 % geben. Grundlage des VPI ist ein Warenkorb mit etwa 700 Waren und Dienstleistungen. Für diesen Warenkorb wird die Preisentwicklung berechnet und zwar bezogen auf ein Basisjahr (zurzeit 2005). Wirtschaftswachstum liegt dann vor, wenn das reale (preisbereinigte) Bruttoinlandsprodukt (BIP) zunimmt. Stetiges Wirtschaftswachstum heißt, die reale Zunahme des BIP soll keinen größeren Schwankungen unterliegen. Was als angemessen angesehen wird, ist wiederum nicht klar definiert. Unter Ökonomen besteht weitgehend Konsens, dass ein Zuwachs von 2 bis 3 % als angemessen gilt. Als Außenwirtschaftliches Gleichgewicht wird eine Situation bezeichnet, in der von den wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland keine negative Auswirkungen auf Preisniveau und Beschäftigung im Inland zu erwarten sind. Ein möglicher Indikator ist die Außenbeitragsquote. Sie errechnet sich aus dem Außenbeitrag (Exporte minus Importe von Waren und Dienstleistungen) dividiert durch das nominale Bruttoinlandsprodukt multipliziert mit 100. Ein grober Richtwert liegt bei 1,5 %. Erweiterung des magischen Vierecks Wird der Zielkatalog um zusätzliche, gleichrangige Ziele erweitert, wie beispielsweise Verteilungsgerechtigkeit und Erhaltung der natürlichen Umwelt, spricht man von einem magischen Sechseck oder allgemein von einem magischen Polygon.

1.6

Wirtschaftliche Diagnosen, Prognosen und Beratung

Angesichts der zunehmenden Komplexität ökonomischer Zusammenhänge sind die Akteure der Wirtschaftspolitik auf wissenschaftlich fundierte Beratung angewiesen. Vor diesem Hintergrund gibt es in Deutschland eine Viel-

18

1 Einführung

zahl von Beratungsinstitutionen. Einige Ministerien verfügen über Wissenschaftliche Beiräte, wie insb. das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesministerium der Finanzen. Im Folgenden wird auf den Sachverständigenrat und die Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute näher eingegangen. Zudem gibt es internationale Institutionen wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und den Internationalen Währungsfond (IWF) sowie die Weltbank, die wichtige Beiträge zur wirtschaftspolitischen Beratung der Mitgliedsstaaten leisten. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, auch die fünf Wirtschaftsweisen genannt, ist ein Expertengremium, das nach dem Vorbild des US-amerikanischen Council of Economic Advisers im Jahr 1963 gegründet wurde. Es befasst sich wissenschaftlich mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands und der Welt. Ziel ist die unabhängige Beratung aller wirtschaftspolitisch verantwortlichen Entscheidungsträger und der Öffentlichkeit in Deutschland. Zu diesem Zweck wird jährlich ein Gutachten erstellt, das der Bundesregierung bis zum 15. November zugeleitet wird. Spätestens acht Wochen nach Vorlage des Gutachtens nimmt die Bundesregierung im Rahmen des Jahreswirtschaftsberichts Stellung. Darüber hinaus kann der Sachverständigenrat von der jeweiligen Bundesregierung mit der Erstellung von Sondergutachten beauftragt werden oder selbst ein Sondergutachten erstatten, wenn auf einzelnen Gebieten eine Gefährdung der gesamtwirtschaftlichen Ziele erkennbar ist. Die Aufgabe des Sachverständigenrates und die Berufung der Mitglieder ist in einem Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geregelt. Zu den Aufgaben gehören die Analyse der gesamtwirtschaftlichen Lage und Prognosen für die Zukunft. Die Experten sollen laut Gesetz „Fehlentwicklungen und Möglichkeiten zu deren Vermeidung aufzeigen, jedoch keine Empfehlungen für bestimmte wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen aussprechen“. Der Rat hat fünf Mitglieder, die vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung jeweils für die Dauer von fünf Jahren berufen werden. Wiederberufungen sind möglich. Jeweils zum 1. März, dem Ende des Ratsjahres,

1.6 Wirtschaftliche Diagnosen, Prognosen und Beratung

19

endet die Berufungszeit eines Mitglieds. Die Mitglieder sind in der Regel Universitätsprofessoren, die ihre Tätigkeiten nebenamtlich wahrnehmen. Traditionsgemäß hat bei einem der Mitglieder der Gemeinschaftsausschuss der deutschen Wirtschaft, bei einem anderen Mitglied haben die Gewerkschaften ein besonderes Mitspracherecht. Die Mitglieder müssen über besondere wirtschaftswissenschaftliche Erfahrungen verfügen; sie dürfen weder der Regierung oder einer gesetzgebenden Körperschaft noch dem öffentlichen Dienst angehören (Ausnahme: Hochschullehrer). Wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitute Die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute sind unabhängig. Was ihre Finanzierung angeht, so erhalten sie zum einen eine staatliche Grundfinanzierung – in der Regel vom Bund und von den Ländern. Zum anderen erhalten sie Mittel aus Auftragsforschung, wie beispielsweise für die Europäische Kommission sowie Ministerien des Bundes und der Länder. Die Gemeinschaftsdiagnose ist ein Konjunkturgutachten, welches die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute jeweils im Frühjahr und im Herbst eines Jahres unter dem Titel Die Lage der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft erstellen. Auftraggeber ist die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium für Wirtschaft. Die erste Gemeinschaftsdiagnose wurde 1950 verfasst. Bis zum Frühjahr 2007 waren folgende Wirtschaftsforschungsinstitute an den Gutachten beteiligt: • • • • • •

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin; Hamburgisches Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA); Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München (ifo); Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW); Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Halle (Saale); Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen.

Diese sechs Institute waren Mitglied der Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute (ARGE). Das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv wurde Ende 2006 aufgelöst.

20

1 Einführung

Nach der Neuausschreibung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie für die Periode Herbst 2007 bis Frühjahr 2010 wurde folgende Projektgruppe für die Erstellung der Gemeinschaftsdiagnose ausgewählt: • Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (IfW); • Ifo Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München (ifo) in Zusammenarbeit mit der Konjunkturforschungsstelle der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH), Zürich; • Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), in Kooperation mit dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Düsseldorf, und dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), Wien; • Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), in Zusammenarbeit mit dem Institut für Höhere Studien (IHS), Wien.

2

Wirtschaftskreislauf und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

2.1

Der Wirtschaftskreislauf

Theoretische Grundlage der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ist das Modell des Wirtschaftskreislaufs. In der Kreislaufdarstellung werden gleichartige Wirtschaftseinheiten der Volkswirtschaft zu Sektoren (Unternehmen, private Haushalte, Staat, Ausland) und gleichartige, mit den ökonomischen Aktivitäten verbundene Einnahmen- und Ausgabenströme zu makroökonomischen Stromgrößen (Konsum, Einkommen, Investitionen etc.) zusammengefasst. Ausgaben bzw. Einnahmen sind monetäre (in Geldeinheiten gemessene) Äquivalente von Käufen bzw. Verkäufen von Gütern oder Übertragungen von Forderungen auf andere Wirtschaftseinheiten. Von Stromgrößen (flows) wird gesprochen, wenn es sich um Größen handelt, die sich auf einen bestimmten Zeitraum beziehen, wie z.B. Quartal, Jahr. Im Vergleich dazu beziehen sich Bestandsgrößen (stocks), wie das Sachvermögen oder Geldvermögen auf einen Zeitpunkt. Die ökonomischen Austauschbeziehungen zwischen den verschiedenen Wirtschaftssektoren können mit Hilfe des Kreislaufmodells in eine systematische und überschaubare Form gebracht werden. Da es sich um eine Abbildung des Wirtschaftsprozesses für eine abgelaufene Periode handelt, spricht man von einer ex post Analyse des Wirtschaftskreislaufs. Die Grundidee des Wirtschaftskreislaufs kann man sich anhand der schematischen Darstellung der (zunächst stark vereinfachten) wirtschaftlichen Beziehung zwischen Unternehmen als Produzenten und privaten Haushalten als Arbeitnehmer und Konsumenten klarmachen (siehe Abbildung 2.1). Staat,

22

2 Wirtschaftskreislauf und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Vermögensbildung und Ausland bleiben unbeachtet. Die Sektoren werden graphisch als Pole erfasst, zwischen denen durch Pfeile gekennzeichnete Ströme fließen. Die Spitze des Pfeils legt die Richtung der Stromgröße fest. In einer Wirtschaftsperiode fließen – vermittelt über Gütermärkte – von Unternehmen produzierte Konsumgüter an die privaten Haushalte. Im Austausch dafür fließen – vermittelt über Faktormärkte – von den Haushalten Faktorleistungen an die Unternehmen (siehe unterbrochene Pfeile). Den realen Kreislaufströmen von Konsumgütern und Faktorleistungen entgegengesetzt sind monetäre Kreislaufströme (= in Geldeinheiten gemessene Ströme, siehe nichtunterbrochene Pfeile): die Konsumausgaben sind die zu herrschenden Preisen von den privaten Haushalten gekauften Konsumgüter und werden von den Unternehmen als Einnahmen empfangen. Die Löhne, Gehälter und Gewinne sind Entgelt für die Faktorleistungen der privaten Haushalte und stellen für die Unternehmen Ausgaben und für die empfangenen Haushalte Einnahmen bzw. Einkommen dar. Konsumausgaben (C)

Konsumgüter

Unternehmen

Haushalte Faktorleistungen

Einkommen (Y) Abbildung 2.1: Einfaches Kreislaufschema

Grundvoraussetzung der Kreislaufanalyse ist das Vorliegen eines geschlossenen Kreislaufs, d.h. die jedem Pol zufließende Wertsumme muss gleich der abfließenden Wertsumme sein. Das einfache Kreislaufmodell bedarf der Ergänzung durch weitere Wirtschaftssektoren und Kreislaufströme, damit ein hinreichend differenziertes

2.1 Der Wirtschaftskreislauf

23

Abbild des volkswirtschaftlichen Wirtschaftsprozesses entsteht (vgl. BRÜMMERHOFF 2007). Dabei bedient man sich nicht nur der graphischen Methode, sondern alternativ der Darstellung in Kontenform, in Matrixform und in Form von Gleichungen. Bereits mit der vereinfachten Darstellung wird aber deutlich, dass das Ergebnis des Wirtschaftsprozesses für eine abgelaufene Periode in Form von Einnahmen- und Ausgabenrechnungen erfasst werden kann. Im Kreislaufmodell mit Sparen und Investieren wird zusätzlich berücksichtigt, dass während einer Wirtschaftsperiode eine Vermögensbildung stattfindet (siehe Abbildung 2.2). Die privaten Haushalte verwenden in der Regel nicht ihr gesamtes Einkommen für den Kauf von Konsumgütern. Der Teil des Einkommens, der nicht konsumiert wird, stellt definitionsgemäß Sparen dar: S = Y – C. In welcher Form dieses Sparen erfolgt, spielt keine Rolle. Auf der anderen Seite wird die nicht an die Haushalte verkaufte Produktion als Investition bezeichnet: I = Y – C. Die beiden Stromgrößen I und S werden in dem zusätzlichen (funktionalen) Pol Vermögensänderung (VÄ) erfasst. Damit wird der Kreislauf wiederum geschlossen.

Vermögensänderung I

Unternehmen

S

Y C

Haushalte

Abbildung 2.2: Wirtschaftskreislauf mit Sparen und Investieren

Aus Abbildung 2.2 geht hervor, dass ex post Sparen und Investition definitionsgemäß übereinstimmen (Ex post Identität von S und I).

24

2 Wirtschaftskreislauf und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Betrachten wir jedoch die von den Unternehmen geplante Investition sowie das von den Haushalten geplante Sparen (ex ante-Analyse), dann sind beide Größen in der Regel nicht gleich. Die Ex post Identität erfolgt durch ungeplante Anpassungen der Unternehmen oder der Haushalte. Die Investitionen umfassen jedoch nicht nur Vorratsänderungen (Lagerinvestitionen), die dadurch zustande kommen, dass die Unternehmen einen Teil ihrer Produktion nicht absetzen können. Sparen dient in erster Linie der Geldvermögensbildung, das wiederum über Kreditinstitute den Unternehmen zur Finanzierung von Sachvermögen (z.B. Bauten, Maschinen und maschinelle Ausrüstungen) zur Verfügung gestellt wird. Diesen Zuwachs an Sachvermögen stellen die Bruttoanlageinvestitionen dar. Die Summe aus Bruttoanlageinvestitionen und Vorratsveränderungen (Lagerinvestitionen) ergeben die Bruttoinvestitionen. Ein Teil dieser Größe ersetzt die Wertminderung, die durch Verschleiß und Veralten der Produktionsanlagen eintritt. Rechnerisch wird sie durch die Abschreibungen (D) erfasst. Subtrahiert man von den Bruttoinvestitionen die Abschreibungen, ergeben sich die Nettoinvestitionen: I = Ibr - D. Der Teil der Bruttoinvestitionen, der die verbrauchten Produktionsmittel ersetzt, wird Ersatzinvestition genannt. Die Nettoinvestitionen erweitern die Produktionskapazität. In einem nächsten Schritt lassen sich Staat und Ausland als weitere Sektoren einbeziehen (siehe Abbildung 2.3). Betrachten wir zunächst den Sektor Ausland. Aus Vereinfachungsgründen beschränken wir uns auf die Ausfuhr (Exporte) und die Einfuhr (Importe) von Gütern (zu den anderen Transaktionen mit dem Ausland siehe den Abschnitt Zahlungsbilanz). Ferner wird unterstellt, dass die Exporte und Importe allein durch die Unternehmen durchgeführt werden. Damit fließen die Exporterlöse dem Sektor Unternehmen zu, die Importausgaben vom Sektor Unternehmen an das Ausland. Sind die Exporte größer als die Importe, d.h. der sogenannte Außenbeitrag (Ex - Im) ist positiv, dann hat das Inland netto eine Zunahme der Forderungen gegenüber dem Ausland. Bei einem negativen Außenbeitrag (Ex < Im) entsteht netto eine Zunahme der Verpflichtungen gegenüber dem Ausland.

2.1 Der Wirtschaftskreislauf

25

Ex - Im > 0 Ausland

Im

Ex

Unternehmen

Vermögensänderung

SU

I

CH

YUH

SH SSt Haushalte

TU

Tr

Z VLSt

TH Staat

YStH

Abbildung 2.3: Das Kreislaufmodell einer offenen Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität

Der Staat erhält Einnahmen durch die bei privaten Haushalten (TH) und Unternehmen (TU) erhobenen Steuern. Daneben erzielt er Einnahmen aus indirekten Steuern, wie Mehrwertsteuer, Mineralölsteuer etc. Diese werden über den Preis eines Gutes oder einer Dienstleistung erhoben und vom Verkäufer an den Staat abgeführt. Diese Einnahmen verwendet der Staat, um seine Beschäftigten zu bezahlen ( YStH ), für den Kauf von Vorleistungen von den Unternehmen (VLSt) sowie für Transferzahlungen (Sozialleistungen) an Haushalte (Tr) und Subventionen an Unternehmen (Z). Die vom Staat zum großen Teil unentgeltlich bereitgestellten Dienstleistungen in den Bereichen öffentliche Sicherheit, Justizwesen, Bildung etc. lassen sich in den Kreislaufmodellen überwiegend nicht erfassen, da für diese Leistungen keine Marktpreise zur Verfügung stehen. Man unterstellt deshalb, dass der Staat diese Leistungen produziert und gleichzeitig konsumiert. Daher spricht man auch vom „Eigenverbrauch des Staates“. Die staatlichen Investitionen für Infrastrukturmaßnahmen, wie Bauten, Straßen u.a., sind in der Größe I enthalten. Ferner kennzeichnet der Pfeil SSt den Saldo zwischen den laufenden Einnahmen

26

2 Wirtschaftskreislauf und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

und Ausgaben des Staates (TU + TH = YHSt + VL St + Tr + Z + SSt ) . Die einbehaltenen Gewinne der Unternehmen werden als Sparen des Sektors Unternehmen erfasst (SU). Betrachten wir zum Abschluss den Pol Vermögensänderung. Hier ergibt sich folgende Beziehung: S (= SH + SU + SSt ) = I + Ex − Im Ex post ist das Sparen gleich der Nettoinvestition plus Außenbeitrag. Hat das Inland einen Exportüberschuss, dann wird ein Teil des inländischen Sparens für die Güterversorgung des Auslands verwendet. Im umgekehrten Fall reicht das inländische Sparen nicht aus, die inländische Sachvermögensbildung zu finanzieren. Für die Güterversorgung des Inlands wird ein Teil des ausländischen Sparens verwendet.

2.2

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

2.2.1

Die Systematik der VGR

Zur systematischen Erfassung, Beschreibung und übersichtlichen Darstellung der Ergebnisse des Wirtschaftsprozesses nach Ablauf einer Wirtschaftsperiode wird in den meisten Ländern ein volkswirtschaftliches Rechnungswesen geführt. In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) werden die Ergebnisse nach einer einheitlichen Vorgabe berechnet. Grundlage ist das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG) aus dem Jahr 1995, das sich wiederum am System of National Account (SNA/1993) der Vereinten Nationen als gegenwärtig weltweitem Standard orientiert. Damit wird sichergestellt, dass innerhalb der EU methodisch vergleichbare Ergebnisse für politische und wirtschaftliche Entscheidungen verwendet werden. Mit dem Übergang auf das ESVG zum 01.04.1999 haben sich für das bisher eigenständige Volkswirtschaftliche Rechnungswesen in Deutschland eine Reihe von institutionellen und konzeptionellen Änderungen ergeben (BRÜMMERHOFF 2007).

2.2 Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

27

Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) stellt ein System von Konten und Tabellen dar, in dem die verschiedenen wirtschaftlichen Vorgänge eines Landes erfasst werden: • Die Produktion von Gütern und Dienstleistungen sowie die Entstehung von Einkommen. Durch Ausweis des Bruttoinlandsprodukts, des Bruttonationaleinkommens und des Volkseinkommens wird das volkswirtschaftliche Produktions- und Einkommensergebnis eines Landes gemessen. • Die volkswirtschaftliche Einkommensverteilung im Sinn der Frage, wie sich das entstandene Volkseinkommen als Ergebnis des überwiegend marktwirtschaftlich organisierten Wirtschaftsprozesses in Arbeitnehmerentgelte sowie Unternehmens- und Vermögenseinkommen aufteilt. • Die Umverteilung der entstandenen Einkommen durch den Staat. • Die Verwendung der produzierten Güter für konsumtive und investive, für private und staatliche Zwecke. • Die Vermögensbildung in Form von Sachvermögen und Geldvermögen. • Die wirtschaftlichen Austauschbeziehungen des Inlandes mit der übrigen Welt. Während nach der alten Systematik vier Sektoren unterschieden wurden (private Haushalte einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck, Unternehmen, Staat, Ausland) ist die neue institutionelle Gliederung des ESVG umfassender. Folgende Sektoren werden nunmehr gebildet: • Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften (alle Kapitalgesellschaften, wie AG und GmbH, und Personengesellschaften in den Rechtsformen OHG und KG bei denen das Geschäftsfeld Produktion im Vordergrund steht) • Finanzielle Kapitalgesellschaften (alle Kapital- und Personengesellschaften bei denen der Bereich Finanzdienstleistungen im Mittelpunkt steht) • Staat (Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung) • Private Haushalte (z.B. Selbständigenhaushalte, Arbeitnehmerhaushalte) • Private Organisationen ohne Erwerbszweck (Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Vereine etc.) • Übrige Welt (EU, Drittländer und internationale Organisationen) Eine der wichtigsten Aufgaben der VGR ist die Ermittlung der Güterproduktion und des Einkommens in einer Wirtschaftsperiode. Die Berechnung des

28

2 Wirtschaftskreislauf und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Bruttoinlandsprodukts (BIP) lässt sich bereits in unserem einfachen Kreislaufmodell auf zwei Wegen ermitteln. Es entspricht einmal dem gesamten bei der Produktion der Konsumgüter erwirtschafteten Einkommen (monetärer Strom vom Sektor Unternehmen zum Sektor private Haushalte). Das BIP lässt sich aber auch als Summe aller Konsumausgaben bestimmen (monetärer Strom von den Haushalten zu den Unternehmen). Beide Wege führen zum gleichen Ergebnis, da die Summe der Ausgaben gleich der Summe der Einnahmen ist. Wir können also bei der Berechnung des BIP von der Güterseite und von der Einkommensseite her vorgehen.

2.2.2

Die Berechnung des Bruttoinlandsproduktes und des Bruttonationaleinkommens

Im Folgenden werden die Entstehungs-, die Verwendungs- und die Verteilungsrechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bzw. Bruttonationaleinkommens (BNE/ früher BSP) überblicksweise vorgestellt.

Entstehungsrechnung In der Entstehungsrechnung wird zunächst die Bruttowertschöpfung der einzelnen Wirtschaftsbereiche ermittelt. Die Bruttowertschöpfung ist definiert als Produktionswert minus Vorleistungen. Die Produktionswerte der Unternehmen stellen das bewertete Produktionsergebnis (Verkäufe plus Bestandsveränderungen plus selbsterstellte Anlagen) einer Wirtschaftsperiode dar. Die Bewertung der verkauften Güter und Dienstleistungen erfolgt zu Herstellungspreisen. Als Vorleistungen wird der Wert der Güter bezeichnet, die von anderen Unternehmen gekauft und verbraucht werden. Somit gilt: Produktionswert − Vorleistungen = Bruttowertschöpfung Summiert man über alle Sektoren, ergibt sich die Summe der Bruttowertschöpfung. Nach Addition der Gütersteuern und Subtraktion der Gütersubventionen erhält man das Bruttoinlandsprodukt. In der der amtlichen Statistik wird die Bruttowertschöpfung nach den drei wichtigsten Bereichen differenziert: Land- und Forstwirtschaft sowie Fische-

2.2 Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

29

rei (primärer Sektor), Produzierendes Gewerbe und Baugewerbe (sekundärer Sektor) und Dienstleistungen (tertiärer Sektor) An der Veränderung des Anteils dieser drei Sektoren lässt sich der wirtschaftliche Strukturwandel veranschaulichen. In den letzten Jahrzehnten hat der Anteil des tertiären Sektors an der Bruttowertschöpfung deutlich zugenommen (gegenwärtig ca. 69 %), während der Anteil des Industriesektors stetig abgenommen hat (ca. 30 %) und der Anteil des primären Sektors nur noch ca. 1 % beträgt.

Verwendungsrechnung Die Verwendungsrechnung zielt ab auf die Komponenten der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Addiert werden • die Konsumausgaben der privaten Haushalte (früher: privater Verbrauch) und die Konsumausgaben der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck (CH) • die Konsumausgaben des Staates (früher: Staatsverbrauch) (CSt). Hier handelt es sich auch um alle laufenden Ausgaben des Staates wie die Zahlungen von Löhnen und Gehältern • die Bruttoinvestitionen (Ibr), wie Ausrüstungen, Bauten und sonstige Anlagen sowie die Vorratsveränderungen • der Außenbeitrag als Saldo zwischen Exporten und Importen (Ex - Im) Die Verwendungsseite des Bruttoinlandsprodukts wird allgemein durch folgende Gleichung beschrieben: BIP = C H + C St + I br + Ex − Im

Verteilungsrechnung Die Verteilungsrechnung ermittelt, wie das bei der Produktion erzielte Einkommen auf die beiden Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital aufgeteilt wird. Da den Inländern – alle, die ihren ständigen Sitz (Wohnsitz) im Inland haben – nicht das gesamte BIP zur Verfügung steht, sondern nur der von ihnen erzeugte Teil, muss als erstes der Saldo der Primäreinkommen (Faktorentgelte vom Ausland an Inländer abzüglich Faktorentgelte des Inlands an Ausländer) zum BIP addiert bzw. subtrahiert werden, je nachdem ob

30

2 Wirtschaftskreislauf und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

der Saldo positiv oder negativ ist. Als Ergebnis erhält man das Bruttonationaleinkommen: Bruttoinlandsprodukt + Saldo der Primäreinkommen

= Bruttonationaleinkommen

Vom Bruttonationaleinkommen (BNE) werden die Abschreibungen (Wertminderung des Anlagevermögens durch Verschleiß und wirtschaftliches Veralten) abgezogen und man gelangt zum Nettonationaleinkommen (NNE). Während bei der Entstehungsrechnung die Gütersteuern addiert und die Subventionen subtrahiert werden, werden diese nun wieder abgezogen bzw. addiert. Die verbleibende Einkommensgröße ist das Volkseinkommen bzw. Inländereinkommen. Dieses Volkseinkommen fließt den Arbeitnehmern, Unternehmern und Vermögensbesitzern zu. Wird das Arbeitnehmerentgelt (Bruttolöhne und -gehälter plus Sozialbeiträge der Arbeitgeber) vom Volkseinkommen subtrahiert, erhält man als Residualgröße die Unternehmens- und Vermögenseinkommen. Der Anteil des Arbeitnehmerentgeltes am Volkseinkommen gibt die Bruttolohnquote wieder, deren Höhe und Entwicklung in der wissenschaftlichen und wirtschaftspolitischen Diskussion über die Einkommensverteilung eine große Rolle spielt.

2.3

Die Zahlungsbilanz

Als Zahlungsbilanz bezeichnet man die systematische Zusammenstellung aller ökonomischen Transaktionen einer Volkswirtschaft, die in einer bestimmten Wirtschaftsperiode zwischen dem Inland und dem Ausland zur Durchführung gelangen. Die Zahlungsbilanz ist eine wichtige Informationsquelle für die Wirtschaftspolitik, insbesondere die Geld- und Währungspolitik. Struktur und Darstellung richten sich nach international vereinbarten Konzepten, maßgebend ist hier das Zahlungsbilanz-Manual des Internationalen Währungsfond. In Deutschland wird die Zahlungsbilanz monatlich von der Deutschen Bundesbank veröffentlicht.

2.3 Die Zahlungsbilanz

31

Wirtschaftliche Transaktionen im Sinne der Zahlungsbilanzstatistik sind sämtliche Übertragungen von Waren, Dienstleistungen und Vermögenstiteln (Eigentumsrechte, Forderungen, Geld) zwischen In- und Ausländern. Die Bezeichnung Zahlungsbilanz ist allerdings irreführend, weil keine Bestände, sondern Stromgrößen erfasst werden. Im Interesse einer übersichtlichen Aufbereitung des in der Zahlungsbilanz zu erfassenden Datenmaterials werden die außenwirtschaftlichen Transaktionen eines Landes nach bestimmten Kategorien geordnet und dementsprechend in bestimmten Unterabteilungen der Zahlungsbilanz – den Teilbilanzen – erfasst. Nach der üblichen Aufteilung ergibt sich somit jeweils eine gesonderte statistische Aufzeichnung für • • • •

den Warenverkehr (Handelsbilanz) die Übertragung von Dienstleistungen (Dienstleistungsbilanz) die laufenden Übertragungen (Übertragungsbilanz) die Arbeits- und Kapitaleinkommen (Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen) • die Übertragung von unentgeltlichen Leistungen, die nicht direkt das Einkommen oder den Verbrauch verändern (Bilanz der Vermögensübertragungen) • die Kapitalbewegungen (Kapitalbilanz) • die Zu- und Abflüsse von Währungsreserven in Gestalt von Gold und internationalen verwendbaren Zahlungsmitteln (Devisenbilanz) Die eigentliche Zahlungsbilanz entsteht aus der Zusammenfassung all dieser Teilbilanzen. Das Prinzip der doppelten Buchführung findet auch in der Zahlungsbilanz seine Anwendung. Grundsätzlich werden somit alle außenwirtschaftlichen Transaktionen zwei verschiedenen dieser Teilbilanzen zugeordnet: der Export von Kraftfahrzeugen gegen Bezahlung durch ausländische Währung, führt beispielsweise zu einem Zufluss ausländischer Zahlungsmittel und ist somit sowohl in der Handelsbilanz als auch in der Devisenbilanz zu erfassen. Der wirtschaftliche Inhalt der einzelnen Teilbilanzen soll durch einige ergänzende Erläuterungen präzisiert werden. Die Bilanz des Warenverkehrs mit dem Ausland wird als Handelsbilanz bezeichnet und erfasst Warenexporte

32

2 Wirtschaftskreislauf und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

als Zahlungseingänge, Warenimporte hingegen als Zahlungsausgänge. Sie spielt für zahlreiche Volkswirtschaften eine maßgebliche Rolle innerhalb der Zahlungsbilanz, schlagen sich hier doch so grundlegende Sachverhalte wie die Entwicklung der Öl- und Energiepreise und die internationale Konkurrenzfähigkeit der inländischen Erzeugnisse nieder. Entsprechen die Exporte genau den Importen, dann ist die Handelsbilanz ausgeglichen. Wenn die Exporte größer sind als die Importe, ergibt sich eine aktive Handelsbilanz bzw. ein Handelsbilanzüberschuss. Im umgekehrten Fall, wenn die Importe größer sind als die Exporte, liegt eine passive Handelsbilanz bzw. ein Handelsbilanzdefizit vor. Die Dienstleistungsbilanz enthält ähnlich wie die Handelsbilanz eine Aufzeichnung der Ein- und Ausfuhr, doch handelt es sich hier – einer populären Formulierung folgend – um die „unsichtbaren“ Im- und Exporte in Gestalt von Transport- und Versicherungsleistungen, Ausgaben im Rahmen des Reiseverkehrs sowie sonstige Dienstleistungen, wie Patente und Lizenzen. Sofern Waren oder andere Leistungen unentgeltlich von einer in die andere Volkswirtschaft übertragen werden, wird dies in der Übertragungsbilanz erfasst, die teilweise auch Schenkungsbilanz genannt wird. In der deutschen Zahlungsbilanzstatistik spielen in diesem Zusammenhang die Überweisungen ausländischer Arbeitnehmer, die bei einem Hauptwohnsitz im Inland als Inländer gelten, an ihre in der Heimat ansässigen Familien eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus werden hier die Beiträge an die EU und andere internationale Institutionen, wie UN, IWF und Weltbank erfasst sowie die staatliche Entwicklungshilfe. Die Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen war früher Teil der Dienstleistungsbilanz. Wegen der wachsenden Bedeutung der Kapitalerträge innerhalb der internationalen Transaktionen wird sie seit einiger Zeit als eigenständige Teilbilanz geführt. Erfasst werden Erwerbseinkommen und Vermögenseinkommen. Zu letzteren zählen Kapitalerträge wie Dividenden und Zinsen. Die Zusammenfassung der vier genannten Teilbilanzen wird als Leistungsbilanz bezeichnet. Sie hat für die gesamtwirtschaftliche Würdigung des internationalen Wirtschaftsverkehrs einer Volkswirtschaft insofern eine besondere Bedeutung, als aus dem Saldo der Leistungsbilanz erkennbar wird, ob das Inland mehr an Leistungen exportiert, als es importiert (Aktivsaldo). Oder umgekehrt mehr importiert, als es an Leistungen exportiert (Passivsaldo).

2.3 Die Zahlungsbilanz

33

Saldenmechanisch entspricht der Leistungsbilanzsaldo der Differenz zwischen gesamtwirtschaftlichem Sparen und Nettoinvestition. In der Bilanz der Vermögensübertragungen werden einmalige Übertragungen an das Ausland bzw. vom Ausland gebucht. Dazu zählen Schuldenerlasse, Schenkungen und Erbschaften. In der Kapitalbilanz werden die Direktinvestitionen, die Wertpapiertransaktionen, Termingeschäfte sowie der langfristige wie kurzfristige Kreditverkehr erfasst. Der Saldo zwischen Kapitalexport und Kapitalimport ergibt den Nettokapitalexport eines Landes. Eine besondere Form der Kapitalbilanz ist die Veränderung der Währungsreserven. Sie wird als Devisenbilanz bezeichnet und umfasst die Zu- und Abgänge an ausländischer Währung und inländischer Währung. Hier schlagen sich alle Vorgänge nieder, die den Bestand der Zentralbank an ausländischen Zahlungsmitteln (Forderungen in Fremdwährung), Gold und die Reserveposition (Guthaben) beim Internationalen Währungsfond berühren. In der letzten Teilbilanz werden die statistischen Restposten verbucht. Damit werden Ungenauigkeiten in der Erfassung der Transaktionen bereinigt, in dem der Differenzbetrag hier gegengebucht wird, so dass die Zahlungsbilanz über alle Teilbilanzen ausgeglichen ist.

3

Grundlagen von Angebot und Nachfrage

3.1

Markt und Wettbewerb

Angebot und Nachfrage sind zentrale Begriffe in der Ökonomie. Beide sind die Kräfte, die für das Funktionieren eines Marktes bestimmend sind. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis eines Gutes und die verkaufte Menge. Ein Markt besteht aus einer Gruppe potentieller Käufer und Verkäufer eines Gutes oder einer Dienstleistung. Die Gruppe der potentiellen Käufer bestimmt die Nachfrage, die Gruppe der Verkäufer das Angebot. Märkte unterscheiden sich nach der Intensität des Wettbewerbs, denen Käufer und Verkäufer ausgesetzt sind. In diesem Kapitel betrachten wir zunächst Wettbewerbsmärkte, also solche Märkte, auf denen sich eine Vielzahl von Käufern und eine Vielzahl von Verkäufern gegenüberstehen und kein einzelner Käufer oder Verkäufer den Preis beeinflussen kann. Zu Beginn soll auf einfache Art und Weise dargestellt werden, wie Angebotskurven und Nachfragekurven zur Beschreibung des Marktmechanismus eingesetzt werden.

3.2

Das Angebot

Welche Mengen die Unternehmen produzieren und verkaufen wollen, hängt von sehr vielen Einflussfaktoren ab, ein zentraler Faktor ist der Preis. Die Angebotskurve stellt die Beziehung zwischen der Menge eines Gutes dar, die von den Produzenten zum Verkauf angeboten wird und dessen Preis. Alle

3.2 Das Angebot

35

anderen auf die angebotenen Menge wirkenden Einflussfaktoren werden konstant gehalten. Ökonomen sprechen in diesem Zusammenhang von der ceteris-paribus-Klausel. Der Begriff kommt aus dem lateinischen und bedeutet unter sonst gleichen Umständen.

p (€) 4,00

A

3,00 2,00 1,00

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000 x

Abbildung 3.1: Die Angebotskurve

Was den Verlauf der Angebotskurve angeht, so wird unterstellt, dass die angebotene Menge umso größer ist, je höher der Preis und umgekehrt, je niedriger Preis, desto geringer die Angebotsmenge, d.h. die Angebotskurve weist eine positive Steigung auf. In unserem Beispiel (siehe Abbildung 3.1) werden zu einem Preis von 2,00 € pro Einheit 6.000 Mengeneinheiten angeboten, bei einem Preis von 3,00 € steigt die Angebotsmenge auf 10.000. Dieser Zusammenhang beruht auf der Überlegung, dass eine Ausweitung der Produktion mit zusätzlichen Kosten verbunden ist (Überstunden, Sonderschichten) und deshalb eine größere Menge nur zu einem höheren Preis angeboten wird. Kommt es dagegen zu einer allgemeinen Senkung der Produktionskosten, können die Anbieter zum gleichen Preis eine höhere Menge anbieten (Bewegung von H nach H1). Die Angebotskurve verschiebt sich nach rechts (siehe Abbildung 3.2). Verschiebungen der Kurve sind von Bewegungen auf der Kurve streng zu unterscheiden. Im ersten Fall spricht man von einer Zunahme (Rechtsverschiebung) oder Abnahme (Linksverschiebung) des Angebots, im zweiten Fall von einer Änderung der angebotenen Menge aufgrund einer Preisänderung.

36

3 Grundlagen von Angebot und Nachfrage

p (€) 4,00

A

3,00

H1

H

2,00

A1

1,00

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000 x

Abbildung 3.2: Verschiebung der Angebotskurve

3.3

Die Nachfrage

Die Nachfragekurve stellt die Beziehung zwischen der Menge eines Gutes, die private Haushalte bzw. Konsumenten kaufen wollen, und dessen Preis dar. In der Regel verläuft die Nachfragekurve von links oben nach rechts unten, d.h. ihre Steigung ist negativ. Dies ist Ausfluss des Gesetzes der Nachfrage: je geringer der Preis eines Gutes, desto höher die Nachfrage und umgekehrt, je höher der Preis, desto geringer die Nachfrage. Zur Verdeutlichung dient folgende einfache Nachfragetabelle, die Wertekombinationen von Preis und nachgefragter Menge enthält: Preis (p)

Menge (x)

5 4 3 2 1 0

0 2 4 6 8 10

(in 1.000)

Tabelle 3.1: Nachfragetabelle: Wertepaare von Preis und Nachfragemenge

3.3 Die Nachfrage

37

Überträgt man die Wertepaare in ein Diagramm mit dem Preis auf der Ordinate und der Nachfragemenge auf der Abszisse und verbindet die Punkte durch eine gerade Linie, so zeigt sich folgende Nachfragekurve:

p (€) 4,00

A B

3,00

C

2,00

D

1,00

N

2.000

4.000

6.000

8.000

x

Abbildung 3.3: Die Nachfragekurve

In der Regel wird für die Darstellung der unabhängigen Variablen, in diesem Fall den Preis, die x-Achse oder Abszisse gewählt, für die abhängige Variable, die Menge, folgt dann die y-Achse oder Ordinate. Die in den Wirtschaftswissenschaften übliche Kennzeichnung der x-Achse als Menge und der yAchse als Preis geht auf den englischen Ökonomen A. MARSHALL zurück (SCHUMPETER 1965, S. 1205, Fn. 89). Im Beispiel werden bei einem Preis von 4,00 € pro Einheit 2.000 Mengeneinheiten nachgefragt (Punkt A). Sinkt der Preis auf 3,00 €, steigt die nachgefragte Menge auf 4.000 Einheiten (Punkt B). Mit jeder weiteren Preissenkung nimmt die nachgefragte Menge zu. Die (nicht eingezeichneten) Schnittpunkte mit der Ordinate bzw. Abszisse lassen sich wie folgt interpretieren: bei einem Preis von 5,00 € wird keine Nachfrage ausgeübt. Die potentiellen Käufer sind entweder nicht bereit oder nicht in der Lage, diesen Preis zu zahlen. Die nachgefragte Menge ist gleich Null. Dieser Preis wird als Prohibitivpreis (von lat.: prohibere = abhalten, fernhalten) bezeichnet. Aus dem Schnittpunkt mit der Mengenachse folgt die Sättigungsmenge, d.h. die höchste absetzbare Menge. Selbst wenn der Preis Null betragen würde, ergibt sich keine höhere Nachfrage (im Beispiel: 10.000 Mengeneinheiten).

38

3 Grundlagen von Angebot und Nachfrage

Neben dem Preis spielen noch weitere Faktoren eine Rolle, welche die Nachfrage beeinflussen. Von besonderer Bedeutung ist das Einkommen. Wenn sich das Einkommen der Konsumenten erhöht, steigt bei den meisten Gütern die nachgefragte Menge. Diese Situation lässt sich durch eine Rechtsverschiebung der Nachfragekurve darstellen (Verschiebung von N nach N1). Bei einem Preis von 2,00 € (siehe Abbildung 3.4) werden jetzt 8.000 Mengeneinheiten nachgefragt (C1).

p (€) 4,00

3,00 C

2,00

C1

1,00

N1

N

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000 x

Abbildung 3.4: Verschiebung der Nachfragekurve

Würde dagegen das allgemeine Einkommensniveau sinken, verschiebt sich die Nachfragekurve nach links. Auch Preisänderungen von Substitutionsgütern oder Komplementärgütern können den Verlauf der Nachfragekurve beeinflussen.

Substitutionsgüter sind Güter, die austauschbar sind, da sie denselben Bedarf decken. Steigt der Preis eines Gutes, so wird die nachgefragte Menge nach dem Substitutionsgut zunehmen (Beispiel: Apfelsaft und Orangensaft). Im Fall von Komplementärgütern – das sind Güter, die gewöhnlich zusammen verwendet werden – kommt es bei einer Preiserhöhung eines Gutes zu einem Rückgang der Nachfrage nach dem anderen Gut (Beispiel: Autos und Benzin).

3.4 Der Marktmechanismus

3.4

39

Der Marktmechanismus

Angebotskurve und Nachfragekurve schneiden sich im Punkt des Gleichgewichtspreises (siehe Abbildung 3.5). Dieser Preis wird auch als markträumender Preis bezeichnet, da die zu diesem Preis angebotene Menge genau der zu diesem Preis geplanten Nachfragemenge entspricht (Punkt C). Bei einem höheren Preis entsteht ein Angebotsüberschuss (dunkel schattierte Fläche), die angebotene Menge übersteigt die Nachfragemenge. Die Anbieter realisieren eine ungeplante Lagerzunahme. Der Wettbewerb untereinander führt dazu, dass sie den Preis senken. Dadurch steigt die Nachfrage, parallel verringert sich das Angebot bis wiederum der Gleichgewichtspreis erreicht ist. Der Anpassungsprozess hängt von der Reaktionsgeschwindigkeit der Marktteilnehmer ab. p 4,00

N A

3,00

Angebotsüberschuss

C

2,00

Nachfrageüberschuss

1,00

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000 x

Abbildung 3.5: Der Marktmechanismus

Das Gegenteil tritt ein, wenn der Preis unter dem Gleichgewichtspreis liegt. Hier kommt es zu einem Nachfrageüberschuss oder einer Knappheit an angebotenen Produkten (hell schattierte Fläche). Dies ermöglicht den Anbietern Preiserhöhungen. In der Folge steigt das Angebot, während parallel die Nachfrage zurückgeht, bis schließlich wieder der Gleichgewichtspreis erreicht ist.

40

3.5

3 Grundlagen von Angebot und Nachfrage

Anpassungen an Nachfrage- und Angebotsänderungen

Wenn sich die Nachfragekurve nach rechts verschiebt (von N nach N1), wird der Markt bei einem höheren Preis und einer größeren Menge geräumt (Punkt G) (siehe Abbildung 3.6). Beim alten Gleichgewichtspreis entsteht kurzfristig ein Nachfrageüberschuss (C C1).

p (€) 4,00

A

3,00

G

2,00

C

1,00

C1

N1

N

2.000

4.000

6.000

8.000

10.000 x

Abbildung 3.6: Anpassung an Nachfrageänderungen

Verschiebt sich die Angebotskurve nach rechts (siehe Abbildung 3.7), so wird der Markt zu einem geringeren Preis und einer höheren Menge geräumt (Punkt E). Beim alten Gleichgewichtspreis kommt es kurzfristig zu einem Angebotsüberschuss (H H1). Auf den meisten Märkten verschieben sich im Zeitablauf sowohl die Angebots- als auch die Nachfragekurven. Wie sich Preis und Menge ändern, hängt vom Ausmaß der Verschiebung der jeweiligen Kurven ab.

3.6 Elastizitäten

41

p (€) 4,00

A

3,00

H1

H

2,00

A1

E

1,00

2.000

4.000

6.000

8.000

N 10.000 x

Abbildung 3.7: Anpassung an Angebotsänderungen

3.6

Elastizitäten

Die Elastizität ist ein mathematisches Konzept, welches das Verhältnis der relativen Änderung einer abhängigen Variablen zur relativen Änderung einer unabhängigen Variablen misst. In die Wirtschaftswissenschaften eingeführt wurde der Begriff der Elastizität von A. Marshall. ALFRED MARSHALL (1842-1924) gilt als einer der einflussreichsten Ökonomen seiner Zeit. Er lehrte in Cambridge (England) und veröffentlichte im Jahre 1890 sein berühmtes Buch „Principles of Economics“, das über eine lange Zeit die Entwicklung der Volkswirtschaftslehre prägte. MARSHALL war führender Vertreter der neoklassischen Nationalökonomie. Vor allem in der mikroökonomischen Partialanalyse führte er eine Reihe von Instrumenten ein, die bis heute zum Standard ökonomischer Analysen gehören.

Bezogen auf die Nachfragefunktion x = f (p) wird die relative (prozentuale) Änderung der Menge x zur relativen (prozentualen) Änderung des Preises p in Beziehung gesetzt (direkte Preiselastizität der Nachfrage):

42

3 Grundlagen von Angebot und Nachfrage

η = (∆x/x) / (∆p/p) = (∆x/∆p) ⋅ (p/x) Der griechische Buchstabe (= delta) für Differenz.

(= eta) steht für Elastizität, der Buchstabe

Wenn eine Preissenkung von einem Prozent zu einer Erhöhung der nachgefragten Menge um 4 % führt, dann beträgt die direkte Preiselastizität:

= +4%/ − 1% = −4



=4

Die Elastizitätswerte einer normalen Nachfragefunktion haben ein negatives Vorzeichen. Darin kommt zum Ausdruck, dass es zwischen Preis und nachgefragter Menge einen negativen Zusammenhang gibt. Bewegen wir uns auf der Nachfragekurve von oben nach unten, steigt die nachgefragte Menge, während der Preis sinkt. Deshalb wird das negative Vorzeichen in der Regel weggelassen und nur der Absolutbetrag angegeben. Das wird in unseren Beispiel durch die Schreibweise = 4 deutlich gemacht. Die direkte Preiselastizität der Nachfrage ist ein Maß für die Stärke, mit der die nachgefragte Menge auf prozentuale Preisänderungen reagiert. Die Höhe des Elastizitätswertes ist wirtschaftspolitisch von Bedeutung, wenn beispielsweise der Staat durch eine Erhöhung der Tabaksteuer Mehreinnahmen erzielen möchte. Würde die Nachfrage nach Tabakwaren erheblich zurückgehen (hohe Preiselastizität), würden die Mehreinnahmen durch den Preiseffekt durch die Mindereinnahmen des Mengeneffektes kompensiert, wenn nicht überkompensiert. Unter fiskalischen Aspekten empfiehlt es sich daher, Verbrauchssteuern auf Güter mit niedriger Preiselastizität zu legen. Ähnlich gelagert ist der Fall bei der Mineralölsteuer. Die Nachfrage nach Benzin weist kurzfristig eine geringe Preiselastizität auf. Der Elastizitätswert ist ferner von Bedeutung, wenn ein Anbieter überlegt, ob er den Preis eines Gutes senken soll, um den Absatz zu erhöhen. Die Beziehung zwischen Preis und abgesetzter Menge (die Preis-Absatz-Funktion) weist den gleichen Verlauf auf wie die Nachfragefunktion. Eine Erlössteigerung durch Preissenkung erfolgt nur dann, wenn die Absatzmenge überproportional zunimmt. Was sind die Ursachen für unterschiedliche Preiselastizitäten der Güter?

3.6 Elastizitäten

43

Da die Preiselastizität ein Ausdruck für die Reagibilität der Nachfrage auf Preisänderungen ist, so wird diese größer sein, wenn • die Haushalte auf Substitutionsgüter ausweichen können, • das entsprechende Gut keinen dringlichen Bedarf befriedigt, • es sich um Güter handelt, die einen großen Teil der Konsumausgaben eines Haushalts in Anspruch nehmen, und • die Zeitperiode, auf die sich die Nachfragefunktion bezieht, länger ist. Dem Haushalt verbleibt dann genügend Zeit, seine Verbrauchsgewohnheiten zu ändern, und langfristig sind mehr Substitutionsgüter verfügbar. Es liegt auf der Hand, dass auch für andere unabhängige Variablen Elastizitätsbeziehungen formuliert werden können. Das Verhältnis der relativen Änderung der nachgefragten Menge x zur relativen Änderung des Einkommens (y) wird als Einkommenselastizität der Nachfrage bezeichnet: η = (∆x/∆y) ⋅ (y/x) Die – im Normalfall positive – Einkommenselastizität gibt Auskunft darüber, ob als Folge einer Einkommenserhöhung die Nachfrage nach dem Gut überproportional ( > 1) oder eher unterproportional ( < 1) ansteigt. Güter des Grundbedarfs haben Elastizitätswerte von < 1 (relativ inferiore Güter), Güter des gehobenen Bedarfs Werte, die über 1 liegen (superiore Güter). Bei absolut inferioren Gütern nimmt die Nachfragemenge mit steigendem Einkommen ab (η < 0). Das Verhältnis der relativen Mengenänderung eines Gutes zur relativen Änderung der Preise anderer Güter wird als Kreuzpreiselastizität oder indirekte Preiselastizität bezeichnet. x1 ,p 2

= (∆x1/∆p2) ⋅ (p2/x1)

x1 ,p 2

> 0 [Substitutionsgüter]

x1 ,p3

= (∆x1/∆p3) ⋅ (p3/x1)

x1 ,p 3

< 0 [Komplementärgüter]

Die Kreuzpreiselastizität für substitutive Güter weist ein positives Vorzeichen auf, für komplementäre Güter ein negatives Vorzeichen. Die Werte der Kreuzpreiselastizität informieren über den Grad der Substitutions- bzw.

