Verwaltungsgesetzbuch für Preußen: Systematische Zusammenstellung der wichtigsten Verwaltungsgesetze und Verordnungen für Praxis und Unterrichtszwecke [Reprint 2018 ed.] 9783111525396, 9783111157061

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Verwaltungsgesetzbuch für Preußen: Systematische Zusammenstellung der wichtigsten Verwaltungsgesetze und Verordnungen für Praxis und Unterrichtszwecke [Reprint 2018 ed.]
 9783111525396, 9783111157061

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Abkürzungen
I. Abschnitt. Staats- und Reichsverfassung
II. Abschnitt. Allgemeine Verwaltung und Behördeneinrichtung
III. Abschnitt. Kommunalverfassung
IV. Abschnitt. Allgemeines Polizeirecht
V. Abschnitt. Gesundheits- und Veterinärpolizei
VI. Abschnitt. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht
VII. Abschnitt. Gewerbe- und Verkehrsrecht
VIII. Abschnitt. Öffentliches Personenrecht
IX. Abschnitt. Veamtenrecht
X. Abschnitt. Kirchenrecht
XI. Abschnitt. Volksschulrecht
XII. Abschnitt. Finanzrecht
Chronologisches Verzeichnis
Alphabetisches Wortverzeichnis

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Verwaltungsgesetzbuch für Preußen. Systematische Zusammenstellung der mistigsten

Verwaltungsgesetze und Verordnungen, für Praxis und Unlerrichtszwecke bearbeitet von

Dr. jur.

Hugo Reichelt,

Regterungsrat, Mitglied de» Bezirksausschüsse» Magdeburg.

Berlin 1914.

I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, G. m. b. H.

Rotzberg'sche Buchdruckerei in Leipzig

Vorwort. „Die Verwaltungsgesetze in einem Bande!" Dieses Verlangen, entstanden aus dem bei der zunehmenden Arbeit aller Behörden erklärlichen Bedürfnisse, das nötige Gesetzesmaterial schnell und bequem nachschlagen zu können, ist in neuerer Zeit immer häufiger geäußert worden, aber bisher—von einem unzulänglichen Versuche abgesehen — -unerfüllt geblieben, weil es in jener allgemeinen Fassung einfach unerfüllbar ist. Das gewaltige Gebiet des preußisch-deutschen Verwaltungsrechts läßt sich eben nicht in ein einziges Buch zusammenpressen; es kann vielmehr immer nur auf eine möglichst sorgfältige Auswahl der für die Praxis wichtigsten Gesetze und Verordnungen hin­ auskommen. Dieses Ziel aber dürste nach der aus langjähriger unmittelbarer Berwaltungspraxis geschöpften Überzeugung des Verfassers in vorliegendem Handbuche so weit erreicht sein, daß z. B. ein Amtsvorsteher oder selbst ein Bürgermeister oder Rechtsanwalt darin kaum eins derjenigen Verwaltungsgesetze vermissen wird, die er für den „täglichen Bedarf" braucht. Jnsofem wird es für ihn das Verwaltungsgesetzbuch sein. Enthält es doch, infolge Peinlicher Ausnutzung des Raumes, bei Weglassung aller aufgehobenen oder bedeutungslos gewordenen Bestimmungen, über 150 Gesetze und Verordnungen vollständig und außerdem noch eine große Anzahl von Hilfs­ gesetzen und Verordnungen in ihren wesentlichsten Teilen abgedruckt, also eine sehr reiche Fülle von Rechtsmaterial. Dem System der Zusammenstellung ist die Geschäftsteilung der Bezirksbehörden der allgemeinen Verwaltung zugrunde gelegt: Staats- und Kommunalverfassung, Landeshoheits- und Polizeirecht, Kirchen- und Schulrecht, Finanzrecht. Bei der Auswahl nach den Geltungsgebieten mußten natürlich die sieben östlichen Pro­ vinzen, die eine im wesentlichen einheitliche Verwaltungsgesetzgebung haben, in erster Linie berücksichtigt werden; doch auch die westlichen Provinzen sind zu ihrem Rechte gekommen. So ist das vorliegende Werk das erste und einzige dieser Art, das auch die wichtigsten Kommunalverfassungsgesetze (Städteordnung, Landgemeindeordnung, Kreis­ ordnung) für alle westlichen Provinzen enthält. Keine Aufnahme konnte die umfangreiche soziale Gesetzgebung finden, weil sonst das Werk aufgehört hätte, ein „Handbuch" zu sein; außerdem sind von den neuen so­ zialen Versicherungsgesetzen bereits zahllose billige Abdrücke erschienen und allenthalben anzutreffen, so daß sie hier am wenigsten vermißt werden dürften. Bei dem durch den Begriff „Handbuch" vorgeschriebenen begrenzten Umfange konnte von einer eingehenden Kommentierung keine Rede sein. Der Verfasser hat sich darauf beschränken müssen, in den Anmerkungen die zur Vollständigkeit nötigen Hinweise auf

IV

Vorwort.

Hilfsgesetze, Ausführungsbestimmungen, Entscheidungen der Ressortminister und höch­ sten Gerichtshöfe sowie einige aus der Praxis geschöpfte Erläuterungen zu geben. Um einen unbedingt zuverlässigen Gesetzestext zu liefern, sind dem Druck, soweit es möglich war, amtliche Textausgaben zugrunde gelegt; bei den durch die neuere Gesetzgebung durchbrochenen und abgeänderten Gesetzen aber ist auf die Wiedergabe des heute geltenden Wortlauts ganz besondere Sorgfalt verwendet worden. Bei diesem Inhalt wird das „Verwaltungsgesetzbuch" wohl geeignet sein, dem oben hervorgehobenen Bedürfnisse zu entsprechen, und zwar ebenso auf dem Arbeitstische des Verwaltungsbeamten wie des Richters. Aber auch Referendaren, Studenten und kaufmännischen Bureaus dürste die Gelegenheit willkommen sein, sich eine zuverlässige und wohlfeile Gesamtausgabe der wichtigsten Verwaltungsgesetze verschaffen zu können. Ein niedriger Ladenpreis war schon aus dem Grunde erwünscht, weil die Notwendig­ keit vorlag, den Bureaubeamten der Verwaltungsbehörden für chre jetzt überall ein­ gerichteten Ausbildungskurse ein geeignetes Buch mit Gesetzestext an die Hand zu geben. Ein solches Buch fehlte bisher, da die bekannten, großen und eingehend kommentierten Sammelwerke dem Preise nach für den bezeichneten Abnehmerkreis geradezu un­ erschwinglich sind. Diese Erwägung gab mit die äußere Veranlassung, daß der Verfasser, selbst Leiter eines Ausbildungskursus, mit Autorisierung seiner vorgesetzten Behörde, die Bearbeitung des „Verwaltungsgesetzbuchs" übernommen hat. Dank dem Entgegenkommen des Verlegers ist der Preis auf einen Betrag bemessen, der die Anschaffung des Werkes weiteren Interessentenkreisen ermöglicht. Infolge der Elle, ja Hast, mit der ein solches Werk bei unserer rastlos weiterarbeitenden Gesetzgebungsmaschine fertiggestellt werden muß, werden dem „Verwaltungsgesetzbuch" wohl noch manche Mhngel anhaften. Da es aber auf dem laufenden gehalten und fortgeführt werden soll, ist es auch verbesserungssähig. Der Verfasser wird für jede Ausstellung und jeden Wink, der der Vervollkommnung des Werkes dienen kann, dankbar sein. Magdeburg, im November 1913. Dr. Hugo Reichelt.

Inhalt I. Abschnitt. Staats- und Reichsverfassung. Vorgeschichte........................................................................................................................... Preuß. Verfassungsurkunde............................................................................................... Preuß. Landtags-Wahlverordnung nebst Abänderungsgesetzen............................... • Preuß. Landtags-Wahlreglement....................................................................................... Vg. v. 12. Okt. 1854 wegen Bildung der Ersten Kammer........................................ Reichsverfassung ............................................................................................... ................... Reichstags-Wahlgesetz........................................................................................................... Dazu RG., betr. Einwirkung von Armenunterstützung auf öffentliche Rechte . . . 8. Reichstags-Wahlreglement...................................................................................................

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

II. Abschnitt. Allgemeine Verwaltung und Behördeneinrichtung. Übersicht............................................................................................................................... Vg. wegen Einführung des Staatsrats....................................... ............................... Regierungsinstruktion v. 23. Okt. 1817........................................................................... Instruktion für die Oberpräsidenten............................................................................... Landesverwaltungsgesetz....................................................................................................... Dazu Kostentarif für das Verwaltungsstreitverfahren................................................... 6. Zuständigkeitsgesetz............................................................................... .... ........................ 7. Vg., betr. das Verwaltungszwangsverfahren............................................................... 8. Vg., betr. die Kompetenzkonflikte, v. 1. Aug. 1879 ........................................... ... . .

1. 2. 3. 4. 5.

III. Abschnitt. Kommunalverfassung. 1. Städteordnung für die 7 östlichen Provinzen................................................................... ... Dazu G. v. 14. Mai 1860, betr. das städtische Bürgerrechtsgeld . .................................... 2. Städteordnung für Westfalen................................................................................................... 3. Städteordnung für die Rheinprovinz....................................................... ............................... 4. Städteordnung für Hannover................................................................................................... 5. Städteordnung für Schleswig-Holstein................................................................................... 6. Städteordnung für Hessen-Nassau........................................................................................... 7. Landgemeindeordnung für die 7 östlichen Provinzen :........................................................ Landgemeindeordnung für Schleswig-Holstein....................................................................... 8. Landgemeindeordnung für die Rheinprovinz ....................................................................... 9. Landgemeindeordnung für Westfalen....................................................................................... 10. Landgemeindeordnung für Hannover....................................................................................... LI. Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau............................................................................... 12. Kreisordnung für Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien, Sachsen . . 13. Kreisordnung für Hannover....................................................... ............................................... 14. Kreisordnung für Hessen-Nassau........................................................... .... ............................ 15. Kreisordnung für die Rheinprovinz........................................................................................... Kreisordnung für Westfalen....................................................................................................... 16. Kreisordnung für Schleswig-Holstein................................................................... ................... 17. Provinzialordnung für Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien, Sachsen 18. Provinzialordnungen für die westlichen Provinzen....................................................... 19. Zweckverbandsgesetz........................................................................................... ... 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

IV. Abschnitt. Allgemeines Polizeirecht. Amt der Polizei........................................................................................................................... Gesetz über die Polizeiverwaltung ............................................................................................ Vg. über die Polizeiverwaltung in den neuen Landesteilen............................................... Besondere Polizeiverwaltung für einzelne ^Bezirke (Berlin unb] Vororte, Potsdam, Düssel­ dorf, Arnsberg, Münster, Oppeln)....................................................................................... Polizeikostengesetz........................................................................................................................... Gendarmerie-Verordnung........................................................................................................... Aufruhr und Belagerungszustand (Tumultgesetze von 1798, 1835, 1850; G. über den Be­ lagerungszustand) ............................................................................................... Festnahme, Verhaftung, Beschlagnahme (G. zum Schutze der persönlichen Freiheit, Aus­ zug aus der Strafprozeßordnung)....................................................................................... Meldewesen, Paß- und Fremdenpolizei (Aufnahme neu anziehender Personen, Paßgesetz, Paßkarten-Berordnung, Zulassung ausländischer Arbeiter usw.)....................................

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VI

Inhalt. Seite

10. Gesindepolizei(Altpreuß. Gesindeordnung, G. v. 24. April 1854, Bg., Bett. Gesindedienstbücher) 465 11. Baupolizei (Baufluchtliniengesetz, Verunstaltungsgesetze, G., Bett. die Gründung neuer Ansiedelungen)..................................................................................................................................477 12. Preßgesetz.................................................................................................................................................. 488 13. Bereinsgesetz.............................................................................................................................................. 492 14. G., Bett. den Erlaß polizeilicherStrafverfügungen..........................................................................496 15. Feld- und Forstpolizeigesetz................................................................................................................. 498 16. Reichsstrafgesetzbuch nebst Einführungsgesetz dazu............................................................................ 511

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

V. Abschnitt. Gesundheits- und Veterinärpolizei. Reichs-Jmpfgesetz nebst Preuß. Ausführungsgesetz dazu............................................................... 564 RG., Bett. gemeingefährliche Krankheiten........................................................................................ 566 Preuß. G., betr. übertragbare Krankheiten....................................................................................573 Feuerbestattungsgesetz............................................................................................................................. 580 Nahrungsmittelgesetz............................................................................................................................. 581 Schlachthausgesetz..................................................................................................................................584 Reichs-Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetz....................................................................................587 Preuß. Ausführungsgesetz dazu.................................................................. 592 Reichs-Viehseuchengesetz......................................................................................................................... 594 Preuß. Ausführungsgesetz dazu.........................................................................................................608 G., betr. die Beseitigung von Tierkadavern.................................................................................... 613

VI. Abschnitt. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht. 614 1. Entwickelung der preußischen Agrargesetzgebung.......................................... 2. G., betr. die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen An­ gelegenheiten ................................................................................................................................. 617 3. G. über die Landwirtschaftskammern........................................................................................... 619 4. Moorschutzgesetz................................................................................................................................. 623 5. Wassergesetz......................................................................................................................................... 624 Dazu Verzeichnis der Wasserläufe 1. Ordnung........................................................................... 700 710 6. Fischereigesetz.................................................................................................................................... 7. Jagdordnung..................................................................................................................................... 719 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

VII. Abschnitt. Gewerbe- und Verkehrsrecht. Reichsgewerbeordnung................................................................................................................ Ausführungs-Anweisung dazu v. 1. Mai 1904 ....................................................................... Kinderarbeitgesetz............................................................................................................................. Hausarbeitgesetz............................................................................................................................. Stellenvermittlergesetz.................................................................................................................... Eisenbahngesetz................................................................................................................................. Kleinbahngesetz................................................................................................................................. Enteignungsgesetz............................................................................................................................. Wegeordnungen............................................................................................................................. G., betr. Vorausleistungen zum Wegebau............................................................................... G. über die Reinigung öffentlicher Wege...................................................... ........................ Kraftfahrzeuggesetz......................................................................................................................... Kraftfahrzeug-Verordnung des Bundesrats . . ............................................................... VIII. Abschnitt. Öffentliches Personenrecht. Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz................................................................................... Freizügigkeitsgesetz......................................................................................................................... Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz........................................................................... Dazu Preuß. Tarif für Armenpflegekosten........................................................................... Preuß. Ausführungsgesetz dazu, mit Novelle von 1912, sog. Arbeitscheuengesetz . . . Fürsorgeerziehungsgesetz................................................................................................................ Personenstandsgesetz.....................................................................................................................

IX. Abschnitt. Beamtenrecht. 1. Allgemeine Pflichten und Rechte der Beamten....................................................................... Dazu G. über die Haftung des Staats und anderer Verbände für Amtsverletzungen von Beamten.......................................................................................................................................... 2. G., betr. die Besetzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen der Kommunalverbände mit Militäranwärtern................................................................................................................ 3. Disziplinargesetz v. 21. Juli 1852.................................................................................................... 4. Defekten-Verordnung......................................................................................................................... 5. G., betr. die Konflikte, v. 13. Febr. 1854 ...................................................................................

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Inhalt-

VII 3 eite

6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

G., bett. die Zahlung der Beamtenbesoldung................................................................................ 950 G., bett. die Gewährung von Wohnungsgeldzuschüssen............................................................... 951 G., bett. die Reisekosten der Staatsbeamten.................................................................................... 952 G., bett. die Umzugskosten der Staatsbeamten............................................................................ 955 Beamten-Pensionsgesetz..........................................................................................................................957 Beamten-Hinterbliebenenfürsorgegesetz.................................................................................................964 Kommunalbesteuetung der Beamten.................................................................................................967 Kommunalbeamtengesetz..........................................................................................................................970 X. Abschnitt. Kirchenrecht. Übersicht.............................................................................................................................................. 976 Preuß. Mg. Landrecht Teil II Titel 11....................................................................................979 Kirchengemeinde' und Synodalordnung v. 10. Sept. 1873 .................................................. 993 Kirchenverfassungsgesetz v. 3. Juni 1876 ................................................................................... 1007 Bg. v. 9. Sept. 1876 übet die Ausübung der Rechte des Staats gegenüber der evangel. Landeskirche.................................................................................................................................... 1012 G. über die Vermögensverwaltung inden kath. Kirchengemeinden........................................... 1013 Dazu Kgl. Bg. v. 30. Jan. 1893 überdie Aufsichtsrechte des Staats.......................................1022 Evang. Kirchensteuer' Staatsgesetz fürdieälteren Provinzen..........................................................1022 Kirchengesetz dazu................................................................................................................................ 1025 Kath. Mrchensteuergesetz........................................................................................................................ 1027 Dazu Kgl. Bg. v. 23. März 1906 .................... 1034

XL Abschnitt. Bolksschulrecht. 1. Bolksschulunterhaltungsgesetz................................................................................................................1035 2. Schul- und Küsterstellen (G., bett. Bau und Unterhaltung der Schul- und Küsterhäuser, Bg. v. 2. Mai 1811 wegen Separation der Küstereien, Erl. v. 27. Febr. 1894, betr. Abtrennung der niederen Küsterdienste).................................................................................. 1056 3. Schulanforderungsgesetz........................................................................................................................ 1058 4. Lehrerbesoldungsgesetz............................................................................................................................ 1059 5. Lehrerpensionsgesetz............................................................................................................................ 1072 6. Lehrerreliktengesetz................................................................................................................................ 1078 7. Ruhegehaltskassengesetz........................................................................................................................ 1082 8. G., betr. das Ruhegehalt der Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen nichtstaatlichen mittleren Schulen........................................................................................................................ 1085 XII. Abschnitt. Finanzrecht. Entwickelung und Übersicht................................................................................................................1088 Grundsteuergesetz.................................................................................................................................... 1093 Gebäudesteuergesetz................................................................................................................................ 1095 Gewerbesteuergesetz................................................................................................................................ 1100 Hausiersteuergesetz................................................................................................................................ 1113 Wanderlagersteuergesetz........................................................................................................................ 1120 Warenhaussteuergesetz............................................................................................................................ 1122 Einkommensteuergesetz............................................................................................................................ 1126 Ergänzungssteuergesetz........................................................................................................................ 1152 Wehrbeitragsgesetz................................................................................................................................ 1165 Reichs-Doppelsteuergesetz....................................................................................................................1177 Preuß. Stempelsteuergesetz................................................................................................................1178 G. wegen Aufhebung direkter Staatssteuern...................................................................................1213 Reichs-Zuwachssteuergesetz....................................................................................................................1217 Kommunalabgabengesetz........................................................................................................................ 1234 Kreis- und Provinzialabgabengesetz................................................................................................... 1257 Sparkassenreglement............................................................................................................................ 1264 G., betr. die Anlegung von Sparkassenbeständen in Jnhaberpapieren.....................................1269 Oberrechnungskammergesetz............................................................................................................... 1270 Staatshaushaltsgesetz nebst G. v. 22. März 1912 über die Abnahme und! Prüfung der Rechnungen.................................................................................................................................... 1275 21. Scheckgesetz............................................................................................................................................. 1284 Chronologisches Verzeichnis der abgedruckten oder inhaltlich behandelten Gesetze usw. 1288 Alphabetisches Wortverzeichnis............................................................................................................1293 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.

Abkürzungen. AAnw. oder AusfAmv. AG. oder AusfG. ALR. AMitt. BauflG.

- Ausführungsanweisung. ABest. od.AusfBesl. - Ausfuhrungsbestimmung. Ausführungsgesetz. ^ Preußisches Allgemeines Landrecht. -- Amtliche Mitteilungen über die Zuwachssteuer. = G., bett. die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen usw., v. 2. Juli 1875. . BeamtPensG. = G., betr. die Pensionierung der unmittelbaren Staatsbeamten usw., Bek. = Bekanntmachung. sv. 27. März 1872. BG. = Bundesgesetz (von 1867—1870). BGB. = Bürgerliches Gesetzbuch. — BGBl. = Bundesgesetzblatt (von 1867—1870). BundBg. = Bundesratsverordnung. E. = Entscheidung. — Ed. = Edikt. EG. oder EinfG. = Einführungsgesetz. EinkStG. = Einkommensteuergesetz v. 19. Juni 1906. ErgStG. = Ergänzungssteuergesetz v. 19. Juni 1906. G. = Gesetz. GebStG. = Gebäudesteuergesetz v. 21. Mai 1861. GesOg. = Altpreuß. Gesindeordnung v. 8. Rov. 1810. GewOg. = Reichs-Gewerbeordnung. GewStG. = Gewerbesteuergesetz v. 24. Juni 1891. GS. = Preußische Gesetzsammlung. GBG. -= Gerichtsverfassungsgesetz. Hann. =- Hannover oder Hannoversches. HN. = Hessen-Nassau oder Hessen-Nassauisch. KAbgG. = Kommunalabgabengesetz v. 14. Juli 1893. KabO. = Kabinettsorder. KBeamtG. = Kommunalbeamtengesetz v. 30. Juli 1899. KirchGBl. = Kirchliches Gesetz- und Verordnungsblatt. — KrOg. = Kreisordnung. LandwMBl. = Ministerialblatt für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. LGO. = Landgemeindeordnung. LBG. = Landesverwaltungsgesetz v. 30. Juli 1883. M. (in Zusammensetzg.) = Ministerial-. MBl. = Ministerialblatt für die innere Verwaltung Preußens. MErl. = Mnisterialerlaß. MilStGB. = Militärstrafgesetzbuch. — MilStGO. = Militärstrafgerichtsordnung. MittHeft = Mitteilungen aus d. Verwaltung d. direkten Steuern. O. oder Og. = Ordnung. ö. = östlich; öKrOg., öLGO., öProvOg., öStOg. — Kreisordnung, Land­ gemeindeordnung, Provinzialordnung, Städteordnung s. d. östl. Provinzen. OBG. - Oberverwaltungsgericht; mit Zahlenangabe: Amtliche Sammlung der Ent­ scheidungen des Oberverwaltungsgerichts. ORKG. - Oberrechnungskammer-Gesetz v. 27. März 1872. PolBerwG. G. über die Polizeiverwaltung v. 11. März 1850. ProvOg. -= Provinzialordnung. — PrBBl. = Preußisches Verwaltungsblatt. R. (in d.Zusammensetz.) ^ Reichs-. — RG. = Reichsgesetz. RBeamtG. = Reichsbeamtengesetz v. 17. Mai 1907. — Regl. — Reglement. RGBl. =- Reichsgesetzblatt. RGSt. ob. Reichsg.Str. = Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. Rh. oder Rhein. = Rheinprovinz oder Rheinisch. RMilG. = Reichsmilitärgesetz v. 2. Mai 1874. RZBl. = Zentralblatt für das Deutsche Reich. SH. ^ Schleswig-Holstein oder Schleswig-Holsteinisch. Steuer-AufhG. -- G. wegen Aufhebung direkter Staatssteuern v. 14. Juli 1893. StGB. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich. StOg. Städteordnung. StPO. ^ Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich. UWG. = RG. über den Unterstützungswohnsitz. Verf. = Verfügung. — Vg. = Verordnung. VolksschUG. -= Volksschulunterhaltungsgesetz v. 28. Juli 1906. VU. oder VerfU. = Preuß. Berfassungsurkunde. W. ^ Westfalen oder Westfälisch. WehrbG. = RG. über einen einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag. ZentrBl. Unten. = Zentralblatt für die Unterrichtsverwaltung in Preußen. ZPO. = Zivilprozeßordnung für das Deutsche Reich. ZustG. = Zuständigkeitsgesetz. — ZuwG. =- Reichs-Zuwachssteuergesetz.

I. Abschnitt.

Staats- und Reichsverfassung. 1. Vorgeschichte. Preuß. Allg. Landrecht II, 13: Im Staatsoberhaupte vereinigen sich alle Rechte. Von diesen Rechten sind dem Könige alle verblieben, soweit sie ihm nicht durch die Verfassungsurkunde oder besondere Gesetze entzogen worden sind: Art. 109 VU. 1810, 27. Oktober, Edikt über die Finanzen des Staats und die neuen Einrich­ tungen wegen der Abgaben (GS. 25) verheißt eine „zweckmäßig eingerichtete Repräsen­ tation der Nation, sowohl in den Provinzen als für das Ganze," mit beratender Stimme. 1815, 22. Mai, Vg., bett. die zu bildende Repräsentation des Volks (GS. 103) aus den noch vorhandenen oder neu zu bildenden Provinzialständen, mit beratender Stimme „über alle Gegenstände der Gesetzgebung, welche die persönlichen und Eigentumsrechte der Staatsbürger mit Einschluß der Besteuerung betreffen." 1815, 8. Juni, Bundesakte Art. 13: „In allen Bundesstaaten wird eine landstän­ dische Verfassung stattfinden" (GS. 1818 Anh. S. 143). 1820,17.Januar, Bg. wegen derkünftigenBehandlungdesgesamtenStaatsschuldenwesens (GS. 9): Die Aufnahme von Staatsanleihen kann künftig „nur mit Zu­ ziehung und unter Mitgarantie der künftigen reichsständischen Versammlung geschehen". 1820, 15. Mai, die Wiener Schlußakte (GS. 113) überläßt in Art. 55—57 die Ein­ führung landständischer Verfassungen als innere Angelegenheit den souveränen Fürsten der Bundesstaaten; doch muß „die gesamte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staats ver­ einigt bleiben, und der Souverän kann durch eine landständische Verfassung nur in der Aus­ übung bestimmter Rechte an die Mtwirkung der Stände gebunden werden". 1823, 5. Juni, G. wegen Anordnung der Provinzialstände (im Geiste der älteren deutschen Verfassungen, GS. 129): Beratende Mitwirkung bei Provinzialgesetzen und, so­ lange keine allgemeinen ständischen Versammlungen stattfinden, bei solchen allgemeinen Ge­ setzen, die Veränderungen in Personen- und Eigentumsrechten und in den Steuern zum Gegenstände haben; Petitions. und Beschwerderecht für die Provinz, Beschlußfassung über Kommunalangelegenheiten der Provinz. 1823—1824, übereinstimmende Gesetze wegen Anordnung der Provinzialstände in jeder Provinz. Drei Provinzialstände: Ritterschaft, Städte, die übrigen Guts­ besitzer und Bauern. Vorsitzender ein vom Könige aus dem 1. Stande ernannter Landtags­ marschall, Eröffnung durch einen Kgl. Landtagskommissar. 1842, 21. Juni, übereinstimmende Verordnungen über die Bildung von Ausschüssen der Stände in jeder Provinz (GS. 215 ff.): Von den Provinziallandtagen zu wählen, als begutachtende ständische Organe, wenn Provinziallandtage nicht versammelt sind und falls deren Ansichten über einen Gesetzentwurf bedeutend voneinander abweichen. 1847, 3. Februar, Patent, die ständischen Einrichtungen bett. (GS. 33): So oft neue Anleihen oder Steuern erforderlich werden, sollen die Provinzialstände zu einem Vereinigten Landtage versammelt werden, um dessen Zustimmung einzuholen. Der N e t ch «l t. VerivallungSgesehe.

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I. Abschn. Staats« und Reichsverfassung.

Vereinigte ständische Ausschuß soll fortan periodisch zusammenberufen werden. Der Ver­ einigte Landtag besteht aus der Herrenkurie (Fürsten, Grafen, Herren) und Ständekurie (Ritterschaft, Städte, Landgemeinden). 1848, 18. März, die Kgl. Proklamation, betr. die künftige Staatsverfassung (MBl. 81) bezeichnet eine Reorganisation der Teutschen Bundesverfassung und eine konsti­ tutionelle Verfassung aller deutschen Länder als notwendig. Darauf Volksaufstand in Berlin, Sieg und Zurückziehung der Kgl. Truppen. 1848, 8. April, Wahlgesetz für die zur Vereinbarung der Preußischen Staatsverfajsung mit der Krone zu berufende Versammlung (GS. 89): Allgemeines, gleiches, geheimes und indirektes Wahlrecht. Die darauf gewählte Nationalversammlung tritt im Berliner Schau­ spielhause zusammen, verwirft die ihr vorgelegten Berfassungsgrundsätze, wird am 8. No­ vember nach Brandenburg verlegt und am 5. Dezember aufgelöst. An demselben Tage Erlaß der sog. oktroyierten Verfassung. 1848, 18. Mai, die Deutsche Nationalversammlung tritt in der Paulskirche in Frankfurt a. M. zusammen. Einsetzung einer provisorischen Zentralgewalt (Reichsverweser), vom Bundestage anerkannt. Die von der Deutschen Nationalversammlung beschlossenen „Grundrechte des deutschen Volkes" werden vom Reichsverweser veröffentlicht. 1849, 28. März, die „Verfassung Deutschlands" von der Frankfurter National­ versammlung beschlossen: Staatenstaat mit dem Könige von Preußen als deutschem Erb­ kaiser, Staatenhaus und Volkshaus, letzteres auf Grund allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts: Wahlgesetz vom 12. April 1849. Obwohl König Friedrich Wil­ helm IV. von Preußen ablehnt, wird die Verfassung Deutschlands von der Nationalver­ sammlung im „Reichsgesetzblatt" veröffentlicht, worauf sie aus Frankfurt verwiesen wird. Rumpfparlament in Stuttgart, schließlich von den Behörden gesprengt. 1849, 26. Mai, Dreikönigsbündnis zwischen Preußen, Hannover und Sachsen zur Gründung des „Deutschen Bundesstaates": König von Preußen Reichsvorstand; Fürsten­ haus, Staatenhaus und Volkshaus: Nationalparlament in Erfurt. Österreich protestiert und beruft den Bundestag nach Frankfurt, der im August 1850 die Reaktivierung des Deut­ schen Bundes beschließt. Auch Preußen willigt im Vertrage zu Olmütz ein. 1849, 30. Mai, Preuß. Vg. über die Ausführung der Wahl der Abgeordneten zur Zweiten Kammer (GS. 205), abgedruckt unter I Nr. 3: Allgemeines, indirektes Dreiklassenwahlrecht mit öffentlicher Abstimmung. Die darauf gewählte Zweite Kammer unterwirft die oktroyierte Verfassung einer Revision; Ergebnis: Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Jan. 1850, abgedruckt unter I 9kr. 2. 1853, 7. Mai, G., betr. die Bildung der Ersten Kammer: Aufhebung der Art. 65 bis 68 VU. Die Erste Kammer wird durch Kgl. Anordnung gebildet, die nur durch Gesetz abgeändert werden kann: Kgl. Vg. vom 12. Okt. 1854, abgedruckt unter I Nr. 5. 1854, 10. Juni, G., betr. die Deklaration der Verfassungsurkunde in bezug auf die Rechte der mittelbar gewordenen deutschen Reichsfürsten und Grafen (GS. 363): Die Wiederherstellung der seit 1848 verletzten Rechte erfolgt durch Kgl. Verordnung. Dar­ auf zwei Vg. vom 12. Nov. 1855 und G. vom 15. März 1869 (GS. 490): Die Wieder­ herstellung der Standesvorrechte erfolgt fortan nur durch Gesetz. 1860, 27. Juni, G., betr. die Feststellung der Wahlbezirke für das Haus der Abgeordneten (GS. 357). 1866, 18. August, Bundesvertrag zwischen Preußen und den norddeutschen Staaten: Die Bundesverfassung soll durch die verbündeten Regierungen und ein gemeinschaftlich zu berufendes Volksparlament festgestellt werden. Der darauf nach Landeswahlgesetzen (ent­ sprechend dem Frankfurter Wahlgesetze v. 12. April 1849) gewählte Reichstag des Nord­ deutschen Bundes und die Vertreter der verbündeten Regierungen nehmen am 16. April 1867 die „Verfassung des Norddeutschen Bundes" an, die dann in den Einzelstaaten ein­ geführt wird und am 1. Juli 1867 in Kraft tritt (BGBl. 1).

2. Berfassungsurkunde vom 31. Januar 1850.

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1869, 31. Mai, Wahlgesetz für den Reichstag des Norddeutschen Bundes (BGBl. 145), abgedruckt unter I Nr. 7: Allgemeines, gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht. 297 Abgeordnete, dazu 1871 aus den süddeutschen Staaten 85 und 1874 aus Elsaß-Lothringen 15 Abgeordnete, zusammen jetzt 397. 1870, 28. Mai, Reglement zur Ausführung des Reichstagswahlgesetzes (BG­ Bl. 275) mit Abänderung v. 28. April 1903 (RGBl. 202), abgedruckt unter I Nr. 8. 1870, sog. Novemberverträge zwischen dem Norddeutschen Bunde und den Großherzogtümern Baden und Hessen (15. Rov., BGBl. 627), Kgr. Bayern (23. Nov., RGBl. 1871, 9) und Kgr. Württemberg (25. Nov., BGBl. 654), bett. Verfassung des „Deutschen Bundes". 1871, 16. April, G., bett. die Verfassung des Deutschen Reichs (RGBl. 63), abgedruckt unter I Nr. 6. 1911, 31. Mai, RG. über die Verfassung Elsaß-Lothringens (RGBl. 225): Elsaß-Lothringen wird Bundesstaat. Staatsgewalt vom Kaiser ausgeübt, an der Spitze der Landesregierung der Statthalter, dem landesherrliche Befugnisse übertragen werden können. Landesgesetzgebung wird durch den Kaiser und zwei Kammern ausgeübt; Erste Kammer aus ernannten und gewählten Mitgliedern, Zweite Kammer aus allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen. Wegen der Vertretung im Bundesrate s. Art. 6a RV.

2. verfafsungsurkunde für den Preußischen Staat. Vom 31. Januar 1850 (GS. 17). Titel I. Vom Staatsgebiete. Art. L Alle Landesteile der Monarchie in ihrem gegenwärtigen Umfange hüben das preußische Staatsgebiet. Art. 2. Die Grenzen dieses Staatsgebietes können nur durch ein ©efefr1 verändert werden. Titel II. Bon den Rechten der Preußen. Art. 3. Die Verfassung und das Gesetz bestimmen, unter welchen Bedingungen die Eigen­ schaft eines Preußen und die staatsbürgerlichen Rechte erworben, ausgeübt und verloren werden. Art. 4. Alle Preußen sind vor dem Gesetz gleich. Standesvorrechte finden nicht statt.2 3 Die öffentlichen Ämter sind, unter Einhaltung der von den Gesetzen festgestellten Bedin­ gungen, für alle dazu Befähigten gleich zugänglich. Art. 6.3 Die persönliche Freiheit ist gewährleistet. Die Bedingungen und Formen, unter welchen eine Beschränkung derselben, insbesondere eine Verhaftung zulässig ist, werden durch das Gesetz bestimmt. Art. 6 Die Wohnung ist unverletzlich. Das Eindringen in dieselbe und Haussuchungen, sowie die Beschlagnahme von Briefen und Papieren sind nur in den gesetzlich bestimmten Fällen und Formen gestattet.

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1 Solche Gesetze sind ergangen: 1850 wegen der Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und -Sigmanagen, von ihren Fürsten durch Staatsvertrag abgetreten; 1854 wegen des Jadegebiets, durch Kauf vom Großherzogtum Oldenburg; 1866 wegen Hannover, Kurfürstentum Hessen, Herzogtum Nassau und Frankfurt a. M. nach Eroberung, desgleichen wegen Schleswig-Holstein, kleiner bay­ rischer und grobherzoglich hessischer Gebietsteile; 1876 wegen des Herzogtums Lauenburg, seit der Gasteiner Konvention 1865 durch Personalunion mit der Krone Preußen verbunden; 1891 wegen Helgoland, von England 1890 gegen Kolonialbesitz in Afrika zunächst ans Deutsche Reich abgetreten, jetzt zu Kreis Süderditmarschen. 8 Abgesehen von denen des Kgl. Hauses, des Hohenzoll. Fürstenhauses und des hohen Adels, G. v. 10. Juni 1854, oben unter I Nr. 1. 3 Art. 5—7, 27—30 u. 36 können im Falle des Belagerungszustandes außer Kraft gesetzt werden, s. Art. 111 und G. über den Belagerungszustand v. 4. Juni 1851 (GS. 451), abgedruckt unter Abschn. IV.

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I. Abschn. Staats- und Reichsverfassung.

Art. 7. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte und außerordentliche Kommissionen sind unstatthaft. Art. 8. Strafen können nur in Gemäßheit des Gesetzes ^ angedroht oder verhängt werden. Art. 9. Das Eigentum ist unverletzlich. Es kann nur aus Gründen des öffentlichen Wohles gegen vorgängige in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende Entschädigung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt werden. Art. 10. Der bürgerliche Tod und die Strafe der Vermögenseinziehung finden nicht statt. Art. 11. Die Freiheit der Auswanderung kann von Staats wegen nur in bezug auf die Wehrpflicht beschränkt werden. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. Art. 12. Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religionsgesell­ schaften (Art. 30 und 31) und der gemeinsamen häuslichen und öffenüichen Religionsübung wird gewährleistet. Der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse. Den bürgerlichen und staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit kein Abbruch geschehen. Art. 13. Die Religionsgesellschaften, ^ sowie die geistlichen Gesellschaften,« welche keine Korporationsrechte haben, können diese Rechte nur durch besondere Gesetze erlangen. Art. 14. Die christliche Religion wird bei denjenigen Einrichtungen des Staates, welche mit der Religionsübung im Zusammenhange stehen, unbeschadet der im Art. 12 gewährleisteten Religionsfreiheit zugrunde gelegt. (Art. 15.7 Die evangelische und die römisch-katholische Kirche, sowie jede andere Religionsgesell, schaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds. Art. 16. Der Verkehr der Religionsgesellschaften mit ihren Oberen ist ungehindert. Die Be­ kanntmachung kirchlicher Anordnungen ist nur denjenigen Beschränkungen unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen.)

Art. 17. Übet das Kirchenpatronat und die Bedingungen, unter welchen dasselbe auf­ gehoben werden kann, wird ein besonderes Gesetz ergehen.« (Art. 18. Das Ernennungs-, Vorschlags-, Wahl- und Bestätigungsrecht bei Besetzung kirchlicher Stellen ist, soweit es dem Staate zusteht und nicht auf dem Patronate oder besonderen Rechtstiteln beruht, aufgehoben.)

Art. 19. Die Einführung der Zivilehe erfolgt nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes, was auch die Führung der Zivilstandsregister regelt. Art. 20. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist stet. Art. 21. Für die Bildung der Jugend soll durch öffentliche Schulen genügend gesorgt werden. Eltern und deren Stellvertreter dürfen ihre Kinder oder Pflegebefohlenen nicht ohne den Unterricht lassen, welcher für die öffentlichen Volksschulen vorgeschrieben ist. Art. 22. Unterricht zu erteilen und Unterrichtsanstalten zu gründen und zu leiten, steht jedem frei, wenn er seine sittliche, wissenschaftliche und technische Befähigung den betreffenden Staatsbehörden nachgewiesen hat. Art. 23. Alle öffentlichen und Privatunterrichts- und Erziehungsanstalten stehen unter der Aufsicht vom Staate ernannter Behörden. Die öffentlichen Lehrer haben die Rechte und Pflichten der Staatsdiener. 4 D. h. auch auf Grund gesetzlicher Ermächtigung, auf die sich auch die Strafbestimmungen der Polizeiverordnungen und die Verwaltungszwangsstrafen stützen müssen. 6 Öffentlich aufgenommen und besonders bevorrechtigt sind nur die evangelische Landeskirche und die katholische Kirche. Einfache Korporationsrechte haben dagegen die Gemeinden der Lutheraner, Reformierten niederländischer Konfession, Herrnhuter, Juden, Mennoniten, Baptisten. 6 Die vom Staate aufgenommenen Stifte, Klöster, Orden, die Domkapitel, geistlichen Ritterorden. 7 Art. 15, 16 u. 18 sind 1875 aufgehoben worden. Ä Noch nicht ergangen; es gilt ALR. II, 11 §§ 568 ff.

2. Berfassungsurkunde vom 31. Januar 1850.

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Art. 24. Bei der Einrichtung der öffentlichen Volksschulen sind die konfessionellen Ver­ hältnisse möglichst zu berücksichtigen. Den religiösen Unterricht in der Volksschule leiten die betreffenden Religionsgesellschaften. Die Leitung der äußeren Angelegenheiten der Volksschule steht der Gemeinde zu. Der Staat stellt, unter gesetzlich geordneter Beteiligung der Gemeinden, aus der Zahl der Be­ fähigten die Lehrer der öffentlichen Volksschulen an. Art. 25. Die Mittel zur Errichtung, Unterhaltung und Erweiterung der öffentlichen Volks­ schule werden von den Gemeinden und, im Falle des nachgewiesenen Unvermögens, ergän­ zungsweise vom Staate aufgebracht. Die auf besonderen Rechtstiteln beruhenden Ver­ pflichtungen Dritter bleiben bestehen. Der Staat gewährleistet demnach den Volksschullehrern ein festes, den Lokalverhältnissen angemessenes Einkommen. In der öffenllichen Volksschule wird der Unterricht unentgeltlich erteilt. Art. 26. Das Schul- und Unterrichtswesen ist durch Gesetz zu regeln. Bis zu anderweiter gesetzlicher Regelung verbleibt es hinsichtlich des Schul- und Unterrichtswesens bei dem gel­ tenden Rechte.9 Art. 27.3 Jeder Preuße hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Dar­ stellung seine Meinung frei zu äußern. Die Zensur darf nicht eingeführt werden; jede andere Beschränkung der Preßfreiheit nur im Wege der Gesetzgebung. Art. 28. Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden, sind nach den allgemeinen Strafgesetzen zu bestrafen. Art. 29. Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigkeitliche Erlaubnis fried­ lich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln. Diese Bestimmung bezieht sich nicht auf Versammlungen unter freiem Himmel, welche auch in bezug auf vorgängige obrigkeitliche Erlaubnis der Verfügung des Gesetzes unter­ worfen sind. Art. 80. Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen. Das Gesetz regelt, insbesondere zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, die Aus­ übung des in diesem und in dem vorstehenden Artikel (29) gewährleisteten Rechts. Politische Vereine können Beschränkungen und vorübergehenden Verboten im Wege der Gesetzgebung unterworfen werden. Art. 31. Die Bedingungen, unter welchen Korporationsrechte erteilt oder verweigert werden, bestimmt das Gesetz." Art. 32. Das Petitionsrecht steht allen Preußen zu. Petitionen unter einem Gesamt­ namen sind nur Behörden und Korporationen gestattet. Art. 33. Das Briefgeheimnis ist unverletzlich. Die bei strafgerichtlichen Untersuchungen und in Kriegsfällen notwendigen Beschränkungen sind durch die Gesetzgebung festzustellen. Art. 34. Alle Preußen sind wehrpflichtig. Den Umfang und die Art dieser Pflicht be­ stimmt das Gesetz.* 11 Art. 35. Das Heer begreift alle Abteilungen des stehenden Heeres und der Landwehr. Im Falle des Krieges kann der König nach Maßgabe des Gesetzes den Landsturm aufbieten. 9 Neufassung durch G. v. 10. Juli 1906 (GS. 333). Das verheißene Unterrichtsgesetz ist noch nicht ergangen. 10 Vgl. jetzt §§ 21—89 BGB. Vielfach sind durch Reichs- und Landesgesetze Korporationsrechte generell erteilt worden, falls gesetzliche Bedingungen erfüllt sind, so den Aktiengesellschaften, Stadtund Landgemeinden. 11 Das Militärrecht unterliegt jetzt der Reichsgesetzgebung. Vgl. hierzu und zu den folgenden Artikeln insbesondere Art. 57 ff. RV., RMilG. v. 2. Mai 1874 (RGBl. 45) mit neuester Änderung v. 22. Juli 19.'3 (RGBl. 593), Wehrordnung in neuer Fassung v. 25. März 1904 (NZBl. 84), MStGB. v. 20. Juni 1872 (RGBl. 174), MStGO. v. 1. Dez. 1898 (RGBl. 1189).

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I. Abschn. Staats- und Reichsverfassung.

Art. 36. Die bewaffnete Macht kann zur Unterdrückung innerer Unruhen und zur Aus­ führung der Gesetze nur in den vom Gesetze bestimmten gälten12 und Formen und auf Requisition der Zivilbehörde verwendet werden. In letzterer Beziehung hat das Gesetz die Ausnahmen zu bestimmen. Art. 37. Ter Militärgerichtsstand des Heeres beschränkt sich auf Strafsachen und wird durch das Gesetz geregelt. Die Bestimmungen über die Militärdisziplin im Heere bleiben Gegenstand besonderer Verordnungen. Art. 38. Tie bewaffnete Macht darf weder in noch außer dem Dienste beratschlagen oder sich anders, als auf Befehl versammeln. Versammlungen und Vereine der Landwehr zur Beratung militärischer Einrichtungen, Befehle und Anordnungen sind auch dann, wenn die­ selbe nicht zusammenberufen ist, untersagt. Art. 39. Auf das Heer finden die in den Artt. 5, 6, 29, 30 und 32 enthaltenen Bestim­ mungen nur insoweit Anwendung, als die militärischen Gesetze und Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen. Art. 40.13 Tie Errichtung von Lehen ist untersagt. Der in bezug auf die vorhandenen Lehen noch bestehende Lehnsverband soll durch gesetzliche Anordnung aufgelöst werden. Art. 41. Tie Bestimmungen des Art. 40 finden auf Thronlehen und auf die außerhalb des Staates liegenden Lehen keine Anwendung. Art. 42. Ohne Entschädigung bleiben aufgehoben nach Maßgabe der ergangenen beson­ deren Gesetze: 1. das mit dem Besitze gewisser Grundstücke verbundene Recht der Ausübung oder Über­ tragung der richterlichen Gewalt (Tit. VI der Verfassungsurkunde) und die aus diesem Rechte fließenden Exemtionen und Abgaben; 2. die aus dem gerichts- und schutzherrlichen Verbände der früheren Erbuntertänigkeit, der früheren Steuer- und Gewerbeverfassung herstammenden Verpflichtungen. Mit den aufgehobenen Rechten fallen auch die Gegenleistungen und Lasten weg, welche den bisher Berechtigten dafür oblagen. Titel III. Vom Könige.11 Art. 43. Die Person des Königs ist unverletzlich. Art. 44. Die Minister des Königs sind veranwortlich. Alle Regierungsakte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung eines Ministers, welcher dadurch die Ver­ antwortlichkeit übernimmt.13 Art. 45. Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu. Er ernennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der Gesetze und erläßt die zu deren Ausführung nötigen Verordnungen. Art. 46. Der König führt den Oberbefehl über das Heer. 12 Vg. wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden v. 26. Dez. 1808 (GS. 1817, S. 282) § 48 und ZPO. § 758; Vg. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der dem Gesetze schuldigen Achtung v. 17. Aug. 1835 (GS. 170) und G. über den Waffengebrauch des Militärs v. 20. März 1837 (GS. 60); KabO. v. 29. Aug. 1818, betr. Teilnahme des Militärs bei der Feuerpolizei (GS. 155), und Bestimmungen über militärische Hilfskommandos bei Notständen v. 28. Febr. 1899 (MBl. 35); Rinderpest-G. vom 7. April 1869 (RGBl. 105). 13 Die ursprünglichen Art. 40—42, durch die u. a. die Stiftung von Familienfideikommissen untersagt und die gutsherrliche Polizeigewalt aufgehoben wurde, erhielten 1852 ihre jetzige Fassung. Für Familienfideikommisse gilt also wieder ALR. II, 4 §§ 47 ff., durch EG.BGB. Art. 59 unberührt. 14 Tie Kgl. Rechte sind im Tit. III nicht erschöpfend aufgezählt, dem Könige stehen vielmehr alle früheren Befugnisse zu, die ihm durch die Verfassungsurkunde nicht ausdrücklich entzogen sind; vgl. ALR. II. 13. 15 Außer Armeebefehlen und Kabinettsorders in Militärangelegenheiten, sofern nicht der Militär­ etat in Frage kommt. Kirchliche Verordnungen des Königs, die nicht Staatsgesetze berühren, werden vom Präsidenten des Ev. Obertirchenrats gegengezeichnet: Art. 13 des G. v. 3. Juni 1876 (GS. 125).

2. Berfassungsurtunde vom 31. Januar 1850.

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Art. 47. Der König besetzt alle Stellen im Heere, sowie in den übrigen Zweigen des Staatsdienstes, sofern nicht das Gesetz ein anderes verordnet. Art. 48. Der König hat das Recht, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, auch andere Verträge mit fremden Regierungen zu errichten. Letztere bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zusümmung der Kammern, sofern es £(mbel5bettTäge16 sind, oder wenn dadurch dem Staate Lasten oder einzelnen Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden. Art. 49. Der König hat das Recht der Begnadigung und Strafmüderung. Zugunsten eines wegen seiner Amtshandlungen verurteilten Ministers kann dieses Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer ausgeübt werden, von welcher die Anklage ausge­ gangen ist. Der König kann bereits eingeleitete Untersuchungen nur auf Grund eines besonderen Gesetzes niederschlagen."

Art. 50. Dem König steht die Verleihung von Orden und anderen mit Vorrechten nicht verbundenen Auszeichnungen zu. Er übt das Münzrecht nach Maßgabe des Gesetzes. Art. 51. Der König beruft die Kammern und schließt ihre Sitzungen. Er kann sie ent­ weder beide zugleich oder auch nur eine auflösen.18 Es müssen aber in einem solchen Falle innerhalb eines Zeitraums von sechzig Tagen nach der Auflösung die Wähler und innerhalb eines Zeitraums von neunzig Tagen nach der Auflösung die Kammern versammelt werden. Art. 52. Der König kann die Kammern vertagen. Ohne deren Zusümmung darf diese Vertagung die Frist von dreißig Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden. Art. 53. Die Krone ist, den Königlichen Hausgesetzen19 gemäß, erblich in dem Manns­ stamme des Königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnattschen Linealfolge. Art. 54. Der König wird mit- Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig. Er leistet in Gegenwart der vereinigten Kammern das eidliche Gelöbnis, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Übereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren.

Art. 55. Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher fremder Reiche sein. Art. 56. Wenn der König minderjährig oder sonst dauernd verhindert ist, selbst zu regieren, so übernimmt derjenige volljährige Agnat (Art. 53), welcher der Krone am nächsten steht, die Regentschaft. Er hat sofort die Kammern zu berufen, die in vereinigter Sitzung über die Notwendigkeit der Regentschaft beschließen. Art. 57. Ist kein volljähriger Agnat vorhanden und nicht bereits vorher gesetzliche Für­ sorge für diesen Fall getroffen, so hat das Staatsministerium die Kammern zu berufen, welche in vereinigter Sitzung einen Regenten erwählen. Bis zum Antritt der Regentschaft von seiten desselben führt das Staatsministerium die Regierung. Art. 58. Der Regent übt die dem Könige zustehende Gewalt in dessen Namen aus. Der­ selbe schwört nach Einrichtung der Regentschaft vor den vereinigten Kammern einen Eid, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu halten und in Übereinsümmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren. 16 Diese gehören jetzt zur ausschließlichen Zuständigkeit des Reichs, Art. 33—35 RB. 17 Außerdem kann er die Strafverfolgung für alle noch nicht anhängigen Straftaten gemeine Amnestie (ohne Gesetz) ausschließen. 18 Jetzt nur das Abgeordnetenhaus, da das Herrenhaus keine Wahttammer mehr ist. lösung des Abgeordnetenhauses zieht aber die gleichzeitige Vertagung des Herrenhauses Art. 77. 18 Insbesondere Testament des Kurfürsten Albr. Achilles (Dispositio Achillea) von 1473, Hausvertrag von 1598/1603 und Ed. Fr. Wilh. I. von 1713.

durch all­ Die Aufnach sich: Geraische

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I. Abschn. Staats- und Reichsverfassung.

Bis zu dieser Eidesleistung bleibt in jedem Falle das bestehende gesamte Staatsministerium für alle Regierungshandlungen verantwortlich. Art. 59. Dem Kronfideikommißfonds verbleibt die durch das Gesetz v. 17. Jan. 1820 auf die Einkünfte der Domänen und Forsten angewiesene Rente, 20 Titel IV. Von den Ministern. Art. 60. Die Minister, sowie die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten haben Zutritt zu jeder Kammer und müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden. Jede Kammer kann die Gegenwart der Minister verlangen. Die Minister haben in einer oder der anderen Kammer nur dann Stimmrecht, wenn sie Mitglieder derselben sind. Art. 61. Die Minister können durch Beschluß einer Kammer wegen des Verbrechens der Verfassungsverletzung, der Bestechung und des Verrates angeklagt werden. Über solche Anklage entscheidet der oberste Gerichtshof der Monarchie in vereinigten Senaten. Solange noch zwei oberste Gerichtshöfe bestehen, treten dieselben zu obigem Zwecke zusammen. Die näheren Besümmungen über die Fälle der Verantwortlichkeit, über das Verfahren und über die Strafen werden einem besonderen Gesetze vorbehalten.^ Titel V. Von den Kammern. Art. 62. Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt. Die Übereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetze erforderlich. Finanzgesetzentwürfe und Staatshaushaltsetats werden zuerst der Zweiten Kammer vor­ gelegt; letztere werden von der Ersten Kammer im ganzen angenommen oder abgelehnt. Art. 63. Nur in dem Falle, wenn die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder die Beseitigung eines ungewöhnlichen Notstandes es dringend erfordert, können, insofern die Kammern nicht versammelt sind, unter Verantwortlichkeit des gesamten Staatsministeriums, Verordnungen, die der Verfassung nicht zuwiderlaufen, mit Gesetzkraft erlassen werden. Dieselben sind aber den Kammern bei ihrem nächsten Zusammentritt zur Genehmigung sofort vorzulegen. Art. 64. Dem Könige, sowie jeder Kammer, steht das Recht zu, Gesetze vorzuschlagen. Gesetzesvorschläge, welche durch eine der Kammern oder den König verworfen worden sind, können in derselben Sitzungsperiode nicht wieder vorgebracht werden. Artt. 65—68.22 Die Erste Kammer wird durch Königliche Anordnung gebildet, welche nur durch ein mit Zustimmung der Kammern zu erlassendes Gesetz abgeändert werden kann. Die Erste Kammer wird zusammengesetzt aus Mitgliedern, welche der König mit erblicher Berechtigung oder auf Lebenszeit beruft. Art. 69. Die Zweite Kammer besteht aus vierhundertdreiundvierzig23 Mitgliedern. Die Wahlbezirke werden durch das Gesetz festgestellt.2* Sie können aus einem oder mehreren Kreisen oder aus einer oder mehreren der größeren Städte bestehen. 20 Im ganzen jetzt 17719296 M, woraus der Unterhalt des Kgl. Hauses, der Kgl. und sämtlicher prinzlicher Hofstaaten sowie die Unterhaltung der Kgl. Schlösser und Gärten mit zu bestreiten ist. 21 Noch nicht ergangen, eine besondere Ministeranklage gibt es daher in Preußen nicht. 22 Ersetzt durch G. v. 7. Mai 1853, betr. die Bildung der Ersten Kammer, und Kgl. Bg. wegen Bildung der Ersten Kammer, v. 12. Okt. 1854 (GS. 541), abgedruckt unter I Nr. 5. — Ditz Erste Kammer hat seit 1855 die Bezeichnung Herrenhaus, die Zweite Haus der Abgeordneten. 23 Ursprünglich 350, erhöht 1851 (Hohenzollern) um 2, 1867 (infolge Einverleibung der drei neuen Provinzen) um 80 Abgeordnete, 1876 (Lauenburg) um 1 Abgeordneten und 1906 um 10 Abgeord­ nete für Berlin mit Vororten und einzelne Wahlkreise des Oppelner, Arnsberger und Düsseldorfer Jndustriebezirks. 24 G. v. 27. Juni 1860 (GS. 367) und mehrere Ergänzungsgesetze.

2. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850.

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Art. 70.25 Jeder Preuße, welcher das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat und in der Gemeinde, in welcher er seinen Wohnsitz hat, die Befähigung zu den Gemeindewahlen besitzt, ist stimmberechtigter Urwähler. Wer in mehreren Gemeinden an den Gemeindewahlen teilzunehmen berechtigt ist, darf das Recht als Urwähler nur in einer Gemeinde ausüben. Art. 71. Aus jede Vollzahl von zweihundertundfünfzig Seelen der Bevölkerung ist ein Wahlmann zu wählen. Die Urwähler werden nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Staatssteuern in drei Abteilungen geteilt, und zwar in der Art, daß auf jede Ab­ teilung ein Dritteil der Gesamtsumme der Steuerbeträge aller Urwähler fällt. Die Gesamtsumme wird berechnet: a) gemeindeweise, falls die Gemeinde einen Urwahlbezirk für sich bildet; b) bezirksweise, falls der Urwahlbezirk aus mehreren Gemeinden zusammengesetzt ist. Die erste Abteilung besteht aus denjenigen Urwählern, auf welche die höchsten Steuer­ beträge bis zum Belaufe eines Dritteils der Gesamtsteuer fallen. Die zweite Abteilung besteht aus denjenigen Urwählern, auf welche die nächst niedrigeren Steuerbeträge bis zur Grenze des zweiten Dritteils fallen. Die dritte Abteilung besteht aus den am niedrigsten besteuerten Urwählern, auf welche das dritte Dritteil fällt. Jede Abteilung wählt besonders, und zwar ein Dritteil der zu wählenden Wahlmänner. Die Abteilungen können in mehrere Wahlverbände eingeteilt werden, deren keiner mehr als fünfhundert Urwähler in sich schließen darf. Die Wahlmänner werden in jeder Abteilung aus der Zahl der stimmberechtigten Urwähler des Urwahlbezirks ohne Rücksicht auf die Abteilungen gewählt. Art. 72. Die Abgeordneten werden durch die Wahlmänner gewählt. Das Nähere über die Ausführung der Wahlen bestimmt das Wahlgesetz, welches auch die Anordnung für diejenigen Städte zu treffen hat, in denen an Stelle eines Teils der direkten Steuern die Mahl- und Schlachtsteuer erhoben wird. Art. 73. Die Legislaturperiode der Zweiten Kammer dauert fünf Jahre. Art. 74. Zum Abgeordneten der Zweiten Kammer ist jeder Preuße wählbar, der das dreißigste Lebensjahr vollendet, den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte infolge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses nicht verloren und bereits drei Jahre dem preußischen Staatsverbande angehört hat. Der Präsident und die Mitglieder der Oberrechnungskammer können nicht Mitglieder eines der beiden Häuser des Landtages sein. Art. 75. Die Kammern werden nach Ablauf ihrer Legislaturperiode neu gewählt. Ein gleiches geschieht im Falle der Auflösung. In beiden Fällen sind die bisherigen Mitglieder wieder wählbar. Art. 76. Die beiden Häuser des Landtages der Monarchie werden durch den König regel­ mäßig in dem Zeitraum von dem Anfange des Monats November jeden Jahres bis zur Mitte des folgenden Januar und außerdem, so oft es die Umstände erheischen, einberufen. Art. 77. Die Eröffnung und die Schließung der Kammern geschieht durch den König in Person oder durch einen dazu von ihm beauftragten Minister in einer Sitzung der vereinigten Kammern. Beide Kammern werden gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und geschlossen. Wird eine Kammer aufgelöst, so wird die andere gleichzeitig vertagt. Art. 78. Jede Kammer prüft die Legitimation ihrer Mitglieder und entscheidet darüber. Sie regelt ihren Geschäftsgang und ihre Disziplin durch eine Geschäftsordnung und erwählt ihren Präsidenten, ihre Vizepräsidenten und Schriftführer. 25 Die Art. 70—72 u. 74 sind bis zum Erlasse des in Art. 72 vorgesehenen Wahlgesetzes gemäß Art. 115 suspendiert. Es gilt noch die Vg. über die Ausführung der Wahl der Abgeordneten zur Zweiten Kammer v. 30. Mai 1849 (ÄS. 206), abgedruckt unter I Nr. 3, nebst G. v. 29. Juni 1893, betr. Änderung des Wahlverfahrens (GS. 103).

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I. Abschn. Staats- und Reichsverfassung.

Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in die Kammer.26 Wenn ein Kammermitglied ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in der Kammer und kann seine Stelle in derselben nur durch neue Wahl wieder erlangen. Niemand kann Mitglied beider Kammern sein. Art. 79. Die Sitzungen beider Kammern sind öffentlich. Jede Kammer tritt auf den An­ trag ihres Präsidenten oder von zehn Mitgliedern zu einer geheimen Sitzung zusammen, in welcher dann zunächst über diesen Antrag zu beschließen ist. Art. 80. Das Haus der Abgeordneten kann keinen Beschluß fassen, wenn nicht die Mehr­ heit der gesetzlichen Anzahl ihrer Mitglieder anwesend ist. Jede Kammer faßt ihre Beschlüsse nach absoluter Stimmenmehrheit, vorbehaltlich der durch die Geschäftsordnung für Wahlen etwa zu bestimmenden Ausnahmen. Das Herrenhaus kann keinen Beschluß fassen, wenn nicht mindestens sechzig der nach Maß­ gabe der Vg. v. 12. Okt. 1854 (GS. 541—544) zu Sitz und Stimme berufenen Mitglieder anwesend sind. Art. 81. Jede Kammer hat für sich das Recht, Adressen an den König zu richten. Niemand darf den Kammern oder einer derselben in Person eine Bittschrift oder Adresse überreichen. Jede Kammer kann die an sie gerichteten Schriften an die Minister überweisen und von denselben Auskunft über eingehende Beschwerden verlangen. Art. 82. Eine jede Kammer hat die Befugnis, behufs ihrer Information Kommissionen zur Untersuchung von Tatsachen zu ernennen. Art. 83. Die Mitglieder beider Kammern sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie stimmen nach ihrer freien Überzeugung und sind an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden. Art. 84. Sie können für ihre Abstimmungen in der Kammer niemals, für ihre darin ausgesprochenen Meinungen nur innerhalb der Kammer auf Grund der Geschäftsordnung (Art. 78) zur Rechenschaft^ gezogen werden. Kein Mitglied einer Kammer kann ohne deren Genehmigung während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der Tat oder im Laufe des nächfolgenden Tages nach derselben ergriffen wird. Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden notwendig.^ Jedes Strafverfahren^ gegen ein Mitglied der Kammer und eine jede Untersuchungs­ oder Zivilhaft wird für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben, wenn die betreffende Kammer es verlangt. Art. 85. Die Mitglieder der Zweiten Kammer erhalten aus der Staatskasse Reisekosten und Diäten nach Maßgabe des Gesetzes. Ein Verzicht hierauf ist unstatthaft. Titel VI. Von der richterlichen Gewalt.^ Art. 86. Die richterliche Gewalt wird im Namen des Königs durch unabhängige, keiner anderen Autorität als der des Gesetzes unterworfene Gerichte ausgeübt. Die Urteile werden im Namen des Königs ausgefertigt und vollstreckt. 26 Auf Reichsbeamten nicht anwendbar. — Stellvertretungskosten unmittelbarer Staats­ beamter sind aus Staatsmitteln zu bezahlen. 27 Auch nicht disziplinarisch. Für das Strafrecht gilt jetzt § 11 StGB. 28 Nach Aufhebung der Schuldhaft (1868) bedeutungslos. 29 D. h. nicht Strafvollstreckungsverfahren. Vgl. auch § 905 ZPO.: Haft (zur Erzwingung des Offenbarungseides). Die Verjährung der Strafverfolgung ruht: § 69 StGB. 30 Die Bestimmungen dieses Titels sind durch die Reichsjustizgesetzgebung Insbesondere das GVG. (in neuer Fassung RGBl. 1898, S. 371), zumeist bedeutungslos geworden. Die Justizverwaltung ist aber Landessache geblieben.

2. Berfassungsurkunde vom 31. Januar 1850.

11

Art. 87. Die Richter werden vom Könige oder in dessen Namen auf ihre Lebenszeit ernannt. Sie können nur durch Richterspruch aus Gründen, welche die Gesetze vorgesehen haben, ihres Amtes entsetzt oder zeitweise enthoben werden. Tie vorläufige Amtssuspension, welche nicht kraft des Gesetzes eintritt, und die unfreiwillige Versetzung an eine andere Stelle oder in den Ruhestand können nur aus den Ursachen und unter den Formen, welche im Gesetze angegeben sind, und nur auf Grund eines richterlichen Beschlusses erfolgen. Auf die Versetzungen, welche durch Veränderungen in der Organisation der Gerichte oder ihrer Bezirke nötig werden, finden diese Bestimmungen keine Anwendung. Art. 87 a. Bei der Bildung gemeinschaftlicher Gerichte für preußische Gebietsteile und Gebiete anderer Bundesstaaten sind Abweichungen von den Bestimmungen des Art. 86 und des ersten Absatzes im Art. 87 zulässig. Art. 88. (Aufgehoben.) Art. 89. Die Organisation der Gerichte wird durch das Gesetz bestimmt. Art. 90. Zu einem Richteramte darf nur der berufen werden, welcher sich zu demselben nach Vorschrift der Gesetze befähigt hat. Art. 91. Gerichte für besondere Klassen von Angelegenheiten, insbesondere Handels- und Gewerbegerichte, sollen im Wege der Gesetzgebung an den Orten errichtet werden, wo das Bedürfnis solche erfordert. Die Organisation und Zuständigkeit solcher Gerichte, das Verfahren bei denselben, die Er­ nennung ihrer Mitglieder, die besonderen Verhältnisse der letzteren und die Dauer ihres Amtes werden durch das Gesetz festgestellt. Art. 92. Es soll in Preußen nur ein oberster Gerichtshof bestehen.^ Art. 93. Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gerichte in Zivil- und Strafsachen sollen öffentlich sein. Die Öffentlichkeit kann jedoch durch einen öffentlich zu verkündenden Beschluß des Gerichts ausgeschlossen werden, wenn sie der Ordnung oder den guten Sitten Gefahr droht. In anderen Fällen kann die Öffentlichkeit nur durch Gesetze beschränkt werden. Art. 94 u. 95. (Aufgehoben.) Art. 96. Die Kompetenz der Gerichte und Verwaltungsbehörden wird durch das Gesetz bestimmt. Über Kompetenzkonflikte zwischen den Verwaltungs- und Gerichtsbehörden entscheidet ein durch das Gesetz bezeichneter Gerichtshof.^ Art. 97. Die Bedingungen, unter welchen öffentliche Zivil- und Militärbeamte wegen durch Überschreitung ihrer Amtsbefugnisse verübter Rechtsverletzungen gerichtlich in Anspruch genommen werden können, bestimmt das Gesetz.^ Eine vorgängige Genehmigung der vor­ gesetzten Dienstbehörde darf jedoch nicht verlangt werden. Titel VII. Bon den nicht zum Richterstande gehörigen Staatsbeamten. Art. 98. Die besonderen Rechtsverhältnisse der nicht zum Richterstande gehörigen Staats­ beamten, einschließlich der Staatsanwälte, sollen durch ein Gesetz geregelt werden, welches, ohne die Regierung in der Wahl der ausführenden Organe zweckwidrig zu beschränken, den Staatsbeamten gegen willkürliche Entziehung von Amt und Einkommen angemessenen Schutz gewährt. 31 Oberster Gerichtshof für Preußen ist jetzt das Reichsgericht in Leipzig. Da­ neben ist das Kammergericht in Berlin höchste Instanz für Landesstrafsachen und das Oberverwal­ tungsgericht in Berlin für Verwaltungsstreitsachen. 32 GBG. § 17, EG. dazu § 17 und Vg. v. 1. Aug. 1879 (GS. 573), betr. die Kompetenz­ konflikte zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden, abgedruckt unter II Nr. 8. 33 G. v. 13. Febr. 1854 (GS. 86), betr. die Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen Amts- und Diensthandlungen, abgedruckt unter Abschn. IX.

12

I. Abschn.

Staats- und Reichsverfassung.

Titel VIII.

Bon den Finanzen.

Art. 99. Alle Einnahmen und Ausgaben des Staats müssen für jedes Jahr im voraus veranschlagt und aus den Staatshaushaltsetat gebracht werden. Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz festgestellt.

Art. 100. Steuern und Abgaben für die Staatskasse dürfen nur, soweit sie in den Staats­ haushaltsetat aufgenommen oder durch besondere Gesetze angeordnet sind, erhoben werden. Art. 101. In betreff der Steuern können Bevorzugungen nicht eingeführt werden. Die bestehende Steuergesetzgebung wird einer Revision unterworfen und dabei jede Be­ vorzugung abgeschafft.

Art. 102. Gebühren können Staats- oder Kommunalbeamte nur auf Grund des Ge­ setzes erheben. Art. 103. Die Aufnahme von Anleihen für die Staatskasse findet nur auf Grund eines Gesetzes3* statt. Dasselbe gilt von der Übernahme von Garantien zu Lasten des Staats. Art. 104. Zu Etatsüberfchreitungen ist die nachträgliche Genehmigung der Kammern er­ forderlich. Die Rechnungen über den Staatshaushaltsetat werden von der Oberrechnungskammer geprüft und festgestellt. Die allgemeine Rechnung über den Staatshaushaltsetat jeden Jahres, einschließlich einer Übersicht der Staatsschulden, wird mit den Bemerkungen der Oberrechnungskammer zur Entlastung der Staatsregierung den Kammern vorgelegt. Ein besonderes Gesetz wird die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer bestimmen.35 Titel IX.

Von den Gemeinden, Kreis-, Bezirks- und Provinzialverbänden.

Art. 105. Die Vertretung und Verwaltung der Gemeinden, Kreise Provinzen des preußischen Staates wird durch besondere Gesetze näher bestimmt.

und

Allgemeine Bestimmungen.

Art. 106. Gesetze und Verordnungen find verbindlich,33 wenn sie in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form bekanntgemacht worden finb.37 Die Prüfung der Rechtsgültigkeit gehörig verkündeter Königlicher Verordnungen steht nicht den Behörden, sondern nur den Kammern zu.

Art. 107. Die Verfassung kann auf dem ordentlichen Wege der Gesetzgebung abgeändert werden, wobei in jeder Kammer die gewöhnliche absolute Stimmenmehrheit bei zwei Ab­ stimmungen, zwischen welchen ein Zeitraum von wenigstens einundzwanzig Tagen liegen muß, genügt. 34 Dadurch sollte das Notverordnungsrecht (Art. 63) nicht ausgeschlossen werden, wie dies z. B. durch die jetzige Fassung der Art. 65—68 und durch Art. 107 geschehen ist. 36 G., bett. die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer, v. 27. März 1872 (GS. 278) und G., betr. den Staatshaushalt, v. 11. Mai 1898 (GS. 77), beide abgedruckt unter Abschn. XII. 36 G. v. 16. Febr. 1874 (GS. 23): Ist in einem durch die Gesetzsammlung verkündeten Erlasse der Zeitpunkt, mit welchem derselbe in Kraft treten soll, nicht bestimmt, so beginnt dessen verbind­ liche Kraft mit dem 14. Tage nach Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück der Gesetzsammlung in Berlin ausgegeben worden ist. In den Konsulargerichtsbezirken mit Ablauf von 2 oder 4 Monaten: NG. über die Konsulargerichtsbarkeit v. 7. April 1900 (RGBl. 213). 37 G., betr. die Bekanntmachung landesherrlicher Erlasse durch die Amtsblätter, v. 10. April 1872 (GS. 357), wenn sie betreffen: Verleihung des Enteignungsrechts und des Rechts zur Entnahme von Wegematerialien sowie zur Erhebung von Chaussee- und Wegegeld, Statuten der Deichverbände und Meliorationsgenossenschaften, Eisenbahnkonzessionen, Reglements für Feuersozietaten und landschaftliche Kreditinstitute, Einrichtung des Landarmen- und Korrigendenwesens, Privilegien zur Ausgabe von Jnhaberpapieren. Zeitpunkt des Inkrafttretens wie in § 141 LBG. In Gesetz­ sammlung ist nachrichtliche Anzeige aufzunehmen.

3. Wahl-Verordnung vom 30. Mai 1849.

13

Art. 108. Die Mitglieder der beiden Kammern und alle Staatsbeamten leisten dem Könige den Eid der Treue und des Gehorsams und beschwören die gewissenhafte Beobach­ tung der Verfassung. Eine Vereidigung des Heeres auf die Verfassung findet nicht statt. Art. 108. Die bestehenden Steuern und Abgaben werden forterhoben,38 und alle Be­ stimmungen der bestehenden Gesetzbücher, einzelnen Gesetze und Verordnungen, welche der gegenwärtigen Verfassung nicht zuwiderlaufen, bleiben in Kraft, bis sie durch ein Gesetz ab­ geändert werden. Art. 110. Alle durch die bestehenden Gesetze angeordneten Behörden bleiben bis zur Ausführung der sie betreffenden organischen Gesetze in Tätigkeit. Art. 111. Für den Fall eines Krieges oder Aufruhrs können bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit die Art. 5, 6, 7, 27, 28, 29, 30 und 36 der Verfassungsurkunde zeit- und distriktsweise außer Kraft gesetzt werden. Das Nähere bestimmt das Gesetz. Übergangsbestimmungen. Art. 112.

(Aufgehoben, s. Art. 26.]

Art. 113. Vor der erfolgten Revision des Strafrechts wird über Vergehen, welche durch Wort, Schrift, Druck oder bildliche Darstellung begangen werden, ein besonderes Gesetz ergehen. Art. 114. (Aufgehoben, s. Art. 42.] Art. 115. Bis zum Erlasse des im Art. 72 vorgesehenen Wahlgesetzes bleibt die Bg. v. 30. Mai 1849, die Wahl der Abgeordneten zur Zweiten Kammer betreffend, in Kraft. Art. 110. (Weggefallen.] Art. 117. Auf die Ansprüche der vor Verkündigung der Verfassungsurkunde etatsmäßig angestellten Staatsbeamten soll im Staatsdienergesetz besondere Rücksicht genommen werden. Art. 118. Sollten durch die für den deutschen Bundesstaat auf Grund des Entwurfs v. 26. Mai 184938 festzustellende Verfassung Abänderungen der gegenwärtigen Verfassung nötig werden, so wird der König dieselben anordnen und diese Anordnungen den Kammern bei ihrer nächsten Versammlung mitteilen. Die Kammern werden dann Beschluß darüber fassen, ob die vorläufig angeordneten Ab­ änderungen mit der Verfassung des deutschen Bundesstaats in Übereinstimmung stehen. Art. 119. Das im Art. 54 erwähnte eidliche Gelöbnis des Königs, sowie die vorgeschriebene Vereidigung der beiden Kammern und aller Staatsbeamten, erfolgen sogleich nach der auf dem Wege der Gesetzgebung vollendeten gegenwärtigen Revision dieser Verfassung (Art. 62 und 108).

3. Verordnung vom 30. Mai 1849 über die Ausführung der Wahl der Abgeordneten zur Zweiten Kammer ( 20

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II. Abschn. Allgemeine Verwaltung und Behördeneinrichtung.

8. Kgl. Verordnung, betr. die Kompetenztonflikte zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbehörden. Vom 1. August 1879 (GS. 573), mit den Zusätzen des G. vom 22. Mai 1902 (GS. 145). § 1. Die Entscheidung von Streitigkeiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs erfolgt in den durch diese Verordnung bestimmten Fällen durch den Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte. § 2. Der Gerichtshof besteht aus elf Mitgliedern, von denen sechs dem Oberlandesgericht zu Berlin angehören müssen. Die anderen fünf Mitglieder müssen für den höheren Verwaltungsdienst oder zum Richteramt befähigt sein. Zum Mitgliede kann nur ernannt werden, wer das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet hat. Die Mitglieder werden für die Dauer des zur Zeit ihrer Ernennung von ihnen bekleideten Amtes oder, falls sie zu dieser Zeit ein Amt nicht beneiden, auf Lebenszeit ernannt. Eine Enthebung vom Amte kann nur unter denselben Voraussetzungen wie bei den Mitgliedern des Reichsgerichts stattfinden. Der Vorsitzende und die übrigen Mitglieder werden vom Könige auf den Vorschlag des Staatsministeriums ernannt. § 3. Der Gerichtshof entscheidet in der Besetzung von sieben Mitgliedern. Die Geschäftsordnung, insbesondere die Befugnisse des Vorsitzenden und die Reihenfolge, in welcher die Mitglieder an den einzelnen Sitzungen teilzunehmen haben, werden durch ein Regulativ geordnet, welches der Gerichtshof zu entwerfen und dem Staatsministerium zur Bestätigung einzureichen hat. § 4. Der Gerichtshof entscheidet, wenn die Verwaltungsbehörden den Rechtsweg in einem bei den Gerichten anhängigen bürgerlichen Rechtsstreite für unzulässig erachten und deshalb der Kompetenzkonflikt erhoben wird. Der Kompetenzkonflikt kann nicht erhoben werden, wenn die Zulässigkeit des Rechtswegs in der Sache durch rechtskräftiges Urteil des Gerichts feststeht. Das gleiche gilt, wenn ein mit der Revision anfechtbares Urteil des Gerichts ergangen ist. § 5. Zur Erhebung des Kompetenzkonflikts ist nur die Zentral- und die Provinzial­ verwaltungsbehörde befugt. Dieselben können den Kompetenzkonflikt auch dann erheben, wenn die Zuständigkeit zur Entscheidung der Sache für die Verwaltungsgerichte in Anspruch genommen wird. Hat die Provinzialbehörde mehrere Abteilungen, so steht die Erhebung des Kompetenzkonflikts dem Plenum zu. § 8. Die Erhebung des Kompetenzkonflikts erfolgt bei dem Gerichte, bei welchem die Sache anhängig ist, durch die schriftliche Erklärung der Verwaltungsbehörde, daß der Rechts­ weg für unzulässig erachtet werde. Der Erklärung soll eine Begründung beigefügt werden. Wird die Erklärung bei einem Gerichte, bei welchem die Sache nicht anhängig ist, abgegeben, so hat dieses die Erklärung an das zuständige Gericht zu übersenden. § 7. Das Prozeßverfahren wird durch die Erhebung des Kompetenzkonflikts für die Dauer des denselben betreffenden Verfahrens unterbrochen (§ 249 der ZPO.). Durch die nach dem Schlüsse einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung wird auch die Ver­ kündung einer Entscheidung gehindert. Das Gericht hat die Verwaltungsbehörde von dem Eingänge der Erklärung und die Par­ teien von der Erhebung des Kompetenzkonflikts von Amts wegen zu benachrichtigen. Den Parteien ist zugleich eine Abschrift der Erklärung zu übersenden. § 8. Ist die Sache bei einem Gericht höherer Instanz anhängig, so sind die Prozeßakten, unter Beifügung der Erklärung der Verwaltungsbehörde und der Zustellungsurkunden über die Benachrichtigung der Parteien, dem Gerichtsschreiber des Gerichts erster Instanz zurückzusenden.

8. Verordnung, betr. die Äompetenzkonflikte.

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§ Innerhalb der Frist eines Monats, die mit der Zustellung der Benachrichtigung beginnt, können die Parteien bei dem Gericht erster Instanz einen Schriftsatz über den Kompetenzkonflikt einreichen. Der Schriftsatz muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Öffentliche Behörden, sowie Personen, welche zum Richteramt befähigt sind, können den Schriftsatz ohne Zuziehung eines Rechtsanwalts einreichen. Das Gericht hat der Verwaltungsbehörde und der Gegenpartei den Schriftsatz in Abschrift mitzuteilen. Die erforderliche Zahl von Abschriften ist von der Partei einzureichen. Sind innerhalb der Frist Schriftsätze nicht eingegangen, so hat das Gericht der Verwaltungs­ behörde davon Anzeige zu machen. § 10. Nach Eingang der Schriftsätze der Parteien oder, wenn Schriftsätze nicht eingegangen sind, nach Ablauf der im § 9 bestimmten Frist sendet das Gericht die Akten mittels gutacht­ lichen Berichts an das Oberlandesgericht, welches ihn unter Beifügung seines Gutachtens dem Jusüzminister überreicht. Der Jusüzminister sendet die Akten und die Gutachten der Gerichte an den Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte und setzt davon den beteiligten Verwaltungschef in Kenntnis. § 11. Die Provinzialverwaltungsbehörden haben an den beteiligten Verwaltungsches Anzeige von der Erhebung des Kompetenzkonflikts zu erstatten und unter Vorlegung der ErNärungen der Parteien gutachüich zu berichten. Der Verwaltungschef kann dem Gerichtshof eine schriftliche Erklärung über den Kom­ petenzkonflikt mitteilen. Er ist befugt, den Kompetenzkonflikt zurückzunehmen. In diesem Falle werden die Akten von dem Gerichtshof an den Jusüzminister und von diesem an das Gericht, bei welchem die Sache anhängig war, zurückgesandt. Das Gericht hat den Parteien die Zurücknahme des Kompetenzkonflikts von Amts wegen anzuzeigen. § 12. Die Entscheidung des Gerichtshofes über den Kompetenzkonflikt erfolgt auf Grund mündlicher Verhandlung in öffentlicher Sitzung. Die Vorschriften der §§ 170 bis 185 des GVG. über Öffentlichkeit und Sitzungspolizei, sowie die Vorschriften der §§ 159 ff. der ZPO. über die Aufnahme eines Protokolls finden entsprechende Anwendung. § 13. Der Termin zur mündlichen Verhandlung wird von dem Vorsitzenden von Amts wegen bestimmt. Die Parteien sind zu dem Termin von Amts wegen zu laden. Das Erscheinen der Parteien oder eines Vertreters ist nicht erforderlich. Die Parteien müssen sich, wenn sie in dem Termin verhandeln wollen, durch einen Rechts­ anwalt vertreten lassen. Diese Vorschrift findet auf öffentliche Behörden und auf Personen, welche zum Richteramt befähigt sind, keine Anwendung. Die Besümmung des Termins ist dem beteiligten Verwaltungschef anzuzeigen. Derselbe kann einen Beamten mit seiner Vertretung beauftragen. § 14. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung gibt ein von dem Vorsitzenden be­ auftragtes Mitglied des Gerichtshofes eine Darstellung der bisher stattgefundenen Ver­ handlungen. Sodann werden die Vertreter der Parteien und der von dem Verwaltungs­ chef abgeordnete Beamte gehört. § 15. Das Urteil kann nur von denjenigen Mitgliedern gefällt werden, welche der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung beigewohnt haben. Die Verkündung des Urteils erfolgt in dem Termin, in welchem die mündliche Verhand­ lung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termin, welcher nicht über eine Woche hinaus angesetzt werden soll. In dem Urteil sind die Namen der Mitglieder, welche bei der Entscheidung mitgewirkt haben, anzugeben.

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II. Abschn.

Allgemeine Verwaltung und Behördeneinrichtung.

§ 16. Die Ausfertigungen der Urteile sind von dem Vorsitzenden zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. § 17. Eine Ausfertigung des Urteils ist dem Verwaltungschef, eine andere mit den gerichtlichen Akten dem Justizminister mitzuteilen. Der Justizminister übersendet die Ausfertigung des Urteils mit den Akten an das Gericht, bei welchem die Sache anhängig war. Das Gericht hat den Parteien das Urteil von Amts wegen zustellen zu lassen. § 18. Ist der Rechtsweg für unzulässig erkannt, so werden Gerichtskosten nicht erhoben und die bereits erhobenen zurückgezahlt; eine Erstattung der den Parteien erwachsenen Kosten findet nicht statt. § 19. Ist zur Zeit der Erhebung des Kompetenzkonflikts ein in dem Rechtsstreit erlassenes Urteil vorläufig vollstreckbar, so hat das Gericht, bei welchem die Sache anhängig ist, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung von Amts wegen anzuordnen. Gegen diese Entscheidung findet kein Rechtsmittel statt. Wird der Rechtsweg für zulässig erkannt oder der Kompetenzkonflikt zurückgenommen, so ist die Entscheidung von Amts wegen wieder aufzuheben. § 20. Das durch die Erhebung eines Kompetenzkonflikts veranlaßte Verfahren ist gebührenund stempelfrei. Bare Auslagen werden nicht in Ansatz gebracht. Eine Erstattung der den Parteien erwachsenen Kosten findet nicht statt. § 21. Haben in einer Sache einerseits die Gerichte und andererseits die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte ihre Unzuständigkeit endgültig ausgesprochen, weil von den Gerichten die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte und von diesen die Gerichte für zuständig erachtet sind, so entscheidet der Gerichtshof über den Kompetenzkonflikt auf Antrag einer bei der Sache beteiligten Partei. Der Antrag ist bei dem Gericht anzubringen, bei welchem die Sache in erster Instanz anhängig war. Der Antrag ist der Gegenpartei von Amts wegen zuzustellen. Diese kann innerhalb der Frist eines Monats einen Schriftsatz über den Kompetenzkonflikt einreichen. Im übrigen finden die Vorschriften der §§ 9 bis 17, 20 dieses Gesetzes entsprechende AnWendung. Der Gerichtshof hat in seinem Urteile die demselben entgegenstehenden Entscheidungen aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an die betrefsende Instanz zu verweisen. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn die Unzuständigkeit der Gerichte von dem Reichsgericht ausgesprochen ist. (Zusätze des G. vom 22. Mai 1902, GS. 145.)

Art. 2. Hat in einer Sache der Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte auf Grund des § 4 oder des § 21 der Vg. v. 1. Aug. 1879 den Rechtsweg für zulässig erklärt, so ist die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden oder der Verwaltungsgerichte ausgeschlossen. Art. 3. Hat in einer Sache das Reichsgericht die Unzulässigkeit des Rechtsweges aus­ gesprochen, so können die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte sich nicht deshalb für unzuständig erklären, weil sie den Rechtsweg für zulässig erachten. Hatten vor der Entscheidung des Reichsgerichts die Verwaltungsbehörden oder Verwaltungsgerichte sich aus dem bezeichneten Grunde endgültig für unzuständig erklärt, so hat auf Antrag einer bei der Sache beteiligten Partei diejenige Instanz, von welcher die Un­ zuständigkeit endgültig ausgesprochen worden ist, die frühere Entscheidung aufzuheben und nach Maßgabe der Vorschrift des Abs. 1 anderweitige Entscheidung zu treffen; die Sache kann zur anderweitigen Entscheidung an eine Vorinstanz zurückverwiesen werden.

m. Abschnitt.

Kommunalverfassung. I. Städteordnung für die sieben östlichen Provinzen der Preußischen Monarchie. Vom 30. Mai 1853 (GS. 261). § 1. Die gegenwärtige Städteordnung soll in den bisher auf dem Provinziallandtage im Stande der Städte vertretenen Städten der Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien, Posen und Sachsen zur Anwendung kommen, desgleichen in den im Stande der Städte nicht vertretenen Ortschaften dieser Provinzen, in welchen bisher eine der beiden Städteordnungen vom 19. November 1808 und vom 17. März 1831 gegolten hat. In Ansehung derjenigen im Stande der Städte auf den Provinziallandtagen nicht ver­ tretenen Ortschaften (Flecken), wo bisher weder eine dieser Städteordnungen gegolten, noch die ländliche Gemeindeverfassung bestanden hat, bleibt die nähere Festsetzung ihrer Ge­ meindeverhältnisse, mit Berücksichtigung der Vorschriften im Titel VIII der gegenwärtigen Städteordnung, der Bestimmung des Königs nach Anhörung des Provinziallandtages vor­ behalten. Wegen der Städte in Neuvorpommern und Rügen ergeht ein besonderes Gesetz.* Titel I. Von den Grundlagen der städtischen Verfassung. § 2. Den städtischen Gemeindebezirk (Stadtbezirk) bilden alle diejenigen Grundstücke, welche demselben bisher angehört haben. Grundstücke, welche bisher noch keinem Gemeinde- oder selbständigen Gutsbezirke angehört haben, lönnen nach Vernehmung der Beteiligten und nach Anhörung des Kreistages durch Beschluß des Bezirksausschusses mit dem Stadtbezirk vereinigt werden. Gne Bereinigung eines ländlichen Gemeinde- oder eines selbständigen Gutsbezirks mit einer Stadtgemeinde kann nach Anhörung der beteiligten Gemeinde und des Gutsbesitzers, sowie des Kreistages und des Bezirksausschusses? mit Königlicher Genehmigung erfolgen, wenn die Beteiligten hiermit einverstanden sind. Wenn ein Einverständnis der Beteiligten nicht zu erzielen ist, so ist die Zustimmung derselben, sofern das öffentliche Interesse dies erheischt, im Beschlußverfahren nach erfordertem Gutachten des Kreistages durch den Bezirks­ ausschuß zu ersetzen. Gegen den auf Beschwerde13 ergehenden 2 Beschluß des Provinzialrats 1 G., betr. die Verfassung der Städte in Neuvorpommern und Rügen, v. 31. Mai 1853 (GS. 291). Darin ist das bisherige deutsche und schwedische Städterecht grundsätzlich aufrechterhalten. Doch bestimmt das Gesetz, daß für jede Stadt ein besonderer Stadtrezeß festzustellen ist, welcher der Be­ stätigung des Königs bedarf und für welchen im Gesetze einige Grundbestimmungen gegeben sind. — Magistrat und Repräsentantenkollegium; der Bürgermeister wird vom Könige ernannt. 2 Diese Anhörung des Bezirksausschusses ist in der Fassung der StOg. von v. Brauchitsch, Preuß. Verwaltungsgesetze, nicht vorgesehen, folgt aber aus der neueren Gesetzgebung und der rechtlichen Natur der Sache. 3 Und zwar sowohl der Beteiligten als auch des Vorsitzenden des Bez.-Ausschusses nach Maß­ gabe des § 123 LBG. „Beteiligte" sind hier nur die (ganzen) Gemeinden und die Besitzer der Guts­ bezirke, nicht etwa die Besitzer einzelner Grundstücke darin. Anders in den Fällen der Abs. 2 u. 4.

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III. Abschn. Kommunalverfassung.

steht dem Oberpräsidenten, wenn er das öffentliche Interesse durch denselben für gefährdet erachtet, nach Maßgabe des § 123 des G. über die allgemeine Landesverwaltung v. 30. Juli 1883 (GS. 195) die weitere Beschwerde an das Staatsministerium offen. Ter mit Gründen zu versehende Beschluß des Staatsminifteriums ist dem Oberpräsidenten behufs Zustellung an die Beteiligten zuzufertigen.* Die Abtrennung einzelner Teile von einem Stadtbezirk und deren Bereinigung mit einem angrenzenden Gemeinde- oder selbständigen Gutsbezirk, sowie die Abtrennung einzelner bisher zu einer anderen Gemeinde oder zu einem selbständigen Gute gehörender Grund­ stücke und deren Vereinigung mit einem angrenzenden Stadtbezirk kann nach erfordertem Gutachten des Kreistages durch Beschluß des Bezirksausschusses vorgenommen werden, wenn außer den Vertretungen der beteiligten Gemeinden und den beteiligten Gutsbesitzern auch die Eigentümer jener Grundstücke darin einwilligen, yder wenn beim Widerspruche Beteiligter das öffentliche Interesse es erheischt. Gegen den auf Beschwerde ^ ergehenden Beschluß des Provinzialrats steht dem Oberpräsidenten die weitere Beschwerde an das StaatsMinisterium nach Maßgabe des dritten Absatzes offen. Ein öffentliches Interesse im Sinne des dritten und vierten Absatzes ist nur dann als vorliegend anzusehen, a) wenn Landgemeinden oder Gutsbezirke ihre öffentlichrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen außerstande sind. Bei Beurteilung dieser Frage sind Zuwendungen, welche Gemeinden und Gutsbezirken vom Staate oder größeren Kommunalverbänden zustehen, nicht als bestimmend zu erachten; b) wenn die Zersplitterung eines Gutsbezirks oder die Bildung von Kolonien in einem Gutsbezirke die Abtrennung einzelner Teile desselben und deren Zuschlagung zu einer oder mehreren Stadtgemeinden notwendig macht; c) wenn infolge örtlich verbundener Lage von Landgemeinden oder von Gutsbezirken oder Teilen derselben mit Stadtgemeinden ein erheblicher Widerstreit der kommunalen Interessen entstanden ist, dessen Ausgleichung auch durch Bildung von Verbänden im Sinne der §§ 128 ff. der Landgemeindeordnung v. 3. Juli 1891 (GS. 233) nicht zu erreichen ist. In den vorstehend bezeichneten, der Königlichen Genehmigung unterliegenden Fällen ist vor deren Erwirkung der Beschluß des Bezirksausschusses oder des Provinzialrats, sowie das Gutachten des Kreistages den Beteiligten mitzuteilen. Über die infolge derartiger Veränderungen notwendig werdende Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten beschließt der Bezirksausschuß vorbehaltlich der den Beteiligten gegeneinander zustehenden Klage im Verwaltungsstreitversahren bei dieser Behörde. Bei dieser Auseinandersetzung sind erforderlichenfalls Bestimmungen ur Ausgleichung der öffentlichrechtlichen Interessen der Beteiligten zu treffen. Insbesondere können einzelne Beteiligte im Verhältnisse zu anderen Beteiligten, welche für gewisse kommunale Zwecke bereits vor der Vereinigung für sich allein Fürsorge getroffen haben, oder solche Beteiligte, welche vorwiegend Lasten in die neue Gemeinschaft bringen, zu Vorausleistungen verpflichtet werden. Auch kann, wenn eine (Stadt- oder Land-) Gemeinde oder der Besitzer eines Gutsbezirks durch die Abtrennung von Grundstücken eine Erleichterung in öffentlichrechtlichen Verpflichtungen erfährt, der (Stadt- oder Land-) Gemeinde, welcher, oder dem Gutsbezirke, welchem jene Grundstücke einverleibt werden, ferner der neuen Gemeinde oder dem neuen Gutsbezirke, welche aus letzteren gebildet werden, eine Beihilfe zu den ihnen durch die Be4 Der Gesetzestext ist hier und im folgenden in der Fassung wiedergegeben, welche er durch die neuere Gesetzgebung, insbesondere LVG., ZustG., LGO. (§§ 2 u. 3), KAbgG. und KBeamtG. er­ halten hat. übrigens ist die Neufassung hier nur insoweit vorgenommen worden, als ursprüng­ liche Bestimmungen der StOg. selbst durch die neueren Gesetze eine Abänderung oder ausdrückliche Zusätze erhalten haben. Dagegen ist die von manchen Kommentatoren vorgenommene umfangreiche Hinzufügung ergänzender Bestimmungen grundsätzlich unterlassen worden, weil dies den Leser dazu verleitet, solche Hinzufügungen als Bestimmungen der StOg. anzuführen, was rechtlich un­ zulässig ist.

1. Städteordnung für die östlichen Provinzen.

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zirksveränderung erwachsenen Ausgaben bis zur Höhe des der anderen (Stadt- oder Land-) Gemeinde oder dem Gutsbesitzer dadurch entstehenden Vorteils zugebilligt werden. Im Falle der Bereinigung von Gemeinden geht das Vermögen derselben auf die neugebikdete Gemeinde über. Privatrechtliche Verhältnisse dürfen durch dergleichen Veränderungen niemals gestört werden. Eine jede solche Veränderung ist durch das Regierungsamtsblatt bekanntzumachen. Beränderungen, welche bei Gelegenheit einer Gemeinheitsteilung vorkommen, unterliegen diesen Bestimmungen nicht.

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§ 3 Alle Einwohner des Stadtbezirks,* mit Ausnahme der servisberechtigten Militär­ personen des aktiven Dienststandes, gehören zur Stadtgemeinde. Als Einwohner werden diejenigen betrachtet, welche in dem Stadtbezirk nach den Be­ stimmungen der Gesetze ihren Wohnsitz haben.

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§ 4 Alle Einwohner des Stadtbezirks sind zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeinde­ anstalten der Stadt berechtigt und zur Teilnahme an den städtischen Gemeindelasten nach den Vorschriften des KAbgG. v. 14. Juli 1893 (GS. 152) verpflichtet. Die Bestimmungen besonderer Stiftungen, welche mit dergleichen städtischen Gemeinde­ anstalten verbunden sind, sowie die hinsichtlich solcher Anstalten auf besondern Titeln beruhen­ den Privatrechte werden hierdurch nicht berührt. § 5. Das Bürgerrecht besteht in dem Rechte zur Teilnahme an den Wahlen, sowie in der Befähigung zur Übernahme unbesoldeter Ämter in der Gemeindeverwaltung und zur Gemeindevertretung. Jeder selbständige Preuße erwirbt dasselbe, wenn er seit einem Jahre 1. Einwohner des Stadtbezirks ist und zur Stadtgemeinde gehört (§ 3), 2. keine Armenunterstützung aus öffentlichen Mtteln empfangen, 3. die ihn betreffenden Gemeindeabgaben bezahlt hat und außerdem 4. entweder: a) ein Wohnhaus im Stadtbezirk besitzt (§ 16), oder b) ein stehendes Gewerbe selbständig als Haupterwerbsquelle und in Städten von mehr als 10000 Einwohnern mit wenigstens zwei Gehilfen selbständig betreibt, oder c) zur Staatseinkommensteuer oder d) zu einem fingierten Normalsteuersatze von mindestens vier Mark veranlagt ist oder ein Einkommen von mehr als 660 2Barf6 7bezieht. Steuerzahlungen, Einkommen, Haus- und Grundbesitz der Ehefrau werden dem Ehemann, Steuerzahlungen, Ankommen, Haus- und Grundbesitz der minderjährigen, bzw. der in elter­ licher Gewalt des Vaters befindlichen Kinder dem Vater angerechnet. In den Fällen, wo ein Haus durch Vererbung auf einen anderen übergeht, kommt dem Erben bei Berechnung der Dauer des einjährigen Wohnsitzes die Besitzzeit des Erblassers zugute. Als selbständig wird nach vollendetem vierundzwanzigsten Lebensjahre ein jeder betrachtet, der einen eigenen Hausstand? hat, sofern ihm nicht das Berfügungsrecht über sein Vermögen oder dessen Verwaltung durch richterlichen Beschluß entzogen ist. Inwiefern über die Erlangung des Bürgerrechts von dem Magistrat eine Urkunde (Bürger­ brief) zu erteilen ist, bleibt den statutarischen Anordnungen vorbehalten. § 6. Verlegt ein Bürger seinen Wohnsitz nach einer anderen Stadt, so kann ihm das Bürger, recht in seinem neuen Wohnort, wenn sonst die Erfordernisse zur Erlangung desselben vor6 Die StOg. unterscheidet Stadteinwohner, Bürger (§§ 5 ff.) und sonstige Stimmberechtigte (§ 8). 6 Fassung gemäß § 82 EinkkommenstG. 7 wenn auch nicht mit eigenen Möbeln. Zur „Selbständigkeit" im Sinne dieser Bestimmung gehört also nur, daß der Betreffende nicht einem fiemden Hausstande angehört; sog. Schlafburschen sind nicht selbständig (OVG. 14, S. 171; 37, S. 14). Reich elt, Berwaltungsgesetze.

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III. Abschn. Kommunalverfassung.

Handen sind, von dem Magistrate im Einverständnisse mit der Stadtverordnetenversammlung (§ 12) schon vor Ablauf eines Jahres verliehen werden. Diese ^Bestimmungen finden auch auf den Fall Anwendung, wenn der Besitzer eines, einen besonderen Gutsbezirk bildenden Gutes oder ein stimmberechtigter Einwohner einer Landgemeinde seinen Wohnsitz nach einer Stadt verlegt. Der Magistrat ist, im Einverständnis mit der Stadtverordnetenversammlung, befugt, Männern, welche sich um die Stadt verdient gemacht haben, ohne Rücksicht auf die oben gedachten besonderen Erfordernisse, das Ehrenbürgerrecht zu erteilen, wodurch keine städtischen Verpflichtungen entstehen. § 7. Wer infolge rechtskräftigen Erkenntnisses der bürgerlichen Ehrenrechte verlustig geworden (§§ 32 bis 35 des Reichsstrafgesetzbuches), verliert dadurch für die im Urteil be­ stimmte Zeit auch das Bürgerrecht und die Befähigung, dasselbe zu erwerben. sAbs. 3.] Ist gegen einen Bürger wegen eines Verbrechens oder wegen eines Vergehens, welches die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte nach sich ziehen kann, das Haupt­ verfahren eröffnet oder ist derselbe zur gerichtlichen Haft gebracht, so ruht die Ausübung des ihm zustehenden Bürgerrechts so lange, bis die gerichtliche Untersuchung beendigt ist. Das Bürgerrecht geht verloren, sobald eines der zur Erlangung desselben vorgeschriebenen Erfordernisse bei dem bis dahin dazu Berechtigten nicht mehr zutrifft. Verfällt ein Bürger in Konkurs, so ruht sein Bürgerrecht bis zur Beendigung des Ver­ fahrens. § 8. Wer in einer Stadt seit einem Jahre mehr als einer der drei höchstbesteuerten Ein­ wohner sowohl an direkten Staats-, als an Gemeindeabgaben entrichtet, ist, auch ohne im Stadtbezirk zu wohnen, oder sich daselbst aufzuhalten, berechtigt, an den Wahlen teilzunehmen, falls bei ihm die übrigen Erfordernisse dazu vorhanden sind. Dasselbe Recht haben juristische Personen, wenn sie in einem solchen Maße in der Ge­ meinde besteuert sind. § 9. Die Stadtgemeinden sind Korporationen; denselben steht die Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes zu. § 10. In den Städten wird ein Magistrat (kollegialischer Stadtverordnetenversammlung gebildet, welche nach näherer selben vertreten. Der Magistrat ist die Obrigkeit der Stadt Gemeindeangelegenheiten. Die Ausnahmen bestimmt Titel

Gemeindevorstand) und eine Vorschrift dieses Gesetzes dieund verwaltet die städtischen VIII.

§ 11. Jede Stadt ist befugt, besondere statutarische Anordnungen zu treffen 1. über solche Angelegenheiten der Stadtgemeinde, sowie über solche Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder, hinsichtlich deren das gegenwärtige Gesetz Verschiedenheiten gestattet, oder keine ausdrücklichen Bestimmungen enthält; 2. über sonstige eigentümliche Verhältnisse und Einrichtungen, insbesondere hinsichtlich der den gewerblichen Genossenschaften bei Einteilung der stimmfähigen Bürger und bei Bildung der Wahlversammlungen und der städtischen Vertretung zu gewährenden angemessenen Berücksichtigung? Dergleichen Anordnungen bedürfen der Bestätigung des Bezirksausschusses. Titel II.

Von der Zusammensetzung und Wahl der Stadtverordneten­ versammlung.

§ 12. Die Stadtverordnetenversammlung besteht aus zwölf Mitgliedern in Stadtge­ meinden von weniger als 2500 Einwohnern, 8 Auf statutarische Regelung verweisen ferner folgende Gesetze: GewOg., GewerbegerG., KaufmannsgerG., BaufluchtlG., KAbgG-, KBeamtG. u. a. — Die StOg. enthält keine Vorschriften über die Notwendigkeit und Art der Veröffentlichung von Ortssatzungen. Die Unterlassung der Veröffentlichung, wie zweckmäßig sie auch ist, macht daher, wenn sie nicht in der Ortssatzung selbst

1. Städteordnung für die östlichen Provinzen.

aus 18 24 30 36 42 48 54 60

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in Gemeinden von 2500 bis 5000 Einwohnern, „ „ „ 5001 „ 10000 „ „ „ 10001 „ 20000 „ „ „ 20001 „ 30000 „ 30001 „ 50000 „ „ „ 50001 „ 70000 „ „ „ 70001 „ 90000 „ „ 90001 „ 120000 „ „

In Gemeinden von mehr als 120000 Einwohnern treten für jede weiteren 50000 Ein­ wohner sechs Stadtverordnete hinzu. Wo die Zahl der Stadtverordneten bisher eine andere gewesen ist, verbleibt es bei dieser Zahl, bis durch statutarische Anordnung, welcher überhaupt abweichende Festsetzungen über die Zahl der Stadtverordneten vorbehalten werden, eine Änderung getroffen ist. § 18. Zum Zwecke der Wahl der Stadtverordneten werden die stimmfähigen Bürger (§§ 5 bis 8) nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Staats-, Gemeinde-, Kreis- und Provinzialsteuern in drei Abteilungen geteilt, und zwar in der Art, daß auf jede Abteilung ein Dritteil der Gesamtsumme der Steuerbeträge aller Wähler fällt? Für jede nicht zur Staatseinkommensteuer veranlagte Person ist an Stelle dieser Steuer ein Betrag von drei Mark zum Ansätze zu bringen. Wo direkte Gemeindesteuern nicht erhoben werden, tritt an deren Stelle die vom Staate verlangte Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer. Personen, welche vom Staate zu einer Steuer nicht veranlagt sind, wählen stets in der dritten Abteilung. Verringert sich infolgedessen die auf die erste und zweite Abteilung entfallende Gesamtsteuersumme, so findet die Bildung dieser Abteilungen in der Art statt, daß von der verbleiben­ den Summe auf die erste und zweite Abteilung je die Hälfte entfällt. In die erste beziehungsweise zweite Abteilung gehört auch derjenige, dessen Steuerbetrug nur teilweise in das erste beziehungsweise zweite Drittel fällt. Steuern, die für Grundbesitz oder Gewerbebetrieb in einer anderen Gemeinde entrichtet werden, sowie die Steuern für die im Umherziehen betriebenen Gewerbe sind bei der Bildung der Abteilungen nicht anzurechnen. Kein Wähler kann zweien Abteilungen zugleich angehören. Läßt sich weder nach dem Steuerbetrage, noch nach der alphabetischen Ordnung der Namen bestimmen, welcher unter mehreren Wählern zu einer bestimmten Abteilung zu rechnen ist, so entscheidet das Los. Jede Abteilung wählt ein Drittel der Stadtverordneten, ohne dabei an die Wähler der Abteilung gebunden zu sein. § 14. Gehören zu einer Abteilung mehr als fünfhundert Wähler, so kann die Wahl der­ selben nach dazu gebildeten Wahlbezirken geschehen. Enthält eine Stadtgemeinde mehrere Ortschaften, so kann dieselbe mit Rücksicht hierauf in Wahlbezirke eingeteilt werden. Die Anzahl und die Grenzen der Wahlbezirke, sowie die Anzahl der von einem jeden derselben zu wählenden Stadtverordneten, werden nach Maßgabe der Zahl der stimmfähigen Bürger von dem Magistrat festgesetzt. Ist eine Änderung der Anzahl oder der Grenzen der Wahlbezirke oder der Anzahl der von einem jeden derselben zu wählenden Stadtverordneten wegen einer in der Zahl der stimm­ fähigen Bürger eingetretenen Änderung oder aus sonstigen Gründen erforderlich geworden, oder in besonderen Gesetzen vorgesehen ist, die Ortssahung nicht ungültig (OBG. 25, S. 17; 38, S. 101). Übrigens wird vom Erlasse einer förmlichen Ortssatzung in allen denjenigen Fällen abzusehen sein, in denen ein einfacher Gemeindebeschluß genügt. 9 Die obige Fassung des § 13 ergibt sich aus dem G., betr. die Bildung der Wählerabteilungen bei den Gemeindewahlen, v. 30. Juni 1900 (GS. 185).

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III. Abschn.

Kommunalverfassung.

so hat der Magistrat die entsprechende anderweitige Festsetzung zu treffen, auch wegen des Überganges aus dem alten in das neue Verhältnis das (Geeignete anzuordnen. Der Beschluß des Magistrats bedarf der Bestätigung von Aufsichts tuegen.10 § 15. Bei Stadtgemeinden, welche mehrere Ortschaften enthalten, kann der Bezirks­ ausschuß nach Berhältnis der Einwohnerzahl bestimmen, wieviel Mitglieder der Stadt­ verordnetenversammlung aus jeder einzelnen Ortschaft zu wählen sind. § 16. Tie Hälfte der von jeder Abteilung zu wählenden Stadtverordneten muß aus Haus­ besitzern (Eigentümern, Nießbrauchern und solchen, die ein erbliches Besitzrecht haben) be­ stehen. § 17. Stadtverordnete können nicht sein: 1. diejenigen Beamten und die Mitglieder derjenigen Behörden, durch welche die Aus­ sicht des Staats über die Städte ausgeübt wird (§ 76); 2. die Mitglieder des Magistrats und alle besoldeten Gemeindebeamten; die Ausnahmen bestimmen §§ 72 und 73; 3. Geistliche, Kirchendiener und Elementarlehrer; 4. die richterlichen Beamten, zu denen jedoch die technischen Mitglieder der Handels-, Gewerbe- und ähnlicher Gerichte nicht zu zählen sind; 5. die Beamten der Staatsanwaltschaft; 6. die Polizeibeamten. Vater und Sohn, sowie Brüder dürfen nicht zugleich Mitglieder der Stadtverordneten­ versammlung sein. Sind dergleichen Verwandte zugleich erwählt, so wird der ältere allein zugelassen. § 18. Die Stadtverordneten werden aus sechs Jahre gewählt. Jedoch verliert jede Wahl ihre Wirkung, sobald einer der Fälle eintritt, in denen nach den Bestimmungen im £ 7 der Gewählte des Bürgerrechts verlustig geht oder von der Ausübung desselben für eine gewisse Zeit ausgeschlossen wird. Tritt einer der Fälle ein, in denen nach jenen Bestimmungen die Ausübung des Bürgerrechts ruhen muß, so ist der Gewählte zugleich von der Teilnahme an den Geschäften der Stadtverordnetenversammlung einstweilen bis zum Austrage der Sache ausgeschlossen, n Alle zwei Jahre scheidet ein Drittel der Mitglieder aus und wird durch neue Wahlen ersetzt. Tie das erste- und zweitemal Ausscheidenden werden für jede Abteilung durch das Los bestimmt. § 19. Eine Liste der stimmfähigen Bürger, welche die erforderlichen Eigenschaften der­ selben nachweist, wird von dem Magistrat geführt und alljährlich im Juli berichtigt. Die Liste wird nach den Wahlabteilungen und im Falle des § 14 nach den Wahlbezirken eingeteilt. 10 Abs. 4 u. 5 sind Zusätze des G. v. 1. März 1891 (GS. 20). Ferner gehört hierher aus dem G. v. 30. Juni 1900 (f. oben Anm. 9): § 6. I. Im Bereiche der StOg. für die östlichen Provinzen der Monarchie v. 30. Mai 1853 251), der StOg. für die Provinz Westfalen v. 19. März 1856 (das. 237), der StOg. für die Nhemprovmz v. 15. Mai 1856 (das. 406), der StOq. für die Provinz Hessen-Nassau v.4. Aug. 1897 (das. 254) und des GemBerfG. für die Stadt Frankfurt a. M. v. 25. März 1867 (das. 401) ist der Magistrat (Bürger­ meister) befugt, an Stelle oder innerhalb der Wahlbezirke, in denen je eine bestimmte Anzahl Stadt­ verordneter zu wählen ist, Bezirke zum Zwecke der Stimmenabgabe (Abstimntungsbezirke) zu bilden oder die Wähler in anderer Weise in Gruppen zu teilen und für jeden Abstimmung-bezirk bzw. jede Gruppe einen eigenen Wahlvorstand zu bestellen. Soweit er von dieser Befugnis Gebrauch macht, hat er zugleich die für die Feststellung des Gesamtergebnisses der Wahl, sowie für dcs Verfahren bei notwendig werdenden engeren Wahlen erforderlichen Anordnungen zu treffen. II. Im Bereiche der unter I genannten Städteordnungen besteht der Wahlvorsund in den ein­ zelnen Wahl-, Abstimmungsbezirken oder Gruppen aus dem Bürgermeister und ars zwei von *>er Stadtverordnetenversammlung gewählten Beisitzern; für den Vorsitzenden werden vin ioetit B uraermeister und für die Beisitzer von der Stadtverordnetenversammlung je ein oder mchrere Vertreter aus der Zahl der stimmfähigen Bürger bestellt. 11 Vgl. hierzu und zu den folgenden Paragraphen die §§ 10, 11, 21 ZustG., Beschwerden und Einsprüche mit nachfolgender Klage.

1. Städteordnung für die östlichen Provinzen.

133

§ 20. Vom 1. bis 15. Juli schreitet der Magistrat zur Berichtigung der Liste. Vom 15. bis zum 30. 3uli12 wird die Liste in einem oder mehreren zu öffentlicher Kenntnis gebrachten Lokalen in der Stadtgemeinde offengelegt. Während der Dauer der Auslegung der Wählerliste kann jedes Mitglied der Stadtgemeinde gegen die Richtigkeit der Liste bei dem Magistrat Einspruch erheben." Die Stadtverordnetenversammlung hat darüber bis zum 15. August zu beschließen; der Beschluß bedarf keiner Genehmigung oder Bestätigung von seiten des Gemeindevorstandes oder der Aufsichtsbehörde." Soll der Name eines einmal in die Liste aufgenommenen Einwohners wieder ausgestrichen werden, so ist ihm dieses acht Tage vorher von dem Magistrate unter Angabe der Gründe mitzuteilen. § 21. Tie Wahlen zur regelmäßigen Ergänzung der Stadtverordnetenversammlung finden alle zwei Jahre im November statt. Bei dem zunächst vorhergehenden wöchent­ lichen Hauptgottesdienst ist auf die Wichtigkeit dieser Handlung hinzuweisen. Die Wahlen der dritten Abteilung erfolgen zuerst, die der ersten zuletzt. Außergewöhnliche Wahlen zum Ersätze innerhalb der Wahlperiode ausgeschiedener Mit­ glieder müssen angeordnet werden, wenn die Stadtverordnetenversammlung oder der Magistrat oder der Bezirksausschuß durch Beschluß es für erforderlich erachten. Der Ersatz­ mann bleibt nur bis zum Ende derjenigen sechs Jahre in Tätigkeit, auf welche der Aus­ geschiedene gewählt war. Alle Ergänzungs- und Ersatzwahlen werden — unbeschadet der Vorschrift im zweiten Absätze des §14 — von denselben Abteilungen und Wahlbezirken vorgenommen, von denen der Ausgeschiedene gewählt war. Ist die Zahl der zu wählenden Stadtverordneten nicht durch drei teilbar, so ist, wenn nur einer übrigbleibt, dieser von der zweiten Abteilung zu wählen. Bleiben zwei übrig, so wählt die erste Abteilung den einen und die dritte Abteilung den andern. Die in den §§ 19—21 bestimmten Termine können durch statutarische Anordnungen ab­ geändert werden. § 22. Der Magistrat hat jederzeit die nötige Bestimmung zur Ergänzung der erforder­ lichen Anzahl von Hausbesitzern (§ 16) zu treffen. Ist die Zahl der Hausbesitzer, welche zu wählen sind, nicht durch die Zahl der Wahlbezirke teilbar, so wird die Verteilung auf die einzelnen Wahlbezirke durch das Los bestimmt. Mit dieser Beschränkung können die ausscheidenden Stadtverordneten jederzeit wieder gewählt werden. § 23. Vierzehn Tage vor der Wahl werden die in der Liste (§§ 19 und 20) verzeichneten Wähler durch den Magistrat zu den Wahlen mittels schriftlicher Einladung oder ortsüblicher Bekanntmachung berufen. Die Einladung oder Bekanntmachung muß das Lokal, die Tage und die Stunden, in welchen die Stimmen bei dem Wahlvorstand abzugeben sind, genau bestimmen. § 24. Ter Wahlvorstand besteht in den einzelnen Wahl-, Abstimmungsbezirken oder Gruppen aus dem Bürgermeister und aus zwei von der Stadtverordnetenversammlung gewählten Beisitzern; für den Vorsitzenden werden von dem Bürgermeister und für die Beisitzer vor der Stadtverordnetenversammlung je ein oder mehrere Vertreter aus der Zahl der stimmfähigen Bürger bestellt.10 § 25. Seiet Wähler muß dem Wahlvorstande mündlich und laut zu Protokoll erklären, wem er seim Stimme geben will. Er hat so viele Personen zu bezeichnen, als zu wählen 12 Zrwivgerd soll diese Vorschrift nur für die Jnnehaltung der Zeitdauer der Offenlegung sein (E.OV werbetreibenden der zweiten Gewerbesteuerklasse sind 3 Stimmen und den Gewerbe­ treibenden der ersten Gewerbesteuerklasse sind 4 Stimmen beizulegen. Für den Fall der. Erhöhung der Zahl der Stimmen der Grundbesitzer sind die im vorstehenden Absätze beigelegten Stimmen entsprechend dem Schlußsätze des Abs. 2 zu erhöhen. 3. Kein Stimmberechtigter darf in der Gemeindeversammlung mehr als ein Drittel der Gesamtzahl der Stimmen führen. 4. Abschnitt.

Gemeindevertretung.

(Gemeindeausschuß, Bürgerausschuß.)

§ 20.

In denjenigen Landgemeinden, in welchen die Zahl der Stimmberechtigten mehr als 40 beträgt, tritt mit dem Zeitpunkte, wo die Liste der Stimmberechtigten diese Zahl nachweist (§ 9 Abs. 2), an die Stelle der Gemeindeversammlung eine Gemeindevertretung (Gemeindeausschuß, Bürgerausschuß). Die Landgemeinden sind berechtigt und, falls der Kreisausschuß auf Antrag Beteiligter oder im öffentlichen Interesse dies beschließt, verpflichtet, auch bei einer geringeren Anzahl

11. Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau.

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von Stimmberechtigten eine Gemeindevertretung im Wege ortsstatutarischer Anordnung einzuführen. Die Gemeindevertretung besteht aus dem Bürgermeister, den Schöffen (§ 45) und den gewählten Gemeindeverordneten. Die Zahl der Gemeindeverordneten beträgt das Dreifache der erstgenannten (Bürgermeister und Schöffen), kann jedoch durch Ortsstatut auf 12,15, 18, 21 oder 24 erhöht werden. In denjenigen Landgemeinden, in welchen ein kollegialischer Gemeindevorstand eingeführt ist (§ 45 Abs. 5), besteht die Gemeindevertretung außer dem Bürgermeister oder seinem Stellvertreter als Vorsitzenden (§ 59 Abs. 2) nur aus gewählten Gemeindeverordneten und zwar: aus 12 in Gemeinden mit nicht mehr als 2500 Einwohnern, aus 18 in Gemeinden von mehr als 2500 Einwohnern. Durch Ortsstatut kann die Zahl der Mitglieder von 12 auf 15 oder 18 und von 18 auf 21 oder 24 erhöht werden. § 21. 1. Für die Wahlen der Gemeindeverordneten werden die sämtlichen Stimmberechtigten, mit Ausnahme der in § 16 Abs. 3 aufgeführten, nach Maßgabe der von ihnen in der Gemeinde zu entrichtenden direkten Staatssteuern (Einkommen- und Ergänzungssteuer), Gemeinde-, Kreis-, Bezirks- und Provinzialsteuern in drei Abteilungen geteilt, und zwar in der Art, daß auf jede Abteilung ein Drittel der Gesamtsumme der Steuerbeträge aller Wühler fällt. Die im § 16 Abs. 3 aufgeführten Stimmberechtigten sind nach erfolgter Bildung der Wählerabteilungen derjenigen Abteilung zuzuteilen, welcher sie nach der Höhe der ihnen anzurechnenden Steuerbeträge angehören. 2. Bei der Bildung der Wählerabteilungen kommen Steuern, die für Grundbesitz oder Gewerbebetrieb in einer anderen Gemeinde entrichtet werden, sowie Steuern für die im Umherziehen betriebenen Gewerbe nicht in Anrechnung? 3. j,Wo direkte Gemeindesteuern nicht erhoben werden, treten an deren Stelle die vom Staate veranlagten Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern. 4. Für jede nicht zur Staatseinkommensteuer veranlagte Person ist an Stelle dieser Steuer ein Betrag von drei Mark zum Ansätze zu bringen. 5. Wähler, welche vom Staate zu einer Steuer nicht veranlagt sind, wählen in der dritten Abteilung. Verringert sich infolgedessen die auf die erste und zweite Abteilung entfallende Gesamtsteuersumme, so findet die Bildung dieser Abteilungen in der Art statt, daß von der übrigbleibenden Summe auf die erste und zweite Abteilung je die Hälfte entfällt. 6. In die erste oder zweite Abteilung gehört auch derjenige, dessen Steuerbetrag nur teil­ weise in das erste oder zweite Drittel fällt. 7. Kein Wähler kann zwei Abteilungen zugleich angehören. Läßt sich bei gleichen Steuer­ beträgen nicht entscheiden, welcher unter mehreren Wählern zu einer bestimmten Abteilung zu rechnen ist, so gibt die alphabetische Ordnung der Familiennamen, bei gleichen Namen das Los den Ausschlag. 8. Jede Abteilung wählt aus der Zahl der Stimmberechtigten ein Drittel der Gemeinde­ verordnelen, ohne dabei an die Wähler der Abteilung gebunden zu sein. 9. Die nach § 17 zur Stellvertretung berechtigten Personen sind wählbar, können aber nur so lange Gemeindeverordnete sein, als die Stellvertretung dauert. § 22. Für eine Abteilung, m welcher mehr als 500 Wähler vorhanden sind, können Wahl­ bezirke gebildet werden. Die Anzahl und die Grenzen der Wahlbezirke, sowie die Anzahl der in einem jeden zu wählenden Gemeindeverordneten werden nach Maßgabe der Zahl der Stimmberechtigten von dem Gemeindevorstande festgesetzt. Ist eine Änderung der Anzahl oder der Grenzen der Wahlbezirke oder der Anzahl der in einem jeden zu wählenden Gemeindeverordneten wegen einer in der Zahl der stimm­ berechtigten Gemeindeglieder eingetretenen Änderung oder aus sonstigen Gründen erforder­ lich geworden, so hat der Gemeindevorstand die entsprechende anderweite Festsetzung zu treffen, auch wegen des Übergangs aus dem alten in das neue Verhältnis das Geeignete anzuordnen. Diese Festsetzung bedarf der Bestätigung des Kreisausschusses. , 7 Fassung gemäß Gemeindewahlgesetz v. 30. Juni 1900 (GS. 185).

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III. Abschn.

Kommunalverfassung.

Enthält eine Gemeinde mehrere Ortschaften, so kann der Kreisausschuß auf Antrag des Gemeindevorstandes nach Verhältnis der Zahl der Stimmberechtigten anordnen, wieviel Gemeindeverordnete aus jeder einzelnen Ortschaft in einer jeden Abteilung zu wählen sind. § 23. Mindestens zwei Drittel der Mitglieder der Gemeindevertretung müssen Angesessene oder Vertreter von Angesessenen sein (§ 11 Abs. 1 Nr. 6a und b, § 16). Die Zahl der Gemeindeverordneten, welche hiernach aus der Mitte der Nichtangesessenen gewählt werden können, wird auf die drei Abteilungen gleichmäßig verteilt. Ist diese Zahl nicht durch drei teilbar, so kann, wenn die Zahl 1 übrig bleibt, die zweite Abteilung aus der Zahl der Nichtangesessenen einen Gemeindeverordneten mehr wählen, als die beiden anderen; bleibt die Zahl 2 übrig, so kann die erste Abteilung den einen, die dritte Abteilung den anderen wählen. Sind in einer Abteilung mehr nicht angesessene Gemeindeverordnete gewählt, als hier­ nach zulässig ist, so gelten diejenigen, welche die geringste Stimmenzahl erhalten haben, als nicht gewählt. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das Los. Bei den zu deren Ersätze anzuordnenden Neuwahlen sind nur die auf Angesessene oder Vertreter von Angesessenen entfallenden Stimmen gültig. § 24. Gemeindeverordnete können nicht sein: 1. diejenigen Beamten und die vom Staate ernannten8 *Mitglieder derjenigen Behörden, durch welche die Aufsicht des Staates über die Gemeinden ausgeübt wird, 2. die besoldeten Beamten der Gemeinde, 3. die richterlichen Beamten, zu welchen jedoch die technischen Mitglieder der Handels-, Gewerbe- und ähnlicher Gerichte nicht zu zählen sind, 4. die Beamten der Staatsanwaltschaft und die Polizeibeamten,8 5. die Geistlichen, Kirchendiener und Volksschullehrer. Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn dürfen nicht zugleich Gemeinde­ verordnete derselben Gemeinde sein. Sind solche Verwandte oder Verschwägerte zugleich gewählt, so wird der ältere allein zugelassen. Entsteht die Schwägerschaft im Laufe der Wahl­ periode, so scheidet der Schwiegersohn aus. § 25. Die Gemeindeverordneten werden auf sechs Jahre gewählt. Alle zwei Jahre scheidet ein Drittel der Gemeindeverordneten aus jeder Abteilung aus und wird die Ge­ meindevertretung durch neue Wahlen ergänzt. Ist die Zahl der Ausscheidenden nicht durch drei teilbar, so wird die Reihenfolge der Abteilungen, in welcher diese Ausscheidung stattfindet, durch das Los bestimmt. Ebenso werden die das erste- und die das zweitemal Aus­ scheidenden durch das Los bestimmt. Tie Ausscheidenden sind wieder wählbar. Außergewöhnliche Wahlen zum Ersätze innerhalb der Wahlperiode ausgeschiedener Ge­ meindeverordneten müssen angeordnet werden, wenn die Gemeindevertretung oder der Gemeindevorstand es für erforderlich erachten, oder wenn der Kreisausschuß dies beschließt. Der Ersatzmann bleibt nur bis zum Ende der Wahlperiode des Ausgeschiedenen in Wirk­ samkeit. Bei Ergänzungs- und Ersatzwahlen ist bezüglich der Wählbarkeit von Nichtangesessenen nach den Grundsätzen des § 23 zu verfahren. § 26. Der Wahl wird die nach § 9 Abs. 2 zu führende Liste zugrunde gelegt, welche nach den Wahlabteilungen und im Falle des § 22 nach den Wahlbezirken einzuteilen ist.10 § 27. In der Zeit vom 15. bis 30. Januar11 erfolgt die Auslegung der Liste (§ 26) in einem vorher zur öffentlichen Kenntnis zu bringenden Raume. Während dieser Zeit kann jeder Stimmberechtigte gegen die Richtigkeit der Liste bei dem 8 Also wohl die gewählten Mitglieder des Kreisausschusses, Bezirksausschusses, Provinzialrates. 8 D. h. alle mit polizeilichen Befugnissen betrauten Beamten, auch Kreisdeputierte als Vertreter des Landrats, Bergrevicrbeamten, kgl. Forstschutzbeamten. . 10 In Gemeinden mit einer Gemeindevertretung sind also zwei Listen zu führen. 11 Vgl. 9(11111. 16 zu § 56 öLGO., oben Nr. 7.

11. Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau.

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Gemeindevorstande Einspruch erheben, auf welchen bis zum 15. Februar zu beschließen ist (§ 37 Abs. 1 Nr. I).18 Soll der Name eines einmal in die Listen aufgenommenen Stimmberechtigten wieder gelöscht werden, so ist dem Stimmberechtigten von dem Gemeindevorstande dies acht Tage vorher unter Angabe der Gründe mitzuteilen. § 28. Die Wahlen der dritten Abteilung sind zuerst, die der ersten zuletzt vorzunehmen. § 29. Die Wahlen zur regelmäßigen Ergänzung der Gemeindevertretung finden alle zwei Fahre im März statt. Die Ergänzungs- und Ersatzwahlen werden von denselben Ab­ teilungen und Wahlbezirken (§ 22) vorgenommen, von welchen der Ausscheidende gewählt war. § 30. Eine Woche vor dem Wahltage werden die in der Liste (§ 26) verzeichneten Wähler durch den Bürgermeister mittels ortsüblicher Bekanntmachung zu den Wahlen berufen. Die Bekanntmachung muß den Raum, den Tag und die Stunden, in welchen die Stimmen bei dem Wahlvorstande abzugeben sind, genau bezeichnen. § 31. Der Wahlvorstand besteht in jedem Wahlbezirke aus dem Bürgermeister oder einem von diesem zu seinem Stellvertreter ernannten Schöffen als Vorsitzenden und aus zwei von der Wahlversammlung gewählten Beisitzern, von welchen der Vorsitzende einen zum Schriftführer ernennt. § 32. Jeder Wähler muß dem Wahlvorstande mündlich zu Protokoll erklären, wem er seine Stimme geben toill.13 Er hat so viele Personen zu bezeichnen, als zu wählen sind. Bezüglich der Stellverttetung bei der Wahl kommen die Bestimmungen im § 17 zur AnWendung.

§ 33. Gewählt sind diejenigen, welche bei der ersten Abstimmung die meisten (Stimmen und zugleich mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhalten haben. Hat sich eine solche Stimmenmehrheit bei der ersten Abstimmung nicht ergeben, so werden von denjenigen Personen, welche die meisten Stimmen erhalten haben, so viele auf eine engere Wahl gebracht, daß die doppelte Anzahl der noch zu wählenden Gemeindeverordneten erreicht wird. Ist die Auswahl der hiernach zu engerer Wahl zu bringenden Personen zweifel­ haft, weil auf zwei oder mehrere eine gleiche Stimmenzahl gefallen ist, so entscheidet zwischen diesen das durch die Hand des Vorsitzenden zu ziehende Los. Zu der engeren Wahl werden die Wähler durch eine das Ergebnis der ersten Wahl mitteilende Bekanntmachung des Wahlvorstandes sofort oder spätestens innerhalb einer Woche in ortsüblicher Weise aufgefordert. Die engere Wahl findet nach denselben Vorschriften, wie die erste Wahl statt. Jedoch ist bei der engeren Wahl die absolute Stimmenmehrheit (Abs. 1) nicht erforderlich; tritt bei ihr Stimmengleichheit ein, so entscheidet das durch die Hand des Vorsitzenden zu ziehende Los. Wer in mehreren Abteilungen oder Wahlbezirken zugleich gewählt ist, hat zu erklären, welche Wahl er annehmen will. Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf eine nach § 23 erforderlich werdende Neuwahl Anwendung. § 34. Die Wahlprotokolle sind von dem Wahlvorstande zu unterzeichnen und von dem Gemeindevorstande aufzubewahren. Der letztere hat das Ergebnis der Wahlen sofort in orts­ üblicher Weise bekanntzumachen. Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahlen zur Gemeindevertretung sind innerhalb zwei Wochen nach Bekanntmachung des Wahlergebnisses bei dem Gemeindevorstande anzubringen. g 36. Die bei der regelmäßigen Ergänzung neugewählten Gemeindeverordneten treten an dem der Wahl folgenden 1. April ihr Amt an; die Ausscheidenden bleiben bis zur Ein­ führung der neu gewählten Mitglieder in Tätigkeit. Die Gewählten werden von dem Bürger­ meister in die Gemeindeverttetung eingeführt und durch Handschlag verpflichtet. 12 Pgl. Anm. 17 zu § 56 öLGO. — 13 Also direkte und öffentliche Dreiklassenwahl.

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III. Abschn. Kommunalverfassung.

§ 36. Jedes stimmfähige Gemeindeglied ist verpflichtet, ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung oder Vertretung der Gemeinde zu übernehmen, sowie ein übernommenes Amt mindestens drei Jahre lang zu versehen. Zur Ablehnung oder früheren Niederlegung eines solchen Amtes berechtigen folgende Entschuldigungsgründe: 1. anhaltende Krankbeit, 2. Geschäfte, welche eine häufige oder lange dauernde Abwesenheit vom Wohnorte mit sich bringen, 3. das Alter von sechzig Jahren, 4. die Verwaltung eines unmittelbaren Staatsamtes,^ 5. sonstige besondere Verhältnisse, welche nach dem Ermessen der Gemeindevertretung oder, wo eine solche nicht besteht, des Gemeindevorstandes eine gültige Entschuldigung begründen. Wer ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung oder Vertretung der Gemeinde während der vorgeschriebenen regelmäßigen Amtsdauer versehen hat, kann die Übernahme desselben oder eines gleichartigen Amtes für die nächsten drei Jahre ablehnen. Wer sich ohne einen der vorbezeichneten Entschuldigungsgründe weigert, ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung oder Vertretung der Gemeinde zu übernehmen oder das über­ nommene Amt drei Jahre hindurch zu versehen, sowie derjenige, welcher sich der Verwaltung eines solchen Amtes tatsächlich entzieht, kann für einen Zeitraum von drei bis sechs Jahren der Ausübung seines Rechts auf Teilnahme an der Verwaltung und Vertretung der Ge­ meinde für verlustig erklärt und um ein Achtel bis ein Vierter stärker als die übrigen Gemeindeangehörigen zu den Gemeindeabgaben herangezogen werden. § 37. Die Gemeindevertretung, wo eine solche nicht besteht, der Gemeindevorstand, be­ schließt 1. auf Einsprüche, betreffend den Besitz oder den Verlust des Gemeinderechts, die Zu­ gehörigkeit zu einer bestimmten Klasse von Stimmberechtigten, die Wählbarkeit zu einem Amte in der Verwaltung oder Vertretung der Gemeinde, die Ausübung des Stimm­ rechts durch einen Dritten, sowie über die Richtigkeit der Gemeindewählerliste, 2. über die Gültigkeit der Wahlen zur Gemeindevertretung, 3. über die Berechtigung der Ablehnung oder Niederlegung eines Amtes in der Verwaltung oder Vertretung der Gemeinde, sowie über die Nachteile, welche gegen Gcmeindeglieder wegen Nichterfüllung der ihnen nach diesem Gesetze obliegenden Pflichten zu verhängen sind. Gegen den Beschluß15 findet die Klage im Verwaltungsstreitversahren statt, welche, wenn er von der Gemeindevertretung gefaßt ist, auch dem Gemeindevorstande zusteht. Die Klage hat in den Fällen unter 1 und 2 keine aufschiebende Wirkung, jedoch dürfen Neuwahlen zum Ersatz für solche Wahlen, welche durch Beschluß der Gemeindevertretung oder des Gemeindevorstandes für ungültig erklärt worden sind, vor ergangener rechtskräftiger Entscheidung nicht vorgenommen werden. 5. Abschnitt. Gemeindevermögen. § 38. Im Eigentume der Landgemeinden stehen sowohl diejenigen Bestandteile des Ge­ meindevermögens, deren Erträge für die Zwecke des Gemeindehaushalts bestimmt sind (Lrtsvermögen, Gemeindevermögen im engeren Sinne), wie auch diejenigen Vermögensgegenstände, deren Nutzungen den Gemeindeangehörigen oder einzelnen von ihnen vermöge dieser ihrer Eigenschaft zukommen (Gemeindegliedervermögen, Allmenden, Gemeinheiten). Die Gemeindebehören haben darüber zu wachen, daß das Grundvermögen (Grundstockvermögen) in seinem Bestände erhalten und nicht zur Bestreitung laufender Bedürfnisse verwendet werde. Hat eine Verminderung des Grundvermögens zu laufenden Ausgaben ausnahmsweise stattgefunden, so ist für seine alsbaldige Ergänzung Sorge zu tragen. 14 Vgl. Anm. 19 zu 8 65 öLGO.

11. Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau.

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Im weiteren kommen die Bestimmungen des § 5 der Vg., betreffend die Ablösung der Servituten, die Teilung der Gemeinschaften, und die Zusammenlegung der Grundstücke für das vormalige Kurfürstentum Hessen, v. 13. Mai 1867 (GS. 716) im ganzen Umsange des Regierungsbezirks Kassel und diejenigen des § 3 der GemeinheitsteilungsOg. v. 5. April 1869 (GS. 526) im ganzen Umfange des Regierungsbezirks Wiesbaden zur Anwendung. § 39. Gemeindegliedervermögen kann unter hinzutretender Genehmigung des Kreis­ ausschusses in Ortsvermögen umgewandelt werden, jedoch mit der Einschränkung, daß Nutzungsrechte, welche nicht sämtlichen, sondern nur einzelnen Gemeindegliedern oder Ge­ meindeangehörigen als solchen zustehen, durch Gemeindebeschluß den letzteren wider ihren Willen nicht entzogen oder geschmälert werden dürfen. In Ansehung der Verwaltung und Verwendung des Vermögens von Stiftungen be­ wendet es bei den süftungsmäßigen Besümmungen. Soweit es hierbei auf'den Begriff „Bürger" ankommt, sind die Besümmungen dieses Gesetzes an sich nicht maßgebend (§§ 9 und 11). § 40. Die Teilnahme an den Gemeindenutzungen regelt sich, unbeschadet der aus Ver­ leihungsurkunden oder vertragsmäßigen Festsetzungen sich ergebenden Abweichungen, nach dem bisherigen Rechte mit der Maßgabe, daß an Stelle der Gemeindebürger die Gemeinde­ angehörigen treten. Soweit hiernach der Maßstab für die Teilnahme an diesen Nutzungen nicht feststeht, erfolgt die Verteilung nach dem Verhältnisse, in welchem die Gemeinde­ angehörigen zu den Gemeindelasten beitragen. § 41. Auf Einsprüche, betreffend 1. das Recht zur Teilnahme an den Nutzungen und Erträgen des Gemeindevermögens, 2. die besonderen Rechte einzelner örtlicher Teile des Gemeindebezirks oder einzelner Klassen der Gemeindeangehörigen in Ansehung der zu Nummer 1 erwähnten Ansprüche, beschließt der Gemeindevorstand. Gegen den Beschluß findet die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt.15 Der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren unterliegen desgleichen Streiügkeiten zwischen Beteiligten über ihre in dem öffentlichen Rechte begründete Berechtigung zu den im Abs. 1 bezeichneten Nutzungen. Einspruch und Klage haben keine auffchiebende Wirkung. § 42. Durch Ortsstatut kann für die Teilnahme an den Gemeindenutzungen die Ent­ richtung eines zu deren Werte in einem angemessenen Verhältnisse stehenden Einkaufsgeldes anstatt oder neben einer jährlichen Abgabe eingeführt werden. Jedoch darf den bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes im Genusse von Gemeindenutzungen stehenden Berechügten für den weiteren Bezug des ihnen seither zugekommenen Anteils ein Einkaufsgeld nicht auferlegt werden. Wo Einkaufsgeld bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes besteht, bleibt es bis zur ander­ weiten statutarischen Regelung in Geltung. Durch die Entrichtung des Einkaufsgeldes wird die Ausübung des Gemeinderechtes nicht bedingt. Die Verpflichtung zur Zahlung des Einkaufsgeldes sowie der Abgabe für die Teilnahme an den Gemeindenutzungen ruht, solange auf diese Teilnahme verzichtet wird. Unberührt von diesen Besümmungen bleiben die mit dem Besitze einzelner Grundstücke verbundenen oder auf besonderen Rechtsüteln beruhenden Nutzungsrechte. Im Falle der Umwandlung des Gemeindegliedervermögens oder eines Teiles desselben in Ortsvermögen (§ 38) kann die Zurückerstattung desjenigen Teiles des Einkaufsgeldes, welcher durch den Bezug der Nutzungen noch nicht vergütet ist, verlangt werden. § 43. Auf die Erhebung des Einkaufsgeldes und der jährlichen Abgabe (§ 42) finden be­ züglich der Rechtsmittel, der Nachforderungen und Verjährungen, sowie der Kosten und der 15 Der Beschluß (Einspruchsbescheid) muß zugestellt werden, wenn die Klagefrist von zwei Wochen in i'auf gesetzt werden soll.

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III. Abichn. Mommunaloerfaiiuiin«

Zwangsvollstreckung die einschlagenden Vorschriften des fünften, achten und neunten Titels des KAbgG. v. 14. Juli 1893 (®2. 152) sinngemäß Anwendung." § 44. Tie besonderen Bestimmungen über die Verwaltung der Gemeindewaldungen, insbesondere auch die Vorschrift des § 116 Abs. 2 der St Cg. für die Provinz Hessen-Nassau v. 7. Juni 1885 (GS. 193), werden durch dieses Gesetz nicht berührt. 6. Abschnitt. Verwaltung der Landgemeinden. § 45. 1. An der Spitze der Verwaltung der Landgemeinde steht der Bürgermeister. 2. Tem Bürgermeister stehen zwei Schöffen zur Leite, welche ihn in den Amtsgeschäften zu unterstützen und in Behinderungsfällen nach der unter ihnen von der Aufsichtsbehörde festzusetzenden Reihenfolge zu vertreten habend 3. Durch Crtsstatut kann die Zahl der Schöffen auf höchstens sechs vermehrt werden. 4. Wo dem Bürgermeister nur zwei Schöffen zur Leite stehen, ist ein Stellvertreter zu wählen, welcher in Behinderungsfällen eines der beiden Schöffen für diesen eintritt. 5. In Landgemeinden mit mehr als 500 Einwohnern wird ein kollegialischer (Gemeindevorstand (Gemeinderat) gebildet, welcher aus dem Bürgermeister, aus einem Beigeordneten als dessen Stellvertreter und in Gemeinden von nicht mehr als 2500 Einwohnern aus 3 Schöffen, von mehr als 2500 Einwohnern aus 5 Schöffen besteht. Wenn jedoch die Gemeindevertretung nach zweimaliger, mit einem Zwischenräume von mindestens acht Tagen vorgenommener Beratung darauf anträgt, kann mit Genehmi­ gung des Kreisausschusses von der Bildung eines kollegialischen Gemeindevorstandes (Ge­ meinderates) abgesehen werden. 6. In den kleineren Landgemeinden kann durch Crtsstatut ein kollegialischer Gemeinde­ vorstand, welcher aus dem Bürgermeister, aus einem Beigeordneten als dessen Stellvertreter und aus zwei Schöffen besteht, eingeführt werden. 7. Unter Gemeindevorstand ist in Gemeinden mit kollegialischem Gemeindevorstande der Gemeinderat, in den übrigen Gemeinden der Bürgermeister zu verstehen. § 46. 1. Ter Bürgermeister und die Schöffen werden von der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) gewählt In Gemeinden mit kollegialischem Gemeindevorstande werden der Bürgermeister und der Beigeordnete von dem Gemeinderate und der Gemeinde­ vertretung in gemeinschaftlicher Sitzung gewählt. In letzterem Falle ist die Versammlung beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten anwesend ist. In beiden Fällen beschränkt sich die Wahl auf Gemeindeglieder. 2. In Landgemeinden mit mehr als 1200 Einwohnern kann die Gemeindevertretung die Wahl eines besoldeten Bürgermeisters beschließen. Tie Wahl erfolgt alsdann auf die Tauer von zwölf Jahren und ist nicht auf Gemeindeglieder beschränkt. 3. Im übrigen wird der Bürgermeister auf acht Jahre gewählt. Ter Beigeordnete und die Schöffen werden auf die Dauer von sechs Jahren gewählt. 4. Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, Großvater und Enkel, Brüder und Schwäger dürfen nicht gleichzeitig Bürgermeister, Beigeordneter und Schöffen sein. Die Aufsichtsbehörde ist befugt, hiervon Ausnahmen zuzulassen. 5. Entsteht die Schwägerschaft im Laufe der Wahlperiode, so scheidet derjenige aus, durch welchen das Hindernis herbeigeführt worden ist. 6. Das Amt eines Beigeordneten und Schöffen ist mit einem besoldeten Gemeindeamte unvereinbar. 7. Personen, welche das Gewerbe der Gast- und Schankwirtschaft betreiben, können nicht Bürgermeister sein. Die Aufsichtsbehörde ist befugt, hiervon Ausnahmen zuzulassen. 16 Vgl. auch §-58 HessNassStOg., oben Nr. 6. 17 Hiernach besteht also kein kollegialischer Gemeindevorstand, wenn ein solcher nicht geruäsi Abs. 5 bis 7 eingeführt ist.

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§ 47. Bezüglich der Einladung der Mitglieder der Gemeindeversammlung, der Gemeinde­ vertretung, des Gemeinderats (§ 40 Abs. 1) zur Wahl kommen die Vorschriften des § 30 zur Anwendung. § 48. Der Wahlvorstand besteht aus dem Bürgermeister oder dessen Stellvertreter als Vorsitzenden und aus zwei von der Versammlung zu wählenden Beisitzern. Der Vorsitzende ernennt einen der Beisitzer zum Schriftführer. Erforderlichenfalls kann jedoch auch eine nicht zur Wahlversammlung gehörige Person zum Schriftführer ernannt werden. § 49 Während der Wahlhandlung dürfen im Wahlraume weder Beratungen stattslnden, noch Ansprachen gehalten, noch Beschlüsse gefaßt werden. Ausgenommen hiervon sind Be­ ratungen und Beschlüsse des Wahlvorstandes, welche durch die Leitung des Wahlgeschäfts erforderlich werden. § 50. Jede Wahl erfolgt in einem besonderen Wahlgange durch Stimmzittel. 8 51. Tie Wähler werden in der Reihenfolge, in welcher sie in der Wählerliste aufgeführt sind, aufgerufen. Tie Ausgerufenen legen ihre Stimmzettel uneröffnet in die Wahlurne. Findet die Wahl durch die Gemeindeversammlung statt, so wird das Stimmrecht nach Maßgabe der Bestimmungen des § 19 ausgeübt. Tie nach der Eröffnung, jedoch vor dem Schlüsse der Wahlhandlung erscheinenden Wähler können noch an der Abstimmung teilnehmen. Sind keine Stimmen mehr abzugeben, so erklärt der Wahlvorstand die Wahl für geschlossen; der Vorsitzende nimmt die Stimmzettel einzeln aus der Wahlurne und verliest die darauf verzeichneten Namen, welche von einem durch den Vorsitzenden zu ernennenden Beisitzer laut gezählt werden. § 52. Ungültig sind diejenigen Stimmzettel, 1. welche nicht von weißem Papier oder welche mit einem äußeren Kennzeichen ver­ sehen sind, 2. welche keinen oder keinen lesbaren Namen enthalten, 3. aus welchen die Person des Gewählten nicht unzweifelhaft zu erkennen ist, 4. auf welchen mehr als ein Name oder der Name einer nicht wählbaren Person ver­ zeichnet ist, 5. welche einen Protest oder Vorbehalt enthalten. Ungültige Stimmzettel werden als nicht abgegeben betrachtet. Über die Gültigkeit der Stimmzettel entscheidet vorläufig der Wahlvorstand. Tie Stimmzettel sind dem Wahlprotokolle beizufügen und so lange aufzubewahren, bis über die gegen das Wahlverfahren erhobenen Einsprüche rechtskräftig entschieden ist. § 53. Als gewählt ist derjenige zu betrachten, welcher bei der ersten Abstimmung mehr als die Hälfte der gültig abgegebenen Stimmen erhalten hat. Ergibt sich bei der ersten Absümmung diese Stimmenmehrheit nicht, so kommen bei der sofort vorzunehmenden zweiten Absümmung diejenigen zwei Personen, welche im ersten Wahlgange die meisten Stimmen erhalten haben, auf die engere Wahl. Haben mehr als zwei Personen die höchste oder zweithöchste Stimmenzahl in der Weise erhalten, daß auf sie eine gleiche Stimmenzahl entfallen ist, so entscheidet das durch die Hand des Vorsitzenden zu ziehende Los darüber, wer auf die engere Wahl zu bringen ist. Bei dem zweiten Wahlgange sind außer den im § 52 angegebenen auch diejenigen Stimmzettel ungültig, welche den Namen einer nicht zur engeren Wahl stehenden Person enthalten. Als gewählt ist der­ jenige zu betrachten, welcher die meisten Stimmen erhalten hat. Bei Stimmengleichheit entscheidet das durch die Hand des Vorsitzenden zu ziehende Los. Die Wahlprotokolle sind von dem Wahlvorstande zu unterzeichnen. § 54. Ter Vorsitzende des Wahlvorstandes hat die Gewählten von der auf sie gefallenen Wahl mit der Aufforderung in Kenntnis zu setzen, sich über die Annahme der Wahl inner-

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III. Abschn.

Slommunaloerfafiung.

halb längstens einer Woche zu erklären. Bon demjenigen, welcher hierüber kerne Erklärung abgibt, wird angenommen, daß er die Wahl ablehne. § 55. Tie gewählten Bürgermeister und Beigeordneten, sowie bie Schöffen in den­ jenigen Landgemeinden, in welchen ein kollegialischer Gemeindevorstand nicht besteht, be­ dürfen der Bestätigung durch den Landrat. Die Bestätigung kann nur unter Zustimmung des Kreisausschusses versagt roetben.18 Dieser Zustimmung bedarf es auch dann, wenn der Wahl die Bestätigung wegen Mängel des Verfahrens versagt wird. Lehnt der Kreisausschuß die Zustimmung ab, so kann sie auf den Antrag des Landrats durch den Regierungspräsidenten ergänzt werden. Wird die Bestätigung von dem Land­ rate unter Zustimmung des Kreisausschusses versagt, so steht binnen zwei Wochen dem Wahlkörper die Beschwerde an den Regierungspräsidenten zu, bei dessen Bescheide es verbleibt. Wird die Bestätigung versagt, so ist eine Neuwahl anzuordnen. Erhält auch diese die Be­ stätigung nicht, so ernennt der Landrat unter Zustimmung des Kreisausschusses, in der Regel aus der Zahl der Gemeindeglieder, einen Stellvertreter auf so lange, bis eine erneuerte Wahl die Bestätigung erlangt hat. Dasselbe findet statt, wenn keine Wahl zustande kommt. Die Bestimmungen dieses Paragraphen finden auch aus andere gewählte Gemeindebeamte Anwendung, deren Wahl der Bestätigung bedarf. § 56. Der Bürgermeister, der Beigeordnete und die Schöffen werden vor ihrem Amts­ antritte von dem Landrate vereidigt. § 57. Die unbesoldeten Bürgermeister und Beigeordneten haben den Ersatz ihrer baren Auslagen und die Gewährung einer mit ihrer amtlichen Mühewaltung in billigem Verhältnisse stehenden Entschädigung von der Gemeinde zu beanspruchen. Die Schöffen haben ihr Amt in der Regel unentgeltlich zu verwalten und nur den Ersatz barer Auslagen von der Gemeinde zu beanspruchen. § 58. Über die Festsetzung der baren Auslagen und der Entschädigung der Bürgermeister und der stellvertretenden Bürgermeister, sowie über die baren Auslagen der Schöffen be­ schließt der Kreisausschuß auf Antrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde. § 59. Der Bürgermeister ist die Obrigkeit der Gemeinde und führt deren Verwaltung. Der Bürgermeister führt in der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) den Vor­ sitz mit vollem Stimmrechte. Hat die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) einen Beschluß gefaßt, welcher nach Ansicht des Bürgermeisters das Gemeinwohl oder das Gemeindeinteresse erheblich verletzt, so ist der Bürgermeister verpflichtet, die Ausführung des Beschlusses auszusetzen und, wenn die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) bei nochmaliger Beratung bei ihrem Beschlusse beharrt, innerhalb zwei Wochen die Entscheidung des Kreisausschusses einzuholen. Insbesondere liegen dem Bürgermeister folgende Geschäfte ob: 1. die Gesetze und Verordnungen, sowie die Verfügungen der ihm vorgesetzten Behörden auszuführen," 2. die Beschlüsse der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) vorzubereiten, 3. die Beschlüsse der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung), sofern er sie nicht beanstandet (§ 112) oder deren Ausführung aussetzt (Abs. 3) — diejenigen über die Benutzung des Gemeindevermögens (§ 77) nach Beratung mit den Schöffen —, zur Ausführung zu bringen und demgemäß die laufende Verwaltung bezüglich des Ver­ mögens und der Einkünfte der Gemeinde, sowie der Gemeindeanstalten, für welche eine besondere Verwaltung nicht besteht, zu führen, und diejenigen Gemeindeanstalten, für welche besondere Verwaltungen eingesetzt sind, zu beaufsichtigen, 18 Wobei es einer Angabe von Gründen nicht bedarf. 18 Über die dem Bürgermeister als Organ der Landesverwaltung obliegenden Geschäfte s. Anm. 2t> Vi § 88 öLGO.

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4. die auf dem Gemeindevoranschlage (§ 89) oder auf Beschlüssen der (Gemeindeversamm­ lung (Gemeindevertretung) beruhenden Einnahmen und Ausgaben anzuweisen und das Rechnungs- und Kassenwesen zu beaufsichtigen, 5. die Gemeindebeamten anzustellen und zu beaufsichtigen; über die Neuerrichtung von Stellen beschließt die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung), 6. die Urkunden und Akten der Gemeinde aufzubewahren, 7. die Gemeinde nach außen zu vertreten und in ihrem Namen mit Behörden und Privat­ personen zu verhandeln. Urkunden über Rechtsgeschäfte, welche die Gemeinde gegen Tritte verbinden sollen, in gleichen Vollmachten,^ müssen unter Anführung des betreffenden Gemeinde­ beschlusses und der dazu etwa erforderlichen Genehmigung oder Entschließung der zu­ ständigen Aufsichtsbehörde im Namen der Gemeinde von dem Bürgermeister und einem der Schöffen unterschrieben und mit dem Gemeindesiegel versehen sein. Eine der vorstehenden Bestimmung gemäß ausgestellte Vollmacht ist auch dann ausreichend, wenn die Gesetze sonst eine gerichtliche oder Notariatsvollmacht erfordern. Zu dem Nachweise, daß von einer Gemeinde bei der Erwerbung oder Veräußerung von Grundstücken oder diesen gleichstehenden Gerechtsamen die den Gemeinden ge­ setzlich vorgeschriebenen besonderen Formen beobachtet sind, genügt eine Bescheini­ gung des Landrats als Vorsitzenden des Kreisausschusses. § 66. Wo ein kollegialischer Gemeindevorstand (Gemeinderat) besteht (§ 45 Abs. 5), hat dieser die in den §§ 59 Nr. 2 bis 4, 62, 89 und 91 erwähnten Befugnisse des Bürgermeisters wahrzunehmen und die Gemeindebeamten anzustellen (§ 59 Nr. 5). Die Beschlüsse des Gemeinderates werden nach Stimmenmehrheit und unter Teilnahme von mindestens drei Mitgliedern gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Den Vorsitz führt der Bürgermeister, welcher hierin durch den Beigeordneten und, wenn auch dieser behindert ist, durch eins der übrigen Mitglieder des Gemeinderates in der Reihenfolge ihres Tienstalters, bei gleichem Dienstalter ihres Lebensalters, vertreten wird. der Beratung und Abstimmung über solche Gegenstände, welche ein Mitglied des Gemeinderates, seine Ehefrau, seine Schwestern oder Verwandten oder Verschwägerten der in § 46 Abs. 4 bezeichneten Art berühren, darf dieses Mitglied nicht zugegen sein. Wird hierdurch der Gemeinderat beschlußunfähig, so entscheidet der Bürgermeister allein; kann auch dieser aus dem angeführten Grunde nicht entscheiden, so tritt an dessen Stelle der Kreisausschuß. Ergibt sich die Beschlußunfähigkeit aus anderen Gründen, so hat der Bürgermeister eine zweite Sitzung anzuberaumen; wird auch in dieser keine Beschlußfähigkeit erreicht, so hat der Bürgermeister allein hinsichtlich der auf der Tagesordnung stehenden Gegenstände An­ ordnung zu treffen. Der Bürgermeister ist — unbeschadet der Vorschrift des § 112 — verpflichtet, in den Fällen, in welchen ein Beschluß des Gemeinderates das Gemeinwohl oder das Gemeindeinteresse erheblich verletzt, die Ausführung des Beschlusses auszusetzen, und, wenn der Gemeinderat bei nochmaliger Beratung bei seinem Beschlusse beharrt, innerhalb zwei Wochen die Ent­ scheidung des Kreisausschusses einzuholen. Dem Gemeinderate bleibt es überlassen, regelmäßige Sitzungstage festzusetzen. Die Zu­ sammenberufung des Gemeinderatcs muß erfolgen, wenn sie von einem Viertel der Mtglieder verlangt wird. § 61. Der Bürgermeister leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang der Gemeindever­ waltung. Wenn die Beschlußnahme durch den Gemeinderat einen nachteiligen Zeitverlust ver­ ursachen würde, hat der Bürgermeister die dem Gemeinderate obliegenden Geschäfte vor20 Bezüglich der Vertretung der Gemeinde im Verwaltungsstreitverfahren vgl. jedoch § 73 Abs. 3 LVG. und PrBBl. 0, 3. 1%.

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III. Abschn.

Kommunalverfassung.

läufig allein zu besorgen, dem letzteren jedoch in der nächsten Sitzung behufs Bestätigung oder anderweiter Beschlußnahme Bericht zu erstatten. § 62. Landgemeinden von größerem Umfange oder von zahlreicherer Bevölkerung können von dem Bürgermeister nach Anhörung der Gemeindevertretung in Ortsbezirke geteilt werden. Jedem Bezirke wird ein Bezirksvorsteher vorgesetzt, welcher von der Gemeindevertretung aus den stimmfähigen Gemeindegliedern des Bezirks auf sechs Jahre gewählt und von dem Bürgermeister bestätigt wird. In gleicher Weise wird für den Fall der Verhinderung des Bezirksvorstehers ein Stellvertreter bestellt. Die Bezirksvorsteher sind Organe des Bürgermeisters und verpflichtet, seinen' Anord­ nungen Folge zu leisten, ihn namentlich in den örtlichen Geschäften des Bezirks zu unter­ stützen. Über die Gültigkeit der Wahlen der Bezirksvorsteher, sowie überhaupt solcher Gemeinde­ beamten, welche der Bestätigung nicht bedürfen, beschließt der Kreisausschuß. § 63. Der Bürgermeister hat ferner nach näherer Bestimmung der Gesetze folgende Ge­ schäfte zu besorgen: I. wenn die Handhabung der Ortspolizei nicht Königlichen Behörden übertragen ist: 1. die Handhabung der Ortspolizei vorbehaltlich der Bestimmungen des § 64 dieses G. und der §§ 28 und 29 der KrOg. v. 7. Juni 1885, 2. die Verrichtung eines Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft nach Maßgabe des § 153 des GVG. v. 17. Mai 1898 (RGBl. 371) und der auf Grund desselben erlassenen besonderen Bestimmungen, 3. die Verrichtungen eines Amtsanwaltes bei dem Amtsgerichte, welches in dem be­ züglichen Orte seinen Sitz hat, gegen Entschädigung aus Staatsmitteln nach Maß­ gabe der §§ 64 und 65 des PreußAG. GVG. v. 24. April 1878 (GS. 230), sofern nicht eine andere Person mit diesem Amte betraut wird; II. alle örtlichen Geschäfte der Kreis-, Bezirks-, Provinzial- und allgemeinen Staats­ verwaltung, namentlich auch die Standesamtsgeschäfte nach Maßgabe der Bestim­ mungen des RG. v. 6. Febr. 1875 (RGBl. 23), sofern nicht ein besonderer Beamter hierfür bestellt ist. In denjenigen Gemeinden, in welchen ein kollegialischer Gemeindevorstand (Gemeinde­ rat) eingeführt ist, können die Standesamtsgeschäfte mit Genehmigung des Oberpräsidenten, andere der unter I, 1 und 2 und II erwähnten Geschäfte mit Genehmigung des Regierungs­ präsidenten einem anderen Mitgliede des Gemeinderates übertragen werden. 7. Abschnitt. Gemeinschaftliche Ortspolizeibezirke. § 64. Dem Minister des Innern steht die Befugnis zu, im Einvernehmen mit dem Kreis­ ausschusse Landgemeinden und selbständige Gutsbezirke nach Anhörung der Beteiligten zu einem gemeinschaftlichen Ortspolizeibezirke zu vereinigen, wenn dies das öffentliche Interesse er^etfdE)!.21 In einem solchen Bezirke wird die Ortspolizei nach Maßgabe des § 63 I von demjenigen der beteiligten Bürgermeister und Gutsvorsteher, beziehungsweise seinem gesetzlichen Stell­ vertreter, geführt, welcher hiermit von dem Minister des Innern betraut wird. Die übrigen Bürgermeister und Gutsvorsteher eines gemeinschaftlichen Ortspolizeibezirks haben jedoch das Recht und die Pflicht, da, wo die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicher­ heit ein sofortiges Einschreiten notwendig macht, das dazu Erforderliche vorläufig anzuordnen und ausführen zu lassen. Der Beitrag der einem gemeinschaftlichen Ortspolizeibezirke angehörenden Landgemeinden und selbständigen Gutsbezirke zu den Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung wird in Er­ mangelung einer Einigung unter den Beteiligten von dem Kreisausschusse festgesetzt. 21 Dies wird namentlich dann der Fall sein, wenn in einer Gemeinde oder in einem Gutsbezirke eine geeignete Person zur Führung der Ortspolizei fehlt.

11. Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau.

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Die auf Grund des § 8 Abs. 1 der GemOg. für die Städte und Landgemeinden des vor­ maligen Kurfürstentums Hessen v. 23. Okt. 1834 gebildeten Bürgermeistereibezirke bleiben als gemeinschaftliche Ortspolizeibezirke bestehen. Sie können jedoch, ebenso wie andere ge­ meinschaftliche Ortspolizeibezirke, wenn das öffentliche Interesse ihr Fortbestehen nicht mehr erheischt, auf demselben Wege, wie die Bildung gemeinschaftlicher Ortspolizeibezirke erfolgt, wieder aufgelöst werden. Über die hierbei etwa notwendig werdende Auseinander­ setzung zwischen den beteiligten Landgemeinden und Gutsbezirken beschließt in Ermangelung einer Einigung unter ihnen der Kreisausschuß, vorbehaltlich der den Beteiligten gegen­ einander zustehenden Klage im Verwaltungsstreitverfahren. 8. Abschnitt. Feld- und Ortsgerichte und Feldgeschworene. § 65. In Ansehung der Zusammensetzung und der Zuständigkeit des Feldgerichts im Gebiete des vormaligen Herzogtums Nassau, des früheren Amtes Homburg und in den Landdorfschaften des früheren Gebietes der vormaligen freien Stadt Frankfurt, sowie des Ortsgerichts und der Feldgeschworenen in den ehemals Großherzoglich Hessischen Gebiets­ teilen bewendet es bei den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen mit der Maßgabe, daß das in den letzteren vorgesehene Vorschlagsrecht der Gemeinde und des Gemeindevorstandes für das Amt der Feldgerichtsschöffen und der Feldgeschworenen der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) zusteht. 9. Abschnitt. Geschäfte der Gemeindeversammlung und der Gemeindever­ tretung (des Gemeindeausschusses, Bürgerausschusses). § 66. Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) hat über alle Gemeindeangelegen­ heiten zu beschließen, soweit diese nicht durch das Gesetz dem Bürgermeister (Gemeinderate) ausschließlich22 überwiesen sind. Über andere Angelegenheiten darf die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) nur dann beraten, wenn solche durch Gesetz oder Auftrag der Aufsichtsbehörde an sie ge­ wiesen sind. Die Gemeindeverordneten sind an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden. § 67. Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) überwacht die Verwaltung; sie ist berechtigt, sich von der Ausführung ihrer Beschlüsse, von dem Eingänge und der Ver­ wendung aller Einnahmen der Gemeindekasse, sowie von der gehörigen Ausführung der Gemeindearbeiten Überzeugung zu verschaffen. Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) darf ihre Beschlüsse in keinem Falle selbst zur Ausführung bringen. § 68. Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) ist zusammenzuberufen, so oft ihre Geschäfte es erfordern. Die Zusammenberufung erfolgt in ortsüblicher Weise unter Angabe der Gegenstände der Beratung durch den Bürgermeister; sie muß erfolgen, wenn es von einem Viertel der Mitglieder verlangt wird. Mit Ausnahme dringender Fälle müssen zwischen der Zusammenberufung und dem Ver­ handlungstermine mindestens zwei Tage freibleiben. Die Versammlungen sollen in der Regel nicht in Wirtshäusern oder Schenken abgehalten werden.. § 69. Die Gemeindevertretung kann regelmäßige Sitzungstage festsetzen; es müssen jedoch auch dann die Gegenstände der Beratung, mit Ausnahme dringender Fälle, mindestens zwei Tage vorher den Mitgliedern der Versammlung angezeigt werden. § 70. Die Gemeindeversammlung ist beschlußfähig, wenn mehr als ein Drittel der Stimm­ berechtigten^ anwesend ist. 22 Vgl. § 59 Abs. 4 dieser LGO. 23 Also auch der nach § 16 dieser LGO. Stimmberechtigten. Reichelt, Berwaltungsgesehbuch.

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III. Abschn. Kommunalverfassung.

Für die Gemeindevertretung bedarf es zur Beschlußfähigkeit der Anwesenheit von mehr als der Hälfte ihrer Mitglieder. In beiden Fällen bedarf es bei der Vorladung des Hinweises darauf, daß die Nichtanwesen­ den sich den gefaßten Beschlüssen zu unterwerfen haben. Wird die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) zum zweiten Male zur Beratung über denselben Gegenstand zusammenberufen, so sind die erschienenen Mitglieder ohne Rück­ sicht auf ihre Anzahl beschlußfähig. Bei der zweiten Zusammenberufung muß auf diese Be­ stimmung ausdrücklich hingewiesen werden. § 71. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Die der Stimmabgabe sich enthaltenden Mit­ glieder werden zwar als anwesend betrachtet, die Stimmenmehrheit wird jedoch lediglich nach der Zahl der abgegebenen Stimmen festgestellt. § 72. Bei der Beratung und Abstimmung über Rechte und Verpflichtungen der Gemeinde darf dasjenige Mitglied der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung), dessen Interesse mit dem der Gemeinde im Widerspruche steht, nicht zugegen sein. Wird die Versammlung aus diesem Grunde beschlußunfähig (§ 70), so beschließt an Stelle der Gemeindeversamm­ lung (Gemeindevertretung) der Gemeinderat, wo ein solcher nicht besteht, der Kreisausschuß. § 73. In den Gemeinden, in welchen ein kollegialischer Gemeindevorstand (Gemeinde­ rat) eingeführt ist, wird dieser zu allen Versammlungen der Gemeindevertretung eingeladen und kann sich durch Abgeordnete vertreten lassen. Die Gemeindevertretung kann verlangen, daß Abgeordnete des Gemeinderates bei ihren Beratungen anwesend sind; die Abgeordneten des Gemeinderates müssen gehört werden, so oft sie es verlangen. Bei den Sitzungen der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) findet beschränkte Öffentlichkeit statt. Den Sitzungen können als Zuhörer alle zu den Gemeindeabgaben heran­ gezogenen männlichen großjährigen Personen beiwohnen, welche sich im Besitze der bürger­ lichen Ehrenrechte befinden und Gemeindeangehörige (§ 7) oder Stimmberechtigte auf Grund des § 16 Abs. 1 oder Vertreter von Stimmberechtigten (§ 17 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4) sind. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen Beschluß, welcher in geheimer Sitzung gefaßt wird, die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Durch Ortsstatut kann bestimmt werden, daß die Sitzungen mit Angabe der Tagesord­ nung in ortsüblicher Weise vorher öffentlich bekanntzumachen sind. § 74. Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen, eröffnet und schließt die Sitzungen und handhabt die Ordnung in der Versammlung. Er kann jeden Zuhörer, welcher Störung verursacht, aus dem Sitzungszimmer entfernen lassen. § 75. Die Beschlüsse der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) sind in ein be­ sonderes Buch einzutragen und von dem Vorsitzenden, sowie wenigstens zwei stimmberechtigten Mitgliedern der Versammlung zu unterzeichnen. § 76. Durch Ortsstatut kann bestimmt werden, daß unentschuldigtes Ausbleiben aus den Versammlungen der Gemeindevertretung, sowie ordnungswidriges Benehmen in diesen Versammlungen oder in der Gemeindeversammlung für das betreffende Mitglied eine in die Gemeindekasse fließende Geldstrafe von einer bis drei Mark nach sich ziehen, und daß im Wiederholungsfälle nach Lage der Sache Ausschließung aus der Versammlung auf eine gewisse Zeit bis auf die Dauer eines Jahres verhängt werde. Über die Verhängung dieser Strafen beschließt die Gemeindevertretung oder die Gemeindeversammlung. Gegen den Beschluß findet die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt. Die Klage steht auch dem Bürgermeister (Gemeinderate) zu. § 77. Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) beschließt über die Verwaltung und Benutzung des Gemeindevermögens (§§ 38 ff.).

11. Landgemeindeordnung für Hessen Nassau.

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§ 78. Zur Veräußerung oder wesentlichen Veränderung von Sachen, welche einen be­ sonderen wissenschafüichen, historischen oder Kunstwert haben, ist die Genehmigung des Regierungspräsidenten erforderlich. Zur Veräußerung von Grundstücken oder solchen Gerechtigkeiten, welche den Grund­ stücken gesetzlich gleichgestellt sind, zu einseitigen Verzichtleistungen und Schenkungen, welche den Bestand des Grundver­ mögens (§ 38 Abs. 2) verringern, zu Anleihen,^ durch welche die Gemeinde mit einem Schuldenstande belastet oder der vorhandene vergrößert wird, zur neuen Belastung der Gemeindeangehörigen ohne gesetzliche Verpflichtung, zu Veränderungen im Genusse der Gemeindenutzungen, zur Anstrengung eines Rechtsstreites bedarf es der Genehmigung des Kreisausschusses. § 79. Die freiwillige Veräußerung von Grundstücken darf der Regel nach nur im Wege des öffentlichen Meistgebotes stattfinden. Zur Gültigkeit einer solchen Veräußerung gehört: 1. die Vorlegung eines beglaubigten Auszuges aus der Grundsteuermutterrolle, 2. eine ortsübliche Bekanntmachung, 3. die einmalige Bekanntmachung durch das für die amtlichen Bekanntmachungen des Landrats bestimmte Blatt (Kreisblatt), 4. eine Frist von mindestens zwei Wochen von der Bekanntmachung bis zum Verkaufstermine, 5. die Abhaltung der Verkaufsverhandlung durch den Bürgermeister oder einen Justiz­ beamten. Der im Abs. 2 unter Nr. 3 vorgeschriebenen Bekanntmachung bedarf es nicht, wenn der Grundsteuerreinertrag des Grundstücks 6 Mark nicht übersteigt. Liegt diese Voraussetzung (Abs. 3) vor, oder erachtet der Kreisausschuß den Vorteil der Gemeinde für gewahrt, so kann ein Verkauf aus freier Hand oder ein Tausch stattfinden. Das Ergebnis der Verkaufsverhandlung ist in allen Fällen der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) mitzuteilen; der Zuschlag kann nur mit deren Genehmigung erfolgen. Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf Verkäufe von Realberechtigungen Anwendung, wobei außerdem die Aufnahme einer Taxe in allen Fällen notwendig ist. Für die Eintragung im Grundbuche (Stockbuche) genügt zum Nachweise, daß der Vorschrift dieses Paragraphen entsprochen worden ist, die Bestätigung des Vertrages durch den Kreisausschuß. § 80. Die Verpachtung von Grundstücken und Gerechtigkeiten der Gemeinden muß im Wege des öffentlichen Meistgebots geschehen.^ Ausnahmen hiervon können durch den Kreisausschuß gestattet werden. 10. Abschnitt.

Besoldungen und Pensionen.^

§ 81. Die Landgemeinden sind befugt, die Anstellung besoldeter Gemeindebeamten für einzelne Dienstzweige oder Dienstverrichtungen zu beschließen. Über die Besoldungs- und Pensionsverhältnisse dieser Beamten kann durch Ortsstatut Bestimmung getroffen werden. § 82. Hat eine Gemeinde die Wahl eines besoldeten Bürgermeisters beschlossen (§ 46 Abs. 2), so kann die Auffichtsbehörde verlangen, daß die zu einer zweckmäßigen Verwaltung angemessenen Besoldungsbeträge bewilligt werden. 84 Vgl. die MErl. v. 1. Juni 1891 und 6. Aug. 1892 (MBl. 84 u. 321). 28 Tie Verpachtung der Gemeindejagd richtet sich nach der Jagdordnung v. 15. Juli 1907, ab« gedruckt unter Abschn. VI. u Tie §§ 81—87 sind durch § 25 Abs. 2 Nr. 2 KBecnnlG. (s. Abschn. IX) mit der in § 84 gc* ißebenen Änderung aufrechterhalten.

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§ 83. Aus 'Eintrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde beschließt der Kreisausschuß über die Festsetzung der Besoldungen und Dienstbezüge der Bürgermeister und sonstigen Gemeindebeamten. § 84. Ten besoldeten Bürgermeistern sind, sofern mdit mit Genehmigung bc* ttretö* Ausschusses eine Vereinbarung wegen der Pension genossen ist, bei eintretender Dienstlinfäbigkeit, oder wenn sie nach abgelaufener Wahlperiode nicht wieder gewählt werden, folgende Pensionen zu gewähren: ein Viertel der Besoldung nach sechsjähriger Dienstzeit, die Hälfte der Besoldung nach zwölfjähriger Dienstzeit; vom vollendeten 12. Diensijahre ab bis zum 24. Dienstjahre steigt die Pension alljährlich um 1 60.26 § 85. Die aus Lebenszeit angestellten besoldeten Gemeindebeamten erhalten, sofern nicht mit Genehmigung des Kreisausschusses ein anderes vereinbart worden ist, bet ein­ tretender Tienstunsähigkeit Pension nach den für die unmittelbaren Staatsbeamten gelten­ den Grundsätzen. Unberührt bleibt der Art. III des G. v. 31. März 1882 (b)S. 133), soweit er nicht durch das G., betreffend die Ausdehnung einiger Bestimmungen des G. v. 31. März 1882 wegen Abänderung des PensionsG. v. 27. März 1872 auf mittelbare Staatsbeamte, v. 1. März 1801 (GS. 19) abgeändert ist. tz 86. Tie Pension fällt fort oder ruht insoweit, als der Pensionierte durch anderweitige Anstellung im Staats- oder Gemeindedtenste ein Einkommen oder eine neue Pension er­ wirbt, welche mit Zurechnung der ersten Pension sein früheres Einkommen übersteigen. § 87. Tie Witwen und Waisen der besoldeten Bürgermeister, sowie derjenigen Gemeinde beamten, welche mit Pensionsberechtigung angestellt gewesen sind, erhalten, falls nicht ein anderes mit Genehmigung des Kreisausschusses vereinbart worden ist, Witwen- und Waiscngeld nach den für die Witwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten geltenden Vorschriften unter Zugrundelegung des von dem Beamten im Augenblicke des Todes erdienten Pensionsbetrages. Auf das Witwen- und Waisengeld kommen diejenigen Bezüge in Anrechnung, welche von öffentlichen Witwen- und Waisenanstalten gezahlt werden, insoweit die Gemeinde die Einkaussgelder und Beiträge geleistet hat. § 88. Über streitige Pcnstonsansprüche der besoldeten Bürgermeister und der übrigen besoldeten Gemeindebeamten, sowie über streitige Ansprüche der Hinterbliebenen dieser Beamten auf Witwen- und Waisengeld beschließt der Kreisausschuß, und zwar, soweit der Beschluß sich daraus erstreckt, welcher Teil des Tiensteinkommens bei Feststellung dieser Ansprüche als Besoldung anzusetzen ist, vorbehaltlich der den Beteiligten gegeneinander zu­ stehenden Klage im Verwaltungsstreitverfahrcn, im übrigen vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges.2? Der Beschluß ist vorläufig vollstreckbar. 11. Abschnitt.

Gemeindetzaushalt.

§ 89. Über die Einnahmen und Ausgaben, welche sich im voraus veranschlagen lassen, entwirft der Bürgermeister für das Rechnungsjahr oder für eine längere, von der Gemeinde­ versammlung (Gemeindevertretung) festzusetzende Rechnungsperiode, welche jedoch die Dauer von drei Jahren nicht übersteigen darf, einen Voranschlag. Der Entwurf ist während zwei Wochen nach vorheriger Bekanntmachung in einem von der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) zu bestimmenden Raume zur Einsicht aller Gemeindeangehörigen auszulegen. Nach Ablauf dieser Frist erfolgt die Feststellung des Voranschlages durch die Gemeinde­ versammlung (Gemeindevertretung). 27 Vgl. jetzt

7, 18 KBeainlG.

11. Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau.

309

Tiefe Feststellung ist vor Beginn des neuen Rechnungsjahres oder der neuen RechnungsPeriode zu bewirken. Ter Bürgermeister hat eine Abschrift des festgesetzten Voranschlages dem Vorsitzenden des Kreisausschusses einzureichen. Ter Gemeindehaushalt ist nach dem Voranschläge zu führen. Alle Gemeindeeinkünfte müssen zur Gemeindekasse gebracht werden. Ausgaben, welche außerhalb des Voranschlages geleistet werden sollen, oder über deren Verwendung besondere Beschlußfassung vorbehalten rst, sowie Überschreitungen des Voranschlages bedürfen der Genehmigung der Gemeinde­ versammlung (Gemeindevertretung). Durch Beschluß des Kreisausschusses kann einzelnen Gemeinden die Festsetzung eines Voranschlages erlassen werden, wenn deren Verhältnisse dies unbedenklich erscheinen lassen. § 90. Zur Führung des Gemeinderechnungs- und Kassenwesens ist ein Gemeinde­ beamter als Gemeinderechner anzustellen, welcher der Bestätigung durch den Landrat nach Maßgabe des § 55 bedarf und vor seinem Amtsantritte von dem Landrate ver­ eidigt wird. Der Gemeinderechner darf mit dem Bürgermeister in der in § 46 Abs. 4 bezeichneten Art weder verwandt noch verschwägert sein. Tritt eine solche Verwandt­ schaft oder Schwägerschaft während der Amtszeit eines Gemeinderechners ein, so hat dieser sein Amt niederzulegen. Tie Aufsichtsbehörde ist befugt, hiervon Ausnahmen zu­ zulassen. Der Gemeinderechner hat auf Verlangen eine genügende Sicherheit zu stellen, wogegen ihm der Anspruch auf eine mit seiner Amtstätigkeit in billigem Verhältnisse stehende Be­ soldung zukommt. Die Festsetzung der Höhe der Besoldung, sowie der Höhe und Form der Sicherheitsleistung unterliegt der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. In Landgemeinden, deren Verhältnisse dies unbedenklich erscheinen lassen, kann mit Ge­ nehmigung der Aufsichtsbehörde von der Anstellung eines besonderen Gemeindebeamten als Gemeinderechner abgesehen werden. § 91. Über die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde sind nach näherer Vorschrift der Aufsichtsbehörde die erforderlichen Rechnungs- und Kassenbücher zu führen. Die Gemeinderechnung ist von dem Gemeinderechner binnen sechs Wochen nach dem Schlüsse des Rechnungsjahres dem Bürgermeister einzureichen, welcher sie einer Vorprüfung zu unterziehen und, mit seinen Erinnerungen versehen, binnen weiteren sechs Wochen der Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) vorzulegen hat. Die Feststellung der Gemeinderechnung muß innerhalb sechs Monaten nach deren Vor­ legung bewirkt sein. Nach erfolgter Feststellung ist die Rechnung während eines Zeitraumes von zwei Wochen zur Einsicht der Gemeindeangehörigen auszulegen. Dem Vorsitzenden des Kreisausschusses ist eine Abschrift des Feststellungsbeschlusses sofort einzureichen. Die im zweiten und vierten Absätze bestimmten Fristen können durch die Aufsichtsbehörde verlängert werden.

§ 92.

Dem Kreisausschusse liegt die jährliche Nachprüfung der Gemeinderechnungen ob.

§ 93. Der Kreisausschuß beschließt: 1. über die Feststellung und den Ersatz der bei Kassen- und anderen Verwaltungen der Landgemeinden vorkommenden Defekte nach Maßgabe der Vg. v. 24. Jan. 1844 (GS. 52). Der Beschluß ist vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges endgültig; 2. über die Art der gerichtlichen Zwangsvollstreckungen wegen Geldforderungen gegen Landgemeinden (§ 15 zu 3 des EG.ZPO. v. 17. Mai 1898, RGBl. 332).

310

III. Abschn.

Kommunalverfassung.

Titel III. Selbständige Gutsbezirke im Regierungsbezirke Kassel. § 94. Für den Bereich eines selbständigen Gutsbezirkes ist der Besitzer des Gutes zu den

Pflichten und Leistungen,29 welche den Gemeinden für den Bereich ihres Gemeindebezirkes im öffentlichen Interesse gesetzlich obliegen, mit den hinsichtlich einzelner dieser Leistungen aus den Gesetzen folgenden Maßgaben verbunden. § 95. Der Besitzer eines selbständigen Gutes hat insbesondere die in dem § 63 aufgeführten obrigkeitlichen Befugnisse und Pflichten entweder in Person oder durch einen von ihm zu bestellenden, zur Übernahme des Amtes als Gutsvorsteher befähigten Stellvertreter auszuüben. Der letztere muß seinen beständigen Aufenthalt im Gutsbezirke oder in dessen Nähe haben. Es können jedoch seitens des Besitzers des Gutes sämtliche oder einzelne Gutsvorsteher, geschäfte an den Bürgermeister einer benachbarten Gemeinde oder den Vorsteher eines be­ nachbarten Gutsbezirkes unter deren Zustimmung gegen eine angemessene Entschädigung übertragen werden. Ehefrauen werden rücksichtlich der angeführten Rechte und Pflichten durch ihren Ehemann, Kinder unter elterlicher Gewalt durch ihren Vater und bevormundete Personen durch ihren Vormund oder Pfleger vertreten. § 96. Die Bestellung eines Stellvertreters muß erfolgen, 1. wenn das Gut unverheirateten oder verwitweten Besitzerinnen, einer juristischen Person, einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, einer Berggewerkschaft, einer eingetragenen Genossenschaft oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gehört, oder wenn mehrere Besitzer sich nicht darüber einigen, wer von ihnen die Ge­ schäfte des Gutsvorstehers wahrnehmen soll,29 2. wenn der Vormund oder Pfleger (§ 95 Abs. 3) eine Frau ist, 3. wenn der Gutsbesitzer kein Angehöriger des Deutschen Reichs ist, oder nicht seinen be­ ständigen Aufenthalt im Gutsbezirke oder in dessen Nähe hat oder wegen Krankheit oder aus anderen in seiner Person liegenden Gründen außerstande ist, die Pflichten eines Gutsvorstehers zu erfüllen. Auf den Antrag des Gutsbesitzers kann ein Stellvertreter für den ernannten Gutsvorsteher bestellt werden, welcher in Fällen der Behinderung des letzteren die Gutsvorstehergeschäfte wahrzunehmen hat. Für die von dem Hauptgute entfernt belegenen Teile eines selbständigen Gutsbezirkes kann von dem Kreisausschusse die Bestellung besonderer Stellvertreter angeordnet werden, sofern dies für eine ordnungsmäßige örtliche Verwaltung erforderlich ist. § 97. Der Gutsbesitzer, sowie dessen Stellvertreter werden in der Eigenschaft als GutsVorsteher von dem Landrate bestätigt. Die Bestätigung kann nur unter Zustimmung des Kreisausschusses versagt werden. Lehnt der Kreisausschuß die Zustimmung ab, so kann sie auf den Antrag des Landrats durch den Regierungspräsidenten ergänzt werden. Wird die Bestätigung von dem Landrate unter Zustimmung des Kreisausschusses versagt, so steht dem Gutsbesitzer binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Regierungspräsidenten zu, bei dessen Bescheide es verbleibt. Der Gutsvorsteher wird vor seinem Amtsantritte von dem Landrate vereidigt. § 98. Unterläßt der Besitzer des Gutes in den im § 96 angegebenen Fällen oder wenn ihm die Bestätigung als Gutsvorsteher versagt worden ist, die Bestellung eines Stellvertreters, oder befindet er sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte, oder ist er in Konkurs ver­ fallen, so steht dem Landrate unter Zustimmung des Kreisausschusses die Bestellung des Stell­ vertreters auf Kosten des Besitzers zu. 28 Eine Unterverteilung dieser Leistungen ist zulässig bei Kreisabgaben, Armen- und Bolksschullasten, Kriegsleistungen, Kosten der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. 29 Ferner, wenn die elterliche Gewalt über den minderjährigen Gutsbesitzer der Mutter zusteht, S§ 1627 ff. BGB. und Art. 69 $ 4 AG. dazu.

11. Landgemeindeordnung für HessenNassau.

311

§ Über die Festsetzung der dem stellvertretenden Gutsvorsteher in den Fällen des 8 98 zu gewährenden Vergütung beschließt der Kreisausschuß. Titel IV. Verbindung nachbarlich belegener Gemeinden und selbständiger Gutsbezirke zur gemeinsamen Wahrnehmung kommunaler Angelegenheiten. .(Aufgehoben durch Zweckverbandsgesetz v. 19. Juli 1911, GS. 115.] Titel V. Aufsicht des Staates. § 111. Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der Angelegenheiten der Land­ gemeinden, Gutsbezirke und Gemeindeverbände (vierter Titel) wird unbeschadet der gesetz­ lich geordneten Mitwirkung des Kreisausschusses und des Bezirksausschusses in erster Instanz von dem Landrate als Vorsitzenden des Kreisausschusses, in höherer und letzter Instanz von dem Regierungspräsidenten geübt. Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden in den vorbezeichneten Angelegenheiten sind in allen Instanzen innerhalb zwei Wochen anzubringen. § 112. Beschlüsse des Gemeinderates, der Gemeindeversammlung, der Gemeindever­ tretung oder der Gemeindeverbände (vierter Titel), welche deren Befugnisse überschreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Bürgermeister, der Gemeinderat, der Verbandsvorsteher, entstehendenfalls auf Anweisung der Aufsichtsbehörde, mit aufschiebender Wirkung unter Angabe der Gründe zu beanstanden. Gegen die Verfügung des Bürgermeisters, des Gemeinderates, des Verbandsvorstehers steht dem Gemeinderate, der Gemeindeversammlung, der Gemeindevertretung, der Versammlung der Verbandsmitglieder die Klage im Ver­ waltungsstreitverfahren zu. Die Aufsichtsbehörde ist nicht befugt, aus anderen als den vorstehend angegebenen Gründen eine Beanstandung von Beschlüssen des Gemeinderates, der Gemeindeversammlung, der Gemeindevertretung oder des Gemeindeverbandes herbeizuführen. § 113. Unterläßt oder verweigert eine Landgemeinde, ein Gutsbezirk oder ein Gemeinde­ verband (vierter Titel) die ihnen gesetzlich obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen auf den Voranschlag zu bringen oder außerordent­ lich zu genehmigen, so verfügt der Landrat unter Anführung der Gründe die Eintragung in den Voranschlag oder die Feststellung der außerordentlichen Allsgabe. Der Gemeinde, dem Besitzer des Gutes, dem Verbände steht gegen die Verfügung des Landrats die Klage bei dem Bezirksausschüsse zu. § 114. Durch Königliche Verordnung kann eine Gemeindevertretung aufgelöst werden. Es ist sodann binnen sechs Wochen, vom Tage der Auflösungsverordnung ab gerechnet, eine Neuwahl anzuordnen. Bis zur Gnführung der neugewählten Gemeindeverordneten beschließt an Stelle der Gemeindevertretung der Kreisausschuß. § 115. Bezüglich der Dienstvergehen der Bürgermeister, der Beigeordneten, der Schöffen, der Gutsvorsteher und der Berbandsvorsteher, sowie der sonstigen Beamten^ der Land­ gemeinden, Gutsbezirke und Gemeindeverbände kommen die Bestimmungen des G. v. 21. Juli 1852 (GS. 463) mit folgenden Maßgaben zur Anwendung: 1. Die Befugnis, gegen diese Beamten Ordnungsstrafen zu verhängen, steht dem Land­ rate und im Umfange des den Provinzialbehörden beigelegten Ordnungsstrafrechts dem Regierungspräsidenten zu. Gegen die Strafverfügungen des Landrats findet innerhalb zwei Wochen die Be­ schwerde an den Regierungspräsidenten, gegen die Strafverfügungen des RegierungsPräsidenten innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an den Oberpräsidenten statt. 30 Ein Disziplinarverfahren gegen Mitglieder der Gemeindeversammlung oder Gemeindevertretung als solche ist also nicht vorgesehen.

312

III. Abschn. Kommunalverfassung.

2. Gegen den auf die Beschwerde in den Fällen zu 1 in letzter Instanz ergehenden Be­ schluß des Regierungspräsidenten oder des Lberpräsidenten findet die Klage bei dem Lberverwaltungsgerichte statt. 3. In dem Verfahren auf Entfernung aus dem Amte wird von dem Landrate oder dem Regierungspräsidenten die Einleitung des Verfahrens verfügt und der Untersuchungs­ kommissar und der Vertreter der Staatsanwaltschaft ernannt. Als entscheidende Disziplinarbehörde erster Instanz tritt an die Stelle der Bezirksregierung der Kreisausschuß; an die Stelle des Staatsministeriums tritt das Oberverwaltungsgericht. Ter Vertreter der Staatsanwaltschaft bei dem Oberverwaltungsgerichte wird von dem Minister des Innern ernannt. In dem vorstehend zu 3 vorgesehenen Verfahren ist entstehendenfalls auch über die Tatsache der Dienstunfähigkeit der Gemeindebeamtcn Entscheidung zu treffen. § 116. Zuständig in erster Instanz ist im Verwaltungsstreitverfahren für die in diesem Gesetze vorgesehenen Fälle, sofern nicht im einzelnen ein anderes bestimmt ist, der Kreisausschuß. Die Frist zur Anstellung der Klage beträgt in allen Fällen zwei Wochen. Tie Gemeindeversammlung, die Gemeindevertretung, der Gemeindevorstand und der Gemeindeverband (vierter Titel) können zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verwaltungs­ streitverfahren einen besonderen Vertreter bestellen. § 117. Auf Gemeindeverbände, denen eine Stadtgemeinde angehört (§ 110), finden an Stelle der §§ 111, 112, 113, 115, 116 die Vorschriften der §§ 87, 88, 89, 91, 92 der Städteordnung für die Provinz Hessen-Nassau sinngemäß Anwendung. Titel VI. Ausführungs-, Übergangs- und Schlußbestimmungen. § 118. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. April 1898 in Kraft. Mit diesem Zeitpunkt treten alle entgegenstehenden Bestimmungen, auch die Bestimmungen im fünften Titel des G. über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichts, behörden v. 1. Aug. 1883 (GS. 237) und in den §§ 34 bis 40 der KrOg. für die Provinz Hessen-Nassau, außer Kraft. Rechte und Pflichten, welche auf besonderen Titeln des öffentlichen Rechts beruhen, bleiben insoweit in Kraft, als diese Titel von den bisherigen allgemeinen und besonderen gesetzlichen Vorschriften, Ordnungen, Gewohnheitsrechten und Observanzen abweichende Bestimmungen enthalten. Eine solche Abweichung wird nicht vermutet. § 119. Tie bei Verkündigung dieses Gesetzes bestehenden, von ihm abweichenden Ortsstatuten, allgemeinen Gewohnheitsrechte und Observanzen bleiben, soweit dies Gesetz orts­ statutarische Regelung zuläßt, unbeschadet der Bestimmung des § 96 Abs. 4 des KAbgG. v. 14. Juli 1893, einstweilen, längstens auf drei Jahre, in Kraft. Dies gilt auch bezüglich der auf Grund des § 8 der Gemeindeordnung für die Städte und Landgemeinden Kurhessens v. 23. Okt. 1834 gebildeten Bürgermeistereibezirke, abgesehen von ihrem Fortbestehen als gemeinschaftliche Ortspolizeibezirke (§ 64). § 120. Soweit Lehranstalten einschließlich der Volksschule die Eigenschaft von Gemeinde­ anstalten beiwohnt, kommen in deren Ansehung die Bestimmungen dieses Gesetzes nur unter den Einschränkungen in Anwendung, die sich aus den für die Anstalten geltenden besonderen Rechtsnormen ergeben. Dies findet sinnentsprechende Anwendung auf den Wegebau und andere Veranstaltungen der Gemeinden, über welche besondere Gesetze erlassen sind. §§ 121, 122. (Jetzt bedeutungslos^ § 123. Der Minister des Innern iss mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.

12. Kreisordnung für die Provinzen Ost. u. Westpreußen usw.

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12. Ätcseorbiwitg für die Provinzen Oft- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen? Vom 13. Dezember 1872. In der Fassung des Gesetzes vom 1. März 1881 (GS. 180).12 * Erster Titel. Von den Grundlagen der Kreisverfassung. 1. Abschnitt. Von dem Umfange und der Begrenzung der Kreise. § 1. Tie Kreise bleiben in ihrer gegenwärtigen Begrenzung als Verwaltungsbezirke be­ stehen. § 2. Jeder Kreis bildet nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes einen Kommunalverband zur Selbstverwaltung seiner Angelegenheiten mit Rechten einer Korporation? Veränderung der Kreisgrenzen und Bildung neuer Kreise. § 3. Die Veränderung bestehender Kreisgrenzen und die Bildung neuer, sowie die Zu­ sammenlegung mehrerer Kreise erfolgt durch Gesetz. Der Bezirksausschuß beschließt über die infolge einer solchen Veränderung notwendig werdende Auseinandersetzung zwischen den beteiligten Kreisen, vorbehaltlich der den letzteren gegeneinander innerhalb zwei Wochen zustehenden Klage bei dem Bezirksausschüsse. Veränderungen solcher Gemeinde- oder Gutsbezirksgrenzen, welche zugleich Kreisgrenzen sind, sowie die Bereinigung eines Grundstückes, welches bisher einem Gemeinde- oder Gutsbezirke nicht angehörte, mit einem in einem anderen Kreise belegenen Gemeinde- oder Guts­ bezirke, ziehen die Veränderung der betreffenden Kreisgrenzen und, wo die Kreis- und Wahl­ bezirksgrenzen 4 5zusammenfallen, auch die Veränderung der letztenen ohne weiteres nach sich. Eine jede Veränderung der Kreisgrenzen ist durch das Amtsblatt bekanntzumachen. Ausscheiden der großen Städte aus den Kreisverbänden. § 4. Städte, welche mit Ausschluß der aktiven Militärpersonen eine Einwohnerzahl von mindestens 25000 Seelen haben und gegenwärtig einem Landkreise angehören, sind befugt, für sich einen Kreisverband, Stadtkreis (§ 169), zu bilden und zu diesem Behufe aus dem bisherigen Kreisverbande auszuscheiden. Auf den Antrag der Stadt wird dieselbe dilrch den Minister des Innern für ausgeschieden erklärt. Durch Königliche Verordnung kann nach Anhörung des Provinziallandtages auch Städten von geringerer Nnwohnerzahl auf Grund besonderer Verhältnisse das Ausscheiden auS dem bisherigen und die Bildung eines eigenen Kreisverbandes gestattet werden. Es ist jedoch zuvor in allen Fällen eine Auseinandersetzung darüber zu treffen, welchen Anteil die ausscheidende Stadt an dem gemeinsamen Aktiv- und Passivvermögen des bisherigen Kreises, sowie etwa an fortdauernden Leistungen zu gemeinsamen Zwecken der beiden neuen Kreise zu übernehmen hat? 1 In Posen gilt noch die KrOg. für das Großherzogtum Posen v. 20. Dez. 1828 (GS. 1829, S. 3) mit den durch das G. über die allgemeine Landesverwaltung und die Zuständigkeit der Berwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden in der Provinz Posen v. 19. Mai 1889 (GS. 108) bewirkten Änderungen. 1 und mit den Änderungen, welche die KrOg. durch die neueren Berwaltungsgesetze, insbesondere LBG., ZustG., Kreis- und ProvAbgG. und KBeamtG., erfahren hat. s Diese Korporation wird durch den Kreisausschuß vertreten, und dieser wieder nach außen durch den Landrat, dessen Amtssitz auch der Gerichtsstand der Korporation ist. 4 Gemeint sind die Wahlbezirke für das Abgeordnetenhaus. 5 Abs. 5 des 8 4 (Beschlußfassung über die Auseinandersetzung und Klage) ist erseht durch § 2 ZustG.

314

III. Abschn. 5tommunalverfassung.

§ 5. Privattechtliche Verhältnisse werden durch Veränderungen der Kreisgrenzen (§§ 3, 4) nicht berührt. 2. Abschnitt. Von den Kreisangehörigen,'6 ihren Rechten und Pflichten. § 6. Angehörige des Kreises sind, mit Ausnahme der nicht angesessenen servisberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienststandes alle diejenigen, welche innerhalb des Kreises einen Wohnsitz haben. Rechte der Kreisangehörigen. § 7. Die Kreisangehörigen sind berechtigt: 1. zur Teilnahme an der Verwaltung und Vertretung des Kreises nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes, 2. zur Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und Anstalten des Kreises nach Maßgäbe der für dieselben bestehenden Bestimmungen. Pflichten der Kreisangehörigen. § 8. Die Kreisangehörigen sind verpflichtet, unbesoldete Ämter in der Verwaltung und Vertretung des Kreises7 zu übernehmen. Zur Ablehnung oder zur früheren Niederlegung solcher Ämter berechtigen folgende Entschuldigungsgründe: 1. anhaltende Krankheit; 2. Geschäfte, die eine häufige oder lange dauernde Abwesenheit vom Wohnorte mit sich bringen; 3. das Alter von 60 Jahren; 4. die Verwaltung eines unmittelbaren Staatsamtes;8 5. sonstige besondere Verhältnisse, welche nach dem Ermessen des Kreistages eine gültige Entschuldigung begründen. Beträgt die Amtsdauer mehr als drei Jahre, so kann das Amt nach Ablauf von drei Jahren niedergelegt werden. Wer ein unbesoldetes Amt in der Verwaltung oder Vertretung des Kreises während der vorgeschriebenen regelmäßigen Amtsdauer versehen hat, kann die Übernahme desselben oder eines gleichartigen für die nächsten drei Jahre ablehnen. Wer sich ohne einen der vorbezeichneten Entschuldigungsgründe weigert, ein unbesoldeteAmt in der Verwaltung oder Vertretung des Kreises zu übernehmen oder das übernommene Amt drei Jahre hindurch zu versehen, sowie derjenige, welcher sich der Verwaltung solcher Ämter trotz vorhergegangener Aufforderung seitens des Kreisausschusses tatsächlich entzieht, kann durch Beschluß des Kreistages für einen Zeitraum von drei bis sechs Jahren der Aus­ übung seines Rechtes auf Teilnahme an der Vertretung und Verwaltung des Kreises für verluftig erklärt und um ein Achtel bis ein Viertel stärker, als die übrigen Kreisangehörigen, zu den Kreisabgaben herangezogen werden. Gegen den Beschluß des Kreistages findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Be­ zirksausschüsse statt. §§ 9—18. (Ersetzt durch das Kreis- und ProvinzialabgabenG. v. 23. April 1906, abgedr. unter Abschn. XIV § 19. Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend 1. das Recht zur Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und Anstalten des Kreises, 6 Der II. Abschnitt handelt nur von Angehörigen eines Landkreises. 7 Dazu gehören insbesondere die Ämter der Amtsvorsteher und Amtsausschußmitglieder, der Kreistags-. Kreisaus schusi- und Kreiskommissionsmilglieder sowie der Kreisdeputierten. 8 Zur Übernahme eines Kreistagsmandats ist die Genehmigung der vorgesetzten Dienstbehörde nicht erforderlich; anders bei § 74 Nr. 5 öStOg. und § 65 Nr. 4 öLGOg.

12. Kreisordnung für die Provinzen Ost- u. Westpreußen usw.

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2.------------ 9 beschließt der Kreisausschuß. Gegen den Beschluß des Kreisausschusses findet innerhalb zwei Wochen die Klage beim Bezirksausschüsse statt. Hierbei ist die Zuständigkeit der Berwaltungsgerichte auch insoweit begründet, als bisher durch § 79 Tit. 14 Teil IIALR. bzw. §§ 9,10 des G. über die Erweite­ rung des Rechtsweges v. 24. Mai 1861 (GS. 241) oder sonstige bestehende Vorschriften der ordenüiche Rechtsweg für zulässig erklärt war. Die Beschwerden und die Einsprüche sowie die Klagen haben keine auffchiebende Wirkung. 3. Abschnitt. Kreisstatuten und Reglements. § 20. Jeder Kreis ist befugt: 1. zum Erlasse besonderer statutarischer Anordnungen10 über solche Angelegenheiten des Kreises, hinsichtlich deren das gegenwärtige Gesetz Verschiedenheiten gestattet (§§ 104 Abs. 2, 108 Abs. 1 und 109), oder das Gesetz auf statutarische Regelung verweist, sowie über solche Angelegenheiten, deren Gegenstand nicht durch Gesetz geregelt ist; 2. zum Erlasse von Reglements über besondere Einrichtungen des Kreises. Die Kreisstatuten und Reglements sind durch das Kreisblatt und, wo ein solches nicht be­ steht, durch das Amtsblatt auf Kosten des Kreises bekanntzumachen. Zweiter Titel. Bon der Gliederung und den Ämtern des Kreises. 1. Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen.

Gliederung des Kreises. § 21. Die Kreise, mit Ausnahme der Stadtkreise (§§ 4 und 169), zerfallen in Amtsbezirke, beziehungsweise in Stadt- und Amtsbezirke. Die Amtsbezirke bestehen aus einer oder mehreren Landgemeinden oder aus einem oder mehreren Gutsbezirken, beziehungsweise aus Landgemeinden und Gutsbezirken. An der Spitze der Verwaltung des Kreises steht der Landrat, an der Spitze der Verwaltung des Amtsbezirks der Amtsvorsteher, an der Spitze der Verwaltung der Gemeinde der Ge­ meindevorsteher. Für den Bereich eines selbständigen Gutsbezirks führt der Gutsvorsteher die dem. Gemeindevorsteher obliegende Verwaltung. §§ 22—45. Der 2. Abschnitt dieses Gesetzes (Von dem Gemeindevorsteher und dem Schöffenamte, sowie von der Ortsverwaltung der selbständigen Gutsbezirke), sowie der 3. Abschnitt (Aufhebung der mit dem Besitze gewisser Grundstücke verbundenen Berechtigung und Verpflichtung zur Verwaltung des Schulzenamtes) ist durch öLGO. § 146 aufgehoben worden. 4. Abschnitt.

Von den Amtsbezirken und dem Amte der Amtsvorsteher.

Aufhebung der gutsherrlichen Polizeiverwaltung. § 46. Die Polizei wird im Namen des Königs ausgeübt. Die gutsherrliche Polizeigewalt ist aufgehoben. § 47. Behufs Verwaltung der Polizei und Wahrnehmung anderer öffentlicher Angelegen­ heiten wird jeder Kreis, mit Ausschluß der Städte, in Amtsbezirke geteilt. § 48. Für die Bildung der Amtsbezirken gelten folgende Grundsätze: 1. Jeder Amtsbezirk soll tunlichst ein räumlich zusammenhängendes und abgerundetes Flächengebiet umfassen, dessen Größe und Einwohnerzahl dergestalt zu bemessen ist, • Der weitere, hier nicht abgedruckte Text des § 19 ist ersetzt durch Kreis- und ProvAbgG. v. 23. April 1906. 10 Kreisstatuten bedürfen landesherrlicher Genehmigung (§ 176 Nr. 1). 11 MJnstr. über die Bildung der Amtsbezirke, die Berufung der Amtsvorsteher und deren StellVertreter v. 18. Juni 1873 (MBl. 153).

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III. Abschn. Kommunalverfassunq.

daß einerseits die Erfüllung der durch das Gesetz der Amtsverwalrung auferlegten Aufgaben gesichert, andererseits die Unmittelbarkeit und die ehrenamtliche Ausübung der örtlichen Verwaltung nicht erschwert wird. 2. Gemeinden, welche eine den Bestimmungen des Gesetzes entsprechende Amtsverwaltung aus eigenen Kräften herzustellen vermögen, sind, wenn nicht die örtliche Lage die Zuschlagung anderer Gemeinde- oder Gutsbezirke notwendig macht, auf ihren Antrag zu einem Amtsbezirke zu erklären. 3. Gutsbezirke von abgesonderter Lage, welche ohne wesentliche Unterbrechung ein räumlich zusammenhängendes Gebiet von erheblichem Flächeninhalte umfassen, können auf Antrag ohne Rücksicht auf ihre Einwohnerzahl unter den übrigen Voraussetzungen der Nr. 1 und 2 zu Amtsbezirken erklärt werden. 4. Alle übrigen Gemeinden und Gutsbezirke werden zu Amtsbezirken vereinigt. Insbesondere sollen Gemeinden und Gutsbezirke, welche eine örtlich verbundene Lage haben, zu einem und demselben Amtsbezirke gehören. Bei Abgrenzung der zusammengesetzten Amtsbezirke ist möglichst darauf zu achten, daß die innerhalb der Kreise bestehenden Verbände (Kirchspiele, Schulverbände, Wege­ baubezirke usw.) nicht zerrissen werden. § 49. Die Bildung der Amtsbezirke, sowie die etwa erforderliche Abänderung derselben erfolgt nach Anhörung der Beteiligten, auf Vorschlag des nach diesem Gesetze gewählten Kreistages, durch den Minister des Innern. Die Revision und endgültige Feststellung, sowie jede spätere Abänderung der Amtsbezirke erfolgt durch den Minister des Innern im Einvernehmen mit dem Bezirksausschüsse nach vorheriger Anhörung der Beteiligten und des Kreistages.^ Die endgültige Feststellung der Amtsbezirke darf erst nach Ablauf einer öffentlich bekannt­ zumachenden angemessenen Frist stattfinden. Veränderungen solcher Gemeinde- oder Gutsbezirksgrenzen, welche zugleich Amtsbezirks­ grenzen sind, ziehen die Veränderung der letzteren ohne weiteres nach sich. § 49a. Dem Minister des Innern^ steht die Befugnis zu, im Einvernehmen mit dem Bezirksausschüsse ländliche Gemeinde- und Gutsbezirke, welche innerhalb der Feldmark einer zu einem Landkreise gehörigen Stadt belegen sind oder unmittelbar an dieselbe an­ grenzen, bezüglich der Verwaltung der Polizei nach Anhörung der Beteiligten und des Kreistages mit dem Bezirke der Stadt zu vereinigen, sofern dies im öffentlichen Interesse not­ wendig ist. In Ermangelung einer Einigung unter den Beteiligten wird der Beitrag der betreffen­ den Landgemeinde, beziehungsweise des betreffenden Gutsbezirkes zu den Kosten der städtischen Polizeiverwaltung von dem Bezirksausschüsse festgesetzt. Der Minister des Innern kann im Einvernehmen mit dem Bezirksausschüsse in den Fällen des ersten Absatzes gleichzeitig die Ausscheidung der betreffenden Landgemeinden und Gutsbezirke aus dem Amtsbezirke, welchem sie bisher angehörten, aussprechen. Über die hierdurch notwendig werdende Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten beschließt der Kreisausschuß. Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren statt. § 50. Die Organe der Amtsverwaltung in den Amtsbezirken sind nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes der Amtsvorsteher und der Amtsausschuß. Amtsausschuß. § 51. Für die Bildung des Amtsausschusses gelten folgende Bestimmungen: 1. In den zusammengesetzten Amtsbezirken besteht der Amtsausschuß aus Vertretern sämtlicher zum Amtsbezirke gehörigen Gemeinden und selbständigen Gutsbezirke. 11 Vgl. § 6 ZustG. — Beteiligte im Sinne § 49 Abs. 2 sind die Amisausschüsse sowie die Ver­ tretungen der betreffenden Gemeinde- und Gutsbezirke.

12. Kreisordnung für die Provinzen C*t- u. Westpreuhc» usw.

317

Jede Gemeinde und jeder Gutsbezirk ist wenigstens durch einen Abgeordneten zu vertreten. Die Vertretung der Gemeinden erfolgt zunächst durch den Gemeindevorsteher, so­ dann durch die Schöffen und, wenn auch deren Zahl nicht ausreicht, durch andere von der Gemeinde zu wählende13 Mitglieder. Die Zahl der von jeder Gemeinde zu entsendenden Vertreter, sowie der jedem Guts­ bezirk einzuräumenden Stimmen wird mit Rücksicht auf die Steuerleistungen und die Einwohnerzahl durch ein nach Anhörung der Beteiligten auf den Vorschlag des Kreis­ ausschusses von dem Kreistage zu erlassendes Statut geregelt. Beschwerden gegen dieses Statut unterliegen der endgültigen Beschlußfassung des Bezirksausschusses. Vertreter einer Gemeinde oder eines Gutsbezirkes bei dem Amtsausschusse können nur Personen sein, welche die im § 96 unter a und b bezeichneten Eigenschaften besitzen. 2. In denjenigen Amtsbezirken, welche nur aus einer Gemeinde bestehen, nimmt die Gemeindeversammlung beziehungsweise Gemeindevertretung die Geschäfte des Amtsausschusses wahr. 3. In denjenigen Amtsbezirken, welche nur ans einem Gutsbezirke bestehen, fällt der Amtsausschuß weg. § 61a. Gegen das zum Zwecke der Wahl eines Abgeordneten zum Amtsausschusse (§ 51 Nr. 1) stattgehabte Wahlverfahren" kann jedes Mitglied der Wahlversammlung innerhalb zwei Wochen Einspruch bei dem Vorsitzenden des Wahlvorstandes erheben. Die Beschluß­ fassung über den Einspruch, über welchen die Beteiligten vorab zu hören sind, steht dem Amtsausschusse zu. Im übrigen prüft der Amtsausschuß die Legitimation seiner Mtglieder von Amts wegen und beschließt darüber. Jede Wahl verliert dauernd oder vorübergehend ihre Wirkung, wenn sich ergibt, daß die für die Wählbarkeit vorgeschriebenen Bedingungen nicht vorhanden gewesen sind, oder wenn diese Bedingungen gänzlich oder zeitweise aufhören. Das gleiche gilt in bezug auf die unmittelbar auf dem Gesetze beruhende Mitgliedschaft des Amtsausschusses. Der Amtsausschuß hat darüber zu beschließen, ob einer der gedachten Fälle eingetreten ist. Gegen die nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen gefaßten Beschlüsse des Amts­ ausschusses findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Kreisausschusse statt. Dieselbe steht auch dem Amtsvorsteher zu. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung; jedoch dürfen Ersatzwahlen vor rechtskräftiger Entscheidung nicht vorgenommen werden. Für das Streitverfahren kann der Amtsausschuß einen besonderen Vertreter bestellen. § 52. Zu den Befugnissen des Amtsausschusses gehört: 1. die Kontrolle sämtlicher und die Bewilligung derjenigen Ausgaben der Amtsverwal­ tung, welche vom Amtsbezirke aufgebracht werden (§§ 69 und 70 Abs. 4); 2. die Beschlußfassung über diejenigen Polizeiverordnungen, welche der Amtsvorsteher unter Mitwirkung des Amtsausschusses zu erlassen befugt ist (§ 62); 3. die Äußerung über Abänderung des Amtsbezirkes (§ 49); 4. die Bestellung, sowie die Wahl besonderer Kommissionen oder Kommissarien zur Vor­ bereitung und Ausführung von Beschlüssen des Amtsausschusses; 5. die Beschlußfassung über sonstige Angelegenheiten, welche der Amtsvorsteher aus dem Kreise seiner Amtsbefugnisse dem Amtsausschusse zu diesem Zwecke unterbreitet. § 63. sAufgchoben durch § 146 öLGO. und ersetzt durch ZweckverbandsG. v. 19. Juli 1911, GS. 115.] § 54. Der Amtsvorsteher beruft den Amtsausschuß und führt den Vorsitz mit vollem Stimmrechte." Die Sitzungen des Amtsausschusses sind öffentlich. Für einzelne Gegen13 14 steht Abs.

Die Wahlen erfolgen nach dem Wahlreglement zur KrOg. (GS. 1881, S. 231). Und zwar neben dem Stimmrechte, das ihm etwa als Guts- oder Gemeindevorsteher zu­ (MErl. v. 9. Okt. 1874, MBl. 257); doch zählt er bei Berechnung der .Hälfte" im Sinne de2 nicht doppelt.

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III. Abschn.

Kommunalverfassung.

stände kann durch einen in geheimer Sitzung zu fassenden Beschluß die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Der Amtsausschuß kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist.14 Eine Ausnahme hiervon findet statt, wenn die Mitglieder, zum zweiten Male zur Verhandlung über denselben Gegenstand berufen, dennoch nicht in beschlußfähiger Anzahl erschienen sind. Bei der zweiten Beratung muß auf diese Bestimmung ausdrücklich hingewiesen werden. Die Beschlüsse des Amtsausschusses werden nach Mehrheit der Stimmen gefaßt. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt. § 54 a. Beschlüsse des Amtsausschusses, welche dessen Befugnisse überschreiten oder die Gesetze verletzen, hat der Amtsvorsteher, entstehendenfalls auf Anweisung der Aufsichts­ behörde, unter Angabe der Gründe, mit aufschiebender Wirkung zu beanstanden. Gegen die Verfügung des Amtsvorstehers steht dem Amtsausschusse innerhalb einer Frist von zwei Wochen die Klage bei dem Kreisausschusse zu. Zur Wahrnehmung seiner Rechte im Verwaltungsstreitverfahren kann der Amtsausschuß einen besonderen Vertreter wählen. § 55. Für die nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes den Gemeinden und Gutsbezirken gemeinsamen Angelegenheiten stehen dem Amtsverbande die Rechte einer Korporation zu. Die Korporation wird nach außen durch den Amtsvorsteher vertreten. Urkunden, welche das Amt verpflichten sollen, sind von dem Amtsvorsteher und mindestens einem Mitgliede des Amtsausschusses unter Anführung des betreffenden Beschlusses des Amts­ ausschusses zu vollziehen. § 55 a. Beschlüsse der Amtsverbände, betreffend die Veräußerung von Grundstücken oder Jmmobiliarrechten, oder die Aufnahme von Anleihen, durch welche der Amtsverband mit einem Schuldenbestande belastet, oder der bereits vorhandene Schuldenbestand vergrößert werden würde, bedürfen der Bestätigung des Kreisausschusses. Ohne diese Genehmigung sind die bezeichneten Rechtsgeschäfte nichtig. Zur Aufnahme von Anleihen durch den Amtsausschuß ist die Zustimmung sämtlicher zu dem Amtsbezirke gehörigen Gemeinden und Gutsbezirke notwendig. 8 55b. Der Kreisausschuß beschließt an Stelle der Aufsichtsbehörde: 1. über die Art der gerichtlichen Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gegen Amtsverbände (§ 15 zu 3 des EG.ZPO. v. 17. Mai 1898, RGBl. 332); 2. über die Feststellung und den Ersatz der bei Kassen und anderen Verwaltungen der Amtsverbände vorkommenden Defekte nach Maßgabe der Vg. v. 24. Jan. 1844 (GS. 52); 3. über die verweigerte Abnahme oder Entlastung von Rechnungen der rechnungsführen­ den Beamten. Der Beschluß zu 2 und 3 ist, vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges, endgültig. § 55 c. Die Aufsicht des Staats über die Verwaltung der Angelegenheiten der Amts­ verbände wird unbeschadet der vorstehenden Bestimmungen in erster Instanz von dem Land­ rat als Vorsitzenden des Kreisausschusses, in höherer und letzter Instanz von dem RegierungsPräsidenten geübt.15 Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden in Angelegenheiten der Amtsverbände smd in allen Instanzen innerhalb zwei Wochen anzubringen. Amtsvorstehcr. § 56. Der Amtsvorsteher wird von dem Oberpräsidenten ernannt. Die Ernennung erfolgt auf Grund von Vorschlägen des Kreistages, in welche aus der Zahl der Amtsangehörigen die zu Amtsvorstehern befähigten Personen aufzunehmen sind. Lehnt ein Kreistag die Aufforderung des Oberpräsidenten zur Vervollständigung dieser 15 Fassung zufolge § 5 ZustG. — „Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses", so das; der Landrat bei Ausübung dieser Aufsicht nicht von dem Kreissekretär vertreten werden kann.

12. Äreisordnung für die Provinzen Ost- u. Westpreußen usw.

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Vorschläge ab, so hat der Provinzialrat auf Antrag des Oberpräsidenten darüber zu beschließen, ob und welche Personen nachträglich in die Vorschlagsliste aufzunehmen sind. Die Ernennung erfolgt auf sechs Jahre. Der Amtsvorsteher wird von dem Landrate ver­ eidigt. In denjenigen Amtsbezirken, welche nur aus einer Gemeinde oder einem selbständigen Gutsbezirke bestehen, ist der Gemeinde- bzw. Gutsvorsteher zugleich Amtsvorsteher. § 57. 1. Für jeden Amtsbezirk wird nach den für die Ernennung des Amisvorstehers geltenden ^Bestimmungen (§ 56) ein Stellvertreter des letzteren ernannt. 2. Ist der Amtsvorsteher an der Wahrnehmung seiner Amtsgeschäfte verhindert, so hat der (BteUoertreter16 dieselben zu übernehmen; der Landrat ist hiervon zu benachrichtigen, sobald die Verhinderung länger als drei Tage dauert. 3. Erledigt sich das Amt des Amtsvorstehers, so tritt bis zur Ernennung seines Nachfolgers der Stellvertreter für ihn ein. 4. Findet sich im Amtsbezirke keine zur Ernennung als Stellvertreter geeignete Person, so hat der Kreisausschuß die Stellvertretung einstweilen einem der benachbarten Amtsvor­ steher, oder, nach vorherigem Einvernehmen mit der städtischen Vertretung, dem Bürger­ meister einer benachbarten Stadt zu übertragen. Eine gleiche Anordnung erfolgt für den Fall des gleichzeitigen Abganges oder der gleichzeitigen Behinderung des Amtsvorstehers und seines Stellvertreters. 5. Ist der Amtsvorsteher bei der Erledigung eines Amtsgeschäftes persönlich beteiligt, so hat der Kreisausschuß den Stellvertreter oder einen der benachbarten Amtsvorsteher, be­ ziehungsweise Bürgermeister, damit zu betrauen. 6. In den Gemeinden, welche einen eigenen Amtsbezirk bilden, vertritt nach der Bestimmung des Kreisausschusses einer der Schöffen den Gemeindevorsteher in seiner Eigen­ schaft als Amtsvorsteher. ^ 7. In den Fällen der Abs. 5 und 6 ist der Beschluß des Kreisausschusses endgültig. § 58. Ist nach der Erklärung des Kreistages für einen Amtsbezirk weder eine zum Amts­ vorsteher geeignete Person zu ermitteln, noch die zeitweilige Wahrnehmung der Amtsver­ waltung durch den Vorsteher eines benachbarten Amtsbezirks oder durch den Bürgermeister einer benachbarten Stadt tunlich, so bestellt der Oberpräsident auf Vorschlag des Kreisausschusses einen kommissarischen Amtsvorsteher. Für die Übernahme der Verwaltung eines benachbarten Amtsbezirks durch einen Bürger­ meister ist die Zustimmung der städtischen Vertretung erforderlich. Sofern die Verhältnisse es gestatten, kann ein kommissarischer Amtsvorsteher mit der Ver­ waltung zweier oder mehrerer Amtsbezirke gleichzeitig beauftragt werden. Obliegenheiten des Amtsvorstehers. § 59. Der Amtsvorsteher verwaltet: 1. die Polizei, insbesondere die Sicherheits-, Ordnungs-, Sitten-, Gesundheits-, Ge­ sinde-, Armen-, Wege-, Wasser-, Feld-, Forst-, Fischerei-, Gewerbe-, Bau-, Feuer­ polizei usw., soweit sie nicht durch besondere Gesetze dem Landrate oder anderen Be­ amten übertragen ist;18 2. die sonstigen öffentlichen Angelegenheiten des Amtes nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes. Unter der nach Ziff. 1 dem Amtsvorsteher übertragenen Wasserpolizei ist die Strom-, Schiffahrts- und Hafenpolizei nicht begriffen. 16 Nicht aber darf der Landrat Geschäfte des Amtsvorstehers an sich ziehen (MErl. v. 15. Sept. 1875, MBl. 267). 17 In Gutsbezirken, die einen eigenen Amtsbezirk bilden, hat der Gutsvorsteherstellvertreter auch die Vertretung des Amtsvorstehers zu übernehmen. " So dem Landrat die Jagd- und Chausseepolizei (außer Chausseebaupolizei, die dem Regierungs­ präsidenten zusteht); die Fischereipolizei kann besonderen Beamten übertragen werden, die Berg-, Eisenbahn, und Deichpolizei wird regelmäßig durch besondere Beamte ausgeübt.

III. Abschn.

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Kommunalverfassung.

§ 60. Der Amtsvorsteher hat das Recht und die Pflicht, da, wo die Erhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit sein Einschreiten notwendig macht, das Erforderliche anzuordnen und ausführen zu lassen.19 § 61. Ter Kreisausschuß bestimmt endgültig denjenigen Amtsvorsteher, beziehungsweise Bürgermeister, welcher die in bezug auf die öffentlichen Wege notwendigen Anordnungen zu treffen hat, wenn die Beteiligten verschiedenen Amtsbezirken, beziehungsweise Amtsund Stadtbezirken angehören. Diese Bestimmung findet gleichmäßig Anwendung auf die in Vorfluts- und anderen Polizeilichen Angelegenheiten zu treffenden Anordnungen. § 62. Das durch die §§ 5 ff. des G. v. 11. März 1850 (GS. 265) der Ortspolizeibehörde für den Umfang einer Gemeinde erteilte Recht zum Erlaß von Polizeistrafverordnungen wird auf den Amtsvorsteher mit der Maßgabe übertragen, daß er nicht nur für den Umfang einer einzelnen Gemeinde oder eines einzelnen Gutsbezirks, sondern auch für den Umfang mehrerer Gemeinden oder Gutsbezirke und für den Umfang des ganzen Amtsbezirks unter Zustimmung des Amtsausschusses,2o auch int Falle des § 7 des G., derartige Verordnungen zu erlassen befugt ist. Versagt der Amtsausschuß die Zustimmung, so kann dieselbe auf Antrag des Amtsvorstehers durch Beschluß des Kreisausschusses ergänzt werden. Der Beschluß ist endgültig. § 63. Ter Amtsvorsteher hat in den seiner Verwaltung anheimfallenden Angelegenheiten das Recht der vorläufigen Straffestsetzung, nach den Vorschriften des G. v. 23. April 1883 (GS. 65). § 64. (Fortgefallen.) Dienstliche

Stellung

der Gemeinde- und Gutsvorstände, sowie darmen zu dem Amtsvorsteher.

der Gen­

§ 65. Die Gemeinde- und Gutsvorsteher sind verbunden, den Anweisungen und Auf­ trägen des Amtsvorstehers, welche derselbe in Gemäßheit seiner gesetzlichen Befugnisse in Dienstangelegenheiten an sie erläßt, nachzukommen, und können hierzu von ihm unter AnWendung der den Ortspolizeibehörden nach § 132 des G. über die allgemeine Landesverwaltung v. 30. Juli 1883 (GS. 195) zustehenden Zwangsmittel, mit Ausnahme der Haftstrafe, angehalten werden. Ein Ordnungsstrafrecht steht dem Amtsvorsteher gegen die Gemeinde- und Gutsvorsteher nicht $u.21 Die Gendarmen haben den Requisitionen des Amtsvorstehers in polizeilichen Angelegen­ heiten zu genügen. Der Dienstaufsicht des Amtsvorstehers unterliegen sie nicht. Dienstliche Stellung des Amtsvorstehers zu dem Landrate und dem Kreisausschuß. § 66. Ter Landrat und der K^reisausschuß sind befugt, für die Geschäfte der allgemeinen Landes- und Kreiskommunalverwaltung, sowie bei Beaufsichtigung der Kommunalangelegen­ heiten der zu dem Amtsbezirke gehörigen Gemeinden und Gutsbezirke die vermittelnde und begutachtende Tätigkeit des Amtsvorstehers in Anspruch zu nehmen. § 67. Der Kreisausschuß beschließt über Beschwerden gegen Verfügungen der AmtsVorsteher in nicht polizeilichen Angelegenheiten. Die Aufsicht über die Geschäftsführung der Amtsvorsteher führt der Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses.^ 18 Vgl. §§ 132 u. 127 LVG. 20 bzw. der Gemeindeversammlung oder Gemeindevertretung nach § 51 Nr. 2. 21 Weil ihm diesen gegenüber auch keine allgemeine Dienstaussicht zusieht, wenn ihm nicht gemäß § 66 besondere Kontrollrechte für den einzelnen Fall (z. B. Revision der Gemeinderechnung) übertragen werden.

12. Kreisordnung für die Provinzen Ost- u. Westpreußen usw.

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Dienstvergehen des Amtsvorstehers. § 68. Bezüglich der Dienstvergehen der Amtsvorsteher finden die Bestimmungen des G. v. 21. Juli 1852, betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten (GS. 465), mit folgenden Maßgaben Anwendung: 1. Über die Verhängung von Ordnungsstrafen gegen die Amtsvorsteher beschließt im Umfange des den Provinzialbehörden beigelegten Ordnungsstrafrechtes der Kreis« ausschuß und im Umfange des dem Minister beigelegten Ordnungsstrafrechtes der Regierungspräsident. Dem Landrate steht das Recht zur Verhängung von Ordnunas« strafen gegen die Amtsvorsteher nicht zu. Gegen den Beschluß des Kreisausschusses findet innerhalb zwei Wochen die Be« schwerde an den Bezirksausschuß, gegen die Strafverfügungen des Regierungspräsi­ denten innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an den Oberpräsidenten statt. Gegen den auf die Beschwerde ergehenden Beschluß des Bezirksausschusses be­ ziehungsweise des Oberpräsidenten findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt. 2. In dem auf Entfernung aus dem Amte gerichteten Verfahren wird die Einleitung des Disziplinarverfahrens von dem Landrate oder von dem Regierungspräsidenten verfügt und von demselben der Untersuchungskommissar, sowie der Vertreter der Staats« anwaltschaft für die erste Instanz ernannt. Die entscheidende Behörde erster Instanz ist der Kreisausschuß, die entscheidende Behörde zweiter Instanz das Oberverwaltungsgericht. Der Vertreter der Staats« anwaltschaft bei dem Oberverwaltungsgerichte wird von dem Minister des Innern ernannt. Kosten der Amtsverwaltung.

§ 69. Der Amtsvorsteher ist berechtigt, eine Amtskostenentschädigung zu beanspruchen, welche nach Anhörung der Beteiligten von dem Kreisausschusse als ein Pauschquantum festgesetzt wird. In gleicher Weise erfolgt die Festsetzung der einem kommissarischen Amtsvorsteher zu ge­ währenden Remuneration.88 § 70. Als Beitrag zu den Kosten der Amtsverwaltung überweist der Staat den Kreisen diejenigen Summen, welche er infolge des gegenwärtigen Gesetzes durch das Eingehen der Königlichen Polizeiverwaltungen, durch den Wegfall der Schulzenremunerationen und anderer Polizeiverwaltungskosten an den im Staatshaushaltsetat für das Jahr 1873 für ebengenannte Zwecke veranschlagten Ausgaben fernerhin ersparen wird. Der Gesamtbeitrag, den der Staat nach Abs. 1 zu den Kosten der Amtsverwaltung zu leisten hat, wird den Landkreisen der Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen zu einer Hälfte nach dem Maßstabe des Flächeninhalts, zur anderen Hälfte nach dem Maßgabe der durch die Zählung vom 1. Dezember 1871 fest­ gestellten Zahl der Zivilbevölkerung überwiesen. Außerdem wird der Staat für die den Kreisen beziehungsweise Amtsbezirken durch die Wahrnehmung von Geschäften der Staatsverwaltung erwachsenden Ausgaben besondere Fonds überweisen. Das hierüber zu erlassende Gesetz wird über den Betrag und die Ver­ teilung dieser Fonds nähere Anordnungen treffen.83 Soweit die Kosten der Amtsverwaltung durch die vom Staate überwiesenen Beträge ihre Deckung nicht finden, trägt dieselbe das Amt. In den zusammengesetzten Amtsbezirken gilt für die Aufbringung der Verwalmngsropen in Ermangelung einer Vereinbarung unter den Beteiligten83 der nach Maßgabe dieses Ge­ setzes in dem Kreise für die Kreisabgaben festgestellte Maßstab. 12 Vgl. jetzt § 18 KBeamtG. 23 Vgl. die Dotationsgesetze v. 30. April 1873 und 8. Juli 1875. 24 Das sind die zu dem Amtsbezirke gehörenden Gemeinden und Gutsbezirke.

Reich elt, BerwaltungSgesetzbuch.

322

III. Abschn.

Kommunalverfassung

§ 70 a. Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend: 1. das Recht zur Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und Anstalten des Amts bezirkes, 2. die Heranziehung oder die Veranlagung zu den Kosten der Amtsverwaltung oder zu anderen Amtsabgaben, beschließt — in zusammengesetzten Amtsbezirken — der Amtsausschuß. Beschwerden und Einsprüche der zu 2 gedachten Art sind innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Bekanntmachung der Abgabebeträge bei dem Amtsvorsteher anzubringen. Einsprüche gegen die Höhe von Amtszuschlägen zu den direkten Staatssteuern, welche sich gegen den Prinzipalsatz der letzteren richten, sind unzulässig. Gegen den Beschluß des Amtsausschusses findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Kreisausschusse statt. Hierbei finden die Vorschriften des § 19 Abs. 3 Satz 2 Anwendung. Die Beschwerden und die Einsprüche, sowie die Klage, haben keine aufschiebende Wirkung. § 71. In denjenigen Gemeinden und Gutsbezirken, welche einen Amtsbezirk für sich bilden, werden die Kosten der Amtsverwaltung gleich den übrigen Kommunalbedürfnissen aufgebracht. Solche Amtsbezirke haben keinen Anspruch auf die vom Staate gewährten Fonds. § 72. Unterläßt oder verweigert ein Amtsverband, die ihm gesetzlich obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen auf den Haushaltsetat zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen, so verfügt der Landrat unter Anführung der Gründe die Eintragung in den Etat, beziehungsweise die Feststellung der außerordentlichen Ausgabe. Gegen die Verfügung des Landrats steht dem Amtsverbande innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse zu. Zur Ausführung der Rechte des Amtsverbandes kann der Amtsausschuß einen besonderen Vertreter bestellen. Einnahmen aus Geldbußen und Konsiskaten. § 73. Die von den Amtsvorstehern in Gemäßheit des G. v. 23. April 1883 (GS. 05) endgültig festgesetzten Geldbußen und Konfiskate, sowie die von denselben festgesetzten Exc kutivgeldbußen^ werden — soweit nicht in Ansehung gewisser Übertretungen besonders bestimmt ist, wohin die durch dieselben verwirkten Geldbußen oder Konfiskate fließen sollen — zur Amtskasse, beziehungsweise zu den Kassen der einen eigenen Amtsbezirk bildenden Ge­ meinden und Gutsbezirke vereinnahmt und zur Deckung der Kosten der Amtsverwaltung mitverwendet. 5. Abschnitt. Von dem Amte des Landrats. § 74. Der Landrat wird vom Könige ernannt. Der Kreistag ist befugt, für die Besetzung des erledigten Landratsamtes geeignete Per­ sonen, welche seit mindestens einem Jahre dem Kreise durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehören, in Vorschlag zu bringen. Geeignet zur Bekleidung der Stelle eines Landrats sind diejenigen Personen, welche 1. die Befähigung zum höheren Verwaltungs- oder Justizdienste erlangt haben, oder 2. dem Kreise seit mindestens einem Jahre durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehören und zugleich mindestens während eines vierjährigen Zeitraumes, entweder a) als Referendare im Vorbereitungsdienste bei den Gerichten und Verwaltungsbehörden oder b) in Selbstverwaltungsämtern des betreffenden Kreises, des Bezirkes oder der Provinz — jedoch nicht lediglich als Stellvertreter oder als Mitglieder von Kreiskom­ missionen — tätig gewesen sind. 25 D. h. Geldzwangsstrafen auf Grund § 132 LVG., die streng zu unterscheiden sind von Polizei, strafen auf Grund G. v. 23. April 1883, vgl. auch Anm. 73 zu § 132 LBG., oben Abschn. II Nr. 5.

12. Kreisordnung für die Provinzen Ost- u. Westpreußen usw.

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Aus den Zeitraum von vier Jahren kann den zu 2 b bezeichneten Personen eine Beschäf­ tigung bei höheren Verwaltungsbehörden bis zur Dauer von zwei Jahren in Anrechnung gebracht werden. § 75. Behufs Stellvertretung des Landrates werden von dem Kreistage aus der Zahl der Kreisangehörigen zwei Kreisdeputierte auf je sechs Jahre gewählt. Dieselben bedürfen der Bestätigung des Oberpräsidenten. Sie sind von dem Landrate zu vereidigen. Für kürzere Verhinderungsfälle kann der Kreissekretär als Stellvertreter eintreten.26 § 76. Der Landrat führt als Organ der Staatsregierung die Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung im Kreise und leitet als Vorsitzender des Kreistages und des Kreisaus­ schusses die Kommunalverwaltung des Kreises. § 77. Soweit die Rechte und Pflichten des Landrats nicht durch das gegenwärtige Ge­ setz abgeändert sind, behält es bei den darüber bestehenden Vorschriften auch ferner sein Be­ wenden. Demgemäß hat der Landrat auch ferner die gesamte Polizeiverwaltung im Kreise und in dessen einzelnen Amtsbezirken, Gemeinden und Gutsbezirken zu überwachen. § 78. (Ersetzt durch § 142 LVG.j 6. Abschnitt.

Von dem Zwangsverfahren der Behörden des Kreises.

§§ 79-83. (Ersetzt durch §§ 127 ff., 132 ff. LVG.j Dritter Titel. Von der Vertretung und Verwaltung des Kreises. 1. Abschnitt.

Von der Zusammensetzung des Kreistages.26

§ 84. Die Kreisversammlung (Kreistag) besteht in Kreisen, welche unter Ausschluß der im aktiven Militärdienste stehenden Personen 25000 oder weniger Einwohner haben, aus 25 Mitgliedern. In Kreisen mit mehr als 25000 bis zu 100000 Einwohnern tritt für jede Vollzahl von 5000 und in Kreisen mit mehr als 100000 Einwohnern für jede über die letztere Zahl überschießende Vollzahl von 10000 Einwohnern je ein Vertreter hinzu. § 86. Zum Zwecke der Wahl der Kreistagsabgeordneten werden drei Wahlverbände ge­ bildet, und zwar: a) der Wahlverband der größeren ländlichen Grundbesitzer, b) der Wahlverband der Landgemeinden und c) der Wahlverband der Städte. In Kreisen, in welchen keine Stadtgemeinde vorhanden ist, scheidet der Wahlverband der Städte aus. Für Kreise, welche nur aus einer oder mehreren Städten bestehen, gelten die Vorschriften der §§ 169 und 171 bis 175 dieses Gesetzes. § 86. Der Wahlverband der größeren ländlichen Grundbesitzer besteht aus allen den­ jenigen zur Zahlung von Kreisabgaben verpflichteten Grundbesitzern, mit Einschluß der juristischen Personen, Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, welche von ihrem gesamten, auf dem platten Lande innerhalb des Kreises belegenen Grundeigenturne mit dem Betrage von mindestens 225 Mark zur Grund- und Gebäudesteuer veranlagt finb.27 Nach Erlaß der Provinzialordnung bleibt den Provinzialvertretungen überlassen, für ihre 26 Nach feststehender Übung jedoch nicht über 14 Tage hinaus, und niemals als Vorsitzender des .Ureisausschusses. Vgl. die ausdrückliche Bestimmung im § 31 Abs. 2 Rhein- und WestfKrOg., unten Nr. 15. 27 Fassung gemäß G. wegen Aufhebung direkter Staatssteuern v. 14. Juli 1893 (GS. 119). — Für die Kreise Teltow und Niederbarnim gilt G. v. 6. Juni 1900 (GS. 147).

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III. Abschn.

Kommunalverfassung.

