Volkshochschulen: Ihre Ziele, Organisation. Entwicklung, Propaganda [Reprint 2021 ed.] 9783112451564, 9783112451557

137 75 2MB

German Pages 32 [34] Year 1902

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Volkshochschulen: Ihre Ziele, Organisation. Entwicklung, Propaganda [Reprint 2021 ed.]
 9783112451564, 9783112451557

Citation preview

Volkshochschulen. Ihre Ziele, Organisation, Entwicklung, Propaganda.

Von

Dr. Mar Hirsch, Generalsekretär der Volkshochschule Humboldt-Akademie.

Berlin. Druck und Verlag von Georg Reimer. 1901.

Vorwort. Der Begriff und Ausdruck Volkshochschulen war vor einem Jahrzehnt in Deutschland noch so gut wie unbekannt, ob­ gleich die Sache vereinzelt schon bestand. Heute ist das Wort in weiten Kreisen verbreitet, viel weniger der klare Begriff, am wenigsten die Anwendung. In dem Volke der Denker — und wir wollen doch den Ruhm, es zu sein, zwar gern mit anderen theilen, aber nimmermehr aufgeben — in dem Reiche von 57 Milli­ onen bestehen heute kaum über 15 Volkshochschulen. Es sind fastnur sehr große oder Universitätsstädte, welche solche Lehranstalten besitzen. Und doch zeigt das Beispiel des Auslands und läßt es sich auch unschwer darthun, daß schon unter den gegenwärtigen Verhältnissen mindestens in jeder Mittelstadt eine Volkshochschule bestehen könnte und bestehen müßte, wenn das Ziel zeitgemäß er­ weiterter und vertiefter Volksbildung auch nur einigermaßen er­ reicht werden soll. Zu solchem geistigen Fortschritt mitzuwirken ist der Zweck der vorliegenden kleinen Schrift. Sie beruht im wesentlichen auf einem Referate, das von mir auf der 27. Hauptversammlung der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung zu Halle a. S. ge­ halten wurde und lebhafte Zustimmung fand. Was sich auf dem Gebiete in jüngster Zeit Wichtiges begeben, ist berücksichtigt, die neuesten statistischen Angaben sind eingesetzt worden. Durch Dar1*

legmig der hauptsächlichen Aufgaben der Volkshochschule, ihrer ver­

schiedenen nationalen Arten und sucht die Broschüre

deren thatsächlicher Entwicklung

alle Bildungsfreunde über den Gegenstand

übersichtlich zu orientieren, um dann mit Rathschlägen zur prak­

tischen Ausbreitung zu schließen. Seit dem Jahre 1861,

in dem ich in

die Lehrerschaft des

Großen Berliner Handwerkervereins ausgenommen wurde, ununter-

brochen, vielfach auch in der Provinz, praktisch und theoretisch mit der Volksbildung beschäftigt, namentlich

volle 23 Jahre die Ge­

schäfte der ersten und größten deutschen Volkshochschule führend, hoffe ich für meine der Erfahrung entnommenen Ansichten und

Vorschläge auch in recht

vielen neuen Kreisen Gehör zu finden.

Ist das der Fall, so bin ich mit Freuden zu weiterer Erteilung von Auskunft und Rat bereit, bitte aber andererseits die geehrten Gründer und Leiter von Volkshochschulen im ganzen Reich, mich

durch gefällige Zusendung

ihrer Statuten,

Programme und Be­

richte auf dem Laufenden erhalten und zur Benutzung weiterer Er­

fahrungen befähigen zu wollen! Berlin, 19. November 1901.

Dr. Mar Hirsch

W. 35, Geiithinerstr. 14.

I. Es wird gerechtfertigt erscheinen, die Erörterung des neuen Bildungsmittels, dem diese Blätter gewidmet sind, mit einem Blick auf den Bildungsgang unserer Bevölkerung im allgemeinen zu beginnen. Denn die Volkshochschulfrage kann nur richtig verstanden und gelöst werden im Zusammenhänge mit der gesamten Volksbildung, von deren altem Stamme die Volkshochschule den emporstrebenden Wipfel bildet. Viel Zweifel und Streit ist dadurch entstanden oder verschärft worden, daß man diesen inneren Zusammenhang zu wenig beachtet hat. Seit vielen Generationen ist es Brauch und Vorschrift, daß alle diejenigen, die sich gelehrten Berufen widmen wollen, drei große Unterrichtsstufen durchzumachen haben, deren Besteigung in der Regel die Zeit bis ins Mannesalter in Anspruch nimmt: die Elementar- oder Vorschule, das Gymnasium, die Universität. Ebenso selbstverständlich war es aber bis vor einigen Jahrzehnten, daß die für höhere gewerbliche Berufe Bestimmten nur zwei Stufen, die übergroße Mehrzahl der Bevölkerung aber nur eine, die Elementar­ schule, durchzumachen hatten. Für diese Mehrzahl hörte mit der Kindheit, schon im 13. oder 14. Jahre, jeder regelmäßige Unter­ richt auf. Im günstigen Falle folgten ein paar Jahre rein prak­ tischer gewerblicher Unterweisung; ja in der Regel blieben nicht einmal die wenigen und dürftigen Früchte des Elementarunterrichts für das fernere Leben wirksam erhalten. Dabei konnte es nicht bleiben. Der Entwicklungsdrang führte seit den vierziger Jahren zu dem ersten Schritte vorwärts, der Errichtung von meist kommunalen Fortbildungsschulen für das nachschulpflichtige Alter, neben welchen private Handwerker-, Arbeiter­ und sonstige Bildungsvereine in großer Zahl entstanden und blühten.

6

Die hohe Bedeutung dieser Veranstaltungen ist so vielfach erörtert und anerkannt worden, daß ich bei derselben nicht zu verweilen brauche. Für die Fortbildungsschule ist noch tüchtig zu kämpfen, um ihre allgemeine Verbreitung und Ausgestaltung zu einer wahren Volksmittelschnle zu erringen, wovon sie, zumal in dem größten deutschen Staate, noch immer weit entfernt ist. Die Bildungs­ vereine haben namentlich für die große Masse der Arbeiter an Anziehungskraft leider viel verloren, wobei allerdings in Betracht kommt, daß andere Vereinigungen, vor allem die jüngere Spezies der Arbeiterbernfsvereine (Gewerkvereine und Gewerkschaften) sich auch auf dem Bildnngsgebiete vielfach bethätigen. War somit auch für die gewerbliche Jugend teils durch die Bürger- und Realschulen, teils durch die Fortbildungs- und Fach­ schulen, und in freierer Weise unter Beteiligung der Erwachsenen durch die Bildungsvereine verschiedenster Art, eine Mittelschule geschaffen, so erfolgte nach einiger Zeit eine neue Vorwärtsbewegung, der bedeutsame Schritt zu einer Höchststufe der Volksbildung, zur Volkshochschule. Der Keim und Antrieb dazu war schon durch das Wesen der Bildung selbst gegeben. Ist einmal der Wissensdrang, das Streben nach Wahrheit erwacht, so treibt es naturgesetzlich, unwiderstehlich vorwärts, in die Weite, in die Höhe, in die Tiefe. In jedem von dem Zauberstabe moderner Bildung berührten Menschen und be­ sonders in jedem Deutschen glimmt wenigstens ein Funke der Faustischen Flamme; das Sehnen, „daß ich erkenne, was die Welt im innersten zusammenhält, schau' alle Wirkenskraft und Samen und thu' nicht mehr in Worten kramen". Solches Streben und Sehnen kann offenbar auch durch die Fortbildungsschule schon wegen der Unreife ihrer Besucher nicht befriedigt werden. Aber auch die bunt gemischten Einzelvorträge der Bildungsvereine können zwar anregen, Streiflichter auf einzelne Partien werfen, Perspektiven auf andere eröffnen, die Seele erheben und den Geist verfeinern. Aber den inneren Zusammenhang, die tieferen Gründe, die historische Entwicklung und gesetzmäßige Gestaltung der Er­ scheinungen vermögen sie am wenigsten ungeschulten Köpfen zu enthüllen. Sie geben Stückwerk, aber nichts Ganzes, sie bieten Wissen, aber keine Wissenschaft. Die Wissenschaft läßt sich nicht im Fluge durch noch so glänzende Darlegungen erhaschen,

7 Schritt vor Schritt, durch die ernste Schulung einer systematisch zusammenhängenden Reihe von Vor­

sie will langsam,

trägen, von denen einer auf dem anderen fortbaut, erarbeitet

werden.

Es genügt auch nicht eine Reihe von Vorträgen, sondern

bei der vielseitigen Fülle der Wissensgebiete erst eine Anzahl von

Vortragsreihen, die in methodischer Folge wenigstens die Haupt­ fächer umfassen und durch ihre gegenseitige Erhellung erst das Ver­

ständnis des Ganzen ermöglichen.

Eine ständige Lehranstalt zur Darbietungsystematisch zusammenhängender

Vortragsreihen

aus

den

haupt­

sächlichen Wissensgebieten für alle, die nach gründlicher Belehrung verlangen, das ist eine Volkshochschule, das ist die Krönung des Gebäudes der freien Volksbildung, welche dereinst

einen Ruhmestitel unserer Zeit bilden wird. Nur eine ebenbürtige, und zwar ältere Mitbewerberin hat die Volkshochschule; es ist die populärwissenschaftliche Litteratur. Wer wollte ihre Wichtigkeit, ihre hohen Verdienste um die Volks­

bildung verkennen? Im In- und Auslande weist sie hervorragende und mustergültige Leistungen sowohl nach Inhalt, wie nach Methode und Form auf. Allein bei aller Vorzüglichkeit fehlt diesem Bildungs­ mittel das

Frische,

Lebendige,

Eindringliche, zum Folgen und

Weitergehen gleichsam Zwingende der mündlichen Vortragsreihen.

Die letzteren besitzen auch den unersetzlichen Vorzug, sich den Fähig­ keiten,

Bedürfnissen und Neigungen des

jeweiligen Hörerkreises

anpasien zu können, einen geistigen Rapport zwischen Lehrer und Hörern herzustellen, während das Lehrbuch starr und schablonenhaft

daliegt.

Die Vorzüge der mündlichen Lehre werden durch die

mannigfachsten Veranschaulichungen, durch Beantwortung gestellter

Fragen, Besprechungen u. s. w. und vor allem, freilich nicht immer,

durch den gewinnenden und begeisternden Eindruck der lehrenden

Persönlichkeit noch außerordentlich erhöht.

Dafür besitzt das Lehr­

buch andererseits den Vorzug des Festen, Geschloffenen, Bleibenden; auch diesen braucht aber die Volkshochschule keineswegs zu ent­

behren, wenn sie — was regelmäßig geschieht und dringend zu

empfehlen ist — das gesprochene Wort durch steten Hinweis auf die Fachlitteratur und deren erleichterte Beschaffung für die Hörer vervollständigt wird. So werden die Vorzüge der beiden Lehrmittel miteinander aufs beste verschmolzen.