44

3 Grundlagen von Angebot und Nachfrage

Komplementaritätsbeziehung. Güter mit einer hohen positiven Kreuzpreiselastizität werden von den Nachfragern offenbar als austauschbar angesehen. Die Kreuzpreiselastizität wird daher auch zur Marktabgrenzung herangezogen, um zwei Güter dem gleichen Markt oder zwei verschiedenen Märkten zuzuordnen.

Bogen- und Punktelastizität Die Preiselastizität zum Preis p0 (siehe Abbildung 3.8) ist ein Produkt aus dem Verhältnis p0/x0 und dem Kehrwert des (negativen) Steigungsmaßes der Nachfragefunktion p=f(x): = ( x/ p) (p0/x0). Daraus folgt, dass bei einer linearen Nachfragefunktion, deren Steigungsmaß bei allen Preis-MengenKombinationen konstant ist, die – absoluten (!) – Elastizitätswerte im oberen Bereich der Nachfragefunktion (hoher Preis, niedrige Menge) größer sein müssen, als im unteren Bereich.

p

N p0

− p

p1

0

+ x

x0

x1

x

Abbildung 3.8: Preiselastizität der Nachfrage

Damit gelangt man aber zu unterschiedlichen Elastizitätswerten, je nachdem, ob man die Preisveränderung auf p0 und die Mengenänderung auf x0 bezieht oder auf p1 und x1 (dieser Sachverhalt lässt sich leicht nachprüfen, wenn aus den Wertepaaren in Tabelle 3.1 die Funktion x = 10 – 2p bestimmt wird und dann die Elastizitätswerte berechnet werden). Eine Preissenkung von p0 nach p1 weist daher einen anderen Elastizitätswert auf als eine Preiserhöhung von p1 nach p0. Änderungen der Bewegungsrichtung sollten jedoch nicht den Elastizitätswert ändern. Diese mit der Messung der Elastizität verbundene

3.6 Elastizitäten

45

Verzerrung bei größeren Änderungen von Preisen und Mengen kann kompensiert werden, wenn man die Veränderungen jeweils auf einen Mittelwert bezieht, d.h. auf (p0 + p1)/2 und (x0 + x1)/2:

=

x (p 0 + p1 )/2 ⋅ p (x 0 + x 1 )/2

Der Ausdruck wird auch als Strecken- oder Bogenelastizität bezeichnet. Sie ist bei der empirischen Messung von Elastizitäten von Bedeutung, wenn nur die Preis-Mengen-Wertepaare bekannt sind, nicht aber die Steigung der Nachfragefunktion. Die Bogenelastizität stellt dann eine Annäherung an die unbekannte Steigung dar. Auch in den Fällen, in denen die Steigung in jedem Punkt der Nachfragefunktion bekannt ist, kann die Bogenelastizität gewählt werden, um die Nachfrageelastizität als Durchschnittswert zu kennzeichnen. Da die mikroökonomische Theorie im Gegensatz zur empirischen Analyse von beliebig teilbaren Größer ausgeht, können die Änderungen des Preises und der Mengen auch als gegen Null gehend angenommen werden. Gemessen wird die Elastizität dann in diesem Grenzfall in einem Punkt auf der Nachfragefunktion (Punktelastizität). Der Differenzenquotient ( x/ p) geht in den Differentialquotienten (dx/dp) über: =

dx p ⋅ dp x

[Punktelastizität]

Die Punktelastizität wird in der mikroökonomischen Theorie der Bogenelastizität vorgezogen. Sie hat den Vorteil, dass insbesondere die Elastizitätenwerte nichtlinearer Funktionen verzerrungsfrei bestimmt werden können. Zur graphischen Bestimmung von Preiselastizitäten hat A. MARSHALL das folgende Verfahren entwickelt (siehe Abbildung 3.9a):

46

3 Grundlagen von Angebot und Nachfrage

a)

b) p

p C

=∞ >1

p0

A

=1

AC) sind die Elastizitätswerte größer 1 (elastische Nachfrage) und erreichen im Ordinatenschnittpunkt den Grenzwert . Unterhalb des Halbierungspunktes (AB < AC) sind die Elastizitätswerte kleiner 1 (unelastische Nachfrage) und erreichen im Schnittpunkt mit der Mengenachse den Grenzwert 0 (siehe Abbildung 3.9b).

Preiselastizitäten unterschiedlicher Nachfragekurven Der Sachverhalt, dass die Elastizitätswerte einer normalen Nachfragefunktion theoretisch alle (absoluten) Werte zwischen unendlich und Null annehmen können, bedeutet, dass die empirisch gemessenen Preiselastizitäten für bestimmte Güter sich stets nur auf den zum Zeitpunkt der Messung herrschenden Preis beziehen können. Zwei Grenzfälle müssen jedoch beachtet werden (siehe Abbildung 3.10a):

3.6 Elastizitäten

47

Eine parallel zur Preisachse verlaufende Nachfragefunktion hat in allen Punkten den Elastizitätswert 0 (vollkommen unelastische Nachfrage), eine zur Mengenachse parallel laufende Nachfragefunktion hat Elastizitätswerte, die gegen gehen (vollkommen elastische Nachfrage). a) p

b) p

=0

N

→∞ N1 x

x

Abbildung 3.10: Preiselastizitäten unterschiedlicher Nachfragekurven

Die Nachfragefunktion mit Elastizitätswerten, die gegen gehen, ist ein für die Mikroökonomie bedeutsamer Grenzfall. Ein Unternehmen, das erwartet, seine produzierten Mengen am Markt zu einem vorgegebenen Preis absetzen zu können (sog. Mengenanpasser), interpretiert „seine“ Nachfragefunktion bzw. Preis-Absatz-Funktion als vollkommen elastisch. Bei einer vollkommen unelastischen Nachfrage fragen die Konsumenten eine unveränderliche Menge nach, unabhängig von der Höhe des Preises. Über das Elastizitätskonzept ist auch ein Vergleich von Nachfragefunktionen möglich. So verläuft die Nachfragefunktion N1 in Abbildung 3.10b „elastischer“ als die Nachfragefunktion N, d.h. sie weist zu jedem Preis einen höheren Elastizitätswert auf als die Nachfragefunktion N. Zu beachten ist jedoch, dass N1 im unteren Bereich geringe Elastizitätswerte und N im oberen Bereich hohe Elastizitätswerte ausweisen. Ein Sonderfall sind Giffen-Güter. Bei ihnen weist die Nachfragekurve eine positive Steigung auf. Trotz Preissteigerung wird mehr nachgefragt, da der negative Einkommenseffekt stärker ist als der Substitutionseffekt. Steigt der Preis eine Gutes, wird das reale Einkommen weniger (negativer Einkommenseffekt). Dennoch wird von diesem Gut mehr nachgefragt, da der

48

3 Grundlagen von Angebot und Nachfrage

Austausch gegenüber anderen Gütern aufgrund der Präferenzen des Konsumenten nur eingeschränkt möglich ist (Substitutionseffekt). Giffen-Güter spielen allerdings in der Realität nur eine geringe Rolle. Betrachten wir als Beispiel die Nachfrage eines am Existenzminimum lebenden Konsumenten nach Reis und Hühnerfleisch. Steigt der Preis für Reis, wird der Konsument „ärmer“. Aufgrund des negativen Einkommenseffekts kann er von beiden Gütern weniger kaufen. Gleichzeitig möchte er Reis gegen Hühnerfleisch substituieren. Aufgrund des hohen Einkommenseffektes reagiert der Konsument jedoch mit einer Erhöhung der Nachfrage nach Reis.

Historisch wurde dieses Paradoxon erstmals von dem britischen Ökonomen ROBERT GIFFEN (1837-1919) beobachtet. Er stellte fest, dass Haushalte, die am Existenzminimum leben, auf eine Erhöhung des Brotpreises mit einer steigenden Nachfrage nach Brot reagierten.

4

Konsumentenverhalten und Marktnachfrage

4.1

Konsumentenpräferenzen und Nutzenfunktion

Bisher sind wir davon ausgegangen, dass es für die Erklärung des Verlaufs der Nachfragekurve recht plausible Gründe gibt. Geht der Preis eines Gutes zurück, dann werden die Konsumenten in der Regel eine größere Menge nachfragen. Nun soll dargestellt werden, wie die Mikroökonomie den Verlauf der Nachfragekurve theoretisch begründet. Mikroökonomische Entscheidungseinheiten sind die privaten Haushalte. Sie treten auf den Konsumgütermärkten als Nachfrager auf. Für die weitere Analyse werden wir die Bezeichnungen Haushalt und Konsument synonym verwenden. Um das Verhalten der Konsumenten zu beschreiben und zu erklären, wird in der Mikroökonomie das Idealbild des Homo oeconomicus unterstellt. Dieser handelt vollkommen rational und ist über alle entscheidungsrelevanten Variablen vollständig informiert. Neuere Ansätze, wie die Verhaltensökonomik (Behavioural Economics), versuchen, realistischere Erklärungen menschlichen Verhaltens zu finden.

Präferenzen Für den Konsumenten (in der Rolle des Homo oeconomicus) wird als Zielsetzung Nutzenmaximierung angenommen. Der Nutzen hängt von der Menge der Konsumgüter ab, die der Konsument kauft. Wiederum aus Gründen der Einfachheit gehen wir davon auf, dass lediglich zwei Güter vorhanden sind. Als erstes stellt sich die Frage, wie der Konsument Präferenzen für alternative Gütermengenkombinationen angeben kann. Zur Lösung dieser Aufgabe

50

4 Konsumentenverhalten und Marktnachfrage

muss er die verschiedenen Kombinationen in eine Ordnung bringen und festlegen, welches Güterbündel er einem anderem vorzieht (z.B. A > B und B > C; siehe Abbildung 4.1a) oder ob er sie als gleichwertig betrachtet (z.B. A = B = C; siehe Abbildung 4.1b). Ferner muss die Präferenzordnung widerspruchsfrei sein, d.h. wenn gilt A > B und B > C, dann muss auch A > C gelten. Für das Konzept der Präferenzordnung ist es nicht unbedingt erforderlich, jeder Mengenkombination einen konkreten numerischen Wert zuzuordnen, der die Nutzeneinheiten in einer Zahl ausdrückt. Ein so gemessener Nutzen wird als kardinaler Nutzen bezeichnet. In diesem Fall wären dann Aussagen möglich wie, „der Nutzen der Menge von Gut 1 ist doppelt so hoch wie der von Gut 2“ oder „die Nutzenänderung, die mit einer zusätzlichen Einheit von Gut 1 erzielt wird, beträgt 5 Nutzeneinheiten“. Auf das kardinale Nutzenkonzept kann jedoch verzichtet werden. Im Prinzip reicht es aus, wenn man die Nutzen der verschiedenen Gütermengenkombinationen in eine Rangfolge bringen kann und zwar so, dass bevorzugten Güterkombinationen höhere Zahlen zugeordnet werden als weniger erwünschten. Die Messung der Nutzendifferenzen ist nicht erforderlich (ordinaler Nutzen). a) x2

b) x2 A

A

B

B

C

U2

C

U1

U1 U0

x1 Abbildung 4.1: Präferenzen und Indifferenzkurven

x1

4.1 Konsumentenpräferenzen und Nutzenfunktion

51

Nutzenfunktion Die Beschreibung der Präferenzstruktur eines Haushalts wird häufig mit Hilfe der Nutzenfunktion vorgenommen. Sie geht davon aus, dass es zwischen den Gütermengen und dem Nutzen, den der Konsument daraus erzielt, einen funktionalen Zusammenhang gibt. Im Zwei-Güter-Fall kann die Nutzenfunktion in folgender Form geschrieben werden:

U = f(x 1 , x 2 ) Der Buchstabe U steht für Nutzen (Utility), x1 für die Gütermenge von Gut 1 und x2 für die Gütermenge von Gut 2. U= f (x)

U

1

2

3

4

5

6 x

Abbildung 4.2: Gesamtnutzen und Grenznutzen

Für die einzelnen Güter wird unterstellt, dass der Gesamtnutzen (U) mit zunehmender Menge steigt (siehe Abbildung 4.2), jedoch der Zuwachs an Nutzen je weitere Gütereinheit – der Grenznutzen (GN) – abnimmt (siehe schattierte Flächen in Abbildung 4.2 und 4.3).

52

4 Konsumentenverhalten und Marktnachfrage GN

1

2

3

4

5

6

x

Abbildung 4.3: Grenznutzen

Diese Annahme ist Ausdruck des 1. Gossenschen Gesetzes (Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen). HERMANN HEINRICH GOSSEN (1810-1858) hat in seinem 1854 erschienenen Buch „Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln“ versucht, die Gesetze zu erforschen, nach denen der Mensch seine Handlungen einrichten soll, wenn er seinen „Lebensgenuss“ maximieren will. In der Literatur werden seine Erkenntnisse als 1. und 2. Gossensches Gesetz bezeichnet.

Da der Gesamtnutzen nicht nur von einem, sondern von zwei Gütern abhängt, lässt sich eine entsprechende Nutzenfunktion nur in einer dreidimensionalen Darstellung in Gestalt eines Nutzengebirges abbilden. Zur Vereinfachung werden lediglich die Güterkombinationen gleichen Nutzens in eine zweidimensionale Ebene projiziert, sie repräsentiert somit die Höhenlinien des Nutzengebirges. Diese Linien werden in der mikroökonomischen Theorie als Indifferenzkurven bezeichnet. Sie bilden alle Gütermengenkombinationen ab, denen der Konsument einen gleichen Nutzenindex zuweist, z.B. A, B und C auf der Indifferenzkurve mit dem Nutzenindex U1 (siehe Abbildung 4.1b). Die Güterkombinationen, die auf einer höheren Indifferenzkurve liegen, weisen einen höheren Nutzenindex auf. Es gilt: U2 > U1 > U0 (siehe Abbildung 4.1a). Aus der Annahme der widerspruchsfreien Ordnung der Präferenzen folgt, dass sich die Indifferenzkurven eines Haushalts nicht schneiden dürfen. Be-

4.1 Konsumentenpräferenzen und Nutzenfunktion

53

steht der Haushalt aus mehreren Personen, entsteht das Problem, die individuellen Indifferenzkurven zu einer einheitlichen Indifferenzkurve zu „aggregieren“. Das kann sich unter bestimmten Voraussetzungen als unmöglich erweisen. (Unmöglichkeitstheorem von Arrow, VARIAN (2007), S. 727 ff.). Als weitere Annahme gilt, dass Indifferenzkurven konvex zum Ursprung verlaufen. Dieser Verlauf impliziert, dass die Menge des Gutes 2, die der Haushalt aufzugeben bereit ist (- x2), um eine zusätzliche Einheit der Menge des Gutes 1 ( x1) zu erlangen, umso kleiner wird, je mehr der Haushalt von dem Gut 1 bereits besitzt. Dieses Austauschverhältnis ist die Grenzrate der Substitution (GRS = ∆x2/∆x1). Sie nimmt entlang der Indifferenzkurve ab. Gemessen wird das Austauschverhältnis durch Tangens α. x2

A

∆x1=1

B C

U1 x1

Abbildung 4.4: Grenzrate der Substitution

Abbildung 4.4 verdeutlicht, dass bei fortlaufender Substitution von Gut 2 durch Gut 1 pro weiterer Einheit des Gutes 1 immer weniger von Gut 2 aufgegeben wird. Die Grenzrate der Substitution sinkt entlang der Indifferenzkurve (Bewegung von A nach C). Wegen der gegenläufigen Bewegungen von x2 und x1 weist die GRS ein negatives Vorzeichen auf. Im Folgenden betrachten wir nur den absoluten Wert. Die Form einer Indifferenzkurve spiegelt die Bereitschaft eines Haushalts wider, ein Gut durch ein anderes zu substituieren. Verlaufen die Indifferenzkurven linear, dann bleibt die GRS konstant. In diesem Fall spricht man von vollkommenen Substitutionsgütern.

54

4 Konsumentenverhalten und Marktnachfrage

Handelt es sich um Komplementärgüter, dann bilden die Indifferenzkurven einen rechten Winkel. Für unendlich kleine Veränderungen von Gut 1 geht der Differenzenquotient x2/ x1 in den Differentialquotienten dx2/dx1 über. Er entspricht der Steigung der Indifferenzkurve. Zwischen der Grenzrate der Substitution und dem 1. Gossenschen Gesetz besteht ein enger Zusammenhang. Der Grenznutzen des Gutes 1 (GN1) gibt allgemein die Veränderung des Nutzens ( U) an, wenn von diesem Gut eine (geringfügig) größere Menge ( x1) konsumiert wird: GN1 = U/ x1. Für gegen Null gehende Veränderungen der Menge ist der Grenznutzen eines Gutes 1 definiert als partielle Ableitung der Nutzenfunktion U = U (x1, x2) nach x1: ∂U/∂x1 . Gleiches gilt für x2: ∂U/∂x 2 Bewegen wir uns nun auf der Indifferenzkurve, dann steht die GRS in einer einfachen Beziehung zum Grenznutzen beider Güter. Der Nutzenzuwachs des Gutes 1 entspricht dem Produkt ∆x1⋅∆GN1, der Nutzenverlust durch Aufgabe von Gut 2 dem Produkt ∆x2⋅GN2. Bleibt das Nutzenniveau konstant, müssen sich die Nutzenänderungen ausgleichen:

x1 ⋅ GN1 + x 2 ⋅ GN 2 = 0 Durch Umformen ergibt sich:



x2 GN1 = x1 GN 2

bzw. ∂U dx 2 ∂x = 1 ∂U dx1 ∂x 2

Die GRS ist somit gleich dem umgekehrten (reziproken) Verhältnis der Grenznutzen der beiden Güter.

4.2 Budgetrestriktion und optimale Verbraucherentscheidung

4.2

55

Budgetrestriktion und optimale Verbraucherentscheidung

Die durch die Indifferenzkurvenschar repräsentierte Präferenzordnung ist wegen der Annahme unbegrenzter Bedürfnisse (Nichtsättigung) nach rechts hin offen. Der Haushalt kann jedoch nur ein Nutzenniveau realisieren, das ihm sein Einkommen bei gegebenen Preisen der Konsumgüter erlaubt. Daraus ergibt sich das Entscheidungsproblem, jene Güterkombination aus allen ihm aufgrund seines Einkommens möglichen Kombinationen herauszufinden, die das höchste Nutzenniveau erreicht. Die – nach Abzug von Sparen – bei einer gegebenen Konsumsumme c möglichen Güterkombinationen werden für zwei Güter durch folgende Bilanz- oder Budgetgleichung wiedergegeben:

p1 x 1 + p 2 x 2 = c Die Budgetgleichung impliziert, dass die Konsumsumme vollständig ausgegeben wird. Graphisch lässt sich die Budgetgleichung durch eine Budgetgerade abbilden (siehe Abbildung 4.5). Die Budgetgerade schneidet die Ordinate in c/p2 (Punkt A) und die Abszisse in c/p1 (Punkt E). Wird die Konsumsumme c nur für den Kauf von Gut 1 verwendet, gilt:

c = p1 x1

oder x1 =

c p1

Entsprechend ist x2 = c/p2, wenn x1 = 0. Alle Güterkombinationen, die auf der Budgetgeraden liegen, können realisiert werden. Kombinationen, die oberhalb liegen (Punkt F), lassen sich dagegen nicht verwirklichen. Die Budgetgerade wird deshalb auch als Budgetrestriktion bezeichnet. Nicht effizient sind Güterkombinationen unterhalb der Budgetgeraden (Punkt G), da die für Konsum zur Verfügung stehende Summe nicht vollständig ausgegeben wird.

56

4 Konsumentenverhalten und Marktnachfrage

x2 A B

C

F

G

D E

x1 Abbildung 4.5: Budgetgerade

Lösen wir die Gleichung der Budgetrestriktion nach x2 auf, dann erhalten wir: x2 =

c p1 − ⋅ x1 p2 p2

Die Steigung der Budgetgeraden ist somit negativ und wird durch das Verhältnis der Preise der beiden Güter (p1/p2) bestimmt. Die Lage der Budgetgeraden ist abhängig von der Konsumsumme c und dem Verhältnis der Konsumgüterpreise. Steigt das Einkommen und damit die Konsumsumme (c2 > c1 > c0), dann verschiebt sich die Budgetgerade nach rechts, im umgekehrten Fall erfolgt eine parallele Verschiebung nach links (siehe Abbildung 4.6a). Sinkt der Preis für das Konsumgut 1( p1↓ ), so steigt der Koeffizient c/p1. Die Budgetgerade dreht sich um ihren Schnittpunkt mit der x2-Achse nach rechts bis sie auf der x1-Achse den Wert c 0 /p1↓ erreicht (siehe Abbildung 4.6b).

4.2 Budgetrestriktion und optimale Verbraucherentscheidung

a)

57

b)

x2

c2 x2

c1 c0

x1

c0 p1

x1 c0 p1↓

Abbildung 4.6: Veränderung der Budgetgeraden

Der optimale Konsumplan ergibt sich nun formal dadurch, dass von allen möglichen Güterkombinationen jene mit dem höchsten Nutzenniveau – dargestellt durch die höchst erreichbare Indifferenzkurve – ausgewählt wird (siehe Abbildung 4.7). Aus der graphischen Darstellung ist unmittelbar zu sehen, dass nur die Güterkombination in Punkt C (x1*, x2*) von allen realisierbaren Güterkombinationen jene mit dem höchsten Nutzenniveau ist. Alle rechts oder links von C auf der Bilanzgeraden liegenden Güterbündel (z.B. D) liegen auf Indifferenzkurven mit einem niedrigeren Niveau. Der durch C beschriebene optimale Konsumplan (oder auch: Haushaltsgleichgewicht bzw. Haushaltsoptimum) lässt sich genauer bestimmen. Denn die graphische Darstellung zeigt, dass die Grenzrate der Substitution (dx2/dx1) im Optimum der Steigung der Bilanzgeraden (p1/p2) entspricht.

58

4 Konsumentenverhalten und Marktnachfrage

x2

C

x 2*

D x*1

U2 U1 U0 x1

Abbildung 4.7: Optimaler Konsumplan

Das Haushaltsoptimum ist also dann realisiert, wenn der Haushalt eine Güterkombination wählt, bei der die Grenzrate der Substitution gleich dem reziproken Preisverhältnis ist: dx 2 p1 = dx 1 p 2

[Haushaltsoptimum]

Wählt man statt der Grenzrate der Substitution das Verhältnis der Grenznutzen, dann gilt: im Haushaltsoptimum verhalten sich die Grenznutzen der beiden Güter zueinander wie ihre Preise: ∂U ∂x 1 p1 = ∂U p 2 ∂x 2

Dieser Zusammenhang entspricht dem 2. Gossenschen Gesetz. Der Haushalt maximiert seinen Nutzen, wenn er seine Konsumsumme so auf die verschiedenen Güter aufteilt, dass bei jedem einzelnen Gut die letzte Geldeinheit den gleichen Grenznutzen gewährt (GOSSEN 1854, S. 93 f.).

4.2 Budgetrestriktion und optimale Verbraucherentscheidung

59

Formale Analyse des Haushaltsoptimums mit der Lagrange-Methode Die Bestimmung des Haushaltsoptimums kann als ein Problem der Maximierung einer Funktion unter Nebenbedingungen formuliert werden. In diesem Fall liefert die Lagrange-Methode eine Lösung. Ausgehend von der Nutzenfunktion U = U(x1, x2) als Zielfunktion und der Budgetrestriktion c = x1p1 + x2p2 als Nebenbedingung wird eine neue Funktion L, die sog. Lagrange-Funktion gebildet: (1)

L = U(x1 , x 2 ) + (c − x1p1 − x 2 p 2 )

Die Gleichung der Budgetrestriktion (c = x1p1 + x2p2) wird so umgeformt, dass auf der einen Seite Null steht. Die andere Seite der Gleichung wird mit dem (unbestimmten) Lagrangeschen Multiplikator multipliziert und zu der Nutzenfunktion addiert. Um die Lagrange-Funktion zu maximieren, werden ihre partiellen Ableitungen gebildet und gleich Null gesetzt:

∂U (2)

∂L ∂U = − p1 = 0 ∂x1 ∂x1

=

∂x1 p1 ∂U

(3)

∂L ∂U = − p2 = 0 ∂x 2 ∂x 2

(4)

∂L = c − x 1 p1 − x 2 p 2 = 0 ∂

=

∂x 2 p2

c = x 1 p1 + x 2 p 2

Die letzte Gleichung zeigt, dass die Budgetrestriktion erfüllt ist. Aus den ersten beiden Gleichungen erhält man:

60

(5)

4 Konsumentenverhalten und Marktnachfrage

∂U ∂U ∂U ∂x1 ∂x 2 ∂x1 p1 = (= ) und = ∂U p 2 p1 p2 ∂x 2

Der Lagrangesche Multiplikator ist im Haushaltsoptimum also gleich den gewogenen Grenznutzen der beiden Güter 1 und 2. Anders formuliert: Im Haushaltsoptimum verhalten sich die Grenznutzen der Güter zueinander wie ihre Preise. Diese Aussage entspricht wiederum dem 2. Gossenschen Gesetz.

4.3

Einkommens-, Preis-Konsumkurve/ Einkommens- und Substitutionseffekt

Die Einkommens-Konsumkurve Eine Einkommenserhöhung bedeutet, dass die Konsumsumme steigt, wenn wir von einem konstanten Sparverhalten ausgehen. Der Haushalt kann nun größere Mengen von Gut 1 und/oder Gut 2 kaufen. Die Budgetgerade verschiebt sich parallel nach rechts oben (c1 > c0), wenn die Preise als unverändert angenommen werden. In C1 berührt die Budgetgerade nun eine Indifferenzkurve mit einem höheren Nutzenniveau. Die durch C0 und C1 gehende Verbindungslinie wird als Einkommens-Konsumkurve bezeichnet (siehe Abbildung 4.7a). Aus der Einkommens-Konsumkurve ergibt sich die einkommensabhängige Nachfragekurve x1 = f(y) mit einer positiven Steigung (siehe Abbildung 4.8b). Kurven, welche die nachgefragte Menge nach einem Konsumgut in Beziehung zum Einkommen setzen, werden auch als Engel-Kurven bezeichnet, nach dem Statistiker E. ENGEL (1821-1896), der den Zusammenhang zwischen Einkommen und Nahrungsmittelnachfrage analysiert hat. Je nach dem Verlauf der Indifferenzkurven sind auch EinkommensKonsumkurven denkbar, die von der in Abbildung 4.8a dargestellten abweichen. So kann die Einkommens-Konsumkurve beispielsweise einen von links oben nach rechts unten fallenden Verlauf nehmen. Das entspricht der Nachfragefunktion x1 = f(y) mit negativem Vorzeichen. In diesem Fall wird mit steigendem Einkommen weniger nachgefragt. Güter mit solchen Eigenschaf-

4.3 Einkommens-, Preis-Konsumkurve/ Einkommens- und Substitutionseffekt

61

ten werden als absolut inferiore Güter bezeichnet (siehe auch Abschnitt 3.6). Sie weisen eine negative Einkommenselastizität auf. Davon zu unterschieden sind relativ inferiore Güter, von denen mit steigenden Einkommen zwar größere Mengen nachgefragt werden, aber nur unterproportional. Die Einkommenselastizität dieser Güter ist kleiner 1 (ηx, y < 1).

x2

a)

b) y

c1 p2

x1 = f(y)

c0 p2

C1

C0 c0 p1

c1 x 1 p1

x1

Abbildung 4.8: Einkommens-Konsumkurve und Einkommens-Nachfragekurve

Die Preis-Konsumkurve Die Nachfragefunktion x2 = f(p2) soll nun unter der Annahme abgeleitet werden, dass der Preis von Gut 1 und die Konsumsumme konstant bleiben. In Abbildung 4.9a wird zunächst von der optimalen Konsumgütermenge in C1 ausgegangen. Eine Erhöhung des Preises von p2 auf p ↑2 ändert das relative Preisverhältnis. Der Koeffizient c/p2, zu dem die durch C1 gehende Budgetgerade die Ordinate schneidet, sinkt, weil die Konsumsumme als konstant angenommen wird. Da auch der Koeffizient c/p1 wegen der Konstanz von p1 unverändert bleibt, muss sich die Budgetgerade nach links drehen bis sie die Ordinate in c/p↑2 schneidet. Das neue Haushaltsoptimum liegt in C2, an das sich der Haushalt durch Senkung des Konsums von x2 auf x ↓2 anpasst. Veränderungen des Preises von Gut 2 „produzieren“ also eine Reihe von Berüh-

62

4 Konsumentenverhalten und Marktnachfrage

rungspunkten, deren Verbindungslinien (unterbrochene Linie in Abbildung 4.9a) als Preis-Konsumkurve bezeichnet wird. Aus der Preis-Konsumkurve leitet sich die Preis-Nachfragekurve x2 = f(p2) ab. Höheren Preisen von Gut 2 (p↑2 ) sind geringere nachgefragte Mengen von Gut 2 (x ↓2 ) zugeordnet und umgekehrt (siehe Abbildung 4.9b). a) c p2

b) p2

x2

p ↑2

c p ↑2

C1

x 2 = f (p 2 )

p2

C2

c x1 p1

x ↓2

x2

x2

Abbildung 4.9: Preis-Konsumkurve und Preis-Nachfragekurve

Der Einkommens- und Substitutionseffekt Die Abnahme der nachgefragten Menge als Folge einer Preiserhöhung von Gut 2 lässt sich damit begründen, dass bei einer Preiserhöhung der Haushalt zunächst ein geringeres Realeinkommen für den Konsum zur Verfügung hat, sofern die gleiche Menge von Gut 2 wie bisher gekauft wird. Der Haushalt kann als Reaktion darauf, weniger von Gut 2 kaufen (Einkommenseffekt). Gleichzeitig impliziert eine Preiserhöhung, dass Gut 2 relativ teurer im Vergleich zu Gut 1 geworden ist. Der Haushalt wird daher Gut 2 durch Gut 1 substituieren (Substitutionseffekt). Allgemein wird unterstellt, dass bei steigenden (sinkenden) Preisen sowohl der Einkommenseffekt als auch der Substitutionseffekt zu einer Verringerung (Zunahme) der Nachfrage nach Gut 2 führen.

4.3 Einkommens-, Preis-Konsumkurve/ Einkommens- und Substitutionseffekt

63

In Abbildung 4.10 sind beide Effekte für den Fall einer Preiserhöhung des Gutes 2 getrennt dargestellt.

x2 c1

c′

s e

C1

S

c2

C2 x1 Abbildung 4.10: Einkommens- und Substitutionseffekt

Durch die Zunahme des Preises p2, bei Konstanz von p1, dargestellt durch eine entsprechende Drehung der Budgetgeraden in c/p1 (siehe Abbildung 4.10) gelangt der Haushalt auf eine tiefer gelegene Indifferenzkurve (Bewegung von C1 nach C2). Die damit verbundene Mengenänderung des Gutes 2 (Strecke s + e auf der Ordinate) lässt sich auch als Summe aus Substitutionsund Einkommenseffekt darstellen. Um den Substitutionseffekt vom Einkommenseffekt analytisch zu trennen, nehmen wir an, dass die durch die Preiserhöhung bewirkte Senkung des Realeinkommens durch eine fiktive Einkommenserhöhung kompensiert wird, so dass der Haushalt dadurch auf der ursprünglichen Indifferenzkurve verbleiben kann. Wir suchen nun einen neuen Punkt S auf dieser Indifferenzkurve, der beim neuen Preisverhältnis der optimale ist, d.h. bei dem die Grenzrate der Substitution gleich dem neuen Preisverhältnis in C2 ist (Bewegung von C1 nach S). Graphisch geschieht dies dadurch, dass die neue Budgetgerade C2 parallel nach rechts oben verschoben wird bis sie (gekennzeichnet als c´) die ursprüngliche Indifferenzkurve in S tangiert. Dadurch sinkt die nachgefragte Menge von Gut 2 um die Strecke s auf der Ordinate (Substitutionseffekt).

64

4 Konsumentenverhalten und Marktnachfrage

Der Substitutionseffekt ist, bezogen auf das teurer gewordene Gut, stets negativ. Die durch die Preiserhöhung bewirkte Senkung des Realeinkommens wird anschließend durch eine Rücknahme der fiktiven Einkommenserhöhung erfasst. Das geschieht graphisch durch eine parallele Verschiebung der Hilfslinie c´ nach links unten bis die niedrigere Indifferenzkurve tangiert wird (Bewegung von S nach C2). Die nachgefragte Menge von Gut 2 sinkt um die Strecke e auf der Ordinate (Einkommenseffekt). Im Gegensatz zum Substitutionseffekt, dessen Richtung eindeutig ist, kann der Einkommenseffekt in Abhängigkeit vom Verlauf der Indifferenzkurve positiv oder negativ ausgerichtet sein. Mit sinkendem Einkommen kann die nachgefragte Menge nach Gut 2 zurückgehen oder – wie bei absolut inferioren Gütern – steigen.

4.4

Die Marktnachfrage

Von der individuellen Nachfrage eines einzelnen Haushaltes ist die Marktnachfrage als Summe der nachgefragten Mengen aller Haushalte zu unterscheiden. Im Folgenden wird angenommen, dass es sich bei den Haushalten I und II um repräsentative Haushalte handelt. Sie spiegeln in etwa die Präferenzen und die Einkommenssituation aller Haushalte wider. Graphisch erfolgt diese Zusammenfassung (Aggregation) durch eine horizontale Addition der individuellen – aufgrund der unterschiedlichen Bedarfsstrukturen nicht gleich verlaufenden – Nachfragekurven. Die Marktnachfragekurve der Haushalte I und II verläuft tendenziell flacher als die individuellen Nachfragekurven (siehe Abbildung 4.11). Ist die Zahl der Nachfrager sehr groß, nähert sich die Marktnachfragekurve einem stetigen Verlauf an.

4.4 Die Marktnachfrage

a)

65

b)

c)

p

p

p

p3

p2 p1

xI

x II

x = x I + x II

Abbildung 4.11: Aggregation individueller Nachfragekurven zur Marktnachfrage

Über die Bestimmungsfaktoren der individuellen Nachfrage hinaus weist die Marktnachfragekurve zwei weitere Einflussgrößen auf: Die Bevölkerungsgröße, da sie die Zahl der Haushalte bestimmt und die Verteilung der Einkommen. Änderungen der Einkommensverteilung bewirken Links- und Rechtsverschiebungen der individuellen Preis-Nachfragekurven, die sich nicht unbedingt aufheben müssen.

5

Produktion, Kosten und Marktangebot

Wie bei der Nachfragekurve sind wir auch bei der Angebotskurve zunächst davon ausgegangen, dass es für deren Verlauf plausible Gründe gibt. Jetzt soll beschrieben werden, wie in der Mikroökonomie die Angebotskurve theoretisch begründet wird. Mikroökonomische Entscheidungseinheiten sind die Unternehmen. Sie treten auf den Konsumgütermärkten als Anbieter auf. Grundlage für die Erklärung des Verhaltens der Produzenten ist die Theorie des Unternehmens. Wiederum gehen wir von einem sehr einfachen Modell aus. Als Zielsetzung wird Gewinnmaximierung angenommen. Ferner stellt das Unternehmen nur ein Produkt her. Die Preise auf den Gütermärkten und Faktormärkten sind gegeben. Das Unternehmen ist über alle entscheidungsrelevanten Variablen vollständig informiert. Das Entscheidungsproblem des Unternehmens lautet dann: welche Menge ist zu produzieren, wenn der Gewinn maximiert werden soll? Dieses Entscheidungsproblem wollen wir in drei Schritte zerlegen: • Zunächst gilt es, den Produktionsprozess näher zu untersuchen. • Dann beschäftigen wir uns mit den daraus abzuleitenden Kostenverläufen. • Schließlich ist die gewinnmaximale Produktionsmenge zu ermitteln.

5.1

Die Produktionsfunktion

„Produzieren“ heißt, Vorleistungen anderer Unternehmen unter Verwendung von Arbeitsleistungen und der Nutzung von dauerhaften Produktionsmitteln in marktfähige Güter zu verwandeln. Dieser Zusammenhang lässt sich durch die Produktionsfunktion darstellen:

5.1 Die Produktionsfunktion

67

x = f(r1 , r2 , ... rn ) x steht für die Produktionsmenge oder den Ertrag eines bestimmten Gutes, r1, … rn bezeichnen die Einsatzmengen der Produktionsfaktoren 1, …, n oder die Faktoreinsatzmengen. Die Produktionsfunktion stellt somit eine funktionale Beziehung zwischen den Einsatzmengen der Produktionsfaktoren (input) und der Ausbringungsmenge (output) dar. Zur Vereinfachung beschränken wir uns im Folgenden auf eine Produktionsfunktion mit nur zwei Produktionsfaktoren (z.B. Arbeit und Kapital): x = f (r1, r2).

Isoquanten Da die Ausbringungsmenge bzw. der Ertrag von zwei Produktionsfaktoren abhängt, lässt sich eine entsprechende Produktionsfunktion nur in einer dreidimensionalen Darstellung in Gestalt eines Ertragsgebirges abbilden. Werden wiederum nur die Faktormengenkombinationen gleichen Ertrags in eine zweidimensionale Ebene projiziert, dann erhält man eine Schar von Isoquanten. Sie repräsentieren die Höhenlinien des Ertragsgebirges. Eine Isoquante weist die gleichen formalen Eigenschaften auf wie die Indifferenzkurve in der Theorie des Haushalts. So wie eine Schar von Indifferenzkurven die Präferenzstruktur eines Haushaltes repräsentiert, wird die Produktionsfunktion eines Unternehmens durch eine Schar von Isoquanten abgebildet. In Abbildung 5.1 ist eine Schar von Isoquanten für eine Produktion mit zwei substituierbaren Produktionsfaktoren dargestellt. Die mit x0 bezeichnete Isoquante bildet alle Kombinationen von r1 und r2 ab, mit denen die gleiche Ausbringungsmenge x0 produziert werden kann; x1, x2 usw. sind Isoquanten, die höhere Erträge darstellen. Abbildung 5.1 zeigt ferner, dass ausgehend von der Faktorkombination in Punkt A ein höherer Ertrag (eine höhere Isoquante) einmal durch Erhöhung der Faktoreinsatzmenge von r1 oder r2 (partielle Faktorvariation: Bewegung von A nach C oder E) oder durch Erhöhung von r1 und r2 (totale Faktorvariation: Bewegung von A nach D) erzielt werden kann. Davon zu unterscheiden sind Faktorsubstitutionen auf einer Isoquante (isoquante Faktorvariation: Bewegung von A nach B).

68

5 Produktion, Kosten und Marktangebot

r2

C

r20

B

D E

A

x2

x1 x0 r10

r1

Abbildung 5.1: Isoquante, partielle und totale Faktorvariation

Mit der Festlegung einer Schar von Isoquanten ist eine Produktionsfunktion graphisch vollständig beschrieben. Die folgende Diskussion der wichtigsten Produktionsfunktionen erfolgt daher auf der Grundlage der graphischen Darstellung.

5.1.1

Die Produktionsfunktion bei isoquanter Faktorvariation

Es lassen sich verschiedene Verlaufstypen von Isoquanten unterscheiden: Abbildung 5.2a bildet die Isoquante einer Produktionsfunktion mit nicht substituierbaren Produktionsfaktoren ab. Solche Produktionsfunktionen werden – nach dem Ökonomen W. LEONTIEF – Leontief-Produktionsfunktionen oder limitationale Produktionsfunktionen genannt. Eine bestimmte Produktionsmenge x0 kann nur durch die Kombination r 01 und r20 produziert werden. Eine partielle Erhöhung von r1 oder r2 führt nicht zu einer Erhöhung von x. Die zusätzlichen Faktoreinsatzmengen sind überflüssig, die Produktionsprozesse daher technisch nicht effizient.

5.1 Die Produktionsfunktion

69

WASSILY LEONTIEF (1905-1999), ein amerikanischer Ökonom russischer Herkunft, lehrte von 1933 bis 1975 an der Harvard University. Im Jahre 1973 erhielt er den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften in Anerkennung seiner Leistungen für die Entwicklung der Input-Output Methode und ihrer Anwendung auf wichtige ökonomische Probleme.

Bei Vorliegen limitationaler Produktionsfaktoren ist eine Vergrößerung des Ertrags nur möglich durch eine totale Faktorvariation entlang der in Abbildung 5.2a unterbrochenen Linie. a)

b) r2

r2

x1 x0

r20

r10

r1

r1 r2

r1

Abbildung 5.2a: Leontief-Produktionsfunktion Abbildung 5.2b: Vollständige Substitution

Abbildung 5.2b zeigt den Spezialfall einer vollständigen Substitution von r1 und r2. Das Austauschverhältnis der beiden Produktionsfaktoren (∆r2/∆r1) ist in allen Punkten der Isoquante konstant. Abbildung 5.3 stellt eine Isoquante dar, die – wie die Indifferenzkurve – eine negative Steigung aufweist und konvex zum Ursprung verläuft.

70

5 Produktion, Kosten und Marktangebot

r2

∆r1=1

x0

r1 Abbildung 5.3: Grenzrate der technischen Substitution

Die Steigung der Isoquante (∆r2/∆r1) wird als Grenzrate der technischen Substitution (GRTS) bezeichnet. Der konvexe Verlauf bildet ab, dass die GRTS abnimmt, wenn wir uns entlang der Isoquante nach unten bewegen. Die beiden Produktionsfaktoren sind keine vollständigen Substitute, weil bei fortlaufender Substitution von Produktionsfaktor 2 durch Produktionsfaktor 1 pro weiterer Einheit des Faktors 1 immer weniger von Faktor 2 aufgegeben wird.

5.1.2

Die Produktionsfunktion bei partieller Faktorvariation: das Ertragsgesetz

Historischer Ausgangspunkt des Ertragsgesetzes (auch als klassische Produktionsfunktion bezeichnet) sind Überlegungen von TURGOT und J.H. VON THÜNEN. Beide stellten fest, dass eine Vermehrung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte auf einer konstanten Bodenfläche zunächst zu steigenden, dann abnehmenden Ertragszuwächsen führt. Dieser Zusammenhang wird als Ertragsgesetz bezeichnet.

5.1 Die Produktionsfunktion

71

ANNE ROBERT JACQUES TURGOT (1727-1781), ein französischer Staatsmann und Ökonom, wurde 1774 von LUDWIG XVI zum Generalkontrolleur der Finanzen ernannt. Er veröffentlichte im Jahre 1769 die „Réflexions sur la formation et la distribution des richesses“. JOHANN HEINRICH VON THÜNEN (1783-1850) erlernte und studierte zunächst Landwirtschaft. Später kaufte er Gut Tellow in Mecklenburg. Sein ökonomisches Hauptwerk ist „Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie“ (1842), in dem er die Ökonomie als Wissenschaft weiterentwickelte. Bekannt sind die Thünenschen Ringe, eine frühe Version der Standorttheorie.

Der Verlauf des Ertrags bei partieller Faktorvariation ist aus Abbildung 5.4 ersichtlich: Werden die Einsatzmengen des Faktors 1 fortlaufend erhöht, während r2 konstant gehalten wird, so nimmt der Ertragszuwachs zunächst zu und dann ab. Der Zusammenhang lässt sich genauer erkennen, wenn Durchschnitts- und Grenzertrag betrachtet werden.

Der Durchschnittsertrag Der Durchschnittsertrag (x/r1) wird auch als Durchschnittsproduktivität des Faktors r1 bezeichnet. Geometrisch lässt sich der Durchschnittsertrag durch den Tangens des Winkels bestimmen, den ein vom Nullpunkt ausgehender Fahrstrahl an die Ertragskurve mit der positiven Richtung der r1-Achse bildet. Der Durchschnittsertrag bei der Einsatzmenge r13 ist gleich dem Tangens des Winkels ß, den ein Fahrstrahl durch den Punkt D mit der r1-Achse bildet. Mit zunehmendem Einsatz des Faktors 1 steigt der Durchschnittsertrag zunächst an, erreicht in Punkt B sein Maximum und sinkt dann wieder. Im unteren Teil der Abbildung 5.4 ist der Verlauf der Durchschnittsertragskurve dargestellt.

72

5 Produktion, Kosten und Marktangebot

x C

B

D

x (r1 )

A

r1 x

∂x ∂r1 x r1

r10

r11

r12

r13 r1

Abbildung 5.4: Das Ertragsgesetz

Der Grenzertrag Bedeutsamer für die weitere Analyse ist die Entwicklung des Grenzertrags. Er gibt an, um wie viele Einheiten sich die Ausbringungsmenge ändert, wenn die Einsatzmenge eines Faktors um eine kleine Einheit geändert wird. Geometrisch lässt sich der Grenzertrag durch den Tangens des Winkels messen, den eine Tangente an einen beliebigen Punkt der Gesamtertragskurve mit der positiven Richtung der r1-Achse bildet. Der Tangens des Winkels entspricht dem partiellen Differentialquotienten ∂x / ∂r1 . Dieser ergibt sich aus der ersten

5.1 Die Produktionsfunktion

73

partiellen Ableitung der Funktion x = f (r1, r2) nach r1. Der Differentialquotient gibt die Grenzproduktivität des Faktors 1 an. Der Verlauf des Grenzertrags ist ebenfalls dem unteren Teil der Abbildung 5.4 zu entnehmen. Danach steigt der Grenzertrag mit wachsenden Einsatzmengen des Faktors 1 zunächst an, bis mit der Einsatzmenge von r10 der höchste Wert erreicht wird. Die Tangente an der Gesamtertragskurve im oberen Teil der Abbildung 5.4 weist bis dahin eine zunehmende Steigung auf, im Wendepunkt A erreicht der Winkel seinen höchsten Wert und sinkt dann fortlaufend. In B fallen der Steigungswinkel der Tangente und der des Fahrstrahls zusammen, da dort der Fahrstrahl die Tangente bildet. Bei der Einsatzmenge r11 schneiden sich Grenzertrags- und Durchschnittsertragskurve. Bei der Menge r12 erreicht die Gesamtertragskurve in C ihr Maximum und die Grenzertragskurve schneidet die r1-Achse, weil dort der Grenzertrag den Wert Null annimmt.

5.1.3

Die Produktionsfunktion bei totaler Faktorvariation

Im Folgenden betrachten wir den Fall einer totalen Faktorvariation, bei der alle Faktormengen im gleichen Verhältnis geändert werden. Die Faktorintensität (des Verhältnis r1 zu r2) bleibt dabei unverändert. Dieser Sachverhalt lässt sich formal so ausdrücken, dass man statt r1 und r2 die -fache Menge der beiden Faktoren ( r

r2) einsetzt.

Der Ertrag x kann sich nun als Folge einer proportionalen Faktorvariation unterschiedlich entwickeln. Drei Verläufe lassen sich unterscheiden:

• Eine Verdoppelung, Verdreifachung usw. der Faktoreinsatzmengen ( = 2,3 …) führt zu einer Verdoppelung, Verdreifachung usw. des Ertrags. Es gilt: x = f( r1, r2). In diesem Fall spricht man von konstanten Skalenerträgen oder constant returns to scale. Produktionsfunktionen mit konstanten Skalenerträgen werden auch als linear-homogene Produktionsfunktionen bezeichnet. • Eine Erhöhung der Faktoreinsatzmengen um einen Faktor führt zu einer überproportionalen Erhöhung des Ertrags. Oder anders formuliert: eine Verdoppelung des Ertrags lässt sich mit einem Anstieg der Faktoreinsatzmengen um weniger als das Doppelte erreichen. Es gilt x < f( r1, r2). Dieser Fall wird als Produktionsfunktion mit zunehmenden Skalenerträgen oder increasing returns to scale bezeichnet. In der industrieöko-

74

5 Produktion, Kosten und Marktangebot

nomischen Literatur wird dafür auch der Begriff economies of scale verwendet. • Eine Erhöhung der Faktoreinsatzmengen um einen Faktor führt zu einer unterproportionalen Erhöhung des Outputs. Es gilt: x > f( r1, r2). In diesem Fall spricht man von sinkenden Skalenerträgen oder decreasing returns to scale. Konstante Skalenerträge weist in der Regel die Cobb-DouglasProduktionsfunktion auf. Diese wird nicht nur in der Mikroökonomie, sondern auch in der Makroökonomie verwendet. Ihr Name geht auf die beiden amerikanischen Ökonomen C. W. COBB und P. H. DOUGLAS zurück. Die Produktionsfunktion lässt sich in folgender allgemeiner Form schreiben: x = a ⋅ r1 ⋅ r 2

mit , > 0 und a > 0.