Provinz ober auch für einzelne Kreise derselben den Betrag von 225 Mark auf den Betrag von 300 Mark zu erhöben oder bis auf den Betrag von 150 Mark zu ermäßigen. Für einzelne Kreise der Provinz Sachsen darf diese Erhöhung bis zu dem Betrage von 450 Mark erfolgen. Dem Wahlverbande der größeren ländlichen Grundbesitzer treten diejenigen Gewerbe­ treibenden und Bergwerksbesitzer hinzu, welche wegen ihrer auf dem platten Lande inner­ halb des Kreises betriebenen gewerblichen Unternehmungen in den Klassen I oder II der Gewerbesteuer mit einem Steuerbetrage von mindestens 300 Mark veranlagt finb.27 § 87. Der Wahlverband der Landgemeinden umfaßt: 1. sämtliche Landgemeinden des Kreises; 2. sämtliche Besitzer selbständiger Güter28 mit Einschluß der juristischen Personen, Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, welche nicht zu dem Berbande der größeren Grundbesitzer (§ 86) gehören; 3. diejenigen Gewerbetreibenden und Bergwerksbesitzer, welche wegen ihrer auf dem platten Lande innerhalb des Kreises betriebenen gewerblichen Unternehmungen in den Klassen I oder II unter einem Steuerbetrage von 300 Mark veranlagt finb.27 § 88. Der Wahlverband der Städte umfaßt die Stadtgemeiuden des Kreises.2^ § 89. Die nach § 84 dieses Gesetzes jedem Kreise nach Maßgabe seiner Bevölkerungsziffer zustehende Zahl von Kreistagsabgeordneten wird auf die drei Wahlverbände der größeren Grundbesitzer, der Landgemeinden und der Städte nach folgenden Grundsätzen verteilt: 1. Die Zahl der städtischen Abgeordneten wird nach dem Verhältnisse der städtischen und ländlichen Bevölkerung, wie dasselbe durch die letzte allgemeine Volkszählung fest­ gestellt worden ist, bestimmt. Die Zahl der städtischen Abgeordneten darf die Hälfte, und in denjenigen Kreisen, in welchen nur eine Stadt vorhanden ist, ein Drittel der Gesamtzahl aller Abgeordneten nicht übersteigen. 2. Von der nach Abzug der städtischen Abgeordneten übrigbleibenden Zahl der Kreistagsabgeordneten erhalten die Verbände der größeren Grundbesitzer und der Landgemeinden ein jeder die Hälfte. § 90. Bleibt die vorhandene Zahl der in dem Wahlverbande der größeren Grundbesitzer Wahlberechtigten (§ 86) in einem Kreise unter der ihrem Verbände nach § 89 zukommenden Abgeordnetenzahl, so wählt dieser Verband nur so viele Abgeordnete, als Wähler vorhanden sind, und fällt die demselben htprnnrf) abgebende Habl von Abgeordneten dem Wahlverbande der Landgemeinden zu. § 91. Zum Zwecke der Wahl der von dem Verbände der Landgemeinden zu wählenden Abgeordneten werden, unter möglichster Anlehnung an die Amtsbezirke, in räumlicher Abrundung und nach Maßgabe der Bevölkerung Wahlbezirke gebildet, deren jeder die Wahl von einem bis zwei Abgeordneten zu vollziehen hat. § 92. Die Zahl der vom Wahlverbande der Städte überhaupt zu wählenden Kreistags­ abgeordneten wird auf die einzelnen Städte des Kreises nach Maßgabe der Seelenzahl verteilt. Sind in einem Kreise mehrere Städte vorhanden, auf welche hiernach nicht je ein Abgeordneter fällt, so werden diese Städte behufs der Wahl mindestens eines gemeinschaftlichen Abgeordneten zu einem Wahlbezirke vereinigt. Ist in einem Kreise neben anderen großen Städten nur eine Stadt vorhanden, welche nach ihrer Seelenzahl nicht einen Abgeordneten zu wählen haben würde, so ist derselben gleichwohl ein Abgeordneter zu überweisen. 28 2). b. selbständiger Gutsbezirke. 28 Nach G. v. 6. Juli 1900 (GS. 147) in den Kreisen Teltow und Niederbarnim auch die Land­ gemeinden mit mehr als 6000 Einwohnern.

12. Kreisordnung für die Provinzen Ost- u. Westpreußen usw.

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§ 93* Ergeben sich bei den nach Maßgabe der §§ 89 bis 92 des Gesetzes vorzunehmenden Berechnungen Bruchteile, so werden dieselben nur insoweit berücksichtigt, als sie y2 erreichen oder übersteigen. Übersteigen sie y2, so werden sie für voll gerechnet, kommen sie y2 gleich, so bestimmt das Los, welchem der bei der Verteilung beteiligten Wahlverbände und Wahlbezirke, beziehungs­ weise welcher Stadtgemeinde der Bruchteil für voll gerechnet werden soll. Vollziehung der Wahlen in den Wahlverbänden der größeren Grundbesitzer. § 94* Zur Wahl der von dem Wahlverbande der größeren Grundbesitzer zu wählenden Kreistagsabgeordneten treten die zu diesem Verbände gehörigen Grundbesitzer, Gewerbtreibenden und Bergwerksbesitzer in der Kreisstadt unter dem Vorsitze des Landrats zu­ sammen. § 95* Bei dem Wahlakte hat jeder Berechtigte nur eine Stimme. Auch als Stellvertreter können Personen, welche bereits eine Stimme führen, ein ferneres Stimmrecht nicht ausüben. Ausgenommen find die im § 97 Nr. 7 bezeichneten Vertreter. § 96* Das Recht zur persönlichen Teilnahme an den Wahlen (§ 94) steht vorbehaltlich der nachfolgenden besonderen Bestimmungen (§ 97) denjenigen Grundbesitzern, Gewerbtreibenden und Bergwerksbesitzern zu, welche a) Angehörige des Deutschen Reiches und selbständig sind. Als selbständig wird derjenige angesehen, welcher das 21. Lebensjahr vollendet hat, sofern ihm das Recht, über fein Vermögen zu verfügen und dasselbe zu verwalten, nicht durch gerichtliche Anordnungen entzogen ist; b) sich im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden. Das Wahlrecht geht verloren, sobald eins der vorstehenden Erfordernisse bei dem bis dahin Wahlberechtigten nicht mehr zutrifft. Es ruht während der Dauer eines Konkurses, ferner während der Dauer einer gerichtlichen Untersuchung, wenn dieselbe wegen Verbrechen oder wegen solcher Vergehen, welche den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte nach sich ziehen müssen oder können, eingeleitet oder wenn die gerichtliche Hast verfügt ist. § 97* Durch Stellvertretung können sich an den Wahlen beteiligen: 1. der Staat durch einen Vertreter aus der Zahl seiner Beamten, seiner Domänenpächter oder der ländlichen Grundbesitzer des Kreises; 2. juristische Personen, Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien durch einen Pächter oder mit Generalvollmacht versehenen Administrator eines im Kreise belegenen größeren Gutes,^ oder durch einen Vertreter aus der Zahl der ländlichen Grundbesitzer des Kreises; Korporationen sind befugt, sich nach Maßgabe ihrer Statuten oder Verfassungen vertreten zu lassen; 3. Eltern durch ihre Söhne, welchen sie die Verwaltung selbständiger Güter^ dauernd übertragen haben; 4. unverheiratete^ Besitzerinnen durch Vertreter aus der Zahl der ländlichen Grund­ besitzer des Kreises; 5. die Mitglieder regierender Häuser durch ein Mitglied ihrer Familie oder einen Vertreter aus der Zahl ihrer Beamten, ihrer Gutspächter oder der ländlichen Grundbesitzer des Kreises; 6. die gemeinschaftlichen Besitzer eines größeren Grundeigentums (§ 86) durch einen Mitbesitzer beziehungsweise die Teilnehmer eines gewerblichen Unternehmens durch einen derselben; 7. Ehefrauen, sowohl groß- wie minderjährige, können durch ihren Ehemann, Kinder unter elterlicher Gewalt durch ihren Vater, bevormundete Personen durch ihren Vor­ mund oder Pfleger vertreten werden. Wird die Vormundschaft oder Pflegschaft von 30 Gutsbezirkseigenschaft ist hier, im Gegensatz zu §§ 87 u. 98 ff., nicht erforderlich. 31 Also auch Witwen.

326

III. Abschn.

Kommunalversassung.

weiblichen Personen geführt, so kann deren Vertretung nach Maßgabe der Bestimmung unter 4 erfolgen, insofern die unter Nr. 2 genannten Berechtigten im Teutschen Reiche ihren Sitz haben und die unter Nr. 3 bis 7 genannten Berechtigten Angehörige des Deutschen Reiches sind und sich im Genusse der bürgerlichen Ehrenrechte befinden. Die Vertreter, mit Ausnahme der unter Nr. 7 bezeichneten, müssen in dem Kreise ent* weder einen Wohnsitz haben oder in demselben Grundeigentum besitzen. Außerdem gelten für die Vertreter die Grundsätze, welche der § 96 für die Wahlberechtigung vorschreibt. Vollziehung der Wahlen in den Wahlbezirken des Verbandes der Land­ gemeinden.

§ 98. In jedem Wahlbezirke des Wahlverbandes der Landgemeinden wird die WahlVersammlung gebildet: 1. durch Vertreter der einzelnen Landgemeinden; 2. durch die Besitzer der in dem Bezirke liegenden selbständigen Güter,23 welche nicht zu den größeren Grundbesitzern (§ 86) gehören; 3. durch diejenigen Gewerbtreibenden und Bergwerksbesitzer, welche wegen ihrer auf dem platten Lande innerhalb des Kreises betriebenen gewerblichen Unternehmungen in den Klassen I oder II der Gewerbesteuer mit einem Steuerbetrag von weniger als 300 Mark veranlagt ftnb.27 Auf die in den Nr. 2 und 3 erwähnten Wahlberechtigten finden die Bestimmungen der §§ 95 bis 97 Anwendung?2 § 99. Befinden sich in einem Wahlbezirke zwei oder mehrere Güter (§ 98 Nr. 2), deren jedes zu weniger als 60 Mark Grund- und Gebäudesteuer veranlagt ist, so werden die Be­ sitzer derselben nach Anordnung des Kreisausschusses dergestalt zu Gesamt(Kollektiv)stimmen vereinigt, daß auf jede Stimme, soweit möglich, ein Grund- und Gebäudesteuerbetrag von 60 Mark entfällt. Der Kreisausschuß regelt die Art, in welcher das Kollektivstimmrecht ausgeübt wird. § 100. Die Vertretung der Landgemeinden erfolgt bei Gemeinden: 1. von weniger als 400 Einwohnern durch einen Wahlmann, 2. von 400 und weniger als 800 Einwohnern durch zwei, 3. von 800 und weniger als 1200 Einwohnern durch drei, 5. von 1200 und weniger als 2000 Einwohnern durch vier, 5. von 2000 und weniger als 3000 Einwohnern durch fünf Wahlmänner, und für jede fernere Vollzahl von 1000 Seelen durch einen ferneren Wahlmann. Die Wahlmänner der Landgemeinden werden von der Gemeindeversammlung, in den­ jenigen Landgemeinden aber, in welchen eine gewählte Gemeindevertretung besteht oder eingeführt wird, von der letzteren und dem Gemeindevorstande aus der Zahl der snmmberechtigten Gemeindemitglieder durch absolute Stimmenmehrheit gewählt. Die Wahlen erfolgen nach näherer Vorschrift des diesem Gesetze beigefügten WahlreglementS.13 Ausgeschlossen von der Teilnahme an der Wahl in der Gemeindeversammlung sind diejenigen, welche zum Wahlverbande der größeren Grundbesitzer gehören. § 101. Befinden sich in einem Wahlbezirke zwei oder mehrere Gemeinden, deren jede weniger als 60 Mark Grund- und Gebäudesteuer entrichtet und weniger als 100 Einwohner zählt, so werden dieselben nach Anordnung des Kreisausschusses in gleicher Weise, wie die Besitzer der im § 99 gedachten Güter, zu Gesamt(Kollektiv)stimmen vereinigt. § 102. Wer als Besitzer eines selbständigen Guts,23 als Gewerbtreibender oder Berg­ werksbesitzer zur Teilnahme an den Wahlen im Verbände der Landgemeinden persönlich 32 In diesem Wahlverbande finden also teils indirekte, teils direkte Wahlen statt; ebenso in Städte­ wahlbezirken nach § 104 Abs. 2, 3.

12. Kreisordnung färbte Provinzen Ost- u. Westpreußen usw.

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berechtigt ist (Z 98 Nr. 2 und 3), darf die auf ihn gefallene Wahl als Wahlmann einer Landgemeinde ablehnen. Nimmt er die Wahl an, so ist er zur Ausübung seines persönlichen Wahlrechts nicht befugt. Dagegen wird durch die Ausübung eines Wahlrechts als Wahlmann einer Landgemeinde die Ausübung des persönlichen Wahlrechts im Verbände der größeren Grundbesitzer nicht ausgeschlossen. § 193. Die Vertreter der Gemeinden des Wahlbezirks, die Besitzer der zu dem letzteren gehörigen selbständigen Güter28 und die wahlberechtigten Gewerbtreibenden und BergWerksbesitzer treten unter der Leitung des Landrats oder in dessen Aufträge eines AmtsVorstehers an dem von dem Kreisausschusse zu bestimmenden Wahlorte behufs der Wahl der Kreistagsabgeordneten zusammen. Vollziehung der Wahlen in den Städten bzw. Städtewahlbezirken. § 104. Die Wahl der städtischen Kreistagsabgeordneten erfolgt in denjenigen Städten welche für sich einen oder mehrere Abgeordnete zu wählen haben, durch den Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung, beziehungsweise das bürgerschaftliche Repräsentanten­ kollegium, welche zu diesem Behufe unter dem Vorsitze des Bürgermeisters zu einer Wahl­ versammlung vereinigt werden. In denjenigen Städten, welche mit anderen Städten des Kreises zu einem Wahlbezirke vereinigt sind, haben der Magistrat und die Stadtverordneten beziehungsweise die bürgerschaftlichen Repräsentanten in vereinigter Sitzung auf je 250 Einwohner einen Wahlmann zu wählen. Durch statutarische Anordnung des Kreistages kann jene Zahl erhöht werden. Die Wahlmänner des Wahlbezirks treten unter Leitung des Landrats an dem von dem Kreisausschusse zu bestimmenden Wahlorte zur Wahl der Abgeordneten zusammen?? § 105. Die nach den vorstehenden Bestimmungen vorzunehmenden Wahlen erfolgen nach näherer Vorschrift des diesem Gesetze beigefügten Wahlreglements." Wählbarkeit zum Wahlmanne und zum Kreistagsabgeordneten. § 100. Wählbar zum Mitgliede des Kreistages und beziehungsweise zum Wahlmanne ist: 1. im Wahlverbande der Städte jeder Einwohner der int Kreise belegenen Städte, welcher sich im Besitze des Bürgerrechts befindet; 2. in den Wahlverbänden der größeren Grundbesitzer, jowie der Landgemeinden, ein jeder seit einem Jahr in dem Kreise angesessene ländliche Grundbesitzer," sowie ein jeder, welcher in einer Versammlung dieser Verbände ein Wahlrecht ausübt und seit einem Jahre in dem Kreise einen Wohnsitz hat. Für die Wählbarkeit zum Wahlmanne und zum Abgeordneten gellen die im § 96 für die Wahlberechtigung gegebenen Bestimmungen. § 107. Die Kreistagsabgeordneten werden auf sechs Jahre gewählt. Alle drei Jahre scheidet die Hälfte der Abgeordneten eines jeden Wahlverbandes aus und wird durch neue ersetzt. Ist diese Zahl nicht durch zwei teilbar, so scheidet das erstemal die nächst­ größere Zahl aus. Die das erstemal Ausscheidenden werden durch das Los bestimmt, welches der Landrat auf dem Kreistage zu ziehen hat. Die Ausscheidenden können wiedergewählt werden. Ergänzungs- und Ersatzwahlen" der Kreistagsabgeordneten. § 108. Die Wahlen zur regelmäßigen Ergänzung des Kreistages finden alle drei Jahre im Monat November statt, sofern nicht durch statutenmäßige Anordnung seitens des Kreis­ tages ein anderer Termin bestimmt wird. Die Wahlen in dem Verbände der Landgemeinden erfolgen vor den Wahlen in dem Verbände der größeren Grundbesitzer. 33 Ohne Rücksicht auf die Größe ihres Grundbesitzes. 14 Vgl. MJnstr. v. 10. März 1878 (MBl. 81) und Zirkular v. 2. Mai 1888 (MBl. 103).

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III. Abschn. Kommunalverfassung.

Ergänzungs- und Ersatzwahlen werden von denselben Wahlverbänden, Stadtgemeinden und Wahlbezirken vorgenommen, von denen der Ausscheidende gewählt war. Wo in städtischen oder ländlichen Wahlbezirken die Wahl von Wahlmännern durch dieses Gesetz vorgeschrieben ist (§§ 100 und 104), erfolgt dieselbe aufs neue vor jeder Wahl, mit Ausnahme der Ersatzwahlen, bei welchen die früheren Wahlmänner fungieren. Der Ersatzmann bleibt nur bis zum Ende derjenigen sechs Jahre in Tätigkeit, für welche der Ausgeschiedene gewählt war. § 109. Die bei der regelmäßigen Ergänzung neugewählten Kreistagsabgeordneten treten, sofern nicht durch statutarische Anordnung ein anderer Termin bestimmt wird, ihr Amt mit dem Anfange des nächstfolgenden Jahres an; die Ausscheidenden bleiben bis zur Einführung der neugewählten Mitglieder in Tätigkeit. Die Einführung der Gewählten erfolgt durch den Vorsitzenden des Kreistages. Aufstellung von Verzeichnissen der Wahlberechtigten.^ § 110. Für jeden Kreis werden alle drei Jahre vor jeder neuen Wahl der Kreistagsabgeord­ neten: 1. ein Verzeichnis der zum Wahlverbande der größeren Grundbesitzer gehörigen Grund­ besitzer, Gewerbtreibenden und Bergwerksbesitzer unter Angabe der in dem § 86 enthaltenen Merkmale, 2. ein Verzeichnis der zum Wahlverbande der Landgemeinden gehörigen Besitzer selb­ ständiger Gutsbezirke und wahlberechtigten Gewerbtreibenden und Bergwerksbesitzer unter Angabe der in den §§ 87, 98 und 99 enthaltenen Merkmale, 3. ein Verzeichnis der Landgemeinden unter Angabe der Zahl der von jeder einzelnen Gemeinde oder von den zu einer Kollektivstimme vereinigten Gemeinden zu wählenden Wahlmänner (§§ 100 und 101) durch den Kreisausschuß aufgestellt und durch das Kreisblatt, oder, wo ein solches nicht besteht, durch das Amtsblatt zur öffentlichen Kenntnis gebracht. Anträge auf Berichtigung dieses Verzeichnisses sind binnen einer Frist von vier Wochen nach Ausgabe des Blattes, durch welches das Verzeichnis veröffentlicht worden ist, bei dem Kreisausschusse anzubringen, welcher darüber beschließt. Gegen den Beschluß findet inner­ halb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt. Aufstellung des Verteilungsplanes. § 111. Die Verteilung der Kreistagsabgeordneten auf die einzelnen Wahlverbände (§§ 89 und 90), die Bildung von Wahlbezirken für die Landgemeinden und die zum Verbände der­ selben gehörigen selbständigen Gutsbezirke, Gewerbtreibenden und Bergwerksbesitzer, sowie die Verteilung der Abgeordneten der Landgemeinden auf dieselben (§ 91), ingleichen die Verteilung der städtischen Abgeordneten auf die einzelnen Städte, beziehungsweise die Bil­ dung von Städtewahlbezirken (§ 92), erfolgt auf den Vorschlag des Kreisausschusses durch den Kreistag und ist durch das Kreis- beziehungsweise Amtsblatt zur öffentlichen Kenntnis zu bringen. § 112. Die nach den Vorschriften des § 111 festgestellte Verteilung der Abgeordneten bleibt das erstemal für drei Jahre, sodann für einen Zeitraum von je zwölf Jahren maß­ gebend. Nach dessen Ablauf wird sie durch den Kreisausschuß einer Revision unterworfen und der Beschluß des Kreistages über die etwa nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 84, 89 bis 93 notwendigen Abänderungen eingeholt. In der Zwischenzeit erfolgt eine Revision nur: 1. wenn die Zahl der Städte des Kreises sich vermehrt oder vermindert, oder wenn eine Stadt in Gemäßheit des § 4 aus dem Kreisverbande ausscheidet. In diesen Fällen ist alsbald eine anderweite Verteilung der Abgeordneten auf die einzelnen Wahlverbände und eine Neuwahl sämtlicher Kreistagsabgeordneten vorzunehmen;

12. Kreisordnung für die Provinzen Ost- u. Westpreußen usw.

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2. wenn die Zahl der Berechtigten in dem Verbände der größeren Grundbesitzer sich dergestalt vermehrt oder vermindert, daß nach § 90 die Zahl der diesem Verbände zukommenden Abgeordneten eine größere oder geringere wird, als bei der letzten Ver­ teilung. In diesem Falle ist vor den nächsten regelmäßigen Ergänzungswahlen (§ 108) von dem Kreistage eine Berichtigung des Verteilungsplans vorzunehmen und sind sodann nach diesem berichtigten Berteilungsplan die erforderlichen Ergänzungs- be­ ziehungsweise Neuwahlen zu vollziehen. § 112a. Gegen die von dem Kreistage gemäß §§ 111 und 112 wegen Verteilung der Kreistagsabgeordneten gefaßten Beschlüsse steht den Beteiligten innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Ausgabe des Blattes, durch welches die Verteilung bekanntgemacht worden ist, die Klage bei dem Bezirksausschüsse ju.36 Gegen die Endurteile des Bezirksausschusses findet sowohl in diesen, wie in den Fällen des § 110 Abs. 2 nur das Rechtsmittel der Revision statt. Entscheidung über die Gültigkeit der Wahlen der Kreistagsabgeordneten. g 113. Gegen das zum Zwecke der Wahl der Kreistagsabgeordneten stattgehabte Wahl­ verfahren kann jedes Mitglied einer Wahlversammlung innerhalb zwei Wochen Einspruch bei dem Vorsitzenden des Wahlvorstandes33 erheben. Die Beschlußfassung über den Ein­ spruch, über welchen die Beteiligten vorab zu hören sind, steht dem Kreistage zu. Im übrigen prüft der Kreistag die Legitimation seiner Mitglieder von Amts wegen und beschließt darüber. Jede Wahl verliert dauernd oder vorübergehend ihre Wirkung, wenn sich ergibt, daß die für die Wählbarkeit vorgeschriebenen Bedingungen nicht vorhanden gewesen sind, oder wenn diese Bedingungen gänzlich oder zeitweise aufhören. Der Kreistag hat darüber zu beschließen, ob einer dieser Fälle eingetreten ist. Gegen die nach Maßgabe der vorstehenden Bestimmungen gefaßten Beschlüsse findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt. Die Klage hat keine auf­ schiebende Wirkung; jedoch dürfen bis zur rechtskräftigen Entscheidung Ersatzwahlen nicht stattfinden. Für das Streitverfahren kann der Kreistag einen besonderen Vertreter bestellen. Die Namen der Gewählten sind durch das Kreis- beziehungsweise Amtsblatt bekannt­ zumachen. § 114*. Die Kreistagsabgeordneten erhalten weder Diäten noch Reisekosten.3? 2. Abschnitt. Von den Versammlungen und Geschäften des Kreistages. Geschäfte des Kreistages. § 115. Der Kreistag ist berufen, den Kreiskommunalverband zu vertreten, über die Kreis­ angelegenheiten nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes, sowie über diejenigen Gegenstände zu beraten und zu beschließen, welche ihm zu diesem Behufe durch Gesetze oder Königliche Verordnungen überwiesen sind oder in Zukunft durch Gesetz überwiesen werden. § 116. Jnsbesonder ist der Kreistag befugt: 1. nach Maßgabe des § 20 statutarische und reglementarische Anordnungen zu treffen; 2. zu bestimmen, in welcher Weise Staatsprästationen, welche kreisweise aufzubringen sind, und deren Aufbringungsweise nicht schon durch das Gesetz vorgeschrieben ist, repartiert werden sollen. 35 der auch die Zweckmäßigkeit und Angemessenheit des angefochtenen Kreistagsbeschlusses nach­ zuprüfen hat (OVG. 38, S. 4). 36 D. i. der Landrat, auch wenn er sich gemäß § 103 in der Leitung der Wahlhandlung von einem Amtsvorsteher hat vertreten lassen (OVG. 51, S. 4). 37 Wohl aber die Mitglieder des Kreisausschusses (§ 164 Abs. 2).

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III. Abschn. ftommunaluermjiunfl.

Bei der Bestimmung in § 5 Nr. 3 des G. wegen der Kriegsleistungen v. 11. Mai 1851 (GS. 0. 362) behält es sein Bewenden;00 3. Ausgaben zur Erfüllung einer Berpflichtung oder im Interesse des Kreises zu be* schließen und zu diesem Behufe über das dem Kreise gehörige Grund- beziehungsweise Kapitalvermögen zu ver­ fügen, Anleihen aufzunehmen und die Kreisangehörigen mit Kreisabgaben zu be­ lasten; 4. den Verteilungs- und Aufbringungsmaßstab der Kreisabgaben zu beschließen;00 5. den Kreishaushaltsetat festzustellen und hinsichtlich der Jahresrechnung Decharge zu erteilen (§§ 127 und 129); 6. die Grundsätze festzustellen, nach welchen die Verwaltung des dem Streife gehörigen Grund- und Kapitalvermögens, sowie der Kreiseinrichtungen und -anstalten zu er­ folgen hat; 7. die Einrichtung von Kreisämtern zu beschließen, die Zahl und Besoldung der Kreis­ beamten zu bestimmen;40 8. die Wahlen zum Kreisausschusse (§ 130) und zu den durch das Gesetz für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung angeordneten Kommissionen zu vollziehen, sowie be­ sondere Kommissionen und Kommissare für Kreiszwecke zu bestellen (§ 167). Für die Vollziehung dieser Wahlen gelten die Vorschriften des diesem Gesetze beigefügten Reglements?0 Gegen das stattgehabte Wahlverfahren kann jedes Mitglied des Kreistages bis zum Schlüsse des Kreistages Einspruch bei dem Vorsitzenden erheben. Die endgültige Beschlußfassung über den Einspruch steht dem Kreistage zu; 9. Gutachten über alle Angelegenheiten abzugeben, die ihm zu diesem Behufe von den Staatsbehörden überwiesen werden; 10. die durch Gesetz oder Königliche Verordnung (§ 115) ihm übertragenen sonstigen Ge­ schäfte wahrzunehmen. § 117. Übet Fonds, welche der Gesamtheit des platten Landes oder der Städte gehören, steht den Kreistagsabgeordneten des platten Landes beziehungsweise der Städte die Ver­ fügung allein zu. Insbesondere haben über diejenigen Fonds, welche in der Kur- und Neumark Branden­ burg aus den Kontributionsüberschüssen angesammelt sind, die Kreistagsabgeordneten des platten Landes allein zu verfügen. Berufung des Kreistags und Leitung der Verhandlungen auf demselben. § 118. Ter Landrat beruft die Kreistagsabgeordneten zum Kreistage durch besondere Einladungsschreiben, unter Angabe der zu verhandelnden Gegenstände, führt auf dem­ selben den ^Worfi^,41 leitet die Verhandlungen und handhabt die Lrdnung in der Versamm­ lung. In Behinderungsfällen übernimmt der dem Dienst- beziehungsweise Lebensalter nach älteste anwesende Kreisdeputierte den Vorsitz. Mit Ausnahme dringender Fälle, in welchen die Frist bis zu drei Tagen abgekürzt werden darf, muß die Einladung sämtlichen Kreistagsabgeordneten mindestens 14 Tage vorher zugestellt werden. Gegenstände, die nicht in die Einladung zum Kreistage aufgenommen sind, können zwar zur Beratung gelangen, die Fassung eines bindenden Beschlusses über dieselben darf jedoch erst aus dem nächsten Kreistage erfolgen. Anträge von Kreistagsabgeordneten auf Beratung einzelner Gegenstände sind bei dem Landrate anzubringen und in die Einladung zum nächsten Kreistage aufzunehmen, insofern sie vor Erlaß der Einladungsschreiben eingehen. Ter Landrat ist verpflichtet, jährlich wenig38 Diese formellrechtliche Vorschrift ist durch RG. über die Kriegsleistungen u. 13. Juni 1873 (RGBl. 129) nicht beseitigt. 39 Gemäß Kreis- und ProvAbgG. v. 23. April 1906. 40 Kreiskommunalbeamten (§ 21 KBeamtG.). 41 jedoch ohne Stimmrecht, falls er nicht gleichzeitig Kreistagsabgeordneter ist. S. dagegen ? 136 Abs. 2.

12. Kreisordnung für die Provinzen Ost- u. Weftpreußen u|tu.

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stens zwei Kreistage anzuberaumen, außerdem aber ist er hierzu berechtigt, so oft es die Geschäfte erfordern. Die Zusammenberufung des Kreistages muß erfolgen, sobald dieselbe von einem Viertel der Kreistagsabgeordneten oder von dem Kreisausschusse verlangt wird. Von einem jeden anzusehenden Kreistage hat der Landrat dem Regierungspräsidenten unter Einsendung einer Abschrift des Einladungsschreibens Anzeige zu machen. Abfassung besonderer Propositionen für den Kreistag und Zustellung derselben an die Kreistagsmitglieder.

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§ 119 Soll auf dem Kreistage Beschluß gefaßt werden: 1. über die Festsetzung des Abgabenverteilungsmaßstabes, — — —39 2. über Mehr- und Minderbelastungen einzelner Kreisteile,------- —39 3. über solche Gegenstände, welche Kreisausgaben notwendig machen, die nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung des Kreises beruhen,*3 so ist ein ausführlicher Vorschlag zu dem Beschlusse, welcher über a) den Zweck desselben, b) die Art der Ausführung, c) die Summe der zu verwendenden Kosten, d) die Aufbringungsweise das Nötige enthält, von dem Kreisausschusse auszuarbeiten und jedem Abgeordneten min­ destens 14 Tage vor Abhaltung des Kreistages schriftlich zuzustellen. Die Frist darf bis zu drei Tagen abgekürzt werden, wenn einem Notstände vorgebeugt oder abgeholfen werden soll. Öffentlichkeit der Kreistagssitzungen. § 120. Die Sitzungen des Kreistages sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch einen in geheimer Sitzung zu fassenden Beschluß der Versammlung die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden. Beschlußfähigkeit des Kreistages. § 121. Der Kreistag kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Eine Ausnahme hiervon findet statt, wenn die Mitglieder des Kreistages, zum zweiten Male zur Verhandlung über denselben Gegenstand berufen, dennoch nicht in beschlußfähiger Anzahl erschienen sind. Bei der zweiten Zusammenberufung muß auf diese Bestimmung ausdrücklich hingewiesen werden. § 122. An Verhandlungen über Rechte und Verpflichtungen des Kreises darf derjenige nicht teilnehmen, dessen Interesse mit dem des Kreises in Widerspruch steht. § 123. Die Mitglieder des Kreisausschusses, welche nicht Mitglieder des Kreistages sind, werden zu den Versammlungen des Kreistages eingeladen und haben in denselben beratende Stimme. § 124. Die Beschlüsse des Kreistages werden nach Mehrheit der Stimmen gefaßt.*3 Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt. Zu einem Beschlusse, durch welchen eine neue Belastung der Kreisangehörigen ohne eine gesetzliche Verpflichtung oder eine Veräußerung vom Grund- oder Kapitalvermögen des Kreises bewirkt oder eine Veränderung des festgestellten Verteilungsmaßstabes für die Kreisabgaben eingeführt werden soll, ist jedoch eine Stimmenmehrheit von mindestens zwei Drittel der Abstimmenden erforderlich. Abfassung und Veröffentlichung der Kreistagsprotokolle. § 125. Über die Beschlüsse des Kreistages ist eine besondere Verhandlung aufzunehmen, in welcher die Namen der dabei anwesend gewesenen Mitglieder aufgeführt werden müssen. 42 Besondere Erfordernisse solcher Beschlüsse: §§ 124 Abs. 3, 176 Nr. 6. 43 D. h. nach Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen der Erschienenen.

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III. Abschn.

Kommunalversassung.

Diese Verhandlung wird von dem Borsitzenden und von wenigstens drei Mitgliedern des Kreistages vollzogen, welche zu diesem Behufe von der Versammlung vor dem Beginne der Verhandlung zu bestimmen und in letzterer aufzuführen find. Über die Wahl eines Protokollführers und die Formen der Verhandlungen bestimmt im übrigen die von dem Kreistage zu beschließende Geschäftsordnung. Der Inhalt der Kreistagsbeschlüsse ist, sofern der Kreistag nicht in einem einzelnen Falle etwas anderes beschließt, in einer von dem Kreistage zu bestimmenden Weise zur öfsenttieften Kenntnis zu bringen. Dem Regierungspräsidenten ist eine Abschrift des Protokolls einzureichen. § 126. Petitionen und Eingaben, welche namens des Kreistages in bezug auf die seiner Beschlußnahme unterliegenden Angelegenheiten (§§ 115 und 116) überreicht werden sollen, müssen auf dem Kreistage selbst beraten und vollzogen werden. Daß dies geschehen, ist in dergleichen Eingaben ausdrücklich zu bemerken. 3. Abschnitt.

Von dem Kreishaushalte.

§ 127. Über alle Einnahmen und Allsgaben, welche sich im voraus bestimmen lassen, entwirft der Kreisausschuß jährlich einen Haushaltsetat, welcher von dem Kreistage fest­ gestellt und demnächst in derselben Weise, wie die Kreistagsbeschlüsse, veröffentlicht wird. Bei Vorlage des Haushaltsetats hat der Kreisausschuß dem Kreistage über die Ver­ waltung und den Stand der Kreiskommunalangelegenheiten Bericht zu erstatten. Eine Abschrift des Etats imb des Verwaltungsberichtes wird nach erfolgter Feststellung des ersteren sofort dem Regierungspräsidenten überreicht." Ausgaben, welche außer dem Etat geleistet werden sollen, bedürfen der Genehmigung des Kreistages. § 128. Die Kreiskommunalkasse muß an einem bestimmten Tage in jedem Monate regel­ mäßig und mindestens einmal im Jahre außerordentlich revidiert werden. Die Revisionen werden von dem Vorsitzenden des Kreisausschusses vorgenommen. Bei den außerordent­ lichen Revisionen ist ein von dem Kreisausschusse zu bestimmendes Mitglied desselben zu­ zuziehen. § 128 a. Ter Bezirksausschuß beschließt, an Stelle der Aufsichtsbehörde, über die Fest­ stellung und den Ersatz von Defekten der Kreisbeamten nach Maßgabe der Vg. v. 24. Jan. 1844. Der Beschluß ist, vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges, endgültig. § 129. Tie Jahresrechnung ist von dem Rendanten der Kreiskommunalkasse innerhalb der ersten vier Monate nach Schluß des Rechnungsjahres zu legen und dem Kreisausschust'c einzureichen. Dieser hat die Rechnungen zu revidieren, solche mit seinen Erinnerungen und Bemerkungen dem Kreistage zur Prüfung, Feststellung itnb Entlastung einzureichen und demnächst einen Rechnungsauszug zu veröffentlichen. Der Kreistag ist befugt, diese Prüfung durch eine hiermit zu beauftragende Kommission bewirken zu lassen. Eine Abschrift des Feststellungsbeschlusses ist sofort dem Regierungspräsidenten vorzu­ legen. 4. Abschnitt. Von dem Kreisausschusse, seiner Zusammensetzung und seinen Geschäften in der Kreiskommunal- und allgemeinen Landesverwaltung. § 130. Zum Zwecke der Verwaltung der Angelegenheiten des Kreises und der Wahr­ nehmung von Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung wird ein Kreisausschuß bestellt. § 131. Der Kreisausschuß besteht aus dem Landrate und sechs Mitgliedern, welche von der Kreisversammlung aus der Zahl der Kreisangehörigen mit absoluter Stimmenmehrheit gewählt werden. Für die Wählbarkeit gelten die im § 96 für die Wahlberechtigung gegebenen Bestimmungen. 44 Die Handhabung des Kreisetats unterliegt lediglich der Beurteilung der Aufsichtsbehörden, insbesondere ist keine Anfechtungsklage gegeben (OVG. 3, S. 42).

12. Kreisordnung für die Provinzen Ost- u. Westpreußen usw.

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Geistliche, Kirchendiener und Elementarlehrer können nicht Mitglieder des Kreisaus­ schusses sein; richterliche Beamte, zu denen jedoch die technischen Mitglieder der Handels-, Gewerbe- und ähnlicher Gerichte nicht zu zählen sind, nur mit Genehmigung des vorgesetzten Ministers. § 132t Der Kreistag kann nach Bedürfnis einen Syndikus bestellen, welcher die Be­ fähigung zum höheren Richteramte besitzt. Derselbe nimmt an den Sitzungen mit beraten­ der Stimme teil. § 133. Die Wahl der Ausschußmitglieder erfolgt auf sechs Jahre mit der Maßgabe, daß bei Ablauf der Wahlperiode die Mitgliedschaft im Ausschüsse bis zur Wahl des Nachfolgers fortdauert. Alle zwei Jahre scheidet ein Drittel der Mitglieder aus. Die das erstemal Aus­ scheidenden werden durch das Los bestimmt. Die Ausgeschiedenen können wiedergewählt werden. Jede Wahl verliert ihre Wirkung mit dem Aufhören einer der für die Wählbar­ keit vorgeschriebenen Bedingungen. Der Kreisausschuß hat darüber zu beschließen, ob dieser Fall eingetreten ist. Gegen den Beschluß des Kreisausschusses findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt. Die Klage steht auch dem Vorsitzenden des Kreisausschusses zu. Dieselbe hat keine aufschiebende Wirkung; jedoch dürfen bis zur rechtskräftigen Entscheidung Ersatzwahlen nicht stattfinden. Für das Streitverfahren kann der Kreisausschuß einen besonderen Vertreter bestellen. Die Ausschußmitglieder werden vom Vorsitzenden vereidigt. Sie können nach Maßgabe der Bestimmungen des § 39 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung im Wege des Disziplinarverfahrens ihrer Stellen enthoben werden. Die Geschäfte des Kreisausschusses^ in der Kreiskommunal- und in der allgemeinen Landesverwaltung. § 134. Der Kreisausschuß hat: 1. die Beschlüsse des Kreistages vorzubereiten und auszuführen, soweit damit nicht be­ sondere Kommissionen, Kommissarien oder Beamte durch Gesetz oder Kreistagsbeschluß beauftragt werden; 2. die Kreisangelegenheiten nach Maßgabe der Gesetze und der Beschlüsse des Kreis­ tages, sowie in Gemäßheit des von diesem festzustellenden Kreishaushalts-Etats zu verwalten; 3. die Beamten des Kreises zu ernennen und deren Geschäftsführung zu leiten und zu beaufsichtigen. Hinsichtlich der Besetzung der Kreisbeamtenstellen mit Militärinvaliden gilt das G., betreffend die Besetzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen in der Ver­ waltung der Kommunalverbände mit Militäranwärtern," v. 21. Juli 1892; hinsichtlich der Dienstvergehen der Kreisbeamten finden die Bestimmungen des § 68 mit der Maß­ gabe Anwendung, daß das Recht zur Verhängung von Ordnungsstrafen auch dem Landrate zusteht; 4. sein Gutachten über alle Angelegenheiten abzugeben, welche ihm von den Staatsbehörden überwiesen werden; 5. diejenigen Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung zu führen, welche ihm durch Gesetz übertragen werden. § 135. (Fortgefallen.) Der Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses. § 136. Der Landrat leitet und beaufsichtigt den Geschäftsgang des Ausschusses und sorgt für die prompte Erledigung der Geschäfte. 45 Der Kreisausschuß ist heute Kreiskommunal-, Landesverwaltungsbehörde und Verwaltungsgericht erster Instanz. — Vgl. Regul. zur Ordnung des Geschäftsganges und des Verfahrens bei den Kreisausschüssen v. 28. Febr. 1884 (MBl. 41). 46 und die Anstellungsgrundsätze des Bundesrats v. 20. Juni 1907 (MBl. 308).

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III. Abschn.

Kommunalversassung.

Der Landrat beruft den Kreisausschuß und führt in demselben den Vorsitz mit vollem ©timmrecfjte.41 Ist der Landrat verhindert, so geht der Vorsitz auf seinen Stellvertreter über. Ist dies der Kreissekretär, so führt nicht dieser, sondern das hierzu vom Ausschüsse gewählte Mitglied den Vorsitz. § 137. Der Landrat führt die laufenden Geschäfte der dem Ausschüsse übertragenen Verwaltung. Er bereitet die Beschlüsse des Ausschusses vor und trägt für die Ausführung derselben Sorge. Er kann die selbständige Bearbeitung einzelner Angelegenheiten einem Mit« gliede des Kreisausschusses übertragen. Er vertritt den Kreisausschuß nach außen, verhandelt namens desselben mit Behörden und Privatpersonen, führt den Schriftwechsel und zeichnet alle Schriftstücke namens des Ausschusses. Urkunden über Rechtsgeschäfte, welche den Kreis gegen Dritte verbinden sollen, ingleichen Vollmachten, müssen unter Anführung des betreffenden Beschlusses des Kreistages be­ ziehungsweise Kreisausschusses von dem Landrate und zwei Mitgliedern des Kreisausschusses, beziehungsweise der mit der Angelegenheit betrauten Kommission unterschrieben und mit dem Siegel des Landrats versehen sein. Das Verfahren vor dem Kreisausschusse. § 138. Die Anwesenheit dreier Mitglieder mit Einschluß des Vorsitzenden genügt für die Beschlußfähigkeit des Kreisausschusses. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Ist eine gerade Zahl von Mit­ gliedern anwesend, so nimmt das dem Lebensalter nach jüngste gewählte Mitglied an der Abstimmung keinen Anteil. § 139. Betrifft der Gegenstand der Verhandlung einzelne Mitglieder des Kreisausschusses oder deren Verwandte und Verschwägerte in auf- oder absteigender Linie oder bis zu dem dritten Grade der Seitenlinie, so dürfen dieselben an der Beratung und Entscheidung nicht teilnehmen. Ebensowenig dürfen die Mitglieder des Kreisausschusses bei der Beratung und Entscheidung solcher Angelegenheiten mitwirken, in welchen sie in anderer als öffentlicher Eigenschaft tätig gewesen sind. Wird dadurch ein Kreisausschuß beschlußunfähig, so erfolgt, soweit es sich um Kreiskoni, munalangelegenheiten handelt, die Beschlußfassung durch den Kreistag.4? 88 140 bis 163. sErsetzt durch §§ 50-126 LVG.) 8 164. Soweit die eigenen Einnahmen des Kreisausschusses und die vom Staate hierzu nach § 70 zu überweisenden Beiträge nicht ausreichen, werden die Kosten, welche die (ticschäftsverwaltung desselben verursacht, von dem Kreise getragen. Die Mitglieder des Kreisausschusses erhalten eine ihren baren Auslagen entsprechende Entschädigung. Über die Höhe derselben beschließt der Kreistag. 8 165. ^Fortgefallen infolge der §§ 50—126 LVG.) 8 166. Im übrigen wird der Geschäftsgang bei den Kreisausschüssen durch ein von dein Minister des Innern zu erlassendes Regulativ geordnet.4^ 5. Abschnitt.

Von den Kreiskommissionen.

8 167. Für die unmittelbare Verwaltung und Beaufsichtigung einzelner Kreisinstitute, sowie für die Besorgung einzelner Kreisangelegenheiten kann der Kreistag nach Bedürfnis besondere Kommissionen oder Kommissare aus der Zahl der Kreisangehörigen bestellen, welche ebenso, wie die durch das Gesetz für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung an­ geordneten Kommissionen, ihre Geschäfte unter der Leitung des Landrats besorgen. 47 Soweit es sich um Verwaltungsstreitsachen handelt, ist alsdann § 02 Abs. 3 LVG., und beim Beschlußverfahren in Landesverwaltungssachen § 116 LVG. maßgebend.

12. Kreisordnung für die Provinzen Ost- u. Westpreußen usw.

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Der Landrat ist befugt, jederzeit den Beratungen der Kreiskommissionen beizuwohnen und dabei den Vorsitz mit vollem Stimmrechte zu übernehmen, soweit nicht hierüber hin­ sichtlich der für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung angeordneten Kommissionen etwas anderes gesetzlich bestimmt ist. § 168. Übet die Gewährung von Diäten und Reisekosten an die Mitglieder der Kreis­ kommissionen zu bestimmen, bleibt dem Kreistage überlassen. Vierter Titel. Von den Stadtkreisen.

§ 168. In denjenigen Kreisen, welche nur aus einer Stadt bestehen (Stadtkreise), werden die Geschäfte des Kreistages und des Kreisausschusses, die des letzteren, soweit sich dieselben auf die Verwaltung der Kreiskommunalangelegenheiten beziehen, von den städtischen Be­ hörden nach den Vorschriften der Städteordnung wahrgenommen. Die Bestimmungen des zweiten Abschnittes des ersten Titels finden auf Stadtkreise keine Anwendung. § 170. In den Stadtkreisen tritt an die Stelle des Kreisausschusses zur Wahrnehmung von Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung in den durch die Gesetze bezeichneten Fällen der nach den Vorschriften der §§ 37 ff. des Gesetzes über die allgemeine Landesver­ waltung gebildete Stadtausschuß. §§ 171-176. sFortgefallen.j Fünfter Titel. Von der Oberaufsicht über die Kreisverwaltung. Genehmigung der Kreistagsbeschlüsse. § 176. Beschlüsse des Kreistages, welche folgende Angelegenheiten betreffen: 1. statutarische Anordnungen nach Maßgabe des § 20 Nr. 1,

sä., 3.---------- « 4. Veräußerungen von Grundstücken und Jmmobiliarrechten des Kreises, 5. Anleihen," durch welche der Kreis mit einem Schuldenbestande belastet oder der bereits vorhandene Schuldenbestand vergrößert werden würde, sowie die Übernahme von Bürgschaften auf den Kreis, 6. eine neue Belastung der Kreisangehörigen ohne gesetzliche Verpflichtung, insofern die aufzubringenden Leistungen über die nächsten fünf Jahre hinaus fortdauern sollen, bedürfen in den Fällen zu 1 der landesherrlichen Genehmigung, in den übrigen Fällen der Bestätigung des Bezirksausschusses.** Ohne die vorgeschriebene Bestätigung sind die betreffenden Beschlüsse des Kreistages nichtig. Aufsichtsbehörden. 8 177. Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der Angelegenheiten der Landkreise wird von dem Regierungspräsidenten, in höherer und letzter Instanz von dem OberPräsidenten geübt, unbeschadet der in den Gesetzen geordneten Mitwirkung des Bezirksaus­ schusses und des Provinzialrates. Beschwerden an die Aufsichtsbehörde in Kreisangelegenheiten sind in allen Instanzen innerhalb zwei Wochen anzubringen. § 177 a. Die Aufsichtsbehörden haben mit den ihnen in den Gesetzen zugewiesenen Mitteln darüber zu wachen, daß die Verwaltung den Vorschriften der Gesetze gemäß geführt und in geordnetem Gange erhalten werde. 48 Ersetzt durch Kreis- und ProvAbgG. § 19, durch den auch die Zuständigkeit für die Bestätigung der Kreistagsbeschlüsse neu geregelt ist. 48 Bgl. hierzu die wichtigen MErl- v. 1. Juni 1891, älle Geltung behält, die nicht durch dieses Reichsgesetz ge­ regelt sind, z. B. für das Ninderpestgesetz. s. Anm. 25.

9. Reichs-Biehseuchengesetz.

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1. wer vorsätzlich den Vorschriften der §§ 6, 32 bis 34, 36 bis 38, 41, des § 43 Abs. 2, des § 45, des § 51 Abs. 2, der §§ 56, 57, des § 61 Abs. 3, 4 zuwiderhandelt; 2. wer vorsätzlich den Vorschriften der §§ 9, 10 zuwider die ihm obliegende Anzeige unter­ läßt oder länger als vierundzwanzig Stunden, nachdem er von der anzuzeigenden Tatsache Kenntnis erhalten hat, verzögert oder es unterläßt, die kranken und die ver­ dächtigen Tiere von Orten, an denen die Gefahr der Ansteckung fremder Tiere besteht, fernzuhalten; die Strafverfolgung wegen unterlassener oder verzögerter Anzeige tritt nicht ein, wenn die Anzeige von einem anderen Verpflichteten rechtzeitig gemacht worden ist; 3. wer vorsätzlich den auf Grund des § 7 Abs. 1, des § 11 Abs. 1, 2, der §§ 19 bis 23, 26 bis 28, 35, 39, 40, des § 43 Abs. 1, der §§ 47, 48, 58, 59, des § 61 Abs. 2, der §§ 63, 64, 78 von der zuständigen Behörde oder dem beamteten Tierarzte getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt; 4. wer vorsätzlich die gemäß § 17 Nr. 4, § 61 Abs. 2 angebrachten Kennzeichen unbefugter­ weise beseitigt oder verändert; 5. wer vorsätzlich Kadaver, die auf polizeiliche Anordnung vergraben sind, oder Teile von solchen unbefugterweise ausgräbt oder wer vorsätzlich Kadaver, die auf polizeiliche Anordnung vergraben waren, oder Teile von solchen unbefugterweise an andere überläßt oder an sich bringt. Neben der Gefängnisstrafe kann auf Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark erkannt werden. § 75. Mit Geldstrafe von zehn bis einhundertfünfzig Mark oder mit Haft nicht unter einer Woche wird bestraft, wer den im § 74 Abs. 1 Nr. 1, 2 bezeichneten Vorschriften aus Fahr­ lässigkeit zuwiderhandelt. Eine Bestrafung wegen fahrlässiger Verzögerung der in den §§ 9, 10 vorgeschriebenen Anzeige findet nur statt, wenn die Anzeige länger als vierundzwanzig Stunden nach er­ haltener Kenntnis von der anzuzeigenden Tatsache verzögert worden ist. Die Strafverfolgung wegen fahrlässiger Unterlassung oder Verzögerung der Anzeige tritt nicht ein, wenn die An­ zeige von einem anderen Verpflichteten rechtzeitig gemacht worden ist. § 76. Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft: 1. wer außer den Fällen des § 74 Abs. 1 Nr. 3 den auf Grund dieses Gesetzes getroffenen Anordnungen zuwiderhandelt; 2. wer eine der im § 74 Abs. 1 Nr. 4, 5 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begeht. § 77. Im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des § 6 oder gegen die aus Grund des § 7 Abs. 1 getroffenen Anordnungen ist neben der Strafe auf die Einziehung der verbotswidrig eingeführten Tiere, Kadaver und Teile von Tieren, tierischen Erzeugnisse und Rohstoffe sowie der Gegenstände, die Träger des Ansteckungsstoffs sein können, zu er­ kennen, ohne Unterschied, ob sie dem Verurteilten gehören oder nicht. Ist die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht ausführbar, so kann auf die Einziehung selbständig erkannt werden. IV. Schluß bestimmun gen. § 78. Zur wirksamen Ausführung der in den §§ 7, 16, 17, 19 bis 29 bezeichneten Maßregeln kann eine Anzeige über das Vorhandensein, den Ab- und Zugang oder über OrtsVeränderungen von Tieren oder über die in den §§ 16 und 17 aufgeführten Betriebe, Unter­ nehmungen und Veranstaltungen vorgeschrieben werden. § 79. Die näheren Vorschriften über die Anwendung und Ausführung der nach den §§ 16 bis 30 zulässigen Maßregeln erläßt der Bundesrat unter Berücksichtigung der in den §§ 32 bis 65 gegebenen besonderen Bestimmungen.^ Das gleiche gilt für die nach § 78 zulässigen Maßregeln, soweit sie sich auf die vorstehend bezeichneten Paragraphen beziehen. Weitergehende Vorschriften über die Anwendung und Ausführung der im Abs. 1 bezeich-

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V. Abschn. Gesundheit», und Veterinärpolizei.

netcn Bestimmungen können die obersten Landesbehörden oder mit deren Ermächtigung die höheren Polizeibehörden innerhalb der Schranken dieses Gesetzes anordnen. Vor dem Erlasse der im Abs. 1 bezeichneten Vorschriften und vor der Entscheidung der obersten Landesbehörden über solche nach Abs. 2 zulässige weitergehende Vorschriften, die auf Grund der §§ 16, 17 ergehen, sind Vertretungen der beteiligten Berussstände zu hören. Bei Gefahr im Verzüge kann die vorherige Anhörung unterbleiben; die Anhörung nuifc alsdann aber sobald als möglich nachgeholt werden. Welche Vertretungen zu hören sind, wird im Falle des Abs. 1 vom Bundesrat, im Falle des Abs. 2 von den obersten Landesbehörden bestimmt. Tie Gültigkeit der Vorschriften hängt von der vorgeschriebenen Anhörung nickt ab. § 80. Beschwerden des Besitzers gegen Anordnungen, die auf Grund der §§ 7, 11 bis 15, 18 bis 65, des § 78, soweit dieser sich auf die vorstehend bezeichneten Paragraphen bezieht, oder der dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen getroffen sind, haben keine aufschiebende Wirkung. Beschwerden gegen Anordnungen aus Grund anderer Bestimmungen haben nur dann aufschiebende Wirkung, wenn die Ausführung ohne Nachteil für das Gemeinwohl ausgesetzt bleiben kann. § 81. Das G., betreffend die Beseitigung von Ansteckungsstosfen bei Viehbesörderungen auf Eisenbahnen, v. 25. Febr. 1876 (RGBl. 163) wird durch das gegenwärtige Gesetz nicht berührt.

10. Preutz. Ausfuhruirgsgesetz zum Viehseuchengesetze." Vom 25. Juli 1911 (GL. 149). I. Verfahren und Behörden. § 1. Die Anordnung und die Durchführung der Bekämpfungsmatzregeln liegen dem Mmister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, den Regierungspräsidenten, den Landräten und den Ortspolizeibehörden ob. Im Sinne des Viehseuchengesetzes und der Ausführungsvorschriften sind als Landesregierung und oberste Landesbehörde der Minister, als höhere Polizeibehörde der Regierungspräsident, im Landespolizeibezirk Berlin der Polizei­ präsident von Berlin, als Polizeibehörde die Ortspolizeibehörde anzusehen. Die Obliegenheiten der Landesregierung können mit Ermächtigung des Ministers auch von den Regierungspräsidenten, im Landespolizeibezirke Berlin von dem Polizeipräsidenten, die Obliegenheiten der höheren Polizeibehörden mit Ermächtigung des Regierungspräsidenten auch von den Landräten wahrgenommen werden. Die Landräte sind besugt, die Amtsverrichtungen der Ortspolizeibehörden ganz oder teilioetfe zu übernehmen. Der Regierungspräsident kann auch innerhalb der Zuständigkeit der Ortspolizeibehörden An­ ordnungen treffen. Mit der Leitung und Überwachung der Bekämpfungsmaßregeln kann der Minister für das ganze Staatsgebiet oder einzelne Staatsgebietsteile besondere Beamte beauftragen. Dieselbe Befugnis hat der Regierungspräsident innerhalb seiner Zuständigkeit. Der Umfang der Obliegenheiten der beauftragten Beamten richtet sich nach den hierfür von dem Minister oder von den Regierungspräsi­ denten zu erlassenden Vorschriften. Polizeiliche Befugnisse dürfen ihnen nicht übertragen werden, es sei denn, daß der Auftrag einer nach diesem Gesetze zuständigen Verwaltungsbehörde für Gebiete erteilt wird, die ihrem Verwaltungsbezirke benachbart sind oder in dessen Nähe liegen.41 § 2. Die Anordnungen auf Grund des § 7 des Viehseucheng. sind vom Minister oder mit dessen Genehmigung" von den Regierungspräsidenten der Grenzbezirke zu erlassen. Sofern sich Anordnungen auf die Grenzstrecke oder den Grenzbezirk eines Kreises beschränken, können sie mit Genehmi­ gung des Ministers vom Landrat erlassen werden. § 3. Anordnungen auf Grund des Viehseuchengesetzes und der Ausführungsvorschriften sind, sofern sie verbindliche Kraft für eine unbestimmte Zahl von Personen erlangen sollen, unter der Be40 Dazu erging vom Landwirtschaftsminister die „Viehseuchenpvlizeiliche Anordnung" v. 1. Mai 1912 (veröffentlicht im Reichs- und Staatsanzeiger), zugleich als Ausführungsanweisung zum Reichsviehseucheng., in der Anordnung des Stoffes und Paragraphenfolge den Ausführungsvorschriften des Bundesrats v. 7. Dez. 1911 (RGBl. 1912, S. 4) entsprechend. 41 Z B. dem Polizeipräsidenten zu Berlin für Weißensee, Reinickendorf, Friedrichsfelde, Pankow. 41 Die in jedem einzelnen Falle einzuholen ist.

10. Preuß. Ausführungsgesetz zum Biehseucheugesetz.

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zeichnung „ Biehseuchenpolizeiliche Anordnung" öffentlich bekanntzumachen.43 Anordnunyen des Ministers sind im Deutschen Reichs- und Preußischen Staatsanzeiger, Anordnungen der ReglerungsPräsidenten und des Polizeipräsidenten von Berlin in den Amtsblättern ihrer Bezirke zu veröffent­ lichen. Für Anordnungen der Landräte und der Ortspolizeibehörden wird die Art der Veröffent­ lichung vom Regierungspräsidenten, für Anordnungen der nach § 1 Abs. 4 Satz 4 beauftragten Be­ hörden von der Stelle bestimmt, die den Auftrag erteilt hat. Für Anordnungen, die an eine bestimmte Person gerichtet sind, genügt mündliche Bekanntgabe. Schriftliche Mitteilung muß jedoch, wenn sie von den Beteiligten binnen einer Woche verlangt wird, innerhalb dreier Tage erfolgen. In Anordnungen der im Abs. 1 gedachten Art, die auf Grund der §§ 7,16,17 und zur Ausführung der in diesen Paragraphen bezeichneten Maßregeln auf Grund des § 78 des Biehseucheng. erlassen werden, ist auf die vorgedachten Gesetzesstellen, soweit sie für die Anordnungen in Betracht kommen, zu oerroeifen.43 In Anordnungen der im Abs. 1 gedachten Art, die zum Schutze gegen eine besondere Seuchengefahr erlassen werden, ist die Seuche, gegen deren Verbreitung die Anordnung Schutz bieten soll, zu bezeichnen und anzugeben, daß die Anordnung auf Grund der §§ 18 ff. des Biehseucheng. erfolgt. Ferner ist in Anordnungen der im Abs. 1 gedachten Art, soweit für sie die Ermächügung oder Ge­ nehmigung des Ministers vorgeschrieben ist, die Erteilung der Ermächügung oder Genehmigung zu erwähnen. Bon der Beobachtung anderer als der in diesem Paragraphen gegebenen Formvorschriften hängt die Gülügkeit viehseuchenpolizeilicher Anordnungen nicht ab. § 4. Gegen Anordnungen, die auf Grund des Viehseuchengesetzes, des gegenwärtigen Gesetzes und der Ausführungsbesümmungen zu beiden Gesetzen erlassen werden, findet mit Ausschluß der Klage im Berwaltungsstteitverfahren lediglich das Rechtsmittel der Beschwerde bei den vorgesetzten Polizeibehörden und an letzter Stelle bei dem Minister statt.44 Vorgesetzte Polizeibehörde der nach § 1 Abs. 4 beauftragten besonderen Beamten im Sinne dieser Vorschrift ist die Stelle, die den Auftrag erteilt hat. II. Entschädigungen. § 5. Entschädigung ist außer in den Fällen des § 66 des Biehseucheng. zu gewähren: 1. für Esel, Maultiere und Maulesel, die an Milzbrand oder Rauschbrand, sowie für Rinder, Pferde, Esel, Maulüere und Maulesel, die an Wild- und Rinderseuche gefallen sind oder an denen nach dem Tode eine dieser Krankheiten festgestellt worden ist; 2. für Rinder, Pferde, Esel, Maulüere und Maulesel, die an Tollwut gefallen sind oder an denen nach dem Tode Tollwut festgestellt worden ist. Auf die Fälle des Abs. 1 finden die Vorschriften der §§ 68—70, 72 des Biehseucheng. mit den Maß­ gaben der §§ 6, 7 des gegenwärtigen Gesetzes Anwendung. 8 6. Die Entschädigung beträgt in den Fällen des § 5 Nr. 1 und bei den mit Tollwut behafteten Tieren vier Fünftel des gemeinen Wertes. Zu gleichem Anteile findet in diesen Fällen die Anrech­ nung einer Versicherungssumme nach § 68 Abs. 2 Nr. 1 des Biehseucheng. statt. 8 7. Die im 8 70 Nr. 3 des Biehseucheng. bestimmte Füst beträgt bei Wild- und Rinderseuche 14 Tage, bei Tollwut 90 Tage. 8 8. In den Fällen des § 71 des Biehseucheng. wird keine Entschädigung gewährt. Im Falle des 8 71 Nr. 1 ist jedoch für Rinder, Pferde, Esel, Maulüere und Maulesel die Entschädigung auch dann nicht zu versagen, wenn die Krankheit in Wild- und Rinderseuche oder in Tollwut be­ standen hat. 8 •• Die Entschädigung wird gewährt: l. von den Provinzialverbänden 1. zum Gesamtbettage: für die aus Anlaß der Tollwut, des Rotzes oder der Lungenseuche auf polizeiliche Anordnung getöteten und mit einer dieser Seuchen behafteten sowie für die nach der Anordnung an einer dieser Seuchen gefallenen Tiere, ferner in den Fällen des 8 66 Nr. 2, 4 des Biehseucheng. und des 8 6 Nr. 1, 2 des gegenwärügen Gesetzes; 2. zur Hälfte: für die aus Anlaß der Maul- und Klauenseuche auf polizeiliche Anordnung getöteten und mit dieser Seuche behafteten sowie für die nach der Anordnung an dieser Seuche gefallenen Rinder; 43 Über die Formalien der Veröffentlichung enthalten die vom Landwirtschaftsminister erlassenen AusfBest. zu diesem Gesetz v. 12. April 1912 (LandwMBl. 165) eingehende Vorschriften. 44 Dadurch ist jedoch nach der Begründung dieses Gesetzes eine rechtliche Nachprüfung durch die Geüchte nicht gänzlich beseitigt, weil in einem Strafverfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen veterinärpolizeiliche Anordnungen die Geüchte zu prüfen haben, ob sich diese Anordnungen in den gesetzlich zulässigen Grenzen halten. 39 Reichelt, BerwaltungSgesetzbuch.

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V. Abschn. Gesundheits- und Veterinärpolizei.

3. zu zwei Dritteln: für die aus Anlaß der Tuberkulose (§ 10 Abs. 1 Nr. 12 des Viehseucheng.) aus polizeilicke Anordnung gelöteten und mit dieser Seuche behafteten sowie für die nach der Anordnung an dieser Seuche gefallenen Rinder; II. im übrigen aus der Staatskasse. In den Fällen des Abs. 1 unter I Nr. 2, 3 ist die ganze Entschädigung zunächst von den Provinzia' verbänden zu leisten und diesen aus der Staatskasse der aus sie entfallende Anteil zu erstatten. § 10. Den Provinzialverbänden sind in bezug auf die Entschädigungspflicht (§ 9) bie Bezirk, verbände der Regierungsbezirke Kassel und Wiesbaden, die Landeskommunalverbände der Hohenzolernschen Lande und des Kreises Herzogtum Lauenburg sowie der Stadtkreis Berlin gleichmachtet. Durch Beschluß des Verbandes kann die Entschädigungspflicht ganz oder teilweise kleineren $ei bänden mit deren Zustimmung übertragen werden. § 11. Innerhalb der Verbände können zur Bestreitung der Entschädigungen und der Verww tungskosten, einschließlich der Kosten der Feststellung des Krankheitszustandes und der Schätzung soweit sie nicht der Staatskasse zur Last fallen, nach Ermessen der Verbände auch zur Ansammlun, von Rücklagen, Beiträge von den Besitzern von Einhufern und Rindvieh unter Beachtung des § 7$ des Viehseucheng. erhoben werden. Die Entschädigungen, Kosten und Rücklagen für Pferde, Ese. Maultiere und Maulesel dürfen nur den Besitzern dieser Tiergattungen, für Rindvieh nur den Rind viehbesitzern auferlegt werden. § 12. Die näheren Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen, über den Verteilungsmaßstw und die Ausschreibung und Einziehung der Beiträge, über die Auszahlung der Entschädigunget, über die Erstattung verauslagter Entschädigungen seitens der Staatskasse und über die Ansammlung und Verwaltung von Rücklagen sind durch Satzungen zu erlassen, die von den Verbänden zu be schließen sind und der Genehmigung des Ministers des Innern und des Ministers für Landwirtschaft bedürfen. In den Satzungen kann bestimmt werden, daß zur Bestreitung der nach dem Viehseuchengesei und nach dem gegenwärtigen Gesetze von den Verbänden zu gewährenden Entschädigungen aua die Überschüsse und Rücklagen verwendet werden dürfen, die auf Grund der G. v. 12. März 188 (GS. 128), 29. Juni 1890 (GS. 221), 22. April 1892 (GS. 90) und 18. Juni 1894 (GS. 115) zt Entschädigungen aus Anlaß des Rohes, der Lungenseuche, des Milzbrandes und des Rauschbrande; angesammelt worden sind. Jedoch dürfen die durch Beiträge der Besitzer von Einhufern angefam titelten Überschüsse und Rücklagen nur zur Bestreitung von Entschädigungen für Einhufer und di: durch Beiträge der Rindviehbesitzer angesammelten Überschüsse und Rücklagen nur zur Bestreitun, von Entschädigungen für Rindvieh verwendet werden. Die Reglements, die in den einzelnen Landesteilen auf Grund der im Abs. 2 bezeichneten Gesetz; über die Entschädigung aus Anlaß von Viehseuchen erlassen sind, behalten bis zum Jnkrafttretei neuer Satzungen nach Abs. 1 mit der Maßgabe Geltung, daß ihre Bestimmungen den aus dem Vieb seuchengesetz und dem gegenwärtigen Gesetze hervorgehenden Änderungen anzupassen sind und air die nach eben diesen Gesetzen von den Verbänden neu aufzubringenden Entschädigungen sinngemäß: Anwendung finden. g 13. Zur Feststellung des für die Entschädigung in Betracht kommenden Krankheitszustande; hat sofort nach der Tötung oder sobald als möglich nach dem sonstigen Eintritte des Entschädigung^ falls eine Untersuchung des Tieres durch den beamteten Tierarzt stattzufinden. Die Art der Unter suchung ist im Wege der Ausführungsbestimmungen zu regeln. Hierbei kann namentlich vorgeschriebe! werden, daß die Feststellung des Ltrankheitszustandes von der Vornahme einer besonderen Unter suchung oder von einer Nachprüfung an einer anderen Untersuchungsstelle abhängig zu machen ist Der beamtete Tierarzt hat sich gutachtlich darüber zu äußern, ob nach dem Gesamtbesund ein; nach § 66 des Viehseucheng. oder nach § 5 des gegenwärtigen Gesetzes einen Entschädigungsanspruci begründende Krankheit vorliegt sowie ob das Tier an einer sonstigen Krankheit gelitten hat, die naci § 71 Nr. 1 des Viehseucheng. im Zusammenhange mit § 8 des gegenwärtigen Gesetzes den Ein schädigungsanspruch ausschließt. § 14. Die Vorschriften des § 15 des Viehseucheng. finden auf die Feststellung nach § 13 des gegen wärtigen Gesetzes mit der Maßgabe Anwendung, daß bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den beamteten Tierarzt und dem von dem Besitzer zugezogenen Sachverständigen sowie in dem weiteret im § 15 Abs. 2 des Viehseucheng. vorgesehenen Falle der Regierungspräsident (Polizeipräsidenn das Obergutachten des Departementstierarztes einzuholen hat. Die Einholung des Obergutachten; hat auch auf Antrag des beteiligten Verbandes stattzufinden. Gegen das Gutachten des Departementstierarztes ist dem Besitzer und dem beteiligten Verband; die Anrufung des Landesveterinäramts gestattet. In Zweifelsfällen kann auch der Regierung;. Präsident (Polizeipräsident) die Einholung eines Gutachtens des Landesveterinäramts anordnet. § 15. Durch die nach den Vorschriften der §§ 13, 14 abgegebenen Gutachten oder Obergutachtet wird der Krankheitszustand für die Frage der Entschädigung endgültig festgestellt.46 46 Dadurch ist die gerichtliche Anfechtung der gutachtlichen oder obergutachtlichen Feststellunget ausgeschlossen.

10. Preuß. Ausführungsgesetz zum Biehseuchengesetz.

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§ 16. Der nach § 68 des Biehseucheng. und § 5 Abs. 2 des gegenwärügen Gesetzes der Entschä­ digung zugrunde zu legende Wert des Tieres sowie der Wert derjenigen Teile eines getöteten Tieres, die dem Besitzer nach Maßgabe der polizeilichen Anordnungen zur Verfügung bleiben (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 des Biehseucheng.), ist durch ^Schätzung zu ermitteln. Die Schätzung hat bei den aus polizeiliche Anordnung getöteten Tieren, soweit angängig, vor der Tötung, im übrigen sobald als möglich nach dem Tode der Tiere zu erfolgen. Ist im Falle der Entschädigung wegen Tuberkulose oder bei den dem Besitzer zur Verfügung blei­ benden Teilen die Schätzung unter Voraussetzungen erfolgt, die sich durch endgültige Feststellung des Krankheitszustandes ändern, so ist die Schätzung, soweit erforderlich, zu wiederholen. g 17. Die Schätzung erfolgt durch den beamteten Tierarzt und zwei Schiedsmänner." Im Wege der Ausführungsbestimmungen kann jedoch vorgeschrieben werden, daß die Schätzung durch den beamteten Tierarzt allein zu erfolgen hat, sofern der beteiligte Biehbesitzer zusümmt. Für jeden Kreis (Oberamtsbezirk) sind alle drei Jahre von dem Kreis(Stadt)ausschusse Personen zu bezeichnen, die für die Dauer jener Frist zum Amte eines Schiedsmanns zugezogen werden können. Aus der Zahl dieser Personen hat die Ortopolizeibehörde die Schiedsmänner für den einzelnen Schätzungsfall zu ernennen. Der Kreisausschuß kann int Kreise (Oberamtsbezirke) verschiedene Schiedsmannsbezirke bilden und die Schiedsmänner auf diese verteilen. Die Schiedsmänner sind von der Ortspolizeibehörde eidlich zu verpflichten. Dasselbe gilt, wenn an Stelle des beamteten Tierarztes ein anderer approbierter Tierarzt zugezogen wird (§ 2 Abs. 2 des Biehseucheng.), für diesen, sofern er nicht allgemein als Sachverständiger vereidigt ist. § 18. Personen, bei denen für den einzelnen Fall eine Befangenheit zu besorgen ist, dürfen zu Schiedsmännern nicht ernannt werden. Ausgeschlossen von der Teilnahme an der Schätzung ist: 1. wer selbst Partei oder gesetzlicher Vertreter einer Partei ist oder als Milberechtigter oder Er­ satzpflichtiger der Partei gegenüber in Frage kommt; 2. der Ehegatte in Sachen seiner Ehefrau, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; 3. wer mit dem Entschädigungsberechügten in gerader Linie verwandt, verschwägert oder durch Annahme an Kindes Statt verbunden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grade verwandt oder bis zum zweiten Grade verschwägert ist, auch wenn die Ehe, auf der die Schwägerschaft beruht, nicht mehr besteht; 4. wer im Wirtschaftsbetriebe des Entschädigungsberechügten angestellt ist. Personen, die sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, sind unfähig, an der Schätzung teilzunehmen. Hat eine ausgeschlossene oder unfähige Person an der Schätzung teilgenommen, so ist die Schätzung nichtig und zu wiederholen. § 16. Erfolgt die Schätzung durch den beamteten Tierarzt und zwei Schiedsmänner, so ist bei Meinungsverschiedenheiten in der Regel die Durchschnittssumme der verschiedenen Schätzungen als Schätzungswert anzunehmen. Ist jedoch der von zwei Schätzern übereinstimmend geschätzte Wert oder bei drei verschiedenen Schätzungen der in der Mite stehende geschätzte Wert geringer als die Durchschnittssumme, so gilt der geringere Wert als Schätzungswert. § 20. Über das Ergebnis der Schätzung ist eine von den Beteiligten zu unterzeichnende Urkunde aufzunehmen und der Ortspolizeibehörde zu übersenden. Das Ergebnis der Schätzung ist für den Entschädigungsberechügten und für den Entschädigungs­ verpflichteten verbindlich." § 21. Im übrigen ist das Verfahren bei der Schätzung in den nach § 12 Abs. 1 von den Verbänden zu fassenden Beschlüssen und, soweit die Verbände nicht beteiligt sind, im Wege der Altsführungsbestimmungen zu regeln. 8 22. Steht fest, daß nach den §§ 70—72 des Biehseucheng. in Verbindung mit § 5 Abs. 2, § 8 des gegenwärtigen Gesetzes keine Entschädigung gewährt wird, so ist von der Feststellung des Krank­ heilszustandes und von der Schätzung abzusehen. 8 23. Die Verbände können beschließen, daß auch in anderen Fällen als in denen des § 66 des Viehseucheng. und des § 5 Abs. 1 des gegenwärügen Gesetzes Entschädigung für Verluste gewährt wird, die aus Anlaß von übertragbaren Seuchen der Einhufer und des Klauenviehs erwachsen. Die näheren Vorschriften über die Bemessung, Ermittlung und Aufbringung der Entschädigung sind durch Satzungen zu erlassen, die von den Verbänden zu beschließen sind und ebenso wie die Be­ schlüsse nach Abs. 1 der Genehmigung der zuständigen Minister bedürfen. Hierbei sind folgende Vor­ schriften zu beachten: 1. Die Entschädigung darf vier Fünftel des Schadens nicht übersteigen. 2. In den Fällen der §§ 70, 71 Nr. 2, 72 des Biehseucheng. wird keine Entschädigung gewährt. 3. Zur Bestreitung der Entschädigungen und der Verwaltungskosten, einschließlich der Kosten " Diese drei bilden jedoch keine „Kommission", sondern können ihre Schätzungen gesondert vornehmen. 47 Dadurch sollte nach der Begründung dieses Gesetzes eine gerichtliche Anfechtung der Schätzungs­ ergebnisse ausgeschlossen werden.

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V. Abschn. Gesundheits- und Beterinärpolizei.

der Feststellung des Schadenfalls und der Schätzung, sowie zur Ansammlung von Rücklagen können innerhalb der Verbände Beiträge von den Besitzern der in Betracht kommenden Tiergattungen unter Berücksichtigung des § 73 des Biehseucheng. erhoben werden. Wenn für Verluste aus Anlaß des Milzbrandes bei Schafen Entschädigung gewährt wird, so dürfen die Beittäge hierfür den Rindviehbesitzern auferlegt werden. 4. Zur Bestteitung der Entschädigungen können auch die Überschüsse und Rücklagen verwendet werden, die auf Grund der im § 12 Abs. 2 erwähnten Gesetze und auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes zu Entschädigungen aus Anlaß von Viehseuchen angesammelt worden sind. Die Verbände können ferner beschließen, daß aus den im Abs. 2 Nr. 4 bezeichneten Überschüssen und Rücklagen sowie aus den Beittägen, die auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes von den Viehbesitzern erhoben werden, Beihilfen an Tierbesitzer gewährt werden können, denen infolge der Durch­ führung der Bekämpfungsmaßregeln schwere wirtschaftliche Schädigungen erwachsen sind. Zur Gewährung von Zuschüssen an die Verbände, die von dieser Befugnis Gebrauch machen, ist durch den Staatshaushaltsetat ein übertragbarer Dispositionsfonds bereitzustellen. Die Grundsätze für die Gewährung der Beihilfen und die Vorschriften über das dabei zu beobachtende Verfahren be­ dürfen der Genehmigung der zuständigen Minister.

III. Kosten. § 24. Die Kosten, die durch die Anordnung, Leitung und Überwachung der Maßregeln zur Er­ mittlung und Bekämpfung der Seuchen sowie durch die auf Veranlassung der Polizeibehörden aus­ geführten tierärztlichen Amtsverrichtungen erwachsen, sind, soweit nicht nachstehend anderweite Vorschriften getroffen sind, aus der Staatskasse zu bestreiten. Das gleiche gilt für die Kosten der amtstierärztlichen Feststellung des für eine Entschädigung in Betracht kommenden Krankheitszustandes von Tieren, einschließlich etwaiger amtlicher Obergutachten, jedoch mit der Maßgabe, daß die Kosten einer nach § 13 angeordneten besonderen Untersuchung oder Nachprüfung des amtstierärztlichen Gutachtens in den Fällen des 8 66 Nr. 4 des Reichsgesetzes und des § 5 Nr. 1, 2 des gegenwärtigen Gesetzes von den Verbänden zu tragen sind. Die Kosten der Schätzung für Entschädigungszwecke sind in den Fällen des § 66 Nr. 1 dis 3 des Biehseucheng. von der Staatskasse, im übrigen von den Verbänden zu ttagen. Für die Teilnahme an der Schätzung steht den beamteten Tierärzten gegenüber den Verbänden nur dann ein Anspruch auf Vergütung oder Dienstaufwandsentschädigung zu, wenn die Schätzung nicht int Zusammenhange mit einer anderweiten Amtsverrichtung erfolgen kann. Die hiernach den beamteten Tierärzten sowie den Schiedsmännern (§ 17) für die Teilnahme an der Schätzung zustehende Vergütung wird im Wege der Ausführungsbestimmungen geregelt. § 25. Die Kosten der amtstierärztlichen Beaufsichtigung nach § 16 des Biehseucheng. fallen dem Unternehmer der beaufsichtigten Bettiebe oder Veranstaltungen zur Last. Das gleiche gilt bei den nach § 17 Nr. 1 des Biehseucheng. auszuführenden amtstierärztlichen Untersuchungen von Vieh­ beständen. die zu Handelszwecken oder zum öffentlichen Verkaufe zusammengebracht sind, und bei der auf Grund des § 17 Nr. 7 des Biehseucheng. stattfindenden amtstierärztlichen Überwachung. Neben dem Unternehmer kann auch der Eigentümer oder Besitzer der von der Beaufsichtigung Untersuchung oder Überwachung betroffenen Tiere für die Zahlung der Kosten haftbar gemacht werden. Mehrere bei demselben Unternehmen oder derselben Veranstaltung oder als Eigentümer oder Besitzer von Tieren beteiligte Personen haften als Gesamtschuldner. Soweit als Unternehmer, Eigentümer oder Besitzer der Staat in Betracht kommt, sind Kosten nicht zu erheben. Die Kosten sind in Ermangelung gütlicher Einigung von dem Regierungspräsidenten (Polizei­ präsidenten) festzusetzen. Die Beitreibung erfolgt im Verwaltungszwangsverfahren. Im Wege der Ausführungsbestimmungen kann die Erhebung bestimmter Bergütungssätze für gleichartige amtstierärztliche Verrichtungen geregelt toetben.48 Auch kann angeordnet werden, daß die (Anziehung der Bergütungssätze zur Staatskasse erfolgt und aus dieser entsprechende Vergütungen an die beteiligten beamteten Tierärzte gezahlt werden. § 26. Die Gemeinden und selbständigen Gutsbezirke haben 1. die zur wirksamen Durchführung der Schutzmaßregeln in ihren Bezirken zu verwendende Wach­ mannschaft auf ihre Kosten zu stellen, 2. die Kosten der Einrichtungen zu tragen, die zur wirksamen Durchführung der Sperre nach § 22 des Biehseucheng. in ihren Bezirken vorgeschrieben werden, 3. auf ihre Kosten die Hilfsmannschaften und Beförderungsmittel zu stellen, die zur Ausführung der polizeilich angeordneten Tötung oder Impfung von Tieren oder zur Zerlegung oder un­ schädlichen Beseitigung von Kadavern oder Kadaverteilen erforderlich sind, 4. ohne Vergütung einen geeigneten Raum zu überweisen und mit den nötigen Schutzmitteln zu versehen, in dem die unschädliche Beseitigung der Kadaver oder Kadaverteile, der Streu, des Düngers oder anderer Abfälle von kranken oder verdächtigen Tieren vorgenommen werden kann, wenn dem Besitzer der Tiere oder, falls sich die Tiere auf einem von dem Viehbesitzer 48 Vgl. § 24 Abs. 1 AusfBest. v. 12. April 1912 (LandwMBl. 165).

10. Preuß. Ausführungsgesetz zum Viehseuchengesetz.

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gepachteten Grundstücke befinden, dem Eigentümer dieses Grundstücks ein geeigneter Ort dazu fehlt und auch anderweit für eine unschädliche Beseitigung nicht Sorge getragen ist. § 27. Zu den im 8 26 Nr. 1, 2 bezeichneten Kosten haben, wenn die Schutzmaßregeln Gemeinden und selbständige Gutsbezirke in örtlich verbundener Lage gemeinsam umfassen, diese nach dem für die Aufbringung der direkten Kreissteuern im § 7 des Kreisabgabengesetzes v. 23. April 1906 (GS. 161) festgesetzten Maßstabe beizutragen. § 28. Unbeschadet etwaiger privatrechtlicher Ersatzansprüche fallen alle in den §§ 24—27 nicht erwähnten Kosten, die bei der Durchführung der Bekämpsungsmaßregeln erwachsen, den Beteiligten zur Last. Als Beteiligte sind anzusehen der Eigentümer, Besitzer oder Begleiter der von den Maßregeln betroffenen Tiere, der Unternehmer der betroffenen Betriebe, der Eigentümer oder Inhaber der betroffenen Örtlichkeiten, Räume oder Gegenstände. Wegen der Haftung mehrerer Verpflichteter und wegen der Beitreibung der Kosten gelten die Vorschriften des § 25 Abs. 1, 3. Die Gemeinden und selbständigen Gutsbezirke haben auch diese Kosten im Falle des Unvermögens der Verpflichteten zu tragen und erforderlichenfalls zu verauslagen. IV. Schlußbestimmungen.

§ 28. Das gegenwärtige Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Biehseucheng. v. 26. Juni 1909 in Kraft. Gleichzeitig werden die G. v. 12. März 1881 (GS. 128), 29. Juni 1890 (GS. 221), 22. April 1892 (GS. 90), 18. Juni 1894 (GS. 115) und v. 22. Juli 1905 (GS. 318) aufgehoben.

II. Gesetz, betreffend bk Beseitigung von Tierkadavern. Vom 17. Juni 1911 (RGBl. 248). § 1. Die Kadaver oder Kadavertelle aller gefallenen oder getöteten Pferde, Esel, Maultiere, Maulesel, Tiere des Rindergeschlechts, Schweine, Schafe und Ziegen sind, soweit nicht ihre Verwertung zugelassen wird, unschädlich zu beseitigen. ' Inwieweit und in welcher Weise eine Verwertung von Kadavern und Kadaverteilen zu­ lässig ist, bestimmt der Bundesrat." § 2. Die unschädliche Beseitigung hat durch Vergraben an geeigneten Stellen zu erfolgen, soweit sie nicht durch hohe Hitzegrade (Kochen oder Dämpfen bis zum Zerfalle der Weichtelle, trockene Destillation, Verbrennen) oder auf chemischem Wege bis zur Auflösung der Weichteile geschieht. In letzteren Fällen können die gewonnenen Erzeugnisse als Futtermittel für Tiere, Düngemittel oder in anderer Weise, jedoch nicht zum Genusse für Menschen, ver­ wendet werden. § 3. Dem Landesrechte bleibt vorbehalten, für die unschädliche Beseitigung weiter­ gehende Vorschriften, als im § 1 Abs. 1 und im § 2 enthalten sind, zu erlassen, sowie das Abdeckereiwesen einschließlich des Betriebs der Anlagen zur gewerbsmäßigen Beseitigung oder Verarbeitung von Kadavern und tierischen Teilen in Abweichung von der Gewerbeordnung zu regeln. § 4. Die Landesregierungen sind befugt, Vorschriften zur Ausführung der §§ 1, 2 zu er­ lassen. Dabei können sie bestimmen, daß die Vorschriften dieses Gesetzes auch auf die Kadaver totgeborener Tiere und anderer Tierarten als der im § 1 genannten Anwendung finden." § 5. Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz sowie gegen die auf Grund der §§ 1,3,4 dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften werden mit Geldstrafe bis zu 150 M oder mit Haft bestraft. § 6. Die Vorschriften über die Beseitigung von Tierkadavern, die in den Reichsgesetzen über die Bekämpfung der Rinderpest und anderer Viehseuchen sowie über die Schlacht­ vieh- und Fleischbeschau und in den dazu erlassenen oder noch zu erlassenden Ausführungsbestimmungen enthalten sind, bleiben unberührt. § 7. Dieses Gesetz tritt gleichzeitig mit dem Viehseucheng. v. 26. Juni 1909 (RGBl. 519) in Kraft. 48 BundesratsBest. v. 29. März 1912 (RGBl. 230). 50 PrAusfVorschr. v. 1. Mai 1912 (LandwMBl. 177). — In vielen Kreisen und Gemeindebezirken sind Polizeiverordnungen über den Zwang zur Ablieferung von Tierkadavern an bestimmte Abdeckereien erlassen worden.

VI. Abschnitt.

Agrar-, Wasser- und Jagdrecht. I. Entwickelung der preußischen Agrargesetzgebung. 1807, 9. Oktober, Ed., den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums sowie die persönlichen Verhältnisse der Landbewohner betreffend (Ed.-Slg. 1806/10, S. 251): Freiheit des Grundbesitzverkehrs zwischen Adel, Bürgern, Bauern und Teilbarkeit der Grundgüter zugelassen, ebenso eine beschränkte Beleihung der Lehn- und Fideikommißgüter. Aufhebung der Gutsuntertänigkeil der Landbewohner, s. Abschn. II, S. 46. 1811, 14. September, Ed., bett. die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse (GS. 1810/11, S. 281), und Ed. zur Beförderung der Landkultur (ebenda S. 306): Die bäuerlichen Grundbesitzungen sollen freies Eigentum werden, jedoch unter gegenseitiger Entschädigung und Ablösung der darauf ruhenden Dienst­ barkeiten und Berechtigungen, und zwar die schon bisher (ohne Eigentum) vererblichen gegen Überlassung von y3, die nicht vererblichen von y2 des Besitztums an die Gutsherren. Neue Arbeitsfamilienstellen dürfen nicht mehr unter der Verpflichtung zu fortwährenden Diensten errichtet werden. Zur Durchführung der Regulierung sollen besondere Behörden (die späteren General­ kommissionen) bestellt werden, s. Vg. v. 20. Juni 1817. 1816, 29. Mai, Deklaration zum Regulierungsedikte v. 14. Sept. 1811 (GS. 154): Das Regulierungsedikt wird auf selbständige, spannfähige Ackernahrungen eingcschränkt und die kleinen Stellen der handdienstpflichtigen Hofeleute auf den Vorwerken (Lassiten), die kein wirtschaftliches Auskommen sicherten, von der Regulierung ausgeschlossen; dies wieder aufgehoben durch G. v. 2. März 1850, s. dort. 1817, 20. Juni, Vg. wegen Organisation der Generalkommissionen (GS. 161), ergänzt durch Vg. v. 30. Juni 1834 (GS. 96): Generalkommission aus einem Präsibeuten und mindestens 5 Mitgliedern als landwirtschaftliche Verwaltungsbehörde und Ver­ waltungsgericht erster Instanz; ihre örtlichen Organe die Spezialkommissare. Zweite In­ stanz mehrere „Revisionskollegien", später das Oberlandeskulturgericht in Berlin, s. G. v. 18. Febr. 1880. Zuständigkeit: Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse und Ablösung von Reallasten, Diensten, Natural- und Geldleistungen; Gemeinheitsteilungen (Separa­ tionen), Zusammenlegungen (Verkoppelungen, Konsolidationen); Vermittelung bei Be­ gründung von Rentengütern. 1821, 7. Juni, Gemeinheitsteilungsordnung (GS. 53), ergänzt durch G. v. 2. März 1850: Beseitigung der kulturschädlichen, gemeinschaftlichen Benutzung ländlicher Grundstücke (aus Gesamteigentum, Servituten, gemeinschaftlichen Weide-, Forst-, Fischerei-, Torfnutzungen), durch Rezesse auf Antrag eines Beteiligten, bei Landaustausch mit Zu­ stimmung der Besitzer des vierten Teiles der Ländereien. Die Rezesse sind von der General­ kommission zu bestätigen und auszuführen, insbesondere hinsichtlich der Grundbuchberich­ tigung. Die Auseinandersetzung erfolgt durch Naturalteilung mit möglichster wirtschaftlicher

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Zusammenlegung oder durch Kapital oder Rente. — Ausdehnung durch G. v. 2. April 1872, s. dort. Ähnliche Gemeinheilsteilungsordnungen für die Rheinprovinz sowie für Neuvorpom­ mern und Rügen v. 19. Mai 1851 (GS. 371), Hannover v. 30. Mai 1842 (HannGS. I, 131) und Schleswig-Holstein v. 17. Aug. 1876 (GS. 377). 1842, Einsetzung des Landesökonomiekollegiums: Beirat des Landwirtschafts­ ministers und Geschäftsstelle für die Bearbeitung gemeinschaftlicher Angelegenheiten der jetzigen Landwirtschaftskammern, aus vom Minister ernannten und von den Landwirtschafts­ kammern für drei Jahre gewählten Mitgliedern. Satzungen v. 10. Dez. 1898 (MBl. 1899, S. 15). 1850, 2. März, G. bett. die Ablösung der Reallasten und die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse (GS. 77): Reallasten — außer den Kirchen-, Pfarr- und Schullasten, G. v. 27. April 1872, s. Abschn. X, Nr. 1, sowie den nach der Ge­ meinheitsteilungsordnung abzulösenden Servituten — sind nach beiderseitiger Wahl ablösbar durch Barzahlung des 18fachen Jahreswertes oder Rentenbriefe über den 20fachen Betrag, deren Ausgabe Rentenbanken besorgen; der jährliche Geldwert der Lasten wird nach Normalpreisen oder gutachtlich festgestellt, unter Abzug der Gegenleistungen. Die Ablösungsrezesse bedürfen der Bestätigung durch die Generalkommission. — Die Regulie­ rungsfähigkeit wird auf die 1816 ausgeschlossenen lassitischen Stellen ausgedehnt. Ohne Entschädigung wird aufgehoben das Obereigentum des Lehns-, Grund- und Erb­ zinsherrn und das Eigentum des Erbverpächters. 1850, 2. März, G. über die Errichtung von Rentenbanken (GS. 112): Staatliche Kreditinstitute zur Durchführung des vorstehenden Gesetzes, unter besonderen Direktionen. Die Renten werden wie direkte Staatssteuern eingezogen, Domänenrenten ohne Vermitte­ lung der Rentenbanken an die Staatskasse gezahlt. Seit G. v. 7. Juli 1891 (s. dort) ver­ mitteln die Rentenbanken auch die Einrichtung von Rentengütern. 1850, 3. März, G., betr. den erleichterten Abverkauf kleiner Grundstücke (GS. 145), ergänzt durch G. v. 27. Juni 1860 (GS. 384): Abverkauf oder Austausch gegen ein „Unschädlichkeitszeugnis" der Generalkommission, bei landschaftlich beliehenen Grund­ stücken der Direktion der betreffenden Kreditanstalt, zugelassen. 1872, 2. April, G. betr. die Ausdehnung der Gemeinheitsteilungsordnung auf die Zusammenlegung von Grundstücken (GS. 329), d. h. solchen Grundstücken, die im Gemenge liegen, aber nicht gemeinschaftlich benutzt werden, in Hannover Verkoppe­ lung, in Hessen-Nassau Konsolidation genannt. Erforderlich ist ein Antrag der Eigentümer von mehr als der Hälfte an Fläche und Grundsteuerreinertrag sowie eine Erklärung des Kreistages über die Zulässigkeit. — S. weiter G. v. 28. Mai 1913. 1875, 6. Juli, G., betr. Schutzwaldungen und Waldgenossenschaften (GS. 416): Schutzanlagen gegen Versandung oder Überflutung von Grundstücken, Bildung von Waldgenossenschaften zu solchen Schutzanlagen oder gemeinsamer Bewirtschaftung, auf An­ trag von Interessenten oder der Landespolizeibehörde durch den Kreisausschuß als „Waldschutzgericht". 1876, 25. August, G., betr. die Verteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücksteilungen und die Gründung neuer Ansiedelungen, s. wegen seines vorwiegend polizeirechtlichen Charakters unter Abschn. IV, Nr. 11. 1879, 13. Mai, G., betr. die Bildung von Landeskulturrentenbanken (GS. 367): Können auf Provinziallandtagsbeschluß durch landesherrlich zu bestätigendes Statut errichtet werden, zur Förderung von Landeskulturzwecken (Bodenkultur, Uferschutz, Deich-, Ent- und Bewässerung, Schiffahrtsanlagen) durch Gewährung von seitens der Bank un­ kündbaren Darlehnen gegen Grundsicherheit und feste Zins- und Tilgungsbeträge, die Landeskulturrenten. Die Mittel werden durch Ausgabe von Landeskulturrentenbriefen beschafft.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrechl-

1880, 18. Febr., G., betr. das Verfahren in Auseinandersetzungsangelegen, heilen ($8. 59): Grundsätze der Zivilprozeßordnung, jedoch mit Einschränkungen: Instruktionsrnaxime ohne mündliche Verhandlung sowohl in erster als zweiter Instanz. Zweite Instanz das Oberlandeskulturgericht in Berlin für Beschwerden und Berufungen gegen Entscheidungen der Generalkommissionen; bei nebenhergehenden bürgerlichen Rechtsstreitig, keilen Revision ans Reichsgericht. 1886, 26. April, G., betr. die Beförderung deutscher Ansiedelungen in den Provinzen Westpreußen und Posen (GS. 131): Zum Ankauf von Landbesitz zwecks Einrichtung und Überlassung von Ansiedelungsstellen gegen Kapital oder Rente oder auf Zeit­ pacht wurden der Staatsregierung zunächst 100 Mill. Mark zur Verfügung gestellt und dieser Betrag durch Novellen von 1898,1902 und 1908 um weitere 100 bzw. 150 und 200 Mill. Mark erhöht. Die Novelle v. 20. März 1908 (GS. 29) ermächtigte ferner die Regierung, die zur erfolgreichen Ansiedelung erforderlichen Grundstücke bis zu 70000 ha nötigenfalls durch Enteignung zu erwerben. — Mit der Durchführung dieser Gesetze ist eine besondere BeHörde, die Kgl. Ansiedelungskommission in Posen betraut, die dem Staatsministerium unterstellt ist. — S. weiter G. v. 26. Juni 1912. 1887, 2. April, G., betr. die durch ein Auseinandersetzungsverfahren be. gründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten, abgedr. nachstehend unter Nr. 2. 1890, 27. Juni, G. über Rentengüter (GS. 209) und 1891, 7. Juli, G., betr. die Beförderung der Einrichtung von Rentengütern (GS. 279), zur Ansiedelung mittlerer und kleinerer Grundbesitzer. Danach können Grundstücke, nachdem sie von Hypotheken und Grundschulden frei gemacht sind, gegen Übernahme einer festen Geldrente zu Eigentum übertragen werden. Die Geldrente kann auf Antrag der Beteiligten durch Bermittelung der Rentenbank (G. v. 2. März 1850) abgelöst werden. Der Rentenberechtigte (Verkäufer) erhält als Abfindung den 27 fachen oder M/z fachen Betrag der Rente in 31/2# oder 4prozentigen Rentenbriefen, die Abfindung wird durch Zahlung einer Rentenbankrente seitens des Rentengutsbesitzers (Käufers) verzinst und getilgt. Darlehen der Rentenbank zur erstmaligen Einrichtung, in Rentenbriefen oder Geld. VerMittelung der Generalkommission. 1894, 30. Juni, G. über die Landwirtschaftskammern, abgedr. nachstehend unter Nr. 3. 1896, 8. Juni, G., betr. das Anerbenrecht bei Renten- und Ansiedelungsgütern (GS. 124) zur Sicherung und Erhaltung des kleineren ländlichen Grundbesitzes in der Familie: Die Anerbengutseigenschaft mit besonderer gesetzlicher Erbfolge (regelmäßig der älteste Sohn) kann im Grundbuche auf Antrag der General- oder Ansiedelungskommission oder Rentenbank nach Anhörung des Eigentümers eingetragen werden, worauf der Eigen­ tümer ohne Genehmigung weder veräußern noch teilen darf. Der Anerbe erhält bei Über­ nahme y3 des Anrechnungswertes voraus und kanN'die Miterben mit einer durch die Renten­ bank ablösbaren Geldrente abfinden. 1898, 2. Juli, G., betr. das Anerbenrecht bei Landgütern in der Provinz Westfalen und in den Kreisen Rees, Essen, Duisburg, Ruhrort und Mühlheim a. d. R. (GS. 139): Besondere Erbfolge in Bauerngüter (zur Verhütung von Zerstückelungen und Verschuldung infolge Erbteilungen). Durch Eintragung der Anerbengutseigenschaft (auf Ersuchen des Spezialkommissars) ins Grundbuch wird der gesetzlich oder letztwillig berufene Anerbe berechtigt, das Gut zu einem zu ermittelnden Anrechnungswerte zu übernehmen und die Miterben abzufinden. — Ähnliche „Landgüterordnungen" für Brandenburg v. 10. Juli 1883, Schlesien v. 24. April 1884, Schleswig-Holstein v. 2. April 1886, Reg.-Bez. Kassel v. 1. Juli 1887 und das Höfegesetz für Hannover v. 28. Juli 1909. 1906, 20. August, G., betr. die Zulassung einer Verschuldungsgrenze für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke (GS. 389): Auf Antrag des Eigentümers durch Eintragung der Berschuldungsgrenze im Grundbuche, sofern die Grundstücke von einer

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dafür zugelassenen öffentlichen Kreditanstalt beliehen werden dürfen. Überschreitung der Grenze nur mit Genehmigung des staatlich bestellten Kommissars und nach Anhörung der Kreditanstalt. — Dazu Kgl. AussVg. v. 5. Mai 1913 (GS. 274). 1912, 26. Juni, G. über die Stärkung des Deutschtums in einigen Landes­ teilen, Besitzbefestigungsgesetz (GS. 183): 100 Mill. Mark werden der Staatsregierung mit der Bestimmung zur Verfügung, gestellt, in den national gefährdeten Teilen der Pro­ vinzen Ostpreußen, Pommern, Schlesien und Schleswig-Holstein 1. ländliche Grundstücke und Güter zu erwerben und als Rentengüter an deutsche Landwirte und Arbeiter zu ver­ äußern; 2. den Staat mit Stammeinlagen bei gemeinnützigen Gesellschaften zu beteiligen, denen die Bermittelung bei der Bildung der Rentengüter übertragen wird. 1913, 28. Mai, G., bett. Abänderung von Zusammenlegungs- und Ge­ meinheitsteilungsgesetzen (GS. 285): Weitgehende Einwirkung der Auseinandersetzungsbehörde auf wirtschaftliche Umlegungen von Grundstücken, wenn davon eine erhebliche Verbesserung der Landeskultur zu erwarten ist. Besondere Besümmungen für verschiedene Gebiete der Rheinprovinz. 1913, 28. Mai, G. bett. die Bereitstellung von Staatsmitteln zur Förde­ rung der Landeskultur und der inneren Kolonisation (GS. 293): 25 Mill. Mark zur Urbarmachung fiskalischer Moore, zu Meliorationen auf Domänengrundstücken und zur Beteiligung des Staats mit Stammeinlagen bei gemeinnützigen Ansiedelungsgesellschaften.

2. Gesetz, betreffend die durch ein AuseinandersetzungsVerfahren begrün­ deten gemeinschaftlichen Angelegenheiten. Vom 2. April 1887 (GS. 105). § 1. Für gemeinschaftliche, durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründete An­ gelegenheiten, als Wege, Triften, Gräben, Trankstätten, Lehm-, Sand-, Kalk- und Mergel­ gruben, Kalk- oder andere Steinbrüche und ähnliches, kann die Vertretung der Gesamtheit der Beteiligten Dritten gegenüber, sowie die Verwaltung auch nach beendigtem Auseinander­ setzungsverfahren von der Auseinandersetzungsbehörde nach Maßgabe der folgenden Be­ sümmungen geregelt werden. Die Regelung erfolgt auf Antrag. Sie unterbleibt insbesondere, wenn 1. die Vertretung oder Verwaltung anderweitig geregelt ist, oder 2. die Zuziehung der einzelnen Beteiligten selbst oder ihrer Vertreter ohne unverhältnismäßigen Zeit- oder Kostenaufwand erfolgen kann. § 2. Die Vertretung und Verwaltung ist vorbehaltlich der Besümmungen des § 9 dem Gemeindevorstande zu übertragen. Die Gesamtheit der Beteiligten, welcher in Gemäßheit dieses Gesetzes eine Vertretung bestellt ist, kann als solche klagen und verllagt werden. § 3. Ergibt die Prüfung ohne weiteres die Unzulässigkeit des Antrages, so hat die Aus­ einandersetzungsbehörde denselben zurückzuweisen. Andernfalls ist vor der Entscheidung der Antrag in geeigneter Weise bekanntzumachen. Die Bekanntmachung erfolgt mit der Aufforderung, etwaige Einsprüche bei der Auseinander­ setzungsbehörde innerhalb einer von dieser zu besümmenden Frist anzubringen. § 4. Der bestellte Vertreter ist befugt, mit Genehmigung der Auseinandersetzungsbehörde, über die Substanz des durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten, gemeinschaft­ lichen Vermögens zu verfügen. § 5. Ist zufolge einer Verfügung über die Substanz eine Geldentschädigung festgestellt, so hat die Auseinandersetzungsbehörde nicht bloß die im Interesse der eingetragenen Gläubiger

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VI. Abschn.

Agrar., Wasser- und Jagdrecht.

und sonstigen Realberechtigten erforderliche Verwendung, sondern auch die Verteilung der Geldentschädigung zu regulieren.

§ 6. Ist dem Gemeindevorstande die Vertretung übertragen, so untersteht derselbe in dieser Beziehung der Kommunalaufsichtsbehörde. Insoweit ihm die Verwaltung übertragen ist, finden die Vorschriften, welche für Gemeindeangelegenheiten bezüglich der Verwaltung, der Aufiicht des Staats und der den Mitgliedern zustehenden Rechtsmittel gelten, sinn­ gemäße Anwendung. Der Verwalter hat insbesondere für die Ausführung der zur ordnungsmäßigen Unterhal­ tung der gemeinschaftlichen Anlagen erforderlichen Arbeiten durch die Verpflichteten zu sorgen. Ist im Auseinandersetzungsverfahren ein Beitragsverhältnis für die Verteilung der auf­ zuwendenden Kosten nicht festgesetzt, so liegt die Unterhaltung den Beteiligten nach Verhält­ nis ihrer Teilnahmerechte ob. Soweit letztere aus dem Rezesse nicht klar hervorgehen, haben die Beteiligten nach Verhältnis des Grundsteuerreinertrages ihrer bei der Auseinandersetzung ausgewiesenen Landabfindungen beizutragen. Nach demselben Verhältnis ist der auf eine zerstückelte Landabfindung fallende Beitrag von den Besitzern der Trennstücke aus­ zubringen. Ist die Unterhaltung von den Beteiligten gemeinschaftlich oder in der Weise zu bewirken, daß jeder Beteiligte die an seine Grundstücke anstoßenden oder sonst bestimmte Teile der Anlagen zu unterhalten hat, so bedarf es einer Aufforderung an den einzelnen Beteiligten, seiner Unterhaltungspflicht nachzukommen, nicht. Es genügt eine in ortsüblicher Weise bekanntzumachende öffentliche Aufforderung. § 7. Die Entscheidungen der Auseinandersetzungsbehörde erfolgen in den Fällen des 8 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 2, des § 4 Abs. 3 und des § 5 Abs. 2 durch Beschluß. § 8. Hat ein gemeinschaftliches Grundstück kein besonderes Blatt im Grundbuche und ist das Anteilsrecht auf den Grundbuchblättern der beteiligten Grundstücke nicht vermerkt, so erfolgt im Falle der Auflassung die Anlegung eines Grundbuchblattes für den Erwerber, ohne daß es eines Vermerks auf den Blättern der beteiligten Grundstücke bedarf. Die Auflassung kann erst erfolgen, wenn von der Auseinandersetzungsbehörde bescheinigt ist, daß die Veräußerung oder der Tausch für die Realinteressenten unschädlich, oder daß die Verwendung der Geldentschädigung (§ 5) erfolgt ist. § v. Liegen die gemeinschaftlichen Grundstücke in verschiedenen Gemeindebezirken oder in verschiedenen Gemeinde- und Gutsbezirken, so kann die Vertretung und Verwaltung in Gemäßheit der vorstehenden Bestimmungen einem der beteiligten Gemeindevorstände oder Gutsvorsteher übertragen werden. § 10. Gegen die Beschlüsse der Auseinandersetzungsbehörde (§ 7) findet nur die Be­ schwerde an das Oberlandeskulturgericht statt. Sofern die Zustellung des Beschlusses an die Beteiligten erfolgt ist, steht diesen die Be­ schwerde nur innerhalb zwei Wochen nach der Zustellung zu. In diesem Falle hat die Be­ schwerde auffchiebende Wirkung. § 12. Die durch das Verfahren entstehenden Kosten fallen, sofern es nach beendigter Auseinandersetzung stattfindet, den Beteiligten nach dem im § 6 angegebenen Beitrags­ maßstab zur Last. Ausgenommen sind: 1. die durch zurückgewiesene Anträge, Einsprüche oder Beschwerden einzelner Beteiligter entstandenen Kosten, welche von diesen allein zu tragen sind; 2. die durch zurückgewiesene oder sonst erfolglose Anträge der nach diesem Gesetz beteiligten, öffentlichen Behörden entstandenen Kosten, welche außer Ansatz bleiben.

3 Gesetz über die Landwirtschaftskammern.

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Z. Gesetz über die Landwirtschaftskammern. Vom 30. Juni 1894 (GS. 126). § 1. Zum Zwecke der korporativen Organisation des landwirtschaftlichen Berufsstandes können durch Kgl. Verordnung nach Anhörung des Provinziallandtags Landwirtschafts­ kammern errichtet werden, welche in der Regel das Gebiet einer Provinz umfassen. Im Bedürfnisfalle können für eine Provinz mehrere Landwirtschaftskammern errichtet werden. § 2. Die Landwirtschaftskammern haben die Bestimmung, die Gesamtinteressen der Landund Forstwirtschaft ihres Bezirkes wahrzunehmen, zu diesem Behuf alle auf die Hebung der Lage des ländlichen Grundbesitzes abzielenden Einrichtungen, insbesondere die weitere korporative Organisation des Berufsstandes der Landwirte, zu fördern. Auch haben sie das Recht, selbständige Anträge zu stellen. Die Landwirtschaftskammern haben ferner die Verwaltungsbehörden bei allen die Landund Forstwirtschaft betreffenden Fragen durch tatsächliche Mitteilungen und Erstattung von Gutachten zu unterstützen. Sie haben nicht nur über solche Maßregeln der Gesetzgebung und Verwaltung sich zu äußern, welche die allgemeinen Interessen der Landwirtschaft oder die besonderen landwirtschaftlichen Interessen der beteiligten Bezirke berühren, sondern auch bei allen Maßnahmen mitzuwirken, welche die Organisation des ländlichen Kredits und sonstige gemeinsame Aufgaben betreffen. Die Landwirtschaftskammern haben außerdem den technischen Fortschritt der Landwirtschaft durch zweckentsprechende Einrichtungen zu fördern. Zu diesem Zwecke sind sie nament­ lich befugt, die Anstalten, das gesamte Vermögen, sowie die Rechte und Pflichten der be­ stehenden landwirtschaftlichen Zentralvereine auf deren Antrag zur bestimmungsmäßigen Verwendung und Verwaltung zu übernehmen und mit deren bisherigen lokalen Gliede­ rungen ihrerseits in organischen Verband zu treten, sowie sonstige Vereine und Genossenschaften welche die Förderung der landwirtschaftlichen Verhältnisse zum Zwecke haben, in der Aus­ führung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Den Landwirtschaftskammern wird nach Maßgabe der für die Börsen und Märkte zu erlassenden Bestimmungen eine Mitwirkung bei der Verwaltung und den Preisnotierungen der Produktenbörsen, sowie der Märkte, insbesondere der Viehmärkte, übertragen. § 3. Die Errichtung einer Landwirtschaftskammer erfolgt durch Kgl. Verordnung auf Grund von Satzungen, welche den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechen. Änderungen der Satzungen bedürfen, soweit die Kgl. Verordnung nicht etwas anderes bestimmt, der Kgl. Genehmigung.* Die Satzungen sowie Änderungen derselben sind durch den „Staats­ anzeiger" zu veröffentlichen. Die Landwirtschaftskammer hat als ersten Gegenstand ihrer sachlichen Verhandlungen die Satzungen durchzuberaten. § 4. Die Satzungen müssen innerhalb der durch dieses Gesetz gegebenen Vorschriften Bestimmungen enthalten über: 1. den Sitz der Landwirtschaftskammer; 2. das nach dem Grundsteuerreinertrag anzugebende Mindestmaß des zum passiven Wahl­ recht berechtigenden Grundbesitzes; 3. die Zahl der Mitglieder und ihre Verteilung auf die Wahlkreise; 4. die Reihenfolge des Ausscheidens der Mitglieder; 5. die für die Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl der Mitglieder; 6. die Wahl und die Zusammensetzung des Vorstands, die Befugnisse des Vorstands und des Vorsitzenden; 7. die Form für die Legitimation des Vorstandes und seiner Mitglieder; 1 Doch ist der Landwirtschaftsminister ermächtigt, solche Änderungen der Satzungen selbständig zu genehmigen, die nicht den Sitz, den Zweck, die Vertretung der Kammern, oder das Wahlverfahren betreffen (Kgl. Vg. v. 3. Aug. 1895, GS. 363).

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VI. Abschn. Agrar-, Waljer- uno Jagdrechr.

8. die Boraussetzungen und die Form für die Zusammenberufung der Landwirtschafts kammer; 9. die Bezeichnung der Gegenstände, welche der Beschlußfassung der Landwirtschastskammer vorbehalten bleiben; 10. die Form der Bekanntmachungen; 11. das Berfahren bei Änderungen der Satzungen. § 5. Die Mitglieder der Landwirtschaftskammer werden gewählt. Voraussetzung des passiven Wahlrechts ist die Angehörigkeit zu einem deutschen Bundesstaat und ein Alter von mindestens 30 Jahren. Vom Wahlrecht sind ausgeschlossen: 1. Personen, welche nicht im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte finb;2 2. Personen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet ist oder deren Grundstücke der Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung unterliegen. § 6. Wählbar zu Mitgliedern der Landwirtschaftskammern sind unter den im § 5 be­ zeichneten Voraussetzungen: 1. die Eigentümer, Nutznießer ^ und Pächter land- oder forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke, deren Grundbesitz oder Pachtung im Bezirke der Landwirtschaftskammer wenigstens den Umfang einer selbständigen Ackernahrung hat oder, für den Fall rein forstwirtschaftlicher Benutzung, zu einem jährlichen Grundsteuerreinertrage von mindestens 150 M veranlagt ist, sowie deren gesetzliche Vertreter und Bevollmächtigte; 2. im Bezirk der Landwirtschaftskammer wohnende Personen, welche a) nach Nr. 1 als Eigentümer, Nutznießer oder Pächter wählbar gewesen sind, oder b) mindestens zehn Jahre als Vorstandsmitglieder oder Beamte von landwirtschaftlichen und zweckverwandten Vereinen, landwirtschaftlichen Genossenschaften und Kreditinstituten tätig sind, oder welchen c) wegen ihrer Verdienste um die Landwirtschaft von der Landwirtschaftskammer die Wählbarkeit beigelegt ist. § 7. Wahlbezirke sind in der Regel die Landkreise; durch die Satzungen können mehrere Kreise zu einem Wahlbezirke vereinigt werden. Ebenso können Stadtkreise behufs der Wahl mit benachbarten Landkreisen zu einem Wahlbezirke vereinigt werden. In jedem Wahlbezirke sind in der Regel zwei Mitglieder zu wählen. § 8. Die Wahl erfolgt durch Kreistage. Die Kreistagsmitglieder aus dem Wahlverbande der Städte nehmen nur insoweit an der Wahl teil, als sie nach § 6 wählbar sind; Ausnahmen von dieser Beschränkung können durch die Satzungen bezüglich solcher Städte zugelassen werden, deren Einwohner überwiegend Landwirtschaft treiben. Falls Stadtkreise mit Landkreisen zu einem Wahlbezirk vereinigt werden, wird die Zahl der den Stadtkreisen zukommenden Wahlmänner nach Verhältnis des Grundsteuerrein, ertrages der Stadt- und Landkreise des Wahlbezirks durch die Satzungen bestimmt. Die Wahlmänner der Stadtkreise werden von der Gemeindevertretung aus der Zahl der nach § 6 wählbaren Einwohner der Stadtkreise gewählt. Die Wahl geschieht unter Leitung des Landrats nach absoluter Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit entscheidet das durch den Vorsitzenden zu ziehende Los. Ergibt ein Wahl­ gang nicht die absolute Mehrheit, so findet eine Stichwahl zwischen denjenigen beiden statt, welche die meisten Stimmen erhalten haben. Das Nähere bestimmt eine von dem Minister zu erlassende Wahlordnung. § 9. Die Landwirtschaftskammern können eine Änderung des Wahlverfahrens (§ 8) auf folgender Grundlage beschließen: 1. Das aktive Wahlrecht steht Eigentümern, Nutznießern und Pächtern eines zum passiven Wahlrecht berechtigenden ländlichen Grundbesitzes unter den Voraussetzungen des § 5 mit der Maßgabe zu, daß das erforderliche Alter 25 Jahre beträgt. ' Vgl. §§~32ff. StGB. 3 Auch Inhaber von Dienstländereien, wie Oberförster, ebenso Pfarrer.

3. Gesetz über die Landwirtschastskammern.

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2. Das Wahlrecht stuft sich nach dem Grundsteuerreinertrag ab. 3. Die Wahl ist indirekt. 4. Das Wahlrecht kann auch an Eigentümer und Pächter von kleinerem, als dem nach Ziff. 1 angegebenen Grundbesitze verliehen werden. Die auf Grund dieses Paragraphen beschlossenen Satzungsveränderungen bedürfen der Kgl. Genehmigung.* § 10. Das Ergebnis der Mitgliederwahl ist von dem Wahlvorftande der Landwirtschafts­ kammer unter Beifügung des Wahlprotokolls mitzuteilen. Einsprüche gegen die Wahl werden von der Landwirtschaftskammer endgültig entschieden. § 11. Die Mitglieder der Landwirtschastskammern werden auf sechs Jahre gewählt. Alle drei Jahre scheiden die Vertreter der Hälfte der Wahlbezirke nach einer durch die Satzungen festzusetzenden Reihenfolge aus. Ist die Zahl der Wahlbezirke eine ungerade, so scheidet das erstemal die größere Zahl aus. Die ausscheidenden Mitglieder sind wieder wählbar und bleiben so lange in ihrer Stellung, bis eine Neuwahl stattgefunden hat. Scheidet ein Mitglied durch den Tod oder aus sonstigen Gründen aus, so hat eine Ersatz­ wahl für den Rest der Wahlperiode stattzusinden, sofern dieser Rest mindestens ein volles Jahr beträgt. § 12. Jeder in der Person eines Mitglieds eintretende Umstand, welcher dasselbe, wenn er vor der Wahl vorhanden gewesen wäre, von der Wählbarkeit ausgeschlossen haben würde, hat das Erlöschen der Mitgliedschaft zur Folge. Die Landwirtschaftskammer kann ein Mitglied, gegen welches ein gerichüiches Straf­ verfahren eröffnet wird, bis nach Abschluß desselben von seiner Stellung vorläufig entheben. Für diesen Beschluß sind wenigstens zwei Dritteile der Stimmen erforderlich. Gegen die Beschlüsse der Landwirtschaftskammer steht den Betroffenen die Beschwerde an den Provinzialrat zu, dessen Entscheidung endgültig ist. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. § 13. Alle drei Jahre wählt die Landwirtschaftskammer einen Vorsitzenden und dessen Stellvertreter. Diese bilden mit mindestens drei weiteren gewählten Mitgliedern den Vor­ stand. Für diese weiteren Mitglieder werden für Fälle ihrer dauernden oder vorübergehen­ den Verhinderung Stellvertreter gewählt. Ihre Zahl und die Reihenfolge der Einberufung im Vertretungssalle ist durch die Satzungen festzusetzen. § 14. Die Landwirtschaftskammern sind berechtigt, sich bis zu einem Zehntel ihrer Mit­ gliederzahl durch Zuwahl von Sachverständigen und um die Landwirtschaft verdienten Perfönen zu ergänzen. Denselben steht das Recht zu, an den Sitzungen mit beratender Stimme teilzunehmen. § 15. Die Landwirtschaftskammer ist berechtigt, einzelne Ausschüsse aus ihrer Mitte zu bilben und mit besonderen, regelmäßigen oder vorübergehenden Aufgaben zu betrauen. Diese Ausschüsse haben ihrerseits das Recht, sich bis zu einer von der Landwirtschaftskammer festzusetzenden Zahl durch Nichtmitglieder der Kammer zu ergänzen. Sie fassen ihre Be­ schlüsse selbständig; dieselben sind aber, soweit die Landwirtschaftskammer den Ausschüssen nicht bestimmte selbständige Aufgaben zugewiesen hat, der Landwirtschaftskammer oder dem Vorstande zur Bestätigung vorzulegen. § 16. Die Mitglieder versehen ihr Amt unentgeltlich. Doch kann ihnen eine den baren Auslagen für die Teilnahme an den Sitzungen entsprechende Entschädigung durch Beschluß der Landwirtschaftskammer gewährt werden, auch ist bei Ausführung besonderer Aufträge die Gewährung einer Entschädigung zulässig. § 17. Der Geschäftsgang der Landwirtschaftskammer wird in einer von ihr festzusetzenden und zu veröffentlichenden Geschäftsordnung geregelt. Die Sitzungen der Landwirtschaftskammer sind öffentlich. Gegenstände, welche sich nach Bestimmung der Landwirtschaftskammer zur öffentlichen Beratung nicht eignen, sowie 4 Diese kann also nicht übertragen werden, Anm. 1.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

diejenigen, welche von der Staatsregierung unter Beding der Geheimhaltung mitgeteilt werden, sind in geheimer Sitzung zu behandeln. Über die Verhandlungen werden Protokolle geführt, welche innerhalb vier Wochen dem Minister abschriftlich einzusenden sind. Tie Tage der Sitzungen der Landwirtschaftskammer und des Vorstands sind rechtzeitig dem Minister und dem Oberpräsidenten mitzuteilen. Die Vertreter der Staatsregierung sind jederzeit zum Worte zu verstatten. § 18. Die der Landwirtschastskammer für ihren gesamten Geschäftsumfang entstehenden Kosten werden von ihr, soweit sie nicht durch anderweitige Einnahmen, insbesondere durch Staatszuschüsse gedeckt werden, auf diejenigen Besitzungen, welche den in § 6 Ziff. 1 ent­ haltenen Bedingungen entsprechen, nach dem Maßstab ihres mit Wegfall der Talerbruch­ teile abzurundenden Grundsteuerreinertrags verteilt, von den Gemeinden und Gutsbezirken auf Anweisung des Regierungspräsidenten erhoben und durch Vermittelung der Kreis(Steuer)kassen an die Landwirtschaftskammern abgeführt. Sofern es sich um die Kosten solcher Einrichtungen oder Maßnahmen handelt, welche in besonders hervorragendem oder in besonders geringem Maße einzelnen Wahlbezirken zu­ gute kommen, kann die Landwirtschastskammer auf Antrag der Mehrheit der Vertreter der betreffenden Bezirke eine Mehr- oder Minderbelastung dieser Bezirke eintreten lassen. Der­ artige Beschlüsse bedürfen der Genehmigung des Ministers. Die Beitragspflicht für die Landwirtschaftskammer ist den gemeinen öffentlichen Lasten gleichzuachten. Rückständige Beiträge werden in derselben Weise wie Gemeindeabgaben ein­ gezogen. Die Beschwerde gegen die eingeforderten Beiträge ist innerhalb zwei Wochen nach der Zahlungsaufforderung an den Vorstand der Landwirtschaftskammer zu richten, der über die­ selbe beschließt. Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen nach der Zustellung die Klage, in dem Bezirke der Landwirtschaftskammer für die Provinz Brandenburg beim Be­ zirksausschüsse zu Potsdam, in den Bezirken der übrigen Landwirtschaftskammern bei dem Bezirksausschüsse desjenigen Bezirkes statt, in dem die Landwirtschaftskammer ihren Sitz hat. Gegen das Endurteil des Bezirksausschusses ist nur das Rechtsmittel der Revision zulässig. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Wird auf Grund des § 9 Ziff. 4 das Wahlrecht auch an Eigentümer und Pächter von kleinerem als dem nach Ziff. 1 angegebenen Grundbesitze verliehenen, so muß dementsprechend gleich­ zeitig auch die Beitragspflicht auf die betreffenden Besitzungen ausgedehnt werden. § 19. Die Landwirtschaftskammer hat jährlich einen Etat aufzustellen, öffentlich bekannt­ zumachen und dem Minister vorzulegen. Die Umlagen dürfen y2 % des Grundsteuerreinertrags in der Regel nicht übersteigen. Nur in außerordentlichen Fällen kann mit Genehmigung des Ministers eine Erhöhung vorgenommen werden. Ihr Kassen- und Rechnungswesen ordnen die Landwirtschaftskammern selbständig. § 20. Die Landwirtschaftskammer hat die rechtliche Stellung einer Korporation. Sie wird nach außen vertreten durch ihren Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter. Alle Ur­ kunden, welche die Landwirtschaftskammer vermögensrechtlich verpflichten sollen, sind unter deren Namen von dem Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter und noch einem Mitgliede des Vorstandes zu vollziehen. Das staatliche Aufsichtsrecht über die Landwirtschaftskammern wird durch den Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten ausgeübt. § 21. Alljährlich einmal, und zwar bis zum 1. Mai, haben die Landwirtschaftskammern dem Minister über die Lage der Landwirtschaft ihres Bezirks zu berichten. Von fünf zu fünf Jahren haben sie einen umfassenden Bericht über die gesamten landwirtschaftlichen Zustände ihres Bezirks an den Minister zu erstatten. Alle Berichte an die Zentralbehörden sind durch den Oberpräsidenten vorzulegen.

4. Moorschutzgesetz.

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4. Moorschutzgesetz. Vom 4. März 1913 (GS. 29). § 1. Grundstücke, die allein oder mit anderen eine zusammenhängende Moorfläche von mehr als 25 Hektar bilden, dürfen, soweit das Gemeinwohl unter Abwägung der Interessen der Beteiligten es verlangt, zur Gewinnung von Torf nur in der Weise benutzt werden, daß die Möglichkeit ihrer vorteilhaften land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gesichert wird. Die Benutzung solcher Grundstücke zur Torfgewinnung bedarf, abgesehen von den Fällen des § 2, der Genehmigung des Bezirksausschusses. § 2. Einer Genehmigung bedarf nicht: 1. die Gewinnung von Torf für die eigene Haushaltung und Wirtschaft durch den Eigen­ tümer, den Pächter, einen Torfstichberechtigten oder durch ländliche Arbeiter, welche in einem dauernden Arbeitsverhältnisse zu dem Eigentümer der Moorfläche stehen, soweit ihnen durch den Arbeitsvertrag die Torfgewinnung für die Zwecke ihrer eigenen Haushaltung und Wirtschaft zugesichert ist (Heuerlinge, Jnstleute); 2. die Gewinnung von Torf zum Zwecke des Verkaufs, wenn sie mit nicht mehr als sechs Personen und nicht mit maschineller Kraft betrieben wird. Als Wirtschaft gelten der landwirtschaftliche Haus- und Hofbetrieb, mit Einschluß der landwirtschaftlichen Nebenbetriebe von geringem Umfange, sowie kleingewerbliche Betriebe von geringem Umfange. In den Fällen der Nr. 1 und 2 können durch Kreispolizeiverordnung Vorschriften für die Torfgewinnung erlassen werden, durch welche die Möglichkeit einer vorteilhaften land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gesichert wird. § 3. Dem Antrag auf Erteilung der Genehmigung müssen die zur Erläuterung des Unter­ nehmens notwendigen Pläne und Beschreibungen beigefügt werden. § 4. Der Genehmigungsbeschluß trifft die zur Durchführung des § 1 Abs. 1 etwa er­ forderlichen Bestimmungen. Dem Unternehmer kann in dem Genehmigungsbeschlusse die Leistung einer Sicherheit für die Einhaltung des genehmigten Planes und der getroffenen Bestimmungen aufgegeben werden. § 5. Vor der Beschlußfassung sind über den Antrag eine durch den Minister für Land­ wirtschaft, Domänen und Forsten zu bestimmende sachverständige Stelle sowie der Meliora­ tionsbaubeamte zu hören. Auf Verlangen ist auch ein von den Beteiligten etwa benannter Sachverständiger zu hören. Auf Antrag eines Beteiligten findet mündliche Verhandlung vor dem Bezirksausschüsse statt. Die sachverständige Stelle sowie der Meliorationsbau­ beamte sind auch zu hören, wenn gemäß § 2 Abs. 3 kreispolizeiliche Vorschriften für die Torf­ gewinnung erlassen werden sollen. Gegen den Beschluß des Bezirksausschusses steht den Beteiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zu. § 8. Bei der Ausführung des Unternehmens hat der Landrat, in Stadtkreisen die Orts­ polizeibehörde, für die Einhaltung des genehmigten Planes und der getroffenen Bestim­ mungen zu sorgen. Sie können zu diesem Zwecke polizeiliche Verfügungen erlassen. Wesentliche Abweichungen von dem genehmigten Plane oder den getroffenen Bestim­ mungen bedürfen der Genehmigung nach Maßgabe der §§ 1, 3 bis 5. § 7. Die Benutzung von Moorgrundstücken ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Ge­ nehmigung ist vom Landrat, in Stadtkreisen von der Ortspolizeibehörde, polizeilich zu ver­ hindern. § 8. In den Städten, deren Polizeiverwaltung der Aufsicht des Landrats nicht unter­ steht, tritt in den Fällen der §§ 6 und 7 an Stelle des Landrats die Ortspolizeibehörde. § 9. Unternehmungen, die bei dem Inkrafttreten dieses Gesetzes mit der Torfgewinnung bereits begonnen haben, dürfen ohne die in diesem Gesetze vorgesehenen Beschränkungen sechs Monate lang in dem bisherigen Umfange fortgesetzt werden.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

Kann über einen Genehmigungsantrag nicht vor dem Ablaufe der sechsmonatigen Frist entschieden werden, so beschließt der Bezirksausschuß darüber, ob die vorläufige Wetter­ führung des Unternehmens zu genehmigen ist. Diese Genehmigung muß erteilt werden, wenn über den Genehmigungsantrag ohne Verschulden des Antragstellers vor Ablauf der Frist nicht entschieden werden kann. Gegen den Beschluß des Bezirksausschusses steht dem Antragsteller binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Minister für Landwirtschaft, Do­ mänen und Forsten zu.

S. Wassergesetz. Vom 7. April 1913 (GS. 53). Erster Abschnitt.

Wasserläufe?

1. Titel. Begriff und Arten der Wasserläufe. ZI. (i) Wasserläufe sind die Gewässer, die in natürlichen oder künstlichen Betten be­ ständig oder zeitweilig oberirdisch abfließen, einschließlich ihrer oberirdischen Quellen und der Seen — Teiche, Weiher und ähnlicher Wasseransammlungen —, aus denen sie abfließen, sowie ihrer etwa unterirdisch verlaufenden Strecken (natürliche, künstliche Wasserläufe). (2) Grundstücke, die zur Fischzucht oder Fischhaltung oder zu sonstigen Zwecken mit Wasser bespannt werden und mit einem Wasserlauf nur dadurch in Verbindung stehen, daß sie mittels künstlicher Vorrichtungen aus dem Wasserlaufe gefüllt oder in einen solchen abgelassen werden, gelten nicht als Wasserläufe. (3) Gräben^ gelten als Wasserläufe nur insoweit, als sie der $orflut13 42der Grundstücke verschiedener Eigentümer dienen. Seen, aus denen nur künstliche Wasserläufe abfließen, gelten nicht als Wasserläufe, soweit nicht die Wasserlaufsverzeichnisse etwas anderes besümmen. Triebwerkskanäle — Mühlgräben und dergleichen — und Bewässerungskanäle gelten, soweit sie als Wasserläufe anzusehen sind, im Zweifel als künstliche Wasserläufe. (4) Ein natürlicher Wasserlauf gilt als solcher auch nach einer künstlichen Veränderung. § 2. (i) Im Sinne dieses G. sind: 1. Wasserläufe erster Ordnung: die in dem anliegenden Verzeichnis * unter I aufgeführten Strecken natürlicher und die dort unter II bezeichneten Strecken künstlicher Wasser­ läufe; 2. Wasserläufe zweiter Ordnung: die Strecken natürlicher und künstlicher Wasserläufe, die in dem nach § 4 aufzustellenden Verzeichnis eingetragen sind; 3. Wasserläufe dritter Ordnung: alle anderen Strecken natürlicher und künstlicher Wasser­ läufe. (2) Natürliche Wasserläufe, die sich von einem natürlichen Wasserlauf abzweigen und wieder mit ihm vereinigen, (Nebenarme) sowie Mündungsarme eines natürlichen Wasser­ laufs sind der Ordnung zuzuzählen, welcher der Hauptwasserlauf an der Abzweigungsstelle angehört, wenn sich nicht aus der Anlage ein anderes ergibt oder nach § 3 Abs. 1 oder § 4 ein anderes bestimmt wird. I ; §’3. :(i) Das Verzeichnis der Wasserläufe erster Ordnung kann nur durch G. geändert werden. (2) Wird infolge einer solchen Änderung jemand in der Ausübung eines Rechtes am Wasser1 Im Gegensatze zu den im 2. Abschn. §§ 196 ff. behandelten „Gewässern, die nicht zu den Wasser­ läufen gehören". Das offene Meer gehört nicht zu den Gewässern im Sinne dieses Gesetzes. Bei den Gewässern, die ins Meer münden, ist in dem Verzeichnisse der Wasserläufe 1. Ordnung der End­ punkt des „Wasserlaufs" angegeben. 2 Gräben sind künstlich angelegte Wassergerinne, durch die das Wasser seinen ordentlichen und gewöhnlichen Ablauf hat. 3 Borflut ist die Möglichkeit des ungehinderten Ablaufs des oberirdischen Wassers nach dem natür­ lichen Gefälle. 4 Am Schlüsse dieses G. abgedruckt. Die Wasserläufe 1. Ordnung entsprechen im wesentlichen den bisherigen „öffentlichen Flüssen"; sie sind dazu durch einen Akt der Gesetzgebung erklärt, während die Wasserläufe 2. Ordnung durch einen Verwaltungsakt (§ 4) festgestellt werden.

5. Wassergesetz.

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lauf beeinträchtigt oder ein Grundstück beschädigt, so ist dem Benachteiligten Entschädigung vom Staate zu gewähren. Über die Entschädigung beschließt im Streitfall der Bezirksaus­ schuß. Der Beschluß kann binnen drei Monaten nach der Zustellung im Rechtswege an­ gefochten werden. Auf die Entschädigung ist der Vorteil anzurechnen, der dem Benachteiligten aus der Versetzung des Wasserlaufs in eine andere Ordnung erwächst, soweit dieser Vorteil nicht bereits nach § 11 Satz 3 oder § 131 Satz 2 angerechnet worden ist. § 4* (i) Das Verzeichnis der Wasserläufe zweiter Ordnung stellt der Oberpräsident — für die Hohenzollernschen Lande der Regierungspräsident — auf. (2) In dieses Verzeichnis sind die nicht zur ersten Ordnung gehörenden Strecken natür­ licher und künstlicher Wasserläufe aufzunehmen, die für die Wasserwirtschaft von größerer Bedeutung sind. Dabei sind die natürlichen von den künstlichen Wasserläufen getrennt auf­ zuführen. § 5* (i) Das Verzeichnis6 wird in den beteiligten Bezirken öffentlich ausgelegt? Die Aus­ legung ist in ortsüblicher Weise und, wenn Landkreise beteiligt sind, auch durch die Kreis­ blätter bekanntzumachen. Innerhalb einer vom Oberpräsidenten (Regierungspräsidenten) zu bestimmenden Frist von mindestens sechs Wochen nach der letzten Bekanntmachung können Einwendungen gegen das Verzeichnis erhoben werden. Die Frist sowie die Stelle, bei der die Einwendungen anzubringen sind, ist in der Bekanntmachung zu bestimmen. (2) Über die rechtzeitig erhobenen, mit den Beteiligten zu erörternden? Einwendungen beschließt der Provinzialrat, in den Hohenzollernschen Landen der Bezirksausschuß. Gegen den Beschluß ist innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Minister für Landwirtschaft zu­ lässig. Die Beschwerde steht auch dem Oberpräsidenten (Regierungspräsidenten) zu. (3) Nach Erledigung der Einwendungen oder fruchtlosem Ablauf der Frist stellt der Ober­ präsident (Regierungspräsident) das Verzeichnis endgültig fest. Die Feststellung ist durch die Amtsblätter der beteiligten Bezirke bekanntzumachen. (4) Das Verzeichnis ist bei der Wasserbuchbehörde (§ 183) zu jedermanns Einsicht offen zu legen. Auszugsweise Abschriften sind bei dem Landrat, in Stadtkreisen bei der Ortspolizei­ behörde niederzulegen und auf dem laufenden zu erhalten. § 6. Für die Änderung des Verzeichnisses ^ gilt § 5 mit der Maßgabe, daß an die Stelle der Auslegung des Verzeichnisses und ihrer Bekanntmachung die Bekanntmachung der be­ absichtigten Änderung tritt. 2. Titel.

Eigentumsverhältnisse bei den Wasserläufen.

§ 7. An den in der Anlage bezeichneten Wasserläufen erster Ordnung steht, vorbehaltlich der Besümmungen des § 9 Abs. 1, dem Staate das Eigentum zu. § 8. (1) An den Wasserläufen zweiter und dritter Ordnung steht, vorbehaltlich der Be­ stimmungen des § 9, den Eigentümern der Ufergrundstücke (Anliegern) das Eigentum an­ teilig 85 6zu. 7 (2) Die Eigentumsgrenzen werden bestimmt: 1. für die gegenüberliegenden Ufergrundstücke durch eine Linie, die in der Stromrichtung laufend die Mitte des Wasserlaufs bei dem gewöhnlichen Wasserstand innehält; 2. für die nebeneinanderliegenden Ufergrundstücke durch eine vom Schnittpunkte ihrer Grenzlinien mit der Uferlinie (§ 12) senkrecht zu der vorbezeichneten Mittellinie zu ziehende Linie. (3) Als der gewöhnliche Wasserstand9 gilt der Wasserstand, der im Durchschnitt der Jahre 5 Die §§ 5 u. 6 beziehen sich nur auf Wasserläufe 2. Ordnung. 6 Eine Frist für die Dauer der Auslegung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, s. dagegen § 164 Abs. 2. 7 Dabei ist offenbar an kommissarische Verhandlungen gedacht. h. innerhalb der Grenzen ihrer Ufergrundstücke bis zur Mitte des Wasserlaufs. 9 Der gewöhnliche Wasserstand wird regelmäßig an einem Pegel, b. i. einem im Wasserlaufe an­ gebrachten Wasserstandsmesser, abgelesen. 40 Reichelt, Berwaltungsgesetzbuch.

VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

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an ebensoviel Tagen überschritten wie nicht erreicht wird, im Ebbe- und Flutgebiete das Hochwasser der gewöhnlichen Flut. (4) Bei den Grenzflüssen reicht, soweit die Eigentumsverhältnisse nicht anderweit ge­ regelt sind, das Eigentum der preußischen Anlieger bis zur Landesgrenze. (5) Der Anteil des Anliegers am Wasserlauf ist Bestandteil des Ufergrundstücks. 8 9 (1) Soweit beim Inkrafttreten dieses G. das Eigentum an Wasserläufen erster Ordnung einem anderen als dem Staate, an Wasserläufen zweiter oder dritter Ordnung einem anderen als den Anliegern zusteht, bleibt es mit dem bisherigen Inhalt aufrecht­ erhalten. Das Eigentum an einem natürlichen Wasserlauf erster Ordnung geht mit Ab­ lauf von zehn Jahren nach dem Inkrafttreten dieses G. auf den Staat über, wenn der bisherige Eigentümer nicht vorher in das Grundbuch eingetragen ist oder seine Eintragung beantragt hat. (2) In den im § 323 bezeichneten Gebietsteilen steht das Eigentum an den Wasserläufen zweiter Ordnung, soweit sie beim Inkrafttreten dieses G. nicht im Eigentum anderer stehen, den Deich- und Sielverbänden zu, zu denen sie gehören. (3) In der Provinz Hessen-Nassau steht das Eigentum an den natürlichen Wasserläufen zweiter und dritter Ordnung den Gemeinden insoweit zu, als ihnen die Unterhaltung ob­ liegt (§ 117 Abs. 1). Soweit dort beim Inkrafttreten dieses G. das Eigentum an einem natürlichen Wasserlauf zweiter oder dritter Ordnung, der von der Gemeinde zu unterhalten ist, einem anderen als der Gemeinde zusteht, bleibt es aufrechterhalten, geht aber mit Ab­ lauf von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten dieses G. auf die Gemeinde über, wenn der bisherige Eigentümer nicht vorher in das Grundbuch eingetragen ist oder seine Eintragung beantragt hat. (4) Für das aufrechterhaltene Eigentum der Anlieger gilt § 8. § 1V. (1) Auf Grund Kgl. Vg. kann der Staat das Eigentum an einem natürlichen Wasser­ laufe erster Ordnung, der ihm nach § 9 Abs. 1 nicht gehört, aber von ihm unterhalten wird, in Anspruch nehmen. Die Kgl. Vg. wird durch das Amtsblatt derjenigen Regierung bekannt­ gemacht, in deren Bezirk die in Anspruch genommene Strecke des Wasserlaufs liegt. (2) Der bisherige Eigentümer ist zu entschädigen. Von der Entschädigung sind die Lasten abzurechnen, die dem Eigentümer bisher oblagen. Im übrigen sind die §§ 7 bis 9, 11, 13, 24 bis 49 des EnteignG. v. 11. Juni 1874 (GS. 221) anzuwenden. § 11 Wird ein Wasserlauf erster Ordnung nach § 3 Abs. 1 zu einem Wasserlauf zweiter oder dritter Ordnung, oder wird ein Wasserlauf zweiter oder dritter Ordnung zu einem Wasserlauf erster Ordnung, so bleiben die Eigentumsverhältnisse unberührt. Der Staat kann jedoch in letzterem Falle auf Grund Kgl. Vg. das Eigentum an dem Wasserlauf gegen Entschädigung in Anspruch nehmen. Auf die Entschädigung ist der Vorteil anzurechnen, der dem Eigentümer durch den Wegfall von Lasten, die ihm bisher oblagen, erwächst, soweit er nicht bereits nach § 3 Abs. 2 Satz 4 oder § 131 Satz 2 angerechnet worden ist. Der § 10 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 ist anzuwenden. § 12. (1) Die Grenze zwischen dem Wasserlauf und dem Ufergrundstück (Uferlinie) wird durch die Grenze des Graswuchses und, soweit diese über dem gewöhnlichen Wasserstande (§ 8 Abs. 3) liegt,10 durch den letzteren bestimmt. (2) Die Uferlinie kann von der Wasserpolizeibehörde*11 nach Anhörung der Anlieger und der sonst Beteiligten festgelegt werden. Die Beteiligten können die Festlegung der Ufer­ linie durch die Wasserpolizeibehörde auf ihre Kosten verlangen. (3) Die Festlegung der Uferlinie ist den Beteiligten bekanntzumachen und kann binnen vier Wochen nach Zustellung durch Klage im Verwaltungsstreitverfahren angefochten werden. Ist der Oberpräsident oder der Regierungspräsident Wasserpolizeibehörde, so hat er für das Verwaltungsstreitverfahren einen Kommissar zu bestellen, der ihn in allen Rechtshandlungen zu vertreten hat. Zuständig ist der Bezirksausschuß.

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10 Weil z. B. wegen der örtlichen Beschaffenheit des Ufers dort kein Gras wächst. 11 §§ 342 ff.

5. Wassergesetz.

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(4) Ändert sich der Wasserlauf nachträglich, so kann die Uferlinie nach Abs. 1 bis 3 anderweit festgelegt werden. § 13. (i) Im Grundbuch wird ein Wasserlauf nur auf Antrag des Eigentümers oder eines Berechtigten eingetragen. (2) Wird die Eintragung des dem Anlieger gehörenden Anteils an einem Wasserlauf be­ antragt, so ist er im Grundbuch nach den Grundsteuerbüchern, wenn er aber in diesen nicht verzeichnet ist, nur als Anteil an dem Wasserlauf zu bezeichnen. § 14. Wird das Bett eines Wasserlaufs vom Wasser verlassen oder tritt darin eine Erd­ erhöhung hervor, die den gewöhnlichen Wasserstand (§ 8 Abs. 3) überragt und bei diesem Wasserstande nach keiner Seite hin mit dem Ufer zusammenhängt — Insel, Werder und der­ gleichen —, so bleibt das Eigentum an den hierdurch trockengelegten Flächen12 unverändert. § 15. (i) Hat infolge natürlicher (Sreigniffe13 ein natürlicher LVasserlauf erster Ordnung sein Bett verlassen und sich ein neues Bett geschaffen, so wird der'neue Wasserlauf Eigentum des Staates. (2) Die bisherigen Eigentümer des neuen Bettes sind von dem Staate für den Verlust ihres Eigentums zu entschädigen. Auf die Entschädigung sind der Art. 52 und der Art. 53 Abs. 1 des EinfG. z. BGB. sowie der § 47 des EnteignG. v. 11. Juni 1874 (GS. 221) anzuwenden. (3) Steht das alte Bett nicht im Eigentum des Staates, so hat der Eigentümer in Höhe seiner Bereicherung zu der vom Staate zu leistenden Entschädigung beizutragen. § 16. (i) Tritt der Fall des § 15 bei einem natürlichen Wasserlauf zweiter oder dritter Ordnung ein,13 so wird der neue Wasserlauf Eigentum der Anlieger. Wo in der Provinz Hessen-Nassau das Eigentum an Wasserläufen zweiter und dritter Ordnung den Gemeinden zusteht, wird er Eigentum der Gemeinden, durch deren Gebiet er fließt; in den Bezirken der vormaligen hannoverschen Ämter Zellerfeld und Elbingerode sowie in den Teilen des Kreises Osterode, die durch die Vg. v. 2. April 1853 (HannovGS. Abt. I S. 109) und v. 7. Nov. 1855 (HannovGS. Abt. I S. 297) den ehemaligen Ämtern Scharzfels und Osterode zu­ gelegt sind, wird er Eigentum des Staates; soweit nach dem schlesischen Auenrecht das ver­ lassene Bett im Eigentum der Auenberechtigten steht, wird er ihr Eigentum. (2) Die Eigentümer des verlassenen und die bisherigen Eigentümer des neuen Bettes, die Anlieger des früheren und des neuen Wasserlaufs sowie alle anderen, denen ein Recht an dem ftüheren Wasserlauf oder am Bette des neuen Wasserlaufs zugestanden hat, sind, und zwar auch jeder einzelne von ihnen, berechtigt, binnen Jahresfrist den ftüheren Zu­ stand wiederherzustellen. Die Wasserpolizeibehörde kann durch polizeiliche Verfügung Art und Umfang des vorzunehmenden Arbeiten bestimmen und die Frist verlängern. Die Ver­ fügung kann nur mit der Beschwerde angefochten werden. Der Bescheid auf die Beschwerde ist endgültig. (3) Streitigkeiten der Beteiligten über die Zulässigkeit der Wiederherstellung werden im Verwaltungsstreitverfahren entschieden. Zuständig ist der Bezirksausschuß. Die Klage ist innerhalb der im Abs. 2 bezeichneten Frist zu erheben. Der Lauf der Frist ist während der Dauer des Verwaltungsstreitverfahrens gehemmt. (4) Mit der Wiederherstellung des ftüheren Zustandes treten die ftüheren EigentumsVerhältnisse wieder ein. § 17. (i) Durch allmähliche Anspülung entstehende Anlandungen" oder Erdzungen ge­ hören in der sich aus § 8 Abs. 2 Nr. 2 ergebenden Begrenzung den Anliegern. (2) Dasselbe gilt für Verbreiterungen der Ufergrundstücke, die durch eine natürliche oder künstliche Senkung des Wasserspiegels entstanden sind.

12 18 eine 14 nicht

Zu diesem Begriffe genügt, daß sie der regelmäßige Wasserlaus nicht mehr überspült. Im Gegensatze zu künstlichen Regulierungsarbeiten; die Veränderung des Wasserlaufs muß dauernde sein. D. h. die auf natürliche Weise entstanden sind, sobald sie bei gewöhnlichem Wasserstande (§ 8) mehr überspült werden.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrechr.

(3) Bei Seen, die Teile von Wasserläufen sind und nicht im Eigentum der Anlieger als solcher stehen, gehören Anlandungen, Erdzungen und trockengelegte Randflächen innerhalb der bisherigen Eigentumsgrenzen den Eigentümern des Sees. Diese haben jedoch den früheren Anliegern den Zutritt zu dem See zu gestatten, soweit dies zur Ausübung des Ge­ meingebrauchs in dem bisher geübten Umfang erforderlich ist. § 18. Wird ein Stück Land durch Naturgewalt von dem Ufer eines Wasserlaufs losgerissen und mit einem anderen Grundstück vereinigt, so wird es sein Bestandteil, wenn es von diesem Grundstück nicht mehr unterschieden werden kann oder wenn die Bereinigung ein Jahr bestanden hat, ohne daß der Eigentümer oder ein sonstiger Berechtigter sein Recht, das losgerissene Stück wieder wegzunehmen, gerichtlich oder durch Anmeldung bei der Wasser­ polizeibehörde geltend gemacht hat. 3. Titel.

Benutzung der Wasserläufe."

I. Allgemeine Vorschriften. § 19. (i) Es ist verboten, Erde, Sand, Schlacken, Steine, Holz, feste und schlammige Stoffe sowie tote Tiere in einen Wasserlauf einzubringen. Ebenso ist verboten, solche Stoffe an Wasserläufen abzulagern, wenn die Gefahr besteht, daß diese Stoffe hineingeschwemmt werden. Ausnahmen kann die Wasserpolizeibehörde11 zulassen, wenn daraus nach ihrem Ur­ teil eine für andere nachteilige Veränderung der Vorflut oder eine schädliche Verunreinigung des Wassers nicht zu erwarten ist. Wird die Unterhaltungslast erschwert, so darf die Wasser­ polizeibehörde die Ausnahme nur mit Zustimmung des Unterhaltungspflichtigen zulassen. (2) Die Vorschriften des Abs. 1 gelten nicht für das Einbringen von Fischnahrung, jedoch ist die Wasserpolizeibehörde befugt, das Einbringen zu untersagen, wenn dadurch das Wasser zum Nachteil anderer verunreinigt wird. Dasselbe gilt für die Düngung künstlicher teich­ artiger Erweiterungen von Wasserläufen, die der Fischzucht oder Fischhaltung dienen. (3) Die Entnahme von Pflanzen, Schlamm, Erde, Sand, Kies und Steinen aus einem Wasserlauf kann, wenn es das öffentliche Interesse erfordert, durch Anordnung" der WasserPolizeibehörde geregelt oder beschränkt werden. § 20. (i) Es ist verboten, Hanf und Flachs in einem Wasserlauf zu röten. (2) Der Bezirksausschuß kann Ausnahmen von diesem Verbote widerruflich für Gemeinde­ bezirke oder Teile von ihnen zulassen, wo die Örtlichkeit für die Anlegung zweckdienlicher Rötegruben nicht geeignet ist und die Inanspruchnahme von Wasserläufen zur Hanf- und Flachsbereitung zurzeit nicht entbehrt werden kann. Die Zulassung ist jedoch ohne Einfluß auf die Haftung für den entstehenden Schaden. § 21. Die Wasserpolizeibehörde11 ist befugt, die Benutzung eines Wasserlaufs zu be­ schränken oder zu untersagen,17 soweit nicht ein Recht zu der Benutzung besteht oder die Benutzung nach den Vorschriften über den Gemeingebrauch gestattet ist. Solche Verfügungen sind mit Gründen zu versehen. § 22. (i) Die Errichtung oder wesentliche Veränderung von Anlagen" in Wasserläusen erster und zweiter Ordnung bedarf der Genehmigung der Wasserpolizeibehörde; das gleiche kann für natürliche Wasserläufe dritter Ordnung durch Polizeiverordnung bestimmt werden. Ausgenommen sind Anlagen, die auf Grund eines gesetzlich geordneten Verfahrens oder zur Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltungspflicht ausgeführt werden. (2) Ferner kann zur Erhaltung der Vorflut durch Polizeiverordnung bestimmt werden, daß an Wasserläufen erster und zweiter Ordnung und natürlichen Wasserläufen dritter Ord15 Das Wasserg. unterscheidet: Gemeingebrauch (§§ 25 ff.), Benutzung durch den Eigentümer (§§ 40 ff.) und die auf Grund einer Verleihung erworbenen Rechte an Wasserläufen (§§ 46 ff.). 16 D. i. nach der Begr. sowohl eine Polizeiverordnung als auch polizeiliche Verfügung. 17 Diese weitgehende Befugnis kann nach der Begr. nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern auch zum Schutze berechtigter Privatinteressen ausgeübt werden. 18 Z. B. Ein- und überbauten, Brücken, Ufertreppen, Fähranlagen, während für Stauanlagen die besonderen Bestimmungen der §§ 91 ff. gelten.

5. Wassergesetz.

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nung, die nicht unter die Vorschriften des § 285 fallen, Anlagen innerhalb eines bestimmten Abstandes von der Userlinie (§ 12) nur mit Genehmigung der Wasserpolizeibehörde errichtet werden dürfen. § 23. (i) Wer Wasser oder andere flüssige Stoffe über den Gemeingebrauch hinaus in einen Wasserlauf einleiten will, hat dies vorher der Wasserpolizeibehörde anzuzeigen. Ist diese der Anficht, daß der beabsichtigten Einleitung polizeiliche Rücksichten oder die Beschränhingen des § 41 entgegenstehen, so hat sie die Einleitung unter Angabe der Gründe zu unter­ sagen; anderenfalls hat sie dem Anzeigenden mitzuteilen, daß von Polizei wegen keine Be­ denken gegen die Einleitung zu erheben seien, und dieses in ortsüblicher Weise bekanntzumachen. Sie kann Vorkehrungen angeben, durch die ihr Widerspruch beseitigt werden kann. (2) Die Wasserpolizeibehörde entscheidet, von dringlichen Fällen abgesehen, bei Wasser­ läufen zweiter und dritter Ordnung nach Anhörung des Schauamtes.'' (a) Bevor die Mitteilung (Abs. 1) zugestellt ist oder bevor die von der Wasserpolizeibehörde zur Beseitigung ihres Widerspruchs etwa angegebenen Vorkehrungen getroffen sind, ist die Einleitung nicht zulässig. (t) Diese Vorschriften sind nicht anzuwenden, wenn das Recht zur Einleitung durch Ver­ leihung erworben ist oder beim Inkrafttreten dieses Gesetzes besteht und nach den §§ 379 bis 381 aufrechterhalten bleibt oder wenn die Einleitung von einer anderen zuständigen Polizeibehörde zugelassen oder nach den §§ 16 bis 25 der GewOg. gestattet ist. (5) Der Oberpräsident — in den Hohenzollernschen Landen der Regierungspräsident — kann nach Anhörung der Schauämter und des Wasserbeirats (§ 367) für alle oder einzelne Wasserläufe festsetzen, daß es für die Einleitung bestimmter Arten oder Mengen von Flüssig­ keiten keiner Anzeige bedarf, wenn sie gemeinüblich und unter den gegebenen Verhältnissen keine Schädigung von ihr zu befürchten ist. § 24. (1) Für den Schaden, der durch die unerlaubte Verunreinigung eines Wasser­ laufs entsteht, haftet, selbst wenn eine solche nach § 23 nicht beanstandet ist, der Unternehmer der Anlage, von der die Verunreinigung herrührt. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Unternehmer zur Verhütung der Verunreinigung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. (2) Den Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldgläubigern wird keine besondere Entschädigung gewährt. Doch sind zu ihren Gunsten auf die dem Eigentümer des belasteten Grundstücks zu gewährende Entschädigung die Art. 52, 53 des EinfG. z. BGB. anzuwenden. (3) Rührt die Verunreinigung von mehreren Anlagen her, so haften die Unternehmer als Gesamtschuldner. (4) Unter sich sind die Unternehmer nach dem Verhältnis des Anteils an der Verunreinigung, im Zweifel zu gleichen Teilen verpflichtet. Fällt jedoch einzelnen von ihnen ein Verschulden zur Last, so haften diese allein. (5) Die Vorschriften, wonach auch andere für den Schaden verantwortlich sind, bleiben unberührt. Im Verhältnis zu betn Unternehmer sind, wenn diesem kein Verschulden zur Last fällt, die anderen allein zum Schadenersatz verpflichtet. (e) Der § 254, der § 840 Abs. 1, 2 und der § 852 des BGB. sind entsprechend anzuwenden.

II. Gemeingebrauch. § 25. (1) Die natürlichen Wasserläufe erster Ordnung darf jedermann zum Baden, Waschen, Schöpfen mit Handgefäßen, Viehtränken, Schwemmen, Kahnfahren und Eis­ laufen sowie zur Entnahme von Wasser und Eis für die eigene Haushaltung und Wirtschaft benutzen, wenn dadurch andere nicht benachteiligt werden. Mit derselben Beschränkung ist jedem gestattet, in die natürlichen Wasserläufe erster Ordnung Wasser sowie die in der Haushaltung und Wirtschaft entstehenden Abwässer einzuleiten. Hierunter fällt jedoch nicht die Einleitung von Abwässern mittels gemeinsamer Anlagen. (2) Das gleiche gilt mit Ausnahme der Eisentnahme für die natürlichen Wasserläufe zweiter

" Vgl. §§ 356 ff.

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VI. Abschn. Agrar«, Wasser- und Jagdrecht.

und dritter Ordnung; jedoch ist das Kahnfahren und Eislaufen nur insoweit gestattet, als es bisher gemeinüblich gewesen ist. Im Streitfälle entscheidet der Regierungspräsident, ob und in welchem Umfange das Kahnfahren und Eislaufen bisher gemeinüblich gewesen ist. Der Eigentümer ist vorher zu hören. (3) Für künstliche teichartige Erweiterungen von Wasserläufen zweiter und dritter Ord­ nung gelten vorstehende Bestimmungen nicht. Ter Gemeingebrauch ist ferner, unbeschadet der Vorschriften der §§ 26, 35, an solchen Teilen von Wasserläusen ausgeschlossen, die in Hofräumen, Gärten und Parkanlagen liegen und im Eigentum der Anlieger stehen. Tie Vorschriften der Abs. 1, 2 gelten endlich nicht für Talsperren (§ 106) sowie für solche Seen, aus denen nur natürliche Wasserläufe zweiter oder dritter Ordnung abfließen. Ob und in welchem Umfange der an solchen Seen und Talsperren bisher übliche Gemeingebrauch auch fernerhin zulässig ist, bestimmt der Regierungspräsident. Der Eigentümer der Talsperre oder des Sees ist vorher zu hören. Ter Regierungspräsident kann die Bestimmung jederzeit widerrufen. (4) Als Wirtschaft gelten der landwirtschaftliche Haus- und Hofbetrieb, mit Ausschluß der landwirtschaftlichen Nebenbetriebe, und kleingewerbliche Betriebe von geringem Um­ fange.^ (5) Die Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs anderer gilt als Benachteiligung nur, wenn sie gegen die Vorschrift des § 37 verstößt. (e) Der Oberpräsident kann für künstliche Wasserläufe, und zwar für Wasserläufe zweiter und dritter Ordnung nach Anhörung der Schauämter/d bestimmen, ob und in welchem Umfange der in Abs. 1, 2, 4 vorgesehene Gemeingebrauch auch an ihnen zulässig ist. § 2tz. Die Wasserläufe erster Ordnung können von jedermann für den öffentlichen Ver­ kehr, namentlich zur Schiffahrt und zur Flößerei mit verbundenen Hölzern, benutzt werden. § 27. (1) An natürlichen Wasserläufen erster Ordnung haben die Eigentümer der Ufer­ grundstücke und, soweit erforderlich, auch die Eigentümer der dahinter liegenden Grund­ stücke die Benutzung der Grundstücke als Leinpfad^ zur Fortbewegung von Schiffen und Flößen durch Menschen oder Tiere zu gestatten. Auch haben sie den zweckentsprechenden Ausbau und die Unterhaltung des Leinpfads durch den Staat zu dulden. (2) Wird ein Wasserlauf zweiter oder dritter Ordnung nach § 3 Abs. 1 zu einem Wasser­ lauf erster Ordnung, so hat für die Verpflichtung zum Dulden des Leinpfads nach dem aufzustellenden Plane der Staat die Eigentümer zu entschädigen. Dasselbe gilt für solche Strecken von natürlichen Wasserläufen erster Ordnung, an denen bisher kein Leinpfad bestanden hat. (3) Die Wasserpolizeibehörde kann bestimmen, daß an einzelnen Strecken natürlicher Wasserläufe erster Ordnung ein Leinpfad nicht freigehalten zu werden braucht. § 28. Tie Anlieger an natürlichen Wasserläusen erster Ordnung haben das Landen und Befesügen von Schiffen und Flößen zu gestatten, soweit nicht einzelne Strecken von der Wasserpolizeibehörde aus Grund eines Antrags der Anlieger ausgeschlossen sind. Dieselbe Verpflichtung besteht an privaten Ein- und Ausladestellen, an diesen jedoch nur in Notfällen. Die Anlieger haben in Notfällen auch das zeitweilige Aussetzen der Ladung, des Schiffes oder des Floßes zu dulden. § 29. Soweit beim Inkrafttreten dieses Gesetzes Bestimmungen zur näheren Regelung der im § 27 Abs. 1 und im § 28 bezeichneten Verpflichtungen von den zuständigen Behörden erlassen sind, bleiben sie maßgebend. Neue Bestimmungen dieser Art kann die Wasserpolizeibehörde durch Polizeiverordnung treffen. § 30. (1) Für den Schaden, der durch die bestimmungswidrige Benutzung des LeinPfads oder durch das Landen, Befesügen oder Aussetzen entsteht, ist der Schiffseigner oder 20 Der industrielle und Bergbaubetrieb fällt also nicht unter diesen Begriff. 21 Leinpfade sind diejenigen Grundstücksstreifen an schiffbaren Wasserläufen, von denen aus die darauf verkehrenden Schiffe gezogen werden; sie gelten als Schiffahrtanlagen und sind nur ev. be­ schränkt öffentliche Wege (OBG. 26, S. 231 ff.).

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Eigentümer des Floßes verantwortlich. Der Schadensersatzanspruch verjährt in einem Jahre. Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Schaden entstanden ist. (2) Diese Vorschriften gelten nicht in den Fällen, für welche die Verantwortlichkeit der im Abs. 1 bezeichneten Personen durch besondere, neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch geltende Reichsgesetze geregelt ist. Auch bleiben die Vorschriften unberührt, nach denen diese Per­ sonen in weiterem Umfang oder nach denen andere für den Schaden haften. § 31. (i) Auf den Wasserläufen zweiter oder dritter Ordnung^ bleibt die Flößerei da, wo sie beim Inkrafttreten dieses Gesetzes gemeinüblich oder besonders zugelassen ist, im bis­ herigen Umfange gestattet. Sie kann ferner im öffentlichen Interesse oder aus Gründen eines überwiegenden wirtschaftlichen Bedürfnisses nach Anhörung der beteiligten Schauämter und des Wasserbeirats durch den Mnister für Landwirtschaft neu zugelassen oder in erweitertem Umfange gestattet werden. (2) Auf die Flößerei mit verbundenen Hölzern sind die Vorschriften der §§ 28 bis 30 über das Landen und Befestigen an den Ufergrundstücken und über den Ersatz von Schäden ent­ sprechend anzuwenden. § 32. (i) Im Falle des § 31 Abs. 1 Satz 2 hat der Staat für nachteilige Wirkungen der Flößerei, die nicht durch besondere Einrichtungen ausgeschlossen werden, Entschädigung zu leisten. (2) Übet die Entschädigung beschließt im Streitfall der Bezirksausschuß. Der Beschluß kann binnen drei Monaten nach der Zustellung im Rechtswege angefochten werden. Auf die Auszahlung und Hinterlegung der Entschädigung sind die bei der Enteignung maßgebenden Vorschriften anzuwenden. (3) Der Mnister für Landwirtschaft hat eine Flößereiordnung zu erlassen. Sie muß ent­ halten: 1. die näheren Besümmungen über die Art und die Ausübung der Flößerei; 2. die dem Eigentümer des Wasserlaufs, den Anliegern und den Stauberechtigten aufzuerlegenden Verpflichtungen und Beschränkungen, soweit sie sich nicht aus § 31 Abs. 2 ergeben. § 33. Der Minister für Landwirtschaft kann in den Fällen des § 31 Abs. 1 zur Deckung der Verwaltungs- und Unterhaltungskosten, im Falle des § 31 Abs. 1 Satz 2 auch zur Deckung der Kosten der Einrichtungen und der Entschädigungen (§ 32 Abs. 1) die Erhebung einer Flößereiabgabe anordnen. § 84. Die nach § 31 Abs. 1 zulässige Flößerei kann auf dem dort angegebenen Wege aufgehoben oder beschränkt werden. § 35. Auf die sonstige Benutzung von Wasserläufen zweiter und dritter Ordnung für den öffentlichen Verkehr sind die §§ 28 bis 30, der § 31 Abs. 1 und der § 34 anzuwenden. § 36. (i) Der Eigentümer des Wasserlaufs sowie derjenige, dem beim Inkrafttreten dieses G. ein Recht zur Benutzung des Wasserlaufs zusteht, das nach den §§ 379 bis 381 aufrechterhalten bleibt, darf den Gemeingebrauch nicht unnütz erschweren oder ohne erheblichen Grund unmöglich machen. Im übrigen darf den Gemeingebrauch der Wasser­ läufe niemand hindern. (2) Die Wasserpolizeibehörde hat die Beachtung dieser Bestimmungen zu überwachen. § 37. Durch den Gemeingebrauch darf anderen der Gemeingebrauch nicht unmöglich gemacht oder erheblich erschwert werden. § 38. Der Gemeingebrauch enthält, unbeschadet der Vorschriften des § 27 Abs. 1, der §§ 28, 29, des § 31 Abs. 2 und des § 32 Abs. 3 Nr. 2, nicht die Befugnis, fremde Ufergrundftücke zu betreten oder sonst zu benutzen oder Anlagen im Wasserlaufe zu errichten. § 39. Die Wasserpolizeibehörde" kann den Gemeingebrauch regeln, beschränken oder verbieten. Solche Verfügungen sind mit Gründen zu versehen. 22 Auf diese beschränken sich auch die Bestimmungen der §§ 32—35.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

III. Benutzung durch den Eigentümer. § 40. (i) Das dem Eigentümer als solchem zustehende Recht, den Wasserlauf zu benutzen, unterliegt, unbeschadet der §§ 19 bis 23, den in den §§ 41 bis 45 vorgesehenen Beschränkungen. (2) Dies gilt insbesondere von dem Rechte: 1. das Wasser zu gebrauchen und zu verbrauchen, namentlich auch es oberirdisch oder unterirdisch, unmittelbar oder mittelbar abzuleiten, 2. Wasser oder andere flüssige Stoffe oberirdisch oder unterirdisch, unmittelbar oder mittel­ bar einzuleiten, 3. den Wasserspiegel zu senken oder zu heben, namentlich durch Hemmung des Wasserablaufs eine dauernde Ansammlung von Wasser herbeizuführen. § 41. (i) Durch die Benutzung darf: 1. zum Nachteil anderer weder die Borslut3) verändert noch das Wasser verunreinigt,22 2. der Wasserstand nicht derart verändert werden, daß andere in der Ausübung ihrer Rechte am Wasserlauf beeinträchtigt oder fremde Grundstücke beschädigt werden, 3. die einem anderen obliegende Unterhaltung von Wasserläufen oder ihrer Ufer nicht erschwert werden. (2) Geringfügige Nachteile kommen nicht in Betracht. (3) Eine Veränderung des Wasserstandes (Abs. 1 Nr. 2), durch die der Grundwasserstand zum Nachteil anderer verändert wird, ist dann gestattet, wenn sie durch Einleitung von Wasser oder durch Senkung des Wasserspiegels zum Zwecke der gewöhnlichen Bodenentwässerung von Grundstücken bewirkt wird, für die der Wasserlaus der natürliche Vorfluter ist. § 42. Hat im bisherigen Geltungsbereich des Privatflußg.24 v. 28. Febr. 1843 (GS. 41) bei dessen Verkündung (4. März 1843) an einem Wasserlaus zweiter oder dritter Ordnung ein Triebwerk rechtmäßig bestanden, so darf ihm durch die Benutzung nicht das Wasser entzogen werden, das zum Betriebe der Anlage in dem damaligen Umfange notwendig ist. Bestand damals bereits auf Grund eines besonderen Titels das Recht zu einer Erweiterung des Betriebs, so darf ihm auch das zum Betriebe der Anlage in diesem erweiterten Umfange notwendige Wasser nicht entzogen werden. § 43. (i) Gehört der Wasserlauf nach §8 den Anliegern, so haben diese das aus ihm abge­ leitete Wasser, das nicht auf ihren Ufergrundstücken und ihren dahinter liegenden Grundstücken, soweit sie zusammen eine wirtschaftliche Einheit bilden, verbraucht wird, in den Wasser­ lauf zurückzuleiten, bevor er auf der Seite, wo die Ableitung stattfindet, ein fremdes Ufer­ grundstück berührt. Gehören die gegenüberliegenden Ufergrundstücke verschiedenen Eigen­ tümern, so ist jeder von beiden nur zur Ableitung der Hälfte des vorüberfließenden Wassers berechtigt. (2) Auch sind die Anlieger zum Rückstau über die Grenzen ihrer Ufergrundstücke hinaus nicht befugt. § 44. Sind die Eigentümer mehrerer aneinandergrenzender Teile eines Wasserlaufs über die Ausübung der ihnen zustehenden Benutzungsrechte einig oder zwecks solcher Ausübung zu einer Gemeinschaft vereinigt, so gelten ihre Grundstücke hinsichtlich der Zulässigkeit der Ausübung als ein einziges Grundstück. § 45. In den Fällen des § 3 Abs. 2, der §§ 10,11, des § 32 Abs. 1, der §§ 50, 51, des § 82 Abs/l, der §§ 156, 157, des § 200 Abs. 1 Nr. 3 und des § 331 Abs. 1 ist für die dem Eigen­ tümer entzogene oder beeinträchtigte Möglichkeit, den Wasserlauf in einer der im § 40 Abs. 2 bezeichneten Arten zu benutzen, insoweit Entschädigung zu gewähren, als die Billigkeit nach den Umständen eine Schadloshaltung erfordert. Soweit es sich um den Ersatz entgangenen Gewinnes handelt, ist der § 252 des BGB. anzuwenden. 23 D. h. in einer den Gemeingebrauch und die anderen Nutzungsrechte beeinträchtigenden Weise; Abwässer einzuleiten, ist nicht grundsätzlich verboten, z. B. nach § 25 Abs. 1 die Abwässer aus HausHaltung und Wirtschaft. 24 Aufgehoben durch § 399 dieses G.

5. Wassergesetz.

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IV. Verleihung. § 46. (i) Durch Verleihung können an Wasserläufen folgende Rechte erworben werden: 1. den Wasserlauf in einer der im § 40 Abs. 2 bezeichneten Arten zu benutzen; 2. Häfen und Stichkanäle anzulegen, letztere soweit sie nicht selbständige Wasserstraßen bilden; 3. Anlegestellen mit baulichen Vorrichtungen von größerer Bedeutung herzustellen; 4. kommunale oder gemeinnützige Badeanstalten anzulegen.22 (2) Eine Verleihung wird nicht erteilt, wenn sich diese Rechte aus anderen gesetzlichen Vorschriften ergeben oder wenn die Benutzung nach den Vorschriften über den Gemeingebrauch gestattet ist. (3) Die Verleihung kann auf Antrag in der Weise erteilt werden, daß das Recht mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden tottb.26 § 47. (i) Die Verleihung darf nur aus den in diesem Gesetz bezeichneten Gründen ver­ sagt werden. (2) Sie kann dauernd oder auf Zeit2? erteilt werden. (3) Ist von der beabsichtigten Benutzung eine Verunreinigung des Wasserlaufs zu er­ warten, so darf die Verleihung nur unter Vorbehalt erhöhter Anforderungen in bezug auf Reinigung der Abwässer erteilt werden. (4) Wird die Verleihung auf Zeit erteilt, so kann der Unternehmer die Verlängerung der Verleihung mit den inzwischen erforderlich gewordenen Veränderungen22 beanspruchen, soweit nicht überwiegende Rücksichten des öffenüichen Wohles oder Rücksichten von über­ wiegender wirtschaftlicher Bedeutung entgegenstehen. § 48. Die Verleihung darf nur für ein Unternehmen erteilt werden, dem ein bestimmter Plan zugrunde liegt. § 49. (i) Soweit der beabsichtigten Benutzung des Wasserlaufs überwiegende Rücksichten des öffentlichen Wohles22 entgegenstehen, ist die Verleihung zu versagen oder nur unter Be­ dingungen zu erteilen, durch welche diese Rücksichten gewahrt werden. Solche Rücksichten sind insbesondere auch dann für gegeben zu erachten, wenn ein in Angriff genommener oder in Aussicht stehender Ausbau des Wasserlaufs durch die beabsichtigte Benutzung gehindert oder wesentlich erschwert werden würde. (2) Bei Seen, aus denen nur natürliche Wasserläufe zweiter oder dritter Ordnung ab­ fließen, sowie bei künstlichen Wasserläufen und bei den durch Talsperren (§ 106) gebildeten Sammelbecken ist die Verleihung ferner zu versagen, wenn der Ngentümer des Sees oder des künstlichen Wasserlaufs oder der Unternehmer der Talsperre der Verleihung widerspricht. (3) Widerspricht bei natürlichen Wasserläufen zweiter oder dritter Ordnung die WasserPolizeibehörde der Verleihung, weil durch die Ausübung des verliehenen Rechtes die Wir­ kung einer aus Gründen des öffentlichen Wohles errichteten Talsperre (§ 106) wesentlich beeinträchtigt werden würde, so darf die Verleihung nur mit Zustimmung des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten oder unter den von ihm im öffentlichen Interesse gestellten besonderen Bedingungen erteilt werden. (4) Widerspricht bei natürlichen Wasserläufen erster Ordnung, die in der Anlage besonders bezeichnet sind,22 die Wasserpolizeibehörde der Verleihung, weil der beabsichtigten Benutzung überwiegende Rücksichten des öffentlichen Wohles entgegenstehen (Abs. 1), so darf die Ver­ leihung nur mit Zustimmung der Minister für Handel und Gewerbe und der öffentlichen 16 Ferner die in §§ 199—202 dem Grundstückseigentümer vorbehaltenen Rechte, s. § 203. Bon den Benutzungsbeschränkungen der §§ 19—23 kann die Berleihuna nicht befreien; der Inhaber der Verleihung soll selbst durch die Bestimmungen der §§ 19—23 geschützt sein. 16 Vgl. § 81 Abs. 2. 17 Nicht aber auf Widerruf; die Verleihung auf Zeit soll die Regel sein. 18 Z. B. infolge des Fortschritts der Technik. u Zu unterscheiden von öffentlichem Interesse; der Begriff des öffentlichen oder Gemeinwohls ist enger; vgl. Anm. 17. 30 Und zwar durch einen Stern (*), s. dort bei der Überschrift.

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VI. Abschn. Agrar, Wasser- und Jagdrecht.

Arbeiten oder unter den von ihnen aus solchen Rücksichten gestellten Bedingungen erfolgen. Tie Erklärung ist mit Gründen zu versehen. § 50. (l) Lind von der beabsichtigten Benutzung des Wasserlaufs nachteilige Wirkungen zu erwarten, durch die das Recht eines anderen beeinträchtigt31 werden würde, und lassen sie sich durch Einrichtungen verhüten, die mit dem Unternehmen vereinbar und wirtschaftlich gerechtfertigt sind, so ist die Verleihung nur unter der Bedingung zu erteilen, daß der Unternehmer diese Einrichtungen trifft. Auch ist ihm deren Unterhaltung aufzuerlegen, soweit diese Unterhaltungslast über den Umfang einer bestehenden Verpflichtung zur Unter­ haltung vorhandener, demselben Zwecke dienender Einrichtungen hinausgeht. Bei nach­ teiligen Wirkungen der im § 41 Abs. 1, 2 bezeichneten Art gelten diese Vorschriften, auch wenn dadurch ein Recht nicht beeinträchtigt wird. (2) Sind solche Einrichtungen nicht möglich, so ist die Verleihung zu versagen, wenn der­ jenige, der von der nachteiligen Wirkung betroffen werden würde, der Verleihung wider­ spricht. Dies gilt jedoch nicht, wenn einerseits das Unternehmen anders nicht zweckmäßig oder doch nur mit erheblichen Mehrkosten durchgeführt werden kann, andererseits der daraus zu erwartende Nutzen den Schaden des Widersprechenden erheblich übersteigt und, wenn diesem ein auf besonderem Titel beruhendes Recht zur Benutzung des Wasserlaufs zusteht, außerdem Gründe des öffentlichen Wohles vorliegen; ein nach dem 1. Januar 1912 durch Rechtsgeschäft mit dem Eigentümer begründetes Recht kommt hierbei nicht in Betracht. (3) Als nachteilige Wirkung gilt nicht die Veränderung des Grundwasserstandes, wenn sie durch Einleitung von Wasser oder durch Senkung des Wasserspiegels zum Zwecke der gewöhnlichen Bodenentwässerung von Grundstücken bewirkt wird, für die der Wasserlauf der natürliche Vorfluter ist. § 51. (i) Soweit die im § 50 bezeichneten nachteiligen Wirkungen nicht durch Einrich­ tungen verhütet werden, hat der Unternehmer den davon Betroffenen Entschädigung 511 ge­ währen. (2) Tie Entschädigung kann in wiederkehrenden Leistungen bestehen. Tie Berleihungs behörde kann die Nachprüfung und anderweite Festsetzung in bestimmten Zeiträumen vor­ behalten. § 52. (1) Wegen nachteiliger Veränderung der Vorflut oder des Wasserstandes sowie wegen Erschwerung der Unterhaltung des Wasserlaufs oder seiner Ufer ist insoweit keine Ent­ schädigung zu gewähren, als der Nachteil vermieden worden wäre, wenn der Geschädigte die ihm obliegende Verpflichtung zur Unterhaltung ordnungsmäßig erfüllt hätte. (2) Dasselbe gilt bei nachteiliger Veränderung des Grundwasserstandes. Der dadurch entstehende Schaden ist ferner nur insoweit zu ersetzen, als die Billigkeit nach den Umständen eine Entschädigung erfordert. § 53. fi) Ist zu besorgen, daß fremde Grundstücke oder Anlagen durch die Benutzung des Wasserlaufs so beschädigt werden, daß sie nach ihrer bisherigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig benutzt werden können, so kann der Eigentümer verlangen, daß der Unternehmer das Eigentum an den Grundstücken oder Anlagen gegen Entschädigung erwirbt?? (2) Wenn in der Folge ein abgetretenes Teilgrundstück ganz oder teilweise für den Zweck des Unternehmens nicht weiter notwendig ist und veräußert werden soll, so finden die Be­ stimmungen des § 57 des Enteignungsg. v. 11. Juni 1874 (GS. 221) über das gesetzliche Vorkaufsrecht entsprechende Anwendung. § 54. Ein Entgelt für die Benutzung des Wasserlaufs darf dem Unternehmer nicht auf­ erlegt werden. § 55. Zu den Einrichtungen im Sinne des § 50 gehören auch Sammelbecken, Talsperren, Reinigungsanlagen und dergleichen. Dem Unternehmer kann die Verpflichtung als Be­ dingung auferlegt werden, sich an solchen Einrichtungen zu beteiligen. 31 Darunter fällt nach der Begr. auch die Erschwerung der Unterhaltungslast, vgl. §§ 52 u. 57. 32 Der Berleihungsbeschluß muß nach § 72 Nr. 7 u. 8 darüber genaue Bestimmungen enthalten.

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§ 56. (i) Dem Unternehmer kann die Verpflichtung als Bedingung auferlegt werden, einen Wasserlauf oder seine Ufer zu unterhalten, sowie die Kosten zu tragen, die durch die Aufsicht über die Ausübung des verliehenen Rechtes entstehen. (2) Ferner kann dem Unternehmer die Verpflichtung auferlegt werden, Maßnahmen (Pegelbeobachtungen, Grundwasserstandsbeobachtungen usw.) zu treffen, die geeignet sind, die Feststellung zu erleichtern, ob und in welchem Umfange Schäden entstanden sind. § 57. Ist zu erwarten, daß die beabsichtigte Benutzung des Wasserlaufs den Gemein­ gebrauch unmöglich machen oder wesentlich erschweren würde, so ist, wenn diese Wirkung durch Zurichtungen, die mit dem Unternehmen vereinbar und wirtschaftlich gerechtfertigt sind, verhütet werden kann, dem Unternehmer die Verpflichtung als Bedingung aufzuerlegen, solche Einn'chtungen herzustellen und nach § 50 Abs. 1 Satz 2 zu unterhalten. § 58. (i) In landschaftlich hervorragenden Gegenden ist dem Unternehmer, wenn durch Einrichtungen, die mit dem Unternehmen vereinbar und wirtschaftlich gerechtfertigt sind, eine gröbliche Verunstaltung des Landschaftsbildes verhütet werden tonn,33 die Verpflich­ tung als Bedingung aufzuerlegen, solche Gnrichtungen herzustellen und nach § 50 Abs. 1 Satz 2 zu unterhalten. (2) Auch im übrigen ist durch entsprechende Bedingungen dafür zu sorgen, daß eine Ver­ unstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden vermieden wird, soweit dies mit dem Zwecke und der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens vereinbar ist. § 59. Der Unternehmer kann zur Leistung einer Sicherheit für die Einhaltung der ihm auferlegten Bedingungen und für Schadensersatzansprüche angehalten werden, über welche die Entscheidung nach § 70 Abs. 3 einem späteren Verfahren vorbehalten wird. Die Sicher­ heit darf den Betrag des in den nächsten drei Jahren voraussichtlich entstehenden Schadens nicht übersteigen und ist in dieser Höhe durch jährliche Zuzahlungen zu erhalten. Der Staat und die Kommunalverbände sind von der Sicherheitsleistung frei. § 60. (i) Bei der Verleihung ist eine Frist zu bestimmen, binnen deren das Unternehmen ausgeführt und in Betrieb gesetzt sein muß. (2) Eine Verlängerung der Frist ist zulässig. § 61. (i) Ist über die Verleihung für mehrere Unternehmungen zu beschließen, die auch bei Teilung der verfügbaren Wassermenge oder bei Festsetzung verschiedener Benutzungs­ zeiten oder geeigneter Betriebseinrichtungen nicht nebeneinander bestehen können, so entscheidet für ihre Erteilung zuerst die Bedeutung der Unternehmungen für das öffentliche Wohl und demnächst ihre wirtschaftliche Bedeutung. (2) Stehen hiernach mehrere Unternehmungen einander gleich, so gebührt zunächst be­ stehenden vor neuen, so dann an einen bestimmten Ort gebundenen vor den auch an einem anderen Orte möglichen und endlich Unternehmungen des Eigentümers eines Wasserlaufs vor denen der Anlieger oder anderer Personen, Unternehmungen des Anliegers vor denen anderer Personen der Vorrang. § 62. Auf Anweisung der zuständigen Minister3* ist die Verleihung zu versagen, wenn sie von einem Unternehmer, der nicht die deutsche Reichsangehörigkeit besitzt, oder von einer Erwerbsgesellschaft nachgesucht wird, die ihre Hauptniederlassung nicht im Deutschen Reiche hat. § 63. Auf die Vorbereitung eines Unternehmens, für das eine Verleihung nachgesucht werden kann, ist § 5 des Enteignungsg. v. 11. Juni 1874 (GS. 221) entsprechend anzuwenden. Die dort vorgeschriebene öffentliche Bekanntmachung kann unterbleiben. Zuständig ist die Behörde, die über den Verleihungsantrag zu beschließen haben würde. § 64. (i) Uber den Antrag auf Verleihung beschließt der Bezirksausschuß (Verleihungs­ behörde). (2) Anträge auf Verleihung sind schleunig zu behandeln. 33 Vgl. die sog. Berunstaltungsgesetze, oben Abschn. IV Nr. 11b u. c. 34 Der öffentlichen Arbeiten und für Landwirtschaft.

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§ 65. (i) Dem Antrag auf Verleihung sind die erforderlichen Zeichnungen und Erläute­ rungen beizufügen. (•:) Ist der Antrag offenbar unzulässig,^ so kann er ohne weiteres durch einen mit (Gründen versehenen Beschluß zurückgewiesen werden. (3) Anderenfalls ist die beabsichtigte Benutzung des Wasserlaufs in ortsüblicher Weise in allen Gemeinden (Gutsbezirken) öffentlich bekanntzumachen, auf deren Bezirk sich nach dem Ermessen der Verleihungsbehörde ihre Wirkung erstrecken kann. Die Bekanntmachung hat, soweit Landgemeinden beteiligt sind, auch in den Äreisblättern zu erfolgen. (4) Daneben sollen36 alle bekannten Personen, die nach dem Ermessen der Behörde von nachteiligen Wirkungen der Benutzung betroffen werden können, auf die öffentliche Be­ kanntmachung hingewiesen werden. § 66* (i) Die Bekanntmachung muß angeben, wo die ausgelegten Zeichnungen und Er­ läuterungen eingesehen und bei welcher Behörde Widersprüche gegen die Verleihung sowie Ansprüche auf Herstellung und Unterhaltung von Einrichtungen oder auf Entschädigung schriftlich oder mündlich zu Protokoll erhoben werden können. Sie muß ferner für die Er­ hebung von Widersprüchen eine Frist bestimmen. Diese beträgt mindestens zwei und höchstens sechs Wochen und beginnt mit Ablauf des Tages, an dem das letzte die Bekanntmachung enthaltende Blatt ausgegeben ist. (2) Mitteilungen über Betriebseinrichtungen oder Betriebsweisen, deren Geheimhaltung der Antragsteller für erforderlich hält, sind, getrennt von den zur öffentlichen Auslegung bestimmten Vorlagen, in besonderen Schriftstücken und Zeichnungen vorzulegen. § 67. (i) Die Bekanntmachung ist unter der Verwarnung zu erlassen, daß diejenigen, die innerhalb der bestimmten Frist keinen Widerspruch gegen die Verleihung erheben, ihr Widerspruchsrecht verlieren und daß wegen nachteiliger Wirkungen der Ausübung des verliehenen Rechts nur noch die im § 82 bezeichneten Ansprüche geltend gemacht werden können. (2) In der Bekanntmachung ist dieselbe Frist für andere Anträge auf Verleihung des Rechtes zu einer Benutzung des Wasserlaufs zu bestimmen, durch welche die von dem ersten Antrag­ steller beabsichtigte Benutzung beeinträchtigt werden würde. Hierbei ist die Verwarnung zu erlassen, daß nach Ablauf der Frist gestellte Anträge auf Verleihung in demselben Verfahren nicht berücksichtigt werden. (3) Zur Beibringung der Unterlagen (§ 65) kann eine angemessene Nachfrist gewährt werden. § 68. (i) Werden Verleihungsanträge, bei denen die Voraussetzungen des § 61 und des § 67 Abs. 2 vorliegen, bei verschiedenen Verleihungsbehörden gestellt, so entscheidet diejenige Behörde, welche für den ersten Antrag zuständig ist. (2) Sind derartige Anträge an ein und demselben Tage eingegangen, so ist der § 58 Abs. 1 Nr. 2 des LBG. v. 30. Juli 1883 (GS. 195) entsprechend anzuwenden. § 69. (i) Die Verleihungsbehörde hat von Amts wegen zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Verleihung vorliegen. Sie hat ferner an Stelle der sonst zuständigen Polizeibehörden zu prüfen, ob die beabsichtigte Benutzung des Wasserlaufs den polizeilichen Vorschriften entspricht. (2) Die Wasserpolizeibehörde11 und die sonst in Wahrnehmung öffentlicher Interessen beteiligten Behörden sollen36 gehört werden. (3) Ist von einem Bergwerksbesitzer ein Antrag auf Verleihung gestellt, oder hat ein anderer eine Verleihung in einem Gebiete nachgesucht, in dem Bergbau umgeht, so ist die zuständige Bergbehörde in dem Verfahren zu hören. § 70. (i) Die Verleihungsbehörde oder ein von ihr beauftragter Beamter hat die Wider 35 Z. B. weil er über die in § 46 vorgesehenen Rechte hinausgeht, da die durch Verleihung zu erwerbenden Rechte dort erschöpfend aufgezählt sind. 36 Abs. 4 enthält eine nur instruktionelle Vorschrift, deren Nichtbeachtung das Verfahren nicht wirkungslos macht.

5. Wassergesetz.

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spräche,^ die Anträge auf Verleihungen (§ 61, § 67 Abs. 2), die Ansprüche auf Herstellung und Unterhaltung von Einrichtungen sowie die Entschädigungsansprüche mit denen, die sie erhoben haben, mündlich zu erörtern. Zu dieser Erörterung sind der Unternehmer sowie diejenigen, die Widersprüche oder Ansprüche erhoben haben, mit der Eröffnung vorzuladen, daß im Falle des Ausbleibens gleichwohl mit der Erörterung werde vorgegangen werden. (2) Wird ein Widerspruch oder ein Anspruch auf Grund eines besonderen privatrechüichen Titels erhoben, so ist ein Streit über das Bestehen des Titels zur richterlichen Entscheidung zu verweisen. Die Verleihungsbehörde kann die Entscheidung über den Verleihungsantrag bis zur Erledigung des Streites aussetzen. Sie muß dies tun, wenn das Bestehen des Titels glaubhaft gemacht wird und bei Anerkennung des Titels die Verleihung nach 8 50 zu ver­ sagen sein würde. Bei Aussetzung der Entscheidung ist dem Unternehmer eine Frist zu be­ stimmen, binnen deren er die Klage zu erheben hat. Wird die Prozeßführung von dem Unter­ nehmer ungebührlich verzögert, so kann das Verleihungsverfahren fortgesetzt werden. (3) Läßt sich bei Entschädigungsansprüchen nicht voraussehen, ob oder in welcher Höhe ein Schaden entstehen wird, so ist die Entscheidung über diese Ansprüche einem späteren Verfahren nach § 82 vorzubehalten. In den Fällen des § 53 ist auf Antrag des Unternehmers die Entscheidung über die erhobenen Ansprüche einem späteren Verfahren vorzubehalten, falls sich nicht bestimmt voraussehen läßt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. (4) Der Antrag auf Erwerbung des Eigentums (§ 53) ist bis zum Schlüsse der nach Abs. 1 stattfindenden Verhandlungen zu stellen. § 71. Der Beschluß über den Verleihungsantrag ist dem Unternehmer und allen Behörden und Personen, die Widersprüche oder Ansprüche (§ 70 Abs. 1) erhoben haben, zuzustellen. Er muß mit Gründen versehen sein, wenn die Verleihung nicht dem Antrage gemäß oder unter Zurückweisung von Widersprüchen oder Ansprüchen erteilt wird. § 72. Der Berleihungsbeschluß hat zu enthalten: 1. die genaue Bezeichnung der verliehenen Rechte sowie der Unternehmungen, für die sie verliehen, werden, und, wenn die Rechte mit dem Eigentum an Grundstücken ver­ bunden werden sollen (§ 46 Abs. 3), auch die genaue Bezeichnung dieser Grundstücke; 2. die nach dem § 47 Abs. 2, 3, dem § 49 Abs. 1, 3, 4, dem § 50 Abs. 1 und den §§ 55 bis 60 getroffenen Bestimmungen; 3. den Ausschluß von Rechten nach Maßgabe der Verwarnung im § 67 Abs. 1; 4. die Entscheidung über Anträge nach § 61 und § 67 Abs. 2, wenn deren Ablehnung erfolgt; 5. die Bezeichnung der Streitigkeiten, die nach § 70 Abs. 2 zur richterlichen Entscheidung verwiesen sind; 6. die Entscheidung über die Widersprüche und Ansprüche und im Falle des § 70 Abs. 3 den Vorbehalt der Entscheidung; 7. im Falle des § 53 die genaue Bezeichnung der Grundstücke oder Anlagen, deren Eigen­ tum der Unternehmer zu erwerben verpflichtet ist; 8. die Festsetzung der von dem Unternehmer zu leistenden Entschädigungen?* § 73. Bei der Verleihung eines Staurechts hat der Beschluß ferner Bestimmungen zu enthalten: 1. über die bauliche Einrichtung der Anlagen, welche die abfließende Wassermenge oder die Vorflut beeinflussen; 2. über die innezuhaltenden Stauzeiten; 3. über die festgesetzten Stauhöhen, und zwar, wenn der Wasserstand auf einer bestimmten Mindesthöhe gehalten werden muß, auch über diese; 4. über die zu benutzende Wassermenge, wenn ihre Beschränkung erforderlich ist; 5. über die zum Schutze gegen nachteilige Wirkungen des Staues etwa erforderlichen Maßnahmen; 37 Und zwar nur die Widersprüche, die innerhalb der nach § 66 bestimmten Frist erhoben sind; nachttägliche Widersprüche sind unzulässig.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

6. in geeigneten Fällen über die Länge der Zeit, für die sich der Unternehmer eine Betriebsstörung ohne Anspruch auf Entschädigung gefallen lassen muß (§ 102 Abs. 2); 7. in geeigneten Fällen und stets, wenn es sich um eine Talsperre (§ 106) handelt, darüber, ob und unter welchen Bedingungen die Stauanlage dauernd außer Betrieb gesetzt oder beseitigt werden darf (§ 99 Abs. 3). § 74. Wird der Unternehmer durch den Verleihungsbeschluß verpflichtet, ein Grund­ stück nach § 53 zu erwerben, so hat die Verleihungsbehörde unverzüglich das Grundbuchamt um Eintragung eines Vermerkes über die Verpflichtung zu ersuchen. Ter Vermerk wirkt gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs wie eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs des Unternehmers auf Übertragung des Eigentums. § 75. Die Kosten des Verleihungsverfahrens38 fallen dem Unternehmer zur Last. Tie durch unbegründete Widersprüche oder Ansprüche erwachsenen Kosten können jedoch durch den auf den Verleihungsantrag ergehenden Beschluß demjenigen, der sie erhoben hat, auferlegt werden.

§ 76. (i) Gegen den Beschluß über den Verleihungsantrag steht, soweit er nicht die von dem Unternehmer zu leistende Entschädigung betrifft, dem Unternehmer und, wenn eine Verleihung erteilt ist, auch den übrigen Parteien (§ 71) binnen zwei Wochen die Beschwerde bei dem Landeswasseramte39 zu. (2) Soweit die Entscheidung über den Verleihungsantrag die von dem Unternehmer zu leistende Entschädigung betrifft, kann binnen drei Monaten der Rechtswegs beschritten werden. Die Frist beginnt für den Unternehmer mit dem Tage, an dem die Entscheidung über die Verleihung rechtskräftig geworden ist, für die übrigen Beteiligten mit dem Tage, an dem ihnen die Mitteilung der Verleihungsbehörde von der Rechtskraft der Entscheidung zugestellt ist. Beschreitet der Unternehmer den Rechtsweg, so fallen ihm jedenfalls die Kosten der ersten Instanz zur Last. § 77. (i) Mit der Ausübung des verliehenen Rechtes darf erst begonnen werden, wenn der nach § 76 Abs. 2 vorbehaltene Rechtsweg dem Unternehmer gegenüber durch Ablauf der Frist, Verzicht oder rechtskräftiges Urteil erledigt und wenn nachgewiesen ist, daß die nach den §§ 51 bis 53 zu gewährende vereinbarte oder endgültig festgestellte Entschädigung gezahlt oder hinterlegt ist. Besteht die Entschädigung in wiederkehrenden Leistungen (§ 51 Abs. 2), so genügt die Hinterlegung des Gesamtbetrags für die nächsten drei Jahre. (2) Auf Antrag des Unternehmers kann in dem Verleihungsbeschluß oder in einem den Verleihungsbeschluß ergänzenden Beschluß, und zwar auch in der Beschwerdeinstanz, an­ geordnet werden, daß noch vor der endgültigen Entscheidung über den Verleihungsantrag mit der beantragten Benutzung des Wasserlaufs begonnen werden kann, sobald der Antrag­ steller eine von der Behörde festzusetzende Sicherheit geleistet hat. (3) Der Staat und die Kommunalverbände sind von der Sicherheitsleistung frei. (4) Wird mit der Ausübung des Rechtes begonnen, bevor dies nach Abs. 1, 2 zulässig ist, so kann die Wasserpolizeibehörde die Ausübung hindern und die Beseitigung der errichteten Anlagen anordnen.

§ 78. (i) Im Falle des § 53 hat die Verleihungsbehörde nach dem Eintritt der Voraus­ setzungen des § 77 Abs. 1 unverzüglich das Grundbuchamt um Eintragung des Überganges des Eigentums an dem Grundstück auf den Unternehmer zu ersuchen. Der Übergang voll­ zieht sich mit der Eintragung. (2) Ist das in das Eigentum des Unternehmers übergehende Grundstück mit Rechten Dritter belastet oder steht es int Lehns-, Fideikommiß-, Stammguts- oder Leiheverbande, so sind der Art. 52 und der Art. 53 Abs. 1 des EinfG. z. BGB. sowie der § 47 des Enteignungsg. v. 11. Juni 1874 (GS. 221) anzuwenden. 38 Einschließlich der Gebühren für Zeugen und Sachverständige und Kosten der Ortstermine. 39 S. §§ 370 ff. 40 Gemeint ist der Justizrechtsweg, der auf Entschädigungsansprüche beschränkt ist.

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5. Wassergesetz.

§ 79. Dem Unternehmer ist eine $^1^119^1:^116641 auszufertigen, die das verliehene Recht und das Unternehmen, für welches es verliehen ist, zu bezeichnen hat. Soweit er* forderlich, sind beglaubigte Erläuterungen und Zeichnungen beizufügen. § 80. (1) Die Verleihungsurkunde unterliegt einer Stempelabgabe nach folgenden Sätzen: wenn der Wert des verliehenen Rechtes beträgt nicht mehr als 1000 JA ....................................... 1 JA mehr als 1000 JA, aber nicht mehr als 5000 JA 5„ „ „ 5000 „ „ „ „ „ 10000 „ 10 „ „



10000 „









20000 „

20 „

„ „ „

„ 20000 „ „ „ „ „ 50000 „ 50 „ „ 50000 „ „ „ „ „ 75000 „ 75 „ „ 75000 „ „ „ „ „ 100000 „ 100 „ und bei einem höheren Werte in Abstufungen von je 50000 JA für jede angefangene Stufe.............. 50 JA (2) Ist die Genehmigung einer Anlage, die für die Benutzung des Wasserlaufs erforder­ lich ist, nach Tarifstelle 22 d des Stempelsteuerg. in der Fassung v. 30. Juni 1909 (GS. 535) stempelpflichtig, so wird nur eine der beiden Abgaben, und zwar die höhere, erhoben. (3) Bei Bewilligungen von Fristverlängerungen (§ 60 Abs. 2) kommt % der Sätze zu Abs. 1, 2 in Ansatz, mindestens aber 1 JA. (4) Dient das Unternehmen gemeinnützigen Zwecken, so bleibt die Stempelabgabe außer Ansatz. Durch diese Befreiung wird jedoch die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe aus Tarifstelle 22 d des Stempelsteuerg. nicht berührt. (5) Die Bestimmungen des Stempelsteuerg. sind entsprechend anzuwenden. § 81. (1) Das verliehene Recht ist im Rechtswege verfolgbar. Die für die Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden. Das Recht kann von dem Unternehmen, für das es verliehen ist, nicht getrennt werden und geht mit ihm auf den Rechtsnachfolger über. (2) Ist das Recht mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden (§ 46 Abs. 3), so kann es auch von diesem Eigentum nicht getrennt werden und geht nur mit dem Eigentum an dem Grundstück und dem Unternehmen zusammen auf den Rechtsnachfolger über. Das Recht ist auf Antrag auf dem Grundbuchblatt des Grundstücks zu vermerken. Wird das Grund­ stück geteilt, so erlischt das verliehene Recht für die Teile, denen seine Ausübung nicht zum Vorteil gereicht. § 82. (1) Wegen nachteiliger Wirkungen der Ausübung des verliehenen Rechtes kann der davon Betroffene nicht die Unterlassung der Ausübung oder die Beseitigung einer auf Grund des verliehenen Rechtes errichteten Anlage verlangen. Er kann aber nach den §§ 50 bis 55 fordern, daß Einrichtungen hergestellt und unterhalten werden, welche die nachteilige Wirkung ausschließen, und kann, wo solche Einrichtungen mit dem Unternehmen nicht ver­ einbar oder wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind, Entschädigung verlangen. Die Ansprüche sind ausgeschlossen, wenn er schon vor Ablauf der im § 66 Abs. 1 bezeichneten Frist die nach­ teilige Wirkung vorausgesehen hat oder hätte voraussehen müssen und bis zum Ablauf der Frist weder der Verleihung widersprochen noch einen Anspruch auf Herstellung von Ein­ richtungen oder auf Entschädigung erhoben hat. Der Ablauf der Frist steht den Ansprüchen nicht entgegen, wenn der Geschädigte glaubhaft macht, daß er durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle verhindert worden ist, die Frist einzuhalten. (2) Die Ansprüche verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Ge­ schädigte von dem Eintritt der nachteiligen Wirkung Kenntnis erlangt hat. Sie sind aus­ geschlossen, wenn sie nicht binnen dreißig Jahren nach Ablauf des Jahres geltend gemacht sind, in dem der Unternehmer mit der Ausübung des verliehenen Rechtes begonnen hat. 41 Die Verleihungsurkunde darf erst nach Rechtskraft des Verleihungsbeschlusses ausgefertigt werden und muß die von der Verleihungsbehörde oder der Beschwerdeinstanz (§ 76) beschlossenen Bedingungen und Auflagen, ev. auch Bestimmungen über die Entschädigung (§ 51) enthalten.

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(3) Tie Entscheidung trifft die Verleihungsbehörde; der § 70 Abs. 2 Satz 1, 2 und die §§ 71, 76 sind entsprechend anzuwenden. Dasselbe gilt in den Fällen des g 70 Abs. 3; in den Fällen des § 70 Abs. 3 Satz 2 ist auch § 78 anzuwenden. § 83. Die Wasserpolizeibehörde hat den Unternehmer zur Erfüllung der ihm im Ver­ leihungsbeschluß auferlegten Bedingungen anzuhalten. § 84. (1) Wegen überwiegender Nachteile oder Gefahren für das öffentliche Wohl?» kann die Verleihung auf Antrag des Staates, eines Kommunalverbandes oder einer anderen öffentlichrechtlichen Körperschaft oder der Wasserpolizeibehörde42 gegen Entschädigung des Unternehmers durch Beschluß der Verleihungsbehörde jederzeit zurückgenommen oder be­ schränkt werden. Soweit die Zurücknahme oder Beschränkung einer Körperschaft des öffent­ lichen Rechtes oder deren Angehörigen zum Vorteil gereicht, hat sie nach Maßgabe dieses Vorteils die Entschädigung und die Kosten des Verfahrens aufzubringen, im übrigen hat der Staat die Entschädigung zu zahlen und die Kosten des Verfahrens zu tragen. (2) Gegen den Beschluß, der mit Gründen zu versehen ist, stehen den Beteiligten die im § 76 bezeichneten Rechtsmittel zu. (3) Ist das verliehene Recht mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden (§ 46 Abs. 3), so sind, wenn dieses mit Rechten Dritter belastet ist oder im Lehns-, Fideikommiß-, Stammguts- oder Leiheverbande steht, der Art. 52 und der Art. 53 Abs. 1 des EinfG. z. BGB. sowie der § 47 des Enteignungsg. v. 11. Juni 1874 (GS. 221) anzuwenden. (4) Der nach Abs. 1 Entschädigungspflichtige kann im Rechtswege^ Erstattung der Ent­ schädigung und der Kosten von demjenigen verlangen, der die Verleihung durch wissentlich unrichtige Nachweisungen erwirkt hat. § 85. (1) Ohne Entschädigung kann die Verleihung durch Beschluß der Verleihungs­ behörde auf Antrag der Wasserpolizeibehörde zurückgenommen werden: 1. wenn die Verleihung auf Grund von Nachweisungen, die in wesentlichen Punkten unrichtig sind, erteilt ist und dargetan wird, daß deren Unrichtigkeit dem Unternehmer bekannt war, und wenn durch die Verleihung überwiegende Nachteile oder Gefahren für das öffentliche Wohl^ herbeigeführt sind; dem gutgläubigen Erwerber^ und dessen Nachfolgern gegenüber greift diese Vorschrift nicht Platz; 2. wenn der Unternehmer die Ausübung des verliehenen Rechtes aufgibt, namentlich die auf Grund dieses Rechtes errichteten Anlagen entfernt oder eingehen läßt; 3. wenn das verliehene Recht für das Unternehmen unbrauchbar oder überflüssig geworden ist; 4. wenn der Unternehmer trotz Aufforderung der Wasserpolizeibehörde die ihm auferlegten Bedingungen in wesentlichen Punkten wiederholt nicht erfüllt oder die ihm für die Ausführung oder Inbetriebsetzung des Unternehmens gesetzten Fristen nicht innehält. (2) Die Kosten des Verfahrens trägt der Unternehmer, wenn die Verleihung zurück­ genommen wird, sonst der Antragsteller. (3) Gegen den Beschluß der Verleihungsbehörde, der mit Gründen zu versehen ist, steht dem Unternehmer und, wenn ein Antrag abgelehnt ist, auch dem Antragsteller die Beschwerde nach § 76 Abs. 1 zu. (4) Wird die Verleihung zurückgenommen, so kann die Wasserpolizeibehörde den Unter­ nehmer anhalten, ohne Anspruch auf Entschädigung geeignete Vorkehrungen gegen nach­ teilige Folgen der Anlagen zu treffen oder die Anlagen gänzlich zu beseitigen und den früheren Zustand wiederherzustellen. § 86. (1) Soweit das Recht, einen Wasserlauf in einer der im § 46 Abs. 1 bezeichneten Arten zu benutzen, nach den Vorschriften dieses G. dem Eigentümer des Wasserlaufs als solchem zusteht oder beim Inkrafttreten dieses G. besteht und nach den §§ 379 bis 381 aufrechterhalten bleibt, kann der Berechtigte verlangen, daß sein Recht durch Beschluß der Verleihungsbehörde sichergestellt werde. 42 Privatinteressenten sind also nicht direkt antragsberechtigt nach § 84. 43 Natürlich auch den Erben des Unternehmers, sofern sie „gutgläubig" sind.

5. Wassergesetz.

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(2) Der § 46 Abs. 3, der § 47 Abs. 1, 3 und die §§ 48, 49, 60, 64 bis 73, 75, 76, 79 bis 85 sind entsprechend anzuwenden, der § 80 Abs. 1 mit der Maßgabe, daß als Stempelabgabe nur % der dort bestimmten Sätze, mindestens aber 1 M, erhoben wird. (3) Ein in dieser Weise sichergestelltes Recht steht einem verliehenen Rechte gleich. V. Ausgleichung. § 87. (i) Reicht das Wasser eines Wasserlaufs zur Benutzung in einer der im § 46 Abs. 1 bezeichneten Arten durch mehrere Berechtigte nicht aus oder wird bei mehreren Benutzungs­ arten die eine durch die andere beeinträchtigt oder ausgeschlossen, so kann jeder Berechtigte verlangen, daß Maß, Zeit und Art der Benutzung im Ausgleichungsverfahren geregelt werden. Die Regelung kann abgelehnt werden, wenn der davon insgesamt zu erwartende Nutzen den Schaden nicht erheblich übersteigt. (2) Die Regelung ist in einer den Interessen aller am Verfahren Beteiligten nach billigem Ermessen entsprechenden Weise unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Gemeingebrauchs vorzunehmen. Der hierbei entstehende Schaden ist den Beteiligten insoweit zu ersetzen, als er nicht durch den sich für sie ergebenden Nutzen ausgewogen wird. Zum Ersatz des Schadens sind sie nach Maßgabe ihres schätzungsweise zu ermittelnden Vorteils verpflichtet. (3) Ein durch Enteignung begründetes Recht kann nur mit Zustimmung des Berechtigten zur Ausgleichung herangezogen werden. § 88. (i) Ist es möglich, einen Ausgleich durch Änderung der Betriebseinrichtung eines Berechtigten zu schaffen, so kann diesem auf Antrag eines Beteiligten im Ausgleichungs­ verfahren auferlegt werden, die Änderung entweder selbst vorzunehmen oder sich gefallen zu lassen, soweit sie nicht die Betriebsleistung beeinträchtigt. (2) Der Antragsteller hat die Kosten der Änderung zu tragen.

Er hat auch den Schaden

zu ersetzen, der durch einen Betriebsstillstand entsteht. Dasselbe gilt für die Mehrkosten des Betriebs und der Unterhaltung, soweit sie nicht durch die Vorteile der Änderung ausgewogen werden. § 89. Für das Ausgleichungsverfahren gelten der § 64, der § 65 Abs. 1, 2 und die §§ 69 bis 71, 76, 77 mit folgenden Maßgaben: 1. für jeden Beteiligten sind die erforderlichen Feststellungen über die künftige Ausübung seines Benutzungsrechts zu treffen, namentlich über seinen Anteil an dem vorhandenen Wasser, die Zeit der Ausübung, die Stauhöhe und die zu beachtenden Einschränkungen und Auflagen; 2. ein Ausgleichungsverfahren, das mit einem schwebenden Verleihungsverfahren im Zusammenhange steht, kann mit diesem verbunden werden. § 90. Die Kosten des Ausgleichungsverfahrens fallen den Beteiligten nach Maßgabe ihres schätzungsweise zu ermittelnden Vorteils zur Last. VI. Stauanlagen. 1. Allgemeine Vorschriften. § 91. Für Anlagen im Wasserlauf, die durch Hemmung des Wasserabflusses eine Hebung des Wasserspiegels oder eine Ansammlung von Wasser bezwecken (Stauanlagen), gelten, wenn sie nicht nur vorübergehenden Zwecken dienen, folgende besondere Vorschriften. § 92. (1) Jede auf Grund eines verliehenen Rechtes oder mit gewerbepolizeilicher Ge­ nehmigung" errichtete Stauanlage muß mit mindestens einer Staumarke — Merk-, Pegel-, Spiegel-, Meß-, Eichpfahl, Eichmarke, Stauziel — versehen werden, an dem sowohl die während des Sommers als auch die während des Winters innezuhaltenden Stauhöhen, und wenn der Wasserstand auf bestimmten Mindesthöhen gehalten werden muß, auch diese, deutlich angegeben sind.

44 Vgl. §§ 16 ff. u. 23 GewOg. Keichelt, BerwaltungSgesetzbuch.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

(2) Die Erhaltung der Höhenpunkte ist durch Beziehung aus möglichst unverrückbare und unvergängliche Festpunkte zu sichern. (3) Die Staumarke wird von der Wasserpolizeibehörde11 gesetzt, die darüber eine Ur­ kunde aufzunehmen hat." Der Unternehmer der Stauanlage und, soweit tunlich, auch die anderen Beteiligten sind zuzuziehen. (4) Tie Setzung der Staumarke kann nur durch Beschwerde im Aufsichtswege angefochten werden. (5) Die Oberkante der Schützen und schützenähnlichen Berschlußvorrichtungen darf bei geschlossener Stauanlage nicht über der höchsten, durch die Staumarke zugelassenen Stau­ höhe liegen. § 93. (1) Für die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden, mit einer Staumarkc nicht versehenen sowie für solche nach dem Inkrafttreten des Gesetzes errichteten Stauanlagen, für die es keiner Verleihung oder gewerbepolizeilichen Genehmigung bedarf, ist, wenn das Staurecht und die zulässige Stauhöhe unstreitig sind, die Staumarke nach § 92 auf Antrag eines Beteiligten zu setzen. Doch muß der Antragsteller, wenn er nicht der Stauberechtigte ist, glaubhaft machen, daß eine für ihn nachteilige Ausübung des Staurechts stattgefunden hat. Tie Staumarke kann auch von Amts wegen gesetzt werden. (2) Sind bei einer Stauanlage, die keiner Verleihung bedarf und die auch nicht zu den Stauanlagen für Wassertriebwerke im Sinne des § 16 der GewOg. gehört, die Beteiligten darüber einig oder ist im Rechtswege festgestellt, daß zwar ein Staurecht besteht, über die zulässige Stauhöhe jedoch rechtsverbindliche und klare Besümmungen nicht vorliegen," so ist auf Antrag eines Beteiligten der innezuhaltende Wasserstand durch Beschluß des Kreis (Stadt)ausschusses derart festzusetzen, daß die Interessen des Stauberechtigten und die der beteiligten Grundeigentümer und anderen Stauberecktigten nach billigem Ermessen aus geglichen werden. (3) Während der Dauer eines vor den ordentlichen Gerichten anhängigen Rechtsstreits über die zulässige Stauhöhe oder eines Verfahrens nach Abs. 2 kann der Kreis(2tadt)aus schuß auf Antrag eines Beteiligten den innezuhaltenden Wasserstand durch endgültigen" Beschluß vorläufig festsetzen. Diese Festsetzung ist maßgebend, bis in dem anhängigen Rechts­ streit oder in einem Verfahren nach Abs. 2 eine Entscheidung über den innezuhaltenden Wasserstand getroffen ist. § 94. (1) Der Stauberechtigte und derjenige, der die Stauanlage betreibt, haben für Erhaltung, Sichtbarkeit und Zugänglichkeit der Staumarken und Festpunkte zu sorgen, jede Beschädigung oder Änderung der Staumarken und Festpunkte der Wasserpolizeibehörde unverzüglich anzuzeigen und bei amtlichen Prüfungen unentgeltlich Arbeitshilfe zu stellen. (2) Eine die Beschaffenheit der Staumarken und Festpunkte beeinflussende Handlung darf nur mit Genehmigung der Wasserpolizeibehörde vorgenommen werden. Für die Erneuerung, Versetzung oder Berichtigung von Staumarken gilt § 92 Abs. 3, 4 entsprechend. § 95. (1) Die Kosten des Verfahrens zur Setzung oder Versetzung einer Staumarke hat der Stauberechtigte zu tragen. Die durch unbegründete Anträge oder Widersprüche ent standenen Kosten können jedoch dem Antragsteller oder Widersprechenden auferlegt werden. (2) Die Kosten der Erhaltung und Erneuerung der Staumarke fallen dem Stauberecb tigten zur Last. (3) Wegen der Festsetzung der Kosten ist nur die Beschwerde im Aufsichtswege zu lässig. § 96. Der Stauberechtigte und derjenige, der die Stauanlage betreibt, haben die Anlage, einschließlich aller Einrichtungen, die für den Wasserabfluß von Bedeutung sind, in ordnungs­ mäßigem Zustand, insbesondere auch so zu erhalten, daß kein Wasser zum Nachteil anderer 46 nicht aber die Stauhöhe zu bestimmen hat; über diese beschließt, soweit es sich um die Per leihung eines Staurechts handelt, gemäß § 73 Nr. 3 die Verleihungsbehörde, im übrigen vgl. §§ 93 Abs. 2 und 105. 46 D. h. bis zur Entscheidung des Zivilprozesses nicht anfechtbaren Beschluß.

5. Wassergesetz.

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Berechtigter verschwendet wird. Sie können hierzu von der Wasserpolizeibehörde angehalten werden. § 97. (i) Besteht die Gefahr, daß eine Stauanlage wegen ihrer Bauart durch Hochwasser beschädigt oder zerstört wird und daß hierdurch anderen Nachteile entstehen, und kann diese Gefahr durch einen Umbau oder eine Sicherung der Stauanlage beseitigt oder vermindert werden, ohne daß ihre Leistungsfähigkeit verringert wird, so kann der Stauberechtigte zum Umbau oder zur Sicherung der Stauanlage auf Antrag angehalten toerben.47 (2) Antragsberechtigt sind die zur Unterhaltung des Wasserlaufs Verpflichteten sowie andere Beteiligte. (3) Die Kosten des Umbaues sind auf den Stauberechtigten, den zur Unterhaltung des Wasserlaufs Verpflichteten und auf alle anderen, die sonst an der Unterhaltung oder Siche­ rung der Stauanlage interessiert sind, nach Maßgabe ihres Vorteils zu verteilen. (4) Den Kosten ist der dem Stauberechtigten durch den Betriebsstillstand während des Umbaues entstehende, nach billigem Ermessen zu schätzende Schaden hinzuzurechnen. Dasselbe gilt für die durch den Umbau etwa entstehenden Mehrkosten der Unterhaltung. Soweit die Unterhaltung der Stauanlage durch den Umbau oder die Sicherung erleichtert wird, oder andere Vorteile für den Stauberechtigten entstehen, ist der darin liegende Vorteil von den Kosten abzurechnen. (5) Über die Voraussetzungen und die Art des Umbaues oder der Sicherung, über die Höhe der Entschädigung und der Sicherheitsleistung, über die Zahlung der Baukosten ins­ besondere aus der geleisteten Sicherheit, über die Verteilung dieser Leistungen auf die Be­ teiligten, sowie über die Frist, innerhalb deren der Umbau begonnen und durchgeführt sein muß, beschließt im Streitfall der Bezirksausschuß unter billigem Ausgleich aller in Betracht kommenden Vorteile und Nachteile. (e) Gegen den Beschluß stehen den Beteiligten die in § 76 bezeichneten Rechts­ mittel zu. (7) Die Wasserpolizeibehörde kann den Stauberechtigten zur Erfüllung der ihm in dem Beschluß gemachten Auflage anhalten. tz 98. (i) Soweit im Falle des § 97 überwiegende Nachteile oder Gefahren für das öffent­ liche Wohl^d bestehen, kann die Wasserpolizeibehörde auf Anweisung der Aufsichtsbehörde den Umbau oder die Sicherung der Stauanlage fordern. (2) Im übrigen wird nach § 97 verfahren, jedoch hat der Staat die Kosten zu tragen, soweit sie die Vorteile der Beteiligten übersteigen. § 99. (i) Eine Stauanlage, die mit einer Staumarke versehen ist, darf nur mit Geneh­ migung der Wasserpolizeibehörde dauernd außer Betrieb gesetzt oder beseitigt werden. (2) Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn andere durch die Außerbetrieb­ setzung oder Beseitigung der Stauanlage geschädigt werden würden und sie sich dem Stauberechtigten und der Wasserpolizeibehörde gegenüber verpflichten, nach Wahl des Stau­ berechtigten die Kosten der Erhaltung der Stauanlage ihm zu ersetzen oder statt seiner die Stauanlage zu erhalten. Sie müssen sich auch verpflichten, dem Stauberechtigten andere Nachteile zu ersetzen und für Grfülhtng ihrer Verpflichtung Sicherheit zu leisten. Über die Höhe der dem Stauberechtigten für die Erhaltung der Stauanlage zu ersetzenden Kosten sowie über die Ersetzung anderer Nachteile und die Sicherheitsleistung beschließt, wenn keine Einigung zustande kommt, der Bezirksausschuß. Gegen den Beschluß des Bezirksausschusses steht den Beteiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde an das Landeswasseramt zu. Die Wasserpolizeibehörde hat auf Antrag des Stattberechtigten eine Frist zu bestimmen, binnen deren die in den Sätzen 1 und 2 bezeichneten Verpflichtungen übernommen sein müssen, widrigenfalls die Genehmigung erteilt wird. Die Fristbestimmung ist öffentlich bekannt­ zumachen. Die Art der Bekanntmachung bestimmt die Wasserpolizeibehörde. Der Staat unb die Kommunalverbände sind von der Sicherheitsleistung frei. 47 Wegen der mit gewerbepolizeilicher Genehmigung errichteten Stauanlagen bleiben natürlich die §§ 25 ff. GewOg. maßgebend.

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(3) Für Stauanlagen, die auf Grund eines verliehenen Rechtes errichtet werden," gelten die Vorschriften der Abs. 1,2 nur, soweit im Verleihungsbeschluß nichts anderes bestimmt ist.

§ 100* Es ist verboten, unbefugt die aufgestauten Wassermassen plötzlich abzulassen, wenn dadurch für fremde Grundstücke oder Anlagen Gefahren oder Nachteile entstehen, die Aus­ übung von Wassernutzungsrechten beeinträchtigt oder die Unterhaltung des Wasserlaufs erschwert wird. § 101. (1) Das Wasser darf bei Stauanlagen nicht über die durch die Staumarke fest­ gesetzte Höhe aufgestaut werden. (2) Sobald das Wasser über diese Höhe wächst, muß der Unternehmer unter Beachtung der Vorschrift des § 100 durch Offnen der beweglichen Teile der Stauanlage und durch Wegräumen aller Hindernisse (Treibzeug, Eis, Geschiebe und dergleichen) den Abfluß des Wassers ohne Anspruch auf Entschädigung sogleich und unausgesetzt so lange befördern, bis das Wasser wieder auf die Höhe der Staumarke gesunken ist. Die Wasserpolizeibehörde ist berechtigt, wenn Hochwasser zu erwarten ist, dem Unternehmer, ohne daß diesem ein Anspruch auf Entschädigung zusteht, aufzugeben, unverzüglich durch dieselben Maßnahmen das aufgestaute Wasser unter die Höhe der Staumarke zu senken, soweit es für die Stauanlage im Verleihungs­ oder Genehmigungsverfahren festgesetzt oder von der Polizeibehörde bestimmt ist, und den Wasserstand möglichst auf dieser Höhe zu erhalten, bis das Hochwasser fällt. (3) Muß das Oberwasser auf einer bestimmten Höhe erhalten werden, so darf das auf­ gestaute Wasser nicht unter diese Höhe gesenkt werden. Sobald es darunter sinkt, ist der Wasserabfluß so lange zu hemmen, bis das Wasser die bestimmte Höhe wieder erreicht hat. (4) Die zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen trifft die WasserPolizeibehörde; in dringenden Fällen ist auch die Ortspolizeibehörde dazu befugt. § 102. (1) Wer die Stauanlage betreibt, ist auf Anordnung der Wasserpolizeibehörde ver­ pflichtet, die beweglichen Teile der Stauanlage zu öffnen oder zu schließen, wenn dadurch die Unterhaltung des Wasserlaufs erheblich erleichtert wird. (2) Wird durch die angeordneten Maßnahmen der Betrieb der Anlage gestört, so kann Entschädigung verlangt werden, wenn die Störung über die im Verleihungsbeschluß be­ stimmte Zeit hinaus dauert (§ 73 Nr. 6) oder, soweit der Verleihungsbeschluß eine Zeit nicht bestimmt hat, die Störung erheblich ist. (3) Die Entschädigung hat der Unterhaltungspflichtige zu leisten. § 103. (1) Entstehen Überschwemmungen oder andere Nachteile für fremde Grundstücke oder Anlagen dadurch, daß trotz ordnungsmäßiger Ausübung des Staurechts der Wasser­ stand über die zulässige Stauhöhe steigt, so kann dem Stauberechtigten auf Antrag des Ge­ schädigten auferlegt werden, sich Maßnahmen auf Grundstücken anderer oder am Wasserlauf, jedoch ohne Änderung der Stauanlage und ohne Beeinträchtigung seines Staurechts gefallen zu lassen, durch welche die nachteiligen Wirkungen verhütet werden können. (2) Der Antragsteller hat die zur Verhütung einer Beeinträchtigung des Staurechts erforder­ lichen Maßnahmen zu treffen; er ist auf Verlangen des Stauberechtigten anzuhalten, eine Sicherheit dafür zu leisten. Der Staat und die Kommunalverbände sind von der Sicherheitsleistung frei. (3) Auf das Verfahren sind der § 64, der § 65 Abs. 1, 2, die §§ 69, 71, der § 75 Satz 1 und der § 76 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. § 104. (1) Der Staat und andere ösfentlichrechtliche Verbände können als Unternehmer einer Stauanlage, bei der das Staubecken mehr als 100000 cbm Wasser faßt, einen ange­ messenen Zuschuß zu den Kosten der Unterhaltung und des Betriebs der Anlage, einschließ­ lich einer angemessenen Verzinsung und einer Tilgung des Baukapitals, von den zur Benutzung eines Wasserlaufs Berechtigten verlangen, die von der Änderung des Wasserabflusses Vor­ teil haben. Der Zuschuß ist nach dem ausgenutzten Vorteil zu bemessen. (2) Im Streitfall entscheidet der Bezirksausschuß im Verwaltungsstreitverfahren. 48 Nach § 73.

5. Wassergesetz.

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(3) Wird die Stauanlage von einer Wassergenossenschaft betrieben, so gelten statt dieser Vorschriften die §§ 236, 242. (4) Die Vorschriften der Abs. 1 und 2 sind auf die Talsperren anzuwenden, die nach dem G., betreffend Verhütung von Hochwassergefahren in der Provinz Schlesien, v. 3. Juli 1900 (GS. 171) errichtet worden sind oder errichtet werden. § 105. Bei Stauanlagen für gewerbliche Wassertriebwerke ist in dem Genehmigungsverfahren nach der Reichsgewerbeordnung" der § 73 Nr. 2, 3 anzuwenden, wenn nicht eine Verleihung des Staurechts erforderlich ist. Sind die Beteiligten darüber einig oder ist im Rechtswege festgestellt, daß zwar ein Staurecht besteht, über die zulässige Stauhöhe jedoch rechtsverbindliche und klare Bestimmungen nicht vorliegen, so ist der innezuhaltende Wasser­ stand von der Genehmigungsbehörde nach den Grundsätzen des § 93 Abs. 2 zu bestimmen. 2. Talsperren. § 100. Für Stauanlagen, bei denen die Höhe des Stauwerkes von der Sohle des Wasserlaufs bis zur Krone mehr als 5 m beträgt und das Sammelbecken, bis zur Krone des Stau­ werkes gefüllt, mehr als 100000 cbm umfaßt (Talsperren), gelten die nachstehenden Vor­ schriften. § 107. (i) Talsperren dürfen nur auf Grund eines Planes errichtet werden, der genaue Angaben über die gesamte Anlage, deren Bau, Unterhaltung und Betrieb enthalten muß und auch alle Einrichtungen zu berücksichtigen hat, durch die Nachteile und Gefahren für andere verhütet werden können. Der Plan bedarf, sofern nicht für die Talsperre die Ver­ leihung oder die gewerbepolizeiliche Genehmigung erforderlich ist, der Genehmigung des Regierungspräsidenten. (2) Dasselbe gilt bei wesentlichen Veränderungen von Talsperren. (3) Vorstehende Besümmungen sind auf die Talsperren anzuwenden, die nach dem G., betreffend Verhütung von Hochwassergefahren in der Provinz Schlesien, v. 3. Juli 1900 (GS. 171) errichtet worden sind oder noch errichtet werden. § 108. (i) Talsperren unterstehen der Aufsicht des Regierungspräsidenten. Dieser hat besonders darauf zu achten, daß der Bau, die Unterhaltung und der Betrieb nach dem Plane geschehen; er ist befugt, dem Unternehmer auch nach Ausführung des Planes Sicherheits­ maßregeln aufzugeben, die er zum Schutze der unterhalb liegenden Grundstücke gegen Ge­ fahren für notwendig hält. (2) Zur Deckung der Kosten der Aufsicht können von dem Unternehmer Gebühren erhoben werden. Die Höhe bestimmt der Regierungspräsident. § 109. In den Fällen der §§ 107, 108 tritt an die Stelle des Regierungspräsidenten im Geltungsgebiete des G. v. 3. Juli 1900 der Oberpräsident. § 110. (i) Die §§ 107, 108 gelten auch für andere als die im § 106 bezeichneten Stau­ anlagen, wenn der Regierungspräsident feststellt, daß bei ihnen wegen der Gestaltung des Wasserlaufs oder seiner Umgebung im Falle eines Bruches des Stauwerks erhebliche Ge­ fahren zu befürchten sind. Gegen die Feststellung, die im Amtsblatt und in ortsüblicher Weise sowie, wenn Landkreise beteiligt sind, auch in den Kreisblättern bekanntzumachen ist, kann nur Beschwerde im Aufsichtswege erhoben werden. (2) Bei Stauanlagen, die erst nach Inbetriebsetzung auf Grund der Vorschriften des Abs. 1 den Bestimmungen über Talsperren unterworfen werden, können nur die im § 97 angegebenen Maßnahmen und diese nur nach den §§ 97, 98 gefordert werden. § 111. (i) Erstreckt sich das Unternehmen auf mehrere Regierungsbezirke, so bestimmt der Oberpräsident und, wenn mehrere Provinzen beteiligt sind, der Minister für Landwirt­ schaft den Regierungspräsidenten, der die in den §§ 107, 108 bezeichneten Aufgaben wahr­ zunehmen hat. (2) Soll die Talsperre durch eine Wassergenossenschaft ausgeführt werden, so ist stets der Regierungspräsident zuständig, der die Aufsicht über die Genossenschaft führt (§ 217 Abs. 3).

VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

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§ 112. Gegen die Entscheidungen des Regierungspräsidenten auf Grund der §§ 107, 108 ist nur binnen zwei Wochen die Beschwerde bei Wasserläufen erster Ordnung an den Mnister der öffentlichen Arbeiten, sonst an den Minister für Landwirtschaft zulässig. 4. Titel.

Unterhaltung der Wasserläufe und ihrer User.

§ 113. (i) Die durch dieses Gesetz begründete Verpflichtung zur Unterhaltung der Wasser­ läufe und ihrer Ufer ist eine öffentlichrechtliche Verbindlichkeit," die, abgesehen von den in diesem G. bestimmten Fällen, weder aufgehoben noch geändert werden kann. Beim Inkraft­ treten dieses G. bestehende öffentlichrechtliche Verbindlichkeiten zur Unterhaltung eines Wasserlaufs oder seiner Ufer erlöschen, soweit sie nicht in diesem Gesetz aufrechterhalten sind. (2) Vereinbarungen über die Unterhaltungspflicht können mit privatrechtlicher Wirkung getroffen werden." § 114. (i) Die Unterhaltung umfaßt bei Wasserläufen erster Ordnung die Erhaltung der Schiffbarkeit^ und der Vorflut, bei den übrigen Wasserläufen die Erhaltung der Borflut. (2) Künstliche Wasserläufe erster Ordnung sind nur insoweit im Vorflutinteresse zu er­ halten, als sie der Vorflut3 zu dienen bestimmt sind. (3) Die Erhaltung der Schiffbarkeit50 erstreckt sich nur auf das dem öffentlichen Schiffs­ verkehr dienende Fahrwasser. Sie umfaßt nicht die besonderen Zufahrtstraßen zu den Häfen. (4) Ist ein Wasserlauf nach einem behördlich festgestellten Plane ausgebaut, so erstreckt sich die Unterhaltung aus die Erhaltung des Zustandes, in den der Wasserlauf durch den Aus­ bau versetzt ist, es sei denn, daß bei Wasserläufen erster Ordnung der Minister der öffent­ lichen Arbeiten, sonst der Minister für Landwirtschaft nach Anhörung des Wasserbeirats die Erhaltung dieses Zustandes nicht mehr für erforderlich erklärt. § 115. (i) Die Unterhaltung des Wasserlaufs liegt ob: 1. bei natürlichen Wasserläufen erster Ordnung dem Staate; 2. bei natürlichen Wasserläufen zweiter Ordnung den für diesen Zweck zu bildenden Wasser­ genossenschaften ;51 3. bei natürlichen Wasserläufen dritter Ordnung sowie 4. bei künstlichen Wasserläufen dem Eigentümer und, wenn sich dieser nicht ermitteln läßt, dem Anlieger. (2) Bis eine Wassergenossenschaft gebildet ist, sind natürliche Wasserläufe zweiter Ordnung von den bisher dazu Verpflichteten zu unterhalten. (3) Ist ein Wasserlauf von einem anderen als dem zu seiner Unterhaltung Verpflichteten nach einem behördlich festgestellten Plane ausgebaut, so liegt die fernere Unterhaltung nach § 114 Abs. 4 dem Unternehmer des Ausbaues ob. Sie kann aber von dem bisher Verpflich­ teten durch Vereinbarung mit dem Unternehmer unter Zustimmung der Wasierpolizeibehördc" übernommen werden.33 § 116. (i) Kann ein natürlicher Wasserlauf zweiter Ordnung ebenso zweckmäßig wie durch eine Wassergenossenschaft durch die bisher dazu Verpflichteten unterhalten werden oder besteht kein öffentliches Interesse für die Bildung der Genossenschaft, so hat ihre Bildung zu unterbleiben. (2) Kann ein solcher Wasserlauf ebenso zweckmäßig wie durch eine Wassergenossenschaft durch eine Gemeinde (Gutsbezirk) oder eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechtes unterhalten werden, so kann ihr mit ihrer Zustimmung die Unterhaltung von dem RegicrungsPräsidenten übertragen werden. 49 D. h. den staatlichen Behörden gegenüber bleibt nur der nach öffentlichem Rechte, also in erster Linie nach diesem G. Verpflichtete für die ordnungsmäßige Unterhaltung verantwortlich und haftbar; selbst bei abweichenden privatrechtlichen Vereinbarungen nach Abs. 2 kann er nur im Wege des Zivilprozesses gegen den Dritten vorgehen, der die Unierhaltungspflicht übernommen hat. 60 insbesondere durch Erhaltung der nötigen Tiefe und Breite des Fahrwassers, Beseitigung von Schiffahrthindernissen und nötigenfalls Bezeichnung des Fahrwassers. 61 Vgl. §§ 206 ff. 52 und zwar (nach der Begr.) mit öffentlich-rechtlicher Wirkung, im Gegensatz zu § 113 Abs. 2.

5. Wassergesetz.

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8 117. (i) In der Provinz Hessen-Nassau liegt die Unterhaltung der natürlichen Wasserlaufe zweiter und dritter Ordnung den Gemeinden ob, durch deren Gemarkung sie fließen. (2) Im Bezirk des vormaligen Herzogtums Nassau gilt dasselbe von den künstlichen Wasser­ läufen zweiter und dritter Ordnung, die zur Bewässerung oder Entwässerung größerer Ge­ markungsteile dienen. Die zur Bewässerung oder Entwässerung einzelner Grundstücke oder für Triebwerke bestimmten künstlichen Wasserläufe zweiter und dritter Ordnung sind von den Eigentümern der Grundstücke oder Triebwerke zu unterhalten, zu deren Vorteil sie angelegt sind. (a) Die Vorschriften des Abs. 2 gelten auch für den Kreis Biedenkopf, jedoch sind dort die zur Bewässerung dienenden künstlichen Wasserläufe zweiter und dritter Ordnung stets von den Eigentümern der Grundstücke zu unterhalten, zu deren Vorteil sie angelegt sind. § 118. (i) Den Gutsherrschaften, denen das Eigentum an einem Wasserlauf zweiter oder dritter Ordnung auf Grund des schlesischen Auenrechts zusteht, verbleibt die Unterhaltungslast in dem bisherigen Umfang; soweit beim Inkrafttreten dieses G. eine gegen­ teilige Observanz besteht, behält es dabei sein Bewenden. (2) Zur Unterhaltung eines natürlichen Wasserlaufs zweiter oder dritter Ordnung im Gebiete des schlesischen Auenrechts ist eine Wassergenossenschaft zu bilden, wenn der nach Abs. 1 zur Unterhaltung Verpflichtete es beantragt oder den Wasserlauf nicht ordnungs­ mäßig unterhält. Antragsberechtigt ist in letzterem Falle auch die Wasserpolizeibehörde. Die Wassergenossenschaft kann den Verpflichteten, auch wo er nicht Anlieger ist, zu den Genossen­ schaftslasten heranziehen. Die Höhe der Beitragspflicht ist unter Berücksichtigung der bisherigen Unterhaltungslast des Verpflichteten nach billigem Ermessen festzustellen. Der hiernach zu leistende Beitrag kann von dem dazu Verpflichteten zum 25 fachen Betrage abgelöst werden. (3) Vorstehende Bestimmungen gelten auch, wenn der Auenberechtigte auf sein Eigentum verzichtet. § 119. (i) Der zur Unterhaltung des Wasserlaufs Verpflichtete hat, unbeschadet der Vorschriften des § 120, diejenigen Arbeiten im Wasserlauf, an den Ufetgntnbftiicfen53 und den dahinter liegenden Grundstücken auszuführen, die erforderlich sind, um einer zukünftigen Behinderung der Vorflut durch Uferabbrüche vorzubeugen oder die infolge der Schiffahrt oder von Strombauten an den Ufergrundstücken und den dahinter liegenden Grundstücken entstandenen Schäden zu beseitigen und solche Schäden für die Zukunft zu verhindern. Die Eigentümer dieser Grundstücke haben zu den Kosten dieser Arbeiten nach dem Maße der Vorteile beizutragen,33 die ihnen durch die Sicherung des Bestandes ihrer Grundstücke erwachsen; an Stelle des Beitrages in Geld steht es ihnen frei, in geeigneten Fällen Arbeiten zu leisten, auch Baustoffe zu liefern. Beiträge können nicht verlangt werden, soweit Arbeiten erforder­ lich sind, um die infolge der Schiffahrt oder von Strombauten an den Ufergrundstücken und den dahinter liegenden Grundstücken entstandenen Schäden zu beseitigen und solche Schäden für die Zukunft zu verhindern. (2) Die Eigentümer sind vor Anordnung der Arbeiten33 unter Erläuterung des Planes lutb des voraussichtlich auf sie entfallenden Beitrags zu hören. § 120. (i) Die Eigentümer der Ufergrundstücke und der dahinter liegenden Grundstücke haben ihre Grundstücke von solchen Bäumen, Sträuchern, Einfriedigungen und anderen Gegen­ ständen freizuhalten, die bei bordvollem33 Wasserlauf den Wasserabfluß wesentlich beein­ trächtigen. 83 Die Abgrenzung beider Begriffe regelt § 12. Die Unterhaltungspflicht nach § 119 Abs. 1 geht aber über die Uferlinie hinaus. — Ufer ist derjenige Grundstücksstreifen, der zwischen der Linie des gewöhnlichen Wasserstandes (Anm. 9) und der des regelmäßig wiederkehrenden Hochwassers liegt. 54 Die Beiträge (Vergütungen) werden nach § 148 im Streitfälle durch Beschluß des Bezirks­ ausschusses festgesetzt. 65 Die Entscheidung über die vorzunehmenden Unterhaltungsarbeiten ist in § 133 geregelt. 66 „Bordvoll" ist nach regierungsseitiger Erklärung der Wasserlauf dann, wenn er zwar dem Aus­ ufern nahe, aber noch ein durchgehend erkennbares Gerinne hat.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

(2) Sie haben ferner oberhalb der Uferlinie einfache, eine besondere Fachkenntnis nicht voraussetzende und nicht mit unverhältnismäßig l^ohen Kosten verbundene Einebnungs­ und Bergungsarbeiten auszuführen, soweit die Arbeiten erforderlich sind, um Uferab­ brüchen vorzubeugen, durch hrcldje die Vorflut L; asserlauf beeinträchtigt werden würde. (3) Soweit der Erfolg der im Ab' 2 bezeichneten Arbeiten durch die vorherige Befestigung des Uferfußes :mterhalb der Uferlinie b: irgt ist, tritt die Verpflichtung zu ihrer Vornahme erst ein, ito l,uem der Uferfüß in der erforderlichen Weise befestigt ist. Die Wasserpolizei­ behörde entscheidet darüber, ob diese Voraussetzung vorliegt. (4) Sind die Ufer eines Wasserlaufs nach einem behördlich festgestellten Plane ausgebaut, so hat sie der Unternehmer des Ausbaues, unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1, in dem Zustande zu unterhalten, in den sie durch den Ausbau versetzt sind, es sei denn, daß bei Wasser­ läufen erster Ordnung der Minister der öffentlichen Arbeiten, sonst der Minister für Land­ wirtschaft die Erhaltung dieses Zustandes nicht mehr für erforderlich erklärt. (5) Wird das Ufer durch Gebäude, Mauern, Bollwerke oder dergleichen gebildet oder ragen diese Bauwerke in den Wasserlauf hinein, so hat deren Eigentümer für die Unterhaltung zu sorgen. § 121. Die Verpflichtung zur Uferunterhaltung53 kann durch Vereinbarung zwischen den beteiligten Grundstückseigentümern und dem zur Unterhaltung des Wasserlaufs Verpflichteten mit Zustimmung der Wasserpolizeibehörde abweichend von den §§ 119,120 geregelt werden.^ Auf Verlangen des zur Uferunterhaltung Verpflichteten hat statt seiner der zur Unterhaltung des Wasserlaufs Verpflichtete die im § 120 bezeichneten Uferarbeiten gegen angemessene Vergütung^ auszuführen. § 122. Sind Vorfluthindernisse im Wasserlauf von einem anderen als dem Unterhaltungs­ pflichtigen verursacht worden, so hat die Wasserpolizeibehörde, soweit tunlich, diesen zur Be­ seitigung anzuhalten. Dasselbe gilt von solchen Hindernissen auf den Ufergrundstücken, die bei bordvollem56 Wasserlauf den Wasserabfluß wesentlich beeinträchtigen. § 123. Die Anlieger an einem Wasserlauf sind, auch wenn sie nicht dessen Eigentümer sind, unbeschadet der Vorschrift des § 22, berechtigt, im Wasserlauf die zur Befestigung der Ufer dienenden Arbeiten vorzunehmen. Dasselbe Recht steht dem nach.§ 120 Abs. 4 zur Unter­ haltung der Ufer Verpflichteten zu. § 124. (1) Ist ein natürlicher Wasserlauf nach einem behördlich festgestellten Plane ausgebaut, so ist der zur Unterhaltung des Wasserlaufs Verpflichtete befugt, durch Erklärung gegenüber der Wasserpolizeibehörde die den Grundstückseigentümern nach § 120 Abs. 2 ob­ liegende Uferunterhaltung an ihrer Stelle zu übernehmen.^ Er kann die Grundstückseigen­ tümer mit Beiträgen^ in Höhe der ihnen nach § 120 Abs. 2 obliegenden Lasten zu den Kosten dieser Uferarbeiten heranziehen. (2) Dasselbe gilt, wenn die Ufer eines natürlichen Wasserlaufs nach einem behördlich festgestellten Plane ausgebaut sind und die Unterhaltung sowohl des Wasserlaufs als auch der Ufer, soweit sie ausgebaut sind, demselben Verpflichteten obliegt. § 125. (1) Die Unterhaltung eines Wasserlaufs zweiter Ordnung und seiner Ufer kann, wenn sie wegen Hochwassergefahr besonders schwierig oder kostspielig ist, mit Zustimmung des Provinziallandtags dem Provinzialverbande durch den Minister für Landwirtschaft übertragen werden, in der Provinz Hessen-Nassau und in den Hohenzollernschen Landen mit Zustimmung des Kommunallandtags dem Bezirks- und dem Landeskommunalverband. (2) In diesem Falle regelt sich die Aufbringung und Unterverteilung der aus der Unter­ haltung des Wasserlaufs erwachsenden Kosten sowie die Vorausbelastung einzelner Be­ teiligter nach den §§ 21, 27 des Kreis- und ProvinzialabgG. v. 23. April 1906 (GS. 159). (3) Der Provinzial(Bezirks-, Landeskommunal)verband hat durch Statut für den von ihm zu unterhaltenden Wasserlauf eine Vertretung der Beteiligten einzusetzen, die bei der Unterhaltung des Wasserlaufs und seiner Ufer mitzuwirken, insbesondere an den Schauen 57 insbesondere durch Belegen mit ausgestochenen Grasplaggen, sog. Soden.