8 Führt schon der individuelle Wissensdrang, das Streben nach möglichster Vervollkommnung der Persönlichkeit, zu der Forderung

einer Hochschulbildung, so wird dasselbe durch wichtigste Momente

der sozialen Entwicklung noch wesentlich, gebieterisch verschärft. Auf den früheren Kulturstufen, denen bei aller ihrer Verschieden­ heit doch gemeinsam war die vorwiegende Begründung von

Lehre und Leben auf die Autorität, konnte, ja mußte die höhere Bildung der herrschenden Minderheit genügen.

Die Pflicht

und Tugend der großen Masse bestand im blinden Gehorsam, für diesen ist freie wissenschaftliche Belehrung nicht

geradezu schädlich.

nötig,

vielmehr

Erst unser Zeitalter bildet die große Epoche,

wo die Selbständigkeit des Denkens und Handelns, im Prinzip

schon früher verkündet, aber bisher thatsächlich nur auf enge Kreise beschränkt, nunmehr ernstlich

für alle Volksklassen und für

beide Geschlechter in Anspruch genommen wird.

Darin liegt

an sich keineswegs eine Verneinung des religiösen Glaubens und

der gesellschaftlichen Ordnung; aber beide sollen nicht mehr auf äußere fremde Autorität, sondern auf die eigene durch selb­

ständige Prüfung gewonnene Ueberzeugung basiert sein, und hierzu ist die Wissenschaft und ihr hehres Endziel: eine

historisch

und

logisch

fest

begründete

Lebensanschauung, erforderlich.

konsequente Welt-

und

Der tiefste Widerspruch und

die größte Gefahr unserer Zeit, nicht nur für den äußeren Bestand

der Staaten, nein für die höchsten sittlichen und geistigen Güter

besteht in dem Schwinden des Autoritätsglaubens und der kirchlich sanktionirten

Moral,

Gemeinbesitz

ohne daß als neues

Fundament der

der Wissenschaft an ihre Stelle getreten ist.

Daher die unversöhnlichen Gegensätze der Rückkehr zum strengsten

Kirchentum

und

des

extremen,

bis

zur

Anarchie

gesteigerten

Materialismus — daher all die beängstigenden Erscheinungen der

Haltlosigkeit und Zerrissenheit, die während der letzten Jahre in dem beschämenden Ausdruck Fin de Siede zusammengefaßt wurden.

Wer will voraussagen, was die wissenschaftliche Entwicklung im

Einzelnen zeitigen wird?

Aber das Allgemeine darf als sicher

angenommen werden, daß die Erforschung von Regel, Gesetz

und Zusammenhang der Erscheinungen auf die Dauer

unmöglich zu wüster Verneinung der sittlichen und staat­ lichen Gesetze führen kann!

9 Die Notwendigkeit, wahre Wissenschaft in allen Volkskreisen

zu

verbreiten,

ergiebt sich auch aus der gewaltigen Veränderung

der stetig zunehmenden Kompliziertheit der wirtschaftlich-sozialen und politischen Verhältnisse.

Aus dem langsam dahinfließenden

eng begrenzten Strom der agrarisch-handwerksmäßigen Kultur ist die

heutige Menschheit auf den sturmbewegten Ozean des kapitalistischen Großbetriebs und Weltverkehrs hinausgetrieben.

Da reichen die

altbekannten Landmarken nicht mehr aus, da bedarf es zu sicherer

Fahrt des Kompasses allverbreiteter wissenschaftlicher Erkenntnis!

In

der That weisen alle Kulturverhältnisse

Förderungs- und

Einigungsweg.

auf

denselben

Die nationalen Errungen­

schaften gaben bekanntlich den Hauptanlaß zur Begründung der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung im Jahre 1871. „Seitdem die

erste gesetzgebende Versammlung Deutschlands aus

allgemeinen und direkten Wahlen hervorgeht", so heißt es in dem

damaligen Aufruf, „ist die Freiheitsfrage zu einer Frage der Bildung

der Massen geworden." Während der inzwischen verflossenen drei Jahrzehnte aber sind einerseits die Schwierigkeiten der Lage, andererseits

die

derart gestiegen,

werkes,

eben

Ansprüche an das erforderliche Bildungsmaß daß eine wesentliche Erhöhung des Bildungs­

der Uebergang zu den wissenschaftlichen Vortrags­

reihen, in der Konsequenz jenes Satzes

liegt.

Es soll die Be­

deutung der Praxis als Lehrmeisterin des öffentlichen Lebens nicht verkannt werden.

dann

Aber die Lehren der Erfahrung werden

wahrhaft korrekt und fruchtbar,

erst

wenn ihr Rohstoff von der

Wissenschaft gesichtet und verarbeitet wird.

Gerade wenn man die

Erhaltung des gleichen und direkten Wahlrechts sowie der Selbstverwaltung als eine Notwendigkeit für Deutschland be­ tratet, ist man verpflichtet,

dasselbe zu läutern und zu stützen

durch immer allgemeinere und bessere Bildung der Wählerschaft

wie der Gewählten,

von welcher auf die Dauer die Geschicke des

Vaterlandes abhängen. Und dazu dient die Verbreitung von Volkshochschul-Bildung. Es giebt kein patriotischeres Unternehmen

als dieses. Auf dem wirtschaftlich-sozialen Gebiete, dem Schauplatze

unserer wichtigsten Interessen und erbittertsten Kämpfe, macht sich das Erfordernis wissenschaftlicher Erkenntnis womöglich noch stärker

geltend.

Häufig wird zu dieser Frage

Hirsch, Volkshochschulen.

ein Ausspruch Schmollers 2

10 angeführt:

„Der letzte Grund aller sozialen Gefahr liegt nicht in

der Dissonanz der Besitz-, sondern der Bildungsgegensätze".

Ein

glückliches Wort mit wahrem Kern, aber durch Einseitigkeit geeignet, die Dringlichkeit direkter sozial-politischer Reformen in nachteiliger Weise zurücktreten zu lassen.

Denn bei der engen Wechselwirkung

zwischen Besitz oder Einkommen und Bildung hängt die Möglich­ keit der letzteren meist von der Verbesserung der direkten Lohn- und' Arbeitsverhältnisse ab, und höhere Löhne, kürzere Arbeitszeit und gerechtere Besteuerung sind

bei

gutem Willen der

herrschenden

Kreise leichter und schneller zu erlangen, als wesentlich erhöhte Bildung von Millionen! Nicht diese, sondern jene vorwiegend materiellen Verbesserungen bilden unzweifelhaft auch die eigentlich treibende Kraft der Arbeiterbewegung.

Glücklicherweise wird damit aber zugleich

schritt gedient.

dem Bildungsfort­

Ohne eine bessere wirtschaftliche Lebensstellung ist

wissenschaftliches Streben und Arbeiten

als Regel — und nur

darauf kommt es an — undenkbar; wie können Arbeiter bei zwölf­

und mehrstündiger aufreibender Tagesarbeit sich abends ernstem Studium widmen? Also hüte man sich vor der Unterschätzung der eigentlichen Sozialreform! Aber andrerseits erkläre auch ich mit allem Nachdruck: Soziale Reform ohne Erhöhung des Bildungsniveaus

der

großen

Masse wäre nur halbes

und vergängliches Werk; ihre Weihe und Gewähr empfängt

die materielle Hebung erst durch

die geistig-sittliche

erst durch die Ueberbrückung der Bildungskluft durch

Erneuerung,

eine allge­

meine wissenschaftliche Volksbildung!

Darum ist an diese Kulturaufgabe entschlossen und thatkräftig

die Hand anzulegen, so wenig man sich der Illusion einer schnellen, vollständigen Durchführung des Riesenwerkes hingeben darf.

Aber

an der allmählichen Durchführbarkeit kann auch in materieller Be­ ziehung nicht gezweifelt werden.

Mit den ungeheuren Fortschritten

der Technik und Volkswirtschaft ist die Möglichkeit zugleich

der

besseren Lebenshaltung und Muße der Arbeiter, wie der Beschaffung der für die höhere Volksbildung erforderlichen Geldmittel gegeben.

Diese wiffenschaftliche Durchbildung des ganzen Volkes, welche das neue Zeitalter erheischt, vermag es auch zu leisten, und nirgends können die großen Ueberschüsse der heutigen Volkswirtschaften würdiger und fruchtbringender angelegt werden, als zu solchen Werken.

11

II. Nach dieser allgemeinen Skizzierung des Wesens und Bedürf­ nisses der Bolkshochschulen wenden wir uns zu der zweiten Haupt­

frage,

wie

dieselben zu

gestalten sind.

Da haben wir es

glücklicherweise nicht mit bloßen Plänen, sondern mit schon be­ stehenden und bewährten Wirklichkeiten in lebensvoller Mannig­ faltigkeit zu thun. In drei hauptsächlichen Typen haben die Volkshochschulen

sich

ausgeprägt, und da die historisch gewordenen Anschauungen,

Zustände und Institutionen bei den verschiedenen Völkern sehr ver­ schieden sind, so erscheint es naturgemäß, daß diese Typen sich vor­

zugsweise als nationale darstellen. Wir fassen zunächst die beiden ausländischen Typen, die vielfach auch in der Tagespresse dar­ gestellt und besprochen wurden, in kurzer Uebersicht zusammen. Die dänischen Volkshochschulen,

die den ersten Typus

bilden, wurden schon im Jahre 1844 durch Bischof Grundtvig be­

welchem alsbald

gründet, ändertem

sein Landsmann Kold mit etwas ver­

System zur Seite trat.

Diese Anstalten werden

fast

nur vom Landvolk und ganz überwiegend von Bauern und Land­ arbeitern besucht und sind demgemäß den Bedürfnissen der Land­ bevölkerung angepaßt. Sie sollen vor allem das Religiös-Sittliche, das Nationale und das Berufliche fördern, wozu außer Unterricht

und Vortragsreihen auch Gymnastik, Lektüre, Gesang, Unterhaltung

u. s. w. bei monatelangem Zusammenleben in der Anstalt dienen. Der Besuch

der Schüler, meist im Alter von

18—25 Jahren,

beschränkt sich in der Regel auf eine Saison: 5 Wintermonate für die Männer, 4 Sommermonate für die Frauen; die Schüler haben

in der Regel 33 Mk. monatlich für Pension und Unterricht zu zahlen. Die hauptsächlichen Vorträge behandeln die dänische Sprache,

Landeskunde,

Geschichte und Staatsverfassung (letztere

Gesetzeskunde, Nationalökonomie, umfassend) und die Religion.