Dabei gibt x die Outputmenge an, r1 und r2 sind die Inputfaktoren und a ist ein Parameter für den Stand der Technologie (je entwickelter die Technologie, desto größer ist a). Die Exponenten der Funktion α und β repräsentieren die partiellen Output-Elastizitäten, d.h. um wie viel Prozent erhöht sich die Outputmenge, wenn der Inputfaktor r1 oder r2 um ein Prozent steigt. Ist die Summe der partiellen Output-Elastizitäten gleich 1 (α + β = 1), so bedeutet dies, werden die beiden Produktionsfaktoren um einen bestimmten Prozentsatz erhöht, so erhöht sich auch der Output um diesen Prozentsatz. Mit der Analyse der totalen Faktorvariation wird die Darstellung der mikroökonomischen Produktionstheorie abgeschlossen. Neben den Faktoreinsatzmengen sind die Faktorpreise von Bedeutung. Daher wenden wir uns in einem nächsten Schritt den Kosten der Produktion zu.

5.2

Die Kosten der Produktion

Der Kostenbegriff Zur Ermittlung der Kosten werden die jeweiligen Faktoreinsatzmengen r1, …, rn mit den Preisen der Produktionsfaktoren q1, …, qn multipliziert und addiert.

5.2 Die Kosten der Produktion

75

Das entspricht der Definition der Kosten als „zu den Faktorpreisen bewertete Faktoreinsatzmengen“:

K = q1 ⋅ r1 + q 2 ⋅ r2 + ... + q n ⋅ rn Nicht alle Kosten verändern sich mit der Produktionsmenge. Zinsen oder Mieten sind auch dann zu leisten, wenn zeitweilig nicht produziert wird und sie verändern sich nicht, wenn die Produktionsmenge erhöht wird (fixe Kosten). Demgegenüber variieren Materialkosten, Energiekosten und evtl. Lohnkosten mit der Produktionsmenge (variable Kosten). Die Variabilität der Kosten ist weniger auf natürliche oder technische Eigenschaften der Produktionsfaktoren zurückzuführen, sondern Ergebnis ökonomischer Entscheidungen und von der Planungsperiode des Unternehmens abhängig. In einem sehr kurzen Zeitraum sind viele Kosten fixer Natur, z.B. auch Lohnzahlungen aufgrund arbeitsvertraglicher Bindungen. Betrachtet man dagegen einen mehrjährigen Planungszeitraum, so sind die meisten Kosten variabel, da in diesem Zeitraum nun auch die Kapazität oder Betriebsgröße ausgeweitet werden kann und sich damit die Kapitalkosten, die Mietzahlungen usw. erhöhen. Nicht alle Kosten sind mit Ausgaben verbunden. Der Unternehmer, der seine Arbeitskraft, sein Grundstück oder sein Kapital in den Produktionsprozess einbringt, hat dafür keine Ausgaben an Dritte zu leisten. Gleichwohl gehen diese Faktoren in den Produktionsprozess ein und stehen nicht mehr für andere Verwendungszwecke zur Verfügung. Es entstehen also Alternativkosten oder Opportunitätskosten in Höhe des Nutzenentgangs in der nächstbesten Verwendung der Faktoren: z.B. in der Beschäftigung des Unternehmers als leitender Angestellter, in der Verpachtung seines Grundstücks oder in der Anlage seines Kapitals auf dem Kapitalmarkt. Der Wert dieses Nutzenentgangs drückt sich dann in dem entgangenen Lohn, dem entgangenen Pachtzins oder dem Kapitalzins aus. In der Kostenrechnung sind diese Kosten daher zu berücksichtigen, um Fehlentscheidungen zu vermeiden (kalkulatorische Kosten). Schließlich sei noch auf den Unterschied zwischen betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Kosten hingewiesen. Unternehmen, die mit ihren Produktionsprozessen Umweltschäden verursachen, welche von Dritten getragen werden (externe Kosten, negative externe Effekte), produzieren mit betriebswirtschaftlichen Kosten, die um die externen Kosten niedriger sind

76

5 Produktion, Kosten und Marktangebot

als die volkswirtschaftlich insgesamt anfallenden Kosten. Auch die Nutzung öffentlicher Leistungen (Straßen, Bildungseinrichtungen), die den Unternehmen kostenlos zur Verfügung gestellt werden, gehen nicht in die betriebswirtschaftliche Kostenrechnung ein. In der folgenden Analyse werden nur die betriebswirtschaftlichen Kosten berücksichtigt, da es zunächst um die Erklärung des Unternehmensverhaltens geht.

5.2.1

Die Minimalkostenkombination

Die Analyse der Minimalkostenkombination ist der Theorie des optimalen Konsumplans formal sehr ähnlich. Geht es dort darum, bei einer gegebenen Konsumsumme und gegebenen Güterpreisen die Güterkombination mit dem höchstmöglichen Nutzenniveau zu bestimmen, könnte man hier, die Kosten als gegeben betrachten und nach der Faktormengenkombination fragen, die bei gegebenen Faktorpreisen die höchstmögliche Ausbringungsmenge erlaubt. Diese Fragestellung wäre mit der der Haushaltstheorie identisch. In der Theorie des Unternehmens geht es jedoch vorrangig darum, wie für eine gegebene Produktionsmenge die minimalen Kosten bestimmt werden können (Minimalkostenkombination). Bei der Analyse der Minimalkostenkombination gehen wir von zwei (variablen) Produktionsfaktoren aus. Die Kosten K sind dann:

K = q1 ⋅ r1 + q 2 ⋅ r2 Die Kostengleichung lässt sich – analog zur Budgetgeraden – graphisch durch eine Gerade abbilden (Abbildung 5.5a), die alle Faktorkombinationen mit den gleichen Kosten verbindet, die Isokostenlinie. Wird r2 = 0 gesetzt, liegt der Schnittpunkt der Isokostenlinie mit der r1-Achse in Höhe von K/q1. Entsprechend schneidet die Isokostenlinie die r2-Achse in Höhe von K/q2. Die Steigung der Isokostenlinie entspricht dem Verhältnis der Faktorpreise q1/q2. Gesucht wird nun jene Isokostenlinie, welche die geringsten Kosten ausweist, mit denen eine bestimmte Ausbringungsmenge produziert werden kann (siehe Abbildung 5.5b).

5.2 Die Kosten der Produktion

77

a) r2

b) r2

K q2

K3 K2

K1 P

T

K q1

r1

x1

r1

Abbildung 5.5: Isokostenlinie und Minimalkostenkombination

Die vorgegebene Produktionsmenge x1 wird durch eine Isoquante dargestellt, die Kosten durch die drei angenommenen Isokostenlinien, wobei K1 < K2 < K 3. Die Bedingung der Minimalkostenkombination wird nur durch die Faktormengenkombination in Punkt P auf der Isokostenlinie K2 erreicht. Die Kosten der Geraden K1 reichen nicht aus, die angestrebte Outputmenge zu erreichen. Die Isokostenlinie K3 dagegen impliziert eine Verschwendung von finanziellen Mitteln, da x1 mit geringeren Kosten hergestellt werden kann. Durch Substitution von r1 durch r2 (Bewegung von T nach P) können die Kosten bei gleichem Ertrag gesenkt werden. Die kostenminimale Faktorkombination im Punkt P ergibt sich graphisch dadurch, dass die Isokostenlinie K2 die Isoquante x1 tangiert. Die Steigung der Isokostenlinie ist mit der Steigung der Isoquante identisch. Für die Minimalkostenkombination gilt daher: dr2 q1 = dr1 q 2

[Minimalkostenkombination]

Die Minimalkostenkombination ist dann erreicht, wenn die Grenzrate der technischen Substitution (GRTS) gleich dem umgekehrten Verhältnis der Faktorpreise ist.

78

5 Produktion, Kosten und Marktangebot

Da die Grenzrate der technischen Substitution ihrerseits dem reziproken Verhältnis der partiellen Grenzproduktivitäten der Produktionsfaktoren entspricht, muss auch gelten:

∂x/∂r1 q1 = ∂x/∂r2 q 2 Der optimale Faktoreinsatz ist dann gegeben, wenn die Produktionsfaktoren so im Produktionsprozess kombiniert werden, dass sich ihre jeweiligen Grenzproduktivitäten zueinander verhalten wie ihre Preise. Das Unternehmen wird nun bestrebt sein, jede Produktionsmenge (x0 < x1 < x2 usw.) zu jeweils minimalen Kosten zu produzieren (siehe Abbildung 5.6). Verbindet man die Tangentialpunkte, die für jede Produktion die Minimalkostenkombination angeben, erhält man die Minimalkostenlinie. Verändert das Unternehmen seine Produktionsmenge, so wird es – bei gegebenen Faktorpreisen – die Einsatzmengen der Produktionsfaktoren immer entsprechend der Minimalkostenlinie anpassen. Die Verbindungslinie wird daher auch als Faktoranpassungskurve oder Expansionspfad bezeichnet. Ihr Verlauf ist abhängig von dem Faktorpreisverhältnis und der Struktur der Produktionsfunktion, wie sie durch die Isoquantenschar repräsentiert wird. r2

K3

K2 K1

x0

x1

x2

r1 Abbildung 5.6: Faktoranpassungskurve

5.2 Die Kosten der Produktion

79

In jedem Punkt auf der Faktoranpassungskurve werden einer bestimmten Produktionsmenge die minimalen Kosten zugeordnet. Diese durch die Faktoranpassungskurve beschriebene Zuordnung von Produktionsmengen und minimalen Kosten wird als Kostenfunktion bezeichnet.

5.2.2

Die Kostenfunktion

Die kurzfristige Kostenfunktion gilt unter der Annahme, dass die Produktionskapazitäten der Unternehmen eine gegebene Größe darstellen, d.h. die Betriebsgröße ist konstant. Die Kosten bestehen folglich aus variablen und fixen Kosten: K(x) = K F + K V (x) KV(x) sind die von der Produktionsmenge abhängigen variablen Kosten, KF die fixen Kosten, K(x) die Gesamtkosten. Das Niveau der Gesamtkosten wird durch die Höhe der fixen Kosten bestimmt, ihr Verlauf variiert jedoch mit der Produktionsmenge x. Wird die Definition der Produktions- und der Kostenfunktion beachtet, so ist unmittelbar zu sehen, dass beide sich darin unterscheiden, dass die Produktionsfunktion die Outputmenge in Abhängigkeit von den eingesetzten Produktionsfaktoren darstellt, während die Kostenfunktion die Kosten (zu Preisen bewertete Faktormengen) in Abhängigkeit von der Produktionsmenge beschreibt. Die Kostenfunktion ist also ein Spiegelbild der Produktionsfunktion. Einen in der Mikroökonomie herausragenden Platz nimmt die in Abbildung 5.7 dargestellte Kostenfunktion ein, deren Gestalt auch als typische Kostenkurve (SCHUMANN/MEYER/STRÖBELE 2007, S. 165) bezeichnet wird. Die typische Kostenkurve impliziert, dass mit wachsender Produktionsmenge die Gesamtkosten zunächst langsam und dann immer schneller ansteigen, d.h. die Kostenkurve verläuft im ersten Teil mit abnehmender, im zweiten Teil mit zunehmender Steigung. Dieser Verlauf der Kostenkurve ergibt sich aus bestimmten Annahmen über die Gestalt der Faktoranpassungskurve.

80

5 Produktion, Kosten und Marktangebot

K

K(x)

{ }K { }K

v

F

x

Abbildung 5.7: Die typische Kostenkurve

Der typische Kostenverlauf wird auch als ertragsgesetzlicher Kostenverlauf bezeichnet. Da aber bei der Bestimmung der Kostenkurve alle Produktionsfaktoren gemäß der Faktoranpassungskurve zu verändern sind (totale Faktorvariation), ist diese Bezeichnung etwas missverständlich. Der Verlauf der typischen Kostenkurve lässt sich dann mit dem Ertragsgesetz begründen, wenn nur ein Faktor als variabel angenommen wird bei Konstanz der anderen Faktoren. Bei dieser partiellen Faktorvariation gibt es keine Isoquanten, und es entfällt die Wahl der Minimalkostenkombination entlang der Faktoranpassungskurve. Die Ableitung der Kostenfunktion erfolgt in diesem Fall unmittelbar aus dem Verlauf der Ertragskurve bei Gültigkeit des Ertragsgesetzes. Die Ertragskurve wird an einer durch den Nullpunkt verlaufenden gedachten 45°-Linie „gespiegelt“, d.h. Ordinate und Abszisse werden vertauscht. Die Ordinatenwerte werden dann mit den Faktorpreisen des variablen Faktors multipliziert und die fixen Kosten in vertikaler Richtung addiert (zum Verfahren vgl. z.B. SCHUMANN/MEYER/STRÖBELE 2007, S. 195f.). Der Verlauf der typischen Kostenkurve soll nun unter Verwendung der Begriffe Grenzkosten, durchschnittliche variable Kosten und durchschnittliche Gesamtkosten (oder Stückkosten) genauer beschrieben werden (siehe Abbildung 5.8).

Grenzkosten oder marginale Kosten sind Kosten, welche die Produktion einer zusätzlichen Mengeneinheit verursacht: K/ x. Mathematisch erhält man die

5.2 Die Kosten der Produktion

81

Grenzkosten (GK), wenn die Kostenfunktion K(x) nach x differenziert wird: dK/dx = K'(x). Geometrisch lassen sich die Grenzkosten durch den Tangens des Winkels ermitteln, den eine Tangente an die Kostenkurve K(x) mit der Abszisse bildet. Die durchschnittlichen Gesamt- oder Totalkosten (DTK = K/x) ergeben sich geometrisch durch den Tangens des Winkels ß, den ein Fahrstrahl, der den Nullpunkt mit einem Punkt der Kostenkurve verbindet, mit der Abszisse bildet. In analoger Weise (Tangens des Winkels γ) lassen sich die durchschnittlichen variablen Kosten (DVK = KV/x) ableiten (siehe Abbildung 5.8a). Welchen Verlauf nehmen die Durchschnittskosten, die durchschnittlichen variablen Kosten und die Grenzkosten, wenn die Produktionsmenge bei Vorliegen eines typischen Kostenverlaufs erhöht wird? Betrachten wir zunächst die durchschnittlichen Gesamtkosten DTK (siehe Abbildung 5.8b): Die DTK-Kurve (Verlauf des Winkels β) fällt zunächst mit wachsender Produktionsmenge, erreicht bei der Menge x2 ihr Minimum (sog. Betriebsoptimum) und steigt dann wieder an. Einen ähnlichen, also Uförmigen Verlauf, nehmen auch die durchschnittlichen variablen Kosten ein. Die DVK-Kurve (Verlauf des Winkels γ) erreicht ihr Minimum aber bereits bei der Menge x1 (sog. Betriebsminimum). Die durchschnittlichen fixen Kosten DFK (in Abbildung 5.8b nicht eingezeichnet) ergeben sich jeweils aus der Differenz von DTK und DVK. Diese Differenz nimmt mit wachsenden Produktionsmengen ab (Fixkostendegression). Die Grenzkosten schließlich (Verlauf des Winkels ) sinken mit steigender Produktionsmenge und erreichen ihr Minimum bei x0 im Wendepunkt der Gesamtkostenkurve. Sie steigen dann an und schneiden zunächst die Kurve der durchschnittlichen variablen Kosten in deren Minimum, dann die Kurve der durchschnittlichen Gesamtkosten ebenfalls in deren Minimum. Geometrisch lassen sich die Schnittpunkte in den Minima der durchschnittlichen variablen und totalen Kosten daran erkennen, dass dort der Tangens der Winkel γ bzw. β mit der Steigung der Gesamtkostenkurve übereinstimmt.

82

5 Produktion, Kosten und Marktangebot K(x)

a) K

x

GK

b)

DTK

GK DTK DVK

DVK

x0

x1

x2

x

Abbildung 5.8: Die Kostenverläufe

5.3

Die gewinnmaximale Produktionsmenge

Bisher haben wir uns damit beschäftigt, wie eine bestimmte Produktionsmenge zu minimalen Kosten hergestellt werden kann. Das Unternehmensziel

5.3 Die gewinnmaximale Produktionsmenge

83

in der mikroökonomischen Theorie besteht jedoch in der Erzielung eines maximalen Gewinns. In einem nächsten Schritt ist daher die gewinnmaximale Produktionsmenge zu bestimmen, wobei wir davon ausgehen, dass Outputmenge und Absatzmenge übereinstimmen. Der Gewinn (G) ist definiert als Differenz zwischen Erlös (E) und Kosten (K): G = E – K. Betrachten wir als erstes den Erlös.

Die Erlösfunktion Der Erlös oder Umsatz ist das Produkt aus Marktpreis p und der abgesetzten Menge x. Auf einem Wettbewerbsmarkt kann das einzelne Unternehmen den Preis nicht beeinflussen, es verhält sich als Mengenanpasser bzw. Preisnehmer. In diesem Fall ist die Erlösfunktion E(x) eine durch den Nullpunkt verlaufende lineare Funktion (siehe Abbildung 5.9a).

a)

b)

E

p GE

E (x)

E

GE = p

x

x

x

Abbildung 5.9: Erlösfunktion und Grenzerlösfunktion

Der Grenzerlös (GE) gibt den Erlöszuwachs an, der durch eine weitere Mengeneinheit erzielt wird (∆E/∆x). In unserem Fall ist der Grenzerlös gleich dem Preis, d.h. das Unternehmen erzielt für jede zusätzliche verkaufte Mengeneinheit als Grenzerlös den Marktpreis. Mathematisch ist der Grenzerlös die erste Ableitung der Erlösfunktion bei Konstanz von p: dE/dx = p (siehe Abbildung 5.9b). Neben den Kosten ist somit auch der Erlös allein von der Höhe der Produktionsmenge abhängig und folglich auch der Gewinn des Un-

84

5 Produktion, Kosten und Marktangebot

ternehmens. Es gilt daher, jene Produktionsmenge zu bestimmen, welche die Differenz zwischen Erlös und Kosten maximiert.

Das Gewinnmaximierungsproblem Die Lösung des Gewinnmaximierungsproblems lässt sich anschaulich mit dem Verhältnis der Grenzkosten zu den Grenzerlösen darstellen. Wird eine zusätzliche Einheit produziert und zeigt sich, dass die Grenzkosten kleiner sind als der am Markt erzielbare Grenzerlös, so wird noch ein zusätzlicher Gewinn gemacht. Dem bereits erzielten Gewinn werden also weitere Einheiten zugefügt. Dagegen führt in dem Fall, in dem die Grenzkosten größer als der Grenzerlös sind, die Mengenvergrößerungen zu einem zusätzlichen Verlust, der einen eventuell vorhandenen Gewinn mindert. Der maximale Gewinn ist realisiert, wenn die Grenzkosten dem Grenzerlös entsprechen. Der Produktionsplan lautet also, dass die Produktionsmenge solange zu erhöhen ist, wie die Grenzerlöse die Grenzkosten übersteigen. Mathematisch lässt sich das Problem so formulieren, dass das Unternehmen die Gewinnfunktion G(x) = E(x) − K(x) zu maximieren hat. Das verlangt eine Differenzierung von G nach x und eine Nullsetzung der ersten Ableitung: dG dE dK = − =0 dx dx dx Mithin gilt für das Gewinnmaximum: dE dK = [Gewinnmaximierungsbedingung] dx dx Im Gewinnmaximum ist der Grenzerlös gleich den Grenzkosten. Für den Fall, dass der Preis von dem Unternehmen nicht beeinflusst werden kann (und nur für diesen Fall!), gilt:

5.3 Die gewinnmaximale Produktionsmenge

p=

85

dK (= GK ) dx

Die graphische Analyse der gewinnmaximalen Produktionsmenge bei Uförmigen Kostenverläufen ist in Abbildung 5.10 dargestellt.

GK

Gewinnmaximum

p

A

DTK

p = GE

D

B

C

x0

x1

x2 x

Abbildung 5.10: Gewinnmaximum des Mengenanpassers

Die gewinnmaximale Menge beträgt x1, weil die Grenzkosten bei dieser Menge gleich dem Grenzerlös bzw. dem Marktpreis sind. Der Gewinn entspricht der Fläche des Rechtecks A B C D. Sein Flächeninhalt ist x1 · (p – DTK), also das Produkt aus der Menge x1 und dem Stückgewinn (p – DTK). Für jede vor x1 liegende Menge mit einem positiven Gewinn gilt, dass der Grenzerlös größer ist als die Grenzkosten. Jede Mengenausdehnung verspricht hier einen zusätzlichen Gewinn. Für die Maximierungsanalyse relevant ist nur der aufsteigende Ast der Grenzkostenkurve, da im Gewinnmaximum die Steigung der GE-Kurve geringer sein muss als die der GK-Kurve (SCHUMANN/MEYER/STRÖBELE 2007, S. 174). Alle rechts von x1 liegenden Mengen mindern den Gewinn. Bei der Menge x2, bei der der Preis den DTK entspricht, wird kein Gewinn erzielt. Dabei ist zu beachten, dass in den Kosten die Verzinsung des eingesetzten Kapitals und ein Unternehmerlohn ent-

86

5 Produktion, Kosten und Marktangebot

halten sind, in der Literatur auch als Normalgewinn (normal profit) bezeichnet.

5.4

Die unternehmensindividuelle Angebotskurve

Die unternehmensindividuelle Angebotskurve ordnet den Marktpreisen die jeweilige gewinnmaximale Menge eines Unternehmens zu, das als Mengenanpasser handelt. Da die gewinnmaximale Menge sich nach der Regel bestimmt, dass jene Menge zu wählen ist, deren Grenzkosten dem Preis entspricht, ist die Höhe der am Markt angebotenen Menge abhängig von der Höhe des erwarteten Preises (siehe Abbildung 5.11).

a) p

p2

b) p DTK

GK

p2

DVK

p1

p1

p0

p0

x0

x1 x 2

x

x0

x1 x 2

x

Abbildung 5.11: Die unternehmensindividuelle Angebotsfunktion

Wo beginnt die unternehmensindividuelle Angebotskurve? Zur Beantwortung dieser Frage betrachten wir die Menge x1, die bei einem Preis von p1 angeboten wird. In dieser Situation ist der Gewinn auf Null zurückgegangen, realisiert wird aber der Normalgewinn. Das Unternehmen hat keine Veranlassung, die Produktion aufzugeben. Anders dagegen, wenn der Preis unterhalb von p1 liegt, weil hier ein Teil der fixen Kosten nicht gedeckt ist. Auf längere Sicht wird das Unternehmen daher zu Preisen unterhalb von p1 nicht produzieren (langfristige Preisuntergrenze). Kurzfristig dagegen schon, z.B. beim Preis p0, wenn zumindest die variablen Kosten gedeckt werden, und das Unternehmen erwartet, dass der Marktpreis wieder steigt (kurzfristige Preisun-

5.5 Das Marktangebot

87

tergrenze). Die individuelle Angebotskurve hat daher ihren Ursprung in der kurzfristigen Preisuntergrenze. Die Steigung der Angebotskurve wird bestimmt durch den Verlauf der Grenzkostenkurve und damit durch die Art der Produktionsfunktion und das gegebene Faktorpreisverhältnis. Preisänderungen der variablen Produktionsfaktoren und Änderungen der Produktionstechnik bewirken eine Verschiebung der individuellen Angebotskurve. Zu einem gegebenen Marktpreis wird dann eine größere oder kleinere Produktionsmenge angeboten. Preisänderungen der fixen Produktionsfaktoren lassen demgegenüber die Angebotskurve unverändert. Sie bewirken lediglich eine Verschiebung der DTK-Kurve.

5.5

Das Marktangebot

Die kurzfristige Marktangebotskurve Gehen wir von der Annahme aus, dass alle Anbieter auf einem Markt über dieselbe Kostenstruktur verfügen – unser einzelner Anbieter mithin ein repräsentativer Anbieter ist –, dann lässt sich graphisch die Marktangebotskurve durch Aggregation der zu jeden Preis unternehmensindividuell angebotenen Mengen ermitteln. Aufgrund der unterstellten Produktionsfunktion und des daraus folgenden Grenzkostenverlaufs wird die Marktangebotskurve nicht linear verlaufen.

Die langfristige Marktangebotskurve Bisher wurde angenommen, dass die Produktionskapazitäten der Anbieter eine gegebene Größe darstellen, d.h. die Betriebsgröße ist konstant. Wird diese Annahme aufgehoben, dann stellt sich die Frage nach der optimalen Betriebsgröße. Dazu ist ein Blick auf die langfristige Angebotskurve (in der Literatur auch als LDK-Kurve bezeichnet) erforderlich. Für die einzelnen Betriebsgrößen lassen sich die kurzfristigen Durchschnittskosten bestimmen, sie sinken zunächst, erreichen ein Minimum und steigen dann wieder an. Die langfristige Durchschnittskostenkurve ist die Kurve, welche die kurzfristige Durchschnittskostenkurven „umhüllt“. Sie gibt für jede Angebotsmenge an,

88

5 Produktion, Kosten und Marktangebot

welche Betriebsgröße notwendig ist, um im Betriebsoptimum zu produzieren (siehe Abbildung 5.12). Der Verlauf der langfristigen Angebotskurve verdeutlicht, ob konstante, zunehmende oder abnehmende Skalenerträge vorliegen. In dem Bereich, in dem die langfristige Durchschnittskostenkurve sinkt, liegen steigende Skalenerträge vor – eine Verdopplung des Faktoreinsatzes führt zu einem Anstieg des Outputs von mehr als dem Doppelten. Im dem Bereich, in dem die langfriste Angebotskurve wieder ansteigt, liegen sinkende Skalenerträge vor – eine Verdopplung der Inputfaktoren führt zu einem Anstieg des Outputs um weniger als das Doppelte.

LDK

DTK DTK

LDK

5 1 4 2 3

kurzfristige DTK langfristige DTK (LDK) x Abbildung 5.12: Langfristige Angebotskurve

6

Preisbildung und Gleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz

In Kapitel 3 wurde mit den Angebots- und Nachfragediagrammen bereits ein zentrales Instrument der ökonomischen Analyse vorgestellt. Es wurde gezeigt, dass das Marktgleichgewicht durch den Schnittpunkt von Angebotsund Nachfragekurve bestimmt wird. Abweichungen vom Marktgleichgewicht führen zu Anpassungen in Richtung Gleichgewicht. Dieser Analyse liegt das Modell eines Wettbewerbsmarktes zugrunde. Der Idealtyp eines Wettbewerbsmarktes in der Mikroökonomie ist die vollständige Konkurrenz. Daher soll diese im Folgenden näher vorgestellt werden.

6.1

Das Modell der vollständigen Konkurrenz

Das Modell der vollständigen Konkurrenz (perfect competition) beruht auf einer Reihe von Annahmen über die Marktstruktur und das Marktverhalten:

• Es gibt sehr viele Anbieter und Nachfrager, deren Marktanteile außerordentlich niedrig sind. Diese Marktform wird auch als Polypol bezeichnet. • Bei dem Gut, das angeboten wird, handelt es sich um ein homogenes Gut. Es existieren keinerlei Präferenzen, weder räumlich noch persönlich oder sachlich. • Der Marktzutritt und -austritt ist ohne Kosten und ohne rechtliche Beschränkungen jederzeit möglich. Marktzutrittsschranken (barriers to entry) sind etwa dann gegeben, wenn Anbieter, die bereits in einem Markt produzieren, gegenüber newcomern Kostenvorteile aufweisen, etwa aufgrund von Präferenzen der Nachfrager, ausschließlichen Verfügungen über Produktionsfaktoren oder erheblichen economies of scale. Marktaustrittsschranken (barriers to exit) liegen dann vor, wenn irreversible, marktspezifische Investitionen (sog. sunk costs) noch nicht amortisiert sind.

90

6 Preisbildung und Gleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz

• Anbieter und Nachfrager sind über alle entscheidungsrelevanten Variablen vollständig informiert (vollständige Markttransparenz). Aus diesen Annahmen folgt, dass Anbieter und Nachfrager keinen Einfluss auf den Marktpreis haben. Sie betrachten den Preis als gegeben und können die Menge bestimmen (Verhalten als Mengenanpasser bzw. Preisnehmer). Auf dem Markt für ein homogenes Gut kann es nur einen einheitlichen Preis geben (Gesetz der Preisunterschiedslosigkeit). Es ist fast überflüssig zu sagen, dass diese Bedingungen in der Realität nur auf wenigen Märkten (z.B. bestimmte Finanzmärkte, Rohstoff- und Nahrungsmittelmärkte) anzutreffen sind. Gleichwohl ist das Modell der vollständigen Konkurrenz als Referenzmodell hilfreich, um Märkte mit unvollständigem Wettbewerb analysieren und beurteilen zu können.

6.2

Das kurzfristige Konkurrenzgleichgewicht

Ein Marktgleichgewicht liegt dann vor, wenn die von den Unternehmen zu einem bestimmten Preis geplanten Angebotsmengen xA den Nachfragemengen der Haushalte xN zu eben diesem Preis, dem Gleichgewichtspreis entsprechen (siehe ). Das Konkurrenzgleichgewicht ist dann definiert durch x N (p ∗ ) = x A (p ∗ ).

Zu dem Gleichgewichtspreis p* werden die Pläne der Anbieter und Nachfrager erfüllt, so dass sie – zumindest kurzfristig – keine Veranlassung zu Planrevisionen haben. Ganz anders ist die Situation, wenn auf dem Markt der Preis p2 gegeben ist. Das geplante Angebot übersteigt zu diesem Preis die geplante Nachfrage [xA(p2) > xN(p2)]. Es herrscht ein Angebotsüberschuss. Dieser kennzeichnet eine Situation des Ungleichgewichts, da der Angebotsüberschuss eine Preissenkung in Richtung p* auslösen wird. Bei dem Preis p1 liegt ein Nachfrageüberschuss vor [xN(p1) > xA(p2)]. Die Anpassung an das Gleichgewicht erfolgt über eine Preiserhöhung.

6.2 Das kurzfristige Konkurrenzgleichgewicht

91

p N

A

p2 p*

p1

x (pA 1 )

x (pN 2 ) x *

x (pA 2 ) x (pN1 )

x

Abbildung 6.1: Das Konkurrenzgleichgewicht

Anhand der Preise p1 und p2 können auch die Auswirkungen von staatlicher Mindest- und Höchstpreisen untersucht werden. Mindestpreise werden festgelegt, um die Anbieter vor einem Preisverfall ihrer Produkte zu bewahren. Mindestpreise liegen daher stets oberhalb des Gleichgewichtspreises (p2). Der Angebotsüberschuss muss dann durch den Staat vom Markt genommen werden, indem er – wie bei einigen landwirtschaftlichen Gütern – zu den Mindestpreisen angekauft wird. Höchstpreise dagegen sollen die Nachfrager vor einem zu hohen Marktpreis schützen. Sie liegen daher unterhalb des Gleichgewichtspreises (p1). Da der Preis in diesem Fall als Rationierungsinstrument ausfällt, muss er durch andere Verfahren ersetzt werden (Wartezeiten oder Anrechtsscheine).

Veränderungen des kurzfristigen Marktgleichgewichts Wie vollzieht sich kurzfristig die Anpassung an ein neues Gleichgewicht? Zur Beantwortung dieser Frage beginnen wir die Analyse mit einem Marktgleichgewicht, das durch eine Erhöhung der Nachfrage, z.B. als Folge einer Einkommenserhöhung, gestört wird und betrachten die Gleichgewichtssituation vor und nach dem Anpassungsprozess. Dabei erweist es sich als zweckmäßig, die Situation sowohl aus der Sicht eines einzelnen repräsentativen Anbieters als auch aus der Sicht des Marktes darzustellen.

92

6 Preisbildung und Gleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz

Gilt für den Markt die Nachfragekurve N0 und die Angebotskurve A, so ist p0 der Gleichgewichtspreis und x0 die Gleichgewichtsmenge (siehe Abbildung 6.2b). Zum Preis p0 bietet das Unternehmen die Menge x0 an (siehe Abbildung 6.2a). Zu beachten ist, dass x0 in der rechten Graphik das Mehrfache der Menge x0 in der linken Graphik beträgt. Das Unternehmen produziert im Minimum der Durchschnittskostenkurve (Betriebsoptimum). Der Preis p0 deckt seine Kosten und das Unternehmen erzielt einen Normalgewinn. a)

p

b)

DTK

GK

DVK

p

p2

p2

p0

p0

p1

p1

x1

x0 x2

x

N1

N0

N2 A

x1

a.: Unternehmen

x0 x2 x3

x

b.: Markt

Abbildung 6.2: Anpassung an Nachfrageänderungen

Steigt nun die Nachfrage (Verschiebung N nach N2), so entsteht auf dem Markt zunächst eine Überschussnachfrage in Höhe von x3 - x0. Diese Knappheitssituation wird Preiserhöhungen auf dem Markt auslösen. Alle Anbieter erhöhen entsprechend ihrer Grenzkostenkurve die Angebotsmengen, während gleichzeitig die nachgefragte Menge als Folge der Preiserhöhung zurückgeht. Der Anpassungsprozess findet sein Ende, wenn im neuen Gleichgewicht (p2, x2) der Markt geräumt ist. In diesem neuen Marktgleichgewicht erzielt das Unternehmen einen über den Normalgewinn hinausgehenden Gewinn in Höhe der Differenz zwischen p2 und den DTK bei der Menge x2, multipliziert mit der Menge x2. Dieser Gewinn erfüllt eine wichtige volkswirtschaftliche Lenkungsfunktion, da er neue Anbieter in den Markt lockt. Wäre dagegen die Nachfrage auf N1 gefallen, würde das Unternehmen zum Gleichgewichtspreis p1 nicht kostendeckend produzieren. Der Preis p1 deckt

6.3 Das langfristige Konkurrenzgleichgewicht

93

nur die durchschnittlichen variablen Kosten. Das Unternehmen kann diese Situation nur kurzfristig überstehen. Würde der Preis p1 langfristig stabil bleiben, müsste es aus dem Markt ausscheiden. Der Gleichgewichtspreis p0 kennzeichnet somit ein langfristiges Gleichgewicht auf dem Markt. Die Preise p2 und p1 sind demgegenüber nur kurzfristige Gleichgewichtspreise. Sie werden längerfristig Anpassungsprozesse hervorrufen.

6.3

Das langfristige Konkurrenzgleichgewicht

Das durch den Preis p2 in Abbildung 6.2b gekennzeichnete kurzfristige Gleichgewicht wird neue Anbieter veranlassen, in den Markt einzudringen. Auch die etablierten Anbieter werden ihre Produktionskapazitäten erweitern. Zur Vereinfachung sehen wir im Folgenden von dieser Möglichkeit ab. Da annahmegemäß keine Marktzutrittsschranken bestehen, können die neuen Anbieter zu den gleichen Bedingungen produzieren wie die etablierten Unternehmen. Die Ausweitung des Angebots durch die neuen Anbieter lässt sich graphisch durch eine Rechtsverschiebung der Angebotskurve von A nach A1 darstellen (siehe Abbildung 6.3). Zur Analyse der langfristigen Anpassungsprozesse wird die PreisMengenkombination p0, x0, die durch die Nachfrage N0 und das Angebot A bestimmt ist, als Ausgangsgleichgewicht gewählt. Nur zu diesem Preis kann das in Abbildung 6.2a dargestellte Unternehmen dauerhaft existieren. Kommt es zu einer Erhöhung der Nachfrage, dann kennzeichnet die PreisMengenkombination p2, x2 ein neues kurzfristiges Gleichgewicht (Schnittpunkt der N2-Kurve mit der Angebotskurve A). In dieser Situation erzielen die Unternehmen höhere Gewinne als den Normalgewinn. Die Erhöhung des Angebots durch die neuen Anbieter bewirkt eine Rechtsverschiebung der Angebotskurve von A nach A1 Dies hat eine Preissenkung in Richtung auf p0 zur Folge. Dieser Prozess wird so lange andauern, wie der Marktpreis über den Durchschnittskosten neuer Anbieter liegt und einen Überschussgewinn signalisiert. Im Gleichgewichtspunkt p0, x3 ist ein neues Gleichgewicht erreicht, das sich vom Ausgangsgleichgewicht lediglich durch die größere Produktionsmenge unterscheidet. Die Überschussgewinne sind

94

6 Preisbildung und Gleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz

„zerronnen“. Das Unternehmen in Abbildung 6.2a produziert wieder im Minimum der durchschnittlichen totalen Kosten. Anbieter mit höheren Kosten, die zu allen Preisen zwischen p2 und p0 noch rentabel produzieren konnten oder als Grenzanbieter auf einen Wiederanstieg des Preises hofften, sind endgültig aus dem Markt ausgeschieden. Bei der hier vorgenommenen Analyse handelt es sich um eine komparativ-statische Analyse, die Gleichgewichtspunkte miteinander vergleicht. Demgegenüber analysiert eine dynamische Analyse die Prozessabläufe zwischen den Gleichgewichtspunkten unter Beachtung von Reaktionsverzögerungen (vgl. dazu z.B. das Spinngewebemodell in SCHUMANN/MEYER/STRÖBELE 2007, S. 226 ff.).

p N0

N2

A

A1

p2 AL

p0

x0

x2 x3

x

Abbildung 6.3: Langfristiges Konkurrenzgleichgewicht

Verbinden wir die Gleichgewichtspunkte p0, x0 und p0, x3 miteinander, so erhalten wir die langfristige Angebotskurve AL. Die langfristige Angebotskurve läuft parallel zur x-Achse unter der Annahme, dass die Produktionstechnologie unverändert bleibt. Eine parallel zur Mengenachse verlaufende Angebotskurve unterstreicht die Bedeutung der Annahme der klassischen Nationalökonomie, dass langfristig der Preis allein von den Kosten bestimmt wird (natürlicher Preis) und die Nachfrage lediglich die Angebotsmenge.

6.4 Konsumenten- und Produzentenrente

95

Die wesentlichen Ergebnisse der Analyse der vollständigen Konkurrenz sind folgende:

• Die Höhe des Gleichgewichtspreises p* wird determiniert durch die Übereinstimmung des geplanten Angebots und der geplanten Nachfrage. Angebots- bzw. Nachfrageüberschüsse werden durch Preissenkungen bzw. Preiserhöhungen beseitigt. Der Gleichgewichtspreis ist ein markträumender Preis. • Der Marktpreis ist gleich den Grenzkosten (p* = GK) des repräsentativen Unternehmens. • Im langfristigen Gleichgewicht gilt zusätzlich, dass der Preis den minimalen durchschnittlichen Gesamtkosten entspricht (p* = GK = DTKMin). Die Unternehmen produzieren im Betriebsoptimum. • Langfristig ist die Produktion gewinnlos in dem Sinne, dass kein über dem Normalgewinn liegender Gewinn erzielt wird.

6.4

Konsumenten- und Produzentenrente

Zur Interpretation der Konsumenten- und Produzentenrente betrachten wir Abbildung 6.4 näher. Die Nachfragekurve N kann als Kurve der Zahlungsbereitschaft interpretiert werden. Sie gibt alle Preise an, welche ein Nachfrager bei einer bestimmten Menge höchstens bereit wäre zu zahlen. Die Konsumentenrente ist die Differenz zwischen der Zahlungsbereitschaft der Nachfrager und dem tatsächlich gezahlten Preis. Graphisch entspricht sie der dunkel schattierten Fläche unterhalb der Nachfragekurve (Fläche ABp*). Die Angebotskurve lässt sich so interpretieren, dass sie alle Preise angibt, welche die Anbieter bei einer bestimmten Menge mindestens verlangen. Die Produzentenrente im Gleichgewicht B entspricht dann der Dreiecksfläche CBp* oberhalb der Angebotskurve. Diese Produzentenrente fällt jenen Anbietern zu, deren durchschnittliche variable Kosten geringer sind als die des Grenzanbieters zum Preis p*. Das Marktgleichgewicht im Punkt B kann daher so interpretiert werden, dass dort die Summe aus Konsumenten- und Produzentenrente maximiert wird.

96

6 Preisbildung und Gleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz

p

A A Konsumentenrente

B

p* Produzentenrente

N C

x*

x

Abbildung 6.4: Allokationseffizienz des Konkurrenzgleichgewichts

Der Gleichgewichtspunkt (p*, x*) wird auch als Pareto-Optimum oder Allokationsoptimum bezeichnet. Diese Bezeichnung erinnert an V. PARETO, der ein Kriterium vorgeschlagen hat, mit dem das Wohlfahrtsoptimum einer Gesellschaft bestimmt werden kann. Dieses Optimum ist nach dem ParetoKriterium dann erreicht, wenn es keine Möglichkeit gibt, eine Person besser zu stellen, ohne eine andere zu benachteiligen. VILFREDO PARETO (1848-1923), ein italienischer Ökonom und Soziologe, übernahm 1891 den Lehrstuhl von LÉON WALRAS an der Universität Lausanne. Seine Arbeiten beeinflussten die Entwicklung der modernen Wohlfahrtsökonomik.

Offenbar ist das Pareto-Optimum für alle Mengen kleiner als x* nicht erfüllt. Denn es gibt wenigstens einen Nachfrager, der bei dieser Menge bereit ist, für eine zusätzliche Einheit einen Preis zu zahlen, der größer ist als der Angebotspreis eines Anbieters. Würde diese Einheit produziert und zu dem Preis p* getauscht werden, wären Nachfrager und Anbieter besser gestellt als vor dem Tausch. Der Nachfrager zahlt einen geringeren Preis als er zu zahlen

6.4 Konsumenten- und Produzentenrente

97

bereit wäre, der Anbieter erhält einen höheren Preis als den verlangten Grenzkostenpreis. Durch eine Ausdehnung der Produktion und den anschließenden Tausch lässt sich folglich die Wohlfahrtssituation von Nachfrager und Anbieter so lange verbessern bis das Marktgleichgewicht erreicht ist. In der Effizienzanalyse liegt ein wesentlicher Erkenntniswert des Modells der vollständigen Konkurrenz. Als normatives Referenzmodell wird es daher in der mikroökonomischen Theorie herangezogen, um die wohlfahrtsmindernden Effekte von Monopolpreisen, staatlichen Höchst- und Mindestpreisen sowie staatlicher Besteuerung und Zöllen zu untersuchen. Das Konkurrenzmodell ist jedoch nicht für alle Güter als normatives Referenzmodell geeignet. In bestimmten Fällen kommt es zu Marktversagen.

Öffentliche Güter und externe Effekte Bei einigen Gütern können Nachfrager nicht vom Konsum ausgeschlossen werden. Beispiele sind Leuchttürme, Deiche, kabellose Fernseh- und Rundfunknetze oder die Landesverteidigung. Das Angebot dieser Güter ist nicht teilbar und das Ausschlussprinzip ist nicht anwendbar. Die eigennützig handelnden Nachfrager sind deshalb nicht bereit, ihre Zahlungsbereitschaft offenzulegen, weil sie vom Konsum nicht ausgeschlossen werden können (free rider-Verhalten). Es kann sich folglich kein Marktpreis bilden, der zur Finanzierung der Produktion notwendig wäre und der die effiziente Allokation steuert. Das Angebot muss durch Steuern finanziert und durch den Staat bereitgestellt werden. Solche Güter werden daher als öffentliche Güter oder Kollektivgüter bezeichnet (vgl. Kapitel 1). Für öffentliche Güter gilt außerdem, dass der Konsum nicht „rivalisiert“, d.h. der Konsum eines zusätzlichen Nachfragers reduziert nicht die konsumierbare Menge der übrigen Nachfrager. Das Merkmal der Nicht-Rivalität beim Konsum lässt sich auch bei Gütern beobachten, auf die das Ausschlussprinzip zwar grundsätzlich anwendbar ist, man denke an Autobahnen oder große Parks. Solange jedoch die Kapazitätsgrenze noch nicht erreicht ist, beschränkt ein zusätzlicher Nachfrager nicht die Konsummöglichkeiten andere. Allokationsineffiziente Ergebnisse ergeben sich im Konkurrenzmodell auch dann, wenn externe Effekte beim Konsum oder in der Produktion auftreten. Externe Effekte in der Produktion begünstigen oder schädigen Dritte, ohne dass eine Kompensation über das Preissystem erfolgt. Negative externe Effekte sind z.B. Umweltschäden, die durch den Produktionsprozess verursacht

98

6 Preisbildung und Gleichgewicht bei vollständiger Konkurrenz

werden. Jede Produktionseinheit verursacht dabei nicht nur betriebliche Grenzkosten, sondern auch externe Kosten, so dass die volkswirtschaftlichen Grenzkosten höher liegen. Sofern es den Betroffenen durch Verhandlungen nicht gelingt, die externen Effekte zu internalisieren, sind staatliche Interventionen in Form von Ge- und Verboten oder Umweltabgaben erforderlich. Unter bestimmten, sehr restriktiven Bedingungen können Verhandlungen eine allokationseffiziente Lösung bewirken (Coase-Theorem, vgl. VARIAN 2007, S. 749f.). Positive externe Effekte im Konsum liegen z.B. bei Gesundheits- und Bildungsgütern vor, weil das Gesundheits- und Bildungsniveau eines Einzelnen auch Dritte begünstigt (geringere Infektionsgefahr, höhere Arbeitsproduktivität). Auf dem Markt gibt die Höhe der Zahlungsbereitschaft eines Nachfragers nur seinen individuellen (Grenz-)Nutzen wieder, nicht jedoch den sozialen (Grenz-)Nutzen als Summe aus dem individuellen und dem externen Nutzen jeder marginalen Einheit. Da positive externe Effekte die Merkmale eines Kollektivgutes aufweisen und somit nicht „internalisiert“ werden können, ist zur Bereitstellung der allokationseffizienten Menge eine staatliche Subventionierung erforderlich. Von der Bedeutung des Modells der vollständigen Konkurrenz als normatives Referenzmodell ist sein Erkenntniswert als Erklärungsmodell zu unterscheiden. Zur Erklärung und Prognose realer Marktprozesse kann das Modell unmittelbar nicht herangezogen werden. Nur wenige Märkte erfüllen die Struktur und Verhaltensbedingungen, welche dieses Marktmodell voraussetzt. Monopol- und Oligopolmodelle haben hier zweifellos einen größeren Erklärungswert. Dennoch sind im Modell der vollständigen Konkurrenz bestimmte Muster zu erkennen, die für reale Wettbewerbsprozesse typisch sind. So kommt in der Mengenanpasserannahme zum Ausdruck, dass auf Wettbewerbsmärkten der einzelne Anbieter das Marktgeschehen nur in Grenzen beeinflussen kann, d.h. der Wettbewerb hat eine „entmachtende“ Funktion. Typisch für Wettbewerbsprozesse ist auch, dass Gewinne, welche Anbieter am Markt erzielen und die über den Normalgewinn hinausgehen, durch die nachfolgenden Konkurrenten wieder beseitigt werden. Damit er langfristig nicht aus dem Markt ausscheidet, ist der einzelne Anbieter gezwungen, mit der Produktionstechnik des kostengünstigeren Konkurrenten zu produzieren. Es ist daher durchaus möglich, auf der Grundlage des Modells der vollständigen Konkurrenz Aussagen zu machen über die Verlaufsmuster von Wettbewerbsprozessen und die Richtung, in welche die Marktkräfte wirken.

7

Monopol, monopolistische Konkurrenz und Oligopol

Neben der vollständigen Konkurrenz werden in der Mikroökonomie drei weitere Marktmodelle unterschieden: das Monopol, die monopolistische Konkurrenz und das Oligopol. Wir beginnen zunächst mit der Darstellung des Monopols als polaren Gegensatz zur vollständigen Konkurrenz.

7.1

Monopol

Grundlage der weiteren Ausführungen ist das Monopolmodell nach Cournot. ANTOINE AUGUSTIN COURNOT (1801-1877), ein französischer Mathematiker und Ökonom, gilt als Mitbegründer der mathematischen Wirtschaftstheorie. Die von COURNOt entwickelten Lösungen für das Monopol- und Oligopolgleichgewicht gelten als Pionierleistungen in der Geschichte des ökonomischen Denkens. Sein bedeutendstes Werk sind die Recherches sur les principes mathématiques de la théorie des richesses (1838).

Das Modell geht von folgenden Annahmen aus:

• • • • • •

Der Markt wird von einem Anbieter beherrscht. Ein Marktzutritt ist nicht möglich. Es handelt sich um ein homogenes Gut. Die Nachfrageseite des Marktes ist polypolistisch strukturiert. Der Monopolist kann den Preis bestimmen. Zielsetzung ist Gewinnmaximierung.