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teilzunehmen hat. Zusammensetzung, Wahl und Befugnisse dieser Vertretung sind in dem Statut zu regeln. § 12k. (i) An die Stelle der nach diesem G. zur Unterhaltung Verpflichteten treten: 1. wenn bis zum 1. Januar 1912 der Staat einen natürlichen Wasserlauf zweiter oder dritter Ordnung oder dessen Ufer unterhalten hat oder zu unterhalten verpflichtet war, der Staat; 2. wenn beim Inkrafttreten dieses G. ein anderer auf Grund einer Observanz oder eines besonderen Titels zur Unterhaltung eines natürlichen Wasserlaufs dritter Orb» nung oder seiner Ufer öffentlichrechtlich verpflichtet ist, dieser; 3. wenn beim Inkrafttreten dieses G. ein anderer auf Grund einer Observanz oder eines besonderen Titels zur Unterhaltung eines künstlichen Wasserlaufs oder seiner Ufer öffenllichrechtlich verpflichtet ist, dieser; 4. wenn in einem Verleihungsbeschluß oder in einem Beschluß, durch den ein Zwangs­ recht begründet wird (§§ 330 ff.), oder im gewerbepolizeilichen Genehmigungsver­ fahren" dem Unternehmer die Verpflichtung zur Unterhaltung eines Wasserlaufs oder seiner Ufer auferlegt ist, der Unternehmer für die Dauer der Verpflichtung; 5. wenn der Staat, eine Wassergenossenschaft oder eine andere Körperschaft des öffent­ lichen Rechtes die Verpflichtung zur Unterhaltung eines Wasserlaufs oder seiner Ufer durch Vereinbarung mit dem Unterhaltungspflichtigen unter Zustimmung der WasserPolizeibehörde mit öffentlichrechtlicher Wirkung übernimmt, diese. (2) Im Sinne des Abs. 1 Nr. 5 stehen den Körperschaften des öffenüichen Rechtes die­ jenigen einer öffentlichen Aufficht unterstehenden Gemeinschaften Unterhaltungspflichtiger gleich, die auf Grund der bisherigen Gesetzgebung oder statutarischer oder regulativmäßiger Bestimmungen vor dem Inkrafttreten dieses G. gebildet sind oder nach dem Inkrafttreten dieses G. gebildet werden. (3) Der Umfang der Pflicht zur Unterhaltung des Wasserlaufs und der Ufer bestimmt sich auch in den Fällen der Abs. 1, 2 nach § 114 und § 120 Abs. 1 bis 4. § 127. (i) Besteht beim Inkrafttreten dieses G. eine observanzmäßige oder auf besonderem Titel beruhende Pflicht zur Unterhaltung eines natürlichen Wasserlaufs zweiter Ordnung, so kann derjenige, dem die Unterhaltung nach § 115 Abs. 1 9tr. 2, § 116 Abs. 2 oder § 125 übertragen wird, den bisher Verpflichteten in Höhe seiner bisherigen Verpflichtung zu den Kosten der Unterhaltung heranziehen. Der Kostenbeitrag" darf den Durchschnitt der in den letzten zehn Jahren vor dem Inkrafttreten dieses G. für den bisherigen Unter­ haltungspflichtigen notwendig gewordenen laufenden Aufwendungen nicht übersteigen. (2) Der hiernach zu leistende Beitrag kann von dem dazu Verpflichteten zum 25fachen Betrage bar abgelöst werden. § 128. (i) Ist beim Inkrafttreten dieses G. ein anderer als der Staat zur Unter­ haltung eines natürlichen Wasserlaufs erster Ordnung öffentlichrechtlich verpflichtet, so kann der Staat denjenigen, dem die Unterhaltung des Wasserlaufs abgenommen wird, in Höhe seiner bisherigen Verpflichtung zu den Kosten der Unterhaltung heranziehen. Der Kosten­ beitrag" darf den Durchschnitt der in den letzten zehn Jahren vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes für den bisherigen Unterhaltungspflichtigen notwendig gewordenen laufenden Auf­ wendungen nicht übersteigen. (2) Der § 127 Abs. 2 ist anzuwenden. § 129. (i) Wo die Flößerei auf Wasserläufen zweiter oder dritter Ordnung gemeinüblich oder besonders zugelassen ist," hat der Staat die zur Erhaltung der Flößbarkeit erforderlichen Maßnahmen zu treffen. (2) War beim Inkrafttreten dieses G. ein anderer hierzu verpflichtet, so behält es dabei sein Bewenden. (3) Der zur Unterhaltung des Wasserlaufs und der zur Erhaltung der Flößbarkeit Ver58 Vgl. § 31.

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pflichtete können mit Zustimmung der Wasserpolizeibehörde vereinbaren, daß einer von ihnen auch die Verpflichtung des andern übernimmt. § 130, (i) Streitigkeiten der Beteiligten darüber, wem von ihnen die öfsentlichrechtlicve Verpflichtung zur Unterhaltung eines Wasserlaufs oder seiner Ufer obliegt, werden im Verwaltungsstreitversahren entschieden. (2) Ebenso ist über Ansprüche von Beteiligten auf Erstattung des Geleisteten gegen einen aus Gründen des öffentlichen Rechtes zur Unterhaltung eines Wasserlaufs oder seiner Ufer Verpflichteten im Verwaltungsstreitverfahren zu entscheiden, ohne Rücksicht daraus, ob auf Anordnung der Wasserpolizeibehörde oder ohne eine solche geleistet worden ist. Doch steht, soweit nach § 133 Abs. 1 die dort bezeichnete Behörde über vorzunehmende Unter­ haltungsarbeiten entscheidet, dieser Behörde bei Klagen gegen den Staat die Vorentscheidung ^ darüber zu, ob und in welchem Umfang die vorgenommenen Arbeiten zur Erfüllung der Unterhaltungspflicht erforderlich waren. (3) Zuständig ist der Bezirksausschuß. § 131. Wird ein Wasserlauf zweiter oder dritter Ordnung nach § 3 Abs. 1 zu einem Wasser­ lauf erster Ordnung und wird dadurch die Last der Uferunterhaltung für die dazu Verpflich­ teten vermehrt, so ist ihnen Entschädigung^ aus der Staatskasse zu leisten. Auf die Ent­ schädigung ist der Vorteil anzurechnen, der dem zur Uferunterhaltung Verpflichteten durch den Übergang der Unterhaltung des Wasserlaufs auf den Staat erwächst, soweit dieser Vor­ teil nicht bereits nach § 3 Abs. 2 Satz 4 oder § 11 Satz 3 angerechnet worden ist. § 132. (i) Geht bei der Versetzung eines Wasserlaufs zweiter oder dritter Ordnung in die erste Ordnung die Unterhaltung auf den Staat über, so können diejenigen, denen die Unterhaltung des Wasserlaufs abgenommen wird, in Höhe ihrer bisherigen Verpflichtung zu den Kosten der Unterhaltung herangezogen werden. Lag die Unterhaltung bisher einer Wassergenossenschaft oder Gemeinde ob, so hat diese den Beitrags zu den Kosten aufzu­ bringen. Der § 127 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. (2) Bei der Versetzung eines Wasserlaufs erster Ordnung in die zweite oder dritte Ordnung verbleibt die Unterhaltung des Wasserlaufs dem Staate. § 133. (i) Soweit die Unterhaltung der Wasserläufe erster Ordnung oder ihrer Ufer dem Staate obliegt, entscheidet unter Beobachtung der Vorschriften des § 114 Abs. 1 und des § 119 die mit ihrer Verwaltung beauftragte Behörde über die vorzunehmenden Unterhaltungsarbeiten. ^ Dasselbe gilt für die zur Erhaltung der Flößbarkeit an Wasserläufen zweiter oder dritter Ordnung vom Staate zu treffenden Maßnahmen. (2) In allen übrigen Fällen*? stellt erforderlichenfalls die Wasserpolizeibehörde11 durch polizeiliche Verfügung Art und Maß der zur Unterhaltung des Wasserlaufs und seiner Ufer nach den §§ 114, 119, 120 auszuführenden Arbeiten sowie die Zeit zu ihrer Ausführung fest. Diese Feststellungen können allgemein durch Polizeiverordnungen (Unterhaltungsordnungen), für bereits bestehende Gemeinschaften der in § 126 Abs. 2 bezeichneten Art nach ihrer Verfassung getroffen werden. (3) Ist ein anderer als der Staat zur Unterhaltung eines künstlichen Wasserlaufs erster Ordnung verpflichtet, so kann er über die Unterhaltung allgemeine Bestimmungen auf­ stellen, die der Genehmigung der mit der Aufsicht über den künstlichen Wasserlauf erster Ord­ nung betrauten Behörde unterliegen. Die allgemeinen Bestimmungen haben sich auch auf 69 An diese Vorentscheidung sind (nach der Begr.) die Verwaltungsgerichte bei derartigen Er­ stattungsklagen gebunden. 60 Diese Entschädigung wird nach § 148 im Streitfälle durch Beschluß des Bezirksausschusses festgesetzt. 91 Grundsätzlich entscheidet also über das Maß der Unterhaltungsarbeiten das Ermessen der staat lichen Behörden; durch die Verweisung auf §§ 114 Abs. 1 und 119 soll aber nach regierungsseitiger Erklärung eine gerichtliche Nachprüfung der staatlichen Verpflichtungen als nicht ausgeschlossen be­ zeichnet werden. 62 D. h. hinsichtlich der Wasserläufe 2. und 3. Ordnung, abgesehen von der Flößbarkeit, s. vorher­ gehenden Satz.

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die Unterhaltung der Ufer zu erstrecken, soweit sie dem zur Unterhaltung des künstlichen Wasserlauss erster Ordnung Verpflichteten obliegt. (4) Für Wasserläufe, deren Unterhaltung einem Provinzial(Bezirks-, Landeskommunal), verband übertragen ist (§ 125), können allgemeine Bestimmungen über die Unterhaltung auch durch Reglement nach den Provinzialordnungen getroffen werden. Das Reglement bedarf der Genehmigung des Ministers für Landwirtschaft. 15) Soweit nach Abs. 3 oder 4 eine allgemeine Ordnung erfolgt, kann daneben keine polizei­ liche Unterhaltungsordnung mehr erlassen werden; bereits erlassene polizeiliche Unterhal­ tungsordnungen treten außer Kraft. Äe im einzelnen Falle zu treffende polizeiliche Ver­ fügung darf mit der allgemeinen Ordnung nicht im Widerspruch stehen. § 134. Bei natürlichen Wasserläufen erster und zweiter Ordnung gelten für das Rechts­ verhältnis zwischen den Unterhaltungspflichtigen und den Grundstückseigentümern die §§ 135 bis 144. § 136. (i) Dem Unterhaltungspflichtigen sowie seinen Beamten und mit Berechtigungsalisweis versehenen Beauftragten ist gestattet, bei der Vorbereitung und Ausführung der Unterhaltungsarbeiten die Ufergrundstücke, Anlandungen und Inseln zu betreten. (2) Entstehen durch diese Handlungen Beschädigungen, so hat der Beschädigte auf Ersatz des Schadens Anspruch." Geringfügige Nachteile kommen jedoch nicht in Betracht. § 136. (i) Gegen Entschädigung" haben die Anlieger zur Herstellung von Deckwerken," Buhnen, Sperrwerken (Kupierungen) oder zu anderen Unterhaltungsarbeiten den erforder­ lichen Grund und Boden, einschließlich der Arbeits- und Lagerplätze, zur Benutzung ein­ zuräumen und den Anschluß der Werke an das Ufer zu gestatten. (2) Ebenso müssen die Anlieger gegen Entschädigung60 die Ausführung der für die Unter­ haltungsarbeiten nötigen Hilfsanlagen am und im Wasserlauf, die Ablagerung des Aus­ hubs von Erde, Kies, Sand, Hölzern und dergleichen auf den Ufergrundstücken, die An- und Abfuhr solcher Materialien sowie die An- und Abfuhr der Baustoffe dulden, auch einen be­ stimmten Zugang für die Arbeiter und Auflichtspersonen einräumen. 8 137. Die §§ 135, 136 gelten auch für die hinter den Ufergrundstücken liegenden Grund­ stücke und deren Eigentümer. § 138. Gegen Entschädigung" müssen die Anlieger ferner die Entnahme der zur Unter­ haltung erforderlichen Feld- und Bruchsteine, von Kies, Rasen, Sand, Lehm und anderer Erde aus den Ufergrundstücken und den dahinter liegenden Grundstücken, soweit sie landoder forstwirflchaftlich genutzt werden oder Unland sind, gestatten, wenn der Unterhaltungspflichtige diese Materialien anderweit nur mit unverhältnismäßigen Kosten gewinnen kann. § 139. Durch die Inanspruchnahme der Grundstücke in den Fällen der §§ 136 bis 138 darf der Abfluß von Wasserläufen nur mit Zustimmung der Beteiligten gehindert werden. Auch darf in den Fällen des § 138 die bestehende Uferhöhe nur mit Zustimmung der Anlieger verringert werden, wenn dadurch das Übertreten des Hochwassers auf die angrenzenden Lände­ reien früher als bisher herbeigeführt wird. 8 140. (i) Anlandungen, die infolge der Unterhaltungsarbeiten entstehen, gehören in der aus § 8 Abs. 2 Nr. 2 sich ergebenden Begrenzung den Anliegern. (2) Ter zur Unterhaltung des Wasserlaufs Verpflichtete ist jedoch befugt, die Anlandungen auszubilden und so weit zu befestigen, daß sie ohne Nachteil für den Wasserlauf zur Grasnutzung verwendet werden können (reif sind). Zu diesem Zwecke tritt er kraft Gesetzes" in den Besitz und die Nutzung der Anlandungen. Den Anliegern ist von dem Vorhaben des Unterhaltungspflichtigen, die Anlandung auszubilden und zu befestigen, schriftlich Kenntnis zu geben. 63 Deckwerke sind Befestigungsarbeiten zum Schutze der Ufer gegen den Angriff des Wassers, und zwar zum Unterschiede von den Einebnungs- und Berasungsarbeiten (§ 120 Abs. 2) mit festen Stoffen, wie Stein, Beton. •4 D. h. ohne förmliche Besitzergreifung oder Besitzübergabe.

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(3) Die Anlieger dürfen die Anlandungen nur mit Zustimmung des Unterhaltungspflich­ tigen in Besitz und Nutzung nehmen. Sie können die Zustimmung verlangen, sobald die Anlandungen reif oder die zur Erreichung dieses Zieles erforderlichen Arbeiten eingestellt sind oder wenn der Unterhaltungspflichtige die Befugnis, sie reif zu machen, nicht ausübt, jedoch nur gegen Erstattung des Wertes "> der Anlandungen, soweit er die von dem Unter­ haltungspflichtigen aufgewendeten Kosten nicht übersteigt. (4) Diese Vorschriften gelten auch für nicht reife Anlandungen, die infolge von Unterhaltungsarbeiten vor dem Inkrafttreten dieses G. entstanden sind. Bei natürlichen Wasserlaufen erster Ordnung bleiben die nach dem Strombauverwaltungsg. v. 20. Aug. 1883 (GS. 333) erworbenen Rechte unberührt. § 141. (i) Solange der Unterhaltungspflichtige die Anlandungen in Besitz hat, muß er dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten des Ufergrundstücks, soweit es dessen wirt­ schaftliche Interessen erfordern, vorbehaltlich der Besümmung des § 142, die Verbindung mit dem Wasserlaus und dessen Benutzung gestatten. (2) Liegen die Anlandungen vor Fähren, Landeplätzen und dergleichen, so hat der UnterHaltungspflichtige ihre Ausbildung möglichst zu beschleunigen, auch Fürsorge für zweckentsprechenden Zugang zu treffen. (3) Im Falle einer Verpachtung ist bei gleichem Gebote dem Eigentümer oder Nutzungsberechtigten des Ufergrundstücks der Vorzug zu geben. § 142. Solange die in Erfüllung der Unterhaltungspflicht ausgeführten Anlagen als Unterhaltungsanlagen von dem Verpflichteten unterhalten werden, ist dieser berechtigt, jede Benutzung der anstoßenden Anlandungen, die den Anlagen schädlich werden könnte, zu verbieten. § 143. (i) Wird eine Berufung oder Bepflanzung reifer, vom Anlieger in Besitz ge­ nommener Anlandungen erforderlich, so kann der zur Unterhaltung des Wasserlaufs Ver­ pflichtete den Anlieger auffordern, sie binnen einer bestimmten Frist auszuführen. Kommt der Anlieger der Aufforderung nicht nach, so ist der Unterhaltungspflichtige berechtigt, die Berufung oder Bepflanzung selbst auszuführen, die Nutzung davon zu ziehen und zu diesem Zwecke die Usergrundstücke zu betreten oder zu befahren. (2) Dem Anlieger ist die Nutzung zu überlassen, wenn er die bisher durch die Nutzung nicht gedeckten Aufwendungen erstattet und die Unterhaltung der Anlandungen, nötigenfalls unter Sicherstellung, übernimmt. § 144. Dem Unterhaltungspflichtigen sowie seinen Beamten und mit Berechtigungs­ ausweis versehenen Beauftragten ist das Setzen von Stations- und Festpunktmarken, desgleichen von Schisfahrtzeichen und sonstigen Merkzeichen auf Anlandungen aller Art und Inseln sowie auf den Ufergrundstücken und, soweit erforderlich, auch den dahinterliegenden Grundstücken jederzeit gestattet. Wenn diese Marken und Merkzeichen wenig sichtbar sind und daraus Gefahren bei der Bewirtschaftung entstehen können, sind sie angemessen zu lerntzeichnen. Die Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigten haben Anspruch auf Ersatz des Schadens, den sie dadurch erleiden. § 146. (i) Bei Wasserläufen dritter Ordnung, die nicht von den Anliegern zu unterhalten sind, haben diese die Ablagerung des Aushubs von Erde, Kies, Sand, Hölzern und dergleichen auf den Ufergrundstücken zu dulden und für die Beseitigung des Aushubs zu sorgen, soweit es zur Erhaltung eines ungehinderten Wasserabflusses erforderlich ist und ohne ungebührliche Belastung der Anlieger möglich ist. Der Aushub geht in das Eigentum des Anliegers über. Soweit eine ungebührliche Belastung stattfindet, ist der Unterhaltungspflichtige zur Beseitigung des Aushubs verpflichtet. (2) Bei künstlichen Wasserläufen dritter Ordnung, die gewerblichen Unternehmungen dienen, hat der Unterhaltungspflichtige auf Verlangen des Anliegers den Aushub zu entfernen und für Beschädigungen Ersatz zu leisten. (3) Dem Unterhaltungspflichtigen sowie seinen Beamten und mit Berechtigungsausweis versehenen Beauftragten ist gestattet, bei der Vorbereitung und Ausführung der Unterhal-

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tungsarbeiten die Ufergrundstücke zu betreten und dort vorübergehend Materialien nieder­ zulegen. Für die hierdurch verursachten Beschädigungen ist Ersatz zu leisten. (4) Besondere Titel ^ und Observanzen, die eine von den Vorschriften dieses Paragraphen abweichende Regelung enthalten, bleiben aufrechterhalten. § 146. Soweit nicht in diesem Titel eine Entschädigungspflicht ausdrücklich festgestellt ist, kann für einen durch Unterhaltungsarbeiten verursachten Schaden nur insoweit Ersatz verlangt werden, als der Schaden bei Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt vermieden worden wäre. § 147. (i) In den Fällen der §§ 136 bis 145 sind, soweit nicht Gefahr im Verzüge ist, die Eigentümer oder Nutzungsberechtigten der betroffenen Grundstücke vor der Inangriff­ nahme der geplanten Maßnahmen zu hören. (2) Im Falle von Streitigkeiten, auch von solchen nach § 135, verfügt die Wasserpolizeibehörde. § 148. (i) Die nach den §§ 131, 135 bis 146 den Grundstückseigentümern oder Nutzungs­ berechtigten zustehenden Entschädigungen, die nach den §§ 119, 121, 124, 127, 128, 132 zu leistenden Beiträge und Vergütungen sowie die nach § 140 Abs. 3 und § 143 Abs. 2 zu er­ stattenden Beträge werden im (Streitfall durch Beschluß des Bezirksausschusses festgesetzt. (2) Die Vorschriften des § 76 sind anzuwenden. § 149. (i) Im Falle des § 119 wird nach Beendigung der Arbeiten eine Liste der auf die einzelnen Eigentümer entfallenden Beiträge auf Antrag des zur Unterhaltung des Wasser­ laufs Verpflichteten von dem Regierungspräsidenten (Oberpräsidenten), bei Wasserläufen zweiter und dritter Ordnung von dem Landrat öffentlich ausgelegt. Die Auslegung ist in ortsüblicher Weise und, wenn Landkreise beteiligt sind, auch durch die Kreisblätter bekannt­ zumachen. Innerhalb einer Frist von vier Wochen nach der letzten Bekanntmachung können Einwendungen gegen die Liste erhoben werden. Die Frist und die Stelle, bei der die Ein­ wendungen anzubringen sind, ist in der Bekanntmachung anzugeben. Neben der öffentlichen Bekanntmachung sind die Ggentürner auf diese durch besondere Mitteilung hinzuweisen. (2) Über die rechtzeitig erhobenen, erforderlichenfalls mit den'Beteiligten zu erörternden Einwendungen entscheidet der Bezirksausschuß. (3) Die Vorschriften des § 76 Abs. 1 sind anzuwenden. (4) Nach Erledigung der Einwendungen oder fruchtlosem Ablauf der Frist stellt der Re­ gierungspräsident (Oberpräsident), bei Wasserläufen zweiter und dritter Ordnung der Landrat die Liste endgültig fest. § 150. (l) Die §§ 135 bis 138, der § 140 Abs. 2, 3, Abs. 4 Satz 1 und die §§ 141 bis 144 sind auf Grundstücke, die Bestandteile von Festungen, Eisenbahnen oder öffentlichen Wegen sind, nicht anzuwenden, wenn Gründe des öffentlichen Wohles ** entgegenstehen. Ob dies der Fall ist, entscheidet auf Anrufen des Grundstückseigentümers der Regierungspräsident. (2) Gegen die Entscheidung des Regierungspräsidenten ist nur Beschwerde im Aufsichts­ wege zulässig. (3) Im Falle des Abs. 1 ist der Grundstückseigentümer verpflichtet, die erforderlichen Unterhaltungsarbeiten nach näherer Bestimmung der Wasserpolizeibehörde selbst auszuführen. § 151. Soweit nicht Staatsverträge oder sonstige, mit anderen Staaten getroffene Ab­ reden entgegenstehen, können die Vorschriften dieses Gesetzes über die Unterhaltung für solche Wasserläufe, die nicht ausschließlich dem preußischen Staatsgebiet angehören, zeitweilig außer Kraft gesetzt werden. Zuständig ist bei Wasserläufen erster Ordnung der Minister der öffentlichen Arbeiten, sonst der Minister für Landwirtschaft. 5. Titel. Ausbau der Wasserläufe und ihrer Ufer. § 152. Natürliche Wasserläufe erster oder zweiter Ordnung und ihre Ufer können nach den folgenden Bestimmungen66 aus Gründen des öffentlichen Wohles^ ausgebaut werden. 65 Z. B. Privilegien, Rezesse, Ersitzung. 66 Beschränkt anwendbar auch auf künstliche Wasserläufe nach § 175.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

§ 153. (i) Das Ausbauunternehmen kann 1. die Einlegung von Stauwerken^7 eine die Befahrung der Wasserstraße mit größeren Fahrzeugen bezweckende Vertiefung, die Herstellung eines neuen Bettes, die Durch­ führung einer Hochwasserregulierung oder 2. andere über die Unterhaltung hinausgehende Verbesserungen zum Gegenstand haben. (2) Den Ausbauunternehmungen im Sinne des Abs. 1 Nr. 2 wird gleichgestellt die fünft* liche Schaffung von Neuland an Usergrundstücken.b« § 154. Die Wasserpolizeibehörde entscheidet im Streitfälle, ob Arbeiten über die Unter* Haltung hinausgehen und den Vorschriften dieses Titels unterstehen. Die Entscheidung kann nur mit der Beschwerde im Aufsichtswege angefochten werden. § 155. (i) Ausbauberechtigt sind: 1. bei natürlichen Wasserläufen erster Ordnung der Staat; 2. bei Wasserläufen zweiter Ordnung der Staat, Wassergenossenschaften69 oder andere Körperschaften des öffentlichen Rechtes sowie die diesen im § 126 Abs. 2 gleichgestellten Gemeinschaften Unterhaltungspflichtiger für die von ihnen zu unterhaltende Strecke, ferner eine den Ausbau des Wasserlaufs bezweckende Wassergenossenschaft für die innerhalb des Genossenschaftsgebietes gelegene Strecke. (2) Durch Königliche Verordnung kann das Recht zum Ausbau eines Wasserlaufs und in Verbindung damit auch das Recht zum Ausbau der Ufer dem Reiche, einem fremden Staate oder einer nicht schon nach Abs. 1 ausbauberechtigten öffentlichrechtlichen Körperschaft mit ihrer Zustimmung übertragen werden. (3) Der Ausbauberechtigte bedarf zum Ausbau keiner Verleihung. § 156. (i) Dem Unternehmer des Ausbaues liegt die Herstellung derjenigen Einrich­ tungen^ ob, die zur Sicherung von Grundstücken und Anlagen gegen Gefahren und Nach­ teile notwendig sind, wenn solche Einrichtungen mit dem Unternehmen vereinbar und wirt­ schaftlich gerechtfertigt sind. Er hat auch die im öffentlichen Interesse erforderlichen Einrich­ tungen zu treffen. Zu diesen gehören die durch den Ausbau bedingten Änderungen an öffentlichen Wegen und den in ihrem Zuge belegenen Brücken. Der Wege- oder Brücken­ unterhaltungspflichtige hat, unbeschadet auf besonderem litel65 beruhender Verpflichtungen, zu den Kosten so viel beizutragen, als ihm durch die Änderung Kosten erspart werden, die er sonst zur Erfüllung seiner Unterhaltungspflicht hätte aufwenden müssen. (2) Sind von dem Ausbau nachteilige Wirkungen zu erwarten, durch die das Recht eines anderen beeinträchtigt werden würde, so kann der davon Betroffene die Herstellung von Einrichtungen fordern, welche die nachteiligen Wirkungen ausschließen. Von nachteiligen Wirkungen der im § 41 Abs. 1, 2 bezeichneten Art gilt dasselbe, auch wenn dadurch kein Recht beeinträchtigt wird. (3) Als Nachteil gilt nicht die Veränderung des Grundwasserstandes, wenn der Ausbau zur Beschaffung der Vorflut für die gewöhnliche Bodenentwässerung von Grundstücken er­ folgt, für die der auszubauende Wasserlauf der natürliche Vorfluter ist. (4) Der § 57 ist auf den Ausbau sinngemäß anzuwenden. (o) Nimmt der Staat zum Ausbau eines Leinpfades oder zu sonstigen Zwecken eine An­ schüttung vor der Uferlinie vor, so hat er den früheren Anliegern oder Nutzungsberechtigten, soweit es deren wirtschaftliche Interessen erfordern, die Verbindung mit dem Wasserlaufe unb dessen Benutzung in dem bisher geübten Umfange zu gestatten. § 157. (i) Soweit in den Fällen des § 156 Abs. 2 Einrichtungen der dort bezeichneten Art mit dem Unternehmen nicht vereinbar oder wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind, kann der 67 Weitergehender Begriff als Stauanlagen nach § 91. 68 Z. B. durch Anschüttung zur Gewinnung nutzbarer Flächen (die dann Eigentum der Ausbau­ unternehmer werden). 69 Deren Ausbaurecht richtet sich nach ihrem Gründungszwecke. 70 Dazu gehören nach den Kommissionsverhandlungen auch Zuwege zum Wasserlauf für die jenigen Interessenten, die sonst davon abgeschnitten wären. Wegen der Unterhaltung s. § 158.

5. Wassergesetz.

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von der nachteiligen Wirkung Betroffene Entschädigung fordern. Wegen Beeinträchtigung eines Rechtes kann er, sofern es sich nicht um ein Recht am Wasserlauf handelt, auch dem Ausbau widersprechen. (2) Die Entschädigung kann in wiederkehrenden Leistungen bestehen; dabei kann die Nach­ prüfung und anderweite Festsetzung in bestimmten Zeiträumen vorbehalten werden. Auf die Entschädigung ist der Vorteil anzurechnen, der dem Berechtigten aus dem Unternehmen erwächst. § 158. Dem Unternehmer liegt auch die Unterhaltung der im § 156 bezeichneten Ein­ richtungen ob, soweit diese Unterhaltungslast über den Umfang einer bestehenden Verpflich­ tung zur Unterhaltung vorhandener, demselben Zwecke dienender Einrichtungen hinausgeht. § 159. (i) Wegen nachteiliger Veränderung der Vorflut oder des Grundwasserstandes, wegen Erschwerung der Unterhaltung des Wasserlaufs oder seiner Ufer und wegen vorüber­ gehender Beeinträchtigung von Wassernutzungsrechten kann Entschädigung nur verlangt werden, wenn der Schaden erheblich ist. (2) Der durch Veränderung des Grundwasserstandes entstehende Schaden ist ferner nur insoweit zu ersetzen, als die Billigkeit nach den Umständen eine Entschädigung erfordert. § 160. (i) Der Unternehmer ist berechtigt, Anlandungen aller Art, Felsen, Inseln und Ufervorsprünge abzutreiben oder sonst zu beseitigen, wenn dies nach dem Plane (§ 163) erforderlich ist. Entschädigung kann nur verlangt werden, wenn der Schaden erheblich ist. (2) Bei Ausführung der Arbeiten hat der Unternehmer dafür zu sorgen, daß eine Ver­ unstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden22 vermieden wird, soweit dies mit dem Zweck und der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens vereinbar ist. § 161. Die Bepflanzung, Berufung27 oder anderweite Befestigung der im § 160 Abs. 1 bezeichneten Grundstücke bedarf der Zustimmung des Unternehmers, soweit sie nach dem Plane (§ 163) beseitigt werden sollen. Dasselbe gilt für die gänzliche oder teilweise Be­ seitigung dieser Grundstücke, soweit der Plan ihre Beseitigung oder Erhaltung vorsieht. § 162. (i) Die für das Rechtsverhältnis zwischen dem Unterhaltungspflichtigen und den Grundstückseigentümern geltenden Vorschriften der §§ 135 bis 144 sind entsprechend auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Ausbauunternehmer und den Grundstückseigentümern anzuwenden. (2) Die Anlieger sind ferner ohne Anspruch auf Entschädigung verpflichtet, wildwachsende Bäume und Sträucher, welche die Durchführung des Unternehmens wesentlich beeinträchtigen, und die nach dem Plane (§ 163) beseitigt werden müssen, auf Erfordern des Unternehmers nach ihrer Wahl entweder selbst zu beseitigen oder die Beseitigung zu dulden. § 163. Der Unternehmer hat den Plan für den Ausbau dem örtlich zuständigen Regie­ rungspräsidenten, bei natürlichen Wasserläufen erster Ordnung, mit deren Verwaltung ein Oberpräsident71 oder ein anderer Regierungspräsident beauftragt ist, diesem einzureichen. Der Regierungspräsident (Oberpräsident) hat zu prüfen, ob Gründe des öffentlichen Wohles22 vorliegen und, wenn dies nicht der Fall ist, den Ausbau für unzulässig zu erklären. Die Ent­ scheidung kann nur mit der Beschwerde im Auffichtswege angefochten werden, und zwar, wenn es sich um den Ausbau eines natürlichen Wasserlaufs erster Ordnung handelt, bei dem Minister der öffentlichen Arbeiten, sonst bei dem Minister für Landwirtschaft. § 164. (i) Mit dem Plane ist ein Auszug daraus einzureichen, der eine kurze Darstellung des Unternehmens und die herzustellenden Einrichtungen enthalten mufc.72 71 Besondere Strombauverwaltungen für Oder, Weichsel, Elbe, Weser, Rhein, die den Ober­ präsidenten zu Breslau, bzw. Danzig, Magdeburg, Hannover, Koblenz unterstellt sind; Berwaltung des Dortmund-Emskanals unter dem Oberpräsidenten zu Münster, Verwaltung der märkischen Wasserstraßen unter dem Regierungspräsidenten zu Potsdam und der Berliner Wasserstraßen unter dem Polizeipräsidenten zu Berlin. 72 Von dem besonderen und förmlichen Verfahren der §§ 164—170 kann nach § 173 bei den ein­ fachen Ausbauunternehmungen des § 153 Nr. 2 abgesehen werden. § 163 findet jedoch auch hier Anwendung.

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VI. Abschn.

Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

(2) Ter Auszug ist in den Gemeinden (Gutsbezirkcn), auf die sich nach dem Ermessen des Regierungspräsidenten (Oberpräsidenten) die Wirkung des Unternehmens erstrecken kann, während eines Zeitraums von mindestens zwei Wochen zu jedermanns Einsicht aus­ zulegen. Zeit und Crt der Auslegung des Auszugs sowie die Stelle, bei welcher der Plan selbst eingesehen werden kann, sind in ortsüblicher Weise und, wenn Landgemeinden beteiligt sind, auch in den Kreisblättern bekanntzumachen. Daneben sollen alle bekannten Personen, die nach dem Ermessen des Regierungspräsidenten (Oberpräsidenten) von nachteiligen Wir­ kungen des Ausbaues betroffen werden können, auf die öffentliche Bekanntmachung hin­ gewiesen werden. § 165. (i) Die Bekanntmachung muß angeben, bei welcher Behörde Widersprüche gegen den Ausbau und Ansprüche auf Herstellung und Unterhaltung von Einrichtungen oder auf Entschädigung schriftlich oder mündlich zu Protokoll erhoben werden können. Sie muß ferner für die Erhebung von Widersprüchen eine Frist bestimmen. Diese beträgt mindestens vier Wochen und beginnt mit Ablauf des Tages, an dem das die letzte Bekanntmachung ent­ haltende Blatt ausgegeben ist. Widerspruch kann auch die Wasserpolizeibehörde erheben. (2) Auch die Gemeinde(Guts)vorstände können Ansprüche auf Herstellung und Unterhal­ tung von Einrichtungen erheben. § 166. Tie Bekanntmachung ist unter der Verwarnung zu erlassen, daß diejenigen, die innerhalb der im § 165 Abs. 1 bezeichneten Frist keinen Widerspruch gegen den Ausbau er­ heben, ihr Widerspruchsrecht verlieren und daß nach Feststellung des Planes (§ 168) nur noch die im § 172 bezeichneten Ansprüche geltend gemacht werden können. § 167. Nach Ablauf der Frist (§ 165 Abs. 1) hat ein Beauftragter des Regierungspräsi­ denten (Oberpräsidenten) die Widersprüche und Ansprüche (§ 165) mit den Beteiligten, nötigenfalls unter Zuziehung von Sachverständigen, mündlich zu erörtern und sodann die Verhandlungen der Planfeststellungsbehörde (§ 168) vorzulegen. Zu der Erörterung sind der Unternehmer sowie diejenigen, die Widersprüche oder Ansprüche erhoben haben, mit der Eröffnung vorzuladen, daß im Falle des Ausbleibens gleichwohl mit der Erörterung werde vorgegangen werden. § 168. (i) Der örtlich zuständige Bezirksausschuß beschließt über die Widersprüche und Ansprüche und stellt danach den Plan fest. Ter § 70 Abs. 2 Satz 1, 2, 4, 5 ist entsprechend anzuwenden. Soweit begründete Widersprüche erhoben sind, wird der Plan unter dem Vorbehalt festgestellt, daß mit der Ausführung erst nach Beseitigung der Widersprüche be­ gonnen werden darf. (2) Läßt sich bei Entschädigungsansprüchen nicht voraussehen, ob oder in welcher Höhe ein Schaden entstehen wird, so ist die Entscheidung über diese Ansprüche einem späteren Verfahren vorzubehalten. Ter Bezirksausschuß kann dem Unternehmer hierbei auferlegen, Maßnahmen (Pegelbeobachtungen, Grundwasserstandsbeobachtungen usw.) zu treffen, die geeignet sind, die Feststellung, ob und in welchem Umfang Schäden entstanden sind, zu er­ leichtern. (3) Tie Kosten des Verfahrens fallen dem Unternehmer zur Last. § 169. Der Beschluß ist mit Gründen zu versehen und dem Unternehmer sowie allen zuzustellen, die Widersprüche oder Ansprüche erhoben haben. § 170. (i) Gegen den Beschluß steht, soweit er nicht die von dem Unternehmer zu leistende Entschädigung betrifft, den Beteiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde zu. (2) Über die Beschwerde entscheidet bei natürlichen Wasserläufen erster Ordnung der Minister der öffentlichen Arbeiten, sonst der Minister für Landwirtschaft. (3) Für die Anfechtung der Entscheidung über die Entschädigungsansprüche und für den Beginn des Ausbaues gelten der § 76 Abs. 2 und der § 77 entsprechend. § 171. (i) In dringlichen Fällen kann der Bezirksausschuß Abweichungen von dem end­ gültig festgestellten Plane gestatten. (2) Die Entscheidung hierüber erfolgt durch unanfechtbaren Beschluß.

5. Wassergesetz.

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(3) Das Verfahren zwecks endgültiger Feststellung des neuen Planes ist ohne Verzug durchzuführen. § 172. (i) Auch nach Feststellung des Planes (§ 168) kann wegen nachteiliger Wirkungen des Ausbaues der davon Betroffene die Herstellung und Unterhaltung von Einrichtungen oder Entschädigung nach den §§ 156 bis 159 fordern, es sei denn, daß er schon vor Ablauf der im § 165 Abs. 1 bezeichneten Frist die nachteilige Wirkung vorausgesehen hat oder hätte voraussehen müssen und bis zum Ablauf der Frist weder dem Ausbau widersprochen noch An­ sprüche auf Herstellung von Einrichtungen oder aus Entschädigung erhoben hat. Der Ab­ lauf der Frist steht den Ansprüchen nicht entgegen, wenn der Beschädigte glaubhaft macht, daß er durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle verhindert worden ist, die Frist einzuhalten. Die Ansprüche verjähren in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Geschädigte von dem Gntritt der nachteiligen Wirkung Kenntnis erlangt hat. Sie sind ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen dreißig Jahren nach der Fertigstellung des Teiles des Unternehmens, durch den der Schaden verursacht worden ist, geltend gemacht werden. (2) Den Zeitpunkt der Fertigstellung der einzelnen Teile des Unternehmens hat der Regierungspräsident (Oberpräsident) in den beteiligten Gemeinden (Gutsbezirken) in orts­ üblicher Weise und, wenn Landgemeinden beteiligt sind, auch in den Kreisblättern bekannt­ zumachen. (3) Die Entscheidung trifft die Planseststellungsbehörde.^ Der § 70 Abs. 2 Satz 1, 2 und die §§ 169, 170 sind entsprechend anzuwenden. Dasselbe gilt im Falle des § 168 Abs. 2. § 173. (i) Bei Ausbauunternehmungen der im § 153 Abs. 1 Nr. 2 bezeichneten Art kann nach dem Ermessen des nach § 163 zuständigen Regierungspräsidenten (Oberpräsidenten) auf Antrag des Unternehmers davon abgesehen werden, das in den §§ 164 bis 170 geregelte Verfahren mit den daselbst bestimmten Wirkungen einzuschlagen?? (2) Die Beteiligten sind vor der Ausführung in geeigneter Weise zu hören. Ihre Ansprüche auf Grund des § 156, des § 157 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und der §§ 158 bis 162 bleiben unberührt. § 174. (i) Tie Anlieger eines Wasserlaufs haben zum Ausbau der Ufer, soweit er nach dem festgestellten Plane zur Erhaltung, Sicherung oder Verbesserung der Vorflut3 im Wasser­ laus erforderlich ist, dem Unternehmer einen angemessenen Kostenbeitrag74 zu leisten. Der Beitrag darf die Vorteile nicht übersteigen, die den Anliegern durch Sicherung des Bestandes ihrer Ufergrundstücke erwachsen. (2) Die Vorschriften des Abs. 1 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Ausbau unter der Uferlinie ausgeführt werden muß, um einer künftigen Behinderung der Vorflut durch Userabbrüche vorzubeugen. (3) Wird durch den Ausbau eines Wasserlaufs der Unterhaltungspflichtige von der Unterhaltungslast befreit (§ 115 Abs. 3), so hat er dem Unternehmer einen Kostenbeitrag in Höhe des Vorteils zu leisten, der ihm aus der Befreiung von der Unterhaltungslast erwächst. Dieser Kostenbeitrag darf den zehnjährigen Durchschnitt der vor dem Ausbau für den bisherigen Unterhaltungspflichtigen notwendig gewordenen laufenden Aufwendungen nicht über­ steigen und kann durch Zahlung des 20 fachen Betrages abgelöst werden. (4) Kommt in den Fällen der Abs. 1 bis 3 keine Einigung zustande, so entscheidet auf Antrag des Unternehmers der Bezirksausschuß durch Beschluß. Wegen des Verfahrens zur Feststellung der Beitragspflichtigen und der auf sie entfallenden Beiträge findet die Vor|Christ des § 149 Anwendung. Auf die Anfechtung des Beschlusses ist der § 76 Abs. 1 ent­ sprechend anzuwenden. § 175. (i) Für die Herstellung und Veränderung künstlicher Wasserläufe erster und zweiter Ordnung gelten sinngemäß die §§ 156 bis 159, der § 163 Satz 1 und die §§ 164 bis 172.

73 D. i. der Bezirksausschuß, s. § 167. 74 D. h. angemessen nach dem Maße des Vorteils; nur ein Kosten bei trag, niemals die Leistung der ganzen Kosten kann gefordert werden. 42 R e i ch e l t, Berwaltungsgesetzbucb.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

(2) Wird ein künstlicher Wasserlauf dritter Crbnung hergestellt oder verändert, so gelten sinngemäß der § 156 Abs. 2, 3, die §§ 157 bis 159 und der § 172 Abs. 1 Latz 3, 4. 6. Titel. Beteiligung des Staates und der Provinzen an dem Ausbau der Wasserläufe zweiter Ordnung. § 170. (i) Dem zur Unterhaltung eines natürlichen Wasserlaufs zweiter Ordnung Ver­ pflichteten liegt, wenn überwiegende Rücksichten des öffentlichen Wohles^ dies erfordern, auch der Ausbau des Wasserlaufs und seiner Ufer ob. (2) Er kann hierzu durch Verfügung der Wasserpolizeibehörde angehalten werden. § 177. (i) Wenn der Ausbau dem Verpflichteten Lasten auflegt, die in keinem Ver­ hältnis zu den ihm dadurch erwachsenden Vorteilen oder zu seiner Leistungsfähigkeit stehen, ist die Ausübung des Zwanges nur dann zulässig, wenn der Staat und die Provinz sich an der Aufbringung der Kosten angemessen beteiligen und der Verpflichtete hierdurch ausreichend entlastet wird. (2) Gereicht der Ausbau auch einem anderen als dem Verpflichteten zum Vorteil, so kann der andere nach Maßgabe seines Vorteils herangezogen werden. (3) Im Streitfall beschließt der Bezirksausschuß über die Höhe der von dem Verpflichteten (Abs. 1) oder von dem anderen (Abs. 2) zu übernehmenden Kosten. § 178. Ter Beitrag des Staates mufc75 den Beitrag des Provinzialverbandes mindestens erreichen. § 179. Ein Rechtsanspruch an den Staat oder den Provinzialverband auf Beteiligung an der Aufbringung der Kosten besteht nicht. § 180. In der Provinz Hessen-Nassau treten an die Stelle des Provinzialverbandes die Bezirksverbände, in den Hohenzollernschen Landen der Landeskommunalverband. § 181. Hat infolge natürlicher Ereignisse ein natürlicher Wasserlauf zweiter Ordnung sein Bett verlassen und erfordern überwiegende Rücksichten des öffentlichen Wohles die Wiederherstellung des früheren Zustandes, so kann die Wasserpolizeibehörde die Wieder­ herstellung dem zur Unterhaltung des Wasserlaufs Verpflichteten aufgeben.76 Für die Auf­ bringung der Kosten gelten die §§ 177 bis 180 entsprechend. 7. Titel. Wasserbücher. § 182. (i) Für die Wasserläufe sind zur Eintragung von Rechten,77 die eine der im § 46 bezeichneten Arten der Benutzung betreffen, und von Zwangsrechten nach den §§ 331 bis 333 sowie zur Eintragung der von den Bestimmungen der §§ 115, 117 abweichenden Unterhaltungspflicht Wasserbücher anzulegen, für die Wasserläufe dritter Ordnung jedoch erst, wenn eine Eintragung vorzunehmen ist. (2) Die Einrichtung der Wasserbücher bestimmen die zuständigen Minister. § 183. (i) Für die Anlegung und Führung des Wasserbuchs ist der Bezirksausschuß zuständig (Wasserbuchbehörde). (2) Soweit ein Wasserlauf mehrere Regierungsbezirke berührt, kann der zuständige Minister einen der Bezirksausschüsse mit der Anlegung und Führung des Wasserbuchs betrauen. (3) Beglaubigte auszugsweise Abschriften des Wasserbuchs sind bei den Wasserpolizei­ behörden niederzulegen. § 184. Abgesehen von den Fällen des § 86 ist das dem Eigentümer eines Wasserlaufs 76 D. h. wenn gleichzeitig die Provinz sich an den Kosten beteiligt; denn ein Zwang zur Beteili­ gung am Ausbau kann nach § 179 weder gegen den Staat noch die Provinz ausgeübt werden, und folglich auch nicht gegen den Unierhaltungspflichtigen, mit einziger Ausnahme des Falles des § 176. 76 Daneben besteht ein Recht zur Wiederherstellung nach § 16 Abs. 2. 77 Die eintragungsfähigen Rechte sind auf bestimmte in den §§ 182 u. 185 sowie in den darin genannten Paragraphen bezeichneten Benutzungs- und Zwangsrechte sowie Unterhaltungspflichten beschränkt. Hinsichtlich der Rechte, die beim Inkrafttreten dieses G. bereits bestanden, vgl. §§ 379, 380. Einzelne Rechte sind von der Eintragung ausdrücklich ausgeschlossen: § 184.

5. Wassergesetz.

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ms solchem zustehende Benutzungsrecht sowie das daraus abgeleitete Benutzungsrecht eines anderen78 in das Wasserbuch nicht einzutragen. § 185. (i) Rechte, die nach den Vorschriften dieses Gesetzes durch eine Behörde begründet oder sichergestellt finb,79 sind auf Ersuchen der Behörde einzutragen, die in erster Instanz beschlossen hat. (2) In das Grundbuch werden diese Rechte, unbeschadet des § 81 Abs. 2 Satz 2, nicht ein» getragen. § 186. (i) Rechte, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehen und nach den §§ 379, 380 aufrechterhalten bleiben, sind nach den §§ 187, 188 auf Antrag des Berechtigten ein­ zutragen.77 Der Antrag ist bei der Wasserbuch, oder bei der Wasserpolizeibehörde11 schrift» lich oder zu Protokoll zu stellen. Dem Antrag sind die zum Nachweise des Rechtes dienenden Urkunden sowie ein vollständiges Verzeichnis der dem Antragsteller bekannten Personen, die in der Geltendmachung von Rechten durch die im § 190 Abs. 1 bestimmte Wirkung der Eintragung beeinträchtigt werden würden, beizufügen. Ist das Recht im Grundbuch eingetragen, so hat der Antragsteller eine das Recht betreffende beglaubigte auszugsweise Abschrift des Grundbuchblatts einzureichen. (2) Offenbar unbegründete Anträge sind durch einen mit Gründen versehenen Bescheid des Vorsitzenden zurückzuweisen. Gegen den Bescheid ist binnen zwei Wochen der Antrag auf Beschlußfassung durch das Kollegium und gegen dessen Beschluß die Beschwerde an das Landeswasseramt39 oder unmittelbar die Beschwerde an letzteres zulässig. § 187. (i) Ist das Recht im Grundbuch eingetragen, so ist es in Übereinstimmung mit diesem in das Wasserbuch einzutragen. Im übrigen wird das Recht eingetragen, wenn sein Bestehen nachgewiesen ist. (2) Ohne den Nachweis des Bestehens ist ein Recht, das auf Grund eines besonderen Titels^ in Anspruch genommen wird, einzutragen, wenn glaubhaft gemacht toirb,80 daß es zehn Jahre lang vor dem 1. Januar 1912 von dem Antragsteller und seinen Rechtsvorgängern ohne Widerspruch ausgeübt worden ist. Ein Recht, das auf keinen besonderen Titel gestützt wird, ist einzutragen, wenn glaubhaft gemacht wird, daß die zu seiner Ausübung vorhandene Anlage^ rechtmäßig ist oder daß sie vor dem 1. Januar 1912 schon mehr als zehn Jahre bestanden hat. (3) Urkunden, auf die eine Eintragung sich gründet oder Bezug nimmt, sind in Urschrift oder beglaubigter Abschrift von der Wasserbuchbehörde aufzubewahren. § 188. (i) Liegen die Voraussetzungen des § 187 nicht vor, so ist der Antrag öffentlich bekanntzumachen. Die Bekanntmachung hat in dem für die amtlichen Bekanntmachungen der Wasserbuchbehörde bestimmten Blatte sowie in ortsüblicher Weise in allen Gemeinden (Gutsbezirken) zu erfolgen, auf deren Bezirk sich nach dem Ermessen der Wasserbuchbehörde die Wirkung des angemeldeten Rechts erstrecken kann, soweit Landgemeinden beteiligt sind, oitd) in den Kreisblättern. Die Wasserbuchbehörde ist befugt, noch andere Bekanntmachungen zu veranlassen. Daneben sollen der Eigentümer des Wasserlaufs und alle anderen Beteiligten, soweit sie der Behörde bekannt sind, auf die öffentliche Bekanntmachung hingewiesen werden. (2) Tie Bekanntmachung muß die Stelle bezeichnen, wo die zum Nachweise des Rechtes beigebrachten Urkunden eingesehen werden können, und die Frist bestimmen, binnen deren Widersprüche bei der Wasserbuchbehörde anzubringen sind. Die Frist beträgt mindestens einen Monat und beginnt mit Ablauf des Tages, an dem das im Abs. 1 bezeichnete Blatt ausgegeben ist. Die Bekanntmachung ist unter der Verwarnung zu erlassen, daß die Ein78 Z. B. des Pächters, Nießbrauchers. 79 3- B. die nach §§ 46 ff. verliehenen Rechte. 80 Ob dies der Fall ist, unterliegt dem pflichtmäßigen Ermessen des Bezirksausschusses, ebenso die Bestimmung darüber, ob weiterer Beweis erhoben oder das Aufgebotsverfahren gemäß § 188 . ingeleitet werden soll. 81 Eine solche Anlage muß also vorhanden sein, wenn das zum Wasserbuche angemeldete Recht nicht auf einen besonderen Titel gestützt wird.

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tragung des Rechtes mit der gesetzlichen Wirkung (§ 190) erfolgen werde, wenn in der be­ stimmten Frist niemand widerspricht. (3) Rach Ablauf der Frist ist das Recht einzutragen.82 Offenbar unbegründete Widersprüche sind durch einen mit Gründen versehenen Bescheid des Borsitzenden zurückzuweisen. Ter Bescheid kann nach § 186 Abs. 2 Zatz 2 angefochten werden. Tie übrigen innerhalb der Frist erhobenen Widersprüche sind im Wasserbuch zu vermerken. § 189. Unterhaltungspflichten (§ 182 Abs. 1) sind auf Antrag der Wasserpolizeibehörde oder der Beteiligten einzutragen, wenn ihr Bestehen nachgewiesen ist. § 199. (i) Die Eintragungen im Wasserbuch gelten bis zum Beweise des Gegenteils als richtig. (2) Dies gilt nicht für Eintragungen, die mit dem Grundbuch im Widerspruch stehen, sowie gegenüber denjenigen, für welche ein Widerspruch im Wasserbuch vermerkt ist.82 § 191. Wird ein im Wasserbuch eingetragenes Recht nach den Vorschriften dieses G. durch eine Behörde beseitigt oder verändert, so ist auf Ersuchen der Behörde, die in erster Instanz beschlossen hat, das Wasserbuch zu berichtigen. § 192. (i) Ergibt sich, daß die Wasserbuchbehörde unter Verletzung gesetzlicher Vor­ schriften88 ein Recht oder einen Widerspruch eingetragen hat, so hat sie die Berichtigung des Wasserbuchs von Amts wegen zu beschließen.8* (2) Die Wasserbuchbehörde hat ferner die Berichtigung auf Antrag zu beschließen,8* wenn nachgewiesen wird, daß eine Eintragung nicht mit der wirklichen Rechtslage übereinstimmt oder daß ein eingetragener Widerspruch unbegründet ist. Antragsberechtigt sind diejenigen, zu deren Gunsten die Eintragung erfolgt ist oder die Berichtigung erfolgen soll. (3) Ter Beschluß der Wasserbuchbehörde ist mit Gründen zu versehen und dem Antrag­ steller sowie den von der Berichtigung Betroffenen zuzustellen. Gegen den Beschluß ist binnen zwei Wochen Beschwerde an das Landeswasseramt zulässig. Tie Berichtigung des Wasser­ buchs ist erst auf Grund des rechtskräftigen Beschlusses zu bewirken. (4) Widersprüche sind auch auf Ersuchen der ordentlichen Gerichte einzutragen. § 193. Tie Einsicht der Wasserbücher und ihrer Abschriften sowie derjenigen Urkunden, auf die in den Eintragungen Bezug genommen ist, ist jedem gestattet. Ferner kann jeder eine auf Verlangen zu beglaubigende Abschrift fordern. § 194. (i) Zur Förderung der Gewässerkunde sollen für die Wasserläufe erster und zweiter Ordnung Beschreibungen angelegt werden, die einen Überblick über die Beschaffenheit, den Abflußvorgang und die Wasserwirtschaft der Wasserläufe geben. Über die Anlegung der Beschreibungen haben der Minister der öffentlichen Arbeiten und der Minister für Landwirtschaft eine Anweisung zu erlassen. (2) Eine Abschrift der Beschreibung des ganzen Wasserlaufs soll den Wasserbüchern, die den Wasserlauf betreffen, sowie den nach § 183 Abs. 3 niederzulegenden Abschriften bei­ gefügt werden. § 195. Tie Verhandlungen vor der Wasserbuchbehörde und die Eintragungen sind kostenfrei. Jedoch sind die durch öffentliche Bekanntmachungen, durch Erteilung und Beglaubigung von Abschriften oder durch offenbar unbegründete Anträge und Widersprüche erwachsenden Kosten dem Antragsteller oder dem Widersprechenden aufzuerlegen. 82 D. h. es muß eingetragen werden, auch wenn Widersprüche erhoben worden, die nicht „offen­ bar unbegründet" sind. Dem eingetragenen „Berechtigten" bleibt dann (nach der Begr.) überlassen, die Löschung der vermerkten Widersprüche herbeizuführen, z. B. durch Vorlegung eines rechtskräftigen obsiegenden Urteils nach einer (zivilprozessualen) Feststellungsklage oder durch anderen glaubhaften, insbesondere urkundlichen Nachweis. Daher die in § 190 ausgesprochene, nur bedingte Rechtsvermutung für die Richtigkeit der Eintragungen und die Zulässigkeit des Berichtigungsverfahrens nach § 192 Abs. 2. 83 Insbesondere wegen formellrechtlicher Vorschriften, z. B. hinsichtlich des Aufgebotsverfahrens nach § 188, oder wenn ein nicht eintragungsfähiges Recht (Anm. 77) eingetragen worden ist. 84 Nach diesem Wortlaut wird ein Beschluß des Kollegiums des Bezirksausschusses erforderlich sein.

5. Wassergesetz.

Zweiter Abschnitt. Gewässer, die nicht zu den Wasserläufen

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gehören.^

§ 196. Der Eigentümer eines Grundstücks kann über das auf oder unter der Oberfläche befindliche Wasser verfügen, soweit sich nicht aus diesem G., insbesondere aus den Vor­ schriften über die Wasserläufe und ihre Benutzung, ein anderes ergibt oder Rechte Dritter entgegenstehen. § 197. (i) Der Eigentümer eines Grundstücks darf den Ablauf des oberirdisch außerhalb eines Wasserlaufs abfließenden Wassers nicht künstlich so verändern, daß die tieferliegenden Grundstücke belästigt werden. (2) Unter dieses Verbot fällt nicht eine Veränderung des Wasserablaufs infolge veränderter wirtschaftlicher Benutzung des Grundstücks. § 198. (i) Der Eigentümer eines Grundstücks ist berechtigt, das oberirdisch außerhalb eines Wasserlaufs von einem anderen Grundstück abfließende Wasser von seinem Grundstück abzuhalten.^ (2) In den Hohenzollernschen Landen, in der Provinz Hessen-Nassau, in denjenigen Gebiets­ teilen der Rheinprovinz, in denen bisher das französische oder das gemeine Recht galt, und in der Provinz Schleswig-Holstein ist diese Vorschrift nur mit der Maßgabe anzuwenden, daß der Eigentümer eines landwirtschaftlich benutzten Grundstücks verpflichtet ist, den in­ folge der natürlichen Bodenverhältnisse stattfindenden Wasserablauf von einem anderen landwirtschaftlich benutzten Grundstück zu dulden. § 199. (i) Der Eigentümer eines nicht zu den Wasserläufen gehörenden Sees ist nicht befugt, den See abzulassen oder seinen Wasserspiegel erheblich zu senken, wenn dadurch der Grundwasserstand zum Nachteil anderer verändert wird, es sei denn, daß es zur gewöhn­ lichen Bodenentwässerung erforderlich ist. (2) Es ist ihm ferner nicht gestattet, Wasser oder andere flüssige Stoffe in den See ein­ zuleiten oder feste oder schlammige Stoffe in den See einzubringen, durch die das Wasser zum Nachteil anderer verunreinigt wird. Ter § 23 Abs. 1, 3 und 4 ist entsprechend anzu­ wenden, auf den Eigentümer jedoch nur dann, wenn einem anderen ein Recht an dem See zusteht, oder wenn durch die Anleitung andere Gewässer verunreinigt werden können. (3) Ob und in welchem Umfang der an Seen bisher übliche Gemeingebrauch im Falle des Bedürfnisses auch fernerhin zulässig ist, bestimmt der Regierungspräsident. Der Eigen­ tümer des Sees ist vorher zu hören. Der Regierungspräsident kann die getroffene Bestimmung jederzeit widerrufen. Die §§ 36 bis 39 sind entsprechend anzuwenden. § 209. (i) Der Eigentümer eines Grundstücks darf das unterirdische Wasser zum Gebrauch oder Verbrauche nicht dauernd in weiterem Umfang als für die eigene Haushaltung und Wirtschaft (§ 25 Abs. 4) zutage fördern, wenn dadurch 1. der Wassergewinnungsanlage oder der benutzten Quelle eines anderen das Wasser entzogen oder wesentlich geschmälert oder 2. die bisherige Benutzung des Grundstücks eines anderen erheblich beeinträchtigt oder 3. der Wasserstand eines Wasserlaufs oder eines Sees (§ 199) derart verändert wird, daß andere in der Ausübung ihrer Rechte daran beeinträchtigt werden. (2) Den Geschädigten steht kein Anspruch auf Unterlassung zu, wenn der aus der Zutage­ förderung zu erwartende Nutzen den ihnen erwachsenden Schaden erheblich übersteigt oder wenn das Unternehmen, für das die Zutageförderung erfolgt, dem öffentlichen Wohle^ dient. Sie können jedoch die Herstellung von Einrichtungen fordern, durch die der Schaden verhütet ober ausgeglichen wird, wenn solche Einrichtungen mit dem Unternehmen vereinbar und wirtschaftlich gerechtfertigt sind. Soweit der Schaden nicht verhütet oder ausgeglichen werden kann, ist insofern Schadenersatz zu leisten, als die Billigkeit nach den Umständen eine Entschädigung erfordert.^» 86 Dazu gehören das oberirdisch wild abfliegende Wasser (z. B. infolge Regens, Schneeschmelze), Seen, Teiche (§ 199), unterirdisches Wasser (§ 200). 86 Vgl. jedoch §§ 330 ff. 86» Nach § 200 Abs. 2 ist also dem Geschädigten grundsätzlich ein Anspruch auf Unterlassung

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser.und Jagdrecht.

(3) Tie Entschädigung kann, wenn der Unternehmer dies beantragt, auch in wiederkehrenden Leistungen bestehen. Ter § 51 Abs. 2 Latz 2 ist entsprechend anzuwenden. § 201. Tem Eigentümer eines Grundstücks ist nicht gestattet, den Grundwasserstrom eines Tales durch unterirdische Anlagen aufzustauen. § 202. (i) Ter Eigentümer eines Grundstücks ist nicht befugt, Stosse in den Boden ein­ zubringen oder einzuleiten, durch die das unterirdische Wasser, ein Wasserlauf oder ein See (§ 199) zum Nachteil anderer verunreinigt wird. (2) Aus die Düngung von Grundstücken ist die Vorschrift des Abs. 1 nicht anzuwenden. § 203. (i) Die dem Grundstückseigentümer nach den §§ 199 bis 202 nicht zustehenden Rechte können von ihm und mit seiner Zustimmung^ auch von einem anderen durch Ver­ leihung erworben werden. Ferner kann der Gebrauch oder Verbrauch von Wasser sowie die Einleitung von Wasser oder anderen flüssigen Stoffen durch mehrere Berechtigte im Ausgleichungsverfahren geregelt werden. (2) Die §§ 47 bis 52, 55 bis 73, 75 bis 77, 79 bis 85 und 87 bis 90 sind entsprechend an­ zuwenden. Handelt es sich bei der Verleihung um den Erwerb eines dem Grundeigentümer nach § 200 nicht zustehenden Rechtes, so gelten die §§ 51, 82 mit der Maßgabe, daß der ent­ stehende Schaden nur zu ersetzen ist, soweit die Billigkeit den Umständen nach eine Ent­ schädigung erfordert. (3) Soweit das Recht, über das Wasser eines Sees (§ 199) oder über das unterirdische Wasser zu verfügen, dem Grundstückseigentümer nach den §§ 196 bis 202 zusteht oder beim Inkrafttreten dieses G. besteht und nach § 379 aufrechterhalten bleibt, kann dessen Sicherstellung nach § 86 verlangt werden. § 204. (i) Wer unterirdisches Wasser zum Gebrauch oder Verbrauch über die Grenzen seines örtlich oder wirtschaftlich zusammenhängenden Grundbesitzes hinaus fortleiten will, bedarf der polizeilichen Genehmigung. Zuständig ist, wenn das Unternehmen der Versorgung von Ortschaften oder größeren Ortsteilen mit Trink- oder Nutzwasser dient, der RegierungsPräsident, sonst der Landrat, in Stadtkreisen die Ortspolizeibehörde. Gegen die Entscheidung steht dem Unternehmer nur die Beschwerde im Aufsichtswege zu. (2) Ist das Recht zur Zutagesörderung des unterirdischen Wassers durch Verleihung er­ worben, so bedarf es keiner polizeilichen Genehmigung nach Abs. 1. § 205. An Seen, die nicht zu den Wasserläufen gehören, steht, soweit das Eigentum an ihnen nicht anderweit geordnet ist, den Anliegern das Eigentum anteilig zu. Der § 8 Abs. 2, 3 und der § 13 Abs. 2 sind sinngemäß anzuwenden. Dritter Abschnitt. Wassergenossenschaften.^ 1. Titel. Allgemeine Vorschriften. 8 206. Nach den Vorschriften dieses Gesetzes können Wassergenossenschaften gebildet werden: 1. zur Unterhaltung von Wasserläufen zweiter oder dritter Ordnung und zum Ausbau solcher Wasserläufe zwecks Verbesserung der Vorflut oder des Hochwasserabflusses; 2. zur Unterhaltung der Ufer von Wasserläufen sowie zum Ausbau der Ufer zwecks Ver­ besserung der Vorflut oder des Hochwasserabflusses oder zum Schutze der Ufergrund­ stücke und der dahinterliegenden Grundstücke; gegeben, oder ein Anspruch auf Herstellung von Einrichtungen zur Verhütung oder Ausgleichung des Schadens, oder endlich auf Schadenersatz. 87 Wesentlicher Unterschied von der Verleihung nach § 46, die grundsätzlich auch ohne Zustim­ mung des Eigentümers erfolgen darf: § 47 Abs. 1; vgl. jedoch § 49 Abs. 2. 88 Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind im wesentlichen dem nunmehr aufgehobenen G., betr. die Bildung von Wassergenossenschaften, v. 1. April 1879 nachgebildet, doch fehlt die Einrichtung der auf gerichtlichem oder notariellem Vertrage begründeten freien Genossenschaften. Alle aus Grund des neuen G. gebildeten Genossenschaften sind öffentliche. Genossenschaften, bei denen jeder Beitrittszwang ausgeschlossen ist (§ 207 Abs. 2 Nr. 1), kann man freiwillige nennen.

5. Wassergesetz.

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3. zur Reinhaltung von Gewässern; 4. zur Entwässerung und Bewässerung von Grundstücken und zur Unterhaltung von Entwässerungs- oder Bewässerungsanlagen; 5. zur Verfehnungv* von Grundstücken und zur Unterhaltung von Verfehnungsanlagen; 6. zur Anlegung und zum Ausbau von Wasserläufen zweiter und dritter Ordnung und ihrer Ufer zu anderen als den unter Nr. 1 bis 5 bezeichneten Zwecken; 7. zur Unterhaltung und zum Ausbau von natürlichen Wasserläufen erster Ordnung sowie zum Ausbau ihrer Ufer zu anderen als den unter Nr. 2 bezeichneten Zwecken; 8. zur Herstellung und Unterhaltung der Schiffbarkeit oder Flößbarkeit von Wasserläufen, sowie zur Herstellung und Unterhaltung neuer Schiffahrtstraßen und anderer Schiff­ fahrtanlagen; 9. zur Anlegung, Unterhaltung und Ausnutzung von Stauanlagen; 10. zur Anlegung, Unterhaltung und Ausnutzung von Wasserversorgungsanlagen, soweit sie nicht unter Nr. 9 fallen; 11. zur Beseitigung von Hindernissen des Hochwasserabflusses; 12. zur Zurückhaltung von Wasser in den Niederschlagsgebieten von Wasserläufen; 13. zur Aufbringung von Beiträgen in den Fällen des § 174 Abs. 1, 2; 14. zur Aufhöhung und Ausspülung von Grundstücken im Interesse der Bodenkultur. § 297. (i) Die Bildung der Genossenschaft erfordert den Nachweis, daß das Unternehmen dem öffenüichen Wohle^ dient oder einen gemeinwirtschaftlichen Nutzen bezweckt. (2) Sie erfolgt: 1. durch Genehmigung der Satzung auf Grund eines einstimmigen Beschlusses der Be­ teiligten;^ 2. durch Genehmigung der Satzung auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit unter zwangsweiser Heranziehung der Minderheit;^ 3. durch Erlaß der Satzung ohne Zustimmung der 2ReIji:l)ett.91 § 298. Ist die Satzung genehmigt oder erlassen, so kann nicht mehr geltend gemacht werden, daß eine Voraussetzung für ihre Genehmigung oder ihren Erlaß nicht vorgelegen habe. § 299. (i) Die Genossenschaft ist rechtsfähig. (2) Sie muß ihren Sitz in Preußen haben. § 219. Der Genossenschaft können außer den jeweiligen Eigentümern der bei dem Unternehmen beteiligten Grundstücke, Bergwerke und gewerblichen Anlagen nur diejenigen Wasser­ genossenschaften sowie Kommunal-, Deich- und Fischereiverbände, die an dem Unternehmen ein Interesse haben, als Genossen angehören. Den Eigentümern stehen die Erbbauberechtigten gleich. § 211. (i) Für den Beitritt von Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechtes ist die Genehmigung des Staates nicht erforderlich. (2) Lehns- und Fideikommißbesitzer sind befugt, ohne Zustimmung der Anwärter der Genossenschaft beizutreten. § 212. (i) Die Genossenschaft muß einen Vorstand haben. Dieser kann aus einer Person oder aus mehreren Personen bestehen, von denen eine den Vorsitz führt. (2) Der Vorstand vertritt die Genossenschaft gerichtlich und außergerichtlich. Er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Umfang seiner Vertretungsmacht kann durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden. Er führt die Verwaltung der Genossenschaft, sofern nicht einzelne Geschäfte durch Gesetz oder Satzung dem Vorsitzenden des Vorstandes oder der Mitgliederversammlung überwiesen sind. (3) Der Vorsitzende des Vorstandes, der sich als solcher ausweist, bedarf zur Vertretung des Vorstandes vor den Prozeßgerichten und den Verwaltungsgerichten keiner besonderen Vollmacht. 89 D. i. nach der Begr. eine besondere Kultivierung von Hochmoor. 90 Vgl. §§ 238 ff. - 91 Vgl. §§ 245 ff.

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VI. Abschn.

Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

(4) Abgesehen von den Fällen des § 275 Abs. 1, 2 und des § 278 Abs. 1 Nr. 1 kann durch die Satzung bestimmt werden, daß an die Stelle der Mitgliederversammlung ein von den Genossen zu wählender Ausschuß tritt.

§ 213. Tie Rechtsverhältnisse der Genossenschaft und der Genossen richten sich, soweit sie nicht in diesem G. geregelt sind, nach der Satzung. § 214. (i) Tie Satzung muß Bestimmungen enthalten über: 1. den Namen und Sitz der Genossenschaft; 2. den Genossenschaftszweck unter Bezugnahme auf den Plan des Unternehmens; 3. etwaige Änderungen des Planes; 4. die Benutzung und Unterhaltung der genossenschaftlichen Anlagen; 5. die von den Genossen zu übernehmenden Beschränkungen des Grundeigentums und die ihnen sonst obliegenden Verpflichtungen; 6. das Verhältnis der Teilnahme an den Nutzungen und Lasten sowie am Stimmrecht; 7. die Aufstellung des Haushaltsplanes und die Feststellung und Entlastung der Rechnung; 8. die Zusammensetzung und die Wahl des Vorstandes, die Befugnisse des Vorstandes und, wenn der Vorstand aus mehreren Mitgliedern besteht, auch die seines Vorsitzenden, die Formen für den Ausweis der Vorstandsmitglieder und die Beurkundung ihrer Beschlüsse; 9. die Voraussetzungen und die Form für die Zusammenberufung der Mitgliederver­ sammlung oder des an ihre Stelle tretenden Ausschusses und die Beurkundung ihrer Beschlüsse; 10. die Gegenstände, die der Beschlußfassung der Mitgliederversammlung oder des Ausschusses unterliegen sollen; 11. die Zusammensetzung und die Wahl der Schaukommissionen (§ 237); 12. die Form für die Bekanntmachungen der Genossenschaft; 13. die öffentlichen Blätter, in welche die Bekanntmachungen aufzunehmen sind, soweit sie nach dem G., der Satzung oder den Beschlüssen der Genossenschaftsorgane durch öffentliche Blätter zu ergehen haben. (2) Der Satzung ist ein Verzeichnis der beteiligten Grundstücke, Bergwerke und gewerb­ lichen Anlagen mit Angabe der jeweiligen Eigentümer sowie der beteiligten Verbände bei­ zufügen. Das Verzeichnis ist auf dem laufenden zu erhalten. § 215. Durch die Satzung können Vorschriften über die Bildung eines Schiedsgerichts getroffen werden, das bei Streitigkeiten über genossenschaftliche Angelegenheiten auf An­ rufen beider Parteien zu entscheiden hat. § 216. In Genossenschaften mit mehr als zwei Mitgliedern darf kein Genosse mehr als zwei Fünftel aller Stimmen führen. § 217. (i) Die Genossenschaft steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Aufsicht beschränkt sich auf die ordnungsmäßige Ausführung, Unterhaltung und Wiederherstellung der genossenschaftlichen Anlagen sowie darauf, daß die Angelegenheiten der Genossenschaft in Übereinstimmung mit den Gesetzen und der Satzung verwaltet werden. (3) Tie Aufsicht wird bei den Genossenschaften, die ausschließlich zu einem der im § 206 Nr. 1 bis 6 bezeichneten Zwecke gebildet werden sowie im Falle des § 206 Nr. 9, wenn es sich nicht um eine Talsperre (§ 106) und im Falle des § 206 Nr. 13, wenn es sich nicht um einen Wasserlauf erster Ordnung handelt, durch den Landrat als Vorsitzenden des Kreisausschusses, in Stadtkreisen durch die Ortspolizeibehörde, in zweiter Instanz durch den Re­ gierungspräsidenten, bei den übrigen Genossenschaften durch den Regierungspräsidenten, in zweiter Instanz durch den Oberpräsidenten geführt. Zuständig ist diejenige Behörde, in deren Bezirk die Genossenschaft ihren Sitz hat. (4) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, ihre Anordnungen unmittelbar durchzusetzen?? 92 und zwar mit den Zwangsmitteln aus §§ 132 ff. LVG.

5. Wassergesetz.

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§ 218. Kommt die durch die Satzung vorgeschriebene Wahl des Vorstandes oder einzelner Mitglieder trotz der Aufforderung der Aufsichtsbehörde nicht zustande, so ist diese befugt, für die fehlenden Mitglieder Vertreter zu bestellen, die bis zur ordnungsmäßigen Wahl der fehlenden Mitglieder deren Obliegenheiten wahrzunehmen haben. Die Aufsichtsbehörde kann eine angemessene Entschädigung für sie festsetzen. § 219. (i) Unterläßt oder verweigert es die Genossenschaft, die ihr gesetz- oder satzungsmäßig obliegenden, von einer Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen und Ausgaben in den Haushaltsplan aufzunehmen oder außerordentlich zu ge­ nehmigen, so kann die Aufsichtsbehörde unter Anführung der Gründe die Aufnahme in den Haushaltsplan oder die Feststellung der außerordentlichen Ausgabe und die Anziehung der erforderlichen Beiträge verfügen.^ (2) Gegen die Verfügung steht der Genossenschaft binnen zwei Wochen die Klage beim Bezirksausschuß zu. Ist der Regierungspräsident Aufsichtsbehörde, so hat er für das Berwaltungsstreitverfahren einen Kommissar zu bestellen, der ihn in allen Rechtshandlungen zu vertreten hat. § 220. (i) Zur Veräußerung von Grundstücken oder zur Aufnahme von Anleihen, mit Ausnahme solcher, durch die der Schuldenbestand nicht vermehrt wird, bedarf die Genossen­ schaft der Genehmigung des Kreis(Stadt)ausschusses und, wenn die Genossenschaft in erster Instanz der Aufsicht des Regierungspräsidenten untersteht, des Bezirksausschusses. (2) Durch die Satzung kann eine Genehmigung auch für andere Fälle vorgeschrieben werden. § 221. Der Aufsichtsbehörde muß auf Verlangen Einsicht in die Akten der Genossenschaft gewährt und Abschrift des Haushaltsplans und des Rechnungsabschlusses sowie der Niederschriften der Schaukommission94 und der Verhandlungen des Vorstandes und der Mitglieder­ versammlung (des Ausschusses) überreicht werden. Sie ist befugt, außerordentliche Prü­ fungen der Genossenschaftskasse und der gesamten Genossenschaftsverwaltung zu veranlassen und an den Schauen und an den Versammlungen des Vorstandes sowie an den Sitzungen der Mitgliederversammlung (des Ausschusses) persönlich oder durch Beauftragte teilzunehmen. § 222. (i) Die Genossenschaft ist berechtigt, auf den zu ihr gehörenden Grundstücken die zur Erfüllung des Genossenschaftszwecks erforderlichen Anlagen herzustellen und zu erhalten. (2) Im Streitfall beschließt die Aufsichtsbehörde, ob eine Anlage zur Erfüllung des Ge­ nossenschaftszwecks erforderlich ist. Gegen den Beschluß ist binnen zwei Wochen die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zweiter Instanz zulässig. (3) Die Genossen können von der Genossenschaft Ersatz verlangen für den Nachteil, der für ihre Grundstücke, Bergwerke oder gewerblichen Anlagen unter Berücksichtigung der ihnen aus den Anlagen erwachsenden Vorteile entsteht. Beträgt die Ersatzsumme mehr als einhundert Mark, so sind Art. 52 und 53 Abs. 1 des EinfG. z. BGB. sowie der § 47 des Enteignungsg. v. 11. Juni 1874 (GS. 221) anzuwenden. (4) Den Pächtern und anderen Nutzungsberechtigten stehen solche Entschädigungsansprüche gegen die Genossenschaft nicht zu. § 223. Für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft haftet ihr Vermögen.^ Soweit daraus Gläubiger der Genossenschaft nicht befriedigt werden können, muß der Schuldbetrag durch Beiträge aufgebracht werden, die von dem Vorstand nach dem in der Satzung fest­ gesetzten Teilnahmemaßstab umzulegen fiitb.96 § 224. (i) Die Genossenschaftslasten sind öffentliche Lasten. Sie haften auf den bei dem Unternehmen beteiligten Grundstücken und Bergwerken in dem durch das Teilnahmeverhält­ nis (§ 214 Nr. 6) festgesetzten Umfang. 93 Sog. Zwangsetatisierung. " Vgl. § 237. Aufsichtsbehörde: § 217 Abs. 3. 95 D. h. nie unmittelbar das Vermögen der Genossen. 96 und nötigenfalls, ebenso wie alle anderen Genossenschaftslasten (§ 224), im VerwaltungsZwangsverfahren beigetrieben werden können, § 226 Abs. 2 letzter Satz und § 229.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

(2) Die ausgeschiedenen Genossen bleiben für die bis zu ihrem Austritt umgelegten Bei­ träge verhaftet. § 225. (l) Tie Teilnahme an den Genossenschaftslasten ist nach dem Maßstab des für die Genossen aus den Genossenschaftsanlagen erwachsenden Borteils zu regeln. Bei Ge­ nossenschaften zur Reinhaltung eines Gewässers bestimmt sich die Teilnahme an den Genossenschaftslasten vorzugsweise nach dem Maßstab der von den einzelnen Genossen hervorgerufenen Verunreinigung und der zur Beseitigung dieser Verunreinigung dienenden Auf­ wendungen der Genossenschaft. (2) Das Stimmrecht der Genossen ist nach dem Verhältnis ihrer Teilnahme an den Genossenschaftslasten festzustellen. Jeder beitragspflichtige Genosse muß mindestens eine Stimme haben. (3) Durch einstimmigen Beschluß der zur Absümmung erschienenen Beteiligten kann ein anderer als der in den Vorschriften des Abs. 1 und des Abs. 2 Satz 1 festgestellte Maßstab bestimmt werden. § 226. (i) Streitigkeiten über die Zugehörigkeit zur Genossenschaft werden im Verwaltungsstreitverfahren entschieden. (2) Gegen die Heranziehung und Veranlagung zu den Genossenschaftslasten steht den Jnanspruchgenommenen binnen vier Wochen der Einspruch zu. Über den Einspruch beschließt der Vorstand. Gegen den Beschluß kann binnen zwei Wochen die Klage im Ver­ waltungsstreitverfahren erhoben werden,^ sofern nicht das Schiedsgericht (§ 215) von beiden Parteien angerufen wird. Die Klage hält die Vollstreckung des Beschlusses nicht auf. (3) Zuständig ist der Bezirksausschuß. § 227. (i) Der Vorstand und, wenn dieser aus mehreren Personen besteht, auch sein Vorsitzender sind berechtigt, Anordnungen, die sie in Ausübung der ihnen zustehenden Befugnisse gegen einzelne Genossen richten, durch folgende Zwangsmittel^ durchzusetzen: 1. Ist eine Handlung zu erzwingen, die ein Dritter ausführen kann, so können sie die Aus­ führung veranlassen und den vorläufig zu bestimmenden Kostenbetrag im Zwangs­ wege von dem Verpflichteten einziehen. 2. Steht es fest, daß der Verpflichtete nicht imstande ist, die aus der Ausführung durch einen Dritten entstehenden Kosten zu tragen, oder ist eine nicht durch einen Dritten ausführbare Handlung oder eine Unterlassung zu erzwingen, so können sie Geldstrafen bis zu dreißig Mark festsetzen. Die Strafgelder fließen in die Genossenschaftskasse. (2) Der Anwendung der Zwangsmittel muß eine schriftliche Androhung vorausgehen; Ln dieser ist, wenn eine Handlung erzwungen werden soll, eine Frist zu bestimmen, innerhalb deren die Handlung auszuführen ist. § 228. (i) Gegen die Anordnungen des Vorstandes und seines Vorsitzenden und gegen die Androhung eines Zwangsmittels ist die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde, gegen deren Bescheid die weitere Beschwerde an die höhere Aufsichtsbehörde und gegen deren Bescheid die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte zulässig.^ Tie Klage kann nur darauf gestützt werden 1. daß die angefochtene Anordnung durch Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes, insbesondere auch der von den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen, den Kläger in seinen Rechten verletze; 2. daß die tatsächlichen Voraussetzungen nicht vorhanden seien, die den Vorstand oder seinen Vorsitzenden zum Erlaß der Anordnung oder zur Androhung des Zwangsmittels berechtigt haben würden. 0) Das gegen die Androhung eines Zwangsmittels gerichtete Rechtsmittel erstreckt sich zugleich auf die Anordnung, um deren Ausführung es sich handelt, wenn sie nicht bereits Gegenstand eines besonderen Beschwerdeverfahrens geworden ist. 97 Das Rechtsmittelverfahren entspricht also insoweit dem der §§ 09 ff. KAbgG. 98 Das Zwangsmittelverfahren ist dem der §§ 132 ff. LBG. nachgebildet. 99 Vgl. § 127 LVG.

5i Wassergesetz.

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(3) Die Beschwerde gegen den Vorstand oder seinen Vorsitzenden ist bei diesem, die weitere Beschwerde bei der Behörde, gegen deren Bescheid sie sich richtet, anzubringen. (4) Die Frist zur Einlegung der Beschwerde und der weiteren Beschwerde sowie zur Erhebung der Klage gegen den auf die Beschwerde erlassenen Bescheid beträgt zwei Wochen. (s) Wird die Beschwerde oder die weitere Beschwerde der Vorschrift des Abs. 3 zuwider innerhalb der gesetzlichen Frist bei der Behörde angebracht, die zur Beschlußfassung darüber zuständig ist, so gilt die Frist als gewahrt. (ß) Gegen die Festsetzung und Ausführung eines Zwangsmittels ist nur die Beschwerde im Aufsichtswege innerhalb zwei Wochen zulässig.

§ 229. (i) Rückständige Beiträge sowie die im § 227 erwähnten Strafen und Kosten können im Berwaltungszwangsverfahren beigetrieben toerben.100 Die zuständige Voll­ streckungsbehörde wird durch die Aufsichtsbehörde bestimmt. Das Beitreibungsverfahren kann auch gegen die Pächter und anderen Nutzungsberechtigten der einer Genossenschaft angehörenden Grundstücke, Bergwerke und gewerblichen Anlagen gerichtet werden. (2) Zu den Nutzungsberechtigten gehören auch die Mieter der an die Genossenschaft angeschlossenen gewerblichen Anlagen sowie der gesonderten Arbeitsstellen in diesen Anlagen. Gegen den Mieter gesonderter Arbeitsstellen ist das Verwaltungszwangsverfahren nur wegen des auf seine Arbeitsstelle entfallenden Beitrags zulässig. § 230. (i) Der Vorstand hat die Mitgliederversammlung (den Ausschuß) einzuberufen, sobald das Interesse der Genossenschaft es erfordert oder ein Drittel der Genossen es unter Angabe des Zweckes schriftlich beantragt. (2) Wenn der Vorstand dem Antrage binnen zwei Monaten nicht stattgegeben hat, so liegt die Einberufung der Aufsichtsbehörde ob. § 231. Die Aufsichtsbehörde ist befugt, Mitglieder des Vorstandes, die sich einer groben Pflichtverletzung schuldig machen, ihres Amtes zu entsetzen. Die auf Amtsentsetzung lautende Verfügung kann binnen zwei Wochen durch Klage bei dem Oberverwaltungsgericht ange­ fochten werden. Bis zur Entscheidung über die Klage bleibt das Vorstandsmitglied von den Amtsgeschäften enthoben. § 232. Im Einverständnis mit der Genossenschaft können neue Mitglieder eintreten oder bisherige ausscheiden. Es bedarf jedoch hierzu der Genehmigung der Aufsichtsbehörde; diese hat beim Ausscheiden von Mitgliedern auch das Interesse der Gläubiger zu berück­ sichtigen. § 233. (i) Die Genossenschaft ist verpflichtet, Eigentümer von Grundstücken, Bergwerken und gewerblichen Anlagen sowie Wassergenossenschaften oder andere Verbände (§ 210) auf ihr Verlangen in die Genossenschaft aufzunehmen, wenn der von der Genossenschaft verfolgte Zweck auch für sie nur durch Anschluß an die genossenschaftlichen Anlagen und deren Mitbenutzung erreichbar ist und die Anlagen, nötigenfalls nach entsprechendem Ausbau, den gemeinsamen Bedürfnissen genügen. (2) Der neu hinzutretende Genosse hat jedoch die besonderen Kosten der zum Anschluß an die genossenschaftlichen Anlagen und zu ihrer Mitbenutzung herzustellenden Einrichtungen zu tragen. § 234. (i) Das Ausscheiden von Grundstücken, Bergwerken oder gewerblichen Anlagen kann von der Genossenschaft gegen den Willen der Eigentümer verlangt werden, wenn sonst die Erreichung des Genossenschaftszwecks gefährdet werden würde. (2) Dem Ausscheidenden ist Entschädigung zu leisten; eine Werterhöhung, die das Grund­ stück, das Bergwerk oder die gewerbliche Anlage erst infolge des genossenschaftlichen Unter­ nehmens gewinnen würden, kommt jedoch bei der Bemessung der Entschädigung nicht in Anschlag. 100 Vgl. Anm. 96. — Kgl. Vg., bett. das Berwaltungszwangsverfahren, v. 15. Nov. 1899, ab­ gedruckt oben Abschn. II Nr. 7.

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VI. Abschn.

Agrar-, Wasser- und Iagdrecht.

§ 235. Über Streitigkeiten in den Fällen des § 233 und des § 234 Abs. 1 entscheidet der Bezirksausschuß im Berwaltungsstreitverfahren. t£§ 230. Haben Eigentümer von Grundstücken, Bergwerken oder gewerblichen Anlagen sowie Wassergenossenschaften oder andere Verbände (§ 210), ohne Genossen zu sein, dadurch Vorteil, daß sie den Betrieb von Anlagen auf bte Ausnutzung der durch die Genossenschafts­ anlagen geschaffenen günstigeren Wasserverhältnisse einrichten, so ist die Genossenschaft befugt, ihnen die durch das genossenschaftliche Unternehmen ermöglichte bessere Benutzung zu untersagen, wenn infolge dieser Benutzung die genossenschaftlichen Anlagen für die Be­ dürfnisse der Genossenschaft nicht mehr ausreichen. Dasselbe gilt, wenn Genossen die gün­ stigeren Wasserverhältnisse für andere als die zur Genossenschaft gehörenden Grundstücke, Bergwerke oder gewerblichen Anlagen nutzbar machen. § 237. Die Genossenschaftsanlagen sind mindestens einmal im Jahre zu schauen. Ter Schaukommission sollen außer dem Vorstand oder einzelnen seiner Mitglieder auch noch andere Genossen angehören. 2. Titel.

Genossenschaften mit Zulässigkeit des Beitrittszwanges?or

§ 238. (i) Soll eine Genossenschaft zu einem der im § 206 Nr. 1 bis 5, 9, 11, 12 ober 14 bezeichneten Zwecke gebildet werden, so können widersprechende Eigentümer der bei ihr zu beteiligenden Grundstücke, Bergwerke und gewerblichen Anlagen sowie Wassergenossenschäften und andere Verbände (§ 210) zum Beitritt gezwungen werden, wenn 1. das Unternehmen zweckmäßig nur auf genossenschaftlichem Wege durchgeführt werden kann; 2. die Mehrheit der Beteiligten der Genossenschaftsbildung zustimmt und 3. das Unternehmen unter Berücksichtigung der Genossenschaftslasten für die Grund­ stücke, Bergwerke und gewerblichen Anlagen der Widersprechenden sowie für die wider­ sprechenden Wassergenossenschaften und anderen Verbände (§ 210) Vorteile in Aus­ sicht stellt, bei einer Genossenschaft zur Reinhaltung auch, wenn das Unternehmen zur Beseitigung der von ihnen hervorgerufenen Verunreinigung dient. (•2) Die Mehrheit berechnet sich, wenn nur Grundstücke beteiligt sind, sowohl nach der Fläche als auch nach dem Grundsteuerreinertrag oder, wenn die Grundstücke sämtlich einem Auseinandersetzungsverfahren unterliegen und in diesem besonders abgeschätzt sind, nach dem so ermittelten Werte oder Ertrage. Sind Bergwerke, gewerbliche Anlagen, Wassergenossenschaften oder andere Verbände (§ 210) allein oder neben Grundstücken beteiligt, so berechnet sich die Mehrheit nach dem vorläufig festgestellten Vorteil (§ 252); soll in diesem Falle ein Beitrittszwang gegen widersprechende Eigentümer von Grundstücken ausgeübt werden, so bedarf es außerdem der Mehrheit der beteiligten Grundstückseigentümer, be­ rechnet nach Satz 1. (3) Als Vorteil im Sinne des Abs. 1 Nr. 3 gilt auch die Möglichkeit, das Unternehmen durch zweckentsprechende und wirtschaftlich gerechtfertigte Anlagen oder Einrichtungen aus­ zunutzen. (4) Eigentümer von Grundstücken, für die das Unternehmen keinen Vorteil in Aussicht stellt, können zum Beitritt gezwungen werden, soweit es im Interesse der Beschaffung oder Erhaltung der Vorflut oder zur Durchleitung von Entwässerungs- oder Bewässerungsanlagen erforderlich ist. Solche Grundstücke sind von allen Genossenschaftslasten befreit. Erleiden sie Schaden, so ist er von der Genossenschaft zu ersetzen. Über die Entschädigungsansprüche beschließt der Bezirksausschuß. Gegen dessen Beschluß kann binnen drei Monaten der Rechts­ weg beschritten werden. 101 Streng zu unterscheiden von den Zwangsgenossenschaften, die auch gegen den Willen aller Beteiligten gebildet werden können, während der Zwang nach § 238 sich immer nur gegen einzelne Privatpersonen oder Verbände und nur beim Vorliegen aller unter Nr. 1—3 des Abs. 1 und Satz 2 des Abs. 2 genannten Voraussetzungen richten und nur die im Vordersatze des § 238 Abs. 1 bezeich­ neten Zwecke verfolgen kann. Wegen der Bildung solcher Genossenschaften s. §§ 254 Abs. 2 und 270.

5. Wassergesetz.

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§ 23S. (i) Ergibt sich, daß das ausgeführte Unternehmen einem Grundstück, einem Berg­ werk, einer gewerblichen Anlage, einer Wassergenossenschaft oder einem anderen Verbände (§ 210) keinen Vorteil gewährt, so kann der Genosse für die Dauer des Zustandes der Ge­ nossenschaft gegenüber den Erlaß der Genossenschaftsbeiträge verlangen, bei Genossenschaften zur Reinhaltung von Gewässern jedoch nur, soweit die Heranziehung wegen des ihm aus den Genossenschaftsanlagen erwachsenden Vorteils erfolgt ist. Soweit bei letzteren Genossen­ schaften ein Genosse wegen der von ihm hervorgerufenen Verunreinigung zu Beiträgen herangezogen ist, kann er den Erlaß der Beiträge verlangen, wenn sich ergibt, daß er zu der Verunreinigung nicht beiträgt. (2) Werden die Ansprüche vom Vorstand nicht als berechtigt anerkannt, so sind sie im Wege des Einspruchs gegen die Heranziehung zu den Genossenschaftslasten nach § 226 Abs. 2 geltend zu machen, doch kann die Entscheidung über den Einspruch nicht in der Satzung einem Schiedsgericht übertragen werden. § 246. (i) Ergibt sich, daß ein Grundstück, abgesehen von dem Falle des § 238 Abs. 4, oder ein Bergwerk oder eine gewerbliche Anlage, dauernden Nachteil von dem ausgeführten Unternehmen hat, so kann der Genosse deren Ausscheiden aus der Genossenschaft ver­ langen.^ (r) Soweit der Erwerb des ausscheidenden Grundstücks zur Durchführung der Genossen­ schaftszwecke erforderlich ist, kann der Genossenschaft das Recht zur Enteignung nach dem Enteignungsg. v. 11. Juni 1874 (GS. 221) gewährt werden. Über die Gewährung des Enteignungsrechts entscheidet der Bezirksausschuß durch einen mit Gründen versehenen Beschluß. Der Beschluß kann binnen zwei Wochen durch Beschwerde bei dem Minister der öffentlichen Arbeiten angefochten werden. Die Gewährung des Enteignungsrechts durch den Vorsitzenden nach § 117 des LVG. v. 30. Juli 1883 (GS. 195) ist nicht zulässig. § 241. In den Fällen der §§ 239, 240 bleiben bei der Ermittelung, ob ein Grundstück, ein Bergwerk oder eine gewerbliche Anlage keinen Vorteil oder Nachteil von dem Unternehmen hat, die darauf entfallenden Genossenschaftsbeiträge unberücksichtigt. § 242. (i) Haben Eigentümer von Grundstücken, Bergwerken oder gewerblichen An­ lagen, Wassergenossenschaften, oder andere Verbände (§ 210), ohne Genossen zu sein, oder haben Genossen mit anderen als den zur Genossenschaft gehörenden Grundstücken, Bergwerken oder Anlagen von den ausgeführten Genossenschaftsanlagen Vorteil oder tragen sie zur Verunreinigung eines Gewässers bei, zu dessen Reinhaltung die Genossenschaft gebildet ist, so können sie vom Genossenschaftsvorstand nach Anhörung zu Beiträgen gemäß den für die Genossen geltenden Bestimmungen herangezogen werden. Die Beiträge dürfen, soweit sie wegen des den Herangezogenen aus den Genossenschaftsanlagen erwachsenden Vorteils erhoben werden, diesen Vorteil nicht übersteigen.102 (2) Die Genossenschaft ist in diesem Falle verpflichtet, die herangezogenen Eigentümer und Verbände auf ihr Verlangen in die Genossenschaft aufzunehmen. § 243. Über Streitigkeiten in den Fällen des § 240 Abs. 1 und des § 242 entscheidet der Bezirksausschuß im Berwaltungsstreitverfahren. § 244. (i) Liegen die Voraussetzungen des § 233 Abs. 1 für mehrere Grundstücke, Berg­ werke, gewerbliche Anlagen, Wassergenossenschaften oder andere Verbände (§ 210) vor, wollen aber nicht alle Eigentümer oder Verbände in die Genossenschaft eintreten, so können die Widersprechenden für verpflichtet erklärt werden, der Genossenschaft beizutreten, wenn der Beitritt unter Berücksichtigung der dadurch entstehenden Kosten und der Genossenschafts­ beiträge Vorteile für sie in Aussicht stellt und wenn die Aufnahme aller beteiligten Eigen­ tümer und Verbände in die Genossenschaft von der Mehrheit dieser Eigentümer und Ver­ bände, nach § 238 Abs. 2 berechnet, beantragt wird. (2) Auf das Verfahren sind die Vorschriften der §§ 248 ff. über das Verfahren zur Bildung von Genossenschaften entsprechend anzuwenden. 102 Bei Streitigkeiten: § 243.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

(3) Die nach § 254 zu wählenden Bevollmächtigten haben die Gesamtheit der Beteiligten bei den Berhandlungen mit der Genossenschaft oder in einem etwaigen Berwaltungsstreitverfahren nach den §§ 233, 235 zu vertreten.

3. Titel.

Zwangsgenossenschaften.^

§ 245. (i) Genossenschaften können ohne Zustimmung der Beteiligten gebildet werden: 1. zur Unterhaltung natürlicher Wasserläuse zweiter Ordnung, wenn nicht die Voraus­ setzungen des § 116 vorliegen; 2. zur Unterhaltung natürlicher Wasserläufe zweiter Ordnung in den Fällen des § 118 Abs. 2; 3. zur Unterhaltung natürlicher Wasserläufe dritter Ordnung in den Fällen des § 118 Abs. 2; 4. zur Beseitigung von Hindernissen des Hochwasserabflusses, wenn sie zur Verhütung von Hochwassergefahr notwendig ist; 5. zur Reinhaltung von Gewässern, wenn schwerwiegenden Mißständen auf andere Weise nicht abgeholfen werden kann. (2) Zu einer Genossenschaft der im Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Art sind die Eigen­ tümer der Grundstücke, Bergwerke und gewerblichen Anlagen, sowie die Wassergenossen­ schaften oder anderen Verbände (§ 210) heranzuziehen, denen die ordnungsmäßige Unter­ haltung des Wasserlaufs zum Vorteil gereicht. Als Vorteil gilt auch die Möglichkeit, das Unternehmen durch zweckentsprechende und wirtschaftlich gerechtfertigte Anlagen oder Ein­ richtungen auszunutzen. (3) Eine Genossenschaft der im Abs. 1 Nr. 4 bezeichneten Art ist aus den Eigentümern der Grundstücke, Bergwerke und gewerblichen Anlagen, den Wassergenossenschaften und den anderen Verbänden (§ 210) zu bilden, die von der Hochwassergefahr bedroht sind. 0) Eine Genossenschaft der im Abs. 1 Nr. 5 bezeichneten Art ist aus den Eigentümern der Grundstücke, Bergwerke und gewerblichen Anlagen, den Wassergenossenschaftcn und den anderen Verbänden (§ 210) zu bilden, die zur Verunreinigung eines Gewässers beitragen oder denen aus den Anlagen der Genossenschaft Vorteile erwachsen. Reichen die vorhandenen Gewässer zur unschädlichen Abführung der Schmutzwässer nicht aus, so kann in dem Plane des von der Genossenschaft durchzuführenden Unternehmens auch die Anlegung von Kanälen zur Ableitung der Schmutzwässer vorgesehen werden. § 246. Tie §§ 239 bis 244 sind entsprechend anzuwenden. § 247. (i) Unterläßt der Vorstand einer Zwangsgenossenschaft (§ 245) trotz Aufforderung der Aufsichtsbehörde, für die ordnungsmäßige Ausführung, Unterhaltung oder Wieder­ herstellung der genossenschaftlichen Anlagen Sorge zu tragen, so kann die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der Genossenschaftsversammlung die Geschäfte des Vorstandes dem Vor­ stand einer Gemeinde, deren Gemarkung ganz oder zum Teil zum Gebiete der Genossenschaft gehört, übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann für den Gemeindevorstand eine angemessene Entschädigung festsetzen. Gegen die Verfügung, durch welche dem Gemeindevorstande die Führung der Geschäfte des Genossenschaftsvorstandes übertragen wird, findet nur die Be­ schwerde an die Aufsichtsbehörde zweiter Instanz (§ 217 Abs. 3) statt. (2) Vor der ordentlichen Neuwahl zum Genossenschaftsvorstand ist die GenossenschaftsVersammlung jedesmal darüber zu hören, ob die Führung der Geschäfte des Genossenschafts. Vorstandes noch weiterhin dem Gemeindevorstande zu belassen ist. 4. Titel. Verfahren zur Bildung von Genossenschaften. § 248. Das Verfahren zur Bildung einer Genossenschaft wird durch den Regierungs­ präsidenten geleitet. Liegt das Genossenschaftsgebiet in mehreren Regierungsbezirken, so 103 über den Unterschied von den „Genossenschaften mit Beitrittszwang" und den „freiwilligen Genossenschaften" s. Anm. 101 und § 207.

5. Wassergesetz.

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wird der zuständige Regierungspräsident durch den Oberpräsidenten, wenn mehrere Provinzen beteiligt sind, durch den zuständigen Minister endgültig bestimmt. § 249. (i) Das Verfahren zur Bildung der Genossenschaft kann von Amts wegen oder auf Antrag eingeleitet werden. Dem Verfahren ist ein Plan zugrunde zu legen, der enthalten muß: 1. die erforderlichen Zeichnungen und Erläuterungen; 2. einen Kostenanschlag des Unternehmens; 3. die Bezeichnung der an der Genossenschaft zu beteiligenden Grundstücke, Bergwerke und gewerblichen Anlagen sowie der dazu heranzuziehenden Wassergenossenschaften oder anderen Verbände (§ 210). (2) Dem Plane sind zur Vorbereitung der Abstimmung beizufügen: wenn Grundstücke be­ teiligt sind, die zur Ermittelung der Fläche und des Grundsteuerreinertrags nötigen Katasterauszüge, oder wenn die Grundstücke sämtlich einem Auseinandersetzungsverfahren unter­ liegen und in diesem besonders abgeschätzt sind, Auszüge aus den hierbei ausgestellten Ver­ zeichnissen über den Wert oder Ertrag der Grundstücke. Sollen Bergwerke, gewerbliche Anlagen, Wassergenossenschaften oder andere Verbände an der Genossenschaft beteiligt werden, so bedarf es eines Voranschlags des von dem Unternehmen zu erwartenden Vorteils unb der Angabe des Maßstabs, nach dem dieser Vorteil auf die Grundstücke, Bergwerke, ge­ werblichen Anlagen und Verbände verteilt werden soll. (3) Wird das Verfahren auf Antrag eingeleitet, so hat der Antragsteller auf Verlangen des Regierungspräsidenten den Plan und die im Abs. 2 bezeichneten Unterlagen einzureichen. § 250. (i) Auf Antrag kann der Bezirksausschuß beschließen, daß die Besitzer von Grund­ stücken Vorarbeiten,^ die zur Vorbereitung der Genossenschaftsbildung erforderlich sind, dulden müssen. Der ihnen hierdurch etwa erwachsende Schaden ist zu vergüten. Zur Sicher­ stellung der Entschädigung kann der Bezirksausschuß vor Beginn der Arbeiten vom Antrag­ steller eine Sicherheit bestellen lassen und deren Höhe bestimmen. (2) Die Gestattung der Vorarbeiten wird von dem Bezirksausschuß in dem für seine öffent­ lichen Bekanntmachungen bestimmten Blatte bekanntgemacht. Von jeder Vorarbeit hat der Antragsteller unter Angabe von Zeit und Ort mindestens zwei Tage vorher den Gemeinde(Guts)vorstand in Kenntnis zu setzen. Dieser hat die beteiligten Grundbesitzer davon beson­ ders oder in ortsüblicher Weise allgemein zu benachrichtigen und ist ermächtigt, dem Antrag­ steller auf dessen Kosten einen beeideten Sachverständigen zur Seite zu stellen, um Be­ schädigungen sogleich festzustellen und abzuschätzen. Der abgeschätzte Schaden ist, vorbehalt­ lich anderweiter Feststellung im Rechtswege, den Berechtigten sofort auszuzahlen, widrigen­ falls der Gemeinde(Guts)vorstand auf Antrag des Beteiligten die Fortsetzung der Vorarbeiten zu hindern verpflichtet ist. (3) Zum Betreten von Gebäuden und eingefriedigten Hof- oder Gartenräumen bedarf der Antragsteller, soweit dazu der Grundbesitzer seine Einwilligung nicht ausdrücklich er­ teilt, in jedem einzelnen Falle einer besonderen Erlaubnis der Ortspolizeibehörde. Diese hat die Besitzer zu benachrichtigen und zur Offenstellung der Räume zu veranlassen. (4) Eine Zerstörung von Baulichkeiten jeder Art und ein Fällen von Bäumen ist nur zu­ lässig, nachdem der Bezirksausschuß dies durch Beschluß genehmigt hat. (5) Der Beschluß ist endgültig. § 251. (1) Ist der Antrag auf Einleitung des Verfahrens offenbar unzulässig, undurch­ führbar oder unzweckmäßig, so kann er ohne weiteres durch einen mit Gründen versehenen Bescheid^ zurückgewiesen werden. (2) Anderenfalls ernennt der Regierungspräsident einen Kommissar zur Verhandlung mit den Beteiligten. Dasselbe gilt, wenn das Verfahren von Amts wegen eingeleitet wer­ den soll. § 252. Der Kommissar hat die Satzung zu entwerfen, die im § 249 bezeichneten Unterl0* Vgl. hierbei § 5 EnteignG. v. 11. Juni 1874, abgedruckt unter Abschn. VIT Des ^'e^erunaspräsidenten.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

agen, soweit sie noch nicht vorhanden sind, zu beschaffen und, wenn nicht nur Grundstücke beteiligt sind, den für die einzelnen Beteiligten aus dem Unternehmen zu erwartenden Bor teil vorläufig festzustellen. Bei Genossenschaften zur Reinhaltung von Gewässern gilt aU Vorteil auch die Beseitigung der von den Beteiligten hervorgerufenen Verunreinigung der Vorteil wird nach dem Umfang der Verunreinigung berechnet. § 253. Der Kommissar hat sodann einen Beschluß der Beteiligten über den Plan und die Bildung der Genossenschaft herbeizuführen. § 254. (i) Wird die Bildung der Genossenschaft beschlossen, so hat der Kommissar dic Beschlußfassung über die Satzung und alle anderen Punkte, bei denen er es für erforderlich erachtet, ferner in den Fällen des § 238 nötigenfalls eine Beschlußfassung über die Anwen düng des Beitrittszwanges zu veranlassen. Zu dem Zwecke können die Beteiligten Bevoll mächtigte wählen. (2) In den Fällen des § 238 können die Widersprechenden verlangen, daß die Zustimmen den und die Widersprechenden getrennt Bevollmächtigte wählen, bereit Zahl dem Verhält nisse der für oder gegen die Genossenschaftsbildung abgegebenen Stimmen anähernd zu entsprechen hat; die Zahl der Bevollmächtigten bestimmt der Kommissar. (3) Die Bevollmächtigten sind befugt, Änderungen des Planes vorzunehmen, wenn nicht ausdrücklich ein anderes beschlossen wird. § 255. Die nach den §§ 253, 254 herbeizuführenden Beschlüsse können in einem Termin oder in mehreren Terminen gefaßt werden. § 256. (i) Beschlüsse der Bevollmächtigten werden mit Stimmenmehrheit gefaßt; jeder Bevollmächtigte hat eine Stimme. (2) Die Bevollmächtigten sind befugt, mit Genehmigung des Kommissars für den Fall der Genehmigung oder des Erlasses der Satzung Verträge int Namen der zu bildenden Ge nossenschaft zu schließen. § 257. Abgesehen von der Beschlußfassung über die Bildung der Genossenschaft genügt bis zur Genehmigung der Satzung zu allen Beschlüssen der Gesamtheit der Beteiligten dic einfache Mehrheit der im Abstimmungstermin Erschienenen. Ausgenommen hiervon ist der Beschluß, durch welchen für die Teilnahme an den Genossenschaftslasten oder für das Stimmverhältnis der Genossen ein anderer als der in § 225 festgestellte Maßstab bestimmt wird. Tie Mehrheit wird nach dem Grundsteuerreinertrag oder dem int Auseinandersetzungsverfahren geschätzten Werte oder Ertrage (§ 249 Abs. 2) der beteiligten Grundstücke, wenn aber bei der Genossenschaft Bergwerke, gewerbliche Anlagen, Wassergenossenschaften oder andere Verbände (§ 210) beteiligt sind, nach dem vorläufig festgestellten Vorteil (§ 252) berechnet. § 258. Wird die Bildung einer Genossenschaft der im § 245 Abs. 1 bezeichneten Arten abgelehnt, so hat der Kommissar die Beteiligten über die Voraussetzungen für die Bildung einer Zwangsgenossenschaft und über die Satzung zu hören. § 259. Tie den Miteigentümern eines Grundstücks, eines Bergwerks oder einer gewerb­ lichen Anlage zustehenden Stimmen gelten als in dem Sinne abgegeben, in dem die Mehr heit der int Abstimmungstermin erschienenen Miteigentümer, berechnet nach der Größe ihrer Anteile, gestimmt hat. § 260. (ij Die Einwendungen der Beteiligten sowie die Voraussetzungen für die An­ wendung des Beitrittszwanges und etwaige Anträge auf Erstattung von Kosten (§ 272 Abs. 3 sind, erforderlichenfalls nach Anhörung oder unter Zuziehung von Sachverständigen, mit den Beteiligten oder den dazu ermächtigten Bevollmächtigten zu erörtern. (2) Werden gegen die vom Kommissar getroffene vorläufige Feststellung des Vorteils Einwendungen erhoben, so hat der Kommissar, soweit sie von der Mehrheit der Beteiligten als berechtigt anerkannt werden, die Feststellung entsprechend zu ändern. Anderenfalls ent­ scheidet der Regierungspräsident. Tie so getroffene Feststellung gilt nur bis zur Genehmigung der Satzung für die erforderlichen Abstimmungen.

5. Wassergesetz.

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§ 261. Die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Verhandlungsterminen liegt dem Kommissar ob. Er kann gegen Beteiligte, Sachverständige oder andere Personen, die sich während der Verhandlungen einer Ungebühr schuldig machen, vorbehaltlich strafgerichtlicher Verfolgung, eine Ordnungsstrafe bis zu zwanzig Mark festsetzen. § 262. Über die Verhandlungen mit den Beteiligten und ihren Bevollmächtigten ist ein Protokoll aufzunehmen. In dieses muß auch die Festsetzung der Ordnungsstrafe (§ 261) und die Veranlassung dazu aufgenommen werden. Das Protokoll ist von dem Kommissar und dem etwa zugezogenen Protokollführer und, wenn Sachverständige vernommen sind, auch von diesen zu unterschreiben. Sind Bevollmächtigte gewählt, so sollen auch diese das Protokoll unterschreiben. § 283. (i) Zu den Verhandlungsterminen sind die dabei Beteiligten spätestens eine Woche vor dem Termin zu laden. In dringenden Fällen kann die Ladungsfrist auf drei Tage ab­ gekürzt werden. In der Ladung sind die Verhandlungsgegenstände anzugeben. (2) Vor der Beschlußfassung über die Satzung ist der Entwurf acht Tage vorher offen­ zulegen und in der Ladung Ort und Zeit der Offenlegung mitzuteilen. (3) Die Ladung ergeht, abgesehen von der Ladung zur Abstimmung über die Bildung einer Genossenschaft, bei der die Ausübung des Beitrittszwanges nicht zulässig ist,106 unter der Verwarnung, daß die Nichterscheinenden oder Nichtabstimmenden als demjenigen zu­ stimmend gelten, wofür die Mehrheit der Stimmen abgegeben wird. § 264. (i) Aus das Verfahren bei der Zustellung der Ladungen sind, soweit sich nicht aus den §§ 265 bis 268 ein anderes ergibt, die Vorschriften der ZPO. über Zustellungen von Amts wegen (§§ 208 bis 213, 166 ff.) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, daß an die Stelle des Gerichtsschreibers der Kommissar oder ein von ihm bestellter Beamter tritt. (2) Zur Bewirkung der Zustellungen kann sich der Kommissar an Stelle der Gerichtsdiener auch anderer Beamter oder vereideter Boten bedienen. § 265. (i) Ist die Ladung an mehrere Personen in einem Gemeinde(Guts)bezirk zuzu­ stellen, so kann dies durch Umlauf geschehen. In diesem Falle ist sie allen Personen, denen sie zuzustellen ist, zur Kenntnisnahme vorzulegen oder vorzulesen und eine beglaubigte Ab­ schrift bei einer in dem Schriftstück zu bezeichnenden Person niederzulegen. Die Nieder­ legung kann bei dem Gemeindevorsteher oder bei einer Person erfolgen, an die der Umlauf gerichtet ist. (2) Die Bestimmungen des § 264 Abs. 2 dieses Gesetzes und der §§ 180 bis 184, 188 bis 191 ZPO. über Ort, Art und Zeit der Zustellung sowie über die Aufnahme der Zustellungsurkunde sind auf die Zustellung durch Umlauf entsprechend anzuwenden. (3) Erfolgt die Zustellung nicht an die Person selbst, der zugestellt werden soll, so ist der Person, der zugestellt ist, eine schriftliche Anzeige über die nach Abs. 1 zu bewirkende Nieder­ legung des zuzustellenden Schriftstücks zu übergeben. Der Vorgang ist in der Zustellungs­ urkunde zu erwähnen. Im Falle verweigerter Kenntnisnahme oder Annahme der Anzeige genügt die Erwähnung der Verweigerung. (4) Erfolgt die Zustellung durch Umlauf, so soll außerdem jedem Beteiligten ein Abdruck der Ladung durch die Post zugesandt werden. § 266. (i) Die Vorschriften des § 174 und des § 175 Abs. 1 Satz 1 ZPO. über die Be­ stellung eines Zustellungsbevollmächtigten sind nicht anzuwenden. An ihre Stelle tritt folgende Bestimmung: (2) Wenn ein Beteiligter weder im Deutschen Reiche wohnt noch einen im Deutschen Reiche wohnhaften Bevollmächtigten bestellt hat, kann der Kommissar die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten binnen einer von ihm zu bestimmenden Frist anordnen. § 267. Die öffentliche Zustellung (§ 204 ZPO.) erfolgt nur durch je einmalige Einrückung der Ladung in den Teutschen Reichsanzeiger und in die Amtsblätter der Regierungen, deren Bezirke bei dem Verfahren beteiligt sind. Eine Anheftung findet nicht statt. 106 Den sog. freiwilligen Wassergenossenschaften, § 207 Abs. 2 Nr. 1 und Anm. 101. Reichelt, Lerwaltungsgejetzbuch. 43

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Iagdrecht.

§ 268. Zu Terminen, die im Verlauf einer Verhandlung vom Kommissar anberaumt werden, ist eine Ladung derjenigen Personen, denen die Anberaumung des Termins zum Protokoll eröffnet ist, nicht erforderlich. § 269. Ter Kommissar hat die Ordnungsmäßigkeit der Ladungen zu bescheinigen. § 270. (i) Im Falle zwangsweiser Heranziehung der Minderheit (§ 207 Abs. 2 Nr. 2, § 238) und bei Bildung einer Zwangsgenossenschaft (§ 207 Abs. 2 Nr. 3, § 245) hat nach Abschluß der Verhandlungen der Bezirksausschuß über das Vorhandensein der Voraus­ setzungen für die Anwendung des Beitrittszwanges, soweit hierüber Streit besteht, zu be­ schließen. (2) Gegen die Beschlüsse des Bezirksausschusses steht den Beteiligten und dem Regierungs­ präsidenten binnen zwei Wochen die Beschwerde an das Landeswasseramt zu. (3) Die Satzung bedarf der Genehmigung des Regierungspräsidenten. Für die Zwangs­ genossenschaften wird sie von ihm erlassen. (4) Die Satzung ist auf Kosten der Genossenschaft in den Amtsblättern der beteiligten Regierungsbezirke bekanntzumachen. Die Bekanntmachung kann auf das Datum der Satzung und die im § 214 Nr. 1, 2, 9, 10, 12, 13 bezeichneten Festsetzungen beschränkt werden. § 271. Nach Bildung der Genossenschaft hat die Aufsichtsbehörde sogleich die Wahl und Einsetzung des Genossenschaftsvorstandes nach den Vorschriften der Satzung zu veran­ lassen. § 272. (i) Die in dem Verfahren vorkommenden Verhandlungen und Geschäfte, ein­ schließlich der von den Gerichten und anderen Behörden vorzunehmenden, sind gebührenund stempelfrei. Zu diesen Geschäften gehört auch die Anfertigung und Beglaubigung von Kataster- und Grundbuchauszügen. (2) Bare Auslagen, die durch zurückgewiesene oder zurückgenommene Anträge oder Ein­ wendungen entstehen, können dem Antragsteller oder dem, der die Einwendungen erhoben hat, auferlegt werden. Von den anderen baren Auslagen trägt die Staatskasse die Reise­ kosten, Reisezulagen und Tagegelder der in dem Verfahren mitwirkenden Staatsbeamten, die übrigen Auslagen die Genossenschaft. (3) Wird die Genossenschaft gebildet, so kann der Regierungspräsident die Erstattung der von dem Antragsteller auf notwendige Vorarbeiten^ zweckdienlich verwendeten baren Auslagen der Genossenschaft zur Last legen, wenn dies vor dem Abschluß der kommissarischen Verhandlungen beantragt ist. § 273. (i) Über Beschwerden, welche die Leitung des Verfahrens durch den Kommissar zum Gegenstand haben, beschließt endgültig der Regierungspräsident. (2) Über Beschwerden gegen Ordnungsstrafen (§ 261) entscheidet der Bezirksausschuß endgültig. Diese Beschwerden sind binnen zwei Wochen zu erheben. § 274. Die Leitung des Verfahrens zur Bildung einer Genossenschaft kann vom OberPräsidenten und, wenn mehrere Provinzen beteiligt sind, von dem zuständigen Minister einer Generalkommission übertragen werden. In diesem Falle tritt sie an die Stelle des Regierungspräsidenten. 5. Titel. Änderung der Satzung. § 275. (i) Eine Änderung der Satzung, durch die ein neuer Genossenschaftszweck ein­ geführt werden soll, bedarf eines einstimmigen Beschlusses der Mitgliederversammlung,107 es sei denn, daß es sich um die Neueinführung eines solchen Zweckes handelt, zu dessen Durch­ führung der Eintritt in eine neu zu bildende Genossenschaft erzwungen werden könnte. In diesem Falle genügt ein Mehrheitsbeschluß der Mitgliederversammlung, berechnet noch § 238 Abs. 2, wenn die übrigen Voraussetzungen des Beitrittszwanges für alle widersprechen­ den Genossen vorliegen. 107 Bei den sog. freiwilligen Genossenschaften (§ 207 Abs. 2 Nr. 1) und ev. bei Genossenschaften mit Beitrittszwang (§ 238).

5. Wassergesetz.

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(2) Eines einstimmigen Beschlusses bedarf ferner eine Änderung der Satzung, durch die für die Teilnahme an den Genossenschaftslasten oder für das Stimmverhältnis der Genossen ein anderer als der im § 225 festgestellte Maßstab bestimmt wird. (3) Andere Satzungsänderungen können, mangels anderweiter Bestimmungen der Satzung, von der Mitgliederversammlung (dem Ausschüsse) mit Stimmenmehrheit beschlossen werden. § 276. Änderungen der Satzungen bedürfen der Genehmigung des Regierungspräsi­ denten. § 277. Die genehmigten Änderungen find nach § 270 Abs. 4 bekanntzumachen. 6. Titel. Auslösung und Liquidation von Genossenschaften. § 278. (i) Die Genossenschaft kann aufgelöst werden: 1. wenn die Mitgliederversammlung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen die Auflösung beschließt; 2. aus Antrag eines Genossen, wenn die Genossenschaft nur noch aus zwei Mitgliedern besteht; 3. wenn in Jahresfrist, von der Genehmigung der Satzung an gerechnet, nicht zur Aus­ führung des Unternehmens geschritten oder wenn die begonnene Ausführung mindestens ein Jahr lang eingestellt und die Verzögerung durch Verschulden der Genossen herbeigeführt ist oder wesentliche Voraussetzungen der Genehmigung der Satzung hierdurch verändert worden sind. (2) Die Auflösung der Genossenschaft erfolgt durch den Regierungspräsidenten. § 279. (i) Die Auflösung der Genossenschaft tritt in Kraft, sobald die Verfügung des Regierungspräsidenten dem Vorstande zugestellt worden ist. (2) Die Auflösung ist aus Kosten der Genossenschaft von der Aufsichtsbehörde in dem für ihre amtlichen Bekanntmachungen bestimmten Blatte sofort zu veröffentlichen. § 280. (i) Nach Auflösung der Genossenschaft erfolgt die Liquidation durch den Vorstand oder die durch Satzung oder Beschluß der Genossenschaft dazu berufenen Personen. (2) Auf das Liquidationsverfahren sind der § 48 Abs. 2, 3 und die §§ 49 bis 53 BGB. entsprechend anzuwenden. § 281. Bis zur Beendigung der Liquidation gelten für die staatliche Aufsichsund die RechtsVerhältnisse der bisherigen Genossen untereinander sowie zu dritten Personen die Bestim­ mungen dieses Gesetzes und der Satzung, soweit sich nicht aus dem Wesen der Liquidation ein anderes ergibt. § 282. (i) Nach Beendigung der Liquidation werden die Bücher und Schn'ften der aus­ gelösten Genossenschaft von der Aufsichtsbehörde in Verwahrung genommen. (2) Die Genossen und ihre Rechtsnachfolger haben das Recht, die Bücher und Schriften einzusehen und zu benutzen. 7. Titel. Genossenschaften, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begründet sind. § 283. (i) Auf die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden öffentlichrechtlichen Wassergenossenschaften108 sind die Vorschriften anzuwenden, welche für die nach diesem Gesetz gebildeten Wassergenossenschaften gelten. (2) Jedoch bleiben abweichende Bestimmungen des bisherigen Satzungen über die Zu­ ständigkeit der Schiedsgerichte (§ 215, § 226 Abs. 2) in Kraft, ebenso sonstige abweichende Bestimmungen insoweit, als die im Abs. 1 für anwendbar erklärten Vorschriften durch die Satzung geändert werden können oder auf die Satzung verweisen.*" 108 Die bisherigen „freien Genossenschaften" (8 11 G. v. 1. April 1879) werden im neuen Wasser­ gesetze überhaupt nicht erwähnt, bleiben also unverändert bestehen. 106 Im allgemeinen dürfen also die Satzungen der öffentlichrechtlichen Wassergenossenschaften nicht zwingenden Bestimmungen dieses Gesetzes widersprechen.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrechl.

Vierter Abschnitt. Verhütung von Hochwassergefahr. 1. Titel.

Polizeiliche Beschränkungen im Hochwasserabflußgebiete von Wasserlaufen.no § 284. (i) Zur Verhütung von Hochwassergefahr kann der Regierungspräsident und, wenn mehrere Regierungsbezirke beteiligt sind, der Oberpräsident, nach den §§ 137, 139 ss. LBG. v. 30. Juli 1883 (ÄS. 195), und zwar auch für einzelne Kreise und Teile von Kreisen, Polizeiverordnungen erlassen, wonach A. von der Genehmigung des Landrats abhängig gemacht werden: 1. Vertiefungen der Erdoberfläche im Hochwasserabflußgebiete111 sowie die Ent­ nahme von Lehm, Kies, Steinen und anderen Stoffen aus den Ufergrundstückcn und, soweit erforderlich, auch aus den dahinterliegenden Grundstücken; 2. das Bepflanzen hochwasserfreier Grundstücke, die der Unterspülung ausgesetzt sind, mit Bäumen und Sträuchern; B. der Landrat befugt ist, zu verbieten: 1. das Lagern von Schlamm, Erde, Sand, Schlacken, Steinen, Holz und anderen Stoffen, welche die Vorflut zu behindern geeignet sind, im Hochwasserabflußgebiete; 2. die durch Beackerung, Rodung, Plaggenhieb, Beweidung und dergleichen erfolgende Bodenlockerung auf Grundstücken, die im Stromstrich des Hochwassers liegen,112 sowie auf Ufergrundstücken der Wasserläufe erster und zweiter Ordnung und, soweit erforderlich, auf den dahinterliegenden Grundstücken; 3. bei Wasserläufen erster und zweiter Ordnung die Benutzung der Ufergrundstücke zum Aufziehen oder Abrollen von Holz oder anderen Gegenständen sowie zum Viehtränken, wenn nicht besondere Vorkehrungen den Eintritt von Schäden aus­ schließen; C. auf Anordnung des Landrats die Grundstücksbesitzer ohne Anspruch auf Entschädigung verpflichtet sind, im Hochwasserabflußgebiet eines Wasserlaufs wildwachsende Bäume und Sträucher und außerhalb des Hochwasserabflußgebiets alle Bäume und Sträucher, die der Gefahr ausgesetzt sind, in den Wasserlauf abzufallen oder durch das Wasser entwurzelt zu werden, nach ihrer Wahl entweder selbst zu beseitigen oder die Beseitigung zu dulden. (2) In Stadtkreisen und denjenigen Städten, deren Polizeivcrwaltung der Aufsicht des Landrats nicht untersteht,113 tritt an Stelle des Landrats die Lrtspolizeibehörde. (3) In den Fällen A 1 und 2 und B 2 sind die Grundflächen in der Polizeiverordnung zu bezeichnen. (4) In den Polizeiverordnungcn können Geldstrafen bis zu 150 Mark angedroht werden, (o) Vor Erlaß der Polizeiverordnung soll der Entwurf in den Gemeinden und Gutsbezirken sechs Wochen lang zur Einsicht ausgelegt werden.1"* (e) Den nach Abs. 1 erlassenen Bestimmungen unterliegen nicht die Strombauverwaltung bei der Unterhaltung und dem Ausbau von Wasserläufen erster Ordnung und die Teicbverwaltungsbehörden bei Ausübung ihrer Befugnisse im Vorlande der Dckchverbände. 2. Titel. Freihaltung des Überschwemmungsgebiets von Wasserläusen.1" § 285. (i) Für die bei Hochwasser gefahrbringenden Wasserläufe wird das Überschwem­ mungsgebiet, soweit es nicht hochwasserfrei eingedeicht ist und den Vorschriften dieses Titels unterliegen soll, nach § 286 festgestellt. (2) In diesem Gebiete dürfen nicht ohne Genehmigung: 110 Durch die §§ 284 u. 285 ff. ist das nach § 399 Nr. 16 aufgehobene G. zur Verhütung von Hochwassergefahren v. 16. Aug. 1905 ersetzt. 111 Zu unterscheiden vom Überschwemmungsgebiete (§ 285), das den weiteren Begriff darstellt.

112 D. h. solche, über die bei Hochwasser eine starke Strömung stattfindet.

113 Vgl. § 27 HannZ^rOg., abgedruckt unter Abschn. III Nr. 13.

114 Nur instruktionelle Vorschrift.

5. Wassergeseh.

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1. Erhöhungen der Erdoberfläche115 und über die Erdoberfläche hinausragende Anlagen (Deiche, Dämme und andere deichähnliche Erhöhungen;"^ Gebäude, Mauern und andere bauliche Anlagen; Feldziegeleien, Einfriedigungen, Baum- und Strauch­ pflanzungen und ähnliche Anlagen) hergestellt, erweitert, verlegt, 2. Deiche, Dämme und andere deichähnliche Erhöhungen ganz oder teilweise beseitigt werden. (3) Schutzmaßregeln, die in Notfällen für die Dauer der Gefahr getroffen werden, be­ dürfen keiner Genehmigung. Sollen sie jedoch dauernd bestehen bleiben, so ist die Genehmi­ gung nach Beseitigung der Gefahr einzuholen. § 286. (i) Die Wasserläufe, für welche die Vorschriften dieses Titels gelten sollen, sind in ein Verzeichnis aufzunehmen, das der Oberpräsident für die von ihm verwaltete Provinz — für die Hohenzollernschen Lande der Regierungspräsident — aufstellt. (2) In dem Verzeichnis ist für jeden Wasserlauf zu bestimmen, ob die Vorschriften des § 285 Abs. 2, 3 für die ganze Breite des Überschwemmungsgebiets und den Wasserlauf in seiner ganzen Länge oder nur für Teile des Überschwemmungsgebiets oder des Wasserlaufs gelten sollen. In dem Verzeichnis kann bestimmt werden, daß gewisse Erhöhungen und An­ lagen der im § 285 Abs. 2 bezeichneten Art wegen ihrer unerheblichen Einwirkung auf den Hochwasserabfluß keiner Genehmigung bedürfen oder von der Wasserpolizeibehörde widerruflich gestattet werden dürfen. (3) Das Verzeichnis wird für jeden Wasserlauf, erforderlichenfalls unter Beifügung von Lageplänen, öffentlich ausgelegt. Im übrigen gelten die §§ 5, 6 mit der Maßgabe, daß aus­ zugsweise Abschriften bei dem Landrat, in Stadtkreisen bei der Ortspolizeibehörde nieder­ gelegt und auf dem laufenden erhalten werden. (4) Der Neuaufstellung von Verzeichnissen bedarf es nicht, soweit solche beim Inkraft­ treten dieses Gesetzes bereits nach § 12 des G. zur Verhütung von Hochwassergefahren v. 16. Aug. 1905 (GS. 342) aufgestellt sind. § 287. (i) Zuständig für die Genehmigung (§ 285) ist bei Wasserläufen erster Ordnung der Bezirksausschuß, sonst der Kreis(Stadt)ausschuß. (2) In erheblicheren Fällen hat die Genehmigungsbehörde vor der Beschlußfassung den Meliorationsbaubeamten, den zur Unterhaltung des Wasserlaufs Verpflichteten,118 den Vorstand von Wassergenossenschaften zur Unterhaltung oder zum Ausbau der Ufer, die übrigen Beteiligten und, wenn es sich um das Vorland von Verbandsdeichen handelt, den Vorstand der Deichverbände, außerdem, wenn dem Antrage Bedenken entgegenstehen, den Antragsteller zu hören. Ferner hat die Genehmigungsbehörde zur Erhebung von Einwen­ dungen in einer von ihr zu bestimmenden Frist öffentlich aufzufordern unter der Verwarnung, daß nach dieser Frist keine Anwendungen mehr erhoben werden können. (3) Die Aufforderung ist in den Kreisblättern und nach dem Ermessen der Genehmigungs­ behörde außerdem in ortsüblicher oder anderer Weise öffentlich bekanntzumachen. Sind nur Stadtkreise beteiligt, so ist die Aufforderung in ortsüblicher Weise bekanntzumachen. § 288. (i) Die Genehmigung darf nur aus Rücksichten des Hochwasserschutzes versagt oder an Auflagen und Einschränkungen geknüpft werden. (2) Die Genehmigung zur Herstellung von Anlagen darf nicht versagt werden, wenn die Nachteile, die für den Hochwasserabfluß zu befürchten sind, durch eine anderweite Verbesse­ rung auf Kosten des Antragstellers wieder ausgeglichen werden. (3) Tritt die herzustellende Anlage an die Stelle einer vorhandenen und wird der Abfluß nicht mehr als bisher behindert, so kann die Genehmigung nur, wenn Widerspruch erhoben wird, und nur gegen Entschädigung versagt werden. Die Entschädigung hat der Wider­ sprechende zu leisten. Sie wird durch Beschluß des Bezirksausschusses festgesetzt. Der 115 Erhöhungen der Erdoberfläche sind alle mittels Erde, Stein oder Holz geschaffenen Erhöhungen, die dem Andringen des Wassers entgegenstehen und seine Ausbreitung beschränken; deichähnliche Erhöhungen auch solche, die wie ein Damm wirken (PrVBl. 8, S. 142). 116 Vgl. §§ 115 ff.

VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

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Beschluß kann binnen drei Monaten nach werden.

der Zustellung im Rechtswege angefochten

§ 289. Gegen den Beschluß der Genehmigungsbehörde steht denen, die rechtzeitig117 (Anwendungen erhoben haben, und, soweit die Genehmigung versagt oder an Auflagen oder Einschränkungen geknüpft wird, auch dem Antragsteller innerhalb vier Wochen die Be­ schwerde an den Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zu.

§ 290. Anordnungen, die erforderlich sind, um die Durchführung der im § 285 gegebenen Vorschriften zu sichern, trifft bei Wasserläufen erster Ordnung der Regierungspräsident, bei anderen Wasserläufen der Landrat, in Stadtkreisen die Ortspolizeibehörde. 3. Titel.

Seedeiche an der Ostsee.

§ 291. (i) Deiche, die gegen die Fluten der Ostsee schützen sollen, dürfen nicht ohne Ge­ nehmigung des Bezirksausschusses hergestellt, erweitert, verlegt und ganz oder teilweise beseitigt werden. (2) Die zur Durchführung dieser Vorschriften erforderlichen Anordnungen trifft der Re­ gierungspräsident. (3) Im übrigen sind auf solche Deiche der § 285 Abs. 3, der § 287 Abs. 2, 3, der § 288 Abs. 1 und der § 289 anzuwenden. 4. Titel.

Beseitigung von Hindernissen des Hochwasserabflusses.11^

§ 292. (i) Soweit es zur Verhütung von Hochwassergefahr notwendig ist, Erhöhungen der Erdoberfläche und über die Erdoberfläche hinausragende Anlagen (Deiche, Dämme unb andere deichähnliche Erhöhungen; Gebäude, Mauern und andere bauliche Anlagen; Feldziegeleien, Einfriedigungen, Baum- und Strauchpflanzungen und ähnliche Anlagen), die den Abfluß des Hochwassers behindern, ganz oder teilweise zu beseitigen, kann das Recht zur Enteignung nach dem Enteignungsg. v. 11. Juni 1874 (GS. 221) gewährt werden. (2) Übet die Gewährung des Enteignungsrechts entscheidet der Bezirksausschuß nach Anhörung der Wasserpolizeibehörde durch einen mit Gründen versehenen Beschluß. Der Beschluß kann binnen zwei Wochen durch Beschwerde bei dem Minister der öffentlichen Ar­ beiten angefochten werden. Die Gewährung des Enteignungsrechts durch den Vorsitzenden nach § 117 LVG. v. 30. Juli 1883 (GS. 195) ist nicht zulässig. (3) Wird das Enteignungsrecht dem Staate oder einem Kommunalverbande gewährt, so können sie die Eigentümer derjenigen Grundstücke und Anlagen sowie diejenigen Verbände und Körperschaften des öffentlichen Rechtes, denen die Beseitigung zum Vorteil gereicht, zu den Kosten des. Unternehmens nach Verhältnis des ihnen aus diesem erwachsenden Vor­ teils heranziehen. Der Beitrag darf für jeden Herangezogenen das Maß des ihm erwachsenden Vorteils nicht übersteigen. Auf Antrag des Unternehmers setzt der Bezirksausschuß die Höhe des Beitrags fest. Gegen den Beschluß ist binnen zwei Wochen die Beschwerde bei dem Landeswasseramte zulässig. § 293. Wenn einer nach § 238 oder nach § 245 Abs. 1 Nr. 4 gebildeten Genossenschaft zur Beseitigung von Hindernissen des Hochwasserabflusses durch das Unternehmen Lasten entstehen würden, die in keinem Verhältnis zu den ihnen dadurch erwachsenden Vorteilen oder zu ihrer Leistungsfähigkeit stehen, sollen114 sich Staat und Provinzialverband an der Aufbringung der Kosten beteiligen. Der Beitrag des Staates muß den Beitrag des Pro­ vinzialverbandes mindestens erreichen. An die Stelle des Provnzialverbandes treten in der Provinz Hessen-Nassau der Bezirksverband, in den Hohenzollernschen Landen der Landes­ kommunalverband. Rechte gegen den Staat und den Provinzialverband werden hierdurch nicht begründet. 117 D. h. innerhalb der nach § 287 Abs. 2 zu bestimmenden Frist. 118 Dieser Titel enthält Bestimmungen über Beseitigung bereits bestehender Hindernisse, die §§ 285 ff. sind gegen die Herstellung neuer gerichtet.

5. Wassergesetz.

5. Titel.

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Deichverbände.nb

§ 294. (i) Soweit es zur Abwendung gemeiner Gefahr oder zur Förderung der Landeskultur notwendig ist, können Deichverbände zur gemeinsamen Herstellung, Erweiterung und Unterhaltung von Deichen und dazu gehörenden Sichernngs-, Entwässerungs- und Be­ wässerungsanlagen durch die Eigentümer der der Überschwemmung ausgesetzten Grundstücke gebildet werden, wenn deren Mehrheit (§ 296) der Bildung des Deichverbandes zustimmt. Andere Beteiligte, insbesondere die Eigentümer der außendeichs verbleibenden Vorländer, sind zu hören. (2) Zur Abwendung gemeiner Gefahr120 können Deichverbände auch ohne die Zustimmung der Beteiligten gebildet werden. In diesen Fällen ist vorher der Wasserbeirat (§ 367) zu hören. § 295. Deichverbände sollen insbesondere gebildet werden, um: 1. die Eigentümer der Grundstücke einer noch nicht eingedeichten Niederung zur gemein­ samen Herstellung und Unterhaltung von Anlagen der im § 294 bezeichneten Art zu verpflichten; 2. die Eigentümer einer schon eingedeichten Niederung zur gemeinsamen Verbesserung und Unterhaltung von Anlagen zu verpflichten, die bisher nur von einzelnen Beteiligten ausgeführt und unterhalten wurden; 3. Anlagen der unter Nr. 2 bezeichneten Art und die Egentümer der durch sie geschützten Grundstücke einem schon bestehenden Deichverband anzuschließen; 4. Anlagen eines schon bestehenden Deichverbandes zu erweitern und auf nicht ein­ gedeichte Grundstücke auszudehnen. § 296. (i) Bei der Abstimmung über die Bildung eines Deichverbandes wird die Mehr­ heit sowohl nach der Fläche als auch nach dem Grundsteuerreinertrage der einzudeichenden Grundstücke und, wenn diese Grundstücke sämtlich einem Auseinandersetzungsverfahren unter­ liegen und in diesem besonders abgeschätzt sind, nach dem so ermittelten Werte oder Ertrage berechnet. (2) In den Fällen des § 295 Nr. 3, 4 gilt eine Mehrheit im Sinne des § 294 nur dann als vorhanden, wenn außer der Mehrheit der nicht zu einem Deichverbande gehörenden Grundstücke, nach Abs. 1 berechnet, auch die bereits bestehenden Deichverbände der Bildung des neuen Deichverbandes zustimmen. § 297. Auf das Verfahren zur Bildung von Deichverbänden sind die Vorschriften der §§ 248 bis 273 über das Verfahren zur Bildung von Wassergenossenschaften entsprechend anzuwenden. § 298. (i) Mehrere Deichverbände, die ein gemeinschaftliches Interesse an der Erhaltung ihrer Deiche, der Neuanlegung von Deichen oder der Anlegung und Erweiterung von Ent­ wässerungs- oder Bewässerungsanlagen haben, können beschließen: 1. unter Auflösung der einzelnen Verbände sich zu einem einzigen Deichverbande zu ver­ einigen, 2. ohne Auflösung einen gemeinschaftlichen Deichverband zu bilden, dem die Erfüllung gemeinsamer Aufgaben überwiesen wird. (2) Die Rechtsverhältnisse des neuen Deichverbandes sind durch eine Satzung zu regeln, die der Genehmigung des Regierungspräsidenten bedarf. (3) Stimmen nicht alle beteiligten Deichverbände der Bildung des neuen Deichverbandes oder der Satzung zu, so kann der Deichverband durch eine nach § 297 zu erlassende Satzung gebildet werden, wenn die den zustimmenden Deichverbänden angehörenden Grundstücke 119 Die Bestimmungen dieses Titels entsprechen im wesentlichen denen des Deichgesetzes v. 28. Jan. 1848, das durch § 399 Nr. 7 aufgehoben worden ist. Auch sind zahlreiche Bestimmungen des sog. Normaldeichstatuts v. 14. Nov. 1853 (GS. 935) jetzt in dieses G. aufgenommen. 120 Nicht auch zur Förderung der Landeskultur. Die gemeine Gefahr kann für Menschen oder Sachen bestehen.

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VI. Abschn.

Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

nach dem im § 296 Abs. 1 bestimmten Maßstab die Grundstücke der widersprechenden Deich­ verbände übertreffen. (4) Mit der Genehmigung oder dem Erlaß der Satzung gehen die Rechte und Verbindlichkeiten der aufgelösten Teichverbände auf den neugebildeten Deichverband über.

§ 299. (i) Der Deichverband muß einen Vorstand haben. Dieser kann aus einer Person als Deichvorsteher oder aus mehreren Personen, von denen eine als Deichvorsteher den Vorsitz führt, bestehen. (2) Die Wahl des Deichvorstehers (Deichhauptmann, Teichrichter, Deichgraf, Teichgräf usw.) bedarf der Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde (§ 302). Wird die Bestätigung ver­ sagt oder kommt die Wahl des Vorstandes oder einzelner Mitglieder nicht zustande, so stehen der Aufsichtsbehörde die im § 218 bezeichneten Befugnisse zu. (3) Im übrigen ist der § 212 Abs. 2 bis 4 anzuwenden. § 300. Auf Verlangen der Aufsichtsbehörde hat der Teichverband für die technische Verwaltung einen technisch genügend vorgebildeten ^Beamten121 anzustellen, der der Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde bedarf. Kommt der Teichverband dieser Verpflichtung nicht nach oder wird die Bestätigung versagt, so stehen der Aufsichtsbehörde die im § 218 bezeichneten Befugnisse zu. § 301. (i) Die Rechtsverhältnisse des Deichverbandes und seiner Mitglieder richten sich, soweit sie nicht in diesem G. geregelt sind, nach der Satzung, (2) Für die Satzung gilt der § 214. § 302. (i) Ter Teichverband steht unter der Aufsicht des Staates. (2) Die Aufsicht beschränkt sich auf die ordnungsmäßige Ausführung, Unterhaltung und Wiederherstellung der gemeinschaftlichen Anlagen sowie darauf, daß die Angelegenheiten des Teichverbandes nach den Gesetzen und der Satzung verwaltet werden. (3) Die Aufsicht führt bei Teichverbänden, deren Teiche ganz oder teilweise an Wasser­ läufen erster Ordnung liegen, der Regierungspräsident, in zweiter Instanz der Lberpräsident, bei anderen Deichverbänden der Landrat als Vorsitzender des K'reisausschusses, in Stadt­ kreisen die Ortspolizeibehörde, in zweiter Instanz der Regierungspräsident. Zuständig ist die Behörde, in deren Bezirk der Deichverband seinen Sitz hat. (4) Werden im Gebiete eines Teichverbandes Unterdeichverbände gebildet, so kann in der Satzung bestimmt werden, daß die Aufsicht über die Unterdeichverbände in erster Instanz von dem Teichvorsteher des Hauptdcichverbandes geführt wird. In diesem Falle führen die nach Abs. 3 für den Hauptdeichverband zuständigen Aufsichtsbehörden erster und zweiter Instanz die Aufsicht über die Unterdeichverbände in zweiter und dritter Instanz; wo in diesem Abschnitte die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zugelassen ist, geht die Beschwerde in erster Instanz an den Deichvorsteher des Hauptdeichverbandes, in zweiter Instanz an die sonst als Aufsichtsbehörde in erster Instanz für den Hauptdeichverband zuständige Behörde und gegen deren Entscheidung in dritter Instanz an die sonst für den Hauptdeichverband zu­ ständige Aufsichtsbehörde zweiter Instanz. (o) Die Aufsichtsbehörde ist berechtigt, ihre Anordnungen unmittelbar durchzusetzen. § 303. (i) Zur Veräußerung von Grundstücken oder zur Aufnahme von Anleihen, mit Ausnahme solcher, durch die der Schuldenbestand nicht vermehrt wird, sowie zum Bau neuer Schleusen in den Deichen bedarf der Deichverband der Genehmigung der Aufsichtsbehörde^22 (2) Zu den Beschlüssen über die Vergütung des Deichvorstehers und des technischen Deich­ beamten ist gleichfalls die Genehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich. (3) Sind diese Vergütungen offenbar unzulänglich, so hat die Aufsichtsbehörde sie an­ gemessen festzusetzen. Dasselbe gilt von den Vergütungen der anderen Angestellten des Deichverbandes. 121 Der also nicht mehr die „Qualifikation eines geprüften Baumeisters" besitzen muß, mie § 36 des Normaldeichstatuts v. 14. Nov. 1853 vorschrieb, auch nicht „ingenieurbautechnisch vorgebildet" zu sein braucht, wie § 278 des Entwurfs von 1911 vorsah. Bgl. auch § 353. 122 Bgl. oben § 302 Abs. 2.

5. Wassergesetz.

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(4) Durch die Satzung kann die Genehmigung auch für andere Fälle vorgeschrieben werden. § 304* (i) Unterläßt oder verweigert es der Deichverband, die ihm gesetz- oder satzungsmäßig obliegenden, von einer Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen und Ausgaben in den Haushaltsplan aufzunehmen oder außerordentlich zu ge­ nehmigen, so kann die Aufsichtsbehörde unter Anführung der Gründe die Aufnahme in den Haushaltsplan oder die Feststellung der außerordentlichen Ausgabe und die Einziehung der erforderlichen Beiträge verfügen.^ (2) Gegen die Verfügung steht dem Deichverbande binnen zwei Wochen die Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zweiter Instanz und gegen deren Bescheid binnen gleicher Frist die weitere Beschwerde an den Minister für Landwirtschaft zu.

§ 30K. Der Deichvorsteher kann die nur zu mechanischen Verrichtungen berufenen Angestellten des Deichverbandes zur Erfüllung ihrer Pflichten durch Ordnungsstrafen bis zu dreißig Mark anhalten. Die Strafgelder fließen in die Deichkasse. § 306. Die zum Schutze der Deiche und anderer Anlagen des Deichverbandes erforder­ lichen Polizeiverordnungen erläßt bei Deichverbänden, über die der Regierungspräsident in erster oder im Falle des § 302 Abs. 4 in zweiter Instanz die Aufsicht führt, der örtlich zu­ ständige Regierungspräsident, sonst der örtlich zuständige Landrat, in Stadtkreisen die ört­ lich zuständige Ortspolizeibehörde, und zwar der Regierungspräsident auch für einzelne Kreise oder Teile von Kreisen, der Landrat auch für einzelne Ortspolizeibezirke oder Teile von solchen, nach den §§ 137, 139 ff. des LVG. v. 30. Juli 1883 (GS. 195). Zu den An­ lagen des Deichverbandes gehören auch die Wasserläufe, die von ihm zu unterhalten sind oder der Aufsicht der Deichverwaltungsbehörde unterstehen?^ § 307. (i) Die örtliche Polizei zum Schutze der Deiche und der im § 306 bezeichneten Anlagen (örtliche Deichpolizei) wird von dem Deichvorsteher wahrgenommen; durch die Satzung können die örtliche Deichpolizei oder einzelne ihrer Geschäfte anderen Mitgliedern des Deichvorstandes (Deichgeschworene, Deichschöppen, Deichschulzen, Heimräte usw.) über­ tragen werden. (2) Der Bezirksausschuß ist befugt, eine Benutzung der Deiche, die ihre Widerstandskraft schwächen kann, zu beschränken oder ganz zu untersagen. Wer hierdurch in der Ausübung eines Rechtes beeinträchtigt wird, kann von dem Unterhaltungspflichtigen Entschädigung fordern. (3) Gegen den Beschluß des Bezirksausschusses ist innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Minister für Landwirtschaft zulässig. (4) Soweit der Beschluß die Entschädigung betrifft, kann binnen drei Monaten der Rechtsweg beschütten werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkte der Rechtskraft desjenigen Teiles des Beschlusses, durch den die Beschränkung oder Untersagung angeordnet wird. (5) Die zur Durchführung der Beschlüsse des Bezirksausschusses erforderlichen Anord­ nungen trifft der Regierungspräsident. § 308. (1) Der Deichvorsteher und die anderen mit örtlichen Geschäften der Deichpolizei betrauten Mitglieder des Deichvorstandes sind berechtigt, ihre polizeilichen Anordnungen durch die im § 227 Abs. 1 bezeichneten Zwangsmittel durchzusetzen. Der § 227 Abs. 2 ist anzuwenden. (2) Gegen polizeiliche Verfügungen des Deichvorstehers und der anderen Mitglieder des Deichvorstandes, einschließlich der Androhung, Festsetzung und Ausführung eines Zwangsmittels, ist binnen zwei Wochen die Beschwerde an die 122 und binnen der gleichen Frist die weitere Beschwerde an die Aufsichtsbehörde zweiter Instanz zulässig. Die Beschwerden sind bei der für die Entscheidung zuständigen Behörde oder bei der Behörde anzubringen, gegen deren Verfügung sie sich richten.

123 Insbesondere auch die Siele, Abzugsgräben und Schleusen zur Aufnahme und Abführung des binnendeichs sich sammelnden Wassers.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

(3) Das gegen die Androhung eines Zwangsmittels gerichtete Rechtsmittel erstreckt sich zugleich auf die Anordnung, um deren Ausführung es sich handelt, wenn sie nicht bereits Gegenstand eines besonderen Beschwerdeverfahrens geworden ist. § 300. (i) Tie Deichverwaltungsbehörden (Teichvorstand, Teichvorsteher) sind berechtigt, Anordnungen, die sie in Ausübung ihrer Befugnisse gegen einzelne Genossen richten, durch die im § 227 Abs. 1 bezeichneten Zwangsmittel durchzusetzen. Der § 227 Abs. 2 ist anzuwenden. (2) Tie Anordnungen und Beschlüsse der Teichverwaltungsbehörden können nach § 308 Abs. 2, 3 angefochten werden, wenn nicht durch dieses Gesetz der Rechtsweg oder das Verwaltungsstreitverfahren zugelassen oder durch die Satzung das schiedsgerichtliche Verfahren vorgeschrieben ist. § 310. (i) Die zur Herstellung und Unterhaltung der Teiche und der dazu gehörenden Sicherungs-, Entwässerungs- und Bewässerungsanlagen erforderlichen Beiträge und Sei­ ftungen sind nach dem in der Satzung zu bestimmenden Maßstab von allen zum Deichverbande gehörenden Grundstücken aufzubringen (Deichpflicht),auch wenn diese sonst von den öffentlichen Lasten befreit oder dabei bevorrechtet sind. Als Verteilungsmaßstab ist in der Regel das Verhältnis des abzuwendenden Schadens und herbeizuführenden Vorteils an­ zunehmen; aus besonderen Gründen kann jedoch ein anderer Maßstab zugelassen werden. (2) Eine Befreiung von der Deichpflicht kann nicht erworben werden. (3) Die Deichpflicht ist eine öffentlichrechtliche Verpflichtung. Der § 223 und der § 224 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 sind anzuwenden. (4) Auf die Heranziehung und Veranlagung zur Deichpflicht ist der § 226 Abs. 2, 3 anzuwenden. § 311. (i) Die Eigentümer der zum Deichverbande gehörenden Grundstücke und der Vorländer sind verpflichtet, dem Deichverbande die zu den Deichanlagen126 erforderlichen Grundstücke gegen Entschädigung abzutreten. (2) Grenzen und Größe der abzutretenden Grundstücke, die vom Verbände zur Verhütung nachteiliger Wirkungen herzustellenden Sicherungsanlagen und die zu leistende Entschädigung werden durch Beschluß des Deichvorstandes festgestellt. Mit der Rechtskraft des Teiles des Beschlusses, durch den über die Verpflichtung zur Abtretung entschieden wird, geht das Eigen­ tum an den abzutretenden Grundstücken auf den Deichverband über. (3) Soweit der Beschluß über die Entschädigung entscheidet, kann binnen drei Monaten der Rechtsweg beschritten werden, wenn nicht durch die Satzung die Entscheidung einem Schiedsgericht übertragen ist. Die Frist beginnt mit dem im Abs. 2 Satz 2 bezeichneten Zeit­ punkte. Soweit Eigentümer von Vorländern eine Entschädigung beanspruchen können, kann die Entscheidung darüber nicht durch die Satzung einem Schiedsgericht übertragen werden. (4) Im übrigen sind die §§ 7 bis 14, 16, 17, 33, 36 bis 39, 45 bis 49 des Enteignungsg v. 11. Juni 1874 (GS. 221) entsprechend anzuwenden. (5) Auf die zu den Deichen gehörenden Entwässerungs- und Bewässerungsanlagen ist der § 222 anzuwenden. § 312. (1) Gegen Entschädigung müssen auf Anordnung des Deichvorstandes: 1. die Eigentümer der zum Deichverbande gehörenden Grundstücke und der Vorländer die Entnahme der zur Herstellung und Unterhaltung der Deiche und der dazu gehören­ den Sicherungsanlagen erforderlichen Feld- und Bruchsteine, von Kies, Rasen, Sand, Lehm und anderer Erde aus ihren land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken, ihrem Unland und ihren Gewässern gestatten; 2. die Eigentümer der Vorländer die im Interesse der Herstellung und Unterhaltung der Deiche und der dazu gehörenden Sicherungs-, Entwässerungs- und Bewässerungsanlagen erforderlichen Beschränkungen des Grundeigentums dulden.

124 Diese Deichpflicht oder Deichlast wird die ordentliche genannt (§ 325 Abs. 4); weitergehender ist die sog. außerordentliche Deichlast aus § 315. 126 Mit der Einschränkung des Abs. 5. Vgl. auch § 312.

5. Wassergesetz.

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(2) Die Beschränkungen, denen sich die Eigentümer der Vorländer nach Abs. 1 Nr. 2 zu unterwerfen haben, sind in der Satzung näher zu bestimmen. Über die Höhe der Entschädigung beschließt im Streitfall der Bezirksausschuß. Der Beschluß kann binnen drei Monaten nach der Zustellung im Rechtswege angefochten werden. § 313. Soweit in den Fällen der §§ 311, 312 bei bereits bestehenden Deichverbänden die Satzungen abweichende Vorschriften enthalten, bewendet es dabei. § 314. Übernimmt ein Deichverband die Unterhaltung bereits bestehender Deiche, so gehen sie mit Genehmigung oder Erlaß der Satzung in sein Eigentum über. Durch die Satzung kann bestimmt werden, daß die Nutzungen den bisherigen Eigentümern verbleiben. § 315. (i) Ist ein Deich bei Hochwasser gefährdet, so müssen nach Anordnung der Deich­ polizeibehörde alle Bewohner der bedrohten und nötigenfalls auch der benachbarten Gegend zu den Schutzarbeiten unentgeltlich Hilfe leisten und die erforderlichen Arbeitsgeräte und Beförderungsmittel mit zur Stelle bringen.124 (2) Die Teichpolizeibehörde kann die in einem solchen Falle nötigen Maßregeln sofort durch 3toong§mittet126 zur Ausführung bringen; sie ist befugt, die Verabfolgung der zur Abwehr der Gefahr dienlichen Baustoffe aller Art, wo solche sich finden mögen, zu fordern, und diese müssen mit Vorbehalt der Ausgleichung unter den Verpflichteten und der Er­ stattung des Schadens von den Besitzern verabfolgt werden. Zum Ersatz des Schadens ist der Deichverband verpflichtet. Über die Höhe der Entschädigung beschließt im Streitfall der Bezirksausschuß. Der Beschluß kann binnen drei Monaten nach der Zustellung im Rechtswege angefochten werden. § 316. (i) Der Deichverband kann durch den Regierungspräsidenten aufgelöst werden, wenn die Mitgliederversammlung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen die Auflösung beschließt. (2) Im übrigen sind auf die Auflösung und Liquidation des Deichverbandes die §§ 279 bis 282 entsprechend anzuwenden. § 317. Neben den §§ 294 bis 316 sind die §§ 208, 209, 211, 215, 216, 221, der § 229 Abs. 1, die §§ 230 bis 234, 236, 237, 239 bis 244, der § 275 Abs. 1, 3 und die §§ 276, 277 auf Deichverbände entsprechend anzuwenden. § 318. (i) Auf die beim Inkrafttreten dieses G. bestehenden Deichverbände sind die Vorschriften anzuwenden, die für die nach diesem Gesetze gebildeten Deichverbände gelten. (2) Jedoch bleiben abweichende Bestimmungen der bishengen Satzungen in Kraft, soweit die im Abs. 1 für anwendbar erklärten Vorschriften durch die Satzung geändert werden können oder auf die Satzung verweisen. 6. Titel. Deiche, die zu keinem Deichverbande gehören. § 319. (i) Ist ein schon vorhandener, zum Schutze der Ländereien mehrerer Eigentümer dienender Deich, der zu keinem Deichverbande gehört, ganz oder teilweise verfallen oder durch Naturgewalt oder fremdes Eingreifen zerstört, so kann bei Deichen an Wasserläufen erster Ordnung und bei Seedeichen der Bezirksausschuß, sonst der Kreis(Stadt)ausschuß auf Antrag eines Beteiligten und, wenn aus der Nichterhaltung des Deiches eine gemeine Gefahr entsteht, auch ohne Antrag den Unterhaltungspflichtigen durch Beschluß für ver­ pflichtet erklären, den Deich bis zu derjenigen Höhe und Stärke wiederherzustellen, die er früher gehabt hat. (2) In gleicher Weise kann bei solchen Deichen dem Unterhaltungspflichtigen die Vornähme derjenigen Maßregeln aufgegeben werden, welche erforderlich sind, um die Erhaltung der Deiche in ihrem bishengen Umfang und Zustande zu sichern. (3) Ist es ungewiß oder streitig, wer zur Unterhaltung des Deiches verpflichtet ist, so können die Leistungen vorläufig von dem gefordert toerben,127 der ihn bisher unterhalten 126 Deichpolizeibehörde: § 307, Zwangsmittel: § 308. 127 und zwar seitens der nach Abs. 1 zuständigen Behörde; hiergegen ist Beschwerde nach Abs. 4 und Erstattungsanspruch nach § 320 gegeben.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

hat oder, wenn dieser nicht leistungsfähig ist, von den (Eigentümern derjenigen Grundstücke, die nach dem Ermessen der Behörde durch den Teich geschützt werden. Tas letztere gilt auch, wenn der Verpflichtete nicht leistungsfähig ist. Ist die Heranziehung der Eigentümer nicht so schnell möglich, wie die Dringlichkeit des Falles es erfordert, so hat die Gemeinde (der Gutsbezirk), in deren Bezirk der Teich gelegen ist, auf Erfordern die Kosten der Unterhaltung oder Wiederherstellung des Teiches vorzuschießen. Sind mehrere Gemeinden (Gutsbezirke­ beteiligt, so sind die vorzuschießenden Kosten auf diese angemessen zu verteilen. (4) Gegen den Beschluß des Bezirks(KreissStadt^)ausschusses ist innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Minister für Landwirtschaft zulässig. (5) Bei Beschlüssen des Bezirksausschusses trifft der Regierungspräsident, bei Beschlüssen des Kreis(Stadt)ausschusses der Landrat (die Ortspolizeibehörde) die zu ihrer Durchführung nötigen Anordnungen. (ß) Die nach Abs. 1 bis 3 zur Unterhaltung oder Wiederherstellung der Teiche geforderten Beiträge und Leistungen sind öffentliche Lasten. § 320. Den zur Unterhaltung oder Wiederherstellung eines Teiches vorläufig Heran­ gezogenen (§ 319 Abs. 3) bleibt vorbehalten, ihre Ansprüche aus Erstattung ihrer Beiträge oder des Wertes ihrer Leistungen im Rechtswege gegen den Unterhaltungspflichtigen geltend zu machen. § 321. (1) Wird die Baulast vorläufig geregelt, so ist zur Regelung der künftigen Lei­ stungen die Bildung eines Deichverbandes herbeizuführen, es sei denn, daß durch Anerkenntnis oder im Rechtswege ein leistungsfähiger Verpflichteter ermittelt ist. (2) Lehnen die Beteiligten die Bildung eines Deichverbandes ab und ist sie nicht zur Ab­ wendung gemeiner Gefahr erforderlich, so kann die fernere Erhaltung des Deiches nicht mehr verlangt werden. § 322. Der § 307 Abs. 2 bis 5 ist auf Deiche, die zu keinem Teichverbande gehören, ent­ sprechend anzuwenden. 7. Titel. Besondere Vorschriften für die Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein?^ § 323. (1) Die Vorschriften des zweiten, fünften und sechsten Titels dieses Abschnitts gelten nicht: 1. in den Schleswig-Holsteinischen Marschdistrikten, soweit das Patent v. 29. Jan. 1800 und das allgemeine Deichregl. v. 6. April 1803 Platz greifen; 2. in den Herzogtümern Bremen und Verden, soweit die DeichOg. v. 29. Juli 1743 An­ wendung findet, doch gelten die Vorschriften des zweiten Titels in den oberhalb des Hemelinger Wehres an der Weser und Aller gelegenen Gebietsteilen; 3. in dem Lande Hadeln; 4. in dem Fürstentum Ostfriesland und dem zum Herzogtum Arenberg-Meppen ge­ hörenden Bezirk der Stadt Papenburg. (2) Ferner gelten die Vorschriften des fünften und sechsten Titels nicht: 1. in dem Fürstentum Lüneburg und den zur Provinz Hannover gehörenden lauenburgifchen Landesteilen, soweit die Lüneburgische Teich- und SielOg. v. 15. April 1862 und 2. in den Grafschaften Hoya und Diepholz, soweit die Deich- und AbwässerungsOg. v. 22. Jan. 1864 Anwendung findet oder demnächst in Anwendung gebracht wird. § 324. In den im § 323 bezeichneten Gebietsteilen verbleibt es, vorbehaltlich der §§ 325 bis 329 bei den dort geltenden, das Deich- und Sielwesen betreffenden Gesetzen und Ver­ ordnungen und den durch rechtsverbindliches Herkommen feststehenden deich- und sielrecht­ lichen Bestimmungen. Der Übergang von der Kabel- zur ommunionbctrfning129 innerhalb 128 In den Marschgebieten dieser Provinzen bleibt das bisherige Deich- und Lielrecht fast un­ verändert bestehen (§ 324), jedoch ist Neuregelung nach § 325 möglich. 129 Bei der Kabeldeichung hat jeder Deichgenosse einen bestimmten Deichabschnitt zu unterhalten,

5. Wassergesetz.

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eines Deichverbandes kann aber, und zwar sowohl für sämtliche Deiche als auch für einzelne Deiche oder Deichstrecken, in Zukunft überall mit Stimmenmehrheit durch die Verbands­ vertretung beschlossen werden. § 325. (i) Tie Verfassung der Deich- und Siel(Schleusen-, Wettern-, Wasserlösungs- usw.)verbände kann mit deren Zustimmung oder bei Widerspruch mit Zustimmung des SBofferbeträte130 durch eine vom Minister für Landwirtschaft zu erlassende Satzung neu geregelt oder festgestellt werden. (2) Wo eine solche Regelung eintritt, soll die Mitwirkung der Staatsbehörden in Angelegenheiten der Verbände auf die Oberaufsicht beschränkt und die unmittelbare Beaufslchtigung und Leitung der Verbandsangelegenheiten eigenen Beamten oder Vertretern der Verbände übertragen werden. (3) Auch kann durch eine mit Zustimmung des Deich- und Siel(Schleusen-, Wettern-, Waiserlösungs- usw.)verbandes von dem Minister für Landwirtschaft zu erlassende Satzung bestimmt werden, daß an Stelle der durch § 324 aufrechterhaltenen deich- und sielrechtlichen Bestimmungen die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes für das Verbandsgebiet gelten sollen. (4) Ohne Zustimmung des Deichverbandes kann bei einer Neuordnung nach Abs. 1, so­ weit die ordentliche Deichlast nach den Grundsätzen der Kabelwirtschaft getragen wird, die Kommuniondeichung"" und, soweit nach der Bremischen DeichOg. v. 29. Juli 1743 die Aufbringung der Verbandslasten nach dem Herkommen vorgeschrieben ist, die Aufbringung nach § 310 eingeführt werden. (5) Die Vorschrift des § 12 Kapitel IV der Bremischen DeichOg. wird aufgehoben, soweit sie die Moorländereien von der ordentlichen Deichlast befreit. § 326. (1) Mehrere Deichverbände, die ein gemeinschaftliches Interesse an der Erhaltung ihrer Deiche, an der Neuanlegung von Deichen oder an der Herstellung, Erweiterung oder Unterhaltung von Sicherungs-, Entwässerungs- oder Bewässerungsanlagen haben, können beschließen, sich zu einem gemeinschaftlichen Deichverbande, unter Auflösung der einzelnen Verbände oder ohne deren Auflösung, zu vereinigen, wenn dadurch eine angemessenere Aufsicht zu erzielen ist. Der § 298 Abs. 2 bis 4 ist anzuwenden. (2) Dasselbe gilt für Siel(Wasserlösungs)verbände, die ganz oder überwiegend dem örtlichen Bereich eines und desselben Deichverbandes angehören, und für nicht demselben Deich­ verband angehörende Verbände solcher Art, die in wasserwirtschaftlicher Beziehung ge­ meinsame Interessen haben. (3) Der § 325 Abs. 3 ist anzuwenden. § 327. Eine Befreiung von der Deich- und Sielpflicht findet nicht statt, soweit sie nicht auf dem bestehenden Beitragsfuß oder der geltenden Art der Lastenverteilung beruht. § 328. Fehlt es an Vorschriften über die Bildung neuer Deichverbände oder an gesetzlichen Bestimmungen und rechtsverbindlichem Herkommen über die Verpflichtung der Eigentümer eingedeichter Grundstücke und Vorländer zu deren Abtretung oder zur Gestattung vorüber­ gehender Benutzung ihres Grundeigentums für die Deichzwecke, so gelten die hierauf bezüg­ lichen Bestimmungen des fünften Titels dieses Abschnitts. § 329. (1) Soweit in den im § 323 bezeichneten Gebietsteilen die örtliche Deichpolizei (§ 307 Abs. 1) dem Deich- oder Sielvorsteher oder einem anderen Mitgliede der Deich- oder Sielverwaltungsbehörde zusteht, erstreckt sie sich auch auf die Wasserläufe, die von einem Deich- oder Sielverbande zu unterhalten sind oder der Aufficht einer Deich- oder Sielver­ waltungsbehörde unterstehen. (2) Auf die Durchsetzung und die Anfechtung der zum Schutze der Deiche und der im § 306 bezeichneten Anlagen eines Deich- und Sielverbandes getroffenen polizeilichen Verfügungen ist § 308 anzuwenden. während bei der Äommuniondeichung die Unterhaltung des ganzen Deichs dem Deichverbande als solchem obliegt. 130 Vgl. §§ 367 ff.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

fünfter Abschnitt. Zwangsrechte. § 330. Kann der Eigentümer eines Grundstücks das oberirdisch außerhalb eines Wasser­ laufs abfließende Wasser durch Anlagen auf seinem Grund und Boden nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Kosten abführen, so ist er berechtigt, von den Eigentümern der tiefer liegenden Grundstücke die Aufnahme des Wassers ohne Entschädigung zu ocdangen.131 Können aber diese Eigentümer das Wasser nicht oder nur mit erheblichen Kosten weiter ableiten, so sind sie zur Aufnahme nur gegen Entschädigung132 und nur dann verpflichtet, wenn der Vorteil für den Eigentümer des höher liegenden Grundstücks erheblich größer ist als ihr Schaden. § 331. (i) Zugunsten eines Unternehmens, das die Entwässerung von Grundstücken, die Beseitigung von Abwässern oder die bessere Ausnutzung einer Triebwerksanlage be­ zweckt^33 kann der Unternehmer von den Eigentümern eines Wasserlaufs sowie von den Eigentümern der zur Durchführung des Unternehmens erforderlichen Grundstücke ver­ langen, daß sie die zur Herbeiführung eines besseren Wasserabflusses dienenden Verände­ rungen des Wasserlaufs (Vertiefungen, Verbreiterungen, Durchstiche, Verlegungen) gegen Entschädigung"4 dulden, wenn das Unternehmen anders nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten durchgeführt werden kann und der davon zu erwartende Nutzen den Schaden des Betroffenen erheblich übersteigt. (2) Bezweckt das Unternehmen nur die gewöhnliche Entwässerung von Grundstücken, für die der Wasserlauf der natürliche Vorfluter ist, so erwirbt der Unternehmer mit der Fest­ stellung des ihm nach Abs. 1 zustehenden Rechtes zugleich das Recht, den Wasserspiegel aus der Strecke, für die das Recht festgestellt ist, zu senken oder durch Einleitung von Wasser in den Wasserlauf zu heben, soweit dadurch kein anderer Nachteil als eine Veränderung des Grundwasserstandes verursacht wird. Eine Entschädigung für Nachteile, die lediglich durch die Veränderung des Grundwasserstandes hervorgerufen werden, hat der Unternehmer nicht zu leisten. § 332. (t) Zugunsten eines Unternehmens, das die Entwässerung oder Bewässerung von Grundstücken, die Wasserbeschaffung zu häuslichen oder gewerblichen Zwecken oder die Beseitigung von Abwässern bezweckt, kann der Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 331 Abs. 1 von den Eigentümern der dazu erforderlichen Grundstücke verlangen?33 daß sie die oberirdische oder unterirdische Durchleitung von Wasser und die Unterhaltung der Leitungen gegen Entschädigung"4 dulden. Vorstehende Bestimmung ist auch gegen den Eigentümer eines Wasserlaufs anzuwenden. (2) Unreines Wasser darf jedoch nur mittels geschlossener, wasserdichter Leitungen durch­ geleitet werden, wenn die Durchleitung sonst Nachteile oder Belästigungen für die Grund­ stückseigentümer zur Folge haben würde. (3) Ein aus Grund des Abs. 1 erhobener Anspruch kann zurückgewiesen werden, wenn durch das Unternehmen wichtige öffentliche Interessen geschädigt werden würden. § 333. (i) Der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte eines Ufergrundstücks kann für die Zwecke der eigenen Haushaltung und Wirtschaft (§ 25 Abs. 4) von dem Eigentümer eines natürlichen Wasserlaufs verlangen, daß er die Einrichtung von Treppen, Brücken, BootsHäusern, Wascheinrichtungen, Haltepfählen oder ähnlichen Anlagen einfacher Art gegen Entschädigung dulde. Ein gleiches gilt von Badeanstalten und Anlegestellen, auch wenn sie nicht nur den Zwecken der eigenen Haushaltung und Wirtschaft dienen, sofern nicht nach § 46 die Vorschriften über die Verleihung anzuwenden sind. Auf Antrag der Wasserpolizei 131 Einschränkung des § 198 Abs. 1. Hinsichtlich der bereits bestehenden Rechte s. § 379 Nr. 3. 132 Vgl. § 340 Abs. 4. 133 Die schon nach § 15 des Vorflutedikts v. 15. Nov. 1811 bestehende Verpflichtung, die sich auf Zwecke der landwirtschaftlichen Bodenentwässerung beschränkte, ist jetzt erheblich ausgedehnt. — Abwässer jeder Art, also auch aus Haushalt und industriellen Betrieben. 134 Entschädigung jeden Interesses (§ 337). 136 D. h. die im § 340 Abs. 1 genannten Beschluschehörden müssen dem Ansprüche stattgeben, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

5. Wassergesetz.

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befjörbe11 ist die Anlage ohne Anspruch auf Entschädigung in angemessener Frist zu beseitigen oder zu ändern, wenn das Fortbestehen in dem jeweiligen Zustande mit dem öffentlichen itfoljle,29 insbesondere mit der Erhaltung der Vorflut, dem Ausbau des Wasserlaufs nach dem festgestellten Plane (§ 163) und bei einem Wasserlauf erster Ordnung auch mit seiner ^Bestimmung für die Schiffahrt nicht vereinbar ist. (2) Die Vorschriften des Abs. 1 gelten nicht für die im § 25 Abs. 3 bezeichneten Wasserläuse. § 834« Will der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte/9 eines Ufergrundstücks auf Grund eines ihm verliehenen Rechtes eine Stauanlage errichten/99 so kann er von den Eigentümern der gegenüberliegenden Ufergrundstücke verlangen, daß sie den Anschluß an diese gegen Entschädigung^ gestatten. § 335« Die §§ 330 bis 332, 334 sind nicht anzuwenden auf Gebäude und, mit Ausnahme des § 332, auch nicht auf Parkanlagen sowie auf Hofräume und Gärten. Bei diesen Grund­ stücken beschränkt sich die im § 332 bestimmte Verpflichtung auf geschlossene, wasserdichte Leitungen. § 336« (i) In den Fällen der §§ 331, 332, 334, 335 kann der Grundstückseigentümer verlangen, daß der Unternehmer an Stelle des Benutzungsrechts das Eigentum des zu den Anlagen erforderlichen Grund und Bodens gegen Entschädigung erwerbe. (2) Ist der Rest des Grundstücks nach seiner bisherigen Bestimmung zweckmäßig nicht mehr zu benutzen, so kann der Grundstückseigentümer Übernahme des ganzen Grundstücks ver­ langen. § 337. In den Fällen der §§ 331, 332, 334 ist bei Bemessung des Schadens jedes Interesse des Geschädigten zu berücksichtigen?9? § 338« Staurechte können auf Antrag wegen überwiegender Vorteile für die Landes­ kultur oder die Schiffahrt gegen Entschädigung entzogen oder beschränkt werden. Für ver­ liehene Rechte verbleibt es bei der Vorschrift des § 84. § 339« (i) Die Unternehmer von Anlagen zur Entwässerung von Grundstücken oder zur Beseitigung von Abwässern sind verpflichtet, deren Mitbenutzung einem anderen zu gestatten, wenn dieser die Entwässerung oder die Beseitigung der Abwässer anders nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten durchführen kann, die Benutzung oder der Betrieb der Anlagen für den Unternehmer nicht wesentlich beeinträchtigt wird und der andere einen verhältnismäßigen Teil der Anlage- und Unterhaltungskosten übernimmt, auch für die dem Unternehmer aus der Mitbenutzung etwa erwachsenden Nachteile Entschädigung und auf Verlangen des Unternehmers vor der Mitbenutzung der Anlage eine angemessene Sicher­ heit leistet. Kann die Mitbenutzung nur bei entsprechender Veränderung der Anlagen zweckmäßig erfolgen, so sind die Unternehmer auch verpflichtet, die Veränderung nach ihrer Wahl selbst vorzunehmen oder sich gefallen zu lassen. Die Kosten dieser Veränderung hat der die Mitbenutzung Nachsuchende allein zu tragen. (2) Auch den Unternehmern von Bewässerungsanlagen liegen die im Abs. 1 bezeichneten Verpflichtungen ob, jedoch nur zugunsten der Eigentümer von Grundstücken, die zur Herstellung der Anlagen in Anspruch genommen sind. (a) Die Vorschriften der Abs. 1, 2 gelten nicht für Anlagen, die von einer Wassergenossen, schuft oder einem Deichverbande hergestellt sind. § 340. (i) Über die auf Grund der §§ 330 bis 339 erhobenen Ansprüche, die Entschädigung und die von den Beteiligten etwa sonst noch zu übernehmenden Leistungen beschließt in den Fällen des § 330 der Kreis(Stadt)ausschuß, im übrigen der Bezirksausschuß. Dieser be­ schließt auch über die Beseitigung der Anlagen nach § 333. Vor Erlaß des Beschlusses sind die Beteiligten zu hören, insbesondere die beteiligten Grundstückseigentümer über die Aus­ übung ihrer Rechte aus § 336 zu vernehmen. 136 Vgl. §§ 46 ff. u. 91 ff. 137 „Jedes" Interesse schließt also auch die Entschädigung für den „Wert der besonderen Vor. liebe" ein.

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VI. Abschn.

Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

(2) Gegen den Beschluß des Kreis(Stadt)ausschusses steht, soweit er nicht die Entschädigungen betrifft, dem Antragsteller und den übrigen Beteiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde zu. Über die Beschwerde entscheidet der Bezirksausschuß endgültig. Im übrigen ist der § 76 anzuwenden. Für die Entschädigung, ihre Auszahlung und Hinterlegung gelten, unbeschadet des § 45, die bei der Enteignung maßgebenden Vorschriften. (5) Der § 46 Abs. 3, der § 47, der § 49 Abs. 1, 3, 4, der § 51 Abs. 2, die §§ 59, 63, der § 64 Abs. 2, der § 65 Abs. 1, 2, der § 69, der § 70 Abs. 3, die §§ 71, 74, 75, der § 77 Abs. 1 bis 3, der § 78 und der § 81 sind entsprechend anzuwenden, ebenso in den Fällen der §§ 331, 332 der § 62. (6) Der Antrag auf Erwerbung des Eigentums (§ 336) ist nicht mehr zulässig, sobald dem Grundstückseigentümer der Beschluß des Bezirks(KreissStadtj)ausschusses eröffnet ist. (7) Mit der Rechtskraft desjenigen Teiles des Beschlusses, durch den ein Benutzungsrecht nach den §§ 330 bis 335 festgestellt wird, entsteht das Benutzungsrecht. Es bedarf zur Er­ haltung der Wirksamkeit gegenüber dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht der Eintragung. Doch hat die Beschlußbehörde das Grundbuchamt unverzüglich um die Ein­ tragung zu ersuchen. Diese Vorschriften gelten in den Fällen der §§ 338, 339 sinngemäß. In den Fällen der §§ 331 bis 333 bewendet es für die danach festgestellten Rechte am Wasserlauf bei § 185 Abs. 2. (3) (4)

§ 341. (1) Ansprüche auf Entschädigung, über die ein Beschluß nach § 340 Abs. 1 nicht gefaßt ist, können nachträglich geltend gemacht werden, wenn der Betroffene die nachteilige Wirkung nicht rechtzeitig vor der Beschlußfassung des Kreis(Stadt)ausschusses oder Bezirks­ ausschusses vorausgesehen hat oder hätte voraussehen müssen. Der § 82 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. (2) Zuständig zur Entscheidung über diese Ansprüche ist in den Fällen des § 330 der Kreis(Stadt)ausschuß, im übrigen der Bezirksausschuß. Der § 340 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 und Abs. 4 ist anzuwenden. Sechster Abschnitt.

Wasserpolizeibehörden.

§ 342. (1) Wasserpolizeibehörde ist: 1. für Wasserläufe erster Ordnung der Regierungspräsident; 2. für Wasserläufe zweiter Ordnung und die nicht zu den Wasserläufen gehörenden Ge­ wässers^ der ßanbmt,138 in Stadtkreisen die Ortspolizeibehörde. Die Städte, deren Polizeiverwaltung der Aufsicht des Landrats nicht untersteht,113 stehen den Stadt­ kreisen gleich; 3. für Wasserläufe dritter Ordnung die Ortspolizeibehörde. (2) Bei Talsperren ist der Regierungspräsident, der die Aufsicht über die Talsperre führt, Wasserpolizeibehörde?38 § 343. (1) Die zuständigen Minister können die Wahrnehmung der Wasserpolizei über­ tragen: 1. für Wasserläufe erster Ordnung einem der für die betreffenden Stromgebiete zustän­ digen Oberpräsidenten oder Regierungspräsidenten;71 2. für Wasserläufe zweiter Ordnung, die von einer sich über mehrere Kreise erstrecken­ den Wassergenossenschaft unterhalten werden, dem die Aufsicht über die Genossenschaft führenden Landrat, in Stadtkreisen der Ortspolizeibehörde, auch für die übrigen be­ teiligten Kreise. (2) Die Wasserpolizeibehörde kann bei Wasserläufen erster Ordnung örtliche Geschäfte der Wasserpolizei dem Ortsbaubeamten, dem Landrat und den Nachgeordneten Polizei­ behörden übertragen. Geschieht dies, so gelten für die Rechtsmittel gegen die Verfügungen des Ortsbaubeamten, des Landrats oder der Nachgeordneten Polizeibehörden sowie für die Zwangsmittel zur Durchführung der von diesen Behörden getroffenen Verfügungen 138 Bisher die Ortspolizeibehörde; die Zuständigkeit des Landrats ist neu. 139 Damit Aufsicht und Wasserpolizei in einer Hand sind.

5. Wassergesetz.

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dieselben Bestimmungen, wie wenn die Verfügungen von der Wasserpolizeibehörde unmittel­ bar getroffen wären. (3) Die Übertragung der Wahrnehmung der Wasserpolizei oder örtlicher Geschäfte der Wasserpolizei ist durch die Amtsblätter derjenigen Bezirke, für welche sie gelten sollen, sowie durch die Kreisblätter und in sonst geeigneter Weise bekanntzumachen. § 344. Für Wasserläufe dritter Ordnung kann in Landkreisen der Oberpräsident die Wahr­ nehmung der Wasserpolizei allgemein oder für einzelne Fälle dem Landrat übertragen. Erfolgt die Übertragung allgemein, so ist sie in ortsüblicher Weise und durch das Kreisblatt bekanntzumachen. § 345. (1) Wird einem Landrat oder einer Ortspolizeibehörde nach § 343 Abs. 1 Nr. 2 die Wahrnehmung der Wasserpolizei in einem Kreise übertragen, der einem anderen Re­ gierungsbezirk angehört, so führt der ihnen vorgesetzte Regierungspräsident die Aufsicht über sie auch für die in dem anderen Regierungsbezirk gelegenen Strecken des Wasserlaufs. (2) Im Falle des § 343 Abs. 2 führt die Aufsicht über den Ortsbaubeamten, den Land­ rat und die Nachgeordneten Polizeibehörden der Regierungspräsident oder Oberpräsident, dem die Wahrnehmung der Wasserpolizei zusteht. § 346. Der Oberpräsident ist berechtigt, die von ihm nach diesem G. in Ausübung der obrigkeitlichen Gewalt getroffenen, durch seine gesetzlichen Befugnisse gerechtfertigten An­ ordnungen durch die dem Regierungspräsidenten beigelegten Zwangsmittel durchzusetzen.^ § 347. (1) Gegen wasserpolizeiliche Verfügungen des Oberpräsidenten ist innerhalb zwei Wochen die Beschwerde oder nach § 127 Abs. 3, 4 des LVG. v. 30. Juli 1883 (GS. 195) die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte zulässig. Über die Beschwerde entscheidet, wenn es sich um die Benutzung der Wasserläufe für den öffentlichen Schiffsverkehr handelt, der Minister für Handel und Gewerbe, sonst der Minister der öffentlichen Arbeiten. (2) Im übrigen richten sich die Rechtsmittel gegen wasserpolizeiliche Verfügungen nach den allgemeinen Vorschriften über die Anfechtung polizeilicher Verfügungen.141 (3) Soweit nach § 345 die Aufsicht dem Regierungspräsidenten in einem anderen Ver­ waltungsbezirk zusteht, tritt er auch im Beschwerdeverfahren an die Stelle des örtlich zu­ ständigen Regierungspräsidenten. Für die Klage nach § 128 Abs. 1 zu b des LVG. ist der Bezirksausschuß am Amtssitze des die Aufsicht führenden Regierungspräsidenten zuständig. § 348. (1) Zuständig zum Erlaß von Polizeiverordnungen auf dem Gebiete der Wasser­ polizei sind, abgesehen von den Fällen der §§ 284, 306, 355, die Wasserpolizeibehörden für den ihnen unterstellten Wasserpolizeibezirk. (2) Soll sich eine Polizeiverordnung über diesen Bezirk hinaus auf mehrere Ortspolizei­ bezirke, Kreise oder Regierungsbezirke derselben Provinz erstrecken, so ist sie von dem örtlich zuständigen Landrat, Regierungspräsidenten oder Oberpräsidenten zu erlassen. (3) Die Androhung von Strafen in den Polizeiverordnungen für die Fälle der Zuwider­ handlung gegen ihre Vorschriften, die Form und die sonstigen Erfordernisse der Polizei­ verordnungen sowie ihr Inkrafttreten bestimmen sich nach denjenigen Vorschriften, die gelten würden, wenn die Polizeiverordnung von der Behörde auf Grund der ihr allgemein zu­ stehenden Befugnis zum Erlaß von Polizeiverordnungen erlassen würde.^ Hinsichtlich der Befugnis, Polizeiverordnungen außer Kraft zu setzen, verbleibt es bei den Vorschriften des •§ 145 des LVG. v. 30. Juli 1883 (GS. 195); jedoch steht bei Wasserläufen erster Ord­ nung diese Befugnis den Ministern für Handel und Gewerbe und der öffentlichen Arbeiten zu. (4) Ist einer Behörde die Wahrnehmung der Wasserpolizei gemäß § 343 Abs. 1 über ihren allgemeinen Verwaltungsbezirk hinaus übertragen, so ist die zum Erlaß von Polizeiverord­ nungen erforderliche Zustimmung von derjenigen Behörde auszusprechen, die für den Be­ zirk, in dem die Polizeiverordnung gelten soll, örtlich zuständig ist. Kommen hiernach mehrere 140 Also jetzt auch nach §§ 132 ff. LVG. 141 Hierdurch (§§ 127 ff. LVG.) ist das besondere Verfahren des jetzt aufgehobenen § 66 ZustG. beseitigt. 142 Vgl. §§ 136 ff. LVG. R eich elt, Berwaltungsgesetzbuch.

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VI. Abschn. Agrar-, Wasser- und Jagdrecht.

Behörden in Betracht, so ist die Zusümmung von derjenigen am Sitze der Wasserpolizei­ behörde auszusprechen. § 349. Für den Kaiser-Wilhelm-Kanal und den angrenzenden Teil der Elbe kann der zuständige Minister die wasserpolizeilichen Befugnisse des Regierungspräsidenten auf den Leiter der für die Verwaltung des Kanals bestellten Reichsbehörde übertragen, die Wahr­ nehmung der Wasserpolizei abweichend von den Besümmungen des § 343 Abs. 2 und des § 348 regeln und den Bezirk, für den die Kanalpolizeibehörde zuständig ist, abgrenzen. Die Vorschriften über die Zwangsbefugnisse des Regierungspräsidenten und über die Rechts­ mittel gegen seine wasserpolizeilichen Verfügungen sind alsdann auf die Maßnahmen der Kanalpolizeibehörde entsprechend anzuwenden. § 350. Zum Erlaß von polizeibehörde hinaus auf Ordnung die Minister für läufen zweiter und dritter

Polizeiverordnungen, die sich über den Polizeibezirk einer Wasser­ mehrere Provinzen erstrecken sollen, sind bei Wasserläufen erster Handel und Gewerbe und der öffentlichen Arbeiten, bei Wasser­ Ordnung der Minister für Landwirtschaft zuständig.

§ 351. Den Wasserläufen erster Ordnung im Sinne der Vorschriften des § 342 Abs. 1 Nr. 1, des § 343 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und der §§ 348 bis 350 stehen die mit Wasserläufen erster Ordnung in Verbindung stehenden Binnenschiffahrtshäfen sowie die Verbindungs­ strecken gleich. § 352. Durch die Vorschriften dieses Gesetzes werden die Befugnisse, die der Wasser­ polizeibehörde auf Grund des Allg. Landrechts Teil II Titel 17 § 10 und anderer neben diesem Gesetz in Kraft bleibender gesetzlicher Vorschriften zustehen, nicht berührt. § 353. Als Berater der Wasserpolizeibehörden werden technisch genügend vorgebildete Beamte bestellt.143 Die näheren Bestimmungen werden durch Ausführungsanweisung getroffen. § 354. Entsteht durch Eisgang, Überschwemmung, Einsturz von Baulichkeiten oder andere außergewöhnliche Ereignisse Wassergefahr, deren Beseitigung augenblickliche Vorkehrungen erfordert, so sind, wenn es ohne erhebliche eigene Nachteile geschehen kann, alle benachbarten Gemeinden (Gutsbezirke), auch wenn sie nicht bedroht sind, verpflichtet, auf Anordnung der Wasserpolizeibehörde oder der Ortspolizeibehörde die erforderliche Hilfe durch Handund Spanndienste sowie durch Lieferung von Baustoffen und Gestellung von Gespannen zu leisten. § 355. (i) Durch Ortsstatut kann ein geordneter Wasserwehrdienst eingerichtet werden. Soweit der Wasserwehrdienst nicht durch Ortsstatut geregelt ist, können Polizeiverordnungen erlassen werden über die Verpflichtung der Einwohner zur Hilfeleistung bei Wassergefahr, insbesondere zum Eintritt in eine Pflichtwasserwehr, über die damit verbundenen persön­ lichen Dienstpflichten, über die Gestellung von Gespannen und die Lieferung von Bau­ stoffen sowie über die Verpflichtung zur Hilfeleistung bei Wassergefahr benachbarter Ge­ meinden. (2) Solche Polizeiverordnungen gehören im Sinne des § 143 des LVG. v. 30. Juli 1883 (GS. 195) nicht zum Gebiete der Sicherheitspolizei. Sie treten außer Kraft, soweit der Wasserwehrdienst durch ein Ortsstatut geregelt wird. (3) Das Ortsstatut ist an die Besümmungen des § 68 KAbgG. v. 14. Juli 1893 (GS. 152) nicht gebunden. Siebenter Abschnitt.

Schauämter.

§ 356. (i) Für Wasserläufe zweiter und dritter Ordnung ftttb144 Schauämter durch Polizeiverordnung (Schauordnung) zu bilden. 143 Vgl. Anm. 121. Der Entwurf (§ 327) sah „Beamte des Jngenieurbaufachs" vor. 144 Dadurch ist für Wasserläufe 2. und 3. Ordnung ein gesetzlicher Zwang zur Bildung von Schau­ ämtern neu eingeführt. Sie sollen in erster Linie Hilfsorgane der Wasserpolizeibehörden sein; weitere Befugnisse: §§ 358 u. 360.

5. Wassergesetz.

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(2) Die Schauämter können auch für den Umfang eines Land- oder Stadtkreises oder für einzelne Teile von Kreisen gebildet werden. (a) Auf Wasserläufe, deren Unterhaltung nach § 125 einem Provinzial(Bezirks-, Landes­ kommunallverband übertragen ist, sowie auf Wasserläufe, die von einem Deichverbande zu unterhalten sind oder der Aufsicht der Deichverwaltungsbehörden unterstehen, sind diese Vorschriften nicht anzuwenden. § 357« Die Schauämter haben die Wasserläufe ihrer Bezirke nach Bedarf zu schauen und festzustellen, ob die Wasserläufe und ihre Ufer ordnungsmäßig unterhalten werden, und ob eine unzulässige Verunreinigung stattgefunden hat. Vorgefundene Mängel haben sie der Wasserpolizeibehörde mitzuteilen. § 358. (i) Dem Schauamt oder seinem Vorsitzenden kann durch die Schauordnung die Befugnis übertragen werden, an Stelle der Wasserpolizeibehörde Art und Maß der zur Unterhaltung des Wasserlaufs und seiner Ufer nach den §§ 114, 119, 120 auszuführenden Arbeiten sowie die Zeit zu ihrer Ausführung durch polizeiliche Verfügung festzustellen (§ 133 Abs. 2 Satz 1). Die Durchführung der von dem Schauamt getroffenen Verfügungen liegt dem Vorsitzenden ob. (2) Für die Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfügungen des Schauamts oder seines Vorsitzenden sowie die Zwangsmittel zur Durchführung solcher Verfügungen gelten dieselben Bestimmungen, wie wenn die Verfügungen von der für den Wasserlauf nach den §§ 342 bis 344 zuständigen Wasserpolizeibehörde getroffen wären. Erstreckt sich die Schauordnung zu­ gleich auf Wasserläufe zweiter und dritter Ordnung, so sind auch bei letzteren die für die Wasser polizeilichen Verfügungen bei den beteiligten Wasserläufen zweiter Ordnung geltenden Vorschriften anzuwenden. (3) Im Falle des Abs. 1 steht dem Schauamt oder seinem Vorsitzenden zu, die in einer Unterhaltungsordnung (§ 133 Abs. 2 Satz 2) etwa angedrohten Strafen durch polizeiliche Strafverfügung nach dem G. v. 23. April 1883 (GS. 65) an Stelle der Wasserpolizeibehörde festzusetzen. § 359. Unbeschadet des § 357 kann durch die Schauordnungen den Schauämtern auch die Aufsicht über die Benutzung der Wasserläufe übertragen werden. Sie haben ihre Wahr­ nehmungen der Wasserpolizeibehörde mitzuteilen. § 360. Die Schauämter sind befugt und auf Erfordern der Verwaltungsbehörden verpflichtet, wasserwirtschaftliche Gutachten über die ihnen zugeteilten Wasserläufe zu erstatten. § 3aß der Behörde ein nach den Gesetzen dieses Staates bestehendes Ehehindernis nicht bekannt ge­ worden ist. § 2. Ausländer haben außerdem ein Zeugnis der zuständigen Behörde ihres Staates darüber beizubringen, daß sie nach den Gesetzen dieses Staates ihre Staatsangehörigkeit nicht durch die Eheschließung verlieren, sondern auf ihre Ehefrau und ihre ehelichen oder durch die nachfolgende Ehe legitimierten Kinder überttagen. § 3. Die nach den §§ 1, 2 erforderlichen Zeugnisse müssen von einem Konsul oder Gesandten des Reichs mit der Bescheinigung versehen sein, daß die das Zeugnis ausstellende Behörde für die Ausstellung zuständig ist. Diese Vorschrift findet auf solche Zeugnisse keine Anwendung, welche nach den Bestimmungen der Staatsverträge keiner Beglaubigung bedürfen. § 4. Bon der Vorschrift des § 1 kann der Justizminister im einzelnen Falle, von der Vorschrift des § 2 kann der Minister des Innern im einzelnen Falle oder für die Angehörigen eines aus­ ländischen Staates im allgemeinen Befreiung bewilligen. 11 Vgl. § 50 PersonenstG. (in Fassung des Art. 46 EG. z. BGB.). 11 Zuständig ist, wenn beide Verlobte Reichsdeutsche sind, der Regierungspräsident, in dessen Bezirk die Ehe geschlossen werden soll, für Berlin der Oberpräsident, in den übrigen Fällen der Minister des Innern (Bg. v. 12. Juli 1910, GS. 111).

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VIII. Abschn.

Öffentliches Personenrecht.

§ 44 Für die Anordnung des vor der Eheschließung zu erlassenden Aufgebots ist jeder Standesbeamte zuständig, vor dem nach § 1320 des BGB. die Ehe geschlossen werden darf. § 45. Bor Anordnung des Aufgebots sind dem Standesbeamten (§ 44) die zur Ehe­ schließung gesetzlich notwendigen Erfordernisse als vorhanden nachzuweisen. Insbesondere haben die Verlobten in beglaubigter Form beizubringen: 1. ihre Geburtsurkunden, 2. die zustimmende Erklärung derjenigen, deren Einwilligung nach dem Gesetze erforderlich ist. Der Beamte kann die Beibringung dieser Urkunden erlassen, wenn ihm die Tatsachen, welche durch dieselben festgestellt werden sollen, persönlich bekannt oder sonst glaubhaft nach­ gewiesen sind. Auch kann er von unbedeutenden Abweichungen in den Urkunden, beispiels­ weise von einer verschiedenen Schreibart der Namen oder einer Verschiedenheit der Vor­ namen absehen, wenn in anderer Weise die Persönlichkeit der Beteiligten festgestellt wird. Der Beamte ist berechtigt, den Verlobten die eidesstattliche Versicherung über die Richtig­ keit der Tatsachen abzunehmen, welche durch die vorliegenden Urkunden oder die sonst beigebrachten Beweismittel ihm nicht als hinreichend festgestellt erscheinen. § 46. Das Aufgebot ist bekanntzumachen: 1. in der Gemeinde oder in den Gemeinden, woselbst die Verlobten ihren Wohnsitz haben; 2. wenn einer der Verlobten seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb seines gegen­ wärtigen Wohnsitzes hat, auch in der Gemeinde seines jetzigen Aufenthalts; 3. wenn einer der Verlobten seinen Wohnsitz innerhalb der letzten sechs Monate ge­ wechselt hat, auch in der Gemeinde seines früheren Wohnsitzes. Die Bekanntmachung hat die Vor- und Familiennamen, den Stand oder das Gewerbe und den Wohnort der Verlobten und ihrer Eltern zu enthalten. Sie ist während zweier Wochen an dem Rats- oder Gemeindehause, oder an der sonstigen, zu Bekanntmachungen der Gemeindebehörde bestimmten Stelle auszuhängen.

§ 47. Ist einer der Orte, an welchem nach § 46 das Aufgebot bekanntzumachen ist, im Auslande belegen, so ist an Stelle des an diesem Orte zu bewirkenden Aushanges die Be­ kanntmachung auf Kosten des Antragstellers einmal in ein Blatt einzurücken, welches an dem ausländischen Orte erscheint oder verbreitet ist. Die Eheschließung ist nicht vor Ablauf zweier Wochen nach dem Tage der Ausgabe der betreffenden Nummer des Blattes zulässig. Es bedarf dieser Einrückung nicht, wenn eine Bescheinigung der betreffenden ausländischen Ortsbehörde dahin beigebracht wird, daß ihr von dem Bestehen eines Ehehindernisses nichts bekannt sei. § 48. Kommen Ehehindernisse zur Kenntnis des Standesbeamten, so hat er die Ehe­ schließung abzulehnen. § 49. Soll die Ehe vor einem anderen Standesbeamten als demjenigen geschlossen werden, welcher das Aufgebot angeordnet hat, so hat der letztere eine Bescheinigung dahin auszu­ stellen, daß und wann das Aufgebot vorschriftsmäßig erfolgt ist und daß Ehehindernisse nicht zu seiner Kenntnis gekommen sind. § 59. Der Standesbeamte soll ohne Aufgebot die Eheschließung nur vornehmen, wenn ihm ärztlich bescheinigt wird, daß die lebensgefährliche Erkrankung eines der Verlobten den Aufschub der Eheschließung nicht gestattet.18 § 54 Die Eintragung in das Heiratsregister soll enthalten: 1. Vor- und Familiennamen, Religion, Alter, Stand oder Gewerbe, Geburts- und Wohn­ ort der Eheschließenden; 2. Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort ihrer Eltern; 3. Vor- und Familiennamens Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort der zugezogenen Zeugen; 4. die Erklärung der Eheschließenden; 5. den Ausspruch des Standesbeamten.

6. Personenstandsgesetz.

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Über die erfolgte Eheschließung ist den Eheleuten sofort eine Bescheinigung auszu­ stellen. § 55* Ist eine Ehe für nichtig erklärt, ist in einem Rechtsstreite, der die Feststellung des Bestehens ober des Nichtbestehens einer Ehe zwischen den Parteien zum Gegenstände hat, das Nichtbestehen der Ehe festgestellt, ist eine Ehe vor dem Tode eines der Ehegatten aus­ gelöst ober ist nach § 1575 des BGB. die eheliche Gemeinschaft aufgehoben, so ist dies am Rande der über die Eheschließung bewirkten Eintragung zu vermerken. Wird die eheliche Gemeinschaft nach der Aufhebung wiederhergestellt, so ist dies auf Antrag am Rande zu vermerken. 5. Abschnitt. Beurkundung der Sterbefälle. § 56. Jeder Sterbefall ist spätestens am nächstfolgenden Wochentage^ dem Standesbeamten des Bezirks, in welchem der Tod erfolgt ist, anzuzeigen. § 57. Zu der Anzeige verpflichtet ist das Familienhaupt,^ und wenn ein solches nicht vorhanden oder an der Anzeige behindert ist, derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Sterbefall sich ereignet hat. § 58. Die §§ 19 bis 21 kommen auch in Beziehung auf die Anzeige der Sterbefälle zur Anwendung. Findet eine amtliche Ermittelung über den Todesfall statt, so erfolgt die Eintragung auf Grund der schriftlichen Mitteilung der zuständigen Behörde.^ § 59. Die Eintragung des Sterbefalles soll enthalten: 1. Vor- und Familiennamens Stand oder Gewerbe und Wohnort des Anzeigenden; 2. Ort, Tag und Stunde des erfolgten Todes; 3. Vor- und Familiennamen, Religion, Alter, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Ge­ burtsort des Verstorbenen; 4. Vor- und Familiennamen seines Ehegatten, oder Vermerk, daß der Verstorbene ledig gewesen sei; 5. Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Eltern des Ver­ storbenen. Soweit diese Verhältnisse unbekannt sind, ist dies bei der Eintragung zu vermerken. § 60. Ohne Genehmigung der Ortspolizeibehörde darf keine Beerdigung vor der Ein­ tragung des Sterbefalles in das Sterberegister stattfinden. Ist die Beerdigung dieser Vor­ schrift entgegen geschehen, so darf die Eintragung des Sterbefalles nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde nach Ermittelung des Sachverhalts erfolgen. 6. Abschnitt. Beurkundung des Personenstandes der auf See befindlichen Personen. § 61. Geburten und Sterbefälle, welche sich auf Seeschiffen während der Reise ereignen, sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens am nächstfolgenden Tage nach der Ge­ burt oder dem Todesfall von dem Schiffer, unter Zuziehung von zwei Schiffsoffizieren ober anderen glaubhaften Personen, in dem Tagebuch zu beurkunden. Bei Sterbefällen ist zugleich die mutmaßliche Ursache des Todes zu vermerken. § 62. Der Schiffer hat zwei von ihm beglaubigte Abschriften der Urkunden demjenigen Seemannsamte, bei dem es zuerst geschehen kann, zu übergeben. Eine dieser Abschriften ist bei dem Seemannsamte aufzubewahren, die andere ist demjenigen Standesbeamten, in dessen Bezirk die Eltern des Kindes, beziehungsweise der Verstorbene ihren Wohnsitz haben oder zuletzt gehabt haben, behufs der Eintragung in das Register zuzufertigen. 20 Also nur die Sonntage, nicht auch die auf Wochentage fallenden Feiertage schieben die Anzeigepflicht auf. 21 Als solches kann auch die uneheliche Mutter angesehen werden. 21 MErl. v. 27. April 1878 (MBl. 78) und v. 17. Oft. 1899 (MBl. 188). Vgl. Anm. 2, 5, 7.

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VI11. Abschn. Cffentltche* Personenrecht.

§ 63. Ist der Schiffer verstorben oder verhindert, so hat der Steuermann bte in den §§ 61 und 6*2 dem Schiffer auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen.

§ 64. Sobald das Schiff in den inländischen Hafen eingelaufen ist, in welchem es feine Fahrt beendet, ist das Tagebuch der für den Standesbeamten des Hafenorts zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen. Tiefe hat beglaubigte Abschrift der in das Tagebuch eingetragenen Standesurkunde dem Standesbeamten, in dessen Register der Fall gehört (§ 62), behufs Kontrollierung der (iin* tragungen zuzustellen. 7. Abschnitt.

Berichtigung der Standesregister. ^

§ 65. Tie Berichtigung einer Eintragung in dem Standesregister kann nur aus Grund gerichtlicher Anordnung erfolgen. Sie geschieht durch Beischreibung eines Vermerks am Rand der zu berichtigenden Eintragung. § 66. Für das Berichtigungsverfahrcn gelten die nachstehenden Vorschriften. Die Aufsichtsbehörde hat, wenn ein Antrag auf Berichtigung gestellt wird, oder wenn sie eine solche von Amts wegen für erforderlich erachtet, die Beteiligten zu hören und geeignetenfalls eine Aufforderung durch ein öffentliches Blatt zu erlassen. Die abgeschlossenen Verhandlungen hat sie demnächst dem Gerichte erster Instanz vorzulegen. Dieses kann noch weitere tatsächliche Aufklärungen veranlassen und geeignetenfalls den Antragsteller auf den Prozeßweg verweisen. Im übrigen finden die für Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung. 8. Abschnitt. Schluß bestimm ungen. § 67. Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher zu den religiösen Feierlich­ keiten einer Eheschließung^ schreitet, bevor ihm nachgewiesen worden ist, daß die Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen sei, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Geistliche oder der Religionsdiener im Falle einer lebensgefährlichen, einen Aufschub nicht gestattenden Erkrankung eines der Verlobten zu den religiösen Feierlichkeiten der Eheschließung schreitet. § 68. Wer den in den §§ 17 bis 20, 22 bis 24, 56 bis 58 vorgeschriebenen Anzeigepslichten nicht nachkommt, wird mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft bestraft. Die Strafverfolgung tritt nicht ein, wenn die Anzeige, obwohl nicht von den zunächst Ver­ pflichteten, doch rechtzeitig gemacht worden ist. Die bezeichnete Strafe trifft auch den Schisser oder Steuermann, welcher den Vorschriften der §§ 61 bis 64 zuwiderhandelt. Tie Standesbeamten sind außerdem befugt, die zu Anzeigen oder zu sonstigen Handlungen auf Grund dieses Gesetzes Verpflichteten hierzu durch Geldstrafen^ anzuhalten, welche für jeden einzelnen Fall den Betrag von fünfzehn Mark nicht übersteigen dürfen. § 69. Ein Standesbeamter, welcher unter Außerachtlassung der in diesem Gesetze und in dem Bürgerlichen Gesetzbuche gegebenen Vorschriften eine Eheschließung vollzieht, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark bestraft. § 70. Gebühren und Geldstrafen, welche in Gemäßheit dieses Gesetzes zur Einhebung gelangen, fließen, insoweit die Landcsgesetze nicht ein anderes bestimmen, den Gemeinden zu, welche die sächlichen Kosten der Standesämter (§§ 8, 9) zu tragen haben. 28 Dazu gehört nicht die nachträgliche Eintragung von Vornamen gemäß § 22 Abs. 3, auch nicht die Beischreibung von Zusätzen, Abänderungen und Löschungen gemäß § 13 Abs. 4, die sich bei der standesamtlichen Verhandlung selbst ergeben. — Eine willkürliche Änderung des Namens, auch in seiner Schreibweise, macht nach KabO. v. 15. Avril 1822 und Allerh. Erl. v. 12. Juli 1867 (GS. 108 bzw. 1310) strafbar. Für das Verfahren bei Genehmigung von Namensänderungen sind die MErl. v. 9. Aug. 1867, 15. Aug. 1898 und 25. Sept. 1903 (MBl. 246, 191 und 211) maßgebend. 24 Das kirchliche Aufgebot darf vor dem standesamtlichen stattfinden. 86 und zwar nur durch solche Strafen; andere Zwangsmittel stehen ihm nicht zu.

6. Personenstandsgesetz.

929

§ 72. Für die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familien, sowie der Fürstlichen Familie Hohenzollern erfolgt die Ernennung des Standesbeamten und die Bestimmung über die Art der Führung und Aufbewahrung der Standesregister durch An­ ordnung des Landesherrn. In betreff der Stellvertretung der Verlobten und in betreff des Aufgebots entscheidet die Observanz. Im übrigen werden in Ansehung der Mitglieder dieser Häuser die auf Hausgesetzen oder Observanz beruhenden Bestimmungen über die Erfordernisse der Eheschließung und über die Gerichtsbarkeit in Ehesachen nicht berührt. § 73. Den mit der Führung der Standesregister oder Kirchenbücher bisher betraut ge­ wesenen Behörden und Beamten verbleibt die Berechtigung und Verpflichtung, über die bis zur Wirksamkeit dieses Gesetzes eingetragenen Geburten, Heiraten und Sterbefälle Zeug­ nisse zu erteilen.26 § 82. Die kirchlichen Verpflichtungen in Beziehung auf Taufe und Trauung werden durch dieses Gesetz nicht berührt. § 83. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen Bestimmungen werden, soweit dieselben nicht durch eine vom Bundesrate erlassene Ausführungsverordnung getroffen werden, von den einzelnen Landesregierungen erlassen.27 § 85. Durch dieses Gesetz werden die Besümmungen des Gesetzes v. 4. Mai 1870, be­ treffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Reichsangehörigen im Auslande, nicht berührt. Der Reichskanzler kann einem diplomatischen Vertreter oder einem Konsul des Deutschen Reichs die allgemeine Ermächügung zur Vornahme von Eheschließungen und zur Beurkun­ dung der Geburten, Heiraten und Sterbefälle, wie für Reichsangehörige, so auch für Schutz­ genossen erteilen. 26 In Preußen ist der 1. Oktober 1874 maßgebend, d. i. der Tag des Inkrafttretens des Preuß. PersonenstG. v. 9. März 1874 (GL. 95). Urkunden über den Personenstand aus der Zeit vor dem 1. Oktober 1874 müssen daher von den betreffenden Geistlichen als Kirchenbuchführern (Pfarrämtern) eingeholt werden und genießen Beweiskraft entsprechend oben § 15. 27 Vgl. insbesondere BundesratsVg. v. 25. März 1899 (RGBl. 225) und die in Anm. 22 erwähnten Ministerialerlasse.

IX, Abschnitt.

Veamtenrecht. 1. Allgemeine Pflichten und Rechte der Beamten. Da das durch Art. 98 der VerfUrk. verheißene allgemeine Staatsdienergesetz nicht ergangen ist, vielmehr nur einzelne Gebiete des Beamtenrechts gesetzlich neu geregelt sind, bildet das Allg. Landrecht Teil II Tit. 10, „Von den Rechten und Pflichten der Diener des Staats", noch heute die rechtliche Grundlage des preußischen Beamtenrechts. Auch die Rechtsverhält­ nisse der Kommunalbeamten haben durch das G. v. 30. Juli 1899 (nachstehend unter Nr. 13) nur teilweise eine Regelung erfahren, während die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten durch das RBeamtG. v. 31. März 1873, in neuer Fassung v. 18. Mai 1907 (RGBl. 245) im wesentlichen erschöpfend behandelt sind. Selbst der Begriff der Beamteneigenschäst steht nicht einheitlich fest. Tie weitest­ gehende Begriffsbestimmung enthält § 359 des StGB. Im übrigen wird die Beamten­ eigenschaft in Zweifelsfällen nur nach besonderen Kennzeichen zu bestimmen sein, wie: Ab­ leistung des allgemeinen Staatsdienereides, eine besondere Anstellungsverfügung oder Be­ rufung — nach §1 des KBeamtG. die Aushändigung einer Anstellungsurkunde—, bei den Berufsbeamten zumeist auch eine feste Besoldung, während Lebenslänglichkeit der Anstellung nur ein regelmäßiges Kennzeichen der fest angestellten Berufsbeamten ist. Immer aber setzt die Beamteneigenschaft voraus, daß der betreffende im staatlichen Aufträge oder mit staat­ licher Ermächtigung unmittelbar oder mittelbar für staatliche Zwecke tätig sein soll. Die Anstellung, Berufung oder Bestätigung der preußischen Beamten ist nach Art. 47 der VerfUrk. grundsätzlich ein Recht des Königs. Die Rechte der Beamten bestehen in gewissen Ehrenvorrechten (Amtsgewalt, Rang, Titel, ev. Dienstkleidung, Staatsuniform und Amtsabzeichen), strafrechtlichem Schutz (insbes. §§ 113,114,196 des StGB.) und ev. Recht zum Waffengebrauch (der Polizeiexekutivbeamten: S. Anm. 9 zu § 14 der GendVg., oben S. 449; der Forst- und Jagdbeamten: G. v. 31. März 1837, GS. 65, und die Instruktionen v. 17. Apnl und 21. Nov. 1837, v. Kamptz' Ann. 21, S. 344 und 350), sowie gewissen Vermögensrechten (Gehalt und sonstige Dienstbezüge und Vergütungen, Pensionen, Witwen- und Waisenversorgung, Steuervorrechte). Allg. Landrecht Teil II Tit. 10. § 1. Militär und Zivilbediente sind vorzüglich bestimmt, die Sicherheit, die gute Ord­ nung, und den Wohlstand des Staats unterhalten und befördern zu helfen. § 2. Sie sind, außer den allgemeinen Untertanenpflichten, dem Oberhaupte des Staats besondere Treue und Gehorsam schuldigt 1 und zwar nach ihrem Diensteide (Art. 108 VerfU); die sog. politischen Beamten auch in politischer Beziehung. Der Allerh. Erl. v. 4. Jan. 1882 bestimmt darüber:---------- „Es ist die Aufgabe Meiner Minister, Meine verfassungsmäßigen Rechte durch Verwahrungen gegen Zweifel und Verdunkelung zu vertreten. Das gleiche verlange Ich von allen Beamten, welche Mir den Amiseid geleistet haben. Mir liegt es fern, die Freiheit der Wahlen zu beeinträchtigen, aber für diejenigen Beamten, welche mit der Ausführung Meiner Regierungsakte betraut sind, und deshalb ihres Dienstes nach beut DiszG. enthoben werden können, erstreckt sich die durch den Diensteid beschworene Pflicht auf Ver­ tretung der Politik Meiner Regienmg auch bei den Wahlen." — Ähnliche Grundsätze gelten von der

1. Pflichten und Rechte der Beamten.

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§ 3. Ein jeder ist nach der Beschaffenheit seines Amtes und nach dem Inhalte seiner Instruktion dem Staate ^ noch zu besonderen Diensten durch Eid und Pflicht zugetan? § LS. Dergleichen Beamte stehen entweder in unmittelbaren Diensten des Staats oder gewisser demselben untergeordneter Kollegien, Korporationen und Gemeinen. § 70. Es soll niemanden ein Amt ausgetragen werden, der sich dazu nicht hinlänglich qualifiziert und Proben seiner Geschicklichkeit abgelegt hat. § 71. Wem die Besetzung der verschiedenen Arten von Zivilbedienungen zukomme? wer zu dergleichen Bedienungen gelangen könne? und was für Borbereitungen und Prüfungen dazu vorhergehen müssen? ist nach Verschiedenheit der Fächer und Stufen solcher Bedienungen, durch spezielle Gesetze und Instruktionen bestimmt.4 § 81. Niemand soll sich ein Amt anmaßen, welches ihm nicht auf eine der eingeführten Ordnung gemäße Art übergeben worden. § 82. Allen Schaden, welcher aus solchen ungebührlichen Anmaßungen für den Staat entsteht, muß er ersetzen. § 85. Die Rechte und Pflichten der Zivilbedienten, in Beziehung auf das ihnen anver­ traute Amt, werden, durch die darüber ergangenen besonderen Gesetze, und durch ihre Amts­ instruktionen bestimmt? § 80. Niemand soll sein Amt zur Beleidigung oder Bevorteilung anderer mißbrauchen. § 87. Was ein Beamter vermöge seines Amtes und uvch den Vorschriften desselben unter­ nimmt, kann gegen ihn als eine Privatbeleidigung nicht gerügt werden? § 88. Wer ein Amt übernimmt, muß auf die pflichtmäßige Führung desselben die ge­ naueste Aufmerksamkeit wenden? § 89. Jedes dabei begangene Versehen, welches bei gehöriger Aufmerksamkeit und nach den Kenntnissen, die bei der Verwaltung des Amtes erfordert werden, hätte vermieden werden können und sollen, muß er vertreten? Beteiligung der Beamten an Vereinen (MErl. v. 11. Mai 1850, MBl. 122). Für unzulässig ist z. B-, auch von der Rechtsprechung, die Beteiligung eines Beamten an sozialdemokraüschen und national-polnischen Vereinen und Bestrebungen erklärt worden. 2 Mittelbare Beamte sind außerdem auch ihren Kommunen und kommunalen Vorgesetzten zu Treue und Gehorsam verpflichtet. 3 Darin liegt auch die schuldige Achtung gegen die Vorgesetzten. 4 Vgl. insbesondere G. über die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst v. 10. Aug. 1906 (GS. 378) und AusfAnw. dazu v. 12. Aug. 1906 (MBl. 231); G., betr. die Besetzung der Subalternund Unterbeamtenstellen usw., v. 21. Juli 1892, abgedruckt nachstehend unter Nr. 2, und die An­ stellungsgrundsätze des Bundesrats für Militäranwärter v. 20. Juni 1907 (MBl. 295 und 308). 6 Die Verletzung der besonderen Beamtenpflichten kann strafrechtliche, disziplinarrechtliche und zivilrechtliche Folgen haben. Wegen der strafrechtlichen s. §§ 331 ff. StGB. 6 Vgl. G., betr. die Konflikte, v. 13. Febr. 1854, abgedruckt nachstehend unter Nr. 5. 7 Dadurch ist auch ausgesprochen, daß der Beamte sich seinem Amte ganz widmen muß. Die Übernahme von Nebenämtern oder Nebenbeschäftigungen bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der vorgesetzten Behörde (KabO. v. 13. Juli 1839, GS. 235). Wegen des Betriebes eines Gewerbes f. § 12 GewOg. und Anm. 10 dazu. 8 Wegen der zivilrechtlichen Haftung Dritten gegenüber vgl. § 839 BGB. und Preuß..G. über die Haftung des Staats und anderer Verbände für Amtsverletzungen von Beamten v. 1. Aug. 1909 (GS. 691): § 1. Verletzt ein unmittelbarer Staatsbeamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffent­ lichen Gewalt vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die im § 839 des BGB. bestimmte Verantwortlichkeit an Stelle des Beamten den Staat. Ist die Verantwortlichkeit des Beamten deshalb ausgeschlossen, »veil er den Schaden im Zu­ stande der Bewußlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit verursacht hat, so hat gleichwohl der Staat den Schaden zu ersetzen, wie wenn dem Beamten Fahrlässigkeit zur Last fiele, jedoch nur insoweit, als die Billigkeit die Schadloshaltung erfordert. Die Verantwortlichkeit des Staates ist ausgeschlossen bei Beamten, die ausschließlich auf den Bezug von Gebühren angewiesen sind, sowie bei solchen Amtshandlungen anderer Beamten,

932

IX. Abschn. Beamlenrecht.

§ 91. Doch findet die Vertretung nur alsdann statt, wenn kein anderes gesetzliches Mittel, wodurch den nachteiligen Folgen eines solchen Versehens abgeholfen werden könnte, mehr übrig ist. § 92. Kein Beamter darf den zur Ausübung seines Amtes ihm angewiesenen Wohnort ohne Vorwissen und Genehmigung seiner Vorgesetzten verlassen? § 93. Inwiefern zu bloßen Reisen oder Entfernungen auf eine Zeitlang die Erlaubnis der unmittelbaren und höheren Vorgesetzten erforderlich sei, ist nach den einer jeden Klasse von Beamten vorgeschriebenen besonderen Gesetzen und Amtsinstruktionen zu bestimmen.10 § 94. Bei derjenigen Instanz, von welcher die Besetzung eines Amtes abhängt, muß auch die Entlassung davon gesucht werden. § 95. Die Entlassung soll nur alsdann, wenn daraus ein erheblicher Nachteil für das ge­ meine Beste zu besorgen ist, versagt werden. § 96. Einem Beamten, dem aus diesem Grund die Entlassung versagt wird, steht da­ gegen die Berufung auf die unmittelbare landesherrliche Entscheidung offen. § 97. In keinem Falle aber darf der abgehende Beamte seinen Posten eher verlassen, als bis wegen Wiederbesetzung oder einstweiliger Verwaltung desselben Verfügung getroffen ist.11 § 118. Gegenstände, welche zur Behandlung des Kollegiums gehören, müssen nach der Mehrheit der Stimmen entschieden werden. § 119. Auch der unmittelbare Vorgesetzte des Kollegiums muß in Sachen, die zur kollegialischen Bearbeitung gehören, der Mehrheit der Stimmen sich unterwerfen.10 § 120. Dem Vorgesetzten10 des Kollegiums kommt nur das Recht zu, die Stimmen zu sammeln und den Schluß nach der Mehrheit derselben abzufassen. für welche die Beamten eine besondere Vergütung durch Gebühren von den Beteiligten zu be­ ziehen haben. § 2. Wird der Staat auf Grund der Vorschrift des § 1 Abs. 1 in Anspruch genommen, so finden auf die Feststellung, ob der Beamte sich einer Überschreitung seiner Amtsbefugnisse oder der Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung schuldig gemacht hat, die für den Fall der Verfolgung des Beamten geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. § 3. Der Staat kann von dem Beamten Ersatz des Schadens verlangen, den er durch die im § 1 Abs. 1 bestimmte Verantwortlichkeit erleidet. Der Ersatzanspruch verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkte an, in welchem der Ersatzanspruch des Dritten diesem gegenüber von dem Staate anerkannt oder dem Staate gegenüber rechtskräftig festgestellt ist. § 4. Die Vorschriften der §§ 1—3 finden auf die für den Dienst eines Kommunalverbandes angestellten Beamten mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle des Staates der Kommunal verband tritt. Jedoch trifft bei Amtspflichtverletzungen von Standesbeamten die Verantwort­ lichkeit den Staat. Einem Kommunalverbande stehen gleich die Gutsbezirke, die Amtsverbände und die zur Wahr­ nehmung einzelner kommunaler Angelegenheiten gebildeten Zweckverbände. 8 5. Die Vorschrift des § 6 des G. über die Zulässigkeit des Rechtswegs in Beziehung aus polizeiliche Verfügungen v. 11. Mai 1842 (GS. 192) gilt auch für die den Beteiligten nach diesem G. zustehenden Rechte. § 6. Soweit durch Reichsgesehe oder Landesgesetze für bestimmte Fälle eine Haftung des Staates oder der Kommunalverbände über den in jenen G. bestimmten Umfang hinaus aus­ geschlossen ist, finden die Vorschriften dieses G. keine Anwendung. • § 92 bestimmt die sog. Residenzpflicht des Beamten. 10 Vgl. 8 8 DiszG. v. 21. Juli 1852, nachstehend unter Nr. 3. Die Befugnis zur Urlaubs erteilung ist für die einzelnen Behörden verschieden geregelt. Wegen der Gehaltsbezüge bestimmt KabO. v. 15. Juni 1803 (MBl. 137): Bei der Beurlaubung eines Beamten wird auf die ersten IV» Monate des Urlaubs das Gehalt unverkürzt gezahlt, für weitere 472 Monate tritt ein Gehaltsabzug zum Betrage der Hälfte des Gehalts ein, während bei fernerem Urlaub kein Gehalt zu ge­ währen ist. Bei Beurlaubungen wegen Krankheit und zur Herstellung der Gesundheit findet auch für die über V/g Monate hinausgehende Zeit der unumgänglich notwendigen Abwesenheit des Be­ amten kein Abzug vom Gehalte statt. 11 Dies gilt auch von Beamten in Ehrenämtern. 12 Eine Ausnahme bestimmt § 24 LVG. für den Regierungspräsidenten gegenüber den Beschlüssen des Negierungskollegiums oder einer Abteilung. 13 oder dessen Stellvertreter.

1. Pflichten und Rechte der Beamten.

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§ 121. Wenn aber die Stimmen der Mitglieder über einen. Gegenstand der Beratschla­ gungen gleich sind, so gibt er duZch die seinige den Ausschlag. § 127. Geschäfte, welche dem ganzen Kollegio obliegen, müssen von allen Mitgliedern desselben vertreten toetben.14 § 128. Inwiefern die Mitglieder für einen durch Vorsatz oder Versehen entstandenen Schaden als Mitschuldner, oder ein jeder nur für seinen Anteil, haften, ist nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zu bestimmen. § 129. Kann in Fällen, wo jedes Mitglied nur für seinen Anteil haftet, von einem oder dem anderen dessen Anteil an der Entschädigung nicht beigetrieben werden, so müssen die übrigen denselben zu gleichen Teilen vertreten. § 130. Der Einwand, daß ein Versehen durch den unrichtigen Vortrag eines Mitgliedes, oder durch die von demselben geschehene Abfassung einer dem Schlüsse des KoNegii nicht gemäßen Verfügung, oder durch andere Pflichtwidrigkeiten oder Fahrlässigkeiten desselben entstanden sei, befreit das Kollegium nicht von der Einlassung auf die Kage. § 131. Findet sich aber bei der Untersuchung, daß dieser Einwand seine Richtigkeit habe, so muß der Kläger an dasjenige Mitglied, welches solchergestalt das Versehen unmittelbar begangen hat, vorzüglich sich halten. § 132. Nächst diesem haftet der Vorgesetzte, wenn er durch Anwendung der ihm vermöge seines Amtes obliegenden Aufmerksamkeit (§ 90) das vorgefallene Versehen hätte verhüten oder abwenden können. § 133. Die übrigen Mitglieder haften nur in Ermangelung beider, und nur insofern, als besondere Gesetze ihnen eine vorzüglich eigne Aufmerksamkeit auf die Handlungen ihrer Kollegen bei Geschäften dieser Art ausdrücklich zu Pflicht gemacht haben. § 141. In keinem Falle sind Mitglieder eines Kollegii zur Vertretung gehalten, wenn ihnen bei dem Geschäfte, worin das Versehen vorgefallen ist, kein Votum zukam. § 142. Auch alsdann nicht, wenn sie mit Vorwissen und Genehmigung des Vorgesetzten abwesend waren. § 143. Ferner alsdann nicht, wenn sie durch Krankheit der Versammlung des Kollegii beizuwohnen verhindert worden. § 144. Endlich alsdann nicht, wenn sie überstimmt worden, und ihr Votum schriftlich, unter Anführung der Gründe, zu den Akten gebracht haben.15

2. Gesetz, betreffend die Besetzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen der KommunalverbSnde mit Milltaranrvartern? Born 21. Juli 1892 (GS. 214). § 1. Die Subaltern, und Unterbeamtenstellen2 in der Verwaltung der Kommunalverbände,b jedoch ausschließlich der Forswerwaltung,4 sind gemäß den nachstehenden Bestimmungen mit Militäranwärtern zu besetzen. 14 Die landrechtlichen Vorschriften über die Vertretungsverbindlichkeit der Beamten gelten dem Staate oder Kommunen gegenüber weiter (Art. 80 EG. z. BGB.), über die Bertretungsverbindlichkeit Dritten gegenüber s. Anm. 8. 15 Vgl. RegJnstr. § 34 Abs. 2, oben S. 52. 1 Für die Ausführung dieses G. sind maßgebend die Anstellungsgrundsätze des Bundesrats v. 20. Juni 1907 (MBl. 308) mit Preuß. ABest. und zahlreichen. Abänderungen (Deckblättern), zuletzt v. Juni 1913 (MBl. 99). — Für die Besetzung der mittleren, Kanzlei- und Unter­ beamtenstellen s jedoch ausschließlich des Forstdienstes) bei den Reichs- und Staatsbehörden mit Militäranwärtern und Inhabern des Anstellungsscheins gelten die Anstellungsgrundsätze des Bundesrats v. 20. Juni 1907 mit Preuß. Ausf.- und Zusatzbestimmungen (MBl. 295). 2 Vgl. das Stellenverzeichnis zu den Anstellungsgrundsätzen des Bundesrats nebst Nachttägen. 3 Preuß. ABest. Nr. 4 zu 8 1 Anstellungsgr. 4 Für diese gilt ß 23 KBeanttG. und MErl. v. 9. April 1880, 1. Febr. 1887 und 22. Jan. 1891

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IX. Abschn. Beamlenrecht.

Militäranwärter im Sinne dieses G. ist jeder dem preußischen Staate angehörige und aus dem preußischen Reichsmilitärkontingente hervorgegangene Inhaber des Zivilversorgungsscheins. Die unter preußischer Verwaltung stehenden außerpreußischen Kontingente und die Kaiserliche Marine sind in dieser Beziehung dem preußischen Kontingente gleichgestellt. § 2. Die Subaltern- und Unterbeamtenstellen in denjenigen Landgemeinden und länd­ lichen Kommunalverbänden, welche weniger als 2000 Einwohner haben, unterliegen den Vorschriften dieses G. nicht. Es können jedoch bezüglich der Kriegsinvaliden durch Kgl. Vg., von welcher dem Landtage bei seinem nächsten Zusammentritt Mitteilung zu machen ist, die Subaltern, und Unterbeamtenstellen in diesen Landgemeinden und Kommunalverbänden der Vorschrift des § 1 unterworfen werden. § L. Ausschließlich mit Militäranwärtern sind zu besetzen 1. die Stellen im Kanzleidienst, einschließlich derjenigen der Lohnschreiber, soweit deren Inhaber die Besorgung des Schreibwerks und der damit zusammenhängenden DienstVerrichtungen obliegt, 2. sämtliche Stellen, deren Obliegenheiten im wesentlichen in mechanischen Dienstleistungen bestehen. § 4. Mindestens zur Hälfte mit Militäranwärtern sind zu besetzen die Stellen der Sub­ alternbeamten im Bureaudienstb jedoch mit Ausnahme 1. derjenigen Stellen, für welche eine besondere wissenschaftliche oder technische Vor­ bildung erfordert wird, 2. der Stellen derjenigen Kassenvorsteher, welche eigene Rechnung zu legen haben, sowie derjenigen Kassenbeamten, welche Kassengelder einzunehmen, zu verwahren oder auszugeben haben. § 5. In welchem Umfange die nicht unter die §§ 3 und 4 fallenden Subaltern- und Unter­ beamtenstellen mit Militäranwärtern zu besetzen sind, ist unter Berücksichtigung der Anforderungen des Dienstes und unter sinngemäßer Zugrundelegung der für die Reichs- und Staats­ behörden jeweilig geltenden Verzeichnisse über die den Militäranwärtern vorbehaltenen Stellen zu bestimmen? § 6. Insoweit in Ausführung der §§ 4 und 5 einzelne Klassen von Subaltern- und Unter­ beamtenstellen den Militäranwärtern nicht mindestens zur Hälfte vorbehalten werden können, hat nach Möglichkeit ein Ausgleich in der Weise stattzufinden, daß andere derartige Stellen desselben Kommunalverbandes in entsprechender Zahl und Besoldung vorbehalten werden. Unter einer Klasse im Sinne dieses G. ist die Gesamtheit der bei einem kommunalen Ver­ bände beschäftigten Beamten zu verstehen, deren dienstliche Obliegenheiten ihrer Natur nach im wesentlichen dieselben sind. Enthält eine Klasse nur ein Stelle, so bleibt dieselbe den Militäranwärtern vorbehalten oder versagt, je nachdem sie unter Berücksichtigung der Anforderungen des Dienstes zur Be­ setzung mit einem Militäranwärter geeignet oder nicht geeignet ist. § 7. Die den Militäranwärtern vorbehaltenen Stellen können verliehen werden: 1. an Offiziere und Deckoffiziere, welchen beim Ausscheiden aus dem aktiven Dienst die Aussicht auf Anstellung im Zivildienst verliehen worden ist; 2. ehemaligen Militäranwärtern, welche sich in einer auf Grund ihrer Versorgungsan­ sprüche erworbenen etatsmäßigen Anstellung befinden oder infolge eingetretener Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind; 3. ehemaligen Militärpcrsonen, welchen der Zivilversorgungsschein lediglich um des­ willen versagt worden ist, weil sie sich nicht fortgesetzt gut geführt haben, und welchen gemäß einer von der zuständigen Militärbehörde ihnen später erteilten Bescheinigung (MBl. MBl. 6 § 6 § 7 §

119 bzw. 47 und 19). — Für den Ttaatsforstdienst die Best. v. 1. Okt. 1905 (Landw1906, S. 276) und § 10 Abs.4 Anstellungsgr. v. 20. Juni 1907. 3Anstellungsgr. und Preus,. ABest. dazu. 4 Anstellungsgr. und Preust. ABest. dazu. 5 Anstellungsgr. und Preuß. ABest. dazu.

2. Gesetz, bett. Besetzung von Kommunalstellen mit Militäranwärtern.

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eine den Militäranwärtern im Reichs- oder Staatsdienste vorbehaltene Stelle übertragen werden darf; 4. sonstigen Personen, denen die Berechtigung zu einer Anstellung landesherrlich verliehen worden ist; 5. solchen Beamten und Bediensteter? des betreffenden Kommunalverbandes, welche für ihren Dienst unbrauchbar oder entbehrlich geworden sind und einstweilig oder dauernd in den Ruhestand versetzt werden müßten, wenn ihnen nicht eine den Militär­ anwärtern vorbehaltene Stelle verliehen würde. § 8. Stellen, welche den Militäranwärtern nur teilweise (zur Hälfte, zu einem Dritteil usw.) vorbehalten sind, werden bei eintretenden Vakanzen in einer dem Anteilsverhältnis entsprechenden Reihenfolge mit Militäranwärtern oder Zivilpersonen besetzt, und zwar ohne Rücksicht auf die Zahl der zur Zeit der Besetzung tatsächlich mit Militäranwärtern und Zivil­ personen besetzten Stellen. Wird die Reihenfolge auf Grund des § 7 unterbrochen oder wird infolge des § 7 Nr. 5 eine ausschließlich mit Militäranwärtern zu besetzende Stelle mit einem Bediensteten des Kommunalverbandes besetzt, so ist eine Ausgleichung herbeizuführen. Dabei sind Personen, deren Anstellung auf Grund des 8 7 Nr. 4 und 5 erfolgt, als Zivilpersonen, Personen, deren Anstellung auf Grund des 8 7 Nr. 1 bis 3 erfolgt, als Militäranwärter in Anrechnung zu bringen. In der Versetzung oder Beförderung eines besoldeten Subaltern- oder Unterbeamten auf eine andere nicht ausschließlich mit Mlitäranwärtern zu besetzende besoldete Subaltern- oder Unterbeamtenstelle desselben Kommunalverbandes sind die Kommunalverbände nicht beschränkt. Wäre die auf solche Weise mit einer Zivilperson besetzte Stelle der bestehenden Reihenfolge nach mit einem Militäranwärter zu besetzen gewesen, so ist eine Ausgleichung herbeizuführen. § 9. Die Militäranwärter haben sich um die von ihnen begehrten Stellen bei den An­ stellungsbehörden zu bewerben. Sie sind zu Bewerbungen vor oder nach der Stellenerledigung so lange berechtigt, als sie noch nicht eine etatsmäßige Stelle erlangt und angetreten haben, mit welcher ein pensionsfähiges Diensteinkommen von mindestens 900 M verbunden ist. Bewerbungen um Stellen, welche nur im Wege des Aufrückens zu verlangen sind, werden jedoch hierdurch nicht ausgeschlossen. § 19. Bewerbungen um noch nicht freigewordene Stellen sind alljährlich zum 1. Dez. zu erneuern, widrigenfalls dieselben als erloschen gelten. § 11. Stellen, welche mit Militäranwärtern zu besetzen sind, müssen im Falle der Er­ ledigung, und wenn keine Bewerbungen von Mlitäranwärtern für dieselben vorliegen, seitens der Anstellungsbehörde der zuständigen Mlitärbehörde behufs der Bekanntmachung mittels Einreichung einer Nachweisung bezeichnet werden? Ist innerhalb sechs Wochen nach der Bekanntmachung eine Bewerbung bei der Anstellungs­ behörde nicht eingegangen, so hat dieselbe in der Stellenbesetzung freie Hand. § 12. Die den Militäranwärtern vorbehaltenen Stellen dürfen, außer in dem Falle des 8 7, mit anderen Personen nicht besetzt werden, sofern sich Militäranwärter finden, welche zur Übernahme der Stellen befähigt und bereit sind. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Stellen dauernd oder mit zeitweise bestehen, ob mit denselben ein etatsmäßiges Ge­ halt oder nur eine diätarische oder andere Remuneration verbunden ist, ob die Anstellung auf Lebenszeit, auf Kündigung oder auf Widerruf geschieht. Zu vorübergehender Beschäftigung als Hilfsarbeiter oder Vertreter können jedoch auch Nichtversorgungsberechtigte angenommen toetben.810* 8 § 8 Anstellungsgr. und Preuß. ABest. dazu. 8 Die Kommunalbehörden haben hierzu Verzeichnisse derjenigen Militäranwärter anzulegen, die sich zu den mit Militäranwärtern zu besetzenden Stellen gemeldet haben (§§ 11 und 12 der Anstellungsgr.). 10 § 13 Anstellungsgr. und Preuß. ABest. dazu.