Gesellschaftslehre und Statistik

Solcher Anstalten

wärtig in dem Lande mit 2‘A Millionen Seelen

giebt

es gegen­

einige achtzig,

mit rund 3500 Schülern im Winter und 2300 im Sommer.

Es

herrscht in ihnen nichts weniger als Uniformität, zumal der Staat zwar eine bedeutende Geldunterstützung gewährt, aber weder Kon­

zession, noch Reglementierung, noch auch nur Aufsicht beansprucht. Neben

den

allgemeinen

giebt es auch eine Anzahl spezieller An-

12 ftalten für Gartenbau, Molkerei, Haushaltung u. s. w. und neben den vorwiegend unterrichtenden und anregenden nach Kolds System

die mehr idealwissenschaftlichen

Grundtvigs.

An

nach

dem

ursprünglichen

Plane

der Spitze der letzteren steht die Hochschule in

Ascov (Jütland), welche für vorgeschrittene Schüler bestimmt ist einen großen Teil der Volkshochschullehrer ausbildet. Das

und

wird

zur Hälfte

in

waren

Kandidaten

der

Lehrerpersonal kleiner

Teil

Seminaren Theologie

vorbereitet,

oder

ein

Geistliche.

Ihre Gesamtzahl an den 77 vom Staate subventionierten Volks­ hoch- und Landbau-Schulen betrug im Jahre 1894 einschließlich der Vorsteher 525,

wovon

144 (einschließlich 4 Vorsteherinnen)

weibliche.

Im ganzen bilden die dänischen Volkshochschulen eine originelle Wie sehr sie auf die Eigenart von Land und Leuten zugeschnitten sind, zwar von Höhergebildeten ent­

echt volkstümliche Schöpfung.

worfen und geleitet, aber vom Landvolke als sein eigen empfangen und gehegt, das erhellt aus ihrem nun schon über fünfzigjährigen Blühen und Wachsen. erkennung,

Alle fremden Sachkenner sind voller An­

ja Bewunderung für Geist und Wirken dieser freien

Anstalten; der lebendige kraftvolle Gemeinsinn der Landbevölkerung, wodurch es ihr gelungen ist, die Krisen der Landwirtschaft und des

ländlichen Handwerks durch persönliche und genossenschaftliche Selbst­ hülfe innerlich — statt durch große und kleine äußere Mittel auf Kosten der anderen Klassen — zu überwinden,

wird insbesondere

als eine Frucht dieser Lehranstalten erklärt: die geistige Selbst­ hülfe als Urheberin der wirtschaftlichen. Streng

genommen entsprechen ja diese Anstalten, zumal die

der Koldschen Richtung angehörige Mehrzahl, obwohl sie ursprünglich und zuerst den

Ehrennamen „folkehöjskoler“ (Volkshochschulen)

angenommen haben, nicht ganz der von mir gegebenen Definition.

Es sind größtenteils höhere ländliche Fortbildungsschulen. Aber nur Doktrinäre werden

ihnen darum ihren Namen streitig

machen, ihre segensreiche nationale und soziale Bedeutung — denn auch auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeiter wirken

sie günstig ein —

verkennen.

Für die dänischen Landverhältnisse

bieten sie das Höchste, was sich an Volksbildung zur Zeit erreichen läßt,

und alle anderen Staaten,

die deutschen voran, können das

kleine Jnselland um diesen Besitz beneiden.

Bisher hat sich dieser

13 Typus nur auf die nordischen Nachbarländer, Norwegen, Schweden

und Finnland, verpflanzt und selbst hier hat er noch nicht die Ver­ breitung und den Erfolg erlangt, wie in der Heimat. —

Ein in jeder Hinsicht verschiedenes, zum Teil geradezu ent­

gegengesetztes Bild gewährt der zweite Typus, Universitäts-Ausdehnung.

die englische

Diese Institution, erheblich später

als die dänische, im Jahre 1872 auf Betreiben des Universitäts­ dozenten James Stuart errichtet, bezweckt, frei von praktischen Tendenzen, nur die Popularisierung der Wissenschaft. An sich füralle Bevölkerungskreise bestimmt, ist sie bisher fast ganz auf die

Städte, besonders die großen und mittleren, beschränkt geblieben. Und während in dem stammverwandten Dänemark die Volkshoch­ schulen ganz selbständig von einzelnen oder vereinigten Bildungs­ freunden als Privatunternehmungen begründet wurden und heute noch

begründet

werden,

beruht die Organisation in dem sonst so

decentralisierten England auf hochgradiger Centralisation.

Die

Veranstaltung von Vortragsreihen im ganzen Land ging anfangs

nur von einem Centrum, der Universität Cambridge, aus.

Später­

trat die alte Schwester-Universität Oxford mit teilweis modifizierten

Bestimmungen,

aber der gleichen Ausbreitung im ganzen Lande,

auf den Plan, während für London eine besondere Gesellschaft, die

sich aber den beiden alten Universitäten unterordnet, und endlich

vor kurzem die neue Victoria-Universität in Manchester für die nördlichen Grafschaften die Leitung übernommen haben.

stehen

So be­

gegenwärtig 4 Centren für das ganze von 32 Millionen

Menschen bewohnte Land. Sie üben die wissenschaftliche und großen­ teils

auch die geschäftliche Leitung aus, sie bestimmen die Lehr­

gegenstände und die Vortragenden.

In den zahlreichen Städten,

wo Vorträge stattfinden, bestehen für die lokalen Angelegenheiten untergeordnete Ausschüsse, die es bisher, wie aus den zuverlässigen Quellen hervorgeht, nur in wenigen Provinzialstädten zu dauerndem korporativem Bestände gebracht Wanderlehrer,

haben.

Die Vortragenden sind

die sich zum Teil ungeheure Reiselängen und An­

strengungen zumuten.

Es sind keineswegs, wie man bei uns wohl

glaubt, nur Professoren und Dozenten der Universitäten, sondern auch bloße Graduierte, die öffentlich zu sprechen verstehen. Ihre Zahl fand ich nur für Cambridge mit 64 und für Oxford mit 60 angegeben.

Die Gesamtzahl dürfte 150 nicht übersteigen.

14 Die Vertragsgegenstände sind sehr zahlreich und mannigfaltig, sie umfassen das ganze Gebiet der Wissenschaft, deren einzelne

Fächer begreiflicherweise sehr ungleich vertreten sind, während die

Verteilung

der großen Wissensgruppen auf das ganze Land ein

günstiges Verhältnis zeigt.

So wurden im Studienjahre 1890/91 Oxford und London zusammen

3 Centren Cambridge,

von den

Vortragsreihen veranstaltet: aus der Naturwissenschaft 191,

aus

Litteratur und Kunst 104, aus Geschichte und Nationalökonomie 159,

also

ein

entschiedenes Ueberwiegen der strengen über die schönen

Wissenschaften.

Einigermaßen

befremdend

in

dem

Vaterlande

Bacos, Lockes, Stuart Mills und Spencers ist die schwache Ver­ tretung der Philosophie einschließlich der Pädagogik und Religions­

Uebrigens ist die Zahl der Cyklen allein nicht maß­

philosophie.

gebend,

da die Länge derselben eine sehr verschiedene ist.

ursprünglichen

trägen sind

„langen"

Cyklen

von

10—12

durch Oxfords Anregung auch

Neben

einstündigen Vor­

„kurze" Cyklen von

6 Vorträgen sehr üblich geworden. Auffallend hinsichtlich der Cyklen ist endlich noch ihre geringe Zahl im Verhältnis zu der Zahl der Lehrstellen.

So kamen 1893/94 auf 283 Lehrstellen unter

Cambridger und Oxforder Leitung im ganzen 355 Vortragscyklen (wovon beinahe -die Hälfte „kurze"), schnittlich nur 1,2 Cyklen,

also auf 1 Lehrstelle durch­

ein überaus geringer Umfang der ört­

lichen Lehrthätigkeit! Dafür bietet die Universitäts-Ausdehnung freilich alles auf, um die belehrende Wirkung der Vorträge zu verstärken. Ein

„Syllabus", d. h. eine eingehende Inhalts- und Litteraturangabe, ist obligatorisch, eine „Klasse", d. h. eine anschließende Besprechung

Aufsätze zur Wiedergabe des Gehörten,

der Vortragsgegenstände,

endlich Prüfungen und Zeugnisse sind fakultativ besonders mit den

langen

Cyklen

verbunden.

Es

giebt ferner jährliche

zusammenkünfte an den beiden alten Universitäten selbst,

Sommer­ wo viele

Hunderte mit Zeugnissen versehene Personen aus allen Teilen des

Landes zwei oder vier Wochen lang Vorlesungen hören und Uebungen mitmachen.

Endlich hat man (namentlich in Nordamerika) auch

brieflichen Unterricht,

ausschließlich

oder

in

Verbindung mit

sowie Versendung von Büchern und ganzen kleinen Bibliotheken hinzugefügt. Der ganze Apparat will uns nach Vorträgen,

deutschen Begriffen etwas kompliziert und schwerfällig erscheinen,

15 wenn auch manche der Einrichtungen an sich als zweckmäßig anzu­ erkennen sind. Die äußeren Ergebnisse der Universitäts-Ausdehnung sind be­ deutend.

In England stieg die Gesamtzahl der Cyklen von 260

mit rund 30000 Hörern in 1887/88 auf nahezu 700 mit rund 57000 Hörern in 1893/94; die letzteren Ziffern freilich mit Ein­

schluß der von den Grafschaftsräten veranstalteten Kurse,

welche

praktischen Zwecken dienen und deren Kosten größtenteils von dem

Ertrag der Staatsbranntweinsteuer, rund 15 Millionen Mark jähr­ lich, bestritten werden. Nur zeigen sich dabei leider außerordentlich große Schwankungen; wie schon Anfangs der achtziger Jahre

ein starker Rückschlag eingetreten war,

so fiel im Cambridger und

Oxforder Bereich von 1891/92 auf 1893/94 die Zahl der Lehrstellen

von 575 auf 283, rund

der Cyklen von 575 auf 283,

der Hörer von

47000 auf rund 34000; wogegen in London eine weitere

Zunahme stattfand. Solche gewaltigen, fast das ganze Gebiet um­ fassenden Schwankungen, für welche nicht einmal zutreffende äußere

Gründe vorliegen, bekunden unbestreitbar ein innere Schwäche der englischen

Organisation.

Man hat die Konkurrenz der

erwähnten Grafschaftskurse, zu denen die Hörer gegen wenig oder­ gar keine Hörergebühr Zutritt haben, als Hauptursache des letzten

enormen Rückgangs angeführt, was aber nicht zutreffend sein kann, da auch diese Kurse gleichzeitig stark gesunken sind.