100

7 Monopol, monopolistische Konkurrenz und Oligopol

In der Realität entspricht das Cournotsche Monopolmodell annähernd einem Anbieter, dessen Produkt oder dessen Produktionsverfahren durch ein Patent geschützt ist oder der über ein Rohstoffmonopol verfügt. Die Verwendung des Monopolmodells ist aber nicht auf das Angebots- oder Nachfragemonopol (Monopson) beschränkt. Es eignet sich grundsätzlich auch für die Analyse von marktbeherrschenden Unternehmen, dem sich die übrigen Anbieter auf dem Markt unterordnen, oder zur Analyse eines Kartells von rechtlich selbständigen Unternehmen. Der wesentliche Unterschied des Cournotschen Monopolisten zum Anbieter bei vollständiger Konkurrenz besteht in der Verhaltensweise auf dem Absatzmarkt. Unbeachtet bleibt, dass ein Monopol auch aufgrund von produktionstechnisch bedingten Kostenvorteilen entstehen kann. Dieser Aspekt steht im Mittelpunkt der Theorie des natürlichen Monopols (vgl. SCHUMANN/MEYER/STRÖBELE 2007, S. 299 ff.).

7.1.1

Die Erlösfunktion des Monopolisten

Während der Mengenanpasser bei vollständiger Konkurrenz erwartet, dass eine Vergrößerung seiner am Markt angebotenen Menge den Preis nicht beeinflusst, muss der Monopolist damit rechnen, dass seine Mengenänderungen Einfluss auf den Preis haben. Eine höhere Menge ist nur zu niedrigeren Preisen abzusetzen. Oder – wenn wir unterstellen, der Monopolist handelt als Preisfixierer – eine Erhöhung des Preises wird einen Rückgang der abgesetzten Menge bewirken. Der Monopolist kann daher den Preis oder die Menge als Aktionsparameter wählen. Er kann sich aber nicht den durch die Marktnachfrage vorgegebenen Beschränkungen entziehen. Da der Erlös eines Unternehmens definiert ist als Produkt aus Preis und Menge, deren Beziehung für den Monopolisten durch die Marktnachfragekurve beschrieben wird, ergibt sich folgender Zusammenhang zwischen der Nachfragefunktion und den Erlösen (siehe Abbildung 7.1). Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass der Monopolist als Preisfixierer den Preis festlegt und die Mengenentscheidung den Nachfragern überlässt. Aus der Sicht des Monopolisten stellt die Nachfragefunktion seine Preis-AbsatzFunktion (PAF) dar. Der Erlös des Monopolisten ist definiert als E = p(x) ⋅ x. In Abbildung 7.1 ist der parabelförmige Verlauf der Erlösfunktion E(x) zu erkennen.

7.1 Monopol

101

p

E GE

E(x) >1

=1

0) darstellt, während c die marginale Konsumneigung oder marginale Konsumquote bezeichnet (mit 0 < c iQ), folgt daraus, dass die Investitionsgüternachfrage in P geringer ist als in Q. Somit liegt eine zu geringe gesamtwirtschaftliche Nachfrage vor (YN < YA). Es herrscht ein Überangebot. Eine analoge Überlegung lässt erkennen, dass der durch P′ bezeichnete Zustand eine Übernachfrage (YN > YA) repräsentiert. Es leuchtet ebenso ein, dass für alle Punkte oberhalb der IS-Kurve I < S gilt, für alle Punkte unterhalb der IS-Kurve I > S.

i

IS

T

iP

iQ i P'

P

Q

Y Y N

P' Y Q = YP

Y

Abbildung 8.8: Stabilitätsbetrachtung der IS-Kurve

8.6 Der Staat als Nachfrager auf dem Gütermarkt

143

Nachdem festgestellt wurde, welcher Art das Gütermarktungleichgewicht ist, bleibt zu fragen, ob die Wirtschaft ausgehend von einem Ungleichgewicht in ein Gütermarktgleichgewicht einmündet oder nicht. Hierzu wird wiederum angenommen, dass die Ausgangssituation (wie in Abbildung 8.8) durch (YP, iP) beschrieben ist und dass der Zinssatz unverändert bleibt. Der Ablauf der Anpassung entspricht dann der des Modells mit exogen bestimmten Investitionen. Da wegen YPA > YPN ein Überangebot vorliegt, wird die Produktion sinken. Dadurch geht nun die einkommensabhängige Konsumnachfrage zurück, bis letztendlich im Punkt T ein Gleichgewichtszustand erreicht ist. Gelangt man, ausgehend von Ungleichgewichtszuständen, stets in ein Gleichgewicht, so sagt man, der Gütermarkt sei stabil.

8.6

Der Staat als Nachfrager auf dem Gütermarkt

Die Staatsausgaben stellen die dritte Komponente der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage dar. Zur Vereinfachung werden folgende Annahmen gemacht: Unter Staatsnachfrage (G) werden alle Zahlungen für Faktorleistungen (Löhne und Gehälter) verstanden. Die Ausgaben des Staates für Investitionen in die öffentliche Infrastruktur werden in der Nachfragekomponente Investitionen erfasst. Einen weiteren Ausgabenposten stellen die Transferzahlungen (Tr) an die privaten Haushalte dar. Dieser Posten repräsentiert vor allem die Sozialleistungen. Die Höhe der Staatsausgaben ist die Folge politischer Entscheidungen, deren Ergebnis auf unterschiedliche Motive der politischen Handelnden zurückgeht, wie Gemeinwohl oder Stimmenmaximierung (DOWNS 1957, DRAZEN 2002). Im weiteren Verlauf gehen wir davon aus, dass die Nachfrage des Staates eine exogen bestimmte Größe ist. Die Einnahmen des Staates bestehen überwiegend aus Steuern. Im Folgenden wird unterstellt, dass die Steuereinnahmen (T) proportional mit dem Einkommen variieren. Die makroökonomische Steuerfunktion lässt sich dann wie folgt schreiben: T = t ⋅ Y,

wobei 0 < t < 1

144

8 Makroökonomischer Gütermarkt und IS-Kurve

Der Faktor t wird im Weiteren als Steuersatz bezeichnet, um deutlich zu machen, dass der Staat in der Lage ist, die Größe t zu beeinflussen. Die Staatsausgaben müssen nicht notwendiger Weise durch die Steuereinnahmen gedeckt werden. So kann es sein, dass der Staat ein Budgetüberschuss oder ein Budgetdefizit hat. Zusammenfassend kann folgende Budgetgleichung des Staates aufgestellt werden: BS = T − (G + Tr) = t ⋅ Y − (G + Tr),

Die Größe BS (= Budgetsaldo) zeigt an, ob die Staatsausgaben durch die Steuereinnahmen gedeckt werden: Gilt BS < 0, so bedeutet dies, dass die Steuereinahmen nicht ausreichen, um die Staatsausgaben zu finanzieren. Es liegt „ein negativer Budgetsaldo“ – ein Budgetdefizit – vor, der durch Staatsverschuldung finanziert werden muss. Gilt BS > 0, liegt ein Budgetüberschuss vor. Um den Staat in das Modell zu integrieren, müssen nun die bisher unterstellten Verhaltensgleichungen und Gleichgewichtsbedingungen modifiziert werden. Da sich die staatliche Aktivität ausschließlich auf dem Gütermarkt niederschlägt, sind bei der Formulierung der aggregierten Güternachfrage Änderungen vorzunehmen. Zunächst ist zu beachten, dass sich die Konsumnachfrage der privaten Haushalte infolge staatlicher Aktivität verändert, da das verfügbare Einkommen der Haushalte Yv nicht mehr dem Volkseinkommen entspricht. Vielmehr gilt aufgrund von Steuern und Transferzahlungen, dass Yv = Y – T + Tr ist. Für die Konsumnachfrage der privaten Haushalte folgt daraus: C = C aut + c(Y − T + Tr)

Wird die Steuerfunktion T = tY eingesetzt, gilt: C = C aut + c(Y − tY + Tr) = C aut + cTr + c(1 − t)Y

8.6 Der Staat als Nachfrager auf dem Gütermarkt

145

Die aggregierte Güternachfrage im Modell einer geschlossenen Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität lautet jetzt (vereinfacht): Y N = C(Y V ) + I(i) + G Sie setzt sich zusammen aus der vom verfügbaren Einkommen abhängigen Nachfrage nach Konsumgütern, der zinsabhängigen Investitionsgüternachfrage und den Staatsausgaben für Güter und Dienstleistungen. Unter Berücksichtigung der Staatsnachfrage G als zusätzlicher Nachfragekomponente auf dem Gütermarkt lautet die Bedingung für ein Gütermarktgleichgewicht wie folgt: Y A = Y N = C(Y v ) + I(i) + G Durch Einsetzen der modifizierten Konsumfunktion ergibt sich: Y A = Y N = Y * = C aut + cTr + c(1 − t)Y * + I(i * ) + G Die IS-Kurve einer geschlossenen Volkswirtschaft mit Staat ist somit der geometrische Ort aller Kombinationen von aggregiertem Güterangebot bzw. Volkseinkommen Y und Zins i, bei denen die Güternachfrage der privaten Haushalte, der Unternehmen und des Staates dem Güterangebot gleich ist. Die staatliche Aktivität beeinflusst sowohl die Lage als auch die Gestalt der IS-Kurve. Die IS-Kurve behält ihre negative Steigung im Y, i-Diagramm bei, jedoch verläuft sie nun steiler als im Fall ohne staatliche Aktivität, da 1 c < 1 - c(1 - t). Gleichzeitig verschiebt sich die IS-Kurve nach rechts, da mit den Staatsausgaben eine zusätzliche Nachfragekomponente auftritt. Insgesamt hat die Erweiterung des Modells um staatliche Aktivität zur Konsequenz, dass das Modell drei zusätzliche Variablen – die Staatsausgaben G, die Transferzahlungen Tr und der Steuersatz t – enthält, welche die Lage und Gestalt der IS-Kurve beeinflussen. Bei diesen Variablen handelt es sich um Größen, die der Staat zur Erreichung seiner stabilitätspolitischen Ziele bestimmen kann. Im Weiteren wollen wir uns damit beschäftigen, wie sich die Lage der IS-Kurve aufgrund von Änderungen der drei genannten Variablen verändert.

146

8 Makroökonomischer Gütermarkt und IS-Kurve

Der Einsatz des staatlichen Budgets unter der Zielsetzung der Stabilisierung des Wirtschaftsablaufes wird als Fiskalpolitik bezeichnet. Der Staat ist demnach bestrebt, mit Hilfe der Fiskalpolitik makroökonomische Variablen direkt zu beeinflussen. Je nachdem, ob die Fiskalpolitik darauf abzielt, im Falle einer Rezession die Wirtschaft "anzukurbeln" oder im Falle eines Booms die „überhitzte Konjunktur abzukühlen", spricht man von expansiver bzw. kontraktiver Fiskalpolitik. Dem Staat bieten sich als fiskalpolitische Maßnahmen zahlreiche Möglichkeiten die Staatsnachfrage, die Transferzahlungen, oder die Steuern zu variieren. Zur Vereinfachung werden die Transferausgaben als fiskalpolitisches Instrument vernachlässigt. Im weiteren Verlauf werden zwei Alternativen expansiver Fiskalpolitik vorgestellt:

Steuerfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben: Der Staat erhöht die Staatsnachfrage G. Diese Erhöhung der Staatsausgaben wird durch eine simultane Steuererhöhung finanziert, so dass nach wie vor ein ausgeglichenes Budget vorliegt. Kreditfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben: Der Staat erhöht die Staatsnachfrage G, ohne die Steuern zu verändern. Damit wird bewusst ein Budgetdefizit im Ausmaß der Staatsausgabenerhöhung und somit eine Staatsverschuldung in Kauf genommen. Zunächst wird eine steuerfinanzierte Erhöhung der Staatsausgaben behandelt: Es ergibt sich in zweifacher Hinsicht ein gesamtwirtschaftlicher Einfluss der Staatstätigkeit: Einerseits beeinflussen die Steuereinnahmen des Staates das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte und somit deren Konsumnachfrage, andererseits tritt die Staatsnachfrage auf dem Gütermarkt an die Seite der Nachfrage von Unternehmen und privaten Haushalten. Eine Erhöhung der Staatsnachfrage setzt, ebenso wie eine Erhöhung der Investitionsnachfrage, Multiplikatorprozesse in Gang, die ceteris paribus das Gleichgewichtseinkommen steigen lassen. Andererseits gibt der Steuersatzmultiplikator die Änderung des Gleichgewichtseinkommens an, die aus einer Variation des Steuersatzes resultiert. Aus der Konsumfunktion folgt, dass eine Erhöhung von t genauso wirkt, als sinke die marginale Konsumneigung c, wobei eine geringere Konsumneigung bekanntlich zu einem geringeren Gleichgewichtseinkommen führt. Demnach hat eine isolierte Erhöhung von t generell ein sinkendes Gleichgewichtseinkommen zur Folge. Soll die Erhöhung der Staatsnachfrage über einen höheren Steuersatz finanziert werden,

8.6 Der Staat als Nachfrager auf dem Gütermarkt

147

wirken somit zwei gegenläufige Effekte auf das Gleichgewichtseinkommen ein. Das Resultat des Gesamteffekts ist als HAAVELMO-Theorem bekannt. Es besagt, dass eine Erhöhung der Staatsnachfrage selbst dann das Gleichgewichtseinkommen auf dem Gütermarkt erhöht, wenn diese durch höhere Steuern finanziert werden. Die Begründung für dieses Resultat ist, dass von dem Einkommen, das jetzt aufgrund höherer Steuern nicht mehr zur Verfügung steht, lediglich ein Bruchteil, nämlich c, zur Güternachfrage der privaten Haushalte geworden wäre, während der Staat sämtliche zusätzlichen Einnahmen in Güternachfrage umsetzt. TRYGVE HAAVELMO (1911-1999), ein norwegischer Wirtschaftswissenschaftler, lehrte und forschte an der Universität Oslo. Für seine Analyse der wahrscheinlichkeitstheoretischen Grundlagen der Ökonometrie wurde ihm 1989 der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen.

Damit ist auch klar, dass eine steuerfinanzierte Erhöhung der Transferzahlungen anstelle von G keinen expansiven Effekt hervorrufen kann. Nutzt der Staat die höheren Steuereinnahmen, um die Transferzahlungen an die privaten Haushalte zu erhöhen, verändert sich das verfügbare Einkommen der Haushalte nicht. Da die Konsumneigung aller privaten Haushalte annahmegemäß identisch ist, kann auch eine damit verbundene Einkommensumverteilung keine Nachfrageeffekte hervorrufen, so dass das Gleichgewichtseinkommen unverändert bleibt. Es sollte beachtet werden, dass dieses Ergebnis nur dadurch zustande kommt, dass wir von Einflüssen, welche die Einkommensverteilung auf die aggregierte Konsumnachfrage ausübt, abgesehen haben. Kreditfinanzierte Staatsausgaben: Nehmen wir nun an, dass der Staat die Erhöhung der Staatsausgaben nicht durch Steuern, sondern über Kredite finanziert. Da bei einer kreditfinanzierten Erhöhung der Staatsausgaben keine kompensierende Steuererhöhung erfolgt, entfällt auch der nachfragedämpfende Effekt einer Steuererhöhung. Es folgt somit als Gesamteffekt lediglich der Staatsausgabenmultiplikator:

148

8 Makroökonomischer Gütermarkt und IS-Kurve Y=

1 ⋅ G s + ct

Bei einer kreditfinanzierten Erhöhung der Staatsausgaben ist die Rechtsverschiebung der IS-Kurve größer als im Fall steuerfinanzierter Staatsausgaben. Eine Erhöhung der Staatsausgaben führt zu einer Rechtsverschiebung der ISKurve. Gleiches gilt für eine Senkung der Steuern. Eine Verminderung der Staatsausgaben oder eine Erhöhung der Steuern hat dagegen eine Linksverschiebung der IS-Kurve zur Folge.

8.7

Der Gütermarkt in einer offenen Volkswirtschaft

Als vierte Komponente der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage betrachten wir die Nachfrage des Auslands nach inländischen Gütern, die Exporte (Ex). Allerdings müssen wir davon die inländische Nachfrage subtrahieren, die sich auf ausländische Güter richtet, die Importe (Im). Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage lässt sich dann durch folgende Gleichung darstellen: Y N = C + I + G + Ex − Im Im Folgenden wird wiederum aus Vereinfachungsgründen unterstellt, dass die Exporte eine exogen bestimmte Größe sind und die Importe von der Höhe des Einkommens abhängen. Es ist plausibel anzunehmen, dass die Importe mit höheren Einkommen zunehmen, da das Einkommensniveau die Nachfrage nach allen Gütern bestimmt, gleichgültig ob es sich um inländische oder ausländische Güter handelt. Auf den Einfluss der Wechselkurse wird an anderer Stelle näher eingegangen(siehe Kapitel 12). Für die Importnachfrage gilt somit: Im = m ⋅ Y

Der Buchstabe m kennzeichnet die marginale Importquote. Sie beschreibt die Zunahme des Imports, die bei einer Zunahme des Einkommens zu verzeichnen ist (∆Im/∆Y), wobei 0 < m < 1.

8.7 Der Gütermarkt in einer offenen Volkswirtschaft

149

Unter Beachtung einer offenen Volkswirtschaft lautet die Bedingung für ein Gütermarktgleichgewicht: Y A = Y N = Y * = C aut + cTr + c(1 − t)Y * + I(i) + G + Ex − mY * Wird die Gleichung nach Y* aufgelöst, so ergibt sich: Y* =

[

1 ⋅ C aut + cTr + I(i) + G + Ex s + ct + m

]

Der Multiplikator einer offenen Volkswirtschaft [1/(s+ct+m)] ist somit kleiner als in einer geschlossenen Volkswirtschaft. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ein Anstieg des Einkommens im Inland zum Teil auf Nachfrage nach ausländischen Gütern entfällt, sogenannte „Sickerverluste“. Für die Wirkung einer expansiven Fiskalpolitik auf die inländische Nachfrage ist das Ausmaß derartiger „Sickerverluste“ nicht unerheblich.

9

Makroökonomischer Geldmarkt und LM-Kurve

Bisher war der Zinssatz eine exogene Größe. Nun wollen wir uns näher damit befassen, wie der Zinssatz bestimmt wird. In makroökonomischen Modellen geschieht dies durch die Einführung des Geldmarktes, der durch die Analyse der Geldnachfrage und des Geldangebots näher untersucht wird. Deshalb soll zuvor kurz auf die wichtigsten Funktionen und die Bedeutung des Geldes hingewiesen werden. Geld dient als allgemeines Tauschmittel; es erleichtert den Güteraustausch (Tauschmittelfunktion). Dazu muss es als Zahlungsmittel akzeptiert werden (Zahlungsmittelfunktion). Ferner werden die Preise der Güter in Geldeinheiten ausgedrückt, wie z.B. in Euro, US-Dollar oder Yen (Rechenmittelfunktion). Letztlich bietet Geld auch die Möglichkeit der Anlage als Vermögen (Wertaufbewahrungsfunktion).

9.1

Die Geldnachfrage

Im Wesentlichen sind es zwei Gründe bzw. Motive die private Haushalte und Unternehmen veranlassen, Geld nachzufragen. Zum einen das Transaktionsmotiv, zum anderen das Spekulations- oder Vermögensanlagemotiv. Geld wird demnach einerseits gehalten, um die laufenden Käufe tätigen zu können, und andererseits dient es neben anderen Aktiva der Vermögensanlage. Keynes erwähnt als drittes Motiv das Vorsichtsmotiv. Daraus folgt eine zum Transaktionsmotiv zusätzliche Kassenhaltung, um bei unvorhergesehenen Ausgaben liquide zu sein. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass dieser Teil der Geldnachfrage in der Nachfrage nach Transaktionskasse enthalten ist.

9.1 Die Geldnachfrage

9.1.1

151

Die Transaktionskassennachfrage

Die Geldnachfrage aus dem Transaktionsmotiv (= Transaktionskassennachfrage) ergibt sich aus der Funktion des Geldes als universales Tausch- und Zahlungsmittel einer Volkswirtschaft. Da Einnahmen und Ausgaben eines Wirtschaftssubjektes asynchron sind, muss man, um Güter kaufen zu können, einen entsprechenden Vorrat an Bargeld halten. Die Höhe dieser Kassenhaltung wird vorrangig durch die geplanten Ausgaben bestimmt. Die Höhe der geplanten Ausgaben hängt ihrerseits vom Einkommen ab. Daher gilt für den Einzelnen und folglich für die Volkswirtschaft insgesamt die These, dass die Transaktionskasse vor allem vom Einkommen abhängt. Das Symbol L steht für Liquidität, d.h. Nachfrage nach Geld. Der Index T zeigt an, dass es sich um Liquidität zu Transaktionszwecken handelt. Betrachtet werden zunächst reale Größen, d.h. die reale Geldnachfrage und das reale Einkommen. Das Preisniveau ist exogen vorgegeben.

LT

L T = kY

L1T L0T

Y0

Y1

Y

Abbildung 9.1: Nachfrage nach Transaktionskasse

Ändern sich für den Einzelnen und die Volkswirtschaft die Zahlungssitten nur unwesentlich, so kann man für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nach Transaktionskasse LT den einfachen Zusammenhang postulieren:

LT = k ⋅ Y

k > 0 und konstant.

152

9 Makroökonomischer Geldmarkt und LM-Kurve

Steigt das Realeinkommen von Y0 auf Y1, nimmt die Nachfrage nach Transaktionskasse von L0T auf L1T zu (siehe Abbildung 9.1). Die Größe k wird als Kassenhaltungskoeffizient oder Kassenhaltungsdauer bezeichnet. Würde der Kassenhaltungskoeffizient beispielsweise ein Sechstel betragen, dann würden die Wirtschaftssubjekte zu Transaktionszwecken nur Geld in Höhe von ein Sechstel des Einkommens nachfragen. Der Kehrwert des Kassenhaltungskoeffizienten ist die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (V): V = 1/k. In unserem Beispiel würde die zu Transaktionszwecken benötigte Geldmenge sechs mal umgeschlagen. Nimmt also der Kassenhaltungskoeffizient zu, dann geht die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zurück und umgekehrt. Empirisch ermittelt wird die Umlaufgeschwindigkeit, indem das nominale BIP durch die Geldmenge dividiert wird.

9.1.2

Die Spekulationskasse

Den Ökonomen vor KEYNES war die Bedeutung des Geldes als Transaktionsund Wertaufbewahrungsmittel bekannt. KEYNES hat allerdings die Rolle des Geldes als Vermögensanlageobjekt besonders betont und analytisch konsequent in sein Modell einbezogen, indem er das Spekulationsmotiv als weitere Ursache der Geldnachfrage berücksichtigte. Zum Verständnis ist es zweckmäßig, verschiedene Anlageobjekte wie Geld, Wertpapiere und Sachanlagen zu betrachten, unter denen Vermögensbesitzer wählen können. Setzt man ein stabiles Preisniveau voraus, dann ist die Wertstabilität des Geldes über die Zeit sehr hoch: Die Kaufkraft ändert sich praktisch nicht, allerdings bringt die Bargeldhaltung keine Zinsen. Geld hat aber den Vorzug, sofort, das heißt ohne Zeitverlust und ohne Kosten verfügbar zu sein. Festverzinsliche Wertpapiere werfen zwar Zinsen ab, ihre Kurse können sich jedoch oft rasch ändern, so dass Wertverluste und Wertsteigerungen möglich sind. Allerdings sind Wertpapiere ebenfalls liquide, da sie börsenmäßig gehandelt werden und somit gegen geringe Kosten rasch liquidisiert, das heißt in Geld umgewandelt werden. Sachkapital (z.B. Maschinen, Bauten, Grundstücke usw.) ist wenig liquide, aber in aller Regel auch wertstabil. Im Folgenden soll an einem einfachen Portfolio die Anlageentscheidung zwischen einem festverzinslichen Wertpapier und Geldhaltung (= Spekulationskasse) illustriert werden.

9.1 Die Geldnachfrage

153

Kauft ein Vermögensanleger ein festverzinsliches Wertpapier mit unendlicher Laufzeit, so erhält er (eine entsprechende Stückelung vorausgesetzt) beispielsweise eine Nominalverzinsung von 5 % je Wertpapier pro Periode, so lange er oder seine Nachkommen das Papier besitzen. Hat das Wertpapier einen Nennwert von EUR 100, dann erhält der Vermögensanleger einen Zinsertrag von EUR 5 p.a. Auf der Grundlage einer Zins- bzw. Kurserwartung trifft der Anleger nun seine Entscheidung für oder gegen eine Wertpapierhaltung in Abhängigkeit von dem erwarteten Wertpapierkurs bzw. Effektivzins. Ist der gegenwärtige Wertpapierkurs relativ hoch, dann ist der Effektivzins niedrig und der Anleger erwartet zukünftig eine Kurssenkung bei den Wertpapieren und somit eine höhere Effektivverzinsung. Infolgedessen wird er sein Vermögen in Geld anlegen. Ist der gegenwärtige Zins vergleichsweise hoch und folglich der Wertpapierkurs niedrig, dann wird er sein Vermögen in Wertpapiere anlegen.

i

i max

L S = L S (i)

i min LS Abbildung 9.2: Nachfrage nach Spekulationskasse

Zwei Extremfälle sind zu erwähnen: 1. Ist der Zins sehr niedrig i = imin, das heißt umgekehrt, der Wertpapierkurs extrem hoch, dann ist es möglich, dass alle Anleger mit hoher Wahrscheinlichkeit niedrigere Kurse in der Zukunft erwarten und nur Bargeld halten. KEYNES hat diese Situation als Liquiditätsfalle bezeichnet.

154

9 Makroökonomischer Geldmarkt und LM-Kurve

2. Bei sehr geringem Wertpapierkurs, das heißt bei sehr hohem Zins i = imax kann es sein, dass die Anleger kein Bargeld mehr, sondern nur noch Wertpapiere halten wollen.. Dieses Szenario, in dem keine Geldhaltung aus dem Spekulationsmotiv erfolgt, wird als klassischer Fall bezeichnet. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Bedarf an Spekulationskasse (LS) vom Zins i abhängig ist. Je niedriger der Zins, desto höher die Spekulationskasse und umgekehrt (siehe Abbildung 9.2). Es gilt somit: L S = L S (i) mit

dL S L (Y0, i0) bzw. L < M. Dieses Ungleichgewicht auf dem Geldmarkt wird über Zinsanpassungen beseitigt, wobei zu beachten ist, dass sich die Transaktionskasse nicht verändern wird, da sie nur vom Einkommen abhängt. Die Nichtbanken halten bei der Einkommens-Zins-Konstellation Y0, i0 eine zu geringe Spekulationskasse.

160

9 Makroökonomischer Geldmarkt und LM-Kurve

Damit ist die Nachfrage nach Wertpapieren zu hoch, wodurch die Kurse steigen und folglich die Zinsen sinken. Der Prozess der fortschreitenden Zinssenkungen kommt zum Stillstand, wenn der Zinssatz einen Wert erreicht hat, bei dem die geplante Spekulationskasse so groß ist, dass beim gegebenen Transaktionskassenbedarf die geplante Geldnachfrage dem Geldangebot entspricht.

i

i0

A

B

i1

Y0

Y1

Y

Abbildung 9.6: Zinssatzanpassung im Geldmarktungleichgewicht

Im Punkt B unterhalb der LM-Kurve (aber noch oberhalb von imin!) ist beim gegebenen Einkommen Y1 der Zins i1 zu gering. Entsprechend ist die Geldnachfrage hier größer als die reale Geldmenge. Es gilt somit M/P < L (Y1, i1) bzw. L > M. In dieser Situation halten die Nichtbanken eine zu hohe Spekulationskasse. Damit ist die Nachfrage nach Wertpapieren zu gering. Die Folge ist ein niedriger Wertpapierkurs, worauf die Zinsen steigen, bis ein Gleichgewicht auf dem Geldmarkt erreicht ist. Durch die Anpassungen des Zinssatzes wird somit das Vermögensportfolio von Geld und Wertpapieren ins Gleichgewicht gebracht. Insgesamt zeigt sich, dass die LM-Kurve und damit der makroökonomische Geldmarkt unter der beschriebenen Zinsanpassungshypothese in dem Sinne stabil ist, dass Abweichungen vom Gleichgewicht Reaktionen bei den Wirtschaftssubjekten auslösen, die tendenziell das gestörte Gleichgewicht wieder herstellen.

10

IS/LM-Modell

10.1

Simultanes Gleichgewicht auf dem Güter- und Geldmarkt

Mit der IS-Kurve und der LM-Kurve wurden jeweils die Wertepaare aller Y, i-Kombinationen hergeleitet, für die sich der Gütermarkt bzw. der Geldmarkt im Gleichgewicht befinden. Die Analyse hat ergeben, dass normalerweise – also abgesehen von Sonderfällen – entlang der IS-Kurve jeweils ein höherer Zins mit einem niedrigeren Einkommen und entlang der LM-Kurve ein höherer Zins mit einem höheren Einkommen gepaart ist.

i

IS

LM

i*

Y*

Y

Abbildung 10.1: Simultanes Gleichgewicht auf dem Güter- und Geldmarkt

162

10 IS/LM-Modell

Da die IS-Kurve somit eine fallende, die LM-Kurve eine steigende Funktion im Einkommens/Zinssatz-Diagramm repräsentiert, kann es, wie Abbildung 10.1 zeigt, nur einen Schnittpunkt dieser beiden Kurven geben. Der Schnittpunkt von IS- und LM-Kurve ergibt die Werte Y* und i*, bei denen beide makroökonomischen Märkte, Gütermarkt und Geldmarkt, simultan im Gleichgewicht sind.

Das Diagramm in Abbildung 10.1 wird auch als Hicks-Diagramm bezeichnet. Es geht zurück auf den britischen Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger (1972) Sir JOHN R. HICKS (1904-1989), der 1937 in einem Aufsatz mit dem Titel „Mr. Keynes and the Classics: A Suggested Interpretation“ das IS/LM-Modell entwickelte. Damit gelang eine Formalisierung der Keynesschen Theorie, die zu einer größeren Bekanntheit in der wissenschaftlichen Gemeinschaft der Ökonomen führte. Heute ist das IS/LM-Modell das makroökonomische Standardmodell in fast jedem volkswirtschaftlichen Lehrbuch.

Ein simultanes Güter- und Geldmarktgleichgewicht bei gegebenem Preisniveau liegt dann vor, wenn das aggregierte Güterangebot der aggregierten Güternachfrage gleich ist und die Geldnachfrage dem Geldangebot entspricht. Bei der Interpretation dieses Gleichgewichts ist zu beachten, dass der Arbeitsmarkt bzw. das aggregierte Güterangebot bei der Herleitung der ISKurve nicht explizit mitberücksichtigt wurde. Es wurde lediglich ausgesagt, dass für alle Produktions- bzw. Angebotsentscheidungen der Unternehmen jeweils ein Zins existiert, der eine Gütermarkträumung herbeiführt. Im Schnittpunkt sind dann zwar Güter- und Geldmarkt simultan im Gleichgewicht, der Arbeitsmarkt muss dagegen nicht geräumt sein. Mit anderen Worten: Güter- und Geldmarkt könnten sich im Gleichgewicht befinden, ohne dass gleichzeitig Vollbeschäftigung herrschen müsste. Eine vollständige Analyse muss also den Arbeitsmarkt explizit in die Überlegungen einbeziehen. Ehe das getan wird, empfiehlt es sich, mit dem Zusammenspiel von Güterund Geldmarkt vertrauter zu werden. Zunächst stellt sich die Frage nach der Stabilität des Gleichgewichtes.

10.2 Stabilität des Gleichgewichts

10.2

163

Stabilität des Gleichgewichts

Angenommen, die Volkswirtschaft befindet sich in der in Abbildung 10.2 durch Punkt C gekennzeichneten Ausgangssituation. Die Produktion bzw. das reale Volkseinkommen wäre demnach YC, der Zins iC. Da C weder auf der IS- noch auf der LM-Kurve liegt, müssen sich beide Märkte im Ungleichgewicht befinden. Da C unterhalb der LM-Kurve und unterhalb der ISKurve liegt, bedeutet das, dass sowohl am Güter- wie am Geldmarkt gleichzeitig Übernachfrage herrscht.

i

IS

LM A

D

G

i*

B

C

Y*

Y

Abbildung 10.2: Stabilität des Güter- und Geldmarktgleichgewichts

Das hat in dieser Konstellation Planrevisionen zur Folge. Zum einen werden die Unternehmen ihre Produktion ausdehnen, um die vorhandene Angebotslücke zu schließen, zum anderen werden die Wirtschaftssubjekte versuchen, durch Verkauf eines Teils ihrer Wertpapierbestände ihre Bargeldbestände zu erhöhen. Durch die Produktions- bzw. Einkommenserhöhung wird die Konsumgüternachfrage gesteigert und ein Multiplikatorprozess in Gang gesetzt. Der Verkauf der Wertpapiere lässt deren Kurs sinken bzw. den Zins steigen. In der weiteren Folge lösen diese Reaktionen Wirkungen auf beiden Märkten aus. Der Anstieg der Konsumgüternachfrage steigert nicht nur die Gesamtnachfrage, sondern auch den Bedarf an Transaktionskasse auf dem Geldmarkt. Die Zinssteigerung wiederum führt über die sinkende Nachfrage nach

164

10 IS/LM-Modell

Spekulationskasse zu einer Umschichtung von der Spekulations- zur Transaktionskasse und dämpft am Gütermarkt die Nachfrageentwicklung infolge der wegen des höheren Zinses sinkenden Investitionsgüternachfrage. Der Prozess setzt sich solange fort, bis der Gleichgewichtszustand erreicht ist. Analoge Überlegungen lassen sich für andere Ungleichgewichtssituationen anstellen (Punkt A, B, D). Als Fazit lässt sich festhalten: Das Gleichgewicht ist in Punkt G stabil. Das Güter- und Geldmarktgleichgewicht Y* kann allerdings aufgrund fehlender gesamtwirtschaftlicher Nachfrage mit unausgelasteten Kapazitäten und Arbeitslosigkeit verbunden sein. In diesem Fall ist zu überlegen, ob durch geld- oder fiskalpolitische Maßnahmen eine Erhöhung von Produktion und Beschäftigung erreicht werden kann. Wir wollen daher im Folgenden die Wirkungsweise von Geld- und Fiskalpolitik anhand des IS/LM-Modells näher untersuchen.

10.3

Geldpolitik im IS/LM-Modell

Betrachten wir als erstes eine expansive Geldpolitik, das heißt, wir unterstellen, dass die Zentralbank ihr Instrumentarium zur Erhöhung der Geldmenge M einsetzt. Ein Anstieg der Geldmenge hat eine Rechtsverschiebung der LMKurve zur Konsequenz. In Abbildung 10.3 führt ein Anstieg der Geldmenge zu einer Verschiebung der LM-Kurve von LM0 zu LM1. Zusammen mit der eingezeichneten IS-Kurve ergibt sich ein Anstieg des Gleichgewichtseinkommens von Y* auf Y1 und ein Sinken des Zinsniveaus von i* auf i1. Dieser Effekt einer expansiven Geldpolitik lässt sich folgendermaßen begründen: Die Ausweitung der Geldmenge führt dazu, dass die Wirtschaftssubjekte mehr Wertpapiere nachfragen als ursprünglich geplant. Als Folgen steigen die Wertpapierkurse und der Zinssatz sinkt. Der sinkende Zins hat allerdings Konsequenzen für die aggregierte Güternachfrage: Die zinsabhängige Investitionsnachfrage wird steigen, so dass – bei zunächst unverändertem Güterangebot – ein Nachfrageüberschuss auf dem Gütermarkt vorliegt. Dieser Nachfrageüberschuss auf dem Gütermarkt zieht wieder die bekannten Anpassungsprozesse nach sich – das Güterangebot wird steigen und infolgedessen auch das Einkommen und die einkommensabhängige Konsumgüternachfrage. Da mit dem gestiegenen Einkommen allerdings auch ein höherer Transaktionskassenbedarf einhergeht, steigt bei unverändertem Geldangebot

10.3 Geldpolitik im IS/LM-Modell

165

die Geldnachfrage, was wiederum zu Effekten auf Zins und Einkommen führt, die den gerade beschriebenen Effekten entgegenlaufen, diese jedoch nicht überkompensieren.

i

IS

LM 0

LM1

i*

i1

Y* Y1

Y

Abbildung 10.3: Expansive Geldpolitik im IS-LM-Modell

Insgesamt wird deutlich, dass geldpolitische Maßnahmen lediglich indirekt auf das Gleichgewichtseinkommen wirken: Geldpolitische Maßnahmen beeinflussen das Zinsniveau, welches seinerseits aufgrund der Zinsabhängigkeit der Investitionsnachfrage eine Determinante der aggregierten Güternachfrage ist. Wesentlich für die Wirksamkeit geldpolitischer Maßnahmen ist somit zweierlei: zum einen muss die Geldpolitik in der Lage sein, das Zinsniveau zu beeinflussen, zum anderen muss das Zinsniveau von Bedeutung für die aggregierte Nachfrage sein, was nichts anderes bedeutet, als dass die Investitionsnachfrage zinselastisch sein muss. Daraus resultieren zwei Spezialfälle, in denen die Geldpolitik im IS-LM-Modell im Hinblick auf das Einkommen unwirksam bleibt.

Unwirksamkeit der Geldpolitik in der Liquiditätsfalle Betrachten wir zunächst den Fall, in dem das Zinsniveau nicht auf geldpolitische Maßnahmen reagiert. Sofern die Wirtschaftssubjekte beabsichtigen, jede zusätzliche Geldmenge in der Spekulationskasse zu halten, kann eine Erhöhung der Geldmenge keine Zinseffekte auslösen. Dies ist genau dann der

166

10 IS/LM-Modell

Fall, wenn wir uns in der Liquiditätsfalle befinden: Der Zins hat dann sein Minimalniveau imin erreicht. Die Spekulationskassennachfrage ist folglich vollkommen zinselastisch, so dass die LM-Kurve waagerecht verläuft. In der Liquiditätsfalle bleiben geldpolitische Maßnahmen somit völlig ohne Konsequenzen für den Gleichgewichtszins und das Gleichgewichtseinkommen (siehe Abbildung 10.4a). a)

b)

i

i

IS

LM 0 = LM1

i min

IS

LM 0

LM1

i*

i1

Y*

Y

Y*

Y

Abbildung 10.4: Unwirksamkeit der Geldpolitik in der Liquiditätsfalle und bei zinsunelastischen Investitionen

Unwirksamkeit der Geldpolitik bei zinsunelastischen Investitionen Ein weiterer Spezialfall, der zur Unwirksamkeit geldpolitischer Maßnahmen führt, liegt vor, wenn die Investitionsnachfrage vollkommen zinsunelastisch ist. In diesem Fall zieht die expansive Geldpolitik – einen normalen Verlauf der LM-Kurve vorausgesetzt – zwar den bereits beschriebenen Zinssenkungseffekt nach sich, jedoch hat der sinkende Zins keinerlei Konsequenzen für die aggregierte Nachfrage. Die IS-Kurve verläuft bei zinsunelastischen Investitionen parallel zur Ordinate. Wie Abbildung 10.4b verdeutlicht, wird eine Rechtsverschiebung der LM-Kurve aufgrund einer expansiven Geldpolitik in diesem Fall das Gleichgewichtseinkommen unverändert lassen. Dies geschieht trotz des sinkenden Gleichgewichtszinses, denn die aggregierte Nachfrage reagiert nicht auf Zinsänderungen.

10.4 Fiskalpolitik im IS/LM-Modell

10.4

167

Fiskalpolitik im IS/LM-Modell

Die Analyse staatlicher Aktivität in Kapitel 8 betrachtete lediglich den Einfluss steuer- oder kreditfinanzierter Erhöhungen der Staatsnachfrage auf die IS-Kurve, also die Konsequenzen staatlicher Fiskalpolitik auf das Gleichgewichtseinkommen bei konstantem Zins. Demnach wird die IS-Kurve nach rechts verschoben, so dass bei unverändertem Zins ein höheres Gleichgewichtseinkommen resultiert. Zu untersuchen ist nun, welche Wirkungen eine expansive Fiskalpolitik unter expliziter Berücksichtigung des Geldmarktes hat und welche Schlussfolgerungen sich daraus für die aggregierte Nachfrage ergeben. Betrachten wir zunächst den Fall, dass der Staat eine Erhöhung der Staatsausgaben ohne gleichzeitige Steuererhöhung finanziert. Unterstellen wir ein ausgeglichenes Budget, dann nimmt der Staat bewusst ein durch Verschuldung zu finanzierendes Budgetdefizit in Kauf. Wenn allerdings die Fiskalpolitik ein wirksames Instrument sein soll, um Produktion und Beschäftigung zu steigern, dann ist eine solche Politik des deficit spending sinnvoll. Denn in diesem Fall wird die expansive Wirkung des Staatsausgabenmultiplikators nicht durch den kontraktiv wirkenden Steuermultiplikator beeinträchtigt. i

IS0

IS1

LM

i1 i*

Y*

Y1 Y '

Abbildung 10.5: Expansive Fiskalpolitik

Y

168

10 IS/LM-Modell

Die Konsequenzen einer expansiven Fiskalpolitik werden in Abbildung 10.5 graphisch veranschaulicht. Die IS-Kurve verschiebt sich infolge der Staatsausgabenerhöhung nach rechts von IS0 auf IS1. Zusammen mit der eingezeichneten LM-Kurve ergibt sich somit ein Anstieg des Gleichgewichtseinkommens von Y* auf Y1 und ein Anstieg des Zinsniveaus von i* auf i1. Dieser Zusammenhang kann folgendermaßen beschrieben werden: Die Erhöhung des Staatsnachfrage lässt zunächst das Gleichgewichtseinkommen von Y* auf Y' steigen. Infolge dieser Einkommenserhöhung kommt es ebenfalls zu einem Anstieg der Geldnachfrage, da die Nachfrage nach Transaktionskasse einkommensabhängig ist. Da jedoch das Geldangebot unverändert geblieben ist, kann diese gestiegene Geldnachfrage nur über Vermögensänderungen, das heißt hier Wertpapierverkauf befriedigt werden. Dieses wiederum hat auf dem Wertpapiermarkt Kurssenkungen und ein steigendes Zinsniveau zur Folge. Das steigende Zinsniveau führt dazu, dass die Investitionsnachfrage auf dem Gütermarkt und über dann einsetzende Multiplikatorprozesse letztendlich auch das Gleichgewichtseinkommen sinkt, bis mit dem Zinsniveau i1 und dem Einkommen Y1 ein simultanes Güter- und Geldmarktgleichgewicht vorliegt. Wie deutlich wird, führt die expansive Fiskalpolitik des Staates zu zwei gegenläufigen Effekten auf die Güternachfrage. Einerseits steigt diese infolge der zusätzlichen Staatsnachfrage, andererseits sinkt die Güternachfrage, da ein steigendes Zinsniveau zunächst die Investitionsnachfrage vermindert und aufgrund negativer Multiplikatorprozesse daraufhin die Konsumnachfrage sinken lässt. Die hier stattfindende Verdrängung privater Güternachfrage wird auch als crowding out-Effekt bezeichnet. Das Ausmaß dieses crowding out-Effektes hängt entscheidend von dem Verlauf der IS- und LM-Kurve ab. Von Bedeutung ist, wie die Investitionsnachfrage und die Nachfrage nach Spekulationskasse auf Zinsvariationen reagieren. Dabei soll zunächst die Nachfrage nach Spekulationskasse analysiert werden. Zwei Extremfälle dieser Nachfrage nach Spekulationskasse, die sich jeweils in einem besonderen Verlauf der LM-Kurve niederschlagen, sind bereits bekannt: Im klassischen Bereich ist die Geldnachfrage zinsunabhängig, da wegen i > imax keine Spekulationskasse existiert. Wenn die LM-Kurve den klassischen Verlauf einnimmt, führt eine Erhöhung der Staatsnachfrage nur zu einem Anstieg des Zinsniveaus und nicht zu einer Erhöhung des Gleichgewichtseinkommens (siehe Abbildung 10.6a). Auch hier wird die IS-Kurve infolge des fiskalpolitischen Eingriffs von IS0 nach rechts zu IS1 verschoben.

10.4 Fiskalpolitik im IS/LM-Modell

169

Bei unverändertem Gleichgewichtseinkommen Y* kommt es zu einem höherem Zinsniveau i1. In diesem Fall erreicht der crowding out-Effekt sein maximales Ausmaß. Die private Investitionsnachfrage wird durch Zinssteigerungen in dem Ausmaß verdrängt, in dem der fiskalpolitische Eingriff des Staates zusätzliche Nachfrage entstehen lässt. In der Liquiditätsfalle hat der Zinssatz sein Minimalniveau imin erreicht. Die Wirtschaftssubjekte werden bei diesem Zinsniveau jede beliebige Spekulationskasse halten. Verläuft die LM-Kurve somit parallel zur Abszisse, führt die Fiskalpolitik zu einem Anstieg des Gleichgewichtseinkommens bei unverändertem Zinsniveau (siehe Abbildung 10.6b). In dieser Situation ist die Fiskalpolitik am wirkungsvollsten. Es liegt kein crowding out-Effekt vor. Abermals wird die IS-Kurve infolge des fiskalpolitischen Eingriffs von IS0 nach rechts zu IS1 verschoben. Durch den daraus resultierenden Anstieg des Gleichgewichtseinkommens von Y* auf Y1 entsteht zusätzliche Geldnachfrage aus dem Transaktionsmotiv. Da sich der Zinssatz jedoch auf seinem Minimalniveau befindet, kann diese ohne weiteres durch den Abbau von Spekulationskasse befriedigt werden. a)

b)

i

i

IS0

IS1

LM

IS0

IS1

i1

i min

i*

Y*

Y

LM

Y*

Y1

Y

Abbildung 10.6: Erhöhung der Staatsnachfrage mit klassischer LM-Kurve und in der Liquiditätsfalle

Die Betrachtung dieser beiden Extremfälle macht deutlich, wovon die Wirksamkeit einer Staatsnachfrageerhöhung abhängig ist: Der Anstieg des Gleichgewichtseinkommens ruft ein Ungleichgewicht auf dem Geldmarkt hervor. In dem Ausmaß, in dem Zinssatzerhöhungen notwendig sind, um

170

10 IS/LM-Modell

dieses Ungleichgewicht zu beseitigen, sinkt die zinsabhängige Investitionsnachfrage und daraufhin aufgrund von Multiplikatorprozessen ebenfalls die Nachfrage der privaten Haushalte nach Konsumgütern. Dieser crowding outEffekt kann so groß sein, dass das Gleichgewichtseinkommen wieder auf sein ursprüngliches Niveau fällt. Die für ein Geldmarktgleichgewicht erforderlichen Zinssatzerhöhungen sind umso geringer, je zinselastischer die Geldnachfrage ist, das heißt, je flacher die LM-Kurve verläuft. Aus diesem Grund ist die Staatsausgabenerhöhung im klassischen Fall ohne Einfluss auf das Gleichgewichtseinkommen, während sie in der Liquiditätsfalle ihre größte Wirksamkeit besitzt. Diese Überlegungen zeigen, dass auch der Zinselastizität der Investitionsnachfrage Bedeutung für die Wirksamkeit der Fiskalpolitik zukommt. Selbst wenn ein dadurch entstehendes Geldmarktungleichgewicht einen Zinsanstieg erforderlich macht, fällt der crowding out-Effekt umso geringer aus, je zinsunelastischer die Investitionsnachfrage ist.

i

IS0

IS1

LM

i1

i*

Y*

Y1

YA

Abbildung 10.7: Erhöhung der Staatsnachfrage bei zinsunelastischer Investitionsnachfrage

Im Extremfall einer vollkommen zinsunelastischen Investitionsnachfrage liegt kein crowding out-Effekt vor. Gleichwohl kommt es auch hier in der Regel zu einem Anstieg des Zinsniveaus. In Abbildung 10.7 führt die expan-

10.4 Fiskalpolitik im IS/LM-Modell

171

sive Fiskalpolitik abermals zu einer Rechtsverschiebung der nun senkrecht verlaufenden IS-Kurve von IS0 auf IS1. Das Gleichgewichtseinkommen steigt daraufhin von Y* auf Y1, das Zinsniveau ebenfalls, hier von i* auf i1. Es wird deutlich, dass dieser Zinsanstieg umso geringer ausfällt, je flacher die LMKurve verläuft, das heißt je zinselastischer die Geldnachfrage ist. Aufgrund der Tatsache, dass die Investitionsnachfrage zinsunelastisch ist, hat der Anstieg des Zinsniveaus jedoch keine Konsequenzen für die Investitionsnachfrage.