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IX. Abschn. Beamlenrecht.

In Ansehung derjenigen dienstlichen Berrichtungen, für meldte wegen ihres geringen, die volle Zeit und Tätigkeit eines Beamten nicht in Anspruch nehmenden Umfangs und der Geringfügigkeit der damit verbundenen Remuneration besondere Beamte nicht angenom­ men, welche vielmehr an Privatpersonen, an andere Beamte als Nebenbeschäftigung oder an verabschiedete Beamte übertragen zu werden pflegen, behält es hierbei sein Bewenden. Wenn sich jedoch Militäranwärter ohne Aufforderung zu solchen dienstlichen Verrichtungen melden, so sind dieselben vorzugsweise zu berücksichtigen. § 13. Tie Anstellungsbehörden sind zur Berücksichtigung von Bewerbungen nur dann verpflichtet, wenn die Bewerber eine genügende Befähigung11 für die fragliche Stelle be­ ziehungsweise den fraglichen Dienstzweig nachweisen. Darüber, ob der Bewerber genügende Befähigung besitzt, entscheidet auf Beschwerde die staatliche Aufsichtsbehörde. Sind für gewisse Dienststellen oder für gewisse Gattungen von Dienststellen besondere Prüfungen (Vorprüfungen)12 vorgeschrieben, so hat der Militäranwärter auch diese Prüfungen abzulegen. Auch kann, wenn die Eigentümlichkeit des Dienstzweiges dies erheischt, die Zu­ lassung zu dieser Prüfung oder die Annahme der Bewerbung überhaupt von einer vorgängigen informatorischen Beschäftigung in dem betreffenden Dienstzweige abhängig gemacht werden, welche in der Regel nicht über drei Monate auszudehnen ist.12 Über die Zulässigkeit einer informatorischen Beschäftigung entscheidet die staatliche Aufsichtsbehörde. Tie Anstellung eines einberufenen Militäranwärters kann zunächst auf Probe erfolgen oder von einer Probcdienstleistung abhängig gemacht werden. Tie Probezeit darf vorbehalt­ lich der Abkürzung bei früher nachgewiesener Befähigung in der Regel höchstens sechs Monate, für den Dienst der Straßen- und Wasserbauverwaltung, mit Allsschluß der im § 3 bezeich­ neten Stellen, ein Jahr betragen. Handelt es sich um Anstellung im Bureau- oder Kassen­ dienst, so kann die Probezeit mit Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde unter Zustimmung der zuständigen Militärbehörde ausnahmsweise bis auf die Tauer eines Jahres verlängert werden. Während der Anstellung auf Probe ist dem Anlvärter das volle Stellen­ einkommen, lvährend der Probedienstleistung eine fortlaufende Remuneration von nicht weniger als Dreiviertel des Stelleneinkommens zu gewähren. § 14. Welche Subaltern- und Unterbeamtenstellen und, gegebenenfalls in welcher An­ zahl dieselben gemäß den vorstehenden Bestimmungen den Militäranwärtern vorzubehalten sind, hat die Kommunalaufsichtsbehörde festzustellen.12 Gegen diese Feststellung ist die Be­ schwerde zulässig. Stellen, wegen deren eine solche Feststellung noch nicht stattgefunden hat, dürfen, insofern nicht Militäranwärter zur Anstellung gelangen oder das in diesem G. bezüglich der Besetzung der Stellen mit Militäranwärtern vorgeschriebene Verfahren erledigt ist, bis zu der erfolgten Feststellung unwiderruflich besetzt werden. - ------

Z. Gesetz, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, die Versetzung derselben auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand. Vom 21. Juli 1852 (GS. 465).1 § 1. Das gegenwärtige G. findet unter den darin ausdrücklich gemachten Beschränkungen auf alle in unmittelbarem oder mittelbarem2 Staatsdienste stehenden Beamten Anwendung, die nicht unter die Bestimmungen des die Richter betreffenden G. v. 7. Mai 1851 fallen? 11 sowohl geistige wie körperliche. Vgl. § 15 Anstellungsgr. 12 § 15 Anstellungsgr. und Preuß. ABest. dazu. 13 Vgl. § 16 Anstellungsgr. und Preuß. ABest. dazu. 1 Das DiszG. gilt jetzt im ganzen Staatsgebiete. Es ist hier in der Fassung und Beschränkung wiedergegeben, die es durch die Nov. v. 9. April 1879 (GS. 345) und die neueren Kommunalverfassungsgesetze, sowie des ZustG., KBeamtG. und RBeamtG. erfahren hat. 2 Auf die mittelbaren Staatsbeamten findet das DiszG. mit den in den betreffenden Kom­ munalverfassungsgesetzen (StOg., LGO., KrOg., ProvOg.), ferner im LBG., ZustG. und ein­ zelnen Sondergesetzen gegebenen Maßgaben Anwendung. Entscheidende Disziplinarbehörde erster Instanz ist regelmäßig der Kreis- oder Bezirksausschuß, zweiter Instanz der Disziplinarsenat des Lberverwaltungsgerichls. — Über den Begriff der Beamteneigenschast s. die Vorbemerkungen oben

3. Disziplinargesetz.

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1. Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen über Dienvergehen und deren Be­ strafung. § 2. Ein Beamter, welcher 1. die.Pflichten verletzt, die ihm sein Amt auferlegt oder 2. sich durch sein Berhalten in oder außer dem Amte der Achtung, des Ansehens oder des Vertrauens, die sein Beruf erfordert, unwürdig zeigt, unterliegt den Vorschriften dieses G. § 3. Ist eine der unter § 2 fallenden Handlungen (Dienstvergehen)* zugleich in den ge­ meinen Strafgesetzen ^ vorgesehen, so können die durch dieselben angedrohten Strafen nur auf Grund des gewöhnlichen Strafverfahrens von denjenigen Gerichten ausgesprochen werden, welche für die gewöhnlichen Strafsachen zuständig sind. § 4. Im Laufe einer gerichtlichen Untersuchung darf gegen den Angeschuldigten ein Disziplinarverfahren wegen der nämlichen Tatsachen nicht eingeleitet werdend Wenn im Laufe eines Disziplinarverfahrens wegen der nämlichen Tatsachen eine gerichtliche Untersuchung gegen den Angeschuldigten eröffnet wird, so muß das Disziplinarverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des gerichtlichen Verfahrens ausgesetzt werden. § 5. Wenn von den gewöhnlichen Strafgerichten aus Freisprechung*7 8*erkannt * 4 * 6ist, so findet wegen derjenigen Tatsachen, welche in der gerichtlichen Untersuchung zur Erörterung gekom­ men sind, ein Disziplinarverfahren nur noch insofern statt, als dieselben an sich und ohne ihre Beziehung zu dem gesetzlichen Tatbestände der Übertretung, des Vergehens oder des Verbrechens, welche den Gegenstand der Untersuchung bildeten, ein Dienstvergehen ent­ haltend Ist in einer gerichtlichen Untersuchung eine Verurteilung ergangen, welche den Verlust bei Nr. 1. — Die Lehrer an öffentlichen Volksschulen werden, obwohl sie nach §§ 59 ff. SchulunterhG. regelmäßig von der Gemeinde gewählt werden, in disziplinärer Hinsicht den unmittelbaren Staatsbeamten gleichgeachtet; ebenso die Rektoren und Hauptlehrer. Auf Mitglieder des Schul­ vorstandes findet das DiszG. keine Anwendung. 8 Das Richter-DiszG. (GS. 218, mit Abänderungen v. 26.März 1856und 9.April 1879, GS.201 und 345) findet auch Anwendung auf Gerichtsassessoren, Handelsrichter, Notare, Mitglieder der Be­ zirksausschüsse, Generalkommissionen, des Oberlandeskulturgerichts und der Oberrechnungskammer. Disziplinargerichte sind die Disziplinarsenate der Oberlandesgerichte und der Große Disziplinarsenat des Kammergerichts. Disziplinarstrafen können nur durch Disziplinargerichte verhängt werden, Ordnungsstrafen im Sinne des DiszG. von 1852 sind im Mchter-DiszG. nicht vorgesehen, dagegen „Mahnungen" an die Amtspflichten seitens der Dienstvorgesetzten. 4 Der Begriff der Dienstvergehen ist hiernach nicht genau umschrieben, während er für das straf­ gerichtliche Verfahren durch §§ 331—359 StGB, erschöpfend bestimmt ist. Im einzelnen sind noch disziplinarrechtlich bedroht: Verletzung der Amtsverschwiegenheit durch KabO. v. 21. Nov. 1886 (GS. 237); leichtfertiges Schuldenmachen durch KabO. v. 12. Mai 1841 (MBl. 202); Trunken­ heit durch KabO. v. 24. Dez. 1836 (v. Kamptz' Ann. 21, S. 13); Annahme von Geschenken ohne Genehmigung durch MErl. v. 16. Sept. 1847 und 15. Juni 1856 (MBl. 249 und 219). Vgl. ferner die aus ALR. II, 10 herzuleitenden besonderen Beamtenpflichten, oben bei Nr. 1. 6 §§ 331—359 StGB., Verbrechen und Vergehen im Amte. 6 Damit ein ev. überflüssiges Disziplinarverfahren vermieden werde, ist von jeder Einleitung eines Strafverfahrens gegen einen Beamten (einschließlich Privatklage) von den Justizbehörden der vor­ gesetzten Dienstbehörde des Beamten Mitteilung zu machen. Umgekehrt besteht eine Verpflichtung der vorgesetzten Dienstbehörde, der Staatsanwaltschaft von einem auch zur gerichtlichen Verfolgung geeigneten Dienstvergehen Mitteilung zu machen, nicht, wohl aber eine Verpflichtung, der vorgesetzten Militärbehörde Mitteilung zu machen, wenn gegen einen Beamten, der Reserve- oder Landwehroffizier ist, das Disziplinarverfahren mit dem Ziele der Entfernung eingeleitet wird. 7 Ist dagegen der Beamte im strafgerichtlichen Verfahren außer Verfolgung gesetzt, so kann trotz­ dem das Disziplinarverfahren eingeleitet oder fortgesetzt werden (MErl. v. 12. Mai 1866, MBl. 161). 8 Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts und des Kais. Disziplinarhofes in Leipzig ist der in der strafgerichtlichen Untersuchung festgestellte Tatbestand des Straffalles dem Disziplinar­ verfahren als feststehend zugrunde zu legen. Dagegen hat das preuß. Staatsministerium entschieden, daß der Disziplinarrichter an die Feststellung des Strafrichters, abgesehen von den besonderen Bestimmungen des § 5, nicht gebunden sei (MErl. v. 22. April 1891, MBl. 134). — Die disziplinäre Verfolgung wird durch Ablauf der strafgerichtlichen Verjährung nicht ausgeschlossen.

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

des Amtes nicht zur Folge gehabt hat, so bleibt derjenigen Behörde, welche über die Ein­ leitung des Disziplinarverfahrens zu verfügen hat, die Entscheidung darüber vorbehalten, ob außerdem ein Disziplinarverfahren einzuleiten oder fortzusetzen fei.8 § 6. Spricht das $. bei Dienstvergehen, welche Gegenstand eines Disziplinarverfahrens werden, die Verpflichtung zur Wiedererstattung oder zum Schadenersätze, oder eine sonstige zivilrechtliche Verpflichtung aus, so gehört die Klage der Beteiligten vor das Zivilgericht? § 7. Ist von dem gewöhnlichen Strafrichter auf eine Freiheitsstrafe von längerer als einjähriger Dauer, auf eine schwerere Strafe, auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, auf immerwährende oder zeitige Unfähigkeit zu öffentlichen Ämtern oder auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt, so zieht das Straferkenntnis den Verlust des Amts von selbst nach sich, ohne daß darauf besonders erkannt nnrt).10 § 8. Ein Beamter, welcher sich ohne den vorschriftsmäßigen Urlaub11 von seinem Amte entfernt hält oder den erteilten Urlaub überschreitet, ist, wenn ihm nicht besondere Ent­ schuldigungsgründe zur Seite stehen, für die Zeit der unerlaubten Entfernung seines Dienst­ einkommens verlustig. § K. Dauert die unerlaubte Entfernung länger als acht Wochen, so hat der Beamte die Dienstentlassung verwirkt. Ist der Beamte dienstlich aufgefordert worden, sein Amt anzutreten oder zu demselben zurückzukehren, so tritt die Strafe der Dienstentlassung schon nach fruchtlosem Ablauf von vier Wochen seit der ergangenen Aufforderung ein. § 10. Die Entziehung des Dienfteinkommens (§ 8) wird von derjenigen Behörde verfügt, welche den Urlaub zu erteilen hat. Im Falle des Widerspruchs findet das förmliche Disziplinar­ verfahren statt. § 11. Die Dienstentlassung kann nur im Wege des förmlichen Disziplinarverfahrens ausgesprochen werden. Sie wird nicht verhängt, wenn sich ergibt, daß der Beamte ohne seine Schuld von seinem Amte fern gewesen ist. § 12. Die Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen unerlaubter Entfernung vom Amte und die Dienstentlassung vor Ablauf der Fristen (§ 9) ist nicht ausgeschlossen, wenn sie durch besonders erschwerende Umstände als gerechtfertigt erscheint. § 13. Tie in dem § 9 erwähnte Aufforderung sowie alle anderen Aufforderungen, Mitteilungen, Zustellungen und Vorladungen, welche nach den Bestimmungen dieses G. er­ folgen, sind gültig und bewirken den Lauf der Fristen, wenn sie demjenigen, an den sie er­ gehen, unter Beobachtung der für gerichtliche Insinuationen^ vorgeschriebenen Formen in Person zugestellt, oder wenn sie in seiner letzten Wohnung an dem £rte insinuiert werden, wo er seinen letzten Wohnsitz im Jnlande hatte. Die vereideten Verwaltungsbeamten haben dabei den Glauben der Gerichtsboten. § 14. Tie Disziplinarstrafen bestehen in Ordnungsstrafen,*8 Entfernung aus dem Amte. 9 Vgl. jetzt § 839 BGB. und Preuß. G. v. 1. Aug. 1909, abgedruckt vorstehend bei Nr. 1 Anm. 8. 10 Vgl. §§ 31 ff. StGB., denen gegenüber die weitergehenden Bestimmungen des obigen § 7 bestehen geblieben sind. 11 Vgl. §§ 92, 93 ALR. II, 10, oben bei Nr. 1. 12 Vgl. §§ 180 ff., 208 ff. ZPO. 13 Eine vorherige Anhörung des beschuldigten Beamten ist bei Ordnungsstrafen nicht vorgeschrieben (OVG. 51, S. 436). — Ordnungsstrafen dürfen wiederholt werden, wenn in der Nichtbeachtung der vorhergehenden Ordnungsstrafe ein neues Dienstvergehen zu erblicken ist. — Neben den Ord­ nungsstrafen stehen den Dienstvorgesetzten die Zwangsmittel aus §§ 132 ff. LVG. zur Erzwingung von Dienfthandlungen zu Gebote (vgl. § 100 DiszG.) und gegen unmittelbare Staatsbeamten auch Versagung von Gehaltszulagen. Die Gehaltsvorschriften v. 5. Juni 1909 (MBl. 1911, S. 219) bestimmen darüber in 92r. A3: Eine der Zeit nach fällige Gehaltszulage kann dem Beamten versagt werden, wenn eine erhebliche Ausstellung gegen sein dienstliches oder außerdienstliches Verhallen vorliegt. Vor der Versagung ist der Beamte zu hören. Wird die Gehaltszulage versagt, so sind dem Beamten die Gründe unter Feststellung zu den Personalakten zu eröffnen.

3. Disziplinargese .

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§ 15, Ordnungsstrafen sind: 1. Warnung, 2. Verweis, 3. Geldbuße, 4. gegen untere Beamte auch Arreststrase auf die Dauer von höchstens acht Tagen, welche jedoch nur in solchen Räumen zu vollstrecken ist, die den Verhältnissen der zu bestrafenden Beamten angemessen sind. Zu dieser Beamtenklasse werden im allgemeinen nur gerechnet: Exekutoren, Boten, Kastel­ lane, Diener und die zu ähnlichen, sowie die zu bloß mechanischen Funktionen bestimmten Beamten. Außerdem ist das Staatsministerium ermächtigt, in der Steuer-, Polizei- und Eisenbahnverwaltung diejenigen Beamtenkategorien speziell zu bezeichnen, gegen welche Arreststrafen verhängt werden können. § 16. Die Entfernung aus dem Amte kann bestehen: 1. in Versetzung in ein anderes Amt von gleichem Range, jedoch mit Verminderung des Diensteinkommens und Verlust des Anspruches auf Umzugskosten, oder mit einem von beiden Nachteilen. Diese Strafe findet nur auf Beamte im unmittelbaren Staats­ dienste Anwendung;1* 2. in Dienstentlassung. Diese Strafe zieht den Verlust des Titels und Pensionsanspruches von selbst nach sich, es wird darauf nicht besonders erkannt, es sei denn, daß vor Be­ endigung des Disziplinarverfahrens aus irgend einem von dessen Ergebnis unabhängigen Grunde das Amtsverhältnis bereits aufgehört hat und daher auf Dienstentlassung nicht mehr zu erkennen ist.15 Gehört der Angeschuldigte zu den Beamten, welche einen Anspruch auf Pension haben, und lassen besondere Umstände eine mildere Beurteilung zu,15 so ist die Diszi­ plinarbehörde ermächtigt, in ihrer Entscheidung zugleich festzusetzen, daß dem An­ geschuldigten ein Teil des reglementsmäßigen Pensionsbetrages auf Lebenszeit oder auf gewisse Jahre als Unterstützung zu verabreichen sei. § 17. Welche der in den §§ 14 bis 16 bestimmten Strafen anzuwenden sei, ist nach der größeren oder geringeren Erheblichkeit des Dienstvergehens mit Rücksicht auf die sonstige Führung des Angeschuldigten zu ermessen, unbeschadet der besonderen Bestimmungen der §§ 8 und 9. 2. Abschnitt. Von dem Disziplinarverfahren. § 18. Jeder Dienstvorgesetzte ist zu Warnungen und Verweisen gegen seine Untergebenen befugt. § 19. In Beziehung auf die Verhängung von Geldbußen ist die Befugnis der Dienst­ vorgesetzten begrenzt wie folgt: Die Vorsteher derjenigen Behörden, welche unter den Provinzialbehörden stehen, einschließ­ lich die Landräte, können gegen die ihnen selbst untergebenen Beamten, sowie gegen die Beamten der ihnen untergeordneten Behörden Geldbußen bis zu 9 Jlt verfügen. 14 Strafversetzung findet in Posen und Westpreußen nach G. v. 15. Juli 1886 (GS. 185) auch gegen Bolksschullehrer statt, nicht dagegen im Bereiche des SchulunterhG. v. 26. Juli 1906; Versetzung im Interesse des Dienstes kann auch nach SchulunterhG. verfügt werden. 15 3- SB. wenn der angeschuldigte Beamte inzwischen sein Amt niedergelegt hat, was an sich nicht unstatthaft oder wirkungslos ist; das Disziplinarverfahren soll gleichwohl fortgesetzt werden, um festzustellen, ob der ausgeschiedene Beamte mit Dienstentlassung zu bestrafen gewesen wäre (OVG. 55, S. 468). Dem Antrage auf Pensionierung darf während eines Disziplinarverfahrens nicht statt­ gegeben werden (MErl. v. 29. Juli 1884, MBl. 194). " Als solche Umstände können hierbei alle diejenigen in Betracht kommen, welche überhaupt für die Strafzumessung von Erheblichkeit sind (vgl. § 17 des G.). Insbesondere brauchen die zu berücksichtigenden Umstände nicht notwendig dem Tatbestände des abzuurteilenden Diszivlinarfalles anzugehören, sondern es können auch andere, außerhalb dieses Tatbestandes liegende Milderungsgründe berücksichtigt werden, z. B. bisherige tadellose Führung, lange vorwurfsfreie Dienstlaufbahn, früher erworbene besondere Verdienste, eifriges Bemühen, die Folgen der Straftat wieder gutzumachen u. dgl. (MErl. v. 18. Nov. 1898, MBl. 1899, S. 1). Bedürftig­ keit des Angeschuldigten gehört nicht zu obigen besonderen Umständen.

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

Andere Vorgesetzte der unteren Beamten dürfen solche Geldbußen nur insofern verfügen, als ihnen die Befugnis zur Verhängung von Geldbußen durch besondere Gesetze oder auf Grund solcher Gesetze erlassene Instruktionen beigelegt ist. fAbs. 5.] Die Provinzialbehörden sind ermächtigt, die ihnen untergeordneten Beamten mit Geldbuße bis zu 90 M $u belegen, besoldete Beamte jedoch nicht über den Betrag des einmonatlichen Diensteinkommens hinaus?? Gleiche Befugnisse haben die Vorsteher der Provinzialbehörden in Ansehung der bei letzteren angestellten unteren Beamten. Die Minister haben die Befugnis, allen ihnen unmittelbar oder mittelbar untergebenen Beamten Geldbußen bis zum Betrage des monatlichen Diensteinkommens, unbesoldeten Beamten aber bis zur Summe von 90 M aufzuerlegen. Welche Beamten im Sinne dieses Paragraphen zu den unteren zu rechnen sind, wird durch das Staatsministerium bestimmt. § 2v. Nur diejenigen^Dienstvorgesetzten, welche gegen die, im § 15 Nr. 4 bezeichneten Beamten Geldbuße verhängen können, sind ermächtigt, gegen dieselben Arreststrafen zu verfügen. Diejenigen Vorgesetzten, deren Strafgewalt auf Geldbuße bis zu 9 M beschränkt ist, dürfen bei den Arreststrafen das Maß von drei Tagen nicht überschreiten. § 21. Gegen die Verfügung von Ordnungsstrafen findet nur Beschwerde im vorgeschrie­ benen Jnstanzenzuge statt.18 § 22. Der Entfernung aus dem Amte muß ein förmliches Disziplinarverfahren vorhergehen. Dasselbe besteht in der von einem Kommissar zu führenden schriftlichen Vorunter­ suchung und in einer mündlichen Verhandlung nach den folgenden näheren Bestimmungen. § 23. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens wird verfügt und der Untersuchungskomnüssar ernannt: 1. wenn die Entscheidung der Sache vor den Disziplinarhof gehört (§ 24 Nr. 1), von dem Minister, welcher dem Angeschuldigten vorgesetzt ist. Ist jedoch Gefahr im Verzüge, so kann diese Verfügung und Ernennung vorläufig von dem Vorsteher der Provinzialbehörde des Ressorts ausgehen. Es ist alsdann die Genehmigung des Ministers einzuholen und, sofern dieselbe versagt wird, das Ver­ fahren einzustellen; 2. in allen anderen Fällen von dem Vorsteher der Behörde, welche die entscheidende Disziplinarbehörde bildet (§ 24 Nr. 2) oder von dem vorgesetzten Minister. § 24. Die entscheidenden Disziplinarbehörden erster Instanz sind: 1. der Disziplinarhof zu Berlin (§ 29) in Ansehung derjenigen Beamten, zu deren Anstellung nach den Bestimmungen, welche zur Zeit der verfügten Einleitung der Unter­ suchung gelten, eine von dem Könige oder von den Ministern ausgehende Ernennung, Bestätigung oder Genehmigung erforderlich ist;19 2. Die Provinzialbehörden^o als: die Regierungen, die Provinzialschulkollegien, die Ober» 17 Die als Disziplinarbehörden erkennenden Verwaltungsgerichte sind nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zwar nicht an die Grenzen des Abs. 5, wohl aber an die des Abs. 7 ge­ bunden. Wegen des Ordnungsstrafrechts gegen Kommunalbeamte vgl. insbesondere §§ 20, 36 ZustG., § 58 öStOg. und § 143 öLGOg. 18 Die Beschwerde ist nicht befristet, außer in den durch die neueren Verwaltungsgesetze (z. B. ZustG. §§ 20, 36) bestimmten Fällen. — Nach MErl. v. 22. April 1891 (MBl. 134) ist der höhere Dienstvorgesetzte auch ohne förmliche Beschwerde befugt, nochmals über den Disziplinarfall selbstständig Entscheidung zu treffen. — Nach §§ 20, 36 ZustG. (§ 143 öLGOg.) ist auch noch die .Silane beim Oberverwaltungsgericht gegeben. 19 Für die den Provinzialschulkollegien unterstellten Professoren an höheren Unterrichtsanstalten ist auch, wenn ihnen die vierte Rangklasse verliehen ist, nicht der Disziplinarhof, sondern das Provinzialschulkollegium die entscheidende Disziplinarbehörde erster Instanz. 20 Entscheidende Disziplinarbehörden erster Instanz sind ferner nach den neueren Berwaltungsgesehen: die Kreisausschüsse in betreff der Gemeindevorsteher, Amtmänner in Westfalen, Bürgermeister

3. Dis-iplinargesetz.

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zolldirekttonen, die Oberbergämter, die Generalkommissionen, das Polizeipräsidium zu Berlin, die Eisenbahndirekttonen in Ansehung aller Beamten, die bei ihnen angestellt oder ihnen untergeordnet und nicht vorstehend unter 1 begriffen sind. Den Provinzialbehörden werden in dieser Beziehung gleichgestellt die unter den Ministern stehenden Zentralverwaltungsbehörden in Dienstzweigen, für welche keine Provinzialbehörden bestehen, sowie die Generallandschafts- und Hauptritterschaftsdirektionen. § 25. Für diejenigen Kategorien von Beamten, welche nicht unter den im § 24 bezeich­ neten begriffen sind, ist die entscheidende Disziplinarbehörde die Regierung, in deren Bezirk sie fungieren, und für die in Berlin oder im Auslande fungierenden, die Regierung in Pots­ dam. § 26. Die Zuständigkeit der Provinzialbehörden kann von dem Staatsministerium auf einzelne Kategorien solcher Beamten ausgedehnt werden, welche von den Ministern ernannt oder bestätigt werden, aber nicht zu den etatsmäßigen Mitgliedern einer Provinzialbehörde gehören. § 27. Für den Fall, daß bei der zuständigen Disziplinarbehörde die beschlußfähige An­ zahl von Mitgliedern nicht vorhanden ist, oder wenn auf den Antrag des Beamten der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten der Disziplinarhof das Vorhandensein von Gründen anerkennt, aus welchen die Unbefangenheit der zuständigen Disziplinarbehörde bezweifelt werden kann, tritt eine andere durch das Staatsministerium substituierte Disziplinarbehörde an deren Stelle. § 28. Streitigkeiten über die Kompetenz der Disziplinarbehörden als solcher werden von dem Staatsministerium, nach Vernehmung des Gutachtens des Disziplinarhofes, entschieden. § 29. Der Disziplinarhof besteht aus einem Präsidenten und zehn anderen Mitgliedern, von denen wenigstens vier zu den Mitgliedern des Kammergerichts gehören müssen. Die Mitglieder des Disziplinarhofes werden von dem Könige auf drei Jahre ernannt. Ein Mit­ glied, welches im Laufe dieser Periode ernannt wird, bleibt nur bis zum Ende derselben in Tätigkeit. Die ausscheidenden Mitglieder können wieder ernannt werden. § 30. Zur Erledigung der Disziplinarsachen ist bei dem Disziplinarhofe die Teilnahme von wenigstens sieben Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden erforderlich, von denen wenigstens zwei zu den Mitgliedern des Kammergerichts gehören müssen. § 31. Bei den Provinzialbehörden werden die Disziplinarsachen in besonderen Plenar­ sitzungen erledigt, an welchen mindestens drei sttmmberechtigte Mitglieder teilnehmen müssen. In diesen Plenarsitzungen steht, bei den Regierungen, den Mitgliedern derselben nur das­ jenige Stimmrecht zu, welches ihnen durch die allgemeinen Vorschriften für Verhandlung im Plenum beigelegt ist. Bei den übrigen Provinzialbehörden nehmen an den zur Erledigung der Disziplinarsachen bestimmten Plenarsitzungen nur die etatsmäßigen Mitglieder und die­ jenigen teil, welche eine etatsmäßige Stelle versehen.------------ Alle in dieser Weise zur Teilnahme Berufenen haben ein volles Stimmrecht, auch wenn die Behörde sonst keine kollegialische Einrichtung hat. § 32. In der Voruntersuchung wird der Angeschuldigte unter Mitteilung der Anschul­ digungspunkte vorgeladen und, wenn er erscheint, gehört; es werden die Zeugen eidlich

in der Rheinprovinz, Schöffen, Mitglieder des Gemeindevorstandes und sonstigen Gemeindebeamten, sowie der Gutsvorsteher, Amtsvorsteher; die Bezirksausschüsse in betreff der Bürgermeister, Beigeordneten, Magistratsmitglieder und der sonstigen städtischen Gemeindebeamten, in betreff der gewählten Mitglieder der Kreis(Stadt)ausschüsse, des Landesdirektors, der sonstigen Provinzialbeamten und der Mitglieder der Provinzialausschüsse; das Oberverwaltungsgericht in betreff der gewählten Mitglieder der Provinzialräte und aller gewählten Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der Bezirksausschüsse, sowie der bei dem Oberverwaltungsgericht angestellten Subaltern- und Nnterbeamten. Die Berufung gegen die Entscheidungen sowohl der Bezirks- als auch der Kreisarusschüsse geht an das Oberverwaltungsgericht. — Wegen des Verfahrens in Disziplinarsacheu vor den Verwaltungsgerichten s. die besonderen Bestimmungen des S 157 Nr. 2 LBG.

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

Vernommen21 und

die zur Aufklärung der Sache dienenden sonstigen Beweise herbeigeschafft. Die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft werden durch einen Beamten wahrgenommen, welchen die Behörde ernennt, Von der die Einleitung des Disziplinarverfahrens verfügt wird. Bei der Vernehmung des Angeschuldigten und dem Verhöre der Zeugen ist ein vereideter Protokollführer zuzuziehen.

§ 33. Der dem Angeschuldigten vorgesetzte Minister ist ermächtigt, mit Rücksicht auf den Ausfall der Voruntersuchung, das fernere Verfahren einzustellen und geeignetenfalls nur eine Ordnungsstrafe zu verhängen. Ist eine sonstige Behörde, welche die Einleitung der Untersuchung verfügt hat, der Ansicht, daß das fernere Verfahren einzustellen sei, so muß sie darüber an den Minister zu dessen Beschlußnahme, berichten.22 In beiden Fällen erhält der Angeschuldigte Ausfertigung des darauf bezüglichen, mit Gründen zu unterstützenden Beschlusses. § 34. Wird das Verfahren nicht eingestellt, so wird nach Eingang einer von dem Be­ amten der Staatsanwaltschaft anzufertigenden Anschuldigungsschrift der Angeschuldigte unter abschriftlicher Mitteilung dieser Anschuldigungsschrift zu einer, von dem Vorsitzenden der Disziplinarbehörde zu bestimmenden Sitzung zur mündlichen Verhandlung vorgeladen. § 35. Bei der mündlichen Verhandlung, welche in nichtöffentlicher Sitzung stattfindet, gibt zuerst ein von dem Vorsitzenden der Behörde aus der Zahl ihrer Mitglieder ernannter Referent eine Darstellung der Sache, wie sie aus den bisherigen Verhandlungen hervorgeht. Der Angeschuldigte wird vernommen. Es wird darauf der Beamte der Staatsanwaltschaft mit seinem Vor- und Antrage22 und der Angeschuldigte in seiner Verteidigung gehört. Dem Angeschuldigten steht das letzte Wort zu. § 36. Wenn die Behörde auf den Antrag des Angeschuldigten oder des Beamten der Staatsanwaltschaft, oder auch von Amts wegen die Vernehmung eines oder mehrerer Zeugen, sei es durch einen Kommissar, oder mündlich vor der Behörde selbst, oder die Herbeischaffung anderer Mittel zur Aufklärung der Sache für angemessen erachtet, so erläßt sie die erforder­ liche Verfügung und verlegt nötigenfalls die Fortsetzung der Sache auf einen anderen Tag, welcher dem Angeschuldigten bekanntzumachen ist. § 37. Der Angeschuldigte, welcher erscheint, kann sich des Beistandes eines Rechtsanwaltes als Verteidigers bedienen.2* Der nicht erscheinende Angeschuldigte kann sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Der Disziplinarbehörde steht es jedoch jederzeit zu, das persönliche Erscheinen des Angeschuldigten unter der Warnung zu verordnen, daß bei seinem Ausbleiben ein Verteidiger zu seiner Vertretung nicht werde zugelassen werden. § 38. Bei der Entscheidung hat die Disziplinarbehörde, ohne an positive Beweisregeln gebunden zu sein,2 nach ihrer freien, aus dem ganzen Inbegriffe der Verhandlungen und Beweise geschöpften Überzeugung zu beurteilen, inwieweit die Anschuldigung für begründet zu erachten. Die Entscheidung kann auch auf eine bloße Ordnungsstrafe lauten. 21 Imperativische Bestimmung. Auch in einem der eigentlichen Voruntersuchung vorausgehenden vorbereitenden Verfahren (zur Ermittelung, ob das Material zur Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens ausreicht) können Zeugen von dem damit beauftragten Beamten eidlich ver­ nommen werden. 22 Diese Vorschrift findet, wenn Verwaltungsgerichte entscheidende Disziplinarbehörden erster Instanz sind, keine Anwendung. Nach § 157 Nr. 2 LVG. kann alsdann das Disziplinarverfahren mit Rücksicht auf den Ausfall der Voruntersuchung durch Beschluß der in erster Instanz zuständigen Behörde eingestellt werden, auch dann, wenn der Angeschuldigte aufgehört hat, Beamter zu sein (OVG. 26, S. 417; 50, S. 431). 23 Dabei kann der schon vorher formulierte Antrag entsprechend dem Ergebnisse der mündlichen Verhandlung abgeändert werden. 24 Nur Rechtsanwälte sind als Verteidiger zuzulassen.

3. Disziplinargesetz.

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Die Entscheidung, welche mit Gründen versehen sein mufc,26 wird in der Sitzung, in welcher die mündliche Verhandlung beendigt worden ist, oder in einer der nächsten Sitzungen ver­ kündigt und eine Ausfertigung derselben dem Angeschuldigten auf sein Verlangen erteilt. § L9. Über die mündliche Verhandlung wird ein Protokoll ausgenommen, welches die Namen der Anwesenden und die wesentlichen Momente der Verhandlung enthalten mufc.26 Das Protokoll wird von dem Vorsitzenden und dem Protokollführer unterzeichnet. § 40* Das Rechtsmittel des Einspruches (Restitution oder Opposition) findet nicht statt. § 41. Gegen die Entscheidung steht die Berufung an das Staatsministerium,27 sowohl dem Beamten der Staatsanwaltschaft,23 als dem Angeschuldigten offen. § 42. Die Anmeldung der Berufung geschieht zu Protokoll oder schriftlich bei der Be­ hörde, welche die anzugreifende Entscheidung erlassen hat.22 Von seiten des Angeschuldigten kann sie auch durch einen Bevollmächtigten geschehen. Die Frist zu dieser Anmeldung ist eine vierwöchentliche, welche mit dem Ablaufe des Tages, an welchem die Entscheidung verkündigt worden ist,30 und für den Angeschuldigten, welcher hierbei nicht zugegen war, mit dem Ablaufe des Tages beginnt, an welchem ihm die Ent­ scheidung zugestellt worden ist. § 43. Zur schriftlichen Rechtfertigung der Berufung steht demjenigen, der dieselbe recht­ zeitig angemeldet hat, eine fernere vierzehntägige Frist offen. Diese Frist kann auf den An­ trag des Appellanten angemessen verlängert werden. Neue Tatsachen, welche die Grund­ lagen einer anderen Beschuldigung bilden, dürfen in zweiter Instanz nicht vorgebracht werden. § 44. Die Anmeldung der Berufung und die etwa eingegangene Appellationsschrift wird dem Appellaten in Abschrift zugestellt oder dem Beamten der Staatsanwaltschaft, falls er Appellat ist, in Urschrift vorgelegt. Innerhalb vierzehn Tage nach erfolgter Zustellung oder Vorlegung kann der Appellat eine Gegenschrift einreichen. Diese Frist kann auf den Antrag des Appellaten angemessen verlängert werden. § 45. Nach Ablauf der in dem § 44 bestimmten Frist werden die Akten an das StaatsMinisterium eingesandt.^ Das Staatsministerium beschließt auf den Vortrag eines von dem Vorsitzenden ernannten Referenten; in Sachen jedoch, in welchen der Disziplinarhof in erster Instanz geurteilt hat, auf den Vortrag zweier von dem Vorsitzenden ernannten Referenten, von denen einer dem Justizministerium angehören muß. Ist die Berufung von der Entscheidung einer Provinzialbehörde eingelegt, so kann das Staatsministerium keinen Beschluß fassen, bevor das Gutachten des Disziplinarhofes ein­ geholt worden ist. Der Disziplinarhof kann die zur Aufklärung der Sache etwa erforderlichen Verfügungen erlassen. Er kann auch eine mündliche Verhandlung anordnen, zu welcher der Angeschuldigte 26 Die Entscheidung muß auch über die baren Auslagen des Verfahrens Bestimmung treffen. Nur diese, nicht aber ein Kostenpauschquantum, können dem Angeschuldigten auferlegt werden (§ 122 Gerichtskosteng. v. 25. Juli 1910, GS. 184, und § 157 Nr. 2 LBG.). — Entschei­ dungen von Disziplinarbehörden, die nicht Gerichte sind, sollen von allen stimmberechtigten Mtgliedern unterschrieben werden. 26 sowie die Feststellung, daß die Entscheidung mit Gründen verkündet worden ist. 27 Im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten an das Oberverwaltungsgericht, s. Anm. 20. 28 In den Fällen, in denen nicht auf Dienstentlassung erkannt, oder wenn ein Teil der Pension als Unterstützung zugebilligt worden ist, hat der Beamte der Staatsanwaltschaft regelmäßig Be­ rufung einzulegen, ev. ist die Entscheidung des Ressortministers einzuholen (MErl. v. 18. Nov. 1898, MBl. 1899, S. 2). Der Beamte der Staatsanwaltschaft kann das Rechtsmittel auch zugunsten des Angeklagten einlegen (§§ 338, 343 StPO.). 29 Diese, also die Disziplinarbehörde erster Instanz, entscheidet über die Rechtzeitigkeit der Berufung; gegen diese Entscheidung steht dem Berufenden binnen einer Woche die Beschwerde an das StaatsMinisterium offen. 30 Diese einschränkende Fristbestimmung ist zwingend. 31 und zwar durch Vermittelung des betreffenden Ressortministers, zugleich mit einer Sachdar­ stellung. Wenn ein Verwaltungsgericht in erster Instanz entschieden hat, werden die Akten ohne weiteres dem Oberverwaltungsgericht eingereicht.

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

vorzuladen und ein Beamter der Staatsanwaltschaft zuzuziehen ist. Der letztere wird in diesem Falle vom Minister des Ressorts bezeichnet. § 46. Lautet die Entscheidung oder das Gutachten des Disziplinarhofes auf Freisprechung des Angeschuldigten, oder nur auf Warnung oder Verweis, so kann das Staatsministerium, wenn es den Angeschuldigten strafbar findet, nicht die Strafe der Dienstentlassung, sondern nur eine geringere Disziplinarstrafe verhängen, oder die einstweilige Versetzung in den Ruhe­ stand mit Wartegeld verfügen. § 47. Eine jede Entscheidung der Disziplinarbehörde, gegen die kein Rechtsmittel mehr stattfindet, und durch welche die Dienstentlassung ausgesprochen ist, bedarf der Bestätigung des Königs, wenn der Beamte vom Könige ernannt oder bestätigt worden ist. 3. Abschnitt. Vorläufige Dienstenthebung. § 48. Die Suspension eines Beamten^ vom Amte tritt kraft des Gesetzes ein: 1. wenn in dem gerichtlichen Strafverfahren seine Verhaftung beschlossen, oder gegen ihn ein noch nicht rechtskräftig gewordenes Urteil erlassen ist, welches auf den Verlust des Amtes lautet, oder diesen kraft des Gesetzes nach sich zieht; 2. wenn im Disziplinarverfahren eine noch nicht rechtskräftige Entscheidung ergangen ist, welche auf Dienstentlassung lautet. § 49. In dem im vorhergehenden Paragraphen unter Nr. 1 vorgesehenen Falle dauert die Suspension bis zum Ablauf des zehnten Tages nach Wiederaufhebung des Verhaftungs­ beschlusses oder nach eingetretener Rechtskraft desjenigen Urteils höherer Instanz, durch welches der angeschuldigte Beamte zu einer anderen Strafe als der bezeichneten verurteilt wird. Lautet das rechtskräftige Urteil auf Freiheitsstrafe, so dauert die Suspension, bis das Urteil vollstreckt ist. Wird die Vollstreckung des Urteils, ohne Schuld des Verurteilten, auf­ gehalten oder unterbrochen, so tritt für die Zeit des Aufenthaltes oder der Unterbrechung eine Gehaltsverkürzung (§ 51) nicht ein. Dasselbe gilt für die im ersten Absätze dieses Para­ graphen erwähnte Zeit von 10 Tagen, wenn nicht vor Ablauf derselben die Suspension vom Amte im Wege des Disziplinarverfahrens beschlossen wird. In dem § 48 unter Nr. 2 erwähnten Falle dauert die Suspension bis zur Rechtskraft der in der Disziplinarsache ergehenden Entscheidung. § 50. Die zur Einleitung der Disziplinaruntersuchung ermächtigte Behörde^ kann die Suspension, sobald gegen den Beamten ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet, oder die Einleitung einer Disziplinaruntersuchung verfügt wird, oder auch demnächst im ganzen Laufe des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung verfügen. § 51. Der suspendierte Beamte behält während der Suspension die Hälfte seines Diensteinkommens.^ Auf die für Dienstunkosten besonders angesetzten Beträge ist bei Berechnung der Hälfte des Diensteinkommens keine Rücksicht zu nehmen. Der innebehaltene Teil des Diensteinkommens ist zu den Kosten, welche durch die Stell­ vertretung des Angeschuldigten verursacht werden, der etwaige Rest zu den Untersuchungskosten^ zu verwenden. Einen weiteren Beitrag zu den Stellvertretungskosten zu leisten, ist der Beamte nicht verpflichtet. § 52. Der zu den Kosten (§ 51) nicht verwendete Teil des Einkommens wird dem Be­ amten nicht nachgezahlt, wenn das Verfahren die Entfernung aus dem Amte zur Folge gehabt hat. 32 Suspendierte Beamte bleiben der Aufsicht der vorgesetzten Dienstbehörde unterworfen und dürfen sich ohne Genehmigung der vorgesetzten Behörde weder von dem bisherigen Amtssitze ent­ fernen noch andere Stetten übernehmen. 33 Vgl. § 23. Die Amtssuspension kann in jeder Lage des Verfahrens verfügt werden. 34 einschließlich Wohnungsgeldzuschuß; hat der suspendierte Beamte eine Dienstwohnung, so muß er sie auf Verlangen jederzeit räumen, wogegen ihm dann die Hälfte des etatsmäßigen Wohnungs.geldzuschusses oder der Mietentschädigung zu gewähren ist (MErl. v. 25. Juli 1883, MBl. 169).

3. Disziplinargesetz.

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Erinnerungen über die Verwendung des Einkommens stehen dem Beamten nicht zu; Wohl aber ist ihm auf Verlangen eine Nachweisung über diese Verwendung zu erteilen. § 53. Wird der Beamte freigesprochen,^ so muß ihm der innebehaltene Teil des Dienst­ einkommens vollständig nachgezahlt werden. Wird er nur mit einer Ordnungsstrafe belegt, so ist ihm der innebehaltene Teil, ohne Ab­ zug der Stellvertretungskosten, nachzuzahlen, soweit derselbe nicht zur Deckung der Unter­ suchungskosten und der Ordnungsstrafe erforderlich ist. § 54. Wenn Gefahr im Verzüge ist, kann einem Beamten auch von solchen Vorgesetzten, die seine Suspension zu verfügen nicht ermächtigt sind, die Ausübung der Amtsverrichtungen vorläufig untersagt werden; es ist aber darüber sofort an die höhere Behörde zu berichten. 4. Abschnitt. Besondere Bestimmungen in betreff der Beamten der Justiz­ verwaltung. § 55. Hinsichtlich der Beamten der Jusüzverwaltung, welche kein Richteramt bekleiden, gelten die nachfolgenden näheren Bestimmungen. § 56. Der Justizminister kann gegen alle Beamte Ordnungsstrafen jeder Art (§§ 15, 19) verhängen, vorbehaltlich der in den §§ 66 bis 68 enthaltenen Einschränkungen. § 57. Der Oberstaatsanwalt bei einem Oberlandesgerichte ist befugt, gegen alle im Be­ zirke des'Oberlandesgerichts angestellten Beamten der Staatsanwaltschaft Warnungen und Verweise, gegen die Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Amtsgerichten (Amtsanwälte) und gegen die Beamten der gerichtlichen Polizei^ Warnungen, Verweise und Geldbuße bis zu zehn Talern zu verhängen. § 58. Der Erste Staatsanwalt bei einem Landgerichte ist befugt, allen Beamten der Staatsanwaltschaft und der gerichtlichen Polizei36 im Bezirke dieses Gerichts Warnungen zu erteilen.---------§ 62. Die Beschwerde gegen Ordnungsstrafen geht:---------3. Von den Verfügungen eines Beamten der Staatsanwaltschaft an den höheren Be­ amten derselben und von dessen Verfügung an den Justizminister. § 63. Die Bestimmungen über die Entfernung aus dem Amte (§ 23 Nr. 1, §§ 24 ff.) finden aus die Beamten der Staatsanwaltschaft Anwendung. In Ansehung der Amts­ anwälte und der Beamten der gerichtlichen Polizei^ ist deren sonstige amtliche Eigenschaft für die Zuständigkeit der Disziplinarbehörde maßgebend.---------7. Abschnitt. Besondere Bestimmungen in betreff der Entlassung von Be­ amten, welche auf Widerruf angestellt sind, der Referendarien usw. § 83. Beamte, welche auf Probe, auf Kündigung oder sonst auf Widerruf angestellt sind, können ohne ein förmliches Disziplinarverfahren von der Behörde, welche ihre Anstellung verfügt hat, entlassen werden?? Dem auf Grund der Kündigung entlassenen Beamten ist in allen Fällen bis zum Ab­ laufe der Kündigung sein volles Diensteinkommen zu gewähren. § 84. Referendarien, welche durch eine tadelhafte Führung zu der Belastung im Dienste sich unwürdig zeigen, oder in ihrer Ausbildung nicht gehörig fortschreiten, können von dem vorgesetzten Minister, nach Anhörung der Vorsteher der Provinzialdienstbehörde, ohne weiteres Verfahren aus dem Dienste entlassen werden. § 85. In Ansehung der Entlassung der Supernumerarien^ und der sonst zur Erlernung 35 Der Freisprechung steht hier die Einstellung des Verfahrens gleich. 36 Jetzt die Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes, die Hilfsbeamten der Staatsanwalt­ schaft sind; s. MErl. v. 7. Okt. 1879 (MBl. 1880, S.2) und 15. Sept. 1879 (MBl. 265), sowie das G. v. 9. April 1879 (GS. 345). 37 Gegen die Entlassungsverfügung ist nur die Beschwerde im Aufsichtswege gegeben. 38 Zivil- und Militäranwärter können jederzeit bei praktischer Unbrauchbarkeit, sowie wegen UnReichell, Berwaltungsgesehvuch. 60

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

des Dienstes bei den Behörden beschäftigten Personen kommen die darauf bezüglichen be­ sonderen Bestimmungen zur Anwendung. § 8K. In bezug auf Kanzleidiener, Boten, Kastellane und andere in gleicher Kategorie stehende oder bloß zu mechanischen Dienstleistungen bestimmte Diener, welche bei den obersten Verwaltungsbehörden oder in solchen Verwaltungszweigen angestellt sind, in welchen keine Provinzialdienstbehörden bestehen, entscheidet endgültig der Minister, nach Anhörung des Angeschuldigten und auf den Vortrag zweier Referenten, zu denen stets ein Justitiar, oder, wenn ein solcher bei der Verwaltungsbehörde nicht angestellt ist, ein Rat des Justizministe­ riums gehören muß. 8. Abschnitt.

Verfügungen im Interesse des Dienstes, welche nicht Gegen­ stand eines Disziplinarverfahrens sind.

§ 87. Die nachbenannten Verfügungen, welche im Interesse des Dienstes getroffen werden können, sind nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens, vorbehaltlich des im § 46 vorgesehenen Falles: 1. Versetzung in ein anderes Amt von nicht geringerem Range und etatsmäßigem Dienst­ einkommen mit Vergütung der reglementsmäßigen Umzugskosten.^ Als eine Verkürzung im Einkommen ist es nicht anzusehen, wenn die Gelegenheit zur Verwaltung von Nebenämtern entzogen wird, oder die Beziehung der für die Dienstunkosten besonders ausgesetzten Einnahmen mit diesen Unkosten selbst fortfällt. 2. Einstweilige Versetzung in den Ruhestand mit Gewährung von Wartegeld nach Maß­ gabe der Vorschriften der Verordnungen v. 14. Juni^o und 24. Okt. 1848. Außer dem daselbst vorgesehenen Falle können durch Kgl. Verfügung jederzeit die nachbenannten Beamten mit Gewährung des vorschriftsmäßigen Wartegeldes einst­ weilig in den Ruhestand versetzt werden: Unterstaatssekretäre, Ministerialdirektoren, Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten, Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Gerichten, Vorsteher Kgl. Polizeibehörden, Landräte, die Gesandten und andere diplomatische Agenten. Wartegeldempfänger sollen bei Wiederbesetzung erledigter Stellen, für welche sie sich eignen, vorzugsweise berücksichtigt werden. 3. Gänzliche Versetzung in den Ruhestand mit Gewährung der vorschriftsmäßigen Pension, nach Maßgabe der §§ 88 ff. dieses Gesetzes. § 88. Ein Beamter, welcher durch Blindheit, Taubheit oder ein sonstiges körperliches Gebrechen oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zu der Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig ist, soll in den Ruhestand versetzt werden." § 89. Sucht der Beamte in einem solchen Falle seine Versetzung in den Ruhestand nicht nach, so wird ihm oder seinem nötigenfalls hierzu besonders zu bestellenden Kurator von der vorgesetzten Dienstbehörde unter Angabe des zu gewährenden Pensionsbetrages und der Gründe der Pensionierung eröffnet, daß der Fall seiner Versetzung in den Ruhestand vorliege. § 90. Innerhalb sechs Wochen nach einer solchen Eröffnung (§ 89) kann der Beamte seine Einwendungen bei der vorgesetzten Dienstbehörde anbringen. Ist dies geschehen, so fleißes oder ordnungswidriger Führung ohne förmliches Disziplinarverfahren entlassen werden (RGZ. 43, S. 219). 39 Auch Volksschullehrer können im Interesse des Dienstes versetzt werden, s. Anm. 14. Wegen Zwangspensionierung der Lehrer s. MErl. v. 6. Sept. 1888 (ZentrBl. Unterr. 765). 40 Nach der Kgl. Vg. v. 14. Juni 1848 (GS. 163) können Beamten infolge Umbildung einzelner Staatsbehörden zur Disposition gestellt werden. 41 Die §§ 88 ff. finden Anwendung auf endgültig in unmittelbarem Staatsdienst angestellte Be­ amte (§ 94), die wider ihren Willen in den Ruhestand versetzt werden sollen; ingleichen auf Lehrer und Beamte an den nicht vom Staat allein zu unterhaltenden höheren Unterrichtsanstalten und auf Gendarmen. Wegen der Zwangspensionierung nach vollendetem 65. Lebensjahre s. § 30 PensG. v. 27. März 1872.

3. Disziplinargesetz.

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werden die Verhandlungen an den vorgesetzten Minister eingereicht, welcher, sofern nicht der Beamte von dem Könige ernannt ist, über die Pensionierung entscheidet. Gegen diese Entscheidung steht dem Beamten der Rekurs an das Staatsministerium binnen einer Frist von vier Wochen nach Empfang der Entscheidung zu. Des Rekursrechtes ungeachtet kann der Beamte von dem Minister sofort der weiteren Amtsverwaltung vorläufig enthoben werden. Ist der Beamte von dem Könige ernannt, so erfolgt die Entscheidung von dem Könige auf Antrag des Staatsministeriums. § 91. Dem Beamten, dessen Versetzung in den Ruhestand verfügt ist, wird das volle Gehalt noch bis zum Ablaufe desjenigen Vierteljahres fortgezahlt, welches auf den Monat folgt, in dem ihm die schließliche Verfügung über die erfolgte Versetzung in den Ruhestand mitgeteilt worden ist. § 92. Wenn der Beamte gegen die ihm gemachte Eröffnung (§ 89) innerhalb sechs Wochen keine Einwendungen erhoben hat, so wird in derselben Weise verfügt, als wenn er seine Pensionierung selbst nachgesucht hätte. Die Zahlung des vollen Gehaltes dauert bis zu dem im § 91 bestimmten Zeitpunkte. § 93. Ist ein Beamter vor dem Zeitpunkte, mit welchem die Pensionsberechtigung für ihn eingetreten sein toütbe,42 dienstunfähig geworden, so kann er gegen seinen Willen nur unter Beobachtung derjenigen Formen, welche für die Disziplinaruntersuchung vorgeschrieben sind, in den Ruhestand versetzt werden. Wird es jedoch für angemessen befunden, dem Beamten eine Pension zu dem Betrage zu bewilligen, welcher ihm bei Erreichung des vorgedachten Zeitpunktes zustehen würde, so kann die Pensionierung desselben nach den Vorschriften der §§ 88 bis 92 erfolgen. § 94. Die vorstehenden Bestimmungen über einstweilige und gänzliche Versetzung in den Ruhestand finden nur auf Beamte in unmittelbarem Staatsdienste Anwendung. § 95. In bezug auf die mittelbaren Staatsdiener bleiben die wegen Pensionierung derselben bestehenden Vorschriften in Kraft. Wenn jedoch mittelbare Staatsdiener vor dem Zeitpunkte, mit welchem eine Pensions­ berechtigung für sie eingetreten sein würde, dienstunfähig geworden, so können auch sie gegen ihren Willen nur unter den für Beamte im unmittelbaren Staatsdienste vorgeschriebenen Formen (§ 93) in den Ruhestand versetzt werden.42 § 96. Auf Universitätslehrer finden die Besümmungen der §§ 87 bis 95 keine Anwendung.44 9. Abschnitt. Allgemeine und Übergangsbestimmungen. § 97. Die Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes gelten auch in Ansehung der zur DisPosition gestellten oder einstweilen in Ruhestand versetzten Beamten. § 100. Me diesem Gesetze entgegenstehenden Besümmungen sind aufgehoben. Dagegen wird durch dasselbe in der Befugnis der Aufsichtsbehörden, int Aufsichtswege 'Beschwerden Abhilfe zu verschaffen, oder Beamte zur Erfüllung ihrer Pflichten in einzelnen Sachen an­ zuhalten^ und dabei alles zu tun, wozu sie nach den bestehenden Gesetzen ermächügt sind, nichts geändert.

4. Verordnung über die Festsetzung und den Ersatz der bei Kassen und anderen Verwaltungen vorkommenden StefoMe**1 Vom 24. Januar 1844 (GS. 52). § 1. Die Feststellung der Defekte an öffentlichem oder Privatvermögen, welche bei öffentlichen Kassen oder anderen öffentlichen Verwaltungen entdeckt werden, ist zunächst von derjenigen Be41 D. h. nach einer Dienstzeit von wenigstens zehn Jahren (§ 1 PensG. v. 27. März 1872). 43 Vgl. §§ 20, 86 ZustG. und §§ 7, 12 KBeamtG. v. 30. Juli 1899. 44 Die Privatdozenten unterliegen dem G. v. 17. Juni 1898 (GS. 125). 1 Diese Verordnung gilt jetzt im ganzen Staatsgebiete. Auf Defekte der Reichsbeamten finden §§ 134 ff. RBeamtG. Anwendung.

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

Hörde zu bewirken, zu deren Geschäftskreise die unmittelbare Aufsicht über die Kasse oder andere Verwaltung gehört? § 2. Bon dieser Behörde ist zugleich festzustellen, wer nach den Vorschriften der gegenwärtigen Verordnung für den Defekt zu haften hat, und bei einem Defekt an Materialien, auf wie hoch die zu erstattende Summe in Geld zu berechnen ist? § 3. Ebenso (§§ 1 und 2) hat die unmittelbar vorgesetzte Behörde die Defekte an solchem öffent­ lichen oder Privatvermögen festzustellen, welches, ohne zu einer öffentlichen Kasse oder anderen öffent­ lichen Verwaltung gebracht zu sein, vermöge besonderer amtlicher Anordnung in die Gewahrsam eines Beamten gekommen ist. § 4. über den Betrag des Defekts, die Person des zum Ersatz Verpflichteten und den Grund seiner Verpflichtung ist von der in den §§ 1 und 3 bezeichneten Behörde ein motivierter Beschluß abzufassen. § 6. Hat diese Behörde die Eigenschaft einer Zentral- oder Provinzialbehörde, so ist der Beschluß ohne weiteres vollstreckbar. § 6. In allen andern Fällen unterliegt der Beschluß der Prüfung der vorgesetzten Provinzial­ behörde und wird erst nach deren Genehmigung vollstreckbar. § 7. Der vorgesetzten Zentralbehörde bleibt jedoch in allen Fällen unbenommen, einzuschreiten, und den Beschluß selbst abzufassen oder zu berichtigen. § 8. Nach Befinden der Umstände kann die Behörde auch mehrere Beschlüsse abfassen, wenn ein Teil des Defekts sofort klar ist, der andere Teil aber noch weitere Ermittlungen notwendig macht, ingleichen, wenn unter mehreren Personen die Verpflichtung der einen feststeht, die der andern noch zweifelhaft ist. § 9. In dem abzufassenden Beschlusse ist zugleich zu bestimmen, ob der Beamte zum Ersatz des Defekts oder nur zur Sicherstellung anzuhalten, und im ersten Falle, ob die Exekution unbedingt oder mit welchen näher zu bestimmenden Modifikationen zu vollstrecken. § 10. Der abzufassende Beschluß kann aus die unmittelbare Verpflichtung zum Ersatz gerichtet werden: 1. sofern der Defekt nach dem Ermessen der Behörde durch Vorsatz24 5bewirkt 3 worden, gegen jeden Beamten, welcher der Unterschlagung oder Veruntreuung als Urheber oder Teilnehmer geständig ist oder für überführt erachtet wird, 2. sofern der Defekt nach dem Ermessen der Behörde durch grobes Versehen4 entstanden ist, a) gegen diejenigen, welchen die Kasse usw. zur Verwaltung übergeben war, auf Höhe des ganzen Defekts, b) gegen jeden anderen Beamten, der an der Einnahme oder Ausgabe, der Erhebung, der Ablieferung oder dem Transport von Kassengeldern oder andern Gegenständen vermöge seiner dienstlichen Stellung teilzunehmen hatte, nur aus Höhe des in seine Gewahrsam gekommenen Betrages. Eben dies gilt gegen die § 3 genannten Beamten in den daselbst bezeichneten Fällen. § 11. Der abzufassende Beschluß kann ferner auf Beschlagnahme des Vermögens oder Gehalts zur Sicherung des demnächst im Wege Rechtens auszuführenden Anspruchs, sofern der Defekt aus dem Vermögen der § 10 genannten zunächst verantwortlichen Beamten und deren Dienstkaution nicht zu decken sein sollte, gerichtet werden: gegen diejenigen, welche zwar die defektierten Gelder oder andere Gegenstände nicht in ihrem Gewahrsam gehabt, aber an deren Bereinnahmung, Verausgabung oder Verschlüsse in der Weise unmittelbar teilzunehmen hatten, daß der Defekt ohne ihr grobes Verschulden nicht hätte entstehen können. § 12. Sind Beamte, gegen welche die exekutivische Einziehung des Defekts zulässig ist, in der Verwaltung ihres Amtes, wofür sie eine Amiskaution bestellt haben, belassen worden, so ist die Exekution nicht zunächst in diese Kaution, sondern in das übrige Vermögen zu vollstrecten, jedoch frroeit die bestellte Kaution reicht, nur auf Sicherstellung eines gleichen Betrages zu richten. § 13. Bei Gefahr im Verzüge kann die unmittelbar vorgesetzte Behörde, auch luemt sie nid): die Eigenschaft einer Provinzialbehörde hat, oder der unmittelbar vorgesetzte Beatme vorläitfige Sicherheitsmaßregeln durch Beschlagnahme des Vermögens oder Gehalts gegen die iiarf) $ 10 der Exekution unterworfenen Beamten ergreifen;3 es muß aber davon der vorgesetzten Provinzialbehvrde ungesäumt Anzeige gemacht, und deren Genehmigung eingeholt tverden. 2 Diese Behörde ist für Beamte der Landgemeinden, Guts- und Amtsbezirke der Kreisausschuß, für Beamte der Städte und Kreise der Bezirksausschuß. 3 Nach § 38 G., betr. den Staatshaushalt, v. 11. Mai 1898 (GS. 77) dürfen Defekte, abgeschert von der Unmöglichkeit der Einziehung, nur auf Grund einer durch Kgl. Bestimmung erteilten Ämächtigung niedergesä)lagen werden. 4 Bei mäßigem oder geringem Versehen ist also kein Defektenbeschluß zu erlassen. Die Scha)enersatzpflicht tvird dann im Regreßwege festgestellt. 5 So durch Ersuchen an das zuständige Gerid)t um Anordnung eines Arrestes (§ 17) nach 911 ff. ZPO.

4. Defektenverordnung.

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§ 14. Die Verwaltungsbehörde kann den zur Vollstreckung geeigneten Beschluß selbst zur Aus­ führung bringen, soweit dieselbe nach den bestehenden Gesetzen Exekution zu verfügen befugt ist. Außerdem ist das betreffende Gericht dieserhalb zu requirieren. § 15. Die Gerichte und Hypothekenbehörden sind verpflichtet, den an sie ergehenden Requisitionen zu genügen, die Exekution gegen die benannten Personen ohne vorgängiges Zahlungsmandat schleunig zu vollstrecken, die Beschlagnahme der zur Deckung des Defekts erforderlichen Vermögensstücke zu verfügen, und die in Antrag gebrachten Eintragungen, wenn sonst kein Anstand obwaltet, im Hypothekenbuche zu veranlassen, ohne auf eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit einzugehen. i 16. Gegen den Beschluß, wodurch ein Beamter zur Erstattung eines Defekts für verpflichtet ört wird (§ 10) steht demselben sowohl hinsichtlich des Betrages als hinsichtlich der Ersatzverbind, lichkeit, außer dem Rekurse an die vorgesetzte Behörde, die Berufung auf rechtliches Gehör au.6 Von dieser Befugnis muß jedoch innerhalb eines Jahres, vom Tage der dem Verpflichteten geschehenen Bekanntmachung des vollstreckbaren Beschlusses, oder, wenn der Verpflichtete ausgetreten ist, vom Tage des abgefaßten Beschlusses an Gebrauch gemacht werden. Die Exekution behält, des eingeschlagenen Rechtsweges ungeachtet, bis zur rechtskräftigen Entscheidung nach Maßgabe des Beschlusses ihren Fortgang, wenn nicht von der Verwaltung davon Abstand genommen wird. In der etwa eingeleiteten Untersuchung bleiben dem Verpflichteten, insofern es auf die Bestrafung ankommt, seine Einreden gegen den abgefaßten Beschluß auch nach Ablauf des Jahres, wenngleich sie int Zivilprozeß nicht mehr geltend gemacht werden können, vorbehalten. § 17. Gegen einen Beschluß, wodurch die Beschlagnahme des Vermögens oder Gehalts nach § 11 angeordnet worden, steht dem Beamten die Berufung auf rechtliches Gehör in derselben Weise zu, wie dies gegen einen gerichtlich angelegten Arrest ztüässig ist. § 18. Das gegenwärtige G. findet auf sämtliche öffentliche Kassen und Verwaltungen und deren Beamte, einschließlich der gerichtlichen, sowie auf die Militärkassen, Magazine und Verwaltungen aller Art, und nicht nur auf Militärbeamte, sondern auch auf Militärpersonen Anwendung.-------

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S. Gesetz, betreffend die Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen Amts- und Viensthandlungen.^ Vom 13. Februar 1854 (GS. 86). § 1. Wenn gegen einen Zivil- oder Militärbeamten? wegen einer in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Amtes vorgenommenen Handlung oder wegen Unter­ lassung einer Amtshandlung eine gerichüiche Verfolgung im Wege des Zivil- oder Straf­ prozesses eingeleitet worden ist, so steht der vorgesetzten Provinzial-*3 1oder 2 Zentralbehörde des Beamten, falls sie glaubt, daß demselben eine Überschreitung seiner Amtsbefugnisse oder Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung nicht zur Last fällt, die Befugnis zu, den Konflikt zu erheben. Auf einen solchen Konflikt finden die Vorschriften des G. v. 8. April 1847 (GS. 170) und des § 11 des EG. z. GVG. v. 27. Jan. 1877 (RGBl. 77) sowie des § 114 des LBG. AnWendung. § 2. Erachtet das Oberverwaltungsgericht vor Fällung seines Urteils noch tatsächliche Ermittelungen für erforderlich, so ist es befugt, solche durch die Verwaltungs- oder durch die Gerichtsbehörden zu veranlassen, insbesondere die Fortsetzung der gerichtlichen Instruktion oder Untersuchung bis zu einem zu bestimmenden Ziele anzuordnen. Das Oberverwaltungsgericht entscheidet über den erhobenen Konflikt auf Grund der schrift­ lichen Erklärungen der Behörden und nach Anhörung der Parteien in mündlicher Verhand­ lung unter entsprechender Anwendung der Vorschriften über das Verwaltungsstreitverfahren. § 3. Befindet das Oberverwaltungsgericht (§ 2), daß dem Beamten eine Überschreitung seiner Amtsbefugnisse oder Unterlassung einer ihm obliegenden Amtshandlung nicht zur Last 6 Gegen die Defektenbeschlüsse des Meis- und Bezirksausschusses ist nur der Justizrechtsweg gegeben (§§ 17 Nr. 5, 32 Nr. 5). — Wegen des den Erben des Beamten zustehenden Rechtsweges vgl. Entsch. des Kompetenzgerichtshofs v. 17. April 1858 (MBl. 1859, S. 74). 1 Gilt jetzt int ganzen Staatsgebiete. 2 Über den Begriff der Beamteneigenschaft s. die Vorbemerkungen oben bei Nr. 1. Nicht fallen darunter die Geistlichen. Auch für Reichsbeamte ist die Konfliktserhebung gesetzlich nicht vor­ gesehen. 3 Dazu gehören hier auch die Bezirksregierungen. Zugunsten der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschast ist nur deren im Hauptamte vorgesetzte Provinzialbehörde zur Konflikterhebung zuständig.

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

fällt, so entscheidet es, daß der Rechtsweg gegen den Beamten unzulässig sei, im entgegen­ gesetzten Falle aber, daß derselbe zulässig sei. Ein Urteil der letzteren Art präjudiziert weder dem Beamten in seiner weiteren Verteidigung vor dem Gerichte noch dem Gerichte in seiner rechtlichen Entscheidung der Lache. § 4. Vorstehende Bestimmungen sind auch anwendbar, wenn eine gerichtliche Verfolgung wegen Amtshandlungen (§ 1) gegen einen aus dem Dienste bereits ausgeschiedenen Be­ amten oder gegen die Erben eines Beamten anhängig wird. § 5. Unter den Beamten (§ 1) sind auch diejenigen, welche in mittelbarem Staatsdienste stehen, einbegriffen. § 6. Das gegenwärtige G. findet auch Anwendung, wenn Personen des Soldatenstandes wegen Handlungen, welche von ihnen bei Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung ihrer Dienstverrichtungen vorgenommen sind, oder wegen Unterlassung ihrer DienstverrichLungen bei anderen als Militärgerichten belangt werden. — In diesen Fällen steht dem vorgesetzten Divisionskommandeur oder kommandierenden General die Befugnis zu, den Konflikt zu erheben. Die Verrichtungen des Gerichtshofes . . . werden durch das Militärjustizdepartement ausgeübt, welches unter Mitwirkung dreier höheren Offiziere, die von dem Könige jedesmal auf drei Jahre bezeichnet werden, zu entscheiden hat. Die Beschlußnahme erfolgt auf den schriftlichen Vortrag zweier rechtsverständiger Referenten, deren einer von dem Justizminister, der andere von dem Kriegsminister ernannt wird. § 7. Ausgeschlossen von dem gegenwärtigen G. bleiben die Fälle, in denen die gericht­ liche Verfolgung eingeleitet ist: 1. gegen richterliche Beamte, 2. gegen andere Justizbeamte, mit Ausnahme der Beamten der Staatsanwaltschaft und der gerichtlichen Polizei?----------

6. Gesetz, betreffend die Zahlung der Deamtenbesoldung und des Gnadenvierteljahres? Vom 7. März 1908 (GS. 35). § 1. Die unmittelbaren Staatsbeamten, welche eine etatsmäßige Stelle bekleiden, erhalten ihre Besoldung,^ soweit sie ihnen in festen Barbezügen zusteht, aus der Staatskasse vierteljährlich im voraus? § 2. Hinterläßt ein unmittelbarer Staatsbeamter, welcher eine etatsmäßige Stelle be­ kleidete, eine Witwe oder eheliche oder legitimierte Nachkommen, so wird die volle Besoldung des Verstorbenen noch für die auf den Sterbemonat folgenden drei Monate (Gnadenviertel­ jahr) unter Anrechnung der vor dem Tode fällig gewordenen Besoldungsteile gewährt. An wen das Gnadenvierteljahr zu gewähren ist, bestimmt der Verwaltungschef oder die von ihm bezeichnete Behörde. In gleicher Weise kann den Hinterbliebenen eines unmittelbaren Staatsbeamten, welcher eine etatsmäßige Stelle nicht bekleidete, aber zur Befiiedigung eines dauernden Bedürf­ nisses und nicht nur aushilfsweise beschäftigt war, das Gnadenvierteljahr von den ihm in festen monatlichen oder vierteljährlichen Beträgen zustehenden Tiensteinkünften gewährt werden. 1 Hierzu AusfAnw. v. 11. April 1908 (MBl. 92). 2 Besoldungsordnung zum G. v. 26. Mai 1909 (GS. 352) und Gehaltsvorschriften v. 5. Juni 1909 (MBl. 1911, S. 219), enthaltend Bestimmungen über Dienstaltersstufen, Gehaltszulagen, Besoldungsdienstalter. Vorschriften über die Anrechnung von Militärdienstzeit auf das Besol­ dungsdienstalter der aus dem Militäranwärterstande hervorgegangenen Beamten v. 22. März 1909 (MBl. 1911, S. 221) und Allerh. Erl., betr. Anrechnung der Militärdienstzeit auf das Dienstalter der Zivilbeamten, v. 14. Dez. 1891 (MBl. 1892, S. 80). 3 Im voraus, aber nur in Monatsraten, sind die fixierten Diäten zu zahlen. — Fällt der Zahl­ tag auf einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag, so sind Besoldung und Pension schon am vorher­ gehenden Werktage zu zahlen.

6. G., bett. die Zahlung der Beamtenbesoldung und des Gnadenvierteljahrs.

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§ S. Das Gnadenvierteljahr kann von dem Berwaltungschef oder der von ihm bezeich­ neten Behörde auch dann gewährt werden, wenn der Verstorbene Verwandte der aufsteigen­ den Linie, Geschwister, Geschwisterkinder oder Pflegekinder, deren Ernährer er ganz oder überwiegend gewesen ist, in Bedürftigkeit hinterläßt, oder wenn und soweit der Nachlaß nicht ausreicht, um die Kosten der letzten Krankheit und der Beerdigung zu decken. Z 4. In dem Genusse der Dienstwohnung,* die von einem der im § 2 genannten Be­ amten bewohnt war, ist die Hinterbliebene Familie ^ nach Ablauf des Sterbemonats noch drei fernere Monate zu belassen. Hinterläßt der Beamte keine Familie,^ so ist denjenigen, auf welche sein Nachlaß über­ geht, eine vom Todestag an zu rechnende dreißigtägige Frist zur Räumung der Dienstwoh­ nung zu gewähren. In jedem Falle müssen Arbeits- und Sitzungszimmer sowie sonstige für den amtlichen Gebrauch bestimmte Räumlichkeiten sofort geräumt werden. Sofern das dienstliche Interesse es ausnahmsweise erfordert, ist die ganze Dienstwohnung auf Anordnung des Verwaltungschefs bereits vor Ablauf der in Abs. 1 und 2 genannten Zeiten gegen Gewährung voller Entschädigung für die Beschaffung eines anderweiten angemessenen Unterkommens zu räumen. Der Betrag der Entschädigung wird von dem Ver­ waltungschef in Gemeinschaft mit dem Finanzminister endgültig festgesetzt. § k. Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auch auf die zur Disposition stehenden Be­ amten und Wartegeldempfänger8 sowie auf deren Hinterbliebene Anwendung.

7. Gesetz, betreffend die Gewährung von Wohnungsgeldzuschussen an die unmittelbaren Staatsbeamten. Vom 12. Mai 1873 (GS. 209), mit den durch G. v. 25. Juni 1910 (GS. 105) getroffenen Änderungen? § 1. Den unmittelbaren Staatsbeamten, welche eine etatsmäßige Stelle bekleiden und ihre Besoldung aus der Staatskasse beziehen, ferner den Lehrern und Beamten der Universitäten und derjenigen Unterrichts- und sonstigen Anstalten, bei welchen die Gewäh­ rung der erforderlichen Unterhaltungszuschüsse ausschließlich dem Staate obliegt, wird vom 1. Jan. 1873 ab ein Wohnungsgeldzuschuß nach Maßgabe des Tarifs2 gewährt. Der Wohnungsgeldzuschuß wird auch denjenigen unmittelbaren Staatsbeamten gewährt, welche bei der Umgestaltung der Behörden in den neuen Provinzen etatsmäßige Stellen 4 Regul. v. 26. Juli 1880 und 20. April 1898 (MBl. 264 und 120). 6 Unter „Familie" sind nicht nur Ehefrauen, Kinder und Eltern zu verstehen, sondern auch andere nahe Verwandte oder Pflegekinder, denen der Beamte in seinem Hausstande Wohnung und Unterhalt auf Grund einer gesetzlichen oder moralischen Unterstützungsverbindlichkeit gewährte. 6 Allerh. Erl. v. 14. Jmii und 24. Okt. 1848 (GS. 153 und 338). 1 Hiernach (Art. III G. v. 25. Juni 1910) gelten jetzt die an Orten der früheren Servisklassen A I, II, III, IV vorgesehenen Mietentschädigungen für die Orte der Ortsklassen A, B, C, D, E. * Tarif zum G. v. 25. Juni 1910. Jahresbetrag des Wohnungsgeldzuschusses in den Orten der Ortsklasse:

Bezeichnung der Beamten | I. II. III. IV.

Beamte der 1. Rangklasse . . Beamte der 2. und 3. Rangklasse Beamte der 4. und 5. Rangklasse Mittlere Beamte der Provin­ zial-, Kreis- und Lokalbehörden, Kanzleibeamte und andere Be­ amte gleichen Ranges . . . . V. Unterbeamte............................ |

Pensions fähiger Durch­ schnittssatz

A

B

C

D

E

M

M

M

M

M

M

2100 1680 1300

1680 1260 920

1260 1020 800

1080 900 720

900 810 630

1404 1134 874

800 480

630 360

520 290

450 220

330 150

546 300

952

IX. 'Webn. Beamtenrecüt.

verloren haben und zurzeit noch außeretatsmäßig im unmittelbaren Staatsdienst beschäftigt werden. § 2. Für den zu gewährenden Wohnungsgeldzuschuß ist der mit der Amtsstellung verbundene Tienstrang, nicht der einem Beamten etwa versönlich beigelegte höhere Rang maßgebend. Beamte, welche nach ihrer Dienststellung zwischen den Abteilungen des Tarifs rangieren, werden der entsprechenden niederen Abteilung zugerechnet. Für solche Beamte und Lehrer, welchen ein bestimmter Tienstrang nicht beigelegt ist, wird durch den Ressortchef im Einvernehmen mit dem Finanzminifter festgesetzt, welcher der im Tarif bestimmten Beamtenklassen dieselben beizuzählen sind. Tie Stellung der Orte in den verschiedenen im Tarif bezeichneten Ortsklassen bestimmt sich nach dem Ortsklassenverzeichnisse,3 wie es nach reichsgesetzlicher Regelung für die GeWährung von Wohnungsgeldzuschüssen an die Reichsbeamten jeweilig maßgebend ist.3 Welcher Ortsklasse ein außerhalb Deutschlands gelegener, in diesem Ortsklassenverzeich­ nisse nicht enthaltener Ort, an dem preußische Beamte ihren dienstlichen Wohnsitz haben, zuzuweisen ist, wird durch den beteiligten Ressortminister im Einvernehmen mit dem Finanz­ minister bestimmt.3 § 3. Bei Versetzungen erlischt der Anspruch auf den dem bisherigen amtlichen Wohnorte entsprechenden Satz des Wohnungsgeldzuschusses mit dem Zeitpunkte, zu welchem der Be­ zug der Besoldung aus der bisherigen Dienststelle aufhört. Die bei einer Versetzung an einen Ort einer geringeren Ortsklasse eintretende Verminde­ rung des Wohnungsgeldzuschusses4 wird als eine Verkürzung des Tiensteinkommens (§ 53 des betreffend die Dienstvergehen der Richter, v. 7. Mai 1851, GS. 218, und §87 des G., betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, v. 21. Juli 1852, GS. 465) nicht angesehen. § 4. Der Wohnungsgeldzuschuß wird nicht gewährt an Beamte, welche Dienstwohnungen innehaben, oder anstatt derselben Mietsentschädigungen beziehen. Die Mietsvergütungen, welche Beamte für die ihnen überlassenen Dienstwohnungen zu entrichten haben, werden von dem in § 1 bestimmten Zeitpunkte ab um den Betrag des Wohnungsgeldzuschusses gekürzt. § 6. Beamte, welche mehrere Ämter bekleiden, erhalten den Wohnungsgeldzuschuß nur einmal, und zwar für dasjenige Amt, welches auf den höchsten Satz Anspruch gibt. § 6. Bei Bemessung der Pension (§ 10 des G. v. 27. März 1872, GS. 268) wird der pensionsfähige Durchschnittssatz des Wohnungsgeldzuschusses für sämtliche Ortsklassen, wie er im Tarif angegeben ist, in Anrechnung gebracht. Dieser Satz gilt auch für diejenigen Beamten, welche eine Dienstwohnung beziehungsweise eine Mietsentschädigung erhalten. Im übrigen gilt der Wohnungsgeldzuschuß in allen Beziehungen mit der im § 3 Abs. 3 bestimmten Maß­ gabe als ein Teil der Besoldung. § 7. Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf die gesandtschaftlichen Beamten sowie auf Beamte in Dienststellungen, wie sie im § 5 des allegierten G. v. 27. März 1872 bezeichnet sind.

§ 1. I. II. III.

8. Gesetz, betreffend die Reisekosten der Staatsbeamten? Vom 26. Juli 1910 (GS. 150). Die Staatsbeamten erhalten bei Dienstreisen Tagegelder nach den folgenden Sätzen: Aktive Staatsminister.......................................................................... 35 Mark; Beamte der ersten Rangklasse............................................................ 28 „ Beamte der zweiten und dritten Rangklasse.......................................22 „

3 Neue Fassung gemäs; G. v. 25. Juni 1910. 4 Vgl. jetzt Art. IV G. v. 25. Juni 1910. 1 Zur Ausführung dieses G. sind auf Grund der §§ 4, 5, 14 ergangen: AusfBest. des

8. Reisekostengesetz.

953

IV. Beamte der vierten undfünftenRangklasse.............................................. 15 Mark; V. Beamte, die nicht zu den obigen Klassengehören.................................. 12 „ soweit sie bisher zu diesem Satze berechtigt waren,? VI. Subalternbeamte der Provinzial-, Kreis- und Lokalbehörden und andere Beamte gleichen Ranges................................................................... 8 „ VII. Andere Beamte................................................................................ 6 „ soweit sie bisher zu diesem Satz berechtigt waren, im übrigen........................................................................................ 4 „ Wird die Dienstreise an demselben Tage angetreten und beendet, so werden ermäßigte Tagegelder gewährt, und zwar bei 123 Mark, bei II18 Mark, bei III15 Mark, bei IV12 Mark, bei V 9 Mark, bei VI 6 Mark, bei VII 4,50 oder 3 Mark. Erstreckt sich die ^Dienstreise auf zwei Tage und wird sie innerhalb 24 Stunden beendet, so wird das Einundeinhalbfache der Sätze unter I bis VII gewährt? § 2. Werden etatsmäßig angestellte Beamte vorübergehend außerhalb ihres Wohnorts bei einer Behörde beschäftigt, so erhalten sie neben ihrer Besoldung die im § 1 Abs. 1 fest­ gesetzten Tagegelder. Dauert eine solche Beschäftigung dieser Beamten längere Zeit, so bestimmt die vorgesetzte Behörde die Höhe der Tagegelder. Das gleiche gilt, wenn nicht etatsmäßig angestellte Be­ amte außerhalb ihres Wohnorts verwendet werden? Für die Dauer der Hin- und Rückreise erhalten die Beamten auf jeden Fall die im § 1 Abs. 1 festgesetzten Tagegelder. § 3. Bei Dienstreisen erhalten an Fahrkosten für das Kilometer, einschließlich der Kosten der Gepäckbeförderung, 1. für Wegestrecken, die auf Eisenbahnen oder Schiffen zurückgelegt werden können, a) die im § 1 unter I bis IV genannten Beamten............................ 9 Pfennig, wenn der Fahrpreis für die erste Wagenklassebezahlt ist, sonst . . 7 „ b) die unter V und VI genannten Beamten....................................... 7 „ wenn der Fahrpreis für die zweite Wagenklasse oder die erste Schiffs­ klasse bezahlt ist, sonst....................................................................... 5 „ c) die unter VII genannten Beamten................................................. 5 „ 2. für Wegestrecken, die nicht auf Eisenbahnen, Kleinbahnen oder Schiffen zurückgelegt werden können, a) die unter I bis IV genannten Beamten.......................................... 60 „ b) die unter V und VI genannten Beamten.......................................... 40 „ c) die unter VII genannten Beamten............................ 30 „ Der Nachweis, für welche Wagen- oder Schiffsklasse der Fahrpreis bezahlt ist, wird durch die Versicherung des Beamten geführt. In den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 erhalten für jeden Zu- oder Abgang am Wohnort oder an einem auswärtigen Übernachtungsorte6 die unter I bis IV genannten Beamten.......................................... 1,50 Mark, die unter V und VI genannten Beamten.......................................1,00 „ die unter VII genannten Beamten................................................. 0,50 Staatsministeriums v. 24. Sept. 1910 (GS. 269), im folgenden kurz mit ABest. bezeichnet, nebst Erläuterungen zu 4 dieser ABest. v. 20. Mai 1912; v. 3. Okt. 1911, betr. Fahrkosten bei Dienst­ reisen mit Kraftfahrzeugen (GS. 206) und v. 13. Okt. 1911, betr. Festsetzung von Pauschvergütungen für Dienstreisen nach nahe gelegenen Orten (GS. 213); ferner Erlasse der Minister der Finanzen und des Innern v. 13. Juli 1911, betr. Tragweite der §§18 und 31 der ABest. v. 24. Sept. 1910 (MBl. 209); v. 20. Febr. 1913, betr. Bahnhöfe usw. als Anfangs- und Endpunkte der Dienstreisen, und v. 12. März 1913, betr. Vergütung für Zu- und Abgang an auswärtigen Übernachtungsorlen (MBl. 65). 2 Vgl. MErl. v. 28. Aug. 1873 (MBl. 253). — 3 ABest. §§ 20 ff. 4 Wegen der Diäten, die außeretatmäßige Beamte bei Kommissorien außerhalb ihres Dienstortes zu beziehen haben, s. MErl. v. 9. Febr. 1871 und 27. Juni 1873. 6 Hierzu der in Anm. 1 genannte MErl. v. 12. März 1913.

954

IX. Abschn. Beamtenrecht.

Hat in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 einer der unter I und II genannten Beamten einen Diener mitgenommen, so erhält er für diesen 5 Pfennig für das Kilometer. Haben in den Fällen des Abs. 1 Nr. 2 mehrere Beamte gemeinschaftlich dasselbe Verkehrsmittel benutzt, so erhält der einzelne Beamte 30 Pfennig für das Kilometer, es sei denn, daß die Fahrkosten des einzelnen Beamten sich trotz der gemeinschaftlichen Benutzung des Berkehrsmittels nicht ermäßigt haben. § 4. Über die Benutzung von Kleinbahnen (Straßenbahnen) ^ und Kraftwagen67 *durch * die Beamten bei Dienstreisen und über die Höhe der in diesen Fällen zu gewährenden Fahr­ kosten bestimmt das Staatsministerium das Nähere. § 5. Soweit Beamte Dienstreisen mit unentgeltlich gestellten Verkehrsmitteln aus­ führen, erhalten sie, abgesehen von den bestimmungsmäßigen Entschädigungen für Zuund Abgang, keine Fahrkosten. Das Nähere darüber bestimmt das Staatsministerium, das auch eine Entschädigung für Nebenkosten gewähren kann? § 8. Die Fahrkosten werden für die Hin- und Rückreise besonders berechnet. Hat ein Beamter Dienstgeschäfte an verschiedenen Orten unmittelbar nacheinander er­ ledigt, so ist der von Ort zu Ort wirklich zurückgelegte Weg ungeteilt der Berechnung der Fahrkosten zugrunde zu legen. Bei Berechnung der Entfernungen wird jedes angefangene Kilometer für ein volles Kilo­ meter gerechnet. § 7. Für Geschäfte am Wohnort erhält der Beamte keine Tagegelder und Fahrkosten. Dies gilt auch von Geschäften außerhalb des Wohnorts in geringerer Entfernung als zwei Kilometer von diesem. War der Beamte durch außergewöhnliche Umstände genötigt, eine Fahrgelegenheit zu benutzen, oder hat er sonstige notwendige Unkosten wie Brücken- oder Fährgeld gehabt, so werden die Auslagen erstattet. Für einzelne Ortschaften kann der Verwaltungschef in Gemeinschaft mit dem Finanz­ minister bestimmen, daß den Beamten bei Geschäften außerhalb des Dienstgebäudes die verauslagten Fahrkosten erstattet werden? § 8. Haben an Fahrkosten, einschließlich der Auslagen für Zu- und Abgänge, höhere als die bestimmungsmäßigen Beträge aufgewendet werden müssen, so sind diese zu erstatten. Erfordert eine Dienstreise einen außergewöhnlichen Aufwand, so kann der Verwaltungs­ chef einen Zuschuß oder eine Pauschvergütung bewilligen. Das gleiche gilt für Reisen außer­ halb des Reichsgebiets. § 9. Für Beamte, denen ein Amtsbezirk überwiesen ist, oder die durch die Art ihrer Dienst­ geschäfte zu häufigen oder regelmäßig wiederkehrenden ‘Dienstreisen genötigt werden, kann das Staatsministerium oder der Verwaltungschef in Gemeinschaft mit dem Finanzminister an Stelle der gesetzmäßigen Tagegelder und Fahrkosten anderweitige Beträge festsetzen.^ Das gleiche gilt für Dienstreisen zwischen nahegelegenen Orten." § 10. Beamte, die für ihre Reisen innerhalb ihres Amtsbezirkes neben oder in ihrem Einkommen eine Pauschsumme" für Reisekosten oder für die Unterhaltung von Fahrzeug oder Pferden beziehen, erhalten Tagegelder und Fahrkosten nur dann, wenn sie außerhalb ihres Amtsbezirkes Dienstgeschäste erledigen und der Ort des Dienstgeschäfts nicht weniger als zwei Kilometer von der Grenze des Amtsbezirkes entfernt ist. § 11. Werden Beamte, die nach den §§ 9, 10 eine Pauschsumme beziehen, wegen Ur­ laubs oder sonstiger Verhinderung vertreten, so haben sie den Stellvertreter angemessen zu entschädigen. Die Entschädigung und die unter besonderen Umständen zulässigen Ausnahmen bestimmt die vorgesetzte Behörde, und zwar, sofern nicht allgemeine Anordnungen bestehen, nach Anhörung der beteiligten Beamten. 6 ABest. §§ 3, 33, 35. 8 ABest. §§ 19, 26 ff. 11 Vgl. die in Anm. 1 12 Eine solche beziehen

— 7 Hierzu die in Anm. 1 genannte ABest. v. 3. Okt. 1911 (GS. 206). — 9 ABest. §ß 11, 14, 16. — 10 ABest. § 38. genannte ABest. v. 13. Okt. 1911 (GS. 213). z. B. Landräte und Kreisbaubeamte.

8. Reisekostengesetz.

955

§ 12. Beamte, die sich im Vorbereitungsdienste befinden, erhalten für Dienstreisen Tage­ gelder und Fahrkosten, wenn die Reisen nicht lediglich zum Zwecke ihrer Ausbildung er­ folgen. Ob dies der Fall ist, entscheidet die vorgesetzte Behörde. § 13. Der mit dem Amte verbundene Rang ist für die Feststellung der Tagegelder- und Fahrkostensätze maßgebend, auch wenn der persönliche Rang des Beamten höher ist. Be­ amte, die im Range zwischen zwei Klassen stehen, erhalten die für die niedrigere Klasse be­ stimmten Sätze. Für Beamte, denen ein bestimmtet Rang nicht verliehen ist, entscheidet der Berwaltungschef in Gemeinschaft mit dem Finanzminister über die ihnen nach diesem G. zu gewährenden Sätze. > *>*%*«• § 14. Für die Ansprüche der Beamten auf Grund der Vorschriften über die Reisekosten der Staatsbeamten sind die Ausführungsbestimmungen maßgebend, die vom Staatsmini­ sterium oder, soweit die Zuständigkeit der Verwaltungschefs und des Finanzministers be­ gründet ist, von diesen getroffen werdend § 17. Die gesetzlichen und sonstigen Vorschriften, die für einzelne Dienstzweige oder Dienst­ geschäfte über die Tagegelder und Fahrkosten der Beamten ergangen finb,13 bleiben in Kraft. Sie können durch Kgl. Vg. abgeändert werden. Abgesehen von den Fällen des § 8 Abs. 2 dürfen aber nicht höhere als die im § 1 Abs. 1 und § 3 bestimmten Vergütungen gewährt werden und ist eine über die Vorschrift des § 6 hinausgehende Abrundung der Entfernungen und die Gewährung der bestimmungsmäßigen Tagegelder und Fahrkosten bei geringerer Entfernung als zwei Kilometer nicht statthaft. Unter den gleichen Beschränkungen kann die Gewährung von Tagegeldern und Fahr­ kosten für einzelne Dienstzweige oder Dienstgeschäfte auch ferner durch Kgl. Vg. besonders geregelt werden. Desgleichen können die Sätze von Tagegeldern und Fahrkosten, welche den in Angelegen­ heiten der direkten Staatssteuern berufenen Kommissions- und Ausschußmitgliedern zu ge­ währen sind, durch Kgl. Vg. geändert oder neu bestimmt werden. Alle Kgl. Verordnungen und Allgemeinen Anordnungen des Staatsministeriums sowie des Verwaltungschefs in Gemeinschaft mit dem Finanzminister, welche auf Grund der §§ 4, 5, 9, 14, 17 dieses G. ergangen sind, sind dem Landtage, wenn er versammelt ist, so­ fort, sonst bei seinem nächsten Zusammentritte vorzulegen.

9. Gesetz, betreffend die Umzugskosten der Staatsbeamten. Vom 24. Februar 1877 (GS. 15). § 1. Die Staatsbeamten* erhalten bei Versetzungen3 eine Vergütung für Umzugskosten nach folgenden Sätzen: auf auf Transport­ allgemeine kosten für je Kosten 10 km I. Beamte der ersten Rangklasse3............................................. 1800 M 24 M II. „ „ zweiten und dritten Rangklasse................... 1000 „ 20 „ III. „ „ vierten Rangklasse............................................. 500 „ 10 „ IV. „ „ fünften Rangklasse............................................. 300 „ 8 „

13 z. B. für7Kandidaten des höheren Schulamts, Forstbeamte, Gewerbeaufsichtsbeamte, Me­ dizinalbeamte, Notare, Regierungsbaumeister; für Mitglieder der Gendarmerie ist die Kgl. Vg. v. 9. Aug. 1913 (GS. 372) erlassen. * D. h. nur die unmittelbaren Staatsbeamten. 2 D. h. nur bei Versetzungen in einen anderen Gemeindebezirk. Wenn dagegen ein Beamter im Interesse des Dienstes seine Wohnung (ev. Dienstwohnung) innerhalb desselben Gemeindebezirks wechseln muß, hat er auf Umzugskosten keinen Anspruch. 3 Für die Feststellung der Rangklasse finden die Bestimmungen der Gesetze, bett. Wohnungs­ geldzuschüsse und Reisekosten (vorstehend Nr. 7 u. 8), entsprechende Anwendung.

956

IX. Abschn. Beamtenrecht.

V. Beamte, welche nicht zu den obigen Klassen gehören, so­ weit sie gesetzlich zu einem Tagegeldersatze von 12 M be­ rechtigt sind ........................................................................... 240 VI. Subalternbeamte der Provinzial-, Kreis- und Lokal­ behörden und andere Beamte gleichen Ranges, welche nicht zu den Beamten der Klasse V gehören......................180 VII. Andere Beamte, welche nicht zu den Unterbeamten zu zählen sind.................................................................................... 150 VIII. Unterbeamte................................................................................ 100

M

7 JC



6 „

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5 „ 4 „

§ 2. Bei Berechnung der Entfernung ist die kürzeste fahrbare Straßenverbindung zu­ grunde zu legen. Jede angefangene Strecke von 10 km wird für volle 10 km gerechnet.* § 3. Die nicht etatsmäßig angestellten Beamten erhalten bei Versetzungen nur Tage­ gelder und Reisekosten. Jedoch sind den im höheren Staatsdienste außeretatsmäßig be­ schäftigten Assessoren und Räten Umzugskosten alsdann zu gewähren, wenn sie vor der Ver­ setzung bereits gegen eine fixierte Remuneration dauernd beschäftigt waren. Ob diese Voraus­ setzungen zur Gewährung von Umzugskosten vorhanden sind, entscheidet der Ressortchef im Einvernehmen mit dem Finanzminister. § 4. Die zu Umzugskosten berechtigten Beamten erhalten außer denselben für ihre Person Tagegelder und Reisekosten? Auch ist diesen Beamten der Mietzins zu vergüten, welchen dieselben für die Wohnung an ihrem bisherigen Aufenthaltsorte auf die Zeit von dem Verlassen des letzteren bis zu dem Zeitpunkte haben aufwenden müssen, mit welchem die Auflösung des Mietsverhält, nisses möglich war? Diese Vergütung darf längstens für einen neunmonatlichen Zeitraum gewährt werden. Hat der Beamte im eigenen Hause gewohnt, so kann demselben eine Entschädigung bis höchstens zum halbjährlichen Betrage des ortsüblichen Mietswerts der inne­ gehabten Wohnung gewährt werden. § 5. Beamte ohne Familie? erhalten nur die Hälfte der im § 1 festgesetzten Vergütung. § 6. Von den Vergütungssätzen (§ 1) kommt derjenige in Anwendung, welchen die Stellung bedingt, aus welcher — nicht in welche — der Beamte versetzt wird. § 7. Personen, welche, ohne vorher im Staatsdienste gestanden zu haben, in denselben übernommen werden, kann eine durch den Verwaltungschef im Einvernehmen mit dem Finanzminister festzusetzende Vergütung für Umzugskosten gewährt werden. § 8. Auf Wartegeldempfänger, welche wieder in den aktiven Staatsdienst aufgenommen werden, findet dieses G. mit der Maßgabe Anwendung, daß für die Umzugskostenvergütung die Entfernung zwischen dem Wohnorte des Wartegeldempfängers und dem neuen Amtssitze desselben zugrunde zu legen ist. § 9. Die Bestimmungen im § 13 des G., betr. die Reisekosten der Staatsbeamten, v. 26. Juli 1910 (GS. 150) finden bei Festsetzung der Vergütung für Umzugskosten entsprechende Anwendung.

§ 10. Dieses G. tritt mit dem 1. April 1877 in Kraft. Alle demselben entgegenstehenden Bestimmungen sind aufgehoben, insbesondere der Erlaß v. 26. Mär; 1855, betr. die Ver4 Nach StaatsminBeschl. v. 13. Mai 1884 (MBl. 109) ist als kürzeste fahrbare Straßenverbindung der kürzeste fahrbare Landweg anzusehen. Wenn jedoch beide Orte durch ununterbrochenen Schienenweg oder durch eine ununterbrochene, zur Beförderung von Gütern benutzbare Wasser­ straße in kürzerer Entfernung verbunden sind, so gilt diese Verbindung als kürzeste fahrbare StraßenVerbindung. 5 nach dem Reisekosteng. v. 26. Juli 1910, vorstehend Nr. 8. 6 Wegen des den Beamten, Geistlichen, Militärpersonen zustehenden besonderen Kündigungs­ rechtes vgl. §§ 570, 565 BGB. 7 über den Begriff der „Familie" s. Anm. 5 zu § 4 G. betr. die Zahlung der Beamtenbesoldung, vorstehend Nr. 6.

10. Pensionsgesetz.

957

gütung der den Beamten bei Versetzungen erwachsenden Umzugskosten (GS. 190), und das Umzugskostenreglement für Steuerbeamte v. 11. April 1856 (MBl. 154). § 11. Die besonderen Vorschriften, welche für einzelne Dienstzweige bezüglich der den Beamten aus der Staatskasse zu gewährenden Umzugskosten ergangen sind, bleiben — mit Ausnahme der nach § 10 aufgehobenen — vorläufig in Kraft.* Eine Abänderung der­ selben kann im Wege Kgl. Vg. erfolgen. Die in diesem G. bestimmten Sätze dürfen jedoch nicht überschritten werden. Die Sätze für Gesandtschaftsbeamte können jedoch nach Maßgabe derjenigen Beträge festgesetzt werden, welche für die entsprechenden Beamtenklassen in der auf Grund des § 18 des RG. v. 31. März 1873 (RGBl. 1907, S. 245) zu erlassenden Kais. Bg. bestimmt werden.

10. Gesetz, betreffend die Pensionierung der unmittelbaren Staatsbeamten, sowie der Lehrer und Beamten an den höheren Unterrichtsanftalten^ mit Ausschluß der Universitäten. Vom 27. März 1872 (GS. 268)? § 1. Jeder unmittelbare* Staatsbeamte, welcher sein Diensteinkommen aus der Staats­ kasse bezieht, erhält aus derselben eine lebenslängliche Pension, wenn er nach einer Dienst­ zeit von wenigstens zehn Jahren infolge eines körperlichen Gebrechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zu der Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd un­ fähig ist und deshalb in den Ruhestand versetzt wird. Ist die Dienstunfähigkeit die Folge einer Krankheit, Verwundung oder sonstigen Beschä­ digung, welche der Beamte bei Ausübung des Dienstes oder aus Veranlassung desselben ohne eigene Verschuldung sich zugezogen hat, so tritt die Pensionsberechtigung auch bei kürzerer als zehnjähriger Dienstzeit ein. Bei Staatsministern, welche aus dem Staatsdienste ausscheiden, ist eingetretene Dienst­ unfähigkeit nicht Vorbedingung des Anspruchs auf Pension. Diese Bestimmung findet gleich­ falls Anwendung auf diejenigen Beamten, welche das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet haben? § 2. Die unter dem Vorbehalte des Widerrufs oder der Kündigung angestellten Beamten haben einen Anspruch auf Pension nach Maßgabe dieses G. nur dann, wenn sie eine in den Besoldungsetats aufgeführte Stelle bekleiden? Es kann ihnen jedoch, wenn sie eine solche Stelle nicht bekleiden, bei ihrer Versetzung in den Ruhestand eine Pension bis auf Höhe der durch dieses Gesetz bestimmten Sätze bewilligt werden. § 3. Die bei den Auseinandersetzungsbehörden beschäftigten Okonomiekommissarien und Feldmesser, sowie die bei Landesmeliorationen beschäftigten Wiesenbautechniker und Wiesen­ baumeister haben nur insoweit einen Anspruch auf Pension, als ihnen ein solcher durch den Departementschef besonders beigelegt worden ist. 8 Z. B. das Regul., betr. die Vergütung für Umzugskosten, welche den Lehrern an öffentlichen Volksschulen aus der Staatskasse zu zahlen ist, v. 5. Okt. 1910 (ZBl. Unten. 867). 1 Für die Lehrer an Volksschulen und an nichtstaatlichen mittleren Schulen gelten die int Abschn. XI abgedruckten besonderen Pensionsgesetze. Für die Pensionierung der Offiziere gilt RG. v. 31. Mai 1906 (RGBl. 565) und für die Personen der Unterklassen des Reichsheeres und der Marine das sog. Mannschaftsversorgungsgesetz von demselben Datum (RGBl. 593), für die Reichsbeamten §§ 34—71 RBeamtG. 1 Das PensG. ist hier in der Fassung wiedergegeben, die es durch die mehrfachen Abänderungen erfahren, entsprechend der amtlichen Veröffentlichung im MBl. für 1907, S. 207. 3 Wegen der mittelbaren Staatsbeamten s. Anm. 7. 4 Diese Beamten haben also ohne weiteres einen Anspruch auf Pensionierung. Für den Fall, daß sie davon nicht Gebrauch machen wollen, gilt § 30 PensG., und vor Vollendung des 65. Lebens­ jahres ev. § 88 DiszG. 5 Pensionsberechtigt sind jedoch die außeretatsmäßigen Räte und Assessoren, sofern ihre Beschäfti­ gung eine unwiderrufliche ist.

958

IX. Abschn. Beamtenrecht.

Wie vielen dieser Beamten und nach welchen Tiensteinkommensätzen die Pensionsberechtigung beigelegt werden darf, wird durch den Staatshaushaltsetat bestimmt. Zur jetzt be­ wendet es bei den hierüber durch Königliche Erlasse gegebenen Vorschriften.

§ 4. Das gegenwärtige Gesetz findet auch auf die Oberwachtmeister und Gendarmen der Landgendarmerie Anwendung; dagegen erfolgt die Pensionierung der Offiziere der Landgendarmerie nach den für die Offiziere des Reichshceres gellenden ^orfcfiriftcn1 mit der Maßgabe, daß der Berechnung der Pension das pensionsfähige Tiensteinkommen der denselben Dienstgrad bekleidenden Offiziere des Reichsheeres zugrunde gelegt wird. § 5. Beamte, deren Zeit und Kräfte durch die ihnen übertragenen Geschäfte nur nebenbei in Anspruch genommen, oder welche ausdrücklich nur auf eine bestimmte Zeit oder für ein seiner Natur nach vorübergehendes Geschäft angenommen werden, erwerben keinen Anspruch auf Pension nach den Bestimmungen dieses Gesetzes.5a Darüber, ob eine Dienststellung eine solche ist, daß sie die Zeit und Kräfte eines Beamten nur nebenbei in Anspruch nimmt, entscheidet mit Ausschluß des Rechtsweges die dem Be­ amten vorgesetzte Dienstbehörde. § 6. Auf die Lehrer an den Universitäten ist dieses G. nicht anwendbar. Dagegen sind die Bestimmungen desselben anzuwenden auf alle Lehrer und Beamten an Gymnasien, Progymnasien, Realschulen, Schullehrerseminarien, Taubstummen- und Blindenanstalten, Kunst- und höheren Bürgerschulen. Wegen Aufbringung der Pension für die Lehrer und Beamten an denjenigen vorbezeichneten Schulen, welche nicht vom Staate allein zu unterhalten sind, bleiben die bestehenden Vorschriften, insbesondere die §§ 4—9 und 16—18 der Bg. v. 28. Mai 1846 (GS. 214), mit der aus dem Wegfall der Pensions­ beiträge der unmittelbaren Staatsbeamten sich ergebenden Maßgabe in Kraft. Desgleichen finden die Vorschriften des § 13 der Vg. auf die zur Zeit des Inkrafttretens des gegenwärtigen G. an den vom Staate allein zu unterhaltenden Unterrichtsanstalten angestellten Lehrer und Beamten auch ferner Anwendung. Im übrigen treten die Bestimmungen und Ver­ ordnungen mit der Maßgabe außer Kraft, daß Zusicherungen einer Anrechnung von Dienst­ zeiten, soweit sie für die Betreffenden günstiger sind, in Geltung bleiben.*6 7 **

§ 7. Wird außer dem im zweiten Absatz des § 1 bezeichneten Falle ein Beamter vor Vollendung des zehnten Dienstjahres dienstunfähig und deshalb in den Ruhestand versetzt, so kann demselben bei vorhandener Bedürftigkeit mit Kgl. Genehmigung eine Pension entweder auf bestimmte Zeit oder lebenslänglich bewilligt werden. § 8. Die Pension beträgt, wenn die Versetzung in den Ruhestand nach vollendetem zehnten, jedoch vor vollendetem elften Dienstjahr eintritt, und steigt mit jedem weiter zurück­ gelegten Dienstjahre bis zum vollendeten dreißigsten Dienstjahr um 1/60 und von da ab um V120 des in den §§ 10 bis 12 bestimmten Diensteinkommens? 5a Wohl aber gegebenenfalls auf Grund des G. v. 2. Juni 1902, betr. die Fürsorge für Beamten infolge von Betriebsunfällen (GS. 153). Die Hinterbliebenen solcher Beamten erhallen Sterbegeld und Rente. 6 03. v. 25. April 1896 (GS. 87) Art. IV § 1: Bei der Entscheidung über das Recht auf Pension und bei der Übertragung der Befugnis zu dieser Entscheidung an eine Nachgeordnete Behörde findet eine Mitwirkung des Finanzministers nicht statt. Die Beschwerde über die Entscheidung und die Klage steht auch den zur Zahlung der Pension Verpflichteten offen. Die Klage ist von den Lehrern und Beamten gegen die zur Zahlung der Pension Verpflichteten, von letzteren gegen erstere zu erheben. Bis zur endgültigen Erledigung der Beschwerde oder Klage wird die Pension nach Maßgabe dieser Entscheidung vorschußweise an den Bezugsberechtigten gezahlt. § 2. Von dem in dem § 20 G. v. 27. März 1872 vorgeschriebenen Nachweise der Dienstunfähigkeit kann im Einverständnisse mit dem Unierhaltungspflichtigen abgesehen werden. 7 G. v. 1. März 1891 (GS. 19): Art. I. Die Grundsätze der §§ 8 und 16 des G. v. 27. März 1872 finden auf diejenigen mittelbaren Staatsbeamten Anwendung, welche bei eintretender Dienstunfähigkeit auch im übrigen nach den für die unmittelbaren Staatsbeamten bestehenden Grundsätzen zu pensionieren sind. Art. II. Ist die nach Maßgabe dieses G. bemessene Pension geringer als die Pension, welche dem Beamten hätte gewährt werden müssen, wenn er am 31. März 1891 nach den bis

10. Pensionsgesetz.

959

Über den Betrag von 46/w dieses Einkommens hinaus findet eine Steigerung nicht statt. In dem int § 1 Abs. 2 erwähnten Falle beträgt die Pension 20 /w, in dem Falle des § 7 höchstens 20/w des vorbezeichneten Diensteinkommens. § 9. Bei jeder Pension werden überschießende Talerbrüche auf volle Taler abgerundet. § 19. Der Berechnung der Pension wird das von den Beamten zuletzt bezogene gesamte Diensteinkommen8, soweit es nicht zur Bestreitung von Repräsentations- oder Dienstauf­ wandskosten gewährt wird, nach Maßgabe der folgenden näheren Bestimmungen zugrunde gelegt: 1. Feststehende Dienstemolumente, namentlich freie Dienstwohnung, sowie die anstatt derselben gewährte Mietsentschädigung, Feuerungs- und Erleuchtungsmaterial, Naturalbezüge an Getreide, Winterfutter usw., sowie der Ertrag von Dienstgrundstücken kommen nur insoweit zur Anrechnung, als deren Wert in den Besoldungsetats auf die Geld­ besoldung des Beamten in Rechnung gestellt, oder zu einem bestimmten Geldbeträge als anrechnungsfähig bezeichnet ist. 2. Dienstemolumente, welche ihrer Natur nach steigend und fallend sind,2 werden nach den in den Besoldungsetats oder sonst bei Verleihung des Rechts auf diese Emolu­ mente deshalb getroffenen Festsetzungen und in Ermangelung solcher Festsetzungen nach ihrem durchschnittlichen Betrage während der drei letzten Etatsjahre vor dem Etatsjahre, in welchem die Pension festgesetzt wird, zur Anrechnung gebracht. 3. Bloß zufällige Diensteinkünfte, wie widerrufliche Tantieme, Kommissionsgebühren, außerordentliche Remunerationen, Gratifikationen u. dgl. kommen nicht zur Berech­ nung?2 4. Das gesamte zur Berechnung zu ziehende Diensteinkommen einer Stelle darf den Betrag des höchsten Normalgehalts derjenigen Dienstkategorie, zu welcher die Stelle gehört, nicht übersteigen. Ohne diese Beschränkung kommen jedoch solche Gehaltsteile oder Besoldungszulagen, welche zur Ausgleichung eines von dem betreffenden Beamten in früherer Stellung bezogenen Diensteinkommens demselben mit Pensionsberechtigung gewährt sind, zur vollen Anrechnung. § 11. Ein Beamter, welcher früher ein mit einem höheren Diensteinkommen verbundenes Amt bekleidet und dieses Einkommen wenigstens ein Jahr lang bezogen hat, erhält, sofern der Eintritt oder die Versetzung in ein Amt von geringerem Diensteinkommen nicht ledig­ lich auf seinen im eigenen Interesse gestellten Antrag erfolgt oder als Strafe auf Grund des § 16 des G., betr. die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, v. 21. Juli 1852 (GS. 465), oder des § 1 des G. v. 22. März 1856 (GS. 201) gegen ihn verhängt ist, bei seiner Versetzung in den Ruhestand eine nach Maßgabe des früheren höheren Dienst­ einkommens unter Berücksichtigung der gesamten Dienstzeit berechnete Pension; jedoch soll die gesamte Pension das letzte pensionsberechtigte Diensteinkommen nicht übersteigen. § 12. Das mit Nebenämtern und Nebengeschäften verbundene Einkommen begründet nur dann einen Anspruch auf Pension, wenn eine etatsmäßige Stelle als Nebenamt bleibend verliehen ist. § 13. Die Dienstzeit wird vom Tage der Ableistung des Diensteides gerechnet. Kann jedoch ein Beamter nachweisen, daß seine Vereidigung erst nach dem Zeitpunkte seines Eintritts in den Staatsdienst stattgefunden hat, so wird die Dienstzeit von diesem Zeitpunkte an ge­ rechnet. dahin für ihn geltenden Bestimmungen pensioniert worden wäre, so wird diese letztere Pension an Stelle der ersteren bewilligt. 8 auf das er einen Rechtsanspruch hatte; der Wohnungsgeldzuschuß wird mit einem durchschnittssahe angerechnet, 8 6 G. v. 12. Mai 1873, vorstehend unter Nr. 7. 9 z. B. die Gebühren der Steuererheber und Gerichtsvollzieher. 10 Ebenso nicht Stellenzulagen, Dienstaufwandsentschädigungen und Ortszulagen, falls sie nicht ausdrücklich als pensionsfähig bezeichnet sind. Vgl. auch PrVBl. 31, S. 273.

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

§ 14. Bei Berechnung der Dienstzeit kommt auch die Zeit in Anrechnung, während welcher ein Beamter: 1. unter Bezug von Wartegeld im einstweiligen Ruhestand nach Maßgabe der Vorschriften des G. v. 21. Juli 1852 § 87 Nr. 2 (GS. 465), der Erlasse v. 14. Juni 1848 (GS. 153) und 24. Oft. 1848 (GS. 338) und der Vg. v. 23. Sept. 1867 § 1 Nr. 4 (GS. 1619), oder 2. im Dienste des Norddeutschen Bundes oder des Deutschen Reiches sich befunden hat, oder 3. als anstellungsberechtigte ehemalige Militärperson nur vorläufig oder auf Probe im Zivildienste des Staats, des Norddeutschen Bundes oder des Deutschen Reichs be­ schäftigt worden ist, oder 4. eine praktische Beschäftigung außerhalb des Staatsdienstes ausübte, insofern und in­ soweit diese Beschäftigung vor Erlangung der Anstellung in einem unmittelbaren Staats amte behufs der technischen Ausbildung in den Prüfungsvorschriften ausdrücklich an geordnet ist, oder 5. als Lehrer (§ 6 Abs. 2) der vorgeschriebenen praktischen Ausbildung sich unterzogen hat. Dabei wird ein vorschriftsmäßig zurückgelegtes Ausbildungsjahr stets zu zwölf vollen Monaten gerechnet. § 15. Der Zivildienstzeit wird die Zeit des aktiven Militärdienstes hinzugerechnet. § 16. Die Dienstzeit, welche vor dem Beginne des achtzehnten Lebensjahrs liegt, bleibt außer Berechnung. Nur im Kriegsfälle wird die Militärdienstzeit vom Beginne des Krieges, beim Eintritt in den Militärdienst während des Krieges vom Tage des Eintritts ab gerechnet. Als Kriegszeit gilt in dieser Beziehung die Zeit vom Tage einer angeordneten Mobil­ machung, auf welche ein Krieg folgt, bis zum Tage der Demobilmachung. § 17. Für jeden Krieg, an welchem ein Beamter im preußischen oder irrt Reichsheer oder in der preußischen oder Kaiserlichen Marine oder bei den Kaiserlichen Schutztruppen teil­ genommen hat,n wird demselben zu der wirklichen Dauer der Dienstzeit ein Jahr zugerechnet; jedoch ist für mehrere in ein Kalenderjahr fallende Kriege die Anrechnung nür eines Kriegs­ jahrs zulässig. Wer als Teilnehmer an einem Kriege anzusehen ist, unter welchen Voraussetzungen bei Kriegen von längerer Dauer mehrere Kriegsjahre anzurechnen sind, welche militärische Unter­ nehmung als ein Krieg im Sinne dieses G. anzusehen und welche Zeit als Kriegszeit zu rechnen ist, wenn keine Mobilmachung oder Demobilmachung stattgefunden hat, dafür ist die nach § 17 und § 7 der RG. v. 31. Mai 1906 (RGBl. 565 und 593) in jedem Falle ergehende Be­ stimmung des Kaisers maßgebend. Für die Vergangenheit bewendet es bei den hierüber durch Königliche oder Kaiserliche Erlasse gegebenen Bestimmungen. § 18. Die Zeit a) eines Festungsarrestes von einjähriger und längerer Dauer sowie b) der Kriegsgefangenschaft kann nur unter besonderen Umständen^ mit Kgl. Genehmigung angerechnet werden. § 19. Mit Kgl. Genehmigung kann zukünftig nach Maßgabe der Bestimmungen in den §§ 13 bis 18 angerechnet werden: 1. die Zeit, während welcher ein Beamter a) sei es irrt In- oder Auslande als Sachwalter oder Notar fungiert, im Gemeinde-,^ Kirchen- oder Schuldienste, irrt ständischen Dienste oder im Dienste einer landes­ herrlichen Haus- oder Hofverwaltung sich befunden, oder b) irrt Dienste eines fremden Staates gestanden hat; 11 und zwar im Verbände des Heeres; eine Zivilverwaltungsbeschäftigung in Feindesland oder Verwendung als freiwilliger Krankenpfleger genügt nicht. 12 Z. B., wenn die Gefangenschaft die Folge einer schweren Verwundung war. 13 Dem Gemeindedienste steht hier der Dienst aller der Staatsverwaltung untergeordneten öffent­ lichen Körperschaften und Verbände gleich.

10. Pensionsgesetz.

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2. die Zeit praktischer Beschäftigung außerhalb des Staatsdienstes, insofern und insoweit diese Beschäftigung vor Erlangung der Anstellung in einem unmittelbaren Staatsamte herkömmlich war; 3. die Zeit, während welcher ein Beamter vor seiner Anstellung ununterbrochen im privat­ rechtlichen Vertragsverhältnis eines Dienstverpflichteten dem Staate gegen unmittel­ bare Bezahlung aus der Staatskasse Dienste geleistet hat, insofern er mit Aussicht auf dauernde Verwendung ständig und hauptsächlich mit den Dienftverrichtungen eines Beamten betraut gewesen ist und diese Beschäftigung zu seiner Anstellung geführt hat. Die Anrechnung der unter 1 erwähnten Beschäftigung muß erfolgen bei denjenigen Be­ amten, welche mit den im Jahre 1866 erworbenen Landesteilen in den unmittelbaren Staats­ dienst übernommen worden sind, sofern dieselben auf diese Anrechnung nach den bis dahin für sie maßgebenden Pensionsvorschriften einen Rechtsanspruch hatten. § 19 a. Bei der Berechnung der Dienstzeit eines in den Ruhestand zu versetzenden Lehrers an einer im § 6 Abs. 2 bezeichneten Unterrichtsanstalt oder einer staatlichen Präparandenanstalt muß mit der im § 29a bestimmten Maßgabe die gesamte Zeit angerechnet werden, während welcher der Lehrer innerhalb Preußens oder eines von Preußen erworbenen Landes­ teils im öffentlichen Schuldienst gestanden hat. Den in Ruhestand tretenden Schulaufsichtsbeamten im Hauptamt ist nach Maßgabe dieses Gesetzes die gesamte Zeit als Dienstzeit anzurechnen, während welcher sie innerhalb Preußens oder eines von Preußen erworbenen Landesteils im öffentlichen Schuldienst oder im Dienste als Pfarrer einer evangelischen Landeskirche oder der katholischen Kirche gestanden haben. § 2V. Zum Erweise der Dienstunfähigkeit eines seine Versetzung in den Ruhestand nachsuchenden Beamten ist die Erklärung der demselben unmittelbar vorgesetzten Dienstbehörde erforderlich, daß sie nach pflichtmäßigem Ermessen den Beamten für unfähig halte, seine Amtspflichten ferner zu erfüllen. Inwieweit noch andere Beweismittel zu erfordern oder der Erklärung der unmittelbar vorgesetzten Behörde entgegen für ausreichend zu erachten sind, hängt von dem Ermessen der über die Versetzung in den Ruhestand entscheidenden Behörde ab. § 21. Die Bestimmung darüber, ob und zu welchem Zeitpunkte dem Antrage eines Beamten auf Versetzung in den Ruhestand stattzugeben ist, erfolgt durch den Departementschef. Bei denjenigen Beamten, welche durch den König zu ihren Ämtern ernannt worden sind, ist die Genehmigung des Königs zur Versetzung in den Ruhestand erforderlich. Für die Beamten derjenigen Kategorien, deren Anstellung durch eine dem Departementschef Nachgeordnete Behörde erfolgt, kann der Departementschef letzterer oder der ihr vor­ gesetzten Behörde die Besümmung über den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand über tragen." § 22. Die Entscheidung darüber, ob und welche Pension einem Beamten bei seiner Ver­ setzung in den Ruhestand zusteht, erfolgt durch den Departementschef in Gemeinschaft mit dem Finanzminister. Dieselben können die Befugnis zu dieser Entscheidung derjenigen dem Departements­ chef Nachgeordneten Behörde übertragen, welcher die Besümmung über die Versetzung des Beamten in den Ruhestand zusteht (§ 21 Abs. 3).14 § 23. Die Beschreitung des Rechtsweges gegen die Entscheidung darüber, ob und welche Pension einem Beamten bei seiner Versetzung in den Ruhestand zu gewähren ist, steht dem Beamten offen, doch muß die Entscheidung des Departementschefs und des Finanzministers der Klage vorhergehen, und letztere sodann bei Verlust des Klagerechts innerhalb sechs Mo­ naten, nachdem dem Beamten die Entscheidung bekanntgemacht ist, erhoben werden. Der Verlust des Klagerechts tritt auch dann ein, wenn nicht von dem Beamten, über dessen An­ spruch auf Pension die dem Departementschef Nachgeordnete Behörde Entscheidung getroffen 14 MErl. v. 29. Juli und 20. Oft. 1884, betr. Übertragung der Entscheidung über Versetzung eines Beamten in den Ruhestand sowie über Festsetzung der Pension auf die Provinzialbehörden (MBl. 194 und 231). Reichelt, Verwaltung-gesetzbuch.

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IX. Abschn. Beamtenrechr.

hat (§ 22 Abs. 2), gegen diese Entscheidung binnen gleicher Frist die Beschwerde an den Tepartementschef und den Finanzminister erhoben ist. § 24. Die Bersetzung in den Ruhestand tritt, sofern nicht auf den Antrag oder mit ausdrücklicher Zustimmung des Beamten ein früherer Zeitpunkt festgesetzt wird, mit dem Ablauf des Vierteljahres ein, welches auf den Monat folgt, in welchem dem Beamten die Ent­ scheidung über seine Bersetzung in den Ruhestand und die Höhe der ihm etwa zustehenden Pension (§ 22) bekanntgemacht worden ist. § 25. Die Pensionen werden für jedes Kalendervierteljahr im voraus in einer Summe gezahlt. § 26. Das Recht auf den Bezug der Pension kann weder abgetreten noch verpfändet werden. In Ansehung der Beschlagnahme^ der Pensionen bleiben die bestehenden Bestimmungen in Kraft. § 27. Das Recht auf den Bezug der Pension ruht: 1. wenn ein Pensionär das deutsche ^nbigenat16 verliert, bis zu etwaiger Wiedererlangung desselben; 2. wenn und solange ein Pensionär im Reichs- oder Staatsdienste ein Diensteinkommen bezieht, insoweit als der Betrag dieses neuen Diensteinkommens unter Hinzurechnung der Pension den Betrag des von dem Beamten vor der Pensionierung bezogenen Diensteinkommens übersteigt. Als Reichs- oder Staatsdienst im Sinne dieser Vorschrift gilt außer dem Militär- und Gendarmeriedienste jede Anstellung oder Beschäftigung als Beamter oder in der Eigenschaft eines Beamten im Dienste des Deutschen Reichs, eines Bundesstaats, eines deutschen Kommunalverbandes, der Versicherungsanstalten für die Invalidenversicherung und ständischer oder solcher Institute, welche ganz oder zum Teil aus Mitteln des Reichs, eines Bundes­ staats oder eines deutschen Kommunalverbandes unterhalten werden. Bei Berechnung des früheren und des neuen Diensteinkommens sind diejenigen Beträge, welche für die Bestreitung von Repräsentations- oder Dienstaufwandskosten sowie zur Entschädigung für außergewöhnliche Teuerungsverhältnisse gewährt werden, und die Ortszulagen der Auslandsbeamten nicht in Ansatz zu bringen; die Dienstwohnung ist mit dem pensionsfähigen oder sonst hierfür festgesetzten Werte, der Wohnungsgeldzuschuß oder eine dementsprechende Zulage mit dem pensionssähigen Betrage oder, sofern er nicht pensions­ fähig ist, mit dem Durchschnittssatz anzurechnen. Ist jedoch bei dem neuen Diensteinkommen der wirlliche Betrag des Wohnungsgeldzuschusses oder der Zulage geringer, so ist nur dieser anzurechnen. § 28. Ein Pensionär, welcher in eine an sich zur Pension berechtigende Stellung des unmittelbaren Staatsdienstes wieder eingetreten ist (§ 27 Nr. 2), erwirbt für den Fall des Zurücktretens in den Ruhestand den Anspruch auf Gewährung einer nach Maßgabe seiner nunmehrigen verlängerten Dienstzeit und des in der neuen Stellung bezogenen Diensteinkommens berechneten Pension nur dann, wenn die neu hinzutretende Dienstzeit wenigstens ein Jahr betragen hat. Neben einer hiernach neuberechneten Pension ist die alte Pension nur bis zur Erreichung desjenigen Pensionsbetrags zu zahlen, welcher sich für die Gesamtdienstzeit aus dem der Festsetzung der alten Pension zugrunde gelegten Diensteinkommen ergibt. Dasselbe gilt, wenn ein Pensionär außerhalb des unmittelbaren preußischen Staats­ dienstes im Reichs- oder Staatsdienst im Sinne der Vorschrift im § 27 Abs. 2 eine Pension erdient. § 29. Die Einziehung, Kürzung oder Wiedergewährung der Pension auf Grund der 18 Vgl. Vg., betr. das Verwaltungszwangsverfahren, oben S. 112 ff. und die dort abgedruckten Bestimmungen der ZPO. 16 Art. 3 RVerf. und Reichs- und StaatsangehG., s. unter Abschn. VIII Nr. 1.

10. Pensionsgesetz.

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Bestimmungen in den §§ 27 und 28 tritt mit dem Beginn desjenigen Monats ein, welcher auf das eine solche Veränderung nach sich ziehende Ereignis folgt. Im Falle vorübergehender Beschäftigung im Reichs- oder im Staatsdienste gegen Tage­ gelder 17 oder eine anderweite Entschädigung wird die Pension für die ersten sechs Monate dieser Beschäftigung unverkürzt, dagegen vom siebenten Monate ab nur zu dem nach den vorstehenden Bestimmungen zulässigen Betrage gewährt. § 29 a. Die in dem § 27 Nr. 2 sowie die in den §§ 28 und 29 für den Fall des Wieder­ eintritts eines Pensionärs in den Reichs- oder Staatsdienst getroffenen Vorschriften finden auf diejenigen unter die Vorschriften des § 6 fallenden pensionierten Lehrer und Beamten, deren Pension nicht aus der Staatskasse zu zahlen ist, nur dann sinngemäße Anwendung, wenn sie im Dienste der zur Aufbringung ihrer Pension ganz oder teilweise verpflichteten Gemeinde oder Stiftung oder des betreffenden Kommunalverbandes wieder angestellt oder beschäftigt werdend Ist ein unter die Vorschriften des § 6 fallender Pensionär, dessen Pension nicht aus der Staatskasse zu zahlen ist, in ein zur Pension berechtigendes Amt des unmittelbaren Staatsdienstes oder an einer der im § 6 Abs. 2 bezeichneten Unterrichtsanstalten, deren Unterhaltung anderen als den zur Aufbringung seiner Pension Verpflichteten obliegt, wieder eingetreten, so bleibt für den Fall des Zurücktretens in den Ruhestand bei der Entscheidung über eine ihm zu gewährende neue Pension die Dienstzeit vor seiner früheren Versetzung in den Ruhe­ stand außer Anrechnung. Diese Bestimmung findet auf diejenigen Pensionäre, deren Pension aus der Staatskasse zu zahlen ist, alsdann gleichfalls Anwendung, wenn sie in ein zu Pension berechtigendes Amt an einer der im § 6 Abs. 2 bezeichneten Unterrichtsanstalten, welche nicht vom Staate allein zu unterhalten sind, wieder eingetreten sind. § 3v. Sucht ein nicht richterlicher Beamter, welcher das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet hat, seine Versetzung in den Ruhestand nicht nach, so kann diese nach Anhörung des Beamten unter Beobachtung der Vorschriften der §§ 20 ff. dieses Gesetzes in der näm­ lichen Weise verfügt werden, wie wenn der Beamte seine Pensionierung selbst beantragt hättet Im übrigen behält es in Ansehung der unfreiwilligen Versetzung in den Ruhestand und des dabei stattfindenden Verfahrens bei den Bestimmungen in den §§ 56—64 des G., betr. die Dienstvergehen der Richter, v. 7. Mai 1851 (GS. 218) und in den §§ 88—93 des G., betr. die Dienstvergehen der nicht richterlichen Beamten, v. 21. Juli 1852 (GS. 465) sein Bewenden. Wird hiernach gemäß § 90 des letzterwähnten G. von dem Rechtsmittel des Rekurses an das Staatsministerium Gebrauch gemacht, so läuft die sechsmonatliche Frist zur An­ stellung der Klage wegen unrichtiger Festsetzung des Pensionsbetrages (§ 2 des G., betr. die Erweiterung des Rechtsweges, v. 24. Mai 1861, GS. 241) erst von dem Tage, an welchem dem Beamten die Entscheidung des Staatsministeriums bekanntgemacht ist. Die Bestimmungen der §§ 88—93 des G. v. 21. Juli 1852 (GS. 465) finden auch auf die Lehrer und Beamten derjenigen im § 6 Abs. 2 genannten Anstalten Anwendung, welche nicht vom Staate allein zu unterhalten sind? § 31. Hinterläßt ein Pensionär eine Witwe oder eheliche oder legitimierte Nachkommen, so wird die Pension noch für die auf den Sterbemonat folgenden drei Monate (Gnaden­ vierteljahr) unter Anrechnung des vor dem Tode des Pensionärs fällig gewordenen Betrags gezahlt. Die Zahlung erfolgt im voraus in einer Summe. An wen die Zahlung erfolgt, bestimmt die Provinzialbehörde, auf deren Etat die Pension übernommen war. Die Zahlung kann auf Verfügung dieser Behörde auch dann stattfinden, wenn der Ver­ storbene Verwandte der auffteigenden Linie, Geschwister, Geschwisterkinder oder Pflege­ kinder, deren Ernährer er ganz oder überwiegend gewesen ist, in Bedürftigkeit hinterläßt, 17 Wegen der Berechnung s. MErl. v. 3. Febr. 1894 (MBl. 26).

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

oder wenn und soweit der Nachlaß nicht ausreicht, um die Kosten der letzten Krankheit und der Beerdigung zu decken. § 32. Ist die nach Maßgabe dieses G. bemessene Pension geringer als die Pension, welche dem Beamten hätte gewährt werden müssen, wenn er am 31. März 1872 nach den bis dahin für ihn geltenden Bestimmungen pensioniert worden wäre, so wird diese letztere Pension an Stelle der ersteren bewilligt. § 33. Ten infolge der Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit aus dem Privatgerichts­ dienst in den unmittelbaren Staatsdienst übernommenen oder bereits vor dieser Aufhebung in den unmittelbaren Staatsdienst übergegangenen Beamten wird die Zeit des Privat gerichtsdienstes nach Maßgabe der Bestimmungen des gegenwärtigen G. angerechnet. Ten vormals schleswig-holsteinischen Beamten wird die Zeit, welche sie als beeidigte Sekretäre oder Volontäre bei den Oberbeamten zugebracht haben, bei Feststellung ihrer Tienstzeit mit angerechnet. § 34. Die Zeit, während welcher ein Beamter in den neuerworbenen Landesteilen oder ein mit einem solchen Landesteile übernommener Beamter auch in einem anderen Teile des Landes, welchem seine Heimat vor der Vereinigung mit Preußen angehört hat, im unmittel­ baren Dienste der damaligen Landesherrschaft gestanden hat, wird in allen Fällen bei der Pensionierung nach Maßgabe des gegenwärtigen G. in Anrechnung gebracht. § 35. Hinsichtlich der hohenzollernschen, in den preußischen Staatsdienst übernommenen Beamten bleiben die Bestimmungen unter Nr. 2 und 3 des Erl. v. 26. Aug. 1854 (GS. 1855, S. 33) in Kraft. § 36. Zusicherungen, welche in bezug auf dereinstige Bewilligung von Pensionen an einzelne Beamte oder Kategorien von Beamten durch den König oder einen der Minister gemacht worden sind, bleiben in Kraft. Doch finden auf Beamte, hinsichtlich deren durch Staatsverträge die Bewilligung von Pensionen nach den Grundsätzen fremdländischer Pensionsbestimmungen zugesichert worden ist, die Vorschriften des gegenwärtigen G. insoweit Anwendung, als sie für die Beamten günstiger sind. § 37. Die in § 79 des G., betr. die Verfassung und Verwaltung der Städte und Flecken in Schleswig-Holstein, v. 14. April 1869 (GS. 589) festgestellte Verpflichtung der Staats­ kasse zur anteiligen Übernahme der Pensionen städtischer Beamten wird durch das gegen­ wärtige G. nicht berührt. 11. Gesetz, betreffend die Fürsorge für die Witwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten. Vom 20. Mai 1882 (GS. 298)? § 1. Unmittelbare Staatsbeamten, welche Diensteinkommen oder Wartegeld aus der Staatskasse beziehen--------- fsind verpflichtet, Witwen- und Waisengeldbeiträge zur Staats­ kasse zu entrichten].2 § 7. Die Witwe und die Hinterbliebenen ehelichen oder legitimierten Kinder eines Be­ amten erhalten aus der Staatskasse Witwen- und Waisengeld nach Maßgabe der nachfol­ genden Bestimmungen. § 8. Das Witwengeld besteht in vierzig vom Hundert derjenigen Pension, zu welcher der 1 In der Fassung, die das G. durch wiederholte Abänderungen erfahren hat, entsprechend der amtlichen neuen Veröffentlichung im MBl. für 1907, S. 210, und unter Berücksichtigung des § 4 G. v. 26. Mai 1909 (GS. 85). 2 Die Verpflichtung der Staatsbeamten, Witwen- und Waisengeldbeiträge zu entrichten, ist durch G. v. 28. März 1888 (GS. 48) aufgehoben; die Bestimmungen bis § 6 sind damit gegenstandslos geworden. — Für die Witwen und Waisen der Volksschullehrer gilt das in Abschn. XI Nr. 6 abgedruckte Lehrerrelikt.G. v. 4. Dez. 1899.

11. Hinterbliebenenfürsorgegesetz.

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Verstorbene berechtigt gewesen ist oder berechtigt gewesen sein würde, wenn er am Todes­ tag,e in den Ruhestand versetzt wäre? Das Witwengeld soll jedoch, vorbehalüich der in § 10 verordneten Beschränkung, mindestens dre-jhundert Mark und höchstens fünftausend Mark betragen. § 0. Das Waisengeld beträgt: 1. für Kinder, deren Mutter lebt und zur Zeit des Todes des Beamten zum Bezüge von Witwengeld berechtigt war, ein Fünftel des Witwengeldes für jedes Kind; 2. für Kinder, deren Mutter nicht mehr lebt oder zur Zeit des Todes des Beamten zum Bezüge von Witwengeld nicht berechtigt war, ein Drittel des Witwengeldes für jedes Kind. § 10. Witwen- und Waisengeld dürfen weder einzeln noch zusammen den Betrag der Pension übersteigen, zu welcher der Verstorbene berechtigt gewesen ist oder berechtigt ge­ wesen sein würde, wenn er am Todestage in den Ruhestand versetzt wäre. Bei Anwendung dieser Beschränkung werden das Witwen- und das Waisengeld verhält­ nismäßig gekürzt. § 11. Bei dem Ausscheiden eines Witwen- und Waisengeldberechtigten erhöht sich das Witwen- oder Waisengeld der verbleibenden Berechtigten von dem nächstfolgenden Monat an insoweit, als sie sich noch nicht im vollen Genuß der ihnen nach den §§ 8 bis 10 gebührenden Beträge befinden. £ 12. War die Witwe mehr als 15 Jahre jünger als der Verstorbene, so wird das nach Maßgabe der §§ 8 und 10 berechnete Witwengeld für jedes angefangene Jahr des AltersUnterschiedes über 15 bis einschließlich 25 Jahre um Vao gekürzt. Auf den nach 8 9 zu berechnenden Betrag des Waisengeldes sind diese Kürzungen des Witwengeldes ohne Einfluß. Rach fünfjähriger Dauer der Ehe wird für jedes angefangene Jahr ihrer weiteren Dauer dem gekürzten Betrage 7» des nach Maßgabe der §§ 8 und 10 zu berechnenden Witwen­ geldes so lange hinzugesetzt, bis der volle Betrag wieder erreicht ist. g 12 a. Ist der Verstorbene als Pensionär im unmittelbaren preußischen Staatsdienste wieder angestellt gewesen, so ist bei der Berechnung des Witwen- und Waisengeldes neben der aus der neuen Stellung zuständigen Pension die alte Pension bis zur Erreichung des im § 28 Abs. 2 des PensG. v. 27. März 1872 gedachten Pensionsbetrags zu berücksichtigen. In den übrigen Fällen der Wiederanstellung eines Pensionärs im Reichs- oder Staatsdienst im Sinne der §§ 27 und 28 jenes G. ist das Witwen- und Waisengeld nach der aus Anlaß des Ausscheidens des Verstorbenen aus dem unmittelbaren preußischen Staats­ dienste festgesetzten Pension zu berechnen; jedoch sind auf die so ermittelten Beträge die den Hinterbliebenen aus der neuen Stellung des Verstorbenen zustehenden Bersorgungsansprüche anzurechnen, insoweit die Hinterbliebenen ohne diese Anrechnung mehr beziehen würden, als ihnen nach den Bestimmungen dieses G. bei Zugrundelegung des im Abs. 1 gedachten Pensionsbetrags zustehen würde. § 13. Keinen Anspruch auf Witwengeld hat die Witwe, wenn die Ehe mit dem verstorbenen Beamten innerhalb dreier Monate vor seinem Ableben geschlossen und die Eheschließung zu dem Zwecke erfolgt ist, um der Witwe den Bezug des Witwengeldes zu verschaffen. Keinen Anspruch auf Witwen- und Waisengeld haben die Witwe und die Hinterbliebenen Kinder eines pensionierten Beamten aus solcher Ehe, welche erst nach der Versetzung des Beamten in den Ruhestand geschlossen ist. § 14. Stirbt ein Beamter, welchem, wenn er am Todestage in den Ruhestand versetzt 3 Nach Art. VI &. v. 27. Mai 1907 (GS. 99) kann der Witwe und den Waisen eines Beamten, welcher unter dem Vorbehalte des Widerrufs oder der Kündigung angestellt gewesen ist, ohne eine in den Besoldungsetats aufgeführte Stelle bekleidet zu haben, von dem Departementschef in Ge­ meinschaft mit dem Finanzminister Witwen- und Waisengeld bis auf Höhe derjenigen Beträge be­ willigt werden, welche ihnen zustehen würden, wenn der Beamte eine in den Besoldungsetats aus­ geführte Stelle bekleidet hätte.

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

wäre, auf Grund des § 7 des PenfG. v. 27. März 1872 eine Pension hätte bewilligt werden können, so kann der Witwe und den Waisen desselben von dem Departementschef in Ge­ meinschaft mit dem Finanzminister Witwen- und Waisengeld bewilligt werden. Stirbt ein Beamter, welchem nach den §§ 18 und 19 des PensG. v. 27. März 1872 im Falle seiner Versetzung in den Ruhestand die Anrechnung gewisser Zeiten auf die in Betracht kommende Dienstzeit hätte bewilligt werden können, so ist der Departementschef in Gemeinschaft mit dem Finanzminister befugt, eine solche Anrechnung auch bei Festsetzung des Witwenund Waisengeldes zuzulassen. § 15. Die Zahlung des Witwen- und Waisengeldes beginnt mit dem Ablauf des Gnaden­ quartals. ^ § 16. Das Witwen- und Waisengeld wird monaüich im voraus gezahlt. An wen die Zahlung gültig zu leisten ist, bestimmt der Departementschef, welcher die Befugnis zu solcher Bestimmung auf die Provinzialbehörde übertragen tarnt.46 * Nicht abgehobene Teilbeträge des Witwen- und Waisengeldes verjähren binnen vier Jahren, vom Tage ihrer Fälligkeit an gerechnet, zum Vorteile der Staatskasse. § 17. Das Witwen- und Waisengeld kann mit rechtlicher Wirkung weder abgetreten noch verpfändet oder sonst übertragen werden. § 18. Das Recht auf den Bezug des Witwen- und Waisengeldes erlischt: 1. für jeden Berechtigten mit Ablauf des Monats, in welchem er sich verheiratet oder stirbt; 2. für jede Waise außerdem mit dem Ablauf des Monats, in welchem sie das 18. Lebens­ jahr vollendet. § 19. Das Recht auf den Bezug des Witwen- und Waisengeldes ruht, wenn der Berech­ tigte das deutsche Jndigenat verliert,6 bis zur etwaigen Wiedererlangung desselben. § 20. Mit den aus § 14 sich ergebenden Maßgaben erfolgt die Bestimmung darüber, ob und welches Witwen- und Waisengeld der Witwe und den Waisen eines Beamten zusteht, durch den Departementschef, welcher die Befugnis zu solcher Bestimmung auf die Provinzial­ behörde übertragen kann.6 Die Beschreitung des Rechtsweges steht den Beteiligten offen, doch muß die Entscheidung des Departementschefs der Klage vorhergehen und letztere sodann bei Verlust des Klage­ rechts innerhalb sechs Monaten, nachdem den Beteiligten die Entscheidung des Departements­ chefs bekanntgemacht worden, erhoben werden. Der Verlust des Klagerechts tritt auch dann ein, wenn nicht von den Beteiligten, über deren Anspruch die Provinzialbehörde Entscheidung getroffen hat, gegen diese Entscheidung binnen gleicher Frist die Beschwerde an den De­ partementschef erhoben ist. § 22. Der Beitritt zu der Allgemeinen Witwenverpflegungsanstalt ist den nach § 1 zur Entrichtung von Witwen- und Waisengeldbeiträgen verpflichteten Beamten sowie den Be­ amten des Deutschen Reichs nicht ferner gestattet. § 23. Diejenigen Beamten, welche Mitglieder einer Militär- oder Staatsbeamtenwitwen­ kasse oder einer sonstigen Veranstaltung des Staats zur Versorgung der Hinterbliebenen von Beamten und derselben nicht erst nach der Verkündigung dieses G. beigetreten sind, bleiben, wenn sie binnen drei Monaten nach dem Inkrafttreten dieses G. durch eine schriftliche Erklärung für ihre etwaigen künftigen Hinterbliebenen auf das in den §§ 7 ff. bestimmte Witwen- und Waisengeld verzichten,7 von Entrichtung der im § 3 bestimmten 4 § 31 PensG., vorstehend unter Nr. 10. 6 MErl. v. 10. u. 13. April 1883, betr. die Übertragung der Bewilligung der gesetzlichen Witwenund Waisengelder an Hinterbliebene von Beamten der allgemeinen Verwaltung auf die Provinzialbehörden (MBl. 54 und 59). 6 Art. 3 RVerf. und Reichs- und StaatsangehG., s. unter Abschn. VIII Nr. 1. 7 Nach Art. II 8 1 G. v. 28. März 1888 (GS. 48) durften solche Verzichte bis zum 30. Juni 1888 widerrufen werden.

12. Kommunalbesteuerung der Beamten.

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Wittwen- und Waisengeldbeiträge befreit. Andernfalls sind sie berechtigt, aus der Landesansstalt auszuscheiden. Diese Bestimmungen finden sinngemäße Anwendung auf die Mitglieder der Beamtenpemsionskassen bei den vom Staate erworbenen Privateisenbahnen, ferner der Berliner allgemeinen Witwenpensions- und Unterstützungskasse.------------

12. Rommtmol&tfteiaenmg der Beamten. a)

Verordnung, betreffend die Heranziehung der Staatsdiener zu den Kom­ munalauflagen in den neu erworbenen Landesteilen? Vom 23. September 1867 (GS. 1648).

§ 1. Von allen direkten Kommunalauflagen, sowohl der einzelnen bürgerlichen Stadtun!h Landgemeinden, als der weiteren kommunalen Körperschaften (Amtsbezirke, Distriktsgevneinden, Armendistrikte, Wegeverbände ufto.)12 *und der kreis-, kommunal- und provinzialständischen Verbände, sind vollständig befreit: 4. die servisberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienststandes2 sowohl hinsichtlich ihres dienstlichen als außerdienstlichen4 *Einkommens; *78 nur zu den auf den Grundbesitz oder das stehende Gewerbe, oder auf das aus diesen Quellen fließende Einkommen gelegten Kommunallasten müssen auch sie beitragen, wenn sie in dem Kommunal­ bezirk Grundbesitz haben oder ein stehendes Gewerbe betreiben. Militärärzte genießen rücksichtlich ihres Einkommens aus einer Zivilpraxis die Be­ freiung nicht; 3. die Geistlichen2 und Elementarlehrer hinsichtlich ihrer Besoldungen und Emolumente, einschließlich der Ruhegehälter, ingleichen die unteren Kirchendiener? wo und soweit den letzteren eine derartige Befreiung seither rechtsgültig zugestanden hat; 4. die verabschiedeten Beamten und Militärpersonen hinsichts ihrer aus Staats­ fonds oder sonstigen öffentlichen Kassen zahlbaren Pensionen und laufenden Unter­ stützungsbezüge, ebenso die Beamten hinsichts ihrer Wartegelder, sofern der jährliche Betrag solcher Bezüge für einen Empfänger die Summe von 750 M nicht erreicht; 5. die Hinterbliebenen Witwen und Waisen der unter 1—4 genannten Personen hinsichts ihrer aus Staatsfonds oder aus einer öffentlichen Versorgungskasse zahlbaren Pen­ sionen und laufenden Unterstützungen; 6. die Sterbe- und Gnadenmonate? 7. alle diejenigen Dienstemolumente, welche bloß als Ersatz barer Auslagen zu betrach­ ten sind? tz 2. Zu den Beamten im Sinne dieser Verordnung gehören alle, in unmittelbaren Diensten

des Staates oder der demselben untergeordneten Obrigkeiten, Kollegien, kommunalen und 1 Diese Bg. gilt jetzt neben dem nachstehend unter b abgedruckten G. v. 16. Juni 1909 gemäß § 41 KAbgG. int ganzen Staatsgebiete außer Hohenzollern und Helgoland, und zwar für alle vor 1. April 1909 angestellten Beamten usw. — Die durch das KAbgG. beseitigten Bestimmungen sind fortgelassen. 1 nicht aber der Kirchen- und Schulgemeinden, soweit nicht die Schullasten auf den Haushalt der bürgerlichen Gemeinde übernommen sind. 8 Bgl. § 38 RMilG. Auch die Mitglieder der Gendarmerie gehören dazu (§ 42 KAbgG.). 4 Vom außerdienstlichen Einkommen — abgesehen von Grundbesitz und Gewerbe — haben die int Offiziersrange stehenden Militärpersonen des Friedensstandes eine besondere sog. Offiziersteuer zu entrichten nach G. v. 29. Juni 1886 und 22. April 1892 (GS. 181 und 101). 1 Diese Bestimmung gilt auch für die nach 1. April 1909 angestellten Geistlichen, da das G. v. 16. Juni 1909 die Geistlichen nicht erwähnt. Der Begriff „Geistliche" ist hier einschränkend im Sinne der §§ 59, 17, 19 ALR. II, 11 (s. Abschn. X Nr. 2) auszulegen. • Weltliche Kirchenbediente im Sinne der §§ 550 ff. ALR. II, 11. 7 Auch das Gnadenquartal (§ 31 PensG.). 8 Dazu gehören die Tagegelder der außerhalb ihres Wohnortes beschäftigten Beamten.

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IX. Abschn. Beamtenrechl.

städtischen Korporationen^ stehende, mit fester Besoldung angestellte, bzw. in Ruhestand getretene öffentliche Beamte, einschließlich der Militär- und Hofbeamten; dagegen nicht diejenigen, welche nur als außerordentliche (Gehilfen vorübergehend im öffentlichen Dienst beschäftigt werden. § 3. Tie Beamten (§ 2) können von ihrem Tiensteinkommen einschließlich der Warteund Ruhegehälter, ebenso die Militärpersonen von ihren Pensionen — wenn nickt ein Fall der gänzlichen Befreiung nach § 1 vorliegt — zu direkten Kommunalauflagen (§ 1) nur in­ soweit herangezogen werden, als diese von allen Pflichtigen nach dem Maßstabe des persön­ lichen Einkommens erhoben werden. § 4. Das Diensteinkommen wird in solchen Fällen nur halb so ()ocf)10 als anderes gleich hohes persönliches Einkommen der Steuerpflichtigen veranlagt. Wenn die Veranlagung nicht unmittelbar den Einkommensbetrag zur Grundlage hat, so ist, unter Genehmigung der Aufsichtsbehörde des besteuernden kommunalen Verbandes, das Einschätzungsverfahren dergestalt besonders zu regeln, daß der vorstehende Grundsatz analog zur Anwendung kommt. Das Diensteinkommen von zufälligen Emolumenten wird gleich dem festen Gehalte be­ steuert; zu diesem Behufe wird nötigenfalls der Betrag derselben in runder Summe durch die vorgesetzte Dienstbehörde festgestellt. § 5. An kommunalen Auflagen aller Art (§ 1) dürfen äußerstenfalls, im Gesamtbeträge, bei Besoldungen (§ 3) unter 750 M nicht mehr als ein Prozent, bei Besoldungen von 750 bis 1500 M ausschließlich nicht mehr als anderthalb Prozent und bei höheren Besoldungen nicht mehr als zwei Prozent des gesamten Tiensteinkommens jährlich gefordert werden. § 6. Auf Staatssteuern und Staatslasten, welche gemeindeweise abgetragen werden, finden die Bestimmungen dieser Verordnung keine Anwendung. § 7. Die gemäß §§ 3—5 den Staatsdienern obliegende Beilragspflicht zu den Kommunal­ abgaben erstreckt sich auf alle diejenigen Beträge der letzteren, welche innerhalb der Zeit, da der Pflichtige dem betreffenden kommunalen Verbände angehört, auf ihn verteilt und auch fällig werden, nicht aber auf später fällige. § 9. Von ihrem etwaigen besonderen Vermögen haben auch die nach § 3 begünstigten Staatsdiener, ebenso die Offiziere der unter § 1 Nr. 2 bezeichneten Kategorie, die Geistlichen und Elementarlehrer, ihre Beiträge zu den Kommunallasten gleich anderen Angehörigen der betreffenden Verbände zu entrichten." § 11. Zu den indirekten Gemeindeabgaben12 müssen auch die nach §§ 1—5 begünstigten • D. h. auch solcher Korporationen, die organisch der staatlichen Gliederung untergeordnet sind und mittelbar staatliche Zwecke zu erfüllen haben. 10 Der Vorläufer dieser Vg., das G. v. 11- Juli 1822, gibt die für alle Zeiten zutreffenden Gründe des Steuervorrechls der Beamten, daß nämlich das Diensteinkommen „seinem ganzen Dasein nach von dem Leben, der Gesundheit und andern zufälligen Verhältnissen der Person abhängig und seinem ganzen Betrage nach bestimmt ist, und dadurch auf der einen Seite gegen Grundund Kapitaleinkommen, und auf der andern gegen Gewerbseinkommen im Nachteil steht, daß die Beamten ihr Einkommen durch Erwerb nicht vermehren und grundsätzlich auch ihren Wohnsitz nicht wählen können." 11 Nach Ermittelung der Steuerstufe durch Zusammenrechnung des privaten und der Hälfte des dienstlichen Einkommens ist die so gefundene Abgabe auf das halbe Diensteinkommen und auf das Privateinkommen nach Verhältnis beider Beträge zu verteilen, und der auf das erstere entfallende Abgabenteil, sofern der für direkte Beiträge zugelassene höchste Prozentsatz des vollen Tiensteinkommens überschritten wird, entsprechend herabzusetzen (OVG. 11, S. 67). Die Vorschrift in S 19 EinkStG. (Ermäßigung bei Familiengliedern unter 14 Jahren) findet bei der Kommunalbesteuerung im Falle des Zusammentreffens von steuerfreiem und steuerpflich­ tigem Einkommen nur sinngemäße Anwendung. Da hier der Aufwand für die Familienglieder sich auf beide Arten von Einkommen verteilt, so folgt daraus, daß, wo nur zwei oder drei Familienmitglieder unter 14 Jahren vorhanden sind, die Vorschrift unanwendbar ist. Sind mehr Kinder vor­ handen, so ist die Zahl der Kmder im Verhältnis des Gesamteinkommens zum gemeindesteuerpflich­ tigen Einkommen herabzusehen (OVG. 38, S. 75). 12 Dazu gehört auch das Bürgerrechtsgeld nach G. v. 14. Mai 1860 (PrVBl. 22, S. 51).

12. Kommunalbesteuerung der Beamten.

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Personen gleich anderen Gemeindeeinwohnern beitragen. Sie sind nicht befugt, was sie hierauf entrichten, bei ihren direkten Kommunalbeiträgen in Anrechnung zu bringen. Die Militärspeiseeinrichtungen und ähnliche Anstalten bleiben indessen von Verbrauchssteuern in dem in den altpreußischen Landesteilen bestehenden Umfange befTeit.13 § 12. Alle entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen werden aufgehoben. Wo jedoch weitergehende Immunitäten für Beamte, Militärs, GeisÜiche oder Lehrer nach statutarischem Recht oder besonderen Privilegien bestehen, soll in denselben hierdurch nichts geändert werden."

b) Gesetz, betreffend die Heranziehung der Beamten, Elementarlehrer und unteren Kirchendiener zur Gemeindeeinkommensteuer." Vom 16. Juni 1909 (GS. 489). § 1. Die unmittelbaren und mittelbaren Staatsbeamten, die Elementarlehrer und die seither bei der Gemeindeeinkommenbesteuerung bevorrechtigten unteren Kirchendiener3 sowie die Beamten des Königlichen Hofes werden in den Gemeinden3 zur Einkommen­ steuer gleich den übrigen dieser Steuer unterworfenen Personen herangezogen, sofern nicht mehr als 125 Prozent Zuschläge erhoben werden. Werden Zuschläge in höherem Betrag erhoben, so trifft der Mehrbetrag der Zuschläge nur den auf das außerdienstliche Einkommen entfallenden Teil des Steuersatzes?3 Werden besondere Ankommensteuern erhoben, so darf der Steuersatz, soweit er das dienstliche Einkommen trifft, nicht über den Betrag hinausgehen, der bei einer Zugrundelegung von 125 Prozent des Staatseinkommensteuertarifs bzw. des im § 38 des KAbgG. v. 14. Juli 1893 (GS. 152) festgesetzten Tarifs auf dieses Ankommen entfallen würde. § 2. Die Bestimmungen des § 1 gelten nur für diejenigen Beamten, Elementarlehrer und unteren Kirchendiener, welche nach dem 31. März 1909 in das Amtsverhältnis ein­ getreten sind. Hinsichtlich der schon vor dem 1. April 1909 angestellten Beamten, Elementarlehrer und unteren Kirchendiener sowie hinsichllich der Geistlichen und Militärpersonen bewendet es bei den bestehenden Bestimmungen." Dasselbe gilt von den Naturaldiensten" und von der steuerlichen Behandlung der Ruhegehälter, der lausenden Unterstützungen, der Wartegelder, der Witwen- und Waisen-, Sterbe- und Gnaden- sowie derjenigen Dienstbezüge, welche nur als Ersatz barer Auslagen zu betrachten sind, mit der Maßgabe, daß die bisherige Steuerfreiheit der Gnadenmonate sich auch auf die Gnadenvierteljahre erstreckt. § 3. Me auf statutarische Rechte oder Privilegien gegründeten weitergehenden Be­ freiungen werden aufgehoben; indessen behalten die bei Inkrafttreten dieses G. bereits im Genusse solcher Befreiungen befindlichen Beamten, Elementarlehrer und unteren Kirchen­ diener ihre Berechtigungen noch auf Lebenszeit. § 4. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 des Kreis- und Provinzialabgabeng. v. 23. April 1906 (GS. 159) wird dahin ergänzt, daß hinsichtlich der im § 2 Abs. 1 dieses G. bezeichneten Steuerpflichtigen an Stelle der Vg. v. 23. Sept. 1867 (GS. 1648) § 1 dieses G. sinnent­ sprechende Anwendung findet. Indessen verbleiben hierbei die den Satz von 100 Prozent übersteigenden Zuschläge (§ 1 Abs. 1) dem Kreise insoweit, als er zur Deckung seiner Bedürfnisse die Einkommensteuer mit Umlagen heranzieht. 13 Dgl. § 19 KAbgG. - " Vgl. § 24 SchleswHolstStOg. 15 Dieses G. gilt im ganzen Staatsgebiete außer Helgoland, und zwar nur für die seit 1. April 1909 angestellten Beamten, Bolksschullehrer und Kirchendiener, vgl. § 2 Abs. 2 und Anm. 1. 16 Die Berechnung erfolgt nach den in Anm. 11 mitgeteilten Grundsätzen des OVG., und zwar nach der Gleichung: Gesamteinkommen : dienstlichem Ankommen = Steuersatz vom Gesamtein­ kommen : x. Von x können bis 125% erhoben werden, der übrige Teil des Steuersatzes ist unbe­ schränkt einkommensteuerpflichtig. 17 der vorstehend unter a abgedruckten Vg. v. 23. Sept. 1867. 18 Vgl. § 68 Abs. 6 KAbgG.

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

IZ. Gesetz, betr. die Anstellung und Versorgung der Kommimalbeamten? Vom 30. Juli 1899 (GS. 141). Allgemeine Bestimmungen. § 1. Als Kommunalbeamter im Sinne dieses Gesetzes gilt, wer als Beamter für den Dienst eines Kommunalverbandes (§§ 8 bis 22)12 3gegen 4 * Besoldung angestellt ist. Die An­ stellung erfolgt durch Aushändigung einer Anstellungsurkunde? § 2. Die Rechtsverhältnisse der auf Probe, zu vorübergehenden Dienstleistungen oder zur Vorbereitung angestellten Kommunalbeamten unterliegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nur insoweit, als dies ausdrücklich vorgesehen ist. Die Anstellung auch dieser Be­ amten erfolgt nach § 1 Satz 2. Auf Personen, welche ein Kommunalamt nur als Nebenamt oder als Nebentätigkeit aus­ üben oder ein Kommunalamt führen, das seiner Art oder seinem Umfange nach nur als eine Nebentätigkeit anzusehen ist, findet dieses Gesetz keine Anwendung. § 3. Die Zahlung des Gehalts an Kommunalbeamte erfolgt in Ermangelung besonderer Festsetzungen vierteljährlich im voraus. § 4. Die Hinterbliebenen eines Kommunalbeamten erhalten für das auf den Sterbe­ monat folgende Vierteljahr noch die volle Besoldung des Verstorbenen (Gnadenquartal); war der Verstorbene pensioniert, so gebührt ihnen die Pension noch für den auf den Sterbe­ monat folgenden Monat (Gnadenmonat). Dabei finden die für die unmittelbaren Staats­ beamten geltenden Bestimmungen* mit der Maßgabe Anwendung, daß an Stelle der Geneh­ migung des Verwaltungschefs und der Provinzialbehörde, auf deren Etat die Pension über­ nommen war, die Genehmigung der Kommunalverwaltungsbehörde6 7tritt. § 5. In dem Genusse der von dem verstorbenen Beamten bewohnten Dienstwohnung ist die Hinterbliebene Familie in Ermangelung anderweiter Festsetzungen nach Ablauf des Sterbemonats noch drei fernere Monate zu belassen. Hinterläßt der Beamte keine Farnilie,6 so ist denjenigen, auf welche sein Nachlaß übergeht, unter der gleichen Voraussetzung eine vom Todestage an zu rechnende einmonaüiche Frist zur Räumung der Dienstwohnung zu gewähren. In jedem Falle müssen Arbeits- und Sitzungszimmer sowie sonstige, für den amtlichen Gebrauch bestimmte Räumlichkeiten sofort geräumt werden. § Über die Art und Höhe der Reisekostenentschädigung, welche den Kommunalbeamten, einschließlich der im § 2 Abs. 1 erwähnten, bei Dienstreisen zugebilligt werden sollen, können die Kommunalverbände Vorschriften? erlassen. Kommen solche in Fällen, in welchen ein Bedürfnis der Regelung besteht, nicht zustande, so kann die Aufsichtsbehörde die erforderlichen Vorschriften erlassen, welche so lange in Geltung bleiben, bis anderweite Bestimmungen seitens der Kommunalverbände getroffen sind. § 7. Der Bezirksausschuß beschließt über streitige vermögensrechtliche Ansprüche der Kommunalbeamten einschließlich der in § 2 Abs. 1 erwähnten Beamten aus ihrem Dienst1 Dazu AusfAnw. v. 12. Oft. 1899 (MBl. 192), im folgenden kurz mit AAnw. bezeichnet. 2 Danach regelt das KBeamtG. nur die Anstellung und Versorgung der Beamten der in diesen Paragraphen bezeichneten Kommunalverbände, nicht auch der anderen öfsentlichrechtlichen Korpora­ tionen, kommunalständischen und landschaftlichen Verbände. 3 Danach soll die Aushändigung der Anstellungsurkunde der die Beamteneigenschaft begründende formelle Akt sein, so das; es in Zukunft ausgeschlossen sein muß, diese Eigenschaft aus irgend welchen anderen Umständen zu folgern (AAnw. Art. I Nr. 2). 4 insbes. des G., betr. Beamtenbesoldung und Gnadenvierteljahr und des HinterbliebenenfürsG., oben Nr. 6 und 11. 6 D. s. Gemeindcvorstand, Kreisausschuß, Provinzia laus schuß; eine Zustimmung der Gemeinde­ vertretung ist nicht erforderlich. 6 Über den Begriff „Familie" s. Anm. 5 zu 8 4 G., betr. Beamtenbesoldung, oben Nr. 6. 7 „Vorschriften", also nicht notwendig Ortsstatut, ein einfaches Verwaltungsregulativ genügt, AAnw. Art. II Nr. 1.

13. Kommunalbeamtengesetz.

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Verhältnisse, insbesondere über Ansprüche auf Besoldung," Reisekostenentschüdigung, Pension sowie über streitige Ansprüche der Hinterbliebenen der Beamten auf Gnadenbezüge oder Witwen- und Waisengeld. Die Beschlußfassung erfolgt, soweit sie sich auf die Frage er­ streckt, welcher Dell des Diensteinkommens bei Feststellung der Pensionsansprüche als Gehalt anzusehen ist, vorbehaltlich der den Beteiligten innerhalb zwei Wochen bei dem Bezirks­ ausschuß gegeneinander zustehenden Klage im Verwaltungsstreitversahren. Im übrigen findet gegen den in erster oder auf Beschwerde in zweiter Instanz ergangenen Beschluß binnen einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Zustellung desselben die Klage im ordentlichen Rechtswege statt. Die Beschlüsse sind vorläufig vollstreckbar. Bei den in §§ 18 bis 20 erwähnten ländlichen Kommunalverbänden tritt an die Stelle des Bezirksausschusses sowohl für das Beschluß, als auch für das Verwaltungsstreitverfahren der Kreisausschuß. Beamte der Stadtgemeinden. § 8. Die Anstellung der städtischen Beamten erfolgt, unbeschadet der Vorschriften in §§ 9 und 10, auf Lebenszeit. Für die Beamten der städtischen Betriebsverwaltungen findet Abs. 1 nur insoweit An­ wendung, als die Stadtgemeinden dies beschließen. Welche Verwaltungszweige zu den städtischen Betriebsverwaltungen zu rechnen sind, kann durch Ortsstatut festgesetzt werden.

§ 9. Abweichungen** von betn Grundsätze der Anstellung auf Lebenszeit (§ 8 Abs. 1) können durch Ortsstatut oder in einzelnen Fällen mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde*" festgesetzt werden. Soweit hiernach eine Anstellung auf Kündigung zulässig ist, darf die Kündigung nur auf Grund eines Beschlusses des kollegialischen Gemeindevorstandes (Magistrats) oder, wo ein solcher nicht besteht, eines aus dem Bürgermeister und den Beigeordneten (Schöffen, Ratmänner) gebildeten Kollegiums erfolgen. § 10. Der Anstellung kann eine Beschäftigung auf Probe vorangehen. Dieselbe darf in der Regel die Dauer von zwei Jahren nicht übersteigen. Eine Ausdehnung der probeweisen Beschäftigung ist nur mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde*" zulässig. Im übrigen hat bei Beamten, welche probeweise oder zu vorübergehenden Dienstleistungen oder zum Zwecke der Vorbereitung beschäftigt werden, die Regelung der Annahmebedingungen vor dem Antritt der Beschäftigung zu erfolgen. Durch die vorstehenden Bestimmungen wird § 13 des G., betreffend die Besetzung der Subaltern- und Unterbeamtenstellen der Kommunalverbände mit Mlitäranwärtern, v. 21. Juli 1892 (GS. 214) nicht berührt." § 11. Die Aufsichtsbehörde*" kann in Fällen eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen der Besoldung und den amtlichen Aufgaben der Beamtenstelle verlangen, daß den städtischen Beamten die zu einer zweckmäßigen Verwaltung angemessenen und der Leistungsfähigkeit der Stadtgemeinde entsprechenden Besoldungsbeträge bewilligt werden, insoweit nicht die Besoldung der betreffenden Stelle durch Ortsstatut festgesetzt ist. Im Falle des Wider­ spruchs der Stadtgemeinde erfolgt die Feststellung der Besoldungsbeträge durch Beschluß des Bezirksausschusses. Betreffs der Polizeibeamten bewendet es bei der Bestimmung int § 4 Abs. 1 Satz 1 des G über die Polizeiverwaltung v. 11. März 1850 (GS. 265), § 4 Abs. 1 der Vg. v. 20. Sept. 1867 (GS. 1529), § 5 Abs. 1 des Lauenburg. G. v. 7. Jan. 1870 (LffWBl. 13).12 * Besoldung gleich Diensteinkommen jeglicher Art, also auch Dienstwohnung, Wohnungsgeld­ zuschuß, Umzugskosten sowie Alterszulagen, sofern in der Besoldungsordnung oder im Dienstvertrage ein Rechtsanspmch auf letztere nicht ausgeschlossen ist. Vgl. PrVBl. 33, S. 616. • AAnw. Art. III Nr. 1. Insbesondere wird die Anstellung auf Kündigung zuzulassen sein für Stellen, bereit Verrichtungen auch von Nichtbeamten wahrgenommen werden können, z. B. tech­ nischer, mechanischer Natur. 10 Regierungspräsident, in Berlin Oberpräsident. 11 Abgedruckt oben Nr. 2. 18 Danach kann der Regierungspräsident über die Einrichtungen der örtlichen Polizeiverwaltung

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IX. Abschn. Beamtenrechr.

§ 12. Tie städtischen Beamten13 erhalten bei eintretender Dienstunfähigkeit — sofern nicht mit Genehmigung des Bezirksausschusses ein anderes festgesetzt ist" — Pension nach den für die Pensionierung der unmittelbaren Staatsbeamten geltenden Grundsätzen, wobei Art. III des G. v. 31. März 1882, betreffend die Abänderung des PensG. v. 27. März 1872 (GS. 1882, S. 133), insoweit er nicht durch das G. v. 1. März 1891 (GS. 19) abgeändert ist, unberührt bleibt.15 Als pensionssähige Dienstzeit wird, unbeschadet der über die Anrechnung der Militärdienstzeit bei Militäranwärtern und forstversorgungsberechtigten Personen des Jägerkorps geltenden Bestimmungen und in Ermangelung anderweiter Festsetzungen nur die Zeit gerechnet, welche der Beamte in dem Dienste der betreffenden Gemeinde zugebracht hat. Die Bestimmungen des G. v. 31. März 1882, betreffend die Abänderung des PensG. v. 27. März 1872 (GS. 1882, S. 133), in betreff der Beamten, welche das 65. Lebens­ jahr vollendet haben,15 können durch Lrtsstatut auch für Kommunalbeamte in Kraft gesetzt werden. § 13. Das Recht auf den Bezug der Pension (§ 12) ruht, wenn und solange ein Pensionär im Staats-15 oder Kommunaldienst ein Diensteinkommen oder eine neue Pension bezieht, insoweit als der Betrag des neuen Einkommens unter Hinzurechnung der zuvor erdienten Pension den Betrag des von dem Beamten vor der Pensionierung bezogenen Dicnsteinkommens übersteigt. § 14. Betreffs der Anstellung, Besoldung und Pensionierung der Mitglieder des kollegialischen Gemeindevorstandes (Magistrats), sowie in Städten ohne kollegialischen Ge­ meindevorstand der Bürgermeister und deren Stellvertreter (zweite Bürgermeister, Bei­ geordnete), bewendet es bei den bestehenden Bestimmungen mit der Änderung, daß die Pension vom vollendeten zwölften Dienstjahre ab bis zum vierundzwanzigsten Dienstjahre alljährlich um 1/60 steigt.17 In der Provinz Hannover findet, unter entsprechender Aufhebung der Vorschrift des § 64 Abs. 2 der RevStOg. v. 24. Juni 1858 (HannGS. 141), auch auf die im Abs. 1 ge­ dachten Beamten die Berechnung der Pension nach Maßgabe des § 8 des G. v. 31. März 1882, betreffend die Abänderung des PensG. v. 27. März 1872 (GS. 1882, S. 133), AnWendung. § 15. Die Witwen und Waisen der pensionsberechtigten Beamten der Stadtgemeinden, einschließlich der im § 14 aufgeführten Beamten, erhalten — sofern nicht mit Genehmigung des Bezirksausschusses ein anderes festgesetzt ist18 — Witwen- und Waisengeld nach den für die Witwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten geltenden Vorschriften unter Zugrundelegung des von dem Beamten im Augenblick des Todes erdienten Pensionsbetrages; dabei tritt an die Stelle der für das Witwengeld bei unmittelbaren Staatsbeamten vorge­ schriebenen Höchstsätze der Höchstsatz von 2000 Mark. Auf das Witwen- und Waisengeld kommen die Bezüge, welche von öffentlichen Witwenund Waisenanstalten oder von Privatgesellschaften gezahlt werden, in demselben Verhältbesondere Vorschriften erlassen. Auch auf die Mitglieder des Gemeindevorstandes findet § 11 nach § 14 keine Anwendung. 13 und zwar sämtliche, auch die auf Kündigung angestellten, sofern sie die erforderlichen Dienstjahre zurückgelegt haben. 14 Diese Genehmigung des Bezirksausschusses ist auch erforderlich, um „nicht ruhegehaltsberechtigte Zulagen", die im Besoldungsetat ausgebracht sind, von der Anrechnung bei der Ruhegehaltsberech­ nung auszuschließen (PrVBl. 31, S. 273). 16 Das soll heißen, daß § 30 PensG. (Pensionierung der über 65 Jahre alten Beamten) auf Kom­ munalbeamte keine Anwendung findet, sofern seine Bestimmungen nicht gemäß § 12 Abs. 3 in Kraft gesetzt sind. 16 Auch in einem nichtpreußischen deutschen Bundesstaate, nicht aber im Reichsdienste. 17 Danach steigt die Pension mit dem 24. Dienstjahre auf 42/«o des Diensteinkommens, abgesehen von Hannover, Abs. 2. Im übrigen vgl. § 65 ff. öStOg. usw. 18 Solche abweichende Bestimmungen sollen nach AAnw. Art. IV Nr. 3 nur dann genehmigt werden, wenn sie für den Beamten günstiger sind.

13. Kommunalbeamtengesetz.

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nisse in Anrechnung, in welchem die Stadtgemeinde sich an den vertraglichen Gegenleistungen beteiligt hat. Als Beteiligung der Stadtgemeinde wird es auch, soweit die Zeit vor dem In­ krafttreten des G. in Betracht kommt, angesehen, wenn die Gegenleistung seitens des Be­ amten auf Grund ausdrücklicher, bei der Anstellung übernommener Verpflichtung oder anderweiter Festsetzungen erfolgt ist. § 16. Stadtgemeinden im Sinne dieses G. sind diejenigen Stätde, welche nach einer Städteordnung verwaltet werden, einschließlich der im § 1 Abs. 2 der StOg. für die sechs östlichen Provinzen v. 30. Mai 1853 (GS. 261) und der in §§ 94 ff. des G., betreffend die Verfassung unb Verwaltung der Städte und Flecken in Schleswig-Holstein v. 14. April 1869 (GS. 589), erwähnten Ortschaften und Flecken. § 17. Die in den vorstehenden Bestimmungen vorgesehenen Lrtsstatuten" unterliegen auch in den Städten von Neuvorpommern und Rügen der Genehmigung des Bezirksaus­ schusses. Beamte der Landgemeinden, der Landbürgermeistereien, Ämter, Zweck­ verbände und Amtsbezirke. § 18. Die Anstellungs-, Besoldungs- und Pensionsverhältnisse der Beamten der Land­ gemeinden, sowie die Ansprüche der Hinterbliebenen dieser Beamten auf Witwen- und Waisen­ geld können durch Ortsstatut geregelt werden. Hierbei gelangt für die Rheinprovinz und die Provinz Westfalen § 19 Nr. 2 zur Anwendung. Kommt ein derartiges Statut in größeren Landgemeinden, für welche nach ihren besonderen örtlichen Verhältnissen ein Bedürfnis ortsstatutarischer Regelung (Abs. 1) besteht, insbesondere städtischen Vororten, Jndustrieorten, Badeorten usw. nicht zustande, so kann auf Antrag der Aufsichtsbehörde der Kreisausschuß beschließen, ob und inwieweit die Be­ stimmungen der §§ 8 bis 10 und 12 bis 15 dieses G. auf die Beamten oder einzelne Klassen der Beamten derselben entsprechende Anwendung zu finden habend Bei Anwendung der vorgedachten Bestimmung tritt an die Stelle des Bezirksausschusses der Kreisausschuß. Der Beschluß des Kreisausschusses bleibt so lange in Geltung, bis durch Ortsstatut (Abs. 1) eine anderweite Regelung getroffen ist. Auf Antrag der Beteiligten oder der Aufsichtsbehörde beschließt der Kreisausschuß über die Festsetzung der Besoldungen und sonstigen Dienstbezüge der Landgemeinde­ beamten. 21 Die vorstehenden Bestimmungen gelten auch für die Beamten der Amtsbezirke und der auf Grund der §§ 128 ff. der LGO. für die sieben östlichen Provinzen v. 3. Juli 1891 (GS. 233), §§ 128 ff. der LGO. für Schleswig-Holstein v. 4. Juli 1892 (GS. 155), §§ 100 ff. der LGO. für Hessen-Nassau v. 4. Aug. 1897 (GS. 301) gebildeten Zweckverbände. § 19. Die Vorschriften der §§ 8 bis 15 dieses G. finden auf die Beamten der Bürgermeistereien in der Rheinprovinz und der Ämter in der Provinz Westfalen, sowie im Um­ fange der §§ 12 bis 15 auch auf die Gemeindeeinnehmer in diesen Provinzen mit folgenden Maßgaben sinnentsprechende Anwendung: 1. die Anstellung der Bürgermeister und Amtmänner, sowie die Festsetzung der Besoldung und Dienstunkostenentschädigung für diese Beamten und die Gemeindeeinnehmer (Amtseinnehmer) erfolgt nach den bisherigen Vorschriften; 2. im Falle der Pensionierung kommt bei der Berechnung der Dienstzeit auch die Zeit in Anrechnung, während welcher der zu pensionierende Beamte bei anderen Bürger­ meistereien (Amtsverbänden) oder Landgemeinden innerhalb der betreffenden Provinz angestellt gewesen ist; 3. an Stelle des Bezirksausschusses tritt überall der Kreisausschuß. 19 Über deren Erfordernisse s. Anm. zu § 11 öStOg., oben S. 130. 20 AAnw. Art. V Nr. 1. Aufsichtsbehörde ist der Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses. 21 Gegen den Beschluß des Kreisausschusses findet binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Bezirksausschuß statt, der endgültig entscheidet.

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IX. Abschn. Beamtenrecht.

§ 20. Für die Bürgermeistereien in der Rheinprovinz und die Ämter in der Provinz Westfalen kann die Anstellung besoldeter Beigeordneter durch die Bürgermeisterei- oder Amtsversammlungen beschlossen werden. Die Art der Ernennung und die Bedingungen der Anstellung regeln sich nach den die Landbürgermeister oder Amtmänner betreffenden Bestimmungen. Beamte der Kreis- und Provinzialverbände. § 21. Auf die Rechtsverhältnisse der Kreiskommunalbeamten finden die Vorschriften in §§ 8 bis 15 entsprechende Anwendung; an Stelle der ortsstatutarischen Regelung tritt die der Genehmigung des Bezirksausschusses unterliegende Beschlußfassung des Kreis­ tages. § 22. Hinsichtlich der Provinzialbeamten und der Beamten der Bezirksverbände der Regierungsbezirke Kassel und Wiesbaden sowie der Beamten des Lauenburgischen Landes­ kommunalverbandes bewendet es, unbeschadet der allgemeinen Bestimmungen dieses G., bei den bestehenden Vorschriften. Ge me in de forstbeamte. § 23. Die Rechtsverhältnisse der Gemeindeforstbeamten unterliegen der Regelung durch das vorliegende G. mit folgenden Maßgaben: 1. die §§ 8 bis 10 bleiben außer Anwendung; 2. die Bg., betreffend die den Gemeinden und öffentlichen Anstalten gehörigen Forsten in den Provinzen Westfalen, Kleve, Berg und Niederrhein v. 24. Dez. 1816 (GS. 1817, S. 57), § 15 des G. v. 14. Aug. 1876 (GS. 373) und das G., betreffend die Forstschutzbeamten der Gemeinden und öffentlichen Anstalten im Regierungsbezirk Wiesbaden, v. 12. Oft. 1897 (GS. 411) bleiben unberührt; 3. die Forstbeamten der Landgemeinden in der Rheinprovinz und in der Provinz West­ falen erhalten Pension und deren Witwen und Waisen Hinterbliebenenversorgung nach den Vorschriften der §§ 12 bis 15; dabei tritt an Stelle des Bezirksausschusses der Kreis­ ausschuß, und kommt im Falle der Pensionierung auch diejenige Zeit in Anrechnung, während deren der Beamte bei einer anderen Landgemeinde innerhalb der betreffen­ den Provinz als Forstbeamter angestellt gewesen ist. Schluß- und Übergangsbestimmungen. § 24. Ist die nach Maßgabe dieses G. zu bemessende Pension eines Beamten geringer als die Pension, welche ihm hätte gewährt werden müssen, wenn er am 31. März 1900 nach den bis dahin für ihn geltenden Bestimmungen pensioniert worden wäre, so wird diese letztere Pension an Stelle der ersteren bewilligt, jedoch unbeschadet der Feststellung des Witwenund Waisengeldes nach Maßgabe dieses G., soweit nicht auch in dieser Beziehung bereits erworbene Rechte bestehen. § 25. Die diesem Gesetze entgegenstehenden Bestimmungen treten außer Kraft. Ins­ besondere gilt dieses auch von den §§ 41 Abs. 3 und 47 der HannStOg. v. 24. Juni 1858 (HannGS. 141). Unberührt bleiben: 1. § 28 Abs. 2 bis 5 der KrOg. für die Provinz Westfalen v. 31. Juli 1886 (GS. 217) und § 27 Abs. 2 bis 6 der KrOg. für die Rheinprovinz v. 30. Mai 1887 (GS. 209), jedoch mit der Maßgabe, daß die Zahlungspflicht der Kassenverbände sich auch auf die den Beamten nach § 18 zustehenden Pensionen erstreckt. Im übrigen kann in den beiden genannten Provinzen durch Beschluß des Provinziallanvtages mit Genehmigung des Ministers des Innern der Kassenverband verpflichtet werden: a) auch diejenigen Pensionen von Beamten der Amtsverbände (Bürgermeistereien) und Landgemeinden zu zahlen, welche diesen im Wege der Einzelvereinbarung unter Beachtung der in den §§ 12 Abs. 1, 19 Nr. 2, 23 Nr. 3 oder 25 Abs. 2 Nr. lb festgestellten Grundsätze gewährt werden,

13. Kommunalbeamtengesetz.

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b) bei Zahlung der Pensionen auch diejenigen Beträge zu übernehmen, welche sich aus einer Anrechnung der von den Beamten im Reichs-, insbesondere im Mlitärdienste, im Staatsdienste oder im Dienste eines deutschen Kommunalverbandes oder einer anderen öffentlichen Korporation verbrachten Zeit ergeben. 2. §§ 81 bis 87 der LGO. für Hessen-Nassau v. 4. Aug. 1897 (GS. 301), § 84 indessen mit der Änderung, daß die Pension vom vollendeten 12. Dienstjahre ab bis zum 24. Dienst­ jahre alljährlich um V«o steigt. § 26. Das gegenwärtige Gesetz tritt am 1. April 1900 in Kraft.

X. Abschnitt.

Kirchenrecht. 1. Übersicht. 1794, Kodifikation des Kirchenrechts für Preußen im Allg. Landrecht Teil II, Tit. 11: Von den Rechten und Pflichten der Kirchen und geistlichen Gesellschaften, im Auszuge ab­ gedruckt nachstehend unter Nr. 2. 1803, 21. Nov., Allerh. Deklaration, betr. die religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen, s. unten bei § 40 ALR. II, 11. 1810, 30. Okt., Edikt über die Einziehung sämtlicher geistlicher Güter der Monarchie (GS. 1810/11, S. 32). Zusicherung künftiger Entschädigung und Dotierung der Pfarreien, Stiftungen und Klöster. 1817, Union der Lutheraner und Reformierten Preußens zur evangelischen Landes­ kirche durch Aufruf des Königs Friedrich Wilhelm III. v. 27. Sept. 1817, in mehreren Bundes­ staaten nachgeahmt. Errichtung des Ministeriums der geistlichen und Unterrichts-Angelegen­ heiten. 1821, 23. Aug., KabO., betr. die Königliche Sanktion der päpstlichen Bulle „de salute animarum“, v. 16. Juli 1821 (GS. 113). Die Bulle enthält Bestimmungen über Abgren­ zung, Dotation und Besetzung der Bistümer der alten Provinzen Preußens. Die Bischofswahl ist ein Recht der Domkapitel; nach dem gleichzeitigen „Breve quod de fidelium“ soll aber keine persona Regi minus grata (aus einer der Staatsregierung ein­ zureichenden Liste) gewählt werden. — Bei Besetzung der Domkapitel alternieren grund­ sätzlich Papst und Bischof, in den päpstlichen (ungeraden) Monaten aber ernennt der König. Ferner gelten: Für Hannover die Bulle „Impensa Romanorum“ von 1824: Die Regie­ rung muß mindestens zwei Kandidaten auf der Vorschlagsliste für die Bischofswahl belassen; und für die oberrheinische Kirchenprovinz die Bulle „Ad dominici gregis custodiam“ von 1827: personae minus gratae sind bei der Bischofswahl ausgeschlossen. — Bei den Wahlen zur Besetzung der Domkapitel in Hannover und der oberrheinischen Kirchenprovinz alter­ nieren Bischof und Kapitel, und zwar unter den der Regierung vorgeschlagenen und nicht abgelehnten Kandidaten. 1835, 5. März, Kirchenordnung für die evangelischen Gemeinden der Provinz West­ falen und der Rheinprovinz (v. Kamptz, Ann. 19, S. 105). 1845, 27. Juni, Verordnungen, betr. die Ressortverhältnisse der Provinzial­ behörden für das evangelische Kirchenwesen (GS. 440) und in katholisch-kirchlichen Angelegenheiten (GS. 443): Abgrenzung der Befugnisse der Konsistorien von denen der Bezirksregierungen. — Die Ausübung des landesherrlichen jus circa sacra der katholischen Kirche durch die Oberpräsidenten umfaßt auch das Bestätigungsrecht bei geistlichen Stellen bischöflicher Übertragung oder Privatpatronats und die Ausübung des landesherrlichen Er­ nennungsrechts. Den Regierungen verbleibt namentlich die Ernennung und Bestätigung der weltlichen Kirchenbedienten. 1850, 31. Jan., Verfassungs-Urkunde, s. Abschn. I Nr. 2. Die VerfU. unterscheidet Religionsgesellschaften (die beiden besonders privilegierten und die mit einfachen Korpora-

1. Übersicht.

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tionsrechten ausgestatteten) und geistliche Gesellschaften (Stifter, Klöster, Orden). Die Art. 15, 16 und 18 sind aufgehoben durch G. v. 18. Juni 1875. Die verfassungsmäßige Reli­ gionsfreiheit wird ergänzt durch 1869, 3. Juli, BG., bett. die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürger­ licher und staatsbürgerlicher Beziehung (BGBl. 292). Unter Konfessionen hier auch die mosaische Religion zu verstehen. 1869—1870, Vatikanisches Konzil: Verkündung des unfehlbaren Lehramtes des Papstes de fide vel moribus. Folge: Bildung altkatholischer Kirchengemeinden in Deutsch­ land und der Schweiz, s. G. v. 4. Juli 1875. 1871, Aufhebung der im preuß. Kultusministerium seit 1841 bestehenden gesonderten Ab­ teilungen für die evangelischen und die katholischen Kirchenangelegenheiten: Eine Abteilung für die geistlichen Angelegenheiten. — Beginn der sog. Kulturkampf-Gesetzgebung in Preußen und anderen deutschen Bundesstaaten. 1872, 27. April, G., betr. die Ablösung der den geistlichen und Schulinsütuten sowie den frommen und milden Stiftungen zustehenden Realberechtigungen (GS. 417), er­ gänzt durch G. v. 15. März 1879 (GS. 123): Entschädigung durch den Geldwert einer ent­ sprechenden Roggenrente nach dem Normalmarktpreise oder Ablösung durch Kapitalisierung des Jahreswertes. Verfahren nach dem AblösungsG. v. 2. März 1850, s. Abschn. VI, Nr. 1. 1872, 4. Juli, RG., betr. den Orden der Gesellschaft Jesu, sog. JesuitenG. (RGBl. 253), mit Einschränkung v. 8. März 1904 (RGBl. 139): Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Kongregationen sind vom Reichsgebiete ausgeschlossen, Niederlassungen untersagt. Unter den Begriff der verbotenen Ordenstätigkeit fällt nach Bundesr. -Beschluß v. 28. Nov. 1912 (RGBl. 553) jede priesterliche oder sonstige religiöse Tätigkeit sowie Ertei­ lung von Unterricht, nicht aber das Lesen stiller Messen und wissenschaftliche Vorträge. 1873,11. Mai, G. über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen (GS. 191), wiederholt abgeändert: Ein geistliches Amt darf nur einem Deutschen übertragen werden, der seine wissenschaftliche Vorbildung nach dem Gesetze dargetan und gegen dessen Anstellung nicht Einspruch von der Staatsbehörde erhoben ist. Verpflichtung der geistlichen Oberen zur Benennung des Kandidaten vor dauernder Besetzung des Amtes, Einspruchsrecht des Oberpräsidenten binnen 30 Tagen, außer wenn die Anstellung durch Behörden erfolgt, deren Mitglieder sämtlich vom Könige ernannt werden. 1873, 14. Mai, G., betr. den Austritt aus der Kirche (GS. 207), anwendbar auf alle Religionsgemeinschaften mit Korporationsrechten, also auch der mosaischen Religion: Austritt erfolgt durch Erklärung zu Protokoll des Richters; dadurch Befreiung von persön­ lichen Leistungen mit Ablauf des nächsten, von Leistungen zu außerordentlichen Bauten mit Ablauf des zweitfolgenden Kalenderjahres. — Für den Austritt aus einzelnen Synagogen­ gemeinden gilt G. v. 28. Juli 1876 (GS. 353). 1873, 10. Sept., Kirchengemeinde- und Synodalordnung für die sieben östlichen Provinzen, abgedr. nachstehend unter Nr. 3: Regelung der kirchlichen Selbstverwaltung durch Gemeindekirchenrat und Gemeindevertretung, Kreissynode mit Kreissynodalvorstand, Provinzialsynode mit Provinzialsynodalvorstand. 1874,20. Mai, G. überdie Verwaltung erledigter katholischer Bistümer (GS. 135), mehrfach abgeändert, zum Teil aufgehoben: Bischöfliche Rechte (abgesehen von Güterver­ waltung) dürfen bis zur Einsetzung eines staatlich anerkannten Bischofs nur nach Mitteilung an den Oberpräsidenten, der binnen zehn Tagen Einspruch erheben kann, ausgeübt werden. 1875, 31. Mai, G., betr. die geistlichen Orden und ordensähnlichen Kongregationen der katholischen Kirche (GS. 217), mehrfach abgeändert: Grundsätzlich vom Staatsgebiete ausgeschlossen; wieder zugelassen sind die Orden, die der Krankenpflege, der Leitung bestimm* ter gemeinnütziger Anstalten (Waisen-, Armen-, Rettungshäuser u. a.), der Aushilfe in der Seelsorge, der Übung christlicher Nächstenliebe, dem Unterrichte in höheren Mädchenschulen, beschaulichem Leben der Mitglieder gewidmet sind. Reich elt, Berwaltungsgesetzbuch.

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X. Abschn. Kirchenrecht.

1875, 20.Juni, G. über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchen­ gemeinden, abgedr. nachstehend unter Nr. 6, nebst Kgl. Vg. über die Aufsichtsrechte des Staats dabei v. 30. Jan. 1893, s. nachstehend bei Nr. 6. 1875, 4. Juli, G., betr. die Rechte der altkatholischen Kirchengemeinschaften an dem kirchlichen Vermögen (GS. 333), regelt die Mitbenutzung des katholischen Kirchenver­ mögens seitens der Altkatholiken, ev. Gebrauchsteilung nach bestimmten Objekten. 1876, 20. Jan., General-Synodalordnung für die evangelische Landeskirche der neun älteren Provinzen (GS. 8): Generalsynode als oberste Vertretung der Landes­ kirche und zur Mitwirkung bei der landeskirchlichen Gesetzgebung, besteht aus 150 von den einzelnen Provinzialsynoden, 6 von den evangelisch-theologischen Universitätsfakultäten zu wählenden und 30 vom Könige zu ernennenden Mitgliedern sowie den Generalsuperinten­ denten. Regelmäßig alle sechs Jahre vom Könige berufen, wählt sie für ihre Tagung ihr Präsidium und für die Synodalperiode von sechs Jahren den Generalsynodalvorstand (in gewissen Fällen mit dem Evangel. Oberkirchenrate zusammenwirkend) und 18 Mitglieder, die zusammen mit dem Generalsynodalvorstande den Generalsynodalrat (jährlich vom Evangel. Oberkirchenrate zu gemeinsamer Beratung berufen) bilden. 1876, 3. Juni, G., betr. die evangelische Kirchenverfassung in den neun älteren Provinzen (GS. 125), sog. Kirchenverfassungsgesetz, abgedr. nachstehend unter Nr. 4. 1876, 7. Juni, G. über die Aufsichtsrechte des Staats bei der Vermögensverwal­ tung in den katholischen Diözesen (GS. 149) nebst gleichnamiger Vg. v. 30. Jan. 1893 (GS. 11): Betrifft auch Anstalten, Stiftungen, Fonds, die nicht unter G. v. 20. Juni 1875 fallen. Staatliche Genehmigung zu allen wichtigeren Verwaltungsmaßnahmen und den Etats solcher Verwaltungen erforderlich, die Zuschüsse aus Staatsmitteln bekommen. Recht der staatlichen Aufsichtsbehörde, Einsicht von der Jahresrechnung zu nehmen. Zuständig der Min. d. geistl. Angel., in einzelnen Fällen mit den Min. d. Innern und der Finanzen, für die Prüfung der Jahresrechnung solcher Verwaltungen, deren Etat der Genehmigung bedarf, die Oberrechnungskammer, im übrigen der Oberpräsident. 1876, 9. Sept., Vg. über die Ausübung der Rechte des Staats gegenüber der Landeskirche der neun älteren Provinzen, abgedr. nachstehend unter Nr. 5. 1886, 16. Juli, Kircheng., betr. die Dienstvergehen der Kirchenbeamten und die un­ freiwillige Versetzung derselben in den Ruhestand (Kirchl. GBl. 81) mit Nov. v. 18. Jan. 1904 (ebenda S. 2): Anwendbar auf alle geistlichen und nichtgeistlichen evangel. Kirchenbeamten, nicht aber auf Mitglieder kirchlicher Selbstverwaltungskörper. Disziplinarbehörden: Konsisto­ rium und Evangel. Oberkirchenrat. 1893, 17. Juni, Verwaltungsordnung für das kirchliche Vermögen in den östlichen Provinzen der Landeskirche (Kirchl. GBl. 23): Vermögensrechtliche Vertretung der Kirchengemeinde durch den Gemeindekirchenrat unter Aufsicht des Konsistoriums, in einzelnen Fällen unter Mitwirkung der Gemeindevertretung. Bestellung eines besonderen Rendanten. Rechnungsabnahme durch den Gemeindekirchenrat, bei Einnahmesoll von 900 M unter Mitwirkung der Gemeindevertretung. Weitere Prüfung durch den Kreissynodal-Rechnungs­ ausschuß. 1903,29. Mai, G., betr. die Bildung von Gesamtverbänden in der katholischen Kirche (GS. 179): In Ortschaften, die mehrere nicht unter einem gemeinsamen Pfarramte verbundene Kirchengemeinden umfassen, können durch die bischöfliche Behörde mit Ge­ nehmigung der Staatsbehörde Gesamtverbände gebildet werden, denen bestimmte gemein­ same Verwaltungs- und Vermögensbefugnisse übertragen werden können. Dazu Kgl. Vg. über die Ausübung der Rechte des Staats gegenüber diesen Gesamtverbänden v. 4. Jan. 1904 (GS. 1). 1905, 14. Juli, G., betr. die Erhebung von Kirchensteuern in den Kirchenge­ meinden und Parochialverbänden der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen, nebst gleichnamigem KirchenG. und Kgl. Ausf.-Vg. v. 23. März 1906, abgedr. nachstehend unter Nr. 7.

1. Übersicht.

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1905,14. Juli, G., betr. die Erhebung von Kirchensteuern in den katholischen Kirchengemeinden und Gesamtverbänden, nebst Kgl. Ausf.-Bg. v. 23. März 1906, abgebt, nachstehend unter Nr. 7. - 1906, 21. März, ©., betr. die Erhebung von Abgaben für kirchliche Bedürfnisse der Diözesen der katholischen Kirche in Preußen (GS. 105): Bischöfliche Behörde kann alljährlich eine Umlage bis zu 3 % der Staatseinkommensteuer erheben, bei mehr als 1 % nur mit Bestätigung des Staatsministeriums. Im übrigen entsprechende Anwendung des G., betr. die Bildung kirchlicher Hilfsfonds für neu zu errichtende kathol. Pfarrgemeinden v. 29. Mai 1903 (GS. 182). 1909, 26. Mai, Gesetze, betr. die Pfarrbesoldung, das Ruhegehaltswesen und die Hinterbliebenenfürsorge für die Geistlichen der evangel. Landeskirchen, nebst Satzungen, betr. die Alterszulagekasse für evangel. Geistliche, betr. die Ruhegehaltskasse für evangel. Geistliche und betr. den Pfarr-Witwen- und -Waisenfonds (GS. 113 ff., 123 ff., 212 ff. und 284 ff.). 1909, 26. Mai, G., betr. das Diensteinkommen der kathol. Pfarrer (GS. 343). Die evangel. Pfarrstelleninhaber erhalten Grundgehalt, Alterszulagen, Dienstwohnung oder Mietentschädigung, die kathol. Mindeststelleneinkommen, Alterszulagen, nötigenfalls besondere Ortszulagen, Dienstwohnung oder Mietentschädigung; widerrufliche Staatsbei­ hilfen an leistungsunfähige Gemeinden.

2. Allgemeines Landrecht Tettll, Titel 11: von den Rechten und Pflichten der Kirchen und geistlichen Gesellschaften? § 1. Die Begriffe der Einwohner des Staats von Gott und göttlichen Dingen, der Glaube und der innere Gottesdienst können kein Gegenstand von Zwangsgesetzen sein. § 2. Jedem Einwohner im Staat muß eine vollkommene Glaubens- und Gewissens­ freiheit gestattet werden? § 11. Religionsgesellschaften, welche sich zur öffentlichen Feier des Gottesdienstes ver­ bunden haben, werden Kirchengesellschaften genannt. § 12. Diejenigen, welche zu gewissen andern besonderen Religionsübilngen vereinigt sind, führen den Namen der geistlichen Gesellschaften? § 13. Jede Kirchengesellschaft ist verpflichtet, ihren Mitgliedern Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat, und sitüich gute Gesinnung gegen ihre Mitbürger einzuflößen. § 17. Die vom Staat ausdrücklich aufgenommenen Kirchengesellschaften haben die Rechte privilegierter Korporationen? § 18. Die von ihnen zur Ausübung ihres Gottesdienstes gewidmeten Gebäude werden Kirchen genannt, und sind als privilegierte Gebäude des Staats anzusehen. § 19. Die bei solchen Kirchengesellschaften zur Feier hes Gottesdienstes und zum 1 DaS ALR. bildet heute noch die Grundlage des Kirchenrechts in Preußen, ist aber durch die neuere Gesetzgebung vielfach durchbrochen, weshalb hier nur die Bestimmungen von fort­ dauernder Geltung und verwaltungsrechtlicher Bedeutung abgedruckt sind. Bon besonderer Be­ deutung sind die Bestimmungen über Patronat (§§ 327 ff., 568 ff.) und Kirchenbaulast (§§ 699 ff.). 8 Bgl. jetzt Art. 12 BerfU. und G. v. 3. Juli 1869, oben bei Nr. 1. 3 Stifter, Klöster, Orden. Die BerfU. unterscheidet Religionsgesellschaften und geistliche Gesellschäften. 4 Die etxmgdifdp und katholische Kirche. Ihre bevorzugte Stellung besteht in der bevorrech­ tigten Eigenschaft ihrer gottesdienstlichen Gebäude und besonderen staatlichen Berücksichügung ihres Gottesdienstes fotme Steuervorrechten und Vorrecht bei Konkursforderungen. Einfache Kor­ poration-rechte haben die Herrnhuter, Reformierten niederländischer Konfession, Altlutheraner, Mennoniten, Baptisten, die jüdischen Synagogengemeinden. Der Begriff „geduldete Gesellschaften" ist überlebt.

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X. Abschn. Kirchenrecht.

Religionsunterricht bestellten Personen haben mit andern Beamten im Staat gleiche Rechte? § 20. Eine Religionsgesellschaft, welche der Staat genehmigt, ihr aber die Rechte öffentlich aufgenommener Kirchengesellschaften nicht beigelegt hat, genießt nur die Befugnis ge­ duldeter Gesellschaften. (Tit. 6 § 11 ff.) § 25. Ihr ist nicht gestattet, sich der Glocken zu bedienen---------§ 26. Tie von ihr zur Feier ihrer Religionshandlungen bestellten Personen genießen, als solche, keine besonderen persönlichen Rechte. § 32. Tie Privat- und öffentliche Religionsübung einer jeden Kirchengesellschaft ist der Oberaufsicht des Staats unterworfen? § 33. Der Staat ist berechtigt, von demjenigen, was in den Versammlungen der Kirchen­ gesellschaft gelehrt und verhandelt wird, Kenntnis einzuziehen. § 34. Die Anordnung öffentlicher Bet-, Dank- und anderer außerordentlichen Festtage hängt allein vom Staate ab? § 35. Inwiefern die bereits angeordneten Kirchenfeste mit Einstellung aller Handarbeiten und bürgerlichen Gewerbe begangen werden sollen oder nicht, kann nur der Staat bestimmen? § 40. Jedem Bürger des Staats, welchen die Gesetze fähig erkennen, für sich selbst zu urteilen, soll die Wahl der Religionspartei, zu welcher er sich halten will, freistehen^ (Tit. 2, §§ 74 ff.)Geistliche. § 59. Diejenigen, welche bei einer christlichen Kirchengemeine zum Unter­ richt in der Religion, zur Besorgung des Gottesdienstes, und zur Verwaltung der Sakramente bestellt sind, werden Geistliche genannt? § 66. Die besonderen Rechte und Pflichten eines katholischen Priesters, in Ansehung seiner geistlichen Amtsverrichtungen, sind durch die Vorschriften des Kanonischen Rechts; der protestantischen Geistlichen aber durch die Konsistorial- und Kirchenordnungen bestimmt. § 80. Was einem Geistlichen unter dem Siegel der Beichte oder der geistlichen AmtsVerschwiegenheit anvertraut worden, das muß er, bei Verlust seines Amtes, geheim halten. § 81. Auch zum gerichtlichen Zeugnisse über den Inhalt solcher Eröffnungen kann ein Geistlicher ohne den Willen desjenigen, der ihm dieselben anvertraut hat, nicht aufgefordert werden?o § 82. Soweit aber die Offenbarung eines solchen Geheimnisses notwendig ist, um eine dem Staat drohende Gefahr abzuwenden oder ein Verbrechen zu verhüten oder den schäd­ lichen Folgen eines schon begangenen Verbrechens abzuhelfen oder vorzubeugen, muß der Geistliche dasselbe der Obrigkeit anzeigen." 6 Heute sind die Geistlichen, sofern sie nicht an einer staatlichen Anstalt angestellt sind, nicht ein­ mal mittelbare Staatsbeamten; sie bekleiden kein öffentliches Amt im Sinne der §§ 31 ff., 132 StGB. (Reichsg. Str. 10, S. 199), sind aber nach § 196 StGB, gegen Beleidigung besonders geschützt. Konflikt (G. v. 13. Febr. 1854) kann zu ihren Gunsten nicht erhoben werden. 6 D. h. den staatlichen Hoheitsrechten, jura circa sacra. 7 D. h. die Bestimmung kirchlicher Feiertage mit bürgerlicher Wirkung. 8 ebenso die Bestimmung über die religiöse Erziehung seiner Kinder. Kinder aus gemischter Ehe sind nach der Allerh. Deklaration v. 21. Nov. 1803, sofern die Eltern nichts anderes vereinbaren, in der Religion des Vaters zu erziehen; zu Abweichungen darf kein Ehegatte den an­ deren verpflichten. Hat der verstorbene Ehegatte aber ein Kind das ganze letzte Jahr vor seinem Tode in dem Glauben des anderen Ehegatten unterrichten lassen, so muß dieser Unterricht bis zum vollendeten 14. Jahre (Diskretionsalter) fortgesetzt werden (§ 82 ALN. II, 2). Kinder von Dissi­ denten, die aus der Kirche ausgeschieden sind, haben gleichwohl an dem Religionsunterrichte der öffentlichen Volksschule, als einem Teile des allgemeinen Schulunterrichts, teilzunehmen (MErl. v. 16. Jan. 1892 und Entsch.Kammerg. v. 17. April 1893, ZentrBl. Unten. 435 und 662). 9 Diese Bezeichnung hat rechtlich ausschließenden Charakter. So steht die nach § 1 Nr. 3 Vg. v. 23. Sept. 1867 (oben Abschn. IX Nr. 12) den Geistlichen zugebilligte Gemeindesteuerfreiheit den Rabbinern nicht zu. 10 Vgl. § 348 ZPO. und § 52 StPO. — 11 Vgl. § 139 StGB.

2. Allg. Landrecht II, 11.

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§ -A. Geistliche dürfen weder für sich selbst, noch durch die in ihrem Hause lebende Familie, Kaufmannschaft oder bürgerliche Gewerbe treiben.12 § 96. Die Geistlichen der vom Staate privilegierten Kirchengesellschaften sind der Regel nach von den persönlichen Lasten und Pflichten des gemeinen Bürgers frei.13 § 99. Nach den Gesetzen behalten sowohl alle protestantischen als die katholischen Welt­ geistlichen die freie Disposition über ihr Vermögen. § 100. Auch dasjenige, was sie aus den Einkünften ihres geistlichen Amtes erworben haben, gehört zu ihrem freien Eigentum. VondenObern. § 113. Die dem Staate über die Kirchengesellschaften nach den Gesetzen zukommenden Rechte werden von dem geistlichen Departement insofern verwaltet," als sie nicht dem Oberhaupte des Staats ausdrücklich vorbehalten sind. § 114. Außerdem aber stehen die Kirchengesellschaften einer jeden vom Staate aufge­ nommenen Religionspartei unter der Direktion ihrer geistlichen Obern. § 115. Bei den katholischen Glaubensgenossen ist der Bischof der gemeinschaftliche Vor­ gesetzte aller Kirchengesellschaften des ihm angewiesenen Distrikts. § 121. Dem Bischof gebührt die Aufsicht über die Amtsführung, Lehre und Wandel der seiner Diözese unterworfenen Geistlichen. § 123. Der Bischof ist berechtigt, bei den Kirchen seiner Diözese, so oft er es nötig findet, Visitationen vorzunehmen. § 124. Die Rechte der Kirchenzucht gebühren nur dem Bischof. § 126. Geistliche katholischer Religion, die sich in ihrer Amtsführung grober Vergehen schuldig gemacht haben, müssen nach dem Erkenntnisse des geistlichen Gerichts bestraft werden.13 § 134. Alle Obern der Geistlichkeit sind dem Staat zur vorzüglichen Treue und Gehorsam verpflichtet. § 135. Kein auswärtiger Bischof oder anderer geistlicher Obere darf sich in Nrchensachen eine gesetzgebende Macht anmaßen. § 138. Ist dergleichen auswärtigen Obern eine Direktion oder Gerichtsbarkeit innerhalb der Grenzen des Staats zugestanden, so müssen sie, zu deren Verwaltung, einen vom Staate genehmigten Vikarius innerhalb Landes bestellen. § 147. Mediatkonsistoria, wo dergleichen vorhanden sind,13 stehen der Regel nach unter der Aufsicht des Oberkonsistoriums der Provinz. § 150. Superintendenten, Inspektoren und Erzpriester sind untergeordnete Aufseher einzelner Diözesen oder Kreise. § 161. Sie stehen unter der Direktion des Bischofs oder der Konsistorien und werden von denselben unter Genehmigung des Staates ausgewählt und bestellt. Kirchenvermögen. § 160. Zu dem Vermögen der Kirchengesellschaften gehören die Gebäude, liegende Gründe, Kapitalien und alle Einkünfte, welche zur anständigen Unter» 12 Auch Nebenämter dürfen sie nur mit Genehmigung übernehmen. 18 Sie sind befreit von Gemeinde-, Kreis- und Provinzialabgaben, kirchlichen Abgaben, Einquartierungslast und Naturalleistungen für die bewaffnete Macht; sie genießen die Vorrechte der Beamten bei der Zwangsvollstreckung; dagegen können sie nicht Schöffen, Geschworene und Mitglieder kommunaler Körperschaften werden. Wegen der Wehrpflicht s. RMilG. §§ 20 ff. und RG. v. 8. Febr. 1890 (RGBl. 23). 14 Heute vom Mn. der geistlichen Angelegenheiten, Ober- und Regierungspräsidenten, welche die staatlichen Hoheitsrechte, jura circa sacra, zu vertreten haben. Daneben bestehen in der evangel. Kirche die Behörden des Kirchenregiments, Evangel. Oberkirchenrat und Konsistorien. Der Träger des Kirchenregiments aber ist der König. 16 innerhalb der Grenzen der G. v. 12. und 13. Mai 1873 (GS. 198 und 205). 16 Die Fürstlich Stolbergischen zu Wernigerode, Stolberg und Roßla sowie die städtischen zu Breslau und Stralsund.

982

X. Abschn.

Kirchenrecht.

Haltung des äußeren Gottesdienstes für jede Kirchengemeine nach deren Verfassung be­ stimmt ist. § 1kl. Das Kirchenvermögen steht unter der Oberaufsicht und Direktion des Staats?7 § 162. Der Staat ist berechtigt, daraus zu sehen, daß die Einkünfte der Kirchen zweckmäßig verwendet werden. § 171. Auch durch Veränderung ihrer Religionsgrundsätze verliert eine Kirchengesellschaft nicht das Eigentum der ihr gewidmeten Kirchengebäude. § 173. Kirchengebäude, soweit sie zur Feier des Gottesdienstes und zu gottesdienstlichen Handlungen bestimmt sind, dürfen ohne die Einwilligung der Gemeine zu anderen Zwecken nicht gebraucht werden. § 174. Die Kirchengebäude sind von den gemeinen Lasten des Staates frei und genießen alle Vorrechte der dem Staat zustehenden öffenüichen ©ebaube.18 § 179. Kirchengesäße und andere zum unmittelbaren gottesdienstlichen Gebrauche ge­ widmete Sachen haben mit den Kirchengebäuden, der Regel nach, gleiche Rechte. § 180. Solche Gerätschaften können in der Regel nur wegen einer dringenden Not­ wendigkeit, unter Genehmigung des Staats und der geistlichen Obern, veräußert werden?8 Kirchhöfe. § 183. Kirchhöfe oder Gottesäcker und Begräbnisplätze, welche zu den einzelnen Kirchen gehören, sind der Regel nach das Eigentum der Kirchengesellschaften. § 185. Bei Verlegungen der Begräbnisplätze können diejenigen, welche bisher erbliche Familienbegräbnisse in den Kirchen besessen haben, die unentgeltliche Anweisung eines schicklichen Platzes dazu auf dem neuen Kirchhofe fordern. § 186. Ohne Anzeige bei den geistlichen Obern sollen Leichen anderswo als auf einem öffentlichen Kirchhofe nicht begraben toctben.20 § 189. Auch die im Staate aufgenommenen Kirchengesellschaften der verschiedenen Religionsparteien dürfen einander wechselsweise, in Ermangelung eigener Kirchhöfe, das Begräbnis nicht versagen. § 190. Wo ein Kirchhof erweislich nicht der Kirchengesellschaft, sondern der Stadt- oder Dorfgemeine gehört,28 da kann jedes Mitglied der Gemeine, ohne Unterschied der Religion, auch auf das Begräbnis daselbst Anspruch machen. § 191. Das bei einer Kirche befindliche Geläute ist in der Regel als ein Eigentum der Kirchengesellschaft anzusehen. § 192. Wo nach Verträgen oder hergebrachter Observanz auch eine andere Gemeine oder Religionspartei auf den Gebrauch desselben Anspruch machen kann, da kann dennoch dieser Mitgebrauch während des Gottesdienstes der Kirchengesellschaft, welchem die Glocken gehören, nicht verlangt werden. Parochie. § 237. Derjenige Distrikt, in welchem Glaubensverwandte einer vom Staate öffentlich aufgenommenen Religionspartei 51t einer gemeinschaftlichen Kirche angewiesen sind, wird eine Parochie genannt. § 238. Neue Parochien können nur vom Staate, unter Zuziehung der geistlichen Obern, errichtet21 und die Grenzen derselben bestimmt werden. § 239. Bei Veränderungen in schon errichteten Parochien muß der Staat alle diejenigen, 17 Kgl. Vg. v. 9. Sept. 1876 (nachstehend Nr. 5) und für die kathol. Vermögensverwaltung G. v. 20. Juni 1875 (nachstehend Nr. 6) und 7. Juni 1876 (oben bei Nr. 1). 18 Vgl. insbesondere § 24 KAbgG. 18 Heute ist die staatliche Genehmigung erforderlich zur Veräußerung von Gegenständen, die einen geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Kunstwert haben.

20 Vgl. hierzu und zu der Behandlung kirchlicher und kommunaler Begräbnisplätze § 764 und Anm. dazu. 21 oder aufgehoben werden (§ 806), auch gegenüber der kathol. Kirche. Für die evangel. Kirche bestimmt Art. 23 Nr. 6 G. v. 3. Juni 1876 die Mitwirkung der Staatsbehörden, da die parochiale Einteilung in erster Linie dem Kirchenregiment zusteht.

2. Allg. Landrecht II, 11

983

welche ein Interesse dabei haben, rechtlich hören und die ihnen etwa zukommenden Ent­ schädigungen festsetzen. § 240. Mle dergleichen Streitigkeiten, sowie diejenigen, welche über die Grenzen zwischen zweien oder mehreren Parochien entstehen, müssen von der weltlichen Obrigkeit durch den ordentlichen Weg Rechtens entschieden werden. § 241. Sind die Grenzen eines Kirchspiels in öffentlichen Urkunden deutlich bestimmt, so findet dagegen die gewöhnliche Verjährung nicht statt. § 242. Fehlt dergleichen deuüiche Bestimmung, so muß die bisherige Gewohnheit, zu welcher Kirche die Bewohner der streitigen Grundstücke sich in den letzten zehn Jahren gleich­ förmig gehalten haben, den Ausschlag geben. Tochter- und Mutterkirchen. § 244. Zum Gebrauche einer Parochie können mehrere Kirchen errichtet sowie mehrere Parochien zu einer Kirche oder unter einem gemeinschaftlichen Pfarrer zusammengeschlagen werden. § 246. Wenn in einer Parochie, außer der Haupt- und ursprünglichen Pfarrkirche, mehrere Nebenkirchen in entlegenen Gegenden, zur Bequemlichkeit der daselbst wohnhaften Eingepfarrten errichtet worden, so werden dieselben Tochterkirchen genannt.22 § 246. Wenn aber, nach Erfordernis der Umstände und um die Kosten zur Unterhaltung des öffentlichen Gottesdienstes zu erleichtern, mehrere Parochien und deren Kirchen zusammen­ geschlagen werden, so heißen dieselben vereinigte Mutterkirchen. § 247. Bon dergleichen zusammengeschlagenen Mutterkirchen behält jede ihre ursprünglichen Rechte, und sie können, nach Beschaffenheit der Umstände, unter Genehmigung der geistlichen Obern wieder getrennt werden. § 248. Es ändert darunter nichts, wenn gleich derjenigen Kirche, bei welcher der Prediger nicht wohnt, im gemeinen Sprachgebrauche der Name Tochterkirche beigelegt worden. § 249. Eigentliche Tochterkirchen aber sind von der Haupt- oder Mutterkirche abhängig und können sich von ihr ohne Genehmigung der Hauptgemeine nicht trennen.22 § 260. Im zweifelhaften Falle streitet die Vermutung gegen die Eigenschaft einer Tochter­ kirche. § 261. Wenn erhellt, daß die eine Kirche aus den Mitteln der andern errichtet oder dotiert worden, so ist dies zum Beweise, daß jene eine Tochterkirche von dieser sei, wenn nicht das Gegenteil aus den vorhandenen Urkunden klar erhellt, hinreichend. § 252. Inwiefern die vereinigten Kirchen zum Unterhalte des gemeinschaftlichen Pfarrers und seiner Gehilfen beitragen müssen, beruht hauptsächlich auf Verträgen, und ist in deren Ermangelung durch die hergebrachte Verfassung einer jeden Kirche bestimmt. § 260. Wer innerhalb eines Kirchspiels seinen ordentlichen Wohnsitz aufgeschlagen hat,22 ist zur Parochialkirche des Bezirks eingepfarrt. § 261. Doch soll niemand bei einer Parochialkirche von einer andern als derjenigen Reli­ gionspartei, zu welcher er sich selbst bekennt, zu Lasten oder Abgaben,2* welche aus der Parochialverbindung fließen, angehalten werden, wenn er gleich in dem Pfarrbezirke wohnt oder Grundstücke darin besitzt. § 262. Wer noch keinen beständigen Wohnsitz hat, wird als Eingepfarrter derjenigen Parochie, zu welcher seine Eltern gehört haben, betrachtet. § 264. Wer einen doppelten Wohnsitz hat, ist bei der Parochialkirche eines jeden der­ selben als Eingepfarrter verpflichtet. 22 Kgl. Bg. v. 2. Mai 1811 wegen allgemeiner Separation der Küstereien an Filialkirchen von den Küstereien an den Mutterkirchen, abgedruckt unter Abschn. XI Nr. 2. 23 Wohnsitz: § 7 BGB. Eingepfarrte können nur physische Personen sein. 24 Abgaben persönlicher Natur; zu etwaigen Abgaben dinglicher Natur, z. B. Reallasten, sind auch Andersgläubige, Forensen und juristische Personen verpflichtet.

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X. Abschn.

Kirchenrecht.

§ 265. In Ansehung seiner Grundstücke trägt er die Lasten der Parochialverbindung nur bei derjenigen Kirche, in deren Psarrbezirk die Grundstücke liegen. § 266. Bei Trauungen, Taufen und anderen kirchlichen Handlungen, die zu gleicher Zeit nur an einem Orte vorgenommen werden können, hat er die Wahl, welcher von beiden Kirchenanstalten er sich bedienen wolle. § 267. Hat jemand an einem Lrte, wo mehrere Parochien seiner Religionspartei sind, seinen Wohnsitz aufgeschlagen, so bestimmt die Lage des Hauses, in dem er wohnt, die Parochie, zu welcher er gehört. § 269. Die Frau gehört zur Parochie des Mannes nur insofern, als sie mit ihm einerlei Glaubensbekenntnisse zugetan ist. § 272. Kinder, die noch unter der Eltern Gewalt stehen, gehören zur Parochie desjenigen von den Eltern, in dessen Glaubensbekenntnisse sie unterrichtet worden oder dessen ReligionsPartei sie gewählt haben.23 Exemtionen von der Parochie.20 § 278. Sämtliche zum Militärstande gehörende Personen sind der ordentlichen Parochie ihres Wohnortes oder Standquartiers nicht unter­ worfen. § 280. Besitzen sie aber Grundstücke, so müssen von diesen die Parochiallasten an die Kirche ihrer Religionspartei, in deren Bezirke die Grundstücke liegen, entrichtet werden. § 293. Einzelne Einwohner des Staats,2? welche nach obigen Grundsätzen weder zu einer Parochie gehören, noch vom Pfarrzwange ausdrücklich eximiert sind, müssen eine Kirche ihrer Religionspartei wählen, zu welcher sie sich halten wollen. § 306. Die unter Genehmigung des Staats einmal bestehenden Parochien können ohne dergleichen Genehmigung nicht wieder aufgehoben toetben.21 § 307. Dadurch, daß aus Mangel an Eingepsarrten in einer Kirche eine Zeitlang keine gottesdienstlichen Handlungen haben vorgenommen werden können, verliert dieselbe noch nicht die Rechte einer Parochialkirche.23 Simultankirchen. § 309. Wenn zwei Gemeinen verschiedener Religionsparteien zu einer Kirche berechtigt sind: so müssen die Rechte einer jeden hauptsächlich nach den vorhandenen besonderen Gesetzen oder Verträgen beurteilt werden. § 311. Die näheren Maßgaben wegen der Ausübung dieser Rechte müssen bei entstehen­ dem Streite nach dem Einverständnisse der beiderseitigen Obern und, wenn dies nicht statt­ findet, durch unmittelbare landesherrliche Entscheidung festgesetzt werden.20 Vom Pfarrer und dessen Rechten. § 318. Derjenige Geistliche, welcher zur Direktion und Verwaltung des Gottesdienstes bei einer Parochialkirche bestellt worden, wird der Pfarrer des Kirchspiels genannt. § 324. Ob die Wahl des Pfarrers von dem Bischof, dem Konsistorium, einem Privat-

Patron oder den Gliedern der Gemeine abhängt, wird durch die besonderen Verfassungen jeder Provinz und jedes Ortes näher bestimmt.30 Bei Patronatskirchen. § 327. Hat die Pfarrkirche ihren eigenen Patron, so gebührt diesem der Regel nach die Berufung eines neuen Pfarrers. 26 nach vollendetem Religionsunterrichte oder nach zurückgelegtem 14. Lebensjahre, vgl. Anm. 8. 26 Heute gibt es, nach Aufhebung der Parochialexemtionen (05. v. 3. Juni 1876, GS. 154), nur noch besondere Militärgemeinden nach der Mil.-KirchenOg. v. 12. Febr. 1832 (GS. 69). Auch Gendarmen gehören dazu, nicht aber verabschiedete Offiziere und das Gesinde von Militärpersonen. 27 Auch ganze Gemeinden, „vagierende Distrikte und Einwohner". 28 sondern nur durch „Erlöschen" nach G. v. 13. Mai 1833 (GS. 51). 29 Über die Benutzung von Simultankirchen können die staatlichen Behörden im Interesse der Ruhe und Ordnung ein sog. Interimistikum treffen, das bis zur Entscheidung im Prozeßwege maßgebend ist. 30 Für den Bereich der Kircheng. und SynOg. v. 10. Sept. 1873 gelten die KirchG., betr. das Pfarrwahlrecht, v. 15. März 1886 und 28. März 1892 (Kirchl. GBl. 39 und 115). In der kath. Kirchengemeinde findet eine Pfarrwahl der Gemeindeorgane nicht statt.

2. Allg. Landrecht II, 11.

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§ S29. Das von dem Patron ausgewählte Subjekt muß der Gemeine vorgestellt und zur Haltung einer Probepredigt und Katechisation angewiesen werden. § 834. Die Gemeine muß, nach Verlauf von wenigstens acht Tagen, mit ihrer Erklärung über das von dem Patron ausgewählte Subjekt vernommen werden. § 335. Ist der Kandidat aus einer anderen Diözese oder Konsistorialdepartement, so kann die Gemeine eine längere Frist, allenfalls bis vier Wochen, zu ihrer Erklärung verlangen. § 336. Ist die Gemeine mit dem Patron über die Würdigkeit des von letzterem ausgewähl­ ten Subjekte uneins, so müssen die vorgesetzten geistlichen Obern ohne prozessualische Weit­ läufigkeiten über die Erheblichkeit der Einwendungen entscheiden. § 340. Ist der Patron dem römisch-katholischen, die Gemeine aber dem protestantischen Glaubensbekenntnisse zugetan oder umgekehrt, so muß der Patron wenigstens drei Subjekte zur Probepredigt zulassen. § 341. Demjenigen unter diesen, welcher bei der Gemeine, nach der Mehrheit der Stimmen derselben, den vorzüglichsten Beifall hat, kann er die Vokation nicht versagen. § 342. In diesem, sowohl als in allen übrigen Fällen, wo es hergebracht ist, daß der Patron der Gemeine mehrere Subjekte zur Auswahl vorschlage, muß die Gemeine notwendig eins derselben wählen,3o insofern sie nicht allen dreien erhebliche Einwendungen nach Vorschrift §§ 336, 337, 338 entgegensetzen kann. § 343. Ebendies findet, im umgekehrten Falle, in Ansehung des Patrons statt, wenn nach wohlhergebrachter Verfassung demselben mehrere Subjekte zur Auswahl von der Ge­ meine vorgeschlagen werden. § 344. Nehmen mehrere Patrone mit gleichem Rechte an Besetzung der Pfarren teil, so entscheidet, wenn sie sich nicht vereinigen können, die Mehrheit der Stimmen. § 345. Ist keine überwiegende Mehrheit der Stimmen vorhanden, so müssen die geist­ lichen Obern den Patronen aufgeben, sich binnen einer gewissen, nach den Umständen zu be­ stimmenden Frist über ein vorzuschlagendes Subjekt zu vereinigen. § 346. Erfolgt in der bestimmten Frist kein Einverständnis, so fällt die Besetzung der Stelle für diesmal den geistlichen Obern anheim. § 348. Hat eine eigentliche Tochterkirche31 einen besonderen Patron, so muß dieser in der Regel dem Patrone in der Mutterkirche beitreten, wenn er nicht gegen das von letzterem ausgewählte Subjekt erhebliche Einwendung nach §§ 336, 337 machen kann. § 849. Wenn in dem Falle der §§ 340, 342 der Gemeinde von den mehreren Patronen drei Subjekte vorgeschlagen werden sollen, so finden, wenn die Patrone sich über diese Aus­ wahl nicht vereinigen können, die Vorschriften §§ 344^-347 Anwendung. § 358. Bei Kirchen, welche keinen eigenen Patron haben, gebührt der Regel nach die Wahl des Pfarrers der Gemeine.33 § 370. Mitglieder bloß zugeschlagener Gemeinen nehmen, wenn nicht bei der Zuschlagung nach § 297 ein anderes festgesetzt worden, an der Pfarrwahl keinen letl.33 § 371. Doch ist, wenn von den übrigen Gemeinen ein Pfarrer gewählt worden, zu welchem der größere Teil der Gastgemeine kein Vertrauen hat, dieses für einen erheblichen Grund, aus welchem letztere auf die Wiederabtretung antragen kann, zu achten. Vokation. § 374. Demjenigen, welcher von dem Patrone oder der Gemeine zu der erledigten Pfarrstelle rechtmäßig gewählt worden, muß eine schriftliche Vokalion zugefertigt werden. 31 Vgl. §§ 245 ff. 32 S. Anm. 30. Auch die Pfarrstellen, die früher freier kirchenregimentlicher Verleihung unter­ lagen, werden nach § 32 Nr. 2 Kircheng- und SynOg. v. 10. Sept. 1873 in jedem zweiten Erledigungs­ falle mit „Konkurrenz einer Gemeindewahl" besetzt. 33 Für Gesamtparochien gilt § 2 Pfarrlvahlg. v. 15. März 1886 (Kirchl. GBl. 39).

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X. Abschn. Kirchenrecht.

§ 376. Tie Ausfertigung der Dotation gebührt dem Parrone und in dessen Ermangelung den Kirchenvorstehern.3* Präsentation. § 386. Sobald der Berufene die Vokatton angenommen hat, muß er den geistlichen Obern der Tiözese oder des Departements zur Bestätigung präsentiert werden?' § 387. Tie Präsentation muß von dem Patrone und, wo deren mehrere sind, von allen geschehen, welche zur Teilnehmung an der Wahl und Vokation berechtigt sind. § 388. In Ermangelung von Patronen geschieht die Präsentation durch die Vorsteher.3* Devolutionsrecht. § 398. Kommt die Präsentation innerhalb sechs Monaten nicht ein und ist auch vor Ablauf dieser Frist eine Verlängerung derselben nicht gesucht oder nicht zugestanden worden, so fällt die Besetzung der Pfarre für diesen Fall den geistlichen Obern anheim. § 401. Solange die geistlichen Obern von ihren Anfallsrechten noch keinen Gebrauch gemacht haben, kann der Patron oder die Gemeine das Versäumte nachholen. Einweisung. § 404. Der erwählte und bestätigte Pfarrer muß in sein Amt und zu allen Verrichtungen desselben ordentlich eingewiesen werden. § 405. Die Einweisung wird der Regel nach durch den Erzpriefter oder Kreisinspektor vollzogen. § 411. An Orten, wo die Gemeinde den Prediger zu holen schuldig ist, muß sie auch die zu seiner Familie gehörenden Personen und was er an Kleidung, Wäsche, Hausrat und Büchern mitbringt, herbeiführen.^» Pfarrzwang. § 418. Dagegen hat er das Recht, von den Eingepfarrten zu fordern, daß sie sich in ihren Religionshandlungen, zu deren Vollziehung es der Mitwirkung eines Pfarrers bedarf, nur seines Amtes bedienen sollen. § 419. Dieser Verbindlichkeit können auch einzelne Eingepfarrte ohne besondere Erlaubnis der geistlichen Obern36 sich nicht entziehen. § 420. Dergleichen Erlaubnis soll nur aus erheblichen Gründen... erteilt werden... § 421. Auch soll, wenn nicht nachgewiesen ist, daß die Schuld davon auf der Seite des Pfarrers sei, für die Entschädigung desselben gehörig gesorgt werden. § 422. Auch in einzelnen Fällen dürfen Eingepfarrte ihre Trauungen, Taufen und Begräbnisse durch einen anderen, als den in ihrer Parochie bestellten Pfarrer, ohne dessen Ein­ willigung36 nicht vornehmen lassen. Stolgebühren. § 423. Der Pfarrer hat für dergleichen Handlungen die festgesetzten Stolgebühren zu fordern,37 und der Richter muß ihm dazu nötigenfalls auf gebührendes Anmelden verhelfen. § 426. Kirchenbediente, welche sich mit den ihnen angewiesenen Gebühren nicht be­ gnügen, sollen um den drei- bis zehnfachen Betrag des zuviel Geforderten fiskalisch bestraft werden.36 § 427. Kein Geistlicher darf dergleichen Handlungen, die einer anderen Parochie zu­ kommen, ohne ausdrückliche Bewilligung des gehörigen Pfarrers vornehmen. 34 Jetzt dem Gemeindekirchenrat. Bei landesherrlichem Patronat fertigt das Konsistorium die Bokation aus, nach Pfarrwahlg. v. 15. März 1886 die „Benachrichtigung über die Wahl". 35 und zwar innerhalb sechs Monaten seit Erledigung der Pfarrstelle (§ 398). Nach § 12 KirchG. v. 15. März 1886 (Kirchl. GBl. 39) steht die „Berufung" dem Konsistorium zu; gegen die Versagung der Berufung ist binnen vier Wochen die Beschwerde an den Evangel. Oberkirchenrat gegeben. 35 a G., betr. die Umzugskosten der Geistlichen der evangel. Landeskirche der älteren Provinzen, v. 10. Juli 1909, mit KirchG. von demselben Tage (GS. 621). 36 General- oder (§ 422) Spezial-Dimissoriale. — Wegen der Trauungen s. KirchG. v. 27. Juli 1880 (Kirchl. GBl. 109). 37 Stolgebühren für Taufe und Trauungen in ortsüblich einfachster Form sind aufgehoben. Auch sonst sind die kirchlichen Gebühren jetzt erheblich eingeschränkt. 38 Jetzt et), auf disziplinarischem Wege.

2. Allg. Landrecht II, 11.

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§ 428. Dieser aber darf, gegen Empfang der ihm zukommenden Gebühren, die Einwilligung nicht versagen. Begräbnisse. graben werden.

§ 453. Jeder Eingepfarrte muß der Regel nach in seiner Parochie be­

§ 464. Stirbt jemand außer seiner Parochie, jedoch an eben demselben Orte, so hat der Pfarrer seines Kirchspiels das Recht, zu fordern, daß die Beerdigung in seiner Parochie geschehe. § 455. Stirbt er aber an einem anderen Orte, so haben die Hinterlassenen die Wahl, ob sie ihn da, wo er gestorben ist, begraben oder in seine ordentliche Parochie zurückbringen lassen wollen. § 466. Überhaupt kann jeder Eingepfarrte sein und der Seinigen Begräbnis auch außer­ halb seiner Parochie wählen. § 468. Außer den Fällen der §§ 454, 455 müssen aber nicht nur dem Pfarrer und der Kirche, wo die Beerdigung geschieht, sondern auch dem Pfarrer und der Kirche, denen sie eigentlich zukommt, die Gebühren entrichtet werden. § 463. In allen Fällen, wo eine Leiche durch einen anderen Gerichtsbezirk geführt werden soll, muß bei dem Obergerichte der Provinz^ ein Leichenpaß gesucht werden. Weltliche Kirchenbediente. § 656. Küster und andere dergleichen niedere Kirchen­ bediente werden der Regel nach von dem Patrone bestellt. § 561. Ist der Küster zugleich Schulhalter, so finden wegen seiner Prüfung und Bestellung die Vorschriften des folgenden Titels Anwendung.^ § 562. Bei Kirchen, welche keinen eigenen Patron haben, gebührt die Bestellung der niederen Kirchenbedienten dem Pfarrer und den Kirchenvorstehern.. s41 Von Kirchenpatronen. § 668. Derjenige, welchem die unmittelbare Aufsicht über eine Kirche nebst der Sorge für deren Erhaltung und Verteidigung obliegt, wird der Kirchen­ patron ^42 genannt. § 569. Wer eine Kirche baut oder hürlänglich dotiert, erlangt dadurch ein Recht zum Patronate.4^ § 570. Ebendergleichen Recht erlangt derjenige, welcher eine verfallene oder verarmte Kirche wieder aufbaut oder von neuem dotiert. § 572. Auch durch den Auftrag einer Kirchengesellschaft, die bisher unter keinem besonderen Patrone gestanden hat, kann jemand ein Recht zum Patronate erhalten. § 573. Doch wird in allen vorstehenden Fällen (§§ 569—572) das Kirchenpatronat selbst erst durch die Verleihung des Staats erworben. § 674. Außerdem kann das Kirchenpatronat auch durch Verjährung erlangt werden.44 § 575. Soll eine dergleichen Erwerbung desselben gegen den Staat oder die Kirchen89 Jetzt bei den Landräten bzw. städtischen Polizeibehörden; zugleich ist eine amtsärztliche Be­ scheinigung der Todesursache und daß die Leichenbeförderung unbedenklich ist, beizubringen. 40 D. h. nach Schulrecht. MErl. v. 27. Febr. 1894, betr. Abtrennung der niederen Küsterdienste von den Bolksschullehrerstellen, abgedruckt unter Abschn. XI Nr. 2. 41 Dgl. jetzt § 21 Kircheng.- und SynOg. 42 über die Rechte des Patrons bei der Besetzung geistlicher Stellen s. oben §§ 327 ff. 48 Fernere Erwerbstitel: Verleihung, Ersitzung (§§ 573, 574), Erwerbung des patronatsberechtigten fundus. Der kanonische Spruch: ratronum faciunt dos, aediiicatio, fundus ist nicht erschöpfend. 44 Ein Patronat ist nicht bloß dann anzunehmen, wenn einer der in §§ 569—574 angeführten Erwerbsgründe nachgewiesen ist, sondern auch dann, wenn jemand (eine Stadtkommune) als Be­ sitzer eines Gutes, innerhalb dessen die betreffende Kirche liegt, von alters her sich als Patron geriert, und insbesondere die mit dem Patronate gesetzlich verbundenen Rechte, wie das Präsentaüonsrecht des Pfarrers, oder das Recht der Aufsicht über die Verwaltung des Kirchenvermögens ausgeüb hat.