Weit näher

liegt es, die schwache Stelle der Universitäts-Ausdehnung in ihrer Organisation zu finden, welche infolge der losen und ephemeren örtlichen Verbindung einen festen und engen Anschluß der Hörer und Interessenten an die Einrichtung erschwert. Diese Annahme, deren

Wichtigkeit für die Volkshochschulbewegung aller Länder, namentlich Deutschlands, einleuchtet, stützt sich nicht nur auf die Thatsachen"),

sondern wird auch durch Aeußerungen englisch-amerikanischer Autori­

täten, die dem dortigen System im übrigen gänzlich ergeben sind, bestätigt (vgl. u. a.: Dr. I. Russells Volks-Hochschulen, bearbeitet von O. W. Beyer, S. 49, 53 f.).

*) Im Studienjahre 1899/1900 wurden in den drei Hauptbereichen Cambridge, Oxford und London zusammen 504 Cyklen abgehalten undvon nur 32 184 Hörern besucht; ausfallend schwach erscheint die Hörer­ zahl im Cambridger Bereich. Im Bereich Liverpool betrug die Zahl, der Cyklen 60, die Hörerzahl ist nicht angegeben.

16 In

nächster

Beziehung zu

der übermäßigen Centralisation

stehen auch die sehr hohen Kosten der Universitäts-Ausdehnung,

wozu schon die beitragen.

enormen Reisekosten der Vortragenden erheblich

Ein 12 stündiger Cyklus der Centren Cambridge und

Oxford kostet (nach Russell) 1200—1400 Mk. und in Nordamerika

wegen der größeren Reisespesen noch mehr (gegen nur 122 Mk. bei der Berliner Humboldt-Akademie)!

Da ist es kein Wunder,

daß

selbst bei gutem Besuche die Hörgebühren mitsamt den bedeutenden Beiträgen von Privaten

und Korporationen

Deckung nicht ausreichen.

Die Universitäten

der Lehrstellen zur müssen

ansehnliche

Summen beisteuern, wozu ihnen ja glücklicherweise die Mittel nicht

Aber schon erhebt sich die Klage, daß auch diese Zuschüsse

fehlen.

auf die Dauer nicht ausreichen, und das Verlangen nach beträcht­

licher Staatsbeihülfe. Was die inneren Ergebnisse der Universitäts-Ausdehnung betrifft, so überwiegt auch hier die Anerkennung Einheimischer und

Fremder,

wenn die Erfolge auch nicht so spezifisch und greifbar

austreten wie in Dänemark.

Abgesehen von dem geistigen Nutzen

für die Universitäten, haben Zehntausende aus all den Volkskreisen, die bis dahin der wissenschaftlichen Bildung bar und fremd waren, an den Schätzen derselben Anteil nehmen, ihre Seele erhellen und erheben, ihr Leben mit schönerem und bedeutenderem Inhalt erfüllen

können. Das ist reichlich genug, um trotz mancher Schwächen den Gründern und Förderern der Universitäts-Ausdehnung den auf­ richtigen Dank der Mit- und Nachwelt zu sichern. als solche beruht,

lands,

Die Institution

gleichwie in Dänemark, aus der Eigenart Eng­

den wenigen außerordentlich reichen und angesehenen Uni­

versitäten, der erstaunlich geringen Zahl höherer Mittelschulen und

somit intellektueller Centren,

ein wenig wohl auch auf der Wert­

schätzung von Zeugnissen und „Graden". der alles ergreifenden Demokratisierung,

England später

mächtiger.

erfaßte,

als

Sie ist ein Ausfluß

die in vielfacher Hinsicht

den Kontinent, dann

aber um so

Dem nationalen Charakter der University Extension

entspricht es auch, daß dieselbe trotz der gerechten, ja übermäßigen Anerkennung, die sie fast überall gefunden, doch nur im britischen Sprachgebiet wirklich Wurzel gefaßt hat und selbst hier erst spät und bei weitem nicht in der Stärke und Reinheit, wie im eigent­ lichen England.

Auf dem Kontinent von Europa sind erst seit

17 neun Jahren Versuche zur Uebertragung

des

englischen Systems

die Erfolge waren sehr ungleich, am günstigsten

gemacht worden;

wohl in Oesterreich"). III.

Recht unhistorisch

und zugleich wenig patriotisch hat man in

Deutschland, nachdem überhaupt erst seit Kurzem die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Volkshochschulen gelenkt worden, die aus­

ländischen Einrichtungen überschwänglich gepriesen, die heimischen dagegen entweder ignoriert,

oder als

bloße minderwertige Nach­

ahmungen des englischen Vorbildes herabgesetzt. Ja, in einfluß­ reichen Zeitungen und Zeitschriften konnte man den herben Vor­ wurf lesen,

daß

das große Deutschland in einer so hochwichtigen

Bildungsfrage selbst hinter Rußland und Südafrika zurückgeblieben sei! Der Vorwurf prallt aber ab auf die oberflächlichen Schreiber, welche sich

nicht einmal der Mühe unterzogen,

die leicht zugäng­

lichen Statuten und Programme der unter ihren Augen wirkenden und blühenden Lehranstalten kennen zu lernen,

ehe sie den Stab

über sie brachen. Nein, unser Vaterland, das trotz mancher Mängel

doch immer noch in der ersten Reihe der Wissenschaft und Volks­ bildung marschiert,

so

herrliche Blüten

in welchem zumal die freie Bildungsthätigkeit getrieben und seit Herstellung der nationalen

Einheit in der Gesellschaft für Volksbildung einen rastlos beleben­ den Mittelpunkt gefunden hat — Deutschland hat sich nicht Jahr­

zehnte hindurch

dem krönenden

Ausbau

der Volksbildung

ver­

schlossen, sondern ist nur wenige Jahre später als England, lange

vor den meisten anderen Kulturländern,

durchaus selbständig

*) Seit 1898 hat auch in Frankreich, von Paris ausgehend, eine Volkshochschulbewegung begonnen und in den letzten beiden Jahren sich lebhaft ausgebreitet. Bei der Gründung einer Gesellschaft mit weitesten Reformplänen, der „Cooperation des idees“, fing man mit einer Nachahmung der University Extension an, und es sollen jetzt schon einige zwanzig „Volksuniversitäten" im Lande bestehen. Aus der Darlegung des Gründers und Leiters der ersten Pariser Gesellschaft, G. Deherme, und anderen Berichten lätzt sich aber eine deutliche Vor­ stellung über diese Lehranstalten nicht gewinnen, auch nicht erkennen, in welchem Maße das englische Vorbild in denselben modifiziert ist. Von einem vierten, französischen, Typus der Volkshochschulen kann bei der Neuheit und Unklarheit der dortigen Einrichtung, welcher auch direkt parteipolitische Lehranstalten zur Seite getreten sind, noch nicht gesprochen werden.

17 neun Jahren Versuche zur Uebertragung

des

englischen Systems

die Erfolge waren sehr ungleich, am günstigsten

gemacht worden;

wohl in Oesterreich"). III.

Recht unhistorisch

und zugleich wenig patriotisch hat man in

Deutschland, nachdem überhaupt erst seit Kurzem die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Volkshochschulen gelenkt worden, die aus­

ländischen Einrichtungen überschwänglich gepriesen, die heimischen dagegen entweder ignoriert,

oder als

bloße minderwertige Nach­

ahmungen des englischen Vorbildes herabgesetzt. Ja, in einfluß­ reichen Zeitungen und Zeitschriften konnte man den herben Vor­ wurf lesen,

daß

das große Deutschland in einer so hochwichtigen

Bildungsfrage selbst hinter Rußland und Südafrika zurückgeblieben sei! Der Vorwurf prallt aber ab auf die oberflächlichen Schreiber, welche sich

nicht einmal der Mühe unterzogen,

die leicht zugäng­

lichen Statuten und Programme der unter ihren Augen wirkenden und blühenden Lehranstalten kennen zu lernen,

ehe sie den Stab

über sie brachen. Nein, unser Vaterland, das trotz mancher Mängel

doch immer noch in der ersten Reihe der Wissenschaft und Volks­ bildung marschiert,

so

herrliche Blüten

in welchem zumal die freie Bildungsthätigkeit getrieben und seit Herstellung der nationalen

Einheit in der Gesellschaft für Volksbildung einen rastlos beleben­ den Mittelpunkt gefunden hat — Deutschland hat sich nicht Jahr­

zehnte hindurch

dem krönenden

Ausbau

der Volksbildung

ver­

schlossen, sondern ist nur wenige Jahre später als England, lange

vor den meisten anderen Kulturländern,

durchaus selbständig

*) Seit 1898 hat auch in Frankreich, von Paris ausgehend, eine Volkshochschulbewegung begonnen und in den letzten beiden Jahren sich lebhaft ausgebreitet. Bei der Gründung einer Gesellschaft mit weitesten Reformplänen, der „Cooperation des idees“, fing man mit einer Nachahmung der University Extension an, und es sollen jetzt schon einige zwanzig „Volksuniversitäten" im Lande bestehen. Aus der Darlegung des Gründers und Leiters der ersten Pariser Gesellschaft, G. Deherme, und anderen Berichten lätzt sich aber eine deutliche Vor­ stellung über diese Lehranstalten nicht gewinnen, auch nicht erkennen, in welchem Maße das englische Vorbild in denselben modifiziert ist. Von einem vierten, französischen, Typus der Volkshochschulen kann bei der Neuheit und Unklarheit der dortigen Einrichtung, welcher auch direkt parteipolitische Lehranstalten zur Seite getreten sind, noch nicht gesprochen werden.

18 und erfolgreich in die Volkshochschul-Bewegung eingetreten.

Ent­

gegen der fable convenue — die selbst von wohlmeinenden Autoren

irrtümlich weitergetragen wird —daß die erste deutsche Volkshochschule, die im Jahre 1878 vom Wissenschaftlichen Centralverein nach dem Plane des Verfassers und unter dem Präsidium Heinrich Rickert's begründete Humboldt-Akademie, durch die University Extension

angeregt und beeinflußt worden sei, habe ich in der für die Berliner Gewerbeausstellung 1896 verfaßten „Skizze" ") die vollständige äußere und innere Selbständigkeit unseres Werkes eingehend nachgewiesen. Auf diese Broschüre erlaube ich mir wegen der näheren Darlegung des Wesens,

der Aufgaben,

der Organisation und der Leistungen

dieser und verwandter deutscher Volkshochschulen zu verweisen; im Rahmen dieses Schriftchens

sammenfassung,

wie für

muß

ich

mich

die dänische und

auf eine kurze Zu­

englische Institution,

beschränken.

Der dritte Typus

der Volkshochschulen ist der deutsche,

zuerst und am schärfsten in der Humboldt-Akademie zu Berlin aus­ geprägt;

an diese halte ich mich daher der Kürze halber vorzugs­

weise, ohne die anderen deutschen Lehranstalten, die ebenfalls schöne

Erfolge aufweisen,

irgend zurücksetzen zu wollen.