Kreditfinanzierte Staatsausgaben versus steuerfinanzierte Staatsausgaben Bisher wurden ausschließlich die Konsequenzen einer expansiven Fiskalpolitik bei kreditfinanzierten Staatsausgaben diskutiert. Verfolgt der Staat das Ziel eines ausgeglichenen Budgets, dann muss er die Erhöhung der Staatsausgaben durch eine Erhöhung der Steuern gegenfinanzieren. Die dann mit der Ausdehnung der Staatsnachfrage einhergehende Steuererhöhung vermindert jedoch das verfügbare Einkommen und somit den privaten Konsum, wodurch der gewünschte expansive Effekt teilweise konterkariert wird. Sofern der Staat bewusst ein durch Verschuldung zu finanzierendes Budgetdefizit in Kauf nimmt, kann ein größerer expansiver Effekt erreicht werden. Es entfällt dann der kontraktiv wirkende Steuersatzmultiplikator. Wenn der Staat auf eine Steuererhöhung zur Finanzierung der zusätzlichen Staatsnachfrage verzichtet, müssen die notwendigen Mittel anderweitig erworben werden. Dazu stehen dem Staat grundsätzlich zwei Wege offen:

• Durch Emission von Wertpapieren, den Staatsanleihen, kann sich der Staat auf dem Kapitalmarkt bei den privaten Wirtschaftssubjekten verschulden. • Der Staat kann bei der Zentralbank Mittel zur Haushaltsfinanzierung aufnehmen. Der zweite Weg bedeutet, dass die Verschuldung des Staates mit einer Erhöhung der Geldmenge einhergeht.

Kombination geld- und fiskalpolitischer Maßnahmen Bisher wurden die Wirkungen geld- oder fiskalpolitischer Maßnahmen auf den Gleichgewichtszins und das Gleichgewichtseinkommen isoliert betrach-

172

10 IS/LM-Modell

tet. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, beide Instrumente kombiniert einzusetzen, um eine effiziente wirtschaftspolitische Strategie zu erhalten (Policy Mix). Wir haben gesehen, dass eine expansive Fiskalpolitik ein höheres Zinsniveau zur Folge hat und damit dämpfend auf die private Investitionsnachfrage wirkt. Um dies zu vermeiden, wäre eine flankierende Geldmengenausweitung angebracht, um den Zins auf seinem alten Niveau zu stabilisieren und ein höheres Gleichgewichtseinkommen zu erreichen.

10.5

IS/LM-Modell ohne LM-Kurve

In den vergangenen Jahren ist das makroökonomische IS/LM-Modell zunehmend unter Kritik geraten und wurde von einer Reihe von Ökonomen unter Einbeziehung neukeynesianischer Elemente modifiziert (BOFINGER 2007, ROMER 2000). Zentraler Kritikpunkt ist, dass die meisten Zentralbanken heutzutage vorrangig den Zinssatz steuern und nicht die Geldmenge, d.h. der Zinssatz ist kein Ergebnis des Gleichgewichts auf dem Geldmarkt. Damit entfällt die LM-Kurve als Basis für die Analyse der Wirkungen geldpolitischer Maßnahmen. Stattdessen wird als eine bessere Annäherung an die Realität angenommen, dass die Zentralbanken einer Zinsregel folgen, wie z.B. der Taylor-Regel (1993), benannt nach ihrem Begründer, dem amerikanischen Ökonomen JOHN B. TAYLOR. Diese sieht vor, dass der Tagesgeldsatz (Refinanzierungssatz der Geschäftsbanken) auf zentrale Zielvariablen der Notenbanken reagieren soll, wie die Inflationslücke – Abweichung der aktuellen Inflationsrate von der Zielinflationsrate – und die Outputlücke – Abweichung des tatsächlichen Bruttoinlandprodukts vom Produktionspotential. Im Fall eines Anstiegs der Inflationsrate über die Zielinflationsrate soll die Zentralbank den Zins erhöhen, um die wirtschaftliche Aktivität zu dämpfen. Die Taylor-Regel unterstellt einen Zusammenhang zwischen Inflationsrate und Zins. Die Inflationsrate wiederum hängt von Veränderungen der Outputlücke ab.

11

AS/AD-Modell

11.1

Vom IS/LM-Modell zum AS/AD-Modell

Bei der im vorangegangenen Kapitel erfolgten Analyse des IS/LM-Modells wurde grundsätzlich davon ausgegangen, dass sich das Preisniveau nicht ändert. Diese Annahme wird nunmehr aufgehoben und wir werden in diesem Kapitel sehen, welche Veränderungen sich dadurch für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ergeben. Zunächst eine weitere Vorbemerkung: Bei der Analyse des Gütermarktgleichgewichts wurde darauf hingewiesen, dass wir ein völlig preiselastisches Güterangebot unterstellen, d.h. die Kurve des gesamtwirtschaftlichen Angebots (Aggregate Supply, AS-Kurve) verläuft horizontal. Die Unternehmen bieten jede Gütermenge an, die zum gegebenen Preisniveau nachgefragt wird. Auch diese Annahme wird jetzt aufgehoben. Für die weiteren Ausführungen ist es wichtig, nochmals zu verdeutlichen, welche Aussagen das IS/LM-Modell bisher zulässt: Der Schnittpunkt der ISKurve mit der LM-Kurve im Zins-Einkommens-Diagramm liefert eine Kombination von Güterangebot und Zins, bei dem die aggregierte Nachfrage gerade so groß ist wie das Güterangebot. Das IS/LM-Modell liefert allerdings zum einen keine Antwort auf die Frage, ob sich dieses Angebot tatsächlich einstellt, zum anderen erlaubt es keine Aussagen darüber, welche Anpassungsprozesse erfolgen, sollte das Güterangebot nicht dem Gleichgewichtseinkommen entsprechen. Darüber hinaus wurde bei der Herleitung der LM-Kurve deutlich, dass das Preisniveau ein Parameter dieser Kurve ist. Dies impliziert, dass Änderungen des Preisniveaus Konsequenzen für die simultanen Güter- und Geldmarktgleichgewichte haben, die im IS/LM-Modell ermittelt werden.

174

11.1.1

11 AS/AD-Modell

Die Herleitung der AD-Kurve

Zunächst muss geklärt werden, welcher Einfluss von Preisänderungen auf die realen, das heißt mengenmäßigen Entscheidungen ausgeht, die dem IS-LMModell zugrunde liegen. Grundsätzlich gilt für jede Mengengröße, also z.B. auch für das Volkseinkommen, der Zusammenhang Ynom = P Yreal, das heißt, das nominale Volkseinkommen ist gleich dem Produkt aus realem Volkseinkommen und allgemeinem Preisniveau. Kennt man zwei der drei Größen Ynom, P bzw. Yreal, dann ist der Wert der dritten definitorisch festgelegt. Stellen wir uns vor, das nominale Einkommen würde um 10 % steigen. Real hat sich das Einkommen aber nur dann erhöht, wenn die Preise aller Güter (das allgemeine Preisniveau) um weniger als zehn Prozent gestiegen sind. Hat das Preisniveau um genau zehn Prozent zugenommen, dann hat sich die Realeinkommenssituation (die "Kaufkraft") nicht verändert. Normalerweise werden in diesem Falle die Konsumentscheidungen unverändert gelassen. Fühlten die Wirtschaftssubjekte sich irrtümlicherweise wohlhabender, dann würden sie die realen Konsumausgaben erhöhen. In diesem Fall erlägen sie der Geldillusion. Würden sie erkennen, dass sich die Realeinkommenssituation nicht verändert hat, würden sie deshalb auch den realen Konsum unverändert lassen, dann wären sie frei von Geldillusion. Für die folgenden Überlegungen wird unterstellt, sämtliche Wirtschaftssubjekte seien frei von Geldillusion. Daraus folgt, dass Preisniveauänderungen lediglich die nominalen, nicht jedoch die realen Entscheidungen beeinflussen. Preisniveauänderungen lassen daher die realen Konsum- und Investitionsentscheidungen unberührt und haben demzufolge keinen Einfluss auf die Lage der IS-Kurve. Dagegen zieht jede Preisänderung einen veränderten Geldbedarf nach sich, selbst wenn sich die Menge der Güter, die man kaufen will, nicht verändert hat, da sich die Ausgaben (Menge mal Preis) ändern. Bleibt das nominale Geldangebot unverändert, dann bewirkt eine Preissteigerung eine Zunahme der Geldnachfrage oder, was gleichbedeutend ist, eine Senkung des realen Geldangebotes. Aufgrund dieser Überlegungen ergibt sich die in Abbildung 11.1a gezeigte IS/LM-Darstellung unter Berücksichtigung des Preisniveaus. Preisniveauänderungen lassen wegen der unterstellten Freiheit von Geldillusion die IS-Kurve unberührt. Ausgehend von einem Preisniveau P0 bewirkt jede Preiserhöhung auf P2 eine Verknappung des realen Geldangebotes von M/P0 zu M/P2 und somit eine Verschiebung der LMKurve nach links. Eine Preissenkung von P0 nach P1 (P1 < P0) erhöht dagegen

11.1 Vom IS/LM-Modell zum AS/AD-Modell

175

die reale Geldmenge zu M/P1 und bewirkt eine Rechtsverschiebung der ursprünglichen LM-Kurve. Dadurch ergeben sich ausgehend von Y0, i0 die in der Abbildung 11.1a dargestellten neuen Güter- und Geldmarktgleichgewichte Y1, i1 bzw. Y2, i2. Der hier zugrundeliegende Wirkungszusammenhang zwischen dem Preisniveau und der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage wird als Keynes-Effekt bezeichnet: Eine Preisniveausenkung zieht bei unverändertem nominalen Geldangebot einen Anstieg der realen Geldmenge nach sich. Die aufgrund eines nunmehr auf dem Geldmarkt vorliegenden Ungleichgewichts erfolgenden Zinssenkungen führen ihrerseits dazu, dass die Investitionsnachfrage. Damit lässt sich nun ein Zusammenhang zwischen den alternativen Preisniveaus (P2 > P0 > P1) und den jeweils zugehörigen Werten für das reale Volkseinkommen Y angeben, bei dem Güter- und Geldmarkt simultan im Gleichgewicht sind. Dieser Zusammenhang zwischen den alternativen (Y, P)Konstellationen wird als aggregierte Nachfragekurve oder AD-Kurve (= Aggregate Demand) bezeichnet (siehe Abbildung 11.1b). Abbildung 11.1 veranschaulicht die graphische Konstruktion der AD-Kurve aus dem IS/LM-Diagramm. Für die dargestellten Preisniveaus P0, P1 und P2 ergeben sich jeweils Verschiebungen der LM-Kurve und dementsprechend verschiedene Y, i-Kombinationen, die ein Geld- und Gütermarktgleichgewicht zur Folge haben. Da jedem gegebenen Preisniveau jeweils ein bestimmtes reales Volkseinkommen zugeordnet ist, kann so der funktionale Zusammenhang zwischen Preisniveau und realem Volkseinkommen abgeleitet werden. Zu beachten ist, dass bei der Definition der AD-Kurve lediglich ein aggregiertes Güterangebot bestimmt wird, das ein Geld- und Gütermarktgleichgewicht ermöglicht, jedoch wird keineswegs verlangt, dass das tatsächliche Güterangebot – bei gegebenem Preisniveau – diesem Angebot auch entspricht. Die AD-Kurve dient somit lediglich dazu, bei gegebenem Preisniveau das Güterangebot zu bestimmen, das ein solches Gleichgewicht herbeiführen könnte und damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt.

176

11 AS/AD-Modell

a) i

IS

LM (P2 )

LM (P0 )

i2 i0

LM (P1)

i1

b)

Y2

Y0

Y1

Y

Y2

Y0

Y1

Y

P

AD P2 P0

P1

Abbildung 11.1: Graphische Konstruktion der AD-Kurve

Wie Abbildung 11.1b zeigt, weist die AD-Kurve eine negative Steigung auf. Inhaltlich bedeutet dies, dass das Güterangebot, welches ein simultanes Geldund Gütermarktgleichgewicht herbeiführen könnte, umso größer ist, je geringer das Preisniveau ist. Letzteres ist auch unmittelbar einsichtig, da ein Sinken des Preisniveaus über den Keynes-Effekt einen Anstieg der aggregierten Nachfrage nach sich zieht.

11.1 Vom IS/LM-Modell zum AS/AD-Modell

177

Im Fall zinsunelastischer Investitionen verläuft die AD-Kurve im PreisEinkommens-Diagramm senkrecht. Es bleibt die Frage, welchen Einfluss Änderungen der Lage der IS- oder der LM-Kurve auf die AD-Kurve haben. a) i

IS0

IS1

LM (P2 )

LM (P0 )

i2 i0

LM (P1)

i1

b) i

Y2

Y0

Y1

Y

Y2

Y0

Y1

Y

AD0 AD1

P2 P0

P1

Abbildung 11.2: Verschiebung der IS- und AD-Kurve

178

11 AS/AD-Modell

Jede Verschiebung der IS-Kurve nach rechts (siehe Abbildung 11.2a) von IS0 zu IS1 (infolge beispielsweise verbesserter Ertragsaussichten der Unternehmen oder einer Änderung des autonomen Konsums) führt zu einer Verschiebung der AD-Kurve in die gleiche Richtung (also nach rechts) von AD0 nach AD1 (siehe Abbildung 11.2b). Eine Rechtsverschiebung der IS-Kurve im IS/LM-Diagramm bewirkt, dass bei jedem Preisniveau das zugehörige Gleichgewichtseinkommen höher ist als in der Ausgangssituation. Umgekehrt führt jede Verschiebung der IS-Kurve nach links zu einer Verschiebung der AD-Kurve nach links. Verschiebungen der IS-Kurve lassen die ADKurve nur dann unberührt, wenn die Geldnachfrage völlig zinsunelastisch ist, mithin die LM-Kurve senkrecht verläuft. Ist dies der Fall, wird Geld ausschließlich zu Transaktionszwecken gehalten (klassischer Bereich der LMKurve). Jede Verschiebung der LM-Kurve nach rechts, die nicht durch eine Preisänderung verursacht wird (also z.B. jede Erhöhung des nominalen Geldangebotes oder jede Senkung des Transaktionskassenbedarfs) hat eine Rechtsverschiebung (also eine gleichgerichtete Verschiebung) der AD-Kurve zur Folge. Im IS/LM-Diagramm schneidet die jeweils neue LM-Kurve die IS-Kurve nunmehr weiter rechts. Dadurch wird aber jedem Preisniveau wiederum ein höheres Einkommen zugeordnet, wodurch es zu der Verschiebung der AD-Kurve nach rechts kommt. Umgekehrt führt jede Verschiebung der LM-Kurve nach links (insbesondere infolge einer restriktiven Geldpolitik der Zentralbank) zu einer Verschiebung der AD-Kurve nach links. Anzumerken ist, dass Verschiebungen der LM-Kurve keinen Einfluss auf die Lage der AD-Kurve haben, wenn die Investitionsnachfrage zinsunelastisch ist, d.h. die IS-Kurve senkrecht verläuft, da in diesem Fall die Nachfrage auf dem Gütermarkt völlig unabhängig vom Zins ist, so dass keine Einflüsse vom Geldmarkt auf die aggregierte Nachfragekurve ausgehen.

11.1.2

Die AS-Kurve

Die langfristige AS-Kurve (das neoklassische Modell) Die neoklassische Theorie unterstellt flexible Preise und Löhne, die die ständige Räumung sämtlicher Märkte gewährleisten. Im neoklassischen Arbeitsmarktmodell werden sowohl die gesamtwirtschaftliche Arbeitsnachfrage seitens der Unternehmen als auch das gesamtwirtschaftliche Arbeitsangebot

11.1 Vom IS/LM-Modell zum AS/AD-Modell

179

seitens der Haushalte durch die Höhe des Reallohns bestimmt. Während die Arbeitsnachfrage aufgrund der unterstellten Produktionsfunktion (abnehmendes Grenzprodukt der Arbeit) nur dann zunimmt, wenn der Reallohn sinkt, wird für das Arbeitsangebot angenommen, dass es mit steigendem Reallohn zunimmt. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es dann nur einen Reallohnsatz, der Arbeitsnachfrage und Arbeitsangebot ins Gleichgewicht bringt. Vollkommene Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und ein vollständig flexibler Nominallohn haben zur Folge, dass Nachfrage- bzw. Angebotsüberschüsse sofort durch Nominallohnanpassungen abgebaut werden. Hinsichtlich des aggregierten Güterangebots folgt daraus, dass der Arbeitsmarkt dauernd geräumt wird, so dass Vollbeschäftigung herrscht. Das Preisniveau sorgt lediglich dafür, dass der Vollbeschäftigungsoutput auf eine aggregierte Nachfrage gleicher Höhe trifft. Abbildung 11.3 zeigt die AD- und AS-Kurve für diesen Fall, dessen besonderes Kennzeichen die senkrecht verlaufende AS-Kurve ist. Es wird deutlich, dass genau ein Preisniveau P* existiert, bei dem eine aggregierte Güternachfrage resultiert, die exakt dem Vollbeschäftigungsoutput Y entspricht. Die Eigenschaft des neoklassischen Modells, dass flexible Preise und Löhne die ständige Räumung aller makroökonomischen Märkte und somit insbesondere Vollbeschäftigung gewährleisten, hat selbstverständlich Konsequenzen für wirtschaftspolitische Empfehlungen, die auf dieser Grundlage abgeleitet werden. Sofern ständig Vollbeschäftigung herrscht, besteht kein Anlass für staatliche Beschäftigungspolitik, so dass fiskal- oder geldpolitische Maßnahmen, die das Ziel haben, das aggregierte Güterangebot und somit die Beschäftigung zu erhöhen, nicht erforderlich sind. Eine weitere wichtige Eigenschaft des neoklassischen Modells ist, dass die realen makroökonomischen Größen unabhängig von den monetären Größen sind. Dieser Sachverhalt wird als klassische Dichotomie bezeichnet: Wenn ständig Vollbeschäftigung herrscht, ist das Gleichgewichtseinkommen dadurch eindeutig determiniert. Da die Güternachfrage lediglich vom Einkommen und von Zins abhängt, ist somit auch der Zins eindeutig bestimmt. Sollte die nominale Geldmenge steigen, so hätte dies ceteris paribus eine Rechtsverschiebung der AD-Kurve zur Folge. Bei preisunelastischem Güterangebot und folglich senkrechter AS-Kurve zieht dies lediglich einen Anstieg des Preisniveaus nach sich. Geld ist folglich insofern neutral, als durch die nominale Geldmenge lediglich das Preisniveau beeinflusst wird, ohne dass dies Konsequenzen für den realen Sektor der Ökonomie hat.

180

11 AS/AD-Modell

P AD

AS

P*

Y

Y

Abbildung 11.3: Das neoklassische Modell

Die kurzfristige AS-Kurve (das keynesianische Modell) Zu anderen Ergebnissen gelangt man, wenn die keynesianische Sicht des Arbeitsmarktes unterstellt wird. Danach ist der Nominallohn nach unten starr. Bei diesem Szenario kann es zu unfreiwilliger Arbeitslosigkeit kommen, wenn der Schnittpunkt von Arbeitsnachfrage und Arbeitsangebot unterhalb des Vollbeschäftigungsniveaus liegt. Auf dem Arbeitsmarkt herrscht dann ein Angebotsüberschuss. Wegen des nach unter rigiden Nominallohns scheiden Nominalsenkungen als Anpassungsmechanismus aus. Damit besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass unfreiwillige Arbeitslosigkeit auf gesamtwirtschaftlicher Ebene ein Dauerzustand bleibt. Eine Situation, die als keynesianisches Unterbeschäftigungsgleichgewicht bezeichnet wird. Die AS-Kurve verläuft unter der Annahme eines keynesianischen Arbeitsmarktes nicht mehr senkrecht, sondern hat bis zum Vollbeschäftigungsniveau einen preiselastischen Teil (siehe Abbildung 11.4). Jedes höhere Preisniveau als P* hat bei unverändertem Nominallohn eine Anstieg des gesamtwirtschaftlichen Güterangebots zur Folge, da der sinkende Reallohn Auswirkungen auf Beschäftigung und Produktion hat.

11.1 Vom IS/LM-Modell zum AS/AD-Modell

181

P AS

AD

P*

Y*

Y

Y

Abbildung 11.4: Das keynesianische Modell

11.1.3

Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht (Geld-, Güterund Arbeitsmarkt)

Zunächst soll der Rahmen für die weitergehende Analyse dargestellt werden. Abbildung 11.5 zeigt eine AD- Kurve mit einer preiselastischen AS-Kurve im Preis-Einkommens-Diagramm. Die beiden in diesem Diagramm abgebildeten Kurven fassen letztlich all das zusammen, was in den vorangegangenen Kapiteln über die makroökonomische Ebene einer Volkswirtschaft ausgesagt wurde. Die Gestalt der AS-Kurve ergibt sich aus den Produktionsbedingungen der Volkswirtschaft und der Funktionsweise des Arbeitsmarktes. Die AD-Kurve schließlich fasst alles zusammen, was über die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und ihre Interdependenz mit der Situation auf dem Geldmarkt ausgesagt wurde. Mit diesem Wissen im Hintergrund genügt letztlich das Preis-Einkommens-Diagramm zur makroökonomischen Analyse einer Volkswirtschaft. Im Schnittpunkt der AD-Kurve mit der AS-Kurve liegt das eigentliche Gütermarktgleichgewicht: Beim Preisniveau P* wäre das Güterangebot, welches – unter dem zusätzlichen Erfordernis eines Geldmarktgleichgewichts – eine Nachfrage gleicher Höhe hervorbrächte, gegeben durch Y*. Y* ist allerdings auch genau das Güterangebot, welches die Firmen beim Preisniveau P* pla-

182

11 AS/AD-Modell

nen. Folglich sind die Angebots- und die Nachfragepläne aller Wirtschaftssubjekte kompatibel – es herrscht Gleichgewicht.

P N

A

P1

P* P2

Y1

Y*

Y1A

Y2A

Y

Abbildung 11.5: AS- und AD-Kurve: Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht

Angenommen, es liegt das Preisniveau P1 vor, das höher ist als das gleichgewichtige Preisniveau P*. In diesem Fall wäre das Güterangebot, welches ein simultanes Güter- und Geldmarktgleichgewicht hervorbrächte, durch Y1, gegeben, wogegen das geplante Güterangebot gleich YlA wäre. Das geplante Güterangebot Y1A hat folglich beim Preisniveau P1 eine Güternachfrage zur Folge, die geringer ist als Y1A – es liegt eine deflatorische Lücke vor. Der Angebotsüberschuss wird durch ein sinkendes Preisniveau abgebaut. Zum einen nimmt die aggregierte Nachfrage durch den Keynes-Effekt zu, während zum anderen das (preiselastische) aggregierte Güterangebot zurückgeht. Entsprechendes gilt im Fall der inflatorischen Lücke. Sollte das Preisniveau gleich P2 sein, ist das geplante Güterangebot gleich Y2A und geringer als die bei diesem Angebot resultierende aggregierte Nachfrage. Der Nachfrageüberschuss wird durch ein steigendes Preisniveau beseitigt, wodurch zum einen das aggregierte Angebot – sofern preiselastisch – steigt und die aggregierte Nachfrage über den Keynes-Effekt sinkt. In der in Abbildung 11.5 dargestellten Situation kann folglich wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf mit der Existenz unfreiwilliger Arbeitslosigkeit und einer zu geringen gesamtwirtschaftlichen Produktion begründet werden.

11.1 Vom IS/LM-Modell zum AS/AD-Modell

183

Welcher Art sollten nun fiskal- oder geldpolitische Maßnahmen sein, die das Ziel haben, die Beschäftigung zu erhöhen? Da die Ursache der Arbeitslosigkeit im inflexiblen Nominallohn liegt, der zusammen mit dem Preisniveau einen zu hohen Reallohn ergibt, wären beispielsweise solche Maßnahmen angeraten, die das Preisniveau erhöhen. Letzteres lässt sich durch einen Anstieg der aggregierten Nachfrage bzw. eine Rechtsverschiebung der ADKurve erreichen. Wie wir bereits gesehen haben, kann hierfür sowohl eine expansive Fiskalpolitik, die zu einer Rechtsverschiebung der IS-Kurve führt, als auch eine expansive Geldpolitik, die zu einer Rechtsverschiebung der LM-Kurve führt, in Frage kommen. Beide Maßnahmen sorgen im vorliegenden Fall für einen Anstieg der aggregierten Nachfrage und folglich die gewünschte Rechtsverschiebung der AD-Kurve.

P AD

AS

AD'

P1 P*

Y * Y1

Y

Y

Abbildung 11.6: Expansive Fiskal- bzw. Geldpolitik bei Unterbeschäftigung

Abbildung 11.6 zeigt die Konsequenzen derartiger fiskal- oder geldpolitischer Maßnahmen im Preisniveau-Einkommens- Diagramm. Ausgehend vom Gleichgewicht Y*, P*, also einer Situation mit unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, hat eine expansive fiskal- oder geldpolitische Maßnahme eine Rechtsverschiebung der AD-Kurve zur Folge. Inhaltlich bedeutet dies, dass aufgrund der gestiegenen aggregierten Nachfrage beim alten Gleichgewichtsangebot Y* nunmehr ein Nachfrageüberschuss auf dem Gütermarkt vorliegt. Die dadurch erfolgenden Preissteigerungen führen bei einem starren Nominallohn

184

11 AS/AD-Modell

dazu, dass der Reallohn sinkt, was wiederum die Unternehmen veranlasst, ihre Beschäftigung und damit ihren Output zu erhöhen. Die Folge ist, dass durch den Anstieg des Preisniveaus die vormals herrschende unfreiwillige Arbeitslosigkeit vermindert wird. Die beschriebenen Auswirkungen fiskal- und geldpolitischer Maßnahmen verdeutlichen, dass sich eine kurzfristige Stabilisierungspolitik, die sich an den Zielen der Preisniveaustabilität und eines hohen Beschäftigungsstandes orientiert, einem Zielkonflikt gegenübersieht: Fiskalpolitische und – wenn auch mit Einschränkungen – geldpolitische Maßnahmen zielen auf die aggregierte Nachfrage ab, weshalb man diese Maßnahmen als nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik bezeichnet. Jede Form nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik ist allerdings zwangsläufig damit konfrontiert, dass sich eine Erhöhung der Beschäftigung letztlich nur mit einem Anstieg des Preisniveaus erkaufen lässt. Wenn zu diesem Zielkonflikt noch eine weitgehende Autonomie der Zentralbank kommt, die ihrerseits in erster Linie dem Ziel der Geldwertstabilität verpflichtet ist, kann auch der Fall eintreten, dass eine expansive Fiskalpolitik des Staates durch restriktive geldpolitische Maßnahmen konterkariert wird.

11.2

Die Phillips-Kurve

Ursprüngliche Phillips-Kurve Der britische Ökonom A.W. PHILLIPS beobachtete mittels empirischer Untersuchungen den Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenquote und der Wachstumsrate der Nominallöhne in Großbritannien für den Zeitraum 18611957. Er stellte einen negativen Zusammenhang zwischen beiden makroökonomischen Variablen fest. Je geringer die Arbeitslosenquote, desto höher die Nominalsteigerungen und umgekehrt. Dieser Zusammenhang lässt sich in der nach ihm benannten Phillips-Kurve graphisch darstellen, indem auf der Ordinate die Wachstumsrate der Geldlöhne und auf der Abszisse die Arbeitslosenquote abgetragen werden. Eine Erklärung lautet, dass die Phillips-Kurve die Situation auf dem Arbeitsmarkt widerspiegelt. Je geringer die Arbeitslosenquote, desto leichter können Nominallohnerhöhungen durchgesetzt werden.

11.2 Die Phillips-Kurve

185

ALBAN W. PHILLIPS (1914-1975) wurde 1914 in Neuseeland geboren, wanderte 1937 nach Großbritannien aus und studierte nach dem Zweiten Weltkrieg an der London School of Economics and Political Sciences (LSE). Im Jahre 1967 ging er nach Australien und lehrte an der Australian National University (ANU) in Canberra.

Modifizierte Phillips-Kurve (Samuelson-Solow) Aus der ursprünglichen Phillips-Kurve konstruierte man schon bald einen analogen Zusammenhang zwischen Inflationsrate und Arbeitslosenquote. Diese modifizierte Phillips-Kurve wurde in der 1960er Jahren von den beiden amerikanischen Ökonomen SAMUELSON und SOLOW entwickelt. Demnach gibt es einen trade off von Inflation und Arbeitslosigkeit. Die wirtschaftspolitische Schlussfolgerung lautete: Das Erreichen von Vollbeschäftigung ist mit einem Anstieg der Inflationsrate verbunden und umgekehrt: Preisniveaustabilität muss mit einer Erhöhung der Arbeitslosenquote bezahlt werden. Während der 1970er und 1980er Jahre kamen Zweifel an dem Zusammenhang von Inflation und Arbeitslosigkeit auf. In den meisten westlichen Industriestaaten beobachtete man beides, hohe Inflationsraten und hohe Arbeitslosigkeit. Dieses Phänomen wurde als Stagflation bekannt.

PAUL A. SAMUELSON, geboren 1915, ein amerikanischer Ökonom, lehrte hauptsächlich am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Er ist einer der bekanntesten Vertreter der neoklassischen Synthese, die keynesianische und neoklassische Erklärungsmuster enthält. Berühmt wurde er auch durch die Veröffentlichung seines weltweit benutzten Lehrbuches „Economics: an introductory analysis“ (1948), das mittlerweile in vielen Auflagen erschienen ist und in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Im Jahre 1970 wurde SAMUELSON der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften verliehen.

186

11 AS/AD-Modell

Um Inflationserwartungen modifizierte Phillips-Kurve M. FRIEDMAN kritisierte am Konzept der modifizierten Phillips-Kurve, dass ein Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit nur dann besteht, wenn die Arbeitnehmer einer dauerhaften Geldillusion unterliegen. Sobald die Arbeitnehmer die Inflation korrekt antizipieren, hat die Inflation keine Auswirkungen auf Output und Beschäftigung. MILTON FRIEDMAN (1912-2006) gilt neben KEYNES als der einflussreichste Ökonom des 20. Jh. Er lehrte mehrere Jahrzehnte als Professor an der Universität Chicago. Für seine Forschungen auf den Gebieten der Geldtheorie und Konsumtheorie erhielt er 1976 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Seine liberale Philosophie in Ökonomie und Politik kommt besonders in seinem Werk „Capitalism and Freedom“ (1962) zum Ausdruck.

Unterstellt man adaptive Erwartungen, wie M. FRIEDMAN, dann gibt es einen Unterschied zwischen dem Verlauf der kurzfristigen und der langfristigen Phillips-Kurve. Hat eine expansive Geldpolitik einen Anstieg der Inflationsrate zur Folge, dann kommt es kurzfristig zu einer Verbesserung der Beschäftigungssituation, da bei starren Löhnen der Reallohn sinkt und die Unternehmen mehr Arbeit nachfragen und mehr produzieren. Die Arbeitnehmer werden durch die Inflation „überrascht“, die tatsächliche Inflationsrate ist höher als die erwartete Inflationsrate. Langfristig erkennen dies die Arbeitnehmer und fordern eine Nominallohnsteigerung zum Ausgleich der Inflationsrate, was wiederum die Beschäftigung auf ihr altes Niveau zurückkehren lässt. Die langfristige Phillips-Kurve verläuft somit vertikal. Werden rationale Erwartungen unterstellt, wie bei R. LUCAS und R. BARRO, dann gibt es keinen Unterschied zwischen dem kurzfristigen und dem langfristigen Verlauf der Phillips-Kurve. Die Phillips-Kurve verläuft in beiden Fällen vertikal. Kurz- wie langfristig verbleibt es bei der Rate der natürlichen Arbeitslosigkeit, auch als NAIRU bezeichnet (Non Accelerating Inflation Rate of Unemployment), das ist die Arbeitslosenquote, die mit Preisniveaustabilität vereinbar ist.

12

Internationale Wirtschaftsprobleme

12.1

Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

12.1.1

Die historische Entwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion

Im Juni 1988 beauftragte der Europäische Rat – die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer der Europäischen Union – einen Ausschuss unter dem Vorsitz des damaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Delors, zu prüfen, wie das Ziel einer einheitlichen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) erreicht werden kann. Nach Abschluss ihrer Arbeit legte das Gremium den so genannten Delors-Bericht vor, der vorschlug, das angestrebte Ziel in drei Stufen anzugehen. (a) Die erste Stufe Die erste Stufe begann am 1. Juli 1990. Mit diesem Tag wurden grundsätzlich alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aufgehoben. Um die institutionellen Voraussetzungen für die zweite und dritte Stufe zu schaffen, wurde der Vertrag über die Europäische Union im Februar 1992 in Maastricht unterzeichnet. (b) Die zweite Stufe Mit der Schaffung des Europäischen Währungsinstituts (EWI) am 1. Januar 1994 startete die zweite Stufe. Das EWI hatte zum einen die Aufgabe, die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Zentralbanken hinsichtlich der Koordinierung der Geldpolitiken zu stärken und die Vorarbeiten für die

188

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

Schaffung einer Europäischen Zentralbank, einer einheitlichen Geldpolitik und einer einheitlichen Währung zu leisten. Im Dezember 1995 wurde beschlossen, die einheitliche europäische Währung Euro zu nennen. Gleichzeitig wurde bestätigt, die dritte Stufe der WWU am 1. Januar 1999 beginnen zu lassen. Zur Vervollständigung und Konkretisierung verabschiedete der Rat im Juni 1997 den Stabilitätspakt (Vertrag von Amsterdam), der die Haushaltsdisziplin in der WWU sichern soll. Ein Jahr später, am 2. Mai 1998, bestimmte der Rat der Europäischen Union die elf der fünfzehn Mitgliedsstaaten, welche die notwendigen Voraussetzungen für die Einführung der einheitlichen Währung erfüllten (Irland, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Österreich, Deutschland und Finnland). Auch über den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die weiteren Mitglieder des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB) wurde entschieden. Die EZB und die Notenbanken der teilnehmenden Staaten bilden nun das Eurosystem. Damit endete die Tätigkeit des EWI. (c) Die dritte Stufe Am 1. Januar 1999 begann die dritte Stufe der WWU. Die Wechselkurse der 11 Teilnehmerstaaten wurden unwiderruflich festgelegt, der Euro offizielle Währung im bargeldlosen Zahlungsverkehr und die EZB übernahm die Verantwortung für eine einheitliche Geldpolitik. Als weiteres Land tritt Griechenland nach Erfüllung der Konvergenzkriterien dem Eurosystem bei. Mit Beginn des Jahres 2002 kommt der Euro in allen Mitgliedsstaaten als Bargeld in den Umlauf.

12.1.2

Die Europäische Zentralbank

Die Europäische Zentralbank hat ihren Sitz in Frankfurt/Main und wurde nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank gestaltet. Oberstes Beschlussorgan ist der EZB-Rat (Governing Council). Er besteht aus dem EZBDirektorium und den Zentralbankpräsidenten der Länder, die den Euro als Währung eingeführt haben. Das EZB-Direktorium (Executive Board) umfasst sechs Mitglieder: Präsident, Vizepräsident und vier weitere Direktoren, die von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten einvernehmlich ernannt werden. Nach Artikel 107 des Maastricht-Vertrags ist die EZB weisungsunabhängig, der Präsident wird auf 8 Jahre gewählt.

12.1 Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

189

Von der EZB zu unterscheiden ist das Europäische System der Zentralbanken (ESZB). Es setzt sich aus der EZB und den Notenbankpräsidenten der Länder zusammen, die zwar EU-Mitgliedsstaaten sind, aber den Euro noch nicht eingeführt haben. Diese können zwar ihre jeweilige nationale Geldpolitik beibehalten, sind aber im Gegenzug nicht am Entscheidungsprozess einer einheitlichen Geldpolitik für das Euro-Währungsgebiet beteiligt. Die Geldpolitik der EU wird somit nur durch die EZB bestimmt. Sie besitzt das Monopol der Banknotenausgabe. Vordringliche Aufgabe ist jedoch die Gewährleistung der Preisstabilität. Dieses Ziel kann sie quantitativ selbst definieren und ist frei in der Wahl und dem Einsatz ihrer geldpolitischen Instrumente. Der EZB-Rat hat Preisstabilität als Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) von unter 2 % gegenüber dem Vorjahr definiert. Dieses Ziel ist auf mittlere Frist einzuhalten. Der geldpolitische Ansatz, den die EZB benutzt, um die Risiken für die Preisstabilität einzuschätzen, beruht auf der sogenannten Zwei-Säulen-Strategie. Diese Strategie setzt sich aus einer wirtschaftlichen und einer monetären Analyse zusammen. Die kurz- bis mittelfristigen Risiken für die Preisstabilität werden vor allem auf der Basis gesamtwirtschaftlicher und finanzieller Indikatoren untersucht (wirtschaftliche Analyse). Die Abschätzung der mittel- bis langfristigen Preisrisiken erfolgt dagegen im Rahmen der monetären Analyse. Bei beiden Säulen handelt es sich um „ergänzende“ Instrumente. Ein wichtiges Argument für die Einführung der Zwei-Säulen-Strategie war der unterschiedliche Zeithorizont bei der Analyse der Preisentwicklung. Im Rahmen der ersten Säule (wirtschaftliche Analyse) verfolgt die EZB nicht-monetäre Faktoren, wie Löhne, Wechselkurse, Energiepreise, langfristige Zinssätze, indirekte Steuern etc., die auf die Preisentwicklung durchschlagen können. Die wirtschaftliche Analyse konzentriert sich somit auf die Beurteilung der aktuellen konjunkturellen und finanziellen Entwicklung. Damit soll Schocks, welche die Volkswirtschaft treffen können, früher entgegengewirkt werden. Derartige Schocks sind beispielsweise die Entwicklung der Energie- und Nahrungsmittelpreise. Bei Preissteigerungen können diese zu anhaltender Inflation führen und damit die Preisstabilität auf mittlere Sicht gefährden. Die zweite Säule (monetäre Analyse) basiert auf der herausragenden Rolle der Geldmenge, die vor allem in der Festlegung für das Wachstum der Geldmenge „M3“ zum Ausdruck kommt. Hier wird die Entwicklung der Geld-

190

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

menge beobachtet, wobei ein übermäßig hohes Wachstum der Geldmenge auf langfristige Risiken hinweist. Die EZB definiert verschiedene Geldmengenaggregate: die eng gefasste Geldmenge M1 umfasst Bargeld, d.h. Banknoten und Münzen, sowie täglich fällige Einlagen. Diese Einlagen können jederzeit in Bargeld umgewandelt oder für bargeldlose Zahlungen verwendet werden. Ein mittleres Aggregat ist M2, das neben M1 Einlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren und Einlagen mit einer Kündigungsfrist von zwei bis drei Monaten umfasst. Die Geldmenge M3 ist sehr weit gefasst. Zusätzlich zu M2 kommen bestimmte marktfähige Finanzinstrumente, wie Geldmarktfondsanteile und Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren. Der monetären Analyse liegt der Ansatz zugrunde, dass das Wachstum der Geldmenge M3 und die Inflation mittel- bis langfristig eng korreliert sind. Dieser Ansatz beruht auf der These von MILTON FRIEDMAN, dass Inflation immer ein monetäres Phänomen sei. Die theoretische Basis für diese Erkenntnis ist die Quantitätstheorie des Geldes. Die monetäre Analyse dient heute vorrangig als Mittel zur Überprüfung der aus der wirtschaftlichen Analyse abgeleiteten Hinweise für die Geldpolitik.

12.1.3

Die geldpolitischen Instrumente der EZB

Die geldpolitischen Operationen der EZB setzten am Interbankengeldmarkt an. Dort versorgen sich die Geschäftsbanken mit Zentralbankgeld. Mit Hilfe ihres Instrumentariums kann die EZB die Liquidität und die Zinssätze steuern. Zu den Instrumenten gehören die Offenmarktgeschäfte, die ständigen Fazilitäten und die Mindestreserve. Die Entscheidung, welche Instrumente eingesetzt werden, trifft der EZB-Rat; die Durchführung erfolgt durch die nationalen Zentralbanken.

Offenmarktgeschäfte Die Offenmarktgeschäfte stehen im Mittelpunkt der geldpolitischen Operationen der EZB. Man versteht darunter den Ankauf und Verkauf von Wertpapieren im weiteren Sinn durch die EZB auf eigene Rechnung am offenen Markt. Offener Markt heißt, dass der Abschluss von Offenmarktgeschäften mit der EZB grundsätzlich allen Marktteilnehmern (Banken wie Nichtbanken) offensteht. Die regelmäßigen Offenmarktgeschäfte werden in Form von

12.1 Europäische Wirtschafts- und Währungsunion

191

befristeten Transaktionen durchgeführt, bei denen Wertpapiere im Rahmen von Rückkaufsvereinbarungen durch die EZB angekauft bzw. Kredite gegen Verpfändung dieser Wertpapiere gewährt werden. Die Offenmarktgeschäfte werden entweder als Standardtender durchgeführt oder als Schnelltender. Bei dem Standardtender liegen maximal 24 Stunden zwischen der Ankündigung des Geschäfts und der Zuteilung, während der Schnelltender innerhalb von einer Stunde abgewickelt wird. Beide Verfahren können wiederum als Mengentender oder Zinstender ausgestaltet werden. Beim Mengentender wird der Zinssatz im Voraus durch die EZB festgelegt. Die Teilnehmer geben Gebote über den Betrag ab, für den sie Zentralgeld ersteigern möchten. Übersteigt die Summe der Gebote durch die Geschäftsbanken das Zuteilungsvolumen, so erhält jede am Verfahren beteiligte Geschäftsbank den prozentual gleichen Anteil des gewünschten Betrages, d.h. die Gebote werden anteilig bedient. Im Fall eines Zinstenders nennen die Teilnehmer nicht nur den Betrag, sondern auch den Zinssatz, zu dem sie bereit sind, das Geschäft abzuschließen, wobei die EZB in der Regel einen Mindestzinssatz vorgibt. Die Zuteilung kann entweder zu einem einheitlichen Satz (holländisches Verfahren), oder zu den individuellen Bietungssätzen der Kreditinstitute (amerikanisches Verfahren) erfolgen. Gebote über dem einheitlichen Satz bzw. über dem niedrigsten noch zum Zuge kommenden Satz (marginaler Zuteilungssatz) werden voll zugeteilt, die anderen Gebote werden nur anteilsmäßig berücksichtigt. Neben den beschriebenen Hauptfinanzierungsgeschäften stehen die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte. Sie dienen dazu, den Geschäftsbanken längerfristige Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Sie werden monatlich für eine Laufzeit von drei Monaten als befristete Transaktion abgeschlossen und zwar in Form eines Zinstenders. Die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte stellen jedoch nur einen Teil (ca. 25 %) des Refinanzierungsvolumens dar. Bei beiden Geschäften (Hauptfinanzierungsgeschäft und längerfristiges Refinanzierungsgeschäft) handelt es sich im Kern um Kredite, welche die EZB den Geschäftsbanken gegen Sicherheiten (Besicherung) gewährt. Die Besicherung kann entweder in Form einer Verpfändung oder eines Repogeschäftes (Verkauf von Wertpapieren und gleichzeitiger Rückkauf auf Termin) durchgeführt werden.

192

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

Ständige Fazilitäten Ein weiteres geldpolitisches Instrument sind ständige Fazilitäten. Sie können von den Geschäftsbanken jederzeit in Anspruch genommen werden. Sie sind aber von den Konditionen relativ unattraktiv, so dass nun in Ausnahmefällen darauf zurückgegriffen wird. Die EZB bietet den Kreditinstituten zwei ständige Fazilitäten an: Eine Spitzenrefinanzierungsfazilität und eine Einlagefazilität, die für die Bereitstellung bzw. Abschöpfung bis zum nächsten Geschäftstag konzipiert sind. Aufgrund ihrer kurzen Laufzeit spricht man auch von Übernachtgeschäften. Die beiden Arten von Fazilitäten bestimmen den Zinskanal, d.h. die Oberund die Untergrenze des Geldmarktzinses. Der Zinssatz für Spitzenrefinanzierungsfazilität ist in der Regel deutlich höher als der jeweilige Marktzinssatz, der Zinssatz für Einlagefazilitäten dagegen deutlich niedriger als der Marktzinssatz. Daher nutzen die Geschäftsbanken die ständigen Fazilitäten nur, wenn es keine Alternativen gibt.

Mindestreserven Das Instrument der Mindestreserve verpflichtet Geschäftsbanken (Kreditinstitute), für bestimmte Verbindlichkeiten in Höhe eines vorgegebenen Prozentsatzes Einlagen (Guthaben) bei der EZB zu halten. Der Mindestreservesatz beträgt zurzeit 2 %. Die Einlagen bzw. Guthaben, die von den nationalen Zentralbanken zu halten sind, werden bis zur Höhe des Mindestreserve-Solls mit dem Durchschnittszinssatz der Hauptfinanzierungsgeschäfte verzinst, der während der Erfüllungsperiode der Mindestreservepflicht galt. Während der Erfüllungsperiode sind außerdem Unter- und Überschreitungen des Mindestreservesolls möglich, dieser muss lediglich im Durchschnitt der Erfüllungsperiode erfüllt sein. Damit ist eine intertemporale Arbitrage möglich. Kurzfristig am Tagesgeldmarkt auftretende Schwankungen können somit abgefedert werden. Über den Hebel der Mindestreserve besitzt die EZB die Möglichkeit, direkt auf den Zentralbankgeldbedarf der Kreditinstitute einzuwirken, weil er für unmittelbare Nachfrage der Geschäftsbanken nach Zentralbankgeld sorgt.

12.2 Die internationale Wirtschafts- und Währungsordnung

12.2

193

Die internationale Wirtschafts- und Währungsordnung

Die Architektur der internationalen Wirtschafts- und Währungsordnung besteht im Wesentlichen aus drei Säulen: dem Internationalen Währungsfond (IWF/IMF), der Weltbank oder besser: der Weltbankgruppe und der Welthandelsorganisation (WTO). Diese Institutionen sollen im Folgenden kurz vorgestellt werden.

12.2.1

Der Internationale Währungsfond

Bereits Mitte 1944 wurden wichtige Weichenstellungen für die nach dem Ende des II. Weltkriegs geltende Währungsordnung getroffen. Auf der „Internationalen Währungs- und Finanzkonferenz der Vereinten und Assoziierten Nationen“ in Bretton Woods (Bundesstaat New Hampshire/USA) einigten sich die teilnehmenden Nationen am 22. Juli 1944 auf ein neues Weltwährungssystem. Die darin festgelegte Währungsordnung der Nachkriegszeit wird deshalb auch als Bretton-Woods-System bezeichnet. Auf der Konferenz standen zwei Pläne zur Diskussion: der Vorschlag von HARRY DEXTER WHITE, der als Vertreter des amerikanischen Schatzamtes an der Konferenz teilnahm und der Entwurf von JOHN MAYNARD KEYNES, der Mitglied der britischen Delegation war. Beide Pläne spiegelten die unterschiedlichen Ausgangslagen der Länder wider. Großbritannien war als Folge des Zweiten Weltkriegs in eine starke Schuldnerposition geraten. Zudem stand auf der Agenda der nationalen Wirtschaftspolitik das Ziel der Vollbeschäftigung im Vordergrund, das mit den Möglichkeiten der keynesianischen Theorie erreichbar schien. Die Vereinigten Staaten dagegen waren in einer Gläubigerposition und wollten die starke Stellung des Dollar unbedingt aufrechterhalten. Im Mittelpunkt des White Plans stand daher auch der Dollar. Sein Wert wurde gegenüber dem Gold auf 35 USD je Feinunze (31,1 g) festgelegt und die US-Zentralbank garantierte, Dollar jederzeit zu diesem Preis in Gold einzulösen. Die Währungen der anderen Mitgliedsländer wurden in eine feste Beziehung zum US-Dollar gebracht. Als die Bundesrepublik Deutschland am 14. August 1952 dem IWF und damit dem Bretton-Woods-System beitrat, wurde der Wechselkurs der DM zum US-Dollar auf 4,20 festgelegt (4,20 DM = 1 US Dollar).