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X. Abschn. Kirchenrecht.

gesellschaft nachgewiesen werden, so müssen die Erfordernisse der bei Regalien stattfindenden Verjährung vorhanden {ein.45 8 576. Wenn aber zwei oder mehrere Privatpersonen über den Besitz des Patronat­ rechts miteinander streiten, so ist die gemeine Verjährung hinreichend. § 577. Alle dergleichen über die Zuständigkeit des Patronatrechts entstehenden Streitig­ keiten gehören zum Erkenntnisse des ordentlichen weltlichen Richters. § 579. Im zweifelhaften Falle wird vermutet, daß das Kirchenpatronat auf einem Gute oder Grundstücke haste. § 580. Dergleichen Patronat kann von dem Gute, aus welchem es bisher gehaftet hat, ohne ausdrückliche Einwilligung der geistlichen Obern nicht abgesondert werden." § 581. Mit dem Gute zugleich aber geht dasselbe auf jeden Besitzer, ohne Unterschied der Religionspartei, wozu er sich bekennt, über.47 § 582. Doch können Personen, welche zu keiner von den im Staate aufgenommenen oder geduldeten christlichen Religionsparteien gehören, das Patronatrecht über eine Kirche nicht ausüben." § 588. Es steht ihnen zwar frei, diese Ausübung einem anderen während ihrer Besitzzeit zu übertragen; die Beiträge und Leistungen aber, welche aus dem Patronate fließen, müssen in allen Fällen aus den Einkünften des Guts bestritten werden. § 584. Die dem Patron obliegende Sorge für die Erhaltung der Kirche begreift die Pflicht, dazu, bei Ermangelung eines hinlänglichen Kirchenvermögens, aus eigenen Mitteln beizu­ tragen, in sich." § 586. Dem Patrone, als Wohltäter und Erhalter der Kirche, kommen in Ansehung der­ selben gewisse Ehrenrechte zu. § 587. Er hat das Recht, bei Erledigung der Pfarrstelle den neuen Pfarrer zu präsen­ tieren (§§ 327 ff.). § 588. Er ist befugt, seinen Kirchstuhl im Chore oder sonst an einem vorzüglichen Orte der Kirche zu haben. § 589. Der Patrone und ihrer Familien muß im öffentlichen Kirchengebete besonders gedacht werden. § 590. Auch bei der Beerdigung gebührt dem Patrone, seiner Ehefrau, ehelichen Ab­ kömmlingen und bei ihm wohnenden Seitenverwandten ein Platz in dem Begräbnisgewölbe. § 591. Kann in diesem die Beerdigung nach den Gesetzen des Staats nicht stattfinden, so kann der Patron die unentgeltliche Anweisung einer vorzüglichen Stelle auf dem der Kirchengesellschaft zustehenden Begräbnisplatze fordern (§ 185). § 592. Auch ist er berechtigt, Ehrenmäler für sich und seine Familie in der Kirche zu errichten. § 595. Verarmte Patrone genugsam dotierter Kirchen haben aus dem Kirchenschatze not­ dürftigen Unterhalt zu fordern. 46 Zur Ersitzung des Patronatrechtes gehört ferner, daß der Patron in der Verjährungszeit auch hinsichtlich der dem Rechte anklebenden Verpflichtungen sich als Patron geriert habe. 46 Vgl. Kgl. Befehl v. 9. Jan. 1812, die nicht ferner zu gestattende Mitveräußerung der Patro­ natsrechte beim Verkauf der Domänen (GS. 3): Die Patronatslasten sollen als Kanon auf das Gut gelegt und von dem Besitzer jährlich an den Kirchen- und Schulbau-Unterhaltungsfonds der Regierung abgeführt werden. 47 MErl. v. 21. Aug. 1860 (MBl. 193): Bei Zerstückelung patronaisberechtigter Güter sind die Patronatsverhältnisse nach G. v. (3. Jan. 1845, jetzt:) 25. Aug. 1876 (abgedruckt oben S.486) zu regulieren. 48 Kgl. Vg. v. 30. Aug. 1816 wegen des Patronatsrechts auf solchen Gütern, die sich im Besitz jüdischer Glaubensgenossen befinden (GS. 207). 49 Die Beitragspflicht des Patrons erstreckt sich auf die Erhaltung, Um-, Erweiterungs- und Neu­ bauten der Kirchen- und Psarrgebäude, §§ 789 ff., und ihrer Zubehörungen (Glocken, Uhr, Orgel, Heizungsanlage), nicht aber am Kirchhofe, § 763.

2. Mg. Landrecht II, 11.

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§ 596. Doch ist die Kirche zu dieser Kompetenz nur insofern verpflichtet, als die Einkünfte des Vermögens, womit sie dotiert worden, nach Abzug aller zur Unterhaltung ihrer Anstalten erforderlichen Ausgaben, dazu hinreichen. § 597. Auch tritt die Verbindlichkeit der Kirche nur alsdann ein, wenn außer ihr niemand mehr vorhanden ist, der zur Ernährung des verarmten Patrons nach den Gesetzen verpflichtet wäre. § 598. Die Ausübung des auf einem Gute haftenden Patronatrechts gebührt demjenigen, welchem das bürgerliche Eigentum (Dominium civile) des Guts zukommt. 5o § 599. Wem die Gesetze die Verwaltung des Inbegriffs der Güter und Gerechtsame eines anderen übertragen haben, der ist auch das dazu gehörende Kirchenpatronat in dessen Namen auszuüben berechtigt.51 § 600. Ein bloßes Verwaltungs- oder Nutzungsrecht an dem mit dem Patronate ver­ sehenen Gute gibt noch keine Befugnis zur Ausübung des letzteren. § 601. Dagegen ist die Leibgedings-Frau zu solcher Ausübung während ihres Besitzes berechtigt. § 605. Wenn das Patronatsrecht über eben dieselbe Kirche auf mehreren Gütern mit gleichem Rechte haftet, so sind die Besitzer dieser Güter, in Ansehung der damit verbundenen Befugnisse und Pflichten, als Inhaber eines gemeinsamen Rechts oder einer gemeinsamen Verbindlichkeit zu betrachten.5? § 607. Hat eine Kirche mehrere Patrone, so kann derjenige, in dessen Gut die Kirche liegt, in gemeinschaftlichen Geschäften das Direktorium und den dahin gehörenden Vorzug in der Unterschrift verlangen. § 610. Niemand kann ohne ausdrückliche Einwilligung der Gemeine und ohne Genehmi­ gung der geistlichen Obern des Patronatsrechts und der damit verbundenen Obliegenheiten sich begeben.55 § 611. Dagegen verliert aber auch der Patron seine Rechte keineswegs durch den bloßen Nichtgebrauch. Kirchenbau. § 707. Die geistlichen Obern müssen die Notwendigkeit des Baues prüfen, und die Art desselben bestimmen.54 § 708. In allen Fällen, wo über die Notwendigkeit oder Art des Baues oder der Reparatur oder wegen des dazu zu leistenden Beitrages unter den Interessenten Streit entsteht, müssen die geistlichen Obern die Sache gütlich zu regulieren sich angelegen sein lassen. § 709. Findet die Güte nicht statt, so müssen sie die rechtliche Entscheidung des Streits 50 D. i. dem im Grundbuche eingetragenen Eigentümer, bei Familienfideikommissen dem Fideikommißbesitzer. 61 Z. B. in Städten der Magistrat, dessen mosaische Mitglieder aber an der Ausübung nicht teilnehmen dürfen, s. Anm. 48. 62 Besetzung kirchlicher Stellen durch Kompatrone, s. § 344. Regelmäßig ist Stimmenmehrheit der Kompatrone erforderlich, nach § 6 Kircheng.- u. SynOg. v. 10. Sept. 1873 Einhelligkeit. 63 D. h. der Patronatslasten; der Ausübung seiner Rechte kann er sich im Einzelfalle wohl be­ geben. — Dgl. oben § 580. 64 Wegen des Verfahrens in (evang.) Kirchenbausachen s. BerwaltungsOg. v. 17. Juni 1893 (Kirchl. GBl. 23) § 27: Über die Notwendigkeit und Art des Baues, sowie über die Aufbringung (Verteilung) der er­ forderlichen Kosten haben zunächst die Gemeindekörperschaften zu beschließen. Wenn ein Patron oder sonst speziell Verpflichteter dazu beizutragen hat, ist dessen Erklärung zu erwirken und dabei eine gütliche Verständigung zu erstreben. Kann dieselbe nicht erzielt werden, so hat der Gemeinde­ kirchenrat durch Vermittelung des Konsistoriums zeitig und ehe der Bau begonnen, bei der Re­ gierung die Regulierung des Interimistikums zu beantragen. Bauanschläge und Erklärungen der Gemeindevertretung, wie sonst Beteiligter sind dabei mit vorzulegen. Die seitens der Regierung ergehende vorläufige Entscheidung, gegen welche, soweit es sich um Notwendigkeit und Art des Baues handelt, der Rekurs an den Minister offen steht, ist im Verwaltungszwangsverfahren vollstreckbar.

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X. Abschn. Kirchenrecht.

an die weltliche Cbrigfcit55 verweisen, zugleich aber festsetzen, wie es inzwischen mit dem Baue oder der Reparatur gehalten werden soll.56 8 710. Wo in Ansehung der Kosten zum Baue und zur Unterhaltung der Kirchengebäude durch Verträge, rechtskräftige (Erkenntnisse, ununterbrochene Gewohnheiten oder besondere Provinzialgesetze57 gewisse Regeln bestimmt sind, da hat es auch ferner dabei sein Be­ wenden. § 711. Insoweit aber, als es an dergleichen besonderen Bestimmungen ermangelt, finden nachstehende allgemeine Vorschriften Anwendung. § 712. Tie Kosten zum Baue und zur Unterhaltung der Kirchellgebäude müssen Hauptsächlich aus dem Kirchenvermögen genommen werden. § 713. Es darf aber davon nicht mehr verwendet werden, als ohne Nachteil der aus der Kirchenkasse zu bestreitenden jährlichen Ausgaben geschehen kann. § 714. Auch müssen bei Landkirchen die Eingepfarrten^ in jedem Falle, ohne Unter­ schied. die nötigen Hand- und Spanndienste unentgeltlich leisten. § 715. Die Verteilung der Hand- und Spanndienste unter die Eingepfarrten^ muß nach eben dem Verhältnisse geschehen, wie bei Gemeindediensten. § 716. Eingepfarrte, welche nicht zu der Gemeine des Dorfs, wo die Kirche liegt, gehören, oder aus irgend einem Grunde von den Gemeinedicnsten frei sind, müssen dennoch zu den Hand- unb Spanndiensten bei Kirchenbauen und Reparaturen beitragen. § 717. Ihr Verhältnis dabei wird, in Ansehung der Handdienste, nach der Zahl der Fami­ lien, sowie in Ansehung der Spanndienste, nach dem auf ihren Stellen angeschlagenen oder gewöhnlich gehaltenen Gespanne59 bestimmt. § 719. Bei Stadtkirchen werden die erforderlichen Hand- und Spanndienste zu den übrigen Kosten geschlagen. § 720. Ist das Kirchenvermögen zur Bestreitung der Kosten ganz oder zum Teil nicht hinreichend," so muß der Ausfall von dem Patrone und den Eingepfarrten gemeinschaftlich getragen werden.61 § 722. Auch diejenigen, welche nur vermöge eines besonderen Privilegii vom Pfarrzwange der Parochialkirche ihrer Religionspartei befreit sind, müssen dennoch von ihren im Kirch­ spiele eigentlich innehabenden Grundstücken zum Palle und Unterhaltung der Pfarrkirche beitragen. 65 D. s. die Justizgerichte. 56 Uber den Erlaß des Interimistikums (Bauresolut), der jetzt der Regierung, Abt. II, zusteht, bestimmt MErl. v. 13. Jan. 1874 (MBl. 97): 1. Gegen die von den Regierungen erlassenen Resolute, solveit sie die Notwendigkeit des Baues oder die Art einer Ausführung betreffen, ist der Rekurs an den Minister der geist. lichen Angelegenheiten zulässig. 2. Zur Anbringung und Rechtfertigung des Rekurses ist eine präklusivische Frist zu bewilligen, lvelche m der Regel auf 21 Tage zu bemessen ist, aus besonderen Gründen aber um 14 Tage verlängert oder bis auf 10 Tage abgekürzt werden darf. 3. Solveit die Resolute die Aufbringung der Kosten oder ihre Verteilung unter die Interessenten zum Gegenstand haben, findet gegen die von den Regierungen getroffene Entscheidung, lvelche sofort interimistisch vollstreckbar ist, nur der Rechtsweg statt. 4. In betreff der Bauten an vereinigten Küster- und Schulhäusern bewendet es bei den Be­ stimmungen des G. v. 21. Juli 1846 (abgedruckt unter Abschn. XI Nr. 2). 57 Solches Sonderrecht besteht nach den Provinzialrechten für £ft- und Westpreußen, der Pommerschen KirchenOg. v. 1535, Märkischen Bg. v. 11. Dez. 1710, KabO. v. 10. Dez. 1839 für die ehemaligen Fürstentümer Glogau, Liegmtz, Sagan, Wohlau, Magdeburg. Revid. KirchenOg. v. 9. Mai 1739 u. a. 68 Dazu gehören nicht Forensen, der Fiskus hinsichtlich seines Grundbesitzes in der Parochie und der Pfarrer. 69 Auch Rindvieh, soweit es als Zugvieh benutzt wird. 60 Darüber hat im Streitfälle die Regierung durch Interimistikum (Anm. 56) zu entscheiden. 61 Beitragspflicht des Patrons: Anm. 49.

2. Allg. Landrecht II, 11.

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§ 723. Auch Gastgemeinen, welche zu einer benachbarten Kirche gewiesen worden (§§ 294 ff.) i müssen dazu Beitrag leisten. § 725. Sind mehrere Kirchen nur unter einem gemeinschaftlichen Pfarrer vereinigt, so ^dürfen der Patron und die Eingepfarrten einer jeden solchen Kirche nur zur Unterhaltung i ihrer eigenen Gebäude beitragen. § 726. Sind aber mehrere Haupt- oder Filialgemeinden zu einer gemeinschaftlichen Kirche i geschlagen, so sind sämtliche Patrone und Eingepfarrte zu deren Unterhaltung verpflichtet.6* § 729. Baumaterialien, welche der Patron oder die Kirchengemeinde selbst hat, müssen von ihnen zum Baue geliefert werden. § 730. Doch wird jedem Teile der anschlagsmäßige Preis derselben auf seinen Geldbeitrag zugute gerechnet. § 731. Der Geldbeitrag wird bei Landkirchen zwischen dem Patrone und der Kirchen­ gemeine dergestalt verteilt, daß der Patron zwei Drittel, die Eingepfarrten aber ein Drittel entrichten. § 732. Besitzt der Patron Rustikalhufen im Kirchspiele, so trägt er davon noch besonders, wie ein anderer Eingepfarrter mit bei.63 § 733. Wenn mehrere Patrone zum Beitrage verpflichtet sind, so tragen die Patrone die ihnen obliegenden zwei Drittel unter sich, nach Verhältnis ihres Anteils am Patronais­ rechte. § 734. Der nach § 731 bestimmte Beitrag der Eingepfarrten wird unter sie nach dem Kontributionsfuße64 verteilt. § 735. Kirchen-, Pfarr-, Schul- und Hospitaläcker werden zu keinem Beitrage gezogen.66 § 739. Wer in zwei Kirchspielen eingepfarrt ist, trägt in jedem nur nach Verhältnis der in demselben besitzenden Grundstücke oder des in demselben treibenden Gewerbes bei. § 740. Bei Stadtkirchen geschieht die Verteilung zwischen dem Patrone und den Eingepfarrten dergestalt, daß ersterer ein Drittel, letztere aber zwei Drittel bei­ tragen. § 743. Die einzelnen Mitglieder bloßer Gastgemeinen entrichten jeder den vierten Teil dessen, was ein Kontribuent von eben der Klasse aus der eigentlichen Pfarrgemeine zu leisten hat. § 744. Ist ihnen aber bei der Zuschlagung die Teilnehmung an dem Wahlrechte zur Be­ setzung der Pfarrstelle zugestanden worden, so müssen sie auch zu den Bau- und Reparatur­ kosten der Kirche, gleich den Mitgliedern der eigentlichen Pfarrgemeinden, beitragen. Begräbnisplätze. § 761 Die Unterhaltung der Begräbnisplätze ist gemeine Last und liegt allen ob, die an dem Kirchhofe teilzunehmen berechtigt sind (§§ 183 ff.).66 § 762. Erhält jedoch die Kirche Bezahlung für die Grabstellen, so muß der Kirchhof aus der Kirchenkasse auf eben die Art, wie die Kirche selbst, unterhalten werden. § 763. Der Patron ist der Regel nach zur Unterhaltung des Kirchhofs beizutragen in keinem Falle verpflichtet.6? § 764. Die Anlegung neuer Begräbnisplätze soll nur aus erheblichen Ursachen und nur unter Einwilligung der geistlichen Obern sowie der Polizeivorgesetzten des Orts stattfinden.66

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88 Denn gemeinschaftliche Benutzung bedingt gemeinschaftliche Baulast. 68 Hierzu Deklaration wegen Nichtverpflichtung der Gutsherren, von den bäuerlichen Ent­ schädigungsländereien zu den Bau- und Unterhaltungskosten der kirchlichen und Schulgebäude bei­ tragen, v. 14. Juli 1836 (GS. 208). 64 D. i. jetzt regelmäßig nach dem Maßstabe der staatlich veranlagten direkten Steuern. 66 Also auch nicht das daraus fließende dotationsmäßige Einkommen der Geistlichen und Schul­ lehrer. 68 In erster Linie aber sind besondere Rechtstitel oder Provinzialrecht maßgebend (§ 710). 87 D. h. nach seiner besonderen Rechtsstellung als Patron, wohl aber als Gemeindeglied. 88 Neuanlegung, Verlegung und Schließung nichtkirchlicher Begräbnisplätze be-

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X. Abschn. Kirchenrecht.

Pfarrvermögen. § 772. Von dem Kirchenvermögen müssen die unmittelbar zur Er­ haltung des Pfarrers und der übrigen Kirchcnbedienten bestimmten Güter und Einkünste unterschieden werden. § 773. Zu letzteren gehören auch die von den Parochialverrichtungen zu erlegenden Stolgebühren. § 774. Pfarrgüter haben eben die äußeren Rechte als Kirchengüter. § 775. Sie sind der Regel nach von allen Prästationcn und Abgaben an die Gutsherrschaft oder Stadtkämmerei wie von den gemeinen Lasten frei.69 § 778. Die Verwaltung und der Nießbrauch der Pfarrgüter gebührt dem Pfarrer. Unterhaltung. § 784. Die Unterhaltung der Zäune und Gehege sowie kleine Repara­ turen an den Gebäuden müssen die Pfarrer und Kirchenbedienten aus eigenen Mitteln be­ sorgen. § 785. Für kleine Reparaturen sind diejenigen zu achten, die entweder gar keine baren Auslagen erfordern oder, wo die Kosten, von jeder einzeln genommen, für den Pfarrer nicht über drei und für den Kirchenbedienten nicht über einen Taler betragen. § 786. Türen, Fenster, Ofen, Schlösser und andere dergleichen innere Pertinenzstücke der Gebäude müssen von dem Nießbraucher mit eignen Kosten, ohne Rücksicht auf den Be­ trag derselben, unterhalten werden?9 § 787. Auch zu größeren Reparaturen der Pfarrgebäude sowie zu neuen Bauen muß der Pfarrer die Materialien, soweit als dieselben bei der Pfarre über die Wirtschaftsnotdurft befindlich sind, unentgeltlich hergeben. § 788. Woher die übrigen Kosten, in Ermangelung eines eigenen dazu bestimmten Fonds, zu nehmen sind, ist nach den vorhandenen verschiedenen Provinzialgesetzen zu bestimmen. § 789. Wo darüber keine besondere gesetzliche Bestimmung vorhanden ist, da müssen diese Kosten, gleich den Bau- und Reparaturkosten der Kirche selbst, aus dem Kirchenvermögen genommen, bei dessen Unzulänglichkeit aber von dem Patrone und den Eingepfarrten ge­ tragen werden. § 790. Wegen Aufbringung und Verteilung der Beiträge finden eben die Grundsätze wie bei Kirchengebäuden statt. § 791. Doch sind Filial- und zugeschlagene Gemeinen von allen Beiträgen zu Pfarrund Küstergebäuden bei der gemeinschaftlichen Kirche frei, wenn sie eigene dergleichen Ge­ bäude zu unterhalten haben. § 792. Dagegen ist eine solche Filial- und zugeschlagene Gemeine von dem Beitrage zur Unterhaltung des Küstergebäudes bei der gemeinschaftlichen Kirche nicht frei, wenn sie gleich einen eigenen Schulmeister hat, sobald dieser das Küsteramt bei dem Gottesdienste nicht zugleich mit ücrfiefjt.71 § 798. Predigerwitwenhäuser ist in der Regel weder die Kirchenkasse noch der Patron oder die Gemeine zu unterhalten verbunden. § 794. Vielmehr müssen die Kosten aus dem von dem Erbauer dazu ausgesetzten Fonds darf der Genehmigung der Ortspolizei, nach Zustimmung — wegen der landespolizeilichen Inter­ essen — des Regierungspräsidenten, MErl. v. 12. Aug. und 12. Okt. 1891 (MBl. 139 und 231); auf die kirchlichen Interessen soll gebührend Rücksicht genommen werden. Die medizinalpolizeilichen Grundsätze enthält MErl. v. 20. Jan. 1892, Nr. M 9127. 69 Vgl. § 24k KAbgG.; den bei Erlaß des ALN. komnlunalsteuerfreien Pfarrgrundstücken steht die Vermutung der Kommunalsteuerfreiheit ohne weiteres zur Seite. 70 Unterhalten muß sie der Pfarrer, aber nicht neu anschaffen, wenn die alten nicht mehr ausbesserungsfähig sind. Auch Ofensetzen hat er nicht zu bezahlen, wenn der größte Teil der Kacheln erneuert werden muß. 71 Vgl. § 37 ALR. II, 12, G. v. 21. Juli 1846 und Vg. v. 2. Mai 1811, abgedruckt unter Abschn. XI Nr. 2.

2. Mg. Landrechl II, 11.

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genommen und bei dessen Ermangelung oder Unzulänglichkeit von der Witwe, gegen den ihr .zugute kommenden Genuß der freien Wohnung, getragen werden. § 799 Für die Unterhaltung des Garten-, Feld- und Wirtschaftsinventarii muß der Pfarrer als Nießbraucher sorgen. § 800. Pfarräcker kann der Pfarrer ohne weitere Rückfrage verpachten; sein Amtsfolger ist aber an den von ihm geschlossenen Vertrag nicht gebunden. § 80L Doch muß der Amtsfolger, wenn die Äcker in gewisse Felder geteilt sind, den Pächter so lange dulden, bis derselbe mit der Nutzung wenigstens einmal, von Anfang der Pacht an, durch alle Felder herumgekommen ist. § 803. Ist der Pachtkontrakt mit Zuziehung des Patrons und der Vorsteher und unter ausdrücklicher ^Bestätigung der geistlichen Obern geschlossen toorben,72 so ist auch der Amtsfolget daran gebunden. Pfarrwald. § 804. Gehört ein Wald zur Pfarre, so kann der jedesmalige Pfarrer den­ selben nach den Regeln der Forstordnung nutzen.72 § 805. Er ist aber Bauholz daraus zu verkaufen nicht berechtigt. § 810. Auch Brennholz ist der Pfarrer nur soweit zu verkaufen berechtigt, als entweder der Pfarrwald in gewisse Schläge eingeteilt und ihm solchergestalt zum Nießbrauche eingeräumt, oder ihm ein gewisses Deputat daraus angewiesen ist und er von diesem etwas erübrigen kann. § 818. Die Nutzung des Kirchhofes gehört der Regel nach nicht dem Pfarrer, sondern zu den Kircheneinkünften. Auseinandersetzung. § 823. Die Auseinandersetzung zwischen dem abgehenden Pfarrer oder dessen Erben und der Kirche, in Ansehung der Substanz, sowie mit dem neuen Pfarrer, in Ansehung der Nutzungen, geschieht nach den in der Lehre vom Nießbrauche vorgeschriebenen Gesetzen. § 824. Wo daselbst zu Verbesserungen, die dem Nießbraucher vergütet werden müssen, die Einwilligung des Eigentümers erfordert wird, da ist bei einem Pfarrer die Einwilligung des Patrons oder Kirchenkollegii und die Genehmigung der geistlichen Obern erforderlich. § 830. Soll gegen diese Regeln etwas durch Vertrag, zwischen der Kirche und Pfarre an einer und dem abgehenden Pfarrer oder dessen Erben, ingleichen dem neuen Pfarrer an der anderen Seite festgesetzt werden, so ist dazu die Genehmigung der geistlichen Obern not­ wendig. Pfarrabgaben. § 857. Der eigentliche Zehnte ist eine Abgabe von Früchten, die auf der zur Parochie gehörenden Feldmark erzeugt werden. § 858. Ursprünglich ist der Zehnte zur Unterhaltung des Pfarrers bestimmt, er kann aber auch von der Kirche sowie von jedem anderen erworben und besessen werden.7*

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3. Kirchengemeinde- und Synodalordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen? Vom 10. Sept. 1873 (GS. 418).2 1. Abschnitt.

Organe der Gemeinde.

§ 1. Die Kirchengemeinden2 haben ihre Angelegenheiten innerhalb der gesetzlichen Grenzen selbst zu verwalten? Als Organe dieser Selbstverwaltung dienen die Gemeindekirchenräte und die Gemeindevertretungen. 78 Nach § 48 der BerwaltungsOg. v. 17. Juni 1893 (Kirchl. GBl. 23) ist die Zustimmung beiöei kirchlicher Gemeindekörperschaften sowie des Patrons und des Konsistoriums erforderlich. 73 Die Verwaltung von Kirchen- und Pfarrwald unterliegt dem G. v. 14. Aug. 1876 (GS. 373). 74 Diese Abgaben sind nach G. v. 27. April 1872 (s. oben Nr. 1) ablösbar. 1 Entsprechende Gesetze sind erlassen: Für Westfalen und die Rheinprovinz v. 5. März 1835 (v. Kamptz, Ann. 19, S. 104), mehrfach abgeändert, zuletzt durch KirchG. v. 29. Sept. 1897 (Kirchl. Reichelt, Berwaltungsgesetzbuch. 63

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X. Abschn. Kirchenrecht.

§ 2. In jeder Kirchengemeinde wird ein Gemeindekirchenrat, in den größeren Gemeinden auch eine Gemeindevertretung gemäß der nachfolgenden Ordnung gebildet. Lind mehrere Gemeinden unter einem gemeinschaftlichen Pfarramt verbunden (vereinigte Muttergemeinden, Mutter- und Tochtergemeinden), so treten in allen gemeinsamen An­ gelegenheiten der Gesamtparochie die besonderen Gemeindekirchenräte beziehungsweise Gemeindevertretungen zu einer gemeinsamen beratenden und beschließenden Körperschaft zusammen. In Ortschaften, welche mehrere unter einem gemeinsamen Pfarramt nicht verbundene Parochien umfassen, kann zur Behandlung gemeinsamer Angelegenheiten ein Zusammentreten einiger oder sämtlicher Gemeindekirchenräte beziehungsweise Gemeindevertretungen unter Einwilligung derselben oder im Falle des Widerspruchs nach erteilter Zustimmung der Kreissynode von dem Konsistorium angeordnet werden? Tie Teilnahme zugeschlagener Vagantengemeinden (Gastgemeinden) an dem Gemeinde­ kirchenrat und der Gemeindevertretung der Pfarrgemeinde ist durch statutarische Bestim­ mungen zu regeln (§ 46). Gemeindekirchenrat. § 3. Ter Gemeindekirchenrat besteht: 1. aus dem Pfarrer (Pastor, Prediger) der Gemeinde oder dessen Stellvertreter im Pfarr­ amt, 2. aus mehreren Ältesten, welche, soweit ihre Ernennung nicht dem Patron zusteht (§ 6), durch die Gemeinde gewählt werden (§§ 34 ff.). § 4. Sind mehrere Pfarrgeistliche in der Gemeinde fest angestellt, so gehören sie sämtlich dem Gemeindekirchenrat als Mitglieder an. Hilssprediger auf nicht fundierten Stellen nehmen, auch wenn sie ordiniert sind, nur als Mitglieder mit beratender Stimme an den Sitzungen des Gemeindekirchenrats teil. 8 5. Die Zahl der Ältesten soll nicht mehr als zwölf und nicht weniger als vier betragen. In Filialgemeinden kann die Zahl auf zwei beschränkt werden. Die Feststellung der Zahl der Ältesten in den einzelnen Gemeinden erfolgt unter Berück­ sichtigung der Seelenzahl sowie der sonstigen örtlichen Verhältnisse für die erstmalige Wahl durch das Konsistorium, künftig nach Vernehmung der Gemeindevertretung durch die Kreis­ synode. Bei vereinigten Muttergemeinden oder Mutter- und Tochtergemeinden ist die Zahl der Ältesten innerhalb des zulässigen Höchstbetrages auf die Gemeinden der Gesamtparochie angemessen zu verteilen. 8 6. In Patronatsgemeinden hat der Patron die Befugnis, ein Gemeindeglied, welches die zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaften besitzt (§ 35), zum Ältesten zu ernennen. Diese Ernennung erfolgt für einen Zeitraum von sechs Jahren; eine Wiederernennung der­ selben Person ist zulässig. Für die bisher erfolgten Ernennungen beginnt der Lauf der sechsjährigen Periode mit dem Tage, an welchem dieses Gesetz seine verbindliche fitaft er­ halten hat. Macht der Patron von seiner Beftrgnis keinen Gebrauch und besitzt er die zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaften, so kann er selbst in den Gemcindekirckenrat eintreten. Das GBl. 48); Hannover v. 9. Ott. 1804 (HannGS. 1 441), wiederholt ergänzt, und G. v. 0. Mai 1885 (GS. 135); Schleswig-Holstein v. 4. Rov. 1870 (GS. 415); Konsistorialbezirk Kassel v. 16. Dez. 1885 (GS. 1886, S. 1); Konsistorialbezirk Wiesbaden v. 4. Juli 1877 (GS. 181). 2 Unter Berücksichtigung der Abänderungen (bei §§ 50, 59, 01 und 62) durch GenSynOg. und KirchG. v. 9. März 1891 (GS. 44). 3 Kirchengemeinden sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. 4 jedoch unter weitgehender Aufsicht der kirchenregimentlichen und Staatsaufsichtsbehörden. Eingehende Vorschriften über die Verwaltungsbefugnisse und Pflichten der kirchlichen Gemeindekörperschäften gibt die VerwaltungsOg. für das kirchliche Vermögen v. 17. Juni 1893 (Kirchl. GBl. 23). 5 KirchG., betr. die Berliner Stadtsynode und die Parochialverbände in größeren Orten, v. 17. Mai 1895 (Kirchl. GBl. 37).

3. Kirchengemeinde- und Synodalordnung.

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gleiche Recht hat unter der gleichen Voraussetzung der ein für allemal bestellte Vertreter desjenigen Patrons, welcher keine physische Person ist.6 7 8 Kompatrone haben über die Ausübung der vorstehenden Befugnisse sich untereinander zu vereinigen. Die Befugnisse ruhen, solange eine Einigung nicht zustande kommt. § 7. Die Ältesten sind im Hauptgottesdienst vor der Gemeinde feierlich einzuführen und durch Abnahme des Gelübdes zu verpflichten.---------§ 8. Den Vorsitz im Gemeindekirchenrat führt der Pfarrer. Bei Erledigung des Pfarr­ amts oder dauernder Verhinderung des Pfarrers geht das Recht des Vorsitzes auf den Superintendenten über, welcher sich in dessen Ausübung von einem Mitgliede des Gemeindekirchen, rats oder einem benachbarten Geistlichen vertreten lassen kann. In Fällen vorübergehender Verhinderung führt den stellvertretenden Vorsitz ein Ältester, welcher vom Gemeindekirchen, rat aus seiner Mitte auf drei Jahre nach dem (Eintritt der neuen Ältesten (§ 43) gewählt wird. Sind mehrere Pfarrgeistliche in der Gemeinde fest angestellt, so kommt der Vorsitz dem ersten, oder, wo keine Unterordnung unter ihnen stattfindet, dem der Ordination nach ältesten zu. Zur Stellvertretung ist der im Range beziehungsweise Dienstalter nächstfolgende Geistliche berufen. In den Fällen des § 2 Abs. 3 führt, wenn einer der Geistlichen zugleich Superintendent ist, dieser, sonst ein von der Versammlung gewählter Geistlicher den Vorsitz. § v. Der Gemeindekirchenrat versammelt sich zu ordentlicher Sitzung in der Regel monatlich einmal an dem etn für allemal von ihm festgesetzten Tage zu außerordentlicher Sitzung, so oft ihn der Vorsitzende durch schriftliche oder sonst ortsübliche Gnladung beruft? Die außerordentliche Berufung muß erfolgen, wenn mindestens die Hälfte der Ältesten unter Angabe des Zweckes dieselbe verlangt.6 § 10. Die Sitzungen sind nicht öffentlich und werden in der Regel mit Gebet eröffnet. Jedes Mitglied des Gemeindekirchenrats ist verpflichtet, über alle die Seelsorge und Kirchenzucht betreffenden Angelegenheiten, sowie über die sonst als vertraulich bezeichneten Gegen­ stände Verschwiegenheit zu beobachten. § 11. Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen und ist für die Aufrcchthaltung der Lrdnung verantwortlich. Die Beschlüsse werden durch Stimmenmebrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden, bei Wahlen das Los. Zur Gültigkeit eines Beschlusses ist erforderlich, daß mehr als die Hälfte der verfassungsmäßigen Mitgliederzahl des Gemeindekirchenrats anwesend ist. Wer nicht mitsümmt, wird zwar als anwesend gerechnet, die Stimmenmehrheit wird aber lediglich nach der Zahl der Stimmenden festgestellt. Mitglieder, welche an dem Gegenstände der Beschlußfassung per­ sönlich beteiligt sind, haben sich der Abstimmung zu enthalten. Ist eine zur Beschlußfassung ausreichende Anzahl von Ältesten zeitweise nicht vorhanden, so wählt die Gemeindevertretung auf Berufung des Vorsitzenden die zur Herstellung der Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl von Ersatzmännern. Die Beschlüsse des Gemeindekirchenrats sind unter Angabe des Tages und der Anwesenden in ein Protokollbuch zu verzeichnen, und jedes Protokoll von dem Vorsitzenden und mindestens einem Ältesten zu unterschreiben. Dritten gegenüber werden, soweit der § 22 nicht anderes bestimmt, Beschlüsse des Gemeinde­ kirchenrats durch Auszüge aus dem Protokollbuch bekundet, welche der Vorsitzende beglaubigt. Ausfertigungen ergehen unter der Unterschrift des Vorsitzenden. § 12. In Gemeindekirchenräten von stärkerer Mitgliederzahl können für bestimmte Ge6 Demnach kann der Patron, der keine juristische Person ist, nur persönlich in den Gemeinde­ kirchenrat eintreten, sofern er wahlberechtigt ist, s. Anm. 24. 7 unter Angabe der Tagesordnung. (Eine bestimmte Frist zwischen Berufung und Sitzung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. 8 Der angegebene Zweck muß innerhalb der gesetzlichen Zuständigkeit des Gemeindekirchenrats liegen.

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X. Abschn.

Kirchenrecht.

fchäftszweige einzelne Mitglieder vorzugsweise berufen werden. Tie bezüglichen Anordnungen sowie die Einrichtung von Deputationen und Kommissionen bleiben dem Gemeindekirchenrat überlassen? 8 13. Ter Gemeindekirchenrat hat den Beruf, in Unterstützung der pfarramtlichen Tätig­ keit nach bestem Vermögen zum religiösen und sittlichen Aufbau der Gemeinde zu helfen, die christlichen Gemeindetätigkeiten zu fördern und die Kirchengemeinde in ihren inneren und äußeren Angelegenheiten zu Dcrtreten.10 g 14. Insbesondere liegt dem Gemeindekirchenrat ob: Ehristliche Gesinnung und Sitte in der Gemeinde, sowohl durch eigenes Borbild, als auch durch besonnene Anwendung aller dazu geeigneten und statthaften Mittel aufrechtzuerhalten und zu fördern. Der Pfarrer bleibt in feinen geistlichen Amtstätigkeiten der Lehre, Seelsorge, Verwaltung der Sakramente und in seinen übrigen Ministerialhandlungen von dem Gemeindekirchen­ rat unabhängig.------------Der Gemeindekirchenrat ist wie berechtigt so verpflichtet, Verstöße des Geistlichen und der Ältesten in ihrer Amtsführung oder ihrem Wandel in seinem Schoße zur Sprache zu bringen. Jedoch steht ihm behufs weiterer Verfolgung nur zu, der vorgesetzten Kirchenbehörde davon Anzeige zu machen. § 15. Der Gemeindekirchenrat hat für Erhaltung der äußeren gottesdienstlichen Ordnung zu sorgen und die Heilighaltung des Sonntags zu befördern. Zur Abänderung der üblichen Zeit der öffentlichen Gottesdienste bedarf der Pfarrer der Zustimmung des Gemeindekirchenrats." Dieselbe ist auch erforderlich, wenn wegen Abänderung der in der Gemeinde bestehenden lokalen liturgischen Einrichtungen Anträge an die zuständigen Behörden gerichtet werden sollen. Der Gemeindekirchenrat entscheidet über die Einräumung des Kirchengebäude s^ zu einzel­ nen nicht gottesdienstlichen Handlungen, welche der Bestimmung des Kirchengebäudes nicht widersprechen. § 16. Der Gemeindekirchenrat hat die religiöse Erziehung der Jugend zu beachten und die Interessen der Kirchengemeinde in bezug auf die Schule zu vertreten. Eine unmittelbare Einwirkung auf die Schule steht ihm nicht zu. Mißstäude in der religiösen Unterweisung der Jugend oder in sittlicher Beziehung sind von ihm bei den gesetzlichen Organen der Schulverwaltung zur Anzeige zu bringen. g 17. Dem Gemeindekirchenrat liegt die Leitung der kirchlichen Einrichtungen für Pflege der Armen, Kranken und Verwahrlosten ob. Geeignetenfalls setzt er sich mit den bürgerlichen Armenbehörden und Jnstitutsverwaltungen, sowie mit etwa bestehenden freien Vereinen in Einvernehmen. Auch kann er sich Helfer aus der Gemeinde, insonderheit aus der Gemeindevertretung, beiordnen. § 18. Der Gemeindekirchenrat stellt die Liste der wahlberechtigten Gemeindeglieder (§ 34) auf, nimmt die dazu erforderlichen Anmeldungen entgegen, bereitet die Wahlen zum Ältesten amt und zur Gemeindevertretung vor, hält diese Wahlen ab, beruft die Gemeindevertretung ein und bringt die Beschlüsse derselben in Ausführung. § 19. Der Gemeindekirchenrat ist bis zur landesgesetzlichen Aufhebung der Parochialcgemtion13 befugt, eximierte Personen, welche ihren Exemtionsrechten zu entsagen bereit sind, auf ihren Antrag in die Gemeinde aufzunehmen. * Doch verbleibt die maßgebende Beschlußfassung immer den kirchlichen Organen. 10 Hierzu Revidierte Instruktion des Evangel. Oberkirchenrats v. 25. Jan. 1882 (Kirchl. GBl. 1) Ziff. 33. 11 und des Konsistoriums. 12 oder den Gebrauch der Zubehörungen der Kirche, z. B. der Glocken. 13 Nach G. v. 3. Juni 1876, betr. die Aufhebung der Parochialexemtionen (GS. 154) ist Abs. 1 gegenstandslos geworden.

3. Kirchengemeinde- und Synodalordnung.

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Die gleiche Befugnis steht ihm bezüglich solcher Personen zu, welche sich bereits ein Jahr lang am Orte der Gemeinde aufgehalten haben, aber wegen Mangels des Wohnsides die Gemeindeangehörigkeit entbehren. § 20* Der Gemeindekirchenrat hat von der eingetretenen Pfarrvakanz Anzeige zu machen und die diesfalls ergehenden provisorischen Anordnungen in Ausführung zu bringen. Inwieweit derselbe bei Besetzung der Pfarrämter in Gemeinschaft mit der GemeindeVertretung eine Mitwirkung auszuüben hat, ist im § 32 bestimmt. § 21. Dem Gemeindekirchenrat kommt, soweit wohlerworbene Rechte Dritter nicht entgegenstehen, die Ernennung der niederen Kirchendiener $u.14 Er beaufsichtigt ihre Dienst­ führung und übt das Recht der Enllassung aus kündbaren Anstellungen. Wegen EnÜassung im Disziplinarwege, sowie wegen Verleihung und Entziehung der mit Schulstellen verbundenen niederen Kirchenbedienungen behält es bei den bestehenden Vorschriften sein Bewenden. § 22. Der Gemeindekirchenrat vertritt die Gemeinde in vermögensrechtlicher Beziehung, in streitigen wie in nichtstreitigen Rechtssachen, und verwaltet das Kirchenvermögen, ein­ schließlich des Vermögens der kirchlichen Lokalstiftungen, welche nicht fundationsmäßig eigene Vorstände haben, sowie einschließlich des Pfarr- und Pfarrwitwentumsvermögens, soweit das Recht jeweiliger Inhaber nicht entgegensteht. Zu jeder die Gemeinde verpflichtenden schriftlichen Willenserklärung des Gemeinde­ kirchenrats bedarf es der Unterschrift des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters und zweier Ältesten, sowie der Beidrückung des Kirchensiegels." Hierdurch wird Dritten gegenüber die ordnungsmäßige Fassung des Beschlusses festgestellt, so daß es eines Nachweises der einzelnen Erfordernisse desselben, insbesondere der erfolgten Zustimmung der Gemeindevertretung, wo eine solche notwendig ist, nicht bedarf. An den gesetzlichen Verwaltungsnormen, sowie an den Staatsbehörden oder vorgesetzten Kirchenbehörden zustehenden Rechten der Aufsicht und der Einwilligung zu bestimmten Handlungen der Verwaltung wird durch den Übergang der letzteren auf den Gemeindekirchen­ rat nichts geändert (§ 47). In den Fällen des § 31 ist der Gemeindekirchenrat an die Mitwirkung der Gemeindever­ tretung gebunden. § 23. Dem Patron" verbleiben außer der Teilnahme an der Verwaltung des kirchlichen Vermögens durch die Beteiligung am Gemeindekirchenrat (§ 6) da, wo derselbe Patronatslasten für die kirchlichen Bedürfnisse trägt, die Aufsicht über die Verwaltung der Kirchen­ kasse und das Recht der Zustimmung zu den nach den bestehenden Gesetzen seiner Genehmigung unterliegenden Geschäften der Vermögensverwaltung. In letzterer Beziehung gilt jedoch seine Zustimmung zu Beschlüssen des Gemeindekirchen, rats und der Gemeindevertretung für erteilt, wenn er auf abschriftliche Zustellung des be­ treffenden Beschlusses nicht binnen dreißig Tagen nach dem Empfange dem Gemeinde­ kirchenrat seinen Widerspruch zu erkennen gibt. Geschieht das letztere, so steht dem Gemeindekirchenrat der Rekurs an die vorgesetzte Auf­ sichtsbehörde offen. Diese ist befugt, geeignetenfalls den Widerspruch des Patrons zu ver­ werfen und dessen Einwilligung zu ergänzen. Kommt es für Urkunden auf formelle Feststellung der Zustimmung des Patrons an, und ist die letztere wegen Verabsäumung der dem Patron offenstehenden Erklärungsfrist für erteilt zu erachten,'so wird die fehlende Unterschrift desselben durch die zuständige Aufsichtsbehörde ergänzt. 14 Die Rechte der Privatpatrone sind unberührt geblieben. Bei landesherrlichen Patronatskirchen sind die Gemeinde kirchenräte an die Grundsätze für die Besetzung von Beamtenstellen bei den Kommunalbehörden v. 3. Sept. 1907 (MBl. 308) gebunden. 16 Der Gemeindekirchenrat ist daher eine öffentliche Behörde, seine „schriftlichen Willenserklärungen" Urkunden. 16 Über dessen Rechte vgl. Rev. Jnstr. (Anm. 10) Ziff. 41.

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X. Abschn. Mird)enred)t.

§ 24. Für die Verwaltung der Kirchenkasse hat der Gemeindekirchenrat eines seiner Mitglieder zum Rendanten (Kirchmeister, Kirchenrechner usw.) zu ernennen.17 Demselben kann eine Vergütung für sächliche Ausgaben, nicht aber eine Besoldung an­ gewiesen werden. Auslagen sind ihm zu ersetzen. Ist nach dem Umsange der Kasse eine unentgeltliche Verwaltung nicht zu erreichen, so kann der Gemeindekirchenrat einen besoldeten Rendanten anstellen; soll jedoch hierzu ein Mitglied des Gemeindekirchenrats ernannt werden, so ist die Genehmigung des Vorstandes der Kreissynode erforderlich. Der Rendant hat folgende Obliegenheiten: a) Er erhebt die Einnahmen der Kirchenkasse und leistet die Ausgaben aus derselben. Die Ausgaben erfolgen, soweit es sich um feststehende Zahlungen an bestimmte Emp­ fänger handelt, auf Grund des Etats, sonst auf besondere schriftliche Zahlungsanweisung des Vorsitzenden des Gemeindekirchenrats. b) Er legt dem Gemeindekirchenrate jährlich Rechnung ab und hat sich den von diesem angeordneten Kassenrevisionen zu unterwerfen. c) Er führt die nächste Aufsicht über die kirchlichen Gebäude, Grundstücke, Geräte und sonstigen Jnventarienstücke. Wegen der zur Instandhaltung oder Erneuerung derselben erforderlichen Lohnarbeiten, Anschaffungen oder Bauunternehmungen hat er beim Gemeindekirchenrat rechtzeitig Anträge zu stellen. Im übrigen sind für den Geschäftsbetrieb des Rendanten bis aus weiteres die in den einzel­ nen Gemeinden geltenden und die im Anschluß daran von den Gemeindekirchenräten zu treffenden Bestimmungen maßgebend. § 25. Der Gemeindekirchenrat ist das Organ der Gemeinde gegenüber den Kirchen­ behörden und den Synoden. Er hat das Interesse der Gemeinde sowohl durch Erledigung von Vorlagen der Kirchenregierung, insbesondere bei Parochialveränderungen, als auch geeignetenfalls durch Einbringung von Anträgen wahrzunehmen. § 26. Der Gemeindekirchenrat soll in der Gemeinde die Erweckung einer lebendigen Teilnahme an ihren Aufgaben und Interessen sich angelegen sein lassen und zu diesem Behufe namentlich die Wünsche und Anliegen einzelner Gemeindeglieder willig entgegennehmen und fleißig erwägen. Auch hat er bei geeigneten Gelegenheiten, z. B. bei der Wahl der Ge­ meindevertreter, über die zur Veröffentlichung sich eignenden wichtigeren Vorgänge seines Verwaltungsgebiets der Gemeinde Mitteilung zu machen. Gemeindevertretung. § 27. In Kirchengemeinden von 500 Seelen oder darüber wird durch Wahl der Gemeinde (§§ 34 ff.) eine Gemeindevertretung gebildet. In Gemeinden unter 500 Seelen kommen die Rechte der Gemeindevertretung der Versammlung der wahlberechtigten Gemeindeglieder zu. Sind mehrere Gemeinden unter einem gemeinschaftlichen Pfarramt verbunden (ver­ einigte Muttergemeinden, Mutter- und Tochtergemeinden)18 und beträgt die Gesamtseelenzahl derselben 500 oder darüber, so ist für die im § 2 Abs. 2 vorgesehenen Fälle in jeder Ge­ meinde, ohne Rücksicht auf deren Seelenzahl, eine Gemeindevertretung zu bilden. Ob die für Bildung der Vertretung entscheidende Seelenzahl in einer Gemeinde dauernd vorhanden ist, wird durch Beschluß des Gemeindekirchenrats festgestellt. § 28. Die Stärke der Gemeindevertretung beträgt das Dreifache der normalen Zahl der Ältesten. Eine stärkere Zahl von Mitgliedern kann auf Antrag der Gemeindevertretung nach gut­ achtlicher Anhörung der Kreissynode vom Konsistorium genehmigt werden. 17 auf Grund eines schriftlichen Dienstvertrages, mit sechsmonatiger Kündigung und der Bedingung einer Kautionsstellung, Rev. Jnstr. (Anm. 10) Ziff. 35. 18 §§ 244 ff. ALR. II, 11.

3. Kirchengemeinde- und Spnodalordnung.

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§ 29. Die Gemeindevertretung verhandelt und beschließt in Gemeinschaft mit dem Ge­ meindekirchenrat über die von dem letzteren zur Beratung vorgelegten Gegenstände.12 Der Vorsitzende des Gemeindekirchenrats ist zugleich Vorsitzender der zu einem Kollegium vereinig­ ten Versammlung. Sie wird je nach betn vorhandenen Bedürfnisse unter Angabe der wesentlichen Gegenstände der Verhandlung berufen. Auf Verlangen des Konsistoriums muß die Berufung jederzeit erfolgen. Die Einladung geschieht durch den Vorsitzenden schriftlich oder in sonst ortsüblicher Weise. § 30. Auf die Versammlungen, Beratungen und Beschlüsse der Gemeindevertretung finden die Bestimmungen des § 11 Anwendung. Ist auf die erste Einladung die zur Beschlußfähigkeit erforderliche Mehrheit der Gemeinde­ vertretung nicht erschienen, so ist eine zweite Versammlung zu veranstalten, in welcher die Erschienenen ohne Rücksicht auf ihre Zahl die Gemeinde gültig vertreten. Die Beschlüsse werden in das Protokollbuch des Gemeindekirchenrats eingetragen. § 31. In folgenden Angelegenheiten bedarf der Gemeindekirchenrat der beschließenden Mitwirkung der Gemeindevertretung: 1. bei dem Erwerb, der Veräußerung und der dinglichen Belastung von Grundeigentum, der Verpachtung und Vermietung von Kirchengrundstücken auf länger als zehn Jahre und der Verpachtung oder Vermietung der den kirchlichen Beamten zur Nutzung oder zum Gebrauch überwiesenen Grundstücke über die Dienstzeit des jeweiligen Inhabers hinaus; 2. bei außerordentlichen Nutzungen des Vermögens, welche die Substanz selbst angreifen, sowie bei Kündigung und Einziehung von Kapitalien, sofern sie nicht zur zinsbaren Wiederbelegung erfolgt; 3. bei Anleihen, soweit sie nicht bloß zur vorübergehenden Aushilfe dienen und aus den laufenden Einnahmen derselben Boranschlagsperiode zurückerstattet werden können; 4. bei der Anstellung von Prozessen, soweit sich dieselben nicht auf Eintreibung fortlaufender Zinsen und Gefälle oder die Anziehung ausstehender Kapitalien, deren Zinsen rück­ ständig geblieben sind, beschränken, desgleichen bei der Abschließung von Vergleichen; 5. bei Neubauten und erheblichen Reparaturen an Baulichkeiten, sofern nicht über die Notwendigkeit der Bauausführung bereits durch die zuständige Behörde22 endgültig entschieden ist. Für erheblich gelten Reparaturen, deren Kostenanschlag 50 Taler über­ steigt. Im Falle des Bedürfnisses kann die Gemeindevertretung ein für allemal die Vollmacht des Gemeindekirchenrats zur Vornahme höher veranschlagter Reparaturen, jedoch nicht über die Summe von je 300 Taler hinaus, erweitern; 6. bei der Beschaffung der zu den kirchlichen Bedürfnissen erforderlichen Geldmittel und Leistungen, soweit solche nicht nach bestehendem Rechte aus dem Kirchenvermögen oder vom Patrone oder von sonst speziell Verpflichteten zu gewähren sind, insbesondere bei Festsetzung der auf die Gemeinde zu repartierenden Umlagen und bei Bestimmung des Repartitionsfußes, welcher nach Maßgabe direkter Staatssteuern oder am Orte erhobener Kommunalsteuern festgesetzt werden muß. 7. bei Veränderungen bestehender und Einführung neuer Gebührentaxen; 8. bei Bewilligung aus der Kirchenkasse zur Dotierung neuer Stellen für den Dienst der Gemeinde, sowie zur dauernden Verbesserung des Einkommens der bestehenden; bei dauernder Verminderung solcher, auf der Kirchenkasse haftender Bewilligungen; bei Verwandlung veränderlicher Annahmen der Kirchenbeamten in feste Hebungen oder bei Umwandlung von Naturaleinkünften in Geldrente, letzteres, soweit nicht die Um­ wandlung in dem durch die Staatsgesetze geordneten Ablösungsverfahren erfolgt;21 18 Beide Körperschaften bilden dann hinsichtlich der Beschlußfassung und Beschlußfähigkeit ein un­ geteiltes Kollegium. 20 D. i. die Regierung oder der Min. der geistlichen Angelegenheiten. Vgl. über Kirchenbaurecht §§ 707 ff. ALR. II, 11, vorstehend unter Nr. 2 und Anm. dazu. 21 Ablösungsg. v. 27. April 1872, s. oben Nr. 1.

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X. Abschri. 5Urchenrecht.

9. bei der Feststellung des Etats der Kirchenkasse und der Boranschlagsperiode, sowie, wenn die jährliche etatsmäßige Solleinnahme der Kirchenkasse 300 Taler oder mehr beträgt, bei der Abnahme der Jahresrechnung und Erteilung der Teckarge. In allen Fällen ist der Etat und die Jahresrechnung nach erfolgter Feststellung resp. Decharge auf 14 Tage zur Einsicht der Gemeindeglieder öffentlich auszulegen;22 10. bei Bewilligungen aus der Kirchenkasse an andere Gemeinden oder zur Unterstützung evangelisch-christlicher Vereine und Anstalten, sofern dieselben einzeln zwei Prozent der etatsmäßigen Solleinnahme der Kirchenkasse übersteigen. Bis zu diesem Betrage ist der Gemeindekirchenrat zu solchen Bewilligungen ermächtigt, doch darf der Gesamt­ betrag derselben während eines Jahres fünf Prozent der Solleinnahme nicht über­ schreiten; 11. bei Errichtung von Gemeindestatuten (§ 46). § L2. Die bestehenden Vorschriften über die Verleihung der Pfarrämter und die der Gesamtheit der Gemeinde dabei gebührende Mitwirkung, desgleichen über das Einspruchsrecht der Gemeinde nach §§ 330—339 ALR. II, 11 bleiben bis auf weiteres, insbesondere bis zur landesgesetzlichen Ausführung des Art. 17 VerfU. mit folgenden Maßgaben in Geltung: 1. Diejenigen Rechte der Wahl oder der Teilnahme an der Wahl des Pfarrers, welche bisher kirchengemeindlichen Wahlkollegien zugestanden haben, werden an deren Stelle von dem Gemeindekirchenrat in Gemeinschaft mit der Gemeindevertretung geübt.23 2. Pfarrstellen, welche bisher auf Grund des fiskalischen Patronats, spezieller Statuten oder aus anderen Gründen der freien kirchenregimentlichen Verleihung unterlegen haben, werden dergestalt besetzt, daß die Kirchenbehörde in dem einen Erledigungsfalle mit, in dem anderen ohne Konkurrenz einer Gemeindewahl den Pfarrer beruft. Tie Wahl erfolgt durch den Gemeindekirchenrat in Gemeinschaft mit der Gemeindever­ tretung.23 Auf Pfarrstellen, mit deren Verleihung die gleichzeitige Übertragung eines kirchen­ regimentlichen Amts verbunden werden soll, findet diese Vorschrift keine Anwendung. § 33. Der Gemeindekirchenrat ist befugt, auch andere Gemeindeangelegenheiten, die ihm dazu geeignet scheinen, an die Gemeindevertretung zur Beratung und Beschließung zu bringen. Die infolgedessen gefaßten Beschlüsse sind für den Gemeindekirchenrat maßgebend. Bildung der Gemeindeorgane. § 34. Die Mitglieder des Gemeindekirchenrats und der Gemeindevertretung werden von den wahlberechtigten Gemeindegliedern gewählt. Wahlberechtigt sind alle männlichen selbständigen, über 24 Jahre alten Mitglieder der Gemeinde, welche bereits ein Jahr in der Gemeinde oder, wo mehrere Gemeinden am £rtc sind, an diesem Orte wohnen, zu den kirchlichen Gemeindelasten nach Maßgabe der dazu bestehenden Verpflichtung beitragen und sich zum Eintritt in die wahlberechtigte Gemeinde ordnungsmäßig nach Maßgabe der darüber zu erlassenden Instruktion" angemeldet haben. Der Patron ist wahlberechtigt, auch wenn er nicht am Orte der Gemeinde wohnt. Als selbständig sind nicht anzunehmen diejenigen: 1. welche keinen eigenen Hausstand haben oder kein öffentliches Amt bekleiden oder kein eigenes Geschäft, beziehungsweise nicht als Mitglied einer Familie deren Geschäft führen; 2. welche unter Kuratel stehen oder sich im Konkurs befinden; 3. welche im letzten Jahre vor der Wahl armutshalber Unterstützung aus Armenmitteln oder Erlaß der Staatssteuern oder der kirchlichen Beiträge genossen haben. 22 Die öffentliche Auslegüng des Etats und der Jahresrechnung erfolgt bei Patronatkirchen, so­ bald der Patron den Kirchenkassenetat genehmigt und die Jahresrechnung dechargiert hat. 23 über das jetzige Pfarrwahlrecht vgl. oben Anm. 30 zu § 324 ALR. II, 11. 24 Rev. Jnstr. v. 25. Jan. 1882 (Kirchl. GBl. 1) Ziff. 2 ff. Juristische Personen sind trotz Beitragspflicht nicht wahlberechtigt, weil nicht Mitglieder der Kirchengemeinde; ebensowenig natürlich ein nichtevangelischer Patron.

3. Kirchengemeinde- und Synodalordnung.

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Ausgeschlossen vom Wahlrecht ist: 1. wer nicht im Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte sich befindet; 2. wer wegen eines Verbrechens oder wegen eines solchen Vergehens, welches die Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte nach sich ziehen muß oder kann, in Untersuchung sich befindet, bis zur Beendigung der Sache; 3. wer durch Verachtung des götüichen Wortes oder unehrbaren Lebenswandel ein öffent­ liches, noch nicht durch nachhaltige Besserung gesühntes Ärgernis gegeben hat; 4. wer wegen Verletzung besonderer kirchlicher Pflichten nach Vorschrift eines Kirchengesetzes^ des Wahlrechts verlustig erklärt ist. Das Wahlrecht ruht bei allen, welche mit Bezahlung kirchlicher Umlagen über ein Jahr im Rückstände sind. § 36. Wählbar in die Gemeindevertretung sind alle Wahlberechtigten, sofern sie nicht durch beharrliche Fernhaltung vom öffentlichen Gottesdienste und von der Teilnahme an den Sakramenten ihre kirchliche Gemeinschaft zu betätigen aufgehört haben. ^ Wählbar in den Gemeindekirchenrat sind alle zum Eintritt in die Gemeindevertretung befähigten Personen, welche das dreißigste Lebensjahr vollendet haben. § 36. Der Gemeindekirchenrat ordnet die Wahl für die Gemeindeorgane an und legt die von ihm aufgestellte Liste der Wahlberechtigten (§ 18) in einem jedermann zugänglichen Lokale 14 Tage lang öffentlich aus. Ort und Zeit der Auslegung sind im Hauptgottesdienste von der Kanzel bekanntzumachen, mit dem Beifügen, daß nach Verlauf der Auslegungsfrist Reklamationen gegen die Liste nicht mehr angebracht werden können. Nach dem Ermessen des Gemeindekirchenrats kann die Bekanntmachung auch noch in anderen, den örtlichen Verhältnissen entsprechenden Formen erfolgen. Die eingehenden Reklamationen hat der Gemeindekirchenrat zu prüfen und geeignetenfalls die Liste zu berichtigen; gegen einen ablehnenden Bescheid steht dem dadurch von der Wahl Ausgeschlossenen binnen 14 Tagen der Rekurs an den Vorstand der Kreissynode zu. Durch Einlegung des Rekurses wird die anstehende Wahl nicht aufgehalten. Zwischen dem Ende der Reklamationsfrist'und dem Tage der Wahl müssen mindestens vierzehn Tage in der Mitte liegen. § 37. Die Einladung der Gemeindeglieder zur Wahl hat unter Angabe der Zeit und des Ortes der Wahl, sowie der Zahl der für den Gemeindekirchenrat und für die Gemeindevertretung zu wählenden Personen von der Kanzel in allen von der Anordnung der Wahl an bis zum Wahltage stattfindenden Hauptgottesdiensten zu geschehen. Anderweite, den örtlichen Verhältnissen entsprechende Bekanntmachungen zu veranstalten, bleibt dem Ermessen des Gemeindekirchenrats überlassen. Der Patron oder Patronaisvertreter (§ 6) ist zur Teilnahme an der Wahlhandlung be­ sonders einzuladen. § 38. Die Wahl geschieht in der Kirche der Wahlgemeinde an einem Sonntage nach Schluß des Hauptgottesdienstes. Die Wahlhandlung^ wird von dem Vorsitzenden des Gemeindekirchenrats geleitet, welchem die übrigen Mitglieder des Gemeindekirchenrats und erforderlichenfalls einige von diesem zu bezeichnende Gemeindeglieder als Wahlvorstand zur Seite stehen. Der Patron oder der Patronatsvertreter ist immer berechtigt, in den Wahlvorstand einzutreten. Der Vorsitzende eröffnet die Wahlhandlung. Er ermahnt die Wähler, ihre Wahl auf Männer von unsträflichem Wandel, christlicher Gesinnung, bewährter Liebe zur evangelischen Kirche und fleißiger Teilnahme an Wort und Sakrament zu richten. 26 KirchG. v. 27. und 30. Juli 1880 (Kirchl. GBl. 109 und 116), betr. die Verletzung kirchlicher Pflichten in bezug auf Taufe, Konfirmation und Trauung. 26 Ferner der Pfarrer als Mitglied des Gemeindekirchenrats und der Patron, sofern er in den Gemeindekirchenrat eingetreten ist (§ 6). Überhaupt darf niemand mehrere Stimmen in den beiden kirchlichen Gemeindekörperschasten führen. 27 Vgl. die eingehenden Vorschriften der Rev. Jnstr. (Anm. 10) Ziff. 18 ff.

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X. Abschn.

^irchenrecht.

Nur die persönlich erschienenen Wähler sind stimmberechtigt. Tie Abstimmung erfolgt schriftlich mittels Stimmzettel. Durch Beschluß des Gemeindekirchenrats kann eine mündliche Abstimmung zu Protokoll angeordnet werden. Zunächst ist die Wahl der Altesten, danach die der Mitglieder der Gemeindevertretung zu vollziehen. Gewählt sind diejenigen, auf welche die absolute Mehrheit der abgegebenen Wahlstimmen gefallen ist. Hat der erste Wahlgang eine absolute Mehrheit für die zur Bildung oder Ergänzung der Gemeindeorgane erforderliche Zahl von Personen nicht ergeben, so ist, bis dies erreicht wird, das Verfahren durch engere Wahl fortzusetzen. Bei Stimmengleichheit ent­ scheidet das Los. Über die Wahlhandlung wird ein Protokoll aufgenommen, welches den wesentlichen Her­ gang beurkundet. Das Protokoll wird von dem Vorsitzenden und mindestens zwei Mit­ gliedern des Gemeindekirchenrats unterzeichnet. § 39. Tie Namen der Gewählten werden, nachdem der Gemeindekirchenrat die Legalität der Wahl geprüft und anerkannt hat, an zwei aufeinander folgenden Sonntagen im Hauptgottesdienste der Gemeinde bekanntgemacht. § 40. Einsprüche gegen die Wahl können bis zur zweiten Bekanntmachung derselben (§ 39) von jedem wahlberechtigten Gemeindegliede (§ 34) erhoben werden. Über solche Einsprüche entscheidet der Gemeindekirchenrat und, auf eingelegten Rekurs, für welchen von Zustellung der Entscheidung an eine vierzehntägige präklusivische Frist läuft, der Vorstand der Kreissynode (§ 56 Nr. 8). Der letztere hat auch von Amts wegen die Wahl zu prüfen. § 41. Die Gewählten können das Gemeindeamt nur ablehnen oder niederlegen, 1. wenn sie das sechzigste Lebensjahr vollendet, oder 2. schon sechs Jahre das Ältestenamt bekleidet haben, oder 3. wegen anderer erheblicher Entschuldigungsgründe, z. B. Kränklichkeit, häufiger Ab­ wesenheit, unvereinbarer Dienstverhältnisse.^ Über die Erheblichkeit und tatsächliche Begründung entscheidet der Gemeindekirchenrat und auf eingelegten Rekurs, für welchen von Zustellung der Entscheidung an eine vierzehntägige präklusivische Frist läuft, der Vorstand der Kreissynode. Wer ohne solchen Grund die Übernahme oder die Fortsetzung des Gemeindeamts ver­ weigert, verliert das kirchliche Wahlrecht. Dasselbe kann ihm jedoch auf sein Gesuch von dem Gemeindekirchenrat wieder beigelegt werden. Die Ablehnung oder Niederlegung des vom Patron übertragenen Ältestenamts unterliegt keinen beschränkenden Bestimmungen. § 42. Ist für die Ältestenwahl zweimal vergeblich Termin abgehalten, weil Wahlberechtigte nicht erschienen sind, oder die Erschienenen die Vornahme der Wahl verweigert haben, oder weil nicht wählbare Personen gewählt worden sind, so hat für dieses Mal der Vorstand der Kreissynode die Ältesten zu ernennen. Ist aus denselben Gründen die Wahl der Gemeindevertretung nicht zustande gekommen, so werden bis dahin die Rechte derselben durch den Gemeindekirchenrat ausgeübt. § 43. Das Amt der gewählten Ältesten und der Gemeindevertreter dauert sechs Jahre. Von drei zu drei Jahren scheidet die Hälfte aus. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar und bleiben jedenfalls bis zur Einführung ihrer Nachfolger im Amte. Der Austritt wird durch die Dienstzeit, das erstemal durch Auslosung, bestimmt. Bei einer außer der Zeit eintretenden Erledigung wählt die Gemeindevertretung in ihrer nächsten Versammlung einen Ersatzmann, dessen Funktion sich auf die Restzeit der Amtsdauer des Ausgeschiedenen erstreckt. 28 Ev. auf Verlangen der vorgesetzten Dienstbehörde, obwohl es einer Genehmigung zur Annähme des Amtes nicht bedarf.

3. Kirchengemeinde- und Synodalordnung.

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§ 44. Die Entlassung eines Ältesten oder Gemeindevertreters erfolgt durch den Vorstand der Kreissynode nach Anhörung des Gemeindekirchenrats: 1. wegen Verlustes einer zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaft (§ 34), 2. wegen grober Pflichtwidrigkeit. Gegen die Entscheidung des Vorstandes der Kreissynode steht sowohl dem Betroffenen als auch dem Gemeindekirchenrat binnen 4 Wochen die Berufung an das Konsistorium zu, welches mit Zuziehung des Vorstandes der Provinzialsynode endgültig entscheidet (§ 55 Nr. 9). § 45. Wenn eine Gemeindevertretung beharrlich die Erfüllung ihrer Pflichten vernach­ lässigt oder verweigert, so kann das Konsistorium auf den Antrag des Vorstandes der Kreis­ synode dieselbe auflösen und den erwiesenen Schuldigen die Wählbarkeit auf bestimmte Zeit entziehen. Die Neubildung der Gemeindevertretung ist unter Leitung eines von dem Konsistorium zu bestellenden Kommissarius zu bewirken. Bis dahin werden die Rechte der Gemeindevertretung durch den Gemeindekirchenrat ausgeübt. § 46. Mittels statutarischer Bestimmung können in einer Gemeinde besondere, die vor­ stehende Ordnung ergänzende oder modifizierende Einrichtungen aufrechterhalten oder neu eingeführt werden. Geeignetenfalls ist das Ganze der Gemeindeordnung in einem förmlichen Gemeindestatut zusammenzufassen. Zur Festsetzung statutarischer Ordnungen bedarf es der Zusümmung der Gemeindever­ tretung, der Prüfung durch die Kreis- und Provinzialsynode, der Anerkennung der letzteren, daß die entworfene Bestimmung zweckmäßig und wesentlichen Vorschriften der Kirchenord­ nung nicht zuwider sei, sowie der abschließenden Genehmigung des Konsistoriums. § 47. Das in den bestehenden Gesetzen begründete Recht, sowohl der Staatsbehörden als der vorgesetzten Kirchenbehörden, die Gemeinden und ihre Organe zu einer pflichtmäßigen Tätigkeit anzuhalten, zu diesem Behufe ihnen Weisungen zu erteilen und erforderlichenfalls die gesetzlich statthaften Zwangsmittel anzuwenden, erfährt durch diese Ordnung keine Ver­ änderung. § 48. Die Vorschriften dieses Abschnitts finden keine Anwendung: 1. auf diejenigen französisch-reformierten Gemeinden, in welchen ein nach Vorschrift der discipline des 6glises rtiorm&s de France gebildetes consistoire oder Presbyterium eingerichtet ist; 2. auf diejenigen Jmmediatgemeinden, welche eine Allerhöchst sanktionierte Verfassung und ein für die Interna und Externa der Gemeinde gebildetes Kirchenkollegium be­ sitzen; 3. auf die Unitätsgemeinden der Provinz Posen; 4. auf die Militär- und Anstaltsgemeinden.** Hinsichtlich aller dieser Gemeinden bewendet es bis auf weiteres bei der bestehenden Ver­ fassung. 2. Abschnitt. Kreissynode. § 49. Die zu einer Diözese vereinigten Gemeinden bilden in der Regel den Kreissynodalverband. Gemeinden, welche keiner Diözese angehören, sind einem benachbarten Synodalverband anzu­ schließen. Kleinere Diözesen können ganz oder geteilt mit benachbarten zu dem Verbände einer Kreissynode vereinigt werden. Über Veränderungen bestehender Kreissynodalverbände trifft das Konsistorium mit Einwilligung der betreffenden Kreissynoden oder im Falle des Widerspruchs unter Zustimmung der Provinzial­ synode Entscheidung. 8 50. ^Ersetzt durch § 43 GenSynOg.") 29 Wegen der Militärgemeinden s. MilKirchOg. v. 12. Febr. 1832 (GS. 69), wegen der Analtsgemeinden §§ 77 ff. ALR. II, 19. 30 § 43. Die Kreissynode besteht aus: 1. dem Superintendenten der Diözese als Vorsitzenden.

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X. Abschn. Kirchenrecht.

§ 61. Die Kreissynode tritt jährlich in der Regel einmal zusammen. Außerordentliche Versammhingen können mit Genehmigung oder auf Anordnung des Konsistoriums stattfinden. Die Dauer der Versammlung soll zwei Tage nicht überschreiten. Ausnahmsweise ist das Konsistorium befugt, eine schriftliche Abstimmung der Mitglieder außerhalb der Versammlung zu veranstalten. § 52. Der Vorsitzende beruft, eröffnet und schließt die Versammlung und sorgt für die vorbereitenden Arbeiten, die er auf Mitglieder des Synodalvorstandes (§ 54) und andere geeignete Snnodalen nach Bedürfnis verteilen kann. Er leitet die Verhandlungen, bestimmt die Reihenfolge der zu verhandelnden Gegenstände und sorgt für die Aufrechterhaltung der Ordnung. In diesen Geschäften kann er sich durch ein anderes Mitglied der Synode vertreten lassen. Zur Beschlußfähigkeit der Synode bedarf es der Anwesenheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl. Die Beschlüsse werden nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt. Wahlhandlungen sind, wenn zunächst relative Mehrheiten sich ergeben, durch engere Wahl bis zur Erreichung einer absoluten Majorität fortzusetzen. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag, bei Wahlen entscheidet das Los. Jede Sitzung wird mit Gebet eröffnet, die Schlußsitzung auch mit Gebet geschlossen. § 53. Der Wirkungskreis der Kreissynode umfaßt nachstehende Befugnisse und Obliegenheiten: 1. die Erledigung der vom Konsistorium oder von der Provinzialsynode ihr zugehenden Vor­ lagen; 2. die Beratung von Anträgen an das Konsistorium und die Provinzialsynode, welche von den Mitgliedern der Synode, von den Gemeindekirchenräten oder auch einzelnen Gemeindegliedern des Synodalkreises ausgehen; 3. die Mitaufsicht über die Gemeinden, Geistlichen, Kandidaten und alle in kirchlichen Berufs­ ämtern stehenden Personen ihre Kreises. Zu diesem Behufe erhält sie bei ihrem jedesmaligen Zusammentreten zu ordentlicher Ver­ sammlung durch den Superintendenten oder die von ihm dazu bestellten Referenten einen Bericht über die kirchlichen und sittlichen Zustände der Gemeinden. 4. die Übung der Kirchendisziplin in zweiter Instanz, wo in erster Instanz der Gemeindekirchenrat disziplinarische Entscheidung getroffen hat (§ 14, vgl. jedoch § 55 Nr. 7); 5. die Mitaufsicht über die in den Kirchengemeinden bestehenden Einrichtungen für christliche Liebeswerke (§ 17), sowie die Verwaltung und Leitung der den Kirchengemeinden des Synodalkreises gemeinsamen derartigen Institute, jedoch unbeschadet abweichender statutarischer Ord­ nungen; 6. die Prüfung des Kassen- und Rechnungswesens in den einzelnen Gemeinden; 7. die Verwaltung der Kreissynodalkasse, die Bestellung eines Kreissynodalrechners, die Festsetzung des Etats der Kasse, diese unter Genehmigung des Konsistoriums, die Repartition der zur Kreissynodalkasse erforderlichen Beiträge der Kirchenkassen und Gemeinden; 8. die Prüfung statutarischer Ordnungen der Gemeinden (§ 46), sowie die Errichtung solcher Drä­ nungen in dem den Kreissynoden angewiesenen Geschäftsgebiete. Auch die letzteren bedürfen der Billigung der Provinzialsynode und der abschließenden Bestätigung des Konsistoriums; 9. die Wahl ihres Vorstandes nach Maßgabe des § 54; 10. die Wahl von Abgeordneten zur Provinzialsynode nach Maßgabe der §§ 58 ff. § 54. Der Vorstand der Kreissynode besteht aus dem Vorsitzenden Superintendenten (Präses) und aus vier von der Synode aus ihrer Mitte auf drei Jahre gewählten Beisitzern (Assessoren), von denen mindestens einer ein Geistlicher sein muß. Der geistliche Beisitzer, und, wenn deren mehrere in dem Synodalvorstand sind, der an erster Stelle gewählte, hat den Vorsitzenden im Falle seiner Verhinderung in allen Synodalgeschäften zu vertreten. Das Konsistorium kann jedoch, wenn die Vertretung eines Superintendenten in allen Ephoralfunktionen angeordnet werden muß, auch den Synodalvorsitz dem ernannten Vertreter der Superintendentur übertragen. Unter mehreren zur Synode gehörigen Superintendenten gebührt der Vorsitz dem im Ephoralamt älteren; 2. sämtlichen innerhalb des Kirchenkreises ein Pfarramt definitiv oder vikarisch verwaltenden Geistlichen. Geistliche an Anstalten, welche keine Parochialrechte haben, Militärgeistliche und ordinierte Hilfsgeistliche sind nur befugt, mit beratender Stimme an der Snnode teilzunehmen; 3. der doppelten Anzahl gewählter Mitglieder. Die Hälfte derselben wird aus den Ältesten gewählt, in der Weise, daß jede Gemeinde so viele Mitglieder entsendet, als sie stimmberechtigte Geistliche in der Synode hat. Die andere Hälfte wird aus den angesehenen, kirchlich erfahrenen und verdienten Männern des Synodalkreises von den an Seelenzahl stärkeren Gemeinden ge­ wählt. Die Wahl dieser Mitglieder erfolgt auf drei Jahre und wird durch die vereinigten Gemeinde­ organe, bei verbundenen Gemeinden der Gesamtparochie, vollzogen, wo verfassungsmäßig eine Gemeindevertretung nicht vorhanden ist, erfolgt die Wahl durch den Gemeindekirchenrat.

3. Kirchengemeinde' und Synodalordnung.

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§ 55. Der Synodalvorstand hat 1. den Vorsitzenden in den Präsidialgeschästen zu unterstützen, 2. für die Aufzeichnung, Redaktion und Beglaubigung der Protokolle zu sorgen, zu welchem Be­ hufe er unter seiner Verantwortlichkeit auch einige Synodalmitglieder zur Unterstützung zu­ ziehen kann, 3. die Synodalprotokolle an das Konsistorium zu befördern und die von letzterem bestätigten Beschlüsse, soweit ihm die Vollziehung aufgetragen wird, zur Ausführung zu bringen, 4. zur Versammlung der Kreissynode die erforderlichen Einleitungen zu treffen, insbesondere die Vorlagen für dieselbe vorzubereiten, 5. dem Konsistorium aus Erfordern Gutachten abzustatten, 6. in eiligen Fällen der nach § 53 Nr. 5 und 6 der Synode übertragenen Mitaufsicht die vorläufige bis zur nächsten Synodalversammlung wirksame Entscheidung zu treffen, 7. wenn die Kreissynode nicht versammelt ist, die ihr in § 53 Nr. 4 übertragene Zuständigkeit auszuüben, 8. auf eingelegten Rekurs über Einsprüche gegen die Wahl von Ältesten oder Gemeindevertretern (§ 40), über die Zulässigkeit einer Amtsablehnung oder Niederlegung von Ältesten oder Ge­ meindevertretern (§ 41), sowie über den Ausschluß vom Wahlrechte (§ 36) zu entscheiden, 9. darüber zu befinden, ob der Fall des § 44 Nr. 1 vorliegt, sowie die Disziplinargewalt über die Mitglieder des Gemeindekirchenrats und der Gemeindevertretung auszuüben mit dem Rechte, Ermahnung, Verweis und wegen grober Pflichtwidrigkeit Entlassung aus dem Amte zu ver­ fügen (§ 44 Nr. 2). Die Disziplinarentscheidung erfolgt nach Untersuchung der Sache und Vernehmung des Beschuldigten durch eine schriftlich mit Gründen abzufassende Resolution, welche im Falle der Verurteilung zugleich über die Notwendigkeit der Suspension zu bestimmen hat. Binnen vier Wochen nach Zustellung der Resolution steht dem Beschuldigten der Rekurs an das Kon­ sistorium zu, welches endgültig entscheidet. Lautet die angefochtene Verfügung auf Entlassung, so kann das Konsistorium nur unter Zuziehung des Vorstandes der Provinzialsynode ent­ scheiden, 10. bei Pfarrbesetzungen, vorbehaltlich des Rekurses an das Konsistorium, über Einwendungen der Gemeinde gegen Wandel und Gaben des Designierten, sowie über Einwendungen von einer Zweidrittelmehrheit der Gemeindemitglieder zu entscheiden. §56. Bei den Versammlungen der Kreissynode findet eine beschränkte Öffentlichkeit statt. Die Kandidaten und nicht ordinierten Geistlichen des Synodalkreises, die Ältesten desselben, die evangelischen Kirchenpatrone, die evangelischen Mitglieder der an der Kirchenverwaltung beteiligten Kreis- und Provinzialbehörden, sowie der Zentralbehörden haben als Gäste Zutritt. Andere Personen als Zuhörer zuzulassen, hängt von dem Ermessen des Synodalvorstandes ab. Der Generalsuperintendent, sowie ein vom Konsistorium etwa abgeordnetes Konsistorialmitglied, desgleichen der Präses der Provinzialsynode (§ 66) hat das Recht, jederzeit den Verhandlungen der Kreissynode beizuwohnen, dabei das Wort zu ergreifen und Anttäge zu stellen. § 57. In Städten, welche mehrere Synodalkreise umfassen, ist auf das Zusammentteten von mehreren Kreissynoden zur Behandlung gemeinsamer kirchlicher Angelegenheiten der Stadt Bedacht zu nehmen.-----------3. Abschnitt. Provinzialsynode. § 58. Die Kreissynoden jeder Provinz bilden zusammen den Verband einer Provinzialsynode. § 69. s Ersetzt durch § 44 GenSynOg."j § 60. Die Mitglieder des von der vorangegangenen ordentlichen Provinzialsynode gewählten Vorstandes, des Provinzialkonsistoriums und des Evangelischen Oberkirchenrats sind berechtigt, mit beratender Stimme an den Verhandlungen der Synode teilzunehmen. Außerdem wohnt ein Königlicher Kommissar den Verhandlungen bei, welcher jederzeit das Wort ergreifen und Anträge stellen kann. Das gleiche Recht steht den Generalsuperintendenten der Pro­ vinz zu. §§ 61, 62. s Ersetzt durch §§ 45, 46 GenSynOg.32j 31 § 44. Die Provinzialsynode wird zusammengesetzt aus: 1. den von den Kreissynoden oder Synodalverbänden der Provinz zu wählenden Abgeordneten; 2. einem von der evangelisch-theologischen Fakultät der Provinzialuniversität (für West­ preußen der Universität Königsberg, für Posen der Universität Breslau) zu wählenden Mitglieds dieser Fakultät; 3. den vom Könige zu ernennenden Mitgliedern, deren Zahl den sechsten Teil der nach Nr. 1 zu wählenden Abgeordneten nicht übersteigen soll. Die Berufung aller Synodalmitglieder erfolgt für eine Synodalperiode von drei Jahren. 32 § 45. Jeder Kreissynodalbezirk ist ein Wahlkreis, seine Kreissynode der Wahlkörper. Die Anzahl und die Begrenzung der durch Zusammenlegung von Kreissynoden gebildeten

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X. Abschn. Kirchenrecht.

8 63. Tie Mitglieder der Provinzialsynode legen bei ihrem Eintritt in die Synode das Gelöbnis ab---------§ 64. Tie Promnzialsynode versammelt sich alle drei Jahre aus Berufung des Konsistoriums in einer Stadt der Provinz. Außerordentliche Versammlungen kann mit Zustimmung des SynodalVorstandes das Konsistorium, unter Genehmigung des Evangelischen Oberkirchenrats, berufen. An­ fangstermin, Crt und Dauer der Versammlung werden zwischen dem Konsistorium und dem Synodalvorstande vereinbart. Eine Verlängerung der vereinbarten Dauer bedarf der Zustimmung des landesherrlichen Kom­ missars. § 65. Der Wirkungskreis der Provinzialsynode umfaßt nachstehende Befugnisse und Obliegen­ heiten. 1. Sie hat die Zustände und Bedürfnisse ihres Bezirks in Obacht zu nehmen, über die Erhaltung der kirchlichen Ordnung in Lehre, Kultus und Verfassung zu wachen und die Hebung der wahr­ genommenen Mißstände durch Anträge oder Beschwerden im kirchenordnungsmäßigen Wege *u betreiben. 2. Uber die von der Kirchenregierung gemachten Vorlagen, sowie über die von den Kreissynoden oder aus ihrer eigenen Mitte an sie gelangenden Anträge hat sie zu beraten und die zu ihrer Erledigung erforderlichen Gutachten zu erstatten und Beschlüsse zu fassen. Die letzteren bedürfen der Bestätigung der Kirchenregierung. 3. Die Provinzialsynode übt eine selbständige Teilnahme an der kirchlichen Gesetzgebung derge­ stalt, daß kirchliche Gesetze, deren Geltung sich auf die Provinz beschränken soll, durch das Kirchen­ regiment, nicht ohne ihre Zustimmung erlassen werden können. Kirchliche Ordnungen und Gesetze, welche mit Zustimmung der Generalsynode in Gemäß­ heit der Generalsynodalordnung erlassen werden, gehen den provinziellen Ordnungen und Gesetzen vor. 4. Zur Einführung neuer, regelmäßig wiederkehrender Provinzialkirchenkollekten bedarf es der Zustimmung der Provinzialsynode. 5. Die von den Kreissynoden beschlossenen statutarischen Bestimmungen unterliegen der Prüfung der Provinzialsynode und gelangen erst nach deren Zustimmung zur Bestätigung an das Konsi­ storium (§ 53 Nr. 8). C. Die Provinzialsynode erhält Einsicht von dem Zustande der Synodalwitwen- und Waisen­ kassen, des Provinzialemeritenfonds und anderer provinzieller, von dem Konsistorium und anderen Königlichen Behörden verwalteter, kirchlichen Stiftungen. Sie führt die Mitaufsicht über die Kreissynodalkassen und ordnet durch ihre Beschlüsse die Verwaltung der Provinzialsynodalkasse. 7. Neue kirchliche Ausgaben zu provinziellen Zwecken, soweit sie durch Leistungen der Kirchenkassen oder Kirchengemeinden gedeckt werden sollen, bedürfen der Bewilligung der Provinzial­ synode und der Zustimmung des Konsistoriums. 8. Die Provinzialsynode beschließt über die Verwendung des Ertrages einer vor ihrem jedes­ maligen regelniäßigen Zusammentritt in der Provinz einzusammelnden Kirchen- und Hauskollekte zum Besten der dürftigen Gemeinden ihres Bezirks. Sie ist befugt, eine jährliche Einsammlung dieser Kirchen- und Hauskollekte anzuordnen. Uber die Verwendung der Kollekte kann das Konsistorium Vorschriften an die Synode richten. 9. Sie ist berechtigt, zu den durch das Konsistorium veranstalteten Prüfungen der theologischen Kandidaten zwei bis drei Abgeordnete aus ihrer Mitte als Mitglieder der Prüfungskommission mit vollem Stimmrecht zu entsenden. 10. Sie wählt ihren Vorstand nach Maßgabe des § 66. 11. Sie wählt Abgeordnete zur Generalsynode nach Maßgabe der demnächst zu erlassenden Generalsynodalordnung. Wahlkreise wird bis zur anderweiten kirchengesetzlichen Regelung durch Königliche Verordnung bestimmt. Die Zahl der von den Kreissynoden und Wahlverbänden zu wählenden Abgeordneten (§ 44 Nr. 1) beträgt das Dreifache der in der Provinz vorhandenen Wahlkreise. Für jeden Abgeordneten wird gleichzeitig ein Stellvertreter gewählt. § 46. Die Wahl erfolgt in der Weise, daß in jedem Wahlkreise 1. ein Abgeordneter aus den innerhalb des Wahlkreises in geistlichen Ämtern der Landes­ kirche angestellten Geistlichen, 2. ein Abgeordneter aus solchen Angehörigen des Wahlkreises gewählt wird, welche in Kreissynoden oder in den Gemeindekörperschaften desselben als weltliche Mitglieder zurzeit der Kirche dienen oder früher gedient haben, 3. das letzte Dritteil der Abgeordneten tvird von den an Seelenzahl stärkeren Kreissynoden und Wahlverbänden aus den angesehenen, kirchlich erfahrenen und verdienten Männern des Provinzialbezirks gewählt.

3. Kirchengemeinde- und Synodalordnung.

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§ 66. Der Borstand der Provinzialsynode wird für eine laufende Synodalperiode gewählt, bleibt aber bis zur Bildung des neuen Vorstandes in Tätigkeit. Er besteht 1. aus einem Vorsitzenden (Präses), 2. aus mehreren (nicht über sechs) Beisitzern, geistlichen und weltlichen in gleicher Zahl (Assessoren). Die Feststellung der Zahl für jede einzelne Provinz erfolgt durch einen Beschluß der Provinzialsynode, welcher der Bestätigung durch den Evangelischen Oberkirchenrat bedarf. Für sämtliche Beisitzer werden Stellvertreter gewählt, welche in Verhinderungsfällen für jene in den Vorstand eintreten. Die Wahl des Präses unterliegt der Bestätigung des Evangelischen Oberkirchenrats. § 67. Der Präses eröffnet die Synode, leitet ihre Verhandlungen und handhabt die äußere Ordnung. Seine Stimme entscheidet bei Stimmengleichheit. Er repräsentiert die Synode nach außen, insbesondere bei kirchlichen Feierlichkeiten von provinzieller Bedeutung. Er ist befugt, den Kreis­ synoden der Provinz mit beratender Stimme beizuwohnen. Bei vorübergehender Behinderung kann er sich durch einen Beisitzer vertreten lassen. Er ist der Vorsitzende des Synodalvorstandes als eigenen Kollegiums. Der Präses wird bei den Präsidialgeschäften von den Beisitzern unterstützt. Im Falle seiner bleibenden Verhinderung oder seines definitiven Ausscheidens wählen bei nicht versammelter Synode die Beisitzer unter sich einen stellvertretenden Vorsitzenden. Die Korrespondenz führt, insoweit nicht der Vorstand in Gesamtheit zu handeln berufen ist, der Präses allein. Demselben steht frei, die Mitunterschrist der Beisitzer einzuholen. § 68. Dem Vorstände der Provinzialsynode liegt ob: 1. die Sorge für die Redaktion und Beglaubigung der Synodalprotokolle. Für die Aufzeichnung kann der Vorstand mit Zustimmung der Synode ein Mitglied derselben oder mehrere heran­ ziehen. Auch in diesem Falle ist er für die Redaktion und die Richtigkeit des Protokolls verant­ wortlich ; 2. die Einreichung der Synodalprotokolle an das Konsistorium, sowie deren Mitteilung an sämt­ liche Pfarrer und Gemeindekirchenräte der Provinz; 3. die zur Ausführung der Synodalbeschlüsse erforderlichen Maßnahmen; 4. die Vorbereitung der Geschäfte für die nächste Synodalversammlung, insbesondere die Prüfung der Legitimationen (§ 69); 0. die Abstattung von Gutachten, welche von dem Konsistorium erfordert werden; fj. die Teilnahme an wichtigen Geschäften des Konsistoriums. Sie muß eintreten bei Vorschlägen über die Besetzung kirchenregimentlicher Ämter, bei Entscheidungen sowohl in der Rekursinstanz über die Entlassung von Ältesten (§ 44) als auch in erster Instanz über Einwendungen der Gemeinde gegen die Lehre eines zum Pfarramt Designierten (§ 55 Nr. 10); ferner bei Entscheidungen, durch welche wegen Mangels an Übereinstimmung mit dem Bekenntnisse der Kirche die Berufung eines sonst Anstellungsfähigen zu einem geistlichen Amte für unzu­ lässig erÜärt wird; endlich in allen Fällen, in welchen gegen einen Geistlichen wegen Irrlehre die Untersuchung eingeleitet oder eine Entscheidung gefällt werden soll. Auch in anderen, durch ihre Wichtigkeit dazu geeigneten Angelegenheiten kann das Konsi­ storium den Synodalvorstand zuziehen. 7. die Berichterstattung über seine Wirksamkeit an die nächste ordentliche Provinzialsynode. g --------- Die Verhandlungen sind öffentlich. Eine vettrauliche Beratung kann durch Beschlu.b der Synode verfügt werden. Die Geschäftsordnung wird von der Synode mit Genehmigung des Evangelischen Oberkirchenrats geregelt. Bis dahin ist eine von dem letzteren erteilte Geschäftsordnung maßgebend. $ 70. Die Synode ist beschlußfähig, wenn zwei Dritteile der gesetzlichen Mitgliederzahl anwesend sind. Die Beschlüsse werden nach absoluter Mehrheit der Abstimmenden gefaßt. Wahlhandlungen sind, weml zunächst relative Mehrheiten sich ergeben, durch engere Wahl bis zur Erreichung einer absoluten Mehrheit fortzusetzen. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. Für die Wahl zu Kommissionen genügt die relative Mehrheit.-----------

4. Gesetz, betreffend die evangelisch« Kirchenverfassung in den neun älteren Provinzen der Monarchie. Bom 3. Juni 1876 (GS. 125).1 l. Die in der Kirchengemeinde- und Synodalordnung vom 10. Sept. 1873 und in der Generrlsynodalordnung v. 20. Jan. 1876 bestimmten und nach diesen Vorschriften zu­ sammengeletzten Stmodalorgane üben die nachstehenden Rechte nach Maßgabe dieses G. 1 Art. 8 m Fassung des G. v. 19. Mai 1891 (ÄS. 64) und Art. 13 Abs. 2 in Fassung des G. v. 28. Mai lt94 (GS. 87).

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X. Abschn. Kirchenrecht.

Art. 2. Die Kreissynode übt die ihr in der Kircheng. u. SynOg. zugewiesenen Rechte in betreff 1. der in den Kirchengemeinden bestehenden und der den Kirchengemeinden des Synodal­ kreises gemeinsamen Einrichtungen und Institute für christliche Liebeswerke (§ 53 Nr. 5); 2. des Kassen- und Rechnungswesens der einzelnen Gemeinden und der kirchlichen Stif­ tungen innerhalb des Bezirks (§ 53 Nr. 6); 3. der Kreissynodalkasse, des Kreissynodalrechners, des Etats der Kasse und der Repartition der zu derselben erforderlichen Beiträge der Kirchenkassen und Gemeinden (§ 53 Nr. 7); 4. der statutarischen Ordnungen (§ 53 Nr. 8). Die zur Ausübung dieser Rechte erforderlichen Beschlüsse werden nach § 53 Abs. 3, 4 gefaßt. Art. 3. Den Gemeinden steht gegen Beschlüsse der Kreissynode wegen Repartition der zur Kreissynodalkasse erforderlichen Beiträge binnen einundzwanzig Tagen seit Zustellung des Beschlusses Beschwerde zu. Über die Beschwerde entscheidet die Staatsbehörde? Art. 4. Zur Feststellung statutarischer Ordnungen in dem der Kreissynode überwiesenen Geschäftsgebiete (§ 53 Nr. 8, § 65 Nr. 5) bedarf es der vorgängigen Anerkennung seitens der Staatsbehörde,^ daß die entworfenen Bestimmungen dem G. v. 25. Mai 1874 und diesem Gesetz nicht zuwider seien. Art. 5. Der Kreissynodalvorstand übt in bezug auf die nach § 53 Nr. 5 und 6 der Synode übertragene Mitaufsicht das Recht, in eiligen Fällen die vorläufige Entscheidung zu treffen (§ 55 Nr. 6). Art. 6. Die Rechte, welche nach den Art. 2—5 der einzelnen Kreissynode und deren Vorstande zustehen, werden in dem Fall des § 57 Abs. 1 den vereinigten Kreissynoden und deren Vorständen für die gemeinsamen Angelegenheiten beigelegt, wenn die Vereinigung mit Einwilligung der einzelnen Kreissynoden erfolgt. Art. 7. Wenn der Wirkungskreis einer Kreissynode oder einer nach § 57 Abs. 1 gebildeten Vereinigung von Kreissynoden, sowie ihres Vorstandes nach Abs. 2 dieses Paragraphen mit Rücksicht auf eigentümliche Einrichtungen oder Bedürfnisse des Kreises erweitert werden soll, so ist ein Regulativ zu erlassen, für welches die Bestimmungen des bezeichneten Absatzes maßgebend sind. Auf die Feststellung desselben findet Art. 4 dieses G. Anwendung. Art. 8. In dem Regulativ für die Berliner Stadtsynode kann derselben das Recht bei­ gelegt werden, 1. über die Veränderung, Aufhebung oder Einführung allgemeiner Gebührentaxen für alle Gemeinden Beschluß zu fassen; 2. Anleihen aufzunehmen. Die Anleihen dürfen nur zur Errichtung neuer kirchlicher Gebäude verwendet werden. Zur Aufnahme bedarf es der Genehmigung des Staatsministeriums; 3. allgemeine Umlagen auszuschreiben, und zwar: a) Behufs Ersatz für Stolgebühren, b) zur Verzinsung und Abtragung der Anleihen, c) zur Gewährung von Beihilfen an ärmere Parochien behufs Befriedigung dringender kirchlicher Bedürfnisse. Soll die Umlage für die beiden letzteren Zwecke zehn Prozent der Summe der von den pflichtigen Gemeindegliedern jährlich an den Staat zu entrichtenden Ein­ kommensteuer übersteigen, so bedarf es der Genehmigung des Staatsministeriums, d) behufs Berichtigung des Anteils aller Gemeinden an den Kreis-, Provinzial- und Generalsynodalkosten, sowie an den im Wege kirchlicher Gesetzgebung festgestellten Umlagen für provinzielle und landeskirchliche Zwecke. 2 Die zuständigen Behörden bestimmt die Kgl. Vg. v. 9. Sept. 1876, abgedruckt nachstehend unter Nr. 5.

4. Kirchenverfassungsgesetz.

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Die Umlagen müssen gleichzeitig in allen Gemeinden nach gleichem Maßstab erhoben werden und gilt für den Repartitionsfuß die Vorschrift des § 31 Nr. 6 der Kircheng.-'u. SynOg. Auf die Beschlüsse über solche Umlagen findet Art. 4 Abs. 3 und 4 des G. v. 25. Mai 1874 Anwendung; 4. eine Synodalkasse für die Einnahme und Verwendung der ausgeschriebenen Umlagen und aufgenommenen Anleihen zu errichten. Art. 9. In anderen Ortschaften, die mehrere unter einem gemeinsamen Pfarramt nicht verbundene Parochien umfassen, können die im Art. 8 bezeichneten Zwecke auf den Antrag aller oder der Mehrheit der Parochien im Sinne des Art. 4 des G. v. 24. Mai 1874 für ge­ meinsame Angelegenheiten durch das Konsistorium erklärt werden. Beim Widerspruch der Vertretung auch nur einer Parochie kann dies nur unter Zustimmung der Provinzialsynode erfolgen. Art. 10. Die Provinzialsynode übt die ihr in der Kircheng.- u. SynOg. zugewiesenen Rechte in betreff 1. der von den Kreissynoden beschlossenen statutarischen Bestimmungen (§ 65 Nr. 5); 2. der Synodal-Witwen- und Waisenkassen, der provinziellen Fonds und Stiftungen; der Kreissynodalkasse und der Provinzialsynodalkasse (§ 65 Nr. 6); 3. neuer kirchlichen Ausgaben zu provinziellen Zwecken (§ 65 Nr. 7); 4. der Verwendung des Ertrages der von dem jedesmaligen Zusammentritt der Provinzial­ synode oder alljährlich in der Provinz einzusammelnden Kirchen- und Hauskollekten zum Besten der dürftigen Gemeinden des Bezirks (§ 65 Nr. 8). Die Befugnis, eine Einsammlung dieser Hauskollekte anzuordnen, bedarf nicht der besonderen Ermächtigung einer Staatsbehörde; die Zeit der Einsammlung muß aber dem Oberpräsidenten vorher angezeigt werden. Die zur Ausübung dieser Rechte erforderlichen Beschlüsse werden nach § 70 Abs. 1, 2 gefaßt. Art. 11. Die von der Provinzialsynode beschlossenen neuen- kirchlichen Allsgaben zu pro­ vinziellen Zwecken (§ 65 Nr. 7 der Kircheng.- u. SynOg.) werden auf die Kreissynodalkassen nach Maßgabe der in den §§ 72, 73 daselbst aufgestellten Normen repartiert. Sowohl der Beschluß über die Bewilligung der Ausgabe als die Matrikel bedarf der Be­ stätigung durch die Staatsbehörde? Die Bestätigung ist insbesondere zu versagen, wenn Bedenken hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit des Beschlusses, der Angemessenheit des Ver­ teilungsmaßstabes oder der Leistungsfähigkeit des Bezirks bestehen. Art. 13. Kirchliche Gesetze und Verordnungen, sie mögen für die Landeskirche oder für einzelne Provinzen oder Bezirke erlassen werden, sind nur soweit rechtsgültig, als sie mit einem Staatsgesetz nicht in Widerspruch stehen. Bevor ein von einer Provinzialsynode oder von der Generalsynode beschlossenes G. dem Könige zur Sanktion vorgelegt wird, ist die Erklärung des Staatsministeriums herbeizuführen, ob gegen den Erlaß desselben von Staats wegen etwas zu erinnern sei? Abs. 4 des 8 6 der GenSynOg. findet auch auf provinzielle kirchliche Gesetze Anwendung. Die Bestimmungen dieses Artikels gelten auch in dem Bezirk der Kirchenordnung v. 5. März 1835 für die Provinz Westfalen und die Rheinprovinz. Art. 14. Die Generalsynode übt die ihr in der GenSynOg. v. 20. Jan. 1876 zugewiesenen Rechte in betreff 1. der unter die Verwaltung und Verfügung des Evangelischen Oberkirchenrats gestellten kirchlichen Fonds (§§ 11, 12); 3 Fassung des G. v. 28. Mai 1894 (GS. 87), in dem auch bestimmt ist, welche die Kircheng.- u. SynOg. und die GenSynOg. abändernden Kirchengesetze der Bestätigung durch ein Staatsgesetz bedürfen. Nach § 6 GenSynOg. bedürfen landeskirchliche Gesetze der Zustimmung der General­ synode und werden von dem Könige, kxaft seines Rechts als Träger des Kirchenregiments, er­ lassen, nachdem sie vom Präsidenten des Evangel. Oberkirchenrats gegengezeichnet sind. Die Ver­ öffentlichung erfolgt im „Kirchl. Gesetz- und Verordnungsblatt" (Kirchl. GBl.). R e i ch e l t, Berwallungsgesetzbuch.

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X. Abschn- Kirchenrecht.

2. neuer Ausgaben für landeskirchliche Zwecke (§ 14); 3. der Heranziehung der Einkünfte des Kirchenvermögens und der Pfarrpfründen zu Beiträgen für kirchliche Zwecke (§ 15). Die zur Ausübung dieser Rechte erforderlichen Beschlüsse werden nach § 32 Abs. 2 und 4 gefaßt. Art. 15. Kirchengesetze, durch welche neue Ausgaben zu landeskirchlichen Zwecken bewilligt werden (§ 14 der GenSynOg.), und die endgültige Vereinbarung zwischen der General­ synode und der Kirchenregierung über die Verteilung der Umlage auf die Provinzen (§ 14 Abs. 2 daselbst) bedürfen, bevor sie dem Könige zur Sanktion vorgelegt werden, der Zu­ stimmung des Staatsministeriums.------------Die Kgl. Vg. über vorläufige Feststellung des Berteilungsmaßstabes (§ 14 Abs. 2) ist von dem Staatsministerium gegenzuzeichnen. Für die Unterverteilung in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen kommt Art. 11 zur Anwendung. Die Unterverteilung in der Provinz Westfalen und der Rheinprovinz erfolgt nach Maßgabe des § 135 der Kirchenordnung v. 6. März 1835. Wegen der Bestätigung der Matrikel für die Verteilung auf die Kreissynoden findet Art. 11 Abs. 2, und wegen der Verteilung der Anteile der Kreissynoden auf die Ge­ meinden Art. 3 Anwendung. Art. 16. Die Gesamtsumme der auf Grund der Art. 10 Nr. 3 und 14 Nr. 2 zu beschließen­ den Umlagen darf — abgesehen von den Synodalkosten — für provinzielle und landes­ kirchliche Zwecke sechsb Prozent der Gesamtsumme der Staatseinkommensteuer der zur evangelischen Landeskirche gehörigen Bevölkerung nicht übersteigen. Wie viel von den innerhalb dieser Grenzen zulässigen Umlagen durch die Provinzialsynoden und wie viel durch die Generalsynode ausgeschrieben werden kann, wird durch landeskirchliches G. bestimmt? Kirchengesetze, welche diesen Prozentsatz überschreiten, bedürfen der Bestätigung durch ein Staatsgesetz. Dasselbe gilt, wenn Kirchengesetze eine Belastung der Gemeinden zu Ge­ meindezwecken anordnen oder zur Folge haben. Art. 17. Kirchengesetze, durch welche die Einkünfte des Kirchenvermögens oder der Pfarr­ pfründen zu Beiträgen für kirchliche Zwecke herangezogen werden (§ 15 GenSynOg.), dürfen die Pfründeninhaber in ihren schon vor Erlaß dieses G. erworbenen Rechten nicht schmälern, müssen die Heranziehung in den einzelnen Kategorien der Kirchenkassen oder Pfrün­ den nach gleichen Prozentsätzen anordnen und bedürfen, bevor sie dem Könige zur Sanktion vorgelegt werden, der Zustimmung des Staatsministeriums? Die Zustimmung darf nicht versagt werden, wenn das G. ordnungsmäßig zustande gekommen ist und der Inhalt desselben dem § 15 der GenSynOg. und diesem Artikel entspricht. Kirchengemeinden, welche den Nachweis führen, daß sie die vollen Überschüsse ihrer Kirchen­ kasse zu bestimmten, innerhalb der nächstfolgenden Jahre zu befriedigenden Bedürfnissen nicht entbehren können, sind von dieser Beitragspflicht zeitweilig zu entbinden. Die Beiträge können im Wege der Administrativexekution beigetrieben werden. Zur Abwendung der Exekution steht den Beteiligten binnen einundzwanzig Tagen seit Empfang der Zahlungsaufforderung die Beschwerde dahin zu, daß die Heranziehung nicht dem G. entspricht oder die Berechnung des Beitrages unrichtig, oder die Kirchenkasse nach Abs. 3 von der Beitragspflicht zu entbinden ist. Über die Beschwerde entscheidet die Staatsbehörde? Gegen die Entscheidung der Staatsbehörde steht den Beteiligten binnen einundzwanzig Tagen seit Zustellung derselben die Klage im Verwaltungsstreitverfahren beim Oberver­ waltungsgerichte zu? Art. 18. Der Generalsynodalvorstand übt die ihm in den §§ 11, 12 der GenSynOg. zugewiesenen Rechte und verwaltet die Generalsynodalkasse (§ 34 Nr. 6). Die zur Ausübung dieser Rechte erforderlichen Beschlüsse werden nach § 35 Abs. 2 gefaßt. 4 KirchenG. v. 2. Sept. 1880 (Kirchl. GBl. 134): Bis zu 1 bzw. 3% der Einkommensteuer.

4. Kirchenverfassungsgesetz.

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Art. 19. Die Vertretung der evangelischen Landeskirche in ihren vermögensrechtlichen Angelegenheiten erfolgt durch den Evangelischen Oberkirchenrat unter Mitwirkung des Generalsynodalvorstandes (§ 36 9fr. 4 der GenSynLg.). Tic Befugnis zur Aufnahme von Anleihen ist darin nicht einbegriffen. Schriftliche Willenserklärungen, welche die Landeskirche Tritten gegenüber rechüich ver­ pflichten, bedürfen in ihrer Ausfertigung des Vermerks, daß der Generalsynodalvorstand bei dem Beschluß mitgewirkt hat, der Unterschrift des Präsidenten des Evangelischen Ober­ kirchenrats oder dessen Stellvertreters und der Beidrückung des Amtssiegels. Art. 20. Für die Kosten der Generalsynode, deren Vorstände, Ausschüsse und Kom­ missionen, sowie des Synodalrats kommen die §§ 38—40 der GenSynOg. zur Anwendung. Art. 21. Die Verwaltung der Angelegenheiten der evangelischen Landeskirche geht, so­ weit solche bisher von dem Minister der geistlichen Angelegenheiten und von den Regierungen geübt worden ist, auf den Evangelischen Oberkirchenrat und die Konsistorien als Organe der Kirchenregierung über. Veränderungen der kollegialen Verfassung dieser Organe bedürfen der Genehmigung durch ein Staatsgesetz (GenSynOg. § 7 Nr. 5). Art. 22. In Beziehung auf die Patronatsverhältnisse, sowie aus die kirchlichen Angelegen­ heiten bei dem Militär und öffentlichen Anstalten wird in den Zuständigkeiten der Behörden durch dieses G. nichts geändert. ^ Art. 23. Den Staatsbehörden b verbleibt: 1. die Anordnung und Vollstreckung der zur Aufrechterhaltung der äußeren kirchlichen Ordnung erforderlichen polizeilichen Vorschriften; 2. die Regelung der streitigen Kirchen-, Pfarr- und Küstereibausachen, sowie die Voll­ streckung der einstweiligen Entscheidungen in diesen Sachen; 3. die Beitreibung kirchlicher Abgaben; 4. die Leitung der Kirchenbuchführung, soweit die Kirchenbücher noch zur Beurkundung des Personenstandes dienen; 5. die Ausstellung von Attesten über das Vorhandensein derjenigen Tatsachen, welche den Anspruch auf Kostenfreiheit begründen; 6. die Mitwirkung bei der Veränderung bestehender, sowie bei der Bildung neuer Pfarrbezirke; 7. die Mitwrkung bei der Besetzung kirchenregimentlicher Ämter oder bei der Anordnung einer kommissarischen Verwaltung derselben. Diese Mitwirkung bleibt in dem bisherigen Umfange bestehen. Insbesondere hat die Anstellung der Mitglieder der kirchenregimentlichen Behörden unter Gegenzeichnung des Ministers der geistlichen Angelegenheiten zu erfolgen. Art. 24. Die Beschlüsse der kirchlichen Organe bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der staaÜichen Aufsichtsbehörde in folgenden Fällen: 1. bei dem Erwerb, der Veräußerung oder der dinglichen Belastung von Grundeigentum;7 2. bei der Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Kunstwert haben; 3. bei Anleihen, soweit sie nicht bloß zu vorübergehender Aushilfe dienen und aus der laufenden Einnahme derselben Boranschlagsperiode zurückerstattet werden können; 4. bei der Einführung und Veränderung von Gebührenlaxen; 5. bei der Errichtung neuer, für den Gottesdienst, die Geistlichen oder andere Kirchenbienet bestimmter Gebäude; 6 Vgl. Art. III Nr. 8 Bg. v. 9. Sept. 1876, nachstehend unter Nr. 5. 6 Minister und RegierunAspräsident bzw. Regierung. In Berlin übt nach Kgl. Bg. v. 5. Sept. 1877 (GS. 215) die Rechte des Staats im allgemeinen der Polizeipräsident aus, die landesherrlichen Patronatsrechte die Ministerial-, Militär- und Baukommission und die auf landesherrlichem Patronatsrechte beruhenden Ernennung-- und Bestätigungsrechte das Konsistorium der Provinz Branden­ burg.

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X. Abschn. Kirchenrecht.

6. bei der Anlegung oder veränderter Benutzung von Begräbnisplätzen;7 8 9 7. bei der Ausschreibung, Veranstaltung oder Abhaltung von Lammlungen außerhalb der Kirchengebäude, unbeschadet des Art. 10 Nr. 4; 8. bei einer Verwendung des kirchlichen Vermögens zu anderen, als den bestimmungs­ mäßigen Zwecken. Bewilligungen aus der Kirchenkasse an andere Gemeinden oder zur Unterstützung evangelischer Vereine und Anstalten, sofern dieselben einzeln zwei Prozent und im Gesamtbeträge eines Etatsjahres fünf Prozent der Solleinnahme nicht übersteigen, bedürfen nicht der Genehmigung der Staatsbehörde. Art. 25. In betreff der Schenkungen und letztwilligen Zuwendungen bewendet es bet dem G. v. 23. gebt. 1870.® Art. 26. Die kirchlichen Organe bedürfen zur Führung von Prozessen keiner Ermächtigung von seiten einer Staatsbehörde. Art. 27. Die Staatsbehörde" ist berechtigt, von der kirchlichen Vermögensverwaltung Einsicht zu nehmen, zu diesem Behuf die Etats und Rechnungen einzufordern, sowie außer­ ordentliche Revisionen vorzunehmen und auf Abstellung der etwa gefundenen Gesetzwidrig­ keiten durch Anwendung der gesetzlichen Zwangsmittel zu dringen. Weigert sich ein Gemeindekirchenrat oder eine Gemeindevertretung, gesetzliche Leistungen, welche aus dem kirchlichen Vermögen zu bestreiten sind, oder den Pfarreingesessenen ob­ liegen, auf den Etat zu bringen, festzusetzen oder zu genehmigen, so ist sowohl das Konsistorium als auch die Staatsbehörde unter gegenseitigem Einvernehmen befugt, die Eintragung in den Etat zu bewirken und die weiter erforderlichen Anordnungen zu treffen. Bestreiten die Gemeindeorgane die Gesetzwidrigkeit der beanstandeten Posten oder die Verpflichtung zu der auf Anordnung des Konsistorii und der Staatsbehörde in den Etat ein­ getragenen Leistungen, so entscheidet aus Klage der Gemeindeorgane im Berwaltungsstreitverfahren das Oberverwaltungsgericht. Art. 28. Durch Kgl. Vg? werden diejenigen Staatsbehörden bestimmt, welche die in den Art. 3, 5 und 8 des G. v. 25. Mai 1874 und in den Art. 3, 4, 7, 8, 11, 17 Abs. 6, Art. 23, 24, 27 dieses G. erwähnten Rechte auszuüben haben.

5. Kgl. Verordnung vom 9. Sept. 1876 (®6.395) über die Ausübung der Rechte des Staates gegenüber der evangel. Landeskirche der neun alteren Provinzen.* Art. I. Die Rechte des Staats werden von dem Minister der geistlichen Angelegenheiten ausgeübt: 1. bei Feststellung des Regulativs für die Berliner Stadtsvnode (0V v. 3. Juni 1876 Art. 8); 7 Die Genehmigung erteilt der Regierungspräsident, bei Beträgen über 100000 M der Min. der geistlichen Angelegenheiten, Vg. v. 30. Jan. 1893 (GS. 10). Im übrigen regelt die Zuständigkeit die nachstehend abgedruckte Bg. v. 9. Sept. 1876. 8 Jetzt nach AusfG. v. 20. Sept. 1899 (GS. 177) z. BGB. Art. 6 § 1: Schenkungen oder ZuWendungen von Todes wegen an juristische Personen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit ihrem vollen Betrage nach der Genehmigung des Königs soder der durch Kgl. Bg. bestimmten Behörde), wenn sie Gegenstände im Werte von mehr als 5000 M betreffen. Wiederkehrende Leistungen werden mit 4 v. H. zu Kapital gerechnet. — Dies gilt nicht von Familienstiftungen. — In den Berichten wegen Einholung der Kgl. Genehmigung ist gemäß KabO. v. 1. Febr. 1834 zu erörtern: 1. ob nicht das Vermögen des betreffenden Instituts usw. durch die Zuwendung zunt Nachteil des öffentlichen Verkehrs übermäßig vermehrt werde, 2. ob nicht die betreffende Anstalt Mittel anhäufe, welche deren durch ihre Bestimmung begrenztes Bedürfnis überschreiten, 3. ob keine gemeinschädliche Anordnung an die Zuwendung geknüpft sei, 4. ob dabei keine Verletzung einer Pflicht gegen hilfsbedürftige Angehörige oder 5. eine Überbürdung zur Kränkung der Rechte dritter Personen stattfinde. 9 Nachstehend unter Nr. 5 abgedruckt. * In der Fassung der Bg. v. 30. Jan. 1893 (GS. 10). — Entsprechende Verordnungen über die Ausübung der Rechte des Staats End erlassen für Schleswig-Holstein und den Konsistorialbezirk

5. Kgl. Verordnung vom 9. Sept. 1876.

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2. bei dem Erwerb, der Veräußerung oder der dinglichen Belastung von Grundeigentum, wenn der Stert des zu erwerbenden oder des zu veräußernden Gegenstandes, oder wenn der Betrag der Belastung die Summe von hunderttausend Mark übersteigt (Art. 24 Nr. 1); 3. bei der Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Kunstwert haben (Art. 24 Nr. 2); 4. bei der Errichtung neuer, für den Gottesdienst bestimmter Gebäude (Art. 24 Nr. 5); 6. bei der Bewilligung von Sammlungen außerhalb der Kirchengebäude, wenn die Sammlung in mehr als einer Provinz stattfinden soll (Art. 24 Nr. 7), und zwar in diesem Falle in Gemeinschast mit dem Minister des Innern; 7. in allen Fällen der Art. 24 und 27 Abs. 1 a. a. O-, wenn die Rechte des Staats gegenüber dem Evangel. Oberkirchenrat geltend zu machen sind. Art. II. Die Rechte des Staats werden durch den Oberpräsidenten ausgeübt: 1. bei den von der Provinzialsynode beschlossenen neuen kirchlichen Ausgaben (G. v. 3. Juni 1876 Art. 11 Abs. 2); 2. bei der Bewilligung von Sammlungen außerhalb der Kirchengebäude, wenn die Sammlung in mehr als einem Regierungsbezirk stattfinden soll (Art. 24 Nr. 7). Gegen die Verfügung des Oberpräsidenten finden in den Fällen zu 1 die Beschwerde an den Minister der geistlichen Angelegenheiten, in den Fällen zu 2 an die Minister des Innern und der geistlichen Angelegenheiten statt. Art. IIL Die Rechte des Staats werden durch den Regierungspräsidenten, in Berlin durch den Polizeipräsidenten ausgeübt: 1. in betreff der Vollstreckbarkeit der Beschlüsse über Gemeindeumlagen (Art. 3 des G. v. 25. Mai 1874); 2. bei Feststellung der Gemeindestatuten (Art. 5 des G. v. 25. Mai 1874); 3. in betreff der Ausübung der Patronatsrechte (§ 23 der Kircheng.- u. SynOg. v. 10. Sept. 1873 und Art. 8 des G. v. 25. Mai 1874); 4. in den Fällen der Art. 3, 4, 7, 17 Abs. 6, der Art. 24 und 27 des G. v. 3. Juni 1876, soweit nicht in den Art. 1 und 2 dieser Bg. die Ausübung der Rechte dem Minister der geistlichen An­ gelegenheiten oder dem Oberpräsidenten übertragen ist. Gegen die Verfügung des Regierungspräsidenten geht, sofern nicht die Klage bei dem Oberver­ waltungsgericht nach Art. 27 Abs. 3 des G. v. 3. Juni 1876 stattfindet, die Beschwerde an den Oberpräsidenten. Derselbe beschließt auf die Beschwerde endgülttg.

6. Gesetz über die Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchengemeinden. Vom 20. Juni 1875 (GS. 241)? § 1. In jeder katholischen Psarrgemeinde sind die kirchlichen Vermögensangelegenheiten durch einen Kirchenvorstand und eine Gemeindevertretung nach Maßgabe dieses G. zu be­ sorgen. § 2. Die Vorschrift des § 1 findet auch auf Missionspfarrgemeinden, sowie auf solche anderen Kirchengemeinden (Filial-, Kapellen- usw. gemeinden) Anwendung, für welche besonders bestimmte kirchliche Vermögensstücke vorhanden sind oder deren Gemeindegliedern besondere Leistungen zur Bestreitung der kirchlichen Bedürfnisse dieser Gemeinden obliegen. § 3. Zu dem kirchlichen Vermögen im Sinne dieses Gesetzes gehören: 1. das für Kultusbedürfnis bestimmte Vermögen? einschließlich des Kirchen- und Pfarr­ hausbaufonds, der zur Besoldung der Geistlichen und anderen Kirchendiener bestimmten Vermögensstücke und der Anniversarien:^ 2. die zu irgend einem sonstigen kirchlichen Zwecke oder zu wohltätigen oder Schulzwecken bestimmten kirchlichen Vermögensstücke; 3. die Erttäge der durch kirchliche Organe zu kirchlichen, wohltätigen oder Schulzwecken des Gemeindebezirks innerhalb und außerhalb der Kirchengebäude veranstalteten Sammlungen, Kollekten usw.; Wiesbaden am 19. Aug. 1878 (GS. 287), Hannover am 26. Juli 1884 und 24. Juni 1885 (GS. 319 und 274). Konsistorialbezirk Kassel am 10. Jan. 1887 (GS. 7). 1 In der Fassung (§§ 12, 87) der G. v. 21. Mai 1886 und 31. März 1893 (GS. 147 und 68). * D. h. das Kirchenvermögen im engeren Sinne, im Gegensatz zum Pfarrvermögen, OBG. 9, S. 107. * z. B Stistungskapitalien für die an den Jahrestagen des Todes abzuhaltenden Seelenmessen.

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X. Abschn. Stird)cnred)i.

4. die zu kirchlichen, wohltätigen ober Schulzwecken innerhalb des ÖKnneindebezirks be­ stimmten und unter die Verwaltung kirchlicher Organe gestellten Stiftungen. § 4. Tie dem Staate oder den bürgerlichen (Gemeinden zustehenden Rechte an Begräbnisplänen oder solchen Vermögensstücken, welche zu kirchlichen Zwecken bestimmt sind, werden durch dies 0). nickt berührt. Unter kirchlichem Vermögen im Sinne dieses (9. ist dasjenige nickt begriffen, welches zwar zu kirchlichen Zwecken, aber unter dauernder Verwaltung des Staates oder der bürger­ lichen Gemeinden und Kommunalverbände gestellt ist. Kirchenvorstand. § 5. Der Kirchenvorstand besteht: 1. in Pfarrgemeinden aus dem Pfarrer, in Filial-, Kapellen- usw. Gemeinden, welche eigene Geistliche haben, aus dem der Anstellung nach ältesten; 2. aus mehreren Kirchenvorstehern, welche durch die Gemeinde gewählt werden; 3. in dem Falle des § 39 aus dem daselbst bezeichneten Berechtigten oder dem von ihm ernannten Kirchenvorsteher. § 6. Tie Zahl der für jede Gemeinde zu wählenden Kirchenvorsteher beträgt in Gemeinden bis 500 Mitglieder vier, bei mehr.als 500 bis 2000 Mitgliedern sechs, bei mehr als 2000 bis 5000 Mitgliedern acht, bei mehr als 5000 Mitgliedern zehn. Eine Abänderung der Zahl kann durch Beschluß der Gemeindevertretung bewirkt werden:* die Zahl soll jedoch nicht mehr als zwölf und nicht weniger als vier betragen. Mit Rücksicht aus die Seelenzahl oder die besonderen Verhältnisse einer Gemeinde kann die Zahl mit Genehmigung des Oberpräsidenten bis auf zwei herabgesetzt werden. § 7. Das Amt der Kirchenvorsteher ist ein Ehrenamt. Für außergewöhnliche Mühewaltungen kann auf Antrag des Kirchenvorstandes eine an­ gemessene Entschädigung durch die Gemeindevertretung bewilligt werden. 8 8. Der Kirchenvorstand verwaltet das kirchliche Vermögen. Er vertritt die seiner Verwaltung unterstehenden Vermögensmassen und die Gemeinden in vermögensrechtlicher Beziehung. Tie Rechte der jeweiligen Inhaber an den zur Besoldung der Geistlichen und anderen Kirchendiener bestimmten Vermögensstücken werden hierdurch nicht berührt. § 9. Tie Mitglieder des Kirchenvorstandes haften für die Sorgfalt eines ordentlichen Hansvaters. § 10. Tie Kassenverwaltung und die Rechnungsführung ist einem Kirchenvorsteher zu übertragen, welcher von dem Kirchenvorstande gewählt wird. Durch Beschluß des Kirchenvorstandes kann ein demselben nicht angehöriger, besonderer Rendant oder Rechnungssührer angestellt werden. § 11. Der Kirchenvorstand hat ein Inventar über das von ihm verwaltete kirchliche Ver­ mögen (§ 3) zu errichten und fortzuführen. Er hat einen Voranschlag der Jahreseinnahmen und Ausgaben aufzustellen und einen vollständigen Bericht über den Stand des kirchlichen Vermögens alljährlich an die Gemeinde­ vertretung zu erstatten. Am Schlüsse jedes Rechnungsjahres hat der Kirchenvorstand die Rechnung zu prüfen. § 12.------------- In denjenigen Landesteilen, in welchen der Vorsitz im Vorstande einer katholischen Kirchengemeinde — Kirchenrat — nicht bereits vor dem Erlaß dieses G. einem weltlichen Mitglied zustand, geht der Vorsitz auf den ordnungsmäßig bestellten Pfarrer und Pfarrverweser, in Filialgemeinden aus die für dieselben ordnungsmäßig bestellten Pfarrgeistlichen über. In der Erzdiözese Gnesen-Posen und in der Diözese Kulm erfolgt die Regelung im Wege Kgl. Vg? 4 Eine Abänderung der Zahl während der im § 33 festgesetzten Wahlperiode ist unzulässig. 5 Ist erfolgt für Gnesen-Posen durch Allerh. Erl. v. 27. 3ept. 1893, für Kulm durch Allerh. Erl. v. 22. Sept. 1888.

6. Vermögensverwaltung kath. Kirchengemeinden.

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In dem Geltungsbereiche des Rheinischen Rechts geht der Vorsitz im Kirchenvorstande der katholischen Pfarrgemeinden auf den ordnungsmäßig bestellten Pfarrer oder Pfarrverweser, im Kirchenvorstande der Filial-, Kapellen- usw. gemeinde auf den für dieselben ordnungsmäßig bestellten Pfarrgeistlichen über. § 13, Ter Kirchenvorstand versammelt sich auf Einladung des Vorsitzenden, so oft es die Erledigung der Geschäfte erforderlich macht. Durch Beschluß können regelmäßige Sitzungs­ tage festgesetzt werden. § 14. Ter Kirchenvorstand ist zu berufen, wenn dies verlangt wird: 1. von der bischöflichen Behörde, 2. von dem Landrat (Amtmann), in Stadtkreisen von dem Bürgermeister, 3. von der Hälfte der Mitglieder des Kirchenvorstandes, 4. durch Beschluß der Gemeindevertretung, in den beiden letzten Fällen, sofern ein innerhalb der Zuständigkeit des Kirchenvorstandes liegender Zweck angegeben wird. § 15. Kommt der Vorsitzende dem Verlangen nicht nach oder ist ein Vorsitzender nicht vor­ handen, so kann die Berufung sowohl durch die bischöfliche Behörde, als auch durch die im § 14 Nr. 2 genannten Beamten erfolgen. In diesen Fällen bestimmt die berufende Behörde den Vorsitzenden aus den im § 5 Nr. 2 und 3 bezeichneten Mitgliedern des Kirchenvorstandes. § 16. Zu den Sitzungen sind sämtliche Mitglieder des Kirchenvorstandes einzuladen. Tie Einladung ist, wenn der Beschluß der Zustimmung der Gemeindevertretung bedarf, schriftlich unter Angabe des Gegenstandes spätestens den Tag vor der Sitzung zuzustellen. § 17. Die Beschlüsse werden durch Stimmenmehrheit der Anwesenden gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden, bei Wahlen das Los. Zur Gültigkeit eines Beschlusses ist erforderlich, daß mindestens die Hälfte der Mitglieder des Kirchenvorstandes an der Abstimmung teilgenommen hat. Mitglieder, welche an dem Gegenstände der Beschlußfassung persönlich beteiligt sind, haben sich der Abstimmung zu enthalten. Bei nicht vorschriftsmäßig erfolgter Einladung kann eine Beschlußfassung nur dann statt­ finden, wenn der Kirchenvorstand vollzählig versammelt ist und Widerspruch nicht erhoben wird. § 18. Die Beschlüsse sind unter Angabe des Tages und der Anwesenden in ein Protokoll­ buch zu verzeichnen. Tie Protokolle werden von dem Vorsitzenden und mindestens noch einem Mitgliede des Kirchenvorstandes unterschrieben. § 19. Zu jeder die Gemeinde und die von dem Kirchenvorstande vertretenen Vermögens­ massen verpflichtenden schriftlichen Willenserklärung des Kirchenvorstandes bedarf es der Unterschrift des Vorsitzenden und noch zweier Mitglieder des Kirchenvorstandes, sowie der Beidrückung des Amtssiegels.* Hierdurch wird Dritten gegenüber die ordnungsmäßige Fassung des Beschlusses festgestellt, so daß es eines Nachweises der einzelnen Erfordernisse desselben, insbesondere der erfolgten Zustimmung der Gemeindevertretung, wo eine solche notwendig ist, nicht bedarf. Gemeindevertretung. § 20. Tie Zahl der Gemeindevertreter soll dreimal so groß sein, wie diejenige der ge­ wählten Kirchenvorsteher. Mit Rücksicht auf die Seelenzahl oder die besonderen Verhältnisse einer Gemeinde kann die Zahl mit Genehmigung des Lberpräsidenten herabgesetzt werden. § 21. Tie Beschlüsse des Kirchenvorstandes bedürfen der Zustimmung der Gemeindever­ tretung in folgenden Fällen: ? Der Kirchenvorstand ist eine öffentliche Behörde, seine „schriftlichen Willenserklärungen" sind Urkunden. Bedarf ein Beschluß höherer Genehmigung, so ist bei deren Beantragung stets ein be­ glaubigter Auszug aus dem Protokollbuche einzureichen.

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X. Abschn.

Kirchenrecht.

1. bei dem Erwerb, der Veräußerung oder der dinglichen Belastung von Grundeigentum, bei der Vermietung oder Verpachtung desselben auf länger als zehn Jahre und bei der Vermietung und Verpachtung der den Geistlichen und anderen Kirchendienern zum (Gebrauch oder zur Nutzung überwiesenen (Grundstücke über die Dienstzeit des jeweiligen Inhabers hinaus; 2. bei Veräußerung von (Gegenständen, welche einen geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Kunstwerl haben; S. bei außerordentlicher Benutzung des Vermögens, welche die Substanz selbst angreift, sowie bei Kündigung und Einziehung von Kapitalien, sofern sie nickt zur zinsbaren 'Wiederbelegung erfolgt; 4. bei Anleihen, sofern sie nicht bloß zur vorübergehenden Aushilfe dienen und aus den Überschüssen der laufenden Einnahmen über die Ausgaben derselben VoranschlagsPeriode zurückerstattet werden können; 5. bei Anstellung von Prozessen, soweit dieselben nicht die Eintreibung fortlaufender Zinsen und Gefälle oder die Einziehung ausstehender Kapitalien, deren Zinsen rückständig geblieben sind, betreffen, und bei Abschließung von Vergleichen; 6. bei Neubauten oder erheblichen Reparaturen an Baulichkeiten, sofern nicht über die Notwendigkeit der Bauausführung bereits durch die zuständigen Behörden endgültig entschieden ist. Für erheblich gellen Reparaturen, deren Kostenanschlag 200 M über­ steigt. Im Falle des Bedürfnisses kann die Gemeindevertretung ein für allemal die Vollmacht des Kirchenvorstandes zur Vornahme höher veranschlagter Reparaturen, jedoch nicht über die Summe von 1000 M hinaus, erweitern; 7. bei Beschaffung der zu den kirchlichen Bedürfnissen erforderlichen Geldmittel oder Leistungen, soweit solche nicht nach dem bestehenden Rechte aus dem Kirchenvermögen oder von dem Patron oder von sonst besonders Verpflichteten zu gewähren sind; 8. bei Festsetzung der auf die Gemeindeglieder zu verteilenden Umlagen und bei Be­ stimmung des Verteilungsmaßstabes; letzterer ist entweder nack Maßgabe der direkten Staatssteuer oder der Kommunalsteuer festzusetzen;? 9. bei Einführung oder Veränderung von Gebührentaxen; 10. bei Bewilligungen aus der Kirchenkasse zur Ausstattung neuer Stellen für den Dienst der Gemeinde, sowie zur dauernden Verbesserung des Einkommens bestehender Stellen, und bei Umwandlung von veränderlichen Einnahmen der Geistlichen und anderer Kirchen­ diener in feste Hebungen oder von Naturaleinkünsten in Geld, letzteres, soweit nicht die Umwandlung in dem durch die Staatsgesetze geordneten Ablösungsverfahren erfolgt; 11. bei einer Verwendung des kirchlichen Vermögens, welche nicht kirchliche, wohltätige oder Schulzwecke innerhalb der Gemeinde selbst betrifft; 12. bei Feststellung des Etats iinb der Voranschlagsperiode; 13. bei Abnahme der Jahresrechnung und Erteilung der Entlastung. Der Etat ist nach erfolgter Feststellung, die Jahresrechnung nach erteilter Entlastung auf zwei Wochen zur Einsicht der Gemeindeglieder nach vorgängiger ortsüblicher Bekanntmachung öffentlich auszulegen. § 22. Tie Gemeindevertretung wählt bei dem Eintritt der neuen Gemeindevertreter einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter desselben, beide auf drei Jahre? Sie versammelt sich auf Einladung des Vorsitzenden,^ so oft es die Erledigung der Ge­ schäfte erforderlich macht. In betreff der Berufung der Gemeindevertretung finden die Vorschriften der §§ 14 und 15 sinngemäße Anwendung, jedoch mit der Maßgabe, daß auf Verlangen eines Dritteils der Mitglieder der Gemeindevertretung die Berufung erfolgen muß. 7 Jetzt nach Maßgabe des KirchenstG. v. 14. Juli 1905, abgedruckt nachstehend unter Nr. 7 b. 8 Hierin liegt der wesentlichste Unterschied von der Verfassung der evangelischen Kirchen­ gemeinde (§ 29 Kircheng.- u. SynOg. v. 10. Sept. 1873), wonach beide kirchliche Gemeindekörper, schäften gemeinsam, und zwar unter Vorsitz des Pfarrers, verhandeln und beschließen.

6. Vermögensverwaltung kalh. Kirchengemeinden.

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§ 23. Der Vorsitzende des Kirchenvorstandes oder ein von ihm abgeordneter Kirchen­ vorsteher (8 5 Nr. 2 und 3) sind befugt, den Sitzungen der Gemeindevertretung mit beratender Stimme beizuwohnen. § 24. Zu den Sitzungen sind sämüiche Gemeindevertreter, sowie der Vorsitzende des Kirchenvorstandes schriftlich unter Angabe des Gegenstandes spätestens den Tag vor der Sitzung einzuladen. Im übrigen finden die Bestimmungen der §§ 17 und 18 sinngemäße Anwendung, jedoch genügt zur Beschlußfähigkeit der Versammlung die Anwesenheit eines Dritteils der Mitglieder. Die Gemeindevertretung hat das Recht, die Öffentlichkeit ihrer Sitzungen zu beschließen. Die Beschlüsse werden dem Kirchenvorstande in einem von dem Vorsitzenden und zwei Gemeindevertretern unterschriebenen Auszuge aus dem Protokollbuche zugestellt. Wahl der Kirchenvorsteher und der Gemeindevertreter. § 25. Wahlberechtigt sind alle männlichen, volljährigen, selbständigen Mitglieder der Gemeinde, welche bereits ein Jahr in derselben, oder wo mehrere Gemeinden am Orte sind, an diesem Orte wohnen und zu den Kirchenlasten nach Maßgabe der dazu bestehenden Ver­ pflichtung beitragen. Selbständig sind diejenigen, welche einen eigenen Hausstand haben oder ein öffentliches Amt bekleiden oder ein eigenes Geschäft oder als Mitglied einer Familie deren Geschäft führen. Als selbständig sind nicht anzunehmen diejenigen, welche unter Vormundschaft oder Pfleg­ schaft stehen, oder welche im letzten Jahre vor der Wahl armutshalber aus öffentlichen Mitteln Unterstützung erhalten oder Erlaß -er kirchlichen Beiträge genossen haben. § 26. Von der Ausübung des Wahlrechts sind ausgeschlossen diejenigen: 1. welche nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte sich befinden; 2. welche wegen eines Verbrechens oder wegen eines solchen Vergehens, welches die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte nach sich ziehen kann, in Untersuchung sich befinden; 3. welche im Konkurse sich befinden; 4. welche mit der Bezahlung kirchlicher Umlagen über ein Jahr im Rückstände sind. § 27. Wählbar sind die wahlberechtigten Mitglieder der Gemeinde, welche das dreißigste Lebensjahr vollendet haben, sofern sie nicht nach § 26 von der Ausübung des Wahlrechts aus­ geschlossen sind. § 28. Geistliche und andere Kirchendiener* gehören nicht zu den wahlberechtigten und wählbaren Mitgliedern der Gemeinde. § 29. Niemand kann zugleich Mitglied des Kirchenvorstandes und der Gemeindevertretung sein. § 30. Das Wahlverfahren bestimmt sich nach der beiliegenden Wahlordnung. § 31. Die Kirchenvorsteher und Gemeindevertreter sind in ihr Amt einzuführen und auf treue Erfüllung ihrer Obliegenheiten zu verpflichten. § 32. Die Gewählten können das Amt eines Kirchenvorstehers oder eines Gemeinde­ vertreters nur ablehnen oder niederlegen: 1. wenn sie das sechzigste Lebensjahr vollendet, oder 2. schon sechs Jahre das Amt belleidet haben, oder 3. wenn andere erhebliche Entschuldigungsgründe vorliegen, z. B. Kränklichkeit, häufige Abwesenheit, oder Dienstverhältnisse, welche mit dem Amte unvereinbar finb.10 Übet die Erheblichkeit und tatsächliche Richtigkeit entscheidet der Kirchenvorstand und auf eingelegte Berufung, für welche von' Zustellung der Entscheidung an eine Ausschlußfrist • Z. B. Küster, Kantoren, Organisten, Kirchenväter, Kirchenkassenrendanten, Totengräber. 10 Ev. auf Verlangen der vorgesetzten Dienstbehörde, obwohl es einer Genehmigung zur An­ nahme des Amtes nicht bedarf.

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X. Abschn. Kirchenrecht.

von zwei Wochen läuft, die bischöfliche Behörde im Einvernehmen mit dem Regierungs« Präsidenten.

Wer ohne solchen Grund die Übernahme oder die Fortführung des Amts verweigert, verliert das durch dieses Gesetz begründete kirchliche Wahlrecht. Dasselbe kann ihm auf sein Gesuch von dem Kirchenvorstande wieder beigelegt werden. § 33. Das Amt der gewählten Kirchenvorsteher und der Gcmeindevertreter dauert sechs Jahre. Bon drei zu drei Jahren scheidet die Hälfte aus. Tie Ausscheidenden sind wieder wählbar und bleiben jedenfalls bis zu dem Eintritt ihrer Nachfolger im Amt. Ter Austritt wird durch die Dienstzeit, das erstemal durch Auslosung bestimmt. § 34. Ist das Amt eines gewählten Kirchenvorstehers oder eines Gemeindevertreters außer der Zeit erledigt, so wählt die Gemeindevertretung für die Restzeit der Amtsdauer des Ausgeschiedenen einen Ersatzmann. § 35. In Gemeinden, in denen besondere Verhältnisse, z. B. geringes Vermögen, zer­ streute Wohnsitze usw., die Bildung einer Gemeindevertretung unzweckmäßig oder untunlich erscheinen lassen, kann die bischöfliche Behörde im Einvernehmen mit dem Oberpräsidenten anordnen, daß eine Gemeindevertretung nicht zu bilden, sofern in einer hierzu anzuberaumen­ den Versammlung der wahlberechtigten Gemeindeglieder die Mehrheit derselben nickt wider­ spricht. 8 36. In dem Falle des § 35 werden die der Gemeindevertretung nach § 7 zustehenden Befugnisse von dem Kirchenvorstande wahrgenommen. Ersatzmänner werden durch die Gesamtheit der Wahlberechtigten gewählt. § 37. Die Entlassung eines Kirchenvorstehers oder eines Gemeindevertreters erfolgt: 1. wegen Verlustes einer zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaft; 2. wegen grober Pflichtwidrigkeit. In dem letzteren Falle kann die Wahlberechtigung dauernd oder auf Zeit entzogen werden. Die Entlassung kann sowohl von der bischöflichen Behörde, als auch von dem Regierungs­ präsidenten nach Anhörung des Beschuldigten und des Kirchenvorstandes verfügt werden. Gegen diese Verfügung findet nur noch Beschwerde an den Minister der geistlichen An­ gelegenheiten statt. § 38. Wenn der Kirchenvorstand oder die Gemeindevertretung beharrlich die Erfüllung ihrer Pflichten vernachlässigen oder verweigern, oder wiederholt Angelegenheiten, welche nicht zu ihrer Zuständigkeit gehören, zum Gegenstände einer Erörterung oder Beschluß­ fassung machen, so können sie sowohl durch die bischöfliche Behörde, als auch durch den Ober­ präsidenten, unter gegenseitigem Einvernehmen, ausgelöst werden. Mit der Auflösung sind sofort die erforderlichen Neuwahlen anzuordnen. Stellung der Patrone und anderer Berechtigter. 8 39. Der Patron, welchem auf Grund des Patronats oder ein anderer Berechtigter, welchem auf Grund eines besonderen Rechtstitels die Mitgliedschaft in dem Kirchenvorstande oder die Berechtigung zugestanden hat, Kirchenvorsteher zu ernennen, zu bestellen oder zu präsentieren, ist fortan befugt, entweder selbst in den Kirchenvorstand einzutreten oder einen Kirchenvorsteher zu ernennen. Der Berechtigte, welcher in den Kirchenvorstand eintritt, und der von ihm ernannte Kirchen­ vorsteher müssen die in den §§ 27 bis 29 vorgeschriebene Wählbarkeit besitzen. 8 40. Außer der im § 39 festgesetzten Befugnis zur Beteiligung an dem Kirchenvorstande verbleiben dem Patron da, wo derselbe Patronatslasten für die kirchlichen Bedürfnisse trägt," die Aufsicht über die Verwaltung der Kirchenkasse und das Reckt der Zustimmung zu den nach den bestehenden Gesetzen seiner Genehmigung unterliegenden Geschäften der VermögensVerwaltung. 11 Insbesondere also die Patronatsbaulast (§£ 720 ff. ALR. II, 11).

6. Vermögensverwaltung kath. Kirchengemeinden.

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Die Beschlüsse des Kirchenvorstandes und der Gemeindevertretung sind dem Patron ab­ schriftlich mitzuteilen. Erklärt er sich auf dieselben nicht binnen dreißig Tagen nach dem Emp­ fange, so gilt er als zustimmend. Widerspricht der Patron, so steht dem Kirchenvorstande die Berufung an die Bezirksregierung zu, welche den Widerspruch verwerfen und die Zu­ stimmung des Patrons ergänzen kann. Eine solche Ergänzung ist unzulässig, wenn es sich um Ausgaben handelt, für welche die Kirchenkasse bisher nicht bestimmt gewesen ist. Kommt es für Urkunden auf die formelle Feststellung der Zustimmung des Patrons an und ist die letztere wegen Berabsäumung der dem Patron offenstehenden Frist für erteilt zu erachten, so wird die fehlende Unterschrift durch die im Abs. 2 genannten Aufsichtsbehörden ergänzt. § 41. In den Landesteilen, in welche^ die bürgerliche Gemeinde zur Ausbringung von Kosten für die kirchlichen Bedürfnisse der Pfarrgemeinden gesetzlich verpflichtet ist,12 muß sowohl der Etat, als auch die Jahresrechnung zugleich mit der im § 21 angeordneten öffent­ lichen Auslegung dem Bürgermeister abschriftlich mitgeteilt werden. § 42. Anweisungen über die Geschäftsführung können dem Kirchenvorstande oder der Gemeindevertretung sowohl von der bischöflichen Behörde, als auch von dem Oberpräsidenten, unter gegenseitigem Einvernehmen, erteilt werden. § 43. Macht die bischöfliche Behörde in denjenigen Fällen, in welchen sie eine Anordnung oder Entscheidung im Einvernehmen mit der Staatsbehörde12 zu treffen hat, von ihren Befugnissen keinen Gebrauch, so ist sie zur Ausübung derselben von der Staats­ behörde aufzufordern. Leistet sie dieser Aufforderung binnen dreißig Tagen nach dem Empfange derselben keine Folge, so geht die Ausübung der Befugnisse auf die Staats­ behörde über. In denjenigen Fällen, in welchen die bischöfliche oder die Staatsbehörde, jede jedoch im Einvernehmen mit der andern, eine Anordnung oder Entscheidung zu treffen hat, muß die rm ihre Zustimmung angegangene Behörde sich binnen dreißig Tagen nach dem Empfange ber Aufforderung erklären. Erklärt sie sich nicht, so gilt sie als zustimmend. Bei erhobenem Widerspruch entscheidet in allen Fällen über Meinungsverschiedenheiten -wischen der bischöflichen Behörde und dem Regierungspräsidenten der Oberpräsident, über Meinungsverschiedenheiten zwischen diesem und der bischöflichen Behörde der Minister der geistlichen Angelegenheiten. 8 44. In den getroffenen Anordnungen ist erkennbar zu machen, ob das Einvernehmen erreicht oder ob die Zustimmung wegen Berabsäumung der Frist für erteilt zu erachten oder ib die Entscheidung infolge erhobenen Widerspruchs getroffen ist. § 46. Weigert sich ein Kirchenvorsteher, sein Amt zu übernehmen oder auszuüben, so ist dne Neuwahl anzuordnen. Weigert sich auch der neu gewählte Kirchenvorsteher, sein Amt zu übernehmen oder ausfUüben, so ist der Regierungspräsident befugt, den Kirchenvorsteher aus den wählbaren Mit­ gliedern der Gemeinde zu bestellen. Aufsichtsrechte. § 47. Die gesetzlichen Verwaltungsnormen werden durch dieses G. nicht berührt. Die den vorgesetzten Kirchenbehörden gesetzlich zustehenden Rechte der Aufsicht und der Einwilligung zu bestimmten Handlungen der Verwaltung werden mit den in den nach­ folgenden Bestimmungen enthaltenen Einschränkungen geübt. § 48. Macht die vorgesetzte Kirchenbehörde von den ihr gesetzlich zustehenden Rechten )er Aufsicht oder der Einwilligung zu bestimmten Handlungen der Verwaltung keinen Ge12 G. v. 14. März 1846 und 14. März 1880 (GS. 163 und 225), in Landesteilen des linken Rheinlfers.

13 Oberpräsident bzw. Regierungspräsident.

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X. Abschn. Kirchenrecht

brauch, so ist sie zur Ausübung derselben von der staatlichen Aufsichtsbehörde aufzufordern. Leistet sie dieser Aufforderung binnen dreißig Tagen nach dem Empfange derselben keine Folge, so geht die Ausübung der Befugnisse auf die staatliche Aufsichtsbehörde über. § 49. Gegen Verfügungen der vorgesetzten Kirchenbehörde, durch welche die Einwilligung zu bestimmten Handlungen der Verwaltung versagt wird, steht dem Kirchenvorstande die Berufung an den Oberpräsidenten zu, welcher endgültig entscheidet. § 50. Tie Beschlüsse des Kirchenvorstandes und der Gemeindevertretung bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde in folgenden Fällen:" 1. bei dem Erwerb, der Veräußerung oder der dinglichen Belastung von Grundeigentum; 2. bei Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Kunstwert haben; 3. bei Anleihen im Sinne des § 21 Nr. 4; 4. bei dem Bau neuer, für den Gottesdienst, die Geistlichen oder andere Kirchendiener bestimmter Gebäude; 5. bei der Anlegung oder veränderten Benutzung von Begräbnisplätzen; 6. bei Einführung oder Veränderung von Gebührentaxen; 7. bei Ausschreibung, Veranstaltung und Abhaltung von Sammlungen, Kollekten usw. für kirchliche, wohltätige oder Schulzwecke außerhalb der Kirchengebäude; 8. bei einer Verwendung des kirchlichen Vermögens, welche nicht kirchliche, wohltätige oder Schulzwecke innerhalb der Gemeinde selbst betrifft. In dem Falle zu 8 gilt die Genehmigung als erteilt, wenn die staatliche Aufsichts­ behörde nicht binnen 30 Tagen nach Mitteilung des Beschlusses widerspricht; 9. bei Umlagen auf die Gemeindeglieder. In dem Falle zu 9 ist die Genehmigung insbesondere zu versagen, sofern Bedenken hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Auferlegung, der Angemessenheit des Beitrags­ fußes oder der Leistungsfähigkeit der Pflichtigen bestehen. Wegen der Schenkungen und letztwilligen Zuwendungen bewendet es bei dem Gesetze v. 23. Febr. 1870.15 8 51. Der Kirchenvorstand bedarf zur Führung von Prozessen keiner Ermächtigung von seiten einer Staats- oder Kirchenbehörde. Atteste über die Legitimation des Kirchenvorstandes zur Besorgung von Rechtsangelegen, heiten oder Atteste über das Vorhandensein derjenigen Tatsachen, welche den Anspruch auf Kostenfreiheit begründen, können gültig nur von der staatlichen Aufsichtsbehörde erteilt werden. § 52. Die staatliche Aufsichtsbehörde" ist berechtigt, Einsicht von dem Etat zu nehmen und die Posten, welche den Gesetzen widersprechen, zu beanstanden. Die beanstandeten Posten dürfen nicht in Vollzug gesetzt werden. § 53. Weigert sich der Kirchenvorstand oder die Gemeindevertretung, Leistungen, welche aus dem kirchlichen Vermögen zu bestreiten sind, oder den Pfarreingesessenen oder sonstigen Verpflichteten obliegen, auf den Etat zu bringen, festzusetzen oder zu genehmigen, so ist sowohl die bischöfliche Behörde, als auch die staatliche Aufsichtsbehörde," unter gegenseitigem Ein­ vernehmen, befugt, die Eintragung in den Etat zu bewirken und die weiter erforderlichen Anordnungen zu treffen. Unter derselben Voraussetzung sind diese Behörden befugt, die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen der Kirche, der Pfarrei, der Gemeinde und der in der Verwaltung des Kirchen­ vorstandes befindlichen Vermögensmassen, insbesondere auch der aus der Pflichtwidrigkeit eines Geistlichen oder anderen Kirchendieners entstehenden Entschädigungsforderung, an­ zuordnen und die hierzu nötigen Maßregeln zu treffen." 14 Wegen der Zuständigkeit s. die nachstehend untet Nr. Üb abgedruckte Kgl. Vg. v. 30. Jan. 1693. 15 Jetzt nach AusfG. v. 20. Sept. 1899 (GS. 177) z. BGB., s. Anm. 8 zu Art. 25 des evangel. KirchenverfG., vorstehend unter Nr. 4. 16 z. B. einen Bevollmächtigten zur Prozeßführung zu bestellen.

6. Vermögensverwaltung kath. Kirchengemeinden.

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§ 54. Die Jahresrechnung ist der staatlichen ^01(^^66(101:6614 zur Prüfung, ob die Verwaltung etatsmäßig geführt worden ist, mitzuteilen. § KL. Welche Staatsbehörden die in den §§ 48, 50 bis 52, 53, 54 angegebenen Befug­ nisse der Aussicht auszuüben haben, wird durch Kgl. Vg. bestimmt.17 § 56. Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf Dorn-, Militär- und Anstaltsgemeinden keine Anwendung." § 57.----------- Sofern nach bisherigem Rechte den kirchlichen Organen (Kirchenvor­ ständen, Kirchenkollegien, Fabrikräten, Kirchmeistern, Repräsentanten usw.) noch andere Befugnisse, als die der Vermögensverwaltung zugestanden haben, gehen diese, wenn sie von den unmittelbar zur Vermögensverwaltung berufenen Organen ausgeübt worden sind, auf den Kirchenvorstand, in allen anderen Fällen auf die Gemeindevertretung über. Ist eine solche nicht vorhanden, so werden auch die der Gemeindevertretung zustehenden Befugnisse von dem Kirchenvorstande wahrgenommen.

6 a. Wahlordnung. Art. 1. Der Kirchenvorstand ordnet die Wahl der Kirchenvorsteher und der Gemeindevertreter an, stellt die Liste der Wahlberechtigten auf und legt dieselbe in einem jedermann zugänglichen Lokale zwei Wochen lang öffentlich aus. Zeit und Ort der Auslegung sind der Gemeinde öffentlich durch Aushang bekanntzumachen, mit dem Beifügen, daß nach Ablauf der Auslegungsfrist (Ansprüche gegen die Liste nicht mehr zulässig sind. Nach dem Ermessen des Kirchenvorstandes kann die Bekanntmachung auch noch in anderen den örtlichen Verhältnissen entsprechenden Formen erfolgen. Zur Erhebung des Einspruchs ist jedes wahlberechtigte Mitglied der Kirchengemeinde befugt. Art. 2. Der Kirchenvorstand entscheidet über die Einsprüche und berichtigt die Liste. Gegen den ablehnenden Bescheid steht dem dadurch von der Wahl Ausgeschlossenen binnen einer Ausschlußfrist von zwei Wochen nach erfolgter Zustellung die Berufung an die Gemeindevertretung, in dem Falle, daß eine solche nicht vorhanden ist, an die bischöfliche Behörde zu. Letztere hat im Einvernehmen mit dem Regierungspräsidenten die Entscheidung zu treffen. Durch Einlegung der Berufung wird die anstehende Wahl nicht aufgehalten. Zwischen dem Ablauf der Einspruchsfrist und dem Tage der Wahl müssen mindestens zwei Wochen in der Mitte liegen. Art. 3. Die Einladung zur Wahl muß die Zeit und den Ort der Wahl, sowie die Zahl der zu wäh­ lenden Personen enthalten, und ist der Gemeinde öffentlich durch Aushang bekanntzumachen. Nach dem Ermessen des Kirchenvorstandes kann die Bekanntmachung auch noch in anderen den örtlichen Verhältnissen entsprechenden Formen erfolgen. Art. 4. Aus dem Vorsitzenden des Kirchenvorstandes und aus vier Beisitzern, welche der Vor­ sitzende aus den wählbaren Mitgliedern der Gemeinde beruft, wird ein Wahlvorstand gebildet. Art. 6. Die Wahlhandlung wird durch den Vorsitzenden geleitet. Art. 6. Das Wahlrecht wird in Person durch verdeckte, in eine Wahlurneniederzulegende Stimm­ zettel ohne Unterschrift ausgeübt. Art. 7. Wird in dem ersten Wahlgange eine Mehrheit für die zur Bildung des Kirchenvorstandes oder der Gemeindevertretung erforderliche Zahl von Personen nicht erreicht, so findet eine engere Wahl zwischen denjenigen statt, welche die meisten Stimmen auf sich vereinigt haben. Beläuft sich die Zahl derselben auf mehr als das Doppelte der zu wählenden Kirchenvorsteher oder Gemeinde­ vertreter, so scheiden von denjenigen, welche die wenigsten Stimmen erhalten haben, so viele aus, daß die Zahl der Wählbaren die doppelte Zahl der zu Wählenden beträgt. Bei Stimmengleichheit entscheidet überall das Los. Art. 8. Nachdem der Vorsitzende die Abstimmung für geschlossen erflärt hat, darf eine Stimm­ abgabe nicht mehr zugelassen werden. Art. 9. über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Stimmzettel entscheidet der Wahlvorstand. Art. 10. Über die Wahlhandlung wird ein Protokoll aufgenommen, welches den wesentlichen Hergang beurkundet. Dasselbe ist von dem Vorsitzenden und mindestens zwei Mitgliedern des Wahl­ vorstandes zu unterschreiben. Art. 11. Die Wahl der Kirchenvorsteher muß derjenigen der Gemeindevertreter vorangehen. Art. 12. Die Namen der Gewählten werden der Gemeinde öffentlich durch Aushang bekannt17 Abgedruckt nachstehend unter Nr. 6b. 18 Die Vermögensverwaltung der Domgemeinden unterliegt dem G. v. 7. Juni 1876, betr. Vermögensverwaltung der kathol. Diözesen (GS. 149), die der Militärgemeinden der MilKirchOg. v. 12. Febr. 1832 (GS. 69). Wegen der Anstaltsgemeinden s. §§ 77 ff. ALR. II, 19.

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X. Abschn. Mird)cnrcd)t.

gemacht. Nach dem Ermessen des Kirchenvorstandes kann die Bekanntmachung auch noch in anderen, den örtlichen Verhältnissen entsprechenden Formen erfolgen. Art. 13. Einsprüche gegen die Wahl sind innerhalb einer von dem letzten Tage des Aushanges ab zu berechnenden Ausschlußfrist von zwei Wochen bei dem Kirchenvorstande zu erheben, welcher über dieselben entscheidet. Gegen den ablehnenden Bescheid steht binnen einer Ausschlußfrist von zwei Wochen nach erfolgter Zustellung die Berufung an die bischöfliche Behörde zu, welche im Einvernehmen mit dem Regierungspräsidenten die Entscheidung zu treffen hat.

6b. Verordnung vom 30. Januar 1893 (GS. 13) über die Aufsichtsrechte des Staats bei der Vermögensverwaltung in den katholischen Kirchengemeinden. Art. 1. Die in den §§ 48, 50 bis 52, 53 und 54 des G. v. 20. Juni 1875 angegebenen Aufsichtsrechte des Staates werden ausgeübt: 1. von dem Minister der geistlichen Angelegenheiten bei dem Erwerb, der Veräußerung oder der dinglichen Belastung von Grundeigentum (§ 50 Nr. 1), wenn der Wert des zu erwerbenden oder zu veräußernden Gegenstandes, öder wenn der Betrag der Belastung die Summe von einhundertlausend Mark übersteigt, bei der Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschichtlichen, wissenschaftlichen oder Kunstwert haben (§ 50 Nr. 2), bei dem Bau neuer, für den Gottesdienst bestimmter Gebäude (§ 50 Nr. 4); 2. von dem Oberpräsidenten in den Fällen des § 50 Nr. 7; 3. von dem Regierungspräsidenten in den übrigen Fällen des § 50, sowie in den Fällen des § 48 und der §§ 51 bis 54. Art. II. Die Beschwerde findet statt: gegen Verfügungen des Oberpräsidenten — Art. 1 Nr. 2 — an den Minister der geistlichen Angelegenheiten und den Minister des Innern, gegen Verfügungen des Regierungspräsidenten — Art. 1 Nr. 3 — an den Oberpräsidenten, welcher endgültig entscheidet.

7. Kirchensteuergesetze.

a) Staatsgeseh, betreffend die Erhebung von Kirchensteuern in den Kirchengemeinden und Parochialverbanden der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen? Vom 14. Juli 1905 (GS. 277). Art. I. Die Beschlüsse der evangelischen Kirchengemeinden, durch welche:

a) die Erhebung einer nach dem Maßstabe staatlich veranlagter Steuern festgesetzten Kirchensteuer angeordnet, b) mit einem Steuerpflichtigen ein fester jährlicher Kirchensteuerbetrag für ein oder mehrere Jahre im voraus vereinbart, oder einzelnen Steuerpflichtigen eine zeitweilige Be­ freiung von der Kirchensteuer gewährt, oder an Stelle der Hand- und Spanndienste die Erhebung eines ihrem Werte entsprechenden Geldbetrages im Wege der Kirchensteuer festgesetzt wird, bedürfen, nachdem sie von der kirchlichen Aufsichtsbehörde nach Maßgabe der bestehenden kirchengesetzlichen Vorschriften^ genehmigt worden sind, der Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde? Art. II. § 1. Ten zur Veranlagung der Kirchensteuern zuständigen kirchlichen Gemeinde1 Für die neueren Provinzen sind entsprechende Gesetze ergangen: Für Schleswig-Holstein und Hannover G. v. 22. März 1906 (GS. 41) mit Kgl. Vg. über die Ausübung der Rechte des Staats v. 23. März 1906 (GS. 54); für die Konsistorialbezirke Kassel, Wiesbaden und Frankfurt a. M. G. v. 22. März 1906 (GS. 46) nebst Kgl. Vg. v. 23. März 1906 (GS. 55). Zu obigem Staatsg. v. 14. Juli 1905 erging die MinisterialanWeisung v. 24. März 1906 (MBl. 69), im folgenden kurz als MinAnw. bezeichnet. 2 Des nachstehend unter b abgedruckten KirchG. 3 S. Art. VII und Anm. dazu. Etwaige Bedenken gegen die Genehmigung sind vor endgültiger Entscheidung stets bei den kirchlichen Aufsichtsbehörden mit dem Ziele einer Verständigung zur Sprache zu bringen, MinAnw. III B 3.

7. Kirchensteuergesetze.

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Organen sind von den zuständigen Staats- und Gemeindebehörden diejenigen Unterlagen, deren sie für die Besteuerung bedürfen, auf Erfordern mitzuteilen. § 2. Die Zwangsvollstreckung wegen einer gemäß Art. I genehmigten Kirchensteuer er­ folgt nach den Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren * auf Ersuchen der zu­ ständigen kirchlichen Gemeindeorgane durch die staatlichen Vollstreckungsbehörden oder, soweit die Einziehung der Staatssteuern durch kommunale Vollstreckungsbehörden erfolgt, durch diese. Den Vollstreckungsbehörden ist, falls nicht ein geringerer Entgelt vereinbart wird, eine Vergütung von zwei Prozent des durch sie zur Einziehung gelangenden Steuerbetrages zu gewähren. Die Vollziehungsbeamten haben außerdem auf die tarifmäßigen Einziehungs­ gebühren Anspruch. Die Vollstreckungsbehörde hat vor zwangsweiser Gnziehung der Steuer­ beträge deren Übereinstimmung mit den Festsetzungen des genehmigten Umlagebeschlusses zu prüfen. Art. HL Die Vorschriften der §§ 63 Abs. 3 bis 5, 79 bis 81, 83 bis 86, 88, 89 und 94 des Kommunalabgabengesetzes v. 14. Juli 1893 (GS. 152) finden auf die gemäß Art. I genehmig­ ten Mrchensteuern sinngemäß Anwendung. Art. IV. § 1. Gegen die Entscheidungen der kirchlichen Gemeindeorgane über Ein­ sprüche gegen die Heranziehung oder Veranlagung zu einer gemäß Art. I genehmigten Kirchensteuer steht dem Steuerpflichtigen die Beschwerde offen, welche binnen einer mit dem ersten Tage nach erfolgter Zustellung der Entscheidung beginnenden Friste von vier Wochen bei dem Konsistorium einzulegen ist. Das Konsistorium legt die Beschwerde mit seiner Äußerung der Staatsbehörde ^ vor. Die Entscheidung der Staatsbehörde erfolgt nach Anhörung der Kirchengemeinde? Den Beschwerden von Angehörigen eines außerdeutschen Staates, welche damit begründet werden, daß für sie in dem Bezirke der Kirchengemeinde oder in deren nächster Nachbarschaft besondere, nicht von der betreffenden Kirchengemeinde unterhaltene gottesdienstliche Veran­ staltungen bestehen, ist, wenn diese Behauptung zutrifft, stattzugeben, sofern nach einer in der Gesetz-Sammlung veröffentlichten Bekanntmachung des Staatsministeriums in dem auswärtigen Staate die Gegenseitigkeit verbürgt ist und der zur Kirchensteuer herangezogene Ausländer nicht der Kirchengemeinde gegenüber die Erklärung abgegeben hat, daß er zu deren kirchlichen Lasten beitragen wolle. § 2. Der an Stelle des Einspruchs zulässige Antrag auf Verteilung46 kirchensteuerpflichtigen 5 Einkommens auf eine Mehrzahl steuerberechtigter Kirchengemeinden ist von dem Steuer­ pflichtigen binnen einer Frist von vier Wochen, welche mit dem ersten Tage nach erfolgter Aufforderung zur Zahlung der Steuer seitens der zweiten oder einer weiteren, eine Steuer­ forderung erhebenden Kirchengemeinde beginnt, an das Konsistorium zu richten, in dessen Bezirk eine der beteiligten Kirchengemeinden gelegen ist. Das Konsistorium legt den Antrag mit seiner Äußerung der Staatsbehörde3 vor, in deren Bezirk die Kirchengemeinde gelegen ist, deren Zahlungsaufforderung dem Steuerpflichtigen ausweislich seines Antrages zuerst zugegangen ist. Die hiernach begründete Zuständigkeit des Konsistoriums und der Staatsbehörde erstreckt sich auch auf weitere etwa noch hervortretende Veranlagungen. 4 Kgl. Vg. v. 15. Nov. 1899, abgedruckt oben S. 112 ff. und MinAnw. Ziff. V. 5 MinAnw. Ziff. VI D: Durch Anhörung der zu ihrer Vertretung in vermögensrechtlicher Be­ ziehung befugten Organe (Gemeindekirchenrat, Presbyterium, Kirchenkollegium, geschästsführender Ausschuß, Verbandsvertretung). — Der Vorschrift ist genügt, wenn bereits das Konsistorium eine Äußerung herbeigeführt und mit vorgelegt hat, und diese Äußerung bei der Entscheidung (Beschluß) berücksichtigt wird. Daß die Anhörung der beteiligten Kirchengemeinden und Konsistorien statt­ gefunden hat, ist in der Entscheidung (Beschluß) zu erwähnen. In jedem Falle muß aus der Vorlage des Konsistoriums mit Sicherheit erhellen, wann der Antrag oder die Beschwerde bei dem Konsistorium eingegangen ist. über die Unzulässigkeit des Antrages oder der Beschwerde wegen Fristversäumnis steht die Entscheidung nur der Staatsbehörde zu. Die Ent­ scheidungen und Beschlüsse sind den beteiligten Kirchengemeinden und Steuerpflichtigen zuzu­ stellen. 6 Über die Zulässigkeit s. § 21 KirchG. und MinAnw. Ziff. VI B.

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X. Abschn. Kirchenrecht.

Die Staatsbehörde beschließt nach Anhörung der beteiligten Kirchengemeinden und Kon­ sistorien? § 8. Wird die Beschwerde oder der Antrag den Vorschriften des § 1 Abs. 1 und des § 2 Abs. 1 zuwider innerhalb der gesetzlichen Frist bei der zur Entscheidung oder Beschlußfassung zuständigen Staatsbehörde angebracht, so gilt die Frist als gewahrt? § 4. Gegen die Entscheidungen und Beschlüsse der Staatsbehörden nach §§ 1 und 2 steht binnen einer mit dem ersten Tage nach erfolgter Zustellung beginnenden Frist von zwei Wochen7 8sowohl den Steuerpflichtigen als auch den beteiligten Kirchengemeinden die Silage bei dem Oberverwaltungsgericht zu. Die Klage kann nur darauf gestützt werden: 1. daß die angefochtene Entscheidung oder der angefochtene Beschluß aus der Nichtanwendung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechtes, insbesondere auch der von den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen beruhe; 2. daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leide. In der Klage ist anzugeben, worin die behauptete Nichtanwendung oder unrichtige An­ wendung des bestehenden Rechtes oder worin die behaupteten Mängel des Verfahrens ge­ funden werden. In den Fällen des § 1 Abs. 3 findet die Klage nicht statt. § 5, Durch die Erhebung der Beschwerde oder durch die Stellung des Verteilungsantrages oder durch die Anstellung der Klage wird die Verpflichtung $ur Zahlung der Kirchensteuer nicht aufgehoben. § 6. Tie Staatsbehörde ist befugt, bis zur endgültigen Entscheidung die vorläufige Aus­ setzung der Vollstreckung anzuordnen. § 7. Der ordentliche Rechtsweg findet gegen die Heranziehung zu einer gemäß Art. I genehmigten Kirchensteuer nur in den Fällen der §§ 9 und 10 des G. wegen Erweiterung des Rechtsweges v. 24. Mai 1861 (GS. 241) statt? Art. V. Wird im Falle des Art. 27 Abs. 2 des G., betr. die evangelische Kirchenverfassung, v. 3. Juni 1876 (GS. 125) die Erhebung und Einziehung einer Umlage angeordnet, so finden die Bestimmungen des § 25 des KirchG. v. 26. Mai 1905 (Kirchl. GBl. 31) Anwendung. Art. VI. Tie Bestimmungen dieses G. finden auf die Berliner Stadtfynode und die Parochialverbände in größeren Orten und ihre Organe sinngemäß Anwendung. Art. VH. Durch Kgl. Vg. werden diejenigen Staatsbehörden bestimmt, welche die in den Art. I und IV dieses G. erwähnten Rechte auszuüben haben? 7 MinAnw. Ziff. VIF: Gemäß Art. III finden aus das Rechtsmittelverfahren (auch auf den Einspruch) die Vorschriften in § 94 KAbgG. Anwendung, wonach alle vorgeschriebenen Fristen Ausschluß fristen sind, bei deren Berechnung der Tag der Zustellung (Aufforderung — §§ 19 Abs. 2, 18 Abs. 7 des KirchG., Art. IV § 2 des Staatsg. —) nicht mitgezählt wird, während im übrigen für den Beginn und die Berechnung der Fristen die bürgerlichen Prozeßgesetze maß­ gebend sind. Die Wahrung der Fristen ist überall von Amts wegen zu prüfen. 8 S. Anm. 12 zum kathol. Kirchensteuerg., nachstehend unter Nr. 7 c. 8 Kgl. Vg. v. 23. März 1906 (GS. 53):' Art. I. Die Rechte des Staates werden gegenüber den Gesamtverbänden, welche nach Art. II des KirchG., betreffend die Berliner Stadtsynode und die Parochialverbände in größeren Orten, v. 17. Mai 1895 (Kirchl. GBl. 37) oder nach Maßgabe des KirchG., betreffend die Bildung von Parochialverbänden in Westfalen und der Rheinprovinz, v. 4. Juli 1904 (Kirchl. GBl. 16) gebildet sind, von dem Oberpräsidenten ausgeübt: bei der Genehmigung von Steuerbeschlüssen im Falle des § 5 Abs. 2 des G., betreffend die Berliner Stadtsynode und die Parochialverbände in größeren Orten, v. 18. Mai 1895 (GS. 175). Gegen die Verfügung des Oberpräsidenten findet die Beschwerde an den Minister der geist­ lichen Angelegenheiten statt. Art. II. Die Rechte des Staates werden von dem Regierungspräsidenten, in Berlin von dem Polizeipräsidenten zu Berlin, ausgeübt: 1. in den Fällen des Art. I des G. v. 14. Juli 1905, soweit nicht die Ausübung der Rechte

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7. Kirchensteuergesetze.

Die durch § 5 Abs. 2 des G., bett. die Berliner Stadtsynode und die Parochialverbände in größeren Orten, v. 18. Mai 1895 (GS. 175) begründete Zuständigkeit des Staatsministeriums bleibt unberührt.

b) Kirchengesetz, betreffend die Erhebung von Kirchensteuern in den Kirchengemeinden und Parochialverbänden der evangelischen Landes­ kirche der älteren Provinzen? Vom 26. Mai 1905 (Kirchl. GBl. 31). § 1. Die Kirchengemeinden sind berechtigt, zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse Steuern zu er­ heben, soweit die sonstigen verfügbaren Einnahmen zur Befriedigung der Bedürfnisse nicht ausreichen, insbesondere soweit die erforderlichen Geldmittel und Leistungen nicht nach bestehendem Recht aus dem Kirchenvermögen entnommen werden können, oder vom Patron oder von sonst speziell Ver­ pflichteten gewährt werden. Die Steuerbeschlüsse der Kirchengemeinden bedürfen der Genehmigung. § 2. Kirchensteuerpflichtig sind alle Evangelischen? welche der Kirchengemeinde durch ihren Wohnsitz angehören.3 § 3. Die Steuerpflicht beginnt mit dem ersten Tage des auf die Begründung des Wohnsitzes (§ 2) folgenden Monats. Sie erlischt, unbeschadet der Vorschrift des § 3 des Staatsgesetzes, betreffend den Austritt aus der Kirche, v. 14. Mai 1873 (GS. 207), a) durch den Tod des Steuerpflichtigen mit dem Ablaufe des Monats, in welchem der Tod er­ folgt ist, b) durch das Aufgeben des Wohnsitzes (§ 2) mit dem Ablaufe des Monats, in welchem der Wohnsitz tatsächlich aufgegeben worden ist, sofern jedoch bis zu diesem Zeitpunkte der Kirchengemeinde hiervon keine Anzeige erstattet worden ist, erst mit dem Ablaufe des folgenden Monats. § 4. Bei der Heranziehung von Personen mit mehrfachem Wohnsitze innerhalb oder innerhalb und außerhalb der evangelischen Landeskirche der älteren Provinzen verbleibt derjenige Teil des Gesamteinkommens, welcher aus Grundvermögen, Handels- oder gewerblichen Anlagen sowie aus der Beteiligung an den Unternehmen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung fließt, der Kirchen­ gemeinde, in deren Bezirk das Grundvermögen oder der Betrieb belegen ist. Beträgt jedoch dieser Teil mehr als drei Vierteile des Gesamteinkommens des Steuerpflichtigen, so ist diejenige Kirchen­ gemeinde, in welcher das steuerpflichtige Einkommen weniger als ein Vierteil des Gesamteinkommens beträgt, berechtigt, ein v o l l e s Vierteil des Gesamteinkommens für sich zur Besteuerung in An­ spruch zu nehmen. Steht dieser Anspruch mehreren Kirchengemeinden zu, so ist das Vierteil nach der Zahl dieser Gemeinden zu verteilend Im übrigen dürfen Personen mit mehrfachem Wohnsitz innerhalb der evangelischen Landeskirche Preußens in jeder Kirchengemeinde im Geltungsbereiche dieses G- nur mit dem der Zahl aller Ge­ meinden entsprechenden Bruchteil ihres Einkommens herangezogen werdend § 5. Der evangelische Teil einer gemischten Ehe ist von der Hälfte des der kirchlichen Besteuerung zugrunde liegenden Steuersatzes (§ 9), zu welchem der Ehemann veranlagt ist, zur Kirchensteuer heranzuziehen. Soweit die Eheftau zu den Staatssteuern selbständig veranlagt wird, ist der evangelische Teil nach Maßgabe seiner Veranlagung zur Kirchensteuer heranzuziehen. 8 6. Insoweit der Patron oder ein sonst speziell Verpflichteter als solcher nach bestehendem Rechte für einzelne kirchliche Bedürfnisse nach besonderen Grundsätzen beizutragen hat, ist er als Gemeinde­ glied für diese Bedürfnisse in demselben Umfange wie bisher von der Kirchensteuer fteizulassen. 8 7. Die zur Zeit des Inkrafttretens dieses KirchG. bestehenden gesetzlichen Befreiungen von der Staatseinkommenfteuer oder den staatlich veranlagten Steuern haben die entsprechende Befreiung von der Kirchensteuer zur Folge. Bon der Kirchensteuer sind befreit die Geistlichen und Kirchenbeamten hinsichtlich ihres Dienstin Art. VII Abs. 2 a. a. O. dem Staatsministerium vorbehalten oder in Art. I dieser Bg. dem Oberpräsidenten übertragen ist; 2. in den Fällen des Art. IV §§ 1, 2 und 6 des G. v. 14. Juli 1905. Gegen die Verfügung des Regierungspräsidenten (Polizeipräsidenten zu Berlin) geht, sofern nicht die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte nach Art. IV § 4 a. a. O. stattfindet, die Be­ schwerde an den Oberpräsidenten, welcher endgültig entscheidet. 1 Dazu AusfAnw. des Evangel. Oberkirchenrats v. 22. März 1906 (Kirchl. GBl. 5). 1 Also nur physische, nicht juristische Personen. Reichs- und Staatsangehörigkeit ist nicht Voraus­ setzung der Kirchensteuerpflicht. 3 Wohnsitz im Sinne der §§ 7 ff. BGB. 4 Die §§ 50 Abs. 4 und 51 KAbgG. finden sinngemäß Anwendung. Reichelt, Berwaltting-gesetzbuch.

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X. Abschn. Kirchenrecht.

einkommens und ihre- Ruhegehalts, bei dauernder Verbindung des Kirchenamts mit einem anderen Amte hinsichtlich ihrer gesamten Tienstbezüge, ferner ihre Hinterbliebenen Witwen und Walsen hin­ sichtlich ihrer aus dem Pfarr-Witwen- und Waisenfonds zahlbaren Pensionen und derjenigen dauern­ den Bezüge, welche ihnen mit Rücksicht auf das kirchliche Amt des Verstorbenen aus anderen als privatrechtlichen Titeln zustehen, sonne hinsichtlich der Bezüge der sterbe- und Gnadenzeit. § 8. Auf speziellen Rechtstiteln beruhende Verpflichtungen zur Leistung von Kirchensteuern oder Befreiungen von solchen bleiben unberührt. Umlegung der Kirchensteuer. 8 S. Die Kirchensteuern sind für das Rechnungsjahr umzulegen. Als Maßstab der Umlegung dient die Staatseinkommensteuer, erforderlichenfalls einschließlich der staatlich veranlagten fingierten Normalsteuersätze, und, sofern daneben eine Heranziehung der Real­ steuern erfolgen soll, die staatlich veranlagte Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer. Die Ergänzungssteuer, die Steuer vom Gewerbebetrieb im Umherziehen, sowie die Betriebssteuer und die Warenhaussteuer sind bei der Umlegung der Kirchensteuern nicht heranzuziehen. § 10.---------- Die Heranziehung der staatlich veranlagten Grund-, Gebäude- und Gewerbe­ steuern ist nur insoweit zulässig, als diese Steuern für Grundbesitz bzw. Betriebe veranlagt sind, welche in der Kirchengemeinde belegen sind. Die Realsteuern dürfen nicht mit einem höheren Prozentsätze herangezogen werden als die Staatseinkommensteuer.---------§11. Die Kirchensteuern sind auf alle der Besteuerung unterworfenen Pflichtigen nach festen und gleichmäßigen Grundsätzen zu verteilen. Die Erhebung erfolgt in der Form von Zuschlägen. Die Zuschläge zu den einzelnen, der Veranlagung zugrunde gelegten Staatssteuern müssen gleich­ mäßige sein. Eine Minderbelastung oder Freilassung der fingierten Normalsteuersätze und der sechs untersten Stufen der Staatseinkommensteuer ist nicht ausgeschlossen. Steuerpflichtige, welche im Wege der öffentlichen Armenpflege fortlaufende Unterstützung erhalten, sind zur Kirchensteuer nicht heranzuziehen. § 12. Handelt es sich um Einrichtungen oder Aufwendungen, welche in besonders hervorragendem Maße einem Teile der Kirchengemeinde zugute kommen, so kann die Kirchengemeinde für einen bestimmten Zeitraum eine entsprechende besondere Belastung dieses Teiles beschließen.---------§ 13. In denjenigen Fällen, in welchen die staatlich veranlagte Steuer nicht die unveränderte Grundlage der Steuerzuschläge bildet, ist der dem Zuschlage zugrunde zu legende Steuersatz von der kirchlichen Veranlagungsbehörde (§ 16) nach den für die staatliche Veranlagung geltenden Grund­ sätzen zu ermitteln. Die auf Grund der Einlegung von Rechtsmitteln sowie auf Grund der §§ 57 und 58 des EinkommenstG. v. 24. Juni 1891 (GS. 175) erfolgte Erhöhung oder Erntäßigung der veranlagten Steuern zieht die entsprechende Änderung der Veranlagung zur Kirchensteuer nach sich. § 14. Den Kirchengemeinden sind Vereinbarungen mit steuerpflichtigen Mitgliedern gestattet, wonach von fabrikmäßigen Betrieben und von Bergwerken an Stelle der Kirchensteuer in Form von Zuschlägen zur Staatseinkommensteuer und zur Gewerbesteuer ein für ein oder mehrere Jahre im voraus zu bestimmender fester jährlicher Steuerbeitrag zu entrichten ist. § 16. Bei Veränderungen von Pfarrbezirken sowie zum Ausgleich fiir erhebliche Aufwendungen zugunsten einer Kirchengemeittde kann für eine bestimmte Zahl von Jahren die Freilassung oder ver­ minderte Heranziehung einzelner Steuerpflichtiger beschlossen werden. Die Beschlüsse in den §§ 14 und 15 bedürfen der Genehmigung. Verfahren. § 16. Die Veranlagung erfolgt für jedes Rechnungsjahr durch den Gemeindelirchenrat (Pres­ byterium — Ktrchenkollegium). Das Rechnungsjahr beginnt mit dem 1. April und schließt mit dem 31. März. Der Beschlußfassung der kirchlichen Organe bleibt üverlasseti, an Stelle des Rechnungsjahres eine Periode von zivei oder drei Rechnungsjahren treten zu lassen. §17. In denjenigen Fällen, in ivelchen die staatlich veranlagte Steuer (£ 13 Abs. 1) nicht die unveränderte Grundlage der Steuerzuschläge bildet, steheii dem Gemeindekirchenrat (Presbyterium, Kirchenkollegium) die m § 63 Abs. 2 bis 4 des KAbgG. ausgeführten Befugnisse zu. § 18. Die Erhebung der Kirchensteuern ist durch eine in ortsüblicher Weise zu bewirkende Ver­ öffentlichung der zu erhebenden Prozentsätze bekanntzuntachen.^ 5 AusfAnw. Ziff. VI: I). Die Einziehung der Kirchensteuer ist durch eine vom Gemeindekirchenrat aufzustellende Heberolle (Steuerliste) vorzubereiten. Über die Zugänge im Laufe des Stenerjahres ist eine besondere Liste mit der gletcheti Einrichtung zu führen. Eine Offenlegung der Heberolle (Steuerliste) findet nicht mehr statt. E. Die Erhebung der Kirchensteuer ist, nachdent der Uinlagebeschluß die kirchenaufsichtlichc

7. Kirchensteuergesetze.

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Die Aufsichtsbehörde ist befugt, die Bekanntmachung des Steuersatzes an die Steuerpflichtigen durch besondere verschlossene Mitteilung anzuordnen. Bei Zugängen im Laufe des Jahres, sowie in denjenigen Fällen, in welchen die staatlich veranlagte Steuer nicht die unveränderte Grundlage der Steuerzuschläge bildet, bedarf es stets besonderer verschlossener Mitteilung. Nach erfolgter Bekanntmachung ist die Steuer in den ersten acht Tagen eines jeden KalenderVierteljahres zu entrichten. An Stelle des Vierteljahres kann durch Beschluß der kirchlichen Beranlagungsbehörde (§ 16) eine halbjährliche und, falls nicht mehr als 20% der Staatseinkommensteuer zu erheben sind, eine jähr­ liche Hebeperiode eingeführt werden. Die Einziehung selbst findet auf Grund einer vorher ergangenen oder spätestens gleichzeitig er­ folgenden Zahlungsaufforderung statt, die, wenn sie schriftlich geschieht, verschlossen sein muß. Rechtsmittel.

8 IS. Den zur Kirchensteuer Herangezogenen steht gegen die Heranziehung bzw. Veranlagung Einspruch zu. Das Rechtsmittel ist binnen einer Frist von vier Wochen, vom Tage der Aufforderung zur Zahlung ab gerechnet (§ 18 Abs. 7), bei dem Gemeindekirchenrate (Presbyterium, Kirchenkollegium) ein­ zulegend Einsprüche, welche sich gegen die staatliche Veranlagung richten, sind unzulässig. § 20. Ober den Einspruch beschließt der Gemeindekirchenrat (Presbyterium, Kirchenkollegium) vorbehaltlich weiterer durch Staatsgesetz zu bestinlmender Rechtsmittel. Durch Erhebung des Einspruchs wird die Verpflichtung zur Zahlung nicht aufgehoben. § 21. Im Falle der Heranziehung zur Kirchensteuer seitens mehrerer Kirchengemeinden kann der Steuerpflichtige an Stelle- des Einspruchs in jeder einzelnen der beteiligten Gemeinden auch einen Antrag auf Verteilung des kirchensteuerpflichtigen Einkommens (§ 4) seitens der zuständigen Staats­ behörde stellen. Der Verteilungsantrag tritt alsdann an die Stelle des Einspruchs. § 22. Hinsichtlich der Kosten der Veranlagung und Erhebung der Steuer findet § 89 KAbgG. sinngemäß Anwendung. § 28. Die Vorschriften der §§ 83 bis 86 KAbgG. finden auf die Nachforderungen von Kirchen­ steuern sinngemäß Anwendung. § 27. Für die Erteilung der nach diesem Gesetze erforderlichen Genehmigungen und Anordnungen ist das Konsistorium zuständig. § 29. Die Kirchengemeinden sind berechtigt, an Stelle der Leistung von Hand- und Spanndiensten die Erhebung eines dem Werte entsprechenden Geldbetrages int Wege der Kirchensteuer zu be­ schließen. Der Beschluß bedarf der Genehmigung. § 80. Die Befugnis der Kirchengemeinden, aus Grund zu Recht bestehender älterer, von den Vorschriften dieses Kirchengesetzes abweichender Ordnungen Kirchensteuern umzulegen, bleibt un­ berührt.

c) Gesetz, betreffend die Erhebung von Kirchensteuern in den katholischen Kirchengemeinden und Gesamtverbänden?

Vom 14. Juli 1905 (GS. 281). § 1. Die katholischen Kirchengemeinden sind berechtigt, zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse Steuern zu erheben. Von dieser Befugnis ist nur Gebrauch zu machen, soweit die sonstigen verfügbaren Einnah. men zur Befriedigung der Bedürfnisse nicht ausreichen, insbesondere soweit die erforderlichen Geldmittel und Leistungen nicht nach bestehendem Rechte aus dem Kirchenvermögen und staatliche Genehmigung gefunden hat, durch eine in ortsüblicher Weise zu bewirkende Veröffentlichung der Prozentsätze bekanntzumachen. Bei außerordentlichen Umlagen hat sich die Bekanntmachung auch auf die Veröffentlichung der Einziehungstermine zu erstrecken. 6 Falls der Steuerbettag in mehreren, etwa vierteljährlichen Raten zu entrichten ist, beginnt die — ausschließende — Frist mit der erstmaligen Zahlungsaufforderung für den ganzen Steuerbetrag des Rechnungsjahres. Durch die späteren Zahlungsaufforderungen wird der Lauf einer neuen Einspruchsfrist nicht begründet. 1 Dazu ministerielle AusfAnw. v. 24. März 1906 (MBl. 121), im folgenden kurz als AusfAnw. bezeichnet.

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X. Abschn.

Kirchenrecht.

entnommen worden können ober vom Patron ober von sonst speziell Verpflichteten gewährt werden. Die Steuerbeschlüsse der Kirchengemeinden bedürfen der (Genehmigung der bischöflichen und der staatlichen Aufsichtsbehörde? § 2. Kirchensteuerpslichtig sind alle Katholiken, welche der Kirchengemeinde durch ihren Wohnsitz angehören? § 3. Die Steuerpflicht beginnt mit dem ersten Tage des auf die Begründung des Wohnsitzes (§ 2) folgenden Monats. Sie erlischt, unbeschadet der Vorschrift des § 3 des G., betr. den Austritt aus der Kirche, v. 14. Mai 1873 (GS. 207), a) durch den Tod des Steuerpflichtigen mit dem Ablaufe des Monats, in welchem der Tod erfolgt ist, b) durch das Aufgeben des Wohnsitzes (§ 2) mit dem Ablaufe des Monats, in welchem der Wohnsitz tatsächlich aufgegeben worden ist, sofern jedoch bis zu diesem Zeitpunkte der Kirchengemeinde hiervon keine Anzeige erstattet worden ist, erst mit dem Ablaufe des folgenden Monats. § 4. Bei der Heranziehung von Personen mit mehrfachem Wohnsitz innerhalb oder innerhalb und außerhalb des preußischen Staatsgebiets verbleibt derjenige Teil des Gesamtemkommens, welcher aus Grundvermögen, Handels- oder gewerblichen Anlagen einschließlich der Bergwerke aus Handel und Gewerbe einschließlich des Bergbaues, sowie aus der Be­ teiligung an dem Unternehmen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung fließt, der Kirchengemeinde, in deren Bezirk das Grundvermögen ober der Betrieb belegen ist. Beträgt jedoch dieser Teil mehr als drei Vierteile des Gesamteinkommens des Steuerpflichtigen, so ist die­ jenige Kirchengemeinde, in welcher das steuerpflichtige Einkommen weniger als ein Viertel des Gesamteinkommens beträgt, berechtigt, ein volles Vierteil des Gesamteinkommens für sich zur Besteuerung in Anspruch zu nehmen. Steht dieser Anspruch mehreren Kirchengemeinden zu, so ist das Vierteil nach der Zahl dieser Gemeinden zu verteilen. Im übrigen dürfen Personen mit mehrfachem Wohnsitz innerhalb des Preußischen Staatsgebiets in jeder Kirchengemeinde nur mit betn der Zahl dieser Gemeinden entsprechenden Bruchteil ihres Einkommens herangezogen werden. Die Vorschriften des § 50 Abs. 4 und § 51 des Kommunalabgabengesetzes v. 14. Juli 1893 (GS. 152) finden sinngemäß Anwendung. § 5. Der katholische Teil einer gemischten Ehe ist von der Hälfte des der kirchlichen Be2 AusfAnw. Ziff. VI D: Zur Ausführung der Umlagebeschlüsse und sonstiger Beschlüsse, welche der Genehmigung der bischöflichen und der staatlichen Aufsichtsbehörde unterworfen sind, darf der Kirchenvorstand (Ausschuß usw.) erst dann schreiten, wenn die Genehmigungen erteilt worden sind. 1. Der Genehmigung unterliegen: a) Gemäß § 1 Abs. 3 und § 34 sämtliche Steuerbeschlüsse gleichviel, welche Prozentsätze der Prinzipalsteuern erhoben werden sollen. Zu den Steuerbeschlüssen im Sinne des § 1 gehören auch Beschlüsse über die besondere Belastung einzelner Gemeindeteile (§ 12 des G.); b) gemäß § 15 Abs. 2 und § 34 Vereinbarungen der Kirchengemeinde (Gesamtverbände) mit steuerpflichtigen Mitgliedern (§ 14 des G.); c) gemäß § 15 Abs. 2 und § 34 Beschlüsse über die Freilassung oder verminderte Her­ anziehung einzelner Steuerpflichtiger (§ 15 Abs. 1 des G.); d) gemäß § 36 Abs. 2 und § 34 Beschlüsse über die Erhebung eines entsprechenden Geld­ betrages an Stelle von Hand- und Spanndiensten (§ 36 Abs. 1 des G.). 2. Die Genehmigung der bischöflichen Behörde hat der Genehmigung der staatlichen Auf­ sichtsbehörde voranzugehen. Demgemäß hat der Kirchenvorstand (Ausschuß usw.) die Be­ schlüsse in beglaubigtem Auszuge aus dem Protokollbuche (§§ 18 und 24 Abs. 4 des G. v. 20. Juni 1875) unter Beifügung der zur Begründung erforderlichen Unterlagen, bei Steuerbeschlüssen insbesondere des Etats, der bischöflichen Behörde so zeitig vorzulegen, daß die Erhebung der Kirchensteuern nicht verzögert wird. 3 Wohnsitz im Sinne der §§ 7 ff. BGB. — „Katholiken", also nur physische, nicht auch juristische Personen.

7. Kirchensteuergesetze.

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steuerung zugrunde liegenden Steuersatzes* (§ 9), zu welchem der Ehemann veranlagt ist, zur Kirchensteuer heranzuziehen. Soweit die Ehefrau zu den Staatssteuern selbständig veranlagt wird, ist der katholische Teil nach Maßgabe seiner Veranlagung zur Kirchensteuer heranzuziehen. § 6. Insoweit der Patron oder ein sonst speziell Verpflichteter als solcher nach bestehendem Rechte für einzelne kirchliche Bedürfnisse nach besonderen Grundsätzen beizutragen hat, ist er als Gemeindeglied für diese Bedürfnisse in demselben Umfange wie bisher von der Kirchen­ steuer freizulassen. § 7. Die zur Zeit des Inkrafttretens dieses G. bestehenden gesetzlichen Befreiungen von der Staatseinkommensteuer oder den staaüich veranlagten Steuern haben die entsprechende Besteiung von der Kirchensteuer zur Folge. Bon der Kirchensteuer bleiben die Geistlichen und Kirchenbeamten6 hinsichtlich ihres Dienst­ einkommens und ihres Ruhegehalts, bei dauernder Verbindung des Kirchenamts mit einem anderen Amte hinsichtlich ihrer gesamten Dienstbezüge insoweit befreit, als ihnen die Be­ freiung bisher schon gewährt worden ist. Bon der Kirchensteuer sind befreit die Hinterbliebenen Witwen und Waisen der Kirchen­ beamten hinsichtlich derjenigen dauernden Bezüge, welche ihnen mit Rücksicht auf das kirchliche Amt des Verstorbenen aus anderen als privatrechtlichen Titeln zustehen, sowie diejenigen, welche aus Anlaß des Todes eines Geistlichen oder Kirchenbeamten Bezüge während der Sterbe- und Gnadenzeit erhalten, hinsichtlich dieser Bezüge. § 8. Auf speziellen Rechtstiteln beruhende Verpflichtungen zur Leistung von Kirchen­ steuern oder Befreiungen von solchen bleiben unberührt. Umlegung der Kirchensteuer. § 9. Die Kirchensteuern sind für das Rechnungsjahr umzulegen. Als Maßstab der Umlegung dient die Staatseinkommensteuer, erforderlichenfalls ein­ schließlich der staaüich veranlagten fingierten Normalsteuersätze,* und, sofern daneben eilte Heranziehung der Realsteuern erfolgen soll, die staatlich veranlagte Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer. Die Ergänzungssteuer, die Steuer vom Gewerbebetrieb im Umherziehen sowie die Betriebssteuer und die Warenhaussteuer sind bei der Umlegung der Kirchensteuern nicht heranzuziehen. H 10. Die Heranziehung der Staatseinkommensteuer hat mit den aus §§ 2 und 4 sich er« gebenden Maßgaben in vollem Umfange stattzufinden. Die Heranziehung der staatlich veranlagten Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern ist nmr insoweit zulässig, als diese Steuern für Grundbesitz beziehungsweise Betriebe veranlagt sind», welche in der Kirchengemeinde belegen sind. Die Realsteuern dürfen nicht mit einem höheren Prozentsätze herangezogen werden, als die Staatseinkommensteuer. Wie die vollständige Freilassung der Realsteuern, ist auch eine getringere Heranziehung aller oder einzelner dieser Steuern zulässig. $ 11. Die Kirchensteuern sind auf alle der Besteuerung unterworfenen Pflichtigen nach feflten und gleichmäßigen Grundsätzen zu verteilen. Die Erhebung erfolgt in der Form von Zuschlägen. * Unter „Steuersatz" ist nach AussAnw. Ziff. III E der veranlagte Steuerbetrug zu verstehen. * AuSsAnw. Ziff. IV B: Geistliche sind hier diejenigen, welche die Ordination als Priester empfangen haben und in einem geistlichen Amte stehen. Es macht keinen Unterschied, ob sie zum Dienste an der steuerechebenden Kirchengemeinde selbst berufen oder sonst im Kirchendienst oder in einem anderen Amte mit geistlichen Funktionen angestellt sind. Unter „Kirchenbeamten" sind nur die in einem kirchlichen Amte angestellten Personen, nicht bcgegen solche zu verstehen, welche nur vertragsmäßig kirchliche Hilfsleistungen übernommen hibeu. Zu ihnen gehören auch die an einer kirchlichen Bildungsanstalt oder bei der bischöflichen Behörde angestellten Personen, ferner die Inhaber eines Kirchenamtes, mit dem ein anderes » B. ein Schulamt, verbunden ist. 4 8on Einkommen unter 900 M (§ 79 EinkommenstG ).

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X. Abschn. Kirchenrecht.

Tie Zuschläge zu den einzelnen der Veranlagung zugrunde gelegten Sraatssteuern müssen gleichmäßige sein. Eine Minderbelastung oder Freilassung der fingierten Normalsteuersätze und der sechs untersten Stufen der Staatseinkommensteuer ist nicht ausgeschlossen. Steuerpflichtige, welche im Wege der öffentlichen Armenpflege fortlaufende Unterstützung erhalten, sind zur Kirchensteuer nicht heranzuziehen. § 12. Handelt es sich um Einrichtungen oder Aufwendungen, welche in besonders hervor­ ragendem Maße einem Teile der Kirchengemeinde zugute kommen, so kann die Kirchengemeinde für einen bestimmten Zeitraum eine entsprechende besondere Belastung dieses Teiles beschließen. Bei Abmessung der Sonderbelastung ist namentlich der zur Herstellung und Unterhaltung der Einrichtung erforderliche Bedarf nach Abzug eines etwaigen Ertrags in Betracht zu ziehen. Die Vorschrift des Abs. 2 der Nr. 5 in dem § 6 des G., bett. die Bildung von Gesamt­ verbänden in der katholischen Kirche, v. 24. Mai 1903 (GS. 179) bleibt unberührt? § 13. In denjenigen Fällen, in welchen die staatlich veranlagte Steuer nicht die unver­ änderte Grundlage der Steuerzuschläge bildet, ist der dem Zuschlage zugrunde zu legende Steuersatz von der kirchlichen Veranlagungsbehörde (§ 16) nach den für die staatliche Veran­ lagung geltenden Grundsätzen zu ermitteln. Die auf Grund der Einlegung von Rechtsmitteln sowie auf Grund der §§ 62 und 63 des EinkommenstG. v. 24. Juni 1891 (GS. 175) erfolgte Erhöhung oder Ermäßigung der ver­ anlagten Steuern zieht die entsprechende Änderung der Veranlagung zur Kirchensteuer nach sich. § 14. Den Kirchengemeinden sind Vereinbarungen mit steuerpflichtigen Mitgliedern gestattet, wonach von fabrikmäßigen Betrieben und von Bergwerken an Stelle der Kirchen­ steuer in Form von Zuschlägen zur Staatseinkommensteuer und zur Gewerbesteuer ein für ein oder mehrere Jahre im voraus zu bestimmender fester jährlicher Steuerbeitrag zu entrichten ist. § 15. Bei Veränderung von Pfarrbezirken sowie zum Ausgleiche für erhebliche AufWendungen zugunsten einer Kirchengemeinde kann für eine bestimmte Zahl von Jahren die Freilassung oder verminderte Heranziehung einzelner Steuerpflichtiger beschlossen werden. Die Beschlüsse in den §§ 14 und 15 bedürfen der Genehmigung der bischöflichen und der staatlichen Aufsichtsbehörde? Verfahren. § 16. Die Veranlagung erfolgt für jedes Rechnungsjahr durch den Kirchenvorstand? Das Rechnungsjahr beginnt mit dem 1. April und schließt mit dem 31. März. Der Beschlußfassung der kirchlichen Organe bleibt überlassen, an Stelle des Rechnungs­ jahrs eine Periode von zwei oder drei Rechnungsjahren treten zu lassen. § 17. In denjenigen Fällen, in welchen die staatlich veranlagte Steuer (§ 13 Abs. 1) nicht die unveränderte Grundlage der Steuerzuschläge bildet, stehen dem Kirchenvorstande die im § 63 Abs. 2 KAbgG. aufgeführten Befugnisse zu. Die Bestimmungen der §§ 63 Abs. 3 bis 5, 79 und 81 des genannten G. finden sinngemäß Anwendung. 7 Danach müssen die Umlagen eines Gesamtverbandes gleichzeitig in allen Gemeinden des Verbandes nach gleichem Maßstabe erhoben werden. Hieraus ergibt sich, daß die im § 12 Abs. 1 den Kirchengemeinden gewährte Befugnis den Gesamtverbänden nicht zusteht. 8 AusfAnw. Ziff. VI A: Die Vorbereitung und Ausführung der mit Zustimmung der Gemeindevertretung (§ 21 Nr. 8 des G. v. 20. Jum 1875) bzw. von der Verbandsvertretung (§ 3 des G. v. 29. Mai 1903) gefaßten Beschlüsse über die Erhebung einer kirchlichen Umlage liegt dem Kirchenvorstande (8 5 des G. v. 20. Juni 1875), in den Gesamtverbänden dem Ausschüsse der Berbandsvertretung (§ 4 Abs. 1 des G. v. 29. Mai 1903) oder der Berbandsvertretung selbst (§ 4 Abs. 3 a. a. O.) nach Maßgabe des von der Staatsbehörde (Minister) genehmigten, von der bischöflichen Behörde festgesetzten Regulativs (§§ 5, 7 des G. v. 29. Mar 1903, GS. 179) ob.

7. Kirchensteuergesetze.

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§ 18. Dem Kirchenvorstande sind von den zuständigen Staats- und Gemeindebehörden diejenigen Unterlagen, deren es für die Besteuerung bedarf, auf Erfordern mitzuteilen. § 19. Die Erhebung der Kirchensteuern ist durch eine in ortsüblicher Weise zu bewirkende VeröffenÜichung der zu erhebenden Prozentsätze bekanntzumachen. Die bischöfliche sowie die staatliche Aufsichtsbehörde ist befugt, die Bekanntmachung des Steuersatzes an die Steuerpflichtigen durch besondere verschlossene Mtteilung anzuordnen. Bei Zugängen im Laufe des Jahres sowie in denjenigen Fällen, in welchen die staatlich veranlagte Steuer nicht die unveränderte Grundlage der Steuerzuschläge bildet, bedarf es stets besonderer verschlossener Mtteilung. Nach erfolgter Bekanntmachung ist die Steuer in den ersten acht Tagen eines jeden Kalender­ vierteljahres zu entrichten. An Stelle des Vierteljahrs kann durch Beschluß der kirchlichen Veranlagungsbehürde (§ 16) eine halbjährliche und, falls nicht mehr als 20 Prozent der Staatseinkommensteuer zu erheben sind, eine jährliche Hebeperiode eingeführt werden. Auch kann festgestellt werden, daß die Hebung gleichzeitig mit der Einziehung der Staats- oder Kommunalsteuern an einem oder mehreren Einziehungsterminen erfolge. Wird im Laufe des Rechnungsjahrs eine außerordentliche Umlage notwendig, so ist über die Termine der Einziehung in dem Steuerbeschlusse Bestimmung zu treffen. Die Einziehung selbst findet auf Grund einer vorher ergangenen oder spätestens gleich­ zeitig erfolgenden Zahlungsaufforderung statt, die, wenn sie schriftlich geschieht, verschlossen sein muß. § 29. Die Zwangsvollstreckung wegen einer von der bischöflichen und der staallichen Aufsichtsbehörde genehmigten Kirchensteuer erfolgt nach den Vorschriften über das Ver­ waltungszwangsverfahrenb auf Ersuchen der zuständigen kirchlichen Gemeindeorgane durch die staatlichen Vollstreckungsbehörden oder, soweit die Einziehung der Staatssteuern durch kommunale Vollstreckungsbehörden erfolgt, durch diese. Den Vollstreckungsbehörden ist, falls nicht ein geringerer Entgelt vereinbart wird, eine Vergütung von 2 Prozent des durch sie zur Einziehung gelangenden Steuerbetrags zu ge­ währen. Die Vollziehungsbeamten haben außerdem auf die tarifmäßigen Einziehungs­ gebühren Anspruch. Die Vollstreckungsbehörde hat vor zwangsweiser Einziehung der Steuerbeträge deren Übereinstimmung mit den Festsetzungen des genehmigten Umlagebeschlusses zu prüfen. Rechtsmittel. § 21. Den zur Kirchensteuer Herangezogenen steht gegen die Heranziehung beziehungs­ weise Veranlagung Einspruch zu. Das Rechtsmittel ist binnen einer Frist von vier Wochen," vom Tage der Aufforderung zur Zahlung ab gerechnet (§ 19 Abs. 7), bei dem Kirchenvorstand einzulegen. Einsprüche, welche sich gegen die staatliche Veranlagung richten, sind unzulässig. § 22. Über den Einspruch beschließt der Kirchenvorstand. § 23. Gegen die Entscheidungen der Kirchenvorstände über Einsprüche gegen die Heran­ ziehung oder Veranlagung zu Kirchensteuern steht dem Steuerpflichtigen die Beschwerde offen, welche binnen einer mit dem ersten Tage nach erfolgter Zustellung der Entscheidung beginnenden Frist von vier Wochen" bei der bischöflichen Behörde einzulegen ist. Die bischöf­ liche Behörde legt die Beschwerde mit ihrer Äußerung der Staatsbehörde vor. Die Entscheidung der Staatsbehörde erfolgt nach Anhörung der Kirchengemeinde." • Kgl. Vg. v. 15. Nov. 1899, abgedruckt oben S. 112 ff. 10 Diese und die anderen in diesem G. bestimmten Fristen sind gemäß § 31 ausschließend, ihre Jnnehaltung ist von Amts wegen zu prüfen. 11 AusfAnw. Zifs. VII D: Durch Anhörung der zu ihrer Vertretung in vermögensrechtlicher Beziehung befugten Organe (Kirchenvorstand, Ausschuß usw.). Der Vorschrift ist genügt, wenn bereits die bischöfliche Be­ hörde eine Äußerung herbeigeführt und mit vorgelegt hat, und diese Äußerung bei der Entscheidung

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X. Abschn. Kirchenrecht.

Den Beschwerden von Angehörigen eines außerdeutschen Staates, welche damit begründet werden, daß für sie im Bezirke der Kirchengemeinde oder in deren nächster Nachbarschaft besondere, nicht von der betreffenden Kirchengemeinde unterhaltene gottesdienstliche Ver­ anstaltungen bestehen, ist, wenn diese Behauptung zutrifft, stattzugeben, sofern nach einer in der Gesetzsammlung veröffentlichten Bekanntmachung des Staatsministeriums in dem auswärtigen Staate die Gegenseitigkeit verbürgt ist, und der zur Kirchensteuer herangezogene Ausländer nicht der Kirchengemeinde gegenüber die Erklärung abgegeben hat, daß er zu deren kirchlichen Lasten beitragen wolle. § 24. Im Falle der Heranziehung zur Kirchensteuer seitens mehrerer Kirchengemeinden (§ 4) kann der Steuerpflichtige an Stelle des Einspruchs gegen die Heranziehung oder Ver­ anlagung in jeder einzelnen der beteiligten Gemeinden auch einen Antrag auf Verteilung des kirchensteuerpflichtigen Einkommens auf die mehreren Kirchengemeinden seitens der zuständigen Staatsbehörde stellen. Der Verteilungsantrag tritt alsdann an die Stelle des Einspruchs. § 25. Der Verteilungsantrag ist von dem Steuerpflichtigen binnen einer Frist von vier Wochen,welche mit dem ersten Tage nach erfolgter Aufforderung zur Zahlung der Steuer

seitens der zweiten oder einer weiteren, eine Steuerforderung erhebenden Kirchengemeinde beginnt, an die bischöfliche Behörde zu richten, in deren Bezirk eine der beteiligten Kirchengemeinden gelegen ist. Die bischöfliche Behörde legt den Antrag mit ihrer Äußerung der Staatsbehörde vor, in deren Bezirk die Kirchengemeinde gelegen ist, deren Zahlungsauf, forderung dem Steuerpflichtigen ausweislich seines Antrags zuerst zugegangen ist. Die hier­ nach begründete Zuständigkeit der bischöflichen Behörde und der Staatsbehörde erstreckt sich auch auf weitere etwa noch hervortretende Veranlagungen. Die Staatsbehörde beschließt nach Anhörung der beteiligten Kirchengemeinden und bischöflichen Behörden, n § 26. Wird die Beschwerde oder der Antrag den Vorschriften des § 23 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 zuwider innerhalb der gesetzlichen Frist bei der zur Entscheidung oder Beschlußfassung zuständigen Staatsbehörde angebracht, so gilt die Frist als gewahrt. § 27. Gegen die Entscheidungen und Beschlüsse der Staatsbehörde nach §§ 23 und 25 steht binnen einer mit dem ersten Tage nach erfolgter Zustellung beginnenden Frist von zwei $$ocf)cn10 sowohl dem Steuerpflichtigen als auch den beteiligten Kirchengemeinden die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte zu. Die Klage kann nur darauf gestützt werden: 1. daß die angefochtene Entscheidung oder der angefochtene Beschluß auf der NichtanWendung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechtes, insbesondere auch der von den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen beruhe; 2. daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leide. In der Klage ist anzugeben, worin die behauptete Nichtanwendung oder unrichtige An­ wendung des bestehenden Rechtes, oder worin die behaupteten Mängel des Verfahrens ge­ funden werden. In den Fällen des § 23 Abs. 3 findet die Klage nicht statt. (Beschluß) berücksichtigt wird. Daß die Anhörung der beteiligten Kirchengemeinden (Gesamtverbände) und bischöflichen Behörden stattgefunden hat, ist in der Entscheidung (Beschluß) zu erwähnen. In jedem Falle muß aus der Vorlage der bischöflichen Behörde mit Sicherheit erhellen, wann der Antrag oder die Beschwerde bei der bischöflichen Behörde eingegangen ist. über die Unzu­ lässigkeit des Antrags oder der Beschwerde wegen Fristversäumnis steht die Entscheidung nur der Staatsbehörde zu. Entscheidungen und Beschlüsse sind den beteiligten Kirchengemeinden (Gesamtverbänden) und Steuerpflichtigen zuzustellen. Dabei ist auf die Beschaffung von Beweismitteln für die bewirkte Zustellung Sorge zu tragen. Die beteiligten bischöflichen Behörden erhalten Abschrift der Ent­ scheidungen und Beschlüsse.

7. Lirchensteuergesetze.

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§ 28. Durch die Erhebung des Einspruchs oder der Beschwerde oder durch die Stellung des Verteilungsantrags oder durch die Anstellung der Klage wird die Verpflichtung zur Zahlung der Kirchensteuer nicht aufgehoben. Die Staatsbehörde tst befugt, bis zur endgültigen Entscheidung die vorläufige Aussetzung der Vollstreckung anzuordnen. § 29. Der ordentliche Rechtsweg findet gegen die Heranziehung zur Kirchensteuer nur in den Fällen der §§ 9 und 10 des G. wegen Erweiterung des Rechtswegs v. 24 Mai 1861 (GS. 241) statt." § 30. Hinsichtlich der Kosten der Veranlagung und Erhebung der Steuer findet § 89 KAbgG. sinngemäß Anwendung. § 31. Die Vorschriften der §§ 83 bis 86, 88 und 94 KAbgG. finden auf die Nachforderung und Verjährung von Kirchensteuern, sowie auf die in diesem G. bestimmten Fristen" sinn­ gemäß Anwendung. § 32. Den kirchlichen Organen und ihren Mitgliedern sowie den bei der Ver­ anlagung beteiligten Beamten ist es untersagt, die zu ihrer Kenntnis gelangten Erwerbs-, Vermögens, oder Einkommensverhältnisse eines Steuerpflichtigen unbefugt zu offenbaren. Die Bestimmungen der §§ 80 und 81 KAbgG. finden sinngemäß Anwendung. § 33. Wird im Falle des § 53 Abs. 1 des G. über die Vermögensverwaltung in den katho­ lischen Kirchengemeinden v. 20. Juni 1875 (GS. 241) die Erhebung und Einziehung einer Umlage angeordnet, so finden die Vorschriften der Abschn. I bis V dieses G. Anwendung. Mit den dem Kirchenvorstande zustehenden Befugnissen kann ein anderer Kirchenvorstand oder ein von Amts wegen zu bestellender Bevollmächtigter, erforderlichenfalls auf Kosten der Kirchengemeinde, beauftragt werden. § 34 Die Bestimmungen dieses G. finden auf die Gesamtverbände in der katholischen Kirche sinngemäß Anwendung. Die dem Kirchenvorstande beziehungsweise den kirchlichen Gemeindeorganen zustehenden Befugnisse werden von den Verbandsvertretungen nach Maßgabe der darüber bestehenden besonderen Besümmungen wahrgenommen. § 35. Auf Militär- und Anstaltsgemeinden findet dieses Gesetz keine Anwendung. § 36. Die Kirchengemeinden sind berechügt, an Stelle der Leistung von Hand- und Spann­ diensten die Erhebung eines dem Werte entsprechenden Geldbetrags im Wege der Kirchen­ steuer zu beschließen. Der Beschluß bedarf der Genehmigung der bischöflichen und der staatlichen Aufsichtsbehörde? § 37. Die Befugnis der Kirchengemeinden, auf Grund zu Recht bestehender älterer, von den Vorschriften dieses G. abweichender Ordnungen Kirchensteuern umzulegen, bleibt unberührt. Die Kirchengemeinden sind jedoch in allen Fällen berechügt, die Aufbringung kirchlicher Umlagen nach Maßgabe der Vorschriften dieses G. zu be­ schließen. 12 nämlich nur insoweit alS: a) auf Grund der Behauptung, daß die einzelne Forderung bereits früher getilgt oder verjährt sei, die Klage auf Erstattung des Gezahlten angestellt werden kann, jedoch bei Verlust des Klagerechts nur binnen spätestens 6 Monaten nach erfolgter Beitreibung oder geleisteter Zahlung, b) der Herangezogene behauptet, daß die geforderte Steuer keine öffentliche Abgabe sei, sondern auf einem aufgehobenen privatrechtlichen Fundamente, insbesondere auf einem früheren gutsherrlichen, schutzherrlichen oder grundherrlichen Verhältnisse beruhe. Soweit die Anstellung von Klagen vor den Jusüzgerichten in anderen Fällen zur Kenntnis der Re­ gierungen kommt, haben sie rechtzeitig über die Erhebung des Kompetenzkonflitts Beschluß zu fassen (AusfAnw. Ziff. VII).

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X. Abschn. Kircheurecht.

§ 38. Durch Kgl. Vg. werden diejenigen Staatsbehörden bestimmt, welche die in den §§ 1, 15, 19, 23, 25, 28 und 36 dieses G. erwähnten Rechte auszuüben habend § 39. Alle diesem Gesetze zuwiderlaufenden Bestimmungen werden aufgehoben. 18 Kgl. Vg. v. 23. März 1906 (GS. 56): Art. I. Die Rechte des Staates werden gegenüber den Gesamtverbänden von dem OberPräsidenten ausgeübt: bei der Genehmigung von Steuerbeschlüssen (§ 1 des G. v. 14. Juli 1905), sofern die Um­ lage, abgesehen von den nach G., betreffend die Bildung kirchlicher Hilfsfonds für neu zu errichtende katholische Pfarrgemeinden, v. 29. Mai 1903 (GS. 182) für die Zwecke des Diözesanhilfsfonds und von den für die Zwecke sonstiger, auf Grund staatsgesetzlicher Er­ mächtigung gebildeter Diözesanfonds aufzubringenden Beträgen, zehn Prozent der Summe der von den pflichtigen Gemeindegliedern jährlich an den Staat zu entrichtenden Ein­ kommensteuer übersteigt. Gegen die Verfügung des Oberpräsidenten findet die Beschwerde an den Minister der geistlichen Angelegenheiten statt. Art. II. In den übrigen Fällen des § 1 und in den Fällen der §§ 15, 19, 23, 25, 28 und 36 des G. v. 14. Juli 1905 werden die Rechte des Staates von dem Regierungspräsidenten, in Berlin von dem Polizeipräsidenten, ausgeübt. Gegen die Verfügung des Regierungspräsidenten (Polizeipräsidenten zu Berlin) geht, sofern nicht die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte nach § 27 a. a. O. stattfindet, die Beschwerde an den Oberpräsidenten, welcher endgültig entscheidet.

XL «»schnitt.

Volksschulrecht. 1. Gesetz, betreffend die Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen? Vom 28. Juli 1906 (GS. 335). 1. Abschnitt. Träger der Schullast. § 1. Die Errichtung und Unterhaltung der öffenüichen Volksschulen liegt vorbehaltlich der besonderen Vorschriften* dieses G., insbesondere der darin geordneten Beteiligung des Staates an der Aufbringung der Kosten, den bürgerlichen Gemeinden und selbständigen Gutsbezirken * ob. Gemeinden (Gutsbezirke) bilden entweder einen eigenen Schulverband oder werden behufs Unterhaltung einer oder mehrerer Volksschulen zu einem gemeinsamen Schulverbande (Gesamtschulverbande) vereinigt? Eine Gemeinde (Gutsbezirk) kann mehreren Gesamtschulverbänden angehören. Sie kann, auch wenn sie einen eigenen Schulverband bildet, zugleich einem oder mehreren Gesamt­ schulverbänden angehören. Gutsbezirke als Träger der Schullasten, sowie Gesamtschulverbände haben die Rechte der Körperschaften des öffentlichen Rechts. § 2. Jede Stadt bildet in der Regel einen eigenen Schulverband. Stadtgemeinden mit mehr als fünfundzwanzig Schulstellen können mit anderen Gemeinden oder Gutsbezirken nur unter Zusümmung aller Beteiligten (Gemeinden, Gutsbezirke) zu einem Gesamtschul, verbände vereinigt werden. § 8. Über die Bildung, Änderung und Auflösung der Gesamtschulverbände beschließt bei Zustimmung der Beteiligten (Gemeinden, Gutsbeizirke) nach Anhörung des Kreisausschusses, sofern eine Stadt beteiligt ist, des Bezirksausschusses, die Schulaufsichtsbehörde? Bei Wider­ spruch von Beteiligten (Gemeinden, Gutsbezirken) kann auf Antrag der Schulaufsichtsbehörde die Zusümmung durch Beschluß des Kreisausschusses, sofern eine Stadt beteiligt ist, des Bezirksausschusses, ergänzt werden. Gegen den Beschluß des Kreisausschusses oder des Bezirksausschusses steht der Schulaufsichts. behörde und den Beteiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Provinzialrat zu. § 4. Über die Bermögensauseinandersetzung, welche infolge der Bildung, Änderung oder Auflösung der Schulverbände notwendig wird, beschließt die Schulauffichtsbehörde? Gegen 1 Das VolksschUG. gilt im ganzen Staatsgebiete außer Westpreußen und Posen, § 70. — Vier Ausführungsanweisungen: 1. v. 25. Febr. 1907, bett. Bildung der Schulverbände und ihrer Organe sowie Regelung der BermögenSverhältnisse; 2. v. 2. Juli 1907, bett. Baufondsansammlung, gesetzlichen Baubeitrag und Ergänzungszuschüsse; 3. v. 6. Nov. 1907, bett. Schuldeputationen und Schulvorstände; 4. v. 14. März 1908, bett. konfessionelle Verhältnisse und Lehrerberufung (ZentrBl. Unterr. 305 bzw. 633, 865 und 461). 3 insbesondere der Leistungen Dritter, §§ 28 ff. 3 Das VolksschUG. steht, in Ausführung des Art. 25 VerfU., auf dem Kommunolprinzip. In den Kreisen Husum, Norder- und Süderdithmarschen sind aber nicht die Dorfschasten und Bauern­ schaften, sondern die Kirchspielslandgemeinden (SchlHolst. LGO. § 121a) Träger der Schullast. 4 Eigenschulverbände: §§ 43 ff., Gesamt schulverbände: §§ 49 ff. 5 D. i. die Regierung (Abt. II), für Berlin das Provinzialschulkollegium. Die Grundlage ihrer Befugnisse bildet die RegJnstr. v. 23. Oft. 1817.

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XI. Adschn. Volksschulrecht.

bereit Beschluß steht den Beteiligten gegeneinander innerhalb zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren beim Bezirksausschüsse zu. § 5. 1. Die Schulaufsichtsbehörde6 7kann nach Anhörung der beteiligten Schulverbände Schulkinder eines Schulverbandes gastweise der Schule eines anderen zuweisen, sofern dieser dadurch nicht zur Beschaffung weiterer Schulräume oder zur Vermehrung der Lehrkräfte ge­ nötigt wird. 2. In gleicher Weise und mit dem gleichen Vorbehalte kann aus erheblichen Gründen die gastweise Zuweisung auch für einzelne Unterrichtsfächer erfolgen.6 3. Gegen den Beschluß der Schulaufsichtsbehörde steht den beteiligten Schulverbänden binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Oberpräsidenten zu, der endgültig entscheidet. 4. Die Vergütung für den gastweisen Besucht ist von dem Schulverband, aus welchem die Zuweisung erfolgt, zu zahlen. Die Vergütung wird mangels einer Vereinbarung der Schulverbände durch den Kreisausschuß, sofern eine Stadt beteiligt ist, den Bezirksausschuß, fest­ gestellt. Gegen den Feststellungsbeschluß findet binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Provinzialrat statt. Soweit die Stadt Berlin beteiligt ist, trifft die Schulaufsichtsbehörde die Feststellung. Gegen deren Entscheidung findet binnen zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren beim Oberverwaltungsgerichte statt. Bei der Festsetzung sind einerseits die durch die Zuweisung der Gastschulkinder entstehenden Mehrkosten des einen, andererseits die Ersparnisse des anderen Schulverbandes in Betracht zu ziehen. 5. Bei einer erheblichen Veränderung der Verhältnisse können die Schulverbände mit einjähriger, nur für den Schluß des Etatsjahres zulässiger Kündigung von der Vereinbarung zurücktreten. Unter den gleichen Voraussetzungen kann der Gastschulbeitrag in dem im vorigen Absätze bezeichneten Verfahren anderweit festgestellt werden. 6. In geeigneten Fällen kann von der Schulaufsichtsbehörde eine Beteiligung des Schul­ verbandes, aus welchem Kinder gastweise einer anderen Schule zugewiesen sind, an der Ver­ waltung dieser Schule in der Weise angeordnet werden, daß der Vorstand des ersteren ein Mitglied mit beratender Stimme in den Schulvorstand (Schuldeputation) entsendet. § k. Der Schulverband kann für den Besuch der Schule durch nicht einheimische Kinder ein Fremdenschulgeld verlangen? Als einheimisch gelten Kinder, welche reichsangehörig sind und im Schulverband oder im Gastschulbezirke (§ 5) entweder an dem Wohnorte dessen, welchem die Sorge für die Person des Kindes obliegt oder oblag, wohnen oder von Privatpersonen unentgeltlich in Pflege und Kost genommen sind. Das Fremdenschulgeld darf den im Durchschnitte der drei letzten Rech­ nungsjahre auf jedes Schulkind entfallenden Betrag der dem Schulverband erwachsenen Schulunterhaltungskosten nicht übersteigen. Die Feststellung der Schulgeldsätze unterliegt der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde.6 Gegen die Versagung der Genehmigung steht der Gemeinde binnen zwei Wochen die Be­ schwerde an den Provinzialrat zu. Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend die Heranziehung oder Veranlagung zu dem Fremdenschulgelde, finden die bezüglich der Heranziehung und Veranlagung zu den Gemeinde­ abgaben geltenden gesetzlichen Vorschriften Anwendung. 2. Abschnitt.

Verteilung der Volksschullasten. Schulhaushalt. Bausonds. Staatsleistungen. § 7. In den Gemeinden werden die Schullasten als Gemeindelast6 aufgebracht. Die Verpflichtung der nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3, sowie § 41 des KAbgG. v. 14. Juli

6 Z. B. für den Religionsunterricht in der Diaspora oder für den Turnunterricht aus einem Schulverbände, wo nicht ausreichende Turneinrichtungen vorhanden sind. 7 Gastschulgeld, streng zu unterscheiden von Fremdenschulgeld nach § 6. Ersteres wird vom Schulverbande, letzteres von den Unterhaltspflichtigen der betreffenden Kinder bezahlt. Im übrigen ist die Erhebung von Schulgeld in Volksschulen — nicht Mittelschulen — grundsätzlich auf­ gehoben durch die beiden G., betr. die Erleichterung der Volksschullasten, v. 14. Juni 1888 und 31. März 1889 (GS. 240 und 64).

1. BolkSschulunterhaltungSgesetz.

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1893 von der Gemeindeeinkommensteuer befreiten Personen, zu den Volksschullasten bei­ zutragen, wird durch G. geregelt. § 8. In den Gutsbezirken werden die Schullasten vom Gutsbesitzer getragen. Steht ein Gutsbezirk nicht ausschließlich im Eigentume des Gutsbesitzers oder steht inner­ halb des Gutsbezirkes einer anderen Person als dem Gutsbesitzer ein Erbbaurecht zu oder wohnen im Gutsbezirke Steuerpflichtige, die nicht in einem Lohn- oder Dienstverhältnisse zum Gutsbesitzer stehen, so sind auf dessen Antrag die Schullasten mit der Maßgabe unter­ zuverteilen, daß die Beitragspflicht und das Verfahren den Vorschriften des KAbgG. angepaßt wird. Die näheren^Borschriften hierüber sind durch ein Statut zu treffen, welches nach An­ hörung der Beteiligten vom Kreisausschusse zu erlassen ist und der Bestätigung durch den Bezirksausschuß bedarf.0 Auf Antrag des Gutsbesitzers ist das Statut wieder aufzuheben. § 9. In Gesamtschulverbänden erfolgt die Verteilung der Schulunterhaltungslasten auf die den Verband bildenden Kommunalverbände zur einen Hälfte nach Verhältnis der Zahl der die Schule des Gesamtschulverbandes aus den Gemeinden (Gutsbezirken) besuchenden Kinder, b zur anderen Hälfte nach dem Verhältnisse des Steuersolls dieser Gemeinden (Guts­ bezirke), welches der Kreisbesteuerung zugrunde zu legen ist,10 wobei indessen die Grundund Gebäudesteuer nur zur Hälfte ihrer umlagefähigen Höhe und die fingierten Normalsteuer­ sätze voll zur Anrechnung kommen. Gehört eine Gemeinde (Gutsbezirk) zu mehreren Gesamtschulverbänden, so sind in ihr die Steuern nach den Vorschriften des Abs. 1 für jeden Gesamtschulverband nur nach Verhältnis der Kinderzahl, welche aus der Gemeinde (Gutsbezirk) dessen Schule besucht, zur Gesamt­ zahl der aus der Gemeinde (Gutsbezirk) öffentliche Volksschulen überhaupt besuchenden Kinder in Anrechnung zu bringen. Die Zahl der Kinder wird für die Verteilung nach Abs. 1 und 2 nach dem Durchschnitte der am 1. Mai und 1. November der letzten 3 Jahre die Volksschule besuchenden Kinder berechnet. Die Feststellung der Verhältniszahl erfolgt für drei aufeinanderfolgende Rechnungsjahre. Die Vorschriften des Abs. 2 finden sinngemäß Anwendung, wenn eine Gemeinde (Gutsbezirk), welche für sich einen Schulverband bildet, gleichzeitig zu einem Gesamtschulverbande gehört. Der Kreisausschuß, sofern eine Stadt beteiligt ist, der Bezirksausschuß kann in Fällen des Abs. 1 mit Zustimmung der Beteiligten, in den übrigen Fällen auf Antrag von Beteiligten eine anderweite Verteilung beschließen. Die mangelnde Zustimmung Beteiligter in Fällen des Abs. 1 kann auf Antrag anderer Beteiligter oder der Schulaufsichtsbehörde durch den Kreisausschuß, wenn eine Stadt beteiligt ist, den Bezirksausschuß ergänzt werden; durch diese Ergänzung darf der Grundsatz, daß die Verteilung der Schulunterhaltungslasten nach der Kinderzahl einerseits und nach dem Steuersoll andererseits erfolgen soll, nicht ausgeschlossen werden. § 10. Die Vorschriften des § 53 des KAbgG.11 finden, insoweit Mehrausgaben für Zwecke des öffentlichen Volksschulwesens in Betracht kommen, zugunsten der Gutsbezirke entsprechende Anwendung. § 11. Für jeden Schulverband ist in der Regel ein Schulhaushaltsetat aufzustellen und eine Schulkasse einzurichten.1? § 12. In Gemeinden, welche für sich einen Schulverband bilden, genügt es, wenn der Schulhaushaltsetat in den Gemeindehaushaltsetat aufgenommen wird, und bleibt es der 8 Die Unterverteilung erstreckt sich dann auf alle nach dem KAbgG. Steuerpflichtigen, auch den Fiskus, jedoch unter Wahrung der nach KAbgG. bestehenden besonderen Steuerbefreiungen, z. B. §§ 24, 41 KAbgG. I Die gastweise anderen Schulen zugewiesenen Kinder werden also nicht mitgezählt. 10 Kreis- und ProvAbgG. v. 23. April 1906, s. unter Abschn. XII. II in Fassung des G. v. 24. Juli 1906, die Zuschüsse der Betriebsgemeinden betr., s. unter Adschnitt XII. 13 S. 1. AusfAnw. Ziff. IV.

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XL Abschn. Bolksschulrecht.

Beschlußfassung der Gemeinde überlassen, ob eine besondere Schulkasse eingerichtet oder ob ihre Geschäfte durch die Gemeindekasse wahrgenommen werden sollen. In Gutsbezirken, welche für sich einen Schulverband bilden, und in Gesamtschulverbänden, welche lediglich aus Gutsbezirken bestehen, die demselben Gutsbesitzer gehören, und in denen eine Unterverteilung nach § 8 Abs. 2 nicht stattfindet, kann die Aufstellung eines Schulhaus­ haltsetats und die Einrichtung einer Schulkasse mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde unterbleiben. Die Genehmigung kann widerrufen werden. § 13. Die Mittel für kleine bauliche Stepamturen13 sind gleich den übrigen laufenden Schulunterhaltungskosten in einer den örtlichen Verhältnissen entsprechenden Höhe in jedem Schulhaushaltsetat bereitzustellen. Hiervon kann in den Fällen des § 12 Abs. 2 mit Ge­ nehmigung der Schulaufsichtsbehörde Abstand genommen werden. Die Genehmigung kann widerrufen werden. § 14. Jeder Schulverband mit fünfundzwanzig oder weniger Schulstellen ist verpflichtet, jährlich 60 M für die einzige oder erste, 50 M für die zweite, 40 M für die dritte und je 30 M für jede weitere Stelle des Schulverbandes zur Bestreitung der Kosten von Volksschulbauten, welche nicht zu den laufenden kleineren Reparaturen gehören, anzusammeln und verzinslich zu belegen.^ Sind die im Abs. 1 gedachten Baukosten ganz oder teilweise von Dritten ^ zu decken, so sind die Schulverbände zu der Ansammlung überhaupt nicht oder in entsprechend geringerer Höhe anzuhalten. Die Schulaufsichtsbehörde entscheidet endgültig darüber, ob und inwieweit hiernach von der Anforderung der Ansammlung Abstand zu nehmen ist. Die Schulaufsichtsbehörde ist befugt, auf Antrag eines Schulverbandes eine Aussetzung oder Minderung der Ansammlung zuzulassen. Ist anzunehmen, daß der von einem Schul­ verband angesammelte Fonds unter Hinzurechnung der Zinsen und Zinseszinsen, des staat­ lichen Baubeitrags (§ 17) und der etwaigen Leistungen Dritter zur Deckung des für die nächsten 50 Jahre voraussehbaren Baubedürfnisses ausreichen werde, so hat auf Antrag des Schul­ verbandes die Schulaufsichtsbehörde die Einstellung dieser Zahlungen anzuordnen. Die Fort­ setzung der Zahlungen ist anzuordnen, sobald die vorbezeichnete Voraussetzung wegfällt. Gibt die Schulaufsichtsbehörde einem Antrag auf Anordnung der Einstellung dieser Zah­ lungen nicht statt, oder ist der Schulverband mit der Anordnung der Fortsetzung der ein­ gestellt gewesenen Zahlungen nicht einverstanden, so finden die Vorschriften der §§ 2 und 3 des G. v. 26. Mai 1887, betr. die Anforderungen für die Volksschulen/3 mit der Maßgabe Anwendung, daß die Leistungsfähigkeit des Schulverbandes außer Betracht bleibt. § 15. Die Belegung der angesammelten Mittel hat bei der Kasse einer Gemeinde, eines weiteren Kommunalverbandes oder einer öffentlichen Kreditanstalt zu erfolgen. Mit dieser Maßgabe bestimmt die Schulaufsichtsbehörde, bei welcher Kasse und unter welchen Bedin­ gungen die Belegung erfolgen soll. Sie vereinbart für die Schulverbände diese Bedingungen mit der Kasse, welche als Ansammlungsstelle bestimmt ist, zahlt die anzusammelnden Beträge an die Ansammlungsstelle ein und bringt die eingezahlten Beträge bei Entrichtung der nach dem G. v. 26. Mai 1909, betr. das Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen (GS. 93), an die Schulverbände zu leistenden Staatsbeiträge diesen Verbänden in Anrechnung. § 16. Den Schulverbänden ist die Erhebung der für sie gemäß § 14 angesammelten Beträge nur mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde gestattet. 13 Die §§ 13—17 betreffen die Schulbaulast. Was kleine Reparaturen sind, ist Tatfrage „und nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen; einen Anhalt geben die §§ 784 ff. ALR. II, 11. — Über die Anordnung von Neu- und Reparaturbauten s. § 47 ZustG., oben S. 97 und G. v. 26. Mai 1887, nachstehend unter Nr. 3. 14 Über die Ansammlung dieses Baufonds s. 2. AusfAnw. Ziff. I. Daneben bleibt die Befugnis der Schulaufsichtsbehörde bestehen, Schulverbände im Hinblick auf ein bevorstehendes Baubedürfnis gemäß § 47 ZustG. zur Ansammlung eines außerordentlichen Baufonds anzuhalten. 16 Zu den „Dritten" gehören insbesondere Stiftungen (§ 28), kirchliche Beteiligte (§ 30 Abs. 3) und auf besonderen Rechtstitel Verpflichtete (§ 32 Abs. 2). 16 Abgedruckt nachstehend unter Nr. 3.

1. Volksschulunterhaltungsgesetz.

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Diese Genehmigung muß erteilt werden, wenn die beabsichtigte Verwendung des Gut­ habens einem erheblichen Baubedürfnisse des Schulverbandes entspricht und entweder die Befriedigung dieses Bedürfnisses nur mit Hilfe der angesammelten Mittel ohne besonderen Druck für den Schulverband erfolgen kann oder anzunehmen ist, daß turnten längerer Frist anderweitige außerordentliche bauliche Bedürfnisse des Schulverbandes, zu deren Erfüllung die Verwendung der angesammelten Mittel erforderlich ist, nicht eintreten werden. Gegen die Versagung der Genehmigung steht den Schulverbänden binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Provinzialrat zu. § 17. Der Staat erstattet den Schulverbänden mit nicht mehr als sieben Schulstellen ein Drittel17 desjenigen Teilbetrages der durch notwendige Bauten für Volksschulzwecke aus­ schließlich des Grunderwerbs entstandenen Kosten, welcher im Etatsjahre 500 M für die Stelle überstiegen hat und weder Dritten zur Last fällt, noch auch durch Brandschadensversicherung gedeckt wird. Bei Berechnung des staatlichen Baubeitrages dürfen etwaige Naturaldienste nur bis zum Höchstwerte von fünfzehn vom Hundert der Gesamtbausumme in Ansatz gebracht werden. Der staatliche Baubeitrag wird nicht gezahlt, soweit der Aufwand für Bauten dadurch entstanden ist, daß der Schulverband seine Gebäude seit Inkrafttreten des Gesetzes nicht mit der gebotenen Sorgfalt unterhalten hat. Bei Streitigkeiten über die Verpflichtung zur Zahlung des staatlichen Baubeitrages oder über seine Bemessung beschließt auf Anrufen der Beteiligten, zu denen in Gesamtschulver­ bänden auch die einzelnen Gemeinden (Gutsbezirke) gehören, der Kreisausschuß, sofern eine Stadt beteiligt ist, der Bezirksausschuß. Gegen den Beschluß des Kreisausschusses oder des Bezirksausschusses steht den Beteiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Provinzial­ rat zu. Die Schulverbände haben, sofern die Kosten der baulichen Herstellungen im Einzelfalle 2000 M übersteigen, vor Beginn des Baues einen Bauplan mit Kostenanschlag der Schul­ aufsichtsbehörde zur Genehmigung vorzulegen. Diese ist befugt, einen staatlichen Baubeamten mit der Beaufsichtigung des Baues zu betrauen. § 18. Im Falle des nachgewiesenen Unvermögens der Schulverbände zur Aufbringung der Volksschullasten werden ihnen in den Grenzen der durch den Staatshaushaltsetat bereit­ gestellten Mittel Ergänzungszuschüsse^^ gewährt. Bei der Bewilligung kann angeordnet werden, daß die Zuschüsse zur besonderen Erleichterung bestimmter Kreise von Abgaben­ pflichtigen zu verwenden sind. Ein Anspruch gegen den Staat kann weder im Rechtswege noch im Verwaltungsstreitver­ fahren geltend gemacht werden. § 19. Zur Unterstützung von Schulverbänden mit fünfundzwanzig oder weniger Schul­ stellen, welche zur Aufbringung der Volksschullasten unvermögend sind, wird durch den Staats­ haushaltsetat der Betrag bereitgestellt, welcher am 31. März 1908 für diesen Zweck den Regierungen überwiesen ist. Der Unterrichtsminister, der Finanzminister und der Minister des Innern bestimmen die auf die Provinzen und die Hohenzollernschen Lande entfallenden Anteile nach Maßgabe der bisher überwiesenen widerruflichen Staatsbeihilfen.^ Innerhalb der Provinzen erfolgt die weitere Verteilung auf die Landkreise unter Berück­ sichtigung der bisher auf sie entfallenden Beträge durch den Oberpräsidenten nach Anhörung des Provinzialrats, in den Hohenzollernschen Landen durch den Unterrichtsminister nach Anhörung des Bezirksausschusses. 17 Außer diesem „gesetzlichen Baubeitrage" (2. AusfAnw. Ziff. II) können unvermögenden Schulverbänden in den Grenzen der gesetzlich bereitgestellten Mittel Ergänzungszuschüsse (2. AusfAnw. Ziff. III) gewährt werden, und zwar Schulverbänden mit 25 oder weniger Schulstellen aus den gemäß §§ 19 ff. gesetzlich festgelegten und auf die Landkreise dezentralisierten Fonds, sowie ferner unvermögenden Schulverbänden mit mehr als 25 Schulstellen aus dem Dispositions­ fonds auf Grund des § 18, der grundsätzlich als Zentralfonds vom Unterrichtsminister verwaltet wird. Alle Ergänzungszuschüsse sind freie Staatsbeihilfen (§ 18 Abs. 2). 17a im Gegensatze zu dem gesetzlichen Baubeitrage, s. Anm. 17. 18 Die §§ 19, 20 betreffen die sog. Oberverteilung der Staatsmittel, während die Unterverteilung im § 23 geregelt wird.

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XI. Abschn. Volksschulrecht.