Sehr natürlich

bei der wesentlichen Gleichartigkeit der west- und mitteleuropäischen Kultur, namentlich

der wirtschaftlich-industriellen Verhältnisse Eng­

lands und Deutschlands,

ergiebt sich

manches Gemeinsame

oder

wenigstens Aehnliche auch in den Volkslehranstalten beider Länder,

namentlich im Ziel und in der Methode. hochschule

Auch die deutsche Volks­

ist zunächst für die städtische Bevölkerung bestimmt —

da die ländlichen Zustände auch bei uns für eine solche Bildungs­ stufe leider noch nicht geeignet sind — und sie hält sich fern von irgend

welcher Parteitendenz.

Gewiß waren die Begründer von

ethischen, nationalen und gesellschaftlichen Idealen erfüllt,

aber sie

daß man die Wissenschaft nicht in den Dienst einer be­ stimmten, wenn auch noch so hoch gehaltenen Richtung stellen dürfe, glaubten,

daß vielmehr gerade die sich selbst überlassene, objektive Wissenschaft

*) Wissenschaftlicher Centralverein und HumboldtAkademie. Skizze ihrer Thätigkeit und Entwicklung 1878—1896. Ein Beitrag zur Volkshochschulfrage. Im Auftrage des Vorstandes von Dr. Max Hirsch. Berlin 1896. Hugo Steinitz Verlag SW. Charlottenstr. 2. (48 S. gr. 8° mit Tabellen. Preis 50 Pf.).

19 am sichersten auch dem Vaterlande und dem Gemeinwohl diene. In dem Lehrplan unserer Akademie tritt, dem deutschen Geiste entsprechend, der Idealismus und die planmäßige Universalität noch stärker hervor,

als in England, was sich u. a. in dem Ueberwiegen der langen Cyklen

in der hervorragenden Pflege der philosophischen Fächer dar­

und

stellt.

Kein ausländisches

Reichhaltigkeit und

Programm kommt

an

Zahl,

systematischer Vollständigkeit dem

der Humboldt-Akademie gleich. Während in der Viermillionen­

stadt London 1899/1900 162 Cyklen abgehalten wurden, in Wien 57, fanden in Berlin in 6 Lehrstätten 218 fast ausschließlich lange Cyklen

statt.

Und

nach

dem Urteil von Sachverständigen,

welche

die

englischen und deutschen Cyklen genau kennen, nehmen die letzteren

im Durchschnitt ein wissenschaftlich höheres Niveau ein. Dagegen ist bereitwillig zuzugeben, daß die methodischen Bei­

hülfen bei uns lange nicht so entwickelt sind, wie in England, wo ja

bekanntlich auch das Studium

an der eigentlichen Universität

mehr schulmäßig betrieben wird, gegenüber der deutschen akademischen

Freiheit. Der „Syllabus" (gedruckte Inhaltsangabe) ist bei uns meist kürzer, die Aufsätze und Repetitorien sind auf die eigentlichen

Unterrichtskurse beschränkt,

Prüfungen und Zeugnisse endlich ge­

hörten bis jetzt zu den seltenen Ausnahmen.

Mit dem sachkundigen

Verfasser des Volkshochschul-Artikels in der „Nation"

bin ich der

Ansicht, daß Diskussionsstunden und Repetitorien (wie solche auch bei der Humboldt-Akademie ursprünglich vorgesehen waren) für das

Verständnis und Gedächtnis der Lernenden sehr wertvoll sind; bei der vollständigen Freiheit der deutschen Volkshochschule dürfte die

Wiedereinführung dieser methodischen Reformen nicht schwer halten. Besonderen Wert legt man bei uns auf die entwickelnd-kritische Methode, welche erwiesenermaßen auch für volkstümliche Belehrung

die beste ist.

Bezüglich des Strebens nach Anschaulichkeit stehen

unsere Anstalten hinter den englischen durchaus nicht zurück,

viel­

mehr scheinen nach den jenseitigen Quellen die Experimente, Demon­

strationen und Exkursionen in England weniger gewürdigt zu werden,

als die Handbibliotheken. Ist die Humboldt-Akademie auch noch nicht reichlich mit Anschauungsmaterial ausgestattet, so geht es doch, dank

größeren Beiträgen begüterter Freunde, auch hierin sichtlich vorwärts.

An zwei Maßstäben vornehmlich kann der Erfolg einer Lehr­ anstalt gemessen werden:

einmal an der Zahl und dann an dem

20 Eifer und der freudigen Hingebung der Hörer. Daß letztere an der Humboldt-Akademie in hohem Grade herrschen, ist allseitig an­ erkannt. In ersterer Hinsicht, wo eine genaue Feststellung möglich ist und seit 20 Jahren eine sorgfältige Statistik vorliegt, zeigt die Berliner Volkshochschule eine überraschende Stetigkeit des Fort­ schritts. In ununterbrochener Zunahme ist die Hörerzahl 1881/82 bis 1900/01 von 536 auf 9594 eingeschriebene Cyklus-Hörer ge­ stiegen. Und wenn für eine Volkshochschule die dauernde Betei­ ligung beider Geschlechter und aller hauptsächlichen Klassen das Ziel bildet, so kann die Humboldt-Akademie nachweisen, daß sie dieses Ziel zunehmend erstrebt und erreicht hat. Handel und Gewerbe, ver­ treten durch Prinzipale, Angestellte und Arbeiter, die Beamtenund Lehrerschaft, ebenfalls in allen ihren Hauptbestandteilen nebst den übrigen liberalen Berufen, endlich die ohne Erwerbsberus Lebenden, alle diese Kategorien, soweit Frauen darin vorhanden, durch beide Geschlechter repräsentiert, waren bei der Hörerschaft be­ teiligt. Freilich in sehr ungleichem Maße, und verhältnismäßig am wenigsten bis 1897 die Arbeiter im engeren Sinne. Letzteres hat den hauptsächlichen, immer wiederholten Angriffs­ punkt gegen die Berliner Anstalt und das ganze durch sie einge­ führte System geliefert. Sie sei nur für die Mittelklassen ge­ schaffen, das zahlreichste und wichtigste Element des Volkes sei ausgeschlossen, daher könne eine solche Lehranstalt, wenn auch an sich noch so vortrefflich, als Volkshochschule nicht anerkannt werden. Sieht man aber näher zu, so beruht diese Behauptung auf Irrtum und Mißverständnis. Ausgeschlossen von der Hum­ boldt-Akademie waren die Arbeiter und andere weniger Bemittelte niemals, weder formell noch materiell. Vielmehr bestimmten die Satzungen von jeher, daß durch Ermäßigung, Stundung oder­ gänzlichen Erlaß der ohnehin schon mäßigen Hörgebühren (5 Mk. für den Vierteljahrescyklus) auch dem weniger und wenigst Be­ mittelten der Besuch zu ermöglichen sei, was auch im vollsten Maße durchgeführt ist; fast drei Viertel der Hörer zahlen nur 3 Mk. und darunter, oder sind ganz frei, wogegen die als Volkshoch­ schule verherrlichte University Extension die Hörgebühren doppelt und viermal so hoch berechnet. Demgemäß weisen auch bei uns die Kategorien, die ganz oder hauptsächlich von ihrer Arbeit leben, ungefähr die Hälfte der Hörer auf: Volksschullehrer und

21 -Lehrerinnen,

Subalternbeamte,

Bureau- und Handelsangestellte,

Alle diese Kategorien wird man doch,

Handwerker und Arbeiter.

wenn man nicht auf einem ganz einseitigen Standpunkte steht, zum

und so geschieht es auch in

Volke rechnen müssen —

allen Büchern und Artikeln über die University Extension; nur der Humboldt-Akademie gegenüber soll das Volk erst beim Handarbeiter­

anfangen ! Wenn die Arbeiter im engeren Sinne sich bisher (wie übrigens auch in der großen Mehrzahl der englischen, amerikanischen u. s. w.

Lehrstellen) zurückgehalten haben, so liegt das an einer Reihe äußerer und innerer Ursachen, die die Volkshochschule jedenfalls nicht schnell und nicht allein zu beseitigen vermag.

Die schwersten

Hindernisse scheinen mir einesteils die lange Arbeitszeit, andernteils die mangelhafte Vorbereitung in den Volks- und Fortbildungsschulen zu sein, wodurch nicht nur die Fähigkeit, sondern auch der Antrieb zur Erweiterung und Vertiefung des Wissens beeinträchtigt wird.

Gewiß giebt es nicht wenige Arbeiter, die trotz sehr geringer Vor­ bildung durch Anlage und günstige Einflüsse, insbesondere im Ver­

eins- und Genossenschaftsleben, sowohl Fähigkeit als Antrieb besitzen, und diese sind es, die bisher schon die Vortragscyklen im Ausland

wie bei uns mit Eifer und Nutzen besuchten und die es in immer­ größerer Zahl auf alle Weise zu den Volkshochschulen heranzuziehen gilt.

An

gutem Willen dazu hat es den Gründern und Leitern

der Humboldt-Akademie wahrlich nicht gefehlt; das dürfte schon die

Thatsache erhärten,

daß

von derselben Seite gleichsam als Vor­

stadium anfangs 1878 populärwissenschaftliche Vortragsreihen zu­ nächst über Nationalökonomie und Rethorik für die den Deutschen Gewerkvereinen angehörigen

Arbeiter

veranstaltet wurden.

Und

wiederum in jüngster Zeit (1897), als das regere Interesse Erfolg zu versprechen schien, errichtete der Vorstand des Wissenschaftlichen Centralvereins eine vierte Lehrstätte in der vorwiegend von Arbeitern bewohnten Berliner „Königstadt", um dort durch kürzere Vortrags­

reihen in später Abendstunde und

gegen sehr mäßiges Entgelt

(50 Pf. für die 6 stündige Vortragsreihe) eine möglichst zahlreiche

Beteiligung der arbeitenden Klassen zu erzielen.

günstiger Verhältnisse ist der Versuch

gelungen;

Trotz zeitlich un­ der Besuch

der

Arbeitnehmer hob sich in der neuen Lehrstätte bedeutend, 20 Prozent stellten

allein

die gewerblichen Lohnarbeiter.

Damit ist denn

22 erwiesen, daß weder die Tendenz noch die Organisation der Hum­

boldt-Akademie der Arbeiterbeteiligung entgegensteht.") Dies führt uns zu dem letzten Hauptteile des Planes nach

deutschem Typus, der Organisation, und dem,

was damit zu­

sammenhängt. In der Organisation liegt der wesentliche Unter­ schied der deutschen von der englischen Einrichtung. Die deutschen Volkshochschulen sind kein bloßer Appendix der Universitäten, son­

dern sie bilden einen selbständigen, auf freier Vereinigung

von Freunden der Wissenschaft beruhenden Organismus.