194

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

Mit dem Beitritt verpflichteten sich die Zentralbanken der Teilnehmerstaaten, zur Stützung der vereinbarten Parität am Devisenmarkt zu intervenieren, wenn eine gewisse Bandbreite über- oder unterschritten wurde. Ferner mussten die Mitgliedsländer eine freie Austauschbarkeit der inländischen Währung gegenüber ausländischen Währungen gewährleisten (Konvertibilität). Der Keynes-Plan sah die Gründung einer Internationalen Zahlungsunion vor, die International Clearing Union (ICU). Die Zentralbanken sollten bei dieser Organisation Konten unterhalten, über die die wechselseitigen Zahlungsströme zwischen den Währungen ausgeglichen werden. Länder mit einem Überschuss in der Zahlungsbilanz hätten ein Haben auf ihrem Konto, Länder mit einem Defizit dagegen ein Soll. Die Konten selbst sollten in einer neu zu schaffenden internationalen Währung, dem Bancor, geführt werden. Diese Währung sollte jedoch nur ein Buchgeld sein, nicht in Banknoten und Münzen ausgegeben werden. Ziel von KEYNES war, Ungleichgewichte in der Zahlungsbilanz abzubauen. Dazu war vorgesehen, dass Ländern, deren Guthaben oder Soll über einer für jedes Land festzulegende Quote, bemessen am Anteil am Welthandel, liegt, Zinsen an die ICU zu zahlen hätten. Mit diesem Instrument würde es für Gläubigerländer unattraktiv, starke Überschüsse zu erwirtschaften, da diese über Zinsen wiederabgeführt werden müssten. Wie beim Whiteplan sah auch der Keynes Plan feste Wechselkurse vor. Die Relationen zum Bancor sollte festgelegt werden, konnten aber in regelmäßigen Abständen angepasst werden. Das auf dem White Plan beruhende Bretton-Woods-System legte letztendlich die Spielregeln für den internationalen Zahlungsverkehr fest. Die Einhaltung dieser Spielregeln stieß indes bald auf Schwierigkeiten. Es gab Mitgliedsländer, wie z.B. die Bundesrepublik Deutschland, deren Währungen dauerhaft unter Aufwertungsdruck gerieten, weil ihre Leistungsbilanz einen permanenten Überschuss aufwies und andere, deren Währung unter ständigen Abwertungsdruck stand – letzteres war insbesondere bei Entwicklungsländern der Fall. Gerade der ständige Abwertungsdruck infolge struktureller Zahlungsbilanzdefizite bereitete Probleme. Die Verpflichtung der Notenbanken, ständig ausländische Währungen anbieten zu müssen, brachte einen Abbau der Devisenreserven mit sich, die weitere Interventionen nur über Stützungskredite des IWF möglich machte. Um die Einhaltung der Spielregeln zu sichern, mussten daher die Paritäten neu festgelegt werden. Politiker taten sich indes mit Abwertungen ihrer Währung schwer, weil diese häufig als „Währungsschwäche“ interpretiert wurde, die letztlich auf ein Versagen der Politik zurückzuführen sei. Aber auch Währungsaufwertungen waren politisch nicht

12.2 Die internationale Wirtschafts- und Währungsordnung

195

einfach durchzusetzen, da die stark exportorientierten Industriezweige des Inlands mit dem Argument einer Schwächung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit opponierten. Vor allem dieser Widerstand der Politiker gegenüber Neufestlegungen der Wechselkurse brachte die festgelegten Spielregeln ins Wanken. Denn bei Vorliegen eines länger andauernden strukturellen Zahlungsbilanzdefizits, konnte mit einer bald bevorstehenden Abwertung gerechnet werden. Der Kauf einer ausländischen Währung (z.B. USD) zum noch geltenden Wechselkurs und ein Rücktausch in die inländische Währung zum höheren, neu festgelegten Wechselkurs versprachen nicht nur hohe Spekulationsgewinne, sondern auch (relativ) sichere Spekulationsgewinne. Das einzige Risiko für Spekulanten bestand lediglich darin, dass die Veränderungen der Parität zeitlich aufgeschoben werden könnte, was eventuelle Verluste mit sich bringen konnte. Die Möglichkeit einer Aufwertung der Währung – die hohe Verluste hätte bringen können – war angesichts der außenwirtschaftlichen Situation praktisch ausgeschlossen. Die Spekulationen brachte die inländische Währung noch stärker unter Druck und beschleunigte die Notwendigkeit einer raschen Neufestlegung der Paritäten. Trotz der geschilderten Probleme funktionierte das Bretton-Woods-System über zwei Jahrzehnte recht gut. Die zunehmenden Defizite in der Leistungsbilanz der USA führten jedoch zu wachsenden Dollarreserven im Ausland. Bald überstiegen die ausländischen Dollarbestände den Goldvorrat der USA. Das Misstrauen in die Goldeinlösungspflicht nahm zu. Als Folge dieser Entwicklung hoben die USA im Jahre 1971 ihre Goldeinlösungspflicht auf. Damit war das Bretton-Woods-System am Ende; im Jahre 1973 brach es endgültig zusammen. Die Wechselkurse aller wichtigen Währungen wurden freigegeben. Der IWF und die Weltbank blieben jedoch erhalten. Heute konzentriert sich die Aufgabe des IWF weitgehend auf die Gewährung finanzieller Hilfe zur Überwindung der außenwirtschaftlichen Probleme von Entwicklungsländern. Neben finanzieller Hilfe leistet der IWF auch „technische Hilfe“, indem er Mitgliedsländer bei der Ausarbeitung wirtschaftspolitischer und struktureller Programme mit Expertenwissen unterstützt. Die finanziellen Hilfen sind in der Regel mit bestimmten wirtschaftspolitischen Auflagen verbunden, dessen Einhaltung vom IWF überwacht wird. Die Durchführung dieser Tätigkeit ist in den letzten Jahren auf wachsende Kritik gestoßen, bis hin zum Vorwurf des institutionellen Imperialismus.

196

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

In der jüngsten Zeit haben insbesondere China und Russland die Idee einer „supranationalen Reservewährung“ neu belebt. Sie fordern, die Rolle der Sonderziehungsrechte (SZR) beim IWF auszubauen. Die SZR sind künstliche Währungseinheiten, die vom IWF eingeführt wurden, um Zahlungsbilanzprobleme der Mitgliedsländer zu lösen. Sie werden nicht auf Devisenmärkten gehandelt. Ihr Wert wird vielmehr durch einen Währungskorb festgelegt, der aus den wichtigsten internationalen Währungen besteht (USD, Euro, Yen, GBP).

12.2.2

Die Weltbank

Zusammen mit dem IWF wurde die Gründung der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (International Bank for Reconstruction and Development/IBRD), kurz Weltbank, beschlossen. Die Weltbank nahm ihre Geschäftstätigkeit im Juni 1946 in Washington D.C. auf, wo sie und ihre Tochterorganisationen bis heute ihren Sitz haben. Ziel der Weltbank war die Beseitigung der langfristigen strukturellen Probleme der ärmsten Länder. Mit relativ zinsgünstigen Krediten und langen Laufzeiten wollte man in diesen Staaten die Gefahren von politischen und sozialen Fehlentwicklungen ausschalten. Am Anfang ihrer Tätigkeit widmete sich die Weltbank allerdings überwiegend dem Wiederaufbau Europas nach dem II. Weltkrieg. Anfang 1948 starteten jedoch die USA im Rahmen des Marshall-Plans das European Recovery Program (ERP), um eine Reihe von europäischen Ländern, die unter den Kriegsfolgen besonders litten, zu unterstützen und so ein „Bollwerk gegen den Kommunismus“ zu errichten. Der US-Kongress bewilligte in den darauf folgenden Jahren rd. 13 Mrd. US-Dollar. Lieferungen von Rohstoffen, Waren und Kapital flossen, teils als Schenkungen, teils als Kredite, nach Europa. Damit konnte sich die Weltbank ab Anfang der 50er Jahre voll auf die wirtschaftliche Förderung der Entwicklungsländer konzentrieren. Die Weltbank besteht heute aus der Mutterorganisation IBRD und drei Schwesterorganisationen: der IDA (International Development Association), der IFC (International Finance Corporation) und der MIGA (Multilateral Investment Guarantee Agency). Alle vier Organisationen haben zwar eine eigene Rechtspersönlichkeit, sind aber hinsichtlich Leitung, Geschäftsführung und Satzungsbestimmungen eng miteinander verbunden.

12.2 Die internationale Wirtschafts- und Währungsordnung

197

Die Mitgliedschaft in der IBRD steht nur den Staaten offen, die auch Mitglied im IWF sind. Von daher ist die Mitgliederstruktur in beiden Organisationen weitgehend identisch. Die IBRD durfte gemäß ihren Statuten nur Kredite und diese wiederum nur an Regierungen oder gegen Regierungsgarantie vergeben, aber keine Beteiligungen übernehmen. Dies führte im Jahre 1956 zur Gründung der IFC. Sie fördert durch Kapitalbeteiligung, Bereitstellung von Darlehen und technischer Beratung den Aufbau, die Erweiterung und die Modernisierung privater Unternehmen. Mit der IDA wurde 1960 eine Institution geschaffen, die es ermöglichte, Kredite zu „weicheren“ Bedingungen zu vergeben. Die IDA-Darlehen werden teilweise ohne Zinsen verliehen; ferner weisen sie eine längere tilgungsfreie Zeit aus. Jüngste Schwester der Weltbankgruppe ist die 1988 gegründete MIGA. Ihre Aufgabe besteht darin, ausländische Direktinvestitionen in Entwicklungsländern durch Garantien gegen nicht-ökonomische Risiken zu fördern. An der Spitze der Weltbank steht der Rat der Gouverneure. Jedes Land entsendet einen Gouverneur (in der Regel der Wirtschafts- oder Finanzminister) und einen Stellvertreter. Der Gouverneursrat überträgt die meisten Entscheidungen auf ein Direktorium von Exekutivgouverneuren, das aus 21 Mitgliedern besteht, von denen 5 aus den Ländern mit den höchsten Kapitalanteilen (USA, Großbritannien, Frankreich, Japan und Deutschland) kommen.

12.2.3

Die Welthandelsorganisation

Ursprünglich sollte gemeinsam mit dem IWF und der Weltbank eine internationale Handelsorganisation (International Trade Organisation/ITO) gegründet werden. Da aber nicht genügend Staaten das ITO-Abkommen unterzeichneten, kam die Gründung nicht zustande. Stattdessen wurde im Jahre 1948 das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade/GATT) als eine Art Provisorium abgeschlossen. Ziel war es, den internationalen Handel durch Zollsenkungen und Beseitigung anderer Handelsbeschränkungen zu fördern. Dieses Provisorium dauerte bis 1995. Seit dem 1. Januar 1995 hat die Welthandelsorganisation (World Trade Organisation/WTO) mit Sitz in Genf ihre Arbeit aufgenommen. Aus dem Dauerprovisorium des GATT ist damit eine Dachorganisation mit eigenen Organen, Entscheidungskompetenzen und Ausführungsaufgaben entstanden. Mit den Part-

198

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

nerorganisationen IWF und Weltbank ist damit die Triade der 1944 in Bretton Woods geplanten Architektur zu einem Abschluss gekommen. Die WTO führt die Aufgaben, Ziele und Prinzipien des GATT fort. Ihre wichtigsten Organe sind die Ministerkonferenz, die mindestens alle zwei Jahre tagt, der Allgemeine Rat als ständiges Gremium aller Mitgliedsstaaten und das Sekretariat unter der Leitung eines Generalsekretärs. Darüber hinaus stellt das Streitschlichtungsgremium eine Neuerung dar, mit der Handelsstreitigkeiten zwischen Mitgliedsländern durch ein von den betroffenen Staaten unabhängiges Gremium entschieden werden.

12.3

Das Modell einer offenen Volkswirtschaft

Im Modell einer offenen Volkswirtschaft tritt neben die Sektoren Haushalte, Staat und Unternehmen das Ausland als ein weiterer Sektor (siehe Kapitel 2 und Kapitel 8). Der wesentliche Unterschied zwischen rein inländischen Transaktionen bzw. Transaktionen in einem Währungsraum und solchen mit dem Ausland besteht darin, dass in jedem beteiligten Land nur die jeweilige Währung als gesetzliches Zahlungsmittel dient. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit zum Umtausch von Währungen, z.B. EURO gegen USD. Folglich muss die Analyse um den Devisenmarkt ergänzt werden, dem ökonomischen Ort des Währungsumtausches. Auch auf den anderen bisher betrachteten Märkten muss nunmehr die ausländische Nachfrage bzw. das ausländische Angebot berücksichtigt werden. Wird zur Vereinfachung unterstellt, dass Arbeitskräfte sowie Sachkapital international immobil sind, beschränkt sich die Analyse auf den Güter- und Geldmarkt. Es kann sowohl ausländische Nachfrage nach inländischen Gütern geben, als auch inländische Nachfrage nach Gütern, die im Ausland hergestellt werden. Zudem gilt, dass die Wirtschaftssubjekte bei ihrer Vermögensanlageentscheidung nicht mehr nur zwischen Geld und inländischen Wertpapieren wählen, sondern auch ausländische Wertpapiere nachfragen können. Letzteres trifft auch aus der Sicht des Auslandes zu: Auch ausländische Anleger sind nunmehr in der Lager, inländische Wertpapiere nachzufragen. Zur Vereinfachung werden wir im Folgenden den Rest der Welt, in den die inländische Volkswirtschaft eingebettet ist, als eine zusammengefasste Volkswirtschaft – das Ausland – betrachten und davon ausgehen, dass diese zusammengefasste Volkswirtschaft ähnliche Strukturen aufweist wie die in-

12.3 Das Modell einer offenen Volkswirtschaft

199

ländische Volkswirtschaft. Es wird somit nicht zwischen verschiedenen Ländern oder Ländergruppen unterschieden, zu denen außenwirtschaftliche Beziehungen bestehen können.

12.3.1

Der makroökonomische Gütermarkt einer offenen Volkswirtschaft

Wird eine offene Volkswirtschaft betrachtet, ist die Beschreibung des Güterangebots und der Güternachfrage, wie bereits dargestellt, in zweifacher Hinsicht zu erweitern. Es ist zum einen zu berücksichtigen, dass inländische Güter auch von ausländischen Wirtschaftssubjekten nachgefragt werden können, d.h. Güter werden exportiert. Zum anderen ist zu beachten, dass das auf inländischer Produktion beruhende Güterangebot durch die Einfuhr von Gütern aus dem Ausland, die Importe, vergrößert werden kann. Die Frage ist, welches die Bestimmungsfaktoren von Exporten und Importen sind und inwieweit sich hieraus Änderungen für die gesamtwirtschaftliche Güternachfrage ergeben. Beginnen wir zuerst mit den Exporten und deren Bestimmungsfaktoren. Für ein repräsentatives Wirtschaftssubjekt dürfte das Preisniveau – genauer das Verhältnis der Preisniveaus – zwischen inländischen und ausländischen Gütern ausschlaggebend dafür sein, ob es inländische oder ausländische Güter nachfragt. Das Problem bei der Ermittlung dieser Preisverhältnisse besteht darin, dass die Preise inländischer und ausländischer Güter in jeweils unterschiedlichen Währungen ausgedrückt werden, so dass die Preise nicht direkt vergleichbar sind. Was fehlt, um diese Vergleichbarkeit zu ermöglichen, ist somit ein Preis, der das Austauschverhältnis beider Währungen widerspiegelt. Dieser Preis ist der Wechselkurs, der im weiteren mit dem Symbol e (= exchange rate) bezeichnet wird. Wird – was für den weiteren Verlauf der Argumentation wichtig ist – angenommen, dass es sich um den Wechselkurs in der sogenannten Preisnotierung handelt, so bezeichnet der Wechselkurs nichts anderes als den Preis der ausländischen Währung in Einheiten der inländischen Währung. Der Wechselkurs e gibt also an, wie viel inländische Geldeinheiten für eine ausländische Geldeinheit gezahlt werden müssen (= Devisenkurs). Wird als ausländische Währung beispielsweise der USD herangezogen, so hat e folglich die Dimension EUR/USD. Da der Wechselkurs den Wert der ausländischen Währung in inländischen Geldeinheiten misst, ist ein Anstieg von e gleichbedeutend mit einer Abwertung der inländischen Währung bzw. einer

200

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

Aufwertung der ausländischen Währung. Analog ist ein Sinken des Wechselkurses gleichbedeutend mit einer Aufwertung der inländischen Währung bzw. einer Abwertung der ausländischen Währung. Im Falle einer Mengennotierung USD/EUR gilt der umgekehrte Zusammenhang. Ein Anstieg des Wechselkurses ist gleichbedeutend mit einer Aufwertung der inländischen Währung, ein Sinken des Wechselkurses entspricht einer Abwertung. Wird das ausländische Preisniveau mit PAusl bezeichnet, so gibt der Ausdruck PAusl ⋅ e nichts anderes als das Preisniveau der ausländischen Güter, ausgedrückt in inländischen Geldeinheiten, wieder. Das reale Austauschverhältnis zwischen ausländischen und inländischen Gütern ist folglich gegeben durch den Ausdruck (PAusl/PInl) ⋅ e, den sogenannten realen Wechselkurs (= epsilon):

=

P Ausl ⋅e P Inl

Es ist plausibel anzunehmen, dass die ausländische Nachfrage nach inländischen Gütern umso größer ist, je preiswerter die inländischen Güter im Vergleich zu ausländischen Gütern sind, das heißt je höher der reale Wechselkurs ist. Hinsichtlich der realen Exportnachfrage erhalten wir somit eine vom realen Wechselkurs abhängige Exportfunktion Ex( ) mit dEx > 0 . Diese Exd

portfunktion vernachlässigt zwar, dass das ausländische Einkommen ebenfalls eine Determinante der Exporte (die ja die Importe des Auslands sind) sein könnte. Wir gehen jedoch im folgenden davon aus, dass das ausländische Einkommen eine gegebene Größe ist. Gleiche Überlegungen wir für die Exporte können auch für die Importnachfrage angestellt werden. Es ist wiederum plausibel, dass die inländische Nachfrage nach ausländischen Gütern um so größer ist, je geringer der reale Wechselkurs sind, das heißt je preiswerter die ausländischen Güter im Vergleich zu inländischen Gütern sind. Darüber hinaus wird unterstellt, dass – ähnlich wie der private Konsum – die Importnachfrage auch vom inländischen Einkommen abhängt, wobei ein steigendes Einkommen mit steigenden Importen einhergeht. Insgesamt führt dies zu einer Importfunktion Im(Y, ), welche die realen Importe in Abhängigkeit vom inländischen Einkommen und dem realen Wechselkurs beschreibt.

12.3 Das Modell einer offenen Volkswirtschaft

201

Der Saldo zwischen den in inländischen Geldeinheiten bewerteten Exporten und Importen wird als Leistungsbilanzsaldo (LBS) bezeichnet. Da wir in unserem Modell zunächst lediglich Güterimporte und Güterexporte betrachten, entspricht der Leistungsbilanzsaldo dem Handelsbilanzsaldo. Der Leistungsbilanzsaldo einer offenen Volkswirtschaft ist demnach vom inländischen Einkommen und dem realen Wechselkurs bzw. dessen Komponenten PInl, PAusl und e abhängig. Die Bestimmung des Gütermarktgleichgewichts einer offenen Volkswirtschaft erfordert somit, dass zusätzlich zu den bisher betrachteten Variablen Y und i nunmehr auch der reale Wechselkurs das Gütermarktgleichgewicht beeinflusst. Wenn wir der Einfachheit halber davon ausgehen, dass sowohl das inländische als auch das ausländische Preisniveau als gegeben betrachtet werden, dann verbleibt der Wechselkurs e als endogene Variable. Hinsichtlich des Einflusses des Wechselkurses e auf die Lage der IS-Kurve ist von entscheidender Bedeutung, wie der Leistungsbilanzsaldo auf Änderungen des Wechselkurses reagiert. Üblicherweise wird eine „Normalreaktion“ der Leistungsbilanz auf Wechselkursänderungen unterstellt, womit gemeint ist, dass der Leistungsbilanzsaldo steigt, wenn der Wechselkurs steigt, d.h. die inländische Währung abgewertet wird. Dadurch steigen die Exporte und die Importe gehen zurück. i

IS(e 0 )

IS(e1 )

e

Y Abbildung 12.1: Einfluss des Wechselkurses auf die Lage der IS-Kurve einer offenen Volkswirtschaft

202

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

Betrachten wir, welche Konsequenzen sich für die Lage der IS-Kurve aus Wechselkursänderungen ergeben. Abbildung 12.1 zeigt mit IS(e0) die ISKurve, die sich bei einem gegebenen Wechselkurs e0 ergibt. Nehmen wir an, dass der Wechselkurs von e0 auf e1 steigt, also die inländische Währung abgewertet wird. Bei einer Normalreaktion der Leistungsbilanz zieht das Sinken des Wechselkurses einen Anstieg des Leistungsbilanzsaldos nach sich. Dies bedeutet, dass nunmehr eine höhere aggregierte Nachfrage vorliegt. Die Zunahme der Nachfrage äußert sich in einer Rechtsverschiebung der IS-Kurve, so dass als neue IS-Kurve in Abbildung 12.1 die mit IS(e1) bezeichnete Kurve resultiert. Analog kann für den Fall eines sinkenden Wechselkurses bzw. einer Aufwertung der inländischen Währung argumentiert werden, um die in einem solchen Fall erfolgende Linksverschiebung der IS-Kurve zu begründen.

12.3.2

Der Devisenmarkt

Nachdem der Einfluss des Wechselkurses auf die Lage der IS-Kurve in einer offenen Volkswirtschaft analysiert wurde, soll nun der Devisenmarkt und seine Funktionsweise in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Der Devisenmarkt ist der Markt, an dem ausländische Währungen (= Devisen) gehandelt werden. Devisenangebot und Devisennachfrage bestimmen den Devisenkurs (Wechselkurs). Die Devisenangebotskurve weist eine positive Steigung auf, da eine Abwertung (steigender Devisenkurs) im Normalfall zu einer Zunahme der Exporte führt und damit das Devisenangebot steigt. Demgegenüber weist die Devisennachfrage eine negative Steigung auf, da eine Aufwertung (sinkender Devisenkurs) zu einer Zunahme der Importe führt und somit die Nachfrage nach Devisen steigen lässt. Das Devisenangebot (DA), das Angebot an ausländischer Währung, setzt sich aus dem Exporterlösen inländischer Wirtschaftssubjekte und den Kapitalimporten, das heißt ausländischen Vermögensanlagen im Inland zusammen. Entsprechend bestimmen die Importe und die Kapitalexporte, also inländische Vermögensanlagen im Ausland, die Nachfrage auf dem Devisenmarkt (DN).

12.4 Das Mundell-Fleming-Modell

e

D N (e)

203

D A (e)

e∗

D A (e∗) = D N (e∗)

A

D ,D

N

Abbildung 12.2: Gleichgewicht auf dem Devisenmarkt

Abbildung 12.2 zeigt die beschriebene Angebots- und Nachfragekurve nach Devisen. Es wird deutlich, dass das Devisenangebot und die Devisennachfrage beim Wechselkurs e* übereinstimmen: DA(e*) = DN (e*). Sofern sich der Wechselkurs nicht auf diesem Gleichgewichtsniveau befindet, liegt entweder ein Nachfrageüberschuss (im Fall e < e*) oder ein Angebotsüberschuss (im Fall e > e*) auf dem Devisenmarkt vor. Zu erwarten wäre, dass der Preismechanismus im Fall eines Ungleichgewichts auf dem Devisenmarkt zu Änderungen des Wechselkurses führt, mit der Folge, dass derartige Ungleichgewichte beseitigt werden. Letzteres setzt allerdings voraus, dass sich der Wechselkurs frei bewegen kann. Dies muss nicht notwendigerweise der Fall sein, da aufgrund internationaler Vereinbarungen feste Wechselkurse vereinbart werden können.

12.4

Das Mundell-Fleming-Modell

Zur Analyse des Gleichgewichts in einer offenen Volkswirtschaft und der Wirksamkeit von Geld- und Fiskalpolitik unter verschiedenen Wechselkurssystemen wird das Mundell-Fleming-Modell verwendet.

204

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

ROBERT A. MUNDELL, geboren 1932, und J. MARCUS FLEMING (1911-1976) entwickelten Anfang der 60er Jahre unabhängig voneinander ein makroökonomisches Modell für offene Volkswirtschaften, das in der Literatur als MundellFleming-Modell bekannt wurde. R. MUNDELL erhielt im Jahre 1999 für seine Analyse der Wirkungen von Geldund Fiskalpolitik in unterschiedlichen Wechselkurssystemen sowie seine Arbeiten zur Theorie optimaler Währungsräume den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Das Mundell-Fleming-Modell erweitert das IS/LM-Modell um den Devisenmarkt. Ein simultanes Gleichgewicht liegt dann vor, wenn sich Gütermarkt, Geldmarkt und Devisenmarkt im Gleichgewicht befinden. Die Annahmen entsprechen zunächst denen des IS/LM-Modells: es wird ein preiselastisches Güterangebot unterstellt, d.h. die AS-Kurve verläuft horizontal. Die Unternehmen können jederzeit ihre Produktion an Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage anpassen, ohne dass dies Auswirkungen auf das inländische Preisniveau oder den Nominallohn hat. Beides sind exogen bestimmte Größen. Als weitere Annahme kommt hinzu, dass es sich um eine kleine Volkswirtschaft handelt. Das bedeutet, dass sowohl der Gütermarkt als auch der Geldmarkt von außenwirtschaftlichen Einflüssen abhängen. Das Modell unterstellt ferner, dass das ausländische Preisniveau unverändert bleibt und das ausländische Zinsniveau bzw. der Weltmarktzins nicht von der Volkswirtschaft beeinflusst werden können. Zur Vereinfachung wird im Weiteren davon ausgegangen, dass internationale Kapitalbewegungen zwischen dem Inland und dem Ausland nur durch Zinsdifferenzen bzw. Zinsdisparitäten bestimmt werden. Hinsichtlich der Kapitalbewegungen gilt, dass weder Beschränkungen der internationalen Kapitalströme existieren, noch irgendwelche Unterschiede in den Vermögenstiteln bestehen. Es herrscht vollständige Kapitalmobilität und die Vermögenstitel sind homogen. Aus diesen Annahmen folgt, dass der inländische Zins i jederzeit dem Weltmarktzins iW entsprechen muss (Zinsparität). Sofern der inländische Zins größer ist als der Weltmarktzins iW, mithin i > iW gilt, werden sämtliche Anleger aus dem In- und Ausland ausschließlich inländische Vermögenstitel nachfra-

12.4 Das Mundell-Fleming-Modell

205

gen. Da die betrachtete Volkswirtschaft annahmegemäß klein ist, bedeutet dies, dass die Kapitalimporte zunehmen und die Wertpapiernachfrage größer ist als das Angebot. Sofern hingegen die Zinsdifferenz negativ ist (i < iW), werden sämtliche Anleger im In- und Ausland ausschließlich ausländische Vermögenstitel nachfragen. Dies bedeutet allerdings gleichzeitig, dass die Kapitalexporte zunehmen und der Wertpapiermarkt im Ungleichgewicht ist. Nur dann, wenn i = iW gilt, kann ein Gleichgewicht auf dem Wertpapiermarkt vorliegen. Es zeigt sich, dass die Annahme einer kleinen Volkswirtschaft, zusammen mit der Annahme vollständiger Kapitalmobilität weitreichende Konsequenzen für das Modell hat: Es resultiert eine zusätzliche Gleichgewichtsbedingung, die verlangt, dass der inländische Zins i dem Weltmarktzins iW entspricht. Ist dies nicht der Fall, setzten internationale Kapitalbewegungen ein, welche die Zinsdifferenz beseitigen.

12.4.1

Fiskal- und Geldpolitik in einer offenen Volkswirtschaft bei flexiblen Wechselkursen

Wir wenden uns nun der Frage zu, inwieweit die Annahme, dass es sich um eine kleine offene Volkswirtschaft handelt, die Einschätzung hinsichtlich der Wirksamkeit fiskal- oder geldpolitischer Maßnahmen beeinflusst. Wir gehen dabei zunächst davon aus, dass die Volkswirtschaft in ein System flexibler Wechselkurse eingebunden ist. Die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit fiskaloder geldpolitischer Maßnahmen kann auch Ursachen haben, die nichts mit den außenwirtschaftlichen Verflechtungen der Volkswirtschaft zu tun haben. Von solchen Fällen wollen wir im Weiteren absehen, um uns allein auf den außenwirtschaftlichen Aspekt zu konzentrieren.

Fiskalpolitik bei flexiblen Wechselkursen Beginnen wir mit fiskalpolitischen Maßnahmen und unterstellen, dass der Staat expansive Fiskalpolitik betreibt, indem er seine Güternachfrage erhöht. Die Ausweitung der Staatsausgaben (∆G) führt zu einem Anstieg der aggregierten Nachfrage und somit einer Rechtsverschiebung der IS-Kurve. Abbildung 12.3 zeigt diese Rechtsverschiebung der IS-Kurve aufgrund expansiver Fiskalpolitik. Ausgangspunkt hierbei ist das Güter-, Geld- und Devisenmarktgleichgewicht im Punkt A mit den entsprechenden Gleichgewichtswerten Y*, i* und e*.

206

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

i

IS(e*) = IS(e**)

G

i1 i* = i

W

LM

B A

e IS1 (e *)

Y*

Y1

Y

Abbildung 12.3: Fiskalpolitik in einer kleinen offenen Volkswirtschaft bei flexiblen Wechselkursen

Aufgrund der gestiegenen aggregierten Nachfrage kommt es zunächst – bei noch unverändertem Wechselkurs e* – zu Einkommens- und Zinserhöhungen im Inland (Punkt B). Wegen i > iW steigen die Kapitalimporte. In der Folge steigt das Devisenangebot. Es kommt zu einem Angebotsüberschuss, was ein Sinken des Wechselkurses nach sich zieht. Diese Aufwertung der inländischen Währung wiederum führt zu einem Rückgang des Leistungsbilanzsaldos, da die Nettonachfrage des Auslands (Ex - Im) sinkt. Graphisch lässt sich dies durch eine Linksverschiebung der IS-Kurve darstellen. Dieser Anpassungsprozess dauert so lange, bis das inländische Zinsniveau wieder dem Weltmarktzinsniveau iW entspricht. Der Wechselkurs fällt somit auf ein Niveau e**, was zur Folge hat, dass der Leistungsbilanzsaldo genau in dem Ausmaß sinkt, in dem die Fiskalpolitik zu einem Anstieg der aggregierten Nachfrage geführt hat (wechselkursbedingter Verdrängungseffekt). Die Konsequenz ist, dass das sich letztendlich einstellende Gleichgewicht in Abbildung 12.3 wiederum durch den Punkt A und die alten Gleichgewichtswerte Y* und i*, aber einen niedrigeren Wechselkurs (e**) gegeben ist. Dies bedeutet, dass fiskalpolitische Maßnahmen in einer kleinen offenen Volkswirtschaft unter der Annahme eines flexiblen Wechselkurses nicht in der Lage sind, die Produktion und das Einkommen zu beeinflussen. Bei flexiblen Wechselkursen ist jegliche Fiskalpolitik wirkungslos. Jede Veränderung der aggregierten Nachfrage aufgrund fiskalpolitischer Maßnahmen führt zu sofortigen Wechselkursbewegungen, die über ihren Effekt auf den Leistungsbilanzsaldo den fiskalpolitischen Effekt auf die Nachfrage kompensieren. Es

12.4 Das Mundell-Fleming-Modell

207

liegt somit eine Situation vor, die dem crowding-out-Effekt sehr ähnlich ist. Der Unterschied besteht darin, dass nicht steigende Zinsen die private Investitionsnachfrage verdrängen, sondern ein sinkender Wechselkurs zu einer geringeren Nettonachfrage des Auslands führt.

Geldpolitik bei flexiblen Wechselkursen Betrachten wir nunmehr eine expansive geldpolitische Maßnahme und unterstellen, dass die Zentralbank die nominale Geldmenge von M0 auf M1 erhöht (∆M = M1 – M0). Dies führt zu einer Rechtsverschiebung der LM-Kurve. Abbildung 12.4 zeigt, dass wiederum ausgehend vom Güter-, Geld- und Devisenmarktgleichgewicht im Punkt A hierdurch – bei zunächst unverändertem Wechselkurs e* - eine Zinssenkung im Inland auf das Niveau i1 und ein Einkommensanstieg auf das Niveau Y1 ausgelöst werden. Diese Zinssenkung zieht nun allerdings einen Anstieg der Kapitalexporte und somit einen Anstieg der Devisennachfrage nach sich. Die Folge ist, dass es aufgrund des Nachfrageüberschusses auf dem Devisenmarkt zu einem Anstieg des Wechselkurses bzw. einer Abwertung der inländischen Währung kommt. Letzteres bedeutet, dass die Nettonachfrage des Auslands steigt, so dass die IS-Kurve nach rechts verschoben wird. Dieser Anpassungsprozess setzt sich solange fort, bis das inländische Zinsniveau wieder dem Weltmarktniveau iW entspricht, was in Abbildung 12.4 im Punkt B und beim Wechselkurs e** > e* der Fall ist. Die Folge der Abwertung der inländischen Währung ist, dass das Gleichgewichtseinkommen noch über das Niveau Y1 hinaus auf das Niveau Y** ansteigt. Im Gegensatz zur Fiskalpolitik ist die Geldpolitik bei flexiblen Wechselkursen im Hinblick auf Produktion und Einkommen wirksam. Neben dem bekannten Effekt expansiver Geldpolitik, über sinkende Zinsen zusätzliche Investitionsnachfrage anzuregen, tritt in einer offenen Volkswirtschaft bei flexiblen Wechselkursen ein weiterer Effekt auf: Sinkt der inländische Zins unter das Weltmarktniveau, führt dies zu einer Abwertung der inländischen Währung. Dadurch werden inländische Güter im Vergleich zu ausländischen Gütern preiswerter und die Güternachfrage des Auslands steigt.

208

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

i

IS(e*)

IS(e **)

LM(M 0 )

e

LM(M1 )

A

i* = i W i1

B

M

Y*

Y1 Y**

Y

Abbildung 12.4: Geldpolitik in einer kleinen offenen Volkswirtschaft bei flexiblen Wechselkursen

12.4.2

Fiskal- und Geldpolitik in einer offenen Volkswirtschaft bei festen Wechselkursen

Wir heben nun die Annahme eines flexiblen Wechselkurses auf und unterstellen, der Wechselkurs sei aufgrund von Vereinbarungen zwischen dem Inland und dem Ausland auf einem bestimmten Niveau festgelegt. In einem System fester Wechselkurse verpflichten sich die nationalen Zentralbanken, bei Angebots- oder Nachfrageüberschüssen auf dem Devisenmarkt zu intervenieren, um den vereinbarten Wechselkurs zu stützen.

Fiskalpolitik bei festen Wechselkursen Fiskalpolitische Maßnahmen sind bei flexiblen Wechselkursen deswegen unwirksam, weil Aufwertungen oder Abwertungen der inländischen Währung die Wirkungen der Fiskalpolitik kompensieren. Bei festen Wechselkursen tritt dieser wechselkursbedingte Verdrängungseffekt nicht ein. Abbildung 12.5 zeigt die Auswirkungen einer expansiven Fiskalpolitik auf das Gleichgewichtseinkommen. Ausgehend vom simultanen Gleichgewicht im Punkt A mit den Gleichgewichtswerten Y* und i* sowie dem festen Wechselkurs führt die expansive Fiskalpolitik zu einer Rechtsverschiebung der IS-Kurve auf IS'( ). Die Folge ist zunächst ein Einkommensanstieg im Inland auf das Niveau Y1 und ein Anstieg des inländischen Zinses auf das Niveau i1.

12.4 Das Mundell-Fleming-Modell

209

Letzteres ist allerdings, wie wir bereits gesehen haben, gleichbedeutend mit einem Anstieg des Devisenangebotes und damit einem Angebotsüberschuss. Die inländische Währung gerät unter Aufwertungsdruck. Um den Wechselkurs zu stabilisieren, muss die Zentralbank den Angebotsüberschuss aufkaufen. Damit verbunden ist ein Anstieg der inländischen Geldmenge. Diese Expansion der Geldmenge, dargestellt durch eine Rechtsverschiebung der LM-Kurve auf LM1, muss so groß sein, dass der gesamte beim Wechselkurs bestehende Angebotsüberschuss beseitigt wird. Das ist nur dann der Fall, wenn sich der inländische Zins wieder auf dem Weltmarktniveau iW befindet. Die Rechtsverschiebung der LM-Kurve führt zu einem neuen Gleichgewicht im Punkt B, das heißt ein auf Y** gestiegenes Gleichgewichtseinkommen bei unverändertem Zins und Wechselkurs.

i

IS(e)

IS1 (e )

LM LM1

i1

A

i* = i W

B

M

Y*

Y1 Y**

Y

Abbildung 12.5: Fiskalpolitik in einer kleinen offenen Volkswirtschaft bei festen Wechselkursen

Insgesamt bedeutet dies, dass fiskalpolitische Maßnahmen bei festen Wechselkursen geeignet sind, Produktion und Volkseinkommen zu beeinflussen. Neben dem Nachfrageeffekt fiskalpolitischer Maßnahmen tritt bei festen Wechselkursen ein zusätzlicher, unterstützender Geldmengeneffekt auf. Zu bedenken ist dabei, dass die Expansion der Geldmenge unerwünschte Auswirkungen auf das inländische Preisniveau haben kann.

210

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

Geldpolitik bei festen Wechselkursen Betrachten wir nun die Wirksamkeit geldpolitischer Maßnahmen. Ausgehend von Punkt A in Abbildung 12.6, führt eine Ausdehnung der Geldmenge zu einer Rechtsverschiebung der LM-Kurve auf LM1. Die Folge ist ein Anstieg des inländischen Einkommens auf Y1 und ein Sinken des inländischen Zinsniveaus auf i1. Der damit einhergehende Nachfrageüberschuss auf dem Devisenmarkt führt zu einem Abwertungsdruck auf die inländische Währung. Diesem muss die Zentralbank begegnen, indem sie eigene Devisenreserven verkauft und im Gegenzug die inländische Geldmenge verringert. Die Konsequenz ist eine Linksverschiebung der LM-Kurve, bis schließlich im Punkt A der inländische Zins wieder das Weltmarktniveau iW erreicht hat. In einem System fester Wechselkurse sind somit geldpolitische Maßnahmen unwirksam.

i

IS(e)

LM

M

LM1

A

i* = i W i1 M

Y*

Y1

Y

Abbildung 12.6: Geldpolitik in einer kleinen offenen Volkswirtschaft bei festen Wechselkursen

Ein Ausweg, der diese Unwirksamkeit der Geldpolitik zumindest kurzfristig aufhebt, könnte darin bestehen, dass die Zentralbank versucht, den aus der Intervention am Devisenmarkt resultierenden Geldmengeneffekt durch Offenmarktpolitik zu neutralisieren. Im Fall der Abbildung 12.6 würde eine solche Neutralisierungspolitik bedeuten, dass die Zentralbank die Geldmenge auf dem ursprünglichen Niveau hält, so dass keine Linksverschiebung der LM-Kurve resultiert. Das bedeutet allerdings auch, dass der inländische Zins

12.4 Das Mundell-Fleming-Modell

211

weiterhin unter dem Weltmarktniveau liegt, so dass die Zentralbank ständig Devisenreserven abgeben muss. Da die Devisenreserven der Zentralbank irgendwann erschöpft sein werden, ist nachvollziehbar, dass eine solche Neutralisierungspolitik nur kurzfristig möglich sein kann. Da feste Wechselkurse aufgrund von bilateralen oder multilateralen Vereinbarungen zustande kommen, ist es durchaus möglich, das Niveau, auf dem die Wechselkurse fixiert sind, zu verändern. Eine Paritätsänderung hat dann selbstverständlich Folgen für das simultane Gleichgewicht der betrachteten Volkswirtschaft. In Abbildung 12.7 wird unterstellt, dass es ausgehend vom Wechselkurs und dem Gleichgewicht A zu einer Paritätsänderung kommt, die eine Abwertung der inländischen Währung bedeutet. Der neue Wechselkurs ist nunmehr gegeben durch ê > .

i

IS(e)

IS( eˆ)

LM LM1

i* = i W

A

B

Y*

Y* *

M

Y

Abbildung 12.7: Konsequenzen einer Paritätsänderung für das simultane Gleichgewicht

Die Konsequenz einer Abwertung der inländischen Währung ist, dass der Leistungsbilanzsaldo steigt, was sich in einer Rechtsverschiebung der ISKurve äußert. Der Anpassungsprozess zum neuen Gleichgewicht im Punkt B vollzieht sich genau so, wie für den Fall einer expansiven Fiskalpolitik beschrieben. Das Ergebnis ist ein höheres Gleichgewichtseinkommen (Y**) als im alten Gleichgewicht (Y*).

212

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

12.5

Das Modell einer offenen Volkswirtschaft mit flexiblem Preisniveau

Bisher wurde das inländische Preisniveau als gegeben unterstellt. In diesem Abschnitt soll das Modell einer offenen Volkswirtschaft bei variablem Preisniveau analysiert werden. Der erste Schritt ist hierbei die Herleitung der gesamtwirtschaftlichen Nachfragfunktion, der wir uns zunächst zuwenden. Dabei ist wiederum von Bedeutung, ob flexible oder feste Wechselkurse unterstellt werden. Zudem ist zu beachten, dass im Fall einer offenen Volkswirtschaft auch die IS-Kurve vom Preisniveau abhängt. Es ist demnach zunächst zu klären, wie sich die Lage der IS-Kurve aufgrund von Preisniveauvariationen verändert. Das Preisniveau ist eine Bestimmungsgröße des realen Leistungsbilanzsaldos. Ebenso wie der nominale Wechselkurs e beeinflusst das Preisniveau P den realen Wechselkurs . Ein Anstieg des inländischen Preisniveaus führt zu einem Sinken des realen Wechselkurses, so dass inländische Güter im Vergleich zu ausländischen Gütern teurer werden.

i

IS(e ** , P1 )

IS(e*, P0 )

LM(P1 ) LM(P0 )

i* = i

W

C

B

D A IS(e*, P1 )

Y**

Y*

Y

Abbildung 12.8: Auswirkungen eines gestiegenen Preisniveaus auf das simultane Gleichgewicht bei flexiblen Wechselkursen

Sofern eine Normalreaktion der Leistungsbilanz auf Wechselkursänderungen unterstellt wird, sinkt der reale Leistungsbilanzsaldo, wenn das inländische

12.5 Das Modell einer offenen Volkswirtschaft mit flexiblem Preisniveau

213

Preisniveau steigt. Daraus folgt, dass ein Anstieg des Preisniveaus eine Linksverschiebung der IS-Kurve herbeiführt. Betrachten wir als erstes den Fall flexibler Wechselkurse. Ausgehend vom Preisniveau P0 und dem Gleichgewicht A in Abbildung 12.8 führt ein Anstieg des Preisniveaus auf das Niveau P1 sowohl zur Linksverschiebung der LMKurve (LM(P1)) als auch – aufgrund des gerade beschriebenen Effekts – zu einer Linksverschiebung der IS-Kurve (IS(e*,P1)). Im Schnittpunkt B der so verschobenen Kurven muss die Gleichgewichtsbedingung i = iW nicht notwendigerweise erfüllt sein. In unserem Fall liegt im Punkt B der inländische Zins über dem Weltmarktniveau. Die Konsequenz ist ein Sinken des Wechselkurses bzw. eine Aufwertung der inländischen Währung, bis sich mit dem Punkt C ein neues Gleichgewicht mit einem geringeren Gleichgewichtseinkommen als im Punkt A eingestellt hat. Dies bedeutet nichts anderes, als dass auch im Fall einer offenen Volkswirtschaft mit flexiblen Wechselkursen ein negativer Zusammenhang von Preisniveau und gesamtwirtschaftlicher Nachfrage resultiert. Zudem zeigt der Vergleich des neuen Gleichgewichts C mit dem Punkt D, dass die Reaktion des Gleichgewichtseinkommens auf eine Preisniveauänderung in einer offenen Volkswirtschaft größer ausfällt als in einer geschlossenen Volkswirtschaft. Die gesamtwirtschaftliche Nachfragefunktion einer offenen Volkswirtschaft bei flexiblen Wechselkursen ist preiselastischer und verläuft somit flacher verläuft als die AD-Kurve einer geschlossenen Volkswirtschaft. Kommen wir jetzt zum Fall fester Wechselkurse. Die Konsequenzen einer Erhöhung des Preisniveaus für das simultane Gleichgewicht sind in Abbildung 12.9 dargestellt. Ausgehend vom Preisniveau P0 und dem Gleichgewicht A führt ein Anstieg des Preisniveaus auf das Niveau P1 abermals zu einer Linksverschiebung sowohl der IS-Kurve als auch der LM-Kurve. Es resultiert wiederum ein Schnittpunkt B der verschobenen Kurven, in dem die Gleichgewichtsbedingung i = iW nicht erfüllt ist und der inländische Zins über dem Weltmarktniveau liegt. Da der Wechselkurs auf dem Niveau fixiert ist, muss die Zentralbank das resultierende Überschussangebot auf dem Devisenmarkt aufnehmen und im Gegenzug die Geldmenge erhöhen, bis sich mit dem Punkt C ein neues Gleichgewicht mit einem geringeren Gleichgewichtseinkommen als im Punkt A einstellt. Wie im Fall flexibler Wechselkurse ergibt sich auch im Fall fester Wechselkurse eine negativ vom Preisniveau abhängende gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Allerdings ist es nicht notwendigerweise der Fall, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfragefunktion einer

214

12 Internationale Wirtschaftsprobleme

offenen Volkswirtschaft bei festen Wechselkursen preiselastischer ist als die einer geschlossenen Volkswirtschaft.

i

IS( e , P1 )

IS( e , P0 )

LM(P1 , M 0 )

B

i* = i

W

LM(P1 , M1 ) LM(P0 , M 0 )

C

A

Y**

Y*

Y

Abbildung 12.9: Auswirkungen eines gestiegenen Preisniveaus auf das simultane Gleichgewicht bei festen Wechselkursen

Die AD-Kurve einer offenen Volkswirtschaft bei flexiblen und festen Wechselkursen besitzt somit ähnliche Eigenschaften wie die AD-Kurve einer geschlossenen Volkswirtschaft: Mit steigendem Preisniveau P sinkt die Güternachfrage. Hinsichtlich der Lage der AD-Kurve können wir auf das zurückgreifen, was bereits analysiert wurde: Sind die Wechselkurse flexibel, sind fiskalpolitische Maßnahmen wirkungslos, was bedeutet, dass die AD-Kurve unverändert bleibt. Dagegen sind geldpolitische Maßnahmen geeignet, das Gleichgewichtseinkommen zu beeinflussen. Für die AD-Kurve bedeutet dies, dass eine Erhöhung der Geldmenge mit einer Rechtsverschiebung, eine Verringerung der Geldmenge mit einer Linksverschiebung der AD-Kurve einhergeht. Bei festen Wechselkursen führen ausschließlich fiskalpolitische Maßnahmen zu einer Verschiebung der AD-Kurve – die Geldpolitik ist in diesem Fall wirkungslos.

12.5 Das Modell einer offenen Volkswirtschaft mit flexiblem Preisniveau

P

AD

AD1

215

AS

P ** P*

Y* Y**

Y

Abbildung 12.10: Auswirkungen expansiver wirtschaftspolitischer Maßnahmen auf das Preisniveau und das Gleichgewichtseinkommen

Wird ein variables Preisniveau unterstellt, ergeben sich wie im Fall einer geschlossenen Volkswirtschaft Änderungen im Hinblick auf das quantitative Ausmaß der durch wirtschaftspolitische Eingriffe ausgelösten Effekte. Eine expansive Wirtschaftspolitik, die eine Rechtsverschiebung der AD-Kurve herbeiführt, geht, wie Abbildung 12.10 zeigt, mit einem Anstieg des inländischen Preisniveau einher. Im Fall flexibler Wechselkurse bedeutet dies für die Geldpolitik, dass der aus der Abwertung der inländischen Währung resultierende expansive Effekt zumindest teilweise konterkariert wird: Während der steigende Wechselkurs inländische Güter im Vergleich zu ausländischen Gütern preiswerter werden lässt, hat ein steigendes Preisniveau zur Folge, dass inländische Güter relativ zu ausländischen Gütern teurer werden. Daher ist der aufgrund einer expansiven Geldpolitik bei flexiblen Wechselkursen resultierende Einkommensanstieg bei variablem Preisniveau geringer als bei konstantem Preisniveau. Ähnliches gilt für die Fiskalpolitik im Fall fixer Wechselkurse. Auch hier führt ein Anstieg des inländischen Preisniveaus dazu, dass inländische Güter im Vergleich zu ausländischen Gütern teurer werden, so dass der reale Leistungsbilanzsaldo sinkt. Somit ist auch in diesem Fall der aus einer expansiven fiskalpolitischen Maßnahme resultierende Effekt auf das Gleichgewichtseinkommen bei flexiblem Preisniveau geringer als bei konstantem Preisniveau.