§ 2v. Außerdem werden für Schulverbände mit fünfundzwanzig oder weniger Schul­ stellen, welche zur Aufbringung der Volksschullasten unvermögend sind, zum Zwecke der Ausgleichung unbilliger Verschiebungen in der Aufbringung der Volksschullasten, welche infolge dieses G. entstehen, sowie sonstiger unbilliger Ungleichheiten in der Höhe der Volksschul­ lasten durch den Staatshaushaltsetat alljährlich 5000000 M bereitgestellt und auf die Provinzen (Hohenzollernschen Lande) und Landkreise auf dem im § 19 bezeichneten Wege Verteilt.18 § 21. Dem Unterstützungsfonds der einzelnen Kreise wachsen die Ergänzungszuschüsse zu, welche aus Zentralfonds Schulverbänden des Kreises mit fünfundzwanzig oder weniger Schulstellen zur Errichtung neuer Schulstellen laufend bewilligt werden. Im übrigen ändern sich, abgesehen vom Falle des § 22, die den Kreisen überwiesenen Beträge nur 1. bei dem Übertritt des Schulverbandes mit fünfundzwanzig oder weniger Schulstellen in die Reihe derjenigen mit mehr als fünfundzwanzig Schulstellen; 2. bei dem umgekehrten Vorgänge; 3. infolge von Umgemeindungen und Veränderungen der Landkreise mit derselben Wirkung. Im ersten Falle geht vom Anfange des nächsten Etatjahrs der dem Schulverbande bewilligte Ergänzungszuschuß auf den Zentralfonds zur Unterstützung von Schulverbänden mit mehr als fünfundzwanzig Schulstellen über, im zweiten wächst von demselben Zeitpunkt ab der der Gemeinde etwa aus dem Zentralfonds bewilligte Ergänzungszuschuß dem Unterstützungsfonds des Kreises zu. Im Falle der Nr. 3 finden diese Bestimmungen sinngemäß Anwendung. § 22. Behufs Gewährung widerruflicher Ergänzungszuschüsse an unvermögende Schul­ verbände mit fünfundzwanzig oder weniger Schulstellen wird für jeden Kreis eine Summe in Höhe der Hälfte der von seinen Schulverbänden gemäß § 14 anzusammelnden Beträge aus Staatsmitteln bereitgestellt. § 23. Für die Unterverteilung der Staatsmittel (§§ 19, 20, 21, 22) auf die Schulverbände ist vom Kreisausschusse nach Anhörung des Kreisschulinspektors für je fünf Jahre ein Ver­ teilungsplan aufzustellen, der der Feststellung durch die Schulaufsichtsbehörde bedarf. Die Feststellung tritt in Kraft, wenn nicht innerhalb vier Wochen von dem Kreisausschusse dagegen Beschwerde bei dem Unterrichtsminister erhoben ist. Dieser entscheidet endgültig. Die den einzelnen Schulverbänden bewilligten Ergänzungszuschüsse können durch den Kreisausschuß während der Bewilligungszeit nur gekürzt werden wegen Aufhebung oder Veränderung des Schulverbandes, wegen Aufhebung einer Schulstelle, wegen gänzlichen oder teilweisen Fortfalls der Verpflichtung zur Ansammlung eines Baufonds (§ 14). Der Beschluß des Kreisausschusses bedarf der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde. Gegen ihn steht den Beteiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Provinzial­ rat zu. In dem Verteilungsplan ist ein angemessener Betrag, mindestens fünf vom Hundert, zur Gewährung einmaliger Ergänzungszuschüsse vorzusehen. Dem Betrage wachsen die heim­ gefallenen Ergänzungszuschüsse zu. Die Bewilligung erfolgt durch den Kreisausschuß mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde. Gegen die Versagung der Genehmigung steht dem Kreisausschusse innerhalb vier Wochen die Beschwerde an den Unterrichtsminister zu. Wird die Beschwerde abgelehnt, so wird nach dem Beschlusse der Schulaufsichtsbehörde ver­ fahren. 3. Abschnitt. Schulvermögen. Leistungen Dritter. § 24. Die besonderen Schulgemeinden (Sozietäten), sowie diejenigen Schulen, welche bisher als selbständige Rechtssubjekte Träger der Volksschullasten waren, werden, unbeschadet des Fortbestehens dieser Schulen als Lehranstalten, aufgehoben. Das Vermögen einer aufgehobenen Schulgemeinde (Schule) geht als Ganzes auf den Schulverband (§ 1 Abs. 2) über.

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1. Volksschulunterhaltungsgesetz.

Hat der Bezirk der aufgehobenen Schulgemeinde (Schule) sich über den Bereich mehrerer Schulverbände erstreckt, so treten die mehreren Verbände als Rechtsnachfolger ein. Über die Auseinandersetzung zwischen den beteiligten Schulverbänden beschließt die Schulaufsichts­ behörde. Die Vorschriften des § 4 finden Anwendung. § 25. Über das auf den Schulverband übergegangene $etmögen19 ist ein genaues Ver­ zeichnis (Matrikel) aufzustellen. Das Vermögen bleibt den allgemeinen oder süftungsmäßig besonderen Zwecken derjenigen öffentlichen Volksschule erhalten, für welche es besümmt war. Auf Verfügungen über dieses Vermögen finden diejenigen Vorschriften, welche für das Schul­ vermögen überhaupt gelten, mit der Maßgabe Anwendung, daß vor der Erteilung der Ge­ nehmigung zu einer Veräußerung oder Verwendung für andere Zwecke die Schuldeputation (§§ 43, 47 Abs. 10, 57), die Schulkommifsion (§§ 45, 48, 55) oder der Schulvorstand (§ 47) anzuhören find. § 26. Zum Nachweise der Rechtsnachfolge (§ 24) genügt Dritten gegenüber eine Be­ scheinigung der Schulaufsichtsbehörde; auf Antrag ist jedem, der ein rechtliches Interesse nach­ weist, eine solche Bescheinigung zu erteilen. Ist für die aufgehobene Schulgemeinde (Schule) das Eigentum oder ein anderes Recht an einem Grundstück im Grundbuch eingetragen, so kann die Schulaufsichtsbehörde das Grund­ buchamt ersuchen, den Schulverband als Eigentümer oder Berechtigten einzutragen. § 27. Insoweit bisher eine Kirchengemeinde Trägerin der Volksschullast war, ist — vor­ behaltlich der Bestimmungen in den §§ 28 und 30 — das den Schulzwecken gewidmete Ver­ mögen einschließlich der zur Dotation der Schulstelle bestimmten Grundstücke, Gebäude, Kapitalien, Gerechtigkeiten, Nutzungsrechte und Forderungen unter Berücksichtigung der darauf haftenden Verbindlichkeiten durch Beschluß der Schulaufsichtsbehörde im Einver­ nehmen mit der kirchlichen Oberbehörde dem Schulverbande zur Verwendung für gleich­ artige Zwecke nach Maßgabe der Besümmungen dieses Gesetzes zu überweisen?9 Ist ein Einvernehmen nicht zu erzielen, so beschließt der Oberpräsident. Vor der Beschlußfassung der Schulaufsichtsbehörde oder des Oberpräsidenten sind die Kirchengemeinde und der Schul­ verband zu hören. Gegen den Beschluß steht sowohl der Kirchengemeinde als dem Schulverbande binnen sechs Monaten die Klage im ordentlichen Rechtswege zu. Die Vorschriften der §§25 und 26 finden sinngemäß Anwendung. § 28. Die selbständigen Schulstiftungen mit Einschluß der unter die Verwaltung Dritter, insbesondere kirchlicher Organe gestellten Stiftungen bleiben als solche bestehen; ihr Ver­ mögen und die sonstigen zu Schulzwecken besümmten Vermögensstücke, welche im Eigentum von Dritten, insbesondere kirchlichen Beteiligten stehen, bleiben ihren Zwecken erhalten. § 29. Unberührt bleiben die Rechte Dritter, insbesondere der Kirchengemeinden und sonstigen kirchlichen Beteiligten an den den Schulzwecken gewidmeten oder gleichzeitig Schulund kirchlichen Zwecken dienenden Vermögensstücken. Das gemeinschaftlich zu Schul- und anderen Zwecken dauernd gewidmete, den bisher Unterhaltungspflichtigen oder der Schule selbst mitgehörige Vermögen bleibt nach Maßgabe des bisherigen Verhältnisses ein gemeinschaftliches Vermögen. Als Teilnehmer daran treten an Stelle der bisher Unterhaltungspflichtigen oder der Schule selbst die Schulverbände. Insoweit für das gemeinschaftliche Vermögen eine Eintragung im Grundbuche besteht, findet der § 26 Abs. 2 mit der Maßgabe Anwendung, daß das Ersuchen der Schulaufsichts­ behörde auf Eintragung für beide Berechtigte zu richten ist. § 30. 1. Wo mit dem Volksschulamt ein kirchliches Amt dauernd vereinigt ist, tritt der 19 In der Praxis hat die Schulmatrikel eine viel weitergehende Bedeutung erlangt; sie soll nicht nur über das Vermögen, sondern überhaupt über die tatsächlichen und Rechtsverhältnisse der Schule und ihrer örtlichen Verfassung Aufschluß geben. Absolute Beweiskraft oder rechtsbegründende Bedeutung kommt ihr allerdings nicht zu. 20 Die Auseinandersetzung bei Trennung oder Beibehaltung der dauernden Vereinigung eines Kirchen- und Schulamtes regelt § 30 Abs. 6 u. 7. Reich elt, Berwaltungsgesehbuch.

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XL Abschn. Volksschulrecht.

Schulverband kraft des Gesetzes an die Stelle des bisherigen Trägers der Schullast; die Vor­ schriften des § 26 finden sinngemäß Anwendung. 2. Die Vermögensstücke, welche schon seither zugleich für Schul- und für kirchliche Zwecke bestimmt gewesen sind, bleiben diesen Zwecken erhalten. 3. Hinsichtlich der Leistungen der kirchlichen Beteiligten behält es bei den bestehenden Vor­ schriften über den Bau und die Unterhaltung der Gebäude und Nebenanlagen sein Bewenden. ^ 4. Die von den Kirchengemeinden und sonstigen kirchlichen Beteiligten für das vereinigte Amt nach Gesetz, Provinzial-, Bezirksrecht, Herkommen oder Ortsverfassung zu erfüllenden Verpflichtungen werden durch dieses Gesetz' nicht berührt. 5. Während der Dauer der Verbindung kann von den Beteiligten vereinbart werden, daß die Verpflichtung zum Bau und zur Unterhaltung der gemeinsamen Gebäude und Neben­ anlagen dem Schulverband obliegen soll gegen eine von den kirchlichen Beteiligten ihm zu zahlende feste Rente. Durch diese Vereinbarung werden die kirchlichen Rechte hinsichtlich der Benutzung der Gebäude und der Auseinandersetzung für den Fall einer Trennung nicht be­ rührt. Sie bedarf der Genehmigung durch die Schulaufsichtsbehörde und durch die kirchliche Oberbehörde. Wo hiernach der Schulverband die Verpflichtung zum Bau und zur Unter­ haltung der Gebäude übernommen hat, werden ihm die staatlichen Baubeiträge (§ 17) nach dem vollen Betrage dieser Kosten gewährt, soweit die ihm erwachsenden Mehrkosten nicht durch die kirchliche Rente gedeckt werden. 6. Bei der Trennung eines dauernd vereinigten Kirchen- und Schulamts22 beschließt über die Auseinandersetzung in Ansehung des Vermögens der Oberpräsident, sofern nicht zwischen dem Schulverband und der Kirchengemeinde unter Genehmigung der beiden Aufsichtsbehörden eine Vereinbarung zustande kommt. Gegen den Beschluß des Oberpräsidenten steht sowohl dem Schulverband als auch der Kirchengemeinde binnen sechs Monaten die Klage im ordent­ lichen Rechtswege zu. 7. Auch unter Beibehaltung der dauernden Vereinigung eines Kirchen- und Schulamts kann auf Antrag eines Beteiligten oder einer der Aufsichtsbehörden eine Auseinandersetzung über das Vermögen oder einzelne Vermögensstücke stattfinden. Diese Auseinandersetzung erfolgt nach den Bestimmungen des sechsten Absatzes. § 31. Soweit eine anderweite Ordnung der Verhältnisse der ganz oder teilweise Schulunterhaltungszwecken gewidmeten nichtstaatlichen Fonds, welche nicht unter § 28 fallen und nicht für eine besondere Schule bestimmt sind, durch dieses Gesetz erforderlich wird, erfolgt sie mit Rücksicht auf die bisherige Zweckbestimmung mit königlicher Genehmigung durch den Unterrichtsminister und den Finanzminister. Soweit an diesen Fonds kirchliche Rechte be­ stehen, ist vor Erwirkung der königlichen Genehmigung die kirchliche Oberbehörde zu hören. Die dem schlesischen Freikuxgelderfonds zustehenden Berechtigungen und die ihm gesetzlich obliegenden Aufgaben werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Soweit indes eine Änderung der Verwaltungsvorschriften infolge dieses Gesetzes erforderlich wird, erfolgt sie mit könig­ licher Genehmigung durch den Unterrichtsminister und den Handelsminister. § 32. Die bisher auf allgemeiner Rechtsnorm (Gesetz, Provinzialrecht, Orts- oder Schul­ verfassung, Gewohnheitsrecht oder Herkommen) beruhenden Verpflichtungen für die Zwecke der Volksschule kommen, soweit sie nicht durch dieses G. aufrechterhalten werden, in Fort­ fall. Dies gilt auch von den laufenden Verpflichtungen, welche die nach allgemeiner Rechts­ norm für Schulzwecke Verpflichteten mit Rücksicht auf diese Verpflichtung über das durch die Norm gegebene Maß hinaus freiwillig übernommen haben. Dagegen bleiben die auf besonderen Rechtstiteln23 beruhenden Verpflichtungen Dritter für die Zwecke der Volksschule bestehen. 21 G., betr. den Bau und die Unterhaltung der Schul- und Küsterhäuser, v. 21. Juli 1846 und Bg. wegen allgemeiner Separation der Küstereien an Filialkirchen v. 2. Mai 1811, abgedruckt nach­ stehend unter Nr. 2, Pommersche KirchenOg. von 1535/1563 (der Patron gibt Bauholz, aber keine baren Beiträge), Kurhess. Konsistorialausschreiben v. 28. Febr. 1766 u. er. 22 Wegen Abtrennung der niederen Küsterdienste s. die Ministerialerlasse nachstehend unter Nr. 2 c. 23 Als jolche können hier natürlich nur öffentlichrechtliche Titel in Betracht kommen, soweit sie

1. Bottsschulunterhaltungsgesetz.

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Soweit die Verpflichtungen des Fiskus nicht auf einem guts- oder grundherrlichen oder Domanialverhältnisse beruhen, gilt die Vermutung, daß sie auf.besonderen Titeln (Abs. 2) beruhen. Die bisherigen Leistungen des Fiskus aus § 45 der Schulordnung für die Provinz Preußen v. 11. Dez. 1845 werden fortgewährt. An Stelle der Lieferung des Brennbedarfs in Holz oder Torf tritt eine Geldrente, welche auf fünf Mark für den Raummeter weiches Klobenholz zu bemessen ist. Diese Geldrente ist sowohl auf Antrag des Verpflichteten als des Berechtigten mit sechsmonatiger Kündigung zum fünfundzwanzigfachen Betrag ablösbar. Nach Verlauf von je zehn Jahren hat der Provinzialrat der Provinz Ostpreußen die Geld­ rente erneut, aber mindestens auf fünf Mark für den Raummeter weiches Klobenholz fest­ zusetzen. 4. Abschnitt. Konfessionelle Verhältnisse. § 33. Die öffentlichen Volksschulen sind in der Regel so einzurichten, daß der Unterricht evangelischen Kindern durch evangelische Lehrkräfte, katholischen Kindern durch katholische Lehrkräfte erteilt nritb.24 • Wo in einem Schulverbande neben drei- oder mehrklassigen Schulen einklassige Schulen oder neben Schulen der im § 36 bezeichneten Art solche der in den §§ 35, 38 und 40 Abs. 1 bezeichneten Art bestehen, sollen Kinder, soweit es mit der Rücksicht auf die örtlichen Schul­ verhältnisse vereinbar ist, insbesondere soweit dadurch nicht der Bestand einer bereits vor­ handenen Schule gefährdet oder die Errichtung einer neuen Schule erforderlich wird, nicht ge gen den Willen der Eltern oder deren Stellvertreter der einen oder anderen Schulart zu­ gewiesen werden. § 84. Lediglich wegen des Religionsbekenntnisses darf keinem Kinde die Aufnahme in bve öffentliche Volksschule seines Wohnorts24 versagt werden. § 35. An Volksschulen, die mit einer Lehrkraft besetzt sind, ist stets eine evangelische oder eine katholische Lehrkraft anzustellen, je nachdem die angestellte Lehrkraft oder die zuletzt angestellt gewesene Lehrkraft evangelisch oder katholisch war.24 Statt der evangelischen Lehrkraft soll bei Erledigung der Stelle in der Regel eine katholische angestellt werden, wenn fünf Jahre nacheinander mindestens zwei Drittel der die Schule besuchenden einheimischen Kinder, ausschließlich der Gastschulkinder, katholisch gewesen sind und während dieser Zeit die Zahl der evangelischen Kinder weniger als zwanzig betragen hat. Unter den entsprechenden Voraussetzungen soll in der Regel statt einer katholischen Lehrkraft eine evangelische angestellt werden. Die Veränderung bedarf der Zustimmung des Unterrichtsministers. § 36. 1. An einer Volksschule, an der nach ihrer besonderen Verfassung bisher gleichzeitig evangelische und katholische Lehrkräfte anzustellen waren, behält es dabei auch in Zukunft sein Bewenden; in einem Schulverband, in dem lediglich Volksschulen der vorbezeichneten Art bestehen, können neue Volksschulen nur auf derselben Grundlage errichtet werden.24 Eine Änderung kann aus besonderen Gründen durch Beschluß des Schulverbandes mit Ge­ nehmigung der Schulaufsichtsbehörde herbeigeführt werden. ausdrücklich oder stillschweigend von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt sind und dadurch zu einer besonderen, den Gesetzen vorangehenden Grundlage der örtlichen Schulverfassung geworden sind, z. B. Rezesse. 24 Im BolkSschUG. ist daS konfessionelle Prinzip als regelmäßige Grundlage in den Vorder­ grund gestellt. Für konfessionelle Minderheiten soll nach § 37 tunlichst besonderer konfessioneller Religionsunterricht, und für erhebliche konfessionelle Minderheiten können nach §§ 36 Abs 9 und 39 auch konfessionelle Schulen eingerichtet werden. Daneben wird die sog. Simultanschule unter gewissen Voraussetzungen beibehalten und neu zugelassen (§ 36 Abs. 1 u. 4). — Wegen der Kinder aus gemischter Ehe und der Dissidentenkinder s. oben Anm. 8 zu 8 40 ALR. II, 11. 25 „Wohnorte ist weitergehend als „Wohnsitz" im Sinne des § 7 BGB. und kann auch durch stän­ digen Aufenthalt begründet werden (4. AusfAnw. A1). 26 Sog. Srmultanschulen ((. Anm. 24). Nach Abs. 4 desselben § 36 können Simultanschulen auch da, wo solche bisher nicht bestanden, unter den gesetzlichen Voraussetzungen und Bedingungen errichtet werden.

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XI. Abschn. Volksschulrecht.

2. Bestehen in einem Schulverbande neben Schulen der im Abs. 1 bezeichneten Art solche, an denen nur evangelische oder nur katholische Lehrkräfte anzustellen sind, so soll bei Er­ richtung neuer Schulen darauf geachtet werden, daß das bisherige Verhältnis der Beschulung der Kinder in Schulen der einen oder anderen Art möglichst beibehalten wird. 3. Die vorstehenden Vorschriften finden keine Anwendung aus die Schulen, bei welchen die Verschiedenheit in dem Bekenntnisse der Lehrkräfte lediglich dadurch herbeigeführt ist, daß für die Schulkinder des einen Bekenntnisses die Erteilung des Religionsunterrichts er­ möglicht werden sollte (§ 37 Abs. 3). 4. Schulen der im Abs. 1 bezeichneten Art können aus besonderen Gründen auch von anderen Schulverbänden mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde errichtet werden. Der Beschluß des Schulverbandes ist nebst der Genehmigungserklärung der Schulaufsichtsbehörde in ortsüblicher Weise bekanntzumachen. Binnen vier Wochen vom Tage der Bekanntmachung ab kann von Beteiligten das Vorhandensein besonderer Gründe durch Einspruch beim Kreisausschusse, sofern eine Stadt beteiligt ist, beim Bezirksausschüsse, bestritten werden. Gegen die Beschlüsse des Kreisausschusses oder des Bezirksausschusses ist die Beschwerde an den Provinzialrat zulässig. 5. Versagt die Schulaufsichtsbehörde die Genehmigung, weil sie besondere Gründe nickt als vorliegend erachtet, so steht den Schulverbänden die Bechwerde an den Provinzialrat zu. 6. Gegen den Beschluß des Provinzialrats findet die Klage im Verwaltungsstreilverfahren bei dem Oberverwaltungsgericht innerhalb vier Wochen statt. 7. Für die Stadt Berlin tritt an die Stelle des Bezirksausschusses (Abs. 4) die Schul­ aufsichtsbehörde. Gegen die Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde findet in den Fällen der Abs. 4 und 5 innerhalb vier Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren beim Ober­ verwaltungsgerichte statt. 8. In den Hohenzollernschen Landen entscheidet der Unterrichtsminister endgültig. 9. Beträgt in einer gemäß Abs. 4 errichteten Schule die Zahl der die Schule besuchenden einheimischen evangelischen oder katholischen Kinder mit Ausschluß der Gastschulkinder während fünf aufeinanderfolgender Jahre über 60, in den Städten, sowie in Landgemeinden von mehr als 5000 Einwohnern über 120, so ist, sofern die gesetzlichen Vertreter von mehr als 60 bzw. 120 dieser Kinder den Antrag bei der Schulaufsichtsbehörde stellen, für diese eine Beschulung in Schulen mit lediglich evangelischen oder lediglich katholischen Lehrkräften ein­ zurichten, falls im Schulverbande eine Schule der letzteren Art nicht bereits besteht, in welche die Kinder eingeschult werden sönnen.24 26 10. Bei den nach Abs. 9 gemäß dem G. v. 26. Mai 1887 (GS. 175) zu stellenden An­ forderungen darf von den Beschlußbehörden die Notwendigkeit der Beschulung in Schulen mit lediglich evangelischen oder lediglich katholischen Lehrkräften nicht mit Rüäsicht auf das Bedürfnis der Schule oder auf die Leistungsfähigkeit der Verpflichteten verneint werden. 11. An einer Schule der im Abs. 1 und Abs. 4 bezeichneten Art soll die Zusammensetzung des Lehrkörpers sich tunlichst dem Verhältnisse der die Schule besuchenden Kinder anschließen. § 37. Beträgt in einer öffentlichen Volksschule, die nur mit katholischen oder nur mit evangelischen Lehrkräften besetzt ist, die Zahl der einheimischen evangelischen oder katholischen Schulkinder dauernd mindestens zwölf, so ist tunlichst für diese ein besonderer Religions­ unterricht einzurichten. Bei den nach Abs. 1 gemäß dem G. v. 26. Mai 1887 zu stellenden Anforderungen darf von den Beschlußbehörden die Notwendigkeit des besonderen Religionsunterrichts nicht mit Rücksicht auf das Bedürfnis der Schule oder mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Ver­ pflichteten verneint werden. Wo eine anderweite Beschaffung dieses Unterrichts mit erheblichen Schwierigkeiten und Kosten verbunden ist, darf zum Zwecke seiner Erteilung eine evangelische oder katholische Lehrkraft angestellt werden, welche auch mit der Erteilung anderweiten Unterrichts zu be­ trauen ist.

1. Bottsschulunterhaltungsgesetz.

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§ 38. Im übrigen sind an öffentlichen Volksschulen, welche mit mehreren Lehrkräften besetzt sind, nur evangelische oder nur katholische Lehrkräfte anzustellen. Bei der Anstellung weiterer Lehrkräfte an den bisher nur mit einer Lehrkraft besetzten Schulen (§ 35) sind evan­ gelische oder katholische Lehrkräfte anzustellen, je nachdem die bisherige einzige Lehrkraft evangelisch oder katholisch war. Statt der Besetzung der Schulstellen mit evangelischen Lehrkräften soll bei mehrklassigen Volksschulen in der Regel eine Besetzung mit katholischen Lehrkräften herbeigeführt werden, wenn fünf Jahre nacheinander mindestens zwei Drittel der die Schule besuchenden ein­ heimischen Schulkinder, ausschließlich der Gastschulkinder, katholisch gewesen sind und während dieser Zeit die Zahl der evangelischen Kinder weniger als vierzig betragen hat. Unter den entsprechenden Voraussetzungen sollen in der Regel statt katholischer Lehrkräfte evangelische angestellt werden. Die Veränderung bedarf der Zustimmung des Unterrichtsministers. § 39. Beträgt in einem Schulverbande, welcher lediglich mit katholischen Lehrkräften besetzte öffentliche Volksschulen enthält, die Zahl der einheimischen schulpflichtigen evange­ lischen Kinder mit Ausschluß der Gastschulkinder während fünf aufeinanderfolgenden Jahre über 60, in den Städten, sowie in Landgemeinden von mehr als 5000 Einwohnern über 120, so ist, sofern seitens der gesetzlichen Vertreter von mehr als 60 bzw. 120 schulpflichtigen Kindern der genannten Art der Antrag bei der Schulaufsichtsbehörde gestellt wird, für diese eine Beschulung in Schulen mit lediglich evangelischen Lehrkräften einzurichten.28 Bei den nach Maßgabe des Abs. 1 auf Grund des G. v. 26. Mai 1887 zu stellenden An­ forderungen darf von den Beschlußbehörden die Notwendigkeit der Beschulung in Schulen mit lediglich evangelischen Lehrkräften mit Rücksicht auf das Bedürfnis der Schule oder auf die Leistungsfähigkeit der Verpflichteten nicht verneint werden. Die Vorschriften der Abs. 1 und 2 finden bezüglich der Beschulung der katholischen Kinder sinngemäß Anwendung, wenn in einem Schulverbande lediglich mit evangelischen Lehrkräften besetzte öffentliche Volksschulen vorhanden sind. Eine nach Maßgabe des § 37 Abs. 3 eingerichtete Volksschule ist im Sinne der vorstehenden Vorschriften den lediglich mit katholischen oder lediglich mit evangelischen Lehrkräften besetzten Volksschulen gleichzustellen. Bleibt die Zahl der Kinder einer konfessionellen Minderheit unter der im Abs. 1 festge­ setzten Mindestzahl, so darf für diese eine Beschulung in Schulen mit Lehrkräften ihrer Kon­ fession von der Schulaufsichtsbehörde nur aus besonderen Gründen angeordnet werden.2? § 40. Für die Errichtung, Unterhaltung und Verwaltung der für jüdische Kinder bestimm­ ten und mit jüdischen Lehrkräften zu besetzenden öffentlichen Volksschulen gelten bis auf weiteres die jetzt bestehenden Vorschriften mit der Maßgabe, daß der § 67 Nr. 3 des G. v. 23. Juli 1847 über die Verhältnisse der Juden (GS. 263)28 für den ganzen Umfang der 17 Z. B. im Interesse des konfessionellen Friedens. Die Aufbringung der Kosten muß sichergestellt sein. 88 G. v. 23. Juli 1847, § 63: Zur Unterhaltung der Ortsschulen haben die Juden in gleicher Weise wie die christlichen Ge­ meindeglieder den Gesetzen und bestehenden Verfassungen gemäß beizutragen. § 64.------------ Ist in einem Orte oder Schulbezirke eine an Zahl und Vermögensmittel hinreichende christliche und jüdische Bevölkerung vorhanden, so kann, wenn sonst im allgemeinen Schulinteresse Gründe dazu vorhanden sind, die Absonderung der Juden zu einem eigenen Schul verbände auf den Antrag des Vorstandes der Synagogengemeinde angeordnet werden. § 65. Die Regierung hat über die beabsichtigte Schultrennung die Kommunalbehörde des Orts und die übrigen Interessenten zu vernehmen. § 66. Ergibt sich hierbei ein allseitiges Einverständnis, so ist die Regierung befugt, die entsprechenden Festsetzungen und Einrichtungen unmittelbar zu treffen. Im Falle obwaltender Differenzen bleibt die Entscheidung dem Minister der geistlichen An­ gelegenheiten vorbehalten. § 67. Eine nach §§ 64 bis 66 errichtete jüdische Schule hat die Eigenschaften und Rechte einer öffentlichen Schule. Insbesondere gelten dabei folgende nähere Bestimmungen: 1. Die Unterrichtssprache in einer solchen Schule muß die deutsche sein. 2. Die Errichtung und Unterhaltung dieser Schule liegt in Ermangelung einer anderweitigen Vereinbarung den jüdischen Einwohnern des Schulbezirks allein ob.

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XI. Abschn.

Volks schulrech t.

Monarchie zur Anwendung gelangt. Die zur Unterhaltung solcher Schulen Verpflichteten gelten als Schulverbände im Sinne dieses Gesetzes. Werden die in den §§ 35 bis 39 erwähnten öffentlichen Volksschulen von jüdischen Kindern besucht, so finden bei Aufbringung der Kosten für die Erteilung von jüdischem Religionsunter­ richt und hinsichtlich de" Anstellung von jüdischen Lehrkräften an diesen Schulen zum Zwecke der Erteilung von jüdischem Religionsunterricht, sowie hinsichtlich der anderweiten Beschäfti­ gung der hierfür angestellten jüdischen Lehrkräfte an diesen Schulen bis auf weiteres die jetzt bestehenden Bestimmungen Anwendung. Beträgt in einer öffentlichen Bolksschule, die nur mit evangelischen oder nur mit katholischen oder nur mit evangelischen und katholischen Lehrkräften besetzt ist, die Zahl der einheimischen jüdischen Schulkinder dauernd mindestens zwölf und wird in einem solchen Falle der Religionsunterricht für diese durch von der Synagogengemeinde bestellte Lehrkräfte erteilt, so findet § 67 Nr. 3 des G. v. 23. Juli 1847 sinngemäß Anwendung. Für die Errichtung und Unterhaltung von öffentlichen Volksschulen, an welchen nach ihrer besonderen Verfassung, abgesehen von dem Falle des Abs. 2, christliche und jüdische Lehrer zugleich anzustellen sind, bewendet es bei dem bestehenden Rechte. Für die Provinz Hannover bewendet es bei dem G. v. 7. März 1868 (GS. 223) § 1 Nr. 3, betr. die Unterstützung des jüdischen Schulwesens der Provinz durch den Provinzial­ verband. § 41. Die Vorschriften der §§ 33 bis 40 beziehen sich nicht aus die lediglich für den tech­ nischen Unterricht (Zeichnen, Turnen, Handarbeit, Handfertigkeit, Hauswirtschaft) angestellten oder anzustellenden Lehrkräfte. § 42. In dem Gebiete des ehemaligen Herzogtums Nassau bewendet es bei den bisherigen Vorschriften. 5. Abschnitt. Verwaltung der Volksschulangelegenheiten und Lehreranstellung. 1. Stadlgemeinden. 8 43. Den Gemeindeorganen bleibt nach den Bestimmungen der Gemeindeverfassungsgesetze und dieses G. die Feststellung des Schulhaushalts, die Bewilligung der für die Schule erforderlichen Mittel, die Verwaltung des Schulvermögens, die vermögensrechtliche Ver­ tretung nach außen und die Anstellung der Beamten vorbehalten. Im übrigen wird für die Verwaltung der der Gemeinde zustehenden Angelegenheiten der Volksschule eine Stadtfchuldeputation^ gebildet, welche Organ des Gemeindevorstandes und als solches verpflichtet ist, seinen Anordnungen Folge zu leisten. Die Schuldeputation übt zugleich die nach dem G. v. 11. März 1872 (GS. 183) den Ge­ meinden und deren Organen vorbehaltene Teilnahme an der Schulaufsicht aus. Sie handelt dabei als Organ der Schulaufsichtsbehörde und ist verpflichtet, insoweit ihren Anordnungen Folge zu leisten. 8 44. I. Die Schuldeputation besteht aus: 1. einem bis drei Mitgliedern des Gemeindevorstandes (Beigeordneten, Schöffen usw.). 3. Wo die Unterhaltung der Ortsschulen eine Last der bürgerlichen Gemeinde ist, haben die Juden im Falle der Errichtung einer eigenen öffentlichen Schule eine Beihilfe aus KommunalMitteln zu fordern, deren Höhe, unter Berücksichtigung des Betrages der Kommunalabgaben der jüdischen Einwohner, der aus den Kommunalkassen für das Ortsschulwesen sonst gemachten Verwendungen und der Erleichterung, welche dem Kommunalschulwesen aus der Vereinigung der jüdischen Kinder in eine besondere jüdische Schule erwächst, zu bemessen, und in Ermangelung einer gütlichen Vereinbarung von den Ministern der geistlichen Angelegenheiten und des Innern festzusetzen ist. 4. Die Juden werden, wenn sie eine öffentliche jüdische Schule unterhalten, von allen un­ mittelbaren, persönlichen Leistungen zur Unterhaltung der ordentlichen Ortsschulen frei. 5. Der Besuch der öffentlichen jüdischen Schulen bleibt auf die jüdischen Kinder beschränkt. 29 3. AusfAnw. über die Stellung, Zuständigkeit und Zusammensetzung der Schuldeputation. In Landgemeinden mit mehr als 3000 Einw. kann gemäß § 47 Abs. 10 eine Schuldeputation eingesetzt werben.

1. Volksschulunterhaltungsgesetz.

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An Stelle eines Gemeindevorstandsmitglieds kann ein Stadtschulrat gewählt werden, auch wenn er nicht Mitglied des Gemeindevorstandes ist, 2. der gleichen Zahl von Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlung (Bürgervor­ steher usw.), sowie 3. mindestens der gleichen Zahl von des Erziehungs- und Volksschulwesens kundigen Männern, unter diesen mindestens einem Rektor (Hauptlehrer) oder Lehrer an einer Volksschule. Hierzu treten: 4. der dem Dienstrange nach vorgehende oder sonst der dem Dienstalter nach älteste Orts­ pfarrer der evangelischen Landeskirche und der katholischen Kirche. Statt des vorgenannten Pfarrers kann, falls hierüber ein Einverständnis zwischen der Schulaufsichtsbehörde und der kirchlichen Oberbehörde stattfindet, ein anderer Geistlicher in die Schuldeputation eintreten. Auf gleichem Wege ist für die Fälle der Verhinderung des geistlichen Mitglieds als dessen Vertreter ein anderer Geistlicher zu bestimmen. 5. Sofern sich in der Stadt mindestens 20 jüdische Volksschulkinder befinden, tritt außer­ dem der dem Dienstrange nach vorgehende oder sonst der dem Dienstalter nach älteste Ortsrabbiner ein. Die zuständigen Kreisschulinspektoren nehmen an den Sitzungen der Schuldeputationen als Kommissare der Schulaufiichtsbehörde teil und sind auf Verlangen jederzeit zu hören. Dem Gemeindevorstande bleibt es überlassen, den Stadtarzt und andere Gemeindebeamte zu den Sitzungen der Schuldeputation mit beratender Stimme abzuordnen. Den Stadtgemeinden bleibt es überlassen, durch Gemeindebeschluß mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde die Zahl der in Nr. 1 bis 4 bezeichneten Mitglieder abweichend festzusetzen. Wenn die Zahl der zu Nr. 3 bezeichneten Mitglieder auf vier oder mehr festgesetzt wird, so müssen darunter wenigstens zwei Rektoren oder Lehrer sein. In diesem Falle können an Stelle der Lehrer auch Lehrerinnen gewählt werden. Wählbar sind die Lehrerinnen, die an einer der Schuldeputation unterstellten Schule angestellt sind. II. Die Mitglieder aus dem Gemeindevorstande (Beigeordnete, Schöffen usw.) und aus ihrer Zahl der Vorsitzende werden vom Bürgermeister ernannt. Der Bürgermeister ist befugt, außerdem jederzeit selbst in die Schuldeputation einzutreten und den Vorsitz mit vollem Stimmrechte zu übernehmen. Die Mitglieder aus der Stadtverordnetenversammlung werden von dieser gewählt; die des Erziehungs- und Volksschulwesens kundigen Personen werden von den der Schuldepu­ tation angehörigen Mitgliedern des Gemeindevorstandes (Beigeordneten, Schöffen usw.) und der Stadtverordnetenversammlung (Bürgervorsteher usw.) gewählt. Die in I Nr. 2, 3 und 5 bezeichneten Mitglieder der Schuldeputation bedürfen der Be­ stätigung der Schulaufiichtsbehörde. Wird eine Person, welcher die Bestätigung versagt ist, wiedergewählt, so ist, falls die Stelle nicht unbesetzt bleiben kann und eine Ersatzwahl binnen einer zu bestimmenden Frist nicht er­ folgt, die Schulaufsichtsbehörde befugt, einen Ersatzmann zu ernennen. Die Wahlen erfolgen auf die Dauer von sechs Jahren. In betreff der Verpflichtung zur Übernahme der Stellen gelten die für unbesoldete Gemeindeämter bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Die Gewählten sind berechtigt, ihr Amt nach drei Jahren niederzulegen. Die Beschlüsse der Schuldeputation werden nach Stimmenmehrheit gefaßt; bei Stimmengleich­ heit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Die Beschlußfassung kann gültig nur erfolgen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder zugegen ist; wird die Schuldeputation zum zweitenmal zur Beratung über denselben Gegenstand zusammenberufen, so sind die erschienenen Mitglieder ohne Rücksicht auf ihre Anzahl beschlußfähig. Bei der zweiten Zu­ sammenberufung muß ans diese Bestimmung ausdrücklich hingewiesen werden. An Ver­ handlungen und Beschlüssen über Gegenstände, an welchen nnzelne Mitglieder persönlich interessiert find, dürfen diese nicht teilnehmen.

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XL Abschn. Volksschulrecht.

Die weiteren Bestimmungen über die Vornahme der Wahlen der in I Nr. 3 und I Abs. 4 bezeichneten Mitglieder und über die Geschäftsführung der Schuldeputation werden von dem Gemeindevorstande getroffen und unterliegen der Bestätigung der Schulaufsichtsbehörde. III. Ein Mitglied der Schuldeputation, das die Pflichten verletzt, die ihm als solchem obliegen, oder das sich durch sein Verhalten inner- oder außerhalb seiner Tätigkeit als Mitglich der Schuldeputation der Achtung, des Ansehens oder des Vertrauens, welche die Zu­ gehörigkeit zu einer Schuldeputation erfordert, unwürdig macht oder gemacht hat, kann, wenn es zu den in I Nr. 2 bis 5 bezeichneten Personen gehört, von der Zugehörigkeit zur Schuldeputation durch Verfügung der Schulaufsichtsbehörde ausgeschlossen werden. Gegen diese Verfügung steht dem Mitgliede binnen zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren beim Bezirksausschüsse zu. IV. Wo bisher zur Erledigung einzelner Geschäfte (Einschulung usw.) und für die be­ sonderen Geschäfte einzelner oder mehrerer Volksschulen besondere Kommissionen unter Leitung der Schuldeputation eingesetzt sind, kann es nach Beschluß der städtischen Behörden dabei sein Bewenden behalten. Auch können solche Kommissionen durch Gemeindebeschluß neugebildet werden. Auf den Ausschluß der Kommissionsmitglieder und der gemäß § 5 Abs. 6 bestellten Mitglieder finden die Bestimmungen unter III entsprechende Anwendung. § 45. Durch einen Gemeindebeschluß, welcher der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde bedarf, können als Organe der Schuldeputation für eine oder mehrere Volksschulen Schul­ kommissionen 29 a eingesetzt werden, welche die besonderen Interessen dieser Schulen wahrzunehmen, in Ausübung der Schulpflege die Verbindung zwischen Schule und Eltern zu fördern haben und berechtigt sind, Anträge an die Schuldeputation zu stellen, auch verpflichtet sind, deren Aufträge auszuführen. Die Schulkommissionen bestehen aus dem Bürgermeister oder einem vom Bürgermeister ernannten Magistratsmitgliede (Beigeordneten, Schöffen usw.) oder Kommissionsmitglied als Vorsitzenden, dem etwa vorhandenen Ortsschulinspektor, dem nach dem Dienstrange vorgehenden oder sonst dem Dienstältesten Ortspfarrer der evangelischen Landeskirche oder der katholischen Kirche oder, sofern für jede Schule eine Kommission eingesetzt ist, dem nach dem Dienstrange vorgehenden oder sonst dem Dienstältesten der Pfarrer, zu deren Pfarreien die Schulkinder gehören, ferner einem von der Schuldeputation zu ernennenden Rektor (Hauptlehrer) oder Lehrer (Lehrerin) der betreffenden Volksschule (Volksschulen), endlich mehreren Mitgliedern, die von der Schuldeputation aus der Zahl der zu den Schulen des betreffenden Schulbezirkes gewiesenen Einwohner gewählt werden. Für Schulen, die aus­ schließlich mit Lehrern einer Konfession besetzt sind, sind nur Einwohner derselben Konfession wählbar. Wegen Eintritts eines anderen Geistlichen finden die Vorschriften des § 44 I Nr. 4, betreffs des Ausschlusses von Mitgliedern die Bestimmungen des § 44 III entsprechende Anwendung. Wo derartige Organe unter oder neben einer Schuldeputation oder ohne eine solche schon bisher in Städten bestehen, in denen die Volksschullast den bürgerlichen Gemeinden obliegt, hat es dabei sein Bewenden, vorbehaltlich der anderweiten Ordnung ihrer Zusammensetzung und Zuständigkeit nach den in Abs. 1 und 2 gegebenen Vorschriften. Die Aufhebung einer Schulkommission darf nur aus erheblichen Gründen mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde erfolgen. Die näheren Anweisungen über die. Zuständigkeit und die Geschäftsführung der Schul­ kommissionen werden von dem Gemeindevorstande getroffen. Sie bedürfen der Genehmigitng der Schulaufsichtsbehörde. Kommt ein gültiger Gemeindcbeschluß im Falle des Abs. 3 nicht zustande oder erläßt der Gemeindevorstand nicht die Anweisung (Abs. 4), so beschließt die Schulaufsichtsbehörde über die Zusammensetzung, Zuständigkeit und Geschäftsführung der Schulkommissionen. 29 B 3. AusfAnw. Zifs. VI. Solche Schulkommissionen sind zulässig für Schulen der in §§ 35, 36 und 38 gedachten Art.

1. Bottsschulunterhaltungsgesetz.

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2. Landgemeinden und Gutsbezirke.

§ 46. Die Feststellung des Schulhaushalts, die Bewilligung der für die Schule erforder­ lichen Mittel, die Rechnungsentlastung und die vermögensrechüiche Vertretung nach außen erfolgt in Landgemeinden, welche einen eigenen Schulverband bilden, durch deren ver­ fassungsmäßige Organe30 nach Maßgabe der Landgemeindeordnungen, in Gutsbezirken, die einen eigenen Schulverband bilden, durch den Gutsvorsteher, im Falle des § 8 Abs. 2 durch eine zu diesem Zwecke zu bildende Gutsvertretung. Die näheren Vorschriften über die Zusammensetzung und Wahl der Gutsvertretung sind in dem gemäß § 8 Abs. 2 durch den Kreisausschuß zu erlassenden Statute zu treffen. Auf die Befugnisse, Beschlußfassung und Geschäftsführung der Gutsvertretung, sowie auf die Mit­ wirkung der Aufsichtsbehörden finden die in Landgemeinden für die Gemeindevertretung und Gemeindeverwaltung geltenden Vorschriften Anwendung. Der Gutsvorsteher hat der Gutsvertretung gegenüber die Befugnisse des Gemeindevorstehers. Die im § 35 Abs. 2 des ZnstG. dem Besitzer des Gutes gegebene Klage steht im Falle des § 8 Abs. 2 dem Gutsvorsteher zu. § 47. 1. In Landgemeinden, welche einen eigenen Schulverband bilden, ist für die Ver­ waltung^ der der Gemeinde zustehenden Angelegenheiten der Volksschulen ausschließlich der im § 46 Abs. 1 bezeichneten ein Schulvorstand einzusetzen. 2. Der Schulvorstand hat zugleich für die äußere Ordnung im Schulwesen zu sorgen und die Verbindung zwischen Schule und Elternhaus zu pflegen. Die näheren Anweisungen werden von der Schulauflichtsbehörde getroffen. 3. Der Schulvorstand besteht aus dem Gemeindevorsteher, in der Provinz Westfalen und in der Rheinprovinz außerdem dem Amtmann und Bürgermeister, einem von der Schul­ auflichtsbehörde bestimmten Lehrer der Schule und dem nach dem Dienstrange vorhergehenden oder sonst dem dienstältesten derjenigen Pfarrer der evangelischen Landeskirche und der katholischen Kirche, zu deren Pfarreien die Schulkinder gehören. Statt des genannten Pfarrers kann ein anderer Geistlicher eintreten, falls hierüber Einverständnis zwischen der Schulaufsichtsbehörde und der kirchlichen Oberbehörde besteht. Auf den Eintritt des Rabbiners finden die für die Schuldeputation gegebenen Vorschriften sinngemäß Anwendung. Umfaßt der Schul­ verband nur Schulen, die mit Lehrkräften ein und derselben Konfession besetzt sind, so gehört weder der Pfarrer der anderen Konfession noch der Rabbiner dem Schulvorstande an. 4. Endlich gehören zum Schulvorstande zwei bis sechs zu den Schulen des Schulverbandes gewiesene Gnwohner. Die Festsetzung der Zahl der Mitglieder erfolgt durch Beschluß der Gemeindeorgane. Die Wahl geschieht durch die Gemeindevertretung (Gemeindeversamm­ lung). 5. Die gewählten Mitglieder des Schulvorstandes, sowie der Rabbiner bedürfen der Bestätigung der Schulauflichtsbehörde. Die Schulauflichtsbehörde ist befugt, das Bestätigungs­ recht auf die ihr Nachgeordneten Organe zu übertragen. Der § 44 II Abs. 4 findet An­ wendung. 6. Betreffs des Ausschlusses von Mitgliedern des Schulvorstandes finden die Bestimmungen des § 44 III mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die Klage im Verwaltungs­ streitverfahren bei dem Kreisausschusse stattfindet. 7. Die Dauer der Ämter, die Verpflichtung zur Annahme der Wahlen, sowie die Beschluß­ fassung des Schulvorstandes richtet sich nach den Vorschriften des § 44 II Abs. 5, jedoch mit der Maßgabe, daß die gewählten Mitglieder zur Niederlegung ihres Amtes nach dreijähriger 80 Gemeindevertretung oder Gemeindeversammlung. Über das Verhältnis zum Schulvorstande in Eigenschulverbänden s. Anm. 31. 81 Der Schulvorstand in Eigenschulverbänden ist ein verwaltendes Gemeindeorgan, nicht aber Organ des Gemeindevorstehers (3. AusfAnw. B). Hinsichtlich der Vermögensverwaltung stehen der Gemeindevertretung nur die in § 46 Abs. 1 genannten Befugnisse zu, insbesondere die Bewilligung der erforderlichen Mittel, nicht aber die laufende Verwaltung des Schulvermögens und die Verwendung der bewilligten Mittel innerhalb des Haushaltsetats; beides steht vielmehr dem Schulvorstande allein zu.

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XI. Abschn.

Volksschulrecht.

Amtsführung nur bei dem Vorhandensein eines der Entschuldigungsgrunde berechtigt sind, welche im § 65 Abs. 2 der Landgemeindeordnung v. 3. Juli 1891 (W2. 233) aufgeführt sind. 8. Ter Vorsitzende des Schulvorstandes wird von der Schulaufsichtsbehörde in der Regel aus der Zahl der Mitglieder des Schulvorstandes bestimmt.32 Eine Teilung des Vorsitzes nach Geschäftszweigen ist zulässig. 9. Ter Ortsschulinspektor ist, soweit er nicht Mitglied ist, berechtigt, an den Sitzungen des Schulvorstandes teilzunehmen und muß zu diesen eingeladen werden. Er ist auf Verlangen jederzeit zu hören. 10. In Landgemeinden mit mehr als 10000 Einwohnern kann auf Beschluß der Gemeinde­ organe eine Schuldeputation eingesetzt werden, auf deren Zusammensetzung und Zuständigkeit die §§ 43 bis 45 sinngemäß Anwendung finden. In gleicher Weise können in Landgemeinden mit mehr als 3000 Einwohnern Schuldeputationen, jedoch nur mit Genehmigung der Schul­ aufsichtsbehörde, eingerichtet werden. 11. In Gutsbezirken, die einen eigenen Schulverband bilden, ist im Falle des § 8 Abs. 2 ein Schulvorstand zu bilden, auf dessen Befugnisse und Zusammensetzung die Vorschriften der Abs. 1 bis 9 mit der Maßgabe Anwendung finden, daß die Zahl der Mitglieder in dem Statute festgesetzt wird und daß die Wahl durch die Gutsvertretung erfolgt. 12. In Gutsbezirken der im § 8 Abs. 1 bezeichneten Art bestimmt der Gutsvorsteher die Zahl der aus den Einwohnern des Schulverbandes zu entnehmenden Mitglieder und ernennt sie. Die ernannten Mitglieder bedürfen der Bestätigung der Schulaufsichtsbehörde. Im übrigen finden die Bestimmungen der Abs. 2 bis 9 Anwendung. § 48. In Landgemeinden (Gutsbezirken), welche neben lediglich mit evangelischen Lehr­ kräften besetzten Schulen solche mit nur katholischen Lehrkräften besetzte oder neben der einen oder anderen Art Schulen der im § 36 Abs. 1 erwähnten Gattung unterhalten, ist unter Be­ stätigung der Schulaufsichtsbehörde zur Wahrnehmung der im § 47 Abs. 2 bezeichneten Ge­ schäfte für jede einzelne Schule oder für mehrere Schulen derselben Art als Organ des SchulVorstandes eine besondere Schulkommission einzusetzen, auf welche die Vorschriften des § 47 Abs. 3 bis 9 sinngemäß Anwendung finden. 3. Gesamtschulverbände.

§ 49. Die Verwaltung der im § 43 Abs. 1 und 2 und § 47 Abs. 2 bezeichneten Angelegen­ heiten erfolgt in Gesamtschulverbänden durch den Schulvorstand und den Verbandsvorsteher. Letzterer ist die ausführende Behörde. § 50. 1. Ter Schulvorstand besteht aus Vertretern der zum Schulverbande gehörigen Gemeinden und Gutsbezirke. Jede Gemeinde und jeder Gutsbezirk sind wenigstens durch einen Abgeordneten zu vertreten. Die Gesamtzahl der Vertreter muß mindestens drei betragen. 2. Das Verhältnis, in welchem die zum Schulverbande gehörigen Gemeinden und Guts­ bezirke im Schulvorstande zu vertreten sind, und das den Vertretern beizulegende Stimm­ recht bemißt sich nach dem Gesamtbeträge der von den Gemeinden und Gutsbezirkcn für die Verbindlichkeiten des Schulverbandes zu entrichtenden Abgaben. Mit dieser Maßgabe beschließt über die Zahl der Vertreter, das ihnen beizulegende Stimmrecht und ihre Ver­ teilung auf die (Gemeinden und Gutsbezirke mangels einer Einigung der Beteiligten für einen Zeitraum von je fünf Jahren der Kreisausschuß, sofern eine Stadt beteiligt ist, der Bezirksausschuß. Verschieben sich in der Zwischenzeit die für die Verteilung maßgebenden 32 Die Bestellung des Vorsitzenden kann widerruflich oder für die Dauer seiner Mitgliedschaft im Schulvorstande erfolgen. Gefolgt sie mit Rücksicht auf ein von ihm verwaltetes anderes Amt, z. B. des Geistlichen als Ortsschulinspektors, so ist sie auf die Dauer dieses Amtes zu beschränken. Das gleiche gilt für die Ernennung des Verbandsvorstehers und des kommissarischen Verbandsvor­ stehers in Gesamtschulverbänden (§ 51) sowie für die Ernennung der Stellvertreter (MErl. v. 26. März 1908, ZentrBl. Unterr. 521).

1. Bolksschulunterhaltungsgesetz.

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Berhältnisziffern in erheblichem Umfange, so ist der Beschluß des Kreisausschusses (Bezirks­ ausschusses) von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten auch vor Ablauf der fünf Jahre erneut zu prüfen. 3. Die Vertretung der Landgemeinden erfolgt durch den Gemeindevorsteher oder seinen Stellvertreter und durch andere von der Gemeindevertretung (Gemeindeversammlung) aus den zum Schulbezirke des Verbandes gehörigen Einwohnern zu wählende Abgeordnete. Die Vertretung der Stadtgemeinden erfolgt durch den Bürgermeister oder den Beigeordneten (zweiten Bürgermeister) oder ein sonstiges Magistratsmitglied und durch andere von der Stadtverordnetenversammlung gleicherweise zu wählende Abgeordnete. Wählbar sind nur die zur Übernahme des Amtes als Gemeindeverordnete (Gemeindeausschußmitglieder, Stadtverordnete) befähigten Personen.33 4 Die dem Gutsbezirke zustehenden Stimmen werden vom Gutsbesitzer oder dessen Be­ auftragten geführt. Der Gutsbesitzer kann auch eine der ihm zustehenden Stimmenzahl entsprechende Anzahl von Vertretern ernennen. Im Falle des § 8 Abs. 2 ist über die Führung der dem Gutsbezirke zustehenden Stimmen in dem vom Kreisausschusse zu erlassenden Statute mit der Maßgabe Bestimmung zu treffen, daß das Stimmrecht tunlichst der Beitragspflicht angepaßt wird. 5. Abweichungen von den vorstehenden Bestimmungen können auf Antrag eines Be­ teiligten (Gemeinde, Gutsbezirk) durch den K^reisausschuß, sofern eine Stadt beteiligt ist, durch den Bezirksausschuß festgesetzt werden. Die Festsetzung unterliegt der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde. 6. Auf den Eintritt der Geistlichen, Rabbiner und Lehrer finden die Vorschriften des § 47 Abs. 3 sinngemäß Anwendung. 7. Die gewählten und die vom Gutsbesitzer ernannten Mitglieder des Schulvorstandes, sowie der Rabbiner bedürfen der Bestätigung der Schulaufiichtsbehörde. Die Schulaufiichtsbehörde ist befugt, das Bestätigungsrecht auf die ihr Nachgeordneten Organe zu übertragen. Der § 44 II Abs. 4 findet Anwendung. 8. Betreffs des Ausschlusses von Mitgliedern des Schulvorstandes finden die Bestimmungen des § 47 Abs. 6 Anwendung. 9. Besteht ein Verband lediglich aus Gutsbezirken, welche demselben Gutsbesitzer gehören, und in denen eine Unterverteilung nach § 8 Abs. 2 nicht stattfindet, so steht die Verwaltung der im §43 Abs. 1 und 2 bezeichneten Angelegenheiten dem Gutsvorsteher zu und, falls mehrere Gutsvorsteher beteiligt sind, dem vom Kreisallsschusse hierfür bezeichneten. Auf die Bildung und Zuständigkeit des Schulvorstandes finden die Bestimmungen in § 47 letzter Absatz sinngemäß Anwendung. § öl. Der Verbandsvorsteher, sowie ein Stellvertreter für ihn werden von der Schulaufsichtsbehörde aus der Zahl der Mitglieder des Schulvorstandes ernannt.33 Ist keine ge­ eignete Persönlichkeit im Schulvorstande vorhanden, so wird von der Schulaufiichtsbehörde eine andere Persönlichkeit kommissarisch mit den Geschäften des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters betraut. Der kommissarische Vorsitzende hat in den Angelegenheiten der Feststellung des Schulhaushalts, der Bewilligung der für die Schule erforderlichen Mittel und der Rechnungsentlastung kein Stimmrecht. Der Ortsschulinspektor ist, soweit er nicht Mitglied ist, befugt, an den Sitzungen des Schul­ vorstandes teilzunehmen und muß zu diesen zugezogen toetben.34 In der Provinz Westfalen versieht der Amtmann, in der Rheinprovinz der Bürgermeister das Amt des Verbandsvorstehers für die in seinem Amte beziehungsweise seiner Bürger­ meisterei bestehenden Gesamtschulverbände. Erstreckt sich ein Schulverband über mehrere 33 Vgl. z. B. § 53 öLGO. und § 17 öStOg. Geistliche und Bolksschullehrer sind also nicht wählbar. Auch wenn der Geistliche zum Verbandsvorsteher ernannt ist, steht ihm nur das beschränkte Stimmrecht gemäß § 53 Abs. 2 letzter Satz zu, unbeschadet des besonderen Anordnungsrechtes im Falle der Beschlußunfähigkeit nach § 53 Abs. 2 Satz 4 (MErl. v. 30. Dez. 1907, ZentrBl. Unten. 1908, S. 376). 34 aber nur mit beratender Stimme.

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XL Abschn. Volksschulrecht.

Ämter oder Bürgermeistereien, so bestimmt der Landrat, sofern eine Stabt beteiligt ist, der Regierungspräsident den zuständigen Amtmann oder Bürgermeister. § 52. Die Wahlen erfolgen aus die Dauer von sechs Jahren. In betreff der Verpflichtung zur Übernahme der Stellen gelten die für unbesoldete (Gemeindeämter bestehenden Borf(bristen. Tie Gewählten sind berechtigt, nach drei Jahren unter den im § 47 Abs. 7 erwähnten Voraussetzungen ihr Amt niederzulegen. Der Verbandsvorsteher und sein Stellvertreter werden vor ihrem Amtsantritte von dem Landrat oder in seinem Austrage vereidigt. Der ernannte Verbandsvorsteher hat den Ersatz seiner baren Auslagen und die Gewährung einer mit seiner amtlichen Mühewaltung in angemessenem Verhältnisse stehenden Entschädi­ gung zu beanspruchen.^ Ihre Ausbringung liegt dem Verbände ob. Über die Festsetzung der baren Auslagen und der Entschädigung des Verbandsvorstehers und des kommissarischen Vorstehers beschließt der Kreisausschuß, sofern eine Stadt beteiligt ist, der Bezirksausschuß, auf Antrag der Beteiligten. Bezüglich der Dienstvergehen der Verbandsvorsteher und der sonstigen Beamten des Ge­ samtschulverbandes finden die für die Dienstvergehen der Gemeindevorsteher, Bürgermeister usw. geltenden Bestimmungen Anwendung. § 53. Der Verbandsvorsteher bereitet die Beschlüsse des Schulvorstandes vor, beruft ihn, führt den Vorsitz in den Versammlungen und bringt die Beschlüsse zur Ausführung. Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit bei Anwesenheit von mindestens drei Mit­ gliedern gefaßt. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Kommt eine beschlußfähige Versammlung nicht zustande, so ist eine zweite Sitzung anzube­ raumen. Ist auch diese beschlußunfähig, so hat der Verbandsvorsteher allein hinsichtlich der auf der Tagesordnung stehenden Gegenstände Anordnung zu treffen. An Verhandlungen und Beschlüssen, an welchen einzelne Mitglieder persönlich interessiert sind, dürfen diese nicht teilnehmen. Bei Beschlüssen über Angelegenheiten, betreffend die Feststellung des Schulhaushalts, die Bewilligung der für die Schulen erforderlichen Mittel und die Rech­ nungsentlastung haben die im § 47 Abs. 3 bezeichneten Lehrer und Geistlichen kein Stimmrecht. Beschlüsse des Schulvorstandes, welche seine Befugnisse überschreiten oder die Gesetze, das Gemeinwohl oder das Interesse des Verbandes^ verletzen, hat der Verbandsvorsteher — enistehendenfalls auf Anweisung der Schulaufsichtsbehörde — zu beanstanden. Gegen die beanstandende Verfügung steht dem Schulvorstande die Klage im Verwaltungsstreitversahren beim Bezirksausschüsse binnen zwei Wochen zu. Der Verbandsvorsteher vertritt den Schulverband nach außen. Urkunden, welche den Schulverband verpflichten, sind von dem Verbandsvorsteher oder seinem Stellvertreter und einem Mitgliede des Schulvorstandes zu vollziehen. § 54. Der Verbandsvorsteher hat die Leistungen für den Verband und die Schule nach den Gesetzen und den Beschlüssen des Schulvorstandes aus die Gemeinden (Gutsbezirke) und Dritte, nach öffentlichem Rechte Verpflichtete zu verteilen und wegen ihrer Einziehung und Abführung die erforderlichen Anordnungen zu treffen. Gegen- die Veranlagung steht den Beteiligten binnen vier Wochen der Einspruch zu. Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend 1. die Verpflichtung der Zahlung von Fremdenschulgeld (§ 6), 2. die Heranziehung der einzelnen Gemeinden und Gutsbezirke, sowie nach öffentlichem Rechte verpflichteter Dritter zu den Leistungen für den Verband und die Schule, beschließt der Verbandsvorsteher. 38 nicht dagegen der Vorsitzende des Schulvorstandes in Eigenschulverbänden (MErl. v. 6. Jan. 1910, ZentrBl. Unterr. 305). 36 Das Beanstandungsrecht des Verbandsvorstehers und demgemäß das Anweisungsrecht der Aufsichtsbehörde geht also weiter, als das des Bürgermeisters und des Gemeindevorstehers nach §§ 15 und 29 ZustG. (§ 140 öLGO.).

1. Bottsschulunterhaltungsgesetz.

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Gegen den Beschluß findet binnen zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt.37 Zuständig ist in erster Instanz der Kreisausschuß, sofern eine Stadt beteiligt ist, der Bezirks­ ausschuß. Beschwerden und Einsprüche haben keine aufschiebende Wirkung. Der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren unterliegen desgleichen Streitigkeiten -wischen Beteiligten über ihre in dem öffenüichen Rechte begründeten Verpflichtungen zu Leistungen für den Verband und für die Schule. Der § 48 des Zuständigkeitsgesetzes findet auf Gesamtschulverbände Anwendung. Sofern eine Stadt beteiligt ist, ist nach den für Stadtschulen geltenden Vorschriften zu ver­ fahren. § 55, In Gesamtschulverbänden, welche neben lediglich mit evangelischen Lehrkräften besetzten Schulen solche mit nur katholischen Lehrkräften besetzte oder neben der einen oder anderen Art Schulen der im § 36 Abs. 1 erwähnten Gattung unterhalten, ist zur Wahrnehmung der im § 47 Abs. 2 bezeichneten Geschäfte für jede einzelne Schule oder für mehrere Schulen derselben Art als Organ des Schulvorstandes eine besondere Schulkommission einzusetzen, auf die die Vorschriften des § 47 Abs. 3 bis 9 sinngemäß Anwendung finden. § 66, Aus Gemeinden und Gutsbezirken oder Teilen von solchen bestehende kommunale nachbarliche Verbände, welche anderen Zwecken dienen (Amtsverbände in Westfalen, Bürger­ meistereien in der Rheinprovinz usw.), können auf ihren Antrag, sofern sie nach ihrer Ver­ fassung einen Vorsteher und eine Verbandsvertretung (Ausschuß usw.) haben, von der Schul­ aufsichtsbehörde im Einvernehmen mit dem Regierungspräsidenten zu Gesamtschulverbänden erklärt werden. Auf diese finden in bezug auf die Verwaltung der Volksschulangelegenheiten und die Aufbringung der hierzu erforderlichen Mittel die für Gesamtschulverbände gegebenen Vorschriften Anwendung, soweit nicht ihre Verfassung anderweit geordnet ist. § 57. Auf die Einrichtung von Schuldeputattonen finden die Besttmmungen des § 47 Abs. 10 sinngemäß Anwendung. Gehört dem Gesamtschulverband eine Stadt an, so ist stets eine Schuldeputatton einzurichten. 4. Gemeinsame Bestimmungen (Lehrerberufung). § 58. Bis zum Erlasse eines allgemeinen Gesetzes über die Lehreranstellung finden die folgenden Vorschriften (§§ 58 bis 62) Anwendung. Die Rektoren, Hauptlehrer, Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen werden von der Schulaufiichtsbehörde unter der durch dieses Gesetz geordneten Beteiligung der Schulverbände aus der Zahl der Befähigten angestellt.33 § 59. Die Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen werden von der Ge­ meindebehörde aus der Zahl der Befähigten innerhalb einer von der Schillaufsichtsbehörde zu besttmmenden Frist gewählt; jedoch erfolgt in Schulverbänden mit fünfundzwanzig oder weniger Schulstellen die Wahl aus drei von der Schulaufsichtsbehörde als befähigt Be­ zeichneten. Das Wahlrecht wird ausgeübt: 1. in Gemeinden, die einen eigenen Schulverband bilden, durch den Gemeindevorstand nach Anhörung der Schuldcputatton oder des Schulvorstandes und der etwa vorhandenen Schulkommission, beim Vorhandensein mehrerer Schulkommissionen derjenigen, für deren Schule die Anstellung zunächst erfolgen soll. In den Orten, wo ein kollegialer Gemeindevorstand nicht besteht, wird das Wahlrecht durch die Schuldeputatton (Schul­ vorstand) ausgeübt; 2. in solchen Gutsbezirken und Gesamtschulverbänden, auf welche die Besttmmungen der 37 Das Verfahren entspricht dem nach §§ 69 ff. KAbgG. Vgl. auch § 46 ZustG. und Sinnt. 13 dazu, oben S. 97. 38 4. AusfAnw. B. Trotz des Wahlrechts der Gemeindebehörde (§ 59) wird die Berufung erst durch Bestättgung und Anstellung durch die Schulaufsichtsbehörde (§ 59 Abs. 3) perfekt.

XI. Abschn.

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Volksschulrecht.

§§ 8 Abi. 1 und 50 Abs. 9 zutreffen, durch den Gutsbesitzer nach Anhörung des Schul»

Vorstandes; 3. in den übrigen Schulverbänden durch den Schulvorstand (Schuldeputation, § 57). Tie Gewählten bedürfen der Bestätigung33 durch die Schulaufsichtsbehörde und werden von ihr unter Ausfertigung der Ernennungsurkunde für den Schulverband39 angestellt. Tie Bestätigung darf nur aus erheblichen Gründen versagt rocrbcn.40 Versagt die Schulaufsichtsbehörde die Bestätigung, so fordert sie unter Mitteilung hiervon zu einer anderweiten Wahl binnen einer von ihr zu bestimmenden Frist auf. Tas Wahlrecht erlischt für den betreffenden Fall, wenn die Fristen nicht innegehalten werden oder wenn die Schulaufsichtsbehörde zum zweitenmal die Bestätigung des Gewählten versagt. Die Anstellung erfolgt in diesem Falle unmittelbar durch die Schulaussichtsbehörde für den Schulverband. § 60. In "Stellen, deren Inhabern ßeitimg§befitgnt)fe41 zustehen (Rektoren, Hauptlehrern usw.), sind solche Lehrer zu berufen, welche den besonderen, auf Gesetz oder rechtsgültigen Berwaltungsanordnungen beruhenden Voraussetzungen entsprechen. Hierbei hat eine angemessene Berücksichtigung auch der im Schuldienst außerhalb des Schulverbandes angestellten und bewährten Lehrpersonen, insbesondere von Hauptlehrern und Präparandenlehrern zu erfolgen. Tie Besetzung dieser Stellen erfolgt durch die Schulaufsichtsbehörde nach Anhörung der im § 59 Abs. 2 bezeichneten Organe. § 61. In den einen eigenen Schulverband bildenden Gemeinden, in welchen bisher die bürgerliche Gemeinde Trägerin der Schullast gewesen ist und die Gemeindeorgane ein Recht auf weitergehende Mitwirkung bei der Berufung der Lehrkräfte besessen oder eine solche weiter­ gehende Mitwirkung bei der Berufung ausgeübt haben, bewendet es hierbei.43 Dasselbe findet in den einen eigenen Schulverband bildenden und unter § 8 Abs. 1 fallenden Guts­ bezirken sowie in den unter die Bestimmungen des § 50 Abs. 9 fallenden Gesamtschulverbänden hinsichtlich des bisher dem Gutsherrn zustehenden Rechtes aus weitergehende Mitwirkung bei der Berufung von Lehrkräften mit der Maßgabe statt, daß dieses Recht durch den Guts­ besitzer ausgeübt wird; ebenso in den nach § 24 aufgehobenen Schulgemeinden (Sozietäten), die ein Recht auf weitergehende Mitwirkung bei der Berufung der Lehrkräfte besessen oder eine solche Mitwirkung ausgeübt haben, und in den Gesamtschulverbänden, denen eine solche bürgerliche Gemeinde angehört. In den beiden letzteren Fällen geht das Mitwirkungsrecht auf den nach diesem G. gebildeten Schulverband mit der Maßgabe über, daß es durch die im § 59 Abs. 2 bezeichneten Organe ausgeübt wird. Diese Vorschriften finden keine Anwendung, wenn die weitergehende Mitwirkung bei der Berufung der Lehrkräfte von der Schulaufsichts­ behörde nur unter Vorbehalt zugelassen worden ist, oder wenn gegen sie innerhalb der Zeit vom 1. Januar 1900 bis zum 1. Januar 1905 von der Schulaufsichtsbehörde Widerspruch erhoben worden ist. Darüber, ob die Voraussetzungen von Abs. 1 Satz 1 vorliegen, beschließt die Schulaufsichts­ behörde. Gegen deren Beschluß steht den Beteiligten binnen drei Monaten bei dem Kreis­ ausschuß, sofern eine Stadt beteiligt ist, bei dem Bezirksausschüsse die Klage im Berwaltungsstreitverfahren zu. Hinsichtlich der Bestätigung, der Ausfertigung der Ernennungsurkunde und der Anstellung finden die Bestimmungen des § 59 Abs. 3 bis 5 sinngemäß Anwendung. § 62. Die Ausübung des Wahlrechts, des Berufungs-(Vorschlags- usw.) Rechts oder die Anhörung (§§ 59, 60 und 61) findet nicht statt, wenn die Besetzung der Stelle durch Ver­ setzung im Interesse des Dienstes (§ 87 Nr. 1 des G. v. 21. Juli 1852, GS. 465) erfolgt.43 39 D. h. nicht für die einzelne Stelle eines größeren Schulverbandes, so daß der Lehrer gegen seinen Willen auf eine andere Stelle desselben Schulverbandes versetzt werden kann. 40 Eine Angabe der Gründe ist nicht erforderlich, so daß die Versagung ev. nur der Nachprüfung im Aufsichtswege unterliegt. Ganz unbeschränkt ist die Schulaufsichtsbehörde in den Fällen des £ 00. 41 Vgl. § 24 LehrerbesG. — 42 4. AusfAnw. B 4. 43 Die Volksschullehrer werden in der 4. AusfAnw. B 5 mittelbare Staatsbeamten genannt,

1. Bolksschulunterhaltungsgesetz.

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Ten ohne Mitwirkung des Berechtigten angestellten Lehrkräften wird eine Vergütung für Umzugskosten aus der Staatskasse gewährt." Die näheren Bestimmungen über die Höhe der Vergütung werden durch ein von dem Unterrichtsminister in Gemeinschaft mit dem Finanzminister zu erlassendes Regulativ getroffen. Wo mit dem Schulamt ein kirchliches Amt vereinigt ist, wird an dem bestehenden Rechte hinsichtlich der Berufung zu dem kirchlichen Amte nichts geändert." Das Verfahren bei der Verwendung nicht voll oder auftragsweise beschäftigter Lehr­ kräfte wird durch ein vom Unterrichtsminister zu erlassendes Regulativ georbnet.46 6. Abschnitt. Schluß- und llbergangsvorschriften. 8 63. Alle diesem Gesetze entgegenstehenden Besümmungen treten außer Kraft.---------8 64. Die fortdauernde Geltung der Vorschriften des G. v. 6. Juli 1885 (GS. 298), des G. v. 14. Juni 1888/31. März 1889, betr. die Erleichterung der Volksschullasten (GS. 240/64), des G. v. 27. Juni 1890, betr. die Fürsorge für die Waisen der Lehrer (GS. 211), des G. v. 23. Juli 1893, betr. Ruhegehaltskassen für die Lehrer und Lehrerinnen (GS. 194), des G. v. 4. Dez. 1899, betr. die Fürsorge für die Witwen und Waisen der Lehrer (GS. 587), wird durch dieses G. nur insoweit berührt, als an die Stelle der bisher zur Aufbringung des Diensteinkommens, des Ruhegehalts, des Witwen- und Waisengeldes, der Beiträge zu den Alterszulagekassen, Ruhegehaltskassen, Witwen- und Waisenkassen usw. verpflichteten Schulverbände, Schulsozietäten, Gemeinden und Gutsbezirke die nach diesem G. gebildeten Schulverbände treten. § 65. Soweit in diesem G. nichts anderes bestimmt ist, bleiben die der Schulaufsichts­ behörde und den Schulverbänden nach dem bisherigen Rechte zustehenden Befugnisse un­ berührt.4^ Die Aufhebung öffentlicher Volksschulen bedarf der Genehmigung des Unterrichtsministers oder erfolgt auf seine Anordnung. § 66. Soweit den bestehenden Schuldeputattonen und Schulvorständen außerhalb des Gebiets des öffentlichen Volksschulwesens bisher auf Grund von Beschlüssen der Schulver­ bände die Verwaltung anderweiter Schulangelegenheiten zugestanden Ijat,48 können solche durch Beschluß der Schulverbände auch den aus Grund dieses G. gebildeten Schuldeputationen und Schulvorständen übertragen werden. Soweit den bestehenden Schuldeputationen und Schulvorständen außerhalb des Gebiets des öffentlichen Volksschulwesens bisher auf Grund der G. oder der Anordnungen der Staats­ behörden Schulaufsichtsbefugnisse zugestanden haben, ist die Schulaufsichtsbehörde berechtigt, diese fortan selbst auszuüben oder aus die ihr Nachgeordneten Organe oder bis zur anderweiten gesetzlichen Regelung den nach diesem G. gebildeten Schuldeputationen und Schul­ vorständen ganz oder teilweise zu übertragen. § 68. Der § 18 des Hannoverschen G. v. 26. Mai 1845 (Hann. GS. I, S. 465) und der § 42 der Lauenburgischen Landschulordnung v. 10. Okt. 1868 (Off. Wochenbl. S. 441) werden aufgehoben. so baß sie deren allgemeinen Rechtsverhältnissen unterworfen sind. In disziplinarrechtlicher Hinsicht werden sie jedoch wie unmittelbare Staatsbeamten behandelt, mit der Einschränkung, daß Strafversetzung (§ 16 Nr. 1 DiszG. v. 21. Juli 1852) gegen sie nicht verhängt werden kann, außer in Posen und Westpreußen nach G. v. 15. Juli 1886 (GS. 185). 44 Diese Bestimmung bezieht sich nur auf angestellte, nicht auch auf auftragsweise und nicht voll beschäftigte Lehrkräfte (Abs. 4). Der Schulverband, aus welchem der Lehrer im Interesse des Dienstes versetzt wird, darf nicht in Anspnlch genommen werden. — Eine „Mitwirkung" des Schulverbandes liegt auch dann nicht vor, wenn er auf seine Mitwirkung ausdrücklich verzichtet oder eine Erklärung nicht abgibt, MErl. v. 28. April 1908 (ZentrBl. Unterr. 618). 45 Insbesondere bleiben die Rechte des Kirchenpatrons unberührt. 46 Regul. v. 4. April 1908 (ZentrBl. Unterr. 528). 47 Die Grundlage für die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörde bilden die RegJnstr. v. 23. Cft. 1817 (im Auszuge oben S. 50) und das SchulaufsichtG. v. 11. März 1872 (GS. 183). 48 z. B. die Verwaltung mittlerer Schulen und die Aufsicht über Privatschulen.

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XI. Abschn. Volksschulrecht.

§ 69. Dieses 0). findet keine Anwendung auf Garnisonschulen, sowie ans Schulen, welche mit Anstalten verbunden sind, die anderen Zwecken als denen der öffentlichen Volksschule dienen," und solche Schulen, die seitens des Staates aus national-politischen Rüch'ichten lediglich aus Staatsmitteln errichtet und bisher unterhalten worden sind. § 70. Auf die Provinzen Westpreußen und Posen findet dieses G. keine Anwendung?"

2. Schul- und Kusterstellen. a) Gesetz, betreffend den Bau und die Unterhaltung der Schul- und Küsterhäuser. Vom 21. Juli 1846 (GS. 392). § 1. Die Bestimmung des § 37 Teil II Tit. 12 des ALR., nach welcher der Bau und die UnterHaltung derjenigen Schulhäuser, die zugleich Küsterwohnungen sind, auf eben die Art, wie bei Pfarrbauten vorgeschrieben? zu besorgen ist, soll fortan nur unter nachstehenden Beschränkungen und Maßgaben (§§ 2 bis 6) zur Anwendung kommen. § 2. Einzelne Ortschaften, Gemeinden, Teile von Gemeinden, oder Einwohnerklassen, welche innerhalb der Parochie, zu der die Küsterei gehört, mit Genehmigung der Behörden eine eigene öffentliche Schule haben, sind von Beiträgen zu denjenigen Bauten und Reparaturen an dem Schul- und Küsterhause frei, welche allein durch das Bedürfnis der Schulanstalt veranlaßt werden. § 3. Tritt bei dem mit der Küsterwohnung verbundenen Schullokale das Bedürfnis ein, die Schul­ stube zu erweitern,2 oder Räume für neue Schulklassen oder zu Wohnungen für Lehrer zu beschaffen, so können weder die Kirchenkasse, noch der Patron und die Eingepfarrten angehalten werden, die hierzu erforderlichen Bauten zu bewirken. In einem solchen Falle sind vielmehr diejenigen, wel­ chen in Ermangelung eines Küsterhauses der Bau und die Unterhaltung einer gemeinen Schule am Orte obliegen würde, verpflichtet, jene Bauten nötigenfalls durch Herstellung besonderer Gebäude auszuführen, und auch künftig zu unterhalten. Insbesondere müssen dieselben, wenn ein solcher Erweiterungsbau2 mit dem bestehenden Schulund Küsterhause in Verbindung gebracht wird, nach Verhältnis dieses Erweiterungsbaues zur Unter­ haltung des Schul- und Küsterhauses, so wie im Falle eines Neubaues dieses Hauses zu dessen Wieder­ herstellung beitragen. § 4. Ist eine Schule in Gemäßheit des § 101 der Gemeinheitsteilungsordnung v. 7. Juni 1821 mit Land dotiert worden, so sind nur die zur Unterhaltung der Schule Verpflichteten schuldig, die dem Schullehrer zur Benutzung jenes Landes etwa nötigen Wirtschastsräume, als Scheune und Stallung, zu bauen und zu unterhalten. § 5. Die der Schulanstalt vorgesetzte Regierung ist befugt, in den Fällen der §§ 2—4 das Beitragsverhältnis der verschiedenen Verpflichteten, bei dem Mangel einer gütlichen Einigung, auf Grund sachverständiger Ermittelungen, durch ein Resolut vorläufig festzusetzen und in Vollzug zu bringen.----------- 3 § 6. Soweit ein Provinzial- oder ein Lokalgesetz, oder das Herkommen mit dem § 37 Teil II Tit. 12 des ALR. übereinstimmen, treten auch an ihre Stelle die Vorschriften des gegenwärtigen G. §§ 2 bis 5. Jedoch soll da, wo das bisherige, mit der gedachten Vorschrift des ALR. übereinstim­ mende Rechtsverhältnis auf einem besonderen Rechtstitel 4 beruht, durch das gegenwärtige G. nichts geändert werden. 49 z. B. Waisenhaus-, Taubstummen-, Blindenschulen. 60 Für Posen gilt demnach weiter ALR. II, 12, für Westpreußen die SchulOg. v. 11. Dez. 1845 (GS. 1846, S. 1) und für Posen und Westpreußen das G. v. 15. Juli 1886, betr. die An­ stellung und das Dienstverhältnis der Lehrer (GS. 185). 1 Vgl. §§ 784 ff., 790, 707 ff. ALR. II, 11. — Das G. v. 21. Juli 1846 gilt auch für Ost- und Westpreußen und das Gebiet der Magdeburg. KirchOg. 2 Dagegen erfolgt ein durch das Schulbedürfnis erforderlich gewordener Neubau des Schulund Küsterhauses zu Lasten der kirchlichen Interessenten ohne Heranziehung der Schulgemeinde, solange der Bau nur eine Wiederherstellung der früheren Schulräume in ihrem bisherigen Flächen­ raume bezweckt (OVG. 16, S. 262). 3 Für das Rechtsmittelverfahren sind jetzt §§ 47, 49 ZustG. maßgebend. 4 Solche Rechtstitel sind nur insoweit aufrechterhalten, als danach die Baupflicht auch hinsichtlich der Schule den Pfarrbaupflichtigen obliegt.

2. Schul- und Küsterstellen.

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b) Verordnung vom 2. Mai 1811 (GS. 193) wegen allgemeiner Separation der Küstereien an Filialkirchen von den Küstereien an Mutterkirchen? § 1. Es sollen überall, wo die obgedachte Verbindung besteht, die Küstereien bei den Tochterkirchen in ihren Dienstgeschästen und Emolumenten von den Küstereien an den Mutierkirchen getrennt werden. 8 2. Alle Küsterdienste bei den Tochterkirchen und in den zu diesen eingepfarrten Dörfern sollen den Schullehrern der Dörfer, in welchen die Tochterkirchen befindlich sind, übertragen und diesen alle mit dem übernommenen Küstergeschäft verbundenen festgesetzten und zufälligen Einkünfte zu­ gesprochen werden. § 3. Da die Schullehrer alsdann auch das Vorsingen und Spielen der Orgel in den Filialkirchen übernehmen müssen, so soll, wenn der Schullehrer in dem Dorfe einer Tochterkirche zu diesen Ge­ schäften nicht geschickt ist, derselbe mit einem anderen, im Singen und Orgelspielen geübten Schul­ lehrer durch Versetzung vertauscht werden, es müßte denn die Gemeinde einen besonderen Organisten und Vorsänger neben ihm, jedoch unbeschadet dem durch die Küsteremolumente verbesserten Ein­ kommen des Schullehrers, unterhalten wollen. § 4. Die Verbindlichkeit mancher Tochtergemeinden, zur Unterhaltung der Schullehrer- und Küsterwohnungen bei der Mutierkirche beizutragen, wird bei eintretender Separation durch diese gänzlich und auf immer aufgehoben, wogegen die Schullehrer- und Küsterwohnung bei der Tochter­ kirche durch verhältnismäßige Beiträge aller zu derselben eingepfarrten Dörfer gemeinschaftlich muß unterhalten werden. 8 6. Die Sonderung der Küstereien soll auf die angegebene Weise-----------ohne Unterschied vor­ genommen werden. 8 6. Sie soll nur allmählich und nicht anders als bei eintretenden Vakanzen von Küsterdiensten an den Mutterkirchen in Ausführung gebracht werden. 8 7. In Fällen, wo durch die Separation eine so große Verschlechterung der Küstereien in den Mutterdörfern zu erwarten ist, daß der Inhaber sich von den Einkünften derselben zu nähren nicht mehr imstande sein würde, soll die Trennung ganz unterbleiben, oder wenigstens so lange ausgesetzt werden, bis Mittel ausfindig gemacht sind, der befürchteten Unzulänglichkeit gründlich vorzubeugen.

c) Erlaß vom 27. Februar 1894, betreffend Abtrennung der niederen Küsterdienste von den Volksschullehrerstellen (IentrBl. Unterr. 363). I. Der Umfang der niederen Küsterdienste ist von der Regierung im Einvernehmen mit dem Konsistorium nach den provinziellen und örtlichen Verhältnissen zu bestimmen. Ich bemerke, daß Kantoral, Organistendienst, Kirchenschreiberei, ferner der Vltardienst, Aufficht über die äußere Ordnung des Gottesdienstes nicht hierher gehören, andererseits aber das Reinigen der Kirche, sowie des Kirchplatzes und der Kirchwege, Fürsorge für Glocken und Turmuhr, Läuten und Anschlagen der Betglocke, Heizen der Kirche, Anzünden der Lichter, Aus- und Zuschließen der Kirche in der Regel hierher zu rechnen sein werden. II. Wo eine vollständige Abtrennung*6 unter entsprechender vermögensrechtlicher Regelung bereits im Gange ist oder sonst ohne Schwierigkeiten im Einvernehmen mit den beteiligten Schul- und kirch­ lichen Interessenten durchführbar erscheint, ist den betreffenden Anträgen nach den bisherigen Vor­ schriften Folge zu geben. III. Wo aber eine solche Abtrennung nach den bisherigen Vorschriften nicht zustande kommt, ist allgemein jetzt eine anderweile Regelung nach folgenden Gesichtspunkten herbeizuführen: 1. Statt eine gänzliche Abtrennung im Wege der Bermögensauseinandersetzung herbeizuführen, ist dem Lehrer die Befugnis beizulegen, sich bei der Verrichtung dieser Dienste vertreten zu lassen. Es bleibt der Anordnung nach den örtlichen Umständen überlassen, ob die zur Verrichtung be­ stimmte Person vom Küster oder vom Gemeindekirchenrat angenommen wird. Dem Küster verbleibt die Aufsicht und Verantwortlichkeit über die Ausführung der Dienste. 2. Zur Vergütung für die gedachten Dienste ist ein angemessener Betrag aus dem Diensteinkommen der vereinigten Schul- und Küsterstelle auszusondern und im Schuletat als solcher kenntlich zu machen. Dieser Betrag bleibt aber Teil des Lehrer- und Küstereinkommens. 3. Bei der Berechnung der Vergütung, welche nach den allgemeinen Bestimmungen über die Re6 Vgl. §§ 244 ff. ALR. II, 11. 6 Nach MErl. v. 20. Febr. 1900 (ZentrBl. Unterr. 482) bleibt bei nicht vollständiger Abtrennung der vom Stelleninhaber an den Vertreter zu zahlende Betrag ruhegehaltsberechtigtes Diensteinkommen. Solche Regelung kann nur mit Z u stim mun g des Küsterlehrers erfolgen. — Die Schul­ aufsichtsbehörde soll von Fall zu Fall auf vollständige Abtrennung der niederen Küsterdienste und entsprechende vermögensrechtliche Regelung hinwirken, wobei eine neue Regelung der Grundgehälter stattfinden muß. 67 Reichelt, Berwaltungsgesetzbuch.

XI. Abschn.

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Volksschulrecht.

gulierung der Lehrerbesoldungen den Inhabern der vereinigten Lehrer- und Küsterstellen überhaupt zugebilligt wird, ist darauf Rücksicht zu nehmen, das; aus diesem Mehrbeträge die Entschädigung für die anderweite Ausrichtung der niederen Küsterdienste zu bestreiten ist und daß gleichwohl dem Stellen inhaber noch eine angemessene Vergütung für die von ihm persönlich zu verrichtende Mehrarbeit verbleiben muß. Der Betrag, um welchen hiernach das Einkommen der vereinigten Lehrer- und Küsterstelle über das Einkommen einer gewöhnlichen Lehrerstelle zu erhöhen ist, darf die Gesamtsumme der aus kirchlichen Quellen stammenden Einkommensteile zwar nicht übersteigen; es ist aber zu beachten, daß hierher auch der Wert der etwa von den kirchlichen Interessenten gewährten Dienstwohnung gehört.

3. Gesetz, betreffend die Feststellung von Anforderungen für die Volksschulen. Vom 26. Mai 1887 ($2. 175). § l. Unter Volksschulen im Sinne dieses G. sind diejenigen öffentlichen Schuleinrich­ tungen zu verstehen, welche zur Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht bienen.1 2 § 2. Werden von den Schulaufsichtsbehörden für eine Volksschule Anforderungen gestellt, welche durch neue oder erhöhte Leistungen ^ der zur Unterhaltung der Schule Verpflichteten (Gemeinden, Gutsbezirke, Schulgemeinden, Schulsozietäten, Schulkommunen usw. und dritte, statt derselben oder neben denselben Verpflichtete) zu gewähren sind, so wird in Er­ mangelung des Einverständnisses der Verpflichteten die zu gewährende Anforderung, soweit solche innerhalb der gesetzlichen Zuständigkeit nach dem Ermessen3 4der Verwaltungsbehörden zu bestimmen ist, bei Landschulen durch Beschluß des Kreisausschusses, bei Stadtschulen durch Beschluß des Bezirksausschusses, insbesondere mit Rücksicht auf das Bedürfnis der Schule und auf die Leistungsfähigkeit der Verpflichteten festgestellt.

§ A. Tie Einleitung des Beschlußverfahrens erfolgt auf Antrags der Schulaufsichtsbehörde. Gegen die Beschlüsse des Kreisausschusses bzw. Bezirksausschusses ist binnen einer Frist von zwei Wochen mir5 6die 7 8 Beschwerde an den Provinzialrat zulässig? Tie zuständige Behörde kann zur Vervollständigung der Beschwerde eine angemessene Nachfrist gewähren. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschrift des zweiten Absatzes findet auf die Hohenzollernschen Lande keine An­ wendung. Die Beschlußfassung des Bezirksausschusses in den Hohenzollernschen Landen bezüglich der Stadtschulen ist endgültig.

8 4.----------§ 5. Auf Schulbausachen im Sinne des § 47 Abs. 1 ZustG. v. 1. Aug. 1883 (GS. 237) findet dies Gesetz keine Anwendung? Auch bleiben die Vorschriften des G. v. 6. Juli 1885, betr. die Pensionierung der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen (GS. 298) unberührt.

§ 6.

Für die Provinz Posen bewendet es bei den bestehenden Bestimmungen?

1 Auf Mittelschulen findet also das Gesetz keine Anwendung. 2 Nur über das Neue und das Mehr solcher Anforderungen gegenüber den bisherigen Leistungen haben die Beschlußbehörden zu beschließen, außerdem natürlich auch darüber, wer der Schulunter­ haltungspflichtige ist. Eine „neue oder erhöhte Leistung" liegt nicht vor, wenn das schon bisher Ge­ leistete statt von dem einen fortan von einem anderen Verpflichteten gewährt werden soll (OVG. 27, 0. 137 ff.). 3 Der Prüfung der Beschlußbehörden unterliegt auch die Gesetz- und Nechtmäßigkeit der An­ forderung. 4 Der Antrag ist an keine Frist gebunden. 5 Außerdem ist noch dem Oberpräsidenten die Anfechtungsklage aus § 126 LVG. gegeben. 6 Die Beschwerde steht aus Gründen des öffentlichen Interesses auch der Schulaufsichtsbehörde zu, und zwar schon dann, wenn der Beschluß des Kreis- oder Bezirksausschusses zu grundsätzlichen Bedenken Anlaß gibt (MErl. v. 8. Aug. 1887 und 20. Juni 1894, ZentrBl. Unten. 657 und 567). 7 Ebenso nicht int Falle des § 6 Abs. 3 LehrerbesG. 8 wonach die Anforderungen durch die Schulaufsichtsbehörden, vorbehaltlich § 47 ZustG., endgültig festgestellt werden.

4. Lehrerbesoldungsgesetz.

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4. Gesetz über das Viensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen. Vom 26. Mai 1909 (GS. 93).1 § 1. Das Diensteinkommen der an einer öffenüichen Volksschule endgültig angestellten Lehrer und Lehrerinnen2 3setzt sich zusammen aus Grundgehalt, Alterszulagen und freier Dienstwohnung oder Mietentschädigung. Hierzu treten in den Fällen der §§ 20, 21 und 24 Orts- und Amtszulagen. Auf Lehrer und Lehrerinnen, deren Zeit und Kräfte durch die ihnen übertragenen Ge­ schäfte nur nebenbei in Anspruch genommen sind, findet diese Vorschrift keine Anwendung. Die Entscheidung darüber, ob ein Lehrer oder eine Lehrerin nur nebenbei beschästigt ist, steht, lediglich der Schulaufsichtsbehörde2 zu. § 2. Neben dem festen Diensteinkommen (§ 1 Abs. 1) dürfen nur einmalige außerordent­ liche Bewilligungen an einzelne Lehrer oder Lehrerinnen aus besonderen Gründen erfolgen.4 * 6 § 3. Das Grundgehalt beträgt für die Lehrerstelle 1400 M, für die Lehrerinnenstelle 1200 M jährlich. § 4. Für die endgültig angestellten technischen Lehrkräfte kann das Grundgehalt durch Beschluß des Schulverbandes auf einen niedrigeren als den im § 3 bezeichneten Betrag, jedoch nicht unter 1100 M für die Lehrerstelle und 1000 M für die Lehrerinstelle jährlich festgesetzt werden. § 5. Die Besoldung der einstweilig angestellten Lehrer und Lehrerinnen, sowie der Lehrer, die noch nicht vier Jahre im öffentlichen Schuldienste gestanden haben, beträgt ein Fünftel weniger als das Grundgehalt der betreffenden Schulstellen? Der Minderbetrag kann durch Beschluß des Schulverbandes auf einen geringeren Bruch­ teil beschränkt werden. Diese Vorschriften finden auf Leiter von Schulen mit sechs oder mehr aufsteigenden Klassen, sowie Lehrer, die die Prüfungen für das Pfarramt oder das höhere Schulamt bestanden haben, keine Anwendung. Den auftragsweise vollbeschäftigten Lehrern (Lehrerinnen) ist in der Regel eine Ver­ gütung in Höhe der Besoldung der einstweilig angestellten Lehrer (Lehrerinnen) zu gewähren.4 § 6. Bei dauernder Verbindung eines Schul- und Kirchenamtes7 soll das Grundgehalt der Stelle entsprechend der mit dem kirchlichen Amte verbundenen Mühewaltung ein höheres sein, als im § 3 bestimmt ist. In dieses Grundgehalt sind auch die Einkünfte aus dem zur Dotation des vereinigten Amtes bestimmten Schul-, Kirchen- und Stiftungsvermögen einschließlich der Zuschüsse aus Kirchenkassen und von Kirchengemeinden, sowie der sonstigen Einnahmen aus dem Kirchen­ dienst einzurechnen. Dabei findet die Vorschrift des Art. I § 4 Abs. 4 des G., betr. die Pen­ sionierung der Lehrer und Lehrerinnen, v. 6. Juli 1885 (GS. 298) sinngemäß Anwendung. 1 In der Fassung (§§ 17 u. 24) der G. v. 25. Juni 1910 (GS. 105) und v. 5. Juli 1912 (GS. 191). Der Ausdruck Servisklasse ist überall durch „Ortsklasse" ersetzt, Servisklasse IV durch Ortsklasse L.— AusfAnw. v. 21. Juni 1909 (ZentrBl. Unterr. 601), im folgenden kurz mit AAnw. bezeichnet. 2 über deren Rechtsstellung s. Anm. 43 zu 8 62 BolksschUG. Sie genießen das Gemeindesteuer­ vorrecht nach Bg. v. 23. Sept. 1867 und G. v. 16. Juni 1909, s. unter Abschn. IX Nr. 12. 3 Darunter ist regelmäßig die Kgl. Regierung, Abt. II zu verstehen, in Berlin das Provinzial­ schulkollegium. 4 Danach sind allgemeine Teuerungszulagen ausgeschlossen, nicht aber einmalige Remunerationen an einzelne Lehrer für besondere Dienste oder Zwecke und besondere Unterstützungen, ebenso sind natürlich Vergütungen für Nebenämter zulässig. 6 Weitere Kürzung: § 16 Abs. 2. 6 Über das Verfahren bei Verwendung nicht voll oder auftragsweise beschäftigter Lehrkräfte s. Regul. v. 4. April 1908 (ZentrBl. Unterr. 528). 7 Über die Unterhaltung solcher vereinigter Ämter und die Auseinandersetzung bei ihrer Trennung vgl. § 30 BolksschUG., über die Abtrennung der niederen Küsterdienste MErl. v. 27. Febr. 1894 und 20. Febr. 1900, vorstehend unter Nr. 2 c.

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XL Abschn. Volksschulrecht.

Der Mehrbetrag (Abs. 1) darf die Gesamtsumme dieser Einkünfte und Einnahmen (Abs. 2) zuzüglich des Nutzungswertes des den kirchlichen Interessenten gehörigen Anteils an dem Schul- und Küsterhaus oder Küstergehöft nicht übersteigen. Die Feststellung des Mehr­ betrages erfolgt nach Benehmen mit der kirchlichen Aufsichtsbehörde durch die Schulauf­ sichtsbehörde. Gegen den Beschluß steht dem Schulverbande und der Kirchengemeinde binnen vier Wochen die Beschwerde an den Provinzialrat zu. In den Hohenzollernschen Landen tritt an die Stelle des Provinzialrats der Bezirksausschuß, der endgültig beschließt. Zur Zahlung des so festgestellten Mehrbetrags ist der Schulverband verpflichtet. Das G., betr. die Fest« stellung von Anforderungen für Bolksschulen, v. 26. Mai 1887 (GS. 175) findet keine An­ wendung. Im Falle der Trennung7 des kirchlichen Amtes von dem Schulamte hat der Lehrer, welcher zum Bezüge des mit dem vereinigten Amte verbundenen Tiensteinkommens berechtigt ge­ wesen ist, Anspruch auf die fernere Gewährung eines Tiensteinkommens in gleichem Betrage, soweit nicht bei seiner Anstellung eine Kürzung seines Diensteinkommens ausdrücklich vor­ behalten ist. Die Borschriften (Abs. 1 bis 4) finden bei dauernder Verbindung eines Schulamts mit einem jüdischen Kultusamte sinngemäß Anwendung. § 7. Die Alterszulagen sind in der Weise zu gewähren, daß der Bezug nach siebenjähriger Dienstzeit im öffentlichen Schuldienste (§§ 34 und 35) beginnt, und daß neun Zulagen in Zwischenräumen von je drei Jahren gewährt werden. Lehrer, die die Prüfungen für das Pfarramt oder das höhere Schulamt bestanden haben, erhalten die erste Alterszulage nach dreijähriger Dienstzeit im öffentlichen Schuldienst. § 8. Die Alterszulage beträgt: 1. für Lehrer in den ersten beiden Stufen je 200 M, in der dritten und vierten je 250 M, in der fünften bis neunten je 200 M jährlich; 2. für Lehrerinnen in den ersten zwei Stufen je 100 M, in den weiteren je 150 M jährlich.

§ 9. Auf die Alterszulagen der Lehrer und Lehrerinnen in Berlin findet der § 7 nur mit der Maßgabe Anwendung, daß der Bezug spätestens nach siebenjähriger Dienstzeit im öffent­ lichen Schuldienste zu beginnen hat, und daß der Höchstbetrag spätestens nach weiteren vier­ undzwanzig Tienstjahren erreicht sein muß. Der im § 8 bestimmte Höchstbetrag von 1900 und 1250 M ist auch für die Stadt Berlin maßgebend. Dagegen kann die Anzahl und die Höhe der Stufen anderweit geregelt werden. § 10. Ein rechtlicher Anspruch auf Neugcwährung einer Alterszulage steht den Lehrern und Lehrerinnen nicht zu. Die Versagung bedarf der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde und ist nur bei unbefriedigender Tienstführung zulässig.^ Die zeitweise Vorenthaltung der Alterszulage ist ohne Einfluß auf die Berechnung der Dienstzeit bei späterer Gewährung der Zulage. § 11. Ter Bezug der Alterszulagen beginnt mit dem Ablause des Vierteljahres, in dem die erforderliche Dienstzeit vollendet wird. § 12. Wo seither Lehrern oder Lehrerinnen freie Dienstwohnung gewährt wurde, ist die Einziehung der Wohnung nur mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde zulässig. Die Genehmigung darf nicht versagt werden, wenn der Schulvcrband sich bereit erklärt, die Mietcntschädigung (§§ 16 ff.) zu zahlen, und genügende Mietwohnungen in dem Schulverbande vorhanden sind. § 13. Auf dem Lande sollen erste Lehrer und alleinstehende Lehrer in der Regel, bei vor­ handenem Bedürfnis auch andere Lehrer und Lehrerinnen eine freie Dienstwohnung erhalten. § 14. Bei der Anlage und Veränderung von Dienstwohnungen sind die örtlichen Verhält­ nisse und die Amtsstellung zu berücksichtigen. Gegen die Festsetzungen der Schulaufsichtsbehörde über Notwendigkeit, Umfang und Ein­ richtung ist das Verwaltungsstreitverfahren zulässig. 8 § 10 entspricht im wesentlichen dem allgemeinen Beamtenrechte, vgl. unter Abschn. IX Nr. 6.

4. Lehrerbesoldungsgesetz.

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§ 15. Die von der Dienstwohnung zu entrichtenden öffentlichen Lasten und Abgaben werden von den Schulunterhaltungspflichtigen getragen? Diesen liegt auch, unbeschadet der Verpflichtungen Dritter aus besonderen Rechtstiteln, die bauliche Unterhaltung der Dienstwohnung ob. § 16. Als Mietentschädigung" für die Lehrer und Lehrerinnen ist eine Geldsumme zu gewähren, die eine ausreichende Entschädigung für die nicht gewährte Dienstwohnung dar­ stellt. Einstweilig angestellte Lehrer und unverheiratete Lehrer ohne eigenen Hausstand, sowie die Lehrer, die noch nicht vier Jahre im öffentlichen Schuldienste gestanden haben," erhalten eine um ein Drittel geringere Mietentschädigung. Die Mrzung kann durch Beschluß des Schulverbandes auf einen geringeren Betrag beschränkt, auch ganz in Wegfall gebracht werden. § 17. Die Mietentschädigung ist für jede Provinz unter Zugrundelegung der für den Wohnungsgeldzuschuß der unmittelbaren Staatsbeamten maßgebenden Ortsklasseneinteilung nach bestimmten Sätzen für jede Klasse festzusetzen, und zwar getrennt für Leiter von Schulen mit sechs oder mehr aufsteigenden Klassen, andere Lehrer und Lehrerinnen. Die Stadt Berlin gilt als Provinz im Sinne dieser Vorschrift, jedoch mit der Maßgabe, daß hier die Mietentschädigung nur für die Ortsklasse A festzusetzen ist. Für die Ortsklasse E sind verschiedene Stufen zulässig. Die Mietentschädigung darf 1. für Lehrer in Ortschaften der Ortsklasse Anicht weniger als 800 M, „ „ B „ „ „ 630 „ n „ 0 „ „ „ 520 „ // rr D „ „ /, 450 „ 2. für Lehrerinnen in Ortschaften der Ortsklasse A nicht weniger als 560 M, B 470 390 C 330 D jährlich betragen. Für die oberste Stufe der Ortsklasse E muß sie für Lehrer mindestens 330 M, für Lehrerinnen mindestens 250 M jährlich betragen." § 18. Der Mietentschädigungstarif wird nach Anhörung der Kreisausschüsse und der Gemeindevorstände der kreisfreien Städte, sowie der Bezirksausschüsse durch Beschluß des Provinzialrats endgültig festgesetzt. In den Hohenzollernschen Landen beschließt an Stelle des Provinzialrats der Bezirksausschuß nach Anhörung der Amtsausschüsse endgültig. Für Berlin erfolgt die Festsetzung des Tarifs nach Anhörung des Magistrats durch den OberPräsidenten. Änderungen des Tarifs sind nur bei erheblicher Veränderung der zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse zulässig. Die Stellung der Orte in den verschiedenen Ortsklassen bestimmt sich nach dem Orts­ klassenverzeichnis, wie es für die Gewährung von Wohnungsgeldzuschüssen an die unmittel9 § 15 regelt nur das Verhältnis des Lehrers als Inhabers einer Dienstwohnung zu den Schulunterhaltungspflichtigen, läßt aber die Frage, an wen sich der Steuerberechtigte zu halten hat, unberührt. So kann ein Lehrer die Zahlung von Wassergeld auf Grund § 15 nicht ablehnen (OVG. 36, S. 92). 10 nach einem Tarif, der gemäß §§ 17, 18 festgestellt wird. Der Lehrer ist nicht berechtigt, an Stelle der überwiesenen Dienstwohnung eine Mietentschädigung zu fordern. 11 Vgl. die Kürzungen nach § 5. 12 Fassung gemäß G. v. 25. Juni 1910 (GS. 105), mit AAnw. v. 13. Juli 1910 (ZentrBl. Unterr. 712). Die Mietentschädigungssätze des § 17 sind Mindestsätze und gelten nach AAnw. Ziff. 9c nur für die „anderen Lehrer und Lehrerinnen" des § 17 Abs. 1. Für Mittelschullehrer gilt der Tarif überhaupt nicht, MErl. v. 27. März 1911 (ZentrBl. Unterr. 395). — Nach Art. V Abs. 3 G. v. 25. Juni 1910 wird Lehrern, für welche die neue Ortsklasseneinteilung eine Verringerung ihres Wohnungsgeldzuschusses oder ihrer Mietentschädigung mit sich bringen würde, bis zu einer Ver­ setzung der bisherige Betrag fortgewährt, soweit nicht durch eine Steigerung ihrer sonstigen Dienst­ bezüge ein Ausgleich eintritt.

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XI. Abschn.

Volksschulrecht.

baren Staatsbeamten jeweilig maßgebend ist.13 In Gesamtschulverbänden, zu denen Ge­ meinden (Gutsbezirke) verschiedener Klassen gehören, ist die höhere Ortsklasse maßgebend. Wo sür die Ortsklasse E verschiedene Stusen festgesetzt sind, beschließt der Provinzialrat — in den Hohenzollernschen Landen der Bezirksausschuß — endgültig über die Einreihung der zu dieser Klasse gehörenden Orte in die einzelnen Stufen. Bei Veränderungen in der Klasseneinteilung kommt vom Beginne des aus die Veröffent­ lichung der Veränderung folgenden Kalendervierteljahres an der ihr entsprechende neue Satz der Mietentfchädigung in Anwendung. § 19. Bei der Bemessung des Ruhegehalts wird der Turchfchnittssatz der Mietentschädigung jeder einzelnen Art von Lehrkräften (§ 17) für die Provinz ermittelt und für sämtliche Orts­ klassen in Anrechnung gebracht. Wo für die Ortsklasse E verschiedene Stufen festgesetzt find, wird bei der Ermittelung des Durchschnittssatzes in Ansehung dieser Ortsklasse der Durch­ schnitt der verschiedenen Stufen zugrunde gelegt.14 Der festgestellte Durchschnittssatz der Mietentschädigung gilt auch für die Lehrer und Lehrerinnen, die eine Dienstwohnung haben. § 20. Schulverbände können die Gewährung penfionsfähiger Ortszulagen15 an ihre sämt­ lichen Lehrkräfte oder einzelne der in diesem G. bezeichneten Arten16 beschließen, falls in ihnen die am 1. Januar 1909 in Geltung gewesene Besoldungsordnung für Lehrer — abgesehen von den Inhabern besonders gearteter Schulstellen (Rektoren, Hauptlehrern, sonstigen ersten Lehrern, Lehrkräften an gehobenen Klassen und an Schulen für nicht normal veranlagte Kinder) — an Grundgehalt und Alterszulagen ein Endgehalt von 2800 M oder mehr oder ein Endgehalt vorsieht, das unter Hinzurechnung des vollen Grundgehalts eine Summe von mindestens 4000 M erreicht. Bei vereinigten Kirchen- und Schulämtern ist nur das reine Lehrergrundgehalt (Grundgehalt abzüglich der Vergütung für kirchliche Mühewaltung) zu berücksichtigen. Die gleiche Befugnis steht kreisfreien Städten auch dann zu, wenn in ihnen die Voraus­ setzungen des Abf. 1 nicht vorliegen. § 21. Schulverbände, die dergestalt in der Umgebung von Schulverbänden der in § 20 gedachten Art liegen,17 daß sie mit ihnen eine wirtschaftliche Einheit bilden, können ihren Lehrkräften pensionsfähige Ortszulagen insoweit bewilligen, als diese Schulverbände hierzu befugt sind, sofern der Provinzialrat nach Anhörung der Schulaufsichtsbehörde das Vor­ liegen dieser Voraussetzungen festgestellt hat. In den Hohenzollernschen Landen beschließt statt des Provinzialrats der Bezirksausschuß, und zwar endgültig. Schulverbänden, die dergestalt in der Umgebung außerpreußischer Gemeinden13 mit mehr als 30000 Einwohnern liegen, daß sie mit ihnen eine wirtschaftliche Einheit bilden, kann durch den Unterrichtsminister im Einvernehmen mit dem Finanzminister das Recht beigelegt werden, ihren Lehrkräften pensionsfähige Ortszulagen zu bewilligen.

§ 22. Durch die Ortszulage darf das bisherige Endgehalt — unbeschadet der Amtszulage — für die Lehrerstellen um höchstens 900 M, jedoch nicht über 4200 Ji hinaus, für die Lehrerinnen­ stellen um höchstens 600 M, jedoch nicht über 2950 M erhöht werden. In Schulve.bänden, in denen das Endgehalt der Lehrer durch Ortszulagen auf 4200 M erhöht werden kann, darf das der Lehrerinnen auch um mehr als 600 M bis auf 2950 M erhöht werden. 13 Jetzt gemäß G. v. 25. Juni 1910 (GS. 105) nach der Ortsklasseneinteilung, wie sie für die Reichsbeamten nach dem BesoldungsG. v. 25. Juli 1909 (RGBl. 573) in Kraft ist. 14 Durch diese Bestimmungen sind § 4 LehrPensG. und § 8 RuhegehaltskG. entsprechend geändert. Statt der Mielentschädigung ist jetzt der ruhegehaltsberechtigte Durchschnittssatz in Ansatz zu bringen. Auch die Feuerung bildet jetzt einen Teil des Grundgehalts. 16 Die Ortszulagen sind freiwillige Leistungen der Schulverbände, können aber nötigenfalls erzivungen werden: § 25. 18 Damit sollte klargestellt werden, daß solche Zulagen nur allgemein und nicht einzelnen Lehrern bewilligt werden dürfen, s. Anm. 4. — § 10 ist auf Ortszulagen nicht anwendbar, sobald diese beschlossen sind. 17 Damit können nur preußische Schulverbände gemeint sein, ivo5 aus Abs. 2 hervorgeht. 18 z. B. Hamburg und Bremen.

4. Lehrerbesoldungsgesetz.

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Den Schulverbänden bleibt die Bestimmung darüber überlassen, ob und in welcher Weise der Beginn und die Höhe der Ortszulagen von der Erreichung einer bestimmten Dienstzeit (§§ 34 bis 36) abhängig gemacht, auch für einzelne Arten von Lehrkräften verschieden gestaltet werden sollen. Wo die Amtszulage der Leiter von Schulen mit 6 oder mehr aufsteigenden Klassen den Mindestsatz nicht überschreitet, sind ihnen bei der Einführung von Ortszulagen höhere Beträge als den übrigen Lehrpersonen innerhalb der Grenze des Abs. 1 zu ge­ währen. § 23. Die Beschlüsse der Schulverbände über die Gewährung von Ortszulagen bedürfen der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde. Gegen die Versagung der Genehmigung steht dem Schulverbande binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Provinzialrat zu. In den Hohenzollernschen Landen beschließt an Stelle des Provinzialrats der Bezirksausschuß, und zwar endgültig. In der Stadt Berlin findet gegen den Beschluß der Schulaufiichtsbehörde binnen zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren bei dem Oberverwaltungs­ gerichte statt. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn und soweit eine Erhöhung des Tiensteinkommens nicht durch die besonderen Verhältnisse des Schulverbandes geboten ist. § 24. Die Leiter von Schulen mit sechs oder mehr aufsteigenden Klassen erhalten eine pensionsfähige Amtszulage von mindestens 700 M — Leiterinnen derartiger Schulen eine solche von mindestens 500 M —, andere Schulleiter und Schulleiterinnen eine solche von mindestens 200 M jährlich. Ob ein Lehrer (Lehrerin) Schulleiter (Schulleiterin) ist, sowie ob eine Schule als Schule mit sechs oder mehr aufsteigenden Klassen anzusehen ist, entscheidet endgültig die Schulaufsichtsbehörde. Bei den gemäß dem G. v. 26. Mai 1887 (GS. 175) zu stellenden Anforderungen darf von den Beschlußbehörden die Notwendigkeit der Be­ stellung eines Schulleiters (Schulleiterin) nicht mit Rücksicht auf das Bedürfnis der Schule oder die Leistungsfähigkeit der Verpflichteten verneint werden." Erste Lehrer an Schulen, für die ein Leiter (Leiterin) nicht bestellt ist, und alleinstehende Lehrer erhalten, wenn sie als solche eine zehnjährige ununterbrochene Dienstzeit zurückgelegt haben, eine pensionsfähige Amtszulage von 100 M jährlich." Wo einer Volksschule mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde gehobene Klassen (Klassen mit erweiterten Lehrzielen) dauernd eingegliedert sind, kann den für diese Klassen angestellten vollbeschäftigten Lehrkräften eine pensionsfähige Amtszulage gewährt werden. Den Lehrkräften, die an besonderen Veranstaltungen der Volksschule für körperlich oder geistig nicht normal veranlagte Kinder vollbeschäftigt sind, können Amtszulagen gewährt werden. Den Schulverbänden bleibt die Bestimmung darüber überlassen, ob diese Amtszulagen pensionsfähig sein sollen. § 25. Wenn und soweit eine Erhöhung des Diensteinkommens zulässig und nach den be­ sonderen Verhältnissen des Schulverbandes notwendig ist, kann der Schulverband angehalten werden,20 eine solche Erhöhung zu gewähren. Gegen die Entscheidung des Oberpräsidenten für Berlin steht in diesem Falle der Stadt­ gemeinde Berlin binnen zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren bei dem Lberverwaltungsgerichte zu. § 26. Die Zahlung des baren Diensteinkommens erfolgt an endgültig angestellte Lehrer und Lehrerinnen vierteljährlich, an einstweilig angestellte oder auftragsweise beschäftigte monatlich im voraus. § 27. Wo eine Wohnung auf dem Dienstgrundstücke gegeben wird, und wo es bisher üblich 19 Die obige Fassung beruht auf der „Deklaration und Ergänzung" durch G. v. 5. Juli 1912 (GS. 191). Die Deklaration beschränkt sich auf den Begriff „Leiter", und zwar mit rückwirkender Kraft v. 1. April 1908 ab, die bisherigen Entscheidungen des OBG. zu § 24 sind dadurch bedeutungslos geworden. Amtszulagen für Leiterinnen dagegen sind eine Ergänzung des G., so daß sie erst vom 5. Juli 1912 ab zu zahlen waren. Dazu MErl. v. 20. Juli 1912. 20 Es wird sich im wesentlichen um Ortszulagen (§ 20) und Amtszulagen (§ 24) handeln. AAnw. Ziff. 14. Das Zwangsverfahren richtet sich nach G. v. 26. Mai 1887, in der Provinz Posen nach § 18 RegJnstr.

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XL Abschn.

Volksschulrecht.

ist,2 kann die Schulaufsichtsbehörde die Beschaffung des dem Bedarfe entsprechenden Brenn Materials für die Lehrer und Lehrerinnen verlangen. Im übrigen wird an bestehenden Verpflichtungen zur Beschaffung, Anfuhr und Zerkleine­ rung von Brennmaterial für die Schule oder die Schulstelle nichts geändert. § 28. Wo auf dem Lande22 eine Dienstwohnung gegeben wird, ist als Zubehör, ohn-? Anrechnung auf das Grundgehalt, sofern es nach den örtlichen Verhältnissen tunlich ist, ein Hausgarten zu gewähren. Wo die örtlichen Verhältnisse es tunlich erscheinen lassen, und wo ein Bedürfnis dazu vorliegt, soll auf dem Lande für einen alleinstehenden oder ersten Lehrer in Anrechnung auf das Grundgehalt eine Landnutzung23 gewährt werden, welche dem durchschnittlichen Wirtschaftsbedürfnis einer Lehrerfamilie entspricht. Zur Bewirtschaftung des Landes sind erforderlichenfalls Wirtschaftsgebäude herzustellen. Die von dem Schullande zu entrichtenden öffentlichen Lasten und Abgaben werden von den Schulunterhaltungspflichtigen getragen. Wo mit einer Stelle bisher eine größere Landnutzung oder sonstige Berechtigungen verbunden gewesen sind, behält es dabei sein Bewenden. Eine Einschränkung bedarf der Ge­ nehmigung der Schulaufsichtsbehörde. Auf Anrufen von Beteiligten beschließt der Kreisausschuß und, sofern es sich um Stadtschulen handelt, der Bezirksausschuß darüber, welcher Teil des Dienstlandes als Hausgarten anzusehen ist. Der Beschluß des Bezirksausschusses in erster oder zweiter Instanz ist endgültig. § 29. Wo bisher die Gewährung von Naturalleistungen stattgefunden hat, behält es dabei unter Anrechnung auf das Grundgehalt bis zur Ablösung der Naturalleistungen oder bis zur Aufhebung des bisherigen Gebrauchs sein Bewenden. Die Aufhebung bedarf der Zustim­ mung der Beteiligten und der Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde. § 30. Airs das Grundgehalt (§§ 1, 3, 4, 6) oder die nach § 5 gewährte Besoldung sind an­ zurechnen: 1. der Ertrag der Landnutzung (§ 28 Abs. 2 und 5),24 2. die sonstigen Diensteinkünfte an Geld oder Naturalleistungen, 3. das Brennmaterial (§ 27). Bei amtlicher Festsetzung des Diensteinkommens beschließt auf Anrufen von Beteiligten2^ über die Anrechnung dieser Diensteinkünfte (Abs. 1 Nr. 1, 2, 3) der Kreisausschuß und, sofern es sich um Stadtschulen handelt, der Bezirksausschuß. Der Beschluß des Bezirksausschusses in erster oder zweiter Instanz ist endgültig. Eine anderweite Festsetzung ist bei erheblicher Änderung der ihr zugrunde liegenden tat­ sächlichen Verhältnisse zulässig. Tie Festsetzung gilt auch für die Berechnung des Ruhegehalts. § 31. Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Volksschulen erhalten bei Versetzungen im Interesse des Dienstes26 aus der Staatskasse eine Vergütung für Umzugskosten unter Wegfall der von den Schulunterhaltungspflichtigen zu entrichtenden Anzugs- oder Herbeiholungskosten. Die näheren Bestimmungen über die Höhe der Vergütung werden von dem Unterrichtsminister in Gemeinschaft mit dem Finanzminister getroffen.27 21 Bisher üblich, d. h. in der betreffenden Gegend. 22 „Aus dem Lande" soll die unbedingte Anwendung der Bestimmung aus große industrielle Landgemeinden und Vororte großer Städte ausschließen. 23 Die Gewährung von Dienstland ist für den Landlehrer von ethischer und wirtschaftlicher Bedeutung, in letzterer Hinsicht auch, um ihn in der Beschaffung landwirtschaftlicher Erzeugnisse unabhängiger zu stellen. 24 Für die Berechnung des Wertes der Landnuhung sind heute noch die Grundsätze des MErl. v. 12. Febr. 1890 (ZentrBl. Unten. 290) maßgebend. 25 Dazu gehören alle, die ein vermögensrechtliches Interesse an der Festsetzung haben, nicht aber die Schulaufsichtsbehörde. 26 Vgl. § 62 BolksschUG. und Anm. 43 dazu. 27 Regul. v. 5. Okt. 1910 mit abänderndem MErl. v. 31. Jan. 1912 (ZentrBl. Unten. 867 und 291).

4. Lehrerbesoldungsgesetz.

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Im übrigen bewendet es bei den bestehenden Vorschriften^ über die Gewährung von Anzugs- und Herbeiholungskosten. Unberührt bleibt auch die Vorschrift im Art. III Abs. 1 des G. v. 15. Juli 1886 (GS. 185). Bei Versetzungen gilt der Verlust einer Dienstwohnung nebst Hausgarten oder die Ver­ ringerung der Mietentschädigung sowie der Verlust der Amtszulage in den Fällen des § 24 Abs. 2 und 4 nicht als Verringerung des Diensteinkommens. § 32. 1. Hinterläßt ein an einer öffentlichen Volksschule endgültig oder einstweilig ange­ stellter Lehrer eine Witwe oder eheliche Nachkommen, so gebührt den Hinterbliebenen außer dem Sterbemonate für das auf diesen folgende Vierteljahr noch das volle Diensteinkommen des Verstorbenen als Gnadenvierteljahr. 2. Der gleiche Anspruch steht den ehelichen Nachkommen einer im Witwenstande verstorbenen Lehrerin zu. 3. An wen die Zahlung des Gnadenvierteljahrs zu leisten ist, bestimmt die Ortsschul­ behörde. 4. Sind solche Personen, welchen das Gnadenvierteljahr gebührt, nicht vorhanden, so kann die Schulaufsichtsbehörde nach Anhörung des Schulverbandes anordnen, daß das Dienst­ einkommen auf die gleiche Zeit an Eltern, Geschwister, Geschwisterkinder oder Pflegekinder des Verstorbenen gezahlt werde, wenn er ihr Ernährer gewesen ist und sie in Bedürftigkeit hinterläßt, oder daß es an solche Personen, welche die Kosten der letzten Krankheit oder der Beerdigung bestritten haben, soweit gezahlt werde, als der Nachlaß zu deren Deckung nicht ausreicht. Diese Bestimmung findet auch beim Tode einer anderen als der im Abs. 2 ge­ dachten Lehrerin Anwendung. 5. Die Schulunterhaltungspflichtigen sind zur Gewährung der Gnadenbezüge verpflichtet. 6. Soweit eine Vertretung im Amte nicht zu ermöglichen ist, kann die Wiederbesetzung der Stelle auch während der Gnadenzeit erfolgen. § 33. In dem Genusse der Dienstwohnung ist die Hinterbliebene Familie, welche mit dem Verstorbenen die Wohnung geteilt hat, nach Ablauf des Sterbemonats noch drei fernere Monate zu belassen. Hinterbleibt keine solche Familie, so ist denen, auf die der Nachlaß über­ geht, eine vom Todestage an zu rechnende dreißigtägige Frist zur Räumung der Dienst­ wohnung zu gewähren. In jedem Falle muß auf Erfordern der Schulauffichtsbehörde demjenigen, welcher mit der Verwaltung der Stelle beauftragt wird, ohne Anspruch auf Entschädigung in der Dienst­ wohnung ein Unterkommen gewährt werden. § 34. Bei Berechnung der Dienstzeit für die Gewährung des vollen Grundgehalts, der Alterszulagen und der Mietentschädigung kommt die gesamte Zeit in Ansatz, während der sich der Lehrer oder die Lehrerin im öffentlichen Schuldienste in Preußen oder in den nach ihrem Eintritt in den öffentlichen Schuldienst von Preußen erworbenen Landesteilen befunden hat.^ Ausgeschlossen bleibt die Anrechnung der Dienstzeit, während der die Zeit und die Kräfte eines Lehrers oder einer Lehrerin nach der Entscheidung der Schulauffichtsbehörde durch die ihnen übertragenen Geschäfte nur nebenbei in Anspruch genommen gewesen sind. Die Dienstzeit wird vom Tage der ersten eidlichen Verpflichtung für den öffentlichen Schul­ dienst an gerechnet. Kann ein Lehrer oder eine Lehrerin nachweisen, daß die Vereidigung erst nach dem Eintritt in den öffentlichen Schuldienst stattgefunden hat, so wird die Dienstzeit von letzterem Zeitpunkt an gerechnet. Der Dienstzeit im Schulamte wird die Zeit des aktiven Militärdienstes hinzugerechnet. Die Dienstzeit, welche vor den Beginn des einundzwanzigsten Lebensjahres fällt, bleibt außer Berechnung.^ 28 Insbesondere §§ 39—42 ALR. II, 12. 29 Danach ist als öffentlicher Schuldienst die volle Beschäftigung an jeder öffentlichen Schule anzusehen, auch ohne förmliche Anstellung, auch während der Probezeit; dazu die Anrechnungen aus $§ 35, 36. S. auch AAnw. Ziff. 19—21. Wegen Anrechnung außerpreußischer Dienstzeit s. MErl. v. i:1. Aug. 1911 (ZentrBl. Unterr. 522). 30 S. dagegen LehrPensG. § 8.

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XI. Abschn. Volksschulrecht.

§ 35. Als öffentlicher Schuldienst ist auch die Zeit anzurechnen, während der 1. ein Lehrer oder eine Lehrerin an einer Anstalt tätig gewesen ist, die vertragsmäßig die Vorbereitung von Zöglingen für die staatlichen Lehrerbildungsanstalten übernommen hat; 2. ein Lehrer oder eine Lehrerin als Erzieher oder (Erzieherin an einer öffentlichen Taubstummen-, Blinden-, Idioten-, Waisen-, Rettungs- oder ähnlichen Anstalt oder an gleichartigen privaten Anstalten sich befunden hat, welche nach Anerkennung durch die Schulaufsichtsbehörde ausschließlich gemeinnützigen Zwecken dienen und für ihre Unter­ haltung auf die öffentliche Wohltätigkeit oder auf öffentliche Mittel angewiesen find; 3. ein Lehrer oder eine Lehrerin an einer von einer Synagogengemeinde unterhaltenen jüdischen Religionsschule beschäftigt gewesen ist. Mit Genehmigung des Unterrichtsministers kann auch die im außerpreußischen öffentlichen Schuldienste zugebrachte Zeit angerechnet werden. § 36. Für Lehrer und Lehrerinnen, die vor ihrem Eintritt in den öffentlichen Volksschuldienst an Privatschulen vollbeschäftigt waren, in denen der allgemeinen Schulpflicht unterliegende Kinder in den Lehrgegenständen der öffentlichen Volksschule unterrichtet werden, gelten bei Bemessung der Alterszulage folgende Vorschriften: 1. Sie können bis zum Höchstmaß von fünfzehn Jahren eine Anrechnung dieser Dienst­ zeit oder eines Teiles derselben insoweit erlangen, als ein Betrag von 570 M für Lehrer und 200 M für Lehrerinnen für jedes Jahr dieser Zeit an die Alterszulagekasse, in Berlin an die Schulkasse, nachgezahlt tonet).31 Die Stadt Berlin ist befugt, bei der An­ rechnung dieser Dienstzeit über das Höchstmaß von fünfzehn Jahren hinauszugehen und auf die Einzahlungen an die Schulkasse ganz oder teilweise zu verzichten. 2. Die Beschäftigung, die vor den Beginn des einundzwanzigsten Lebensjahres oder vor die erlangte Befähigung zur Anstellung im öffentlichen Volksschuldienste fällt, bleibt außer Berechnung. Ter Beschäftigung an einer Privatschule im Sinne der ersten Absatzes steht gleich, wenn ein Lehrer oder eine Lehrerin, sei es als Lehrer oder Lehrerin, sei es als Erzieher oder Er­ zieherin an einer nicht unter den § 35 Abs. 1 Nr. 2 fallenden privaten Taubstummen-, Blinden-, Idioten-, Waisen-, Rettungs- oder ähnlichen Anstalt beschäftigt ist. Mit Genehmigung des Unterrichtsministers kann unter gleichen Bedingungen auch die im außerpreußischen Privatschuldienste zugebrachte Zeit ganz oder teilweise angerechnet werden. Die auf Grund der vorstehenden Bestimmungen erfolgte Anrechnung ist auch für den Anspruch auf Ruhegehalt maßgebend. § 37. Auf die Lehrer und Lehrerinnen an öffentlichen Volksschulen finden die Bestim­ mungen des ersten Abschnitts des G., betr. die Erweiterung des Rechtswegs, v. 24. Mai 1861 (GS. 241) mit folgender Maßgabe Anwendung: 1. die Klage ist gegen die Vertreter des Schulverbandes und, soweit es sich um Zahlungen aus der Alterszulagekafse (§§ 39 ff.) handelt, zugleich gegen die Bezirksregierung als Verwalterin der Alterszulagekasse zu richten; 2. im Falle des § 2 a. a. O. tritt an die Stelle des Berwaltungschefs der Lberpräsident, in den Hohenzollernschen Landen der Unterrichtsminister: 3. bei der richterlichen Beurteilung sind die auf Grund dieses Gesetzes erfolgten Fest­ setzungen über das Diensteinkommen der Stelle, insbesondere über die Höhe des Grund­ gehalts und der Dienstalterszulage über Dienstwohnung oder Mietentschädigung, über Dienstland, über Naturalleistungen, sowie über die Anrechnung von Dienstbezügen auf das Grundgehalt zugrunde zu legen. 31 Dazu MErl. v. 14. Cft. 1909 (ZentrBl. 792). Die Alterszulagekassen (§§ 39—42) sind Versicherungsanstalten auf Gegenseitigkeit, AAnw. Ziff. 22. Wegen des Anschlusses der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen nichtstaatlichen mittleren Schulen s. G. v. 25..Aug. 1909 (GS. 738) und MErl. v. 10. Sept. 1909, 2. Mai 1911 (nachträgliche Heranziehung der Schulverbände zu Beiträgen) und 2. Aug. 1911 (Aufstellung des Verteilungsplanes), ZentrBl. Untere. 788 bzw. 399 und 550.

4. Lehrerbesoldungsgesetz.

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§ 38. Bei Streitigkeiten zwischen betn abgehenden Lehrer oder den Erben des verstorbenen Lehrers und dem anziehenden Lehrer oder dem Schulverbande über die Auseinandersetzung wegen der Landnutzung, der Naturalleistungen, der Dienstwohnung einschließlich des Hausgartens oder des baren Diensteinkommens trifft die Schulaufsichtsbehörde, vorbehaltlich des Rechtsweges, eine im Verwaltungswege vollstreckbare einstweilige Entscheidung. Bei Versetzungen kann sie anordnen, daß die von dem Lehrer zuviel erhobenen Beträge für seine Rechnung den Schulunterhaltungspflichtigen unmittelbar aus den Bezügen erstattet werden, welche der Lehrer in der neuen Schulstelle zu empfangen hat. Das gleiche gilt für Lehrerinnen. Die Schulaufsichtsbehörde ist befugt, die Entscheidung allgemein den ihr Nachgeordneten Behörden zu übertragen. § 39. Behufs gemeinsamer Bestreitung der Alterszulagen bis zu der int § 8 festgesetzten

Höhe 32 wird für die zur Aufbringung verpflichteten Schulverbände in jedem Regierungsbezirk (ausschließlich der Stadt Berlin) eine Kasse gebildet. § 40. Die Verwaltung der Alterszulagekasse erfolgt durch die Bezirksregierung. Die Kassengeschäfte werden durch die Regierungshauptkasse und die ihr unterstellten Kassen un­ entgeltlich besorgt. Die Alterszulagen werden von der Kasse an die Bezugsberechtigten gezahlt. Die Kosten der Zusendung trägt die Kasse. In städtischen Schulverbänden erfolgt die Auszahlung durch die Schulverbände für Rechnung der Alterszulagekasse. Das gleiche Verfahren kann von der Schulaufsichtsbehörde in größeren ländlichen Schulverbänden angeordnet werden. § 41. Für jedes mit dem 1. April beginnende Rechnungsjahr wird der Bedarf der Kasse nach dem Stande der Alterszulagen vom 1. Oktober des Vorjahres unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Steigerung oder Verminderung der Alterszulagen und unter Hinzurech­ nung der voraussichtlichen Verwaltungskosten berechnet. Den Maßstab für die Verteilung des Bedarfs auf die Schulverbände bildet die Anzahl der der Alterszulagekasse angeschlossenen Lehrer- und Lehrerinnenstellen. Für Schulstellen, welche nach Aufstellung des Verteilungsplanes im Laufe des Jahres neu errichtet werden, ist der Beitrag zur Alterszulagekasse von dem Tage an zu zahlen, seit welchem die Stelle durch eine besondere Lehrkraft versehen wird. § 42. Für die Aufstellung des Verteilungsplanes, die Einziehung der Beiträge und die Bestellung eines Kassenanwaltes finden die §§ 3, 4 und 9 bis 14 des G. v. 23. Juli 1893, betr. Ruhegehaltskassen für die Lehrer und Lehrerinnen (GS. 194), sinngemäß Anwendung. Dem Kassenanwalte steht kein Einspruch gegen die Festsetzung und Anweisung der einzelnen Alterszulagen zu. § 43. 1. Aus der Staatskasse wird ein jährlicher Beitrag zu dem Diensteinkommen der Lehrer und Lehrerinnen und, soweit er hierzu nicht erforderlich ist, zur Deckung der Kosten für andere Bedürfnisse des betreffenden Schulverbandes an die Kasse desselben gezahlt.^ 2. Der Beitrag wird so berechnet, daß für die Stelle eines alleinstehenden sowie eines ersten Lehrers 500 M, eines anderen Lehrers 300 Jii, einer Lehrerin 150 M jährlich gezahlt werden. In Schulverbänden mit nicht mehr als sieben Schulstellen wird ein weiterer Staatsbeitrag von 200 Jii für die Lehrerstelle und von 150 Jli für die Lehrerinstelle jährlich gezahlt. Bei der Berechnung kommen nur Stellen für vollbeschäftigte Lehrkräfte in Betracht. Darüber, ob eine Lehrkraft voll beschäftigt ist, entscheidet ausschließlich die Schulaufsichtsbehörde. 3. Außer Betracht bleiben neuerrichtete Stellen, bis diese durch eine besondere Lehrkraft versehen werden. 32 Wenn daher eine Alterszulage über den gesetzlichen Normalbetrag hinausgeht, so hat den Mehr­ betrag der Schulverband zu zahlen, §§ 58 ff. 33 Die §§ 43—55 regeln die staatlichen Leistungen zur Lehrerbesoldnng und für „andere Bedürfnisse des Schulverbandes," AAnw. Ziff. 23 ff. Zur Durchführung sind besondere ErgänzungsZuschüsse gesetzlich bereitgestellt, §§ 53—55 und MErl., betr. den rechnungsmäßigen Nachweis der Staatsbeiträge, v. 5. Nov. 1909 und 17. Jan. 1910 (ZentrBl. Unterr. 844 und 327), und betr. Staats­ zuschüsse zu den Alterszulagekassen, v. 13. Jan. 1910 (ebenda 306). — Über die weiteren Staatsleistungen für Schulzwecke s. §§ 17 ff. BolksschUG.

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XL Abschn. Volksschulrecht.

4. Außerdem wird in den Schulverbänden mit nicht mehr als sieben echulftellcn für die Stelle eines ersten oder alleinstehenden Lehrers, der die im § 24 Abs. 2 gedachte Zulage er« hält, ein fernerer Staatsbeitrag in Höhe dieser Zulage gezahlt. 5. Das Recht auf den Bezug des Staatsbeitrages ruht, solange und soweit durch dessen Zahlung eine Erleichterung der nach öffentlichem Recht zur Schulunterhaltung Verpflichteten, mit Rücksicht auf vorhandenes Schulvermögen oder auf Lerpflichtungen Dritter aus bc* sonderen Rechtstiteln nicht würde bewirkt werden. 6. Soweit nach den Borschriften der §§ 3 und 4 eine Erhöhung der am 1. Januar 1909 in M, bet Lehrerinnenstellen um weniger als 150 M erfolgt, tritt in den Schulverbänden mit nicht mehr als sieben Schulstellen eine Verringerung des weiteren Staatsbeitrages (Abs. 2 Satz 2) um den Betrag ein, bis zu welchem die Erhöhung hinter den vorgenannten Beträgen zurückbleibt. Bei vereinigten Kirchen- und Schulämtern ist hierbei das reine Lehrergrundgehalt (Grundgehalt abzüglich der Vergütung für die kirchliche Mühewaltung) zugrunde zu legen.

Weitung gewesenen Sätze des Grundgehalts bei Lehrerstellen um weniger als 200

§ 44. Der Staatsbeitrag wird bis zur Höchstzahl von 25 Schulstellen für jede politische Gemeinde gewährt. Sind für die Einwohner einer politischen Gemeinde mehr als 25 Schulstellen vorhanden, so wird der Staatsbeitrag innerhalb der Gesamtzahl von 25 Stellen für so viele erste Lehrerstellen, andere Lehrerstellen und Lehrerinnenstellen gewährt, als dem Verhältnis der Gesamt­ zahl dieser Stellen untereinander entspricht. Bruchteile werden bei denjenigen Schulstellen, für welche der höhere Staatsbeitrag zu zahlen ist, ausgeglichen. Wo die Grenzen der politischen Gemeinde sich mit denen des Schulverbandes nicht decken, dergestalt, daß der Schulverband aus mehreren politischen Gemeinden oder Teilen von solchen besteht und für die Einwohner einer dieser politischen Gemeinden mehr als 25 Stellen vorhanden find, wird durch Beschluß der Schulaufsichtsbehörde nach Anhörung der Beteiligten mit Rücksicht auf die Zahl der Einwohner des Schulverbandes und der Schulkinder, welche den einzelnen politischen Gemeinden angehören, sowie mit Rücksicht auf die Einrichtung der Schule festgesetzt, wie viele ganze der im Schulverbande bestehenden (ersten, anderen Lehrer-, Lehrerinnen-) Stellen auf jede zum Schulverbande gehörende politische Gemeinde oder Teile von Gemeinden zu rechnen sind, für wieviele Stellen demgemäß an den Schulvcrband der Staatsbeitrag zu zahlen ist. Der Beschluß ist den beteiligten Schulverbänden zuzustellen. Denselben steht binnen vier Wochen nach der Zustellung die Beschwerde an den Cbcr* Präsidenten (in den Hohenzollernschen Landen an den Unterrichtsminister) zu, welcher end­ gültig entscheidet. Bei einer erheblichen Änderung der Verhältnisse kann eine neue Berech­ nung von den beteiligten Schulverbänden beantragt oder von der Schulaufsichtsbehörde von Amts wegen beschlossen werden. Gehören die Einwohner einer politischen Gemeinde verschiedenen Schulverbänden an, so werden die für die politische Gemeinde zu berechnenden Staatsbeiträge für erste, andere Lehrer- und Lehrerinnenstellen auf die einzelnen Schul­ verbände durch die Schulaufsichtsbehörde nach dem Verhältnis derjenigen Staatsbeiträge verteilt, welche den Schulverbänden bei Gewährung der Staatsbeiträge für sämtliche Schulstellen zu zahlen sein würden. Tie in diesen Vorschriften angeordnete Festsetzung und Verteilung bleibt bis zum Schluß desjenigen Rechnungsjahres maßgebend, in welchem eine neue getroffen ist. Auf Beschwerden entscheidet der Lberpräsident (in den Hohenzollernschen Landen der Unterrichtsminister) endgültig. § 45. In Schulverbänden, in denen der Staatsbeitrag für alle Schulstellen gezahlt wird, ist er für einstweilig angestellte Lehrer und für Lehrer, welche noch nicht 4 Jahre im öffentlichen Schuldienste gestanden haben, um 280 Jli, für einstweilig angestellte Lehrerinnen um 150 M jährlich zu kürzen. Im Falle des § 5 Abs. 3 findet diese Vorschrift keine Anwendung. Die gleiche Kürzung hat in diesen Schulverbänden bei Erledigung von Schulstellen für die Zeit von der Erledigung bis zur Wiederbesetzung zu erfolgen. Jedoch ist für die Dauer der Gnadenzeit (§ 32) der volle Staatsbeitrag zu gewähren.

4. Lehrerbesoldungsgesetz.

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§ 48. Für die Lehrerstellen, für welche der Staat den Besoldungsbeitrag (§§ 43, 44) an den Schulverband gewährt, wird aus der Staatskasse ein jährlicher Zuschuß von je 337 Jll, für die Lehrerinnenstellen dieser Art ein jährlicher Zuschuß von je 184 M an die Alterszulagekasse des Bezirks gezahlt und dem Schulverbande auf seinen Beitrag zur Kasse angerechnet. In Schulverbänden mit nicht mehr als sieben Schulstellen wird ein weiterer jährlicher Zuschuß von 135 M für die Lehrerstelle und 70 Jll für die Lehrerinstelle gewährt. In dem Falle des § 44 Abs. 4 erfolgt die Zahlung und Anrechnung für die einzelnen Schul­ verbände nach dem Verhältnis der ihnen zu gewährenden Besoldungsbeiträge. § 47. Wenn innerhalb mehrerer Gemeinden die Grenzen geändert werden, so wird der Betrag, um den sich nach den vorstehenden Besümmungen der für sämtliche beteiligte Ge­ meinden zu gewährende Staatsbeitrag verringern würde, auch fernerhin fortgezahlt.33 In dem Auseinandersetzungsverfahren, welches sich an die Abänderung der Gemeindegrenzen knüpft, wird auch darüber verfügt, an wen im Sinne der vorstehenden Besümmungen diese Fortzahlung zu leisten ist. Steigt in einem Schulverbande mit nicht mehr als sieben Schulstellen die Zahl der Schul­ stellen auf mehr als sieben, so wird dem Schulverbande der von ihm bis dahin bezogene weitere Staatsbeitrag (§ 43 Abs. 2) und weiterer Staatszuschuß (§ 46 Abs. 2) fortgewährt. Das gleiche gilt im Falle der Änderung des Schulverbandes mit der Maßgabe, daß in dem sich an die Änderung anschließenden Auseinandersetzungsverfahren gleichzeitig darüber verfügt wird, an wen der Betrag weiter zu zahlen ist. § 48. Soweit in einem Jahre der für die Gewährung eines Alterszulagesatzes von 100 Jll für die Lehrerstelle und 80 M für die Lehrerinstelle erforderliche Bedarf hinter dem. im § 46 Abs. 1 gedachten Staatszuschusse zurückbleibt, ist der Staatszuschuß entsprechend zu kürzen. Eine Kürzung des weiteren Staatszuschusses (§ 46 Abs. 2) findet nicht statt. Der durch die Kürzung gewonnene Betrag ist zur Unterstützung solcher Alterszulagen­ kassen zu verwenden, in denen der Bedarf für die Gewährung des in Abs. 1 gedachten Einheitssatzes durch den Staatszuschuß (§ 46 Abs. 1) nicht gedeckt wird. Soweit der Betrag nicht hierzu Verwendung zu finden hat, ist er zur Unterstützung von leistungsunfähigen Schul­ verbänden bei Elementarschulbauten in den Staatshaushaltsetat einzustellen. § 49. Die nach § 27 V des G. v. 3. März 1897 (GS. 25) zu zahlenden Staatsbeiträge und Staatszuschüsse werden vorbehaltlich der Vorschriften in den §§ 50 und 51 weiter gewährt. § 50. Die Staatsbeiträge und Staatszuschüsse (§§ 43 bis 46, 49) fallen vom 1. April 1909 ab in Gemeinden endgülüg fort, wo sie den Betrag von zwei vom Hundert desjenigen Veranlagungssolls nicht übersteigen, welches nach den Vorschriften des Kommunalabgaben­ gesetzes der Gemeindebesteuerung der Einkommen von mehr als 900 Jll für das Rechnungs­ jahr 1908 zugrunde zu legen toor.35 Maßgebend ist einerseits das Veranlagungssoll nach dem Stande des 1. Januar 1909, und zwar unter Berücksichügung der bis zu diesem Zeitpunkte endgülüg eingetretenen Berichügungen und Veränderungen, andererseits der Betrag an Staatsbeiträgen und Staatszuschüssen, wie er am 1. Januar 1909 zuzüglich der nach § 45 etwa gekürzten Summe zu zahlen war. Diese Vorschrift findet auf Gutsbezirke mit der Maßgabe Anwendung, daß das der Kreis­ besteuerung33 zugrunde zu legende Einkommensteuerveranlagungssoll ausschließlich der auf Einkommen von nicht mehr als 500 Jll entfallenden Steuerbeträge in Ansatz zu bringen ist. In Gesamtschulverbänden ist das umlagesähige Einkommensteuerveranlagungssoll (Abs. 1 und 2) der zu dem Gesamtschulverbande gehörigen Gemeinden (Gutsbezirke) zusammenzu­ rechnen. Dabei ist, wenn eine Gemeinde (Gutsbezirk) zu mehreren Gesamtschulverbänden gehört, oder eine Gemeinde (Gutsbezirk), die für sich einen Schulverband bildet, gleichzeiüg zu einem Gesamtschulverbande gehört, das Veranlagungssoll dieser Gemeinde (Gutsbezirk) 34 MErl. v. 27. Juli und 23. Dez. 1911 (ZentrBl. Unten. 1912, S. 259). 35 AAnw. Ziff. 26. 36 Nach Kreis- und ProvAbgG. v. 23. April 1906, s. Abschn. XII.

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XL Abschn.

Volksschulrecht.

nach dem Maßstabe des § 9 Abs. 2 des Volksschulunterhaltungsgesetzes, wie er am 1. Januar 1909 in Geltung war, zu verteilen. In Schulverbänden, in denen die Schullasten von den Hausvätern aufzubringen sind (Schulsozietäten, ALR. Teil II Tit. 12 § 29 ff.), ist das für die Berteilung der Schulabgaben in Ansatz zu bringende Einkommensteuersoll der Hausväter mit Ausschluß der auf Einkommen von nicht mehr als 900 M entfallenden Steuerbeträge zu berücksichtigen. Bei Streitigkeiten über den Fortfall der gesetzlichen Leistungen beschließt der Bezirks­ ausschuß. Gegen dessen Beschluß steht den Beteiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde an den Provinzialrat zu. In den Hohenzollernschen Landen beschließt der Bezirksausschuß endgültig. § 51. Die Staatsbeiträge und Staatszuschüsse (§§ 43 bis 46, 49) fallen auch in denjenigen einen eigenen Schulverbaud bildenden Gemeinden vom 1. April 1909 ab endgültig fort, in denen im Rechnungsjahre 1908 die Gemeindebelastung der Staatseinkommensteuer mit Zuschlägen oder einer besonderen Gemeindeeinkommensteuer den vollen Satz der Staats« einkommensteuer nicht überstiegen hat, sofern nicht die gesetzlichen Staatsleistungen nach dem Stande vom 1. Januar 1909 (§ 50 Abs. 1 Satz 2) den Satz von fünf vom Hundert des im § 50 Abs. 1 gedachten Veranlagungssolls übersteigen. Die Vorschrift findet auch Anwendung: a) auf die einen eigenen Schulverband bildenden Gutsbezirke mit der Maßgabe, daß statt der Gemeindebelastung die Belastung mit Kreisabgaben berücksichtigt wird und für die daneben bestehenden Gutslasten fünfzig vom Hundert in Anrechnung kommen. An Stelle des Veranlagungssolls der Gemeinde ist das für die Kreisbesteuerung zu­ grunde zu legende Einkommensteuerveranlagungssoll ausschließlich der auf Einkommen voü nicht mehr als 900 M entfallenden Steuerbeträge in Ansatz zu bringen; b) auf Gesamtschulverbände mit der Maßgabe, daß die gedachte kommunale Belastung (Abs. 1, Abi. 2a) aller zu dem Verbände gehörigen Gemeinden (Gutsbezirke) zusammen­ zurechnen und durch die Zahl der beteiligten Gemeinden (Gutsbezirke) zu teilen ist; zwecks Berechnung der fünf vom Hundert ist das Steuersoll dieser Gemeinden (Guts­ bezirke) zusammenzurechnen. Dabei findet die Vorschrift im § 50 Abs. 3 Satz 2 An­ wendung. Bei Streitigkeiten erfolgt die Entscheidung in dem im § 50 Schlußabsatz gedachten Verfahren. § 52. Die Staatsbeiträge und Staatszuschüsse sind vierteljährlich im voraus zu zahlen, soweit sie nicht gegen die von den Schulverbänden zu entrichtenden Alterszulage- und Ruhe­ gehalts- und Witwen- und Waisenkassenbeiträge aufgerechnet werden. § 53. Zur Gewährung von Ergänzungszuschüssen37 an Schulverbände mit fünfund­ zwanzig oder weniger Schulstellen im Geltungsbereich des Volksschulunterhaltungsgesetzes wird ein Betrag von 15,10 Millionen Mark durch den Staatshaushaltsetat alljährlich bereit« gestellt. Tie Verteilung erfolgt durch den Unterrichtsminister und den Finanzminister unter Berücksichtigung des diesen Schulverbänden durch dieses Gesetz erwachsenden Mehrauf­ wandes sowie ihrer Leistungsfähigkeit auf die Provinzen und die Hohenzollernschen Lande. Innerhalb der Provinzen und der Hohenzollernschen Lande erfolgt die weitere Verteilung auf die Landkreise nach dem gleichen Verhältnis auf dem im § 19 Abs. 2 des VolksschUG. bezeichneten Wege. Tie auf die Landkreise entfallenden Summen wachsen den Unterstützungs­ fonds der einzelnen Steife zu. Dem Landtage ist eine Übersicht über die Verteilung des Fonds auf die Provinzen und Kreise vorzulegen. Die den Unterstützungsfonds der Landkreise zuwachsenden Summen sind gemäß § 23 des VolksschUG. auf die Schulverbände unter Berücksichtigung des ihnen durch dieses Gesetz er­ Die Verwachsenden Mehraufwandes sowie ihrer Leistungsfähigkeit unterzuverteilen. 37 Diese Ergänzungszuschüsse sotten ergänzend denjenigen Schulverbänden helfen, deren Leistungs­ unfähigkeit durch die §§ 50 u. 51 nicht erschöpfend erfaßt und ausgeglichen ist.

4. Lehrerbesoldungsgesetz.

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teilung erfolgt zunächst für die Rechnungsjahre 1908 und 1909. Für die drei letzten Jahre der ersten Verteilungsperiode sind die Unterstützungsfonds der Landkreise in ihrem gesamten Umfange gemäß § 23 des Volksschulunterhaltungsgesetzes neu zu verteilen. § 54. Zur Gewährung von Ergänzungszuschüssen an Schulverbände mit fünfundzwanzig oder weniger Schulstellen in den Provinzen Posen und Westpreußen wird ein Betrag von 2,95 Millionen Mark durch den Staatshaushaltsetat alljährlich bereitgestellt. § 55. Zur Gewährung von Ergänzungszuschüssen an Schulverbände mit mehr als fünf­ undzwanzig Stellen wird ein Betrag von 2,7 Millionen Mark durch den Staatshaushalts­ etat alljährlich bereitgestellt?« § 56. Den Vorschriften dieses G. wird rückwirkende Kraft v. 1. April 1908 ab beigelegt?* Tie bestehenden Gehaltsregulative, Ordnungen und Festsetzungen sind in den Fällen, in denen dies erforderlich ist, nach den Vorschriften dieses Gesetzes neu zu gestalten. § 57. Für alle Schulstellen mit Ausnahme der Stellen für technische Lehrkräfte tritt mit Wirkung vom 1. April 1908 ab das int § 3 bestimmte Grundgehalt, ohne daß es einer Be­ schlußfassung des Schulverbandes bedarf, an die Stelle des in der bisherigen Gehaltsordnung vorgesehenen Grundgehalts, für die mit einem Kirchenamt dauernd verbundenen Stellen (§ 6) an die Stelle des nach Abzug des Mehrbetrages für die kirchliche Mühewaltung ver­ bleibenden reinen Lehrergrundgehalts. Für die technischen Lehrkräfte ist an Stelle des bis­ herigen Grundgehalts das im § 4 bezeichnete Mindestgrundgehalt zu zahlen. Neben dem Grundgehalt ist den Leitern von Schulen mit sechs oder mehr aufsteigenden Klassen, anderen Schulleitern und den ersten Lehrern an Volksschulen mit drei oder mehr Lehrkräften, denen Leitungsbefugnisse übertragen sind, die im § 24 Abs. 1 gedachte Mindestamtszulage, den sonstigen ersten Lehrern und den alleinstehenden Lehrern die im § 24 Abs. 2 gedachte Amts­ zulage zu zahlen. In gleicher Weise tritt mit Wirkung vom 1. April 1908 ab für alle Schulstellen mit Ausnähme der im Schulverband Berlin vorhandenen Schulstellen der im § 8 bestimmte Alters­ zulagesatz ohne weiteres an die Stelle des in der bisherigen Gehaltsordnung vorgesehenen Alterszulagesatzes. § 58. Auf die am 1. April 1908 oder seit diesem Tage bis zur Verkündung dieses G. end­ gültig oder einstweilig angestellten Lehrkräfte findet die Vorschrift des § 19 nur dann AnWendung, wenn sie zu einem ihnen günstigeren Ergebnisse führt?* Im übrigen haben sie das Wahlrecht, ob sie bei der bisherigen Gehaltsordnung verbleiben oder sich den Bestim­ mungen dieses G. unterwerfen wollen. Sie sind zur Erklärung darüber aufzufordern. Die Aufforderung darf erst nach Feststellung der Mietentschädigung erfolgen. Wird eine Orts­ zulage (§§ 20, 21), in den Fällen des § 24 Abs. 3 und 4 eine Amtszulage und im Falle des § 24 Abs. 1 eine über den Mindestsatz hinausgehende Amtszulage bewilligt, so ist die Aufforde­ rung zu wiederholen. Die Vorschrift findet aber nur auf die erstmalige Bewilligung einer Orts- oder Amtszulage Anwendung. Die Erklärung ist binnen vier Wochen nach Zustellung der Aufforderung schriftlich abzugeben und unwiderruflich. Wird keine Erklärung abgegeben, so wird die Unterwerfung unter die neue Ordnung angenommen. Wird die alte Ordnung gewählt, so ist den Stelleninhabern bis zu ihrem Ausscheiden das nach der bisherigen Ord­ nung zustehende Diensteinkommen (Grundgehalt, Alterszulage, Mietentschädigung) zu gewähren. § 59. Sind im Falle des § 61 oder im Falle der Wahl der alten Ordnung den Stellen­ inhabern Alterszulagen nach einem höheren Satze als dem im § 8 bestimmten zu gewähren, so ist dieses Mehr von dem Schulverbande zu zahlen. Sofern für die Zeit vom 1. April 1908 bis zum 31. März 1909 auf Grund der bisherigen 38 Dieser Fonds soll entsprechend dem nach § 18 BolksschUG. bereitgestellten Fonds als Zentralsonds verwaltet werden. 39 Auch für die Staatsbeiträge, Staatszuschüsse und Ergänzungszuschüsse sowie die Berechnung der öffentlichen Schuldienstzeit für das Besoldungsdienstalter. 40 Dazu MErl. v. 26. Febr. 1912, betr. Berechnung der Mietentschädigung (ZentrBl. Unten. 323).

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XL Abschn. Voltsschulrecht.

Gehaltsordnung ein Tiensteinkommen gezahlt worden ist, welches das Tiensteinkommen der neuen Ordnung übersteigt, findet eine Rückzahlung auf Grund dieses G. nicht statt. § 60. Sofern endgültig oder einstweilig angestellte Lehrkräfte zwischen dem 1. April 1908 und dem Termin, an welchem die im § 58 vorgesehene Wahlfrist für sie abgelaufen sein würde, aus ihren Stellen durch Pensionierung, Tod, Versetzung oder auf andere Weise ausgeschieden sind, so sind, falls die neue Ordnung für sie günstiger ist und eine bis auf ihre Dienstzeit rückwirkende Kraft erhält, die ihnen, ihren Hinterbliebenen oder Erben zustehenden Bezüge an Diensteinkommen, Gnadenvierteljahr, Ruhegehalt, Witwen- und Waisengeld unter Zugrundelegung der neuen Ordnung zu regeln. Ist die alte Ordnung günstiger, so ist für die Regelung der Bezüge das frühere Diensteinkommen zugrunde zu legen. Bei der Berech­ nung des Ruhegehalts findet indes in diesem Falle die Vorschrift im § 19 dann Anwendung, wenn sie zu einem für den Lehrer oder seine Hinterbliebenen günstigeren Ergebnis führt. § 61. In Schulverbänden, in denen die am 1. Januar 1909 in Geltung befindliche Be­ soldungsordnung für die Lehrer und Lehrerinnen — abgesehen von den Inhabern besonders gearteter Schulstellen (Rektoren, Hauptlehrern, sonstigen ersten Lehrern und Lehrkräften an gehobenen Klassen und an Schulen für nicht normal veranlagte Kinder usw.) an Grundgehalt und Alterszulagen im Endbetrage ein Diensteinkommen vorsieht, welches das End­ gehalt des in den §§ 3 und 8 bestimmten Tiensteinkommens übersteigt, verbleibt es bis zu einer anderweiten Beschlußfassung des Schulverbandes bei der bisherigen Gehaltsordnung, und zwar mit der Maßgabe, daß diese auch für die zu errichtenden neuen Schulstellen maß­ gebend ist. Bei vereinigten Kirchen- und Schulämtern ist für die Berechnung des Endgehalts nur das reine Lehrer-Grundgehalt (Grundgehalt abzüglich der Vergütung für die kirchliche Mühewaltung) zugrunde zu legen. Auch hinsichtlich der Mictentschädigung bleibt die bis­ herige Gehaltsordnung in Kraft. Die Vorschriften der §§ 17 bis 19 finden keine Anwendung. Trifft die vorgedachte Voraussetzung nur für die Lehrer oder nur für die Lehrerinnen zu, so bleibt die bisherige Gehaltsordnung nur für sie bestehen. Der Schulverband ist berechtigt, unbeschadet wohlerworbener Rechte der zeitigen Stellen­ inhaber eine den Vorschriften dieses G. entsprechende Gehaltsordnung einzuführen. Eine solche ist einzuführen, sofern die Besoldungsordnung geändert oder ergänzt werden soll. § 62. Die gemäß § 11 des G. v. 3. März 1897 (GS. 25) erfolgte Anrechnung von Dienst­ zeit wird durch dieses G. nicht berührt. § 63. Die nach § 27 VI des G. v. 3. März 1897 (GS. 25) zu zahlenden Ausfallsentschädigungen werden weitergewährt. Jedoch fallen sie vom 1. April 1909 an in den Gemeinden endgültig fort, in denen sie nicht mehr als zwei vom Hundert des im § 50 Abs. 1 gedachten Einkommensteuerveranlagungssolls für das Rechnungsjahr 1908 nach dem Stande des 1. Januar 1909 betragen. Bei Streitigkeiten erfolgt die Entscheidung in dem im § 50 Schlußabsatz gedachten Verfahren. § 64. Tritt in den äußeren Verhältnissen eines nicht unter die §§ 20 und 21 fallenden Schulverbandes eine wesentliche Veränderung ein, die eine Erhöhung des Tiensteinkommens notwendig macht, so kann nach Anhörung des Provinzialrats durch Kgl. Vg. die Gewährung von Ortszulagen gemäß §§ 20, 22, 23 für zulässig erklärt werden. Von dem Erlaß einer solchen Vg. ist dem Landtage Mitteilung zu machen. 5. Gesetz, betreffend die Pensionierung der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen. Vom 6. Juli 1885 (GS. 298).1 Artikel I. Bis zum Erlasse eines Gesetzes über die Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen gelten für die Pensionierung der Lehrer und Lehrerinnen an denselben folgende Bestimmungen 1 In der Fassung der Nov. v. 26. April 1890 (GS. 89), durch die der § 11, und der Nov. v. 10. Juni 1907 (GS. 133), durch welche die §§ 2, 8, 9, 17, 19, 20 u. 25 des Art. I neu gefaßt und ein neuer

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5. Lehrerpensionsgesetz.

§ 1. Jeder an einer zur Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienenden öffenüichen Schule (öffenüichen Volksschule) definitiv angestellte*3 42Lehrer erhält eine lebenslängliche Pension, wenn er nach einer Dienstzeit von wenigstens zehn Jahren infolge körperlichen Ge­ brechens oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte zur Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig ist und deshalb in den Ruhestand versetzt wird. Ist die Dienstunfähigkeit die Folge einer Krankheit, Verwundung oder sonstigen Beschädi­ gung, welche der Lehrer bei Ausübung des Dienstes oder aus Veranlassung desselben ohne eigene Verschuldung sich zugezogen hat, so tritt die Pensionsberechtigung auch bei kürzerer als zehnjähriger Dienstzeit ein. Bei Lehrern, welche das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet haben, ist eingetretene Dienstunfähigkeit nicht Vorbedingung des Anspruchs auf Pension.* Lehrern, welche, abgesehen von dem Falle des Abs. 2, vor Vollendung des zehnten Dienst­ jahres dienstunfähig und deshalb in den Ruhestand versetzt werden, kann bei vorhandener Bedürftigkeit von dem Unterrichtsminister eine Pension entweder auf bestimmte Zeit oder lebenslänglich bewilligt werden. § 2. Die Pension beträgt, wenn die Versetzung in den Ruhestand nach vollendetem zehnten, jedoch vor vollendetem elften Dienstjahr eintritt, 20/w und steigt mit jedem Weitet zurückgelegten Dienstjahre bis zum vollendeten dreißigsten Dienstjahr um 1/60 und von da ab um Viao des im § 4 bestimmten Diensteinkommens. Über den Bettag von "/^dieses Einkommens hinaus findet eine Steigerung nicht statt. In dem im § 1 Abs. 2 erwähnten Falle beträgt die Pension 20/Wf in dem Falle des § 1 Abs. 4 höchstens 20des vorbezeichneten Diensteinkommens. § 3. Bei jeder Pension werden überschießende Markbrüche auf volle Mark abgerundet. § 4.5 Der Berechnung der Pension wird das von dem Lehrer zuletzt bezogene, mit der ihm verliehenen Lehrerstelle nach Festsetzung oder mit Genehmigung der Schulaufsichts­ behörde dauernd verbundene Diensteinkommen an Geld, an freier Wohnung und Feuerung, beziehungsweise Miets- und Feuerungsentschädigung, sowie an Naturalien und Erttag von Dienstländereien zugrunde gelegt. Außerdem kommt die aus Staatsfonds widerruflich gewährte Dienstalterszulage, welche der Lehrer zur Zeit der Pensionierung bezieht, in Anrechnung. Naturalien und der Erttag von Dienstländereien kommen mit demjenigen Bettage zur Berechnung, auf welchen deren Geldwert als Teil der von der Schulaufsichtsbehörde fest­ gesetzten Besoldung festgestellt worden ist, vorbehaltlich der Vorschrift des § 45 des Gesetzes über die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichtsbehörden v. 1. Aug. 1883 (GS. 237). Dienstemolumente, welche ihrer Natur nach steigend und fallend sind, insbesondere Einfünfte an Schulgeld, werden nach den bei Verleihung des Rechtes auf diese Dienstemolumente deshalb getroffenen Festsetzungen und in Ermangelung solcher Festsetzungen nach ihrem durchschnittlichen Bettage während der drei letzten Etatsjahre vor dem Etatsjahre, in welchem die Pension festgestellt wird, zur Anrechnung gebracht. Art. II zugesetzt worden ist, sowie unter Berücksichtigung des RuhegehaltskG. und des LehrerbesG., durch welche die §§ 4, 15 und 26 abgeändert worden sind. 2 Das G. war nur als provisorisches erlassen, ist aber durch § 64 des VolksschUG. ausdrücklich auf­ rechterhalten. — AAnw. v. 2. März und 24. Nov. 1886 (ZenttBl. Unterr. 1886, S. 387 und 1887, S. 383), im folgenden kurz mit AAnw. bezeichnet. 3 Vorläufig angestellten Lehrern kann bei Würdigkeit und Bedürftigkeit eine Unterstützung be­ willigt werden, MErl. v. 9. Febr. 1888 (ZenttBl. Unterr. 404). 4 Sie können zwangsweise pensioniert werden, MErl. v. 5. Sept. 1888 (ZenttBl. Unterr. 765). 5 Abgeändert durch RuhegehaltskG., s. nachstehend unter Nr. 7, und LehrerbesG. §§ 19 u. 30. Für die Festsetzung des Ruhegehalts kommt das Grundgehalt in Betracht, nicht aber der Anrechnungswert seiner Bestandteile, ferner nur das dauernd mit der Schulstelle verbundene Dienstemkomrnen, nicht persönliche widerrufliche Zulagen oder Einkommen aus Nebenbeschäftigungen; nicht mehr die tatsächliche Mietentschädigung, sondern der nach § 19 LehrerbesG. ermittelte Durchshnittssah der Mietentschädigung wird angerechnet. Reich elt, Berwaltungsgesetzbuch.

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XI. Abschn. Volksschulrecht.

Tiefe Borschriften gelten auch für die Berechnung der Pension eines Lehrers, mit dessen Schulamt ein kirchliches Amt vereinigt ist, dergestalt, daß der Berechnung das Tienfteinkommen der vereinigten Stelle, ohne Rüch'icht darauf, aus welchen Quellen solches oder einzelne Teile desselben fließen, als ein einheitliches Stelleneinkommen zugrunde zu legen ist.6 7 8 9 8 5. Bei Berechnung der Dienstzeit kommt die gesamte Zeit in Anrechnung, während welcher ein Lehrer im öffentlichen Schuldienste in Preußen sich befunden hat? Die Dienstzeit wird vom Tage der ersten eidlichen Verpflichtung für den öffentlichen Schuldienst an gerechnet. St mm jedoch ein Lehrer nachweisen, daß seine Vereidigung erst nach seinem Eintritte m den öffentlichen Schuldienst stattgefunden hat, so wird die Dienstzeit von letzterem Zeitpunkte an gerechnet. 8 6. Bei Berechnung der Dienstzeit kommt auch die Zeit in Anrechnung, während welcher ein Lehrer 1. im Dienste des Preußischen Staates, des Norddeutschen Bundes oder des Teutschen Reiches sich befunden hat, oder 2. als anstellungsberechtigte ehemalige Militärperson nur vorläufig oder auf Probe im Zivildienste des Preußischen Staates, des Norddeutschen Bundes oder des Teutschen Reiches beschäftigt worden ist, oder 3. in den von Preußen neu erworbenen Landestcilen im öffentlichen Schuldienste oder im unmittelbaren Dienste der damaligen Landesherrschaft sich befunden hat. Ausgeschlossen bleibt die Anrechnung derjenigen Dienstzeit, während welcher die Zeit und Strafte eines Lehrers durch die ihm übertragenen Geschäfte nur nebenbei in Anspruch genommen gewesen sind. 8 7. Ter Dienstzeit im Schulamte wird die Zeit des aktiven Militärdienstes hinzugerechnet. 8 8. Tie Dienstzeit, welche vor Beginn des achtzehnten Lebensjahres liegt, bleibt außer Berechnung.6 Im Kriegsfälle wird die Militärdienstzeit vom Beginne des Krieges, beim Eintritt in den Militärdienst während des Krieges vom Tage des Eintritts ab gerechnet. 8 9. Für jeden Krieg, an welchem ein Lehrer im preußischen oder im Reichsheer oder in der Preußischen oder Kaiserlichen Marine oder bei den Kaiserlichen Schutztruppen teil­ genommen hat,6 wird demselben zu der wirklichen Dauer der Dienstzeit ein Jahr zugerechnet: jedoch ist für mehrere in ein Kalenderjahr fallende Kriege die Anrechnung nur eines Kriegs­ jahres zulässig. Wer als Teilnehmer an einem Krieg anzusehen ist, unter welchen Voraussetzungen bei Kriegen von längerer Tauer mehrere Kriegsjahre anzurechnen sind, welche militärische Unter­ nehmung als ein Krieg im Sinne dieses G. anzusehen und welche Zeit als Kriegszeit zu rechnen ist, wenn keine Mobilmachung oder Demobilmachung stattgefunden hat, dafür ist die nach § 17 und § 7 der RG. v. 31. Mai 1906 (RGBl. 565 und 593) in jedem Falle ergehende Bestimmung des Kaisers maßgebend. Für die Vergangenheit bewendet es bei den hierüber durch Königliche oder Kaiserliche Erlasse gegebenen Bestimmungen. 6 AAnw. Zifs. 11 u. 12 und § 6 LehrerbesG. 7 AAnw. Zisf. 13 ff.: Als Dienstzeit gilt auch die Zeit der Adjuvantur und der provisorischen Anstellung, sowie diejenige Zeit, während welcher einem anstellungsfähigen Schulamtskandidaten seitens der Schulaufsichtsbehörde auch nur die kommissarische Verwaltung einer vakanten Schulstelle oder die Vertretung eines beurlaubten oder sonst behinderten Lehrers übertragen war-----------überhaupt jedes mit Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde erfolgte tatsächliche funktionieren an einer öffentlichen Volksschule, selbst ohne formelle Anstellungsfähigkeit, Entsch. RG. im ZentrBl. Unterr. 1891, S- 710. 8 S. dagegen § 34 Abs. 5 LehrerbesG. Für das Besoldungsdienstalter ist also nach wie vor das 21. Lebensjahr entscheidend. 9 und zwar im Verbände des mobilen Heeres, Teilnahme als freiwilliger Svrantenpsieget reicht nicht aus; im übrigen ist nach Abs. 2 die Bestimmung des Kaisers maßgebend.

5. Lehrerpensionsgesetz.

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§ 10. Die Zeit a) eines Festungsarrestes von einjähriger und längerer Dauer, b) der Kriegsgefangenschaft kann nur unter besonderen Umständen mit Kgl. Genehmigung angerechnet werden. § 11. Mt Genehmigung des Unterrichtsministers kann zukünftig nach Maßgabe der Besümmungen in den §§ 5 bis 9 auch die Zeit angerechnet werden, während welcher ein Lehrer außerhalb Preußens im Schuldienst oder im In- oder Auslande im Kirchendienst gestanden, oder als Lehrer oder Erzieher an einer Taubstummen-, Blinden-, Idioten-, Waisen-, Rettungs- oder ähnlichen Anstalt im Dienst einer Gemeinde oder eines sonstigen kommunalen Verbandes, oder im Dienst einer Stiftungsanstalt der bezeichneten Art sich befunden hat.13 § 12. Hat der Inhaber eines vereinigten Kirchen- und Schulamtes bei der Versetzung in den Ruhestand eine Pension aus kirchlichen Mitteln zu beanspruchen, so wird der Betrag derselben auf die nach den Vorschriften dieses G. zu gewährende Pension angerechnet. § 13. Die Bestimmung darüber, ob und zu welchem Zeitpunkte dem Antrage eines Lehrers auf Versetzung in den Ruhestand stattzugeben ist, erfolgt durch die Schulausftcf)t3bef)öi:be.*11 § 14. Die Entscheidung darüber, ob und welche Pension einem Lehrer bei seiner Ver­ setzung in den Ruhestand zusteht, erfolgt durch die Schulaufsichtsbehörde. § 15. Die Beschreitung des Rechtsweges gegen diese Entscheidung (§ 14) steht dem Lehrer, sowie den zur Unterhaltung der Schule Verpflichteten offen; doch muß die Entscheidung des Oberpräsidenten der Klage vorangehen und letztere sodann, bei Verlust des Klagerechts, innerhalb sechs Monaten, nachdem diese Entscheidung den Beschwerdeführern bekanntgemacht worden ist, erhoben werden. Der Verlust des Klagerechts tritt auch dann ein, wenn von den Beteiligten gegen die Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde über den Anspruch auf Pension nicht binnen gleicher Frist die Beschwerde an den Oberpräsidenten erhoben ist.12 § 16. Die Versetzung in den Ruhestand tritt, sofern nicht auf den Antrag oder mit aus­ drücklicher Zustimmung des Lehrers ein früherer Zeitpunkt festgesetzt wird, mit dem Ablaufe desjenigen Vierteljahres ein, welches auf den Monat folgt, in welchem dem Lehrer die Ent­ scheidung der Schulaufsichtsbehörde über seine Versetzung in den Ruhestand und die Höhe der ihm etwa zustehenden Pension bekanntgemacht worden ist.13 § 17. Die Pensionen werden für jedes Kalendervierteljahr im voraus in einer Summe gezahlt. § 18. Das Recht auf den Bezug der Pension kann weder abgetreten noch verpfändet werden. § 19. Das Recht auf den Bezug der Pension tuljt:14 1. wenn ein Pensionär das deutsche Jndigenat verliert, bis zur etwaigen Wiedererlangung desselben; 2. wenn und solange ein Pensionär im Reichs- oder Staatsdienst, im Dienste einer Ge­ meinde oder eines sonstigen kommunalen Verbandes, im öffentlichen Schuldienst oder im Kirchendienst ein Diensteinkommen bezieht, insoweit der Betrag dieses neuen Dienst­ einkommens unter Hinzurechnung der Pension den Betrag des von dem Lehrer vor der Pensionierung bezogenen pensionsfähigen Diensteinkommens übersteigt. Als Reichs- oder Staatsdienst, sowie als Dienst einer Gemeinde oder eines sonstigen kom10 Die gemäß §§ 34 ff. LehrerbesG. erfolgte Anrechnung von Dienstzeit auf das Besoldungsdienst­ alter ist auch für die Pensionierung maßgebend. 11 Gegen diese Entscheidung findet nur die Beschwerde an den Unterrichtsminister statt, s. jedoch §§ 14 u. 15. 12 Die Zuständigkeit des Oberpräsidenten beruht auf § 17 RuhegehaltskG. Die Klage (Zivil­ prozeß) kann nicht gegen die Schulaufsichtsbehörde gerichtet werden, sondern muß unter den Be­ teiligten und der Ruhegehaltskasse ausgesochten werden. Beschwerde und Klage steht auch dem Kassenanwalt offen. 13 Die Verfügung über die Pensionierung und Pensionsfestsetzung ist auch dem Schulvorstande (Magistrate) und Kassenanwalte mitzuteilen. 14 Eine Entziehung der Pension ist nicht zulässig, auch nicht bei Verlust der bürgerlichen Ehren­ rechte oder Zuchthausstrafe.

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XL Abschn. Volksschulrecht.

munden Verbandes im Sinne dieser Vorschrift gilt außer dem Militär- und Gendarmerie­ dienste jede Anstellung oder Beschäftigung als Beamter oder in der Eigenschaft eines Beamten im Dienste des Deutschen Reiches, eines Bundesstaats, eines deutschen Kommunalverbandes, der Versicherungsanstalten für die Invalidenversicherung und ständischer oder solcher Institute, welche ganz oder zum Teil aus Mitteln des Reiches, eines Bundesstaats oder eines deutschen Kommunalverbandes unterhalten werden. Bei Berechnung des neuen Diensteinkommens sind diejenigen Beträge, welche für die Bestreitung von Repräsentations- oder Tienstauswandskosten, sowie zur Entschädigung für außergewöhnliche Teuerungsverhältnisse gewährt werden und die Ortszulagen der Auslands­ beamten nicht in Ansatz zu bringen; die Dienstwohnung ist mit dem pensionsfähigen oder sonst hierfür festgesetzten Werte, der Wohnungsgeldzuschuß oder eine entsprechende Zulage mit dem pensionsfähigen Betrag oder, sofern er nicht pensionsfähig ist, mit dem Turchschnittssatz anzurechnen. Ist jedoch der wirkliche Betrag des Wohnungsgeldzuschusses oder der Zu­ lage geringer, so ist nur dieser anzurechnen. § 20* Ein pensionierter Lehrer, welcher in eine an sich zur Pension berechtigende Stellung, im öffentlichen Volksschuldienste wieder eingetreten ist, erwirbt für den Fall des Zurücktretens. in den Ruhestand den Anspruch auf Gewährung einer neuen Pension nur dann, wenn die neue Dienstzeit wenigstens ein Jahr betragen hat. Bei der Pensionierung aus der neuen Stelle ist dem Lehrer eine Pension von 1/60, uv soweit aber die der früheren Pensionierung zugrunde gelegte alte und die neue Dienstzeit zusammen dreißig Tienstjahre übersteigt, von 1/120 seines neuen pensionsfähigen Tiensteinkommens für jedes nach der früheren Pensionierung zurückgelegte Tienstjahr zu gewähren. Insoweit der Betrag der neuen Pension und der früher bewilligten Pension zusammen 45/ec des höchsten Diensteinkommens, von welchem eine dieser Pensionen berechnet ist, über­ steigen würde, fällt das Recht auf den Bezug der früher bewilligten Pension hinweg. Erdient ein pensionierter Lehrer außerhalb des öffentlichen Volksschuldienstes in einem der im § 19 Nr. 2 genannten Dienste eine Pension, so ist daneben die alte Pension nur bis zur Erreichung desjenigen Pensionsbetrags zu zahlen, welcher sich für die alte und die neue Dienstzeit zusammen aus dem der Festsetzung der alten Pension zugrunde gelegten Diensteinkommen ergibt. § 21. Tie Einziehung, Kürzung oder Wiedergewährung der Pension auf Grund der Bestimmungen in den §§ 19 und 20 tritt mit dem Beginn des Monats ein, welcher auf das eine solche Veränderung nach sich ziehende Ereignis folgt. Im Falle vorübergehender Beschäftigung15 im Reichs- oder Staatsdienste, im Dienste einer Gemeinde oder eines sonstigen kommunalen Verbandes, im öffentlichen Schuldienste oder im Kirchendienste gegen Tagegelder oder eine anderweitige Entschädigung wird die Pension für die ersten sechs Monate dieser Beschäftigung unverkürzt, dagegen vom siebenten Monate ab nur zu dem nach den vorstehenden Bestimmungen zulässigen Betrage gewährt. § 22. Ist die nach Maßgabe dieses G. bemessene Pension geringer als die Pension, welche dem Lehrer hätte gewährt werden müssen, wenn er am 31. März 1886 nach den bis dahin für ihn geltenden Bestimmungen pensioniert worden wäre, so wird diese Pension an Stelle der ersteren bewilligt. Eine Pension nach Maßgabe der bis zum 31. Mürz 1886 für ihn geltenden Bestimmungen ist dem Lehrer auch dann zu gewähren, wenn demselben zur Zeit der Versetzung in den Ruhe­ stand nach den früheren Bestimmungen ein Anspruch auf Pension zugestanden haben würde, nach den Bestimmungen des gegenwärtigen G. jedoch nicht. Die zur Zeit des Inkrafttretens dieses G. im Gebiete des vormaligen Herzogtums Nassau, der vormaligen freien Stadt Frankfurt und in Hohenzollern-Hechingen angestellten Lehrer sind berechtigt, zu verlangen, nach den bis dahin für sie geltenden Bestimmungen pensioniert zu werden. 16 Für den Begriff der vorübergehenden Beschäftigung ist jetzt der MErl. v. 9. April 1895 (MBl. 88) auch für die Unterrichtsverwaltung maßgebend (ZentrBl. Unterr. 1895, S. 597).

5. Lehrerpensionsgesetz.

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§ 23. Zusicherungen, welche in bezug auf dereinstige Bewilligung von Pensionen an einzelne Lehrer oder Kategorien von Lehrern durch den König oder einen der Minister, oder durch eine Provinzialbehörde, oder mit deren Genehmigung gemacht worden sind, bleiben in Kraft. § 24. Die vorstehenden Bestimmungen finden auch auf die an den in § 1 bezeichneten Schulen definitiv angestellten Lehrerinnen Anwendung. § 25. Hinterläßt ein pensionierter Lehrer eine Witwe oder eheliche oder legitimierte Nachkommen, so wird die Pension noch für die auf den Sterbemonat folgenden drei Monate (Gnadenvierteljahr) unter Anrechnung des vor dem Tode des Pensionärs fällig gewordenen Betrages gezahlt.** Die Zahlung erfolgt im voraus in einer Summe. Der gleiche Anspruch steht den ehelichen Nachkommen einer im Witwenstande verstorbenen pensionierten Lehrerin zu. An wen die Zahlung erfolgt, bestimmt die Schulaufsichtsbehörde. Die Zahlung kann auf Verfügung dieser Behörde auch dann stattfinden, wenn der Ver­ storbene Verwandte der aufsteigenden Linie, Geschwister, Geschwisterkinder oder Pflege­ kinder, deren Ernährer er ganz oder überwiegend gewesen ist, in Bedürftigkeit hinterläßt oder wenn und soweit der Nachlaß nicht ausreicht, um die Kosten der letzten Krankheit und der Beerdigung zu decken. § 26. Die Pension wird bis zur Höhe von 700 M aus der Staatskasse, über diesen Betrag hinaus von den sonstigen bisher zur Aufbringung der Pension des Lehrers Verpflichteten, sofern solche nicht vorhanden sind, von den bisher zur Unterhaltung des Lehrers während der Dienstzeit Verpflichteten gezahlt.*? Die auf besonderen Rechtstiteln beruhenden Ver­ pflichtungen Dritter bleiben bestehen.-----------lAbs. 3). Die in Gemäßheit des § 22 Abs. 3 nach den in dem vormaligen Herzogtum Nassau und der vormaligen freien Stadt Frankfurt geltenden Vorschriften berechneten Pensionen fallen der Staatskasse nur insoweit zur Last, als sie die unter Zugrundelegung dieses Gesetzes zu bemessenden Beträge nicht übersteigen. Artikel II. Die Pensionen der Lehrer und Lehrerinnen, welche aus einer der im Art. I § 1 genannten Schulstellen vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes** in den Ruhestand versetzt find, werden bis zu dem Betrage von 600 Jl auf die Staatskasse übernommen. Artikel II (des G. v. 10. Juni 1907). Dieses G. tritt mit Wirkung vom 1. April 1907 in Kraft.** Die auf gesetzlichem Ansprüche beruhenden Pensionen der bereits zu oder vor diesem Zeit­ punkt in den Ruhestand getretenen Lehrer sind, sofern diese an einem der von deutschen Staaten vor 1871 oder von dem Deutschen Reiche geführten Kriege teilgenommen haben, auf Grund des Art. I § 2 mit Wirkung vom 1. April 1907 anderweitig festzusetzen. Unter der gleichen Voraussetzung und in der gleichen Weise können die auf Grund des Art. I § 1 Abs. 4 des G. v. 6. Juli 1885 bewilligten Pensionen erhöht werden. Die auf Grund dieses G. festgesetzten Pensionen werden gemäß Art. I § 26 des G. v. 6. Juli 1885 mit der Maßgabe aufgebracht, daß die Zahlung aus der Staatskasse bis zur Höhe von 700 M erfolgt. 16 Auch von der Unterstützung, die einem entlassenen Lehrer auf Grund § 16 Nr. 2 Abs. 2 DiszG. v. 21. Juli 1852 zugebilligt worden ist, sofern der Tod in die Zeit fällt, für welche die Unterstützung bewilligt ist. 17 § 26 ist durch nachstehenden Art. II des G. v. 10. Juni 1907 (Staatsbeitrag von 700 M) und durch das RuhegehaltskG. abgeändert. Nach letzterem werden die Ruhegehälter, soweit sie nicht durch den staatlichen Beitrag oder die Beiträge der Drittverpflichteten gedeckt sind, aus der Ruhegehaltskasse gezahlt. — Die Pension des Inhabers eines vereinigten Kirchen- und Schul­ amts, soweit sie nicht nach § 12 aus kirchlichen Mitteln gezahlt wird, ist ganz nach § 26 aufzu­ bringen, MErl. v. 16. Mai 1888 (ZentrBl. Unterr. 601). 18 Das LehrerPensG. trat am 1. April 1886 in Kraft.

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XI. Abschn.

Volksschulrecht.

Die Vorschriften des Art. I § 19 finden auch auf die zu oder vor dem 1. April 1907 in den Ruhestand getretenen Lehrer Anwendung; desgleichen die Vorschriften des Art. I § 20, wenn die Lehrer nach dem Inkrafttreten dieses 0). aus den neuen Stellen ausscheiden. Der auf Grund dieses G. den bereits pensionierten Lehrern zu zahlende Pensionsbetrag darf nicht hinter demjenigen zurückbleiben, welcher ihnen nach den bisherigen Vorschriften zusteht. Die Vorschriften des Art. I § 25 finden auf die Hinterbliebenen aller Pensionäre AnWendung, deren Tod am 1. April 1907 oder später eintritt. Die Vorschrift des Art. I § 17 gilt für alle nach dem Inkrafttreten dieses G. zahlbaren Pensionen.

6. Gesetz, betreffend die Fürsorge für die Witwen und Waisen der Lehrer an öffentlichen Volksschulen. Vom 4. Dez. 1899 (GS. 587).1 2 § 1. Die Witwe ^ und die Hinterbliebenen ehelichen oder legitimierten St inbet eines Lehrers, welcher zur Zeit seines nach dem Inkrafttreten dieses G. erfolgten Todes entweder an einer öffentlichen Volksschule angestellt war und Anspruch auf lebenslängliches Ruhegehalt im Falle der Versetzung in den Ruhestand erworben hatte, oder aus dem Dienste an einer öffentlichen Volksschule mit lebenslänglichem Ruhegehalt in den Ruhestand versetzt war, erhalten Witwenund Waisengeld. § 2. Keinen Anspruch auf Witwen- und Waisengeld auf Grund dieses G. haben: 1. diejenigen Witwen und Waisen, welchen ein Anspruch auf Witwen- und Waisengeld auf Grund des G. v. 20. Mai 1882, bett. die Fürsorge für die Witwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten (GS. 298) zusteht; 2. die Witwen und Waisen derjenigen Lehrer, welche zur Zeit ihres Todes oder ihrer Versetzung in den Ruhestand nur nebenamtlich im öffentlichen Volksschuldienst angestellt waren; 3. die Witwe und die Hinterbliebenen Kinder aus der Ehe eines in den Ruhestand getretenen Lehrers, welche erst nach seiner Versetzung in den Ruhestand geschlossen ist; 4. die Witwe und die Kinder eines mit Belastung eines Teiles des gesetzlichen Ruhe­ gehaltes aus dem Dienste entlassenen Lehrers. § 3. Das Witwengeld besteht in vierzig vom Hundert desjenigen Ruhegehalts, zu welchem der Verstorbene berechtigt gewesen ist oder berechtigt gewesen sein würde, wenn er am Todestage in den Ruhestand versetzt worden wäre. Das Witwengeld soll jedoch, vorbehaltlich der int § 5 verordneten Beschränkung mindestens 300 M betragen und 3500 M nicht übersteigen. § 4. Das Waisengeld beträgt:3 1. für Sünder, deren Mutter lebt und zur Zeit des Todes des Lehrers zum Bezüge von Witwengeld berechtigt war, ein Fünftel des Witwengeldes für jedes Kind; 2. für Kinder, deren Mutter nicht mehr lebt oder zur Zeit des Todes des Lehrers zum Bezuge von Witwengeld nicht berechtigt war, ein Drittel des Witwengeldes für jedes .Kind. § 5. Witwen- und Waisengeld dürfen weder einzeln noch zusammen den Betrag des Ruhegehaltes übersteigen, zu welchem der Verstorbene berechtigt gewesen ist oder berechtigt gewesen sein würde, wenn er am Todestage in den Ruhestand versetzt wäre. 1 In der Fassung des G. v. 10. Juni 1907 (GL. 137). — Das G. war nur als provisorisches erlassen, ist aber durch § 64 BolksschUG. ausdrücklich aufrechterhalten. — Dazu AAnw. v. 20. Febr. 1000, int folgenden kurz mit AAnw. bezeichnet, und v. 27. Juni 1907 (ZentrBl. Unten. 418 und 575). 2 aus einer beim Tode des Lehrers bestehenden Ehe; war die Ehe durch Scheidung gelöst, so besteht kein Anspruch auf Witwengeld, auch wenn kt>ie geschiedene Frau von dem Verstorbenen Unterhaltsmittel erhalten hat. 3 über die Festsetzung des Witwen- und Waisengeldes enthält AAnw. Ziff. II, 1 eingehende Vorschriften.

6. Lehrerreliktengeseh.

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Bei Anwendung dieser Beschränkung werden das Witwen- und das Waisengeld verhältnis­ mäßig gekürzt. § 8. Bei dem Ausscheiden eines Witwen- oder Waisengeldberechtigten erhöht sich das Witwen- und Waisengeld der verbleibenden Berechtigten von dem nächstfolgenden Monat an insoweit, als sie sich noch nicht im vollen Genusse der ihnen nach den §§ 3 bis 5 gebührenden Bezüge befinden. § 7. War die Witwe mehr als 15 Jahre jünger als der Verstorbene, so wird das nach Maßgabe der §§ 3 und 5 berechnete Witwengeld für jedes angefangene Jahr des Alters­ unterschieds über 15 bis einschließlich 25 Jahre um 1/ao gekürzt. Auf den nach 8 4 zu berechnenden Betrag des Waisengeldes sind diese Kürzungen des Witwengeldes ohne Einfluß. Nach fünfjähriger Dauer der Ehe wird für jedes angefangene Jahr ihrer weiteren Dauer dem gekürzten Betrage 1/20 des nach Maßgabe der §§ 3 und 5 zu berechnenden Witwengeldes so lange hinzugesetzt, bis der volle Betrag wieder erreicht ist. § 7a* Ist der Verstorbene nach seiner Pensionierung als Lehrer außerhalb des öffent­ lichen Volksschuldienstes in einem der in Art. I § 19 Nr. 2 des G. v. 6. Juli 1885 (GS. 298) in der Fassung des G. v. 10. Juni 1907 genannten Dienste wieder angestellt gewesen, so sind auf das Lehrer-, Witwen- und Waisengeld die den Hinterbliebenen aus der neuen Stellung des Verstorbenen zustehenden Versorgungsansprüche anzurechnen, insoweit die Hinter­ bliebenen ohne diese Anrechnung mehr beziehen würden, als ihnen nach den Bestimmungen dieses G. bei Zugrundelegung des im Art. I § 20 Abs. 4 des LehrPensG. in der Fassung des G. v. 10. Juni 1907 gedachten Pensionsbetrages zustehen würde. § 8. Keinen Anspruch auf Witwengeld hat die Witwe, wenn die Ehe mit dem verstorbenen Lehrer innerhalb dreier Monate vor seinem Ableben geschlossen und die Eheschließung zu dem Zwecke erfolgt ist, um der Witwe den Bezug des Witwengeldes zu verschaffen. § 9. Stirbt einer der im § 1 bezeichneten Lehrer, welchem, wenn er am Todestage in den Ruhestand verseht wäre, auf Grund des Art. I § 1 Abs. 4 des LehrPensG. ein Ruhegehalt hätte bewilligt werden können, so kann der Witwe und den Waisen desselben vom Unter­ richtsminister in Gemeinschaft mit dem Finanzminister Witwen- und Waisengeld bewilligt werden? Stirbt einer der im § 1 bezeichneten Lehrer, welchem nach Art. I §§ 10 und 11 des Lehr­ PensG. im Falle seiner Versetzung in den Ruhestand die Anrechnung gewisser Zeiten auf die in Betracht kommende Dienstzeit hätte bewilligt werden können, so ist der Unterrichtsminister befugt, eine solche Anrechnung auch bei Festsetzung des Witwen- und Waisengeldes an­ zuordnen. § 10. Die Zahlung des Witwen- und Waisengeldes beginnt mit dem Ablaufe der Gnaden­ zeit, die Zahlung des in dem § 4 Ziff. 2 bestimmten Waisengeldes nicht vor dem Beginne des­ jenigen Monats, welcher auf den Zeitpunkt des Eintritts der dort bezeichneten Voraus­ setzung folgt. Das Witwen- und Waisengeld wird monatlich im voraus gezahlt. An wen die Zahlung gültig zu leisten ist, bestimmt die Schulaufsichtsbehörde? § 11. Der Anspruch auf Witwen- und Waisengeld kann mit rechtlicher Wirkung weder abgetreten noch verpfändet oder sonst übertragen werden. § 12. Das Recht auf den Bezug des Witwen- und Waisengeldes erlischt: 1. für jeden Berechtigten mit Ablauf des Monats, in welchem er sich verheiratet oder stirbt; 2. für jede Waise außerdem mit Ablauf des Monats, in welchem sie das achtzehnte Lebens­ jahr vollendet. 4 In den betreffenden Berichten wird zu erörtern sein, wie die persönlichen und Vermögens­ verhältnisse liegen und ob unterstützungspflichtige und unterstützungsfähige Verwandte vorhan­ den sind. 5 AAnw. Ziff. II, 2 u. 3.

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XI. Abi'chn.

Voltsschulrecht.

Das Recht aus den Bezug des Witwen- und Waisengeldes ruht, wenn der Berechtigte die deutsche Staatsangehörigkeit verliert, bis zur etwaigen Wiedererlangung derselben. § 13. Die Entscheidung darüber, ob und welches Witwen- und Waisengcld den Witwen und Waisen eines Lehrers zusteht, erfolgt durch die Schulaufsichtsbehörde, liegen die Entfcheidung der Schulaufsichtsbehörde findet die Beschwerde an den Oberpräfidenten statt, welcher endgültig entscheidet? Tie Beschreitung des Rechtswegs6 7 8gegen 9 10 diese Entscheidung steht den Beteiligten offen, doch muß die Entscheidung des Oberpräsidenten der Klage vorhergehen und letztere sodann bei Berlust des Klagerechts innerhalb sechs Monaten, nachdem den Beteiligten die Ent­ scheidung des Oberpräsidenten bekanntgemacht worden, erhoben werden. Ter Berlust des Klagerechts tritt auch dann ein, wenn von den Beteiligten gegen die Entfcheidung der Schulaufsichtsbehörde über den Anspruch auf Witwen- und Waisengeld nicht binnen gleicher Frist die Beschwerde an den Oberpräsidenten erhoben ist. Für die Hohenzollernschen Lande entscheidet an Stelle des Oberpräsidenten der Unternchtsminister. § 14. Tas Witwengeld wird bis zur Höhe von 420 M, das Waisengeld für Halbwaisen (§ 4 Nr. 1) bis zur Höhe von 84 M, für Vollwaisen (§ 4 Nr. 2) bis zur Höhe von 140 M jährlich aus der Staatskasse gezahlt. Tiefe Vorschrift findet auf die Hinterbliebenen derjenigen Lehrer keine Anwendung, welche zur Zeit ihres Todes oder ihrer Versetzung in den Rubestand an einer öffentlichen Volksschule der Stadt Berlin angestellt waren. Zur Aufbringung des nicht durch Staatsbeitrag gedeckten Witwen- und Waisengeldes itttb die zur Aufbringung des nicht durch Staatsbeitrag gedeckten Teiles des Ruhegehalts des Lehrers (der Ruhegehaltskassenbeiträge), im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen die bisher zur Unterhaltung des Lehrers während der Dienstzeit auf der letzten Schulstellc Verpflichteten verbunden? § 15. 1. Behufs gemeinsamer Bestreitung des durch den Staatsbeitrag nicht gedeckten Teiles der Witwen- und Waisengelder werden die zur Aufbringung verpflichteten Schul verbände (Schulsozietäten, Gemeinden, Gutsbezirke) in jedem Regierungsbezirke zu BezirksWitwen- und Waisenkassen verbunden? 2. Sind für die Mitglieder eines Schulverbandcs, welcher keine widerrufliche Staatsbeihilse zur Unterhaltung der öffentlichen Volksschulen bezieht, mehr als 25 Schulstcllen vorhanden, so ist der Schulverband einer Bezirks-Witwen- und Waisenkasse nicht anzuschließen, wenn er dies innerhalb sechs Wochen nach dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes bei der Bezirksregierung beantragt.^ Wird einem hiernach der Bezirkskasse nicht angeschlossenen Schulverbande später auf seinen Antrag eine widerrufliche Staatsbeihilfe gewährt, so wird von der Bezirksregierung der Anschluß desselben an die Kasse von dem nächsten mit dem 1. April beginnenden Rechnungsjahr ab angeordnet. Ter Austritt eines der Kasse angeschlossenen Schulverbandes ist unstatthaft. 3. Während der Dauer des auf Antrag eines Schulverbandes erfolgten Ausschlusses des­ selben aus der Kasse findet die Vorschrift des § 14 Abs. 1 aus die Hinterbliebenen derjenigen Lehrer keine Anwendung, welche zur Zeit ihres Todes oder ihrer Versetzung in den Ruhe­ stand an einer Volksschule dieses Schulverbandes angestellt waren. 4. Ten Maßstab für die Verteilung des Kassenbedarfs aus die Schulverbände (Schul6 D. h. endgültig im Beschwerdeverfahren, vorbehaltlich des Justizrechtsweges nach Abs. 2. 7 Die Klage ist zu richten „gegen die Volksschullehrer-Witwen- und Waisenkasse des Regierungs­ bezirks —, vertreten durch deren Kassenanwalt", in den Fällen aber, in denen ein Schulverband sich gemäß § 15 Abs. 2 der Bezirkskasse nicht angeschlossen hat, gegen den Schulverband. 8 Uber die Ausbringung der zu zahlenden Witwen- und Waisengelder s. AAnw. Ziff. VIII. 9 Diese „Volksschullehrer-Witwen und Waisenkassen" sind als Nebenfonds der Regierungshauptkassen eingerichtet; über ihre Einrichtung und Verwaltung s. AAnw. Ziff. IX. 10 Dieses Recht, sich nicht anzuschließen, steht also nur denjenigen Schulverbänden zu. die beim Inkrafttreten des G. bereits mehr als 25 Schulstellen hatten.

6. Lehrerreliktengesetz.

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sozietäten, Gemeinden, Gutsbezirke) bildet die Jahressumme des ruhegehaltsberechtigten Diensteinkommens der zur Kasse gehörigen Lehrerstellen am 1. Oktober des Vorjahrs. Bon diesem Diensteinkommen bleibt für jede Stelle ein Betrag bis zu 1200 M außer Berechnung. Bei unbesetzten Stellen sind Dienstalterszulagen nicht in Anrechnung zu bringen. Die für jeden Schulverband (Schulsozietät, Gemeinde, Gutsbezirk) sich ergebende Gesamtsumme des Diensteinkommens wird im Verteilungsplane nach unten auf Hunderte von Mark ab­ gerundet. Der Verteilungsplan gilt ohne Rücksicht auf die inzwischen eingetretenen Ver­ änderungen jedesmal für drei Rechnungsjahre. 5. Im übrigen finden auf die Einrichtung und Verwaltung der Kassen die §§ 2—6, 8—14 und 17 des G., bett. Ruhegehaltskassen für die Lehrer und Lehrerinnen, v. 23. Juli 1893 lGS. 194) sinngemäße Anwendung. § 16. Kein Lehrer einer öffentlichen Volksschule ist fortan verpflichtet, einer die Fürsorge für die Hinterbliebenen bezweckenden Veranstaltung beizutreten, oder, sofern er einer solchen ms Grund einer ihm dahin auferlegten Verpflichtung beigetreten ist, in derselben zu verbleiben. Scheidet er auf Grund dieses G. aus der Veranstaltung aus, so verliert er alle Ansprüche an dieselbe ohne Entschädigung. Haben einzelne Schulverbände besondere Veranstaltungen getroffen, durch welche unter Aufwendung von Mitteln der Schulverbände den Hinterbliebenen der Lehrer an öffentlichen Volksschulen an Stelle der, oder neben den ihnen nach den G. v. 22. Dez. 1869 (GS. 1870, 5. 1), 24. Febr. 1881 (GS. 41) und 27. Juni 1890 (GS. 211) zustehenden Bezügen besondere Vorteile zugesichert sind, so sind die Schulverbände berechtigt, zu verlangen, daß diese Vorteile zugunsten einer Ermäßigung ihrer eigenen Aufwendungen insoweit gekürzt werden, als die den Hinterbliebenen nach dem gegenwärtigen G. zustehenden Witwen- und Waisengelder die ihnen nach der seitherigen Gesetzgebung zustehenden Bezüge übersteigen. Eine Kürzung findet nicht statt, soweit diese Vorteile als Entgelt für diejenigen Beiträge anzusehen sind, welche von den Lehrern zu diesen Veranstaltungen nach dem Inkrafttreten dieses G. fortgeleistet werden. Bei Streitigkeiten der Beteiligten über die Höhe der hiernach den Hinter­ bliebenen zustehenden Vorteile trifft die Bezirksregierung eine im Verwaltungswege voll­ streckbare einstweilige Entscheidung. Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten binnen sechs Wochen die Beschwerde an den Oberpräsidenten, in den Hohenzollernschen Landen an den Unterrichtsminister zu. Gegen die Entscheidung des Oberpräsidenten oder des Unterrichtsministers steht den Be­ teiligten innerhalb einer weiteren Ausschlußfrist von sechs Wochen die Beschreitung des Rechtswegs offen. § 17. Den Mitgliedern der Elementarlehrer-Witwen- und Waisenkassen und den Mit­ gliedern der nach Z 11 des G. v. 22. Dez. 1869 an deren Stelle getretenen Veranstaltungen steht frei, binnen sechs Wochen nach dem Inkrafttreten dieses G. bei der Bezirksregierung des Bezirkes, in welchem sie an einer öffentlichen Volksschule angestellt sind oder angestellt waren, die schriftliche Erklärung abzugeben, daß sie in der Kasse oder Veranstaltung ver­ bleiben und auf die Vorteile dieses G. für ihre künftigen Hinterbliebenen verzichten. Erfolgt die ErNärung, so behalten ihre Hinterbliebenen alle Ansprüche an die Kasse oder Veranstaltung, sowie alle nach besonderer gesetzlicher Vorschrift oder nach dem G. v. 27. Juni 1890 (GS. 211) ihnen zustehenden Ansprüche. Erfolgt eine solche ErNärung nicht, so scheiden sie aus der Kasse oder Veranstaltung aus und cs erlischt auch der Anspruch ihrer Kinder auf Waisengeld aus dem G. v. 27. Juni 1890, sowie derjenige ihrer Hinterbliebenen auf die ihnen sonst nach besonderer gesetzlicher Vor­ schrift zustehenden Bezüge. § 18. Mit dem Inkrafttreten dieses G. werden die Elementarlehrer-Witwen- und Waisen­ kassen für jeden neuen Beitritt geschlossen.^ 11 auch für solche Personen, die satzungsgemäß aufgenommen werden konnten, obwohl sie nicht dem Lehrerslande angehörten, z. B. Kirchenbeamten. Über die Auflösung dieser Kassen s. AAnw. Zist. XII.

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XI. Abschn. Voltsschulrecht.

Sobald sämtliche Verpflichtungen einer Elementarlehrer-Witwen, und Waisenkasse er­ loschen sind, ist das etwa noch vorhandene Kapitalvermögen zur Deckung des Aufwandes der Schulverbände desjenigen Bezirkes zu verwenden, für dessen Schulverbände es angesammelt ist. Tie Verwendung erfolgt zur Deckung der Belastung dieser Schulverbände mit Ausgaben für Witwen, und Waisengelder der Volksschullebrer. Die nähere Ausführung dieser Vorschrift erfolgt durch den Unterrichtsminister in Gemein­ schaft mit dem Finanzminister.---------§ 19. Tie nach § 4 des G. v. 22. Dez. 1869 (GS. 1870, S. 1) und nach § 7 Nr. 3 des G. v. 8. April 1856, bett. die Errichtung einer allgemeinen Schullehrer.Witwenkaffe für das Herzogtum Holstein (G.- und MBl. 116), den Gemeinden (Gutsbezirken usw.) obliegenden Beiträge für Lehrerftellen an öffentlichen Volksschulen werden vom 1. April 1901 ab von Jahr zu Jahr um eine Mark jährlich herabgesetzt. Bei denjenigen Kassen, welche auch bei einer weitergehenden Herabsetzung dieser Beiträge voraussichtlich eines Staatszuschusses (§ 5 des G. v. 22. Dez. 1869) zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen nicht bedürfen, kann vom Unterrichtsminister in Gemeinschaft mit dem Finanzminister schon der frühere Fortfall der Gemeindebeitrüge genehmigt werden, sobald mit Sicherheit anzunehmen ist, daß die bezeichnete Voraus­ setzung zutrifft. Zur Deckung der den einzelnen Elementarlehrer-Witwen- und Waisenkassen obliegenden Verbindlichkeiten sind vor einer Inanspruchnahme des int § 5 des G. v. 22. Dez. 1869 bestimmten Staatszuschusses außer den sonstigen Einnahmen der betreffenden Kasse auch die angesammelten Kapitalien zu verwenden, soweit sie nicht stiftungsmäßig besonderen Zwecken dienen. Sind die Kapitalien der Kasse vollständig verbraucht und stehen ihr auch sonstige Ein­ nahmen nicht zu, so werden die der Kasse obliegenden Verbindlichkeiten unmittelbar aus der Staatskasse gedeckt. § 20. Die Einführung des G. in die Stolbergschen Grafschaften bleibt Kgl. Vg. vorbehalten.^ § 21. Alle diesem G. entgegenstehenden Vorschriften, insbesondere das G. v. 27. Juni 1890 (GS. 211), insoweit dessen Bestimmungen nicht entweder ausdrücklich aufrechterhalten sind ober die schon zahlbaren Waisengelder betreffen, werden aufgehoben. Das G. tritt am 1. April 1900 in Kraft. Art. IV der Nov. v. 10. Juni 1907: Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. April 1907 in Kraft. Tie Bestimmung des § 17 des G. v. 4. Dez. 1899 (GS. 587) findet auch auf diejenigen Lehrer Anwendung, welche am 1. April 1907 Mitglieder der dort bezeichneten Kassen oder Veranstaltungen waren. Tie schriftliche Erklärung ist binnen sechs Wochen nach Verkündung dieses G. abzugeben.

7. Gesetz, betreffend Nuhegehaltskassen für die Lehrer und Lehrerinnen oii den öffentlichen Volksschulen? Vom 23. Juli 1893 (GS. 194). Die Vorschriften des Art. I §§ 4, 15, 26 des 05., betr. die Pensionierung der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen, v. 6. Juli 1885 (GS. 298) werden durch nach­ stehende Bestimmungen ergänzt: § 1. Behufs gemeinsamer Bestreitung? des durch Staatsbeitrag^ nicht gedeckten Teils der Ruhegehälter der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen vom 1. Juli 12 Erfolgt durch Kgl. Bg. v. 1. April 1900 (GS. 108). 1 Dazu AAnw. I v. 28. Juli, II v. 5. Aug. und III v. 14. Sept. 1893 (ZentrBl. Unterr. 568 bzw. 660 und 732). 2 Die Last soll also auf die Gesamtheit der Schulunterhaltungspflichtigen des Negierungsbezirks gelegt werden. 3 von 700 M, Art. I § 26 LehrPensG.

7. Ruhegehaltskassengesetz.

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11893 ab wird für die zur Aufbringung verpflichteten Schulverbände (Schulsozietäten, Gei meinden, Gutsbezirke) in jedem Regierungsbezirk eine Ruhegehaltskasse gebildet? § 2. Die Verwaltung der Kasse erfolgt durch die Bezirksregierung. Die Kassengeschäfte i werden durch die Regierungshauptkasse und durch die ihr unterstellten Kassen unentgeltlich l besorgt. § 3. Tie Interessen der Schulunterhaltungspflichtigen an der Kasse sind von einem am Sitze der Bezirksregierung wohnenden Kassenanwalt nach Vorschrift dieses Gesetzes wahrzui nehmen. Der Kassenanwalt wird von dem Provinzialausschuß, in der Provinz Hessen-Nassau i und in den Hohenzollernschen Landen von dem Landesausschuß, für je sechs Rechnungsjahre ! gewählt. § 4. Der Kassenanwalt erhält eine angemessene Entschädigung, deren Betrag von dem v Provinzialausschuß in der Provinz Hessen-Nassau und in den Hohenzollernschen Landen von dem Landesausschuß, festgesetzt und aus der Kasse bestritten wird. § 5. Die den Schulverbänden (Schulsozietäten, Gemeinden, Gutsbezirken) zur Last ’ fallenden Ruhegehälter werden von der Kasse an die Bezugsberechtigten gezahlt? § 6. Für jedes mit dem 1. April beginnende Rechnungsjahr wird der Bedarf der Kasse nach dem Stande der im § 5 gedachten Ruhegehälter am 1. Oktober des Vorjahres unter • Hinzurechnung der voraussichtlichen Verwaltungskosten, berechnet? § 7. Den Maßstab für die Verteilung des Bedarfs auf die Schulverbände (Schulsozietäten, «Gemeinden, Gutsbezirke) bildet die Jahressumme des ruhegehaltsberechtigten Diensteinl kommens der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen des Kassenbezirks >am 1. Oktober des Vorjahres. Von diesem Diensteinkommen bleibt für jede Stelle ein Bei trag bis zu achthundert Mark außer Berechnung. Bei unbesetzten Stellen sind Dienstalters, Zulagen nicht in Anrechnung zu bringen? Die für jeden Schulverband (Schulsozietät, Gemeinde, Gutsbezirk) sich ergebende Gesamt­ summe des Tiensteinkommens wird im Verteilungsplane nach unten auf Hunderte von Mark abgerundet. § 8. Für die Berechnung des Wertes der freien Wohnung und Feuerung, sowie der ihrer Natur nach steigenden und fallenden Dienstbezüge ist die Festsetzung der Schulaufsichts­ behörde nach Anhörung des Kreisausschusses beziehungsweise in Stadtkreisen des Gemeinde­ vorstandes maßgebend. Diese Festsetzung gilt bezüglich des Wertes der freien Wohnung und Feuerung auch für die Berechnung des Ruhegehalts? § 9. Der Verteilungsplan wird von der Bezirksregierung entworfen und mit den der Aufstellung zugrunde gelegten Unterlagen dem Kassenanwalte mitgeteilt. Der letztere kann innerhalb einer Frist von vier Wochen bei der Bezirksregierung Erinnerungen gegen den Verteilungsplan geltend machen und, soweit er damit nicht durchdringt, binnen weiteren zwei Wochen, vom Tage des Empfangs der ablehnenden Entscheidung an gerechnet, durch Beschwerde bei dem Oberpräsidenten verfolgen. 4 Bezeichnung: Ruhegehaltskasse für die Lehrer und Lehrerinnen an den öffent­ lichen Volksschulen des Regierungsbezirks. — Sie ist eine öffentlichrechtliche Korporation, die durch den Kassenanwalt (§ 3) vertreten wird. 5 I. AAnw. Ziff. 4: Die Ruhegehälter sind in voller Höhe von der Ruhegehaltskasse an die Empfangsberechtigten zu zahlen. Es sind daher sowohl die Staatsbeiträge zu den Ruhegehältern, als auch die durch Umlage von den Schulverbänden einzuziehenden Beiträge an die Ruhegehaltskasse abzuführen. 6 Für die Ausstellung der Bedarfsberechnung sind die §§ 6, 13, 14 maßgebend. Für etwaige im Laufe des Rechnungsjahres hinzutretende Zahlungen an Ruhegehältern ist ein Betrag nicht in Ansatz zu bringen, MErl. v. 8. Dez. 1899 (ZentrBl. Unterr. 228). 7 Im übrigen ist das Diensteinkommen aller Stellen zu berücksichtigen, bei denen eine Ruhe­ gehaltsberechtigung eintreten kann, gleichgültig, ob die Stelle besetzt oder erledigt oder von einem nicht ruhegehaltsberechtigten Lehrer auftragsweise verwaltet wird. M Vgl. jetzt § 19 LehrerbesG. und Anm. 14 dazu. Auch bei vereinigten Kirchen- und Schul­ ämtern ist das gesamte ruhegehaltsberechtigte Einkommen zugrunde zu legen.

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XI. Abschn. Volksschulrecht.

§ 10. Der solchergestalt festgestellte Verteilungsplan ist von der Bezirksregierung durch das Amtsblatt bekanntzumachen. § 11. Tie in dem Verteilungsplane festgesetzten Beiträge werden von den Schulverbänden (Schulsozietäten, Gemeinden, Gutsbezirken) in vierteljährlichen Vorauszahlungen eingezogen.---------- 9 § 12. Innerhalb einer Frist von 4 Wochen nach der Bekanntmachung des Verteilungsplanes (§ 10) steht den Schulverbänden (Schulsozietäten, Gemeinden, Gutsbezirken) die Klage im Verwaltungsstreitverfahren auf Abänderung des Planes gegen die Bezirksregierung zu. Die Klage hat keine aufschiebende Wirkung." Zuständig für die Entscheidung in erster Instanz ist der Bezirksausschuß. § 13. Nachträgliche Änderungen des Verteilungsplanes werden bei der nächsten Verteilung berücksichtigt. § 14. Überschüsse oder Fehlbeträge eines Rechnungsjahres sind bei der Bemessung des Bedarfes für das auf den Jahresabschluß der Kasse folgende Jahr in Abgang oder Zugang zu bringen. § 15. Für die Aufbringung des Beitrags der Schulverbände (Schulsozietäten, Gemeinden, Gutsbezirke) finden die Bestimmungen des Art. I § 26 des G., betr. die Pensionierung der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen Volksschulen, v. 6. Juli 1885 (GS. 298) über die Aufbringung des Ruhegehalts Anwendung; jedoch darf das Stelleneinkommen zur Auf­ bringung des Ruhegehalts oder des Beitrags vom 1. Juli 1893 ab nicht herangezogen werden. § 16. Der Stadtkreis Berlin und das Fürstentum Hohenzollern-Hechingen werden einer Ruhegehaltskasse nicht angeschlossen. § 17. Von jeder Ruhegehaltsfestsetzung ist dem Kassenanwalt Kenntnis zu geben. Aus fein Verlangen ist ihm behufs Prüfung der Festsetzung Einsicht in die der letzteren zugrunde gelegten Rechnungsunterlagen zu gewähren. Ter durch Art. I § 15 des G., betr. die Pensionierung der Lehrer und Lebrerinnen an den öffentlichen Volksschulen, v. 6. Juli 1885 den zur Unterhaltung der Schule Verpflichteten gegebene Beschwerde- und Rechtsweg gegen die Festsetzung des Ruhegehalts steht auch dem Kassenanwalt offen. In den Fällen des § 15 a. a. C. steht die Entscheidung an Stelle des Unterrichtsministers dem Lberpräsidenten zu. Bis zur endgültigen Erledigung der Beschwerden oder Klagen werden die Ruhegehälter nach Maßgabe der Festsetzung der Schulaufsichtsbehörde vorschußweise an die Bezugsberechtig' ten gezahlt. § 18. Kgl. Vg. bleibt vorbehalten der Erlaß von Vorschriften über: 1. Die Einrichtung besonderer Ruhegehaltskassen für die Stolbergschen Grafschaften oder über den Anschluß der letzteren an die Kasse eines anderen Bezirks," 2. die Umgestaltung der für die Lehrer des ehemaligen Herzogtums Nassau auf Grund des G. v. 18. Febr. 1851 (VBl. 41) bestehenden Pensionskasse, 3. den Anschluß der übrigen zum Regierungsbezirk Wiesbaden gehörigen Gebietsteile an die unter 2 bezeichnete Pensionskasse." Bis zum Erlaß der unter 2 vorgesehenen Kgl. Vg. bleibt die Einrichtung einer Ruhegehalts­ kasse für den Regierungsbezirk Wiesbaden ausgesetzt. 9 nötigenfalls im Verwaltungszwangsversahren (Vg. v. 15. Nov. 1899, oben 3.112 ff.); einer Zwangsetatisierung bedarf es nicht. 10 Der Plan bleibt also vollstreckbar. Die Verwaltungsklage ist auch gegen die Heranziehung durch Einzelverfügung gegeben (LVG. 44, S- 184). 11 Geschehen durch Vg. v. 4. März 1895 (GS. 33). 12 Geschehen durch Bg. v. 9. Mai 1901 (GS. 126).

8. Ruhegehaltsgesetz für Mittelschullehrer.

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8 Gesetz, betreffend das Ruhegehalt der Lehrer und Lehrerinnen an den öffentlichen nichtstaatlichen mittleren Schulen und die Fürsorge für ihre Hinterbliebenen? Vom 11. Juni 1894 (GS. 109). § 1. Mittlere Schulen im Sinne dieses Gesetzes? sind diejenigen Unterrichtsanstalten, welche allgemeinen Bildungszwecken dienen und welche weder zu den höheren Schulen noch zu den öffentlichen Volksschulen noch zu den Fach- und Fortbildungsschulen gehören. § 2. Die an einer öffentlichen nichtstaatlichen mittleren Schule definitiv angestellten Lehrer und Lehrerinnen haben einen Anspruch auf Ruhegehalt nach den für die Lehrer (Lehrerinnen) an öffentlichen Volksschulen geltenden gesetzlichen Vorschriften. Nach denselben Bestimmungen regeln sich die Zuständigkeit und das Verfahren bei Ver­ setzung dieser Lehrer (Lehrerinnen) in den Ruhestand und bei Festsetzung ihres Ruhe­ gehalts? Der Art. I § 22 des G., betr. die Pensionierung der Lehrer und Lehrerinnen an den öffent­ lichen Volksschulen, v. 6. Juli 1885 (GS. 298) findet mit der Maßgabe Anwendung, daß statt des 31. März 1886 der 30. September 1894 entscheidet. § 3. Die Aufbringung des Ruhegehalts erfolgt von den zur Zeit der Versetzung in den Ruhestand zur Besoldung des Lehrers (der Lehrerin) Verpflichteten. Die auf be­ sonderen Rechtstiteln beruhenden Verpflichtungen Dritter bleiben bestehen. Eine Beteiligung der Staatskasse an der Aufbringung des Ruhegehalts findet auf Grund dieses G. nicht statt. § 4. Den zur Aufbringung des Ruhegehalts Verpflichteten ist es freigestellt, bis zum 1. April 1895 und, sofern es sich um eine nach diesem Zeitpunkt errichtete Unterrichtsanstalt handelt, bis zum 1. April des auf die Eröffnung folgenden Jahres der für ihren Bezirk auf Grund des G. v. 23. Juli 1893 (GS. 194) gebildeten Ruhegehaltskasse für die unter das vorliegende G. fallenden Schulstellen mit dem Beginn des betreffenden Kassenjahres und mit der Wirkung beruheten, daß sie ebenso angesehen werden, als wenn sie auf Grund des G. v. 23. Juli 1893 zum Beitritt verpflichtet gewesen wären. Der Berechnung des an die Ruhegehaltskasse zu zahlenden Beitrags ist die volle Jahressumme des ruhegehaltsberechtigten Diensteinkommens der Lehrer und Lehrerinnen an den der Kasse angeschlossenen mittleren Schulen zugrunde zu legen? § 5. Den Hinterbliebenen der an einer öffentlichen nichtstaatlichen mittleren Schule definitiv angestellten Lehrer und Lehrerinnen steht ein Anspruch auf das Gnadenquartal, 1 Dazu AAnw. v. 22. Juni 1894 (ZentrBl. Unterr. 580) und MErl. v. 20. April 1900, betr. Grundsätze für die Regelung der Besoldung der Lehrpersonen an öffentlichen mittleren Schulen (ZentrBl. 861). 2 Welchen Namen die „mittleren Schulen" tragen — selbständige Vorschulen, höhere Knabenoder Stadtschulen, Rektor-, Mittel- oder Bürgerschulen, gehobene Schulen —, ist für die rechtliche Beurteilung bedeutungslos. Auch die den Provinzialschulkollegien unterstellten höheren Mäd­ chenschulen sind mittlere Schulen im Sinne des G.. MErl. v. 21. Dez. 1898 (ZentrBl. Unterr. 1899, S. 296). — Dagegen findet das G. nicht Anwendung auf die mit Volksschulen organisch ver­ bundenen Mittelschuleinrichtungen, die nur als besonders entwickelte Bestandteile der Volksschule anzusehen sind. — Die Gemeinden können zur Errichtung von Mittelschulen nicht gezwungen wer­ den, das SchulanfG. v. 26. Mai 1887 findet aus Mittelschulen keine Anwendung. 3 Vor der Versetzung eines Lehrers oder einer Lehrerin in den Ruhestand sind zunächst die zur Ausbringung des Ruhegehalts Verpflichteten zu hören. Bei einem Widersprüche derselben ist, soweit es sich nicht um das der Entscheidung des Herrn Oberpräsidenten unterliegende Ruhegehalt oder um zwangsweise Pensionierung handelt, die diesseitige Entscheidung einzuholen, AAnw. Ziff. 1. 4 Das volle Jahreseinkommen (im Gegensatz zu 8 7 RuhegehaltskG.) deshalb, weil nach § 3 eine Beteiligung der Staatskasse an der Aufbringung des Ruhegehalts auf Grund dieses G. nicht stattfindet. Neben dem Berteilungsplane der Ruhegehaltskassen für die Schulstellen an den öffentlichen Volksschulen ist ein besonderer Verteilungsplan der Beiträge für die Schulstellen an den der Ruhegehaltskasse angeschlossenen mittleren Schulen aufzustellen.

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XI. Abschn.

Volksschulrecht.

den Witwen und Waisen der Lehrer zugleich ein Anspruch auf Witwen- und Waisengeld nach Maßgabe der jeweilig geltenden gesetzlichen Borschriften, betr. die Fürsorge für die Hinter­ bliebenen der unmittelbaren Staatsbeamten, zu? Nach denselben Bestimmungen regeln sich die Zuständigkeit und das Verfahren bei der Festsetzung des Gnadenquartals, sowie der Witwen- und Waisengelder mit der Maßgabe, daß, soweit eine Mitwirkung der Minister vorgeschrieben ist, an die Stelle derselben der Lberpräsident, für die Hohenzollernschen Lande der Unterrichtsminister tritt.

§ 6. Tie Aufbringung des Gnadenquartals und des Witwen- und Waisengeldes erfolgt durch die zur Besoldung des Lehrers (der Lehrerin) während der Dienstzeit auf der letzten Schulstelle Verpflichteten. § 7. 1. Kein Lehrer (keine Lehrerin) einer öffentlichen nichtstaatlichen mittleren Schule ist fortan verpflichtet, einer Ruhegehaltskasse oder einer die Fürsorge für die Hinterbliebenen bezweckenden Veranstaltung beizutreten oder, sofern er (sie) einer solchen auf Grund einer ihm (ihr) dahin auferlegten Verpflichtung beigetreten ist, in derselben zu verbleiben. Scheidet der Lehrer (die Lehrerin) auf Grund dieses G. aus, so verliert er (sie) alle Ansprüche an die Kasse oder aus der sonstigen Veranstaltung ohne Anspruch auf Entschädigung.

2. Ten gegenwärtigen Mitgliedern der Allgemeinen Witwenverpflegungsanstalt steht frei, ihre Mitgliedschaft unter den bisherigen Bedingungen fortzusetzen. 3. Den zur Aufbringung des Witwen- und Waisengeldes Verpflichteten ist gestattet, für die Stellen derjenigen Lehrer, welche gegenwärtig Mitglieder der Elementarlehrer-Witwenund Waisenkassen sind, die Mitgliedschaft unter Fortzahlung der bisherigen Gemeindebeiträge und Übernahme der etwa von den Lehrern zu entrichtenden Beiträge auf die Tauer der Besetzung mit den gegenwärtigen Mitgliedern fortzusetzen. 4. Ten Lehrern selbst steht diese Befugnis nicht zu. 5. Setzen die zur Ausbringung des Witwen- und Waisengeldes Verpflichteten die Mitglied­ schaft nicht fort, so bleibt den Hinterbliebenen der seitherigen Kassenmitglieder der Anspruch auf Witwen- und Waisenpension gegen die Elementarlehrer-Witwen- und Waisenkassen erhalten, soweit diese Pension das auf Grund dieses G. zu zahlende Witwen- und Waiscngeld übersteigt. 6. In Zukunft ist weder den Lehrpersonen an den öffentlichen nichtstaatlichen mittleren Schulen, noch den zur Unterhaltung derselben Verpflichteten der Beitritt zu den Elementar­ lehrer-Witwen- und Waisenkassen oder zu der Allgemeinen Witwenverpflegungsanstalt ge­ stattet. 8 8. Tie zur Ausbringung des Ruhegehalts, des Gnadenquartals und des Witwen- und Waisengeldes Verpflichteten, welche für die Versorgung der in den Ruhestand versetzten Lehrer (Lehrerinnen), und deren Hinterbliebenen besondere Veranstaltungen getroffen haben oder die Mitgliedschaft bei den Elementarlehrer-Witwen- und Waisenkassen fortsetzen (§ 7), sind berechtigt, die denselben hieraus zustehenden Bezüge auf das nach Maßgabe dieses G. zu gewährende Ruhegehalt, Gnadenquartal, Witwen- und Waisengeld in Anrechnung zu bringen? Eine Anrechnung findet nicht statt, soweit diese Bezüge als Entgelt für diejenigen Beiträge anzusehen sind, welche von den Lehrern (Lehrerinnen) zu diesen Veranstaltungen nach dem Inkrafttreten dieses G. fortgeleistet werden. Bei Streitigkeiten der Beteiligten über die Höhe der hiernach den Ruhegehaltsberechtigten und den Hinterbliebenen zustehenden Bezüge trifft die Bezirksregierung eine im Verwaltungs­ wege vollstreckbare einstweilige Entscheidung. Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten 5 Abgedruckt unter Abschn. IX Nr. 6 u. 11. 6 AÄnw. Ziff. 3. Die den Elementarlehrer-Witwen- und Waisenkassen zur Last fallenden Zah­ lungen sind von diesen Kassen an die Hinterbliebenen direkt zu leisten, so daß die Gemeinden an die Hinterbliebenen nur diejenigen Beiträge zu zahlen haben, welche nach Anrechnung der Bezüge aus der Elementarlehrer-Witwen- und Waisenkasse noch verbleiben.

8. Ruhegehaltsgesetz für Mittelschullehrer.

1087

binnen sechs Wochen die Beschwerde an den Oberpräsidenten, in den Hohenzollernschen Landen an den Unterrichtsminister, zu. Gegen die Entscheidung des Oberprüsidenten oder des Unterrichtsministers steht den Be­ teiligten innerhalb einer weiteren Ausschlußfrist von 6 Wochen die Beschreitung des Rechts­ weges offen. § S. Durch dieses G. werden ortsstatutarische Vorschriften oder sonstige Veranstaltungen, welche die Lehrer (Lehrerinnen) und deren Hinterbliebenen günstige* stellen, als in der durch dieses G. vorgeschriebenen Weise, nicht berührt.

XU. Abschnitt.

Finanzrecht. 1. Entwickelung und Übersicht. 1817, Beginn der allgemeinen Zoll- und Steuerreform in Preußen. Erste Zollkonferenz (Hofsmann, Maaßen, Rother); Aufhebung sämtlicher Binnenzölle bis auf Wasser­ straßen- und Kanalabgaben; Einführung mäßiger Außengrenzzölle. Gleichzeitig Beratungen des neuerrichteten Staatsrats über die Steuerreform. 1820, 17. Jan., Vg. wegen der künftigen Behandlung des gesamten Staatsschuldenwesens (GS. 9): Tie verzinslichen Staatsschulden werden auf rund 180 Mill. Taler, die unverzinslichen auf rund 11 Mill. Taler festgestellt, durch Verpfändung des ge­ samten Staatsvermögens sicher gestellt und sollen allmählich vollständig getilgt werden; der Staatsschuldenetat wird „auf immer für geschlossen" erklärt. — Einsetzung einer be­ sonderen Behörde, der Hauptverwaltung der Staatsschulden, durch G. v. 24. Febr. 1850 neu gestaltet. 1820, 30. Mai, Gesetze a) wegen Einführung einer Klassensteuer (auf dem platten Lande und in den kleineren Städten); b) wegen Entrichtung einer Mahl- und Schlacht­ steuer (in den 132 mittleren und großen Städten); c) wegen Entrichtung einer Gewerbe­ steuer: Erstes einheitliches Steuersystem; die Klassensteuer nach fünf, seit 1821 nach vier Gesellschaftsklassen mit je drei Steuersätzen bemessen. Daneben werden die alten Grund­ steuern forterhoben. — Weiterentwicklung s. Jahr 1851. 1834, 1. Jan., der erweiterte Deutsche Zollverein, von Preußen begründet, tritt in Wirksamkeit: Preußen, Anhalt, beide Hessen, Sachsen, Bayern, Württemberg, der Thüringische Zoll- und Handelsverein, seit 1853 auch der Steuerverein (Hannover, Olden­ burg). Jährliche Generalzollkonferenz. 1838, 12. Dez., Reglement, die Einrichtung des Sparkassenwesens betr., abgedr. nachstehend unter Nr. 17. 1839, 21. Jan., Grundsteuergesetz für die westlichen Provinzen (GS. 30), auf Grund von Grundsteuerkatastern; Vorbild für die allgemeine Grundsteuerreform von 1801. 1850, 31. Jan., Verfassungsurkunde Tit. VIII: Bon den Finanzen, s. unter Abschu. I Nr. 2. 1850, 24. Febr., G., betr. die Verwaltung des Staatsschuldenwesens und Bildung einer Staatsschuldenkommission (GS. 57): Neugestaltung der „Hauptverwaltung der Staatsschulden" als der allgemeinen Finanzverwaltung gegenüber selbständiger Behörde, zum Teil jedoch unter der oberen Leitung des Finanzministers und in allen Geschäften unter fortlaufen­ der Kontrolle der Staatsschuldenkommission, bestehend aus drei Abgeordneten jeder Landtagskammer und dem Präsidenten der Oberrechnungskammer. 1851, 1. Mai, G. über die Einführung einer Klassen- und klassifizierten Einkommen­ steuer: Neugestaltung der Klassensteuer und Einschränkung auf Einkommen bis 1000 Taler, für höhere Einkommen eine klassifizierte Einkommensteuer; Einschränkung der Mahl- und Schlachtsteuer. — Weiterentwicklung s. Jahr 1873.

1. Entwicklung und Übersicht.

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1853, 30. Mai, G., bett. die von den Eisenbahnen zu entrichtende Abgabe (GS. 449): Nur noch gültig für inländische Privateisenbahnen (nicht Kleinbahnen, die der allgemeinen Gewerbesteuer unterliegen); Ksenbahnunternehmungen von Ausländern unterliegen dem G. v. 16. März 1867 (GS. 465). 1861, Reform der Grundsteuer, zur Durchführung der damaligen Heeresreform: 1861, 21. Mai, Gesetze a) bett. die anderweite Regelung der Grundsteuer, b) bett. die Einführung einer allgemeinen Gebäudesteuer und c) betr. die für die Grundsteuerbefreiungen und -bevorzugungen zu gewährende Entschädigung (GS. 327), zu a) und b) nachstehend abgebt, unter Nr. 2 und 3. Kontingentierung der Grundsteuer, die Gebäudesteuer ist Quo­ titätssteuer. Anlegung von Gemarkungskarten nebst Flurbüchern, Grund- und Gebäude­ steuerrollen. 1867, 12. Okt., BG., betr. die Erhebung einer Abgabe von Salz (BGBl. 41): Ge­ wichtsteuer von dem zum inländischen Verbrauche bestimmten Salze und Einfuhrzoll von ausländischem Salze (bis dahin staatliches Salzmonopol). 1867, 8. Juli, Zollvereinigungsvertrag zwischen dem Norddeutschen Bunde, Bayern, Württemberg, Baden und Hessen, die Fortdauer des Zoll- und Handelsvereins betr. (BGBl. 81): Zollpräsidium (Krone Preußen), Bundesrat (58 Stimmen) und Zollparlament (Norddeutscher Reichstag und 85 Abgeordnete der süddeutschen Staaten, gewählt auf der Grundlage des Frankfurter Wahlgesetzentwurfs v. 12. April 1849). 1867, 23. Sept., Vg., bett. die Heranziehung der Staatsdiener zu den Kom­ munalauflagen, abgebt, unter Abschn. IX Nr. 12a. 1868, 4. Juli, BG., betr. die Kontrolle des Bundeshaushalts (BGBl. 433): Durch die preußische, nach näherer Bestimmung des Bundesrats verstärkte Qberrechnungskammer unter der Benennung „Rechnungshof des Norddeutschen Bundes". Dementsprechend wird jetzt dem „Rechnungshof des Deutschen Reichs" durch ein „Reichskontrollgesetz" die Kontrolle des Haushalts des Deutschen Reichs, von Elsaß-Lothringen und der Schutzgebiete sowie der Rechnungen der Reichsbank übertragen. — Der Präsident des Rechnungshofes und je sechs Mitglieder des Bundesrats und Reichstags bilden die Reichsschuldenkom­ mission zur Kontrolle der Verwaltung der Reichsschulden, die der preußischen Hauptver­ waltung der Staatsschulden unter der Bezeichnung „Reichsschuldenverwaltung" über­ tragen ist (BG. v. 19. Juni 1868, BGBl. 339). 1869, 1. Juli, Vereinszollgesetz (BGBl. 317), regelt die formelle Zollordnung und Zollverwaltung. Die materielle Zollordnung, den Zolltarif, enthielt das RG. v. 15. Juli 1879, s. dort. 1872, 27. März, Preuß. G., betr. die Einrichtung itnb die Befugnisse der Oberrechnungslammet, abgebt, nachstehend unter Nr. 19. 1873, 25. Mai, Preuß. G. wegen Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer, und zwar als Staatssteuer; als Gemeindeabgabe war die Mahlsteuer bis 1875 und die Schlacht­ steuer noch durch § 14 des KAbgG. v. 14. Juli 1893 in beschränktem Umfange zugelassen, bis auch sie durch das Zolltarifg. v. 25. Dez. 1902 vom 1. April 1910 ab vollständig aufgehoben worden ist. 1873,25. Mai, Preuß. G., betr. die Abänderung des G. v. 1. Mai 1851: Auch die Klassen­ steuer — von Einkommen von 140 Taler bis 1000 Taler — wird fortan allgemein und pro­ gressiv vom Einkommen erhoben; die klassifizierte Einkommensteuer ist gleichmäßig prozentual. — 1883 wird die untere Stufe des staatssteuerpflichtigen Einkommens auf 900 M erhöht. — Weiterentwicklung s. Jahr 1891. 1875, 14. März, Bankgesetz (RGBl. 177): Regelung und Einschränkung des Rechts zur Ausgabe von Banknoten durch Privat-Notenbanken. — Errichtung der Reichsbank mit besonderem Notenprivileg und folgenden Aufgaben: Regelung des Geldumlaufs, Erleichterung der Zahlungsausgleichungen und Sorge für die Nutzbarmachung verfügbarer Kapitalien. Gegründet auf Privatkapital, steht sie unter Aufsicht (Bankkuratorium, ReichsReich e l t, BerwaltungSgesetzbuch. 69

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XII. Abschn. Finanzrechr.

kanzler und vier ernannte Mitglieder) und Leitung des Reicks (Reichskanzler und Direktorium). — Das Bankgesetz ist mehrfach abgeändert, zuletzt durch RG. v. 1. Juni 1909 (RGBl. 515): Reichsbanknoten sind gesetzlicke Zahlungsmittel; anderweite Verteilung des Reingewinns. 1876, 3. Juli, Preuß. G., betr. die Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umherziehen, sog. Haujiersteuergesetz, abgcdr. nackstehend unter sJtr. 5. 1878, 3. Juli, RG., betr. den Spielkartenstempel (RGBl. 133): Abgabe von den im Bundesgebiete angefertigten oder in das Bundesgebiet eingeführten Spielkarten, steuer­ liche Kontrolle der Spielkartenfabriken. Ungestempelte Spiele unterliegen der Einziehung. 1879, 15. Juli, RG., betr. den Zolltarif des deutschen Zollgebietes: Autonomer Zolltarif mit Schutzzollcharakter, seit 1891 durch Handelsverträge durchbrochen. Bestimmungen über Retorsionszölle und sog. Frankensteinsche Klausel. S. jetzt Zolltarifg. v. 25. Tez. 1902. 1879, 20. Juli, in neuer Fassung gebiets ein-, auslich anzumelden,

RG., betr. die Statistik des Warenverkehrs mit dem Auslande, v. 7. Febr. 1906 (RGBl. 109): Alle über die Grenzen des deutschen Zolloder durchgeführten Waren sind den Zollämtern der Grenzbezirke schrift­ wobei die statistische Gebühr in Reichsstempelmarkcn zu entrichten ist.