Diese Vereinigung, zu welcher Männer und Frauen aller Klassen

und Richtungen persönlich, sowie auch Gesellschaften und Vereine gegen mäßige Beiträge Zutritt haben, stellt die genossenschaft­ liche Grundlage, den organisatorischen und finanziellen Träger

der Lehranstalt dar.

Und da der Betrieb der letzteren in der Regel

den hauptsächlichen, wo nicht einzigen Zweck der Vereinigung aus­

macht, und diese, großenteils aus Hörern und Docenten bestehend,

der organisierten Lehrerschaft einen bedeutenden Einfluß

auf die

Leitung der Anstalt gewährt, so sind Vereinigung und Lehranstalt gleichsam nur zwei Seiten oder Organe desselben Organismus. Damit ist neben der Autonomie und Selbstverwaltung zu­

gleich der feste und enge Zusammenhang mit der Bevölkerung

der betreffenden Stadt oder Gegend gegeben, worauf vornehmlich das sichere Gedeihen auch der dänischen Anstalten begründet ist. Und endlich schützt diese naturgemäße, echt volkstümliche Organi­

sation soviel nur möglich schaftlicher, als

vor der Exklusivität sowohl in wissen­

wie in politischer, religiöser, sozialer Hinsicht,

welche

eine der schwersten Gefahren für die gesunde und heilsame

Entwickelung gerade einer Volkshochschule und als ein besonderes *) In Berlin und dessen Vororten müssen lokale Verhältnisse seit Jähren besonders ungünstig auf die Beteiligung der Arbeiter an den spezifischen Bildungsaustalten einwirken. Wenn vielfach angenommen wird, daß die Zugehörigkeit zur Sozialdemokratie die große Mehrzahl der Berliner Arbeiter von der Humboldt-Akademie u. a. Veranstaltungen fern halte, so wolle man in Betracht ziehen, daß die „Arbeiter-Bildungs­ schule Berlin", 1891 von sozialdemokratischer Seite unter Wilhelm Liebknechts Führung gegründet, 1897/98 in 2 Quartalen 6 Kurse mit 526 Hörern, 1900/01 in 3 Quartalen 11 Kurse mit 989 Hörern zählte (durchschnittlicher, wirklicher Besuch 361 bezw. 647 Hörer), eine ver­ schwindend kleine Zahl gegenüber der Gesamtzahl der sozialdemokra­ tisch gesinnten Arbeiter.

23 Hindernis für die Gewinnung

der arbeitenden Klassen betrachtet

werden muß. An der bezeichneten Weise hat die Organisation

bei

der

Humboldt-Akademie und den ihr nahe stehenden Lehranstalten sich

dauernd bewährt.

Da die Mitgliedschaft der Vereinigung und zu­

mal des Vorstands pekuniäre und persönliche Opfer kostet, ohne solche Vorteile zu bringen, so ist schon dafür gesorgt, daß in der großen Regel nur wirkliches Interesse

ihrer

Verbreitung

die

Beschlüsse

an

und

der Wissenschaft und beseelt.

Veranstaltungen

Thatsächlich waren und sind es überwiegend Männer der Wissen­ schaft in höchst zweckmäßiger Verbindung mit Männern der Praxis

aus den verschiedenen Lebenskreisen, namentlich den großen beruf­

lichen, nachbarlichen und anderen Vereinen und Korporationen an­ gehörig, welche mit Eifer und Verständnis das Steuer führen.

Durch solche vielseitige und unabhängige Gestaltung des Vor­ standes dürfte, was von entscheidender Bedeutung ist, auch die

möglichst passende Auswahl der Vortragenden gesichert sein. Nach den Satzungen der Humboldt-Akademie wird

von

den Be­

werbern der Nachweis wissenschaftlicher und rednerischer Befähigung

gefordert, und schon die nicht seltene Ablehnung

akademisch ge­

daß kein niedriger Maß­

bildeter und geprüfter Personen bezeugt,

stab der Beurteilung angelegt wird. Der Lehrkörper, gegenwärtig 61 Namen zählend, besteht fast ausschließlich aus akademisch Gra­

duierten, darunterhauptsächlich Professoren, Docenten und Assistenten staatlicher Hochschulen und Institute (zu den Begründern und ersten

Docenten gehörten die Universitäts-Professoren H. Steinthal und H. v. Scheel,

der jüngst

verstorbene

Direktor

des Kaiserlichen

Statistischen Amtes, bis zu ihrem Tode im Vorstande thätig), aus Professoren und Oberlehrern an Gymnasien und anderen höheren Schulen,

aus Reichs-, Staats- und Kommunalbeamten,

und Rechtsanwälten,

Aerzten,

Richtern

Privatgelehrten und Schriftstellern.

Daß die Auswahl keine ungeeignete ist,

beweist vor allem die

stetige beträchtliche Zunahme der Hörer, welche ja nur aus freiem

Antrieb und

aus Befriedigung über das von den Docenten Ge­

botene kommen und bleiben, beweist ferner die Thatsache, daß die

Bezeichnung „Docent der Humboldt-Akademie" einen guten Klang

in ganz Deutschland hat,

und daß schon eine größere Zahl dieser

Docenten durch ehrenvolle Berufung an staatliche Hochschulen der

24 Akademie entführt wurden.

staalicher Hochschulen

Was die Professoren und Docenten

betrifft, so legt der Vorstand selbstverständ­

lich den größten Wert auf ihre Gewinnung und würde alle solche

Kräfte,

die sich an der Vortragstätigkeit zu beteiligen wünschen,

Allein die Erfahrung

willkommen heißen.

von dreiundzwanzig

Jahren hat gelehrt, daß auch aus den anderen Kategorien Docenten von anerkannt hervorragender Tüchtigkeit und

großer dauernder

Beliebtheit hervorgegangen sind. Mit dem deutschen Organisationsprinzip alssolchem hat übrigens

die Frage, ob staatliche Hochschullehrer vorwiegend oder ausschließ­ lich an den Volkshochschulen lehren sollen, direkt nichts zu schaffen. Gerade die freie

Selbstbestimmung

ermöglicht

eine

verschiedene

Lösung je nach den örtlichen und zeitlichen Verhältnissen. in Universitätsstädten,

Zumal

wo die Professoren und Docenten sich für

die volkstümlichen Vortragsreihen bereitstellen oder gar selbst die Sache in die Hand nehmen, bestehen die Lehrkörper auch der freien Veranstaltungen größtenteils oder ganz aus ihnen.

So ist es in

Königsberg, Breslau, Leipzig, Jena, München u. a. O.

Der Erfolg hat sich in diesen Städten überwiegend günstig, ja in der Mehrzahl glänzend gestaltet, was jedoch bei der Neuheit der meisten dieser Volkshochschulen noch nicht entscheidend ist.

Nach

den mir zugegangenen Berichten zählten im Winter 1899/1900 u. a.

Königsberg 6 Cyklen mit 485 Hörern, 1897

von

dem alt bestehenden

bildung" errichtet)

Breslau (im Januar

„Humboldt-Verein

für Volks­

25 Cyklen mit 2368 Hörern; in München,

dessen Vortragscyklen

ebenfalls im Januar 1897 von dem neuen

Volkshochschul-Verein

begründet

semester (Studienjahr)

1900/1901

wurden,

waren

13 Cyklen

von

im

Winter­

1984 Hörern

besucht, in Jena 6 Cyklen von 917 Hörern. Jedenfalls

gehören alle diese Unternehmungen organisatorisch

dem deutschen Typus,

nicht dem englischen an, da sie nicht von

der Universität als solcher begründet noch geleitet werden,

sondern

Der bisher einzige Versuch einer wirk­ lichen Universitäts-Ausdehnung innerhalb des Deutschen Reiches ist von freien Vereinigungen.

1896 in Berlin gemacht, aber durch den ablehnenden Beschluß des Senats vereitelt worden; die seit 1898 stattfindenden „Volkstüm­ lichen Kurse von Berliner Hochschullehrern", welche zahlreich besucht sind, werden von einem privaten Vereine veranstaltet.

Dagegen ist

25 man in Oesterreich seit dem Herbst 1895 nach englischem Typus vorgegangen (nachdem der Wiener Volksbildungsverein die sehr

seiner Vortragsreihen wegen Geldmangels

bedeutenden Anfänge

hatte aufgeben müssen),

bisher

mit

vorzüglichem Erfolge;

im

1900/1901 waren in Wien 86 Kurse (Cyklen) von

Studienjahre

10131 Hörern besucht.

IV. Wenn aus meinen Darlegungen einerseits die Nützlichkeit, ja

Notwendigkeit der Volkshochschulen insbesondere auch für Deutsch­ land hervorgeht, und andrerseits der überwiegende Erfolg der bis­

her nach deutscher Art errichteten Lehranstalten, so folgt daraus, daß die Aufgabe nunmehr ist, thatkräftig in die Propaganda für diese gemeinnützige und bewährte Sache einzutreten.

Denn

noch befinden wir uns — wie übrigens fast alle anderen Länder —

in den Anfängen dieser großen geistigen Bewegung, über deren möglichst wirksame Ausbreituug mir nur noch wenige Schlußworte

gestattet seien. Das Verbreitungsgebiet für die Volkshochschulen ist — auch

abgesehen von dem zunächst noch aussichtslosen platten Lande — in unserem Vaterlande noch ein gewaltiges. Wenn bisher im ganzen

in etwa

15 Städten solche Veranstaltungen bestehen, so

ist im

dem Organ der Gesellschaft für Verbreitung

„Bildungs-Verein",

von Volksbildung, mit Recht darauf hingewiesen, daß Deutschland nicht weniger als 934 Städte und Orte zählt, die eine

oder

mehrere höhere Lehranstalten besitzen und damit die Möglichkeit der Veranstaltung von Vortragsreihen durch inheimische Lehrkräfte

bieten,

selbst abgesehen von den übrigen akademisch

gebildeten

Kategorien der Juristen, Mediziner, Theologen, Schriftsteller u.s.w.,

von denen ein nicht geringer Teil sicherlich für volkstümliche Cyklen geeignet sein würde.

Wohl nirgends in der Welt sind tüchtige,

ja hervorragende intellektuelle Kräfte derart über das ganze Land verbreitet, wie bei uns; es gilt nur, sie mobil zu machen und

zu organisieren.

Und auch in dieser Hinsicht ist doch schon be­

deutend vorgearbeitet durch die tausende von Genoffenschaften, von

gewerblichen und

wissenschaftlichen Berufs- und Fachvereinen, in

erster Reihe aber von Bildungsvereinen der verschiedensten Namen und Arten.