13

Wachstum

13.1

Einführung

Als Indikator für wirtschaftliches Wachstum verwenden Ökonomen die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts. Bezieht man das Bruttoinlandsprodukt bzw. das Bruttonationaleinkommen auf die Bevölkerung, so ist das ProKopf-BIP bzw. Pro-Kopf-Einkommen eine wichtige Kennzahl für Längsschnitt- und Querschnittbetrachtungen von unterschiedlichen Ländern. In der Längsschnittbetrachtung zeigt sich, dass der materielle Lebensstandard in vielen Ländern deutlich zugenommen hat. Eine Querschnittsbetrachtung zeigt allerdings große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Ökonomen versuchen deshalb eine Antwort auf die Frage zu geben, weshalb es zu solchen zeitlichen und länderspezifischen Unterschieden kommt. Ein Standardmodell zur Untersuchung dieser Frage ist das von R.M. SOLOW entwickelte Wachstumsmodell.

ROBERT MERTON SOLOW, ein amerikanischer Ökonom, studierte an der Harvard University und war später Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Im Jahre 1987 erhielt er den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für seine Arbeiten über ökonomische Wachstumstheorie. Bereits im Jahre 1956 erschien sein erster bahnbrechender Aufsatz „A Contribution to the Theory of Economic Growth“. Darin entwickelte er sein Modell zur Erklärung langfristigen Wirtschaftswachstums.

13.2 Das Solow-Modell

13.2

217

Das Solow-Modell

Nach SOLOW wird das Wirtschaftswachstum durch Veränderungen des Kapitalstocks, der Erwerbsbevölkerung sowie durch den technischen Fortschritt beeinflusst. Betrachten wir als erstes die wichtigsten Bausteine des Modells. (1) Das Güterangebot wird durch eine gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion abgebildet: Y = f(K, A) , wobei K = Kapital und A = Arbeit.

Die Produktionsfunktion weist konstante Skalenerträge auf, d.h. bei einer Erhöhung des Inputs um den Faktor steigt der Output ebenfalls um den Faktor , konkret: bei einer Verdoppelung aller Inputs verdoppelt sich auch der Output:

⋅ Y = f( ⋅ K, ⋅ A) Da vorrangig der Output Pro-Kopf von Interesse ist, werden alle Größen relativ zur Erwerbstätigenzahl gesetzt. Dies erfolgt durch Einsetzen von =1/A: Y/A = F(K/A,1)

Die Produktion je Erwerbstätigen (Y/A) ist somit eine Funktion des Kapitals pro Erwerbstätigen bzw. der Kapitalintensität (K/A). Setzt man Y/A = y und K/A = k, dann lautet die Produktionsfunktion y = f(k), wobei gilt f(k) = F(k,1)

SOLOW unterstellt, dass das Grenzprodukt des Kapitals (GPK) abnimmt. Wird der Einsatz von Kapital pro Erwerbstätigen gesteigert, so nimmt der Output je Beschäftigte zwar zu, die Zuwächse gehen aber zurück (siehe Abbildung 13.1).

218

13 Wachstum y f(k)

∆y

∆k

GPK =

y k

k Abbildung 13.1: Güterangebot und Produktionsfunktion

(2) Die Güternachfrage setzt sich aus Konsum- und Investitionsgüternachfrage zusammen: Y =C+I Es handelt sich somit um ein Modell ohne staatliche Aktivität und ohne Beziehung zum Ausland. Analog zu Baustein (1) werden alle Größen Pro-Kopf betrachtet: Y/A = C/A + I/A y = c + i, c ist der Pro-Kopf-Konsum und i die Pro-Kopf-Investition. Von dem Pro-Kopf-Einkommen wird ein Teil gespart, der Rest konsumiert. Für die Sparquote s gilt: 0 < s < 1. Daraus ergibt sich folgende Gleichung: y = (1 − s) ⋅ y + i

13.2 Das Solow-Modell

219

Durch Ausmultiplizieren folgt: y = y − sy + i Bringt man y auf die linke Seite der Gleichung, erhält man die Gleichgewichtsbedingung: s⋅y=i

bzw. i = s ⋅ y

Im Gleichgewicht stimmen die geplanten Investitionen mit der geplanten Ersparnis überein. Ziehen wir ein erstes Fazit: im Solow-Modell bestimmt der Kapitalbestand pro Erwerbstätigen den Output je Erwerbstätigen und die Sparquote gibt an, wie viel des Outputs konsumiert und wie viel investiert wird (siehe Abbildung 13.2). y f(k)

c

y

sf(k)

i

k Abbildung 13.2: Produktion, Konsum und Investition

13.2.1

Kapitalakkumulation und Steady-State-Gleichgewicht

Der Kapitalstock verändert sich durch Investitionen. Neue Ausrüstungsgüter und Bauten erhöhen den Kapitalstock, andererseits verringert sich der Kapi-

220

13 Wachstum

talstock durch Verschleiß von Kapitalgütern. Im Solow-Modell wird unterstellt, dass ein konstanter Teil des Kapitalstocks (d) pro Jahr verschleißt. Die Abschreibung verläuft damit proportional zum bestehenden Kapitalstock: d ⋅ k (siehe Abbildung 13.3). dk

dk

k Abbildung 13.3: Abschreibungen

Für die Änderung des Kapitalstocks pro Erwerbstätigen ( k) gilt somit: k = i – dk Da die Investitionen mit der Ersparnis übereinstimmen, kann man auch schreiben: k = s ⋅ y – dk

bzw.

k = s ⋅ f(k) – dk Übersteigen die Investitionen die Abschreibungen (k1), nimmt der Kapitalbestand je Erwerbstätigen zu, im umgekehrten Fall (k2) sinkt er. Sind Investi-

13.2 Das Solow-Modell

221

tionen und Abschreibungen gleich, ist k = 0, der Kapitalbestand je Erwerbstätigen bleibt auf seinem erreichten Niveau. Dieses Gleichgewicht wird als Steady-State-Niveau, stationäres Niveau oder Wachstumsgleichgewicht bezeichnet und mit k* angegeben (siehe Abbildung 13.4).

dk, i

dk

dk 2 sf(k)

i2 i* = dk* i1 dk 1

k1

k*

k2

k

Abbildung 13.4: Investitionen, Abschreibungen und Steady-State

Durch eine Änderung der Sparquote lässt sich neues Wachstum generieren (siehe Abbildung 13.5). Eine Zunahme der Sparquote bedingt bei gegebenen Kapitalstock ein höheres Investitionsvolumen [s2 ⋅ f(k)]. Die Investitionen sind damit höher als die Abschreibungen und der Kapitalbestand je Erwerbstätigen steigt an. Dieser Wachstumsprozess hält solange an, bis bei k2* ein neues Steady-State-Niveau erreicht ist. Eine Abnahme der Sparquote [s1 ⋅ f(k)] führt dagegen zu einem geringeren Steady-State-Niveau (k1*). Damit wird deutlich, dass die Sparquote eine wichtige Determinante für das Wachstum bzw. den Wohlstand eines Landes ist.

222

13 Wachstum dk, i

dk s 2 f(k)

s 0 f(k) s1f(k)

k*1

k*0

k*2

k

Abbildung 13.5: Zunahme bzw. Abnahme der Sparquote

Empirische Untersuchungen bestätigen diesen Zusammenhang. Länder mit hoher Sparquote weisen ein hohes Pro-Kopf-Einkommen auf und umgekehrt.

13.2.2

Bevölkerungswachstum

Neben einer Veränderung des Kapitalstocks wird im Solow-Modell das Bevölkerungswachstum als weitere Einflussgröße analysiert. Der Einfachheit halber wird davon ausgegangen, dass das Bevölkerungswachstum dem Wachstum der Erwerbstätigen entspricht, d.h. Altersstruktur und Erwerbsquote konstant bleiben. Im Modell wächst die Zahl der Erwerbstätigen mit einer konstanten Rate n. Diese Zunahme der Erwerbstätigen lässt das Verhältnis von Kapital und Arbeit, die Kapitalintensität (K/A), sinken. Der gegebene Kapitalstock muss auf mehr Erwerbstätige aufgeteilt werden. Allerdings bleibt der Kapitalstock nicht konstant, sondern verändert sich durch Investitionen und Abschreibungen. Fügt man alle Einflussgrößen zusammen, dann gilt: k = i − dk − nk,

13.2 Das Solow-Modell

223

wobei nk die Ausstattung neuer Arbeitskräfte mit Kapital angibt. Durch Umformung folgt: k = i − (d + n)k Der Ausdruck (d + n)k repräsentiert das Investitionsvolumen das notwendig ist, um die Kapitalintensität konstant zu halben. Das Steady-StateGleichgewicht mit Kapitalveränderungen und Bevölkerungswachstum zeigt Abbildung 13.6. (d + n ) k , i

(d + n) k

sf(k)

k*

k

Abbildung 13.6: Bevölkerungswachstum im Solow-Modell

Ein Blick auf das Gleichgewicht lässt erkennen, dass die Pro-KopfProduktion konstant ist. Zwar wächst der Output mit der Rate n, nicht jedoch der Output je Erwerbstätigen. Welchen Einfluss unterschiedliche Wachstumsraten der Bevölkerung auf das Steady-State-Niveau haben, ergibt sich aus Abbildung 13.7.

224

13 Wachstum (d + n ) k , i (d + n1 ) k

(d + n 0 ) k

(d + n 2 ) k sf(k)

k*1

k*0

k*2

k

Abbildung 13.7: Auswirkungen des Bevölkerungswachstums

Das Solow-Modell impliziert, dass Volkswirtschaften mit hohem Bevölkerungswachstum (Rate n1) ein geringeres Pro-Kopf-Einkommen haben und damit ärmer sind als Länder mit einem niedrigen Bevölkerungswachstum (Rate n2). Auch für diesen Zusammenhang gibt es zahlreiche empirische Belege.

13.2.3

Technischer Fortschritt

Technischer Fortschritt stellt im Solow-Modell die dritte Quelle wirtschaftlichen Wachstums dar. Technischer Fortschritt wird als Erhöhung der Arbeitseffizienz der Erwerbstätigen interpretiert. Die Produktionsfunktion lässt sich dann wie folgt schreiben: Y = f(K, A ⋅ E) Das Produkt A ⋅ E ist der in Effizienzeinheiten gemessene Arbeitseinsatz, berücksichtigt werden somit die Zahl der Erwerbstätigen und die Effizienz jedes einzelnen Erwerbstätigen. Es handelt sich also um einen arbeitsvermehrenden technischen Fortschritt.

13.2 Das Solow-Modell

225

Im Modell wird angenommen, dass die Arbeitseffizienz (E) mit einer konstanten Rate (g) wächst. Berücksichtigt man, dass die Erwerbstätigenzahl mit der Rate n zunimmt, so folgt daraus A n ⋅ E g = (A ⋅ E) n +g Da der Arbeitseinsatz mit der Rate n wächst und die Effizienz je Arbeitseinheit mit der Rate g, nimmt dass in Effizienzeinheiten gemessene Arbeitsvolumen (A E) mit der Rate n + g zu. Im weiteren Verlauf des Modells werden jetzt der Output, der Kapitalbestand und die Investitionen nicht mehr je Erwerbstätigen, sondern pro Effizienzeinheit der Arbeit definiert. Für das Wachstum des Kapitalstocks lässt sich dann schreiben: k = s ⋅ f(k) − (d + n + g) ⋅ k

Das neue Gleichgewicht zeigt Abbildung 13.8. (d + n + g)k, i (d + n + g)k

sf(k)

k*

k

Abbildung 13.8: Berücksichtigung des technischen Fortschritts

Im Steady-State-Niveau (k*) sind der Kapitalstock je Effizienzeinheit und damit auch der Output je Effizienzeinheit konstant. Der Output je Erwerbstä-

226

13 Wachstum

tigen wächst mit der Rate des technischen Fortschritts (Y/A = y ⋅ E) und der Gesamtoutput (Y) nimmt mit der Rate n + g zu [Y = y ⋅ (A ⋅ E)]. Aus dem Solow-Modell folgt letztlich, dass dauerhaftes Wachstum nur durch technischen Fortschritt erklärt werden kann. Er ist die Quelle des Wachstums. Allerdings wird der technische Fortschritt nur exogen erklärt. Eine weitere Folge aus dem Solow-Modell ist, dass die Wachstumsrate der Länder sich annähern (Konvergenz-Hypothese). Der empirische Befund zeigt jedoch ein uneinheitliches Bild. Man spricht daher eher von einer bedingten Konvergenz. Wirtschaftsregionen mit vergleichbaren Sparquoten, vergleichbarer Bevölkerungsentwicklung und vergleichbarer Wirtschaftspolitik konvergieren. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, zeigt sich eine starke Divergenz in den Wachstumsraten.

13.3

Neue Wachstumstheorie

Mit dem Solow-Modell hatte die neoklassische Wachstumstheorie einen gewissen Abschluss gefunden. Erst Ende der 80er Jahre wurde die Diskussion wiederbelebt und zwar ausgelöst durch den Widerspruch zwischen den Aussagen des Modells und empirischen Beobachtungen. Im internationalen Vergleich war keineswegs, wie im Modell behauptet, eine langfristige Konvergenz der Wachstumsraten der verschiedenen Länder festzustellen. Auch die These, dass eine Erhöhung der Sparquote zwar zu einer Periode hohen Wachstums führt, mit der Annäherung an den neuen steady state das Wachstum aber an Dynamik verliert, Sparen somit kein dauerhaftes Wirtschaftswachstum generieren kann, wurde in Frage gestellt. Die neueren Ansätze, die auch als Neue Wachstumstheorie oder Endogene Wachstumstheorie bezeichnet werden, versuchen, den technischen Fortschritt, dessen Veränderungsrate im Solow-Modell exogen vorgegeben wird, endogen zu erklären und richten dabei ihr Hauptaugenmerk auf die Bedeutung des Produktionsfaktors Wissen für das Wachstum. Allerdings hat bereits F. MACHLUP in seiner 1970 veröffentlichten Schrift „Education and Economic Growth“ auf diesen Zusammenhang verwiesen. Zentrales Defizit der neoklassischen Wachstumstheorie – wie auch der postkeynesianischen Wachstumstheorie – ist die unzureichende Berücksichtigung und Erfassung des technologischen Fortschritts. „So hängt die Steady-State-

13.3 Neue Wachstumstheorie

227

Wachstumsrate nur von den exogen gegebenen Raten des Bevölkerungswachstums und des technischen Fortschritts ab, der wie Manna vom Himmel fällt“ (MEYER 1998, S. 134). Der Forschungsgegenstand der endogenen Wachstumstheorie ist recht umfangreich und vielfach sehr komplex. Dennoch soll die Grundidee hier kurz skizziert werden. Die ersten Ansätze gehen auf PAUL M. ROMER (1986) und ROBERT E. LUCAS (1988) zurück. Hauptbestandteil des Grundmodells der endogenen Wachstumstheorie ist folgende einfache Produktionsfunktion (REBELO 1991): Y = A · K, d.h. der Output (Y) wird über den Einsatz von Kapital (K) und eine Konstante (A), eine Art gesamtwirtschaftlicher Technologieparameter, erklärt. Der entscheidende Punkt ist, dass diese Produktionsfunktion keine sinkenden Grenzerträge des Produktionsfaktors Kapital aufweist. Mit einer weiteren Einheit Kapital lässt sich der Output um A zusätzlichen Einheiten steigern, gleichgültig wie viel Kapital bisher eingesetzt wurde. Aufgegeben wird somit die Annahme abnehmender Grenzerträge des Kapitals, ein wichtiger Baustein des Solow-Modells. Hierin liegt der zentrale Unterschied zwischen den Modellen der endogenen Wachstumstheorie und dem Solow-Modell. Die Modelle kommen in ihrer Kernaussage zu dem Ergebnis, dass Sparen und Investieren nicht zu einem steady state, sondern zu einem dauerhaften Wachstum führen. Eine geringfügige Modifikation der Produktionsfunktion führt somit zu einer gravierenden Änderung in der Aussage über das Wirtschaftswachstum. Richten wir unser Augenmerk nun auf die Begründung für den Wegfall der Annahme abnehmender Grenzerträge des Kapitals. Wenn der Kapitalbegriff in einem umfassenderen Sinn interpretiert wird, also nicht nur Sachkapital, sondern auch Wissen umfasst, dann ist nach Auffassung der Vertreter der neuen Wachstumstheorie die Annahme konstanter Grenzerträge des Kapitals plausibler. Wissen wird als ein wichtiger Inputfaktor für die Höhe der Produktion in einer Volkswirtschaft betrachtet. Im Unterschied zum Sachkapital wird davon ausgegangen, dass die Zunahme von Wissen keine sinkenden oder gar negativen Grenzerträge aufweist. Abschließend ist festzuhalten, dass mit dem AK-Modell Unterschiede in den Wachstumsraten der einzelnen Länder recht gut erklärt werden können. Die weitere Entwicklung der endogenen Wachstumstheorie hat zu Modellvarianten geführt, die zwischen verschiedenen Sektoren differenzieren. Damit sollen die Einflussfaktoren besser herausgearbeitet werden, die den technolo-

228

13 Wachstum

gischen Fortschritt bestimmen. So unterscheiden einige Modelle zwei Sektoren, den Produktionssektor, in dem Investitionsgüter und Konsumgüter hergestellt werden, und den Forschungssektor, der Wissen „produziert“, das wiederum in beiden Sektoren als Produktionsfaktor eingesetzt werden kann. Diese Modelle befassen sich vor allem mit den Entscheidungen, die die Produktion von Wissen in einer Gesellschaft bestimmen.

14

Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

Zum Schluss dieses Buches soll ein kurzer Überblick über die Geschichte der Volkswirtschaftslehre erfolgen und zwar vom Merkantilismus bis zum Beginn der Keynesschen Revolution oder von THOMAS MUN zu JOHN MAYNARD KEYNES (vgl. ZIEGLER 2008). Bei vielen Lesern und Leserinnen hat sich wahrscheinlich der Eindruck verfestigt, als sei die Volkswirtschaftslehre eine Wissenschaft, die durch ein festgefügtes, von allen Seiten akzeptiertes Fundament an Fakten, Gesetzen, Theorien und Methoden gekennzeichnet ist. Das mögliche „Glücksgefühl“ unumstößlicher Wahrheiten wird jedoch relativiert, wenn man Blick in die Geschichte der Volkswirtschaftslehre wirft. Dabei wird schnell erkennbar, dass die Volkswirtschaftslehre eine Wissenschaft ist, deren Fragestellungen, Methoden und Problemlösungen einem ständigen Wandel unterworfen sind. Nur wer um den Wandel ökonomischer Denkstile oder Denkmuster weiß, bleibt gegenüber der jeweiligen Mainstream-Ökonomie kritisch. Durch die Kenntnis der ökonomischen Theoriegeschichte lernen wir ferner etwas mehr Bescheidenheit im Hinblick auf das, was die Volkswirtschaftslehre als Wissenschaft zu leisten vermag. Was den Wissensfortschritt in der Volkswirtschaftslehre betrifft, so betont D.F. FUSFELD die Wechselwirkung von Ideologie und Wissenschaft. „Ohne die erstere hätte sich die letztere nicht entfaltet. Und da die wissenschaftliche Nationalökonomie im Feuer ideologischer Debatten geschmiedet wurde, wird sie stets Emotionen wecken, ganz gleich, wie ‚rein’ ihre Spender sie zu halten versuchen“ (FUSFELD 1975, S. 13 f.). Auch die berühmte britische Nationalökonomin J. ROBINSON schreibt: „An einem Bein ungeprüfte Hypothesen, am anderen unprüfbare Slogans – so humpelt die Nationalökonomie daher“ (ROBINSON, 1965, S. 35).

230

14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

Als wissenschaftliche Disziplin ist die Volkswirtschaftslehre relativ jung. Es war A. SMITH, der die zwischen 1650 und 1750 erschienenen, einzelnen Abhandlungen zu ökonomischen Fragen zu einem Ganzen zusammenfügte und dieses als Political Economy bezeichnete. Mit der Veröffentlichung seines ökonomischen Hauptwerks „The Wealth of Nations“ im Jahre 1776 wurde nach einer langen Periode der Kontroverse eine weitgehende Übereinstimmung hinsichtlich der Konsolidierung des „Neuen“ erzielt. Nahezu alle, die sich fortan mit ökonomischen Problemen und Problemlösungen beschäftigten, nahmen Bezug auf dieses Buch. Das Zeitalter der Klassischen Nationalökonomie begann. Eine reizvolle Parallelität der Geschichte liegt darin, dass im selben Jahr, in dem die Erstausgabe des „Wohlstands der Nationen“ erschien und die Political Economy sich als eigenständige Wissenschaft zu emanzipieren begann, die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika erfolgte.

14.1

Vorklassische Nationalökonomie

14.1.1

Merkantilismus

Zu Beginn der Neuzeit herrschte jedoch zunächst eine wirtschaftspolitische Doktrin vor, die in der Literatur als Merkantilismus bzw. Merkantilsystem bezeichnet wird. Zeitgeschichtlich erstreckt sich die Epoche des Merkantilismus vom Ende des 16. Jh. bis zur Mitte des 18. Jh. In diese Zeit fällt die Gründung von Nationalstaaten mit einheitlicher Verwaltung und Rechtsordnung. Der Begriff Merkantilismus dient deshalb auch als Etikett für die Wirtschaftspolitik der europäischen Staaten im Zeitalter des Absolutismus. Entsprechend der ökonomischen und politischen Situation in den einzelnen Ländern sind unterschiedliche Varianten des Merkantilismus entstanden: In England waren es vorrangig Fragen des Außenhandels, welche die Diskussion beherrschten, in Deutschland eher verwaltungswirtschaftliche Probleme (Kameralismus) und in Frankreich „gewerbepolitische“ sowie „finanzpolitische Aspekte“ (Colbertismus). Der Merkantilismus kann mit einigem Recht als das erste mehr oder weniger systematische Gebäude ökonomischen Denkens bezeichnet werden. Dieses Gebäude beruhte allerdings nicht auf einer einheitlichen, in sich geschlossenen ökonomischen Theorie, sondern war mehr ein Bündel von wirtschafts-

14.1 Vorklassische Nationalökonomie

231

politischen Leitvorstellungen, deren gemeinsames Ziel darin bestand, den nationalen Reichtum und die Staatsmacht zu fördern oder zu stärken. Grundmaxime merkantilistischer Wirtschaftspolitik ist die Unterordnung ökonomischer Interessen unter staatliche Interessen und die Regulierung der Wirtschaft durch staatliche Eingriffe. Das Verhältnis von Markt und Staat wird von den Merkantilisten eindeutig zu Gunsten des Staates entschieden. Spuren des Colbertismus sind bis heute in der französischen Wirtschaftspolitik zu finden. Kerngedanke der merkantilistischen Doktrin ist der Lehrsatz, dass eine aktive Handelsbilanz den nationalen Reichtum fördert. Wird der Exportüberschuss in Form von Edelmetallen (Gold oder Silber) eingelöst, so wächst der Reichtum der Nation um die Summe dieses Überschusses. Um eine aktive Handelsbilanz zu erreichen, waren die Merkantilisten bestrebt, den Export von im Inland produzierten Gütern zu fördern und den Import ausländischer Waren so weit als möglich einzuschränken. Ausfuhrförderung und Einfuhrbeschränkung sind daher die wichtigsten Ansatzpunkte merkantilistischer Außenwirtschaftspolitik. Die Maßnahmen zur Exportförderung reichten von Zollerstattungen, Ausfuhrprämien, vorteilhaften Handelsverträgen bis hin zur Gründung von Kolonien; Importbeschränkungen bestanden in Form von hohen Einfuhrzöllen und teilweise absoluten Einfuhrverboten. Während eine Gruppe von Merkantilisten, die sog. Bullionisten, die Auffassung vertraten, dass jeder Abfluss von Edelmetallbarren (= bullions) an das Ausland nach Möglichkeit zu verhindern sei, waren die englischen Merkantilisten um TH. MUN (1571-1641) der Auffassung, dass es auf die Handelsbilanz insgesamt ankäme. Der Abfluss von Edelmetall könne durchaus sinnvoll sein, wenn die damit bezahlten Importe von Rohstoffen zur Produktion inländischer Fertigprodukte führen würden, deren Export wiederum mehr Edelmetall ins Land bringe. Eine Argumentation, die insbesondere von den Vertretern der Englisch Ostindischen Handelsgesellschaft vorgebracht wurde, zu denen MUN gehörte. Hinter der Forderung nach einer aktiven Handelsbilanz steckte auch ein machtpolitisches Kalkül. Von J. CHILD (1630-1699) stammt die Formulierung: „Außenhandel führt zu Reichtum, Reichtum zu Macht, und Macht schützt unseren Handel und unsere Religion“ (zitiert nach SCHUMPETER 1965, S. 439, Fn. 21). J.B. COLBERT, Finanzminister unter LUDWIG XIV, bezeichnete die französische Außenhandelspolitik als „une guerre d'argent contre tous les Etats de l'Europe“ (zitiert nach BORN 1989, S. 109).

232

14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

Was den Beitrag des Merkantilismus zur Weiterentwicklung der ökonomischen Analyse angeht, so ist in erster Linie die Diskussion über die Wirkungen einer durch eine aktive Handelsbilanz hervorgerufene Erhöhung der inländischen Geldmenge hervorzuheben. Einige Merkantilisten argumentierten, dass die Geldmengenerhöhung zu mehr Kaufkraft im Inland führe. Dies wiederum bedeute mehr Nachfrage und eine höhere Produktion. Das einzige Hindernis bestehe in einer möglichen Hortung der Edelmetalle. Konstruiert wird also ein Zusammenhang zwischen Geldmenge, effektiver Nachfrage und Beschäftigung. „Geld belebt den Handel“ – so die merkantilistische These. Die Gegenargumentation erfolgte auf Basis der Quantitätstheorie: die Ausweitung der Geldmenge treibe lediglich die inländischen Preise in die Höhe und führe zu einer inflationären Entwicklung. Zu erwähnen sind hier die Beiträge von J. LOCKE (1632-1704), der bereits darauf hingewiesen hat, dass nicht nur die Geldmenge, sondern auch die Umlaufgeschwindigkeit von Bedeutung ist, und von R. CANTILLON (1680-1734), der die unterschiedlichen Wirkungen einer Geldmengenerhöhung auf das inländische Preisniveau analysierte, je nachdem ob dafür ein Exportüberschuss oder eine Steigerung der inländischen Goldproduktion verantwortlich ist. Sein „Essai sur la nature du commerce en général“ (1755) gilt als die originellste systematische Darstellung ökonomischer Prinzipien vor dem Erscheinen des „Wealth of Nations“. Zu den Vorläufern der klassischen Nationalökonomie zählt auch W. PETTY (1623-1687), der in der Literatur als Begründer der Arbeitswertlehre bezeichnet wird, da er in der menschlichen Arbeit einen Maßstab zur Messung des Wertes von Gütern und Geld sah. Damit wurde die Wertdiskussion in der Nationalökonomie eröffnet, die später bei K. MARX ihren Höhepunkt fand. Bei seiner Würdigung der merkantilistischen Epoche kommt SCHUMPETER zu dem Schluss, dass die Konfrontation Merkantilismus versus Liberalismus bzw. Protektionismus versus Freihandel nicht nur Irrtümer in der ökonomischen Analyse aufgedeckt, sondern auch lohnenswerte theoretische Ansätze über Bord geworfen hat (SCHUMPETER 1965, S. 471f.).

14.1.2

Physiokraten

Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die merkantilistischen Vorstellungen über Handel und nationale Macht zunehmend in Frage gestellt. In Frankreich waren die meisten Kritiker des Merkantilismus Anhänger der physiokratischen

14.1 Vorklassische Nationalökonomie

233

Lehre. Der Terminus Physiokratie bedeutet Herrschaft der Natur und wurde 1767 von DUPONT – einem Schüler QUESNAYS – als Titel eines Buches verwandt. Das Lehrgebäude der Physiokraten entstand auf dem Boden des Naturrechts und als Reaktion auf den Colbertismus; die Anhänger der physiokratischen Lehre nannten sich selbst les economistes. Die Blütezeit dieser Lehre lag zwischen 1760 und 1780; das Oberhaupt der Physiokraten war FRANÇOIS QUESNAY (1694-1774). Aus dem Naturrecht erwuchs bei den Physiokraten der Grundgedanke einer natürlichen Ordnung (ordre naturel). Sie wurde als eine von Gott für das Glück der Menschen gewollte Ordnung verstanden. Ein Eingriff in diese Ordnung würde zu Wohlstandseinbußen führen. Daher sollte man den einzelnen ihre Freiheit lassen, sie würden aus Eigeninteresse die natürliche Ordnung aufrechterhalten. Zur Maxime politischen Handelns wurde der Grundsatz erhoben: „laissez faire, laissez passer, le monde va de lui-même“. Mit dieser Forderung wird der Gegensatz zur merkantilistischen Politik COLBERTS besonders deutlich. Kritisiert wurde aber auch die Vernachlässigung der Landwirtschaft, der als Lieferant von Lebensmitteln und Rohstoffen (z.B. für das Textilgewerbe) eine bedeutende Rolle in der Wirtschaft zugesprochen wurde. Die Physiokraten waren der Auffassung, dass der Boden alleinige Quelle des Reichtums einer Nation sei. Nur in der Landwirtschaft sei es möglich, dass die produzierten Güter die zur Produktion verbrauchten Güter übersteigen könne, mithin ein Überschuss erzielt wird. Die Produktion in den Manufakturen verändere nur die Form des Reichtums und der Handel nur dessen Besitz und Standort. Die Arbeit im Handwerk und im Handel sei deshalb unproduktiv. Herausragender Beitrag der Physiokraten zum Erkenntnisfortschritt in der ökonomischen Analyse ist das von QUESNAY entwickelte Tableau Économique. Im Tableau wird der Wirtschaftsprozess mit Hilfe eines einfachen makroökonomischen Kreislaufs dargestellt. Das Tableau unterteilt die Gesellschaft in drei Klassen und zwar nach ihrer Funktion, die sie beim Prozess der Produktion und des Verbrauchs einnehmen. Zur ersten Klasse gehören die Grundeigentümer, wie Adel, Klerus und Krone (classe propriétaire), zur zweiten die Pächter und Landarbeiter, die als produktive Klasse (classe productive) bezeichnet werden, und die dritte ist die Klasse der Handwerker, Gewerbetreibende und Kaufleute, die sterile Klasse (classe stérile). Das Tableau veranschaulicht die makroökonomischen Ströme zwischen den drei Klassen.

234

14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

Sieht man einmal davon ab, dass die Auffassung der Physiokraten – Handwerker, Gewerbetreibende und Kaufleute seien „steril“, also unproduktiv – unhaltbar ist, so enthält das Tableau Économique doch erkennbare Fortschritte in der ökonomischen Analyse. Zum einen erlaubt die Vorstellung eines Wirtschaftskreislaufs eine Vereinfachung der Analyse. Durch Aggregation wird das ökonomische System einer Gesellschaft auf drei interagierende Sektoren reduziert. Zum zweiten werden mit dem Tableau Möglichkeiten für quantitative Untersuchungen eröffnet. QUESNAY selbst bemühte sich bereits um empirische Daten und versuchte, den Wert der Jahresproduktion und anderer Gesamtgrößen abzuschätzen. Drittens ist in dem Tableau die Vorstellung eines ökonomischen Gleichgewichts enthalten. Analysiert wird allerdings nur der Kreislauf einer stationären Wirtschaft, die in jeder Wirtschaftsperiode zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt. Wirtschaftliches Wachstum findet nicht statt, da der in der Landwirtschaft erzielte Reinertrag (produit net) von der Klasse der Grundeigentümer in voller Höhe konsumiert wird. Sparen und Investieren kommen nicht vor. Wirtschaftspolitisch ist der Gedanke einer einzigen Steuer (impôt unique) von Bedeutung, da hier eine erste Verknüpfung von fiskalischer und ökonomischer Betrachtung stattfindet. Der Gedanke einer „Alleinsteuer“ ist unmittelbare Konsequenz der Lehre von der ausschließlichen Produktivität der Landwirtschaft. Wenn die Grundrente das einzige Nettoeinkommen im physiokratischen System ist, ist es nur folgerichtig, dass das Steuersystem allein aus ihr schöpfen kann, wenn keine schädlichen Folgen für die Reproduktion entstehen sollen. Zum Abschluss der Betrachtung über die physiokratische Lehre wird noch kurz auf TURGOT (1727-1781) verwiesen. Er gilt als „Entdecker“ des (später so bezeichneten) „Ertragsgesetzes“ (siehe Kapitel 5). Dabei unterscheidet er zwischen einer ersten Phase zunehmender und einer zweiten Phase abnehmender Ertragszuwächse. TURGOT hat dieses Gesetz für die Landwirtschaft formuliert. Der Boden ist der konstante Faktor; Saatgut, Werkzeuge und menschliche Arbeit sind die veränderbaren Faktoren. Eine intensive Bearbeitung des Bodens ergibt zunächst überproportionale Erträge; später wirkt sich die Knappheit des Bodens stärker aus, und die Erträge nehmen nur noch unterproportional zu. Im Gegensatz zum Merkantilsystem blieben die unmittelbaren Einflüsse der Physiokraten auf die Wirtschaftspolitik ihrer Zeit äußerst gering. Mit der Idee

14.2 Klassische Nationalökonomie

235

des Wirtschaftskreislaufs haben sie dagegen einen analytischen Beitrag geleistet, der bis in unsere heutige Zeit nachwirkt.

14.2

Klassische Nationalökonomie

Einem Paradigmenwechsel vergleichbar ist die Ablösung des Merkantilismus durch den ökonomischen Liberalismus. Die Vertreter dieser Richtung kritisierten die staatliche Reglementierung der Wirtschaft und des internationalen Handels und plädierten für die Abschaffung von Abgaben, Monopolen und Vorschriften. Zu diesen Kritikern gehörte auch der schottische Philosoph und Ökonom DAVID HUME (1711-1776), der darauf verwies, dass eine dauerhaft aktive Handelsbilanz zu einer Ausweitung der inländischen Geldmenge und zur Inflation führen würde. Dies wiederum verteure die Güter des Inlands, was zu Lasten des Exports ginge. Dieser Prozess halte solange an, bis die Handelsbilanz ausgeglichen sei. Deshalb sei die Doktrin einer aktiven Handelsbilanz ein merkantilistischer Trugschluss. Es war jedoch A. SMITH vorbehalten, mit seinem System der natürlichen Freiheit einen Gegenentwurf zum Merkantilismus zu liefern. Das 4. Buch seines „The Wealth of Nations“ (Der Wohlstand der Nationen) enthält eine Fundamentalkritik des Merkantilsystems. und der physiokratischen Idee von der alleinigen Produktivität der Landwirtschaft. Würde man alle Regulierungen und Vorschriften des Merkantilsystems beseitigen, so stellt sich nach SMITH das klare und einfache System der natürlichen Freiheit von selbst her. Jeder solle die Freiheit haben, solange er nicht gegen die Gesetze verstößt, seine eigenen Interessen auf seine Weise zu verfolgen und seinen Erwerbsfleiß und sein Kapital im Wettbewerb mit anderen einzusetzen. Der Staat hat lediglich drei Funktionen zu erfüllen: Landesverteidigung, Einrichtung eines zuverlässigen Rechtssystems sowie Schaffung gewisser öffentlicher Anlagen in den Bereichen Handel, Verkehr und Bildung, deren Produktion und Erhalt nicht im Interesse von Privaten liege, da die Einnahmen niemals die Ausgaben decken würde. A. SMITH (1723-1790), in Kirkcaldy (Schottland) geboren, wurde 1751 Professor für Logik an der Universität Glasgow, ein Jahr später übernahm er die Professur für Moralphilosophie. Im Jahre 1778 wurde er zum Mitglied der königlichen Zollkommission für Schottland ernannt und übersiedelte deshalb nach Edinburgh. Die Universität Glasgow wählte ihn 1787 zum Lord Rektor.

236

14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

Nach SMITH ist die menschliche Arbeit die Quelle des Reichtums der Nationen. Der Wohlstand, definiert als Güterversorgung pro Kopf der Bevölkerung, hängt von der Produktivität der Arbeit ab, diese wiederum wird durch Arbeitsteilung erhöht. Anhand seines berühmten Stecknadelbeispiels zeigt er die Vorzüge der Arbeitsteilung auf. Sie fördert Geschicklichkeit, Sachkenntnis und Erfahrung. Auch der technische Fortschritt wird von der Arbeitsteilung induziert. Die Grenzen der Arbeitsteilung liegen in der Größe des Marktes. Die Arbeitsteilung selbst wird nicht mit den verschiedenen menschlichen Fähigkeiten begründet, sondern mit der angeborenen Neigung der Menschen zu tauschen. Die entscheidende Antriebsfeder des Systems der natürlichen Freiheit ist der individuelle Eigennutz, das eigene Interesse. Wenn aber jeder Einzelne im wirtschaftlichen Bereich die Freiheit hat, seine eigenen Interessen zu fördern und zu verfolgen, so bedarf es eines Ordnungssystems, das privaten Wohlstand mit gesellschaftlichem Wohlstand im Einklang bringt. Nach Ansicht von A. SMITH führt die unsichtbare Hand (invisible hand) des Marktes zu einer Harmonie von Einzelinteressen und Gesamtinteresse. Das Handeln des Individuums nach seinem Eigeninteresse ist dabei nicht nur eine natürliche Verhaltensweise, sondern auch ethisch gerechtfertigt. Das Streben des Einzelnen nach persönlichem Wohlstand führt ferner zu einem schnellstmöglichen Wachstum innerhalb einer Nation. Durch Sparen wird den Ressourcen mehr Kapital hinzugefügt, das dann in gewinnbringender Weise genützt werden kann. Bei SMITH finden wir auch eine erste Beschreibung und Analyse des Marktmechanismus. Zunächst beschäftigt er sich mit dem Wert bzw. Preis der arbeitsteilig produzierten Güter. Dabei unterscheidet er zwischen Gebrauchswert und Tauschwert: ersterer stellt ab auf den Nutzen eines Gutes, der zweite auf die Möglichkeit, das Gut gegen andere Güter zu tauschen. Güter mit einem hohen Gebrauchswert haben vielfach nur einen geringen Tauschwert (z.B. Wasser), umgekehrt haben Güter mit einem hohen Tauschwert häufig nur einen geringen Gebrauchswert (z.B. Diamanten). Dieser Widerspruch wird in der Literatur als klassisches Wert-Paradoxon bezeichnet. SMITH befasst sich dann damit, wie der Tauschwert der Güter bestimmt wird. Seiner Ansicht nach hat jedes Gut einen natürlichen Preis. In wenig entwickelten Gesellschaften, in denen es noch keine Kapitalbildung und kein Eigentum an Boden gibt, bestimmt er sich nach dem Verhältnis der Mengen an Arbeit, die zur Erlangung der Güter benötigt werden (zur Erläuterung ver-

14.2 Klassische Nationalökonomie

237

wendet SMITH das berühmte Biber-Hirsch-Beispiel). In entwickelten Gesellschaften wird der natürliche Preis durch die Produktionskosten bestimmt, die sich aus der natürlichen Entlohnung für Arbeit, Boden und Kapital zusammensetzen. Der natürliche Preis ist langfristiger Natur. Vom natürlichen Preis zu unterscheiden ist der Marktpreis, der sich aus Angebot und Nachfrage ergibt und kurzfristigen Schwankungen unterliegt. Wenn der Marktpreis eines Gutes von seinem natürlichen Preis abweicht, setzt der Marktmechanismus ein, der ihn auf die Höhe des natürlichen Preises zurückführt. Ist beispielsweise der Marktpreis höher als der natürliche Preis, wird mehr von diesem Gut produziert und auf dem Markt angeboten. Durch die Ausweitung des Angebots kommt es zur Preisanpassung. Der Marktpreis oszilliert somit um den natürlichen Preis. Dieser Beschreibung des Marktgleichgewichts wurde in den letzten 230 Jahren nur wenig hinzugefügt. Zwar wurde die Analyse von Angebot und Nachfrage erweitert und vertieft. Aber die grundsätzliche Beschreibung, wie Angebot und Nachfrage ein Marktgleichgewicht bestimmen, und wie der Wettbewerb den Preis auf ein Niveau bringt, das genau die Produktionskosten deckt und wie die Produktion mit der Nachfrage korrespondiert, blieb im Grunde unverändert. Mit SMITH beginnt das Zeitalter der klassischen Nationalökonomie, das theoriegeschichtlich den Zeitraum zwischen 1776 und 1870 umfasst. Der Begriff klassische Nationalökonomie oder Klassik wird in der Literatur keineswegs einheitlich verwendet. Geprägt wurde der Begriff einer klassischen Schule von MARX und von ihm für RICARDO und dessen Vorgänger angewandt. Traditionell bezieht sich diese Bezeichnung auf die ökonomische Literatur von ADAM SMITH bis zu JOHN STUART MILL. KEYNES dagegen verwandte das Wort Klassik, um die ökonomischen Lehren von RICARDO und dessen Nachfolgern zu kennzeichnen, einschließlich ALFRED MARSHALL. Neben SMITH, RICARDO und MILL zählen MALTHUS und SAY zu den großen Ökonomen der klassischen Nationalökonomie. Während die reale Welt von SMITH die des Verlagssystems und der Manufakturen war, erlebten MALTHUS und RICARDO die ersten Auswirkungen der industriellen Revolution. Erkennbar wurden die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen der industriellen Produktionsweise in den Fabriken, die Ressourcenverknappung und das Bevölkerungswachstum.

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14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

THOMAS R. MALTHUS (1766-1834) war zunächst Geistlicher und beschäftigte sich während dieser Zeit mit ökonomischen und bevölkerungspolitischen Studien. Später (1805) erhielt er eine Professur für Geschichte und Nationalökonomie. Mit seinem berühmten „An Essay on the Principle of Population“ setzte er der optimistischen Sicht von SMITH einen eher pessimistischen Ausblick entgegen. Nach MALTHUS wächst der Nahrungsmittelspielraum im Verhältnis einer einfachen arithmetischen Reihe (1,2,3...), die Bevölkerung vermehrt sich jedoch im Verhältnis einer einfachen geometrischen Reihe (1,2,4,8,16...). MALTHUS begründet dies damit, dass die Kräfte, die zur Bevölkerungszunahme führen, tatsächlich und unvermeidlich größer sind als die Kräfte der Erde zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Menschen. Die Bevölkerungszunahme würde so lange anhalten, bis ihr durch „Elend und Laster“ Grenzen gesetzt würden. Der Steigerung des Angebots an Nahrungsmitteln korrespondiert der Bevölkerungszuwachs, bis die Menge der Nahrungsmittel pro Person auf das Existenzminimum gefallen ist. An diesem Punkt würde die Bevölkerungszunahme aufhören. Die Bevölkerungstheorie von MALTHUS hatte Auswirkungen auf die Lohntheorie der damaligen Zeit. Für die klassischen Nationalökonomie gilt, dass die Löhne langfristig in Richtung auf die Höhe tendieren, die notwendig ist, um die Arbeiter in den Stand zu setzen, sich selbst und ihre Familien zu erhalten (RICARDO). Jede Erhöhung der Löhne über dieses Niveau hinaus würde nur zur Vermehrung der Bevölkerung führen, und damit würden die Löhne wieder auf das Existenzminimum fallen. (Existenzminimumtheorie des Lohnes). Der Einfluss der Lehre von MALTHUS war auch darauf zurückzuführen, dass sein Bevölkerungsgesetz als Argument gegen öffentliche Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Missstände herangezogen werden konnte. In der öffentlichen Meinung Englands führte dies zu der weit verbreiteten Auffassung, dass die Armen ihre wirtschaftliche Notlage sich selbst zuzuschreiben hätten und dass sich daran durch soziale Maßnahmen nicht viel ändern ließe. DAVID RICARDO (1772-1823) kam als Börsenmakler früh zu einem Vermögen, das ihm bereits in jungen Jahren erlaubte, sich aus dem Erwerbsleben zurückzuziehen und mit ökonomischen Studien zu beginnen. RICARDO gilt als der Begründer der theoretischen Nationalökonomie. Seine abstraktdeduktive Vorgehensweise war bahnbrechend. Mit RICARDO hat sich darüber hinaus das Erkenntnisobjekt der Nationalökonomie erweitert. Das Interesse richtete sich auf die Verteilung des Wohlstandes, insbesondere der Verteilung

14.2 Klassische Nationalökonomie

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des nationalen Einkommens auf die verschiedenen Klassen der Bevölkerung. „Die Gesetze aufzufinden, welche diese Verteilung bestimmen, ist das Hauptproblem der Volkswirtschaftslehre“ (RICARDO, Vorwort zu seinem Hauptwerk „On the Principles of Political Economy and Taxation“, 1817). Langfristig prognostizierte er folgende Entwicklung der Einkommensverteilung: Aus dem Zwang – wegen des Bevölkerungswachstums – immer unfruchtbarere Böden zu bebauen, entstehen steigende Grundrenten; die Existenzminimumtheorie des Lohnes bedeutet konstante Reallöhne; zwischen diesen beiden Einkommenskategorien wird die Entwicklung der Profite eingeklemmt, was zu einer langfristig sinkenden Profitrate und damit zu einem stationären Wirtschaftszustand führt. Historischer Ausgangspunkt seiner Grundrententheorie war der Zusammenhang von hohen Getreidepreisen und der Ausdehnung des Getreideanbaus auf weniger fruchtbare und schwer zugängliche Böden während der napoleonischen Kriege am Anfang des 19. Jahrhunderts. Der Gedanke der ricardianischen Rententheorie lässt sich stark verkürzt so erklären: der Überschuss in der Landwirtschaft ergibt aus der Differenz zwischen den Erträgen und den Kosten. Dieser Überschuss wird zwischen den Grundeigentümern und den landwirtschaftlichen Pächtern in Form von Grundrente und Profit aufgeteilt. Die Höhe des Profits orientiert sich an dem des Grenzbodenpächters. Sinkt dessen Profit infolge der Bearbeitung von Böden schlechterer Qualität, steigt die Grundrente derjenigen, die über Böden besserer Qualität verfügen. Auch die Überlegungen von RICARDO zu Währungsfragen sind geprägt von der besonderen Lage Englands zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Während zahlreiche Ökonomen der damaligen Zeit den Anstieg des britischen Preisniveaus mit einer – durch den Krieg mit Frankreich bedingten – Zunahme der effektiven Nachfrage erklärten, machte RICARDO die Bank von England für diese Entwicklung verantwortlich. Sie habe zu viele Banknoten gedruckt, daher sei sie gezwungen gewesen, sich vom Goldstandard zu lösen. Er forderte deshalb die Rückkehr zum Goldstandard. Nur dann könne das Preisniveau wieder gesenkt werden. Die Ausgabe von Papiergeld sollte einer gewissen Beschränkung und Kontrolle unterliegen. Dazu sei nichts besser geeignet, als die Ausgabe von Papiergeld der Verpflichtung zu unterwerfen, dieses in Gold einzulösen. Die Frage der Deckung der umlaufenden Banknoten führte in England zu einer Kontroverse zwischen den Anhängern der Currency-Schule und denen der Banking-Schule. Erstere vertraten die Auffassung, dass die Banknoten

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14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

nicht nur in Gold einlösbar, sondern auch zu 100 % in Gold gedeckt sein müssten. Letztere waren der Ansicht, dass, solange die Banknoten durch Handelswechsel gedeckt seien, nie zuviel Geld im Umlauf sein könne. Die Nachfrage der Wirtschaft nach Geld bestimme die Ausgabemenge. Mit der Peelschen Bankakte von 1844, welche die Verfassung der englischen Notenbank regelte, setzte sich die Currency-Schule durch. Ein weiterer Grundpfeiler seines Systems war die Arbeitswerttheorie. RICARDO hob die Unterscheidung von SMITH in einfache und entwickelte Gesellschaften auf. Nach dem ricardianischen Arbeitswertgesetz tauschen sich die Güter im Verhältnis der auf sie verwendeten Arbeit, gemessen an der Zeit. Berühmt wurde RICARDO durch seine Analyse der internationalen Wirtschaftsbeziehungen. Er zeigte auf, dass internationale Spezialisierung und Arbeitsteilung vorteilhaft für alle Nationen seien und eine restriktive Handelspolitik zum Schutz heimischer Produzenten schädlich für die Nation sei, die sie verhänge. Freihandel war seiner Ansicht nach der Weg zu nationalem und internationalem Wohlstand. Der Beweis für diese Behauptung erfolgte mit der Theorie der komparativen Vorteile. Danach gewinnt im Außenhandel auch das Land das den anderen Ländern kostenmäßig absolut unterlegen ist, wenn es sich auf die Produktion der Güter verlegt, bei denen es komparative Vorteile hat. Was das Produktions- und Beschäftigungsniveaus angeht, so ist für die klassische Nationalökonomie ein von J. B. SAY (1767-1832) aufgestellter Lehrsatz die Grundlage. Bekannt ist dieser Lehrsatz unter der Bezeichnung Saysches Theorem. Dieses Theorem beherrschte das Denken der meisten Nationalökonomen hinsichtlich des Niveaus wirtschaftlicher Aktivität bis zur Weltwirtschaftskrise 1929/30. SAY argumentierte, dass eine allgemeine Überproduktion in einer Volkswirtschaft unmöglich sei. Bei arbeitsteiliger Produktion sei der einzige Weg, der einem Wirtschaftssubjekt im Normalfall zur Verfügung steht, um die gewünschten Waren oder Dienstleistungen zu erlangen, ein Äquivalent zu produzieren oder an dessen Produktion teilzunehmen. Daraus folge, dass die Produktion nicht nur das Angebot auf den Märkten steigert, sondern auch die Nachfrage nach den produzierten Gütern, in Kurzform: jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage. Das Geld wird nur als ein Schleier betrachtet, der den eigentlichen Tatbestand verhüllt, dass Produkte immer nur mit Produkten getauscht werden. Geld ist nichts anderes als ein

14.3 Marxsche Ökonomie

241

Tauschmittel, das jedermann infolge der durch das Horten entstehenden Einbußen an Befriedigung oder Gewinnen schnell auszugeben versucht. JOHN STUART MILL (1806-1873) gilt als Vollender der Klassik. Seine Leistung besteht in einer systematischen Zusammenfassung der Erkenntnisse von SMITH, MALTHUS und RICARDO. Zugleich wird eine Anpassung an die erweiterten Erkenntnisse und neuen Ideen der damaligen Zeit vorgenommen. Sein Buch „Principles of Political Economy, with some of their Applications to Social Philosophy“ (1848) hatte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Ruf als die unbestrittene Bibel der Ökonomen. Die Einteilung der „Principles“ war für viele spätere Werke maßgeblich: Produktion, Verteilung, Tausch, sozialer Fortschritt sowie Einflüsse der Regierung. Mills „Principles“ waren der Versuch, die Erkenntnisse der ökonomischen Wissenschaft zur Lösung der sozialen Fragen des 19. Jahrhunderts zu nutzen.