1880, 27. Febr., Preuß. G., betr. die Besteuerung des Wanderlagerbetricbes, abgedr. nachstehend unter Nr. 6. 1886, 29. Juni, Preuß. G., betr. die Heranziehung von Militärpersonen zu Abgaben für Gemeindezwecke (GS. 181), sog. Offiziersteuerg., s. bei § 42 KAbgG. 1891, Beginn der neuen preußischen Steuerreform durch Finanzminister Miquel: Einkommensteuergesetz und Gewerbesteuergesetz v. 24. Juni 1891, abgedr. nachstehend unter Nr. 8 und 4: Verschmelzung der Klassen- und klassifizierten Einkommen­ steuer zu einer einheitlichen, progressiven Steuer von allen Einkommen über 900 Mt mit Selbsteinschätzung. — Tie Gewerbesteuer wird in vier nach dem Anlage- und Betriebs­ kapital gebildeten Klassen erhoben; daneben besondere Betriebssteuer von Gast- und Schankwirtschaft, Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus. 1891—1894, Abschluß von Zoll- und Handelsverträgen mit Österreich-Ungarn, Italien, Belgien und der Schweiz, Rumänien, Rußland und Serbien auf der Grundlage von Konventionaltarifen und der Klausel des Rechts der meistbegünstigten Nation. 1893, 14. Juli, Preuß. G. wegen Aufhebung direkter Staatssteuern und Kom­ munalabgabengesetz, abgedr. nachstehend unter 9Zr. 13 und 14. Tie Grund-, Gebäude-, Gewerbe-, Betriebssteuer und die Bergwerksabgabe werden vom 1. April 1895 ab als Staats­ steuern aufgehoben, die ersten vier Steuerarten jedock vom Staate weiter veranlagt und den Gemeinden, die Betriebssteuer den Kreisen überwiesen. — Gesetzliche Festlegung der Grundsätze für das Kommunalabgabenwesen, bei weitgehender Steuerautonomie der Kommunen. 1893, 14. Juli, Ergänzungssteuergesetz, abgedr. nachstehend unter Nr. 9: Staatliche Vermögenssteuer als Ersatz für die vom Staate durch das G. wegen Aufhebung direkter Staatssteuern (s. vorstehend) den Kommunen überwiesenen Steuergucllen. 1894, 22. Jan., Kgl. Vg. wegen Verpflichtung der Gemeinden und Gutsbezirke zur Erhebung der direkten Staatssteuern (GS. 5): Tie Verpflichtung erstreckt sich auch auf die Abführung der erhobenen Beträge an die Staatskassen, einsckl. Renten­ abgaben, und zwar ohne Vergütung. 1895, 31. Juli, Preuß. G., betr. die Errichtung einer Zentralanstalt zur Förderung des genossenschaftlichen Pcrsonalkredits (GS. 310): Preußische Zentralge nossenschaftskaffe, unter Aufsicht und Leitung des Staats, mit der Berechtigung zu bestimmten bank­ mäßigen Geschäften, insbes. Gewährung von Darlehnen an genossenschaftliche, landschaftliche und provinzielle Tarlehnskassen. Direktorium und Ausschuß als sachverständiges und be-

1. Entwicklung und Übersicht.

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ratendes Organ. Das staatliche Grundkapital ist durch G. v. 13. Juli 1909 (GS. 310) auf 75 Still. Mark erhöht worden. 1896, 27. Mai, Zuckersteuergesetz (RGBl. 117), mit Novellen v. 6. Jan. 1903 und 3. Juli 1913 (RGBl. 1 und 522): Früher Rohmaterial- und progressive Betriebssteuer, jetzt nur noch Berbrauchsabgabe, 14 M vom Doppelzentner Zucker. Bestimmungen über die bauliche Einrichtung und ständige steueramtliche Bewachung der Zuckerfabriken. Internationale gleichmäßige Verzollung, insbes. Aufhebung der Ausführungsvergütung (Exportprämie) nach der Brüsseler Zuckerkonvention v. 5. März 1902 (RGBl. 1903, S. 7). 1897, 8. März, Preuß. G., bett. die Tilgung der Staatsschulden (GS. 43): In jährlicher Höhe von mindestens 3/5 Prozent der jeweiligen Staatskapitalschuld durch Ankauf, Verlosung von Staatsschuldverschreibungen oder Verrechnung auf bewilligte neue Anleihen. Überschüsse des Staatshaushalts sind ganz zur Tilgung zu verwenden. 1897, 26. Juli, G., betr. das Verwaltungsstrafverfahren bei Zuwiderhand­ lungen gegen die Zollgesetze und die sonstigen Vorschriften über indirekte Reichs­ und Landesabgaben (GS. 237): Grundlage § 459 StPO. Untersuchung und Straf­ bescheide durch die Behörden der indirekten Steuerverwaltung bei Zuwiderhandlungen, die nur mit Geldstrafe oder Einziehung bedroht sind; hiergegen Antrag auf gerichtliche Entscheidung und Beschwerde im Verwaltungswege. — Dazu Preuß. G., betr. die Hinterziehung und Erhebung von Verkehrsabgaben, v. 2. Mai 1900 (GS. 123). 1898, 11. Mai, G., betr. den Staatshaushalt, nachstehend abgedr. unter Nr. 20. 1902, 9. Mai, Schaumweinsteuergesetz (RGBl. 155), mit Nov. v. 15. Juli 1909 (RG­ Bl. 714): Berbrauchsabgabe von 1—3M für jede Flasche, je nach dem Preise, bei Frucht­ schaumwein 10 für die Flasche. Daneben hoher Eingangszoll. Besondere Kontrolle der Schaumweinfabriken. 1902, 25. Dez., Zolltarifgesetz (RGBl. 303): Neuer autonomer Zolltarif mit erweiterter Warenspezialisierung gegenüber dem Tarif v. 15. Juli 1879 und zum Teil erhöhten Zollsätzen, insbes. für Vieh und Getreide. Mindestsätze, unter die auch in HandelsVerträgen nicht herabgegangen werden darf, für Roggen, Weizen, Malzgerste, Hafer. Weitere Erhöhungen verschiedener Zollsätze durch die Reichsfinanzreform-Gesetze von 1909 und 1911. 1906, 3. Juni, Zigarettensteuergesetz (RGBl. 631), abgeändert durch Art. lila des Tabaksteuergesetzes v. 15. Juli 1909 (RGBl. 713): Besondere, nach dem Werte progressiv abgestufte Steuer vom Tausend der im Jnlande hergestellten Zigaretten und Zigaretten­ hüllen sowie besondere Gewichtsteuer von dem im Zollinlande geschnittenen Zigaretten­ tabak neben der Tabaksteuer nach RG. v. 15. Juli 1909. Hoher Eingangszoll. 1906, 3. Juni, Reichs-Erbschaftssteuergesetz (RGBl. 654), ergänzt und abgeändert durch RG., betr. Änderung im Finanzwesen, v. 3. Juli 1913 (RGBl. 521): Besteuerung in Prozenten der Erbschaften nach deren Höhe und dem Grade der Verwandtschaft. Der direkte Erbgang zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Ehegatten bleibt steuer­ frei. Die Verwaltung erfolgt durch Erbschaftssteuerämter der Einzelstaaten, denen von dem Roherträge der Steuer ein Fünftel verbleibt. 1908, 11. März, Reichsscheckgesetz, abgedr. nachstehend unter Nr. 21. 1908, 8. Mai, Börsengesetz (RGBl. 215): Besondere Staatsaufsicht, Staatskommissar. Börsenausschuß als zentrales begutachtendes Sachverständigenorgan. Für jede Börse muß eine Börsenordnung und ein Ehrengericht gebildet werden. — Bestimmungen über Feststellung des Börsenpreises, Maklerwesen, Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel; Beschränkung des Börsenterminhandels in Getreide und Erzeugnissen der Getreidemüllerei ganz verboten. Ordnungsstrafverfahren und Kriminalstrafen. 1909, 22. März, Doppelsteuergesetz, abgedr. nachstehend unter Nr. 12. 1909, 1. Juni, Reichsmünzgesetz (RGBl. 507): Goldwährung, daneben Scheide­ münzen aus Silber, Nickel unb Kupfer bis zu bestimmten Gesamtbeträgen: Silber 20 Mf

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XII. Abschn. Finanzrecht.

Nickel und Kupfer 2l/2 Jl auf den Kops der Bevölkerung. — Verpflichtung zur Annahme von Silbermünzen im Privatverkchr bis 20 Jt, von Nickel- und Kupfermünzen bis 1 Jl. — Ausprägung für Rechnung und unter Aufsicht des Reicks in Landesmünzstätlen. p. 1909, 30. Juni, Preuß. Stempelsteuergesetz (W2. 535): Wichtigste indirekte Steuer Preußens, nach einem alphabetischen Stempeltarif (im Auszuge abgedruckt nachstehend unter Nr. 12) erhoben von Urkunden, behördlichen Bescheiden, Verhandlungen, Ausweisen und Genehmigungen, schriftlichen Verträgen; Miet- und Pachtverträge über Grundstücke sind auch in mündlicher Form stempelpflichtig. — Mindeststempel 0,50 JL 1909, 15. Juli, Branntweinsteuergesetz (RGBl. 661), abgeändert 14. Juni 1912 (RGBl. 378): Verbrauchsabgabe vom Liter hergestellten Alkohols, niedriger für kontingentierten, als für nichtkontingentierten. Durch die Nov. v. 14. Juni 1912 ist das Kontingent der Branntweinbrennereien und die niedrigere Besteuerung der innerhalb des Kontingents sich haltenden Branntwcinmenge (sog. Liebesgabe der Brenner) nur noch für Bayern, Württemberg und Baden aufrechterhalten, im übrigen beseitigt.—Da­ neben progressive Betriebsauflage von Hektolitermengen des erzeugten Alkohols. Steueramtliche Überwachung der Branntweinerzeugung. Eingangszoll. 1909, 15. Juli, Brausteuergesetz (RGBl. 773): Nur geltend für die norddeutsche Brausteuergemeinschaft, also mit Ausschluß von Bayern, Württemberg, Baden (Art. 35 RVerf.) und Elsaß-Lothringen, wo eine höhere landesgesetzliche Besteuerung stattfindet; im Verkehr zwischen diesen vier Bundesstaaten und der norddeutschen Brausteuergemeinschaft wird eine „Übergangsabgabe" erhoben, dem übrigen Zollauslande gegenüber Eingangszoll. — Progressive Materialsteuer nach dem Gewichte des zur Bierbercitung verwendeten Malzes und Zuckers. 1909, 15. Juli, Tabaksteuergesetz (RGBl. 793): Gewichtsteuer vom Doppelzentner Tabakblätter, für Tabakpflanzungen unter 4 Ar Flächensteuer. Vorschriften über die Behandlung der Tabakpflanzungen. — Eingangszoll nach dem Gewicht und Zoll­ zuschlag von importierten Tabakblättern und Zigarren nach deren Werte. — Vgl. Zigaretten­ steuergesetz v. 3. Juni 1906. 1909, 15. Juli, Zündwarensteuergesctz (RGBl. 814), abgeändert 6. Juni 1911 (RGBl. 241): Abgabe von den zum Verbrauch im Jnlande bestimmten Zündwaren. Zu entrichten nach der Schachtel oder größeren Packungen vom Hersteller, bei eingeführten Zündwaren vom Einbringcr. — Besondere Vorschriften über die Verpackung, die Einrichtung und steueramtliche Kontrolle der Zündwarenfabriken und Zündwarensteuerlager. — Ein­ gangszoll. 1909, 15. Juli, Leuchtmittelsteuergesetz (RGBl. 880): Fabrikatsteuer von den zum Verbrauch im Jnlande bestimmten elektrischen Glühlampen, Glühkörpern und Brenn­ stiften, gestaffelt nach der Watt- bzw. Stückzahl. Zu entrichten vom Hersteller durch Verwendung von Steuerzeichen an den Packungen, von eingeführten Leuchtmitteln vom Einbringer bei der Zollabfertigung. Besondere Vorschriften über die Verpackung, die Ein­ richtung und steueramtlichc Kontrolle der Fabrik- und Lagerräume. 1909, 15. Juli, Wechselstempelgesetz (RGBl. 825): Stempelsteuer von eigenen und gezogenen Wechseln, steigend nach dem Wechselbeirage. Für die Entrichtung haften sämtliche Personen, die an dem Umlaufe des Wechsels teilgenommen haben. 1909, 15. Juli, Reichsstempelgesetz (RGBl. 833), abgeändert 3. Juli 1913 (RG­ Bl. 544): Gegenstand der Reichsbesteuerung sind Gesellschaftsverträge, Kuxe, ausländische Aktien, Renten und Schuldverschreibungen, Gcwinnanteilscheine itnb Zinsbogen; Kauf­ und sonstige Anschaffungsgeschäfte über Wertpapiere und börsenmäßig gehandelte Waren; Lotterielose; Frachturkunden, Personenfahrkarten, Erlaubniskarten für Kraftfahrzeuge; Ver­ gütungen der Aufsichtsratsmitglieder, Schecks, Grundstücksübertragungen, Versicherungen nach einem Stempeltarif. — Die Besteuerung von Schecks hört mit Ende 1916 auf: § 3 des RG. über Änderungen im Finanzwesen v. 3. Juli 1913, s. dort.

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1910, 22. Mai, Staatsschuldbuchgejetz (GZ. 55): Schuldverschreibungen preußischer Staatsanleihen können gegen Einlieferung in das von der Hauptverwaltung der Staats­ schulden geführte Staatsschuldbuch in Buchschulden auf Namen umgewandelt werden. Mit Ermächtigung des Finanzministers können Buchschulden bei Barzahlung des Kaufpreises nebst Stückzinsen auch ohne Umwandlung begründet werden. — Übertragung auf andere Konten, Verpfändungen, Zu- und Abschreibungen, Eintragungen zugunsten Dritter, Löschungen zulässig. Zinsenzahlung durch Regierungshauptkasse, jede direkte Steuer­ kasse, Postsendung, Gutschrift auf Girokonto der Reichsbank. — Dazu Ausf.-Bestim­ mungen v. 30. und MErl. v. 31. Mai 1910, bett. den Staats- und Reichsschuldbuch-Berkehr (MBl. 173 und 184). — Entsprech. Reichsschuldbuchgesetz v. 6. Mai 1910 (RGBl. 840). 1910, 25. Mai, RG. über den Absatz von Kalisalzen (RGBl. 775): Reichs­ abgabe vom Doppelzentner reinen Kalis, soweit die für jeden Bergwerksbesitzer von der Verteilungsstelle festgesetzte Absatzmenge von Kalisalzen (Beteiligungsziffer) über­ schritten wird. Gesetzliche Höchstsätze für die Verkaufspreise. 1911, 14. Febr., Reichs-Zuwachssteuergeseh, abgedr. nachstehend unter Nr. 11. 1913, 3. Juli, RG. über einen einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag, abgedr. nachstehend unter Nr. 10. 1913, 3. Juli, Besitzsteuergesetz (RGBl. 524), zugleich mit dem Wehrbeitragsgesetze erlassen zur Deckung der Kosten der großen Wehrvorlage von 1913: Besteuert wird der Zu­ wachs, den Vermögen über 20 000M in je dreijährigen Zeiträumen erfahren, und zwar soweit der Zuwachs 10000 M übersteigt. Erstmalige Erhebung 1917 von dem Zu­ wachse seit der Ermittelung des Vermögenswertes für den Wehrbeitrag am 31. Dezember 1913. Die Steuersätze steigen von 0,75% bei Zuwachs von nicht mehr als 50000M bis 1,50% des Zuwachses mit Zuschlägen bei Vermögen über 100000 Jt. Die Bundes­ staaten erhalten erstmalig 10, später 5 % der Roheinnahme. 1913, 3. Juli, RG. über Änderungen im Finanzwesen (RGBl. 521): Ände­ rung des ZuwachsstG., ErbschaftsstG., ZuckerstG., s. dort. Aufhebung der Schecksteuer vom 31. Dezember 1916 ab (s. RStempG.). Erhöhung des Reichskriegsschatzes um je 120 Still. Mark in Gold und Silbermünzen.

2. Gesetz, betreffend die anderweit« Regelung der Grundsteuer? Vom 21. Mai 1861 (GS. 253). § 1. Die Grundsteuer zerfällt fortan: a) in die von den Gebäuden und den dazu gehörigen Hofräumen und Hausgärten unter dem Namen „Gebäudesteuer" zu entrichtende Staatsabgabe12 3und b) in die eigentliche Grundsteuer, welche, mit Ausschluß der zu a bezeichneten, von den ertragfähigen Grundstücken — von den Liegenschaften — zu entrichten ist. Von der Gebäudesteuer (zu a) werden nur solche Hausgärten betroffen, deren Flächen­ inhalt einen Morgen2 nicht übersteigt. Größere Hausgärten unterliegen mit ihrem ganzen Flächeninhalte der Grundsteuer von den Liegenschaften (zu b). § 2. Die Gebäudesteuer (§ 1 zu a) wird nach den Bestimmungen des über dieselbe erlassenen G. vom heutigen Tage erhoben. 1 Gültig jetzt im ganzen Staatsgebiete außer den Hohenzollerschen Landen und Helgoland, in den neuen Provinzen eingeführt durch Vg. v. 28. April 1867 (GS. 533 ff.) und G. v. 11. Febr. 1870 (GS. 85). 2 Die Grund-, Gebäude-, Gewerbe- und Betriebssteuer sind durch G. wegen Aufhebung direkter Staatssteuern (Steuer-AufhG.) v. 14. Juli 1893 (abgedr. nachstehend unter Nr. 13) seit 1. April 1895 der Staatskasse gegenüber außer Hebung gesetzt. Die Veranlagung und Verwaltung geschieht weiter durch den Staat für die kommunale Besteuerung. Weiter sind die Grund- und Gewerbesteuergesetze durch die Zulässigkeit besonderer Grund- und Gewerbesteuern im Wege der Gemeindesteuerordnungen (§§ 25 und 29 KAbgG.) in ihrer praktischen Bedeutung beeinflußt. 3 Ein Morgen = 25,53 Ar.

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XII. Abschn.

Finanzrecht.

§ 3. Tie Grundsteuer von den Liegenschaften (§ 1 $u b) wird für die gesamte Monarchie, mit Ausschluß der Hohenzollernschcn Lande, vom 1. Januar 1865 ab auf einen Jahresbetrag von zehn Millionen Talern festgestellt.4 * Tiefer Betrag ist nach Verhältnis des zu er­ mittelnden Reinertrages der steuerpflichtigen Liegenschaften auf die einzelnen Provinzen, beziehungsweise die einzelnen, einem besonderen Grundsteuersystem unterliegenden stän­ dischen Verbände gleichmäßig zu verteilen. Tie hiernach jeder Provinz, beziehungsweise jedem der bezeichneten Verbände zufallende Grundsteuer-Hauptsumme ist als ein Kon­ tingent^ zu behandeln, welches nur durch den Zugang steuerpflichtig werdender oder den Abgang steuerfrei zu stellender Grundstücke (§§ 4 und 10), sonst aber nur im Wege der Gesetz­ gebung und nur in dem Falle erhöht oder vermindert werden kann, wenn die Bedürfnisse eine allgemeine Erhöhung der Grundsteuer notwendig machen, oder eine allgemeine Herab­ setzung derselben gestatten. Innerhalb der Provinzen, beziehungsweise innerhalb der erwähnten ständischen Verbände, sind die festgestellten Grundsteuer-Hauptsummen auf die einzelnen Kreise, innerhalb dieser auf die Gemeinden und selbständigen Gutsbezirke, und innerhalb der Gemeinden auf die steuerpflichtigen Liegenschaften nach Verhältnis des Rein­ ertrages gleichmäßig zu verteilen. § 4. Befreit von der Grundsteuer (§ 3) bleiben:------------- 6 § 6. Tie Ermittelung des Reinertrages7 8der 9 10 Liegenschaften zum Zwecke der Grundsteuer­ verteilung (§ 3) erfolgt nach den Vorschriften der beiliegenden Ausführungsanweisung? Tie durch die Ausführung entstehenden Kosten werden auf die Staatskasse übernommen. § 7. Tie Feststellung der den einzelnen Provinzen, beziehungsweise ständischen Ver­ bänden (§ 3) nach den Ergebnissen der stattgefundenen Ermittelung des Reinertrages der Liegenschaften (§ 6) aufzuerlegenden Grundsteuer-Hauptsummen geschieht durch eine Kgl. Vg., mittels deren zugleich für die östlichen Provinzen wegen der Unterverteilung und Er­ hebung der festgestellten Grundsteuer-Hauptsummen provisorisch das Erforderliche bestimmt wird? § 8. Über die definitive Unterverteilung und Erhebung der nach § 3 festgestellten Grundsteuer-Hauptsummen ergeht für die östlichen Provinzen ein besonderes Gesetz,^ in welchem namentlich auch hinsichtlich der den Steuerpflichtigen bei Unglücksfällen zu bewilligenden 4 Dazu für die neuen Provinzen 3,2 Mill. Taler, G. v. 11. Febr. 1870 (GS. 85). 6 Die Grundsteuer ist also eine Kontingents st euer, bei welcher das Steuersoll im ganzen fest­ steht und der Steuerfuß ermittelt werden muß, im Gegensatze zur Gebäudesteuer, die eine Quo­ titätssteuer ist, so daß der Steuerfuß feststeht und das Steuersoll sich erst herausstellen soll. 6 Jetzt ist hierfür § 24 KAbgG. maßgebend. 7 Reinertrag ist der Überschuß, der sich nach Abzug der Bewirtschaftungskosten und Zinsen vom Roherträge ergibt, ivie letzterer bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung auf die Dauer erzielt werden kann. 8 v. 21. Mai 1861 (GS. 257). Dazu Allg. Grundsätze bei Abschätzung des Reinertrages der Liegenschaften von demselben Datum (GS. 312). 9 Kgl. Bg. v. 12. Dez. 1864 (GS. 673) für die östlichen Provinzen und von demselben Datum (GS. 683) für Westfalen und Rheinprovinz, sowie G. v. 11. Febr. 1870 (GS. 85) für die neuen Provinzen. 10 G. v. 8. Febr. 1807 (GS. 185), das auch in den neuen Provinzen eingeführt ist. Bon besonderer Wichtigkeit sind daraus: § 32. Um die Flurbücher, Mutterrollen und Karten bei der Gegenwart zu erhalten müssen alle Veränderungen nachgetragen werden, welche dadurch entstehen, daß a) in den Eigentumsverhältnissen der Grundstücke ein Wechsel eintritt; b) bisher grundsteuerfreie Grundstücke (§ 24 KAbgG.) in die Klasse der grundsteuerpflichtigen, oder c) bisher grundsteuerpflichtige Grundstücke in die Klasse der grundsteuerfreien übergehen; d) bisher grundsteuerpflichtige oder nach § 24 KAbgG. von der Grundsteuer befreite Grund­ stücke mit Gebäuden besetzt oder als Hofräume oder Hausgärten mit Gebäuden verbunden werden; e) bisher mit Gebäuden besetzte oder als Hofräume oder Harrsgärten mit Gebäuden verbunden gewesene Grundstücke in die Klasse der grundsteuerpflichtigen, beziehungsweise der befreiten Grundstücke übergehen; f) besteuerungssähige Ländereien neu entstehen, oder

2. Grundsteuergesetz.

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Remissionenu und darüber Bestimmung getroffen werden wird, ob und in welcher Weise die zu Reallasten und Servituten Berechtigten zu der Grundsteuer der verpflichteten Grund­ stücke beizutragen haben. § 9. Die Unterverteilung der festgestellten Grundsteuer-Hauptsummen auf die einzelnen steuerpflichtigen Liegenschaften erfolgt in den beiden westlichen Provinzen nach den Unter­ lagen des bestehenden Grundsteuerkatasters mit den durch Kgl. Vg. nach Anhörung der Provinziallandtage zu bestimmenden Maßgaben? § 10. Wenn steuerfreie Grundstücke (§ 4) diejenige Eigenschaft verlieren, welche die Befreiung von der Grundsteuer bedingt, so sind sie vom ersten Tage des Monats ab, welcher auf den Monat folgt, in welchem die Veränderung eingetreten ist, zu dem nach Ausführung der Vorschrift in § 3 sich ergebenden Prozentsätze ihrem Reinerträge entsprechend mit Grund­ steuer zu belegen. Andererseits werden besteuerte Grundstücke, welche in die Klasse der steuerfreien Grundstücke übergehen, von der Fortentrichtung der auf ihnen haftenden Grundsteuer vom ersten Tage des Monats ab entbunden, welcher auf den Monat folgt, in welchem die die Steuer­ freiheit begründende Veränderung eingetreten ist. Werden Grundstücke mit Gebäuden besetzt, oder als Hofräume oder Hausgärten mit Ge­ bäuden verbunden und dadurch gebäudesteuerpflichtig (§ 1), so hört ihre Grundsteuerpflichtigkeit mit dem Zeitpunkte auf, von welchem ab sie von der Gebäudesteuer betroffen werden; sowie umgekehrt die bis dahin der Gebäudesteuer unterworfenen Grundstücke von dem Zeit­ punkte ab, wo sie aufhören, gebäudesteuerpflichtig zu sein, zur Grundsteuer heranzuziehen sind. Außerdem hört die Steuerpslichtigkeit besteuerter Grundstücke nur mit deren Untergange oder durch das Eintreten bleibender Ertragsunfähigkeit auf. 5. Gesetz, betreffend die Einführung einer allgemeinen Gebäudesteuer? Vom 21. Mai 1861 (GS. 317). § 1. Die im § 2 des G. vom heutigen Tage, betreffend die anderweite Regelung der Grundsteuer, angeordnete Gebäudesteuer tritt gleichzeitig mit der Steuer für die Liegenschaften (§ lb) des gedachten G. in Hebung. g) .bereits besteuerte ganz oder teilweise untergehen oder bleibend ertragsunfähig werden;" h) die Grenzen der Gemeinden, selbständigen Guts- oder Erhebungsbezirke, der Kreise, Provinzen oder die Landesgrenzen verlegt werden; i) materielle Irrtümer entdeckt oder von den Beteiligten nachgewiesen werden; k) Beschwerden über Grundsteuerüberbürdung als begründet anerkannt werden. § 33. Die Grundeigentümer oder die zur Entrichtung der Grundsteuer verbundenen Personen sind verpflichtet, die im § 32 zu a bis g bezeichneten Veränderungen den mit der Fortschreibung beauftragten Beamten schriftlich oder protokollarisch anzuzeigen und die zur Berichtigung der gedachten Bücher usw. erforderlichen Unterlagen beizubringen, widrigenfalls die Herbeischaffung der letzteren auf ihre Kosten bewirkt wird. Die Berichtigung der im § 32 zu h, i und k bezeichneten Veränderungen ist in allen Fällen, die Berichtigung der ebendaselbst zu a bis e bezeichneten Veränderungen aber nur, wenn die letzteren im Wege einer Regulierung gutsherrlicher und bäuerlicher Verhältnisse, einer Ablösung von Reallasten, oder einer Gemeinheilsteilung herbeigeführt worden sind, seitens der Bezirksregierung von Amts wegen zu veranlassen. Die Gemeindevorstände und die Inhaber der selbständigen Gutsbezirke sind verpflichtet, den auf die Fortschreibung der Flurbücher bezüglichen Requisitionen der mit diesem Geschäft be­ auftragten Beamten Folge zu leisten und den letzteren die erforderte Auskunft zu erteilen, be­ ziehungsweise zu beschaffen. 11 G., betr. den Erlaß oder die Ermäßigung der Grundsteuer infolge von Über­ schwemmungen, v. 15. April 1889 (GS. 99): Erlaß zulässig, sofern der Ertrag der Liegenschaften für ein oder mehrere Jahre ganz oder zu einem erheblichen Teile verloren geht, und Versetzung in eine niedrigere Klasse, sofern die Ertragsfähigkeit bleibend eine erhebliche Verminderung erlitten hat. 1 Wegen des jetzigen Geltungsgebietes vgl. Anm. 1 zum GrundstG. Wegen der Aufhebung der Gebäudesteuer als Staatssteuer vgl. Anm. 2 daselbst.

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XII. Abschn. Finanzrecht.

§ 3. Befreit von der Gebäudesteuer sind:---------- 2 7. diejenigen unbewohnten Gebäude, welche nur zum Betriebe der Landwirtschaft, z. B. zur Unterbringung des Wirtschaftsviehes, der Wirtschaftsgeräte, der Bodenerzeug­ nisse usw. bestimmt sind; nicht minder solche zu gewerblichen Anlagen gehörige Ge­ bäude, welche nur zur Aufbewahrung von Brennmaterialien und Rohstoffen, sowie als Stallung für das lediglich zum Gewerbebetriebe bestimmte Zugvieh dienen;2 8. die zu Entwässerungs- oder Bewässerungsanlagen dienenden unbewohnten Gebäude.2 § 4. Die Veranlagung der Gebäudesteuer erfolgt dergestalt,2 daß jedes der Steuer unter­ liegende Gebäude nach Maßgabe seines jährlichen Nutzungswertes zu einer der in dem Tarif bestimmten Steuerstufen eingeschätzt wird. Trifft der ermittelte Nutzungswert zwischen zwei Stufen, so wird das Gebäude zu der geringeren eingeschätzt. § k. Die Steuer beträgt jährlich: 1. für Gebäude, welche vorzugsweise zum Bewohnen und nur in Ansehung einzelner Räume zu gewerblichen Zwecken, z. B. zu Kauf- und Kramläden, Werkstätten usw. benutzt werden; ferner für Schauspiel-, Ball-, Bade-, Gesellschaftshäuser und ähnliche Gebäude vier vom Hundert des Nutzungswertes;2* 2. für solche Gebäude, welche ausschließlich oder vorzugsweise zum Gewerbebetriebe dienen, namentlich für Fabriken und Manufakturgebäude, Ziegel-, Kalk- und Gips­ brennereien, für Brauereien und Branntweinbrennereien, für Hammer- und Hüttenwerke, Schmieden und Schmelzöfen, Dampf-, Wasser- und Windmühlen, desgleichen für solche, nicht zur Benutzung für die Landwirtschaft und Fabriken (§ 3 Nr. 7) be­ stimmte Keller, Speicher, Remisen, Scheunen und Ställe, welche als selbständige Gebäude betrachtet werden müssen, zwei vom Hundert des Nutzungswertes.2Ä Bei den genannten Gebäuden kommt jedoch nur der Mietswert des räumlichen Gelasses, ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Triebwerke oder die darin befindlichen Maschinen oder Gerätschaften in Betracht. § 6. In den Städten, sowie in denjenigen ländlichen Ortschaften, in welchen eine übet* wiegende Anzahl von Wohngebäuden regelmäßig durch Vermietung benutzt wird, ist der Nutzungswert (§ 4) der steuerpflichtigen Gebäude mit Einschluß der zu diesen gehörigen Hofräume und Hausgärten (§ 1 des im § 1 erwähnten Gesetzes) nach dem mittleren jährlichen Mietswert derselben festzustellen und letzterer nach den durchschnittlichen Mietspreisen ab­ zumessen, welche innerhalb der dem Veranlagungsjahr unmittelbar vorangegangenen zehn Jahre in der Stadt oder Ortschaft bedungen worden sind. § 7. In den übrigen ländlichen Ortschaften sind, insoweit aus wirklichen Mielspreisen ein zureichender Anhalt für die Feststellung des Nutzungswertes der Gebäude nicht zu ge­ winnen ist, zu diesem Behuf neben der Größe, Bauart und Beschaffenheit der Gebäude und neben der Größe und Beschaffenheit der zu den Gebäuden gehörigen Hofräume und Hausgärten (§ 1 des im § 1 erwähnten Gesetzes) auch die Gesamtverhältnisse der zu denselben gehörigen ländlichen Besitzungen und nutzbaren Grundstücke zu berücksichtigen. In der Regel sind: 1. die Wohngebäude, welche zu ländlichen Grundstücken von so geringem Ertrage ge­ hören. daß deren Besitzer zu ihrem Unterhalt noch anderweiten Verdienst durch Tage* Jetzt ist § 24 KAbgG. maßgebend. Die unter Nr. 7 und 8 bezeichneten unbewohnten Gebäude werden zwar staatlich nicht veranlagt, sind aber wohl besonderen Gemeindegrundsteuern unter­ worfen, sofern sie nicht unter die Befreiungen des § 24 KAbgG. fallen. 3 Vgl. hierzu und zu den folgenden Paragraphen die Veranlagungsgrundsätze v. 20. Dez. 1906, die Anweisung für das formelle Verfahren v. 7. Mai 1892 und die Katasteranweisung III v. 21. Febr. 1896. — Als Veranlagung ist die Feststellung des Nutzungswertes und der Steuerstufe anzusehen. 3a Die Gebäudesteuer ist also eine Quotitätssteuer, vgl Anm. 5 zum GrundstG., vorstehend Nr. 2.

3. Gebäudesteuergesetz.

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lohn oder diesem ähnliche Lohnarbeit suchen müssen, ingleichen die Wohngebäude der Leinen Handwerker, Fabrikarbeiter usw. in eine der Stufen 1—6 einzuschätzen; 2. die Wohngebäude, welche zu solchen selbständigen ländlichen Besitzungen gehören, deren wirtschaftlicher Reinertrag nach ungefährer Schätzung durchschnittlich weniger als eintausend RÜr. jährlich beträgt, zu den Stufen 7—22; 3. die Wohngebäude, welche zu solchen größeren ländlichen Besitzungen gehören, deren wirtschaftlicher Reinertrag auf eintausend Rtlr. jährlich oder darüber geschätzt wird, zu den Stufen 17—37 des Tarifs zu veranlagen. Diese Wohngebäude dürfen niemals in eine höhere Stufe eingeschätzt werden als Wohnsebäude von gleicher Größe, Bauart und Beschaffenheit in den nächstbelegenen Landstädten. § 8. Bei der Veranlagung der Gebäude in den im § 7 gedachten Ortschaften sind außerdem rachstehende Vorschriften zu beachten: 1. zu der ersten Stufe des Tarifs sind in der Regel die Wohngebäude von geringem Werte einzuschätzen, zu welchen gar keine oder nur kleine Grundstücke von geringem Ertrage gehören und welche nur für eine Familie Wohnungsräume darbieten; 2. gehören zu einer ländlichen Besitzung mehrere Wohngebäude, so wird nur das Haupt­ wohngebäude zu der den Gesamtverhältnissen der Besitzung entsprechenden Stufe des Tarifs eingeschätzt. Die übrigen zu derselben Besitzung gehörenden Wohngebäude, wie Pächter-, Inspektoren-, Hofmeister-, Försterwohnungen, Gesinde-, Tagelöhner-, Drescher­ häuser usw. sind mit Berücksichtigung ihres Umfangs und ihrer Wohnungsräume zu einer der Stufen von 1—6 einzuschätzen. Eine über diese Sätze hinausgehende Be­ steuerung nach dem Metswerte ist bei solchen Gebäuden nur dann zulässig, wenn die­ selben an Personen vermietet werden, welche weder zur Bewirtschaftung der Besitzung bestimmt sind, noch im Dienste des Besitzers derselben stehen; 3. solche Land- und Gartenhäuser, welche nur zum Sommeraufenthalt bestimmt sind, werden ohne Rücksicht auf den Umfang und Ertragswert der dazu gehörigen nutzbaren Ländereien nach Maßgabe ihrer Größe, Bauart und Einrichtung eingeschätzt; 4. die außer den Wohngebäuden der Steuer unterliegenden, im Z 5 zu 1 und 2 bezeich­ neten Gebäude, ingleichen die zu anderen, als den in Verbindung mit Landwirtschaft betriebenen Fabriken und ähnlichen Anlagen gehörigen Wohngebäude, werden in diejenige Stufe eingeschätzt, in welche die Gebäude von derselben Art und von gleichem oder ähnlichem Umfange in denjenigen Städten eingeschätzt sind, welche zum Zwecke der Vergleichung nach Anhörung des Provinziallandtages für jeden Kreis bezeichnet werden; 5. für jede Provinz sind nach Vernehmung des Provinziallandtages die Merkmale zu­ sammenzustellen, nach welchen die steuerpflichtigen Gebäude mit Berücksichtigung der in der Provinz obwaltenden Verhältnisse in die verschiedenen Stufen des Tarifs ein­ geschätzt werden sollen.

§ 9. Die Veranlagung der Gebäudesteuer geschieht ^ unter der Leitung der BezirksRegierung innerhalb zu bildender Veranlagungsbezirke durch Kommissionen unter dem Boritze besonderer Ausführungskommissarien. Die Zahl der Mitglieder dieser Kommissionen vird mit Rücksicht auf den Umfang des Veranlagungsbezirks und die Anzahl der dazu ge­ hörigen Städte von der Bezirksregierung bestimmt. Die Mitglieder werden von der kreisständischen Versammlung, für solche Städte jedoch, welche einen Veranlagungsbezirk für sich bilden, von der Stadtverordnetenversammlung gewählt. Bei der Wahl durch die kreisständische Versammlung ist darauf zu sehen, daß die dem Ver­ anlagungsbezirke ungehörigen Städte angemessen vertreten werden; auch kann einzelnen dieser Städte von der Bezirksregierung das Recht beigelegt werden, durch die Stadtverordnetenversammlung ein Mitglied der Veranlagungskommission wählen zu lassen. 8 1«. Die Beschlüsse der Veranlagungskommission werden nach einfacher Stimmen­ mehrheit gefaßt. Im Fall einer Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den

1098

XII. Abschn. Finanzrecht.

Ausschlag. Dem letzteren steht auch das Recht zu, gegen die Beschlüsse der Veranlagungstommission die Berufung an die Bezirksregierung einzulegen, welche die Veranlagungskommission nochmals zu hören und demnächst die Entscheidung zu treffen hat, an meiche sodann die Kommission gebunden ist. Das Ergebnis der Veranlagung wird den Gebäudeeigentümern durch Offenlegung der Veranlagungsnachweisung und durch Zufertigung von Auszügen aus derselben bekannt« gemacht. Die gedachten Auszüge müssen unter spezieller Bezeichnung der zur Veranlagung ge­ kommenen Gebäude, die für diese in Ansatz gebrachten Mietswerte und die den Gebäuden auferlegten Gebäudesteuerbeträge enthalten. Die Veranlagungsnachweisungen sind während eines Zeitraums von mindestens vierzehn Tagen offenzulegen. Reklamationen gegen die geschehene Veranlagung dürfen nur binnen einer Präklusivfrist von vier Wochen, vom Empfang des Auszugs aus der Veranlagungsnachweisung an ge­ rechnet, bei dem Ausführungskommissar des Veranlagungsbezirks angebracht werden, was den Beteiligten besonders zu eröffnen ist.4 * 6 § 11. Über die Reklamation (§ 10) entscheidet nach Vernehmung des^Gutachtens der Veranlagungskommission die Regierung. Gegen die Entscheidung derselben steht dem Re­ klamanten innerhalb einer Präklusivfrist von sechs Wochen nach dem Empfange der Ent­ scheidung der Rekurs an den Finanzminister offen. Die durch die Untersuchung unbegründeter Reklamationen entstandenen Kosten sind von dem Reklamanten zu erstatten. § 12. Der Finanzminister, welchem die oberste Leitung des gesamten Veranlagungs­ geschäfts zusteht, ist befugt, von den Veranlagungsarbeiten durch besondere Kommissarien an Ort und Stelle Einsicht nehmen zu lassen, die zur Herstellung der erforderlichen Gleich­ mäßigkeit notwendigen Anordnungen zu treffen, auch etwaige Irrtümer und Verstöße gegen die Veranlagungsvorschriften von Amts wegen zu berichtigen. § 13. Die Kosten der Gebäudesteuerveranlagung fallen der Staatskasse zur Last? Je­ doch sind von den Gemeinden, beziehungsweise den Besitzern selbständiger Gutsbezirke usw., auf deren Kosten die zur Ausführung des Veranlagungsgeschäfts erforderlichen Vorarbeiten, insbesondere Nachweisungen und Beschreibungen von Gebäuden, zu beschaffen. Alle Behörden, Gemeinden und Privatpersonen sind verpflichtet, die in ihrem Besitz be­ findlichen Zeichnungen, Risse, Pläne, Taxen und sonstigen Schriftstücke, welche bei der Ausführung des Veranlagungsgeschäfts von Nutzen sein können, den damit beauftragten Kom­ missarien auf deren Erfordern zur Einsicht und Benutzung vorzulegen. Die Mitglieder der Kommissionen erhalten für Geschäfte außerhalb ihres Wohnorts Reiseund Tagegelder, welche nach § lb und § 2 der Vg. v. 4. Juli 1892 (GS. 201) festgesetzt werden. § 14. Die Gebäudesteuer wird überall nach Maßgabe der für die Grundsteuer bestehenden Bestimmungen erhoben?---------§ 15. Um die aufzustellenden Gebäudefteuerrollen bei der Gegenwart zu erhalten, müssen darin alle Veränderungen nachgetragen werden, welche dadurch entstehen, daß: 1. in dem Eigentumsverhältnis der Gebäude ein Wechsel eintritt; 2. bisher steuerpflichtige Gebäude in die Klasse der steuerfreien oder bisher steuerfreie Gebäude in die Klasse der steuerpflichtigen übergehen; 3. Gebäude durch Veränderung ihrer Bestimmung aus der 8 5 Nr. 2 bezeichneten Klasse in die § 5 Nr. 1 bezeichnete Gebäudeklasse übergehen, und umgekehrt; 4 Die Rechtsmittel der §§ 10—12 bleiben nach wie vor bestehen, während gegen die tatsächliche Heranziehung zur Steuer in der Gemeinde die Rechtsmittel der §§ 69 ff. KAbgG. Anwendung finden. Vgl. § 4 Steuer-AufhG. 6 soweit sie nicht durch die den Gemeinden hierbei übertragenen Geschäfte entstehen, § 14 des G. v. 14. Juli 1893 wegen Aufhebung direkter Staatssteuern.

6 Die Hebung und Beitreibung liegt jetzt den Gemeinden ob und erfolgt auf ihre Kosten, §§ 11 und 14 Steuer-AufhG.

3. Gebaudesteuergesetz.

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4. Gebäude neu entstehen oder gänzlich eingehen; 5. besteuerte Gebäude durch Veränderung in ihrer Substanz, namentlich durch das Auf­ setzen oder Abnehmen eines Stockwerks, oder durch das Anbauen oder Abbrechen eines Gebäudeteils, durch Vergrößerung oder durch gänzliche oder teilweise Abtrennung der dazugehörigen Hofräume und Gärten, an Nutzungswert gewinnen oder verlieren. § 1K. Die Eigentümer oder Nutznießer der Gebäude sind verpflichtet, die im § 15 ge­ dachten Veränderungen den mit der Fortführung der Gebäudesteuerrollen beauftragten Beamten schriftlich oder protokollarisch anzuzeigen und die zur Berichtigung der Rolle er­ forderlichen Nachrichten beizubringen. § 17. Ist die Anzeige von dem Wechsel in dem Eigentum (§ 15 zu 1) nicht erfolgt, so wird die veranlagte Gebäudesteuer von dem in der Rolle eingetragenen Eigentümer bis für den Monat einschließlich forterhoben, in welchem die zur Fortschreibung und Berichtigung der Rolle erforderliche Anzeige geschieht, ohne daß dadurch der neue Besitzer von der auch ihm gesetzlich obliegenden Verhaftung für die Gebäudesteuer entbunden wird. Ist die Anzeige von einer Änderung unterlassen, welche eine Steuerverminderung oder die Freiheit von der Steuer begründet (§ 15 zu 2—5), so wird die Steuer ebenfalls bis für den Monat einschließlich forterhoben, in welchem die Anzeige erfolgt. Neu entstandene Gebäude (§ 15 zu 4), desgleichen wesentliche Verbesserungen von Ge­ bäuden, sowie Vergrößerungen der zu ihnen gehörigen Hofräume usw. (§ 15 zu 5), sind spätestens drei Monate nach Ablauf des Rechnungsjahres anzumelden, in welchem die Veränderung eingetreten ist;7 Veränderungen in der Einrichtung oder Benutzung der int § 5 Nr. 2 gedachten Gebäude, wodurch dieselben in die § 5 Nr. 1 erwähnte Gebäudeklasse über­ treten, sind binnen drei Monaten nach Ablauf des Rechnungsjahres, in welchem die Veränderung eingetreten ist, anzumelden. Wer die Anmeldung unterläßt, verfällt, wenn da­ durch Steuer vorenthalten ist, in eine betn doppelten Betrage der vorenthaltenen Steuer gleichkommende Geldbuße, in den übrigen Fällen in eine Geldbuße von zehn Silbergroschen bis fünf Talern. Die Untersuchung und Entscheidung steht dem Gerichte zu, wenn nicht derjenige, welcher der Verletzung einer der vorstehenden Vorschriften beschuldigt wird, binnen einer von dem Landrat, beziehungsweise Gemeindevorstand zu bestimmenden Frist den ihm bekanntgemachten Strafbetrag nebst der etwa zu erlegenden ©teuer8 und die durch das Verfahren gegen ihn entstandenen Kosten freiwillig zahlt. § 18. Als Beitrag zu den Fortschreibungskosten haben die Eigentümer der Gebäude, in deren Eigentumsverhältnis ein Wechsel eintritt (§ 15 Nr. 1), nach der näheren Bestim­ mung des Finanzministers eine Gebühr zu entrichten, welche den Betrag von fünf Silber­ groschen für eine zu bewirkende Fortschreibung in keinem Falle übersteigen darf. § 19. (i) Neu erbaute oder vom Grunde aus wieder aufgebaute Gebäude werden erst mit Ablauf des Rechnungsjahres, in welchem die Bewohnbarkeit oder Nutzbarkeit eingetreten ist, zur Gebäudesteuer herangezogen? (2) Ebenso treten Steuererhöhungen infolge von Verbesserungen der Gebäude erst mit dem Ablaufe des Rechnungsjahres in Kraft, in welchem die Verbesserung vollendet ist9 (3) Für solche Gebäude, welche durch Brand, Überschwemmung oder sonstige Natur­ ereignisse vollständig zerstört, oder von ihrem Eigentümer gänzlich abgebrochen worden sind, wird die Gebäudesteuer von dem ersten Tage desjenigen Monats ab, in welchem die Zerstörung erfolgt, oder der Abbruch vollendet ist, abgesetzt.

(4) Geht durch Ereignisse der zu 3 gedachten Art der Jahresertrag eines solchen Gebäudes ganz oder teilweise verloren, so ist, sofern der erlittene Verlust den dritten Teil des jährlichen Nutzungswertes des Gebäudes erreicht oder übersteigt, ein dem Verhältnis des stattgefun7 § 17 Abs. 3 in der Fassung des § 8 Steuer AufhG. 8 Diese Nachsteuer steht jetzt den Gemeinden zu, § 9 des G. v. 14. Juli 1893 wegen Aufhebung direkter Staatssteuern. Dagegen fließen die Strafen in die Staatskasse, das. § 14. • § 19 Abs. 1 und 2 in der Fassung des § 26 Abs. 4 KAbgG.

1100

XIL Abschn. Finanzrecht.

denen Verlustes entsprechender Teil, nach Umständen der ganze Jahresbetrag der Gebäudesteuer zu erlassen.10 (5) Dieser ganze Betrag ist auch dann zu erlassen, wenn eine Gebäude erweislich während eines ganzen Jahres unbenutzt geblieben ist.10 § 20. Die Gebäudesteuerveranlagung wird alle fünfzehn Jahre einer Revision unterwarfen, bei deren Ausführung die im gegenwärtigen Gesetze enthaltenen Vorschriften eben­ falls zur Anwendung kommen.11

4. Gewerbesteuergesetz.1 Vom 24. Juni 1891 (GS. 205).2 § 1. Der Besteuerung nach diesem Gesetze unterliegen die in Preußen betriebenen stehen­ den0 Gewerbe. Hinsichtlich der Besteuerung des Gewerbebetriebes im Umherziehen und des Wander­ lagerbetriebes bewendet es bei den bestehenden Vorschriften mit der Maßgabe, daß im Sinne der §§ 4 und 5 des G. v. 27. Febr. 1880 (GS. 174) Städte mit mehr als 50000 Einwohnern als Orte der ersten Gewerbesteuerabteilung, Städte mit mehr als 10000 bis 50000 Ein­ wohnern als Orte der zweiten Gewerbesteuerabteilung, Städte mit mehr als 2000 bis 10000 Einwohnern als Orte der dritten und alle übrigen Orte als solche der vierten Gewerbesteuer­ abteilung gelten. Vorstehende Einteilung findet auch Anwendung, wo in anderen Gesetzen auf die bisherigen Gewerbesteuerabteilungen Bezug genommen ist. Die Einwohnerzahl bestimmt sich nach dem Ergebnis der zuletzt vorangegangenen VolksZählung. § 2. Gewerbliche Unternehmen, welche außerhalb Preußens ihren Sitz haben, aber in Preußen durch Errichtung einer Zweigniederlassung, Fabrikations-, Ein- oder Verkaufsstätte oder in sonstiger Weise einen oder mehrere stehende Betriebe unterhalten, sind nach Maßgabe derselben der Gewerbesteuer in Preußen unterworfen. Dieselben sind verpflichtet, auf Erfordern bei der Steuerverwaltung einen in Preußen wohnhaften Vertreter zu bestellen, welcher für die Erfüllung aller dem Inhaber des Unternehmens obliegenden Ver­ pflichtungen solidarisch haftet. § 3. Von der Gewerbesteuer sind befreit:4 1. das Deutsche Reich; 2. die landschaftlichen Kreditverbände, sowie die öffentlichen Versicherungsanstalten; 4. die Kommunalverbände wegen folgender von ihnen betriebenen gewerblichen Unter­ nehmungen: a) der zu gemeinnützigen Zwecken dienenden Geld- und Kreditanstalten, als Spar­ kassen, Landeskreditkassen, Landeskultur-Rentenbanken, Bezirks- und ProvinzialHilfs- und Darlehnskassen usw.; b) der Kanalisations- und Wasserwerke, letzterer jedoch nur, soweit sich der Betrieb auf den Bezirk der unternehmenden Gemeinde beschränkt; c) der Schlachthäuser und Viehhöfe; d) der Markthallen; 10 Die Ausfälle treffen nach § 11 Steuer-AufhG. die Gemeindekasse. 11 Ebenso die in Anm. 3 genannten Min.-Anweisungen. 1 Gültig im ganzen Staatsgebiete außer Hohenzollern und Helgoland. — AusfAnw. v. 4. Nov. 1895, im folgenden kurz mit AAnw. bezeichnet. — Wegen Aufhebung der Gewerbesteuer als Staatssteuer s. Anm. 2 zum GrundstG., vorstehend Nr. 2. 2 In der Fassung, die das G. durch das Steuer-AufhG. v. 14. Juli 1893 und das KAbgG. er­ fahren hat. 8 Im Gegensatz zum Gewerbebetriebe im Umherziehen, der steuerlich durch das HausStG. er­ faßt wird, abaedr. nachstehend unter Nr. 5. 4 AAnw. Art. 4 ff. — Die frühere Gewerbesteuerfreiheit des preuß. Staats und der Reichsbank ist durch § 28 Nr. 6 KAbgG. beseitigt, nicht aber die der Staatseifenbahnen, § 28 Nr. 3 daselbst.

4. Gewerbesteuergesetz.

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e) der Volksbäder; f) der Anstalten zur Beleihung von Pfandstücken. Der Finanzminister ist ermächtigt, auch für andere im öffentlichen Interesse unternommene gewerbliche Betriebe der Kommunalverbände Steuerfreiheit zu gewähren. Solange solche Betriebe ertraglos sind, muß auf Antrag vom Finanzminister die Steuerfreiheit gewährt werden. Der Finanzminister ist ermächtigt,^ vorstehende Bestimmungen auch auf Unternehmungen anderer Korporationen, Bereine und Personen, welche nur wohltätige oder gemeinnützige Zwecke unter Ausschluß eines Gewinnes für die Unternehmer verfolgen (z. B. öffentliche Bolksküchen, Kaffeeschänken, Volksbibliotheken u. dgl.), zu erstrecken, und finden dieselben zugleich in betreff der Betriebssteuer (§§ 59 ff.) Anwendung. § 4. Der Gewerbesteuer unterliegen nichts 1. die Land- und Forstwirtschaft, die Viehzucht, die Jagd, die Fischzucht, der Obst- und Weinbau, der Gartenbau — mit Ausnahme der Kunst- und Handelsgärtnerei — ein­ schließlich des Absatzes der selbstgewonnenen Erzeugnisse in rohem Zustande oder nach einer Verarbeitung, welche in dem Bereich des betreffenden Erwerbszweiges liegt. Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung auf diejenigen, welche gewerbsweise Vieh von erkauftem Futter unterhalten, um es zum Verkauf zu mästen oder mit der Milch zu handeln, sowie auf diejenigen, welche die Milch einer Herde, das Obst eines Gartens, den Fischfang in geschlossenen Gewässern und ähnliche Nutzungen ab­ gesondert zum Gewerbebetriebe pachten; 5. der Handel außerpreußischer Gewerbetreibender a) auf Messen und Jahrmärkten, b) mit Verzehrungsgegenständen des Wochenmarktverkehrs auf Wochenmärkten; 6. der Betrieb der Eisenbahnen, welche der Eisenbahnabgabe nach Maßgabe der G. v. 30. Mai 1853 (GS. 449) und v. 16. März 1867 (GS. 465) unterliegen; 7. die Ausübung eines amtlichen Berufes, der Kunst, einer wissenschaftlichen, schriftstelle­ rischen, unterrichtenden oder erziehenden Tätigkeit, Insbesondere auch des Berufes als Arzt, als Rechtsanwalt, als vereideter Land- und Feldmesser, sowie als Mark­ scheider. § 5. Der Gewerbesteuer sind ferner nicht unterworfen? Vereine, eingetragene Genossen­ schaften und Korporationen, welche nur die eigenen Bedürfnisse ihrer Mitglieder an Geld, Lebensmitteln und anderen Gegenständen zu beschaffen bezwecken, wenn sie satzungsgemäß und tatsächlich ihren Verkehr auf ihre Mitglieder beschränken* und keinen Gewinn unter die Mitglieder verteilen, auch eine Verteilung des aus dem Gewinne angesammelten Ver­ mögens unter die Mitglieder für den Fall der Auflösung ausschließen. Konsumvereine mit offenem Laden unterliegen der Besteuerung; ebenso unter derselben Voraussetzung Konsumanstalten, welche von gewerblichen Unternehmern im Nebenbetriebe unterhalten werden. 8 AAnw. Art. 7: Auf Grund dieser Ermächtigung ist den nachbezeichneten gewerblichen Unter­ nehmungen, welche von Korporationen, Vereinen oder Privatpersonen lediglich zu wohltätigen oder gemeinnützigen Zwecken, unter gänzlichem Ausschlüsse eines Gewinnes der Unternehmer, betrieben werden, Befreiung sowohl von der Gewerbesteuer, als auch Betriebs­ steuer gewährt, nämlich für: 1. öffentliche Volksküchen, Suppenanstalten, Kaffeeschänken und ähnliche Anstalten, welche dazu bestimmt sind, den unbemittelten Bolksklassen, unentgeltlich oder gegen billige Vergütung, zum sofortigen Genusse zubereitete Speisen oder Getränke — letztere jedoch unter gänzlichem Ausschlüsse geistiger Getränke — zu liefern; 2. öffentliche Volksbibliotheken, welche dazu bestimmt sind, den weniger bemittelten Volksklassen unentgeltlich oder gegen billige Vergütung guten Lesestoff zu bieten; 3. Wohltätigkeitsbazare, -Vorstellungen und -konzerte. 6 Vgl. AAnw. Art. 8 ff. und die Einschränkung durch § 28 KAbgG. 7 AAnw. Art. 10. 8 also keinen offenen Laden haben; ein Geschäftsverkehr mit Nichtmitgliedern, soweit er zur Durchführung der Vereinszwecke überhaupt notwendig ist, macht noch nicht gewerbesteuerpflichtig.

1102

XII. Abschn. Finanzrecht.

Molkereigenossenschaften, Winzervereine und andere Bereinigungen zur Bearbeitung und Verwertung der selbstgewonnenen Erzeugnisse der Teilnehmer unterliegen der Gewerbesteuer nur unter denselben Voraussetzungen, unter welchen auch der gleiche Geschäftsbetrieb des einzelnen Mitgliedes hinsichtlich seiner selbstgewonnenen Erzeugnisse der Gewerbesteuer unterworfen ist. Steuerklassen. § K. Die Besteuerung erfolgt in vier Gewerbesteuerklassen. In Klasse I sind diejenigen Betriebe zu besteuern, deren jährlicher Ertrag 50000 Mark oder mehr, oder bei denen der Wert des Anlage- und Betriebskapitals 1000000 Mark oder mehr beträgt. Die Gewerbesteuerklasse II umfaßt die Betriebe mit einem jährlichen Ertrage von 20000 bis ausschließlich 50000 Mark, oder mit einem Anlage- und Betriebskapitale im Werte von 150000 bis ausschließlich 1000000 Mark. Zur Gewerbesteuerklasse III gehören die Betriebe mit einem jährlichen Ertrage von 4000 bis ausschließlich 20000 Mark, oder mit einem Anlage- und Betriebskapitale im Werte von 30000 bis ausschließlich 150000 Mark. Zur Gewerbesteuerklasse IV gehören die Betriebe mit einem jährlichen Ertrage von 1500 bis ausschließlich 4000 Mark, oder mit einem Anlage- und Betriebskapitale von 3000 bis ausschließlich 30000 Mark. § 7. Betriebe, bei denen weder der jährliche Ertrag 1500 Mark noch das Anlage- und Betriebskapital 3000 Mark erreicht, bleiben von der Gewerbesteuer befreit. Auf die Betriebssteuer (§§ 59 ff. dieses G.) findet diese Bestimmung keine Anwendung. § 8. Betriebe, deren Zugehörigkeit zu einer der Steuerklassen I, II, III lediglich durch die Höhe des Anlage- und Betriebskapitals bedingt ist, sind auf Antrag des Steuerpflichtigen in die dem Ertrage entsprechende Steuerklasse zu versetzen, wenn der erzielte Ertrag nachweislich zwei Jahre lang die Höhe von 30000 Mark in Klasse I, 15000 Mark in Klasse II und von 3000 Mark in Klasse III nicht erreicht hat. Auf Konsumvereine und Konsumanstalten, welche nach § 5 gewerbesteucrpflichtig sind, findet diese Bestimmung keine Anwendung. § A. Die Steuer ist in Klasse I von jedem Gewerbebetriebe mit einem vom Hundert des jährlichen Ertrages mit der Maßgabe zu entrichten, daß bei einem Ertrage von 50000 bis 54800 Mark (ausschließlich) die Steuer = 524 Mark beträgt, und für die höheren, in Stufen von je 4800 Mark steigenden Erträge die Steuersätze in Stufen von je 48 Mark steigen. Für Erträge unter 50000 Mark können geringere Steuersätze als 524 Mark, jedoch nicht unter 300 Mark unter Beachtung der Vorschrift im letzten Absätze des § 14 angesetzt werden. § 10. Veranlagungsbezirke für die Klasse I sind die einzelnen Provinzen und die Stadt Berlin. Tie Veranlagung erfolgt durch den für jeden Veranlagungsbezirk zu bildenden Steuerausschuß, dessen Mitgliederzahl vom Jinanzminister zu bestimmen ist, jedoch wenigstens aus sechs Personen bestehen muß. Zwei Drittel derselben werden für drei Jahre von dem Provinzialausschuß, in Berlin vom Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung in ge­ meinschaftlicher Sitzung aus den Gewerbetreibenden des Bezirks gewählt. Ein Drittel der Mitglieder^ und den Vorsitzenden des Steucrausschusses ernennt der Finanzminister. Der Vorsitzende und die ernannten Mitglieder können den Steuerausschüssen mehrerer Provinzen angehören. § 11. Veranlagungsbezirke bilden für Klasse II die Regierungsbezirke, für Klasse III und IV die Kreise. Die Stadt Berlin bildet für jede Klasse einen Veranlagungsbezirk. § 12. Durch Bestimmung des Finanzministers können innerhalb der Provinz für Klasse I, 9 Im Gegensatz zu den Steuerausschüssen der anderen Klassen, in denen nur der Vorsitzende ernannt wird, § 15.

4. Gewerbesteuergesetz.

1103

des Regierungsbezirks für Klasse II und des Kreises für die Klassen III und IV, sowie inner­ halb der Stadt Berlin für jede Klasse mehrere Veranlagungsbezirke gebildet werden.

In

gleicher Weise können für die Klassen III und IV mehrere Kreise zu einem Veranlagungsbezirk vereinigt werden. § 13. Steuergesellschaften.

Die Steuerpflichtigen des Veranlagungsbezirks werden

in jeder der Klassen II bis IV zu einer Steuergesellschaft vereinigt, welche für das Veranlagungsjähr die Summe der für jeden Betrieb in Ansatz kommenden Mittelsätze — abzüglich beziehungsweise zusätzlich des durch Entscheidungen über eingelegte Rechtsmittel (§§ 35 ff.) verursachten Zu- beziehungsweise Abgangs gegen die Veranlagung des Vorjahres — aufzubringen hat. Die aufzubringende Steuersumme wird auf den durch die zulässigen Steuersätze darstellbaren Betrag abgerundet. § 14.

Steuersätze. in Klasse

Die Mittelsätze betragen: II............................................................................

in Klasse III in Klasse

300 Mark,

.........................................................................

80



IV............................................................................

16



Tie bei der Steuerverteilung zulässigen geringsten und höchsten Steuersätze betragen in Klasse

II................................................................156

in Klasse III in Klasse

................................................................32

IV.............................................................

bis 480 Mark, bis 192

4 bis

36

„ „

Tie Steuersätze sollen bis zu 40 Mark um je 4 Mark, von da ab bis 96 Mark um je 8 Mark, weiter bis 192 Mark um je 12 Mark und weiter bis zu 480 Mark um je 36 Mark steigend abgestuft werden. Steuerausschüsse. § 15. 1. Behufs Veranlagung der Gewerbesteuer der Klassen II, III und IV wird für jede Klasse und jeden Bezirk (§§ 6,11 und 12) ein Steuerausschuß gebildet, welcher aus einem Kommissar der Bezirksregierung als Vorsitzenden und von den Steuerpflichtigen der betreffenden Klasse (Steuergesellschaft) aus ihrer Mitte für drei Jahre gewählten Abgeordneten besteht? Letztere, deren Anzahl vom Finanzminister bestimmt wird, haben die Steuersumme10 nach ihrer Kenntnis oder Schätzung des Ertragsverhältnisses unter die einzelnen Mitglieder der Steuergesellschaft zu verteilen.

Dem Kommissar der Regierung steht die Befugnis zu,

hierbei den Vorsitz zu übernehmen; er hat jedoch nur im Falle der Gleichheit der Stimmen der Abgeordneten ein Stimmrecht. 2. Mit Ausnahme derjenigen Betriebe, welche bei geringerem als dem für die betreffende Klasse maßgebenden Erwäge (§ 6) wegen der Höhe des Anlage- und Betriebskapitals der Steuergesellschaft zugehören, soll die Steuer der einzelnen Gewerbebetriebe den für Klasse I vorgeschriebenen Prozentsatz des Ertrages unter Berücksichtigung der zulässigen Steuersätze (§ 14) nicht übersteigen. Ermäßigung bis auf den diesem Prozentsatz entsprechenden Steuersatz kann von den Steuerpflichtigen im Wege des Einspruchs und der Berufung (§§ 35 ff.) beansprucht werden. 3. Sollte die Steuersumme einer Gesellschaft bei vorschriftsmäßiger Steuerverteilung nicht aufgebracht werden können, ohne die Gewerbebetriebe, deren Ertrag die für die betref­ fende Klasse maßgebende Höhe erreicht (§ 6), mit Steuersätzen zu belegen, welche das vor­ stehend (Nr. 2) bestimmte Maß übersteigen, so hat der Finanzminister die erforderliche Herab«setzung der Steuersumme zu verfügen. Ort der Veranlagung und Veranlagungsgrundsätze. § 17. Mehrere Betriebe derselben Person werden als ein steuerpflichtiges Gewerbe zur Steuer veranlagt.

Tie auf Grund des § 5 steuerpflichtigen Konsumanstalten gewerblicher

10 Diese Gewerbesteuersumme ergibt sich durch Vervielfältigung des Mittelsatzes mit der Anzahl der zu der betreffenden Steuergesellschaft gehörigen Steuerpflichtigen, AAnw. Art. 15. 11 Die Veranlagung der Gewerbebetriebe des Staats und der Reichsbank erfolgt in Berlin nach der Bek. v. 22. Dez. 1894 (Milt. Heft 30, S. 52).

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XII. Abschn. Finanzrecht.

Unternehmer sind jedoch von den sonstigen Betrieben der Unternehmer getrennt zur Steuer heranzuziehen. Die Besteuerung erfolgt in dem Veranlagungsbezirke, in welchem das Gewerbe betrieben wird. Findet der Betrieb in mehreren Veranlagungsbezirken statt, so. erfolgt die Besteuerung in dem Bezirke, in welchem die Geschäftsleitung des Unternehmens ihren Sitz oder der in § 2 Absatz 2 erwähnte Vertreter seinen Wohnsitz hat.n Dasselbe gilt, wenn mehrere Gewerbe von derselben Person betrieben werden. Erforderlichenfalls bestimmt der Finanzminister endgülüg den Veranlagungsbezirk, in welchem die Besteuerung stattzufinden hat. § 18. Gewerbe, welche von mehreren Personen gemeinschaftlich betrieben werden, sind ebenso zu besteuern, als wenn sie nur von einer Person betrieben würden. Für die Erfüllung der nach diesem Gesetz den Steuerpflichtigen obliegenden Verpflichtungen haften die Teilnehmer (Gesellschafter) solidarisch. § 19. Der Gewerbebetrieb der juristischen Personen12 und Vereine wird wie derjenige physischer Personen besteuert. Für die Erfüllung der nach diesem Gesetz den Steuerpflichtigen obliegenden Verpflich­ tungen haftet bei Aktiengesellschaften und sonstigen durch einen Vorstand vertretenen Gesell­ schaften, Genossenschaften usw. und bei juristischen Personen der Vorsitzende und jedes Mit­ glied des geschäftsführenden Vorstandes, bei Kommanditgesellschaften und Kommandit­ gesellschaften auf Aktien die persönlich haftenden Gesellschafter. Die Erfüllung der Verpflichtung seitens eines der dafür Haftenden befreit die übrigen von ihrer Verbindlichkeit. § 20. Betreibt die Ehefrau eines Gewerbetreibenden, welche nicht dauernd bon dem­ selben getrennt lebt, ein eigenes Gewerbe, so ist der Ertrag beziehungsweise das Anlageund Betriebskapital dieses Gewerbes demjenigen des Ehemannes zuzurechnen und findet eine gesonderte Besteuerung des ersteren nicht statt. § 21. Bei inländischen Gewerben, welche außerhalb Preußens einen stehenden Betrieb durch Errichtung einer Zweigniederlassung, Fabrikations-, Ein- oder Verkaufsstätte oder in sonstiger Weise unterhalten, bleibt derjenige Betrag des Ertrages beziehungsweise des Anlage-,und Betriebskapitals, welcher auf den in anderen Bundesstaaten unterhaltenen Betrieb entfällt, für die Besteuerung außer Ansatz, jedoch nach Abzug des auf die in Preußen befindliche Geschäftsleitung zu rechnenden Anteils von einem Zehntel des Ertrages, soweit nicht das Doppelsteuergesetz v. 22. März 1909 (RGBl. 332) entgegensteht?2 § 22. Bei Ausmittelung des Ertrages kommen alle Betriebskosten und die Abschreibungen, welche einer angemessenen Berücksichtigung der Wertsverminderung entsprechen, in Ab­ zug.^ Insbesondere kann auch die Wertsverminderung derjenigen Gegenstände, welche aus dem Betriebe ausscheiden, nach Maßgabe ihres Buchwertes abgeschrieben werden. Dem Ertrage zuzurechnen sind die aus den Betriebseinnahmen bestrittenen Ausgaben für Ver­ besserungen und Geschäftserweiterungen, sowie für den Unterhalt des Gewerbetreibenden und seiner Angehörigen. Nicht abzugsfähig sind Zinsen für das Anlage- und Betriebs­ kapital, dasselbe mag dem Gewerbetreibenden selbst oder Dritten gehören und für Schul­ den, welche behufs Anlage oder Erweiterung des Geschäfts, Verstärkung des Betriebs­ kapitals oder zu sonstigen Verbesserungen aufgenommen sind. 11 a Dazu gehört die Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Eingetr. Genossenschaft mit beschränkter oder unbeschränkter Haftpflicht, die Reederei; nicht aber die Gesellschaft mit beschr. Haftung, die nach § 19 besteuert wird. 12 Dazu gehört die Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien, Gesellschaft mit beschr. Haftung, Eingetr. Genossenschaft mit unbeschr. Nachschußpflicht, Gewerkschaft, s. Anm. 11.

13 Abgedr uckt nachstehend unter Nr. 11.

14 Über die Ermittelung des steuerpflichtigen Ertrages, insbes. die zulässigen Abzüge vgl. die eingehenden Bestimmungen des Art. 16 AAnw.

4. Gewerbesteuergesetz.

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§ 23. Das Anlage- und Betriebskapital umfaßt sämtliche dem betreffenden Gewerbe­ betriebe dauernd gewidmeten $3ette.15 § 24. Die Veranlagung der Gewerbesteuer erfolgt für jedes Steuerjahr. Für die Steuerveranlagung maßgebend ist der Ertrag des bei Vornahme derselben ab­ gelaufenen Jahres, beziehungsweise das Anlage- und Betriebskapital nach seinem mittleren Stande im abgelaufenen Jahre. Besteht der Gewerbebetrieb noch nicht ein Jahr lang, so ist der Ertrag und das Betriebs­ kapital nach dem zur Zeit der Veranlagung vorliegenden Anhalt zu schätzen. Während des Steuerjahres eintretende Änderungen sind erst bei der Besteuerung für das folgende Jahr zu berücksichtigen. Befugnisse des Steuerausschusses beziehungsweise des Vorsitzenden. § 25. Der Vorsitzende des Steuerausschusses, welcher zugleich das Interesse des Staates vertritt, hat die Geschäfte des Steuerausschusses vorzubereiten, zu leiten und dessen Be­ schlüsse auszuführen. Zum Zweck der richtigen Veranlagung der Steuerpflichtigen hat er die erforderlichen Nachrichten über ihren Gewerbebetrieb einzuziehen. Hierbei kann er sich nach seinem Ermessen der Mitwirkung der Gemeinde(Guts)vorstände und der Verwaltungsbehörden bedienen, welche seinen Aufforderungen Folge zu leisten schuldig sind. Der Vorsitzende kann den Steuerpflichtigen auf Antrag oder von Amts wegen Gelegen­ heit zur persönlichen Verhandlung über die für die Veranlagung erheblichen Tatsachen und Verhältnisse gewähren, auch eine Besichtigung der gewerblichen Anlagen, Betriebsstätten und Vorräte während der Arbeitsstunden veranlassen. Sämtliche Staats- und Kommunalbehörden haben dem Vorsitzenden die Einsicht aller, die Gewerbsverhältnisse der Steuerpflichtigen betreffenden Bücher, Akten, Urkunden usw. zu gestatten, sofern nicht besondere gesetzliche Bestimmungen oder dienstliche Rücksichten entgegenstehen. § 26. Der Steuerausschuß ist berechtigt, Sachverständige und Auskunftspersonen zu Ver­ nehmen, nötigenfalls auch dieselben zu beeidigen^ oder deren eidliche Vernehmung zu ver­ anlassen. Dieselben können die Auskunfterteilung auf die ihnen vorgelegten Fragen nur aus den nach Bestimmung der Zivilprozeßordnung zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigenden Gründen ablehnen. Personen, welche bei dem Steuerpflichtigen bedienstet sind oder waren, bleiben von der Vernehmung ausgeschlossen, insofern der Steuerpflichtige damit nicht ein­ verstanden ist. § 27. Eine Vorlegung der Geschäftsbücher des Gewerbetreibenden findet nur statt, wenn dieser selbst dazu bereit ist. Zur Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen ist der Gewerbetreibende in keinem Falle verpflichtet. Mit der Besichtigung der Anlagen, Betriebsstätten und Vorräte (§ 25 Absatz 4) können ohne Zustimmung des Gewerbetreibenden andere Personen, als Staatsbeamte, nicht be­ auftragt werden. § 28. Besondere Verpflichtung der Aktiengesellschaften. Juristische Per­ sonen, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, eingetragene Genossen­ schaften und alle zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten gewerblichen Unterneh­ mungen 17 sind verpflichtet, ihre Geschäftsberichte und Jahresabschlüsse, sowie darauf be16 AAnw. Art. 17. Das gewerbliche Anlage- und Betriebskapitel ist das gesamte, in dem Betriebe verwendete, zur Erzielung gewerblichen Ertrages dauernd bestimmte, werbende Ver­ mögen nach dem gemeinen Werte seiner einzelnen Bestandteile. 16 Für die eidliche Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen, die durch den Vor­ sitzenden des Steuerausschusses erfolgt, sind §§ 375 ff., 402 ff. ZPO. maßgebend.

17 Dazu gehören nicht Berggewerkschaften, und von den Gesellschaften mit beschr. Haftung R e i ch e l t, Verwaltungsgesetzbuch. 70

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XII. Abschn. Finanzrecht.

zügliche Beschlüsse der Generalversammlungen nach den näheren Bestimmungen des Finanz­ ministers alljährlich der Bezirksregierung einzureichen. § 29. Namentliche Nachweisungen für Klasse II bis IV. Die der Veranlagung zugrunde zu legende namentliche Nachweisung der Steuerpflichtigen wird für die Klassen II, III und IV durch die Steuerausschüsse festgestellt.18 Dem Vorsitzenden steht das Recht der Berufung an die Bezirksregierung zu. Er hat von der Ausübung dieses Rechts dem Steuer­ ausschuß Mitteilung zu machen, auch dessen Erklärung darüber zu erfordern und der Be­ rufungsschrift beizufügen. Gegen die Entscheidung der Bezirksregierung steht nur dem Steuerausschusse binnen zehntägiger Ausschlußfrist nach erfolgter Mitteilung an die Mitglieder die Beschwerde an den Finanzminister zu. § 30. Berufungsrecht des Vorsitzenden in Klasse I. Gegen die Veranlagungs­ beschlüsse des Steuerausschusses der Klasse I steht dem Vorsitzenden die Berufung an die Be­ zirksregierung am Sitz des Steuerausschusses zn. Dem Steuerausschuß ist davon Mitteilung zu machen und Gelegenheit zu geben, den angefochtenen Beschluß zu begründen. § 31. Gewerbesteuerrolle. Die aus den Steuerlisten der einzelnen Steuerklassen zu­ sammenzustellenden Gewerbesteuerrollen werden für jede Gemeinde gebildet. Die Ge­ werbesteuerrolle ist zur Einsicht der Steuerpflichtigen des Veranlagungsbezirkes während einer Woche öffentlich auszulegen. Diese Auslegung ist eine Woche vorher bekanntzumachen. § 32. Benachrichtigung des Steuerpflichtigen. Das Ergebnis der Veranlagung hat der Vorsitzende des Steuerausschusses jedem Steuerpflichtigen mittels einer, zugleich eine Belehrung über die Rechtsmittel enthaltende Zuschrift bekanntzumachen.^ Auf die von dem Vorsitzenden des Steuerausschusses zu bewirkenden Zustellungen an Steuerpflichtige finden die Bestimmungen im § 53 des Einkommensteuergesetzes Anwendung. § 33. Begrenzung der Steuerpflicht. Die Steuerpflicht beginnt mit dem Anfange des auf die Eröffnung des Betriebes folgenden Kalendervierteljahres und dauert bis zum Ende desjenigen Kalendervierteljahres, in welchem das Gewerbe abgemeldet fair b.20 Er­ folgt die Abmeldung in demselben Vierteljahr, in welchem der Betrieb begann, so ist der Gewerbetreibende für ein Vierteljahr steuerpflichtig. Zeitweilige durch die Natur des Ge­ werbes bedingte Unterbrechung befreit nicht von der Steuerverpflichtung für die Zwischen­ zeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebes im Laufe desselben oder des nächstfolgenden Jahres. § 34. Zugang im Laufe des Jahres.21 Gewerbetreibende, welche nach Beginn der jährlichen Veranlagung einen Betrieb anfangen, sind durch den Vorsitzenden des Steuer­ ausschusses der Klasse IV nach der Höhe des mutmaßlichen Ertrages beziehungsweise Anlageund Betriebskapitals der entsprechenden Steuerklasse zuzuweisen.22 Dieselben werden in Klasse II bis IV mit dem Mittelsatze (§ 14), in Klasse I, vorbehaltlich der Feststellung des Steuersatzes durch den Steuerausschuß bei dem Zusammentreten desselben, vorläufig mit dem vom Vorsitzenden bestimmten Steuersatz in Zugang gestellt. Die Feststellung durch den Steuerausschuß der Klasse I hat — auch wenn sie erst im nächst­ folgenden Steuerjahre stattfindet — die Wirkung, daß der Steuerpflichtige zur Nachentnur diejenigen, deren Unternehmen im Betriebe von Bankgeschäften besteht, § 42 des RG. v. 20. Mai 1898 (RGBl. 846). 18 AAnw. Art. 34 ff. — Soweit die Feststellung nicht vom Vorsitzenden durch Berufung angefochten wird, ist sie endgültig. In Klasse I bedarf es, da keine Steuergesellschaft gebildet wird, auch keiner Feststellung der namentlichen Nachweisung. 19 und zwar verschlossen, mittels förmlicher Zustellung, durch Vermittelung der Gemeindevor­ stände, AAnw. Art. 40. 20 Diese Abmeldung ist unbedingte Voraussetzung für das Aufhören der Steuerpflicht, § 58 Abs. 1, vgl. jedoch Abs. 2 daselbst. — Auf die Betriebssteuer findet § 33 keine Anwendung. 21 AAnw. Art. 48 und 27. 22 Die Vorsitzenden der Ausschüsse, an welche die Überweisungen seitens des Vorsitzenden der Klasse IV erfolgen, sind daran nicht gebunden, AAnw. Art. 27 Nr. 3.

4. Gewerbesteuergesetz.

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richtung des infolge der vorläufigen Bestimmung des Steuersatzes durch den Vorsitzenden zu wenig Gezahlten verbunden ist und ein zuviel gezahlter Betrag erstattet wird. Tie Bekanntmachung an den Steuerpflichtigen erfolgt nach Vorschrift des § 32. Ten Steuerpflichtigen der Klasse I stehen gegen die Festsetzung des Steuerausschusses die Rechtsmittel nach Maßgabe der §§ 35 ff. offen. Die Steuerpflichtigen der Klasse II, III, IV können dieselben Rechtsmittel nur wegen vermeinüich unrichtiger Bestimmung der Steuer­ klasse einlegen. Rechtsmittel. § 35. Gegen das Ergebnis der Veranlagung steht dem Steuerpflichtigen22 das Rechts­ mittel des Einspruchs bei dem Steuerausschusse zu. Dasselbe ist bei dem Vorsitzenden des Ausschusses binnen einer Ausschlußfrist von vier Wochen einzulegen, welche von dem auf die Zustellung der Steuerzuschrift (§§ 32 und 34) folgenden Tage ab läuft.24 § 36. Gegen die Entscheidung des Steuerausschusses über den Einspruch steht sowohl dem Vorsitzenden als dem Steuerpflichtigen binnen der im § 35 bestimmten Ausschlußfrist das Rechtsmittel der Berufung an die Bezirksregierung (§§ 29 und 30) zu. Der Steuer­ pflichtige hat das Rechtsmittel beim Vorsitzenden des Steuerausschusses einzulegen. Für den Vorsitzenden läuft diese Frist vom Tage der Entscheidung. § 37. Gegen die Entscheidung über die Berufung steht dem Steuerpflichtigen die Be­ schwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, welche innerhalb der im § 35 bestimmten Ausschlußsrist bei der Bezirksregierung (§§ 29 und 30) einzulegen ist, und nur darauf gestützt werden kann: 1. daß die -angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwendung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechts, insbesondere auch der von den Behörden inner­ halb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen beruhe; 2. daß das Verfahren an wesentlichen Mängeln leibe.25 In der Beschwerde ist anzugeben, worin die behauptete Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts, oder worin die behaupteten Mängel des Verfahrens gefunden werden. Tie Bestimmungen in §§ 45 bis 49 des Einkommensteuergesetzes finden sinngemäße An­ wendung. § 38. Verteilung des Steuersatzes auf mehrere Kommunalbezirke. Erstreckt sich ein Gewerbebetrieb über mehrere Kommunalbezirke und wird für die Zwecke der kom­ munalen Besteuerung oder kommunaler Wahlen die Zerlegung des Steuersatzes in die auf die einzelnen Betriebsorte entfallenden Teilbeträge erforderlich, so ist diese von dem ver­ anlagenden Steuerausschusse zu bewirken.22 Der Beschluß ist sowohl den beteiligten Kommunen als dem Steuerpflichtigen zuzustellen. Denselben steht binnen einer Ausschlußfrist von vier Wochen die Berufung an die Bezirks­ regierung (§§ 29 und 30) und gegen die Berufungsentscheidung in gleicher Frist die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu. Steuererhebung. § 40. Tie Zahlung der veranlagten Steuer wird durch die Einlegung von Rechtsmitteln nicht aufgehalten, muß vielmehr, mit Vorbehalt späterer Erstattung, in den vorgeschriebenen Fristen erfolgen. § 41. Wird ein Gewerbebetrieb von einer anderen Person unverändert fortgesetzt (z. B. im Fall der Vererbung, Verpachtung, Veräußerung), so ist die veranlagte Steuer bis 23 Nur diesem, nicht auch den beteiligten Gemeinden; deshalb ist eine reformatio in pejus infolge dieses Rechtsmittels ausgeschlossen. 24 Diese Ausschlußfrist ist absolut, da eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unverschuldeter Fristversäumnis (wie z. B. nach § 48 ErgStG.) im GewStG, nicht vorgesehen ist. 25 Die Gründe sind also die allgemeinen Revisionsgründe im Berwaltungsstreitverfahren nach § 94 2m. 26 Bg!. jetzt § 32 KAbgG.

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XII. Abschn.

Finanzrecht.

zum Ablauf des Steuerjahres fortzuentrichten und findet nur eine Umschreibung des Namens statt. Der Verpächter eines Gewerbes haftet für die Jahressteuer solidarisch mit dem Pächter desselben. § 42. Bei Berlegung des Betriebsortes oder des Sitzes der Geschäftsleitung, beziehungs­ weise des Wohnortes des Gewerbetreibenden tritt die erforderliche Übertragung der Steuer für den Rest des Jahres ohne neue Veranlagung ein. § 43. Im übrigen wird das Verfahren bei Zu- und Abgängen durch Bestimmung des Finanzministers geregelt.27 Ermäßigung im Laufe des Steuerjahres. § 44. Wird ein Betrieb durch Tod oder Krankheit des Inhabers, Brandunglück, Über­ schwemmung oder sonstige Ereignisse wesentlich geschädigt, so kann die Steuer für die folgen­ den Vierteljahre ermäßigt oder erlassen werden.28 § 45. Veranlagte Gewerbesteuerbeträge können in einzelnen Fällen niedergeschlagen werden, wenn deren zwangsweise Beitreibung die Steuerpflichtigen in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährden, oder wenn das Beitreibungsverfahren voraussichtlich ohne Erfolg sein

nmrbe.28 Bildung und Geschäftsführung der Steuerausschüsse. § 46. Die Wahl der Mitglieder der Steuerausschüsse und einer gleichen Anzahl Stell­ vertreter findet alle drei Jahre statt. Die Wahlen erfolgen nach relativer Stimmenmehrbeit. Das Wahlverfahren wird für die Steuerklassen II bis IV durch Bestimmung des Finanz­ ministers geregelt. § 47. Wählbar sind nur solche männliche Mitglieder der betreffenden Klasse, welche das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben und sich im Besitze der bürgerlichen Ehren­ rechte befinden. Von mehreren Inhabern eines Geschäfts ist nur einer wählbar und zur Allsübung der Wahlbefugnis zu verstatten. Aktien- und ähnliche Gesellschaften üben die Wahlbefugnis durch einen von dem geschäftsführenden Vorstande zu bezeichnenden Beauftragten aus; wählbar ist von den Mitgliedern des geschäftsführenden Vorstandes nur eines. Minderjährige und Frauen können die Wahlbefugnis durch Bevollmächtigte ausüben, wählbar sind letztere nicht. Niemand darf mehr als eine Stimme abgeben; die Übertragung des Stimmrechts ist un­ zulässig. Die Wahl darf nur aus den im §8 der KrLg. v. 13. Dez. 1872 (GS. 661) angegebenen Gründen abgelehnt werden. Über die Zulässigkeit der Ablehnung entscheidet der Vorsitzende des Steuerausschusses. § 48. Wird die Wahl der Abgeordneten und Stellvertreter seitens einer Steuergesellschaft verweigert oder nicht ordnungsmäßig bewirkt, oder verweigern die Gelvählten die ord­ nungsmäßige Mitwirkung, so gehen die dem Steuerausschusse zustehenden Befugnisse für das betreffende Steuerjahr auf den Vorsitzenden über. § 49. Die Mitglieder der Steuerausschüsse und deren Stellvertreter haben dem Vorsitzenden mittels Handschlags an Eides Statt zu geloben, daß sie bei den Aussckußverhandlungen ohne Ansehen der Person, nach bestem Wissen und Gewissen verfahren und die Ver­ handlungen, sowie die hierbei zu ihrer Kenntnis gelangenden Verhältnisse der Steuerpflich­ tigen strengstens geheimhalten werden. Das gleiche Gelöbnis haben vor einem Kommissar der Bezirksregierung diejenigen Vor­ sitzenden abzulegen, welche nicht schon als Beamte beeidigt sind. Die bei der Steuerveranlagung beteiligten Beamten sind zur Geheimhaltung der Aus27 AAnw. Art. 46—48. 28 Ermäßigungen, Erlasse und Niederschlagungen veranlagter Gewerbesteuern stehen jetzt den Gemeinden zu. Eine Erhöhung im Laufe des Steuerjahres findet nicht statt, da immer der jährliche Ertrag zugrunde gelegt wird.

4. Gewerbesteuergesetz.

1109

schußverhandlungen sowie der zu ihrer Kenntnis gelangenden Verhältnisse der Steuerpfliäitigien kraft des von ihnen geleisteten Amtseides verpflichtet. § 50. Solange über die Veranlagung oder den Einspruch eines Ausschußmitgliedes oder lernn Verwandten oder Verschwägerten in auf- und absteigender Linie oder bis zum dritten Grade Der Seitenlinien beraten und abgestimmt wird, hat dasselbe abzutreten. Der Vor­ sitzerde hat in gleichem Falle den Vorsitz an ein Mitglied abzugeben. §51. Die Mitglieder der Steuerausschüsse erhalten Tagegelder und Reisekosten nach der Kgll. Vg. v. 28. Dez. 1910 (GS. 1911, S. 1). Tie Gebühren für Zeugen und Sachverständige (§ 26) werden nach den in Zivilprozessen zur Amwendung kommenden Vorschriften berechnet. An- und Abmeldung des Gewerbes. § 52.. Wer den Betrieb eines stehenden Gewerbes anfängt, muß der Gemeindebehörde des Or:tes, wo solches geschieht, vorher oder gleichzeitig Anzeige davon machen.^ Tiessr Verpflichtung wird, soweit nicht im folgenden etwas anderes bestimmt ist, durch die nacch Borschrift der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich (§ 14) zu machende An­ zeige g,eniigt. In iver Stadt Berlin ist die vorgeschriebene Anzeige bei der Direktion für die Verwaltung focr Öifcdten Steuern zu bewirken. g 53$. Die Vorstände der Gemeinden (Gutsbezirke) sind verpflichtet, von allen bei ihnen eimtcl)(Cnten Gewerbeanmeldungen in der von der Bezirksregierung anzuordnenden Frist der ihrnen bezeichneten Veranlagungsstelle Mitteilung zu machen, auch nach Anstellung der «erserdcerlichen Erkundigungen über die Steuerpflichtigkeit, beziehungsweise darüber, in »velcheir Klasse die Besteuerung zu erfolgen hat, sich gutachtlich zu äußern. § »O. Zeder Gewerbetreibende ist verpflichtet, auf Aufforderung des Gemeindevorstandes ob« d>es Vorsitzenden des zuständigen Steuerausschusses, innerhalb der zu bestimmenden, inindessters einwöchentlichen Frist schriftlich zu erklären, welches oder welche Gewerbe er treibt oder zu treiben beginnt, welche Betriebsstätten er unterhält, welche Gattungen und wie viele Hilfspersonen, Gehilfen und Arbeiter und welche Gattung und wie viele Maschinen einschließlich der Motoren im Gewerbebetriebe »erwendet werden. Auch mdere auf die äußerlich erkennbaren Merkmale des Betriebes gerichtete Fragen ist der Getterbetreibende wahrheitsgemäß zu beantworten verpflichtet. § 55. Auf besondere Aufforderung des Vorsitzenden eines zuständigen Steuerausschusses des Vermlagungsbezirks ist jeder Gewerbetreibende verpflichtet, in verschlossenem Schreiben oder rnürdlich zu Protokoll zu erklären, ob der jährliche Ertrag seines Gewerbebetriebes 1500 bis ausschließlich 4000 Mark, obe des einjährigen Betrages als Kapitalwert angenommen. Ist das Recht aus die Lebenszeit des Berechtigten oder einer anderen Person beschränkt, so bestimmt sich der Kapitalwert nach dem zur Zeit der Veranlagung (Vermögensanzeige) erreichten Lebensalter der Person, bei deren Tode das Recht erlischt, und wird bei einem Lebensalter derselben 18 fache von 15 Jahren oder weniger auf das über 15 Jahre bis zu 25 Jahren auf das 17 „ „ 25 „ ff f, 3o fi „ „ 16 „ n 14 „ 35 „ „ 45 „ „ 12 „ 45 „ „ 55 „ „ 65 8'/,„ „ 55 „ „ „ 65 75 5 „ „ „ „ „ ", 80 ", „ „ „ „ 3 „ 75 2 „ „ 80 „ auf das ............... der einjährigen Nutzung oder Leistung angenommen. Ist die Dauer des Rechts von der Lebenszeit mehrerer Personen dergestalt abhängig, daß beim Tode der zuerst versterbenden die Nutzung oder Leistung erlischt, so ist für die nach der Bestimmung zu II vorzunehmende Wertermittelung das Lebensalter der ältesten Person maßgebend. Wenn das Bezugsrecht bis zum Tode der letztver­ sterbenden Person fortbanert, erfolgt die Berechnung nach dem Lebensalter der jüngsten Person. Der Kapitalwert der auf bestimmte Zeit eingeschränkten Nutzungen oder Leistungen ist für den Zeitpunkt der Veranlagung (Vermögensanzeige) unter Zugrundelegung eines vierprozentigen Zinsfußes nach der [beigefügten] Hilfstabelle zu ermitteln. Ist jedoch die Dauer des Rechts noch außerdem durch die Lebenszeit einer oder mehrerer Personen bedingt, so darf der nach den Bestimmungen zu II und III zu berechnende Kapitalwert nicht überschritten werden. Bei Nutzungen oder Leistungen, welche ihrem Betrage oder ihrem Geldwerte nach nicht feststehen, wird der Geldwert des im letzten Leistuugsjahre entrichteten Betrages, und wenn eine volle Jahresleistung noch nicht stattgefunden hat, der Geldwert des mutmaßlich für das laufende Jahr zu entrichtenden Betrages zugrunde gelegt:



III.

IV.

V.



§ 14. Vom Kapitalwerte unverzinslicher befristeter Forderungen und Schulden werden für die Zeit bis zur Fälligkeit vier Prozent Jahreszinsen in Abzug gebracht. § 15. Noch nicht fällige Ansprüche aus Sebent12, Kapital- und Rentenversicherungen kommen mit zwei Dritteln der Summe der eingezahlten Prämien oder Kapitalbeiträge, 11 einschlienlich der Stammeinlagen bei Gesellschaften in. b. £)., der Geschäftsguthaben bei ein­ getragenen Genossenschaften, der Sparkasseneinlagen, der Amortisationsfonds, der Geschäftseinlagen von stillen Gesellschaftern.12 Zu den Lebensversicherungen gehören nicht nur die einfachen Versicherungen auf den Todes­ fall, sondern auch „auf den Überlebensfall", „auf den Erlebensfall", die sog. „abgekürzte", sowie die „kurze" Versicherung und alle Kombinationen dieser Versicherungsformen, AAnw. Art. 16 9er. 1.

9. Ergänzungssteuergesetz.

1157

sollte aber der Betrag nachgewiesen wird, für welchen die Versicherungsanstalt die Police zurückkaufen würde, mit diesem Rückkaufswerte in Anrechnung." § 16. Außer im Falle des § 15 bleiben die von einer noch nicht eingetretenen aufschieben­ dem Bedingung abhängigen Rechte und Lasten außer Betracht. Rechte und Lasten, deren Fortdauer von einer noch nicht eingetretenen auflösenden Be­ dingung abhängt, werden wie unbedingte behandelt. Die in den Absätzen 1 und 2 enthaltenen Bestimmungen sind gleichmäßig auch auf die vwn einem Ereignis, welches nur hinsichtlich des Zeitpunktes seines Eintritts ungewiß ist, abhängigen Rechte und Lasten anzuwenden. Unbeitreibliche Forderungen bleiben außer Ansatz. 3. Besteuerungsgrenze. § 17. Zur Ergänzungssteuer werden nicht herangezogen: 1. diejenigen Personen, deren steuerbares Vermögen den Gesamtwert von 6000 M nicht übersteigt; 2. diejenigen Personen, deren nach Maßgabe des Eink.StG. zu berechnendes Jahres­ einkommen den Betrag von 900 M nicht übersteigt, insofern der Gesamtwert ihres steuerbaren Vermögens nicht mehr als 20000 M beträgt; 3. weibliche Personen, welche minderjährige Familienangehörige zu unterhalten haben, vaterlose minderjährige Waisen und Erwerbsunfähige, insofern das steuerbare Ver­ mögen der bezeichneten Personen den Betrag von 20000 M und das naH Maßgabe des Eink.StG. zu berechnende Jahreseinkommen derselben den Betrag von 1200 M nicht übersteigt. III. Steuersätze. 1. Steuertarif." § 18. Die Ergänzungssteuer beträgt bei einem steuerbaren Vermögen von mehr als:

bis einschließlich:

jährlich:

M

M

M

6000 8000 10000 12000 14000 16000 18000 20000 22000 24000

8000 10000 12000 14000 16000 18000 20000 22000 24000 28000

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

mehr als:

M 28000 32000 36000 40000 • 44000 48000 52000 56000 60000

bis einschließlich:

jährlich:

M

M

32000 36000 40000 44000 48000 52000 56000 60000 70000

14 16 18 20 22 24 26 28 30

und steigt bei höherem Vermögen bis einschließlich 200000 M für jede angefangenen 10000 M um je 5 M. Bei Vermögen von mehr als 200000 M bis einschließlich 220000 M beträgt die Steuer 100 JKo und steigt bei höherem Vermögen für jede angefangenen 20000 M um je 10 M. 2. Berücksichtigung besonderer Verhältnisse. § 19. Personen, deren Vermögen 32000

M

nicht übersteigt, werden, wenn sie nicht zur Ein-

13 AAnw. Art. 16 Nr. 6: Unter dem „Rückkaufswert" ist nicht jeder zwischen den Beteiligten will­ kürlich vereinbarte Scheinpreis, sondern nur der wirkliche, nach den Regeln der Versicherungstechnik berechnete Rückkaufswert zu verstehen, welchen die Versicherungsanstalt nach Maßgabe der in ihren Statuten, Versicherungsbedingungen oder Prospekten aufgestellten allgemeinen Grund­ sätze im einzelnen Falle zu gewähren bereit ist. 14 Auf Grund der Vorschrift des § 49 Abs. 3 des G. sind die Steuersätze durch § 1 der Allerh. Vg. v. 25. Juni 1895 (GS. 265) um 5,2 H für jede Mark mit der Maßgabe erhöht, daß bei der Fest-

XII. Abschn. Finanzrecht.

1158

kommensteuer veranlagt sind, mit höchstens 3 M jährlich, wenn sie zu den ersten vier Stufen derselben veranlagt sind, höchstens mit einem um 2 M unter der von ihnen zu zahlenden Einkommensteuer verbleibenden Betrage zur Ergänzungssteuer herangezogen.^ Steuerpflichtigen, welchen auf Grund des § 20 Eink.StG. eine Ermäßigung der Ein­ kommensteuer gewährt wird, kann bei der Veranlagung auch eine Ermäßigung der Ergänzungssteuer um höchstens zwei Stufen gewährt werden, sofern das steuerpflichtige Vermögen nicht mehr als 52000

M beträgt.

stellung der hiernach zu berechnenden Jahressteuersatze jeder überschießende nicht durch 20 teilbare Pfennigbetrag auf den nächsten in dieser Weise teilbaren Betrag abzurunden ist. Dazu treten die Steuerzuschläge auf Grund des G. v. 26. Mai 1909 (GS. 85), s. oben Anm. 24a zu § 17 Eink.StG. Der Ergänzungssteuertarif stellt sich demnach jetzt wie folgt:

Vermögenstufe von

M biä M 6000— 8000 8000— 10000 10000— 12000 12000- 14000 14000— 16000 16000- 18000 18000- 20000 20000— 22000 22000— 24000 24000— 28000 28000— 32000 32000— 36000 36000— 40000 40000— 44000 44000— 48000 48000— 52000 52000— 56000 56000— 60000 60000 - 70000 70000 - 80000 80000— 90000 90000—100000 100000—110000 110000—120000 120000-130000 130000 -140000 140000—150000 150000-160000 160000—170000 170000—180000 180000-190000 190000—200000 200000—220000 220000—240000 240000—260000 260000—280000 280000 -300000 300000 -320000 usw. steigend um je 20000 M

1 i j |l1 IIi ;1 '11 »1 J1 jl

j 1 I ; i1 I I ;

! i1 I 1; ,

regelmäßiger Steuersatz

25% Zuschlag abgerundet

M

M

3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 14 16 19 21 23 25 27 29 31 36 42 47 52 57 63 68 73 78 84 89 94 100 105 115 126 136 147 157

I

H 20 20 20 40 40 40 40 60 60 60 80 80 —

| ! : 1

20 20 40 40 60 80 ; 1 1

l i

40 60 80 20 40 60 80 20 40 60 -20 80 20 80 20 80

| I1

i 1

2 2 2 3 3

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1 ! i 1 !1

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i

i 1 >

4 4 5 5 6 6 7 7 9 10 11 13 14 15 17 18 19 21 22 23 25 26 28 31 34 36 39

M 1 ---------- r 4 5 , 6 !

H 1

1 1 1 1 2

Jahresbettag der zu erhebenden Steuer

' 1

; !

'

. , ! 1 '

80 — 20 60 80 — 20 60 80 — 60 20 60 20

8 9 10 11 13 14

j 1

80 20 80 20 80 20 40 80 — 40 80 — 40 60 — 20 60 — 20 80 40 20 80 40

i 1 1

I ! !

15 18 21 23 26 29 31 34 36 39 46 52 59 65 72 79 85 92 98 105 111 118 125 131 144 157 171 184 197

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I

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20 40 —

20 40 60 20 40 60 40 — 60 20 — 40 20 60 40 — 40 20 60 20 — 40 — 40 20 60 20 — 40 60 60 — — 20

j abgerundet nach unten steigend um je 10,52 M (abgerundet) 1 auf den durch 20 teil! baren Pfennigbetrag

16 AAnw. Art. 20 Nr. 3: Maßgebend für die Berechnung der ermäßigten Steuersätze ist nicht das steuerpflichtige Einkommen, sondern der veranlagte Einkommensteuersatz. — Ob ein Teil dieses Einkommensteuersatzes auf Grund des § 71 Eink.StG. unerhoben bleibt, ist ohne Be­ deutung.

9. Ergänzungssteuergesetz.

1159

IV. Veranlagung. 1. Ort und Vorbereitung der Veranlagung. § 29. Die Veranlagung erfolgt an demjenigen Orte, an welchem der Steuerpflichtige ge­ mäß § 21 Eink.StG. zur Einkommensteuer zu veranlagen ist oder im Falle seiner Knkommensteuerpflicht zu veranlagen sein würde. Die bezüglich des Veranlagungsortes weiter erforderlichen Anordnungen erläßt der Finanz­ minister. § 21 Die Personenstandsaufnahme (§ 22 Eink.StG.) bildet zugleich die Grundlage für die Veranlagung der Ergänzungssteuer. Jeder Gemeinde(Guts)vorstand hat die im § 24 Eink.StG. vorgeschriebenen Ermittelungen auch auf alle diejenigen Merkmale zu erstrecken, welche ein Urteil über den Umfang und Wert des steuerpflichtigen Vermögens begründen können, und das Ergebnis in eine nach näherer Bestimmung des Finanzministers einzurichtende Nachweisung einzutragen.

.

2. Veranlagungsverfahren. § 22. Die Veranlagung der Steuerpflichtigen erfolgt gleichzeitig mit der Veranlagung der Einkommensteuer durch die gemäß §§ 34, 35, 55 Eink.StG. gebildeten Veranlagungs­ kommissionen. Eine Voreinschätzung durch die Voreinschätzungskommission findet nicht statt. § 23. Für jeden Veranlagungsbezirk wird ein Schätzungsausschuß gebildet, zu welchem gehören: 1. der Vorsitzende der Veranlagungskommission oder der von demselben zu bezeichnende Stellvertreter, 2. mindestens vier Mitglieder, von welchen zwei ständige durch die Regierung ernannt, die übrigen aus der Zahl der gewählten Mitglieder (stellvertretenden Mitglieder) der Veranlagungskommission durch dieselbe abgeordnet werden. Die Zahl der Mitglieder bestimmt der Finanzminister. Für die ernannten und für die gewählten Mitglieder wird in gleicher Weise die erforder­ liche Zahl von Stellvertretern ernannt und abgeordnet. Das Ausscheiden aus der Veranlagungskommission hat für die durch die Kommission ab­ geordneten Mitglieder und Stellvertreter auch das Ausscheiden aus dem Schätzungsausschusse zur Folge. ' § 24. Der Schätzungsausschuß hat die behufs Veranlagung der Steuerpflichttgen erforder­ lichen Wertermittelungen vorzunehmen und den Wert der steuerbaren Vermögen, insbeson­ dere die Werte der im Veranlagungsbezirke belegenen Grundstücke, sowie die Werte der gewerblichen Anlage- und Betriebskapitalien zu begutachten.^ Der Ausschuß erhält zu diesem Zwecke Kenntnis von allen durch den Vorsitzenden der Veranlagungskommission gesammelten Nachrichten (§ 25), den behufs Veranlagung zur Ein­ kommensteuer eingereichten Steuererklärungen, den auf letztere bezüglichen Schriftstücken, sowie dem Ergebnis der Einkommensteuerveranlagung, und ist befugt, Auskunftspersonen zu vernehmen oder mit beratender (Stimme bei seinen Verhandlungen zuzuziehen. Die Geschäftsordnung des Schätzungsausschusses wird durch den Finanzminister festgestellt.17 16 Desgleichen die Werte von Bermögensbestandteilen, die (z. B. Wertpapiere ohne Börsenkurs und Bergwerkskuxe) nach dem Berkaufswerte zu veranschlagen sind. Dagegen wrrd es der MitWirkung des Schätzungsausschusses in der Regel nicht bedürfen, insoweit der Wert der Kapitalien durch den Nennwert oder den Börsenkurs bestimmt oder der Kapitalwert von Rechten im Wege der gesetzlich vorgeschttebenen Berechnung (§ 13) zu finden ist. — In allen Fällen ist die Mitwirkung des Schätzungsausschusses nur eine begutachtende. 17 Geschehen in Art. 30—32 AAnw. — Das Gutachten des Schätzungsausschusses wird in die Schätzungsbogen, Personalblätter und sonstigen Vorlagen an der durch den Vordruck hierfür bestimmten Stelle in der Sitzung eingetragen und die Eintragung zur Beglaubigung mit der Unter­ schrift oder dem Stempel des Vorsitzenden oder eines Mitglieds versehen, insofern nicht die Be­ glaubigung gemäß Art. 44 Nr. 4 der technischen Anleitung durch den Katasterkontrolleur erfolgt.

1160

XII. Abschn.

Ainanzrecht.

§ 25. Ter Vorsitzende der Veranlagungskommission, welcher ^u^Icich die Interessen des Staates vertritt, hat das Veranlagungsgeschäft zu leiten und ist dafür verantwortlich, daß die gesamte Veranlagung in seinem Bezirk nach den bestehenden Vorschriften zur Ausführung gelangt. Zum Zwecke der richtigen Veranlagung der Steuerpflichtigen hat der Vorsitzende, soweit dies nicht bereits zum Zwecke der Emkommensteuerveranlagung 36 Abs. 3 Eink.StG.) geschehen ist, möglichst vollständige Nachrichten einzuziehen, auch die für die Wertbestimmung der steuerbaren Vermögensteile erforderlichen Unterlagen zu beschaffen. Hierbei kann er sich nach seinem Ermessen der Mitwirkung der Gemeinde(Guts)vorstände bedienen, welche seinen Aufforderungen Folge zu leisten schuldig sind. Er ist befugt, die Boreinschätzungskommissionen (§ 32 Eink.StG.) zu einer besonderen Äußerung über die Vermögensverhältnisse einzelner Steuerpflichtiger zu veranlassen. Der Vorsitzende kann den Steuerpflichtigen auf Antrag oder von Amts wegen Gelegenheit zur persönlichen Verhandlung über die für die Veranlagung erheblichen Tatsachen und Ver­ hältnisse gewähren. Sämtliche Staats- und Kommunalbehörden und Beamte, mit Ausnahme der Notare, haben die Einsicht aller die Vermögensverhältnisse der Steuerpflichtigen betreffenden Bücher, Akten, Urkunden usw. zu gestatten und auf Ersuchen Abschriften ans denselben zu erteilen, sofern nicht besondere gesetzliche Bestimmungen oder dienstliche Rücksichten entgegenstehen. Die Einsicht der Bücher, Akten usw. der Sparkassen ist nicht gestattet.^ § 26. Tie Steuerpflichtigen sind berechtigt, behufs der Veranlagung dem Vorsitzen­ den der Veranlagungskommission ihr steuerbares Vermögen anzugeben oder diejenigen tatsächlichen Mitteilungen 51t machen, deren die Veranlagungskommission zur Schätzung des Vermögens bedarf (Vermögensanzeige). Zu Vermögensanzeigen für Personen, welche unter väterlicher Gewalt, Pflegschaft oder Vormundschaft stehen, sind deren gesetzliche Vertreter befugt. Für Personen, welche abwesend oder sonst verhindert sind, die Vermögensanzeigen selbst abzugeben, können solche durch Bevollmächtigte erfolgen.^ Die Vermögensanzeigen sind unter der Versicherung zu erstatten, daß die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht sind. Die Fristen und Formen, welche bei den Vermögensanzeigen zu beobachten sind, werden von dem Finanzminister bestimmt.20 Tie erforderlichen Formulare werden kostenlos ver­ abfolgt. § 27. Die dem Vorsitzenden zur Bearbeitung der Einkommensteuersachen zugeordneten Hilfsbeamten (§ 38 Eink.StG.) können nach den hierüber vom Finauzminister zu erlassenden allgemeinen Anweisungen auch bei der Bearbeitung der auf die Ergänzungsstcuer bezüg­ lichen Angelegenheiten beteiligt werden. § 28. Der Vorsitzende der Veranlagungskommission hat nach Einholung des Gutachtens des Schätzungsausschusses das nach seinem Ermessen für jeden Steuerpflichtigen zutreffende Vermögen, getrennt nach den verschiedenen Bestandteilen (§ 4), in die Nachweisung oder Steuerliste einzutragen, den itach Vorschrift dieses G. zu entrichtenden Steuersatz vorzu 18 Vgl. § 36 Eink.StG. und Anm. 32 dazu. 19 Vollmachten zur Abgabe von Vermogensanzeigen sowie zur Einlegung von Rechtsmitteln in Ergänzungssteuersachen sind nach dem Steuersätze des deklarierten Vermögens stempelpflichtig (Mitt. Heft 40, S. 38). S. dagegen Anm. 28 zu § 25 Eink.StG. 20 AAnw. Art. 33 Nr. II: Die Vermögensanzeige ist innerhalb des in der öffentlichen Aufforde­ rung zur Steuererklärung (s. Anm. 28 zu 8 25 Eink.StG.) bestimmten Zeitraums abzugeben, ohne Unterschied ob eine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung besteht oder nicht. Steuer­ pflichtige, an welche eine besondere Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung ergeht, können ihre etwaige Vermögensanzeige auch innerhalb der ihnen für die Steuererklärung gestellten be­ sonderen Frist abgeben. ^ Ist die Frist zur Abgabe der Steuererklärung, sei es nach gesetzlicher Vorschrift (8 84 Eink.StG.), sei es auf Antrag, verlängert, so gilt die Verlängerung auch für die Abgabe der Vermögensanzeige, ohne das; es eines besonderen Antrags bedarf.

9. Ergänzungssteuergesetz.

1161

schlagen und die Verhandlungen der Veranlagungskommission zur Beschlußfassung vor­ zulegen. § 29. Die Veranlagungskommission unterwirft die Gutachten des Schätzungsausschusses, die eingegangenen Vermögensanzeigen und die Nachweisungen einer genauen Prüfung. Hierbei hat sie das Recht, von den nach § 24 dem Schätzungsausschusse und nach § 25 Abs. 3 bis 5 dem Vorsitzenden zustehenden Hilfsmitteln auch ihrerseits Gebrauch zu machen und sonstige zur Feststellung erheblicher Tatsachen erforderliche Ermittelungen vorzunehmen. § 30. Werden die Angaben einer Vermögensanzeige über Größe und Wert steuerbaren Vermögens durch die Beranlagungskommission oder deren Vorsitzenden beanstandet, so ist dem Steuerpflichtigen mitzuteilen, auf welche Vermögensteile oder Werte die Beanstandung sich bezieht. Soweit es sich um tatsächliche Angaben handelt, sind zugleich die Gründe der Beanstandung mitzuteilen.^ Mit der Mitteilung ist die Aufforderung zu verbinden, sich binnen einer bestimmten Frist über die beanstandeten Angaben zu erklären. Erst wenn der Steuerpflichtige dies unterläßt, oder wenn die Bedenken gegen die Richtig­ keit der Vermögensanzeige nicht gehoben werden, ist die Kommission bei Schätzung des Vermögens auch an die tatsächlichen Angaben des Steuerpflichtigen nicht gebunden. § 31. Die Kommission setzt den nach ihrem Ermessen zutreffenden Steuersatz auf Grund der stattgehabten Ermittelungen fest. § 32. Das Ergebnis der Veranlagung hat der Vorsitzende der Veranlagungskommission dem Steuerpflichtigen mittels einer zugleich eine Belehrung über das zulässige Rechtsmittel enthaltenden Zuschrift bekanntzumachen, welche, sofern auch die Veranlagung zur Ein­ kommensteuer stattgefunden hat, mit der Benachrichtigung über dieselbe (§ 42 Eink.StG.) verbunden werden kann. 3. Rechtsmittel. § 33. I. Gegen das Ergebnis der Veranlagung stehen sowohl dem Steuerpflichtigen, als auch dem Vorsitzenden der Veranlagungskommission als Rechtsmittel zu: 1. wenn der Steuerpflichtige zur Einkommensteuer nicht oder nach einem Einkommen von nicht mehr als 3000 M veranlagt ist, der Einspruch an die Veranlagungskommission und gegen die auf diesen Einspruch ergehende Entscheidung der Veranlagungskommission die Berufung an die Berufungskommission; 2. wenn der Steuerpflichtige zur Einkommensteuer nach einem Einkommen von mehr als 3000 Jü veranlagt ist, die Berufung an die Berufungskommission. II. Ist durch die Entscheidung der Berufungskommission in dem Falle I Nr. 1 ein steuer­ bares Vermögen von mehr als 100000 M festgesetzt, so steht dagegen dem Steuerpflichtigen das Rechtsmittel der Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu. III. Gegen die Entscheidung der Berufungskommission in dem Falle von I Nr. 2 steht sowohl dem Steuerpflichtigen als auch dem Vorsitzenden der Berufungskommission das Rechtsmittel der Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu. IV. Die Rechtsmittel können mit den etwaigen Rechtsmitteln gegen die EinkommensteuerVeranlagung in demselben Schriftsätze verbunden werden. Sind Rechtsmittel sowohl gegen die Einkommensteuer-, wie auch gegen die Ergänzungssteuer-Veranlagung eingelegt, so können die Erörterung und Entscheidung der Rechtsmittel in einem Verfahren herbeigeführt werden. Die Vorschriften des § 44 Eink.StG. finden auf das Rechtsmittelverfahren sinngemäß An­ wendung.^ § 34. Über die Einsprüche entscheidet die Veranlagungskommission. § 45 Abs. 2 bis 4 Eink.StG. finden entsprechende Anwendung.^ 21 Für das Verfahren ist Art. 59 Nr. II AAnw. maßgebend, s. bei Anm. 32 zu § 36 Eink.StG. 22 insbesondere hinsichtlich der Rechtsmittelfrist: 4 Wochen. 23 auch der Grundsatz, daß reformatio in pejus ausgeschlossen ist, s. Anm. 37 zu 8 45 Eink.StG

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XII. Abschn. Finanzrecht.

Behufs Prüfung des Einspruchs können die Veranlagungskommission und deren Vor­ sitzender eine genaue Feststellung der Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen unter Anwendung der im § 25 Abs. 3 bis 5, § 29 genannten Hilfsmittel veranlassen. Sie sind ferner befugt, die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zu ver­ anlassen. Die zu vernehmenden Personen dürfen die Auskunftserteilung nur unter den Voraus­ setzungen ablehnen, welche nach der Zivilprozeßordnung zur Ablehnung eines Zeugnisses beziehungsweise Gutachtens berechtigen.2* § 35, Der Vorsitzende der Berufungskommission hat die ihm im § 47 Eink.StG. zuge­ wiesenen Obliegenheiten und Befugnisse auch mit Bezug auf die Ergänzungssteuer wahr­ zunehmen. § 36, Die Berufungskommission entscheidet über alle gegen das Verfahren und die Ent­ scheidungen der Veranlagungskommissionen und der Schätzungsausschüsse angebrachten Be­ schwerden und Berufungen, insoweit nicht im § 33 I Nr. 1 etwas anderes bestimmt ist. Die Vorschriften des § 34 Abs. 2 bis 4 dieses G. und des § 48 Abs. 2 und 4 Eink.StG. finden entsprechende Anwendung. Die Berufungskommission hat die Vermögensnachweisungen sorgfältig zu prüfen; die von ihr gezogenen Erinnerungen sind bei der nächsten Veranlagung (§ 38) zu beachten. § 37, Auf die Beschwerden und auf das Verfahren zum Zwecke der Entscheidung derselben finden die §§ 49 bis 54 Eink.StG. Anwendung. V. Veranlagungsperiode und Veränderung der veranlagten Steuer inner­ halb derselben. § 38. Die Veranlagung der Ergänzungssteuer erfolgt für eine Periode von drei Steuerjahren. § 39, Tritt im Laufe eines Steuerjahres eine Vermehrung des steuerbaren Vermögens infolge Erb- oder Fideikommißanfalles, Vermächtnisses, Abteilungs- oder ÜberlassungsVertrages zwischen Eltern und Kindern, Schenkung oder Verheiratung ein, so ist der Erwerber entsprechend der Vermehrung seines Vermögens anderweit zur Ergänzungssteuer zu ver­ anlagen und zur Entrichtung derselben von dem Beginne des aus den Vermögenszuwachs folgenden Monats ab verpflichtet. § 40. Wird nachgewiesen, daß im Laufe eines Steuerjahres infolge Wegfalles eines Vermögensteiles der Gesamtwert des steuerbaren Vermögens eines Pflichtigen um mehr als den vierten Seil25 vermindert worden ist, oder daß der wegfallende Teil des Ver­ mögens anderweit zur Ergänzungssteuer herangezogen wird, so kann vom Beginn des auf den Eintritt der Vermögensverminderung folgenden Monats ab die Ermäßigung der Er­ gänzungssteuer auf den dem verbliebenen Vermögen entsprechenden Steuersatz beansprucht werden. § 41. Außer in den Fällen der §§ 39, 40 begründet die im Laufe der Veranlagungsperiode eintretende Vermehrung oder Verminderung des Vermögens in seinem Bestände oder Werte keine Veränderung in der schon erfolgten Veranlagung; vielmehr tritt eine Ver­ änderung in den Steuerrollen innerhalb der Veranlagungsperiode nur ein entweder infolge von Zugängen, indem Personen durch Zuzug aus anderen Bundesstaaten oder aus anderen Gründen steuerpflichtig werden, oder infolge von Abgängen, indem bei Steuerpflichtigen die Voraussetzungen, an welche die Steuerpflicht geknüpft ist, erlöschen.2^ Die Zu- und Abgangsstellung erfolgt von dem Beginne des auf den Eintritt oder das Erlöschen der Steuerpflicht folgenden Monats ab. § 42. Wegen des Verfahrens bei den Steuerermäßigungen (§ 40) und bei den Abgangs stellungen finden die Vorschriften des § 65 Eink.StG. sinngemäße Anwendung. 14 S. § 40 Eink.StG. und Anm. 33 dazu. — 26 Vgl. dagegen g 63 Eink.StG. 16 Vgl. § 64 Eink.StG.

s. ErgLn-rmgssteuergesetz.

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In den Fällen der §§ 39, 41 bestimmt an Stelle der Veranlagungskommission der Vor­ sitzende derselben den zu entrichtenden Steuersatz sowie den Zeitpunkt der Zugangsstellung. Im übrigen finden wegen des Verfahrens bei der Veranlagung in Zugangsfällen sowie wegen der Rechtsmittel die Vorschriften §§ 20 bis 37 Anwendung. Ten Gemeinde(Guts)vorständen liegt nach den vom Finanzminister hierüber zu treffenden Anordnungen die Führung der Zu- und Abgangslisten ob.

VL Steuererhebung. § 43. Die Ergänzungssteuer wird gleichzeitig mit der Einkommensteuer erhoben. Die Vorschriften der §§ 67, 68 Abs. 1 und 69 Eink.StG. finden auf die Ergänzungssteuer gleichmäßig Anwendung. Außer dem Veranlagten haften diejenigen Personen, deren Vermögen demselben bei der Veranlagung gemäß § 5 zugerechnet ist, für den auf dasselbe nach dem Verhältnis zum ver­ anlagten Gesamtvermögen entfallenden Teil der veranlagten Ergänzungssteuer solidarisch.

VIL Strafbestimmung. § 44. Wer in der Absicht der Steuerhinterziehung an zuständiger Stelle über das ihm zuzurechnende steuerbare Vermögen oder über das Vermögen der von ihm zu vertretenden Steuerpflichtigen unrichüge oder unvollständige tatsächliche Angaben macht, wird mit dem zehn- bis fünfundzwanzigfachen Betrage der Jahressteuer, um welche der Staat verkürzt worden ist oder verkürzt werden sollte, mindestens aber mit einer Geldstrafe von 100 Ji bestraft. Ist eine unrichüge Angabe, welche geeignet ist, eine Verkürzung der Steuer herbeizuführen, zwar wissentlich, aber nicht in der Absicht der Steuerhinterziehung erfolgt, so tritt Geldstrafe von 20 bis 100 M ein. Straffrei bleibt, wer seine unrichüge oder unvollständige Angabe, bevor Anzeige erfolgt oder eine Untersuchung eingeleitet ist, an zuständiger Stelle berichügt oder ergänzt und die vorenthaltene Steuer in der ihm gesetzten Frist entrichtet. § 45. Die Einziehung der hinterzogenen Steuer^ erfolgt neben und unabhängig von der Strafe. Die Vorschriften § 73 Abs. 2 und 3 Eink.StG. finden sinngemäße Anwendung.

VIIL Schlußbestimmungen. § 46. Die Gemeinden (Gutsbezirke) tragen die Kosten für die bei der Veranlagung der Ergänzungssteuer ihnen übertragenen Geschäfte. Im übrigen fallen die Kosten der Veranlagung und Erhebung der Staatskasse zur Last. Jedoch sind diejenigen Kosten, welche durch die gelegenllich der eingelegten Rechtsmittel erfolgenden Ermittelungen veranlaßt werden, von dem Steuerpflichügen zu erstatten, wenn sich seine Angaben in wesentlichen Punkten als unrichüg erweisen. Tie Festsetzung der zu erstattenden Kosten erfolgt durch die Regierung, gegen deren Ent­ scheidung dem Steuerpflichügen binnen einer Ausschlußfrist von vier Wochen die bei der Regierung einzulegende Beschwerde an den Finanzminister offen steht. Die Mitglieder der Kommissionen und Schätzungsausschüsse erhalten aus der Staatskasse Reisekosten und Tagegelder gemäß der Kgl. Vg. v. 28. Dez. 1910 (GS. 1911, S. 1). Die Gebühren für Zeugen und Sachverständige (§§ 24, 29) werden nach den in Zivil­ prozessen zur Anwendung kommenden Vorschriften berechnet. § 47. Die folgenden Besümmungen des Einkommensteuergesetzes: §§ 56 bis 59 (Geschäftsordnung der Kommissionen und Zustellungen), § 60 (Oberaufsicht des Finanzministers), 27 § 45 bezieht sich nur auf strafbare Steuerhinterziehungen; die Nachbesteuerurw außerhalb der Fälle strafbarer Zuwiderhandlungen wird durch § 47 dieses G. und § 85 Eink.StG. getroffen.

1164

XII. Abschn. Finanzrecht.

§ 66 Abs. 1 und 2 (Ab- und Anmeldung), § 74 Abs. 2 und § 75 (Bestrafung der Zuwiderhandlungen gegen die Melde- und die Geheimhaltungspflicht), § 76 (Strafumwandlung und Strafverfahren), § 83 (Zuständigkeit der Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin), § 84 (Verlängerung der Ausschlußfristen), § 85 (Nachbesteuerung), § 87 (Verjährung), finden sinngemäße Anwendung, die §§ 57, 75, 85 mit der der Maßgabe, daß der Steuererklärung die Vermögensanzeige, dem Einkommen das steuerbare Vermögen im Sinne dieses G. gleichsteht, daß ferner die Vorschriften § 57 Abs. 1 und § 75 auch auf die Mitglieder des Schätzungsausschusses (§ 23) Anwendung finden. § 48. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann beantragen,^ wer durch Natur­ ereignisse oder andere unabwendbare Zufälle verhindert worden ist, die in dem gegenwärtigen Gesetze oder in dem Einkommensteuergesetze zur Einlegung von Rechts­ mitteln vorgeschriebenen Ausschlußfristen einzuhalten. Als unabwendbarer Zufall ist es anzusehen, wenn der Antragsteller von einer Zustellung ohne sein Verschulden keine Kenntnis erlangt hat. Uber den Antrag entscheidet die Kommission oder Behörde, welcher die Entscheidung über das versäumte Rechtsmittel zusteht. Das versäumte Rechtsmittel ist unter Anführung der Tatsachen, durch welche der Antrag auf Wiedereinsetzung begründet werden soll, sowie der Beweismittel innerhalb zwei Wochen nach dem Ablauf des Tages, mit welchem das Hindernis gehoben ist, nach­ zuholen. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, findet die Nachholung und der Antrag auf Wiedereinsetzung nicht mehr statt. Die durch Erörterung des Antrages aus Wiedereinsetzung entstehenden baren Auslagen trägt in allen Fällen der Antragsteller. § 49. Übersteigt der Veranlagungssoll des Jahres 1895/96 den Betrag von 35000000 M um mehr als 5 Prozent, so findet in dem Verhältnis des Mehrbetrages zu der genannten Summe eine Herabsetzung der sämtlichen im § 18 bestimmten Steuersätze statt. Diese Herabsetzung wird in angemessener Abrundung durch Kgl. Vg. festgestellt. Die in der letzteren bestimmten Sätze sind für das Steuerjahr 1895/96 und die folgenden Jahre maßgebend. In gleicher Weise findet, wenn das Veranlagungssoll des Jahres 1895 /96 hinter dem Be­ trage von 35000000 M um mehr als 5 Prozent zurückbleibt, eine entsprechende Erhöhung^ der im § 18 dieses Gesetzes bestimmten Steuersätze statt, insoweit der Ausfall nicht durch einen Mehrertrag der Einkommensteuer für das Jahr 1895/96 über die Summe von 135000000 M gedeckt wird. Diese Erhöhung wird durch Kgl. Vg. für die Folgezeit wieder außer Kraft gesetzt, wenn das Vcranlagungssoll der Ergänzungssteuer den Betrag von 3500 0 000 zuzüglich einer Steigerung von 4 Prozent für jedes auf 1895/90 folgende Steuerjahr erreicht. § 50. Abgesehen von der Bestimmung im § 49 ist eine Veränderung der Ergänzungs­ steuersätze nur bei gleichzeitiger imb verhältnismäßiger Abänderung der Einkommensteuer­ sätze zulässig. 28 Anträge auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einspruchs- oder Berufungsfrist sind bei dem Vorsitzenden der Veranlagungskommission, gegen Versäumung der Beschwerdefrist bei dem Vorsitzenden der Berufungskommission schriftlich oder zu Protokoll anzubringen. 29 Vgl. die Allerh. Vg. v. 25. Juni 1895 (GS. 265) in der Anmerkung zu § 18 des G.

9. Ergänzungssteuergesetz.

1165

§ 51. Bei der Berteilung und Aufbringung öffentlicher Lasten nach dem Maßstabe direkter Staatssteuern kommt die Ergänzungssteuer nicht in Ansatz?o § 52. Der Finanzminister wird mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.^

10. Neichsgesetz über einen einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag? (Vom 3. Juli 1913 (RGBl..505). § 1. Zur Deckung der Kosten der Wehrvorlage wird nach den Vorschriften dieses G. ein einmaliger außerordentlicher Beitrag vom Vermögen^ und bei den im § 10 genannten Per­ sonen auch vom Einkommen^ erhoben. § 2. Als Vermögen im Sinne des § 1 gilt, soweit das G. nichts anderes vorschreibt? das gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen nach Abzug der Schulden? Es umfaßt: 1. Grundstücke einschließlich des Zubehörs (Grundvermögen)? 2. das dem Betriebe der Land- oder Forstwirtschaft, des Bergbaues oder eines Gewerbes dienende Vermögen (Betriebsvermögen)? 3. das gesamte sonstige Vermögen, das nicht Grund- oder Betriebsvermögen ist (Kapital­ vermögen). § 3. Den Grundstücken (§ 2 Nr. 1) stehen gleich Berechtigungen, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des bürgerlichen Rechtes gelten? § 4. Zum Betriebsvermögen (§ 2 Nr. 2) gehören alle dem Unternehmen gewidmeter? Gegenstände. Das Betriebsvermögen einer Offenen Handelsgesellschaft oder einer anderen Erwerbs­ gesellschaft, bei welcher der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist? wird den einzelnen Teilhabern nach dem Verhältnis ihres Anteils zugerechnet. § 5. Als Kapitalvermögen (§ 2 Nr. 3) kommen insbesondere, soweit die einzelnen Ver­ mögensgegenstände nicht unter § 2 Nr. 1, § 3 oder unter § 2 9h:. 2, § 4 fallen, in Betracht: 1. selbständige Rechte und Gerechtigkeiten?" 30 Hierdurch ist die Erhebung von Zuschlägen zur Ergänzungssteuer seitens kommunaler oder anderer öffentlicher Verbände ausgeschlossen. 31 Vgl. auch § 2 des G. v. 18. April 1900, betr. die Vermeidung von Doppelbesteuerung:

Der Finanzminister ist ermächtigt, mit bezug auf Personen und Steuerquellen, welche der

Steuerhoheit mehrerer Staaten unterliegen, Vereinbarungen zu treffen und Anordnungen zu erlassen, durch die ihre Heranziehung zu den direkten Staatssteuern unter Wahrung des Grundsahes der Gegenseitigkeit auch abweichend von den in Preußen geltenden gesetzlichen Vorschriften geregelt wird. 1 Dazu Ausführungs-Bestimmungen des Bundesrats lNZentrBl. 1913, S. 1088) und Preuß. Aussührungs-VUrschriften v. 8. 9co \ 1913, kurz mit BundABest. und Preuß. AVorschr. bezeichnet. — Die materiellrechtlichen Vorschriften des G. lehnen sich eng an das preuß. Erg.StG. (vor stehend unter Nr. 9) an; auf die hauptsächlichsten Unterschiede weist ein Erlaß des preuß. Finanzministers v. 13. Aug. 1913, II 11220 und Art. 2 Preuß. AVorschr. hin; sie sind im folgenden bei den einzelnen Paragraphen hervorgehoben. 2 Begriffsbestimmung: §§ 2—10. 3 Als Einkommen (§ 31) gilt in Preußen dasjenige steuerpflichtige Einkommen, das für das Steuerjahr 1914 veranlagt wird. Erfolgt im Rechtsmittelverfahren eine Änderung, so ist der Wehrbeitrag von Amts wegen zu berichtigen. Dagegen bleiben Steuerermäßigungen auf Grund der §§ 19 u. 20 Eink.StG. für den Wehrbeitrag außer Betracht, Preuß. ABerschr. Art. 4. 4 Vgl. §§ 6, 7, 10. 5 und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es einen Ertrag gewährt oder nicht, vgl. Anm. 3 zu 8 4 Erg. StG. 6 einschließlich der Gebäude, Wasserflächen, der Jagd, Fischerei und land-wirtschaftlichen Neben betriebe, jedoch ausschließlich des ausländischen Grund- und Betriebsvermögens, § 10. 7 z. B. Erbbaurecht, Erbpachtrecht. 8 Dauernd oder vorübergehend, wenn sie nur dem Steuerpflichtigen gehören oder zustehen. 9 D. i. außer der Offenen Handelsgesellschaft noch die einfache Kommanditgesellschaft, nicht da­ gegen die Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, eingetragenen Genossenschaften, Gesellschaften in. b. H., f. § 5 Nr. 3. 10 z. B. Urheberrechte, Verlags- und Patentrechte, im Gegensatz zu den in § 3 bezeichneten Be­ rechtigungen an Gnmdstücken.

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XII. Abschn.

Finanzrecht.

2. verzinsliche und unverzinsliche Kapitalforderungen jeder Art; 3. Aktien oder Anteilscheine, Kuxe, Geschäftsguthaben bei Genossenschaften, Geschäfts­ anteile und andere Gesellschastseinlagen;11 4. bares Geld deutscher Währung, fremde Geldsorten, Banknoten und Kassenscheine, ausgenommen die aus den laufenden Jahreseinkünsten vorhandenen Bestände und Bank- oder sonstige Guthaben, soweit sie zur Bestreitung der laufenden Ausgaben für drei Monate bienen,12 sowie Gold und Silber in Barren; 5. der Kapitalwert der Rechte auf Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen, welche dem Berechtigten auf seine Lebenszeit oder auf die Lebenszeit eines anderen, auf unbestimmte Zeit oder auf die Dauer von mindestens zehn Jahren entweder vertragsmäßig als Gegenleistung für die Hingabe von Vermögenswerten oder aus letztwilligen Verfügungen, Schenkungen oder Familienstiftungen oder ver­ möge hausgesetzlicher Bestimmungen zustehen; 6. noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens- und Kapitalversicherungen oder Renten­ versicherungen, aus denen der Berechtigte noch nicht in den Rentenbezug eingetreten ist. § 6. Die Vorschrift int § 5 Nr. 5 gilt nicht a) für Ansprüche an Witwen-, Waisen- und Pensionskassen; b) für Ansprüche aus einer Kranken- oder Unfallversicherung oder aus der Reichsversicherung; c) für Renten und ähnliche Bezüge, die mit Rücksicht auf ein früheres Arbeils- oder Dienst­ verhältnis gewährt werden.

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§ 7 Als Vermögen gellen nicht Möbel, Hausrat und andere nicht unter § 5 fallende bewegliche körperliche Gegenstände, sofern sie nicht als Zubehör eines Grundstücks (§ 2 Nr. 1, § 3) oder als Bestandteil eines Betriebsvermögens (§ 2 Nr. 2, § 4) anzusehen sind.12 § 8. Das zu einem Lehen, Fideikommiß oder Stammgut gehörige Vermögen gilt als Ver­ mögen des Inhabers. Der Inhaber ist berechtigt, den Betrag des Wehrbeitrags, soweit er nicht aus den imdi diesem G. zu berechnenden Wert seiner Nutzung entfällt, aus dem Lehens-, Fideikommißoder Stammgutvermögen zu entnehmen oder dieses Vermögen in gleicher Höhe dinglich zu belasten, ohne daß es einer besonderen Genehmigung Dritter bedarf.

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§ 9 Von dem Vermögen sind abzuziehen die dinglichen" und persönlichen Schulden des Beitragspflichtigen" sowie der Wert der dem Beitragspflichtigen obliegenden oder aus einem Lehen, Fideikommiß oder Stammgut ruhenden Leistungen der im § 5 Nr. 5 bezeich­ neten Art. Nicht abzugsfähig sind a) Schulden, die zur Bestreitung der laufenden Haushaltungskosten eingegangen sind (Haushaltungsschulden); b) Schulden und Lasten, welche in Wirtschaftlicker Beziehung zu nicht beitragspflichtigen Vermögensteilen stehen. Wird der Wehrbeitrag nur von dem inländischen Grund- und Betriebsvermögen erhoben (§ 10 Nr. II und § 11 Abs. 1 Nr. 2), so sind nur die in einer wirtschastlicken Beziehung zu diesen Vermögensteilen stehenden Schulden nnb Lasten abzugsfähig.

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§ 19 Beitragspflichtig sind I. mit ihrem gesamten Vermögen mit Ausnahme des ausländischen" Grund- und Be­ triebsvermögens: 11 12 13 14

auch wenn das betreffende Unternehmen seinen Sitz außerhalb des Deutschen Reichs hat. Diese Ausnahme ist also enger als die des § 7b Erg.StG. Vgl. Art. 4 III AAnw. z. Erg.StG., oben bei Anm. 5 dazu. insbesondere Hypotheken und Grundschulden.

15 sowie die der Ehefrau, § 13. 16 zum Auslande gehören hier auch die deutschen Schutzgebiete.

10. Wehrbeitragsgesetz.

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1. die Angehörigen des Deutschen Reichs,17 mit Ausnahme derer, die sich seit länger als zwei Jahren dauernd im Ausland aufhalten, ohne einen Wohnsitz18 in einem deutschen Bundesstaate zu haben. Tie Ausnahme findet keine Anwendung auf Reichs- und Staatsbeamte,^ die im Ausland ihren dienstlichen Wohnsitz haben. Wahlkonsuln gelten nicht als Beamte im Sinne dieser Vorschrift; 2. diejenigen nichtreichsangehörigen Personen, welche auch eine fremde Staatsangehörig­ keit nicht besitzen, wenn sie in einem deutschen Bundesstaat einen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes ihren dauernden Aufenthalt haben; 3. Angehörige außerdeutscher Staaten, die sich im Deutschen Reiche dauernd des Er­ werbes wegen aufhalten;

II. mit ihrem inländischen Grundvermögen (§ 2 9h:. 1, § 3) und inländischen Betriebs­ vermögen (§ 2 Nr. 2, § 4): alle natürlichen Personen ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Aufenthalt. § 11. Beitragspflichtig sind ferner Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien,20 und zwar 1. wenn sie im Inland ihren Sitz haben, mit den in der Bilanz des letzten Betriebsjahrs aufgeführten wirklichen SReferöelontenbeträgen,21 zuzüglich etwaiger Gewinnvorträge, ohne Anrechnung der Fonds für Wohlfahrtszwecke; 2. wenn sie im Inland keinen Sitz haben, mit ihrem inländischen Grund- und Betriebs­ vermögen. Von dem Beitrag befreit sind 1. inländische Gesellschaften, welche nach der Entscheidung des Bundesrats ausschließlich gemeinnützigen Zwecken, insbesondere

auch

der

Förderung

der minderbemittelten

Volksklassen dienen, den zur Verteilung gelangenden Reingewinn satzungsmäßig auf eine höchstens vierprozentige Verzinsung der Kapitaleinlagen beschränken, auch bei Aus­ losungen oder für den Fall der Auflösung nicht mehr als den Nennwert ihrer Anteile zusichern und bei der Auflösung den etwaigen Rest des Gesellschaftsvermögens für gemeinnützige Zwecke bestimmen.

Der Bundesrat ist ermächtigt, die Befreiung auch

dann zu bewilligen, wenn die Gesellschaft eine höchstens fünfprozentige Verzinsung der Kapitaleinlagen gewährt; 2. Gesellschaften, welche im Durchschnitt der letzten fünf Jahre — oder, wenn die Ge­ sellschaft erst kürzere Zeit besteht, im Durchschnitt der bisher abgeschlossenen Geschäftsjähre — weniger als 3 vom Hundert Gewinn verteilt haben, und bei denen der Kurs­ oder Verkaufswert 80 vom Hundert des eingezahlten Kapitals nicht übersteigt.

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§ 12 Ein Wehrbeitrag wird nicht erhoben von solchen Vermögen, die 10000 übersteigen. 22

Ji

nicht

Die beitragsfreie Vermögensgrenze erhöht sich bei einem Einkommen von nicht mehr als 2000

JtL

auf 50000

mehr als 4000

M

JUL

und bei

auf 30000

einem Einkommen von mehr als 2000, aber nicht

M.

§ 13. Für die Veranlagung des Wehrbeitrags wird das Vermögen der Ehegatten zusam-

17 § 1 Reichs- und StaatsangG., abgedruckt unter Abschn. VIII Nr. 1. — Wegen der Beitrags­ pflicht der deutschen Bundesfürsten, die freiwillig Wehrbeiträge zu leisten übernommen haben, f. § 35 Abs. 2. 18 im Sinne des § 1 DoppelstG., nachstehend unter Nr. 11. 19 einschließlich der Offiziere. 20 Damit ist die Wehrbeitragspflicht, im Gegensatze zum Erg.StG., auf juristische Personen ausgedehnt, jedoch nur hinsichtlich der in § 11 näher bezeichneten Bermögensteile. Zu den Aktien­ gesellschaften wird hier auch die Reichsbank zu rechnen sein. — Für die juristischen Personen wird eine besondere Wehrbeitragsliste B geführt, für die natürlichen Personen, und zwar besonders für jede Gemeinde (Gutsbezirk), eine Wehrbeitragsliste A, Preuß. AVorschr. Art. 5. 21 im Gegensatz zu den sog. füllen Reserven und Abschreibungen. 22 und zwar ohne Rücksicht auf das Einkommen, das nur für die in Abs. 2 genannten Vermögens­ stufen von 50000 und 30000 M von Bedeutung ist.

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XII. Abschn. Finanzrecht.

mengerechnet, sofern sie nicht dauernd voneinander getrennt leben. Die Ehegatten sind, falls ihr Vermögen zusammenzurechnen ist, der Staatskasse als Gesamtschuldner der Ab­ gabe verpflichtet. § 14. Unterliegt das abgabepflichtige Vermögen der Nutznießung, so fällt, wenn nicht rechtsgeschäftlich etwas anderes bestimmt ist, der Wehrbeitrag dem Eigentümer zur Saft.23 § 15. Für die Beitragspflicht und die Ermittelung des Vermögenswerts ist der Stand vom 81. Dezember 1913 maßgebend. Für Betriebe, bei denen regelmäßige jährliche Abschlüsse stattfinden, kann der Vermögens­ feststellung der Vermögensstand am Schlüsse des letzten Wirtschafts- oder Rechnungsjahrs zugrunde gelegt werden. Bei der Veranlagung des Wehrbeitrags wird das Vermögen des Beitragspflichtigen auf volle Tausende nach unten abgerundet. § 16. Bei der Feststellung des Vermögens ist der gemeine Wert24 (Verkaufswert) seiner einzelnen Bestandteile zugrunde zu legen, sofern das Gesetz nichts anderes vorschreibt. § 17. (i) Bei Grundstücken, die dauernd land- oder forstwirtschaftlichen2^ oder gärtnerischen Zwecken, sowie bei bebauten Grundstücken, die Wohnzwecken oder gewerblichen Zwecken zu dienen bestimmt sind, und bei denen die Bebauung und Benutzung der ortsüblichen Be­ bauung 'und Benutzung entspricht, wird der Ertragswert zugrunde gelegt. (2) Als Ertragswert gilt bei land- oder forstwirtschaftlichen oder Gärtnereigrundstücken das Fünfundzwanzigfache des Reinertrags, den sie nach ihrer wirtschaftlichen Besümmung bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung mit entlohnten fremden Arbeitskräften nachhaltig gewähren können. (3) Die der Land- und Forstwirtschaft oder der Gärtnerei dienenden Gebäude und Be­ triebsmittel werden nicht besonders veranlagt, sondern sind in der Veranlagung des Ertrags­ werts einbegriffen. (4) Bei bebauten Grundstücken,^ die Wohnzwecken oder gewerblichen Zwecken zu dienen bestimmt sind, gilt als Ertragswert das Fünfundzwanzigfache des Miet- oder Pachtertrags, der in den letzten drei Jahren im Durchschnitt erzielt worden ist oder im Falle der Vermietung oder Verpachtung hätte erzielt werden können, nach Abzug von einem Fünftel für Neben­ leistungen und Jnstandhaltungskosten oder von dem als erforderlich nachgewiesenen höheren Betrag für Nebenleistungen imb Jnstandhaltungskosten ohne Rücksicht darauf, ob die hierzu notwendigen Arbeiten von dem Beitragspflichtigen selbst oder durch entlohnte fremde Arbeits­ kräfte geleistet worden sind. (5) In allen Fällen kann der Beitragspflichtige verlangen, daß statt des Ertragswerts der gemeine Söert24 der Veranlagung zugrunde gelegt wird. Dieses Recht erlischt, wenn es nicht spätestens bis zum Ablauf der mit der Zustellung des Veranlagungs- oder des Fest­ stellungsbescheids eröffneten Rechtsmittelfrist geltend gemacht wird. § 18. Wertpapiere, die in Deutschland einen Börsenkurs haben, sind mit dem Kurswert, Forderungen, die in das Schuldbuch einer öffentlichen Körperschaft eingetragen sind, mit dem Kurswert der entsprechenden Schuldverschreibungen der öffentlichen Körperschaft anzusetzen. Der Beitragspflichtige ist berechtigt, von dem Werte der mit Dividendenschein gehandelten 23 Eine dem § 5 Erg.StG. entsprechende Bestimmung, wonach dem Haushaltungsvorstande das­ jenige Vermögen zur Versteuerung zuzurechnen ist, an dem ihm die Nutznießung zusteht, findet sich im Wehrb.G. nicht. Das Vermögen unselbständiger Haushaltungsangehöriger ist also selb­ ständig beitragspflichtig, auch wenn dem Haushaltungsvorstande (Vater, Mutter) die Nutz­ nießung daran zusteht, Preuß. AVorschr. Art. 2 Nr. 7. 24 Begriffsbestimmung s. hei Anm. 9 zu 8 9 Erg.StG. 25 Die Vorschriften des § 17 über die Bewertung dieser Grundstücke stimmen im wesentlichen mit § 11 Erg.StG. überein, nicht dagegen die Vorschriften über die Bewertung bebauter Grund­ stücke, Abs. 4, Preuß. AVorschr. Art. 2 Nr. 8. 26 Bebaut ist ein Grundstück, das ein Gebäude trägt. Über den Begriff „Gebäude" s. Anm. 11 zu § 15 Baufluchtl.G. unter Abschn. IV Nr. 11. Ob ein Gesamtgrundstück, das ein Ge­ bäude trägt, als bebaut anzusehen und zu bewerten ist, hängt von seiner wirtschaftlichen Haupt­ bestimmung in Verbindung mit der Frage der wirtschaftlichen Einheit ab.

10. Wehrbeitragsgesetz.

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Wertpapiere (§ 5) den Betrag in Abzug zu bringen, der für die seit Auszahlung des letzten Gewinns abgelaufene Zeit dem letztmalig verteilten Gewinn entspricht?? § 19. Bei Aktien ohne Börsenkurs,^ bei Kuxen, Anteilen an einer Bergwerksgesellschaft oder bei Anteilen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist der Verkaufswert der Aktien, Kuxen oder Anteile anzusetzen?^ Sofern ein solcher nicht zu ermitteln ist, ist der Wert der Aktie, des Kuxes oder Anteils unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens der Gesell­ schaft oder Gewerkschaft und der in der Vergangenheit erzielten Gewinne nach freiem Er­ messen zu schätzen. Hierbei bleiben diejenigen Beträge der Jahresgewinne unberücksichtigt, welche unter Zugrundelegung der ortsüblichen Preise als Entgelt für gelieferte Rohstoffe anzusehen sind. Im Streitfall soll die Veranlagungsbehörde die Schätzung des Wertes durch Sachverständige anordnen, die von der zuständigen Handelsvertretung oder der des nächstbelegenen Bezirkes zu ernennen sind. § 20. Andere Kapitalforderungen und Schulden sind mit dem Nennwert anzusetzen, sofern nicht besondere Umstände die Veranschlagung nach einem vom Nennwert abweichen­ den höheren oder geringeren Werte begründen. Noch nicht fällige Ansprüche ans Lebens-, Kapital- und Rentenversicherungen kommen mit zwei Dritteln der Summe der eingezahlten Prämien oder Kapitalbeiträge, falls aber der Betrag nachgewiesen wird, für welchen die Versicherungsanstalt die Police zurückkaufen würde, mit diesem Rückkaufswert in Anrechnung.^ § 21. Der Gesamtwert der auf bestimmte Zeit beschränkten Nutzungen oder Leistungen ist unter Abrechnung der Zwischenzinsen durch Zusammenzählung der einzelnen Jahreswerte zu berechnen. Der Gesamtwert darf den zum gesetzlichen Zinssatz kapitalisierten Jahreswert nicht übersteigen. Immerwährende Nutzungen oder Leistungen sind mit dem Fünfundzwanzigfachen des einjährigen Betrags, Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer vorbehaltlich der Vorschriften der §§ 22, 23 mit dem Zwölfundeinhalbfachen des einjährigen Betrags zu veranschlagen. § 22. Der Wert von Renten oder anderen auf die Lebenszeit einer Person beschränkten Nutzungen und Leistungen^ bestimmt sich nach dem Lebensalter der Person, mit deren Tode das Recht erlischt. Als Wert wird angenommen bei einem Alter 1. bis zu 15 Jahren das 18 fache, „ „ 2. von mehr als 15 // „ 25 17 „ 3. // „ 35 „ „ 16 „ // n ‘-jU // 4. „ 14 „ „ „ // // 35 // „ 45 45 „ „ 55 5. 12 „ „ „ V* „ 6. // „ „ 65 „ „ // // 7. // 5 „ „ „ „ // 55 „ „ 75 8. 75 „ „ 80 3 „ „ „ 1 1 80 9. I „ „ 2 „ Wertes der einjährigen Nutzung. § 23. Hängt die Dauer der Nutzung oder Leistung von der Lebenszeit mehrerer Personen ab, so ist maßgebend das Lebensalter der ältesten Person, wenn das Recht mit dem Tode der zuerst versterbenden Person erlischt, das Lebensalter der jüngsten Person, wenn das Recht mit dem Tode der letztversterbenden Person erlischt. 27 Abweichung vom Erg.StG. 28 Es wird sich hier hauptsächlich um Aktien handeln, die an keiner deutschen Börse notiert sind. 29 Der Erleichterung der Wertermittelung soll die Bestimmung in § 42 dienen, mit Strafbestim­ mung in § 60. 30 Vgl. § 15 Erg.StG. und Anm. dazu. 31 z. B. Nießbrauchsrechte (außer denen des Ehemannes, des elterlichen.oder fideikommissarischen Nießbrauchers, §§ 13, 14, 8), Apanagen, Leibrenten, Altenteilsbezüge; vgl. § 13 Erg.StG. Reichelt, Verwaltungsgesetzbuch. 74

1170

XII. Abschn. Finanzrecht.

§ 24. Der einjährige Betrag der Nutzung einer Geldsumme ist zu vier vom Hundert an­ zunehmen, falls er nicht anderweit feststeht. § 25. Vom Kapitalwert unverzinslicher befristeter Forderungen und Schulden kommen für die Zeit bis zu ihrer Fälligkeit vier vom Hundert Jahreszinsen in Abzug. § 26. Vermögen, dessen Erwerb von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung ab­ hängt, bleibt bei der Feststellung unberücksichtigt. § 27. Vermögen, das unter einer auflösenden Bedingung erworben ist, wird unbeschadet der Vorschrift über die Berechnung des Kapitalwerts der Nutzungen von unbestimmter Dauer (§ 21 Abs. 2, §§ 22, 23) wie unbedingt erworbenes behandelt. § 28. Hängen Lasten, die den Wert des Vermögens vermindern, von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung ab, so werden sie nicht berücksichtigt. Den Lasten, die von einer aufschiebenden Bedingung abhängen, stehen zweifelhafte Lasten gleich. § 29. Lasten, deren Fortdauer von einer auflösenden Bedingung abhängt, werden wie unbedingte vom Vermögen abgezogen, soweit nicht deren Kapitalwert nach § 21 Abs. 1, §§ 22, 23 zu berechnen ist. § 30. Die Vorschriften der §§ 26 bis 29 gelten auch, wenn der Erwerb oder die Last von einem Ereignis abhängt, das nur hinsichtlich des Zeitpunkts seines Eintritts ungewiß ist. Unbeitreibliche Forderungen bleiben außer Ansatz. § 31. Als Einkommen^ im Sinne des § 1 gilt das auf Grund der Landeseinkommensteuer­ gesetze zuletzt vor oder gleichzeitig mit der Veranlagung des Wehrbeitrags festgestellte steuer­ pflichtige Einkommen? Als festgestellt wird das niedrigste Einkommen der Steuerstufe angenommen, in welcher der Steuerpflichtige zur Einkommensteuer veranlagt ist und, falls die Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse zu einer Steuerermäßigung geführt hat, das niedrigste Einkommen der Steuerstufe, in welcher der Steuerpflichtige ohne diese Berücksichtigung zu veranlagen gewesen wäre. In den Bundesstaaten, in denen eine Einkommensteuer nicht ein­ geführt ist, trifft die Landesregierung Bestimmungen über die Ermittelung des Einkommens. Von dem festgestellten Einkommen wird ein Betrag abgezogen, der einer Verzinsung von 5 vom Hundert des abgabepflichtigen Vermögens entspricht?^ Abgabefrei sind die nach Abs. 1 festgestellten Einkommen, welche den Betrag von 5000 M nicht übersteigen, sowie die nach Abzug des gemäß Abs. 2 abgabefreien Teiles des Einkommens verbleibenden Restbeträge unter 1000 M. Wird nachgewiesen, daß sich das Einkommen zwischen der Erhebung des ersten und des zweiten oder letzten Drittels des Wehrbeitrags um mindestens 40 vom Hundert vermindert hat, so ist auf Antrag eine dem verbliebenen Einkommen entsprechende Ermäßigung der spä­ teren Beitragsteile zu gewähren. Über das Ermäßigungsverfahren trifft der Bundesrat nähere Bestimmungen. § 32. Die Abgabe vom Vermögen beträgt bei einem Vermögen bis zu 50000 M und bei größeren Vermögen von den ersten.............. 50000 M 0,15 vom Hundert, „ von den nächsten angefangenen oder vollen 50000 0,35 „ „ „ „ „ „ 100000 „ 0,5 „ n „ „ „ „ „ „ „ „ 300000 „ 0,7 „ „ „ „ „ „ „ „ 500000 „ 0,85 „ „ „ „ „ „ „ 1000000 „ 1,1 „ „ „ „ „ „ „ „ 3000000 „ 1,3 „ „ „ „ „ „ 5000000 „ 1,4 „ „ „ „ 1,5 „ „ „ höheren Beträgen .. „ 32 Neben dem Wehrbeitrage vom Vermögen wird nach §§ 31, 32 noch ein nach Einkommen­ stufen gestaffelter Wehrbeitrag von allen Einkommen über 5000 M erhoben, jedoch nur von natürlichen Personen, nicht auch von juristischen, die nur mit den in § 11 näher bezeichneten Vermögensteilen herangezogen werden können. 33 um eine Doppelbesteuerung des aus Vermögen fließenden Einkommens zu verhindern.

10. Wehrbeitragsgesetz.

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Tie Abgabe vom Einkommen beträgt bei einem Einkommen bis zu 10000 Ji 1 vom Hundert des Einkommens, „ „ „ von mehr als 10000 M „ „ 15000 „ 1,2 „ „ „ „ 20000 „ 1,4 „ „ „ „ „ 15000 „ „ „ „ „ „ „ 20000 „ „ „ 25000 „ 1,6 „ „ „ „ „ „ „ 25000 „ „ „ 30000 „ 1,8 „ „ „ „ „ „ „ 30000 „ „ „ 35000 „ 2 „ „ „ „ „ „ 35000 „ „ „ 40000 „ 2,5 „ „ „ „ „ „ 40000 „ „ „ 50000 „ 3 „ „ „ „ „ „ „ 50000 „ „ „ 60000 „ 3,5 „ „ „ „ 60000 „ „ „ 70000 „ 4 „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ 70000 „ „ „ 80000 „ 4,5 „ „ „ „ „ „ „ 80000 „ „ „ 100000 „ 5 „ „ „ „ „ „ 100000 „ „ „ 200000 „ 6 „ „ „ „ „ „ „ 200000 „ „ „ 500000 „ 7 „ „ 500000 „ „ „ „ „ „ 8 „ Der Unterschied zwischen dem Beitrag, der zu zahlen wäre, wenn das Einkommen nur die vorangehende in Abs. 2 bezeichnete Grenze erreicht hätte, und zwischen dem Beitrag, der nach dem gesetzlichen Satze berechnet ist, wird nur insoweit erhoben, als er aus der Hälfte des jene Grenze übersteigenden Betrags des Einkommens gedeckt werden kann. § 33* Gewährt der Beitragspflichtige, dessen Vermögen den Betrag von 100000 M oder dessen Einkommen den Betrag von 10000 M nicht übersteigt, Kindern auf Grund ge­ setzlicher Verpflichtung (§§ 1601 bis 1615 BGB.) Unterhalt, so ermäßigt sich der Beitrag für das dritte und jedes folgende minderjährige Kind um 5 vom Hundert seines Betrags. Hat der Beitragspflichtige ein Vermögen von nicht mehr als 200000 M oder ein Ein­ kommen von nicht mehr als 20000 M, so ermäßigt sich der Wehrbeitrag für den dritten und jeden weiteren Sohn, welcher seine gesetzliche Dienstpflicht beim Heere oder der Flotte ab­ geleistet hat, um je 10 vom Hundert seines Betrags. Die Beitragsermäßigung tritt auch ein, wenn die Ableistung der Dienstpflicht noch in den Jahren 1914, 1915 und 1916 erfolgt. Ist der Wehrbeitrag in diesem Falle bereits voll entrichtet, so ist der entsprechende Betrag dem Beitragspflichtigen auf Antrag zu erstatten. § 34. Für die Veranlagung und Erhebung des Wehrbeitrags ist der Bundesstaat zuständig, in welchem der Beitragspflichtige seinen Wohnsitz18 oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.^ Bei mehrfachem Wohnsitz im Inland ist der dienstliche Wohnsitz vor einem anderen Wohn­ sitz, der Wohnsitz in dem Heimatstaate vor dem Wohnsitz in einem anderen Bundesstaat und, wenn keiner dieser Fälle vorliegt, der Wohnsitz an dem Orte maßgebend, an welchem der Beitragspflichtige sich vorwiegend aufhält. Beitragspflichtige, welche zur Zeit der Veranlagung im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind in dem Bundesstaate zu veranlagen, in welchem sie ihren letzten inländischen Wohnsitz oder Aufenthalt gehabt haben. Der Bundesrat kann weitere Bestimmungen über die Zuständigkeit der Bundesstaaten zur Veranlagung und Erhebung des Wehrbeitrags erlassen? Er entscheidet auch auf An­ rufen eines Bundesstaats, wenn zwischen mehreren Bundesstaaten Meinungsverschieden­ heiten über ihre Zuständigkeit herrscht. § 35. Die Landesregierung bestimmt die für die Veranlagung und Erhebung des Wehr­ beitrags zuständigen Behörden. Sie bestimmt auch, ob und inwieweit zur Mitwirkung bei 34 Die Veranlagung soll in Preußen mit der Veranlagung der Einkommensteuer für das Steuerjähr 1914 und mit derjenigen der Ergänzungssteuer für die Veranlagungsperiode 1914—1916 verbunden werden. Die Veranlagungskommissionen sollen über die auf einen Steuerpflichtigen zu veranlagende Einkommensteuer, Ägänzungssteuer und den Wehrbeitrag in der Regel in derselben Sitzung Beschluß fassen, Preuß. AVorschr. An. 11.

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XII. Abschn. Finanzrechr.

der Veranlagung und zur Erhebung des Wehrbeitrags Gemeinden und Gemeindeverbände heranzuziehen finb.35 Ter Bundesrat bestimmt die für die Veranlagung und Erbebung des Wehrbeitrags der Bundesfürsten zuständigen Behörden? § 36. Zur Abgabe einer Vermögenserklärung ist verpflichtet, wer ein Vermögen von mehr als 20000 J£,36 oder wer bei mehr als 4000 M Einkommen mehr als 10000 M Vermögen hat. Ter Bundesrat bestimmt die Fristen zur Abgabe der Vermögenserklärung? Tie Veranlagungsbehörde ist berechtigt, von jedem Beitragspflichtigen37 (§§ 10 und 11) binnen einer von ihr festzusetzenden Frist, die mindestens zwei Wochen betragen muß, die Abgabe einer Vermögenserklärung zu verlangen. Die Vermögenserklärung ist unter der Versicherung zu erstatten, daß die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht find. § 37. In der Vermögenserklärung hat der Beitragspflichtige seine Vermögensverhält, nisse zu dem im § 15 bezeichneten Zeitpunkt klarzulegen und zu diesem Zwecke nach näherer Bestimmung des Bundesrats1 baß gesamte Vermögen getrennt nach seinen einzelnen Bestandteilen unter Angabe ihres Wertes aufzuführen. Soweit die Vermögenswerte sich nicht aus dem Nenn- oder Kurswert oder dem Betrage der geleisteten Zahlungen ergeben, kann der Beitragspflichtige sich in der Vermögenserklärung auf die tatsächlichen Mitteilungen beschränken, die er behufs Schätzung des Wertes beizubringen vermag. § 38. Der Beitragspflichtige kann zur Abgabe der Vermögcnserklärung mit Geldstrafen bis zu 500 Jt angehalten werden. Dem Beitragspflichtigen, der die ihm nach § 36 obliegende Vermögenserklärung nicht rechtzeitig33 abgibt, kann ein Zuschlag von 5 bis 10 vom Hundert des geschuldeten Wehrbeitrags auferlegt werden. § 39. Die Veranlagungsbehörde prüft die Angaben in der Vermögenserklärung und stellt, gegebenenfalls nach Vornahme der erforderlichen Ermittelungen, die Höhe des Vermögens fest. § 40. Tie Vcranlagungsbehörde kann Zeugen und Sachverständige un eidlich vernehmen.39 Das Zeugnis oder Gutachten darf mir unter den Voraussetzungen verweigert 35 Auf Grund der §§ 35 u. 48 erging für Preußen die Kgl. Vg. v. 7. Aug. 1913 (GL. 371): 1. Die Veranlagung des Wehrbeitrags erfolgt durch die Einkommensteuer Veranlagungstom. Missionen. 2. Gegen den Veranlagungs- und den Feststellungsbescheid steht dem Beitragspflichtigen die Berufung an die Einkommensteuer-Berufungskommission und gegen deren Entscheidung die Beschwerde an das OVG. zu. Auf das Nechtsmittelversahren finden die Vorschriften der §§ 44, 49 bis 54 Eink.StG. sinngemäße Anwendung. 3. Die Androhung und Festsetzung von Zwangsstrafen (§ 38 Abs. 1, § 40 Abs. 2, § 42 Abs. 4 des NGO. die Festsetzung von Wehrbeitragszuschlägen ($ 38 Abs. 2), die Wehrbeitragsermäßlgungen (§ 31 Abs. 4), die Festsetzung der von dem Beitragspslichtigcn zu erstattenden Kosten (§ 44), die Stundungen und die Genehmigung der Entrichtung des Wehrbeitrags in Dellbeträgen (§ 52) erfolgen durch die Vorsitzenden der Einkommensteuer Veranlagnngskom. Missionen. Gegen deren Entscheidungen steht dem Beitragspflichtigen innerhalb vier Wochen die Beschwerde an den Vorsitzenden der Einkommensteuer Berusungskommission vnen. 4. Insoweit sonst nach den Vorschriften des Eink.StG. die Negierungen und für Berliit die Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern zur Mitwirkung berufen sind, haben diese Behörden auch die gleichartigen Entscheidungen hinsichtlich des Wehrbeitrags zu trefsen. 5. Die Gemeinden und selbständigen Gutsbezirke sind verpflichtet, in ihren Bezirken die Einzelerhebung der veranlagten Beitrüge sowie deren Abführung an die zuständigen Staatskassen ohne Vergütung zu bewirken. 36 Lhne besondere Aufforderung und ohne Rücksicht auf die Hohe seines Einkommens. Die Ver­ mögenserklärung lnach Formular» erfolgt vom 4. bis Fan. l(.'l 37 Also auch von den beitragspflichtigen juristischen Personen (£ 11), da deren Verpflichtung zur Abgabe einer Vermögenserklärung in Abs. 1 nicht ausgesprochen ist. 38 und zwar aus nicht entschuldbaren Gründen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 48 Erg.StG.) ist dagegen nicht vorgesehen. 39 Wegen der eingeschränkten Befugnisse der Veranlagungstom Mission s. Anm. 33 zu

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rorben, welche nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung (§§ 383 bis 385, 407, 408) zu Ablehnmng eines Zeugnisses oder Gutachtens berechtigen. Zeugen umb Sachverständige können zur Abgabe des Zeugnisses oder Gutachtens mit Geldftnfen bis zu 150 M> angehalten werden. § 41. D,er Beitragspflichtige hat auf Erfordern die Höhe seines Vermögens nachzuweisen. E ist insbesondere verpflichtet, der Veranlagungsbehörde Wirtschafts, oder Geschäftsbücher, Vrträge, Schuldverschreibungen, Zinsquittungen, Abrechnungen von Banken oder ähnliyen Unternehmungen und andere Schriftstücke, welche für die Veranlagung von Bedeutung snd, zur Einsicht und Prüfung vorzulegen. Die Einsichtnahme und Prüfung der Bücher und Schriftstücke des Beitragspflichtigen soll tunlichst iit dessen Wohnung oder Geschäftsräumen erfolgen. § 42. Die Vorstände oder Geschäftsführer der im § 19 bezeichneten Gesellschaften, die ilren Sitz im Inland haben oder Vermögen im Inland besitzen, haben dem Beitrags­ pli chtigen die erforderlichen Mitteilungen über den Wert seiner Aktien oder Gesellschaftsaiteile zu machen. Sie sind außerdem verpflichtet, der Veranlagungsbehörde auf Verlangen binnen ener Frist von vier Wochen eine Nachweisung einzureichen, welche enthält: 1- die Höhe des Grundkapitals oder der Stammeinlagen, 1 Öen Betrag der in den vorausgegangenen drei Jahren jährlich verteilten Gewinne, 3. die tatsächlichen Mitteilungen, die sie zur Schätzung des Wertes der Aktien, Anteile oder Kuxe beizubringen vermögen. Ttc Nachweisung ist mit der Versicherung zu versehen, daß die Angaben nach bestem Wissen mb Gewissen gemacht sind. Tie Verpflichteten können zur Abgabe der Nachweisung mit Geldstrafen bis zu 500 M mgehalten werden. § 43. Die Vorschriften der §§ 36 bis 38, 41 gelten auch für den gesetzlichen Vertreter" .es Beitragspflichtigen hinsichtlich des seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens. § 44. Die Kosten der Ermittelungen" fallen dem Beitragspflichtigen zur Last, wenn er endgültig festgestellte Vermögenswert den vom Beitragspflichtigen angegebenen Wert im mehr als ein Drittel übersteigt oder wenn sich seine Angaben in wesentlichen Punkten als mrichtig erweisen oder wenn er trotz ergangener Aufforderung keine oder nur ungenügende 'lngaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat. § 45. Die Reichs-, Staats- und Gemeindebehörden sind verpflichtet, den VeranlagungsChorden auf Ersuchen aus Büchern, Akten, Urkunden usw. Auskunft über die VermögensVerhältnisse des Beitragspflichtigen zu erteilen oder ihnen Einsicht in solche, die VermögensVerhältnisse betreffenden Bücher, Akten, Urkunden usw. zu gestatten. Den Notaren liegt diese Pflicht nur ob hinsichtlich der einen Nachlaß betreffenden Verhand­ lungen oder soweit sie durch sonstige reichs- oder landesrechtliche Vorschriften begründet ist. Eine Auskunftspflicht besteht nicht für die Postbehörden, für die Verwaltung der Schuldbiicher öffentlicher Körperschaften sowie für die Verwaltung öffentlicher Sparkassen und anderer mit der Verwaltung und Verwahrung fremden Vermögens befaßter öffentlicher Anstalten. § 46. Beamte, Angestellte und ehrenamtliche Mitglieder von Behörden, welche im Ver­ fahren zur Veranlagung des Wehrbeitrags dienstlich Kenntnis von den Vermögens-, Erwerbs­ oder Einkommensverhältnissen eines Beitragspflichtigen erhalten, sind zu ihrer Geheimhaltung verpflichtet." Die Bcrmögenserklärungen sind unter Verschluß aufzubewahren und dürfen § 40 Eink.StG. Ihre Befugnisse sind nach § 40 Wehrb.G. insofern erweitert, als Zwangsstrafen von ihrem Vorsitzenden verhängt werden können, s. Nr. 3 Kgl. Bg. v. 7. Aug. 1913, bei Anm. 35. 40 z. B. Vater oder Mutter in Ausübung der elterlichen Gewalt, Vormund, Pfleger; für juristische Personer deren nach G. oder Gesellschaftsstatut berufene Vertreter. 41 im Veranlagungsverfahren, z. B. Gebühren der Zeugen und Sachverständigen, besondere Kosten eines Beweistermins. 41 Dazu die Strafvorschriften aus § 62.

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ebenso wie die sonstigen Verhandlungen im Veranlagungsverfahren nur zur Kenntnis der durch Eid zu ihrer (Geheimhaltung Verpflichteten gelangen. Sie dürfen anderen Behörden nur zum Zwecke der Veranlagung und Erhebung von öffentlichen Abgaben mitgeteilt werden. Bestehen für Landessteuern gleiche oder ähnliche Vorschriften, so steht dies der Mitteilung von Veranlagungsmerkmalen an die mit der Veranlagung des Wehrbeitrags betrauten Be­ hörden nicht entgegen. § 47. Tie Veranlagungsbehörde erteilt dem Beitragspflichtigen einen Bescheid über den Gesamtbetrag des zu zahlenden Wehrbeitrags und über die für eine spätere Veranlagung zur Besitzsteuer maßgebende Vermögensfeststellung (Veranlagungsbescheid). Ergibt sich bei einem zur Abgabe der Vermögenserklärung Verpflichteten nur ein beitragsfreies Vermögen, so ist ihm ein Bescheid über den für eine künftige Veranlagung zur Besitzsteuer maßgebenden Vermögensstand zu erteilen (Feststellungsbescheid). Der Veranlagungs- und der Feststellungsbescheid enthält eine Belehrung über die zu­ lässigen Rechtsmittel, der Veranlagungsbescheid enthält außerdem eine Anweisung zur Ent­ richtung des Wehrbeitrags in den gesetzlichen Teilbeträgen innerhalb der vorgeschriebenen Zahlungsfristen. Dem Beitragspflichtigen ist mitzuteilen, in welchen Punkten von der Ver­ mögenserklärung abgewichen worden ist. Tie nach § 51 zu zahlenden Teilbeträge sind auf die volle Mark nach unten abzurunden. § 48. Gegen den Veranlagungs- und den Feststellungsbescheid sind die Rechtsmittel zu­ lässig, die den Steuerpflichtigen" nach Landesrecht gegen die Heranziehung zu direkten Staatssteuern zustehen. Die Landesregierung bestimmt das Nähere." Wird keine oder eine falsche Rechtsmittelbelehrung erteilt, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt, doch ist ein von dem Beitragspflichtigen eingelegtes Rechtsmittel nicht aus diesem Grunde unzulässig. § 49. Wohnt weder der Beitragspflichtige noch ein Vertreter des Beitragspflichtigen im Inland, so ist dieser gehalten, eine im Inland wohnende Person zum Empfange der für ihn bestimmten Schriftstücke zu bevollmächtigen. Ist die Benennung eines Zustellungsbevoll­ mächtigten unterblieben, so gilt die Zustellung eines Schriftstücks mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unbestellbar zurückkommt. § 50. Durch die Einlegung eines Rechtsmittels wird die Erhebung des veranlagten Wehr­ beitrags zu den gesetzlichen Zahlungsfristen nicht aufgehalten. Tie auf Grund rechtskräftiger Entscheidung zu erstattenden Beträge sind mit 4 vom Hundert für das Jahr zu verzinsen. § 51. Ter einmalige Wehrbeitrag ist zu einem Drittel mit der Zustellung des Veranlagungsbescheids fällig und binnen drei Monaten zu entrichten. Das zweite Drittel ist bis zum 15. Februar 1915, das letzte Drittel bis zum 15. Februar 1916 zu entrichten. Ten Beitragspflichtigen steht es frei, die späteren Teilbeträge zum voraus zu zahlen. Erfolgt die Zahlung mindestens drei Monate vor dem gesetzlichen Zahlungstage, so ist der Bei­ tragspflichtige berechtigt, 4 vom Hundert Jahreszinsen vom Tage der Einzahlung bis zum gesetzlichen Zahlungstag in Abzug zu bringen. § 52. Würde die Einziehung des Wehrbeitrags zu den gesetzlichen Zahlungsfristen mit einer erheblichen Härte für den Beitragspflichtigen verbunden sein, so kann der Betrag bis auf drei Jahre gestundet, auch die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden. Tie Stundung kann von einer angemessenen Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. 43 Für die Veranlagungszuschrift ist hier, nach dem Vorbilde des Zuw.StG., wieder die Bezeich­ nung „Bescheid" gewählt, obwohl diese Bezeichnung in der Praxis der Zuwachssteuersachen manche Verwechselung hervorgerufen hat. In der Praxis wird daher besser von einer „Veranlagungs­ verfügung" zu sprechen und der Ausdruck „Bescheid" der Eröffnung auf das erste Rechtsmittel vorzubehalten sein. 44 und zwar nur diesen, nicht auch, wie nach Eink.StG. und Erg.StG., auch dem Vorsitzenden der Veranlagungskommission. 45 S. Nr. 2 der in Anm. 35 abgedruckten Kgl. Vg.

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Die Stundungsbewilligung wird zurückgenommen, wenn die Voraussetzungen hierfür weggefallen sind oder wenn eine nachträglich verlangte Sicherheit nicht geleistet wird. § 5L. Zum Zwecke der Einziehung des Wehrbeitrags ist die Zwangsversteigerung eines Grundstücks ohne Zustimmung des Beitragspflichtigen nicht zulässig. § 54. Ist die Veranlagung zu Unrecht unterblieben, so wird dadurch die Pflicht zur Zahlung des Wehrbeitrags nicht berührt." Eine Neuveranlagung hat zu erfolgen, wenn nachträglich neue Tatsachen und Beweismittel bekannt werden, die eine höhere Veranlagung des Beitragspflichtigen rechtfertigen. § 55. Der Anspruch der Staatskasse auf den Wehrbeitrag verjährt in vier Jahren. Tie Frist beginnt mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem die Beträge fällig geworden sind, im Falle der Sicherheitsleistung für den Wehrbeitrag jedoch nicht vor dem Ablauf des Jahres, in welchem die Sicherheit erlischt. Ist die Veranlagung zum Wehrbeitrage zu Unrecht unter­ blieben," so beginnt die Frist mit dem Schlüsse des Kalenderjahrs 1916. § 56. Wer als Beitragspflichtiger oder als Vertreter eines Beitragspflichtigen wissentlich" der Veranlagungsbehörde unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die geeignet sind, eine Verkürzung des Wehrbeitrags herbeizuführen, wird mit einer Geldstrafe bis zum zwanzigfachen Betrage des gefährdeten Wehrbeitrags" bestraft. § 57. In den Fällen des § 56 kann neben der Geldstrafe auf Gefängnis bis zu sechs Monaten erkannt werden, wenn die unrichtigen oder unvollständigen Angaben in der Absicht, den Wehrbeitrag zu hinterziehen," gemacht worden sind, und wenn der gefährdete Betrag" nicht weniger als 10 vom Hundert des geschuldeten Wehrbeitrags, mindestens aber 300 M ausmacht, oder wenn der Beitragspflichtige Vermögen vom Inland ins Ausland ver­ bracht hat in der Absicht, dieses Vermögen der Veranlagungsbehörde zu verheimlichen. Bei einer Beitragsgefährdung der im Abs. 1 bezeichneten Art kann im Urteil angeordnet werden, daß die Bestrafung auf Kosten des Verurteilten öffentlich bekanntzumachen ist. Besteht der Verdacht, daß eine Beitragsgefährdung der im Abs. 1 bezeichneten Art vor­ liegt, so hat die Veranlagungsbehörde die Sache an die zuständige Staatsanwaltschaft abzugeben." Findet die Staatsanwaltschaft in einer an sie abgegebenen Sache, daß dieser Verdacht nicht hinreichend begründet ist, so kann sie die Sache zur weiteren Erledigung im Verwaltungsstrafverfahren an die Verwaltungsbehörde abgeben. § 58. Ist nach den obwaltenden Umständen anzunehmen, daß die unrichtigen oder unvoll­ ständigen Angaben, die geeignet sind, eine Verkürzung des Wehrbeitrags herbeizuführen, nicht in der Absicht gemacht worden sind, den Wehrbeitrag zu hinterziehen," so tritt an Stelle der im § 56 vorgesehenen Strafe eine Ordnungsstrafe bis zu 500

M.

§ 59. Straffrei bleibt, wer seine unrichtigen oder unvollständigen Angaben, bevor eine Anzeige erstattet oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet, ist bei der Behörde berichtigt oder ergänzt und den gefährdeten Wehrbeitrag, soweit er bereits fällig gewesen ist, entrichtet.

§

.

60 Wer in der nach § 42 Abs. 2 einzureichenden Nachweisung wissentlich unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die geeignet sind, das Aufkommen an Wehrbeiträgen zu ge­ fährden, wird mit einer Geldstrafe bis zu 3000 M bestraft. Straffrei bleibt, wer seine unrichtigen oder unvollständigen Angaben, bevor eine Anzeige 46 D. h. es kann die Veranlagung innerhalb 4 Jahren, von Ende 1916 ab, nachgeholt werden. Ist der Steuerpflichtige nur zu niedrig veranlagt worden, so erfolgt eine Nachveranlagung nur unter den Voraussetzungen des § 54 Satz 2. 47 Zum Tatbestände des § 56 gehört trotz der Fassung und scheinbaren Gegenüberstellung des § 57 Abs. 1 auch die Absicht der Hinterziehung oder Verkürzung des Wehrbeitrages; an­ derenfalls liegt nur der Tatbestand des § 58 vor. Durch § 57 sollen nur schwerere Fälle getroffen werden, deren Entscheidung nach Abs. 3 den Justizgerichten vorbehalten ist. — Objektiv unrichtige Bewertungen und Schätzungen machen nicht strafbar. 48 Der „gefährdete" Betrag ist derjenige, um den der Wehrbeitrag niedriger veranlagt worden ist, als der gesetzlich geschuldete, oder niedriger veranlagt worden wäre, wenn die strafbare Absicht gelungen wäre. 49 Ein Verwaltungsstrafverfahren ist dann also ausgeschlossen.

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erstattet oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet ist, bei der Behörde berichtigt oder ergänzt. § 61. Die Anziehung des Wehrbeitrags erfolgt neben und unabhängig von der Be­ strafung. § 62. Beamte, Angestellte und ehrenamtliche Mitglieder von Behörden sowie Zachverständige werden, wenn sie die zu ihrer dienstlichen oder amtlichen Kenntnis gelangten Vermögens-, Erwerbs- oder Elnkommensverhältnisse eines Beitragspflichtigen, insbesondere auch den Inhalt einer Bermögenserkläruug oder der über sie gepflogenen Verhandlungen unbefugt offenbaren, mit Geldstrafe bis zu 1500 M oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Tie Strafverfolgung tritt nur ein auf Antrag der zuständigen Landesbehörde oder des Beitragspflichtigen, dessen Interesse an der Geheimhaltung verletzt ist. § 63. Hinsichtlich des Verwaltungsstrafverfahrens, der Strafmilderung und des Erlasses der Strafe im Gnadenwege sowie hinsichtlich der Strafvollstreckung und der Verjährung der Strafverfolgung kommen, auch für die von der Zollgrenze ausgeschlossenen Gebietsteile, die sich auf Zollstrafen beziehenden Vorschriften mit der Maßgabe zur Anwendung, daß an die Stelle der Hauptzollämter und Zolldirektivbehörden die durch die Landesregierung hierzu bestimmten Behörden treten.50 Bei Zuwiderhandlungen gegen die Geheimhaltungspflicht (§ 62) findet die Strafverfolgung nur im gerichtlichen Verfahren statt. § 64. Die festgesetzten Geldstrafen fallen der Staatskasse des Bundesstaats zu, von dessen Behörde die Strafentscheidung getroffen ist. § 65. Die Umwandlung einer nicht beizutreibenden Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe findet nicht statt. § 66. Das Verfahren in Wehrbeitragsangelegenheiten ist vorbehaltlich der Vorschrift des § 44 kosten-, gebühren- und stempelfret. Für das Rechtsmittel- und Strafverfahren bewendet es bei den sonst geltenden Forschriften.51 § 67. Die Reichsbevollmächtigten für Zölle und Steuern haben bei der Ausführung dieses G. die gleichen Befugnisse und Pflichten, die ihnen hinsichtlich der Zölle und Verbrauchssteuern beigelegt sind. Ter Umfang und die Art der Tätigkeit der Reichsbevoll­ mächtigten werden vom Reichskanzler im Einvernehmen mit den Bundesregierungen ge­ regelt. Unter Zustimmung des Bundesrats kann der Reichskanzler die Wahrnehmung der Geschäfte der Reichsbevollmächtigten für den Wehrbeitrag anderen Beamten übertragen. § 68. Gibt ein Beitragspflichtiger bei der Veranlagung zum Wehrbeitrag oder in der Zwischenzeit seit dem Inkrafttreten dieses G. bei der Veranlagung zu einer direkten Staatsoder Gemeindesteuer Vermögen oder Einkommen an, das bisher der Besteuerung durch einen Bundesstaat oder eine Gemeinde entzogen worden ist, so bleibt er von der landes­ gesetzlichen Strafe uitb der Verpflichtung zur Nachzahlung der Steuer für frühere Jahre frei.52 ' § 69. Die Einnahme aus dem Wehrbeitrage zuzüglich freiwilliger Beiträge ist ausschließlich 50 Art. 27 Preus;. AVorschr.: Im Verwaltungsstrafverfahren. welches nach den Vorschriften des G.. betreffend das Verwaltungsstrafverfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Zollgesetze, vom 26. Juli 1897 lGS. 237) zu handhaben ist, en scheiden m den Fällen der g 38 Abs. 1, g 40 Abs. 2, g 42 AZ. 4 des WehrbeitraggZetzes an Stelle der Hauptzollatnler die Vorsitzenden der Ein.ommeusteuer'Veranlagungsk.'Mm.ssionen und im Beschwerdeverfahren die Vorsitzenden der Berusunqskomm's'ion.'n, in allen übrigen fallen die königlichen Regierungen. 61 Vgl. §§ 77 Abs. 2 und 76 Abs. 2 Eink.StG. 52 Diese weitgehende Befreiung von Strafe und Nachsteuer soll verhindern, das; Steuerpflichtige aus Furcht vor Strafe ihr Vermögen oder Einkommen richtig anzugeben unterlassen; sie hat deshalb eine gewisse rückwirkende .Straft.

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zur Deckung der Kosten für die auf Grund der Vorlage an den Reichstag vom 28. März 1913 beschlossene Verstärkung der Wehrmacht zu verwenden. Ws solche Kosten gelten die einmaligen Ausgaben und die fortdauernden Ausgaben der Jahre 1913 bis 1916, soweit diese nicht aus dem Ertrage der erlassenen oder noch zu erlassenden Deckungsgesetze oder aus laufenden Einnahmen bestritten werden können. Wenn nach dem Voranschläge für das Jahr 1915 die Einnahme aus dem Wehrbeitrage die Ausgaben, zu deren Deckung sie bestimmt ist, überschreitet, ist der Mehrbetrag zur Kürzung des letzten Drittels des Wehrbeitrags nach Maßgabe des Reichshaushaltsgesetzes bereitzustellen. § 70. Die Ausführungsbestimmungen zu diesem G. erläßt der Bundesrat? Er bestimmt auf Antrag der Landesregierung, ob und mit welcher Maßgabe die Unterlagen der landes­ rechtlichen Steuerveranlagung bei der Feststellung des Wehrbeitrages benutzt werden können.

11. Neichs-Voppelfteuergesetz. Vom 22. März 1909 (RGBl. 332).

§ 1. Ein Deutscher darf vorbehaltlich der Bestimmungen im 8 3 zu den direkten Staatssteuern nur in demjenigen Bundesstaate herangezogen werden, in welchem er seinen Wohnsitz hat. Einen Wohnsitz im Sinne dieses Gesetzes hat ein Deutscher an dem Orte, an welchem er eine Iüohnung unter Umständen inne hat, welche auf die Absicht der dauernden Beibehaltung einer solchen schließen lassen. § 2. Ein Deutscher, welcher in keinem Bundesstaat einen Wohnsitz hat, darf nur in demjenigen Staate, in welchem er sich aufhält, zu den direkten Staatssteuern herangezogen werden. Hat ein Deutscher in seinem Heimatsstaat und außerdem in anderen Bundesstaaten einen Wohnsitz, so darf er nur in dem ersteren zu den direkten Staatssteuern herangezogen werden. In Reichs- oder Staatsdiensten stehende Deutsche dürfen, sofern sie sowohl in demjenigen Bundes­ staat, in welchem sich ihr dienstlicher Wohnsitz befindet, als auch in einem anderen Bundesstaat einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 2 dieses G. haben, nur in dem ersteren Bundesstaate, sofern sie aber m keinem Bundesstaat einen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 2 dieses G., sondern nur einen dienst­ lichen Wohnsitz haben, nur in dem Bundesstaate des dienstlichen Wohnsitzes zu den direkten Staatsleuern herangezogen werden. § 3. Der Grund- und Gebäudebesitz und der Betrieb eines stehenden Gewerbes sowie das aus riesen Quellen herrührende Einkommen dürfen nur in demjenigen Bundesstaate besteuert werden, .n dessen Gebiete der Grund- und Gebäudebesitz liegt oder die Betriebsstätte zur Ausübung des stehenden Gewerbes unterhalten wird. Betriebsstätte im Sinne dieses G. ist jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Betriebs eines stehenden Gewerbes dient. Außer dem Hauptsitz eines Betriebs gelten hiernach als Betriebsstätten: Zweigniederlassungen, Fabrikationsstätten, Ein- und Verkaufsstellen, Niederlagen, Kontore und sonstige zur Ausübung des Gewerbes durch den Unternehmer selbst, dessen Geschäfts­ teilhaber, Prokuristen oder andere ständige Vertreter unterhaltene Geschäftseinrichtungen. Befinden sich die Betriebsstätten desselben gewerblichen Unternehmens in mehreren Bundes­ staaten, so darf die Heranziehung zu den direkten Staatssteuern in jedem Bundesstaate nur anteilig erfolgen. Die Besteuerung des Gewerbebetriebs int Umherziehen einschließlich des Wanderlagerbetriebs bleibt demjenigen Bundesstaate vorbehalten, in dessen Gebiete der Betrieb stattfindet oder statt­ finden soll. § 4. Wird ein Steuerpflichtiger für denselben Zeitraum, für den er in einem Bundesstaate die von ihm dort eingeforderte direkte Staatssteuer entrichtet hat, in einem anderen Bundesstaate zu einer gleichartigen direkten Staatssteuer herangezogen, so ist ihm diese auf Antrag bis zur endgültigen Entscheidung über das Recht und das Maß der Besteuerung zu stunden. § 5. An den Wirkungen, welche der Wohnsitz oder Aufenthalt außerhalb des Reichsgebiets auf die Steuerpflichtigkeit eines Deutschen äußert, wird durch das gegenwärtige G. nichts geändert. § 6. Beschwerden über eine infolge Verletzung der Vorschriften dieses G. eingetretene Doppel­ besteuerung sind innerhalb eines Jahres nach der endgültigen Feststellung der Doppelbesteuerung anzubringen. Solche Beschwerden dürfen nicht aus dem Grunde zurückgewiesen werden, daß der Steuerpflichtige die in Landesgesetzen vorgesehenen ordentlichen Rechtsmittel gegen die Veranlagung nicht innerhalb bestimmter Fristen eingelegt oder den Antrag auf Erstattung nicht innerhalb landes­ gesetzlich vorgeschriebener Fristen gestellt habe.

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12. Preußisches Stempelsteuergesetz? Vom 30. Juni 1909 ($3. 535). § 1. (Gegenstand der Stempelsteuer. Tie in dem anliegenden Tarifs aufgeführten Urkunden13 4und 2 5 6die 7 8in der Tarifstelle 48 1 erwähnten mündlichen Verträge unterliegen den darin bezeichneten Stempelabgaben. Stempelpflichtig sind Urkunden, welche mit dem Namen oder der Firma des s)lns)teHet§ unterzeichnet find, insoweit nicht dieses G. oder der Tarif entgegenstehende Bestimmungen enthält. Ten unterschriftlich vollzogenen Urkunden stehen diejenigen gleich, unter welchen der Name oder die Firma des Ausstellers in seinem Auftrag unterschrieben oder mit seinem Wissen oder Willen durch Stempelaufdruck, Lithographie oder in irgend einer anderen Art mechanisch hergestellt ist. Ergibt sich die Einigung über ein Geschäft aus einem Briefwechsel oder einem Austausche sonstiger schriftlicher Mitteilungen, so wird in der Regel ein Stempel hierfür nicht erhoben. In einem solchen Falle tritt aber die Verpflichtung zur Entrichtung des betreffenden Stempels dann ein, wenn nach der Verkehrssitte über das Geschäft ein förmlicher schriftlicher Vertrag errichtet zu werden pflegt, diese Errichtung indessen nicht stattgefunden hat und von den Beteiligten beabsichtigt ist, durch den Briefwechsel oder den Austausch der sonstigen schrift­ lichen Mitteilungen die Aufnahme eines solchen Vertrags zu ersetzen? § 2. Verhältnis des Auslandes zum Jnlande. Der Stempelsteuer unterliegen auch die von Inländern oder von Ausländern im Ausland errichteten Urkunden über Ge­ schäfte, welche im Jnlande befindliche Gegenstände betreffen oder welche im Jnlande zu er­ füllen sind. Inland im Sinne dieses G. und des Tarifs ist der Geltungsbereich dieses G. Auf die nach Abs. 1 zu entrichtende Stempelsteuer kann der in einem anderen Bundes­ staate für die Urkunden entrichtete Stempel angerechnet werden, wenn von dem anderen Bundesstaate Preußen gegenüber die gleiche Rücksicht geübt wird? § 3. Allgemeine Grundsätze über die Stempelpflichtigkeit. Die Stempelpflichtigkeit einer Urkunde richtet sich nach ihrem Inhalte? Für die Stempelpflichtigkeit ist die Hinzufügung von Bedingungen, die Wiederaufhebung und die unterbliebene Ausführung des Geschäfts — vorbehaltlich entgegenstehender Be­ stimmungen des G. oder des Tarifs — sowie die Vernichtung der Urkunde ohne Bedeutung. Urkunden, in denen ein Geschäft nur in der Form der Verdeutlichung oder Begründung einer anderen Erklärung erwähnt wird, sind in Ansehung jenes Geschäfts stempelpflichtig, wenn die Absicht auf die Beurkundung desselben gerichtet gewesen ist. § 4. Sachliche Stempelsteuerbefreiungen? Von der Stempelsteuer sind befreit: a) Urkunden übe'r Gegenstände, deren Wert nach Geld geschätzt werden kann, wenn dieser Wert 150 Ji nicht übersteigt, insoweit nicht der Tarif entgegenstehende Bestimmungen enthält; b) Urkunden, welche wegen Bestimmung des Betrages öffentlicher Abgaben und EinZiehung derselben und überhaupt wegen Leistungen an den Fiskus des Deutschen Reichs oder des Preußischen Staates infolge allgemeiner Vorschriften aufgenommen oder bei­ gebracht werden müssen, sofern sie allein zu diesem Zwecke dienen? 1 Gültig im ganzen Staatsgebiete außer Hohenzollern und Helgoland. — Ausf. - Bestimmungen v. 16. Aug. 1910, in den Amtsblättern veröffentlicht, im folgenden kurz mit ABest. bezeichnet. 2 Hinter diesem G. abgedruckt. 3 D. s. im — engeren Sinne dieses G. — Schriftstücke, die rechtlich erhebliche Willensäußerungen oder Feststellungen enthalten. 4 Bgl. z. B. Tarifst. 58 I Abs. 8e. 5 Über die Zulässigkeit entscheidet der Finanzminifter. 6 Mündliche Nebenabreden sind für die Stempelpflicht grundsätzlich ohne Bedeutung. 7 Dazu treten die bei einzelnen Tarifstellen ausgesprochenen besonderen Befreiungen. 8 S. dagegen Sinnt. 19 zu £ 26 Erg.StG.

12. Preuß. Stempelsteuergesetz.

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c) die auf die Heeresergänzung und die Befreiung von dem Heeresdienste sowie von den Reserve- und Landwehrübungen bezüglichen amtlichen Urkunden; d) die von der Auseinandersetzungsbehörde und deren Abgeordneten oder im Auftrag und auf Ersuchen derselben von anderen Behörden wie auch in den vorgesetzten In­ stanzen gepflogenen Verhandlungen, und zwar sowohl über den Hauptgegenstand der Auseinandersetzung als auch über die damit verbundenen Nebenpunkte, einschließlich aller hierzu gehörigen Urkunden, desgleichen Urkunden, die von anderen Behörden auf Antrag der Parteien ausgestellt werden, sofern sich letztere über die ihnen von der Auseinandersetzungsbehörde oder einem Abgeordneten derselben gemachten Auf­ lage zur Beibringung solcher Urkunden ausweisen; e) Urkunden wegen Besitzveränderungen, denen sich die Beteiligten aus Gründen des öffentlichen Wohles zu unterwerfen gesetzlich verpflichtet sind (Enteignungen), ohne Unterschied, ob die Besitzveränderung selbst durch Enteignungsbeschluß oder durch freiwillige Veräußerungsgeschäfte bewirkt wird; f) Abschriften, Auszüge und Bescheinigungen jeder Art aus den bei der Katasterverwaltung geführten beziehungsweise aufbewahrten Karten und sonstigen Schriftstücken; g) Verfügungen und Verhandlungen der Schiedsmänner, soweit die Stempelpflichtig, feit derselben in der Tarifstelle „Vergleiche" nicht ausdrücklich angeordnet ist (vgl. auch § 13 Abs. 2 und § 15); h) alle Urkunden über Gegenstände, denen durch frühere Gesetze oder landesherrliche Privilegien Stempelfreiheit bewilligt worden ist. Die Befreiung zu a findet auch auf diejenigen Vollmachten Anwendung, aus deren In­ halt der Wert des Gegenstandes nicht ersichtlich ist, sofern nachgewiesen wird, daß der Wert den Betrag von 150 M nicht übersteigt. §5. Persönliche Stempelsteuerbefreiungen. (i) Von der Entrichtung der Stempel­ steuer sind befreit: a) der König, die Königin und die königlichen Witwen; b) der Fiskus des Deutschen Reichs und des Preußischen Staates und alle öffentlichen Anstalten und Kassen, welche für Rechnung des Reichs oder des Preußischen Staates verwaltet werden oder diesen gleichgestellt sind; c) deutsche Kirchen und andere deutsche Religionsgesellschaften, denen die Rechte juristischer Personen zustehen; d) öffentliche Armen-, Kranken-, Arbeits- und Besserungsanstalten, ferner öffentliche Waisenhäuser, vom Staate genehmigte Hospitäler und andere Versorgungsanstalten, ferner vom Staate genehmigte Vereine für die Kleinkinderbewahranstalten sowie Stiftungen, welche als milde ausdrücklich anerkannt finb ;9 e) öffentliche Schulen und Universitäten; f) Gemeinden (Gutsbezirke) und Verbände von solchen in Armen-, Schul- und Kirchenangelegenheiten; g) Aktiengesellschaften, Genossenschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren durch Statut bestimmter Zweck ausschließlich darauf gerichtet ist, minderbemittelten Familien oder Personen gesunde und zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in eigens erbauten oder angekauften Häusern zu billigen Preisen zu verschaffen, und deren Statut die an die Gesellschafter zu verteilende Dividende auf höchstens vier Pro­ zent ihrer Anteile beschränkt, auch den Gesellschaftern für den Fall der Auflösung der Gesellschaft nicht mehr als den Nennwert ihrer Anteile zusichert, den etwaigen Rest des Gesellschaftsvermögens aber für gemeinnützige Zwecke bestimmt. Sofern eine dieser Gesellschaften oder Genossenschaften ihr Statut und damit zugleich ihren Zweck in der Weise ändert, daß die vorstehend angegebenen Voraussetzungen nicht mehr zutreffen, können alle Stempelbeträge, die mangels einer Befreiung fällig geworden sein würden, nachträglich binnen Jahresfrist eingefordert werden. • Die Oberzolldirektionen und Stempelsteuerämter führen darüber Verzeichnisse.

1180

XII. Abschn. Finanzrecht.

(2) Dem Staatsoberhaupt und dem Fiskus anderer Staaten als des Teutschen Reichs und des Preußischen Staates sowie den öffentlichen Anstalten und lassen, die für Rechnung eines solchen anderen Staates verwaltet werden oder diesen gleichgestellt sind, und den Chefs der bei dem Teutschen Reiche oder bei Preußen beglaubigten Missionen kann die Stempelsteuerbefreiung gewährt werden,5 wenn der betreffende Staat Preußen gegenüber die gleiche Rücksicht übt. (3) In den Fällen zu d bis g erstreckt sich die Stempelsteuerbefreiung nur auf inländische Anstalten, Stiftungen, Vereine usw. Diese Befreiung kann jedoch auch ausländischen An­ stalten, Stiftungen, Vereinen usw. gewährt werden, wenn der auswärtige Staat Preußen gegenüber die gleiche Rücksicht übt.5 (4) Die außerdem gewissen Personen, Behörden, Gesellschaften, Anstalten, Stiftungen, Vereinen usw. durch frühere G. oder landesherrliche Privilegien bewilligten Steuerbefreiungen bleiben auch fernerhin in Kraft. (5) Die nach den vorstehenden Bestimmungen von der Stempelsteuer befreiten Personen, Behörden, Gesellschaften, Anstalten, Stiftungen, Vereine usw. sind nicht befugt, diese Be­ freiung den Privatpersonen, mit welchen sie Verträge eingehen, einzuräumen, wenn diese Personen an sich nach gesetzlicher Vorschrift zur Entrichtung des Stempels verbunden sind. (e) Bei allen zweiseitigen Verträgen mit solchen Personen muß für den Vertrag die Hälfte des Stempels und für die Nebenausfertigungen außerdem der vorgeschriebene Stempel (§ 9) entrichtet werden. (7) Bei Verträgen über Lieferungen an den Fiskus des Deutschen Reichs oder des Preußischen Staates und alle öffentlichen Anstalten und Kassen, welche für Rechnung des Reichs oder des Preußischen Staates verwaltet werden oder diesen gleichgestellt sind, hat der Liefe­ rungsübernehmer den vollen Betrag des Stempels zu entrichten. § 6* Wertermittelung. (1) Die Ermittelung des Wertes eines Gegenstandes zum Zwecke der Berechnung der Stempelsteuer ist auf den gemeinen Wert" desselben zur Zeit der Beurkundung des Geschäfts zu richten. (2) Ist einem der Vertragschließenden ein Wahlrecht oder die Befugnis eingeräumt, inner­ halb bestimmter Grenzen den Umfang der Leistung zu bestimmen, so wird die Stempelsteuer nach dem höchstmöglichen Werte des Gegenstandes des Geschäfts berechnet. Ist die Leistung nicht bis zu den bestimmten Grenzen erfolgt, so wird nach Ausführung des Geschäfts die gezahlte Stempelsteuer bis auf den der wirklichen Leistung entsprechenden Betrag erstattet. (3) Bei Geldforderungen ist der aus der stempelpflichtigen Urkunde ersichtliche Geldbetrag, bei Kurs habenden Wertpapieren der Tageskurs als Wert anzusehen. (4) Die Umrechnung der in anderer als Reichswährung angegebenen Summen erfolgt nach den für die Erhebung des Wechselstempels vom Bundesrate festgesetzten Mittelwerten11 und, insoweit solche nicht bestimmt worden sind, nach dem lausenden Kurse. 10 Vgl. über diesen Begriff Anm. 9 p § 9 Erg.StG-, vorstehend unter Nr. 9. 11 nämlich nach ABest. Ziff. 3: 1 Pfund Sterling................................................................................................ 1 Frank, Lira, Peseta (Gold), Leu, smmsche Mart........................................ 1 österreichischer Gulden (Gold)........................................................................ 1 österreichischer Gulden (Währung)................................................................ 1 österreichisch-ungarische Krone........................................................................ 1 Gulden holländischer Währung........................................................................ 1 skandinavische Krone........................................................................................ 1 alter Goldrubel.................................... .................................................... 1 Rubel \ 1 alter Kreditrubel j 1 türkischer Piaster................................................................................................ 1 Peso (Gold)........................................................................................................ 1 Dollar.................................................................................................................... 1 alter japanischer Goldyen................................................................................ 1 japanischer Aen................................................................................................ 1 deutsch.ostafrikanische oder indische Rupie.................................................... 1 mexikanischer Golddollar....................................................................................

20,40 Jl 0,80 „ 2,00 „ 1,70 „ 0,8.) ..

1,70 „ 1,125 „ 3.20 „ 2,10 „ 0,18 4,00 4.20 4,20 2,10 1,35 2,10

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12. Preuß. Stempelsteuergesetz.

1181

(5) Der Wert des Besitzes einer Sache ist in der Regel dem Werte der Sache gleich zu achten.

einer Hypothek oder Grundschuld im Grundbuch , oder in einem für solche Eintragungen bestimmten öffentlichen Buche.......................................................| Vto

mindestens aber........................................................... (5) Die Abgabe wird nur erhoben, falls die beI antragte Eintragung in den Grund- oder öffent; lichen Büchern vermerkt worden ist. (7) Betrifft der Antrag eine Hypothek oder , Grundschuld, für welche mehrere Grundstücke haften, so wird die Abgabe nur einmal erhoben. (9) Befreit sind: ; Urkunden, wodurch eine Forderung einem Kommunalverband, einer Kommune oder einer Kor­ poration ländlicher oder städtischer Grundbesitzer : oder einer Grund-, Kredit- und Hypothekenbank | abgetreten wird, falls auf Grund der Abtretung I reichsstempelpflichtige Renten- oder Schuldver I schreibungen demnächst ausgereicht werden. 5. Apotheken, s. Erlaubniserleilungen, Buchst, a. 6. Approbationsscheine, s. Erlaubniserteilungen, Buchst, b. 7. Atteste, amtliche, wie Zeugnisse, amtliche in Privatsachen, s. diese. (1) Auflassungen von im Jnlande gelegenen Grundstücken und Anträge auf Eintragung der ! Begründung oder Übertragung von Erbbaurechten j oder sonstigen Rechten, welche ein Grundbuchblatt ' erhalten können, in Fällen der freiwilligen Verj äußerung....................................................................... Der Antrag aus Umschreibung von Gesellschastseigentum auf den Namen eines Gesellschafters unterliegt dem Auflassungsstempel auch dann, wenn nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes eine Auflassung nicht erforderlich ist.

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| — , 1)65 Betrages fer Hypothek odr 1 ! Grundschuld odr I der Ablösungsumme oder Rn; tenschuld,

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des Wertes des ve« äußerten Gegeistandes.

1191

12. Preuß. Stempeltarif.

Steuersatz

Lfd. Nr.

Gegenstand der Besteuerung

Berechnung

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(2) Die Abgabe wird nur erhoben, falls die be­ antragte Eintragung in das Grundbuch erfolgt j ist---------------

9.

Auktionen, d. h. Beurkundungen von Versteige­ rungen nicht zu den unbeweglichen Sachen ge»öriger Gegenstände durch öffentliche Beamte, soern diese nicht als Vertreter der Korporation, in deren Dienste sie angestellt sind, handeln, oder durch gewerbsmäßige Auktionatoren (§ 36 GewOg.)

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10.

Ausfertigungen von Schriftstücken der Behörden und Beamten, einschließlich der Notare, jedoch mit Ausnahme der Ausfertigungen der Schiedsmänner, sofern für die Schriftstücke nicht ein durch diesen Tarif bestimmter Stempel zu entrichten ist . .

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Befreit sind Ausfertigungen. a) von Bescheiden auf Gesuche, Anfragen und Anträge in Privatangelegenheiten, sie mögen in Form eines Antwortschreibens, einer Ver­ fügung, Berfügungsabschrift oder einer auf die zurückgehende Bittschrift selbst gesetzten Verfügung erlassen werden; b) von Genehmigungen der zuständigen Behör­ den in Bausachen

11.

Auszüge aus den Akten, öffentlichen Verhandfangen, amtlich geführten Büchern, Registern und Rechnungen, wenn sie für Privatpersonen auf ihr Ansuchen ausgefertigt werden.................................... Befreit sind die auf den Personenstand (GeI bürten, Heiraten, Sterbefälle usw.) bezüglichen !, Auszüge aus amtlich geführten Büchern und ij Standesregistern. i

11a. |iAutomaten und Musikwerke. :! 1. Jahreskarten, auch nicht unterschriebene, für ij jeden auf Bahnhöfen oder anderen öffentlichen Orten und Plätzen oder in Gast- und Schankwittschasten zur Aufstellung gelangenden &) Warenautomaten mit einem Warenbehälter bis vier Warenbehältern..................................................... mit mehr als vier Warenbehältern . . . b) Stereoskop-, Schau- oder Scherzautomaten . c) Musikautomaten oder für jedes an den vorbezeichneten Stellen zur Aufstellung gelan­ gende mechanische Musikwerk, einschließlich der Grammophone, Phonographen und ähn­ lichen Apparate, wenn der Anschaffungspreis oder in (Ämangelung eines solchen der Wert des Automaten oder Musikwerkes beträgt: nicht mehr als 100 ............................... mehr als 100 M, aber nicht mehr als 300 M.......................................................... mehr als 300 M, aber nicht mehr als 500 M.......................................................... mehr als 500 M, aber nicht mehr als 1000 M .......................................................... mehr als 1000 M, aber nicht mehr als 2000 M .........................................................

Gesamterlöses

I nach Abzug 1 Kosten.

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1192

XII. Abschn.

Finanzrecht.

I Lfd. Nr.

Steuersatz

Gegenstand der Besteuerung

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mehr als 2000 M, aber nicht mehr als 3000 M .......................................................... mehr als 3000 M, aber nicht mehr als 4000 M .......................................................... mehr als 4000 M........................................ d) Automaten anderer Art als die unter a bis e ausgeführten........................................................... 2. Entsteht die Abgabepflicht für die unter Zisf. 1 aufgeführten Gegenstände in der Zeit zwischen dem 1. Juli und 31. Dezember, so beträgt für diese Zeit der Stempel die Hälfte der vorstehenden Steuersätze, 3. Befreit sind Automaten, a) die zu Betriebszwecken öffentlicher Behörden aufgestellt werden, b) die zur Verabreichung von Speisen und Ge­ tränken in Restaurationen und solche, die zur Abgabe von Gas und Elektrizität zu hauswirtschaftlichen und kleingewerblichen Zwecken dienen. 4. Der Eigentümer eines Automaten oder eines Musikwerkes oder, wenn der Automat oder das Musikwerk einem anderen zur Ausnützung über-

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lassen worden ist, dieser, hat spätestens innerhalb eines Monats nach dem Tage der Jnbetriebsetzung des Automaten oder des Musikwerkes und für die Folge spätestens innerhalb des Monats Januar jeden Kalenderjahres bei der zuständigen Behörde gegen Zahlung des Abgabenbetrages die hier bezeichneteJahreskarte zu lösen. ' 5. Die Vorschrift des § 4a findet keine Anwendung. ;|

12. |i Bestallungen für besoldete Beamte...................... .... j! für unbesoldete Beamte............................... frei,

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13. !> Bürgschaften, s. Sicherstellung von Rechten. 14. I Cessions-Jnstrumente, s. Abtretung von Rechten.

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15. Ij Konsense zur Übernahme einer Vormundschaft sei I' tens eines Beamten oder einer Militärperson .. frei.

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16. | Duplikate (Nebenausfertigungen) von stempel­ pflichtigen Urkunden..................................................... jedoch nicht über den zu der stempelpflichtigen Urkunde selbst erforderlichen Stempel hinaus. Befreit sind Duplikate von Jagdscheinen.

22.

Erlaubniserteilungen (Approbationen, Konzes­ sionen, Genehmigungen usw.) der Behörden in gewerbepolizeilichen Angelegenheiten: a) (1) Konzessionen zum Betrieb einer Apotheke, wenn die Konzession vererblich und ver­ äußerlich ist..........................................................

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j mindestens aber.................................................... : — sonst....................................................................... — zur Errichtung einer Zweig(Filial)apotheke . : — zur Verlegung einer Apotheke auf Antrag des Besitzers.........................................................'j — (2) Befreit sind die vererblichen und veräußerlichen Konzessionen für diejenigen, welche ij dieselben erbschaftssteuerfrei ererbt haben. .j

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1193

12. Preuß. Stempeltarif.

Lfd. Nr. (22.)

Gegenstand der Besteuerung (3) Außerdem findet die Bestimmung unter Ziff. 2 Ermäßigungen und Befreiungen der Tarifstelle „Kauf- und Tauschverträge" sinn­ gemäße Anwendung. b) Approbationen für Apotheker................................................. . diejenigen Personen, welche sich als Ärzte (Wundärzte, Augenärzte, Geburtshelfer, Zahnmyte und Tierärzte) oder mit gleich­ bedeutenden Titeln bezeichnen oder seitens des Staates oder einer Gemeinde als solche anerkannt oder mit amtlichen Funk­ tionen betraut werden sollen.................... (§ 29 GewOg.); c) (1) Erlaubniserteilungen für Unternehmer von Privat-Kranken-, Privat-Entbindungs- und Privat-Jrrenanstalten (§ 30 GewOg ); zum Betriebe des Gewerbes als Schauspiel­ unternehmer (§ 32 GewOg.); zum ständigen Betriebe der Gastwirtschaft, Schankwirtschaft oder des Kleinhandels mit Branntwein oder Spiritus (§ 33 GewOg.); zur gewerbsmäßigen öffentlichen Veranstal­ tung von Singspielen, Gesangs- und dekla­ matorischen Borträgen, Schaustellungen von Personen oder theatralischen Vorstel­ lungen ohne höheres Interesse der Kunst oder Wissenschaft in Wirtschafts- oder sonstigen Räumen oder zur Überlassung dieser Räume zu gewerbsmäßigen öffent­ lichenVeranstaltungen derbezeichneten Art (§ 33a GewOg.), wenn der Gewerbebetrieb wegen geringen Ertrages und Kapitals von der Gewerbesteuer frei ist.................... in die vierte Gewerbesteuerklasse gehört . „ „ dritte „ „ ,, zweite „ „ erste „ „ (2) Bei Erlaubniserteilungen an Vertteter oder Bevollmächttgte juristischer Personen be­ rechnet sich die Sternpelabgabe nach der Ver­ anlagung der juristischen Person zur Ge­ werbesteuer. (3) Für Bewilligungen von Fristverlänge­ rungen und Fristungen (§ 49 GewOg.) ein Viertel der vorstehenden Sätze. (4) Befreit sind Erlaubniserleilungen für Unternehmer von Privat-Kranken-, PrivatEntbindungs- und Privat - Irrenanstalten, welche zu gemeinnützigen Zwecken dienen; d) (1) Genehmigungen zur Errichtung der im § 16 GewOg. und den dazu ergangenen und ferner ergehenden Beschlüssen des Bundesrats be­ zeichneten Anlagen, wenn die Kosten der An­ lage 1000 M nicht übersteigen........................ 5000 „ „ „ ........................ 10000 „ „ „ ........................

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XII. Abschn.

1194

Finanzrecht.

Steuersatz

Lfd. Nr.

Gegenstand der Besteuerung

(22.) 1 i

20000 Al nicht übersteigen........................... 50000 „ „ „ ........................... 75000 „ .. „ ........................... 100000 . „ „ ........................... bei einem höheren Kostenbeträge für je 50000 M mehr 100 Al. (2) Genehmigungen zu Beränderungen in der Betriebsstätle oder zu wesentlichen Deränderungen in dem Betriebe der Anlagen (§ 25 GewOg.) die Hälfte der vorstehenden Sätze; (3) Bewilligungen von Fristverlängerungen und Fristungen (§ 49 GewOg.) ein Viertel der vorstehenden Sähe; e) Genehmigungen zur Anlegung von Dampfkesseln (§ 24 GewOg.) oder Änderung der Dampfkesselanlagen sowie Bewilligungen von Fristverlängerungen und Fristungen, soweit nicht die Bestimmungen zu d zur Anwendung kommen (§§ 25 und 49 GewOg.)........................................ f) (1) Erlaubniserteilungen zum Betriebe des Pfandleih-, Pfandvermittler-, Gesindevermieter' oder Stellenvermittlergeschäfts (§ 34 Abs. 1 und 2 GewOg.)," wenn der Gewerbebetrieb wegen geringen Ertrages und Kapitals von der Gewerbesteuer frei ist...........................>i in die vierte Gewerbesteuerklasse gehört . . „ „ dritte „ „ - „ „ zweite „ „ - „ „ erste „ „ . .

Berechnung

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(1) Genehmigungen für Unternehmer von Versicherungsanstalten, wenn ihr Geschäftsgebiet nicht über den Umfang einer Provinz hinausgeht . . . sonst........................................................................... (2) Befreit sind Genehmigungen für Ver­ sicherungsanstalten, deren Geschäftsgebiet über den Umfang eines Kreises nicht hinausgeht, sowie für solche Anstalten, welche auf Gegen­ seitigkeit gegründet und deren Zwecke nicht auf , die Erzielung von Gewinn gerichtet sind; !

h) Erlaubnisscheine zur Bestellung von Agenten im | Jnlande seitens ausländischer Unternehmer von | Versicherungsanstalten.............................................| 24 bzw. jetzt des Stellenvermittlerg. v. 2. Juni 1910.

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l Bei den von der Gewerbesteuer befreiten Ge­ sindevermietern kann bei nachgewiesener Be­ dürftigkeit der Stempel von 50 Jl bis auf die Hälfte ermäßigt werden. (3) Erlaubniserteilungen an Vertreter oder Bevollmächtigte von Gemeinden oder anderen Kommunalverbänden, Handelskammern, Land- ! Wirtschaftskammern', Innungen, Jnnungsaus- ; schössen, Jnnungsverbänden, Handwerkskam­ mern, Berufsvereinen, Gewerbevereinen und sonstigen Vereinen und Körperschaften zum Betriebe des Stellungsvermittlungs- und Arbeits­ nachweisgeschäfts ..................................................... g)

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1195

12. Preuß. Stempeltarif.

Lffd. Nr. (22.)

Berechnung

Gegenstand der Besteuerung i) Genehmigungen zum Gewerbebetriebe der Aus­ wanderungsagenten ............................................ k) (1) Genehmigungen zum Betriebe von Privatanschlußbahnen, wenn die Kosten der Anlage 1000 M nicht übersteigen........................ 5000 „ 10000 „ 20000 „ 50000 „ 75000 „ 100000 „ bei einem höheren Kostenbeträge für je 50000 M mehr 100 M; (2) Genehmigungen zu Veränderungen in dem Betriebe die Hälfte der vorstehenden Sätze; l) (1) Genehmigungen zum Betrieb eines Eisenbahnunternehmens............................................ (2) Genehmigungen zum Betrieb eines Dampfschiffahrts- oder Kleinbahnunternehmens, wenn der Gewerbebetrieb wegen geringen Ertrages und Kapitals von der Gewerbesteuer frei ist................ in die vierte Gewerbesteuerklasse gehört „ „ dritte „ „ zweite „ erste (3) Genehmigungen zu Veränderungen tn betn Betriebe die Hälfte der vorstehenden Sätze; (4) Bewilligungen von Fristverlängerungen und Fristungen ein Viertel der vorstehenden Sätze. (5) Die Bewilligung von Fristverlängerungen und Fristungen, welche durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle verursacht sind, ist stempelfrei; m) (1) Genehmigungen der Ortspolizeibehörden zum Betriebe von Gewerben, welche dem öffentlichen Personen- und Güterverkehr inner­ halb der Orte durch sonstige Transportmittel aller Art (Wagen, Gondeln, Sänften, Pferde usw.) dienen (§ 37 GewOg.)............................

(2) Werden Genehmigungen der bezeichneten Art Personen erteilt, deren Gewerbebetrieb wegen geringen Erttages und Kapitals von der Gewerbesteuer ftei ist, so bettägt die Stempel­ abgabe .................................................................... 23, 24. Familien- und Fideikommißstiftungen, d. h. alle von Todes wegen oder unter Lebenden ge­ troffenen Anordnungen, kraft deren gewisse Bermögensgegenstände der Familie für immer oder für mehr als zwei Generationen erhalten bleiben sollen............................................................................



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je nach der Be­ deutung des Ge­ werbes.



des Gesamtwertes der denselben ge­ widmeten Gegen­ stände ohne Abzug der Schulden.

XII. Abschi,. Finanzrecht.

1196

Lfd. Nr.

Steuersatz

Gegenstand der Besteuerung

25. . Gesellschafts vertrage,"» wenn sie betreffen: |i a) (1) die Errichtung 1. von Aktiengesellschaften oder Kommanditj gesellschasten auf Aktien sowie die Erhöhung des Grundkapitals solcher Gesellschaften in der Form von Verträgen oder Beschlüssen, wenn das Grundkapital beträgt nicht mehr als 5000000 M.................... 1 11 mehr als 5000000 M, aber nicht mehr als , :i looooooo m............................................ iy4 i; mehr als 10000000 M................................V/2 |i 2. von Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1 i sowie die bei solchen Gesellschaften erfolgende j |i Erhöhung des Stammkapitals und Einforde- > |l rung von Nachschüssen in der Form von Ver- ; trägen oder Beschlüssen, wenn das Stamm- : kapital beträgt i|

Berechnung

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des Grundkapitals oder des Be­ ttages der Er­ höhung dieses Kapitals;

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des Stammkapi­ tals oder des Be­ trages der Er­ höhung dieses Kapitals oder des Bettages der eingefordertenNachschüsse.-----------

nicht mehr als 100000 M........................ ü | — mehr als 100000 M, aber nicht mehr als 300000 M................................................ i y> I — mehr als 300000 M, aber nicht mehr als i I 500000 M................................................ ;! 1 — mehr als 500000 M................................ 'j l1/* — (4) Ermäßigung ; Gesellschaften, die satzungsmäßig ausschließlich i gemeinnützigen Zwecken dienen und deren , Satzung die an die Gesellschafter zu verteilende Dividende auf höchstens vier vom Hundert ihrer ; 1 Anteile beschränkt, auch den Gesellschaftern bei 1 der Auflösung der Gesellschaft nicht mehr als den I I Nennwert ihrer Anteile zusichert, den etwaigen j Rest des Gesellschaftsvermögens aber für ge- ] !! meinnützige Zwecke bestimmt............................ i 2/io . i ii j1 b) (1) die Errichtung jj i 1. von Offenen Handelsgesellschaften, Komman'i ditgesellschaften und Kolonialgesellschaften, ! von Gesellschaften des bürgerlichen Rechtes, ji sofern diese Gesellschaften Erwerbszwecke ' verfolgen, und von Genossenschaften, deren jj i; Geschäftsbetrieb über den Kreis ihrer Mit- jj ! glieder hinausgeht.......................................... i V20 ;



mindestens aber............................................I Gesellschaften des bürgerlichen Rechtes, ! welche lediglich vorübergehende Zwecke Der- !! folgen (Gelegenheitsgesellschaften)...................jj 2. von Gesellschaften des bürgerlichen Rechtes, welche andere als Erwerbszwecke verfolgen, ,1 und von Genossenschaften, deren Geschäfts- »' betrieb nicht über den Kreis ihrer Mitglieder ,| hinausgeht............................................................: e) (1) die erstmalige Feststellung der Satzung (des j; Statutes) 11 1. einer Gewerkschaft...........................................!l



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2U Diese Tarifstelle ist durch RG. v. 3. Juli 1913 (RGBl. 544) in das Reichsstempelgesetz übergegangen.

1197

12. Preuß. Stempeltarif.

Lfd. |j Nr. !

Steuersatz

Gegenstand der Besteuerung

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1

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(25.)

Bei Gewerkschaften mit geringerem Ber- | mögen oder, wenn sonstige Gründe die AnWendung eines geringeren Steuersatzes rechtfertigen, kann der Stempel bis auf... . ermäßigt werden; 2. anderer als der unter Buchstaben b aufge- |l führten Gesellschaften, ferner der Körperschaf, j ten, Stiftungen, Vereine und Anstalten, soweit j nicht nach den Bestimmungen dieser Tarif- 1 stelle ein höherer Stempel zu verwenden ist Ü (2) Befreit sind Kranken-, Unfall-, Alters- J und Jnvaliditäts-Versicherungs- und Unter- i| stützungskassen, denen die Versicherungsneh- |: mer auf Grund gesetzlicher Bestimmungen,| beizutreten verpflichtet sind, und einge­ tragene Genossenschaften, welche die Gewinn­ verteilung ausgeschlossen haben. 26. Gewerbelegitimationskarten (§ 44a GewOg.) ( 29. Hingabe an Zahlungs Statt, Verträge dar- I über, s. Kaufverträge. > 30. Inventarien, welche zum Gebrauche bei stempel- > pflichtigen Urkunden dienen.......................................! 31. (1) Jagdscheine I: für den Jahresjagdschein......................................... || „ „ Tagesjagdschein......................................... |! „ „ Jahresjagdschein anPersonen, welche i weder Angehörige eines deutschen Bundes­ staates sind, noch in Preußen einen Wohn- i: sitz oder einen Grundbesitz mit einem || Grundsteuerreinertrage von 150 M haben r „ „ Tagesjagdschein ansolche Personen. . . j Nach näherer Anweisung des Finanzministers kann ij jedoch auch für diese Personen der Stempelsteuer- j satz für Jahres- und Tagesjagdscheine bis auf den " Satz für Inländer ermäßigt werden. |l (2) Befreit sind Jagdscheine für die auf Grund , des § 23 des Forstdiebstahlgesetzes vom 15. April | 1878 beeidigten sowie diejenigen Personen, welche j sich in der für den Staatssorstdienst vorgeschriebenen 1 Ausbildung befinden. • 32. (1) Kauf- und Tauschverträge und andere | lästige Beräußerungsgeschäfte enthaltende Der- j träge einschließlich der gerichtlichen Zwangsver- | steigerungen, insoweit nicht besondere Tarifstellen zur Anwendung kommen, wenn sie betreffen: I a) im Inlands gelegene unbewegliche Sachen oder I ihnen gleichgeachtete Rechte...............................1

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bei Kauf- und Sieferungsverträgen vom Kauf- oder Lieferungspreis unter Hinzurech­ nung des Wertes der ausbedunge­ nen Leistungen und vorbehaltenen Nutzungen; bei an­ deren Verträgen vom Gesamtwerte der Gegenleistung unter Hinzurech-

1198

XII. Abschn.

Lfd. ' Nr. "

Finanzrecht.

Gegenstand der Besteuerung

Steuersatz

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Berechnung

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I nung des Wertes

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I; der vorbehaltenen !' Nutzungen oder des veräußerten Gegenstandes; j; b) außerhalb Landes gelegene unbewegliche Sachen 1 ü und ebendaselbst befindliche bewegliche Sachen, i insoweit sie Zubehör der ersteren sind und mit > diesen zusammen veräußert werden..................| — ,

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c) andere Gegenstände aller Art, falls die Verträge j nicht auf Grund der Tarifnummer 4 des Reichs- I stempelgesetzes der Reichsstempelabgabe unter­ liegen oder von ihr befreit sind...........................\\ Vz (2) Der Stempel berechnet sich: !> 1. bei Tauschverträgen nach dem Werte der von j einem der Vertragschließenden in Tausch ge- I: gebenen Gegenstände, und zwar derjenigen, !, welche den höheren Wert haben; j; 2. bei gerichtlichen Zwangsversteigerungen nach I' dem Betrage des Meistgebotes, zu dem der Zuschlag erteilt wird, unter Hinzurechnung der von M dem Ersteher übernommenen Leistungen. Er- >! reicht das Meistgebot nicht den Wert des Gegen- }, standes, so tritt dieser an die Stelle des Gebotes. ' Wenn der Ersteher zur Zeit der Einleitung der Zwangsversteigerung Hypotheken- oder Grund- L schuldgläubiger ist, so tritt an die Stelle des ■■ Meistgebotes, falls dieses hinter dem Gesamt- ^ betrage der Hypotheken- oder Grundschuldsorde- > rungen des Erstehers und der diesen vorgehenden Forderungen zurückbleibt, dieser Gesamtbetrag, sofern er nicht den Wert des Gegenstandes über­ steigt; 3. bei Verträgen über Leistung an Erfüllungs Statt nach dem Werte, zu dem die Gegenstände an I Erfüllungs Statt angenommen werden.------------ ; 4. wenn auf dem veräußerten Gegenstand ein Nies;- , brauchsrecht lastet, zu dessen Beseitigung der Veräußerer nicht verpflichtet ist, von dem Werte des veräußerten Gegenstandes, sofern dieser Wert den nach dem ersten Absätze dieser Tarifstelle zu > berechnenden Betrag der Gegenleistung über- i steigt. ! (3) Wird bei einer Versteigerung, welche zum 1 Zwecke der Auseinandersetzung unter Miteigen- ; tümern erfolgt, der Zuschlag einem Miteigentümer : erteilt, so bleibt bei Berechnung des Stempels der- 1 jenige Teil des Meistgebotes außer Betracht, welcher auf den dem Ersteher bereits zustehenden Anteil

an den versteigerten Gegenständen fällt.------

-(5) Beurkundungen von Veräußerungen beiveglicher Sachen unterliegen dem Stempel dieser Tarifstelle auch dann, wenn sie nur von einem der Verttagschließenden im Sinne des zweiten Absatzes des § 1 dieses G. unterzeichnet und dem anderen Vertragschließenden ausgehändigt sind. (ü) Beurkundungen von Übertragungen der Rechte der Erwerber aus Veräußerungsgeschäften über unbewegliche Sachen und ihnen gleichgeachtete Rechte oder über bewegliche Sachen sowie Beurkundungen nachträglicher Erklärungen der aus einem

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1199

12. Preuß. Stempeltarif.

Lfd. Nr.

Steuersatz Gegenstand der Besteuerung

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Lieferungsverträge, s. Kaufverttäge.

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Berechnung

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(32.) II Veräußerungsgeschäfte der vorbezeichneten Art be- | i ; rechtigten Erwerber, die Rechte für einen Dritten : erworben beziehungsweise die Pflichten für einen i Dritten übernommen zu haben, werden in betreff |l i der Stempelpflichtigkeit wie Beurkundungen der | , ■ Veräußerungen der Sachen und Rechte behani |i beit.-----------! ll (7) Wenn jedoch der erste Erwerber das Ver| i| äußerungsgeschäft erweislich auf Grund eines Voll' i > machtsaufttages oder einer Geschäftsführung ohne : | I Aufttag für einen Dritten abgeschlossen hat, so be* , I dürfen Beurkundungen von Übertragungen der I I Rechte dieses ersten Erwerbers an den Dritten nur I ! i eines Stempels von................................................ j — ; (8) In den Fällen des vorhergehenden Absatzes j ist die Erstattung des bereits verwendeten Wertj stempels anzuordnen. Auch muß die Abstand- j j nähme von der Einziehung des Wertstempels an­ geordnet werden, falls dies innerhalb zweier Wochen | i nach erfolgter Beurkundung der Übertragung bean­ tragt wird. Außerdem können bei sonstigen Beurkundungen der erwähnten Art in denjenigen Fällen die gleichen Anordnungen getroffen werden, in denen besondere Billigkeitsgründe vorhanden sind. (10) Ermäßigungen und Befreiungen: 1 1. Kauf- und Tauschverhandlungen zwischen Teil:! nehmern an einer Erbschaft zum Zwecke der lj Teilung der zu letzterer gehörigen Gegen jl stände .................................................................. — |. Zu den Teilnehmern an einer Erbschaft wird ! auch der überlebende Ehegatte gerechnet, wel­ cher mit den Erben des verstorbenen Ehegatten gütergemeinschaftliches Vermögen zu teilen hat. , 3. Befreit sind Kauf- und Lieferungsverträge über Mengen von Sachen oder Waren, sofern dieij selben entweder zum unmittelbaren Verbrauch! in einem Gewerbe oder zur Wiederveräußerung | jl in derselben Beschaffenheit oder nach vor- j ij gängiger Bearbeitung oder Verarbeitung dienen sollen oder im Deutschen Reiche in dem Betrieb Ij eines der Vertragschließenden erzeugt oder herj gestellt sind. !j 4. Gerichtliche oder notarielle Aufnahmen oder I || Beglaubigungen der nach der Tarifnummer 4 I ' des Reichsstempelgesehes reichsstempelpflichtigen | | oder von der Reichsstempelsteuer befreiten Kauf- I und Anschaffungsgeschäste................................ j — 35. j Legalisation von Urkunden, sofern sie nicht auf der Urkunde selbst stattfindet................................ • — ■ sonst....................................................................frei. I 36. I Leibrenten- und Rentenverträge, wodurch zu I i gewissen Zeiten wiederkehrende Zahlungen von || ! Geld für eine oder mehrere bestimmte Personen ! während der Lebensdauer derselben oder auf be| stimmte oder unbestimmte Zeit gegen Entgelt er- , ; worben werden,---------- , falls nicht die Tarifstelle \ ! „Versicherungsverträge" zur Anwendung kommt . ^ 1 j 37. | Leichenpässe, s. Pässe. | ! 38.

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des Kapitalwertes der Renten.

1200

Lfd. Nr. 39.

40. 41. 42.

43.

44.

45.

XII. Abschn. Finanzrecht.

Steuersatz

Berechnung

Gegenstand der Besteuerung

> (1) Lustbarkeiten, Genehmigungen der Orts­ polizeibehörden: a) zum Betrieb eines Zirkus, eines nicht mit menschlicher oder tierischer Kraft bewegten Karussells oder eines Kinematographen und dergleichen......................................................... 1 b) zur Veranstaltung von Musikaufführungen, Singspielen, Gesangs- und deklamatorischen Vorträgen, theatralischen Vorstellungen oder sonstigen Lustbarkeiten aller Art..................... (2) Bezüglich der Verpflichtung zur Entrichtung der Stempelsteuer macht es keinen Unterschied, ob die Lustbarkeiten von einzelnen Personen oder von öffentlichen, Privat- oder geschlossenen Gesell­ schaften dargeboten werden. (3) Bei Lustbarkeiten geringfügiger Art kann der Stempel auf 3, 2, 1 M oder in ganz beson­ deren Fällen bis auf 0,50 M ermäßigt werden. Mäkler, vereidigte, Urkunden über die Bestätigung oder Anstellung derselben............................. Miet- und Aftermietverträge, s. Pacht- und Afterpachtverträge. (1) Namensänderungen, Genehmigungen zur Änderung des Familiennamens............................. sofern damit eine Namensvermehrung verbun­ den ist ......................................................................... (2) Bei nachgewiesener Bedürftigkeit oder aus Billigkeitsgründen kann der Stempel bis auf . . ermäßigt werden. (3) Namensvermehrung und Namenswechsel bei adeligen Namen ein Viertel der Sätze der Tarif­ stelle 60 Buchstabe a. (4) Erfolgt die Namensvermehrung und der Namenswechsel in Verbindung mit einer Standes­ erhöhung, so kommt außerdem der für letztere in der vorerwähnten Tarisstelle verordnete Stempel­ betrag zur Ähebung. (5) Befreit sind Namensänderungen, bei denen es sich um die Umwandlung eines fremdsprachigen in einen deutschen Namen handelt. (1) Naturalisationsurkunden, mit Ausnahme derjenigen, welche für im Reichsdienst angestellte Ausländer ausgestellt tuetben................................. (2) Bei nachgewiesener Bedürftigkeit des zu Na­ turalisierenden kann der Stempel bis auf ... ermäßigt werden. Nießbrauchsbestellungen, Anträge auf Ein­ tragung eines Nießbrauches an im Jnlande ge­ legenen unbeweglichen Sachen oder ihnen gleich­ geachteten Rechten sowie Urkunden über die Be­ stellung eines Nießbrauches an beweglichen Sachen oder Rechten.............................................................

Notariatsurkunden, welche die Stelle einer in ■' diesem Tarife versteuerten Verhandlung vertreten, 1 wie diese; sonst und in allen Fällen mindestens................ 1

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1201

12. Preuß. Stempeltarif.

Lfd. ' Nr.

!:

Gegenstand der Besteuerung

46. | Notarielle Zeugnisse, wie amtliche Zeugnisse, || s. Zeugnisse. 47. > Offizierpalente, wie Bestallungen, s. diese. 48. Pacht- und Mietverträge.2* I. 1. (1) Schriftliche oder mündliche Verträge über die Verpachtung oder Vermietung im Inlande gelegener unbeweglicher Sachen oder ihnen gleichgeachteter Rechte, sofern der verabredete, nach der Dauer eines Jahres zu berechnende Pacht- oder Mietzins beträgt: mehr als 360 M, aber nicht mehr als 400 M.................................................... mehr als 400 M, aber nicht mehr als 500 M.................................................... ! mehr als 500 M, aber nicht mehr als 1000 M .................................................... I mehr als 1000 M, aber nicht mehr als ! 2000 M .................................................... mehr als 2000 M, aber nicht mehr als 3000 M .................................................... mehr als 3000 M, aber nicht mehr als 4000 M .................................................... mehr als 4000 M, aber nicht mehr als 5000 M.................................................... : mehr als 5000 M, aber nicht mehr als 6000 M.................................................... 1 mehr als 6000 M, aber nicht mehr als 7000 M .................................................... mehr als 7000 M, aber nicht mehr als 8000 M .................................................... mehr als 8000 M, aber nicht mehr als 9000 M .................................................... mehr als 9000 M, aber nicht mehr als 10000 M ................................................ mehr als 10000 M, aber nicht mehr als 11000 M................................................ ! mehr als 11000 M, aber nicht mehr als 12000 M................................................ mehr als 12000 M, aber nicht mehr als 13000 M................................................ mehr als 13000 M, aber nicht mehr als 14000 M................................................ mehr als 14000 M, aber nicht mehr als 16000 M................................................ mehr als 16000 M, aber nicht mehr als 18000 M................................................ i mehr als 18000 M, aber nicht mehr als 20000 M................................................ mehr als 20000 M.................................... f

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li des Pacht- oder 1_lj Metzinses, wo­ ll bei der Wert nicht — — ! in Geld bestehen­ der Nebenleistun— 1— gen2* dem Zinse nicht hinzuzurech­ — j — 1 nen ist, 1 -----; — I 1 —

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25 ABest. Ziff. 75 Nr. 3: Der Stempel ist für jeden einzelnen, im Verzeichnis aufgeführten Vertrag nach § 11 des Gesetzes auf 50 H abzurunden. Es ist jedoch bei jedem einzelnen Vertrage nur eine einmalige Abrundung des Gesamtstempels vorzunehmen. Entsprechend sind bei VorausVersteuerungen auf mehrere Kalenderjahre (Abs. 10 der Tarifstelle) die Stempel für den Gesamt­ betrag der im voraus entrichteten Stempelabgabe abzurunden. sJft. 4: Werden Pacht- und Mietverträge in mehreren Ausfertigungen errichtet, so ist für die Nebenausfertigungen (Duplikate usw.) ein Stempel nicht zu entrichten. Enthalten die Pacht- und Mietverträge jedoch noch besonders stempelpflichtige Nebenverträge (vgl. Abs. 2 dieser Nr.), so sind die Nebenausfertigungen nach der Tarifstelle 16 zu versteuern. 26 ABest. Ziff. 75 Nr. 1: Nur diejenigen Nebenleistungen sind dem Pacht- oder Mietzinse nicht Reichelt, Berwallungs^esetzbuch.

76

1202 Lfd. Nr.

Beendigung der Verträge zu entrichten. (18) Auf Verträge, bei denen der Jahreszins 360./L, beziehungsweise auf Jagdpachtverträge und die im Abs. 6 bezeichneten Verträge, bei denen der Jahreszins 300 Ai übersteigt, findet die Vorschrift des § 4 Buchstaben a dieses G. mit der Maßgabe Anwendung, daß ein Stempel nicht in Ansatz kommt, wenn der für die Gesamtdauer des Vertragsverhältnisses zu entrichtende Pacht- oder Met zins den Betrag von 150 Ai nicht übersteigt. (19) Die Beurkundungen von Abtretungen der Rechte aus Verträgen dieser Tarifstelle unterliegen einer anderen als der nach den obigen Bestimmungen zu entrichtenden Stempelsteuer nicht. , (20) Wenn in einem Vertrage dieser Tarifstelle bestimmt ist, daß das Rechtsverhältnis unter gewissen Voraussetzungen als verlängert gelten soll, so kommen für die hiernach eintretenden Derlängerungen die vorstehenden Bestimmungen zur Anwendung. (21) Die durch Briefwechsel oder einen Austausch sonstiger schriftlicher Mitteilungen zustande :

Steuersatz

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Berechnung

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1205

12. Preuß. Stempeltarif.

Steuersatz

Gegenstand der Besteuerung

(48.)

49.

gekommenen Verträge sind hinsichtlich der Stempel Pflicht wie förmliche schriftliche Verträge zu de handeln. || (22) Anmerkung. I Mehrere zwischen denselben Bertragsbeteiligten > innerhalb eines Jahres geschlossene Pacht- oder || Mietverträge gelten hinsichtlich der Stempelpflichtigkeit als ein einheitlicher Pacht- oder Mietvertrag, wenn anzunehmen ist, daß der Abschluß > der mehreren Verträge zur Vermeidung des,} höheren Steuersatzes oder zur Erlangung der 1 Steuerfreiheit gewählt worden ist. II. Schriftliche Pacht- oder Mietverträge über außer­ halb Landes gelegene Grundstücke oder ihnen gleich­ geachtete Rechte sowie über Jagdberechtigungen an solchen Grundstücken.................................................. III. (1) Schriftliche Pacht- oder Mietverträge anderer als der unter I und II bezeichneten Art ... . mindestens aber....................................................... (2) Der Stempel berechnet sich nach der Dauer der bedungenen Bertragszeit; bei Verträgen auf unbestimmte Zeit ist der Versteuerung eine ein­ jährige Dauer zugrunde zu legen. Bei Verträgen, die auf die Lebenszeit des Verpächters oder Päch­ ters, des Vermieters oder Mieters geschlossen sind, kommt die Vorschrift des § 6 Abs. 10 des G. zur AnWendung.



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1

50

1

50

des Zinses,

Pässe (Paßkarten) zu Reisen in der Regel . . . für Handwerksburschen, Dienstboten, Lohnarbeiter und andere Personen ähnlichen Standes jedoch nur zum Transport von Leichen wegen deren Beerdigung außer dem Kirchsprengel, worin der Todesfall sich ereignet hat................................................... bei nachgewiesener Bedürftigkeit kann der Stem­ pel bis auf ................................................................... ermäßigt werden.

50.

Policen, s. Versicherungsverträge.

51.

(1) Polizeistunde, Genehmigungen der Berlängerung der Polizeistunde für einzelne Wirtshäuser und öffentliche Bergnügungsorte...................................... (2) Genehmigungen auf die Dauer von weniger als einer Woche...........................................................

52.



50 j

25

1

Proteste, Wechselproteste und Proteste anderer Art, wenn der Wert des Gegenstandes beträgt mehr als 150 M, aber nicht mehr als 1000 M mehr als 1000 M.................................................. (1) Protokolle, auch von den Parteien nicht unterschriebene, welche in Privatangelegenheiten von Behörden und Beamten aufgenommen sind und die Stelle einer im gegenwärtigen Tarife besteuerten Verhandlung vertreten, wie diese, I mindestens aber....................................................... (2) Protokolle, welche nicht die Stelle einer im Tarife besteuerten Verhandlung vertreten, sind stempelfrei. I (3) Bei Protokollen, welche von Notaren aufgenommen sind, kommt die Tarifstelle „Notariatslj urkunden" zur Anwendung.

Berechnung

50

50

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1206

XII. Abschn.

Finanzrecht.

Steuersatz

Lfd. Nr.