Hier

sind nicht nur die Leitenden und Lehrenden,

25 man in Oesterreich seit dem Herbst 1895 nach englischem Typus vorgegangen (nachdem der Wiener Volksbildungsverein die sehr

seiner Vortragsreihen wegen Geldmangels

bedeutenden Anfänge

hatte aufgeben müssen),

bisher

mit

vorzüglichem Erfolge;

im

1900/1901 waren in Wien 86 Kurse (Cyklen) von

Studienjahre

10131 Hörern besucht.

IV. Wenn aus meinen Darlegungen einerseits die Nützlichkeit, ja

Notwendigkeit der Volkshochschulen insbesondere auch für Deutsch­ land hervorgeht, und andrerseits der überwiegende Erfolg der bis­

her nach deutscher Art errichteten Lehranstalten, so folgt daraus, daß die Aufgabe nunmehr ist, thatkräftig in die Propaganda für diese gemeinnützige und bewährte Sache einzutreten.

Denn

noch befinden wir uns — wie übrigens fast alle anderen Länder —

in den Anfängen dieser großen geistigen Bewegung, über deren möglichst wirksame Ausbreituug mir nur noch wenige Schlußworte

gestattet seien. Das Verbreitungsgebiet für die Volkshochschulen ist — auch

abgesehen von dem zunächst noch aussichtslosen platten Lande — in unserem Vaterlande noch ein gewaltiges. Wenn bisher im ganzen

in etwa

15 Städten solche Veranstaltungen bestehen, so

ist im

dem Organ der Gesellschaft für Verbreitung

„Bildungs-Verein",

von Volksbildung, mit Recht darauf hingewiesen, daß Deutschland nicht weniger als 934 Städte und Orte zählt, die eine

oder

mehrere höhere Lehranstalten besitzen und damit die Möglichkeit der Veranstaltung von Vortragsreihen durch inheimische Lehrkräfte

bieten,

selbst abgesehen von den übrigen akademisch

gebildeten

Kategorien der Juristen, Mediziner, Theologen, Schriftsteller u.s.w.,

von denen ein nicht geringer Teil sicherlich für volkstümliche Cyklen geeignet sein würde.

Wohl nirgends in der Welt sind tüchtige,

ja hervorragende intellektuelle Kräfte derart über das ganze Land verbreitet, wie bei uns; es gilt nur, sie mobil zu machen und

zu organisieren.

Und auch in dieser Hinsicht ist doch schon be­

deutend vorgearbeitet durch die tausende von Genoffenschaften, von

gewerblichen und

wissenschaftlichen Berufs- und Fachvereinen, in

erster Reihe aber von Bildungsvereinen der verschiedensten Namen und Arten.

Hier

sind nicht nur die Leitenden und Lehrenden,

26 sondern auch die Lernenden für die Volksbildungssache gewonnen

und vielfach geschult — hier ist, sollte nicht

alles trügen, der

naturgemäße Fruchtboden für die gedeihliche Entwicklung auch der Volkshochschulen, von unten herauf!

Die Sache ist praktisch gar nicht so schwer, wie man es sich wohl meistens noch vorstellt; man muß nur nicht gleich das Höchste und Vollkommenste schaffen wollen, sondern — wo nicht besonders günstige Umstände eine Ausnahme gestatten — klein und be­

Der Nebergang von den Einzelvorträgen, die in all den genannten Vereinen gang und gäbe sind, zu vor­ scheiden anfangen.

läufig einigen Vortragsreihen kann doch nicht übermäßig schwer

fallen, es ist doch kein Riesensprung, sondern ein natürlicher Fort­

schritt, der zumal an der Hand der vorhandenen Vorbilder und

Anweisungen für die verfügbaren Lehrkräfte leicht gangbar ist und ihnen wie den Hörern aus allen Volksklassen Befriedigung und Freude

schaffen wird.

Die äußere Veranstaltung (wozu unsere

Ratschläge jederzeit zu Gebote stehen) übernimmt der Verein selbst,

beziehungsweise in großen und mittleren Städten mehrere, womög­ lich alle, den Bildungszwecken gewidmeten Vereine und Gesell­ schaften durch einen gemeinsamen

Ausschuß oder Gesamtverein.

Damit dienen die bestehenden Bildungsvereine nicht nur der Sache, sondern zugleich auch sich selbst; so mancher Bildungsverein, mit dem es

auf die alte Art nicht mehr recht vorwärts will,

durch die neue Veranstaltung

wird

auch neues Leben und Gedeihen

empfangen. Wo aber die Schläuche zu alt sein sollten, um den neuen

Wein zu fassen, da muß es freilich ohne langes Zögern heißen: Freiwillige vor!

da möge eine überzeugte und begeisterte Person

oder mehrere in der Preffe und in den Versammlungen den Boden lockern, Anhänger sammeln, ein Komitee und schließlich einen

Volkshochschulverein Vortragsreihen,

gründen,

der die

Veranstaltung

von

so bald als möglich einer dauernden Lehranstalt

für solche regelrecht in die Hand nimmt.

Auf die eine oder die

andere Art ist das Unternehmen in den Städten, die jetzt bereits solche Lehranstalten besitzen (als Nicht-Universitätsstadt möchte ich

Potsdam hervorheben) begonnen und durchgeführt worden. Eine wesentliche Erleichterung des Vorgehens wird, wie schon

angedeutet, besonders durch die Versendung von Material und Aus-

27 kunft seitens bestehender Vereinigungen geboten. Namentlich hat der „Wissenschaftliche Centralverein" in Berlin, von dem die Humboldt-Akademie errichtet worden ist und verwaltet wird, schon bei seiner Gründung im Herbst 1878 die Propaganda für das ganze Reich ins Auge gefaßt und nach der Festigung der Berliner Lehranstalt auch nach besten Kräften ausgeführt. Statuten, Pro­ gramme und Broschüren werden unentgeltlich verschickt, briefliche Auskunft bereitwillig gewährt, womöglich auch sachkundige Redner zur Klarlegung und Anfeuerung entsendet; die Herausgabe einer praktischen Anweisung zur Veranstaltung von Vortragsreihen und Errichtung von Volkshochschulen steht in naher Aussicht. Auch der Vorstand der großen „Gesellschaft für Ver­ breitung von Volksbildung", die sich schon zweimal auf ihren Hauptversammlungen eingehend und sympathisch mit dem Thema beschäftigt hat, ist bereit, auch diesen hochwichtigen Zweig der Volks­ bildung auf das beste zu fördern. Da die Gesellschaft laut freund­ licher Mitteilung des Generalsekretärs I. Tews (zugleich Dozent an der Humboldt-Akademie) zur Zeit nicht weniger als 2550 körper­ schaftliche Mitglieder, größtenteils Bildungsvereine, in allen Gauen des Reiches zählt, so ist ihre Mithilfe unzweifelhaft von größtem Werte, besonders in Verbindung mit der beschlossenen Anschaffung von Skioptiken und Skioptikonbildern, wodurch die Einrichtung der besonders zugkräftigen Vortragscyklen mit Demonstrationen unge­ mein erleichtert werden würde. Solche Vortragscyklen allein würden auf die Dauer für eine Volkshochschule nicht ausreichen, aber als Anfang zu cyklischer Belehrung durchaus empfehlenswert sein. So fehlt es nicht an Anregung, Anleitung und Unter­ stützung dieses gemeinnützigen, ja für die volle Kulturentfaltung notwendigen Strebens. Möge denn die ideale, genossenschaftliche Thatkraft, die in unserem Vaterlande so Großes geschaffen, auch auf diesem Gebiete in großen, mittleren und selbst kleinen Städten ihre Schwingen regen! Ein reicher geistiger Erfolg für alle Klaffen der Bevölkerung, für Ort und Land, wird Arbeit und Ausdauer lohnen.

Den wesentlichen Gedankengang und die praktischen Schluß­ folgerungen meiner Darlegung habe ich in folgende Leitsätze zusammenzufaffen versucht:

28 I. Die Volkshochschule hat die Aufgabe, durch zusammenhängende Vortragsreihen aus den hauptsächlichen Wissens­ gebieten der Erwachsenen die wissenschaftliche Erkenntnis der phy­ sischen und geistigen Welt zugänglich zu machen. Die hierdurch erfolgende Erhöhung und Ausgleichung des Bildungs­ niveaus des ganzen Volkes wird in hohem Grade fördernd und versöhnend auch auf die sittliche, wirtschaftlich-soziale und politische Entwicklung unseres Vaterlandes einwirken. II. Im Unterschiede von der Elementar- und Fortbildungsschule ist die Volkshochschule ihrem Wesen nach eine freie, aus dem Volksleben selbst erwachsende Institution. Sie hat sich demnach von jeder Schablonisierung fernzuhalten, vielmehr der nationalen und örtlichen Eigenart entsprechend zu gestalten. III. Als leitende Grundsätze insbesondere für eine deutsche Volkshochschule dürften, aus dem Grundprinzip der Freiheit und Allgemeinheit hervorgehend, hauptsächlich folgende zu bezeichnen sein:

1. Möglichste Universalität der Wissensgebiete, ohne Ausschluß der politischen, religiösen und sozialen Streit­ fragen der Gegenwart, deren objektive wiffenschaftliche Be­ handlung vielmehr erst recht Bedürfnis und Aufgabe ist. 2. Keine dogmatisch-autoritative,sondern entwickelnd-kritische Methode, verbunden mit Anschaulichkeit und Anregung zur Selbstthätigkeit der Hörer, wodurch allein das selb­ ständige Denken und Handeln gefördert wird. 3. Vollständige Lehr- und Lernfreiheit für beide Ge­ schlechter, keine Zurücksetzung oder gar Ausschließung geeigneter Lehrkräfte oder bestimmter Richtungen; als Regel mäßige Hörgebühren.

4. In der Organisatton Unabhängigkeit von Staat, Kirche und anderen öffentlichen Institutionen, organische Selbst­ verwaltung unter Mitwirkung aller beteiligten Volkskreise.

Anhang. Ans dem Statut des

Wissenschaftlichen Kentralvereins und der Hnmboldt-Äkademie. I.

Name, Sitz und Zweck.

§ 1. Der „Wissenschaftliche Centralverein" hat seinen Sitz in Berlin. Derselbe bezweckt die Ausbreitung der Wissenschaft, insbesondere durch Errichtung und Leitung einer Anstalt für populär-wissen­ schaftliche Bortragscyklen („Humboldt-Akademie") in Berlin, sowie durch Veranstaltung wissenschaftlicher Einzelvorträge. Der Verein soll in das Vereinsregister eingetragen werden. § 2. Die Ausbreitung der Wirksamkeit des Vereins auf andere Städte im Deutschen Reiche soll erstrebt werden, und bleibt die Bil­ dung besonderer Organisationen innerhalb des Vereins zu diesem Be­ hufe vorbehalten.

II.

Mitgliedschaft.