14.3

Marxsche Ökonomie

Im Zuge der industriellen Entwicklung in England und anderen Ländern, die entgegen den Erwartungen ökonomische und soziale Not mit sich brachte, regte sich die erste fundamentale Kritik an der neuen Ordnung. Während die klassische Nationalökonomie als Antwort auf den Merkantilismus entstand und die Welt des ökonomischen Liberalismus schuf, entstand der Sozialismus aus der Kritik am industriellen Kapitalismus. Dieser führte zwar zu Reichtum in den Händen der neuen Unternehmer und Bankiers, aber auch zu Armut und schlimmen Arbeitsbedingungen (niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten, Kinderarbeit) in den Fabriken und Minen. Die Bewegung des Sozialismus umfasst ein breites Spektrum von Kritikern: Die sogenannten Frühsozialisten oder utopischen Sozialisten, wie CH. FOURIER (1772-1837) und R. OWEN (1771-1858), strebten nach mehr Gerechtigkeit und Gleichheit bei der Produktion und Verteilung. P. J. PROUDHON (1809-1865) verfolgte mit seiner Konzeption einer herrschaftslosen Gesellschaftsordnung eher anarchistische Vorstellungen. KARL MARX (1818-1883) stand im Gegensatz zum utopischen Sozialismus. Er gilt als Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus. Der Sozialismus ist danach kein utopisches Fernziel mehr, sondern wird aufgrund historischer Gesetzmäßigkeiten zwangsläufig kommen. Das umfangreiche Werk von MARX enthält nicht nur ökonomische Aspekte, sondern darüber hinaus philo-

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14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

sophische, wissenschaftsgeschichtliche, soziologische und politische Dimensionen. Im Folgenden wird lediglich auf die Grundlagen seiner ökonomischen Analyse eingegangen. Zielsetzung von MARX war es, die ökonomischen Bewegungs- und Entwicklungsgesetze des Kapitalismus zu enthüllen – so im Vorwort zu seinem wohl bekanntesten Werk „Das Kapital“, das 3 Bände umfasst. Der erste Band erschien 1867, die beiden andern Bände wurden nach seinem Tode von Friedrich Engels herausgegeben (1885 und 1894). Nach MARX ist die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen. Triebkraft dieser Entwicklung sind die ökonomischen Verhältnisse. Wenn der Stand der Produktivkräfte und die Produktionsverhältnisse in Widerspruch geraten, kommt es zur Revolution und es entsteht eine neue Gesellschaftsordnung. Was die Methode der ökonomischen Analyse angeht, orientiert sich MARX vor allem an RICARDO. Die kapitalistische Wirtschaftsordnung ist bei MARX durch die Klassentrennung von Kapitalisten und Arbeitern gekennzeichnet. Für die Unterscheidung der beiden Klassen ist das Eigentum bzw. Nichteigentum an den Produktionsmitteln konstituierend. Seine Arbeitswerttheorie wird zur Grundlage der Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft. Wie RICARDO, sucht auch MARX nach einer gemeinsamen Eigenschaft, die in den einzelnen Waren steckt und mit deren Hilfe qualitativ unterschiedliche Waren vergleichbar gemacht werden können. Nach MARX bestimmt sich der Wert einer Ware durch die zu ihrer Produktion gesellschaftlich notwendige Durchschnittsarbeit, gemessen in Arbeitszeit. Die Besonderheit des kapitalistischen Wirtschaftssystems besteht nun darin, dass Arbeit wie eine Ware behandelt wird, sich somit auch der Wert der Ware Arbeitskraft durch das zu ihrer Erhaltung und Reproduktion notwendige Arbeitsquantum bestimmt, Das entspricht dem Arbeitszeitaufwand, der zur Herstellung jener Güter erforderlich ist, die der Arbeiter und seine Familie zur Sicherung ihrer Existenz benötigen. Da der Arbeiter keine Produktionsmittel besitzt, muss er seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt verkaufen. Der Kapitalist (Unternehmer) kauft die Arbeitskraft zu dem Wert, der den Reproduktionskosten entspricht. Entscheidend für das Verständnis der Marxschen Ausbeutungstheorie ist die von ihm gemachte Unterscheidung zwischen Gebrauchswert und Tauschwert der Arbeit. Da der Gebrauchswert der Arbeit – der Wert, den der Arbeiter während eines Arbeitstages produziert – höher ist als der Tauschwert – der Wert, den der Arbeiter kostet –, entsteht eine Diffe-

14.3 Marxsche Ökonomie

243

renz, die dem Kapitalisten als Mehrwert zufließt. Dem Arbeiter wird somit ständig ein Teil der von ihm geschaffenen Werte vorenthalten. Quelle des Mehrwerts ist ausschließlich die Arbeitskraft, nicht die Maschinen. MARX unterscheidet zwischen absolutem und relativem Mehrwert: ersterer stellt ab auf die Differenz zwischen Gesamtarbeitszeit und gegebener gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit; relativer Mehrwert fällt an, wenn bei gegebener Gesamtarbeitszeit die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit vermindert wird. Letzteres bedeutet eine Minderung des Wertes der Ware Arbeitskraft, was gleichzusetzen ist mit einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Das konstante Kapital c umfasst jene Produktionsmittel, die in der Produktion eingesetzt sind und die sich nur selbst wieder ersetzen können, ohne einen Mehrwert zu schaffen; das variable Kapital v ist dagegen jener Teil des Kapitals, der zum Kauf von Arbeitsleistung verwendet wird. Nur dieser Teil des Kapitals schafft neuen Mehrwert. Das Verhältnis von konstantem zu variablem Kapital (c/v) wird von MARX als organische Zusammensetzung des Kapitals bezeichnet. Die kreislauf- und wachstumstheoretischen Überlegungen von MARX sind von QUESNAY angeregt worden. Er betrachtet sein eigenes Schema zur Analyse der Struktur des Kapitalismus als eine verbesserte Fassung des Tableau Économique. Trotz dieser Verbindung bestehen wesentliche Unterschiede. MARX fasst bei seiner Sektorenbildung zum einen Unternehmen zusammen, die an der Herstellung von Produktionsmitteln beteiligt sind (sog. Abteilung I) und zum anderen Unternehmen, die Konsumgüter herstellen (sog. Abteilung II). Er beschäftigt sich dann zunächst mit der Frage, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, wenn der Wirtschaftsprozess stationär verläuft, d.h. keine Nettoinvestitionen stattfinden (Einfache Reproduktion). Im Anschluss daran wird ein Kreislaufschema mit positiver Nettoinvestition (Erweiterte Reproduktion) entwickelt. MARX geht hierbei davon aus, dass die Arbeitnehmer ihren gesamten Lohn konsumieren und die Kapitalisten einen Teil des Mehrwerts zum Kauf von Konsumgütern und einen Teil zur Akkumulation in konstantes und variables Kapital verwenden. Ausführlich werden die Bedingungen eines gleichgewichtigen Wachstums analysiert. Von zentraler Bedeutung für die Marxsche Theorie und die darauf aufbauende marxistische Wirtschaftstheorie ist ebenfalls die Wert-Preis-Transformation (sog. Transformationsproblem), d.h. die Erklärung der Verwandlung der Werte in Produktionspreise. Anlass dieser Diskussion war die Her-

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14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

ausgabe von Kapital Bd. III durch FRIEDRICH ENGELS. In Bd. I bestimmt das Wertgesetz direkt die Preise aller Waren, die Preise verhalten sich proportional zu ihren Werten; in Bd. III wird dagegen ausgeführt, dass die Preise der Waren (Produktionspreise) von ihren Werten abweichen können, jedoch nach wie vor durch die Arbeitswerte bestimmt werden. Im Kern geht es um eine Theorie relativer Preise auf der Basis von Werten. Aus seiner Analyse leitet Marx verschiedene Hypothesen zur langfristigen Entwicklung des kapitalistischen Wirtschaftssystems ab: Im Zuge der technologischen Entwicklung wird das konstante Kapital ständig zunehmen. Teile des variablen Kapitals werden zum Kauf von Anlagegütern eingesetzt. Die Umschichtung von variablem Kapital zu konstantem Kapital bedeutet aber nichts anderes als eine Freisetzung von Arbeitskräften durch Rationalisierung und vermehrten Maschineneinsatz. Es kommt zur Entstehung einer industriellen Reservearmee. Wenn die organische Zusammensetzung des Kapitals steigt, die Mehrwertrate (das Verhältnis von Mehrwert und variablem Kapital) jedoch konstant bleibt, so muss zwangsläufig die Profitrate sinken. Marx hat zwar verschiedene Möglichkeiten behandelt, wie durch eine Erhöhung der Mehrwertrate das Sinken der Profitrate aufgehalten werden kann, langfristig gilt jedoch das Gesetz vom tendenziellen Fall der Profitrate. Die „Peitsche der Konkurrenz“ zwingt die Kapitalisten zu verstärkter Akkumulation des Mehrwerts. In der Folge kommt es zu einem Konzentrationsprozess, der zur Expropriation (= Enteignung) von Kapitalisten durch Kapitalisten führt (Konzentrationsthese). Wachsende Massenarbeitslosigkeit, Verelendung, Fall der Profitrate und Zunahme des Konzentrationsgrades in der Wirtschaft führen zu einer verstärkten Krisenanfälligkeit. Diese ist nach MARX Ausdruck der Widersprüche innerhalb des Systems, vor allem des Widerspruchs zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung. Letztlich kommt es durch eine revolutionäre Situation zu einer Abschaffung des kapitalistischen Systems und zu einer von einer klassenlosen Gesellschaft geleiteten Produktion.

14.4 Historische Schule

14.4

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Historische Schule

Der Einfluss der Historischen Schule beschränkt sich im Wesentlichen auf den deutschsprachigen Raum, insbesondere zwischen 1870 und 1900 hat sie dort eine herausragende Stellung. Ihre Auswirkungen reichen jedoch bis in die Mitte des 20. Jh. Auch sie versteht sich als Gegenentwurf zur englischen klassischen Nationalökonomie in der Version des Ricardianismus. Nach Ansicht der Vertreter der Historischen Schule lassen sich für eine Volkswirtschaft keine raum- und zeitinvarianten Gesetze aufstellen. Jede Nation sei für sich zu betrachten; der Zugang zur Erkenntnis gewisser allgemeiner sozialer und ökonomischer Regelmäßigkeiten müsse durch eine historische Herangehensweise erfolgen. Charakteristisch für die Arbeiten der historischen Schule ist die Entwicklung von Stufentheorien, d.h. die Suche nach Stufen in der historischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Entwicklung einer Nation. Als ein Vorläufer gilt F. LIST (1789-1846), dessen Hauptwerk „Das nationale System der politischen Ökonomie“(1841) die Denkrichtung bereits andeutet. Die nationale Wirtschaftspolitik hat sich an der jeweiligen Entwicklungsstufe des Landes zu orientieren. Durch eine geeignete Zollpolitik sind aufstrebende Industriezweige gegenüber bereits entwickelter ausländischer Konkurrenz zu schützen, bis sie international wettbewerbsfähig sind (Schutzzoll- oder Erziehungszolltheorie). In der Literatur wird zwischen einer Älteren Historischen Schule (Vertreter: W. ROSCHER, B. HILDEBRAND, K. KNIES) und einer Jüngeren Historischen Schule (Vertreter: G. SCHMOLLER, A. WAGNER, L. BRENTANO) unterschieden. Einflussreichster Vertreter der Historischen Schule war ohne Zweifel G. VON SCHMOLLER (1838-1917). Er lehrte und forschte in Berlin und war bis zu seinem Tode Vorsitzender des Vereins für Socialpolitik, dem damals Professoren und höhere Verwaltungsbeamte angehörten. Bekannt wurde SCHMOLLER auch durch den Methodenstreit, den er mit C. MENGER austrug. Dabei ging es, verkürzt formuliert, um den Gegensatz zwischen historischer und deduktiver Methode in der Nationalökonomie. Während SCHMOLLER die historische Herangehensweise verteidigte, versuchte Menger durch die Unterscheidung von historischer, theoretischer und praktischer Nationalökonomie zu begründen, dass die Methoden der Analyse in allen drei Bereichen nicht die gleichen sein können.

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14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

Die wirtschaftspolitischen Leitlinien der Historischen Schule widersprechen fundamental den Prinzipen des ökonomischen Liberalismus. Dem Staat wird eine deutlich stärkere Rolle und Verantwortung zugewiesen. Im Vordergrund steht nicht das Individuum, sondern die Gemeinschaft. Der Staat hat die Aufgabe, durch seine Wirtschaftspolitik soziale Gegensätze auszugleichen. Die Ökonomen der Historischen Schule, die diese Auffassung teilten, werden daher auch als Kathedersozialisten bezeichnet.

14.5

Neoklassische Nationalökonomie

In der Literatur werden Klassik und Neoklassik üblicherweise durch die Marginalrevolution abgegrenzt. Andererseits wird das Adjektiv „neoklassisch“ benutzt, um ALFRED MARSHALL, der die Kontinuität mit den Klassikern hervorhob, von Autoren wie JEVONS zu unterscheiden, der seine neue Werttheorie als Kritik bzw. Gegenentwurf zur klassischen Werttheorie verstand. Während die klassischen Nationalökonomen bis hin zu MILL den Wert eines Gutes durch die Produktionskosten bestimmt sahen, gingen JEVONS, MENGER und WALRAS davon aus, dass der Preis, den die Nachfrager für ein bestimmtes Gut zu zahlen bereit sind, durch den Grenznutzen dieses Gutes bestimmt wird. Es handelt sich somit um eine subjektive Wertlehre im Unterschied zur klassischen objektiven Wertlehre. Als Vorläufer der Marginalrevolution werden THÜNEN und GOSSEN genannt. JOHANN HEINRICH VON THÜNEN (1783-1850) wird in der Literatur als Beispiel dafür angeführt, dass es auch in Deutschland Ansätze gab, die deduktive Methode der Klassiker anzuwenden und weiterzuentwickeln. Seine Methode der „isolierenden Abstraktion“ (so auch der Titel seines Hauptwerks „Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie“, Bd. 1, 1826), ein frühes Beispiel für eine Modellanalyse, führte ihn zu Erkenntnissen, die bereits denen der Marginalrevolution entsprachen. HERMANN HEINRICH GOSSEN (1810-1858) gilt ebenfalls als Vorläufer des Marginalismus. Mit den von ihm formulierten Gossen-Gesetzen erfährt das marginale Denken seine erste Ausprägung (siehe Kapitel 4). Ebenfalls zu erwähnen ist A. COURNOT (1801-1877). Er führte als erster die Mathematik in die theoretische Volkswirtschaftslehre ein. Auch sein Werk entfaltete seine Wirkungen erst später. Von COURNOT stammen die noch heu-

14.5 Neoklassische Nationalökonomie

247

te in allen Lehrbüchern zur Preistheorie enthaltene Monopol- und Oligopollösung (siehe Kapitel 7). Der Durchbruch der Marginalrevolution erfolgte um 1870 mit den voneinander unabhängig entstandenen Werken des Engländers WILLIAM S. JEVONS (1835-1882), des Österreichers CARL MENGER (1840-1921) und des Schweizers LÉON WALRAS (1834-1910). MENGER gilt auch als Begründer der Österreichischen oder Wiener Schule, WALRAS als Gründer der Lausanner Schule. Alle drei sehen in den Nutzenschätzungen der Konsumenten Ursache und Bestimmungsgrund für den Wert eines Gutes. Die parallele Entdeckung einer wissenschaftlichen Neuheit ist allerdings nicht Ungewöhnliches. Viele bedeutende Entdeckungen in der Wissenschaftsgeschichte sind sog. „multiple discoveries“ (MERTON 1973). Mit Hilfe des Grenznutzens ließ sich auch das klassische Wertparadoxon lösen: Wasser hat zwar einen hohen Gebrauchswert, da es aber reichlich vorhanden ist, ist der Grenznutzen und damit der Tauschwert gering. Umgekehrt hat ein knappes Gut wie Diamanten einen geringen Gebrauchswert, aufgrund des hohen Grenznutzens jedoch einen hohen Tauschwert. Die Begründer der subjektiven Wertlehre fassten Nutzen und Grenznutzen eines Gutes noch als kardinal messbare Größen auf, während VILFREDO PARETO (1848-1923) zeigte, dass es ausreicht, eine ordinale Nutzenmessung, d.h. Vergleichbarkeit zweier beliebiger Güterkombinationen im Sinne von „besser“, „schlechter“ oder „gleich gut“, vorauszusetzen. Damit entfiel das Problem der Messbarkeit des Nutens. Eine weitere bedeutende Leistung sind PARETOS Erörterungen zu einer Theorie des allgemeinen Gleichgewichts. Berühmt geworden ist die Gleichgewichtssituation des nach ihm benannten Pareto-Optimums, das die Entwicklung der modernen „Wohlfahrtsökonomik“ begründete. Im Pareto-Optimum ist es nicht mehr möglich, ein Individuum besserzustellen, ohne ein anderes zu benachteiligen. Neben seinem Beitrag zur Entdeckung des Grenznutzens lieferte WALRAS mit der statischen mikroökonomischen Totalanalyse einen weiteren fundamentalen Baustein der Nationalökonomie, der allerdings erst nach seinem Tode allgemeine Anerkennung fand. Er zeigte, dass bei vollständiger Konkurrenz auf allen Märkten die Determinierbarkeit aller ökonomischen Größen gewährleistet, mithin nur eine einzige Lösung und damit ein einziger Gleichgewichtszustand denkbar ist. Er unterschied in diesem Zusammenhang zwei Problemkreise: zum einen die Frage nach der Existenz einer Gleichgewichtslösung und zum anderen die Frage nach der Stabilität dieser Gleichgewichts-

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14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

lösung. Was das Existenzproblem betrifft, so leistete WALRAS wichtige Pionierarbeit, den formalen Beweis hat später DEBREU („Theory of Value“, 1959) geliefert. Die Erklärung der Stabilität dieses Gleichgewichts erfolgt durch die berühmte Figur des Auktionators. Dieser ruft die Preise aus und sammelt die dazu abgegebenen Nachfrage- und Angebotsvorstellungen. Je nachdem, ob ein Nachfrage- oder ein Angebotsüberschuss vorliegt, erhöht oder senkt er den Preis. Ein Kaufabschluss erfolgt erst dann, wenn auf allen Märkten die nachgefragte Menge gleich der angebotenen ist, mithin die markträumenden Gleichgewichtspreise gefunden sind. Nach SMITH und MILL hat ALFRED MARSHALL (1842-1924) mit seinem Buch „Principles of Economics“ eine weitere herausragende Synthese der Nationalökonomie verfasst. Eine in der Literatur weit verbreitete Auffassung geht dahin, dass die marshallianische Ökonomie eine „Kreuzung“ von ricardianischer Ökonomie und Grenznutzentheorie sei. Marshall selbst bringt wiederholt den Hinweis auf die „beiden Klingen der Schere“ von Angebot und Nachfrage. Damit will er den Zusammenhang von Kosten und Konsumentenpräferenzen bei der Preisbildung verdeutlichen. Das grundlegende Paradigma bei MARSHALL ist die statische mikroökonomische Partialanalyse, d.h. unter der Bedingung der ceteris paribus-Klausel wird anhand von Nachfrage- und Angebotskurven das Gleichgewicht auf einzelnen Märkten untersucht (siehe Kapitel 5 und 6). In den dreißiger Jahren des 20. Jh. wurde die marshallianische Preistheorie durch E. H. CHAMBERLIN (The Theory of Monopolistic Competition, 1933) und J. ROBINSON (The Economics of Imperfect Competition, 1933) erweitert. Deren Überlegungen gehen von der These aus, dass das einzelne Unternehmen auf seinem eigenen speziellen Produktmarkt ein Monopolist ist. MARSHALL operierte dagegen mit dem Begriff des „repräsentativen Unternehmens“ (representative firm). Die Revision der marshallianischen Überlegungen führte zur Theorie der unvollständigen bzw. monopolistischen Konkurrenz (siehe Kapitel 7). Die Bedeutung EUGEN VON BÖHM-BAWERKS (1851-1914), ein Mitglied der Österreichischen Schule, ist eng verbunden mit seiner Zinstheorie. Kerngedanke ist, dass Gütern, die erst in Zukunft einen Nutzen abwerfen – da sie gegenwärtig nicht verfügbar sind – ein geringerer Wert beigemessen wird, als Gütern, die in der Gegenwart zur Verfügung stehen. Aus der Verschiedenheit der Bewertung entsteht ein Aufgeld (Agio), auf dem der Kapitalzins beruht. Der Zins wird somit für den Verzicht auf Gegenwartsgütern gezahlt und zwar

14.5 Neoklassische Nationalökonomie

249

wegen der Minderschätzung zukünftiger Bedürfnisse. Ein weiterer Eckpfeiler seiner Zinstheorie ist die Annahme, dass die Produktivität einer gegebenen Menge an Kapitalgütern durch eine „Verlängerung“ der Produktionsperiode gesteigert werden kann. Begründet wird dies damit, dass Kapitalgüter Zwischengüter auf dem Wege zur Herstellung von Konsumgütern und insofern Indikatoren eines Umwegs in der Produktion sind. Je mehr Kapitalgüter benutzt werden, je länger also der „Produktionsumweg“ ist, desto mehr steigt die Produktivität eines Produktionsprozesses. Aus den längeren, d.h. zeitraubenden Produktionsperioden wird gleichfalls die Notwendigkeit eines Kapitalzinses abgeleitet. Nach BÖHM-BAWERK ist der Kapitalzins keine Folge von Ausbeutung, sondern die Folge einer unterschiedlichen Bewertung von Gegenwarts- und Zukunftsgütern sowie zeitraubender Produktionsmethoden. Einen wichtigen Beitrag zur Konjunkturtheorie lieferte der schwedische Nationalökonom KNUT WICKSELL (1851-1926). Bekannt ist der nach ihm benannte Wicksellsche Prozess. Die Wirkungsweise kann hier nur angedeutet werden: Ausgangspunkt ist die Unterscheidung zwischen natürlichem Zins und Geldzins. Der natürliche Zins, auch als originärer Zins bezeichnet, entspricht der Nettoertragsrate des „physischen“ Kapitals, während der Geldzins der Zins für aufgenommene Kredite ist (Darlehenszins). Im Gleichgewicht stimmen beide Zinsraten überein. Weichen sie voneinander ab, so kommt es zu einer kumulativen Entwicklung im Wirtschaftsprozess. Liegt beispielsweise der Geldzins unter dem natürlichen Zins, dann führt dies zu einer Ausweitung der Investitionstätigkeit und schließlich – Vollbeschäftigung unterstellt – zu einem Anstieg der Preise und Löhne. Der kumulative Inflationsprozess wird erst dann unterbrochen, wenn es zu einer Erhöhung des Geldzinses oder einer Senkung des natürlichen Zinses kommt. Steigt der Geldzins über den natürlichen Zins, tritt ein Deflationsprozess ein. Das Bankensystem, welches den Geldzins festlegt, beeinflusst damit wesentlich die konjunkturellen Bewegungen in einer Volkswirtschaft. Der Gedankengang des Wicksellschen Prozesses öffnete daher den Weg für die Entwicklung der monetären Konjunkturtheorien. Darüber hinaus wird WICKSELL als Wegbereiter der modernen Makroökonomik und als Vorläufer von Keynes angesehen. Ein weiterer Baustein der neoklassischen Nationalökonomie ist die Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung, die von dem amerikanischen Ökonomen JOHN BATES CLARK (1847-1938) entwickelt wurde. Während in der Klassik die Verteilung des Volkseinkommens auf die verschiedenen Einkommensarten (Lohn, Profit, Grundrente) mit gesonderten Theorien erklärt wurde, ergibt sich in der Neoklassik die Verteilung aus den Gesetzen der Produktion. Die

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14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

Grenzproduktivitätstheorie kommt zu dem Ergebnis, dass bei Annahme vollständiger Konkurrenz im Gleichgewicht jeder Produktionsfaktor nach seinem Grenzprodukt bezahlt wird. Das Grenzprodukt eines Produktionsfaktors bemisst sich danach, um wie viel sich das Gesamtprodukt ändert, wenn die eingesetzte Menge dieses Faktors um eine Einheit erhöht oder verringert wird (die Menge aller anderen Faktoren bleibt konstant). Wählt man als Beispiel den Produktionsfaktor Arbeit, so heißt dies: im Gleichgewicht kann der Lohnsatz nicht größer sein als das Wertgrenzprodukt der Arbeit (Grenzprodukt mal Preis).

14.6

Keynes und der Keynesianismus

Mit der Veröffentlichung seiner „General Theory of Employment, Interest and Money“ (Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes) im Jahre 1936 gab JOHN MAYNARD KEYNES (1883-1946) den Anstoß zu einer Revolution in den Wirtschaftswissenschaften. So die herrschende Meinung in der Literatur. Keine andere wirtschaftswissenschaftliche Arbeit im 20. Jh. löste auch nur annähernd so zahlreiche Kommentare und Kritiken aus wie die „General Theory“. Das Entstehen der „General Theory“ ist ein weiteres Beispiel für die These, dass drängende wirtschaftspolitische Probleme das ökonomische Denken beeinflussen. Die krasse Diskrepanz zwischen dem klassisch-neoklassischen Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der Marktwirtschaft einerseits und die empirischen Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise von 1929/30 andererseits haben die Keynessche Analyse beeinflusst und ihre Verbreitung begünstigt. Die „General Theory“ geht davon aus, dass bei gegebenen Preisen und Löhnen die effektive Gesamtnachfrage die Höhe der Produktion bestimmt und diese wiederum die Höhe der Beschäftigung. Die Produktion wird somit nicht durch die Ausstattung einer Volkswirtschaft mit Ressourcen begrenzt, sondern durch die effektive gesamtwirtschaftliche Nachfrage, die bestimmt, wieviele der potenziellen Ressourcen tatsächlich verwendet werden. Diese Aussage steht im Widerspruch zum Sayschen Theorem, wonach jedes Angebot sich seine entsprechende Nachfrage schafft. Nach Keynes sind die Konsumentscheidungen der Haushalte und die Investitionsentscheidungen der Unternehmen die Determinanten der Gesamtnachfrage. Die Konsumentscheidungen hängen vom laufenden Einkommen ab. Aufgrund eines mikroökonomisch nicht näher begründeten fundamentalen psychologischen Gesetzes steigt der Konsum zwar mit zuneh-

14.6 Keynes und der Keynesianismus

251

mendem Einkommen, jedoch nicht um den vollen Betrag des Einkommenszuwachses, d.h. die marginale Konsumquote bzw. der Grenzhang zum Verbrauch ist kleiner eins. Die Investitionsentscheidungen werden durch die erwarteten Erträge beeinflusst - Keynes spricht von der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals. Konsum- und Investitionsgüternachfrage bilden zusammen die Güternachfrage, mit der die Unternehmen als Anbieter von Gütern konfrontiert sind. Da die Konsumnachfrage allein nicht ausreicht, um die Produktion abzunehmen, kommt es für die Produktions- und Beschäftigungsentwicklung einer Volkswirtschaft entscheidend auf die Investitionsnachfrage an. Wegen deren Abhängigkeit von Unsicherheiten hinsichtlich zukünftiger Erträge sind Investitionshöhe, effektive Gesamtnachfrage und damit Beschäftigungsstand entsprechend gefährdet. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum ein Nachfragerückgang auf dem Gütermarkt, mithin eine Erhöhung der Ersparnis, nicht zu Zinsreaktionen auf dem Kapitalmarkt führt. Zinssenkungen und eine damit verbundene erhöhte Investitionsgüternachfrage könnten zu einem erneuten Gleichgewicht führen. Die Keynessche Argumentation geht dahin, dass Sparen und Investieren von verschiedenen Einflussfaktoren bestimmt werden, ein Ausgleich durch den Zinsmechanismus ausgeschlossen wird. Mit der Liquiditätspräferenztheorie, die bei Keynes an die Stelle der Quantitätstheorie tritt, wird darüber hinaus erklärt, weshalb es für ein Wirtschaftssubjekt rational sein kann, auf einen Zinsertrag zu verzichten und statt dessen Geld in Form von Kasse zu halten. Die Geldhaltung als Alternative zu Wertpapieren wird umso attraktiver, je niedriger der Zinssatz ist. Der Zins wird damit als Bestimmungsgrund der Geldnachfrage eingeführt, was im Gegensatz zur klassisch-neoklassischen Auffassung steht. Richten wir zum Schluss den Blick auf den Arbeitsmarkt. Die Ausführungen von KEYNES lassen Spielraum für Interpretationen. Eine herkömmliche Interpretation lautet: Kommt es infolge zu geringer effektiver Gesamtnachfrage zu Arbeitslosigkeit, dann sind Nominallohnsenkungen kein geeignetes Mittel, um einen Angebotsüberhang auf dem Arbeitsmarkt zu beseitigen. Erstens weisen die Nominallöhne in der Realität nicht jene Flexibilität auf, die die Klassik-Neoklassik unterstellt, und zweitens könnte ein Nominallohnverzicht sogar noch wachsende Arbeitslosigkeit hervorbringen. Im Ergebnis kann eine zu geringe gesamtwirtschaftliche Nachfrage ein Gleichgewicht mit unfreiwilliger Arbeitslosigkeit zur Folge haben. Unfreiwillige Arbeitslosigkeit heißt, dass die Arbeitnehmer bereit sind, zum herrschenden Lohnsatz zu arbeiten, jedoch keine Arbeit finden. Die klassisch-neoklassische Theorie kennt dagegen nur eine freiwillige Arbeitslosigkeit, die dann gegeben

252

14 Ein Blick zurück - zur Geschichte der Volkswirtschaftslehre

ist, wenn der Arbeitnehmer von sich aus nicht bereit ist, zum herrschenden Reallohnsatz Arbeit anzubieten. Damit sind auch die wirtschaftspolitischen Implikationen der Keynesschen Botschaft angedeutet: autonome Nachfrageerhöhungen durch den Staat, die geeignet sind, über Multiplikatorprozesse die Gesamtnachfrage auf Vollbeschäftigungsniveau zu bringen und eine Geldpolitik, die das Zinsniveau niedrig hält. Die nach Erscheinen der „General Theory“ geführte Diskussion um „Keynes und die Klassiker“, bei der es um den Nachweis der Richtigkeit und der Bedeutung der Keynesschen Erkenntnisse ging, war nach einiger Zeit verstummt. Die Keynes-Interpretation von J. HICKS wurde allgemein akzeptiert und fand Einzug in die meisten ökonomischen Lehrbücher (siehe Kapitel 8, 9 und 10). Daher war es gerechtfertigt von einem neuen Paradigma, dem Keynesianismus, zu sprechen. Der Nachweis eines Gleichgewichts bei Unterbeschäftigung – die Sprengkraft der Keynesschen Revolution – lässt jedoch, so wie ihn KEYNES dargestellt hat, einige Fragen offen, was in gewissen Abständen zu verschiedenen Interpretationen der General Theory geführt hat und auch heute noch führt. Versucht man, die verschiedenen Interpretationen zu kanalisieren, so lassen sich drei Hauptströmungen unterscheiden: den Keynesianismus im Sinne der neoklassischen Synthese, die Neue Keynesianische Makroökonomik und die Neue Neoklassische Synthese (zu den neuen Forschungsprogrammen in der Makroökonomie siehe insbesondere Abschnitt 8.1).

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Personenverzeichnis Barro 121, 186 Baumol 154 Bertrand 114 Blanchard 123 Blaug 106 Bofinger 1, 172 Böhm-Bawerk 248 Born 231 Boulding 2 Brentano 245 Brümmerhoff 23, 26 Cantillon 232 Chamberlin 106, 107, 109, 248 Child 231 Churchill 2 Clark 249 Cobb 74 Colbert 231, 233 Cournot 99, 110, 114, 246 Debreu 248 Douglas 74 Downs 143 Drazen 143 Dupont 233 Engel 60 Engels 244 Eucken 15 Fischer 123 Fisher 119 Fleming 204 Fourier 241 Friedman 120, 121, 127, 186, 190 Fusfeld 229 Giffen 47, 48

Gossen 52, 58, 246 Haavelmo 147 Hall 128 Harbury 2 Harsanyi 115 Heijdra 119 Hicks 252 Hildebrand 245 Hume 235 Issing 122 Jevons 246, 247 Keynes 119, 124, 125, 127, 152, 193, 229, 237, 249, 250 Knies 245 Laffer 122 Leontief 68, 69 Lerner 103 Lipsey 2 List 245 Locke 232 Lorz 1 Lucas 121, 186, 227 Machlup 226 Malthus 237, 238, 241 Mankiw 2, 123, 126 Marshall 37, 41, 45, 119, 237, 246, 248 Marx 12, 232, 237, 241, 242, 244 Maslow 4 Menger 245, 246, 247 Merton 247 Meyer 227 Mill 11, 119, 237, 241, 246 Modigliani 120, 127

260 Morgenstern 115 Mun 229, 231 Mundell 204 Nash 116 Neumann 115 Owen 241 Pareto 96, 247 Petty 232 Phillips 184 Pindyck 116 Ploeg 119 Proudhon 241 Quesnay 9, 10, 233, 234, 243 Rebelo 227 Ricardo 11, 119, 237, 238, 240, 241, 242 Robinson 106, 120, 229, 248 Romer, D. 172 Romer, P.M. 227 Roscher 245 Rubinfeld 116 Samuelson 120, 185 Sargent 121 Say 237, 240 Schmoller 245 Schumann 79, 80, 85, 94, 100 Schumpeter 12, 37, 231, 232 Selten 116 Siebert 1 Smith 10, 11, 119, 230, 235, 236, 237, 240, 241 Solow 120, 185, 216, 217 Stackelberg 113 Taylor 2, 172 Thünen 70, 246 Tobin 120, 154 Trebeis 2, 3 Turgot 70, 234 Varian 53, 98 Wagner 245 Walras 96, 246, 247, 248 White 193 Wicksell 119, 249

Personenverzeichnis Ziegler 229

Sachverzeichnis Abhängigkeitsposition 113 absolut inferiore Güter 43 absolute Einkommenshypothese 124 adaptive Erwartungen 186 AD-Kurve 174, 175, 176, 177, 178 Aggregation 64 AK-Modell 227 Allokationsoptimum 96 Angebot 34 Angebotskurve 35 Angebotsökonomik 122 Arbeitswerttheorie 240, 242 AS/AD-Modell 173 AS-Kurve 173, 179, 181 AS-Kurve, keynesianisch 180 AS-Kurve, neoklassisch 178 Außenbeitragsquote 17 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht 17 autonomes Verhalten 110 Bancor 194 Banking-Schule 239 barriers to entry 89 barriers to exit 89 Behavioural Economics 49 Bertrand-Modell 114 Bestandsgrößen 21 Betriebsgröße 75 Betriebsminimum 81 Betriebsoptimum 81, 92 Bevölkerungswachstum 222 Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen 31, 32

Bilanz der Vermögensübertragungen 31, 33 Bogenelastizität 45 Bretton-Woods-System 193 Bruttoinlandprodukt 28 Bruttonationaleinkommen 30 Bruttowertschöpfung 28 Budgetrestriktion 55 Bullionisten 231 ceteris-paribus-Klausel 35 classe productive 233 classe propriétaire 233 classe stérile 233 Coase-Theorem 98 Cobb-Douglas-Produktionsfunktion 74 Colbertismus 230, 233 constant returns to scale 73 Cournot-Gleichgewicht 112 Cournotscher Punkt 102 Cournotsches Duopol 114 Cournotsches Monopol 104 crowding out-Effekt 168, 170 Currency-Schule 239 deadweight loss 105 decreasing returns to scale 74 deficit spending 167 Definitionsgleichungen 12 Delors-Bericht 187 deterministische Modelle 14 Devisenbilanz 31, 33 Devisenkurs 199 Devisenmarkt 202 Dienstleistungsbilanz 31, 32

262 dominierender Anbieter 113 Duopol 110 durchschnittliche Gesamtkosten 81 Durchschnittsertrag 71 Durchschnittskostenkurve 92, 108 Durchschnittsproduktivität 71 dynamische Analyse 94 economies of scale 74, 89, 105 Einkommenseffekt 62, 63, 64 Einkommenselastizität der Nachfrage 43 Einkommens-Konsumkurve 60 Einlagefazilität 192 elastische Nachfrage 46 Elastizität 41 endogene Variablen 12 Endogene Wachstumstheorie 226 Engel-Kurven 60 Entstehungsrechnung 28 Erlös 83 Erlösfunktion des Monopolisten 100 Ertrag 67 Ertragsgebirge 67 Ertragsgesetz 70 ertragsgesetzlicher Kostenverlauf 80 Erwartungen, rationale 121, 128, 186 ex ante Analyse 24 ex post Analyse 21 exogene Variablen 12 Expansionspfad 78 expansive Fiskalpolitik 146 expansive Geldpolitik 164 Exporte 24, 148 externe Effekte 97 externe Kosten 75, 98 Faktoranpassungskurve 78 Faktorintensität 73 Fiskalpolitik 146 Fiskalpolitik im IS/LM-Modell 167 fixe Kosten 75 Fixkostendegression 81 flows 21 follower 113

Sachverzeichnis free rider-Verhalten 97 freie Güter 3 Frühsozialisten 241 fundamentales psychologisches Gesetz 125 Fünf Weisen 3, 18 GATT 197 Gebrauchswert 236 Gefangenendilemma 116 Geldangebot 155 Geldnachfrage 150 Geldpolitik bei zinsunelastischen Investitionen 166 Geldpolitik in der Liquiditätsfalle 165 Gemeinschaftsdiagnose 19 General Theory 120 Gesamtnutzen 51 gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht 181 Gesetz der Preisunterschiedslosigkeit 90 Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen 52 Gewinnmaximum des Monopolisten 102 Giffen-Güter 47 Gleichgewichtsbedingung 11 Gleichgewichtspreis 90 Gossensches Gesetz, erstes 54 Gossensches Gesetz, zweites 58, 60 Grenzerlös 83 Grenzertrag 72 Grenzkosten 80 Grenznutzen 51 Grenzproduktivität 73 Grenzproduktivitätstheorie der Verteilung 249 Grenzrate der Substitution 53, 54 Grenzrate der technischen Substitution 70, 77 Haavelmo-Theorem 147 Handelsbilanz 31

Sachverzeichnis Haushaltsgleichgewicht 57 Haushaltsoptimum 57 Historische Schule 245 Höchstpreise 91 hoher Beschäftigungsstand 16 Homo oeconomicus 49 homogenes Gut 89 Importe 24 increasing returns to scale 73 Indifferenzkurve 52, 67 indirekte Preiselastizität 43 inferiore Güter 43, 61 inflatorische Lücke 182 input 13, 67 Internationaler Währungsfond 193 Investitionsausgabenmultiplikator 133 Investitionsfunktion 138 invisible Hand 236 IS/LM-Modell 161 IS-Kurve 136, 138, 148, 161 Isokostenlinie 76 isoquante Faktorvariation 67 Isoquanten 67 kalkulatorische Kosten 75 Kameralismus 230 Kapitalbilanz 31, 33 kardinaler Nutzen 50 Kassenhaltungsdauer 152 Kassenhaltungskoeffizient 152 Kathedersozialisten 246 Keynes-Bereich 156 Keynes-Effekt 175, 176, 182 keynesianische Konsumfunktion 124, 126 keynesianisches Unterbeschäftigungsgleichgewicht 180 Keynesianismus 119 klassische Dichotomie 119 klassische Nationalökonomie 237 klassische Produktionsfunktion 70 klassisch-neoklassische Theorie 119

263

Kollektivgüter 97 komparativ-statische Analyse 94 Komplementärgüter 38, 43 konstante Skalenerträge 73 kontraktive Fiskalpolitik 146 Konvergenz-Hypothese 226 kooperative Spiele 115 Kostenbegriff 74 Kostenfunktion 79 Kostenkurve, typische 79 kreditfinanzierte Staatsausgaben 147 Kreuzpreiselastizität 43 kurzfristige Kostenfunktion 79 kurzfristige Marktangebotskurve 87 kurzfristige Preisuntergrenze 87 Laffer-Kurve 122 Lagerinvestition 24 Lagrange-Methode 59 langfristige Marktangebotskurve 87 langfristige Preisuntergrenze 86 Lausanner Schule 247 Lebenszyklushypothese 127 Leistungsbilanz 32 Leistungsbilanzsaldo 201 Leontief-Produktionsfunktion 68 Lerner Index 103 limitationale Produktionsfunktionen 68 Liquiditätsfalle 156, 169 LM-Kurve 150, 156, 158, 161, 164 magisches Sechseck 17 magisches Viereck 15 Makroökonomische Modelle 13 makroökonomische Theorie 118 makroökonomischer Geldmarkt 150, 155 marginale Kosten 80 Marktaustrittsschranken 89 marktbeherrschende Unternehmen 100 Marktnachfrage 64 Marktversagen 97 Marktwirtschaft 5

264 Marktzutrittsschranken 89 Marshall-Verfahren 45, 101 Maslowsche Bedürfnispyramide 4 Mehrwert 243 Mengennotierung 200 meritorische Güter 4 Merkantilismus 230 Methodenstreit 245 Mikroökonomie 49, 99 mikroökonomische Modelle 13 Mindestpreise 91 Mindestreserve 192 Minimalkostenkombination 76 Minimalkostenlinie 78 Modell der vollständigen Konkurrenz 89, 100 Modelle, dynamische 14 Modelle, komparativ-statische 14 Modelle, statische 14 Modelle, stochastische 14 monetärer Sektor 119 Monetarismus 121 Monetarismus II 122 Monopol 99 monopolistische Konkurrenz 99, 106 Monopson 100 Multiplikatoreffekt 132, 146 Multiplikatorprozess 163, 168 Mundell-Fleming-Modell 203 Nachfrage 34, 36 Nachfragefunktion 41 Nachfragekurve 36 NAIRU 186 Nash-Gleichgewicht 116 natürlicher Preis 94 natürliches Monopol 100 negative externe Effekte 75 neoklassische Synthese 120 Neoklassische Wachstumstheorie 226 Nettonationaleinkommen 30 Neue Keynesianische Makroökonomik 123

Sachverzeichnis Neue Klassische Makroökonomik 121 Neue Neoklassische Synthese 123 Neue Wachstumstheorie 226 Neutralität des Geldes 119 newcomer 89 Nichtausschließbarkeit von Gütern 4 nicht-kooperative Spiele 115 Nichtrivalität von Gütern 4 Normalgewinn 86 normative Ökonomik 2 Nutzenfunktion 51 Nutzengebirge 52 Offenmarktgeschäfte 190 öffentliche Güter 3, 97 ökonomisches Wachstum 11 Oligopol 99, 109, 110 oligopolistische Interdependenz 109 Opportunitätskosten 7, 75 optimale Betriebsgröße 87 optimaler Konsumplan 57 ordinaler Nutzen 50 Ordnungspolitik 14, 15 Ordoliberalismus 15 ordre naturel 233 Österreichische Schule 247 output 13, 67 Pareto-Optimum 96, 247 Partialanalyse 14 partielle Faktorvariation 67 pay offs 115 Peelschen Bankakte 240 perfect competition 89 Permanente Einkommenshypothese 128 Phillips-Kurve 121, 184 Phillips-Kurve, inflationserwartungsmodifizierte 186 Phillips-Kurve, modifizierte 120, 185 Phillips-Kurve, ursprüngliche 184 Physiokraten 232 Planwirtschaft 5

Sachverzeichnis Policy Mix 172 Political Economy 230 Politik-Ineffektivitäts-Hypothese 121 Polypol 89 positive Ökonomik 2 Präferenzen 49 Preis-Absatz-Funktion 42, 47, 100, 107 Preiselastizität 101 Preisfixierer 100 Preisnotierung 199 Preisstabilität 17 private Güter 3 Produktionsfaktoren 67 Produktionsfunktion 66 Produktionsmöglichkeiten 6 Produktionsmöglichkeitenkurve 7 Produzentenrente 95 Prohibitivpreis 37 Prozesspolitik 14 Punktelastizität 45 Quantitätstheorie des Geldes 190 Quesnay 233 Reaktionsfunktion 110 Reaktionsverbundenheit 109 realer Sektor 119 realer Wechselkurs 200 Sachverständigenrat 3, 18 Saysches Theorem 240 Schutzzoll- oder Erziehungszolltheorie 245 sinkende Skalenerträge 74 Solow-Model 216, 219, 222 Sparfunktion 126 Spekulations- oder Vermögensanlagemotiv 150 Spekulationskasse 152 Spieltheorie 115 Spinngewebemodell 94 Stabilitätsgesetz 15 Stabilitätspakt 188 Stackelberg-Duopol 113, 114 Stagflation 185

265

ständige Fazilitäten 192 Steady-State-Niveau 221 stocks 21 Stromgrößen 21, 23 Strukturgleichungen 13 Strukturpolitik 14 Substitutionseffekt 62, 63 Substitutionsgüter 38, 43 sunk costs 89 superiore Güter 43 supply side economics 122 Tableau Économique 9, 233 Tangentenlösung 107 Tauschwert 236 Taylor-Regel 172 technischer Fortschritt 224 Totalanalyse 14 totale Faktorvariation 67 trade off 185 Transaktionskasse 150 Transaktionsmotiv 150, 151 Transformationskurve 6, 7 Übertragungsbilanz 31, 32 Umsatz 83 unelastische Nachfrage 46 Unmöglichkeitstheorem von Arrow 53 unternehmensindividuelle Angebotskurve 86 unvollkommene Konkurrenz 106 Utility 51 variable Kosten 75 Verein für Socialpolitik 245 Verhaltensgleichungen 13 Verteilungsrechnung 29 Verwendungsrechnung 29 Volkseinkommen 30 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 21, 27 volkswirtschaftliche Ressourcen 4 vollkommen elastische Nachfrage 47 vollkommen unelastische Nachfrage 47

266 vollständige Markttransparenz 90 Vorsichtsmotiv 150 Wachstumsgleichgewicht 221 Wechselkurs 199 Wechselkurs, fester 208, 210 Wechselkurs, flexibler 205, 208 Wert-Paradoxon 236 Wettbewerbsprozesse 98 Wicksellscher Prozess 249 wirtschaftliche Güter 3 Wirtschafts- und Währungsunion 187 Wirtschaftskreislauf 21 Wirtschaftswachstum 17 wissenschaftlicher Sozialismus 241 X-Ineffizienz 106 Zahlungsbilanz 24, 30 Zinselastizität der Investitionsnachfrage 170 zunehmende Skalenerträge 73 Zwei-Säulen-Strategie 189

Sachverzeichnis