§ 3. Zur Mitgliedschaft ist jeder Freund der Wissenschaft und höheren Bildung, ohne Unterschied des Geschlechts, befähigt. § 4. Der jährliche Beitrag erfolgt nach Selbsteinschätzung, jedoch beträgt der geringste Satz 5 Mark. Der Beitrag ist im voraus zu entrichten! Statt des Jahresbeitrags kann auch ein für alle Mal die Summe von 150 M. eingezahlt werden, wodurch die ständige Mitglied­ schaft erworben wird. Korporationen, Gesellschaften und Vereine können dem Centralverein als körperschaftliche Mitglieder beitreten unter denselben Bedingungen, wie einzelne Personen, jedoch mit einem Mindestbeitrag, welcher 10 Mark, und bei einer Mitgliederzahl von mehr als 300 20 Mark beträgt. Ausnahmsweise können durch den Vorstand Personen, welche als Lehrkräfte, Sachverständige oder in ähnlicher Weise sich verdient ge­ macht haben, ohne Beitrag ausgenommen werden. § 5. Die Mitgliedschaft berechtigt zum unentgeltlichen Em­ pfange der Programme, sowie zum Bezüge sonstiger Vereinsschriften, unentgeltlich oder zu einem festzusetzenden Mindestpreise, zum unent­ geltlichen Besuche der Einzelvorträge, zur Teilnahme an den Bortragscyklen gegen Erlegung von höchstens zwei Dritteln des festgesetzten Honorars, sowie zur Gewährung einer Ermäßigung des Preises der Einzelvorträge für den Hausstand des Mitglieds. Der Anspruch körperschaftlicher Mitglieder auf Exemplare der Druck­ sachen und Eintrittskarten zu den Einzelvorträgen entspricht ihren Beiträgen. Den Mitgliedern solcher Vereinigungen wird dieselbe Ermäßigung des Honorars der Bortragscyklen gewährt, wie persönlichen Mitgliedern des Wissenschaftlichen Centralvereins.

30 [§ 6 handelt von bem Aufhören der Mitgliedschaft; §§ 7—12 (Abschnitt III) von der Verwaltung durch Ausschuß und Vorstand; §§ 13—17 (Abschnitt IV) von der Mitgliederversammlung; §§ 18, 19 (Abschnitt V) vom Vermögen. Diese §§ bezw. Abschnitte sind bei dem obwaltenden Raum­ mangel als minder erheblich für die Volkshochschule hier uicht abgedruckt.^

VI. Sonderbestimmungen für die Humboldt-Akademie. § 20. Die „Humboldt-Akademie des Wissenschaftlichen Central Vereins" bezweckt, solchen Personen, welche die Universität nicht besuchen können oder bereits verlassen haben, durch systema­ tische Vortragscyklen und andere geeignete Mittel Gelegenheit zu einer höheren harmonischen wissenschaftlichen Weiterbildung zu geben und sie in Zusammenhang mit den Fortschritten der sich entwickelnden Wissenschaft zu halten. Die Akademie wird vom Ausschüsse des Wissenschaftlichen Central­ vereins geleitet und verwaltet.

§ 21. Das Gesamtziel des Lehrplanes der Akademie, welches nach Maßgabe der Lehrkräfte mit aller Energie erstrebt werden soll, ist die möglichste Vollständigkeit in den Hauptgebieten und Richtungen des Wissens, soweit derselbe der allgemeinen höheren Bildung dient, also unter Ansschluß des gelehrten und technischen Fachstudiums. Insbesondere sind folgende, den Natnr- und Kulturwissen­ schaften angehörende Vortragsfächer in Aussicht genommen: 1. Mathematik; 2. Physik; 3. Chemie (theoretische und angewandte); 4. Geologie und Paläontologie (Entwicklungslehre); 5. Physiologie der Pflanzen und Tiere; 6. Physiologie des Menschen und Gesundheitslehre; 7. Philosophie (Psychologie, Erkenntnistheorie, Aesthetik, Ethik, Geschichte der Philosophie, Pädagogik); 8. Religionswissenschaft; 9. Sprachwissenschaft; 10. Geographie, Ethnographie und Vorgeschichte; 11. Politische und Kulturgeschichte; 12. Litteratur- und Kunstgeschichte, Musikwissenschaft; 13. Volks- und Staatswirtschaftslehre, Soziologie. 14. Rechtswissenschaft (öffentliches Recht, Handelsrecht); 15. Staats- und Verwaltungslehre (Komunalverwaltung); 16. Verkehrs- und Versicherungswesen.

§ 22. Die spezielle Feststellung des Lehrplans für jedes Quar­ tal erfolgt durch den Ausschuß unter Mitwirkung der Docentenschaft. Das Programm der Vortragscyklen nebst sonstigen Nachrichten ist rechtzeitig durch den Druck zu veröffentlichen. Der Ausschuß kann außerordentliche (kleinere) Cyklen und Einzel­ vorträge von wissenschaftlichen Autoritäten zulassen bezw. veranlassen,

31 in welchem Falle besondere Vereinbarungen bezüglich der Bedingungen stattfinden. Die Vorträge können auch in fremden Sprachen gehalten werden. Bei eintretendem Bedürfnis kann die Thätigkeit der Akademie auch auf Einrichtung von Spezialkursen, gegebenenfalls auch für ein Geschlecht, behufs Vorbereitung und Ergänzung der Vortragscyklen ausgedehnt werden. Das Nähere bleibt der Beschlußfassung des Vorstandes vorbehalten.

§ 23. Bewerber um die Docentenschaft haben ihre wissen­ schaftliche und rednerische Befähigung, insofern solche nicht für den Ausschuß feststeht, durch staatliche Prüfungen und Zeugnisse, andern­ falls durch eingereichte Arbeiten und Probevorträge nachzumeisen. Die Wahl der Docenten mit Bestimmung der Vortragsgebiete derselben erfolgt ourch den Ausschuß, nachdem wenigstens 8 Tage zuvor die Vertretung der Docentenschaft (§ 7 b) um ihr Gutachten er­ sucht worden. Gegen den Widerspruch der Docentenvertretung kann ein Docent vom Ausschuß nur mit zwei Drittel Mehrheit gewählt werden. Durch Annahme der Wahl erklärt der Docent die Anerkennung dieses Statuts. § 24. Docenten, welche während des ersten Studienjahres nach ihrer Wahl oder später während zweier Studienjahre einen Vortragscyklus ohne triftige Begründung nicht ankündigen oder nicht wenig­ stens einen angekündigten Vortragscyklus zustande bringen, werden gelöscht. Der Ausschuß kann Docenten, die zwar während zweier Studienjahre nicht gelesen, sich aber sonst um die Humboldt-Akademie verdient gemacht haben, weiter als Docenten führen. Der Ausschuß kann ferner Docenten, welche der Ehre oder den wesentlichen Inter­ essen der Akademie und des Vereins, insbesondere durch Verletzung statutarischer Vorschriften, zuwiderhandeln, nachdem wenigstens 8 Tage zuvor die Docentenschaft um ihr Gutachten ersucht worden, mit zwei Drittel Mehrheit aus der Docentenschaft ausschließen. § 25. Die Docenten haben innerhalb ihres Vortragsgebietes vollkonimene Lehrfreiheit. Als selbstverständlich wird es angesehen, daß sie die Gesetze beobachten und insbesondere den rein wissenschaftlichen Zweck der Vorträge im Auge behalten und religiöse, politische und soziale Agitationen, wie nicht minder persönliche Polemik, vermeiden. § 26. Die Docenten erhalten den Betrag der eingegangenen Honorare, abzüglich der auf ihre Cyklen kommenden Raten der Ver­ waltungskosten der Akademie und der etwaigen speziellen Kosten des betreffenden Cyklus, soweit diese Kosten nicht anderweit gedeckt werden. Den Minderertrag ermäßigter Hörgebühren trägt die Vereinskasse, bezüglich der Mitglieder ganz, bezüglich der Nichtmitglieder zur Hälfte. Andere Vereinbarungen über Honorarzahlungen sind nicht ausge­ schlossen. Wenn eine Anzahl Vorträge des Cyklus durch Veranlassung des Docenten ausfällt, so kann der Ausschuß einen entsprechenden Abzug von dem Honorar beschließen.

32 Die Docenten erhalten für sich und ihren Hausstand Freikarten zu sämtlichen Vortragscyklen und Einzelvorträgen. § 27. Zur Wahl von drei Mitgliedern des Ausschusses (§ 7 b), zur Besprechung über Angelegenheiten der Akademie, zur Kundgebung von Wünschen und Beschwerden bezüglich derselben, sowie überhaupt zum gegenseitigen Meinungsaustausch finden nach Bedürfnis, mindestens aber einmal in jedem Studienquartal, Sitzungen der Docenten-, schäft statt. Jeder Docent hat in diesen Sitzungen bei Wahlen und Beschlüssen Stimmrecht. Die Docentenschaft konstituiert sich alljährlich in der ersten Sitzung nach den Sommerferien durch Wahl ihres Vorstandes, der aus einem ersten und einem zweiten Vorsitzenden und einem Schriftführer besteht. Der Vorsitzende des Vorstandes und der Generalsekretär sind zu den Sitzungen einzuladen und haben das Recht der Diskussion und der Antragstellung in denselben. Die Sitzungen der Docentenschaft werden durch den Vorsitzenden derselben oder dessen Stellvertreter mittels Einladung durch die Post berufen. Die Beschlüsse der Docentenschaft werden durch ein Protokoll beurkundet, das vom Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter und von einem Mitgliede zu unterzeichnen ist. § 28. Jede ehrenhafte Person, ohne Unterschied des Geschlechts, kann sich gegen Zahlung des Honorars für wenigstens einen Cyklus, bezw. durch Legitimation als ständiges Mitglied des Wissenschaftlichen Centralvereins (s. § 5), als Hörer der Akademie einschreiben lassen. Die Einschreibung findet auf mündliche oder schriftliche Anmeldung im Bureau der Akademie statt. § 29. Das vorauszubezahlende Honorar für den Cyklus von 10 bis 12 Stunden beträgt in der Regel 5 Mark, für jeden weiteren Cyklus in der Regel 4 Mark. Das Honorar für größere bezw. kleinere Cyklen wird entsprechend festgestellt. . Bei besonders kostspieligen Lehrmitteln und dergl. kann vom Vor­ stand ein höheres Honorar bestimmt werden. Befähigten unbemittelten Personen wird mit Zustimmung der betreffenden Docenten das Honorar gestundet oder gänzlich erlassen. § 30. Wenn ein Cyklus infolge zu geringer Beteiligung (weniger als 10 Hörer) oder anderer Hindernisse nicht zustande kommt, oder nur bis zum dritten der angekündigten Vorträge gelangt, so ist den Hörern das gesamte gezahlte Honorar zurückznerstatten. In anderen Fällen haben sie nur Anspruch auf Erstattung desjenigen Teiles des Honorars, welcher den ausgefallenen Vorträgen entspricht. Für einen ausgefallenen Vortrag eines Cyklus findet keine Rückzahlung statt.