Berechnung

Gegenstand der Besteuerung

,

54. I

1

j: 1 1

(1) Punktationen über einen zu errichtenden Ver­ trag, welche die Straft eines Vertrages haben und demnach eine Klage auf Erfüllung begründen, sind wie Verträge über denselben Gegenstand, und zwar auch dann zu versteuern, wenn darin die Auf­ nahme einer förmlichen Vertragsurkunde vorbehalten ist. (2) Zu einer Vertragsurkunde, welche aus Grund einer mit dem Wertstempel belegten Punktation demnächst aufgenommen wird und im wesentlichen denselben Inhalt hat wie diese, kommt der zur Punktation verwendete Wertstempel in Anrechnung. I

55.

Registraturen, wenn sie die Stelle der Protokolle |; vertreten, wie diese. ;

57.

Schiedssprüche, und zwar sowohl der ständigen I, Schiedsgerichte, als auch der zur Entscheidung für ' den einzelnen Fall berufenen Schiedsrichter. . . V10 |l !|

4

M

jedoch mindestens..................................................... höchstens.......................................................... ist der Wert des Streitgegenstandes unschätzbar

58. > Schuldverschreibungen. |l I. (1) Schuldverschreibungen, hypothekarische und || persönliche aller Art, insoweit es sich nicht um ;i der Reichsstempelabgabe unterworfene Wert\' Papiere handelt..........................................................



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des Wertes des , Streitgegenstcm. des,

100 | —



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1 —

Urkunden, in denen der Betrag der verschriebenen Schuld nur dem Höchstbetrage nach bestimmt ist, ! sind dem Stempel dieser Tarifstelle nicht unter- , worfen. (2) Ermäßigungen:

| — ! bed Kapitalbetrages • i der Schuldver i schreibung.

i

a) Schuldverschreibungen über Kaufgelder, Erb­ gelder oder sonstige Forderungen aus zwei­ seitigen Verträgen, falls diese Verträge gehörig versteuert sind und alle wesentlichen Bedin­ gungen des Schuldverhältnisses enthalten, wie j Nebenausfertigungen derselben (vgl. die Tarifstelle „Duplikate"); b) (1) Schuldverschreibungen über Darlehen, . welche innerhalb Jahresfrist oder in einem kürzeren Zeitraume zurückzuzahlen sind . . . V50

(2) So oft die Rückzahlungsfrist durch schriftliche Verabredungen über die Verlängerung der Darlehen oder durch Ausstellung neuer Schuldverschreibungen bis zu einem Zeitraume von einem Jahre erweitert wird, je . (3) jedoch für die ursprüngliche Verschrei­ bung und sämtliche Verlängerungen nicht mehr wie............................................................................

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1 —der dargeliehenen j| Summe in Ab! i stufungen von 20 H für je 1000 1 Mark oder einen > Bruchteil dieses r Betrages;

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der dargeliehenen Summe;

1207

12. Preuß. Stempeltarif. Lfd. Nr.

Gegenstand der Besteuerung

(58.)

a)

b)

c)

d)

e)

(4) Beurkundungen der Verlängerung der Rückzahlungsfrist über den Zeitraum von einem Jahre hinaus.................................. (5) jedoch unter Anrechnung der für die Beurkundungen der ursprünglichen Verschreibung und der früheren Verlängerungen be­ reits entrichteten Stempel. (6) Die Vorschriften der vorhergehenden Ab­ sätze finden entsprechende Anwendung auf nicht oder in nicht stempelpflichtiger Form beurkundete, tatsächlich eintretende Erweite­ rungen und Verlängerungen der Rückzahlungsfrist----------(7) Die Anrechnung der früher gezahlten Stempel ist bei schriftlichen Verlängerungen nur zulässig, wenn auf den Schriftstücken über die Verlängerung vom Aussteller vermerkt ist, zu welchen Urkunden und zu welchen Beträträgen die früher gezahlten Stempel ver­ wendet sind. (8) Befreiungen: Beurkundungen über die Verlängerung der Rückzahlungsfrist, wenn es sich um Schuld­ verschreibungen handelt, die mit einem Zwölftel vom Hundert des Kapitalbetrages bereits versteuert sind; Beurkundungen von zinsbaren Darlehen, welche gegen spezielle Verpfändung oder Hinterlegung von edlen Metallen, Waren, Wechseln oder Wertpapieren gegeben werden (Lombarddarlehen) und innerhalb Jahres­ frist oder in einem kürzeren Zeiträume zurück­ zuzahlen sind, vorausgesetzt, daß der Wert des hinterlegten Pfandes dem gewährten Dar­ lehen mindestens gleichkommt;28 Sparkassenbücher und Bescheinigungen über einzelne Einlagen seitens öffentlicher und sol­ cher Sparkassen, welche gemeinnützige Zwecke verfolgen, insbesondere solcher, welche die Gewinnverteilung ausgeschlossen haben, sowie der Sparkassen derjenigen eingetragenen Er­ werbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (RG. v. 1. Mai 1889), welche die Förderung des genossenschaftlichen Personalkredits bezwecken; für Kommunalverbände, Kommunen oder Korporationen ländlicher oder städtischer Grundbesitzer oder Grundkredit- und Lypothekenbanken ausgestellte Schuldverschrei, bungen, auf Grund deren reichsstempelpflich­ tige Renten- und Schuldverschreibungen dem­ nächst ausgereicht werden; Briefe oder sonstige schriftliche Mitteilungen int bankgeschäftlichen Verkehr über die Ausleihung von Geldern auf feste Termine oder auf Kündigung mit oder ohne Frist.

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Berechnung

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28 Diese Befreiungsvorschrift findet auch auf Beurkundungen von zinsbaren Darlehen Anwendüng, welche gegen Verpfändung einer Forderung gewährt werden, die im Reichsschuldbuch oder im Staatsschuldbuch eingetragen ist, vorausgesetzt, daß die Darlehen innerhalb Jahresfrist oder in einem kürzeren Zeitraume zurückzuzahlen sind und der Wert der verpfändeten Forderung dem gewährten Darlehen mindestens gleichkommt, Art. II des G. v. 22. Mai 1910, GS. 47.

1208

XII. Abschn.

Lfd. Nr.

Finanzrecht.

Steuersatz

Gegenstand der Besteuerung >

(58.)

Berechnung

M

II. (1) Kaufmännische, nicht auf Order ausgestellte Verpflichtungsscheine über Leistungen von Geld .

1/50



| III. (1) Der Antrag auf Eintragung einer Hypothek ! oder Grundschuld oder einer wiederkehrenden Geldleistung im Grundbuch oder in einem für solche Eintragungen bestimmten öffentlichen Buche............................................................................

V12

— t der einzutragenden ■ Summe oder des • Kapitalwertes der Geldleistung oder des Betrages der , Ablösungssumme : bei Rentenschul; den;

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sowie der Antrag auf Eintragung der Verpfän. düng einer Hypothek oder Grundschuld oder einer !; wiederkehrenden Geldleistung durch den einge- ; : tragenen Gläubiger in Büchern der bezeichneten *' 1 Art................................................................................. Vi2 !

(2) Die Vorschriften der Tarifstelle „Abtretung von Rechten" 5. bis einschl. 8. Absatz finden sinn- 1 gemäße Anwendung. (3) Die Abgabe wird bei einem Antrag auf Ein­ tragung einer Hypothek für die Ansprüche aus ' Anleihe-Teilschuldverschreibungen nicht erhoben, ; wenn dem Grundbuchamt innerhalb einer Frist i von einem Monat eine Bescheinigung der Zollbehörde darüber vorgelegt wird, daß die durch l! § 3 des Reichsstempelg. vorgeschriebene vorI läufige Anmeldung der Versteuerung erfolgt ist, II sofern innerhalb dreier Monate die Vorlegung i, und die Versteuerung der sämtlichen, die Hnpo! thek erschöpfenden Teilschuldverschreibungen be­ scheinigt ist und dem Grundbuchamte die Beij scheinigung der Zollbehörde binnen weiterer vier 1 Wochen vorgelegt wird. 59. >!(1) Sicherstellung von Rechten, Beurkundungen !l darüber, wenn der Wert der sichergestellten Rechte j 600 M nicht übersteigt........................................

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bei einem höheren Betrage....................................



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des Kapitalbetrages der Scheine in Abstufungen von von 20 3) für je 1000 M oder einen ; Bruchteil dieses Betrages.

'—l der Summe, für I welche die Post j ! verpfändet wird, I 1 wenn diese SumI il me geringer ist als die Summe oder ! der Kapitalwert ! oder die Ablv, . sungssumme der I : verpfändeten Post, I i sonst der letzteren i !, Summe oder des 1 il Kapitalwertes i i oder der Ablö> sungssumme.

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1209

12. Preuß. Stempeltarif.

Lid. Nr.

1

(5.9.)

Steuersatz

Berechnung

Gegenstand der Besteuerung

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M

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50

(2) Auf Höchstbetragshypotheken im Sinne des ,! § 1190 BGB. finden die vorstehenden Steuersätze i ; gleichfalls Anwendung. I (3) Der Stempel darf in keinem Falle den für i 1 die Beurkundung des sicherzustellenden Rechtes zur Erhebung gelangenden Stempel übersteigen. j i (4) Ist der Wert der sichergestellten Rechte nicht i schätzbar ........................................................................... (5) Befreit sind: ! i a) Urkunden über Dienstkautionen der Beamten I ii öffentlicher Behörden; j b) in Schuldverschreibungen zur Sicherheit der; ;! Schuldverpflichtung vom Schuldner abgegebene | i Erklärungen; | |, c) Urkunden über Sicherstellungen der Vormünder : (§ 58 VormundschOg. v. 5. Juli 1875, GS. 431). !

60. I Standeserhöhungen und Gnadenerweise, I landesherrliche. I a) (1) Standeserhöhungen I für die Verleihung der Herzogswürde . . . „ „ „ „ Fürstenwürde . . . ij „ „ „ „ Grafenwürde . . . '! „ „ „ „ Freiherrnwürde . . !i ,, ,, „ des Adels...................... || (2) Wenn in obigen Verleihungen mehrere ii Seitenverwandte mit aufgenommen werden, so i| wird für jeden Seilenverwandten die volle Taxe j! besonders erhoben. j (3) Die vorstehend festgesetzten Beträge werden | auch erhoben, wenn eine Standeserhöhung aus || Anlaß oder bei Gelegenheit einer Adoption oder ,! Legitimation stattfindet. | (4) Für Anerkennung und Bestätigung einer >! von emem auswärtigen Fürsten verliehenen! I Standeserhöhung eines Inländers werden die 1 | obigen Sätze erhoben. | (5) Für die Verleihung des preußischen Adels an einen ausländischen Adligen kommt die Hälfte des für die Verleihung der betreffenden Adelsstufe vorgeschriebenen Stempels in Ansatz. (6) Für sonstige nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen der bezüglich einer StandeserHöhung getroffenen Bestimmungen wird, sofern keine anderen Vorschriften Anwendung finden, ein Fünftel des Steuersatzes für die betreffende Standeserhöhung in Ansatz gebracht; b) (1) Wappenvermehrungen und Wappenänderangen ein Achtel der Sätze zu a. (2) Erfolgt die Wappenvermehrung und Wappenänderung in Verbindung mit einer | Standeserhöhung, so kommt außerdem der für j letztere vorgesehene Stempelbetrag zur Erhebung; 1 l |

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6000 j — 3600 i — 2400 j —

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c) Erhebung eines Inbegriffs von Gütern zu einer j Standesherrschaft, einem Herzogtum oder Für- j stentume......................................................................... i d) Verleihung des Patents ! ,i für einen Kammerjunker...................................1 || „ „ Kammerherrn............................... sofern letzterer vorher Kammerjunker war . .

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800 I — ii 2400 I — i: 1600 —, 1

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1210

XII. Abschn. Finanzrecht.

Steuersatz

, (60.) | I

e) für die Verleihung von Titeln an Privatpersonen Geheimer Kommerzienrat........................... Kommerzienrat................................................. Geheimer Kommissionsrat........................... Äommissionsrat................................................. im übrigen .....................................................

61.

Statuten von Gesellschaften, Vereinen usw., s. Gesellschaftsverträge Buchstaben e.

62.

Strafbescheide der Finanzbehörden, sofern die (strafe, einschließlich des Wertes der eingezogenen Gegenstände, 15 M übersteigt.................................... Tauschverträge, s. Kaufverträge. ;

63.

Berechnung

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64.

Taxen von Grundstücken, insofern sie wegen eines Privatinteresses unter Aufsicht einer öffentlichen > Behörde aufgenommen werden............................... ,

3



67.

(1) Vergleiche......................................................

3



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3



3

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1

i 501:

(2) Ist jedoch durch den Vergleich ein unter den Parteien bisher nicht in stempelpflichtiger Form zustande gekommenes Rechtsgeschäft anerkannt oder im wesentlichen aufrechterhalten oder ein ander' , weites Rechtsgeschäft neu begründet worden, so ist zu dem Vergleiche, wenn diese Geschäfte nach dem gegenwärtigen Tarif einem höheren als dem für Vergleiche verordneten Stempel unterworfen sind, l dieser höhere Stempel zu verwenden. (3) Befreit sind die von Schiedsmännern und Gewerbegerichten aufgenommenen Vergleiche, so­ fern nicht die Voraussetzungen des vorhergehenden Absatzes Anwendung finden.

68.

71.

(1) Verleihungen des BergWerkseigentums, Urkunden darüber (§§ 22 ff. Allg.BergG.) . . . (2) Bei geringerem Werte des Bergwerkseigen, tums kann der Stempel bis auf 100 M ermäßigt werden. Verträge, 1. (1) durch welche ein früherer stempelpflichtiger Vertrag lediglich aufgehoben wird...................... (2) Wenn jedoch die Verabredung über die Aufhebung oder Beseitigung des früheren Ver« träges sich als eine in diesem Tarife besonders ,| aufgeführte Verhandlung darstellt, so kommt der­ jenige Steuersatz zur Anwendung, welchem die Verabredung nach den Vorschriften dieses Tarifs unterliegt. (3) In besonderen Fällen kann der zu entrichtende Wertstempel aus Billigkeitsrücksichten , bis auf V20 ermäßigt werden; j1 2. (1) über sonstige vermögensrechtliche Gegen!| stände, wenn keine andere Tarifstelle zur Ani, Wendung kommt...........................................................| sind die Verträge nur Nebenverträge eines Haupt- \\ Vertrages und werden sie mit diesem zusammen in einer Urkunde beurkundet............................... jedoch nicht über den zu dem Hauptvertrage I'1 selbst erforderlichen Stempel hinaus. I (2) Ein auf unbestimmte Zeit oder auf Kün­ digung abgeschlossener Vertrag gilt in betreff der Stempelpflichtigkeit als ein auf ein Jahr ab- > geschlossener.

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1

1211

12. Preuß. Stempeltarif.

Lfd. Nr.

Gegenstand der Besteuerung

(71.)

(3) Befreiungen: I a) Lehrverträge; b) Verträge, durch welche Arbeits- und Dienst­ leistungen auf bestimmte oder unbestimmte Zeit gegen zu gewissen Zeiten wiederkehreni des Entgelt (Lohn, Gehalt und dergleichen) versprochen werden, wenn der Jahresbetrag der Gegenleistung 1500 M nicht übersteigt. Dotationen der Geistlichen und Schullehrer, wie Bestallungen, s. diese. (1) Vollmachten, Ermächtigungen und Auf­ träge zur Vornahme von Geschäften rechtlicher Natur für den Vollmachtgeber, wenn der Wert des Gegenstandes der Vollmacht 500 M nicht übersteigt.................................... 1000 ..................................................................... 3000 .................................................................... 6000 .................................................................... 10000 „ „ „ .................................... i 15000 ..................................................................... bei einem höheren Betrage................................ I wenn die Vollmacht zur Vornahme aller oder gej; wisser Gattungen von Geschäften für den Vollmachtl| geber ermächtigt (Generalvollmacht) und der Wert i des Gegenstandes 50000 M übersteigt................ | (2) Steht der Bevollmächtigte in einem Dienst­ verhältnisse zu dem Vollmachtgeber, höchstens . . (3) Wenn der Wert des Gegenstandes der Vollmacht nicht schätzbar ist, wenn es sich insbesondere um Vollmachten zur Ausübung des Stimmrechts in Gesellschaften aller Art handelt........................... (4) Bei Prozeßvollmachten treten an Stelle der ! Steuersätze des ersten Absatzes von 3, o, 7,50, 10, j die Steuersätze von 2, 3, 4, 5 4t (5) Schriftstücke, in welchen jemand einem Dritten I i1 gegenüber erklärt, daß er einem anderen die Borii nähme einer Angelegenheit rechtlicher Natur aufj| getragen habe, sind dem Stempel nicht unterworfen, l| sofern nicht die Berkehrssitte eine Vollmacht in ,i diesen Fällen erfordert und durch das Schriftstück 1 die förmliche Vollmacht ersetzt werden soll. (6) Zu Vollmachten, in denen mehrere nicht in I einer Erb- oder sonstigen Rechtsgemeinschaft stehende I Personen einen Bevollmächtigten bestellen, ist der 1 Vollmachtstempel so oft zu verwenden, als Vollmachtgeber vorhanden sind. (8) Substitutionen bei einer Prozeßvollmacht, i[ welche nicht in einer nach diesem Tarif einem bejl sonderen Stempel unterliegenden Verhandlung ausij gestellt werden, sind stempelfrei, sofern über die j! ursprüngliche Vollmacht eine vorschriftsmäßig ver'' steuerte Urkunde vorhanden und dies entweder auf 1 der Substituttonsvollmacht vermerkt ist oder die . ursprüngliche Vollmacht sich bei den Gerichtsakten ; j| befindet. j Borrechtseinräumungen (Prioritätszessionen) . || |i(l) Werkverdingungsverträge, inhalts deren der ! I Übernehmer auch das Material für das übernom- i I mene Werk ganz oder teilweise anzuschaffen hat, j | sind, falls letzteres in der Herstellung beweglicher '

72. 73.

74. 75.

Steuersatz 'o

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50 1 1 3 5 7 10

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1212 Lfd. Nr.

XII. Abschn. Finanzrecht.

Gegenstand der Besteuerung

(75.) 'I Sachen besteht, wie Lieferungsverträge unter Zu­ grundelegung des für das Werk bedungenen Ge' samtpreises zu versteuern. I (2) Handelt es sich bei dem verdungenen Werke ! um eine nicht bewegliche Sache, so ist der Werkverdingungsvertrag so zu versteuern, als wenn über die zu dem Werke erforderlichen, von dem Unternehmer anzuschaffenden beweglichen Gegenstände in demjenigen Zustand, in welchem sie mit dem Grund und Boden in dauernde Verbindung gebracht werden sollen, ein dem Steuersätze der Tarifstelle „Kauf- und Tauschverträge" Buchstabe c oder der Ziffer 3 der „Ermäßigungen und Befreiungen" • dieser Tarifstelle unterliegender Lieferungsvertrag i und außerdem hinsichtlich des Wertes der Arbeitsleistung ein dem Steuersätze der Tarifstelle „Verträge" Ziffer 2 unterworfener Arbeitsvertrag abgeschlossen wäre. (3) Die Vorschrift des § 10 dieses G. findet ent­ sprechende Anwendung dergestalt, daß, insoweit eine Trennung des Gesamtpreises nicht vorgenom- , men ist, der höchste Steuersatz zu entrichten ist. 77. (1) Zeugnisse, amtliche in Privatsachen,inner- , halb der Zuständigkeit der ausstellenden Behörde ' oder des ausstellenden Beamten erteilte................ (3) Befreit sind:" a) Zeugnisse, auf Grund deren ein anderes amt, liches Zeugnis oder ein Paß (Reise- oder Leichenpaß, Paßkarte) ausgestellt werden soll: 1 b) Zeugnisse aller Art, welche von Geistlichen in bezug auf kirchliche Handlungen erteilt werden, ! insbesondere Geburts-, Tauf-, Aufgebots-, Ehe-, , Trau-, Toten- und Beerdigungsscheine; c) Zeugnisse, welche zum Nachweise der BerechI tigung zum Genusse von Wohltaten, Stiftungen und anderen Bezügen für hilfsbedürftige Perfönen dienen sollen oder welche wegen Zahlung von Wartegeldern, Pensionen, Unterstützungsgeldern, Krankengeldern. Beerdigungskosten, Witwen- und Waisengeldern und ähnlichen Kosten und Geldern als Rechnungsbelege bei öffent­ lichen oder privaten Kassen und Anstalten ein­ gereicht werden müssen; d) (1) Führungszeugnisse, insoweit sie nicht zur Erlangung der in den Tarifstellen „Erlaubniserteilungen" und „Lustbarkeiten" aufgeführten Genehmigungen usw. erforderlich sind. (2) Den Führungszeugnissen stehen gleich Zeugnisse über geleistete Arbeiten in Anstalten, welche von unmittelbaren oder mittelbaren Staatsbehörden betrieben werden; e) Beglaubigungen von Unterschriften unter An­ trägen und Verhandlungen, die nach ihrem Inhalt ausschließlich zu einer Eintragung oder Löschung in öffentlichen, das Eigentum und die Belastung von Grundstücken und selbständigen

Steuersatz >

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A

Berechnung

3

21 Beglaubigungen von Unterschriften unter Anträgen, Vollmachten und Genehmigungserklärungen, die nach ihrem Inhalt ausschließlich eine im Reichsschuldbuch oder im Staatsschuldbuch einzutragende oder eingetragene Forderung betreffen, sind stempelfrei, Art. II des G. v. 22. Mai 1910, GS. 47.

12. Preuß. Stempeltarif.

Lfd. Nr.

Gegenstand der Besteuerung

1213 Steuersatz

;j

Berechnung

% ' .kl Gerechtigkeiten feststellenden Büchern ersorder- 1 lich sind, sowie die mit solchen Beglaubigungen verbundenen Zeugnisse über die Berttetungs- . befugnis der Beteüigten; f) Beglaubigungen von Unterschriften der Gesuche i um Auszahlung hinterlegter Gelder nach § 25 Abs. 2 der Hinterlegungsordnung.

(77.) i

I

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I

I.

(4) In den unter a und c bezeichneten Fällen i tritt die Stempelfreiheit nur dann ein, wenn der I i dieselbe begründende Zweck aus der Urkunde hervor- 1 78. geht. Wird von den Attesten zu anderen Zwecken ; I nachttäglich Gebrauch gemacht, so ist der Stempel i; 13« Gesetz wegen Aufhebung direkter Staatssteuern. nachzuverwenden. j Zuschlagsbescheide, Vom wie Kaufverttäge, s. diese. ! 14. Juli 1893 (GS. 119). § 1. Behufs Erleichterung und anderweittger Regelung der öffentlichen Lasten der Gemeinden (Gutsbezirke) werden die folgenden direkten Staatssteuern gegenüber der Staatskasse außer Hebung gesetzt: 1. die nach den Gesehen v. 21. Mai 1861 sowie nach den hierzu ergangenen ergänzenden und abändernden Gesetzen veranlagte Grund- und Gebäudesteuer, 2. die nach dem G. v. 24. Juni 1891 veranlagte Gewerbe- und Betriebssteuer.* § 2. Ferner werden außer Hebung gesetzt: 1. die von den Bergwerken in den älteren rechtsrheinischen Landesteilen zu entrichtende Auf­ sichtssteuer und Bergwerksabgabe (G. v. 12. Mai 1851, 8 8 — GS. 261, G. v. 20. Okt. 1862, 8 4 — GS. 351), 2 die in den übrigen Landesteilen zu enttichtende Bergwerksabgabe (G. v. 20. Okt. 1862, 8 6; Dg. für das vormalige Königreich Hannover v. 8. Mai 1867, Art. 21 — GS. 601, für das vormalige Kurfürstentum Hessen usw. v. 1. Juni 1867, Art. 17 — GS. 770, für das vormalige Herzogtum Nassau v. 1. Juni 1867, Art. 18 2 — GS. 802; G., bett. die Einführung des Allg. Berggesetzes v. 24. Juni 1865 im Herzogtum Lauenburg, v. 6. Mai 1868, Art. 7 — Off. Wochenbl. Nr. 36; G., bett. die Einführung des Allg. Berggesetzes v. 24. Juni 1865 in Schleswig und Holstein, v. 12. März 1869, Art. 9 — GS. 453). § 3. Die Vorschriften der in 88 1 und 2 bezeichneten G. bleiben, soweit nicht in dem gegenwärtigen G. und in dem Kommunalabgabengesetz Abweichendes bestimmt ist, in Kraft. Die Veranlagung und Verwaltung der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer wird, soweit nicht in dem gegenwärttgen G. Abweichendes bestimmt ist, unter Auftechterhaltung der dieserhalb bestehenden gesetzlichen Einrichtungen vom Staate für die Zwecke der kommunalen Besteuerung ausgeführt. Die landständische Mitwirkung bei der Verwaltung der Grundsteuer innerhalb des kom­ munalständischen Verbandes der Oberlausitz (G. v. 8. Febr. 1867, 8 49 — GS. 185) wird hierdurch nicht berührt. § 4. Die Veranlagung (8 3) ist auf diejenigen Liegenschaften, Gebäude und Gewerbebetriebe auszudehnen, welche von der entsprechenden Staatssteuer fteigeblieben, aber gemäß den Bestim­ mungen des KAbgG.2 der Kommunalsteuerpflicht unterworfen sind. Für die Veranlagung gelten, soweit nicht in dem gegenwärttgen G. und in dem KAbgG. Ab­ weichendes bestimmt ist, die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften, welche bei der Heranziehung zu den entsprechenden Staatssteuern anzuwenden gewesen sein würden. Insbesondere sind gegen die Veranlagung dieselben Rechtsmittel zulässig, mit denen die Veranlagung der entsprechenden Staats­ steuer hätte angefochten werden können. § 5. Die bestehenden gesetzlichen Besttmmungen, welche von der Veranlagung der int 8 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Steuern oder von einzelnen derselben anderweitige Rechtsfolgen, insbesondere 1 Nicht aufgehoben und daher als staatliche Erttagssteuern verblieben sind die Eisenbahnabgäbe (G. v. 30. Mai 1853 und 16. März 1867, GS. 449 und 465) und die Wandergewerbe­ oder Hausiersteuer (s. vorstehend unter Nr. 5), während die Wanderlagersteuer und die Waren­ haussteuer (vorstehend Nr. 6 und 7) von vornherein als Gemeinde- und Kreissteuern eingeführt sind. 2 Vgl. 88 24, 26 Abs. 4, 28 Nr. 2-6 KAbgG.

1214

XII. Abschn.

Finanzrechr.

die Begründung von Rechten oder Pflichten abhängig machen, bleiben aufrechterhalten; soweit hierbei die Entrichtung solcher Steuern vorausgesetzt wird, treten an die Stelle der zu entrichtenden die veranlagten Betrage. Auf die Bestimmungen im § 9 I Nr. 4 Eint. StG. findet diese Vorschrift keine Anwendung. Tie Vorschrift findet gleichfalls keine Anwendung auf die Bildung der Urwählerabteilungen für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten. Über diese, sowie über die Bildung der Wählerabieilungen für die Wahl von Gemeindevertretungen ergeht besondere gesetzliche Bestimmung? § 6. Die für die Provinzen Rheinland und Westfalen bestehenden besonderen Vorschriften (Grundst.G. v. 21. Jan. 1839, § 2 *u b und c, §§ 4, 44 bis 48 — GS. 30; Bg. v. 12. Dez. 1864, §§ 3, 4, 21 - GS. 683) treten außer Kraft. An Stelle dieser Vorschriften treten die in den übrigen Landesteilen geltenden allgemeinen Be­ stimmungen. Mit der Auflösung der Fonds gehen die Bestände, sowie die alsdann noch bestehenden Forde­ rungen und Verpflichtungen a) des Grundsteuerdeckungsfonds auf die Kreise der betreffenden Regierungsbezirke nach Maß­ gabe der veranlagten Grundsteuer, b) des Fonds zur Erhaltung und Erneuerung des Katasters auf die Staatskasse über. § 7. Die auf die Aufbewahrung der Kopien der Kaiasterdokumente und auf die Erteilung beglau­ bigter Auszüge aus denselben bezüglichen Bestimmungen im Art. II des G. v. 20. Mai 1885 (GS. 139) werden auf die übrigen Teile der Rheinprovinz und auf die Provinz Westfalen ausgedehnt. § 8. Soweit die Bestrafung von Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer von der Vorenthaltung oder von dem Verluste der Steuer gegenüber dem Staate abhängig gemacht ist (Geb.StG. § 17 Abs. 3; G., betreffend die definitive Unterverteilung und Erhebung der Grundsteuer, v. 8. Febr. 1867, § 34 Abs. 3; G., betreffend die anderweite Regelung der Grundsteuer, v. 11. Febr. 1870, ZI— GS. 85; Gew.StG. § 70), gilt als vorenthalten (verloren) derjenige Betrag, welcher im Falle fortdauernder Hebung der Steuer zur Staatskasse nach Maßgabe der Veranlagung (§ 3 Abs. 2, § 4) zu entrichten gewesen sein würde. Die im § 17 Abs. 3 Geb.StG. v. 21. Mai 1861 bestimmte dreimonatige Anmeldefrist für neu­ entstandene Gebäude (§ 15 zu 4 a. a. O.), desgleichen für wesentliche Verbesserungen von Gebäuden, sowie Vergrößerungen der zu ihnen gehörigen Hofräume und Hausgärten (§ 15 zu 5 a. a. O.) beginnt mit dem Ablaufe des Rechnungsjahres, in welchem die Veränderung eingetreten ist. § 9. Zum Bezüge von Nachsteuern (Geb.StG. § 17 Abs. 4; G. v. 8. Febr. 1867, § 34 Abs. 4; G. v. 11. Febr. 1870, § 1; Gew.StG. §§ 70, 78) ist diejenige Gemeinde berechtigt, welcher nach den Bestimmungen des KAbgG. das entsprechende Steueraufkommen zusteht. § 10. Die Bestimmungen im § 81 Gew.StG. werden aufgehoben. Das Aufhören eines steuerpflichtigen Gewerbes ist nicht der Hebestelle (§ 58 Abs. 1 a. a. £.), sondern dem Vorsitzenden des für die Veranlagung zuständigen Steuerausschusses anzuzeigen. § 11. Die Hebung und Beitreibung der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer liegt derjenigen Gemeinde ob, welche nach den Bestimmungen des KAbgG. zum Bezüge des entsprechenden Steueraufkommens berechtigt ist. Die Ausfälle treffen die Gemeindekasse. Die Ermächtigung zum Erlasse und zur Ermäßigung veranlagter Steuern (G., betreffend den Erlaß oder die Ermäßigung der Greundsteuer infolge von Überschwemmungen,3 4 v. 15. April 1889, Z 1 Nr. 1 — GS. 99; Gew.StG. §§ 44, 45) geht auf die Gemeinden über. Die gesetzlichen Bestimmungen über Ansprüche der Gemeinden auf Mitverwaltung ihrer Kassen durch staatliche Kassenbeamte (LGO. für die Rheinprvvinz §§ 79, IOC; LGO. für Westfalen §§ 44, 73) werden aufgehoben. § 12. Die auf die Betriebssteuer bezüglichen Vorschriften des Gew.StG. gelangen nach Maß­ gabe folgender Bestimmungen zur Anwendung: 1. Erstreckt sich ein betriebssteuerpflichtiges Gewerbe über mehrere Kreise, so ist für jeden dieser Kreise die Hälfte der im § 60 Nr. 1 und 2 a. a. O. bestimmten Steuersätze zu entrichten. Auf die im § CO Abs. 2 a. a. O. bezeichneten Betriebsstätten5 findet diese Bestimmung keine An­ wendung. 2. Die Betriebssteuer wird in den Landkreisen vom Landrat, in den Stadtkreisen vom Gemeindevorstände, in Berlin von der Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern festgestellt. Diesen Behörden stehen auch die Befugnis zur Herabsetzung der Betriebssteuer gemäß § 61 und die anderweite Feststellung gemäß § 65 Abs. 2 a. a. C. zu. 3. Die Betriebssteuer ist binnen zwei Wochen nach erfolgter Behändigung der Steuerzuschrift in einer Summe zu entrichten. 3 G. v. 29. Juni 1893, betr. Änderung des Wahlverfahrens, abgedr. bei Anm. 3 zur Wahlver­ ordnung, oben Abschn. I Nr. 3; G. v. 30. Juni 1900, betr. Bildung der Wählerabteilungen bei den Gemeindewahlen (GS. 185). 4 Vgl. Anm. 11 zum Grundst.G., vorstehend unter Nr. 2. 5 D. s. Betriebe, welche geistige Getränke verabfolgen.

13. Gesetz, wegen Aufhebung direkter Staatssteuern.

1215

Die im § 61 a. a. O. bezeichneten Steuerpflichtigen haben die Steuer vor Eröffnung des Betriebes zu entrichten, oder, falls bis dahin die Steuerzuschrift noch nicht behändigt ist, einen von dem Gemeinde(Guts)vorftande zu bestimmenden Geldbetrag bei der gleichzeitig zu bezeichnenden Kasse zur Deckung der Steuer zu hinterlegen, widrigenfalls ihnen die Ausübung des Betriebes nach Maßgabe des § 63 o. a. O. untersagt werden kann. § 13. Die Gemeinden (Gutsbezirke) haben die Betriebssteuer in den veranlagten Beträgen Jahren kann der Verpflichtete die Tilgungsrente zum Beginn eines jeden Rechnungsjahres durch Barzahlung des noch nicht getilgten Teils des Kapitals ganz oder teilweise ablösen, mit der Beschränkung, daß bei teilweiser Ablösung der fortzuenttichtende Teil der Tilgungsrente einen auf volle Mark abgerundeten Jahresbettag ergeben muß. Welche Be­ träge in den verschiedenen Jahren der 60^» jährigen Tilgungsdauer zur Ablösung erforderlich sind, ergibt die s beiliegendes Tilgungstafel. Die fälligen Beträge an Kapital und Renten unterliegen der Beitreibung im Verwaltungszwangs­ verfahren. § 26. Die aus den §§ 18, 19, 20 Abs. 2, §§ 22 bis 24 folgenden Verpflichtungen ruhen auf den Gütern und Grundstücken, wofür die Entschädigung geleistet worden ist, als eine öffentliche, auf jeden Besitzer übergehende Last. Wird ein mit einer Tilgungsrente behaftetes Gut oder Grundstück zerstückelt, so ist die Tilgungs­ rente nach den Vorschriften der §§ 2 bis 5 des G., betreffend die Verteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücksteilungen usw., v. 25. Aug. 1876 (GS. 405) zu verteilen, mit der Maßgabe, daß die Bestätigung des Berteilungsplanes durch die Bezirksregierung erfolgt. Die bei der Verteilung sich ergebenden, hinter dem Jahresbetrage von einer Mark zurückbleiben­ den Tilgungsrenten oder über volle Markbettäge überschießenden Rententeile sind nach den Grund­ sätzen des 8 24 durch Kapitalzahlung einzulösen. In den Fällen des § 19 Abs. 3 bleibt die Verteilung ausgeschlossen. 8 26. Insoweit nicht in den §8 24, 25 ein anderes bestimmt ist, regeln sich die Zahlung, Sicher­ stellung und Tilgung der Kapitalien und Tilgungsrenten nach den entsprechenden Vorschriften in den §§ 18 bis 27 des G. über die Errichtung von Rentenbanken v. 2. März 1850 (GS. 112), mit der Maßgabe, daß die Bezirksregierung an die Stelle der Rentenbank tritt. 8 27. Die sämtlichen, behufs Rückerstattung von Kapitalien nebst Zinsen (§§ 18 bis 25) im Laufe eines jeden Rechnungsjahres gezahlten Beträge werden zum Zwecke der Tilgung von Staatsschulden durch Rückkauf eines entsprechenden Betrages von Schulddokumenten der Staatsschuldentilgungskasse überwiesen. 8 20. Die Bestimmungen der §§ 1 bis 27 finden auf die Hohenzollernschen Lande keine Anwendung. Die Umgestaltung des Systems der direkten Steuern in diesen Landen bleibt einem besonderen Gesetze vorbehalten."-----------10 Geschehen durch G. v. 2. Juli 1900 (GS. 252).

1217

14. Zuwachssteuergeseh.

14. Reichs-guwachssteuergesetz. Vom 14. Februar 1911 (RGBl. 33).1 § 1. Beim Übergange des Eigentums an inländischen Grundstücken wird von dem Wertzuwachse, der ohne Zutun des Eigentümers2 3entstanden ist, gemäß den Vorschriften dieses Gesetzes eine Abgabe (Zuwachssteuer) erhoben. Beträgt der Veräußerungspreis, und im Falle einer Teilveräußerung2 der Wert des Ge­ samtgrundstücks, bei bebauten Grundstücken nicht mehr als 20000 Mark, bei unbebauten Grundstücken nicht mehr als 5000 Mark, so bleibt der Eigentumsübergang von der Steuer frei.4 Als unbebaut gelten auch solche Grundstücke, aus denen sich Gartenhäuser, Schuppen, Lagerstätten und ähnliche zu vorübergehenden Zwecken dienende Baulichkeiten befinden. Die Steuerfreiheit tritt nicht ein, wenn der Veräußerer oder sein Ehegatte den Grundstücks­ handel gewerbsmäßig betreibt? Wird festgestellt, daß die Veräußerung für Rechnung eines Dritten erfolgt, so ist die Steuerfreiheit nur zu gewähren, wenn die Voraussetzungen für die Befreiung auch in der Person des Dritten vorliegen. \t § 2. Die Vorschriften dieses Gesetzes über Grundstücke finden Anwendung auf Berechtigungen, für welche die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des bürgerlichen Rechtes gelten;5 6ausgenommen 78 sind unbewegliche Bergwerksanteile? § S. Dem Übergange des Eigentums an Grundstücken steht gleich der Übergang von Rechten an dem Vermögen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, einer Kommandit­ gesellschaft, Gewerkschaft, eingetragenen Genossenschaft, eines eingetragenen Vereins oder einer Offenen Handelsgesellschaft, soweit das Vermögen der Vereinigung aus Grundstücken besteht, wenn entweder zum Gegenstände des Unternehmens die Verwertung von Grundstücken gehört, oder wenn die Vereinigung geschaffen ist, um die Zuwachssteuer zu ersparen. § 4. Die Steuerpflicht wird begründet durch die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch oder, wenn es einer solchen zum Übergange des Eigentums nicht bedarf, durch den Vorgang, der die Rechtsänderung bewirkt? Sofern das Grundbuch noch nicht als angelegt anzusehen ist, tritt an die Stelle der Ein­ tragung die Umschreibung in öffentlichen Büchern. § 5. Erfolgt der Übergang des Eigentums nicht innerhalb eines Jahres nach Abschluß des zur Übertragung des Eigentums verpflichtenden Veräußerungsgeschäfts, so gelangt die Zuwachssteuer aus Anlaß dieses Rechtsgeschäfts und, falls innerhalb des einjährigen Zeit­ raums mehrere Rechtsgeschäfte dieser Art abgeschlossen worden sind, aus Anlaß des letzten Rechtsgeschäfts zur Hebung? 1 Unter Berücksichtigung des RG. über Änderung im Finanzwesen v. 3. Juli 1913 (RGBl. 521), durch das § 1 Abs. 2 die obige Fassung erhielt; die weiteren Abänderungen und Zu­ sähe sind bei Anm. 43 abgedruckt. — Ausf.-Bestimmungen des Bundesrats v. 27. März 1911 (RZentrBl. 79), im folgenden kurz mit A.Best. bezeichnet, Preuß. Ausf.G. v. 14. Juli 1911. (GS. 95) und Preuß. A.Anw. v. 19. Mai 1911. — Vom Reichsschatzamte werden besondere „Amt­ liche Mitteilungen über die Zuwachssteuer" herausgegeben, in denen auch wichtige Entschei­ dungen der obersten Berwaltungsgerichtshöfe in Zuwachssteuersachen mitgeteilt werden, im folgenden kurz mit A.Mitt. bezeichnet. 1 Diese Einschränkung ist lediglich nach den Einzelvorschriften des G. auszulegen, so daß der hier­ nach steuerpflichtige Wertzuwachs zu besteuern ist, A.Mitt. 1912, S. 200. 3 Teilveräußerung bezieht sich auf einen Teil einer wirtschaftlichen Einheit. 4 Diese Befreiung tritt nur ein, wenn der Veräußerer eine natürliche Person ist, PrVBl. 34, S. 73. 6 z. B. eine reale Apotheke gerechtigkeit, Erbbaurecht, Erbpachtrecht. Uber die Berechnung der Zuwachssteuer bei solchen Berechtigungen s. A.Mitt. 1912, S. 191. 6 Vgl. die Sonderbestimmung in § 7 Nr. 8. Ein Eigentumsübergang an Kuxen des alten Rechts unterliegt ev. der Steuerpflicht nach § 3. 7 Also bei Zwangsversteigerung durch Verkündung des Zuschlags, bei Enteignung durch Zustellung des letzten Enteignungsbeschlusses. — Die Grundbuchämter, Rsgisterbehörden und sonstige mit Grundstückswechsel befaßten Behörden und Notare sowie der Veräußerer und Erwerber sind verpflichtet, von jeder in Betracht kommenden Rechtsänderung den Zuwachssteuerämtern Mitteilung zu machen, §§ 37, 38, 41 des G. 8 Mit dieser Bestimmung soll die Verschleppung des Eintritts der Steuerpflicht verhindert werden. 9teid) eit, Berwaltungsgesetzbuch.

77

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XII. Abschn. Finanzrecht.

Tie Steuerpflicht tritt im Falle des Abs. 1 mit Ablauf eines Jahres nach Abschluß des Veräußerungsgeschäfts ein; für die Veranlagung ist der Zeitpunkt maßgebend, in welchem das Rechtsgeschäft oder bei mehreren Rechtsgeschäften das letzte Rechtsgeschäft abgeschlossen ist. Als Rechtsgeschäfte im Sinne des Abs. 1 sind auch anzusehen: 1. die Übertragung der Rechte der Erwerber aus Veräußerungsgeschäften; 2. die Übertragung von Rechten aus Anträgen zur Schließung eines Veräußerungsgeschäfts, die den Veräußerer binden, sowie aus Verträgen, durch die nur der Ver­ äußerer zur Schließung eines Veräußerungsgeschäfts verpflichtet wird; 3. nachträgliche Erklärungen des aus einem Veräußerungsgeschäste berechtigten Erwerbers, die Rechte für einen Tritten erworben oder die Pflichten für einen Tritten über­ nommen zu haben; 4. die Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot und die Erklärung des Meistbietenden, daß er für einen anderen geboten habe; 5. Rechtsgeschäfte, durch die jemand ermächtigt wird, ein Grundstück ganz oder teilweise auf eigene Rechnung zu veräußern. § 6. Die Besteuerung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß ein nach diesem G. steuer­ pflichtiges Rechtsgeschäft durch ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt wird, insbesondere an die Stelle des Überganges des Eigentums ein Rechtsvorgang tritt, der es ohne Übertragung des Eigentums einem anderen ermöglicht, über das Grundstück wie ein Eigentümer zu ver­ fügen? § 7. Die Zuwachssteuer wird nicht erhoben: 1. beim Erwerbe von Todes wegen im Sinne der §§ 1 bis 4 des Erbschaftssteuergesetzes" sowie beim Erwerb auf Grund einer Schenkung unter Lebenden im Sinne des § 55 des Erbschaftssteuergesetzes, sofern nicht die Form der Schenkung lediglich gewählt ist, um die Zuwachssteuer zu ersparen; 2. bei der Begründung, Änderung, Fortsetzung und Aufhebung der ehelichen Güter­ gemeinschaft; 3. beim Erwerb auf Grund von Verträgen, die zwischen Miterben oder Teilnehmern an einer ehelichen oder fortgesetzten Gütergemeinschaft zum Zwecke der Teilung der zum Nachlaß oder zum Gesamtgut gehörenden Gegenstände abgeschlossen werden, sowie beim Erwerb auf Grund eines Zuschlags, der in den vorgenannten Fällen bei Teilung im Wege der Versteigerung einem Miterben oder Teilnehmer erteilt wird; 4. beim Erwerbe der Abkömmlinge von den Eltern, Großeltern und entfernteren Voreltern; 5. beim Einbringen in eine ausschließlich aus dem Veräußerer und dessen Abkömmlingen oder aus diesen allein bestehende Gesellschaft des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder Ver­ einigung der im § 3 bezeichneten Art. Die Steuerpflicht tritt ein, soweit nachträglich ein Gesellschafter aufgenommen wird, der nicht zu den Abkömmlingen des Veräußerers gehört; 6. beim Einbringen von Nachlaßgegenständen in eine ausschließlich von Miterben gebildete Gesellschaft des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder Vereinigung der im § 3 be­ zeichneten Art. Die Vorschrift der Ziff. 5 Satz 2 findet entsprechende Anwendung; 7. beim Austausch im Inland gelegener Grundstücke zum Zwecke der Zusammenlegung (Flurbereinigung), der Grenzregelung oder der besseren Gestaltung von Bauflächen (Umlegung) sowie bet Ablösung von Rechten an Forsten, wenn diese Maßnahmen auf der Anordnung einer Behörde beruhen oder von einer solchen als zweckdienlich anerkannt werden; 8. beim Austausch von Feldesteilen zwischen angrenzenden Bergwerken und bei der Ver­ einigung zweier oder mehrerer Bergwerke zum Zwecke der besseren bergbaulichen Ausnutzung, sofern sie nicht zum Zwecke der Steuerersparung erfolgen. 9 A.Best. § 46. Die Zuwachssteuerämter und sonstigen beteiligten Behörden haben über der­ artige Fälle an die Minister des Innern und der Finanzen zu berichten. 10 R.Erbsch.StG. v. 3. Juni 1906 (RGBl. 654) mit Nov. v. 3. Juli 1910 (RGBl. 521).

14. Zuwachssteuergesetz.

1219

Zu den Miterben im Sinne der Ziff. 3, 6 wird der überlebende Ehegatte gerechnet, der mit den Erben des verstorbenen Ehegatten gütergemeinschaftliches Vermögen zu teilen hat. § 8. Als steuerpflichtiger Wertzuwachs gilt der Unterschied zwischen dem Erwerbspreise und dem Veräußerungspreise.H Ter Preis bestimmt sich nach dem Gesamtbeträge der Gegenleistung einschließlich der vom Erwerber übernommenen oder ihm sonst infolge der Veräußerung obliegenden Leistungen^ und der vorbehaltenen oder auf dem Grundstück lastenden Stillungen13 und bei Verträgen über Leistung an Erfüllungs Statt nach dem Werte, zu dem die Gegenstände an Erfüllungs Statt angenommen werden. Ist einem der Vertragschließenden ein Wahlrecht oder die Befugnis eingeräumt, innerhalb gewisser Grenzen den Umfang der Gegenleistung zu bestimmen, so ist für die Bemessung der Abgabe der höchste mögliche Betrag der Gegenleistung maßgebend. § 9. Beim Übergang im Wege der Zwangsversteigerung gilt als Preis der Betrag des Meistgebots, zu dem der Zuschlag erteilt wird, unter Hinzurechnung der vom Ersteher über­ nommenen ßeiftungen.14 Im Falle der Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot und der Erklärung des Meistbietenden, daß er für einen anderen geboten habe, tritt an die Stelle des Meistgebots der Wert der Gegenleistung, wenn sie höher ist als das Meistgebot. § 19. Bon dem Preise kommt in Abzug der Wert der vom Veräußerer übernommenen Lasten, der Maschinen, auch soweit sie zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks gehören, und der Erzeugnisse des Grundstücks,15 solange sie mit dem Boden zusammen­ hängen. § 11. Ist ein Preis nicht vereinbart oder nicht zu ermitteln, so tritt an dessen Stelle der Wert des Grundstücks?3 Das gleiche gilt, wenn auf dem Grundstück eine der im § 2 bezeichneten Berechtigungen oder ein Nießbrauchsrecht lastet, zu deren Beseitigung der Veräußerer nicht verpflichtet ist, und der Wert des Grundstücks den Betrag der Gegenleistung übersteigt. Wenn die Be­ teiligten zum Zwecke der Steuerersparung einen Teil des Entgelts in die Form einer Ver­ mittelungsgebühr, einer den üblichen Zinssatz erheblich übersteigenden Verzinsung des ge­ stundeten Preises oder einer sonstigen Nebenleistung Neiden, so ist der als Teil des Entgelts anzusetzende Betrag durch Schätzung zu ermitteln. § 12. Die Wertermittelung ist in den Fällen, in denen für die Berechnung der Abgabe ein Wert in Betracht zu kommen hat, auf den gemeinen 9Bett16 des Grundstücks zu richten. Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung. 11 Bon § 8 ist in jedem einzelnen Falle auszugehen. Sowohl als Erwerbs- wie als Beräußerungspreis stellt sich — abgesehen von Fällen des § 17 — der unter den Parteien vereinbarte (A.Mitt. 1912, 6.209; 1913, S. 11) oder nach dem gemeinen Werte zu ermittelnde (§ 11) Be­ trag dar, für den das Grundstück erworben oder veräußert worden ist. Der steuerpflichtige Zu­ wachs aber ist der Unterschied, die Spannung zwischen den beiden Preisen, errechnet unter Berücksichtigung der gesetzlich zulässigen Zu- und Abrechnungen, insbesondere aus §§ 10, 13—16, 22—24. Nach Ermittelung des steuerpflichtigen Wertzuwachses — sofern ein solcher bei den Zu-und Abrechnungen überhaupt verbleibt — ist zu berechnen, wie viel Prozent die Wert­ steigerung gegenüber dem anrechnungsfähigen Erwerbspreise beträgt, und von diesem Prozent­ sätze ist der in § 28 vorgeschriebene, wiederum nach Prozenten gestaffelte Steuerbetrag festzu­ stellen. 12 Hypotheken- und Rentenschulden, Reallasten, Grundrenten, dingliche Nutzungsrechte. 13 Borbehaltene Nutzungsrechte sind z. B. Altenteile; auf dem Grundstücke lastende Nutzungen sind Dienstbarkeiten, die als Last auf dem Grundstücke ruhen, A.Mitt. 1911, S. 106. 14 und zwar nach den Bersteigerungsbedingungen sowie unter Hinzurechnung der gesetzlich be­ stehen bleibenden Rechte, A.Mitt. 1911, S. 107, 166; 1912, S. 213. 16 Die sog. natürlichen Früchte, § 99 BGB. Entsprechend sind die nicht zum Grundstück gehörigen Gegenstände auszusondern, z. B. das Inventar, § 13. 16 und zwar der gemeine Wert, § 12. Darunter ist nach § 22 A Best. der Verkaufs- oder Verkehrswert zu verstehen, der durch den Preis bestimmt wird, welcher im gewöhnlichen Geschäfts-, verkehre nach der Beschaffenheit des Gegenstandes ohne Rücksicht auf andere ungewöhnliche oder lediglich persönliche Verhältnisse zu erzielen ist. — Da man in der Praxis dem Bestteben der Steuer­ pflichügen begegnet, den gemeinen Wert zur Zeit des Erwerbes möglichst hoch darzustellen, emp-

1220

XII. Abschn.

F-inanzrechr.

Ter Wert wiederkehrender Leistungen oder Nutzungen bestimmt sich nach den Vorschriften des Erbschaftssteuergcsetzes.^ § 13. Betrifft der steuerpflichtige Rechtsvorgang steuerpflichtige und steuerfreie Gegen­ stände," ohne daß Einzelpreise oder -werte angegeben werden, so bestimmt die Steuer­ behörde den auf die steuerpflichtigen Gegenstände entfallenden Teil der Gesamtsumme, wenn nicht der Steuerpflichtige auf Erfordern innerhalb der ihm bestimmten Frist die Tren­ nung der Preise oder Werte nachholt. Sind zum Zwecke der Steuerersparung unrichtige Angaben gemacht worden, so ist der Betrag durch Schätzung zu ermitteln. Das gleiche gilt für die Verteilung des Gesamtbetrags auf mehrere steuerpflichtige Gegen­ stände. § 14. Dem Erwerbspreis sind hinzuzurechnen:" 1. als Kosten des Erwerbes, sofern nicht an Stelle des Erwerbspreises der Wert maß­ gebend ist, vier vom Hundert des Erwerbspreises und, falls der Veräußerer nach­ weislich einschließlich der ortsüblichen Vermittelungsgebühr einen höheren Betrag aufgewendet hat, dieser; 2. falls der Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung erfolgt ist und der Veräußerer zur Zeit der Einleitung der Zwangsversteigerung Hypotheken- oder Grundschuldgläubiger war, der nachweisliche Betrag seiner ausgefallenen Forderungen, bis zu dem Wertend den das Grundstück zur Zeit der Zwangsversteigerung oder, wenn der Wert zur Zeit der Eintragung der Forderung höher war, zu diesem Zeitpunkt hatte. Tie Forde­ rungen kommen, wenn sie durch entgeltliches Rechtsgeschäft erworben sind, nur in Höhe des geleisteten Entgelts in Anrechnung. Beruht ihr Erwerb auf einer Schenkung, oder ist ihre Eintragung innerhalb kürzerer Zeit als sechs Monate vor der Einleitung der Zwangsversteigerung erfolgt, so werden die Forderungen nur berücksichtigt, wenn nach den Umständen Schenkung oder Eintragung feine Steuerersparung bezwecken; 3. die Aufwendungen für Bauten, Umbauten und für sonstige dauernde besondere Ver­ besserungen, auch solche land- oder forstwirtschaftlicher Art, sowie für bergmännische Versuchs- und Ausrichtungsarbeiten, die innerhalb des für die Steuerberechnung maßgebenden Zeitraums gemacht sind und weder die nach § 10 abzugsfähigen Gegen stände betreffen, noch der laufenden Unterhaltung von Baulichkeiten oder der laufenden Bewirtschaftung von Grundstücken dienen, soweit die Bauten und Verbesserungen noch vorhanden )tnb.20 Außerdem sind fünf vom Hundert, oder wenn der Veräußerer Baugewerbetreibender oder Bauhandwerkcr und selbst der Bauunternehmer ist, fünf­ zehn vom Hundert des anrechnungsfähigen Wertes den Aufwendungen hinzuzu­ rechnen. Diese Bestimmung findet jedoch keine Anwendung, wenn der Unternehmer eine Gesellschaft im Sinne des Handelsgesetzbuchs oder eine Genossenschaft ist, die nicht ausschließlich aus Baugewerbetreibenden oder Bauhandwerkern bestehen. Als Aufwendungen im Sinne dieser Vorschrift gelten Beträge, die aus Versicherungen gedeckt sind, nicht, wenn sie zur Wiederherstellung von Baulichkeiten verwendet sind, die vor dem für die Steuerberechnung maßgebenden Zeitraum errichtet waren; 4. die Aufwendungen, Leistungen und Beiträge für Straßenbauten, andere Verkehrs­ anlagen einschließlich der Kanalisierung, sowie ohne entsprechende Gegenleistung und Verzinsung geleistete Beiträge für sonstige öffentliche Einrichtungen, soweit die Auf­ wendungen, Leistungen und Beiträge innerhalb des für die Steuerberechnnng maßfiehlt es sich, die Ermittelungen auf die Feststellung des Wertes zu erstrecken, der seinerzeit der Grundsteuer vom gemeinen Werte zugrunde gelegt wurde; die Anfechtung des für die Zuwachssteuer angenommenen Erwerbswertes wird sich dann häufig durch die eignen damaligen Er­ klärungen des Grundstückseigentümers erledigen. 17 R.Erbsch.StG. ([. Anm. 10) §§ 17—20. 18 Die Bedeutung der §§ 14 u. 22 bei der Steuerberechnung geht aus dem am Schlüsse des G. abgedruckten Formular hervor. Über Erwerbskosten s. A.Mitt. 1911, S. 111. 19 D. h. die ausgefallenen Forderungen dürfen nur bis zur Erreichung des gemeinen Wertes hinzu­ gerechnet werden. A.Mitt. 1911, S. 166. 20 A.Mitt. 1911, S. 255.

14. Zuwachssteuergesetz.

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gebenden Zeitraums gemacht sind. Für jedes volle Jahr dieses Zeitraums nach Schluß des Kalenderjahrs, in welchem die Aufwendungen gemacht oder die Leistungen oder Beiträge verausgabt sind, längstens jedoch für fünfzehn Jahre, sind ihnen vier vom Hundert ihres Betrags hinzuzurechnen. Auf Antrag des Veräußerers tritt an die Stelle dieser Zinsanrechnung die Hinzurechnung gemäß § 16, und zwar gemäß Abs. 1 Ziff. 1 von demjenigen Betrage, welcher den dort bezeichneten Höchstbetrag bei Berücksichtigung auch der Aufwendungen nach Ziff. 4 nicht übersteigt, gemäß Abs. 1 Ziff. 2 von dem Mehrbeträge. § 15. Soweit es sich um die Verbesserung von Flächen handelt, die aus Moorland, Sumpf­ land, Od- oder Heideland bestehen, ist auf Antrag des Veräußerers an Stelle der im § 14 Ziff. 3 bezeichneten Aufwendungen dem Erwerbspreis die Erhöhung des Ertragswerts hinzuzurechnen. § 16. Dem Erwerbspreis werden für jedes Jahr des für die Steuerberechnung maß­ gebenden Zeitraums hinzugerechnet:^ 1. von dem Betrage des Erwerbspreises und der Anrechnungen nach § 14 Ziff. 1 bis 3, § 15, der zusammen 100 Jl, bei Weinbergen 300 M für das Ar nicht übersteigt, zweieinhalb vom Hundert; 2. von dem Mehrbeträge bei unbebauten Grundstücken zwei, bei bebauten Grundstücken eineinhalb vom Hundert. Beträgt der für die Steuerberechnung maßgebende Zeitraum nicht mehr als fünf Jahre, so ermäßigen sich die Hinzurechnungen bei unbebaut gebliebenen Grundstücken auf die Hälfte. Die Hinzurechnung erfolgt für jedes volle Kalenderjahr nach Schluß des Jahres, in dem der für die Steuerberechnung maßgebende Zeitraum beginnt, oder die Aufwendung gemacht, oder in dem bei Bauten und Umbauten die behördliche Gebrauchsabnahme und, soweit eine solche nicht besteht, die gebrauchsfertige Herstellung erfolgt ist. § 17. Beruht der Erwerb des Grundstücks auf einem steuerfreien Rechtsvorgange (§ 7), so ist für die Bemessung des Wertzuwachses von dem Preise zur Zeit des letzten steuerpflich­ tigen Rechtsvorganges auszugehen. Ob im Sinne dieser Vorschrift Rechtsvorgänge steuerfrei oder steuerpflichtig sind, ist auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten dieses ®.21 nach ihm zu bestimmen. Rechtsgeschäfte der int § 5 bezeichneten Art stehen einem steuerfreien Erwerbsvorgange gleich, sofern sie vor dem 1. Januar 1911 abgeschlossen worden sind. Wenn der letzte steuerpflichtige Rechtsvorgang mehr als vierzig Jahre vor dem Eintritt der Steuerpflicht liegt, so ist als Erwerbspreis der Wert anzusehen, den das Grundstück vierzig Jahre vor dem Eintritt der Steuerpflicht hatte, sofern der Steuerpflichtige nicht nachweist, daß er oder sein Rechtsvorgänger vor jener Zeit bei einem steuerfreien oder steuer­ pflichtigen Erwerb einen höheren Erwerbspreis gezahlt hat. Liegt der für die Bemessung des Wertzuwachses maßgebende Erwerbsvorgang vor dem 1. Januar 1885, so tritt an die Stelle des Preises der Wert,22 den das Grundstück an diesem Tage gehabt hat, wenn der Steuerpflichtige nicht nachweist, daß er oder sein Rechtsvorgänger vor jener Zeit bei einem steuerfreien oder steuerpflichtigen Erwerb einen höheren Erwerbspreis gezahlt hat. Als für die Steuerberechnung maßgebender Zeitraum gilt im Falle des Abs. 3 der vierzig­ jährige Zeitraum, int Falle des Abs. 4 die Zeit seit dem 1. Januar 1885. § 18. Bei Grundstücken in Festungsrayons, die vor dem Erlasse des Rayongesetzes vom 21. Dezember 1871 erworben sind und für die eine Rayonentschädigung nicht gewährt worden ist, ist dem für den 1. Januar 1885 ermittelten Werte der Betrag hinzuzurechnen, um den das Grundstück durch Einführung der Rayonbeschränkung an Wert gemindert worden ist. 21 Das war gemäß § 72 der 1. April 1911. 22 und zwar der gemeine Wert, § 12. Die in Anm. 16 empfohlene Ermittelung der Grund­ steuermerkmale wird namentlich in Fällen des § 17 Abs. 4 zweckmäßig sein. — Auf das Jahr 1885 wird bis 1925 zurückzugehen sein.

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XII. Abschn.

Finanzrecht.

§ 19. Bei einem aus Anlaß einer Flurbereinigung, Grenzregelung oder Umlegung (§ 7 Zisf. 7) empfangenen Grundstück ist als Erwerbspreis das Entgelt anzusehen, das der Eigen­ tümer oder sein Rechtsvorgänger für das in die Flurbereinigung, Grenzregelung oder Um­ legung gegebene Grundstück gezahlt hat. Ausgleichszahlungen, die bei der Flurbereinigung, Grenzregelung oder Umlegung stattgefunden haben, sind entsprechend anzurechnen. Hat der Eigentümer oder sein Rechtsvorgänger bei der Flurbereinigung, Grenzregelung oder Umlegung mehrere Grundstücke empfangen, so werden deren Erwerbspreise aus dem im Abs. 1 bezeichneten Entgelt nach dem Verhältnis berechnet, in welchem die Werte der empfangenen Grundstücke im Zeitpunkt der Flurbereinigung, Grenzregelung oder Um­ legung zueinander gestanden haben. § 20. Beschränkt sich der steuerpflichtige Rechtsvorgang auf einen Teil eines Grundstücks, so wird der Erwerbsprcis dieses Teiles nach dem Verhältnis seines Wertes zum Werte des Gesamtgrundstücks berechnet.^ Unentgeltliche dauernde Überlassung von Grundstücken für Verkehrszwecke, für öffent­ liche oder gemeinnützige Zwecke wird in der Weise berücksichtigt, daß der Gesamterwerbs­ preis nicht auf die ursprüngliche, sondern auf die nach der Abtretung verbleibende Fläche verteilt wird. Hierzu ist nicht erforderlich, daß eine Eigentumsübertragung erfolgt ist. Werden Teile eines örtlich und wirtschaftlich zusammenhängenden Grundbesitzes^ durch verschiedene Rechtsvorgänge von demselben Veräußerer oder von dessen Erben innerhalb dreier Jahre übertragen, so ist der Steuerpflichtige berechtigt, von dem Wertzuwachse des einen Teiles des Grundstücks einen bei der Veräußerung anderer Teile eingetretenen Ver­ lust abzuziehen. Die Zuwachssteuer wird bei den einzelnen Rechtsvorgängen fällig; etwa zuviel gezahlte Steuer wird nach dem letzten Rechtsvorgang erstattet. § 21. Bei Teilveräußerungen sind nur diejenigen Aufwendungen (§ 14 Zisf. 3, 4) an­ zurechnen, welche diesen Teil ausschließlich oder gemeinschaftlich mit anderen Teilen be­ treffen. Im letzteren Falle erfolgt die Anrechnung nach dem Verhältnis des Wertes, den die Grundstücksteile zur Zeit der Veräußerung haben. § 22. Von dem Veräußerungspreise sind in Abzug zu bringen:18 1. die dem bisherigen Eigentümer nachweislich zur Last fallenden Kosten der Veräuße­ rung und Übertragung einschließlich der für die Vermittelung gezahlten ortsüblichen

Gebühr,2b sofern nicht an Stelle des Veräußerungspreises der Wert maßgebend ist; 23 § 20 bezieht sich auch auf die Parzellierung einer Grundstücksgesamtheit. Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 1 ist aber, daß das Gesamtgrundstück oder die Grundstücksgesamtheit — die eine wirtschaftliche, wenn auch nicht örtlich verbundene Einheit darstellen muß — einheitlich erworben oder am 1. Januar 1885 eine wirtschaftliche Einheit darstellte, A.Mitt. 1911, S. 122 und 161; 1912, S. 149. Dazu A Best. § 23 Abs. 2: Ist das veräußerte Grundstück Teil eines größeren Gesamtgrundstücks, welches demnächst ebenfalls in Teilstücken zur Veräußerung gelangen sott, so sind die Berechnungsgrundlagen durch Verhandlung mit dem Steuerpflichtigen nach Maßgäbe des Abs. 1 tunlichst für alle Grundstücke festzulegen. Die Bestimmung des Abs. 1 Satz 3 findet entsprechende Anwendung. — Abs. 1 bestimmt: Erweisen sich einzelne der für die Steuerberechnung maßgebenden Unterlagen als nicht feststellbar, so ist das Zuwachssteueramt berechtigt, an ihrer Stelle eine im Vergleichsweg festzusetzende Summe der Berechnung zugrunde zu legen. Der Vergleich ist von dem Steuerpflichtigen zu unterzeichnen und von dem Vorsteher des Zuwachssteuer­ amts sowie zwei Mitgliedern dieses Amtes zu genehmigen. In dem Vergleich ist zu bemerken, daß die Steuerbehörde zurücktreten kann, wenn die Tatsachen, auf denen er beruht, von dem Steuer­ pflichtigen absichtlich oder fahrlässig zu seinen Gunsten unrichtig angegeben sind. Dazu Preuß. A.Anw. Zisf. 10: Wo das Zuwachssteueramt nur aus einer Person besteht, sind bei Vergleichen zwei Mitglieder der Vertretung des kommunalen Verbandes, welchem jener Beamte angehört, zur Genehmigung heranzuziehen. Sofern bei einem Vergleiche der Unterschied zwischen Erwerbs- und Veräußerungspreis ohne Be­ rücksichtigung der anzurechnenden Aufwendungen einen Steuerertrag von mehr als 20000 Ji er­ warten läßt, ist der Vergleich nur vorbehaltlich der Zustimmung des Reichsbevollmächtigten ab­ zuschließen. 24 Dieser Begriff ist enger als der des Gesamtgrundstücks nach Abs. 1, insofern der in Abs. 3 be­ zeichnete Grundbesitz auch örtlich zusammenhängen muß. 25 Vgl. § 14 Abs. 1. —Reklame- und Propagandakosten fallen nicht darunter, vgl. A.Mitt. 1913, S. 8 und zu § 22 überhaupt A.Mitt. 1911, S. 124.

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14. Zuwachssteuergesetz.

2. auf Antrag des Veräußerers der Betrag, um den nachweislich während des für die Steuerberechnung maßgebenden Zeitraums, jedoch nicht länger als für fünfzehn zusammenhängende Jahre,** der aus dem Grundstück erzielte Jahresertrag hinter drei vom Hundert des Erwerbspreises zuzüglich der nach § 14 Ziff. 1 bis 3 zulässigen An­ rechnungen zurückbleibt. Ist statt des Erwerbspreises der Wert zu einer späteren Zeit als der des Erwerbes maßgebend (§ 17 Abs. 3 und 4), so sind die drei vom Hundert nicht von diesem Werte, sondern von dem Erwerbspreis zu berechnen, den der Steuerpflichtige oder sein Rechtsvorgänger vor jener Zeit bei einem steuerfreien oder steuerpflichtigen Erwerbe gezahlt hat. § 23. Dem Veräußerungspreise sind hinzuzurechnen Entschädigungen für eine WertMinderung des Grundstücks, soweit der Anspruch während des für die Steuerberechnung maßgebenden Zeitraums nach dem 1. Januar 1911 entstanden und der Betrag nicht nach­ weislich zur Beseitigung des Schadens verwendet worden ist. § 24. Wird die Zahlung der Zuwachssteuer nach dem Vertrage von dem Erwerber über­ nommen, so ist ein nach den sonstigen Vorschriften dieses G. berechneter Steuerbetrag dem Veräußerungspreise hinzuzuzählen und hiernach die Steuer festzusetzen.^ § 25. Im Falle der steuerpflichtigen Überlassung eines gemeinschaftlichen Grundstücks an einen Mtberechtigten oder Gesellschafter bleibt für die Bemessung des Wertzuwachses der Anteil des Erwerbers außer Betracht. Beim Eintritt des nächsten Steuerfalls ist der WertZuwachs, der für den Anteil des Erwerbers seit dem letzten vor der Auseinandersetzung ge­ legenen steuerpflichtigen Rechtsvorgang entstanden ist, und der für die Antelle der früheren Mitberechtigten oder Gesellschafter seit der Auseinandersetzung eingetretene Wertzuwachs gesondert zu versteuern. § 26. Bei der Vertauschung ist die Zuwachssteuer für jeden Tauschgegenstand gesondert zu berechnen und zu erheben. § 27. Erfolgt der Erwerb auf Grund mehrerer aufeinanderfolgender Rechtsgeschäfte von dem bisherigen Berechtigten an den letzten Erwerber, so gilt der von dem ersteren gezahlte Preis als Erwerbspreis und die Gesamtheit der Beträge, um die sich der Preis des Grund­ stücks zwischen je zwei Rechtsgeschäften erhöht hat, als Wertzuwachs. Das gleiche gilt, falls vor dem Übergang an den letzten Erwerber die Steuerpflicht gemäß § 5 eingetreten ist, mit der Maßgabe, daß für den Übergang an den letzten Erwerber als Erwerbspreis das Entgelt bestimmend ist, das bei der früheren Versteuerung als Veräußerungspreis zugrunde gelegt worden ist. Als Rechtsgeschäfte im Sinne des Abs. 1 sind auch Vorgänge der im § 5 Abs. 3 bezeich­ neten Art anzusehen. § 28. Die Steuer beträgt: 10 vom Hundert bei einer Wertsteigerung von nicht mehr als 10 vom Hundert des Be­ trags, der sich aus dem Erwerbspreis und den Zu- und Abrechnungen (§§ 14 bis 16, 21) zusammensetzt, 11 v. H. bei einer Wertsteigerung von mehr als 10 v. H. bis einschl. 30 v. H. dieses Betrags, 12...................... 13............. „ 14...................... 15 „ .. „ 16 „ „ „ 17 ............. 18 ......................



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26 D. s. Zeitjahre des Besitzes, nicht Kalenderjahre; ebenso in § 28 Abs. 2. 27 Es haben also zwei Berechnungen zu erfolgen: Zunächst des Steuerbetrages, der sich nach den sonstigen Vorschriften des G. ergibt, sodann die Steuer von dem um den ersten Steuerbetrag er­ höhten Veräußerungspreise.

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XII. Abschn.

Finanzrecht.

19 v. H. bei einer Wertsteigerung von mehr als 170 v. H. bis einschl. 190 v. v>. dieses Betrags, „ 200 ............... 190 „ „ „ „ „ 200 „ „ „ 210............... „ „ 220 „ „ „ „ „ 210 „ „ „ ,, „ 230 I I I „ „ „ 220 „ „ „ „ „ „ „ 240 „ „ „ „ „ 230 I „ „ „ „ „ „ 250 I I I „ „ „ „ „ 240 „ „ „ „ „ „ „ „ 260 .............. „ „ „ „ „ „ „ „ 250 „ „ „ „ „ 270 „ „ „ „ 260 „ „ „ „ „ „ „ „ „ „ 280 „ „ „ „ „ „ 270 „ „ „ „ „ „ „ „ „ ,/ „ 290 „ „ „ „ „ „ „ „ „ 280 „ „ „ „ „ 30 // „ „ „ „ 290 „ „ dieses Betrags. Die Steuer ermäßigt sich für jedes vollendete Jahr des für die Steuerberechnung maß­ gebenden Zeitraums 2* um eins v. H. ihres Betrags. Ist das Grundstück vor dem 1. Januar 1900 erworben, so beträgt die Ermäßigung für die Zeit bis zum 1. Januar 1911 eineinhalb v. H. jährlich. Steuerbeträge, die im ganzen unter 20 M bleiben,29 werden nicht erhoben. 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

§ 2K. Die Entrichtung der Zuwachssteuer liegt demjenigen ob, dem das Eigentum an dem Grundstück vor dem die Steuerpflicht begründenden Rechtsvorgange zustand?" Mehrere Steuerpflichtige haften als Gesamtschuldner.^ Kann die Steuer von dem Veräußerer nicht beigetrieben werden, so hastet der Erwerber für die Steuer bis zum Betrage von zwei vom Hundert des Veräußerungspreises. Diese Bestimmung findet keine Anwendung beim Erwerb im Wege der Zwangsversteigerung. Die Haftung fällt fort, sobald der Veräußerer einen entsprechenden Betrag gezahlt oder sichergestellt hat. § 30. Von der Steuerpflicht (§ 29 Abs. 1) befreit sind: 1. der Landesfürst und die Landesfürstin; 2. das Reich; 3. die Bundesstaaten und Gemeinden (Gemeindeverbände),^ in deren Bereich das Grund­ stück sich befindet; 4. Vereinigungen aller Art, welche, ohne Erwerbszwecken zu dienen, satzungsgemäß sich mit innerer Kolonisation, Arbeiteransiedelung, Grundentschuldung oder Errichtung von Wohnungen für die minderbemittelten Klassen befassen, falls sie den zur Ver­ teilung gelangenden Reingewinn auf eine höchstens vierprozentige Verzinsung der Kapitaleinlagen beschränken, den Mitgliedern, Geschäftsführern oder sonstigen Be­ teiligten auch nicht in anderer Form besondere Vorteile gewähren, bei Auslosung, Austritt eines Mitglieds oder für den Fall der Auflösung nicht mehr als den Nenn­ wert ihrer Anteile zusichern und bei der Auflösung den etwaigen Rest ihres Vermögens für die vorbezeichneten Zwecke bestimmen. Ob diese Voraussetzungen zutreffen, ent­ scheidet der Bundesrat.^ Er ist auch ermächtigt, solchen Bereinigungen der vorbezeichneten Art Steuerfreiheit zuzubilligen, die eine höchstens fünfprozentige Ver­ zinsung der Kapitaleinlagen gewähren. § 31. Durch die Landesgesetzgebung können Ausnahmen von der Bestimmung der Ziff. 1 28 D. i. der Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung, nach vollen Zeitjahren, vgl. Anm. 20. 29 und zwar bei dem einzelnen Steuerfalle, A.Mitt. 1913, S. 12, 13. Das Steuerermittelungs­ verfahren ist dann einzustellen; vgl. auch A.Best. § 13 Abs. 3. 30 Also regelmäßig dem Veräußerer. Der Erwerber kann erst herangezogen werden, wenn die Beitreibung der Steuer vom Veräußerer fruchtlos ausgefallen ist. 31 Nach A.Best. § 19 unterliegt es dem Ermessen des Zuwachssteueramts, welchem von mehreren Veräußerern es die Aufforderung zur Zuwachssteuererklärung zugehen lassen will. 32 Nur politische Gemeinden oder Gemeindeverbände, nicht Kirchen- und Schulgemeinden oder derartige Verbände. 33 Der Antrag auf Steuerbefreiung ist aber an die Oberbehörde zu richten, nach Preuß. A.Anw. Ziff. 1 also an die Kommunalaufsichtsbehörde über das betreffende Zuwachssteueramt.

14. Zuwachssteuergesetz.

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des § 30 zugunsten der Gemeinden (Gemeindeverbände) gemacht werden. Wo solche landesgesetzlichen Bestimmungen bereits bestehen, behält es dabei sein Bewenden. § 32. Gehen dem Eintritt der Steuerpflicht mehrere aufeinanderfolgende Rechtsgeschäfte der im § 5 bezeichneten Art voraus (§ 27), so haften die an einem dieser Rechtsvorgänge als Veräußerer Beteiligten für die Steuer neben dem Steuerpflichtigen als Gesamtschuldner. Im Verhältnis der Beteiligten zueinander haftet jeder Veräußerer für die Steuer nur in der Höhe, in der er haften würde, wenn der Übergang auf Grund des von ihm geschlossenen Veräußerungsgeschäfts erfolgt wäre. Ist die Vornahme des steuerpflichtigen Rechtsvorganges unter Mitwirkung eines Bevoll­ mächtigten oder durch die Tätigkeit eines Vermitllers mit der Maßgabe erfolgt, daß diesen der einen gewissen Betrag übersteigende Teil des Preises verbleibt, so haftet für den auf den Mehrerlös entfallenden Teil der Steuer neben dem Veräußerer als Gesamtschuldner der­ jenige, dem der Mehrerlös zukommt. Liegt der die Haftung begründende Rechtsvorgang vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, so finden die Vorschriften der Abs. 1, 2 keine Anwendung. § 33. Jeder, der nach den Vorschriften des § 32 Abs. 1 für die Entrichtung der Abgabe haftet, ist berechtigt, innerhalb eines Monats nach Vornahme des die Haftpflicht begründenden Rechtsvorganges die Festsetzung und Erhebung der Abgabe von dem Wertzuwachse zu beantragen, der bis zu dem die Haftpflicht begründenden Rechtsvorgang entstanden ist. Bei der nächsten Versteuerung bemißt sich die Abgabe nach dem Steuersätze, der bei Ein­ rechnung dieses Wertzuwachses anzuwenden wäre. § 34. Ist im Falle des § 5 das steuerpflichtige Rechtsgeschäft nichtig oder aufgehoben, so ist nach näherer Bestimmung des Bundesrats die Abgabe auf Antrag zu erlassen. Dasselbe gilt, wenn wegen Nichterfüllung der Vertragsbedingungen das Rechtsgeschäft rückgängig gemacht oder das Eigentum zurückübertragen wird. Ferner ist in den Fällen der Preis­ minderung nach §§ 459, 460 BGB. der Veräußerungspreis entsprechend zu ermäßigen und die Steuer entsprechend zurückzuzahlen.34 Wird das Grundstück auf den bisherigen Eigentümer wieder übertragen, so kann nach näherer Bestimmung des Bundesrats die Abgabe erlassen werden. Die Abgabe muß erlassen werden, wenn die Rückübertragung innerhalb zweier Jahre seit der Veräußerung erfolgt. Wird die Steuer erlassen, so gilt die Veräußerung im Sinne dieses G. als nicht erfolgt. § 35. Für die Verwaltung und Erhebung der Zuwachssteuer ist der Bundesstaat zuständig, in welchem sich das Grundstück befindet.33 Die Verwaltung der Zuwachssteuer erfolgt durch die von der Landesregierung hierzu be­ stimmten Stellen.36 § 36. Die Reichsbevollmächtigten für Zölle und Steuern üben in Ansehung der Aus­ führung dieses G. dieselben Rechte und Pflichten aus, die ihnen bezüglich der Zölle und Verbrauchssteuern beigelegt sind. In Staaten, in denen die Geschäfte der Oberbehörde für die Zuwachssteuer anderen Behörden als den Zolldirektivbehörden übertragen finb,37 werden der Umfang und die Art 34 A.Best. §§ 29 ff. Preuß. A.Anw. Ziff. 14, 15. 86 und innerhalb des Bundesstaates dasjenige Zuwachssteueramt, in dessen Bezirk das veräußerte Grundstück liegt. 36 Preuß. Ausf.G. §1: Die Zuwachssteuer wird in den Stadtgemeinden durch den Gemeinde­ vorstand, in den Landgemeinden und Gutsbezirken durch den Kreisausschuß veranlagt. Für Stadtgemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern hat die Veranlagung auf ihren Antrag durch den Kreisausschuß zu erfolgen. Auf Antrag von Landgemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern oder von solchen Landgemeinden, in denen eine Wertzuwachssteuer schon vor dem 1. Januar 1911 in Kraft war, ist die Veranlagung durch den Kreisausschuß dem Gemeindevorstande zu überweisen. 37 Dies ist geschehen durch Preuß. A.Anw. A Ziff. 1: Oberbehörden i. ein. 41 § 2 Preuß. Ausf.G., abgedruckt bei Anm. 40. 48 Der Ausdruck „bis dahin" ist nicht näher erläutert; dem Antrage wird wohl also jederzeit stattzugeben sein. Über die Behandlung solcher Anträge s. A.Best. § 33. 44 A.Best. § 27. 46 Auch nicht zur Vollstreckung der Strafe, § 55. 44 oder nicht rechtzeitige Erfüllung; in jedem Falle ist zu prüfen, ob die Zuwiderhandlung gegen § 50 Abs. 1 oder 2 mit der Absicht der Steuerhinterziehung erfolgt ist oder nicht, wegen der in § 51 gegebenen Folgen.

14. Zuwachssteuergesetz.

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§ 52, Die Einziehung der Zuwachssteuer erfolgt unabhängig von der Bestrafung.4? § 53, Die Strafe trifft jeden, der eine der in den §§ 50, 51 vorgesehenen Zuwiderhand, lungen begeht. Die Strafe ist bei Offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien gegen die zur Vertretung berechtigten Gesellschafter, bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung gegen die Geschäftsführer, bei Genossenschaften, Aktiengesellschäften und sonstigen rechtsfähigen Vereinen gegen die Vorstandsmitglieder nur im einmaligen Betrage, jedoch unter Haftung jedes einzelnen als Gesamtschuldner festzusetzen. Ebenso ist in anderen Fällen zu verfahren, in denen mehrere Personen gemeinschaftlich oder als Vertreter eines Beteiligten sich strafbar gemacht haben. Die Vorschrift des Abs. 2 Satz 1 findet entsprechende Anwendung im Verhältnis des Vollmachtgebers zum Bevollmächtigten, der innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vollmachtgebers eine Handlung vornimmt, die eine strafbare Zuwiderhandlung enthält. § 54, Hinsichtlich des Verwaltungsstrafverfahrens, der Strafmilderung und des Erlasses der Strafe int Gnadenwege sowie hinsichtlich der Strafvollstreckung und der Verjährung der Strafverfolgung kommen, auch für die Gebietsteile außerhalb der Zollgrenze, die sich auf die Zollstrafen beziehenden Vorschriften zur Anwendung. Die Landesregierung ist ermächtigt, zu bestimmen, daß an die Stelle der Hauptzollämter und Zolldirektivbehörden andere Staatsbehörden treten.48 Die Steuerbehörden haben in den Fällen der §§ 50, 51 den für die Strafverfolgung zuständigen Behörden Mitteilung zu machen. Die festgesetzten Geldstrafen fallen der Staatskasse des Bundesstaats zu, von dessen BeHörden die Strafentscheidung getroffen ist. § 55, Die Umwandlung einer nicht beizutreibenden Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe findet nicht statt. Auch ist, wenn der Verurteilte ein Deutscher ist, die Zwangsversteigerung eines Grundstücks ohne seine Zustimmung nicht zulässig.48 § 56, Das Verwaltungsverfahren in Zuwachssteuerangelegenheiten ist — abgesehen von dem Rechtsmittel- und Strafverfahren — kosten-, gebühren- und stempelfrei, soweit nicht in den §§ 40 Abs. 2, 47 Abs. 2 etwas Abweichendes bestimmt ist. § 57, Der Anspruch auf die Zuwachssteuer verjährt in zehn Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem der Anspruch auf die Steuer entstanden ist; im Falle der Sicherheitsleistung (§ 48) nicht vor Ablauf des Jahres, in welchem die Sicherheit erlischt. § 58, Von dem Ertrage der Zuwachssteuer erhält das Reich fünfzig vom Hundert.48 Weitere zehn vom Hundert erhalten, sofern nicht die Landesgesetzgebung eine andere Bestimmung trifft, die Bundesstaaten als Entschädigung für die Verwaltung und Erhebung 47 A.Best. 8 26. 48 Preuß. A Anw. Ziff. A 2: An die Stelle der Hauptzollämter i. S. der für das Verwaltungsstrafverfahren, die Strafmilderung und den Erlaß der Strafe int Gnadenwege, sowie hinsichtlich der Strafvollstreckung und der Verjährung der Strafverfolgung geltenden ZollstrafVorschriften (§ 54 Abs. 1 des RG., Verwaltungsstrafgesetz v. 26. Juli 1897, GS. 237) treten für den Umfang der Stadtkreise die Regierungspräsidenten, für den Umfang der Landkreise (Ämter) die Landräte (Oberamtmänner). An die Stelle der Zolldirektivbehörden treten im ersten Falle die

Oberpräsidenten, int zweiten die Regierungspräsidenten; für Berlin---------- der Oberpräsident und Minister des Innern. 48 Abgeändert durch RG. über Änderung im Finanzwesen (Anm. 1) § 1: Für alle nach dem Zuw.StG. nach dem 30. Juni 1913 eintretenden Fälle der Steuerpflicht fällt die Erhebung des Reichsanteils fort. Für die Erhebung der Zuwachssteuer in den Gemeinden (Gemeindeverbänden) und Bundes­ staaten gilt das bisherige Recht mit folgenden Maßgaben: 1. In entschädigungsberechtigten Gemeinden der im § 60 Abs. 1 bezeichneten Art wird bis zum 1. April 1915 der auf das Reich entfallende Anteil zugunsten der Gemeinde weiter erhoben. 2. Für entschädigungsberechtigte Gemeinden der im § 60 Abs. 2 erwähnten Art kann die Landeszentralbehörde anordnen, daß die Satzungen, die vor dem 1. Januar 1911 bestanden

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XII. Abschn. Finanzrecht.

der Steuer. Vierzig vom Hundert fließen den Gemeinden oder Gemeindeverbänden zu, in deren Bereiche das Grundstück sich befindet. Die Regelung zwischen Gemeinden und Ge meindeverbänden, soweit diesen nach den Bestimmungen der Landesgesetzgebung ein BeBesteuerungsrecht zusteht, sowie in Ansehung von Grundstücken, die keiner Gemeinde ange­ hören, erfolgt durch die Landesgesetzgebung. Bis zum Erlasse des Landesgesetzes fließen die vierzig vom Hundert den Gemeinden zu, in deren Bereiche das Grundstück sich befindet; in Ansehung von Grundstücken, die keiner Gemeinde angehören und in den Fällen, in denen bisher ein Gemeindeverband Zuwachssteuer erhoben hat, erfolgt bis dahin die Regelung durch die Landesregierung. § 59. Die Gemeinden (Gemeindeverbände) sind berechtigt, mit Genehmigung der Landes­ regierung durch Satzung zu bestimmen, daß zu dem Anteil, der ihnen nach § 5.8 von dem Ertrage der Steuer zufließt, für ihre Rechnung Zuschläge erhoben werden. Die Zuschläge sind nach Hundertteilen zu berechnen; sie dürfen im einzelnen Falle ein­ hundert vom Hundert des der Gemeinde (Gemeindeverbande) zufließenden Betrags nicht übersteigen. Die Zuschläge dürfen für die verschiedenen Grundstücksarten und nach der Dauer des für die Steuererhebung maßgebenden Zeitraums verschieden festgesetzt werden. Reichssteuer und Zuschlag dürfen zusammen dreißig vom Hundert der Wertsteigerung nicht übersteigen. § 60. Erreicht in Gemeinden (Gemeindeverbänden), in denen eine Zuwachssteuer vor dem 1. April 1909 beschlossen und vor dem 1. Januar 1911 in Kraft getreten war, deren Anteil am Ertrage der Zuwachssteuer gemäß § 58 nicht den auf Grund der vor dem 1. April 1909 beschlossenen Satzung erzielten jährlichen Durchschnittsertrag, so ist ihnen bis zum 1. April 1915 der Unterschied aus dem auf das Reich entfallenden Anteil an dem in der Ge­ meinde (dem Gemeindeverband) aufkommenden Ertrage zuzuweisen;^ von dem über­ schießenden Betrage fallen dem Reiche fünf Sechstel, dem Bundesstaat ein Sechstel zu. Das gleiche gilt für Gemeinden (Gemeindeverbände), in denen die Satzung vor dem 1. Januar 1911 mit Wirkung über den 1. April 1909 zurück in Kraft getreten ist. Statt der Zuweisung des Unterschieds kann den Gemeinden (Gemeindeverbänden) auf Antrag nach Bestimmung des Reichskanzlers für die Dauer des bezeichneten Zeitraums an Stelle der Vorschriften dieses G. die bisherige Satzung weiterhin mit der Maßgabe belassen werden,^ daß der Ertrag den Gemeinden (Gemeindeverbänden) in Höhe des vor dem 1. April 1911 erzielten Durchschnittsertrags zufließt und der überschießende Betrag an das Reich abzuführen ist. Die Festsetzung des Durchschnittsertrags erfolgt durch den Bundesrat. § 61. Für diejenigen Gebietsteile eines Bundesstaats, in denen eine besondere Gemeinde­ verfassung nicht vorhanden ist, finden die in den §§ 58 bis 60 für Gemeinden getroffenen Vorschriften auf den Bundesstaat Anwendung. haben, mit Wirkung von diesem Tage ab weitere Geltung haben. Der über den Durch­ schnittsertrag hinausgehende Betrag verbleibt der Gemeinde. Die Vorschriften der vorstehenden Ziff. 1 und 2 finden auf die im § 61 erwähnten Bundes­ staaten entsprechende Anwendung. 3. Die im Zuw.StG. dem Bundesrat oder dem Reichskanzler übertragenen Befugnisse gehen auf die Landeszentralbehörde über. Diese ist befugt, sie auf Nachgeordnete Behörden zu übertragen. 4. Die Zuwachssteuerämter sind befugt, mit Genehmigung der Oberbehörde oder einer an­ deren von der Landeszentralbehörde zu bestimmenden Stelle von der Veranlagung und Erhebung der Zuwachssteuer insoweit abzusehen, als die Beranlagungskosten außer Ver­ hältnis zum Ertrage stehen würden. Durch Landesgesetz oder in Gemäßheit des Landesrechts durch ortsstatutarische Vorschrift kann eine andere Regelung der Besteuerung des Wertzuwachses getroffen werden. Dazu Preuß. MErl. v. 14. Juli 1913 (MBl. 161): Durch § 1 des RG. v. 3. Juli 1913 ist die Auto­ nomie der Gemeinden und Kreise zur Besteuerung des Wertzuwachses (§ 13 KAbgG., § 6 Kreis- und ProvAbgG.) wiederhergestellt worden. So wünschenswert es erscheint, daß die Selbst­ verwaltungskörper diese Freiheit demnächst benutzen, so erscheint es doch angezeigt, daß vor end­ gültiger Regelung, insbesondere des Verhältnisses zwischen Staat, Gemeinde und Kreis, keiner Steuer­ ordnung ---------- die Genehmigung erteilt wird.

14. Zuwachssteuergesetz.

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Die Vorschriften des § 60 erstrecken sich auch auf die Bundesstaaten mit der Maßgabe, daß überall an die Stelle der Satzung das Landesgesetz tritt. § 62. Die Steuerpflicht nach Maßgabe dieses G. erstreckt sich auch auf Rechtsvorgänge, die nach betn 31. Dezember 1910 bis zum Inkrafttreten dieses ®.21 stattgefunden haben. Die Vorschriften des § 29 Abs. 2, 3 finden keine Anwendung. Als Zeitpunkt des Eintritts der Steuerpflicht und als Beginn der Anmeldepflicht (§ 37) gilt der Tag des Inkrafttretens dieses ®.21 Ist auf Grund der im § 72 Abs. 2 mit Wirkung vom 1. Januar 1911 aufgehobenen Vor­ schriften eine Zuwachssteuer bereits entrichtet,^ so wird sie dem Steuerpflichtigen erstattet oder, soweit für denselben Rechtsvorgang Zuwachssteuer nach diesem G. zu erheben ist, auf deren Betrag angerechnet. § 63. Die Besteuerung ^ unterbleibt, wenn die Urkunde über das Veräußerungsgeschäft, das zu dem Eigentumsübergange führte, vor dem 1. Januar 1911 in öffentlich beglaubigter Form errichtet oder bei einer Behörde eingereicht war. § 64. Betrifft ein steuerpflichtiger Rechtsvorgang Grundstücke, die von Aktiengesell­ schaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien oder Gesellschaften und Vereinigungen der im 8 3 bezeichneten Art nach dem 31. März 1905 erworben sind, so tritt bei Erwerbsvorgängen, die vor dem 1. Januar 1911 erfolgt sind, an die Stelle des Erwerbspreises der Wert, sofern dieser um mehr als fünfundzwanzig vom Hundert hinter dem angegebenen Erwerbspreis zurückbleibt und sich nicht aus den Umständen ergibt, daß die höhere Bemessung des Erwerbs­ preises keine Steuerersparung bezweckt. § 65. Hat vor dem 1. Januar 1911 eine Auseinandersetzung gemäß § 7 Ziff. 3 statt­ gefunden, so bleibt die Steuerpflicht für die Zeit vor der Auseinandersetzung auf den Anteil des Erwerbers beschränkt. Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn die Zuweisung an einen Erben unter Anrechnung auf den Erbteil auf letztwilliger Verfügung von Todes wegen beruht und der Erbfall vor dem 1. Januar 1911 eingetreten ist. Hat einer von mehreren Abkömmlingen gemäß § 7 Ziff. 4 von seinen Eltern, Großeltern oder Voreltern vor dem 1. Januar 1911 gegen Entgelt ein Grundstück erworben, so bleibt für die Zeit vor dem Erwerbe die Steuerpflicht auf den Anteil beschränkt, der dem Erwerber als gesetzliches Erbteil ohnehin angefallen sein würde. Ist von dem Anteil des Erwerbers für die Zeit vor dem 1. Januar 1911 eine Zuwachs­ steuer bereits entrichtet, so wird diese Steuer auf die nach diesem Gesetze zu entrichtende Ab­ gabe angerechnet. § 66. Der Bundesrat erläßt die zur Ausführung dieses G. erforderlichen Bestimmungen * und ist berechtigt, die nach diesem G. fällige Abgabe auch über den Anteil des Reichs hinaus aus Billigkeitsgründen zu erlassen. Er ist auch ermächtigt: 1. Rechtsvorgänge für steuerpflichtig zu erklären, die es — ohne unter §§ 1, 5 zu fallen — einem anderen ermöglichen, über das Grundstück wie der Eigentümer zu verfügen; 2. für solche Fälle über die Berechnung des Wertzuwachses Bestimmungen zu treffen, die von den §§ 8 bis 27 abweichen. Die vom Bundesrate gemäß Abs. 2 getroffenen Anordnungen sind dem Reichstag, wenn er versammelt ist, sofort, andernfalls bei seinem nächsten Zusammentreten vorzulegen. Sie sind mit Wirkung von ihrem Inkrafttreten ab außer Kraft zu setzen, soweit der Reichstag dies verlangt. § 67. Abs. 3 des § 85 RStempG. erhält folgende Fassung: Die Entgegennahme der Auflassung oder, wenn diese nicht vor dem Grundbuchrichter erfolgt, die Eintragung des neuen Eigentümers im Grundbuch kann nach dem Ermessen des Gerichts von einer vorgängigen Sicherheitsleistung für den Abgabenbetrag abhängig gemacht werden. Über Erinnerungen gegen die Anordnung der Sicherheitsleistung wird im Aufsichtsweg ent­ schieden. 60 für einen Rechtsvorgang, der in der Zeit vom 1. Januar bis 1. April 1911 stattgefunden hat. 61 nach diesem Reichsgesetze! Vgl. jedoch § 72.

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XII. Abschn. Finanzrecht.

§ 68. Der § 89 RStempG. v. 15. Juli 1909 (RGBl. 833) erhält mit Wirkung vom 1. Oktober 1909 ab folgende Fassung: Von Grundstücken, die auf Grund von Vorschriften gebunden sind, die nach den Art. 57, 58, 69 EinfG. z. BGB. von den Vorschriften des BGB. unberührt bleiben, ist an Stelle der Abgabe nach Tarifnummer 11 eine jährliche Abgabe von 1/90 v. H. des Wertes zu entrichten. Die Ermittelung des Wertes findet nach den Bestimmungen des § 16 des Erbschaftssteuer­ gesetzes v. 3. Juni 1906 (RGBl. 620) in dreißigjährigen Zeitabschnitten statt. Der erste dreißigjährige Abschnitt beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem das Grundstück der Bindung unterworfen wird, und sofern dieser vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes liegt, mit dem 1. Oktober 1909. Für die Zeit vom 1. Oktober 1909 bis zum 30. Juni 1914 wird zu der im Abs. 1 vorgesehenen Abgabe ein Zuschlag von Vqo vom Hundert des ermittelten Wertes jährlich erhoben. Die Abgabe ruht auf dem Grundstück und gilt als öffentliche Last im Sinne des § 10 Ziff. 3 des G. über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung. Grundstücke, zu deren rechtsgültiger Veräußerung weder eine landesherrliche oder sonstige Genehmigung noch die Zustimmung von Familienmitgliedern oder Dritten erforderlich ist und deren Veräußerungserlös nach den gesetzlichen oder hausverfassungsmäßigen oder stiftungs­ mäßigen Bestimmungen der freien Verwendung des Veräußerers unterliegt, gelten nicht als gebunden im Sinne der Vorschriften dieses Paragraphen. Von der Abgabe befreit sind der Landesfürst und die Landesfürstin. § 69. An die Stelle des § 90 RStempG. treten folgende Vorschriften: Bei Veräußerungen, die in die Zeit bis zum 30. Juni 1914 fallen, wird zu der in Tarifnummer 11 vorgesehenen Abgabe von y3 vom Hundert des Kaufpreises ein Zuschlag von einhundert v. H. erhoben. Nach dem 30. Juni 1914 wird der Steuersatz in Tarifnummer 11 von drei zu drei Jahren durch den Bundesrat einer Nachprüfung unterzogen. Übersteigt innerhalb des dreijährigen Zeit­ raums der durchschnittliche Jahresanteil des Reichs am Ertrage der Zuwachssteuer den Betrag von 25 000 000 JC, so ist der Steuersatz in Tarifnummer 11 mit Wirkung vom Beginne des der Feststellung folgenden Rechnungsjahrs für die folgenden drei Jahre nach näherer Bestimmung des Bundesrats entsprechend herabzusetzen. Die Vorschriften des Abs. 2 finden auf die Abgabe nach § 89 Anwendung. Insoweit die Ab­ gabe für eine Zeit bezahlt ist, für welche die Herabsetzung eintritt, ist vom Reiche entsprechender Rückersatz zu leisten. § 70. Die Befreiungsvorschrift am Schlüsse der Tarifnummer 11 des RStempG. wird dahin abgeändert: Befreit sind auf Antrag: 1. Grundstücksübertragungen der in a und d dieser Tarifnummer bezeichneten Art, wenn der stempelpflichtige Betrag bei bebauten Grundstücken 20000 M, bei unbebauten Grund­ stücken 5000 M nicht überschreitet. Erwirbt dieselbe Person von demselben Veräußerer durch verschiedene Nechtsvorgänge mehrere Grundstücke oder Grundstücksteile, so sind die Übertragungen steuerpflichtig, wenn der Wert zusammen die angegebenen Beträge über­ steigt, und die Umstände ergeben, daß der Erwerb zum Zwecke der Ersparung der Steuer in mehrere Rechtsvorgänge zerlegt worden ist. Was im Sinne dieser Vorschrift als be­ bautes und unbebautes Grundstück anzusehen ist, bestimmt sich nach dem § 1 Zuw.StG. Die Steuerfreiheit tritt nur ein, wenn weder der Erwerber und sein Ehegatte im letzten Jahre ein Einkommen von mehr als 2000 M gehabt haben, noch einer von ihnen den Grund­ stückshandel gewerbsmäßig betreibt. Wird festgestellt, daß der Erwerb für Rechnung eines Dritten erfolgt, so ist die Steuerfreiheit nur zu gewähren, wenn die Voraussetzungen für die Befreiung auch in der Person des Dritten vorliegen. Beurkundungen von Übertragungen der Rechte eines befreiten Erwerbers werden in betreff der Stempelpflichtigkeit auch dann wie Beurkundungen von Veräußerungen behandelt (a Abs. 2 Satz 1 dieser Tarifnummer), wenn der erste Erwerber das Veräußerungsgeschäft erweislich auf Grund eines Vollmachtsauftrags oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag für einen Dritten abgeschlossen hat und die Übertragung der Rechte dieses ersten Erwerbers an den Dritten erfolgt. 2. Eigentumsveränderungen, denen sich die Beteiligten aus Gründen des öffentlichen Wohles zu unterwerfen gesetzlich verpflichtet sind. § 71. Die Anmerkung zu Tarifnummer 11 RStempG. erhält in Abs. 1 folgende Fassung: Stempelabgaben unter 50 ^ werden nicht erhoben. Höhere Beträge, welche nicht ohne Bruch durch zehn teilbar sind, werden auf den nächst höheren durch zehn teilbaren Betrag abgerundet; Stempelbeträge über 5 M, welche nicht ohne Bruch durch fünfzig teilbar sind, werden auf den nächst höheren durch fünfzig teilbaren Betrag abgerundet. § 72. Dieses G. tritt mit dem 1. April 1911 in Kraft. Die Vorschriften der Landesgesetze und die Satzungen der Gemeinden und Gemeindeverbände, welche die Besteuerung des Zuwachses bei der Veräußerung von Grundstücken betreffen, treten mit

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Wirkung vom 1. Januar 1911 außer Kraft, soweit sie nicht gemäß § 60 aufrechterhalten werden. Die vor dem 1. Januar 1911 eingetretenen Rechtsvorgänge und die im § 63 bezeichneten Fälle des Eigentumsüberganges unterliegen auch dann nach diesen Gesetzen und Satzungen der Zuwachs­ steuer, wenn das Verfahren zur Feststellung der Steuer erst nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zum Abschluß kommt. Anlage zu Anm. 18: Berechnung der Zuwachssteuer. 1. Erwerbspreis (oder Meistgebot usw.) am.......................................................................M .. 4 2. Wert des Grundstücks am.................................................................................................. „ .. „ 3. Davon geht ab Preis — Wert — der nicht steuerpflichtigen Gegenstände und Lasten gemäß §§ 10, 13...................................................................................... — „ .. „ bleibt Erwerbspreis — M .. 4 4. Hinzuzurechnen sind a) Erwerbskosten § 14 Ziff. 1 ,Ä ..4 b) ausgefallene Hypotheken § 14 Ziff. 2........................................... „ „ c) Aufwendungen für Bauten und Verbesserungen § 14 Ziff. 3 (abgesehen von denen zu e)............................................... „ .. „ Dabei abgezogen für Wertminderung — M .. 4 Hinzugerechnet 15% von............................„ .. „ und 5% von............................„ .. „ d) Aufwendungen für Straßenbauten usw. einschl. Zinsen nach § 14 Ziff. 4 - 8 16- ................................................. „ „ e) Verbesserungen von Moor- und Ödland, § 15........................... „ .. „ f) Zurechnungen gemäß § 16 2*1/2% 2 von — M .. 4 für — Jahre ............................... „ .. „ 2% von — M .. 4 (unbebaute Grundstücke) für — Jahre — ermäßigt auf die Hälfte —................................„ .. „ llA% von — M .. 4 (bebaute Grundstücke) für .... Jahre....................................................................... .... „ .♦ „ 5. Summe des für die Berechnung maßgebenden Erwerbspreises ................................M .. 6. Veräußerungspreis am...........................................................................M .. 4 7. Davon gehen ab a) Preis der nicht steuerpflichtigen Gegen­ stände und Lasten (§§ 10, 13) .................... M .. ^ b) nachgewiesene Veräußerungskosten, § 22 c) Minderung nach § 22 Ziff. 2, und zwar 3% von — M .. 4 für — Jahre, abzüglich der nachgewiesenen Einnah­ men von — M .. .................... 8....................... Bleibt Veräußerungspreis .... M .. ^ 9. Hinzuzurechnen sind a) Entschädigungen gemäß § 23 ................................................... „ „ b) die vom Erwerber übernommene Zuwachssteuer gemäß untenstehender Berechnung,*) § 24................................ — „ .. „ 10. Summe des für die Berechnung maßgebenden Beräußerungspreises .... — „ .. „ 11. Hiernach beträgt die Wertsteigerung.............................................................................. M .. ^ oder —% des Erwerbspreises, wie er sich unter Berücksichtigung der Zu-und Abrechnungen berechnet. __________________ Übertrag: ---- M .. H *) Berechnung. 1. Veräußerungspreis (Ziff. 8 + 9a).................................................................................. M .. 2. Erwerbspreis (Ziff. 5)........................................... ... ........................................... — „ .. „ Wertsteigerung — M .. ^ oder —% des Erwerbspreises. Die Steuer beträgt nach § 28 Abs. 1 —% oder................................................... „ „ Sie ermäßigt sich nach § 28 Abs. 2 für volle — Jahre unt 1% =....................................................... M .. ^ für volle — Jahre um weitere y2% =....................................... „ „ Steuerbetrug gemäß § 24 des Gesetzes ---- M .. H 78 Reichelt, Berwaltungsgesetzbuch.

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XII. Abschn. Finanzrecht.

Übertrag: — Ji .. $ 12. Die Steuer beträgt daher nach § 28 Abs. 1.. .%ber Wertsteigerung (Ziff. 11) oder — „ .. „ 13. Sie ermäßigt sich nach § 28 Abs. 2 für — Jahre um 1% =...............................................................M .. $ für — Jahre um tveitexe y2% =................................... — „ .. „ 14. Die Steuer beträgt hiernach..............................................................................................M ..

IS. Kommunalabgabengesetz? Vom 14. Juli 1893 (GS. 152)? Teil I. Gemeindeabgaben. 1. Titel. Allgemeine Bestimmungen. § 1. Die Gemeinden^ sind berechtigt, zur Deckung ihrer Ausgaben und Bedürfnisse nach Maßgabe der Bestimmungen dieses G. Gebühren und Beiträge, indirekte und direkte Steuern zu erheben, sowie Naturaldienste 41 5zu 2 63fordern. 78 § 2. Die Gemeinden, dürfen von der Befugnis, Steuern zu erheben, nur insoweit Ge­ brauch machen, als die sonstigen Einnahmen, insbesondere aus dem Gemeindevermögen, aus Gebühren, Beiträgen und vom Staate oder von weiteren Kommunalverbänden den Gemeinden überwiesenen Mitteln zur Deckung ihrer Ausgaben nicht ausreichen. Auf Hundeund Lustbarkeits-, sowie auf ähnliche, durch besondere Rücksichten gebotene Steuern findet diese Bestimmung keine Anwendung? Durch direkte Steuern darf nur der Bedarf aufgebracht werden, welcher nach Abzug des Aufkommens der indirekten Steuern von dem gesamten Steuerbedarfe verbleibt? § 3. Gewerbliche Unternehmungen? der Gemeinden sind grundsätzlich so zu verwalten, daß durch die Einnahmen mindestens die gesamten durch die Unternehmung der Gemeinde erwachsenden Ausgaben, einschließlich der Verzinsung und der Tilgung des Anlagekapitals, aufgebracht werden. Eine Ausnahme ist zulässig, sofern die Unternehmung zugleich einem öffentlichen Interesse dient, welches anderenfalls nicht befriedigt wird. 2. Titel. Gebühren und Beiträge. tz4. (i) Die Gemeinden können für die Benutzung^ der von ihnen im öffentlichen Jnter1 Gültig jetzt irn ganzen Staatsgebiete außer Helgoland. — Ausf.-Anw. v. 10. Mai 1894, im folgen­ den kurz als AAnw. bezeichnet. 2 unter Berücksichtigung sämtlicher Abänderungen und Zusätze. 3 Nur politische Gemeinden, nicht auch Kirchen- und Schulgemeinden, weitere Kommunal­ verbände und auch nicht selbständige Gutsbezirke, auf welch letztere das KAbgG. nur nach Maßgabe der §§ 52, 53 Abs. 3 und 69 Abs. 4 Anwendung findet. Die Unterverteilung von Kom­ munallasten in den Gutsbezirken beschränkt sich, abgesehen von der Verteilung der Kreislasten, auf die Kosten der Armenpflege (§§ 8 ff. Preuß. Ausf.G. über den Unterstützungswohnsitz v. 8. März 1871, GS. 130) und auf die Kriegsleistungen (§ 8 des RG. v. 13. Juni 1873, RGBl. 129). In der Provinz Westfalen bewendet es bei § 26 Abs. 4 Wests. KrOg. AAnw. Art. 1 Nr. 2. 4 (5. § 68 des G. 5 Hunde- und Lustbarkeitssteuern sowie durch besondere, auch polizeiliche Rücksichten gebotene Steuern können also auch ohne finanziellen Bedarf erhoben werden. 6 Danach müßten direkte Steuern das allerletzte sein, was die Gemeinden erheben dürfen; doch soll ein „Zwang auf Einführung indirekter Steuern nicht stattfinden". Die Regel des § 2 Abs. 2 hindert auch nicht, daß Fonds für bestimmte Zwecke (Schulbau-, Pflasterungskosten usw.), deren Beschaffung auf einmal den Steuerpflichtigen zu schwer fallen würde, im Laufe der Jahre allmählich angesammelt werden, AAnw. Art. 2 Nr. 4. 7 D. s. privatwirtschaftliche, auf die Erzielung von Gewinn gerichtete Unternehmungen, für deren Benutzung kein Zwang besteht (z. B. Gasanstalten), im Gegensatze zu Veranstaltungen im Sinne des § 4. 8 Zu unterscheiden Benutzungsgebühren nach § 4 und Verwaltungsgebühren nach § 6. Erstere müssen unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 erhoben werden. Auf Verwaltungs­ gebühren, die gesetzlich eingeführt oder auf Grund der bestehenden Gesetzgebung von den zuständigen

15. Kommimalabgabengesetz.

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ef|e9 unterhaltenen Veranstaltungen (Anlagen, Anstalten und Einrichtungen) besondere Ver­ gütungen (Gebühren) erheben. (2) Tie Erhebung von Gebühren hat9 zu erfolgen, wenn die Veranstaltung einzelnen Gemeindeangehörigen oder einzelnen Klassen von solchen vorzugsweise zum Vorteile ge­ reicht und soweit die Ausgleichung nicht durch Beiträge (§ 9) oder eine Mehr- oder Minder­ belastung (§ 20) erfolgt. Die Gebührensätze sind in der Regel so zu bemessen, daß die Verwaltungs- und Unterhaltungskosten der Veranstaltung, einschließlich der Ausgaben für die Verzinsung und Tilgung des aufgewendeten Kapitals, gedeckt werden. (3) Besteht eine Verpflichtung zur Benutzung einer Veranstaltung für alle Gemeinde­ angehörigen oder für einzelne Klassen derselben, oder sind die Genannten auf die Benutzung der Veranstaltung angewiesen, so ist unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses, welchem die Veranstaltung dient, und der den einzelnen gewährten besonderen Vorteile eine entsprechende Ermäßigung der Gebührensätze gestattet; auch kann in Fällen dieser Art die Erhebung von Gebühren unterbleiben. (4) Auf Unterrichts- und Bildungsanstalten, auf Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten, sowie auf vorzugsweise den Bedürfnissen der unbemittelten Volksklassen dienende Ver­ anstaltungen finden vorstehende Bestimmungen (Abs. 2 und 3) keine Anwendung. Jedoch muß für den Besuch der von den Gemeinden unterhaltenen höheren Lehranstalten und Fachschulen ein angemessenes Schulgeld erhoben werden. (5) Andere Abweichungen von der im Abs. 2 vorgeschriebenen Bemessung der Gebühren sind nur aus besonderen Gründen gestattet. (e) Ein Zwang zur Erhebung von Chaussee-, Wege-, Pflaster- und Brückengeldern findet nicht statt. tz 5. Die bestehenden Vorschriften über die Verleihung des Rechts auf Erhebung von Chaussee-, Wege-, Pflaster-, Brücken-, Fähr-, Hafen-, Schleusengeldern und von anderen derartigen Verkehrsabgaben, sowie über die Feststellung der Tarife für solche werden durch dieses G. nicht berührt. j§ 6. Die Gemeinden, Amtsbezirke, Ämter und Landbürgermeistereien sind berechtigt, für die Genehmigung und Beaufsichtigung von Neubauten, Umbauten und anderen bau­ licken Herstellungen, sowie für die ordnungs- und feuerpolizeiliche Beaufsichtigung von Messen und Märkten, von Musikaufsührungen, Schaustellungen, theatralischen Vorstellungen und sonstigen Lustbarkeiten Gebühren zu erheben. Die Erhebung von Lustbarkeitssteuern schließt die Erhebung von Gebühren für die Beaufsichtigung der Lustbarkeit aus. Im übrigen bewendet es hinsichtlich der Befugnis der Gemeinden, für einzelne Hand­ lungen ihrer Organe Gebühren (Verwaltungsgebühren)* zu erheben, bei den bestehen­ den Bestimmungen.1* Die Gebühren müssen so bemessen werden, daß deren Aufkommen die Kosten des bezüg­ lichen Berwaltungszweiges nicht übersteigt.11 § 7. Gebühren sind im voraus nach festen Normen und Sätzen zu bestimmen. Eine Be­ rücksichtigung Unbemittelter ist nicht ausgeschlossen.1^ Behörden festgestellt worden sind, wie Paßgebühren, Eichgebühren, Gebühren der Standesämter, Gebühren im Verwaltungszwangsverfahren usw., beziehen sich die Vorschriften des G. nicht, AAnw. Art. 6 Rr. 3. 8 Trotz dieses öffentlichen Interesses kann ein Zwang zur Benutzung (und damit zur Gebührenerrtrichtung) nicht durch Ortsstatut, fonbem nur durch Polizeiverordnung eingeführt werden. 10 insbesondere der Sporteltaxordnuna v. 25. April 1825 (GS. 129). 11 z. B. die Sätze einer BaugebührenOg. nicht die durchschnittlichen jährlichen Kosten der örtlichen Baupoltzeiverwaltung. 11 Dazu das Deklarationsgesetz v. 24. Juli 1906 (GS. 376): Die §§ 7, 20, 27 KAbgG. stehen einer Abstufung der Gebühren und Steuersätze nicht entgegen. Insbesondere ist es zulässig, die Gebührensätze nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit bis zur gänzlichen Freilassung abzustufen und eityelne Grundstücksarien oder Besitzgruppen mit verschiedenen Sätzen zu den Steuern vom Grundbesitze heranzuziehen. Eteniowenig schließt § 27 a. a. O. aus, daß einzelne Grundstücksarten oder Besitzgruppen nach verschiedenen Normen besteuert werden.

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XII. Abschn.

Finanzrecht.

§ 8. Tie Festsetzung von (Gebühren bedarf in den Fällen des § 4 Abs. 3 und 5 und des 8 6 der Genehmigung." Tas Erfordernis der Genehmigung des Schulgeldes durch die Schulaufsichtsbehörde bleibt unberührt. § 9. (i) Tie Gemeinden können" behufs Deckung der Kosten für Herstellung und Unter­ haltung von Veranstaltungen, welche durch das öffentliche Interesse erfordert werden, von denjenigen Grundeigentümern und Gewerbetreibenden, denen hierdurch besondere wirtschaftliche Borteile erwachsen, Beiträge zu den Kosten der Veranstaltungen erheben. Tie Beiträge sind nach den Vorteilen zu bemessen." (2) Beiträge müssen in der Regel erhoben werden, wenn anderenfalls die Kosten, ein­ schließlich der Ausgaben für die Verzinsung und Tilgung des aufgewendeten Kapitals, durch Steuern aufzubringen sein würden. (3) Ter Plan der Veranstaltung ist nebst einem Nachweise der Kosten offenzulegen. Ter Beschluß der Gemeinde wegen Erhebung von Beiträgen ist unter der Angabe, wo und während welcher Zeit Plan nebst Kostennachweis zur Einsicht offenliegen, in ortsüblicher Weise mit dem Bemerken bekanntzumachen, daß Einwendungen gegen den Beschluß binnen einer bestimmt zu bezeichnenden Frist von mindestens 4 Wochen bei dem Gemeindevorstande anzubringen seien. Handelt es sich um eine Veranstaltung, welche nur einzelne Grund­ eigentümer oder Gewerbetreibende betrifft, so genügt an Stelle der Bekanntmachung eine Mitteilung an die Beteiligten. Ter Beschluß bedarf der Genehmigung." (4) Zu diesem Behufe hat der Gemeindevorstand den Beschluß nebst den dazu gehörigen Vorverhandlungen und der Anzeige, ob und welche Einwendungen innerhalb der gestellten Frist erhoben sind, der zuständigen Behörde einzureichen. (5) Der Beschluß der zuständigen Behörde ist in gleicher Weise zur Kenntnis der Beteiligten zu bringen, wie der Beschluß der Gemeinde bekanntgemacht worden ist. (6) Gegen den Beschluß der zuständigen Behörde steht den Beteiligten die Beschwerde offen. § 10. Die Vorschriften des G., betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften, v. 2. Juli 1875 (GS. 561) bleiben mit der Maßgabe in Kraft, daß die im § 15 daselbst vorgesehenen Beiträge nach einem anderen, als dem dort angegebenen Maßstabe, insbesondere auch nach der bebauungsfähigen Fläche, bemessen werden dürfen."

§ 11. Tie Vorschriften des G., betreffend die Erhebung von Marktstandsgeld, v. 26. April 1872 (GS. 513) bleiben unberührt. Ebenso behält es bei den Bestimmungen der G. über die Errichtung öffentlicher Schlacht­ häuser v. 18. März 1868 (GS. 277) und 9. März 1881 (GS. 273) sein Bewenden. Jedoch dürfen für die Schlachthausbenutzung Gebühren bis zu einer solchen Höhe erhoben werden, daß durch ihr jährliches Auskommen die Kosten der Unterhaltung der Anlage und des Be13 des Kreisausschusses für Landgemeinden, Bezirksausschusses für Stadtgemeinden, § 77 Abs. 1 dieses G., nicht dagegen der Zustimmung nach Abs. 3 daselbst. — Ebenso bedarf es der Ge­ nehmigung im Falle des § 4 Abs. 5. 14 AAnw. Art. 7 Nr. 3: In der Regel werden die Gemeinden sich über die Erhebung von Beiträgen vor der Aus­ führung einer Veranstaltung schlüssig zu machen haben. Unbedingt notwendig ist dies jedoch nicht. Das Gesetz gestattet die Erhebung von Beiträgen auch nach Ausführung einer Ver­ anstaltung. 15 Nach der Rechtsprechung des OVG. ist es ausschließlich Sache des Genehmigungsverfahrens (§ 9 Abs. 3), nicht aber des Streitverfahrens, nachzuprüfen, ob die beschlossenen Beiträge den indivi­ duellen Vorteilen der pflichtig gemachten Grundbesitzer und Gewerbetreibenden entsprechen; doch muß der Berwaltungsrichter im Streitfälle nachprüfen, ob diese Prüfung im vorausgehenden Genehmigungs- und ev. Beschwerdeverfahren wirklich erfolgt ist, OVG. 46, S. 75. 16 und zwar des Kollegiums der Beschlußbehörde, Pr.BBl. 34, S. 186. Die Vorschriften des Abs. 3 sind auch bei Genehmigung eines entsprechenden Ortsstatuts zu beachten, Pr.VBl. 34, S. 484. 17 Über das Verhältnis des § 10 KAbgG. zu § 15 Baufl.G. s. Nöll-Freund, Komm. z. KAbgG., Anm. zu § 10.

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triebes, sowie ein Betrag von 8 Prozent des Anlagekapitals und der etwa gezahlten Ent­ schädigungssumme gedeckt werden.---------- 18 Die Gebühren für die Untersuchung des nicht in öffentlichen Schlachthäusern ausgeschlach­ teten Fleisches (Art. 1 2 Nr. 2 und 3 des G. v. 9. März 1881) können in einer den Ge­ bühren für die Schlachthausbenutzung entsprechenden Höhe bemessen werden." § 12. In Badeorten, klimatischen und sonstigen Kurorten können die Gemeinden für die Herstellung und Unterhaltung ihrer zu Kurzwecken getroffenen Veranstaltungen Vergütungen (Kurtaxen) ergeben.20 3. Titel. Gemeindesteuern. 1. Abschnitt. Indirekte Gemeindesteuern. § 13. Die Gemeinden sind zur Erhebung indirekter Steuern innerhalb der durch die Reichsgesetze gezogenen Grenzen befugt.21 Den Gemeinden sind Vereinbarungen mit den Beteiligten gestattet, wonach der Jahres­ betrag der zu entrichtenden indirekten Steuern für mehrere Jahre im voraus fest bestimmt wird. Die Vereinbarungen bedürfen der Genehmigung. § 14. Steuern auf den Verbrauch von Fleisch, Getreide, Mehl, Backwerk, Kartoffeln und Brennstoffen aller Art dürfen nicht neu eingeführt oder in ihren Sätzen erhöht werden.22 Die Einführung einer Wildbret- und Geflügelsteuer ist jedoch auch in den früher nicht mahlund schlachtsteuerpflichtigen Gemeinden zulässig. Die Steuersätze können abweichend von den Vorschriften des Erl. v. 24. April 1848 (GS. 131) bemessen werden.---------- 18 § 15. Die Besteuerung von Lustbarkeiten,28 einschließlich musikalischer und deklamatorischer Vorträge, sowie von Schaustellungen umherziehender Künstler ist den Gemeinden ge­ stattet. § 16. Die Gemeinden sind befugt, das Halten von Hunden zu besteuern (§ 93). Die in dieser Beziehung zur Zeit bestehenden gesetzlichen Vorschriften werden aufgehoben. § 17. Die bestehenden Vorschriften über die Verwendung des Aufkommens indirekter Steuern für bestimmte Zwecke (Kosten der Armenpflege usw.) werden aufgehoben. § 18. Die Einführung neuer und die Veränderung bestehender indirekter Gemeinde­ steuern kann nur durch Steuerordnungen erfolgen. Die Steuerordnungen bedürfen der Genehmigung.2* § 19. Wegen der Befreiung der Militärspeiseeinn'chtungen und ähnlicher Militäranstalten von den Verbrauchssteuern bewendet es bei den bestehenden Bestimmungen. 18 Die weitere Bestimmung ist mitAufhebung der Schlachtsteuer durch Zolltarifg. v. 25. Dez. 1902 (RGBl. 303) fortgefallen. 19 Abgeändert durch §§ 5, 14 Preuß. Ausf.G. z. Schlachtvieh- und Fleischbeschaug., abgedr. unter Abschn. V Nr. 8. 80 Kurtaxen bedürfen der Feststellung durch den Kreisausschuß bzw. Bezirksausschuß, damit darauf gemäß 8 SO das Verwaltungszwangsverfahren angewendet werden kann. Streitige Kurlax­ forderungen sotten nach Ansicht des OBG. nur im Zivilprozesse angefochten werden können; s. dagegen Nöll-Freund, Kommentar z. KAbgG. bei § 12. 81 Solche Grenzen sind den Gemeinden namentlich durch den Zollv.-Vertrag v. 8. Juli 1867 (BGBl. 81) gezogen. Bon indirekten Steuern kommen jetzt — s. Anm. 22 — hauptsächlich noch die Lustbarkeits-, Bier- und Umsatzsteuer sowie die Hundesteuer — vom KAbgG. als indirekte Steuer behandelt — in Betracht. 88 Nach § 13 Zolltarifg. v. 25. Dez. 1902 (RGBl. 303) dürfen jetzt nur noch Verbrauchssteuern von Kartoffeln und Brennstoffen, z. B. Holz, Kohlen, Torf, forterhoben werden; die anderen genannten Verbrauchssteuern sind aufgehoben. 21 Begriff: OVG. 32, S. 104. Den öffentlichen Lustbarkeiten sind solche gleichgestellt, die von Vereinen und Gesellschaften veranstaltet werden, die sich zu diesem Zwecke erst gebildet haben, AA,w. Art. 11. — Auch nichtöffentliche Lustbarkeiten können besteuert werden, Pr.VBl. 18, S. 101. 84 des Kreis- bzw. Bezirksausschusses und der Zustimmung nach § 77 Abs. 1 u. 3. — Eine Ver­ öffentlichung ist im KAbgG. nicht vorgeschrieben und daher zur Rechtsgültigkeit nicht erforderlich; s. jedoch AAnw. Art. 9 Nr. 4. — Für die Steuerordnungen sind den Gemeinden Muster bekannt­ gegeben, die jedoch von der Rechtsprechung in einzelnen Stücken nicht anerkannt worden sind.

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2. Abschnitt. Direkte Gemeindesteuern. I. Allgemeine Bestimmungen. § 20. Die direkten Gemeindesteuern sind auf alle25 der Besteuerung unterworfenen Pflichtigen nach festen und gleichmäßigen Grundsätzen zu verteilen.12 Handelt es sich um Veranstaltungen, welche in besonders hervorragendem oder geringem Maße einem Teile des Gemeindebezirks oder einer Klasse von Gemeindeangehörigen zu­ statten kommen, und werden Beiträge nach §§ 9 und 10 nicht erhoben, so kann die Gemeinde eine entsprechende Mehr- oder Minderbelastung dieses Teiles des Gemeindebezirks oder dieser Klasse von Gemeindeangehörigen beschließen. Bei der Abmessung der Mehr- und Minderbelastungen ist namentlich der zur Herstellung und Unterhaltung der Veranstaltungen erforderliche Bedarf nach Abzug des etwaigen Ertrages in Betracht zu ziehen. Der Be­ schluß bedarf der Genehmigung.1^ § 21. Die auf besonderem Rechtstitel beruhenden Befreiungen einzelner Grundstücke von Gemeindesteuern bleiben in ihrem bisherigen Umfange fortbestehen. Die Gemeinden sind jedoch berechtigt, diese Befreiungen durch Zahlung des zwanzigfachen Jahreswertes derselben nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem 1. April desjenigen Rech­ nungsjahres, in welchem die Ablösung beschlossen wird, abzulösen. Steht ein anderer Entfchädigungsmaßstab fest, so hat es hierbei sein Bewenden. § 22. Vorschriften, welche eine Befreiung von Gewerbesteuer in sich schließen, finden auf Gewerbe, welche nach Verkündigung dieses Gesetzes in Betrieb gesetzt werden, keine Anwendung. Die Gemeinden sind berechtigt, die bestehenden Befreiungen durch Zahlung des 13^ fachen Jahreswertes derselben nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem 1. April des­ jenigen Rechnungsjahres, in welchem die Ablösung beschlossen wird, abzulösen. Steht ein anderer Entschädigungsmaßstab fest, so hat es hierbei sein Bewenden. § 23. (i) Die direkten Gemeindesteuern können vom Grundbesitz und Gewerbebetrieb (Real­ steuern), sowie vom Einkommen der Steuerpflichtigen (Einkommensteuer) erhoben werden.26 (2) Die Einkommensteuer kann zum Teil durch Aufwandssteuern27 ersetzt werden. Auf­ wandssteuern dürfen grundsätzlich die geringeren Einkommen nicht verhältnismäßig höher als die größeren belasten. (3) Wlktö* und Wohnungssteuern dürfen nicht neu eingeführt werden.2^ (4) Die bestehenden Miet- und Wohnungssteuern sind auf ihre Übereinstimmung mit den vorstehenden Besteuerungsgrundsätzen und den sonstigen Bestimmungen dieses G. zu prüfen. Sie bedürfen erneuter, an die Zustimmung der Minister des Innern und der Finanzen ge­ bundener Genehmigung. (5) Die Einführung neuer und die Veränderung bestehender direkter Gemeindesteuern, welche nicht in Prozenten der vom Staate veranlagten Steuern erhoben werden, kann nur durch Steuerordnungen erfolgen. (e) Die Steuerordnungen bedürfen der Genehmigung.2* II. Besondere Bestimmungen. 1. Realsteuern, a) Vom Grundbesitz. § 24. (1) Den Steuern vom Grundbesitz sind die in der Gemeinde belegenen bebauten und unbebauten Grundstücke2^ unterworfen, mit Ausnahme 25 Gemeindebeschlüsse über Befreiungen oder Ermäßigungen einzelner Steuerpflichtiger sind ungültig, Pr.VBl. 28, S. 675. 26 nicht dagegen vom Vermögen; Zuschläge zur Ergänzungssteuer sowie zum Wehrbeitrage oder zur Besitzsteuer sind daher unzulässig. 27 Unpraktisch und daher bedeutungslos. 28 Wohl aber kann der Mietwert einer besonderen Gemeindegrundsteuer zugrunde gelegt werden, § 25 Abs. 2. 29 Daraus folgt, daß für die Entrichtung der Grundsteuer grundsätzlich der Eigentümer haftet.

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a) der Königlichen Schlösser, einschließlich der zugehörigen Nebengebäude, Hofräume und Gärten; b) der einem fremden Staate gehörigen Grundstücke, auf denen Botschafts- oder Ge­ sandtschaftsgebäude errichtet sind, einschließlich der auf ihnen errichteten Gebäude, sofern von dem fremden Staate Gegenseitigkeit gewährt wird; c) der dem Staate,30 den Provinzen, den Kreisen, den Gemeinden oder sonstigen kom­ munalen Berbänden gehörigen Grundstücke und Gebäude, sofern sie zu einem öffent­ lichen Dienste oder Gebrauche bestimmt31 sind; d) der Brücken, Kunststraßen, Schienenwege der Eisenbahnen, sowie der schiffbaren Kanäle, welche mit Genehmigung des Staates zum öffentlichen Gebrauche angelegt sind; e) der Deichanlagen, der Deichverbände und der im öffentlichen Interesse staatlich unter Schau gestellten Privatdeiche, sowie der im öffentlichen Interesse unterhaltenen An­ lagen der Ent- und Bewässerungsverbände; f) der Universitäts- und anderen zum öffentlichen Unterrichte bestimmten Gebäude; g) der Kirchen, Kapellen und anderen dem öffentlichen Gottesdienste gewidmeten Ge­ bäude, sowie der gottesdienstlichen Gebäude der mit Korporationsrechten versehenen Religionsgesellschaften; h) der Armen-, Waisen- und öffentlichen Krankenhäuser, der Gefängnis-, Besserungs-, Bewahr- und derjenigen Wohltätigkeitsanstalten, welche die Bewahrung vor Schutz­ losigkeit oder sittlicher Gefahr bezwecken (Mägdehäuser und dergleichen), sowie der Gebäude, welche milden Stiftungen angehören und für deren Zwecke unmittelbar benutzt werden; durch Gemeindebeschluß können auch anderweitige Gebäude solcher milden Stiftungen, welche nicht bloß zugunsten bestimmtet Personen und Familien bestehen, freigelassen werden; i) der Grundstücke der unter f, g, h aufgeführten Anstalten und Körperschaften, soweit die Grundstücke für deren Zwecke unmittelbar benutzt werden; k) der Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Geistlichen, Kirchendiener und Volks­ schullehrer, soweit ihnen bisher Steuerfreiheit zugestanden hat. (2) Alle sonstigen, nicht auf einem besonderen Rechtstitel beruhenden Befreiungen (§ 21), insbesondere auch diejenigen der Dienstgrundstücke und Dienstwohnungen der Be­ amten,31 sind aufgehoben. (3) Ist ein Grundstück oder Gebäude nur teilweise zu einem öffentlichen Dienste oder Ge­ brauche bestimmt, so bezieht sich die Befteiung nur auf diesen Teil. (4) Die Bestimmungen der KabO. v. 8. Juni 1834 (GS. 87) bleiben in Geltung und werden auf diejenigen Gemeinden ausgedehnt, in welchen dieselben noch nicht in Geltung sind. § 25* Den Gemeinden ist die Einführung besonderer Steuern vom Grundbesitz ge­ stattet.33 30 und dem D. Reiche nach § 3 Reichsbesteuerungsg. v. 15. April 1911 (RGBl. 187): „Bon Gemeinden und weiteren Kommunalverbänden kann das Reich nur in demselben Umfange wie der einzelne Bundesstaat zur Realsteuer vom Grundbesitz und zu indirekten Steuern, die auf den Erwerb oder die Veräußerung von Grundstücken und von Rechten gelegt werden, für welche die auf Grund­ stücke bezüglichen Vorschriften gelten, sowie zu Abgabe von Malz und Bier herangezogen werden. 31 Diese Bestimmung muß, nachdem durch § 24 Abs. 2 die Steuerfreiheit der Dienstgrund­ stücke der Beamten als solcher schlechthin aufgehoben worden, eine unmittelbare sein und nicht nur der Befriedigung des persönlichen Wohnbedürfnisses dienen; der ständige Aufenthalt des Beamten in der Dienstwohnung muß behufs ordnungsmäßiger Erfüllung seiner Dienstobliegen­ heiten erforderlich sein, OBG. 48, S. 79; Pr.BBl. 33, S. 504. — Bei Gebäuden der Staats eisenbahnverwaltung muß zwischen den Zwecken des gewerblichen Transportgeschäfts und der staats­ rechtlichen Berwaltungstätigkeit unterschieden werden: OBG. 48, S. 79. 32 AAnw. Art. 17 Nr. 1: Die Einführung einer besonderen Steuer vom Grundbesitz kann nur mittels einer Steuer­ ordnung erfolgen; diese bedarf der Genehmigung (§ 23). Hierbei hat die Aufsichtsbehörde nament­ lich zu prüfen, ob der gewählte Maßstab der Besteuerung an sich und nach den konkreten Ver­ hältnissen der Gemeinde geeignet und praktisch brauchbar ist. Andernfalls ist § 26 Abs. 1 an­ zuwenden.

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Tie Umlegung kaun insbesondere erfolgen nach dem Reinerträge beziehungsweise Nutzungs­ werte eines oder mehrerer Jahre, nach dem Pacht- bzw. Mietwerte^ oder dem gemeinen Werte der Grundstücke und Gebäude, nach den in der Gemeinde stattfindenden Abstufungen des Grundbesitzes oder nach einer Berbindung mehrerer dieser Maßstäbe. § 26. Lind besondere Steuern vom Grundbesitz nickt eingeführt, so erfolgt die Besteuerung in Prozenten der vom Staate veranlagten Grund- und Gebäudesteuern?? Die auf Grund der Einlegung von Rechtsmitteln erfolgte Erhöhung oder Ermäßigung der veranlagten Steuer zieht die entsprechende Abänderung der Veranlagung zur Gemeinde­ steuer nach sich. Die Veranlagung hat sich auf sämtliche^ Grundstücke und Gebäude zu erstrecken, welche der Gemeindebesteuerung unterliegen (§§ 3, 4 des G. wegen Aufhebung direkter Staats­ steuern). Tie Besteuerung neuerbauter oder vom Grunde aus wieder aufgebauter Gebäude sowie die Steuererhöhung infolge von Verbesserungen der Gebäude beginnt mit dem Ablaufe des Rechnungsjahres, in welchem die Bewohnbarkeit oder Nutzbarkeit eingetreten oder die Ver­ besserung vollendet ist. § 27. Die Steuern vom Grundbesitz sind nach gleichen Normen und Sätzen zu verteilen.^ Liegenschaften, welche durch die Festsetzung von Baufluchtlinien in ihrem Werte erhöht worden sind (Bauplätze), können nach Maßgabe dieses höheren Wertes zu einer höheren Steuer als die übrigen Liegenschaften herangezogen werden. Diese Besteuerung muß durch Steuerordnung geregelt werden. b) Vom Gewerbebetrieb. § 28. Den Gewerbesteuern unterliegen in den Gemeinden, in denen der Betrieb stattfindet, 1. die nach dem Gewerbesteuergesetz v. 24. Juni 1891 zu veranlagenden stehenden Ge­ werbe; 2. die landwirtschaftlichen Branntweinbrennereien; 3. der Bergbau; 4. die gewerbsmäßige Gewinnung von Bernstein, Ausbeutung von Torfstichen, von Sand-, Kies-, Lehm-, Mergel-, Ton- und dergleichen Gruben, von Stein-, Schiefer-, Kalk-, Kreide- und dergleichen Brüchen; 5. die Gewerbebetriebe kommunaler und anderer öffentlicher Verbände; 6. die Gewerbebetriebe des Staates und der Reichsbank. Diejenigen zu Nr. 2 bis 6 bezeichneten Betriebe, bei denen weder der jährliche Ertrag 1500 M, noch das Anlage- und Betriebskapital 3000 M erreicht, ingleichen die nach § 3 Nr. 4 Gew.StG. steuerfreien Gewerbebetriebe der Kommunalverbände bleiben von der Gewerbe­ steuer befreit. Auf die Betriebssteuer findet diese Bestimmung keine Anwendung. Der Betrieb der Staatseisenbahnen und der der Eisenbahnabgabe unterliegenden Privat­ eisenbahnen ist gewerbesteuerfrei. Der Gewerbebetrieb im Umherziehen ist der Gewerbesteuer in den Gemeinden nickt unterworfen. § 29. Den Gemeinden ist die Einführung besonderer Gewerbesteuern gestattet.33 Die Gewerbesteuern können namentlich bemessen werden nach dem Ertrage des letzten Jahres oder einer Reihe von Jahren, nach dem Werte des Anlagekapitals oder des Anlageund Betriebskapitals, nach sonstigen Merkmalen für den Umfang des Betriebes oder nach einer Verbindung mehrerer dieser Maßstäbe. § 30. Sind besondere Gewerbesteuern nicht eingeführt, so erfolgt die Besteuerung in Prozenten der vorn Staate veranlagten Gewerbesteuer. 33 AAnw. Art. 20 Abs. 3 weist aber darauf hin, daß die Einführung besonderer Gewerbe­ steuern Schwierigkeiten begegnet, welche diejenigen der Einführung besonderer Steuern vom Grundbesitz noch übersteigen; daher die Bestimmung des § 30.

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Die auf Grund der Einlegung von Rechtsmitteln erfolgte Erhöhung oder Ermäßigung der veranlagten Gewerbesteuer zieht die entsprechende Abänderung der Veranlagung zur Gemeindesteuer nach sich. Die Veranlagung hat sich auf sämtliche Gewerbebetriebe, einschließlich des Bergbaues, zu erstrecken, welche der Gemeindebesteuerung unterliegen (§§ 3, 4 des Gesetzes wegen AufHebung direkter Staatssteuern). § 31. Eine verschiedene Abstufung der Gewerbesteuersätze und Prozente ist zulässig: 1. wenn die einzelnen Gewerbearten in verschiedenem Maße von den Veranstaltungen der Gemeinde Vorteil ziehen oder der Gemeinde Kosten verursachen, und soweit die Ausgleichung nicht nach §§ 4, 9, 10 oder 20 erfolgt; 2. wenn die gewerblichen Gebäude in stärkerem Verhältnis zur Gebäudesteuer heran­ gezogen werden, als es auf Grundlage der staatlichen Gebäudesteuer der Fall sein würde, oder wenn die gewerblich benutzten Räume einer Mietsteuer unterliegen. Die verschiedene Abstufung bedarf der Genehmigung. § 32. Erstreckt sich ein Gewerbebetrieb über mehrere Gemeindebezirke, so hat für den Fall der Erhebung von Prozenten der veranlagten Gewerbesteuer der zuständige Steuer­ ausschuß auch für die im § 28 Nr. 2 bis 6 bezeichneten Betriebe die Zerlegung des Gesamt­ steuersatzes in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Teilbeträge zu bewirken (§ 38 Gew.StG.). Werden besondere Gewerbesteuern umgelegt, so hat die Veranlagung nur nach Maß­ gabe des in der Gemeinde belegenen Teiles des Gewerbebetriebes zu erfolgen, bei beson­ deren Gewerbesteuern nach dem Ertrage unter sinngemäßiger Anwendung der in den §§ 47,48 dieses G. getroffenen Bestimmungen. 2. Gemeindeeinkommensteuer, a) Steuerpflicht. § 83. Der Gemeindeeinkommensteuer sind unterworfen: 1. diejenigen Personen, welche in der Gemeinde einen Wohnsitz (§ 1 Eink.StG.) haben, hinsichtlich ihres gesamten innerhalb und außerhalb des preußischen Staatsgebiets ge­ wonnenen Einkommens, insoweit dasselbe nicht von der Besteuerung freizulassen ist; 2. diejenigen Personen, welche in der Gemeinde, ohne in derselben einen Wohnsitz zu haben, Grundvermögen, Handels- oder gewerbliche Anlagen, einschließlich der Berg­ werke, haben, Handel und Gewerbe oder außerhalb einer Gewerkschaft Bergbau be­ treiben oder als Gesellschafter an dem Unternehmen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligt finb,34 hinsichtlich des ihnen aus diesen Quellen in der Gemeinde zufließenden Einkommens; 3. sofern sie in der Gemeinde Grundvermögen, Handels- oder gewerbliche Anlagen, einschließlich der Bergwerke, haben, Handel oder Gewerbe, einschließlich des Bergbaues, betreiben oder als Gesellschafter an dem Unternehmen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung beteiligt sind, hinsichtlich des ihnen aus diesen Quellen in der Gemeinde zu­ fließenden Einkommens a) Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien; b) Berggewerkschaften; c) eingetragene Genossenschaften, deren Geschäftsbetrieb über den Kreis ihrer Mitglieder hinausgeht und juristische Personen,^ insbesondere auch Gemeinden und weitere Kommunalverbände; 34 Aber auch in der Wohnsihgemeinde ist das auf einen Teilhaber einer G. m. b. H. entfallende Einkommen aus dieser Beteiligung als gewerbliches Einkommen zu behandeln, OVG. 50, S. 120; sein gemeindesteuerpflichtiges Einkommen deckt sich also nicht mit dem staatssteuerpflichligtn, da bei der Staatssteuerveranlagung sein Anteil am Reingewinn als Einkommen aus Kapitalvernögen gilt. st einschl. der Reichsbank, aber ausschl. des preuß. Staatsfiskus, dessen Gemeindeeinkommen' steurrpflicht unter Nr. 4 besonders geregelt wird, der Eingetr. Gen. m. beschr. und unbeschr. HaftPsliht, der G.m. b.H., der Offenen H.-G. und des Reichsfiskus, der nach dem Reichsbesteuerungsg. (s. Änm. 30) nur zu Realsteuern vom Grundbesitz herangezogen werden kann.

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d) Vereine, einschließlich eingetragener Genossenschaften, zum gemeinsamen Einkäufe von Lebens- oder hauswirtschaftlichen Bedürfnissen im großen und Absatz im kleinen, auch wenn ihr Geschäftsbetrieb nicht über den Kreis ihrer Mitglieder hinausgeht. Hat eine Veranlagung zur Staatseinkommensteuer stattgefunden, so ersaßt die Ge­ meindeeinkommensteuer das hierbei veranlagte Einkommen vorbehaltlich der Bestim­ mung im § 15 Abs. 4 Eink.2tG.bb v. 16. Juni 1909. 4. der Staatsfiskus bezüglich seines Einkommens aus den von ihm betriebenen Eisenbahn-, Bergbau, und sonstigen gewerblichen Unternehmungen, sowie aus Domänen und Forsten. Eisenbahnaktiengesellschaften, welche ihr Unternehmen dem Staate gegen eine unmittel­ bar an die Aktionäre zu zahlende Rente übertragen haben, sind als Besitzer von Eisenbahnen nicht zu erachten. Jeder steuerpflichtige Grundstückskomplex und jede steuerpflichtige Unternehmung des Staatsfiskus gilt in Beziehung aus die Steuerpflicht als selbständige Person. Die gesamte Staats- und für Rechnung des Staates verwalteten Eisenbahnen sind als eine steuerpflichtige Unternehmung anzusehen. Im übrigen setzt die zuständige obere Verwaltungsbehörde fest, was als selbständige Bergbau- oder sonstige gewerbliche Unternehmung des Staatsfiskus zu betrachten ist. Neuanziehende37 können, auch wenn sie in der Gemeinde keinen Wohnsitz haben, gleich den übrigen Gemeindeeinwohnern zur Steuer herangezogen werden, sofern ihr Aufenthalt die Dauer von drei Monaten übersteigt. § A4. Das Einkommen aus bebauten und unbebauten Grundstücken, welche ganz oder zum Teil nach § 24 der Steuer vom Grundbesitz nicht unterworfen sind, unterliegt insoweit auch nicht der Gemeindeeinkommensteuer. § 35. Ein die Steuerpflicht begründender Betrieb von Handel und Gewerbe, einschließ' lich des Bergbaues, der im § 33 Nr. 2, 3 und 4 bezeichneten Personen und Erwerbsgesell, schäften findet nur in denjenigen Gemeinden statt, in welchen sich der Sitz, eine Zweignieder lassung, eine Betriebs-,33 Werk- oder Verkaufsstätte oder eine solche Agentur des Unter nehmens befindet, welche ermächtigt ist, Rechtsgeschäfte im Namen und für Rechnung des Inhabers, beziehungsweise der Gesellschaft, selbständig abzuschließen. Der Eisenbahn betrieb unterliegt der Steuerpflicht in den Gemeinden, in welchen sich der Sitz der Ver waltung (beziehungsweise einer Staatsbahnverwaltungsbehörde), eine Station oder eine für sich bestehende Betriebs- oder Werkstätte oder eine sonstige gewerbliche Anlage befindet. Das Einkommen aus dem nicht mit eigenem Betriebe verbundenen Besitze von Handels und gewerblichen Anlagen, einschließlich der Bergwerke, unterliegt der Besteuerung in den selben Gemeinden, in welchen das Einkommen aus dem Betriebe steuerpflichtig ist. § 36. Gemeindesteuern von Einkommen dürfen, unbeschadet der Vorschrift im § 23 Abs. 2 und der Bestimmungen über die Veranlagung von Teileinkommen (§§ 49 bis 51), nur aus Grund der Veranlagung zur Staatseinkommensteuer und in der Regel nur in der Form von Zuschlägen erhoben werden. Diese Zuschläge müssen gleichmäßig sein. Zuschläge zur Ergänzungssteuer sind unzulässig. Ist das gemeindesteuerpflichtige Einkommen ganz oder zum Teil zur Staatseinkommen­ steuer nicht veranlagt, so ist der dem Zuschlage zugrunde zu legende Steuersatz, sofern sich aus den §§ 44 bis 46 nicht ein anderes ergibt, nach den für die Veranlagung der Staats­ einkommensteuer geltenden Vorschriften zu ermitteln.33 36 Danach ist der Kommunalbesteuerung das ermittelte Einkommen ohne den Abzug von Sy2 % zugrunde zu legen. Hierzu ist aus § 15 Abs. 5 Eink.StG. zu entnehmen, das; im Falle einer steuerfreien Veranlagung der genannten Gesellschaften zur Staatseinkommensteuer deren Ver­ anlagung zur Gemeindeeinkommensteuer nach § 36 Abs. 2 KAbgG. vorzunehmen ist. 87 Dazu gehören alle, die einen längeren Aufenthalt in der Gemeinde nehmen. 38 Eine Betriebsstätte ist dort anzunehmen, wo ein Teil der zu betn Unternehmen erforder­ lichen Arbeit auf einemRaume geleistet wird, der als fester örtlicher Mittelpunkt derArbeitsstätte erkennbar bleibt, OBG. 18, S. 128. 39 Das Einkommen aus Handel und Gewerbe wird danach auch bei physischen Personen, die Handels-

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Die auf Grund der Einlegung von Rechtsmitteln, sowie die auf Grund der §§ 62, 63 Eink.StG. erfolgte Erhöhung oder Ermäßigung der veranlagten Staatseinkommensteuer zieht die entsprechende Abänderung des Gemeindezuschlags nach sich. § 87. Besondere Gemeindeeinkommensteuern sind nur aus besonderen Gründen gestattet und bedürfen der Genehmigung.2* Die bei der Veranlagung zur Staatseinkommensteuer erfolgte Feststellung des Nnkommens und die Stufen des Steuertarifs der Staatseinkommen­ steuer dürfen nicht abgeändert werden. Veränderungen der Sätze des Steuertarifs sind nur mit der Maßgabe zulässig, daß der Prozentsatz der Besteuerung des Einkommens bei den unteren Stufen nicht höher sein darf, als bei den oberen Stufen, und daß das im Tarif der Staatseinkommensteuer enthaltene Steigerungsverhältnis der Sätze nicht zuungunsten der oberen Stufen geändert werden darf. Die Beibehaltung bestehender besonderer Gemeindeeinkommensteuern kann mit Zu­ stimmung der Minister des Innern und der Finanzen ausnahmsweise und aus besonderen Gründen auch dann genehmigt werden, wenn sie den Vorschriften der Bestimmungen desAbs. 1 nicht entsprechen. Die Vorschriften des § 36 Abs. 2 und 3 finden auf die besonderen Gemeindeeinkommen­ steuern entsprechende Anwendung. § 88. Steuerpflichtige mit einem Einkommen von nicht mehr als 900 M werden, sofern in den Steuerordnungen (§§ 23 Abs. 5, 37) nicht abweichende Bestimmungen getroffen \xnbr zu der Einkommensteuer nach Maßgabe folgender Steuersätze veranlagt:" 1. bei einem Einkommen von nicht mehr als 420 M nach einem Steuersätze von 2/6 vom Hundert des steuerpflichtigen Einkommens bis zum Höchstbetrage des Steuersatzes von

1,20 2. bei einem Einkommen von mehr als 420 M bis einschließlich 660 M nach einem Steuersatze von 2,40 Ji; 3. bei einem Einkommen von mehr als 660 M nach einem Steuersätze von 4 M. Steuerpflichtige mit einem Einkommen von nicht mehr als 900 M können durch Gemeinde­ beschluß, wenn die Deckung des Bedarfs der Gemeinde ohnehin gesichert ist, von der Beitrags Pflicht entbunden oder mit einem geringeren Prozentsätze herangezogen werden. Der Beschluß bedarf der Genehmigung.^ Ihre Freilassung muß erfolgen, sofern sie im Wege der öffentlichen Armenpflege fortlaufende Unterstützung erhalten. § 39. Die Gemeinde kann beschließen, Ausländer und Angehörige anderer Bundesstaaten, welche in der Gemeinde einen Wohnsitz, aber nicht des Erwerbes wegen haben, auf die Dauer von höchstens drei Jahren zu der Gemeindeeinkommensteuer nicht oder nur mit einem ermäßigten Prozentsätze heranzuziehen. Der Beschluß bedarf der Genehmigung.*2 § 40. Von der Gemeindeeinkommensteuer sind befreit: 1. die Mitglieder des Königlichen Hauses und des Hohenzollernschen Fürstenhauses, 2. die bei dem Kaiser und Könige beglaubigten Vertreter fremder Mächte und die Bevollmächtigten anderer Bundesstaaten zum Bundesrate, die ihnen zugewiesenen Beamten, sowie die in ihren und ihrer Beamten Diensten stehenden Personen, soweit sie Ausländer sind, 3. diejenigen Personen, denen sonst nach völkerrechtlichen Grundsätzen oder nach besonderen, mit anderen Staaten getroffenen Vereinbarungen ein Anspruch auf Be­ freiung zukommt. Tie Befreiungen zu Nr. 2 und 3 erstrecken sich nicht auf das im § 33 Nr. 2 bezeichnete Einkommen und bleiben ausgeschlossen, sofern in den betreffenden Staaten Gegenseitigkeit nicht gewährt wird. bücher führen, nach dem Durchschnitte der drei letzten Wirtschaftsjahre ermittelt, ebenso bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die geordnete, den Reinertrag ziffermäßig nachweisende Bücher führen. 40 entspr. den „fingierten Normalsteuersätzen" des § 79 Eink.StG.

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Die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen, gemäß welchen Standesherren und beredn Familien von Gemeindelasten befreit sind, bleiben — unbeschadet der Borschristen in denn §§ 21, 22 des gegenwärtigen G. — unberührt. § 4L Tie Heranziehung der unmittelbaren und mittelbaren Staatsbeamten, Beamtenn des Königlichen Hofes, der Geistlichen, Kirchendiener und Elementarschullehrer, sowie de^er Witwen und Waisen dieser Personen zu Einkommen- und Aufwandssteuern (§ 23) wird durckch besonderes G. geregelt. Bis zum Erlasse dieses G. kommen die Bestimmungen der Vg.j., betreffend die Heranziehung der Staatsdiener zu den Kommunalauflagen, v. 23. Sept't. 1867 (GS. 1648)41 mit der Maßgabe zur Anwendung, daß das notwendige Domizil außerr Berücksichtigung bleibt. § 42. Hinsichtlich der Heranziehung der Militärpersonen zu den auf das Einkommenn gelegten Gemeindeabgaben bewendet es bei den bestehenden Bestimmungen.4? Die Mitglieder der Gendarmerie gelten als Militärpersonen im Sinne dieses G. § 43. Den Gemeinden sind Vereinbarungen mit Steuerpflichtigen gestattet, wonach vonn fabrikmäßigen Betrieben und von Bergwerken an Stelle der Gemeindesteuer vom Ein-lkommen und vom Gewerbebetriebe ein für mehrere Jahre im voraus zu bestimmender festere jährlicher Steuerbeitrag zu entrichten ist. Die Vereinbarung bedarf der Genehmigung. b) Berechnung des steuerpflichtigen Einkommens der fiskalischen Domänen!, Staats- und Privatbahnen. § 44. Das Reineinkommen aus fiskalischen Domänen und Forsten ist für die einzelnem! Liegenschaften aus dem Grundsteuerreinertrage nach dem Verhältnis zu berechnen, in welchemn der in der betreffenden Provinz aus den Domänen- und Forstgrundstücken erzielte etats-mäßige Überschluß der Einnahmen über die Ausgaben unter Berücksichtigung der auf denfelben ruhenden Verbindlichkeiten und Verwaltungskosten zum Grundsteuerreinertrage stehU. Das Verhältnis ist durch den zuständigen Minister alljährlich endgültig festzustellen undd öffentlich bekanntzumachen.4? § 45. Als Reineinkommen der Staats- und für Rechnung des Staats verwalteten Eisen bahnen gilt der rechnungsmäßige Überschuß der Einnahmen über die Ausgaben mit derr Maßgabe, daß unter die Ausgaben eine 3^prozentige Verzinsung des Anlage- beziehungs-weise Erwerbskapitals nach der amtlichen Statistik der im Betriebe befindlichen Eisenbahnen! zu übernehmen ist. Ter sich danach ergebende steuerpflichtige Gesamtbetrag ist durch den! zuständigen Minister alljährlich endgültig festzustellen und öffentlich bekanntzumachen. § 46. Als Reineinkommen der Privateisenbahnunternehmungen gilt der nach Vorschristt der G. v. 30. Mai 1853 (GS. 449) und 16. März 1867 (GS. 465) behufs Erhebung der Eisen­ bahnabgabe für jede derselben ermittelte (beziehungsweise zu ermittelnde) Überschuß ab­ züglich der Eisenbahnabgabe mit der Maßgabe, daß bei der Berechnung nach dem G. v. 16. März; 1867 die zur Verzinsung und planmäßigen Tilgung der etwa gemachten Anleihen erforder­ lichen Beträge als Ausgabe mit in Anrechnung gebracht werden dürfen. Die sich tmimriit ergebenden steuerpflichtigen Beträge sind von den mit der Aufsicht über die Privateisenbahnunternehmungen betrauten Staatsbehörden alljährlich endgültig festzustellen und öffentlich) bekanntzumachen. Auf Kleinbahnen (G. v. 28. Juli 1892, GS. 225) findet die vorstehende Bestimmung keine Anwendung. c) Vermeidung von Doppelbesteuerung.44 § 47. Die Verteilung des gemeindesteuerpflichtigen Einkommens aus dem Besitze oder 41 für alle nach dem 31. März 1909 eingestellten Beamten usw. das G. v. 16. Juni 1909, abgedr. unter Abschn. IX Nr. 12. 42 Der Bg. v. 23. Sept. 1867 (abgedr. Abschn. IX Nr. 12) und des sog. OffiziersteuerG. v. 29. Juni 1886 und 22. April 1892 (GS. 181 u. 101).

43 Im Reichs- und Staatsanzeiger und in den betr. Reg.-Amtsblättern. 44 Das Doppelst.G., abgedr. vorstehend unter Nr. 11, findet auf die Gemeindebesteuerung keine Anwendung, so daß hier besondere Vorschriften nötig waren.

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Betriebe einer sich über mehrere preußische Gemeinden erstreckenden Gewerbe- oder Berg­ bauunternehmung erfolgt, sofern nicht zwischen den beteiligten Gemeinden und dem Steuerpflichtigen ein anderweiter Maßstab vereinbart ist, in der Weise, daß: a) bei Versicherungs-, Bank- und Kreditgeschäften derjenigen Gemeinde, in welcher die Leitung des Gesamtbetriebes stattfindet, der zehnte Teil des Gesamteinkommens vorab überwiesen, dagegen der Überrest nach Verhältnis der in den einzelnen Ge­ meinden erzielten Bruttoeinnahme verteilt, b) in den übrigen Fällen das Verhältnis der in den einzelnen Gemeinden erwachsenen Ausgaben an Gehältern und Löhnen," einschließlich der Tantiemen des Ver waltungs- und Betriebspersonals, zugrunde gelegt wird. Bei Eisenbahnen kommen jedoch die Gehälter, Tantiemen und Löhne desjenigen Personals, welches in der all­ gemeinen Verwaltung beschäftigt ist, nur mit der Hälfte, des in der Werkstättenver­ waltung und im Fahrdienst beschäftigten Personals nur mit zwei Drittelten ihrer Be­ träge zum Ansatz. Erstreckt sich eine Betriebsstätte,66 Station46 usw., innerhalb deren Ausgaben an Gehältern und Löhnen erwachsen, über den Bezirk mehrerer Gemeinden, so hat die Verteilung nach Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung des Flächen­ verhältnisses und der den beteiligten Gemeinden durch das Vorhandensein der Be­ triebsstätte, Station usw. erwachsenen Kommunallasten zu erfolgen. Bei den Staats- und für Rechnung des Staats verwalteten Eisenbahnen----------- erfolgt die Verteilung vom 1. April 1896 ab nach den Grundsätzen unter b bei allen steuerberechtigten Gemeinden. § 48. Die Ermittelung der Bruttoeinnahmen der Versicherungs-, Bank- und Kredit­ geschäfte, sowie der Ausgaben an Löhnen und Gehältern (§ 47) erfolgt in dreijährigem Durchschnitt" nach Einsicht eines den steuerberechtigten Gemeinden von dem Unternehmer beziehungsweise Gesellschaftsvorstande jährlich mitzuteilenden Verteilungsplanes. Derselbe ist bezüglich der Staatseisenbahnen (§ 45) für jeden Direktionsbezirk besonders auf­ zustellen. § 48 a. Erstreckt sich ein Handels- oder Gewerbeunternehmen, einschließlich eines Berg­ bauunternehmens, über preußische und nichtpreußische Gemeinden, so finden behufs Er­ mittelung des dem Steuerpflichtigen in den verschiedenen Gemeinden zufließenden Einkommens die Vorschriften des § 47 sinngemäße Anwendung. § 49. Bei der Heranziehung der Steuerpflichtigen zur Einkommensteuer in ihren Wohnsitzgemeinden ist, unbeschadet der Bestimmungen des § 35, derjenige Teil des Gesamtein­ kommens außer Berechnung zu lassen,46 welcher außerhalb des Gemeindebezirks aus Grund­ vermögen, Handels, oder gewerblichen Anlagen, einschließlich der Bergwerke, aus Handels­ und Gewerbebetrieb, einschließlich des Bergbaues, sowie aus der Beteiligung an dem Unter­ nehmen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (§ 33 Nr. 2) gewonnen wird. Zu diesem Behufe wird das Gesamteinkommen des Steuerpflichtigen eingeschätzt und der so ermittelte Steuerbetrag dem Verhältnis des außer Berechnung zu lassenden Einkommens zu dem Ge­ samteinkommen entsprechend herabgesetzt.46 Die Gemeinde, in welcher der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz hat, ist jedoch, wenn 45 einschl. der Tantiemen, im übrigen aber int engsten Sinne des Wortes. 46 Nach der Eisenbahnbau- und Betriebsordnung jede Betriebsstelle, auf der Züge des öffentlichen Verkehrs regelmäßig anhalten. 47 und zwar der drei der Veranlagung vorhergehenden vollen Wirtschafts- oder Geschäfts­ jahre. 48 Wegen der Berechnung des Gesamteinkommens s. OBG. 39, S. 58 und 43, S. 61. Der außer halb des Gemeindebezirks gewonnene Teil ist auch dann außer Berechnung zu lassen, wenn er von der Forensalgemeinde unbesteuert gelassen wird. 49 Der Prinzipalsteuersatz der Wohnsitzgemeinde wird am einfachsten durch die Gleichung . . Gesamteinkommen Prinzipalsteuersatz vom Gesamteinkommen gemnden: ------- x-------------------------- •

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XII. Abschn.

Finanzrecht.

das steuerpflichtige Einkommen weniger als ein Bierteil des Gesamteinkommens beträgt, berechtigt, durch Gemeindebeschluß ein volles Vierteil des Gesamteinkommens für sich zur Besteuerung in Anspruch zu nehmen.50 Ter Anspruch verteilt sich entstehendenfalls verhältnismäßig auf die übrigen Teile des außerhalb des Gemcindebezirks zufließenden Einkommens und, soweit preußische Forensalgemeinden in Betracht kommen, unter ent­ sprechender Verkürzung des diesen Gemeinden zur Besteuerung zufallenden Einkommens. Steht der Anspruch mehreren Wohnsitzgemeinden zu, so ist dieser Bruchteil nach Maßgabe des § 50 zu verteilen. § 50. Bei der Einschätzung von Personen mit mehrfachem Wohnsitz innerhalb oder außer­ halb des preußischen Staatsgebiets in ihren preußischen Wohnsitzgemeinden verbleibt der­ jenige Teil des Gesamteinkommens, welcher aus Grundvermögen, Handels- und gewerblichen Anlagen, einschließlich der Bergwerke, aus Handel oder Gewerbe, einschließlich des Bergbaues, sowie aus der Beteiligung an dem Unternehmen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung fließt, der Belegenheits- bzw. der Betriebsgemeinde. Beträgt jedoch dieser Teil mehr als drei Vierteile des Gesamteinkommens der Steuerpflichtigen, so gelangt die Bestimmung im § 49 Abs. 2 dieses G. sinngemäß zur Anwendung. Neuanziehende, welche in einer Gemeinde wegen ihres die Tauer von drei Monaten übersteigenden Aufenthalts zu den Gemeindesteuern herangezogen werden.(§ 33 Abs. 4), sind insoweit denjenigen gleichgestellt, welche in dieser Gemeinde ihren Wohnsitz haben. Im übrigen dürfen Personen mit mehrfachem Wohnsitz innerhalb des preußischen Staats­ gebietes in jeder preußischen Wohnsitzgemeinde nur mit dem der Zahl dieser Gemeinden entsprechenden Bruchteile ihres Einkommens herangezogen werden. Wohnsitzgemeinden, in welchen der Steuerpflichtige sich im Laufe des vorausgegangenen Rechnungsjahres über­ haupt nicht oder kürzere Zeit als drei Monate aufgehalten hat, werden hierbei nicht mit­ gezählt. In allen Fällen ist das Gesamteinkommen des Steuerpflichtigen einzuschätzen und der so ermittelte Steuerbetrug dem Verhältnis des außer Berechnung zu lassenden Einkommens zu dem Gesamteinkommen entsprechend herabzusetzen." § 51. Ist das der Staatseinkommensteuer unterliegende Gesamteinkommen eines Steuer­ pflichtigen^ nach feinen Teilen in mehreren preußischen Gemeinden steuerpflichtig, so darf das in diesen Gemeinden steuerpflichtige Einkommen im ganzen den Höchstbetrag derjenigen Steuerstufe nicht übersteigen, in welche der Steuerpflichtige bei der Veranlagung zur Staats­ einkommensteuer eingeschätzt worden ist. Zu diesem Behufe sind die Teile des Einkommens, sofern sie auch nach erfolgter Richtigstellung im ganzen den Höchstbetrag der Steuerkufe übersteigen, verhältnismäßig herabzusetzen (§§ 71 bis 74). Besitzt der Steuerpflichtige^ in einer Gemeinde verschiedene Quellen von Einkommen, so sind dieselben für die Besteuerung in der Gemeinde als ein Ganzes zu erachten. § 52. In den Fällen der §§ 47 bis 51 sind behufs Ermittelung des gemeindesteuerpflich­ tigen Einkommens die selbständigen Gutsbezirke den Gemeinden gleich zu achten? 3. Verpflichtung der Betriebsgemeinden zur Leistung von Zuschüssen.^ § 53. (i) Wenn in einer Gemeinde ^ durch Personen, die in einer anderen Gemeinde im Betriebe von Berg-, Hütten- oder Salzwerken, Steinbrüchen, Ziegeleien, Fabriken oder Eisenbahnen beschäftigt werden und dieser Beschäftigung wegen in der ersteren zugezogen 60 Der Gemeindebeschluß muß sich, entsprechend dem Grundsätze des § 20, auf alle Forensen beziehen; er bedarf keiner Genehmigung; rückwirkende Kraft darf er sich nicht beilegen. 51 Der Abs. 1 des § 51 soll sich nur auf natürliche, Abs. 2 nur auf juristische Personen beziehen, OVG. 43, S. 61. 52 Ähnlich bestimmt das Reichsbesteuerungsg. v. 15. April 1911 (RGBl. 187) in § 6: Eine Gemeinde, welcher infolge eines in ihr oder in einer nahegelegenen Gemeinde aus Reichsmitteln unterhaltenen fabrikähnlichen Reichsbetriebs Ausgaben erwachsen, ist berechtigt, von dem Reiche einen Zuschuß zu ihren Ausgaben zu verlangen, sofern diejenigen in der Gemeinde wohnenden Personen, welche in den Betrieben als Arbeiter, Beamte oder im privatrechtlichen Vertragsverhält­ nis angestellt oder beschäftigt sind, nebst ihren Haushaltungsangehörigen am Anfang des Rechnungs-

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ober verblieben sind, nachweisbar Mehrausgaben für Zwecke des öffentlichen VolksschulWesens oder der öffentlichen Armenpflege oder für polizeiliche Zwecke erwachsen, welche im Verhältnisse zu den ohne diese Personen für die erwähnten Zwecke notwendigen Gemeindeausgaben einen erheblichen Umfang erreichen und eine unbillige Mehrbelastung der Steuerpflichtigen herbeiführen, so ist eine solche Gemeinde berechtigt, von der Betriebs­ gemeinde einen angemessenen Zuschuß zu verlangen. Bei Bemessung desselben sind neben der Höhe der Mehrausgaben auch die nachweisbar der Gemeinde erwachsenden Vorteile, soweit sie in der Steuerkraft zum Ausdrucke kommen, zu berücksichtigen. Die Zuschüsse der Betriebsgemeinde dürfen in keinem Falle mehr als die Hälfte der gesamten in der Betriebsgemeinde von den betreffenden Betrieben zu erhebenden direkten Gemeindesteuern be­ tragen. (2) Liegt der Betrieb in einem Gutsbezirke, so richtet sich der Anspruch gegen den Gewerbe­ treibenden. Die Zuschüsse dürfen alsdann die Hälfte der der Kreisbesteuerung dieses Betriebs zugrunde liegenden Einkommensteuer und Realsteuern und, wenn der Betrieb nicht gewerbesteuerpflichtig ist, % der seiner Kreisbesteuerung zugrunde liegenden Einkommensteuer nicht übersteigen. (3) Die Bestimmungen des ersten und zweiten Absatzes finden auf den Anspruch eines Gutsbezirkes auf Zuschuß gleichmäßige Anwendung. (4) Wenn von mehreren Gemeinden oder Gutsbezirken Ansprüche auf Zuschüsse erhoben werden, welche zusammengerechnet die in den Abs. 1 und 2 vorgesehenen Höchstgrenzen übersteigen, so findet eine verhältnismäßige Kürzung der einzelnen Ansprüche bis zu der zulässigen Höchstgrenze statt. (5) Über streitige Ansprüche aus Abs. 1 bis 3 sowie über Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung des Abs. 4 ergeben, beschließt der Kreisausschuß, und sofern big Stadt Berlin oder eine andere Stadtgemeinde beteiligt ist, der Bezirksausschuß. Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen der Antrag auf mündliche Verhandlung im Berwaltungsstreitverfahren statt. Der Anspruch erlischt, wenn er nicht vor Ablauf des Rechnungsjahrs, für welches er erhoben wird, durch schriftlichen Antrag bei der Betriebsgemeinde geltend gemacht wird und wenn der hiernach rechtzeitig angebrachte Anspruch nicht innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten seit Zustellung des ablehnenden schriftlichen Bescheids der in Anspruch genommenen Betriebsgemeinde durch Stellung des Antrags beim Kreisausschusse bzw. Bezirksausschuß aufrechterhalten wird. (s) Zutreffendenfalls kommen die Bestimmungen des § 58 LBG. dahin zur Anwendung, jahrs mehr als 8 vom Hundert, oder, falls in der Gemeinde weder Truppen noch Marineteile ihren Standort haben, mehr als 2 vom Hundert der Zivilbevölkerung ausmachen. Zur Ermittelung der Höhe bei Zuschusses wird festgestellt, wieviel an fortdauernden allgemeinen Verwaltunaskosten, Volksschul-, Armenlasten und Kosten zur Unterhaltung der Decke von öffent­ lichen Straßen, Wegen und Plätzen in dem vorangehenden Rechnungsjahr und wieviel an einmaligen allgemeinen Verwaltungskosten, Volksschul- und Armenlasten auS ordentlichen Mitteln nach dem Durchschnitt der vorangegangenen fünf Rechnungsjahre aufzubringen gewesen sind. Soweit die einmaligen derartigen Kosten und Lasten 0118 Anleihen gedeckt sind, werden nur die Berzinsungsund Tilgungsraten in dem vorangegangenen Rechnungsjahr unter den fortdauernden Ausgaben zum Ansah gebracht. Bon dem so ermittelten Bettage wird der von sämtlichen Angestellten und Beschäftigten sowie deren Haushaltungsangehörigen auf den Kopf der Bevölkerung aufzubringende Anteil errechnet, und von diesem werden die von den bezeichneten Personen gezahlten diretten Ge­ meindesteuern in Abzug gebracht. Bon der hiemach sich ergebenden Summe berechnet sich der Zuschuß: 1. auf 30 Prozent, falls die in Bettacht kommenden Angestellten und Beschäfttgten nebst ihren Haushaltungsangehörigen bis einschl. 20 v. H., 2. auf 50Prozent, falls sie mehr als 20 bis einschl. 40 v. H., 3- „ 70 „ „ .....................40 „ „60 „ „ 4. „ 90 „ „„ „ „ 60 v. H. der Zivilbevölkemng der Gemeindeausmachen. Werkstätten undähnliche Änrichtungen der Reichseisenbahnen gelten nicht alsfabrikähnliche Be­ triebe i. S. dieser Vorschriften. Soweit Gemeinden auf Gmnd von Berttägen aus Reichsmitteln zu ihren Ausgaben Beihilfen erhalten, sind diese auf die Zuschüsse anzurechnen. Den Gemeinden stehen die Gutsbezirke gleich.

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daß auch in den Fällen, in welchen die Stadt Berlin beteiligt ist, der Minister des Innern den Bezirksausschuß bestimmt, welcher zu beschließen hat. (7) Vorstehende Bestimmungen finden auf die bei den Beschlußbehörden anhängigen Angelegenheiten keine Anwendung. 4.

Verteilung des Steuerbedarfs auf die verschiedenen Steuerarten.53

§ 54. Tie vom Staate veranlagten Realsteuern sind in der Regel mindestens zu dem gleichen und höchstens zu einem um die Hälfte höheren Prozentsätze zur Kommunalsteuer heranzuziehen, als Zuschläge zur Staatseinkommensteuer erhoben werden. Solange die Realsteuern 100 Prozent nicht übersteigen, ist die Freilassung der Einkommen­ steuer oder eine Heranziehung derselben mit einem geringeren als dem im ersten Absätze bezeichneten Prozentsätze zulässig. Werden mehr als 150 Prozent der staatlich veranlagten Realsteuern erhoben und ist die Staatseinkommensteuer mit 150 Prozent belastet, so können von dem Mehrbeträge für jedes Prozent der staatlich veranlagten Realsteuern 2 Prozent der Staatseinkommensteuer erhoben werden. Mehr als 200 Prozent der Realsteuern dürfen in der Regel nicht erhoben werden." § 55.. Zuschläge über den vollen Satz der Staatseinkommensteuer hinaus, sowie Ab­ weichungen von den im § 54 enthaltenen Vorschriften bedürfen der Genehmigung;" die Abweichungen sind nur aus besonderen Gründen zu gestatten. In beiden Fällen ist davon auszugehen, daß Aufwendungen der Gemeinde, welche in überwiegendem Maße dem Grundbesitze und dem Gewerbebetriebe zum Vorteile gereichen, insoweit in der Regel durch Realsteuern gedeckt werden sollen, sofern die Ausgleichung nicht nach §§ 4, 9, 10 oder 20 erfolgt. Zu solchen Aufwendungen gehören namentlich die Aus­ gaben für den Bau und die Unterhaltung von Straßen und Wegen, für Ent- und Bewässe­ rungsanlagen, sowie für die Verzinsung und Tilgung der zu derartigen Zwecken aufgenom­ menen Schulden. § 56. Zur Deckung des durch Realsteuern aufzubringenden Steuerbedarfs sind die ver­ anlagten Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern in der Regel mit dem gleichen Prozent­ sätze heranzuziehen. Genießen jedoch die Grund(Haus)besitzer oder Gewerbetreibenden von Veranstaltungen der Gemeinde besondere Vorteile oder verursachen sie der Gemeinde besondere Kosten, so ist, sofern die Ausgleichung nicht nach §§ 4, 9, 10 oder 20 erfolgt, der durch die Real­ steuern aufzubringende Steuerbedarf (§§ 54, 55) auf die Steuern vom Grund(Haus)besitz und Gewerbebetrieb, in Prozenten der veranlagten Realsteuern berechnet, ander­ weitig entsprechend unterzuverteilen, jedoch mit der Maßgabe, daß Grund- und Gebäude­ steuer höchstens doppelt so stark herangezogen werden, wie die Gewerbesteuer und um­ gekehrt. Ausnahmen können aus besonderen Gründen von den Ministern des Innern und der Finanzen zugelassen werden. Vorstehende Bestimmungen finden sinngemäße Anwendung auf die Heranziehung der Grundsteuer im Verhältnis zur Gebäudesteuer. Die Unterverteilung (Abs. 2 und 4) bedarf der Genehmigung?3 § 57. Bei der Verteilung des Steuerbedarfs (§§ 54, 55, 56) ist das Auskommen besonderer Gemeindesteuern (§ 23 Abs. 2, §§ 25, 29, 37) je nach ihrer Einrichtung und Beschaffenheit 63 AAnw. Art. 39. 64 Der ganze § 54 hat bei seiner unbestimmten und sehr dehnbaren Fassung praktisch wenig Be­ deutung. — Im übrigen hat die Genehmigung der Aufsichtsbehörde, wonach in der betr. Gemeinde nur ein bestimmter Prozentsatz einer staatlich veranlagten Realsteuer erhoben werden darf, wenn diese Realsteuer als besondere Gemeindesteuer erhoben wird, nur kontingentierende, nicht individualisierende Bedeutung, so daß sich der einzelne Steuerpflichtige nicht darauf berufen darf, daß für ihn die betr. besondere Realsteuer mehr als den genehmigten Prozentsatz ausmache, Pr.BBl. 22, S. 22.

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auf denjenigen Teil des Steuerbedarfs zu verrechnen, welcher durch Prozente der entsprechen­ den, vom Staate veranlagten Steuer aufzubringen ist. Mietssteuern von gewerblich benutzten Räumen sind auf die Gewerbesteuer zu ver­ rechnen. § 58. Die Bestimmungen der §§ 54, 56 und 57 finden auf die Betriebssteuer55 und auf die Steuern von Bauplätzen (§ 27 Abs. 2) keine Anwendung. Zuschläge zu der Betriebs­ steuer, die 100 Prozent übersteigen, bedürfen der Genehmigung?« § 59. Über die Verteilung des Steuerbedarfs nach den vorstehenden Bestimmungen (§§ 54 bis 57) hat die Gemeinde bis zum Ablaufe der ersten drei Monate des Rechnungs­ jahres Beschluß zu fassen. Kommt bis zu diesem Zeitpunkte ein gültiger Beschluß nicht zu­ stande, so werden behufs Deckung des Steuerbedarfs — unbeschadet der Vorschrift im § 96 Abs. 4 — die Realsteuern mit einem um die Hälfte höheren Prozentsätze als die Einkommen­ steuer, unter sich nach gleichen Prozentsätzen, herangezogen. Die Aufsichtsbehörde ist jedoch befugt, die Deckung des Steuerbedarfs nach Maßgabe der §§ 54, 55 anzuordnen. Der hiernach zur Anwendung gelangende Maßstab behält so lange Geltung, als nicht bis zum Ablaufe der ersten drei Monate des jedesmaligen Rechnungsjahres ein gültiger Ge­ meindebeschluß über die Verteilung des Steuerbedarfs zustande gekommen ist. 5. Zeitliche Begrenzung der Steuerpflicht. § 60. Soweit sich die Gemeindesteuern den Staatssteuern anschließen und etwas anderes nicht bestimmt ist, gelten für den Zeitpunkt des Beginnes und des Erlöschens der Steuer­ pflicht die für die entsprechende Staatssteuer bestehenden Vorschriften. Im übrigen gelten hinsichtlich der Dauer der Steuerpflicht folgende Bestimmungen: 1. Die Steuerpflicht beginnt: a) soweit sie von der Begründung eines Wohnsitzes oder Sitzes in einer Gemeinde ab­ hängt, mit dem ersten Tage des auf die Begründung des Wohnsitzes oder Sipes folgenden Monats; b) soweit sie von dem Aufenthalte in einer Gemeinde abhängt, mit dem ersten Tage des nach dem Ablauf der maßgebenden Aufenthaltsfrist (§ 33 Abs. 4) beginnenden Monats; c) soweit sie durch Grundvermögen, Betrieb von Handel oder Gewerbe, einschließ, lief) des Bergbaues, bedingt ist (§ 33 Nr. 2, § 35), mit dem ersten Tage des auf den Erwerb des Grundvermögens oder den Beginn des Betriebes folgenden Monats. Ist in dem zu b bezeichneten Falle die Steuerpflicht infolge des Ablaufs der Aufenthaltsfrist oder der ftüheren Begründung eines Wohnsitzes eingetreten, so muß die Steuer seit dem ersten Tage des nach erfolgter Aufenthaltsnahme begonnenen Monats nach­ entrichtet werden. 2. Die Steuerpflicht erlischt: a) durch den Tod des Steuerpflichtigen mit dem Ablaufe des Monats, in welchem der Tod erfolgt ist; b) durch das Aufgeben des Wohnsitzes, Sitzes oder Aufenthalts mit dem Ablaufe des Monats, in welchem der Wohnsitz, Sitz oder Aufenthalt tatsächlich aufgegeben worden ist, sofern jedoch bis zu diesem Zeitpunkte der Gemeindebehörde hiervon keine Anzeige erstattet ist, erst mit dem Ablaufe des folgenden Monats; c) durch die Veräußerung des Grundvermögens beziehungsweise die Einstellung des die Steuerpflicht bedingenden Betriebes von Handel oder Gewerbe, einschließlich des Bergbaues (§ 33 Nr. 2, § 35), mit dem Ablaufe des Monats, in welchem die Veräußerung beziehungsweise die Einstellung des Betriebes erfolgt ist. 66 Vgl. AAnw. Art. 22 und §§ 59 ff. Gew StG., vorstehend unter Nr. 4. 66 Des Kreis- bzw. Bezirksausschusses, §77 Abs. 1. Zur Erhebung einer besonderen Gemeindebetriebssteuer (AAnw. Art. 22) ist auch die Zustimmung gemäß § 77 Abs. 3 erforderlich. Reichelt, Berwaltungsgesetzbuch.

7!)

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0. Veranlagung und Erhebung. § 61. Tie Veranlagung erfolgt durch den Gemeindevorstand oder einen besonderen Steuerausschuß der Gemeinde. (Xic Zusammensetzung und die Geschäftsordnung der Steuerausschüsse sind unter sinn­ gemäßer Anwendung der Vorschriften der §§ 55 Abs. 3 bis einschließlich 59 Eink.StG. durch Gemeindebeschluß zu bestimmen. § 62. Dem Gemeindevorstande l Steuerausschuß) sind von den zuständigen Staats­ behörden diejenigen bei der Veranlagung oder Festsetzung der Staatssteuern bekannt ge­ wordenen Besteuerungsmerkmale, deren er für die Veranlagung bedarf, aus Ersuchen mit­ zuteilen. Zu dem gleichen Zwecke haben die Behörden anderer Gemeinden hinsichtlich der ihnen bekannten Besteuerungsmerkmale.dem Gemeindevorstande (Lteuerausschuß) aus Erfordern Auskunft zu erteilen. § 63. Durch die Steuerordnung können die Rechte des Gemeindcvorstandes (Steuer­ ausschusses) und die Obliegenheiten der Steuerpflichtigen nach Maßgabe folgender Bestim­ mungen geregelt werden. Der Gemeindevorstand (Steuerausschuß) kann, soweit er nicht auf anderem Wege (§ 02) zur Kenntnis der für die Veranlagung maßgebenden Besteuerungsmerkmale gelangt ist, er­ mächtigt werden, von den Steuerpflichtigen hierüber binnen einer angemessenen Frist Aus­ kunft zu erfordern. Die Aufforderung muß in jedem einzelnen Falle durch eine besondere, dem Steuerpflichtigen zuzustellende Zuschrift erfolgen. Tie Verpflichtung zur Auskunftserteilung erstreckt sich nur auf die Beantwortung der bei der Aufforderung gestellten Fragen über bestimmte Tatsachen. Soweit es sich um Schät­ zungen handelt, ist der Steuerpflichtige eine Erklärung abzugeben berechtigt, aber nicht ver­ pflichtet. Wird die Auskunftserteilung beanstandet, so sind dem Steuerpflichtigen vor der Ver­ anlagung die Gründe der Beanstandung mit dem Anheimstellen mitzuteilen, hierüber binnen einer angemessenen Frist eine weitere Erklärung abzugeben. Die im vorstehenden wegen der Steuerpflichtigen getroffenen Bestimmungen finden auf Bevollmächtigte und gesetzliche Vertreter der Steuerpflichtigen sinngemäße Anwendung. § 64. Durch Steuerordnung kann bestimmt werden, daß die Veranlagung besonderer Realsteuern für mehrere aufeinander folgende Rechnungsjahre zu erfolgen hat. Soweit eine Bestimmung nicht getroffen ist, geschieht die Veranlagung für je ein Rechnungsjahr. § 65. Im Falle der Erhebung von Prozenten der vom Staate veranlagten Realsteuern, sowie von Zuschlägen zur Staatseinkommenfteuer erfolgt die Bekanntmachung der Steuern durch den Gemeindevorstand für diejenigen Steuerpflichtigen, bezüglich deren die staatlich veranlagte Steuer die unveränderte Grundlage der Prozente oder Zuschläge bildet, durch eine in ortsüblicher Weise zu bewirkende Veröffentlichung der zu erhebenden Prozentsätze, für andere Steuerpflichtige durch besondere Mitteilung. Bei Erhebung besonderer Gemeindesteuern geschieht die Bekanntmachung durch den Ge­ meindevorstand für die im Gemeindebezirke wohnenden steuerpflichtigen physischen Personen mittels Auslegung der Hebeliste während eines zweiwöchigen Zeitraumes in einem oder mehreren, in ortsüblicher Weise zur öffentlichen Kenntnis zu bringenden Räumen des Gemeindebczirks, für die übrigen Steuerpflichtigen durch besondere Mitteilung. Bei Zugängen im Laufe des Jahres bedarf es stets besonderer Mitteilung. Durch Gemeindebeschluß kann an Stelle der Bekanntmachung durch Auslegung eine be­ sondere Mitteilung an jeden einzelnen Pflichtigen angeordnet werden. § 66. Nach erfolgter Bekanntmachung (§ 65) ist die Steuer in den ersten 8 Tagen eines jeden Monats zu entrichten. An Stelle des Monats kann durch Gemeindebeschluß eine zweioder dreimonatliche Hebeperiode eingeführt werden. Auch können durch Gemeindebeschluß bestimmte Hebungstage festgesetzt werden.

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Wenn die zu erhebenden Prozentsätze der vom Staate veranlagten Realsteuern oder die Zuschläge zur Einkommensteuer 50 vom Hundert nicht übersteigen, so kann durch Gemeindebeschluß unter Festsetzung der Hebetermine die Hebung der Steuer in halbjährigen Beträgen oder auch im Betrage des ganzen Jahres angeordnet werden. Dem Pflichtigen ist stets die Vorausbezahlung mehrerer Raten bis zum ganzen Jahres­ betrage gestattet. § 87. Die Gemeinden können die von den Mitgliedern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 33 Nr. 2 und 3 zu entrichtende Gemeindeeinkommensteuer von der Ge­ sellschaft einziehen. 4. Titel. Naturaldienste.^ § 88. (i) Die Steuerpflichtigen5* können durch Gemeindebeschluß^ zu Naturaldiensten (Hand- und Spanndiensten) herangezogen werden. (2) Spanndienste sind von den Grundbesitzern nach dem Verhältnis der Anzahl der Zug­ tiere, welche die Bewirtschaftung ihres im Gemeindebezirk belegenen Grundbesitzes erfordert, Handdienste von sämtlichen Steuerpflichtigen gleichheitlich zu leisten. Ob und inwieweit hierbei den gespannhaltenden Grundbesitzern die ihnen obliegenden Spanndienste auf das Maß der auf sie entfallenden Handdienste anzurechnen sind, bestimmt sich nach den hierüber getroffenen vertragsmäßigen oder statutarischen Festsetzungen oder dem Herkommen. Im Zweifelsfalle wird vermutet, daß die gespannhaltenden Grundbesitzer nur bei solchen Arbeiten, bei welchen zugleich Spanndienste vorkommen, von den Handdiensten befreit sind. Abweichungen von diesen Bestimmungen, insbesondere die Heranziehung von anderen gespannhaltenden Steuerpflichtigen zu Spanndiensten, bedürfen der Genehmigung. (3) Die Dienste können mit Ausnahme von Notfällen durch taugliche Stellvertreter ab­ geleistet werden. (4) Die Gemeinde kann gestatten, daß an Stelle des Naturaldienstes ein angemessener Geldbeitrag geleistet wird. (5) Die gemäß § 38 dieses G. von den Gemeindeabgaben ganz oder teilweise freigelassenen Steuerpflichtigen können nach Maßgabe der Bestimmung des Abs. 2 zu Naturaldiensten herangezogen werden. (g) Die in §§ 40, 41, 42 aufgeführten Personen sind von Naturaldiensten, soweit diese nicht auf den ihnen gehörigen Grundstücken lasten, befreit; untere Kirchendiener insoweit, als ihnen diese Befreiung seither rechtsgültig zustand. 5. Titel.

Rechtsmittel.

§ 89. Dem Abgabepflichtigen steht gegen die Heranziehung (Veranlagung) zu Ge­ bühren, Beiträgen, Steuern und Naturaldiensten der Einspruchs jU Das Rechtsmittel ist binnen einer Frist von vier Wochen bei dem Gemeindevorstande einzulegen. 57 Bgl. § 90 Abs. 2. — Die in vielen Gemeinden bestehende Verpflichtung der Hausbesitzer, den Bürgersteg zu reinigen, hat das KAbgG. unberührt gelassen, AAnw. Art. 1 Nr. 2. 58 Ungenauer Ausdruck; das G. meint alle Steuerpflichtigen im weitesten Sinne, auch Forensen, juristische Personen. 68 AAnw. Art. 44 Nr. 2: Der Gemeindebeschluß, durch welchen die Leistung der Hand- und Spanndienste geregelt wird, hat die Bedeutung einer statutarischen Anordnung, deren Ge­ nehmigung sich nach den entsprechenden gemeindeverfassungsrechtlichen Vorschriften richtet. — Er ist nicht zu verwechseln mit Anforderungen der Wegepolizeibehörde an die Gemeindeein­ wohner, Naturaldienste zur Beseitigung oder Verhütung zeitweiliger Verkehrsstörungen zu leisten. 60 Die Heranziehungsverfügung muß gleichzeitig den Grund — wenn auch nur dem Titel nach — jeder einzelnen Gemeindeabgabe und deren Betrag angeben; die Mitteilung nur der Veranlagungsmerkmale, z. B. des der Grundsteuer zugrunde gelegten Mietwertes oder des zu erhebenden Prozentsatzes, genügt nicht.—Eine besondere Form der Zustellung der Heranziehungsverfügung ist nicht vorgeschrieben; die Zustellung oder Bescheinigung der Behandlung empfiehlt sich aber wegen der Nachprüfung der Gnspruchsfrist. — Eine Rechtsmittelbelehrung ist weder hier noch für den Einspruchsbescheid (§ 70) vorgeschrieben. 61 Eine besondere Form des Einspruchs ist nicht vorgeschrieben, so daß er auch mündlich er­ folgen kann, der Gemeindevorstand braucht sich aber darauf nicht einzulassen, OVG. 51, S. 156. —

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Der Lauf der Frist beginnt: 1. soweit die Bekanntmachung durch Auslegung der Hebelisten erfolgt ist, mit dem ersten Tage nach Ablauf der Auslegungsfrist; 2. soweit eine besondere Mitteilung vorgeschrieben ist, mit dem ersten Tage nach erfolgter Mitteilung; 3. in allen übrigen Fällen mit dem ersten Tage nach der Aufforderung zur Zahlung bc ziehungsweise Leistung. Einsprüche, welche sich gegen den der Veranlagung zugrunde liegenden Staatssteuersap (§§ 26, 30, 36, 38) und bei besonderen Gemeindeeinkommensteuern (§ 37) gegen die Höhe des zur Staatseinkommensteuer veranlagten Einkommens richten, sind unzulässig.^ Vorstehende Bestimmungen finden sinngemäße Anwendung auf Einsprüche wegen Heran­ ziehung oder Veranlagung von Grundbesitzern, Gewerbetreibenden und Einwohnern eines Gutsbezirkes zu den öffentlichen Lasten desselben. § 70* Über den Einspruch beschließt^ der Gemeindevorstand. Gegen den Beschluß steht den Pflichtigen binnen einer mit dem ersten Tage nach erfolgter Zustellung^ beginnenden Frist von zwei Wochen^ die Klage66 im Verwaltungsstreitver­ fahren offen. Zuständig in erster Instanz ist für Landgemeinden (Gutsbezirke) der Kreis­ ausschuß, für Stadtgemeinden der Bezirksausschuß. Ter Gemeindevorstand kann zur Wahr­ nehmung der Rechte der Gemeinde einen besonderen Vertreter bestellen. Gegen die Ent­ scheidung des Bezirksausschusses bei Stadtgemeinden ist nur das Rechtsmittel der Revision zulässig. Ter Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren unterliegen desgleichen Streitigkeiten zwischen Beteiligten über ihre in dem öffentlichen Rechte begründete Verpflichtung zu den im § 69 Abs. 1 bezeichneten Lasten. § 71. Über die Verteilung gemeindesteuerpflichtiger Einkommen auf eine Mehrzabl steuerberechtigter (Wohnsitz-, Aufenthalts-, Belegenheits-, Betriebs-) Gemeinden gemäß den Vorschriften dieses G. (§§ 47 bis 51 in Verbindung mit §§ 33 und 52) beschließt auf Antrag des Steuerpflichtigen unter Zugrundelegung der Einschätzung der einzelnen Gemeinden der Kreisausschuß und, soweit die Stadt Berlin oder andere Stadtgemeinden in Betracht kommen, der Bezirksausschuß nach Anhörung sämtlicher Beteiligten. Der Antrag des Steuerpflichtigen, welcher binnen der Friste von 4 Wochen, vom Tage der Bekanntmachung der Steuer (§ 65) seitens der zweiten oder einer weiteren eine Steuer­ forderung erhebenden Gemeinde ab gerechnet, zu stellen ist, tritt an die Stelle des Ein spruches gegen die Heranziehung (Veranlagung) zu den bezüglichen Steuern in jeder einzelnen der beteiligten Gemeinden (§ 69). Der Kreis(Bezirks)ausschuß hat nach verhandelter Sache den auf jede Gemeinde ent In jedem Falle muß der Steuerpflichtige, sofern er nicht die ganze Veranlagung angreift, ziffermäßig angeben, wieviel er zu zahlen bereit ist, Pr.VBl. 22, S. 23.

62 nicht aber Einsprüche, welche die kommunale Steuerpflicht überhaupt bestreiten. 63 Der Beschluß, in der Praxis Einspruchsbescheid genannt, muß sich als Beschluß des Ge meindevorstandes kennzeichnen und schriftlich abgefaßt sein; ein Beschluß des Steuerausschusses genügt nicht. — Der Gemeindevorstand ist an seinen Beschluß nicht gebunden, sondern kann jederzeit eine Änderung vornehmen, insbesondere auch die Veranlagungsversügung und den Ein spruchsbescheid zurücknehmen. 64 Der Einspruchsbescheid muß also, im Gegensatz zur Veranlagungsversügung (s. Anm. 60) förmlich zugestellt oder gegen Empfangsschein behändigt werden, wenn er den Lauf der Klage­ srist rechtswirksam eröffnen soll. 65 Ausschlußfrist (§ 94), deren Jnnehaltung von Amts wegen zu prüfen ist und deren gesetzliche Folgen nicht durch Vereinbarung beseitigt werden können. — Eine erneute Gegenvorstellung des Abgabepflichtigen beim Gemeindevorstande kann eine neue Frist nur dann in Lauf setzen, wenn sich der Gemeindevorstand in einem erneuten Bescheide sachlich darauf einläßt. 66 Die Klage muß alle wesentlichen Bedingungen des § 63 LVG. erfüllen, insbes. den ziffermäßigen Betrag angeben, den der Kläger zahlen will, vorausgesetzt, daß er dazu nach Ver anlagungsverfügung und Einspruchsbescheid imstande ist; sonst muß er die ganze Veranlagung an­ fechten, Pr.VBl. 22, S. 22. — Eine Klageanmeldung genügt nicht. — Mit dem Klageanspruche darf nicht über den des Einspruchs hinausgegangen werden.

15. Äommunalabgabengesetz.

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fallenden Teil des steuerpflichtigen Einkommens und den von demselben zu entrichtenden Steuerbetrag festzusetzen. Zutreffendenfalls kommen die ^Bestimmungen des § 58 LVG. dahin zur Anwendung, daß auch in den Fällen, in welchen die Stadt Berlin beteiligt ist, der Minister des Innern den Bezirksausschuß bestimmt, welcher zu beschließen hat. § 72. Gegen den Beschluß des Kreis(Bezirks)ausschusses findet binnen einer Friste von zwei Wochen der Antrag auf mündliche Berhandlung im Verwaltungsstreitverfahren67 statt. In den Fällen, in welchen der § 58 o. a. O. zur Anwendung kommt, ist für das Ver­ waltungsstreitverfahren derjenige Kreis(Bezirks)ausschuß zuständig, welcher in Ansehung des Beschlußverfahrens für zuständig erklärt worden war. Der Antrag auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren steht sowohl dem Steuerpflichtigen, als auch einer jeden Gemeinde zu, auf deren Steuerforderung sich der Beschluß erstreckt, und richtet sich gegen sämtliche Beteiligte, deren Teilverhältnis durch den von dem Kläger verfolgten Anspruch berührt wird. § 73. Wird während schwebenden Beschluß- oder Verwaltungsstreitverfahrens eine weitere Forderung auf Zahlung von Gemeindesteuern in Ansehung des dem Verfahren unterliegen­ den Einkommens erhoben, so hat der Steuerpflichtige binnen der Frist von vier Wochen, vom Tage der Bekanntmachung der bezüglichen Steuerforderung (§ 65) ab gerechnet, deren Einbeziehung in das schwebende Verfahren bei derjenigen Behörde zu beantragen, bei welcher die Sache anhängig ist. In diesem Verfahren ist alsdann gleichzeitig auch über die später erhobene Steuerforderung zu beschließen oder zu entscheiden. § 74. Wird nach rechtskräftig entschiedener Sache eine weitere Steuerforderung in An­ sehung des Einkommens erhoben, welches den Gegenstand des früheren Verfahrens gebildet hat, so finden die vorstehenden Bestimmungen (§§ 71 bis 73) sinngemäße Anwendung mit der Maßgabe, daß derjenige Kreis(Bezirks)ausschuß, welcher in dem ersten Verfahren be­ schlossen und entschieden hat, auch für das zweite Verfahren zuständig ist, und daß das rechts­ kräftig festgesetzte Anteilsverhältnis der bei dem ersten Verfahren beteiligt gewesenen Ge­ meinden in dem zweiten Verfahren nicht mehr geändert, in dem letzteren vielmehr nur noch darüber beschlossen und entschieden werden kann, welchen Betrag die früher aufgetretenen Steuergläubiger dem später aufgetretenen nach dem durch das rechtskräftige Urteil für sie festgesetzten Anteilsverhältnisse zu erstatten haben. § 75. Durch Einspruch und Klage wird die Verpflichtung zur Zahlung oder Leistung nicht aufgeschoben. § 76. Gegen die Feststellung des Gesamtsteuersatzes für einen Gewerbebetrieb, der sich über mehrere Gemeinden erstreckt und nicht zur Staatsgewerbesteuer, aber gemäß § 28 Nr. 2 bis 6 zur Gemeindegewerbesteuer herangezogen wird (§ 32), finden dieselben Rechts­ mittel statt, die im Falle der Veranlagung dieses Betriebes zur Staatsgewerbesteuer gegeben sein würden (§§ 35 bis 37 Gew.StG.). Desgleichen finden auch in diesem Falle hinsichtlich der Zerlegung des Steuersatzes in die auf die einzelnen Betriebsorte entfallenden Teilbeträge die im § 38 a. a. O. wegen der Rechtsmittel getroffenen Vorschriften Anwendung. 6. Titel. Aufsicht. § 77. (i) Für die Erteilung der in diesem G. vorbehaltenen Genehmigungen ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen bei Stadtgemeinden der Bezirksausschuß, bei Land­ gemeinden der Kreisausschuß zuständig. (2) Gegen den auf Beschwerde ergehenden Beschluß — bei Stadtgemeinden des Provinzial67 Prozeßrechtliche Grundsätze: OBG. 52, S. 159. — Eine Erhöhung des einer Gemeinde zustehenden Steuerbetrages über den geforderten Betrag ist ausgeschlossen. Im übrigen ist dieses Streitverfahren ein judicium duplex, das auch reformatio in pejus nicht ausschließt, überhaupt bietet die Übertragung des Streitverfahrens auf das Steuerverteilungsverfahren prozessualisch er­ hebliche Bedenken; Erledigung im Beschlußversahren wäre praktischer und sachgemäßer und schneller.

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XII. Abschn.

Ainanzrecht.

rats, bei Landgemeinden des Bezirksausschusses — steht dem Vorsitzenden dieser Behördee aus Gründen des öffentlichen Interesses die Einlegung der weiteren Beschwerde an tue: Minister des Innern und der Finanzen zu. Hierbei finden die Bestimmungen des § 123 $ LBG. Anwendung. (3) Tie Genehmigung von Gemeindebeschlüssen, durch welche a) besondere direkte oder indirekte Gemeindesteuern neu eingeführt oder in ihren Grund­ sätzen verändert, b) Abweichungen von den im § 54 vorgeschriebenen Berteilungsregeln, c) Zuschläge über den vollen Satz der Staatseinkommensteuer hinaus (§ 55) angeordnet r werden, bedarf der Zustimmung der Minister des Innern und der Finanzen. Den Ministern ist ge­ stattet, die Erteilung der Zustimmung auf die ihnen untergeordneten Aufsichtsbehörden. höherer Instanz zu übertragen.^ (4) Die Erteilung der Genehmigung kann auf eine von vornherein zu bestimmende Frist von einem oder mehreren Jahren beschränkt werden. § 78. (1) Bestehen bei dem Inkrafttreten des G. in einzelnen Gemeinden Ordnungen über die Aufbringung von Gebühren, Beiträgen, indirekten, direkten Steuern oder Diensten, welche den Vorschriften dieses G. zuwiderlaufen, oder werden derartige Gemeindebeschlüsse gefaßt, so ist die Aufsichtsbehörde befugt, deren Abänderung oder Ergänzung unter Angabe der Gründe anzuordnen. (2) Dieselbe Befugnis steht der Aufsichtsbehörde zu, wenn die Abstufungen des Grundbesitzes, nach welchen die Steuer umgelegt wird (§ 25), wegen wesentlicher Veränderungen der Besitzverhältnisse zur Grundlage der Besteuerung nicht mehr geeignet sind und ein Antrag auf Abänderung oder Ergänzung von der Mehrheit der einer Abstufung ungehörigen Steuer­ pflichtigen gestellt wird. (3) Die Einführung neuer und die Erhöhung bestehender indirekter Steuern darf nicht angeordnet werden. (4) Gegen die Anordnung findet innerhalb vier Wochen nach Ablauf der in derselben ge­ stellten Frist die Klage im Verwaltungsstreitverfahren, für Landgemeinden bei dem Bezirks­ ausschüsse, für Stadtgemeinden bei dem Oberverwaltungsgerichte statt. (5) Wird die Klage innerhalb dieser Frist nicht erhoben, so ist die Aufsichtsbehörde befugt, die in Ansehung der Aufbringung der Gebühren, Beiträge, indirekten, direkten Steuern oder Dienste erforderliche Ordnung auf Grundlage der erlassenen Verfügung selbst festzu­ stellen. Das gleiche gilt für den Fall der rechtskräftigen Abweisung der Klage. Wird die Klage endgültig für begründet erkannt, so tritt die Anordnung außer Kraft. (g) Sofern das öffentliche Interesse es erheischt, beschließt im Falle der Erhebung der Klage über die vorläufige Ordnung des Steuerwesens bis zur rechtskräftigen Entscheidung für Land­ gemeinden der Kreisausschuß, für Stadtgemeinden der Bezirksausschuß. 7. Titel.

Strafen.

§ 79. Wer in der Absicht der Steuerhinterziehung an zuständiger Stelle auf die an ihn gerichteten Fragen oder bei der Begründung eines Einspruchs unrichtige oder unvollständige Angaben macht, wird mit dem vier- bis zehnfachen Betrage der stattgehabten oder beab­ sichtigten Verkürzung, mindestens aber mit einer Geldstrafe von 100 M bestraft. Ist eine unrichtige oder unvollständige Angabe, welche geeignet ist, eine Verkürzung der Steuer herbeizuführen, zwar wissentlich, aber nicht in der Absicht der Steuerhinterziehung erfolgt, so tritt Geldstrafe von 3 bis 100 M ein. Straffrei bleibt, wer seine unrichtige oder unvollständige Angabe, bevor Anzeige erfolgt oder eine Untersuchung eingeleitet ist, an zuständiger Stelle berichtigt oder ergänzt und die vorenthaltene Steuer in der ihm gesetzten Frist entrichtet. 68 Geschehen — mit einzelnen Vorbehalten — durch MErl. v. 26. Juni 1907 (MBl. 236) durch Übertragung auf die Oberpräsidenten für Stadtgemeinden und Regierungspräsidenten für Landgemeinden.

15. Äommunalabgabengesetz.

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§ 8V. Der Gemeindevorstand beziehungsweise die Mitglieder des Gemeindevorstandes, die Mitglieder der Steuerausschüsse, sowie die bei der Veranlagung beteiligten Gemeinde­ beamten werden, wenn sie die zu ihrer Kenntnis gelangten Erwerbs-, Vermögens- oder Einkommensverhältnisse eines Steuerpflichtigen, insbesondere auch den Inhalt einer Aus­ kunftserteilung (§ 63) oder der darüber gepflogenen Verhandlungen unbefugt offenbaren, mit Geldstrafe bis zu 1500 M oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Die Verfolgung findet nur auf Antrag des Gemeindevorstandes oder des Steuerpflich­ tigen beziehungsweise dessen Vertreters statt. Ist das Vergehen von dem Gemeindevorstande oder von Mitgliedern des Gemeindevorstandes begangen, so ist auch die Aufsichts­ behörde zur Stellung des Antrages berechtigt. § 81. Die auf Grund der §§ 79 und 80 festgesetzten, aber unbeitreiblichen Geldstrafen sind nach Maßgabe der für Übertretungen geltenden Bestimmungen der §§28 und 29 StGB, in Haft umzuwandeln. Die Untersuchung und Entscheidung in betreff der im § 79 bezeichneten strafbaren Hand­ lungen steht dem Gerichte zu, wenn nicht der Beschuldigte die von dem Gemeindevorstande vorläufig festgesetzte Geldstrafe nebst den durch das Verfahren gegen ihn entstandenen Kosten binnen einer ihm bekanntgemachten Frist freiwillig an die Gemeindekasse zahlt. Hat der Beschuldigte in Preußen keinen Wohnsitz, so erfolgt das Einschreiten des Gerichts ohne vorläufige Festsetzung der Strafe durch den Gemeindevorstand. Dasselbe findet statt, wenn der Gemeindevorstand aus sonstigen Gründen von der vorläufigen Festsetzung der Strafe Abstand zu nehmen erklärt oder der Angeschuldigte hierauf verzichtet. Bei Zuwiderhandlungen wegen der Verpflichtung zur Geheimhaltung (§ 80) findet nur das gerichtliche Strafverfahren statt. § 82. In den Steuerordnungen bd können Strafen gegen Zuwiderhandlungen bis zur Höhe von 30 M angedroht werden. Die Strafen sind durch den Gemeindevorstand festzusetzen^ und nach eingetretener Rechts­ kraft (§ 459 StPO.) im Verwaltungszwangsverfahren beizutreiben. 8. Titel. Nachforderungen und Verjährungen. § 83. Die Einziehung hinterzogener direkter Steuern (§ 79) zur Gemeindekasse erfolgt neben und unabhängig von der Strafe. Die Verbindlichkeit zur Nachzahlung der Steuer verjährt in zehn Jahren und geht auf die Erben, jedoch für diese mit einer Verjährungsfrist von fünf Jahren und nur auf Höhe ihres Erbanteils, über. Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Rechnungsjahres, in welchem die Hinterziehung begangen wurde. Die Festsetzung der Nachsteuer steht dem Gemeindevorstande zu, gegen dessen Beschluß nach Maßgabe der §§ 69, 70 der Einspruch und die Klage im Verwaltungsstreitverfahren zulässig sind. § 84. Steuerpflichtige, welche entgegen den Vorschriften dieses G. oder der auf Grund desselben erlassenen Steuerordnungen bei der Veranlagung direkter Gemeindesteuern über­ gangen oder steuerfrei geblieben sind, ohne daß eine strafbare Hinterziehung der Steuer stattgefunden hat (§§ 79, 83), sind zur Entrichtung des der Gemeindekasse entzogenen 69 Nicht auch in Gebührenordnungen oder Gemeindebeschlüssen über die Leistung von Natural­ diensten. 70 AAnw. Art. 50: Der Strafbescheid muß die strafbare Handlung, das angewendete Straf­ gesetz (die Steuerordnung) und die Beweismittel bezeichnen, auch die Eröffnung enthalten, dast der Beschuldigte, sofern er nicht eine nach den Gesetzen zugelassene Beschwerde an die höhere Berwaltungsbehörde ergreift, binnen einer Woche nach der Bekanntmachung bei der Ver­ waltungsbehörde, welche denselben erlassen, oder bei derjenigen, welche ihn bekanntgemacht hat, auf gerichtliche Entscheidung antragen könne. Die Beschwerde richtet sich in Stadtgemeinden nach § 7 ZustG., in Landgemeinden nach § 24 ZustG. bzw. § 139 LGO. Wird aus gerichtliche Entscheidung angetragen, so sind die Akten — falls der Strafbescheid bei noch­ maliger Erwägung der Angelegenheit nicht zurückgezogen wird — an die zuständige Staatsanwalt­ schaft zu übersenden (§§ 459 und 460 StPO.).

XII. Abschn. Finanzrecht.

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Betrages verpflichtet. Tie Verpflichtung erstreckt fich auf die drei Rechnungsjahre zurüctck, welche dem Rechnungsjahre, in dem die Berkürzung festgestellt worden, vorausgegangen findd. Tie Verpflichtung zur Zahlung der Nachsteuer geht auf die Erben, jedoch nur bis zur Höhne ihres Erbanteils über. Die Veranlagung der Nachsteuer erfolgt einheitlich für den ganzen Zeitraum, auf weichern sich die Verpflichtung erstreckt, nach den Vorschriften dieses G. oder der maßgebenden Steuer rordnungen. § 85. Ist nach den Bestimmungen der §§ 73, 85 Eink.StG. eine Nachsteuer für den Staaat festgesetzt, so haben die zur Entrichtung der Nachsteuer Verpflichteten gemäß den hierfüur geltenden Vorschriften die entsprechenden Zuschläge an die Gemeinde nachzuzahlen. Die Festsetzung der nachträglich zu entrichtenden Zuschläge geschieht durch den Gemeinden vorstand einheitlich für den ganzen Zeitraum, auf welchen sich die Verpflichtung erstreckt t, nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder der maßgebenden Steuerordnungen. § 86. Hat infolge der Einlegung von Rechtsmitteln oder einer anderweiten Veranlagungg (§ 62 des Eink.StG.) eine Erhöhung der ursprünglich vom Staate veranlagten Steuer statt tgefunden (§ 30 Abs. 2, § 36 Abs. 3), so kann die hieraus entspringende Nachforderung derr Gemeinde nur innerhalb der Frist von einem Jahre, welche mit dem Tage der ergangenern endgültigen Entscheidung über die Erhöhung der Steuer beginnt, erhoben werden. § 87. Die Berechtigung der Gemeinden zur Nachforderung anderer Gemeindeabgabenn als direkter Steuern beschränkt sich ohne Unterscheidung, ob die Abgabe gar nicht oder mint einem zu geringen Betrage erhoben worden ist, 1. bei Verbrauchsabgaben auf die Frist eines Jahres, vom Tage des Eintrittes der Zah «lungsverpflichtung an gerechnet, 2. bei sonstigen indirekten Steuern, Gebühren und Beiträgen (§§ 4 bis 11), sowie bcti Kosten auf die Frist von drei Jahren seit dem Ablaufe desjenigen Jahres, in welchem: die Forderung entstanden ist. Die Nachforderung von Naturaldiensten ist, sofern die Nachleistung nach den Zwecken: der zu leistenden Dienste überhaupt noch möglich ist, auf die Tauer des laufenden Rech-nungsjahres beschränkt. § 88. Zur Hebung gestellte Gemeindeäbgaben und Kosten, welche im Rückstände ver­ blieben oder befristet sind, verjähren in 4 Jahren, von dem Ablaufe des Jahres an gerechnet,, in welches der Zahlungstermin fällt. Die Verjährung wird durch eine an den Pflichtigen erlassene Zahlungsaufforderung, durch) Verfügung der Zwangsvollstreckung und durch Stundung unterbrochen. Nach Ablauf des Jahres, in welchem die letzte Aufforderung zugestellt, die Zwangsvoll­ streckung verfügt oder die bewilligte Frist abgelaufen ist, beginnt eine neue vierjährige Ver­ jährungsfrist. 9. Titel.

Kosten und Zwangsvollstreckung.

§ 89. Die Kosten der Veranlagung und Erhebung der Abgaben fallen, insoweit hierüber nicht durch § 14 des G. wegen Aufhebung direkter Staatssteuern anderweitige Bestimmung, getroffen ist, der Gemeindekafse zur Last. Jedoch sind diejenigen Kosten, welche durch die gelegentlich eines Einspruches erfolgenden Ermittelungen veranlaßt werden, von dem Ab­ gabepflichtigen zu erstatten, wenn sich seine Angaben in wesentlichen Punkten als unrichtig erweisen. Die Festsetzung dieser Kosten kann nur in der Entscheidung über den Einspruch erfolgen.

§ 90. Gebühren, Beiträge, Steuern und Kosten, sowie die nach einem von der Aufsichts­ behörde festgestellten Tarife erhobenen Vergütungen (Kurtaxen usw.) unterliegen der Bei­ treibung im Verwaltungszwangsverfahren nach Maßgabe der Vg. v. 15. Nov. 1899 (GS. 545). Sind Naturaldienste ^ zu leisten, so ist der Gemeindevorstand bei Säumnis der Pflichtigen befugt- die Dienste durch Dritte leisten und die entstehenden Kosten von den ersteren im Verwaltungszwangsverfahren beitreiben zu lassen.

15. Kommunalabgabengeseh.

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Teil II. Kreis- und Provinzialsteuern. §§ 91—93. (Ersetzt durch das Kreis- und Prov.AbgG. v. 23. April 1906, abgedruckt nach­ stehend unter Nr. 16.] Schluß-, Ausführungs- und Übergangsbestimmungen. § 94. Alle in dem gegenwärtigen G. vorgeschriebenen Fristen sind Ausschlußfristen. ^ Die Fristen beginnen, soweit in diesem G. nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung des Beschlusses oder der sonstigen Anordnung. Der Tag der Zustellung wird nicht mitgerechnet. Im übrigen sind für den Beginn und die Berechnung der Fristen die bürger­ lichen Prozeßgesetze mafjgebenb.71 § 95. Das Rechnungsjahr für den Gemeindehaushalt beginnt mit dem 1. April und schließt mit dem 31. März. Der Beschlußfassung der Gemeindebehörden bleibt überlassen, an Stelle des Rechnungs­ jahres eine Periode von zwei oder drei Rechnungsjahren treten zu lassem § 96. (i) Das gegenwärtige G. tritt gleichzeitig mit dem G. wegen Aufhebung direkter Staatssteuern in Kraft. (2) Die Gemeinden sind verpflichtet, die Ordnungen (Observanzen, Statuten, Regulative, Gemeindebeschlüsse usw.) über die Aufbringung von Gebühren, Beiträgen, indirekten und direkten Steuern oder Diensten mit den Vorfchriften dieses G. in Übereinstimmung zu bringen. (4) Ordnungen, welche bis zum Inkrafttreten des gegenwärtigen Gesetzes in Geltung gewesen sind, bleiben — unbeschadet der Bestimmungen im § 23 Abs. 4 und § 37 Abs. 2 — bis zur Abänderung durch rechtsgültigen Gemeindebeschluß oder Anordnung der Aufsichts­ behörde (§ 78) bestehen. (5) Mit dem Inkrafttreten des gegenwärtigen G. treten alle demselben entgegenstehenden gesetzlichen Besttmmungen außer Kraft. (e) Wo in den Gesetzen auf diese Bestimmungen Bezug genommen ist, kommen diejenigen des gegenwärtigen G. sinnentsprechend zur Anwendung. (7) Unberührt bleiben die Vorschriften wegen Erhebung von Bürgerrechtsgeldern, Ein­ kaufsgeldern und gleichartigen Abgaben.7?

16. Kreis- und Provinzialabgabengefetz.7? Vom 23. April 1906 (GS. 159). 1. Abschnitt. Kreisabgaben. § 1. Die Kreise7* sind berechtigt, zur Deckung ihrer Ausgaben nach den Besttmmungen dieses G. Gebühren und Beiträge, indirekte und direkte Steuern zu erheben. Hinsichtlich der Chausseegelder und anderen Verkehrsabgaben, der Jagdscheinabgaben, der Kosten im Verwaltungsstreit- und Beschlußverfahren sowie hinsichtlich der Erhebung der Betriebs-, der Wanderlager- und der Warenhaussteuer für Rechnung der Kreise be­ wendet es bei den bestehenden Bestimmungen.7^ § 2. Die Kreise dürfen von der Befugnis, Steuern zu erheben, nur insoweit Gebrauch machen, als die sonstigen Einnahmen, insbesondere aus dem Kreisvermögen, aus Gebühren, 71 Vgl. §§ 221 ff. ZPO. 72 vom 14. Mai 1860, abgebt, bei Anm. 24 zu § 52 öStOg. unter Abschn. III Nr. 1. Die Ein­ spruchsfrist gegen die Heranziehung beträgt ein Jahr, OVG. 33, S. 12. 73 Durch dieses G. sind die bezüglichen Bestimmungen der Kr.-Ordnungen und die §§ 91—93 KAbgG. ersetzt worden. Es stimmt in vielen seiner Grundsätze mit dem KAbgG. überein, so daß auf die Erläuterungen dazu verwiesen werden kann. — AAnw. v. 29. Sept. 1906 (MBl. 277). 74 Nur die Landkreise, auf Stadtkreise findet nur das KAbgG. Anwendung. 75 Jnsbes. KabO., betr. Chausseegeldtarif und Chausseepolizei, v. 29. Febr. 1840 und G. v. 27. Mai 1874 (GS. 94 und 184), JagdOg. v. 15. Juli 1907, § 32 (abgedr. unter Abschn. VI, Nr. 7), SteuerAufh.G. § 13, Wanderl.StG. und Warenh.StG. (vorstehend unter Nr. 13, 6 und 7).

XII. Abschn. Finanzrecht.

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Beiträgen und aus den ihnen vom Staate oder von Bezirks- oder Provinzialverbänden übct>crwiesenen Mitteln zur Deckung ihrer Ausgaben nickt ausreicken. Auf Hundesteuern finde det diese Bestimmung keine Anwendung? Durch direkte Steuern darf nur der Bedarf aufgebracht werden, welcher nach Abzug de des Aufkommens der indirekten Steuern von dem gesamten Steuerbedarfe verbleibt.7^ § 3. Gewerbliche Unternehmungen7 der Kreise sind grundsätzlich so zu verwalten, dastaß durch die Einnahmen mindestens die gesamten, durch die Unternehmung dem Kreise erwack-cksenden Ausgaben, einschließlich der Verzinsung und der Tilgung des Anlagekapitals, ausufgebracht werden. Eine Ausnahme ist zulässig, sofern die Unternehmung zugleich einem öffentlichen Jntercr esse dient, welches andernfalls nicht befriedigt totrfc.76

.

§ 4 Der Kreistag kann beschließen, daß für die Benutzung der von dem Kreise im öffentntlichen Interesse unterhaltenen Veranstaltungen (Anlagen, Anstalten und Einrichtungen m) besondere Vergütungen (Gebühren)77 erhoben werden. Die Gebühren sind im voraus nach festen Normen und Sätzen zu bestimmen.78 Tabebei ist eine Abstufung der Gebührensätze — auch nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit — bisis zur gänzlichen Freilassung zulässig. § 5. Der Kreistag kann beschließen, daß behufs Deckung der Kosten für Herstellung imtnb Unterhaltung von Veranstaltungen, welche durch das öffentliche Interesse erfordert werden,n, von denjenigen Grundeigentümern und Gewerbetreibenden, denen hierdurch besonderere wirtschaftliche Vorteile erwachsen, Beiträge78 zu den Kosten der Veranstaltungen erhobenn werden. Die Beiträge sind nach den Vorteilen zu bemessen. Durch Beschluß des Kreistags kann den Beitragspflichtigen gestattet werden, die Beiträgeie ganz oder teilweise durch Naturalleistungen nach bestimmten, vom Kreistage festzustellenden n Grundsätzen zu ersetzen.78» Der Plan der Veranstaltung ist nebst einem Nachweise der Kosten ossenzulegen. Ter r Beschluß des Kreistags wegen Erhebung von Beiträgen ist unter der Angabe, wo und während d welcher Zeit Plan nebst Kostennachweis zur Einsicht osfenliegen, durch das Kreisblatt mit t dem Bemerken bekanntzumachen, daß Einwendungen gegen den Beschluß binnen einer r bestimmt zu bezeichnenden Frist von vier Wochen bei dem Kreisausschuß anzubringen seien. . Handelt es sich um eine Veranstaltung, welche nur einzelne Grundeigentümer oder Gewerbe- treibende betrifft, so genügt an Stelle der Bekanntmachung eine Mitteilung an die Be­ teiligten. Der Kreisausschuß hat den Beschluß nebst den dazu gehörigen Vorverhandlungen t und der Anzeige, ob und welche Einwendungen innerhalb der gestellten Frist erhoben sind, . der Genehmigungsbehörde — § 19 Ziff. 1 — einzureichen. Ter Beschluß der Genehmigungsbehörde ist in gleicher Weise zur Kenntnis der Beteiligten zu bringen, wie der Beschluß des Kreistags bekanntgemacht worden ist. § 6. Der Kreistag ist befugt, mittels Erlasses von Steuerordnungen88 indirekte Steuern zu legen 75a Vgl. jedoch Anm. 6 zum KAbgG. Als Zwecke, für die besondere Fonds angesammelt werden dürfen, kommen hier z. B. Wegebaufonds und Betriebsfonds in Betracht. 76 Z. B. Kreisbahnen. 77 Vgl. §§ 4 ff. KAbgG. Kreise dürfen jedoch nur Benutzungsgebühren erheben. Die (Erhebung von Gebühren bedarf keiner Genehmigung, uwhl aber die Erhebung von Beiträgen, § 19 Nr. 1. — Als „Veranstaltungen" der Kreise kommen z. B. in Betracht: Krankenhäuser, Landwirtschafts­ schulen, Wasseranlagen, Abdeckereien, und zwar sowohl eigne Unternehmungen als auch solche, welche der Kreis mit anderen Unternehmern betreibt oder auch nur fördert, OVG. 12, 8. 29. 78 Das Deklar.-G. v. 24. Juli 1900 (s. Anm. 12 z. .KAbgG.) findet auch hier Anwendung. 79 Vgl. § 9 KAbgG. und die Anm. dazu. Die Erhebung von Beiträgen bedarf der Genehmigung nach § 19. 79a Die Aufbringung von Beiträgen durch Naturalleistungen kann insbesondere durch Überlassung von Wegebaumaterialien oder von Grundstücken erfolgen, AAnw. II B 2. 80 Streife dürfen mir die in § 0 genannten drei Arten indirekter Steuern erheben, durch Umsatz-, Schankkonzessions- und Hundesteuerordnungen; diese werden vom Kreistage erlassen, be­ dürfen der Genehmigung des Bez.-Ausschusses und der Zustimmung nach §§ 19, 20.

IG. Kreis- und Provinzialabgabengesetz.

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1. auf den Erwerb von Grundstücken und von Rechten, für welche die auf Grundstücke bezüglichen Vorschriften gelten. Durch die Steuerordnung können Befreiungen von der Steuer, insbesondere einzelner Erwerbsarten, vorgesehen werden. Der Erwerb durch Erbgang, durch Enteignung und durch Übergabevertrag zwischen Verwandten auf- und absteigender Linie ist freizulassen; 2. auf die Erlangung der Erlaubnis zum ständigen Betriebe der Gastwirtschaft, Schank­ wirtschaft oder des Kleinhandels mit Branntwein oder Spiritus (§ 33 GewOg.); 3. auf das Halten von Hunden. Dabei ist eine Abstufung der Steuersätze — insbesondere auch nach Kreisteilen — zulässig. Die Einführung einer indirekten Steuer durch den Kreis berührt nicht das Recht der Ge­ meinden zur Erhebung einer entsprechenden Steuer. 8 7. (i) Zur Aufbringung der direkten Kreissteuern sind die einzelnen Gemeinden und Gutsbezirke verpflichtet.81 (2) Als Maßstab der Verteilung der Kreissteuern auf diese Verbände dient das Soll der Einkommensteuer und der vom Staate veranlagten Realsteuern, einschließlich der Betriebsfteuer,82 wie es in Gemeinden nach den Vorschriften des KAbgG., nach Gemeindebeschlüssen und Vereinbarungen mit Steuerpflichtigen der Gemeindebesteuerung zugrunde zu legen und in Gutsbezirken gemäß § 13 für die Unterverteilung zu veranlagen ist. (3) Der Einkommensteuer sind die auf Einkommen von nicht mehr als 900 M entfallenden Steuerbeträge — § 38 Abs. 1 KAbgG. — hinzuzuzählen; indessen kann der Kreistag be­ schließen, diese Steuerbeträge insgesamt oder teilweise freizulassen oder mit einem geringeren Prozentsatz als die Einkommensteuer heranzuziehen. (4) Soweit in Gemeinden eine Steuerart zu den Gemeindeabgaben nicht herangezogen worden ist, wird das Steuersoll durch den Kreisausschuß veranlagt. (5) Maßgebend für die Verteilung ist das Steuersoll des dem jedesmaligen Etatsjahre vorangegangenen Rechnungsjahrs nach dem Stande des 1. Januar und zwar unter Berück­ sichtigung der bis zu diesem Zeitpunkt endgültig eingetretenen Berichtigungen und Ver­ änderungen. Steuerbeträge, welche erst nach dem 1. Januar für das Rechnungsjahr ver­ anlagt werden, obwohl die Steuerpflicht schon vor diesem Zeitpunkte begonnen hatte, werden dem Steuersoll des nächsten Rechnungsjahrs hinzugerechnet; Steuerbeträge, welche für Vorjahre veranlagt worden sind, werden dem Steuersoll des Jahres, in dem die Veranlagung erfolgt ist, oder dem des nächsten Rechnungsjahrs hinzugerechnet, je nachdem die Veranlagung vor oder nach dem 1. Januar erfolgt ist. (e) Neben den nach Abs. 1 Verpflichteten haben diejenigen im Kreise wohnenden oder darin ein Einkommen beziehenden (§ 33 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 KAbgG.) Personen, welchen, in Abweichung von dem bisherigen Kreissteuerrechte, nach dem KAbgG. eine gänzliche oder teilweise Einkommensteuerfreiheit zusteht, zu den auf die Einkommensteuer gelegten Kreis­ steuern insoweit besonders beizutragen, als ihr Einkommen nicht schon gemeindesteuerpflichtig ist.81 In gleicher Weise wird der Fiskus mit seinem Einkommen aus den von ihm zu Ansiedelungszwecken angekauften Besitzungen zu den Kreisabgaben herangezogen. Die besonderen Steuersätze sind unter sinngemäßer Anwendung der für die Gemeindeeinkommen­ steuer geltenden Vorschriften einheitlich für den Kreis vom Kreisausschusse zu verlangen und nach dessen näherer Bestimmung von den Veranlagten unmittelbar zu erheben. Die Rechts­ mittel der Veranlagten regeln sich nach dem § 14 Abs. 2, 3 und nach dem § 11 Abs. 4, 5 dieses G. mit der Maßgabe, daß die Frist für den Antrag auf Verteilung kreissteuerpflichtigen Ein­ kommens auf verschiedene Kreise zwei Monate beträgt und zur Beschlußfassung der Bezirks81 Dadurch ist bei den direkten Kreissteuern die frühere Jndividualbesteuerung durch die Kon­ tingentierung ersetzt; die Oberverteilung behandeln die §§ 7—11, die Unterverteilung die §§ 12 ff. Dazu tritt die in § 7 Abs. 6 hervorgehobene besondere Kreissteuerpflicht. 82 Bgl. §§ 59 ff. Gew.StG. und § 12 Steuer-Aufh.G. Die Gemeinden müssen, auch wenn sie be­ sondere Betriebssteuern erheben, den nach der staatlichen Veranlagung sich ergebenden Betrag an die Kreiskommunalkasse abführen.

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XII. Abschn.

Finanzrecht.

ausfchuß zuständig ist. Im übrigen findet auf bie Veranlagung, Nachforderung, Verjährung! und Beitreibung dieser Steuerbeträge § 16 Anwendung. § 8. Ter Kreistag kann mittels Erlasses einer Steuerordnung beschließen, daß die der Verteilung der direkten Kreissteuern auf Gemeinden und Gutsbezirke zugrunde zu legende Grund- und Gebäudesteuer durch eine nach dem Maßstabe des Wertes^ zu veranlagende Steuer vom Grundbesitz ersetzt wird. Dabei soll der Bewertung von Grundstücken, welche! dauernd land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken zu dienen bestimmt sind, in der Regel der Reinertrag zugrunde gelegt werden, den die Grundstücke nach ihrer bisherigen wirtschaft­ lichen Bestimmung bei ordnungsmäßiger Bewirtschaftung nachhaltig gewähren. Die Grundwertfteuer ist vom Kreisausschusse zu veranlagen. § 9. Tie Realsteuern sind in der Regel mit dem gleichen Prozentsätze heranzuziehen, mit welchem die Einkommensteuer belastet wird; das auf Grund einer Grundwertsteuer (§ 8) zu erhebende Steuersoll ist nach der Steuersumme zu bemessen, mit welcher die Grundund Gebäudesteuer im Kreise herangezogen werden darf. Ausnahmen von dieser Vorschrift, insbesondere die geringere Belastung oder die Frei­ lassung der untersten Gewerbesteuerklassen sind zulässig.^ Ter Kreistag kann den festgestellten Maßstab einer Revision unterwerfen, wenn seit der letzten Feststellung mindestens fünf Jahre verstrichen sind. In Ausnahmesällen ist die frühere Vornahme einer Revision zulässig?* § 10. Handelt es sich um Veranstaltungen77 des Kreises, welche ausschließlich oder in besonders hervorragendem oder geringem Maße einzelnen Kreisteilen zustatten kommen, so kann der Kreistag eine ausschließliche Belastung oder eine nach Umfang und Maßstab näher zu bestimmende Mehr- oder Minderbelastung dieser .StteiStcilc beschließen?* Tie Bestimmung im § 5 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. Soweit hinsichtlich der Vorausbelastung einzelner Kreisteile bei Aufbringung der Kosten für Anlegung oder Unterhaltung von Wegen besondere gesetzliche Vorschriften bestehen, behält es dabei sein Bewenden. § 11. (i) Der vom Kreistage festgestellte Kreissteuerbedarf wird, nach Abzug der gemäß § 7 Abs. 6 besonders veranlagten Steuerbeträge, auf die Gemeinden und Gutsbezirke verteilt. Dabei wird ihnen in den Fällen des § 7 Abs. 4 und des § 8 das Ergebnis der Veranlagung der einzelnen Steuerpflichtigen mitgeteilt. Tie Zahlung an die Kreiskommunalkasse hat zu den von dem Kreisausschusse zu bestimmenden Terminen zu erfolgen. (2) Gegen die Verteilung der Kreissteuern steht den Gemeinden und Gutsbezirken85 binnen einer Frist von vier Wochen der Einspruchs zu, über welchen der Kreisausschuß beschließt. (3) Mit dem Einsprüche kann die Veranlagung der einzelnen Steuerbeträge, aus denen sich das der Kreisbesteuerung zugrunde gelegte Steuersoll zusammensetzt, nur in den Fällen des § 7 Abs. 4 und des § 8 von den Gemeinden angegriffen werden. Ist in den Fällen des § 8 nach Vorschrift der Steuerordnung ein Grundstück nach demjenigen Werte zu veranlagen, welcher der staatlichen Veranlagung dieses Grundstücks zur Ergänzungssteuer zugrunde zu legen ist, so kann die Höhe dieses Wertes nicht angegriffen werden, wenn sie aus den Be­ steuerungsmerkmalen der staatlichen Ergänzungssteuer übernommen ist. (4) Gegen den Beschluß des Kreisausfchusses findet innerhalb einer Frist von zwei Wochen die Klage bei dem Bezirksausschüsse statt.86 Gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses ist nur das Rechtsmittel der Revisiou zulässig. 83 und zwar des gemeinen Wertes oder des Ertragswertes oder nach einem anderen geeigneten Maßstabe. Doch sollen die Kreise einer Provinz miteinander zwecks tunlichst gleichmäßigen Vor­ gehens Fühlung nehmen und auch die Aufsichtsbehörden darauf achten, AAnw. D 2. 84 Die betr. Beschlüsse bedürfen aber der Genehmigung und diese ev. der Zustimmung nach §§ 19, 20. 85 Also nur diesen. Der Gutsbezirk wird aber nicht durch den Gutsvorsteher, sondern durch den Gutsbesitzer vertreten, ebenso natürlich bei der Klage, OBG. 21, 8. 10. 86 Auf Einspruch und Klage seitens der Gemeinde finden, soweit hier nichts Abweichendes be­ stimmt ist, die Vorschriften des KAbgG. § 09 ff. sinngemäße Anwendung.

16. Kreis- und Provinzialabgabengesetz.

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(5) Durch Einspruch und Klage wird die Verpflichtung zur Zahlung der Kreissteuern nicht aufgeschoben. § 12. Die Gemeinden haben den auf sie entfallenden Teil des Kreissteuerbedarfs gleich den übrigen Gemeindeausgaben aufzubringen. § 13. In den Gutsbezirken wird der auf sie entfallende Teil des Kreissteuerbedarfs von dem Kreisausschusse gemäß den für die direkten Gemeindesteuern geltenden Bestimmungen des KAbgG. — mit Ausschluß des § 49 Abs. 2 und des § 50 Abs. 1 Satz 287 — sowie des G. wegen Aufhebung direkter Staatssteuern v. 14. Juli 1893 (GS. 119) durch Veranlagung der Steuerpflichtigen unterverteilt. Tie Veranlagung erfolgt nach dem vom Kreistage beschlossenen Maßstabe (§§ 9, 8). Wo nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen für die Veranlagung oder Erhebung von direkten Gemeindesteuern ein Gemeindebeschluß maßgebend ist, tritt an die Stelle eines solchen der Beschluß des Kreisausschusses.

§ 14. Der Kreisausschuß beschließt über die Art der Steuererhebung in den Gutsbezirken. Gegen die Heranziehung zur Kreissteuer in den Gutsbezirken steht den Steuerpflichtigen88 binnen einer Frist von vier Wochen der Einspruch zu, über welchen der Kreisausschuß be­ schließt. Hinsichtlich der weiteren Rechtsmittel findet § 11 Abs. 4 und 5 dieses G. An­ wendung. Die Verteilung steuerpflichtigen Einkommens auf eine Mehrzahl steuerberechtigter Gutsbezirke und Gemeinden regelt sich nach den §§ 71 bis 74 KAbgG.88 § 15. Ist in einer Gemeinde oder einem Gutsbezirke das der direkten Kreisbesteuerung zugrunde gelegte Gesamtsteuersoll im Laufe eines Rechnungsjahrs durch Abgänge nach Abzug der Zugänge um mehr als 10 Prozent verringert worden, so ist der Mehrbetrag des Ausfalls auf Antrag vom Kreise zu erstatten. Bei geringerem Ausfalle kann der Kreis­ ausschuß auf Antrag Erstattung gewähren. Das Diensteinkommen der unmittelbaren und mittelbaren Staatsbeamten darf zu den auf das Einkommen gelegten Kommunalsteuern nur mit den aus den §§ 4 und 5 Abs. 1 der Vg. v. 23. Sept. 1867 (GS. 1648)41 sich ergebenden Beschränkungen herangezogen werden. Soweit sich der von dem Diensteinkommen gemäß § 4 a. a. C. berechnete Kommunalsteuer, betrag zufolge der Bestimmungen der §§ 12 und 13 dieses G. über das nach dem § 5 Abs. 1 jener Vg. zulässige Maß erhöhen würde, ist der Kreis auf Antrag der Gemeinde (des Guts­ bezirkes) zur Erstattung des überschießenden Betrags verpflichtet. § 16. Auf die Rechtsmittel gegen die Heranziehung (Veranlagung) zu Gebühren, Beiträgen und indirekten Steuern finden § 14 Abs. 2 und § 11 Abs. 4, 5 dieses G., auf die Nach­ forderung, Verjährung und Beitreibung von Kreisabgaben die §§ 87, 88 und 90 KAbgG. entsprechende Anwendung. Die Gemeinden und Gutsbezirke sind zur Wahrnehmung örtlicher Geschäfte der Veranlagung und Erhebung von Kreisabgaben nach Anweisung des Kreisausschusses ver­ pflichtet. Im übrigen finden auf diese Veranlagung die §§ 62 und 63 KAbgG. entsprechende Anwendung. § 17. In den Steuerordnungen der Kreise 69 können Strafen gegen Zuwiderhandlungen bis zur Höhe von 30 M angedroht werden. Die Strafen sind durch den Kreisausschuß festzusetzen79 und nach eingetretener Rechtskraft (§ 459 StPO.) im Verwaltungszwangsverfahren beizutreiben. § 18. Das Rechnungsjahr für den Kreishaushalt beginnt mit dem 1. April und endigt mit dem 31. März. 87 Anspruch auf ein Viertel des Gesamteinkommens seitens der Wohnsitzgemeinde. Dieser Anspruch mußte hier ausgeschlossen werden, weil hier ungleichartige Steuerberechtigte einander gegenüberstehen. 88 Ist hierbei die Verteilung auf eine Landgemeinde und einen Gutsbezirk erforderlich, so in der Bez.-Ausschuß zuständig, OVG. im MBl. 1910, S. 38.

1262

XII. Abschn.

Finanzrecht.

§ 19. Beschlüsse des Kreistags, welche folgende Angelegenheiten betreffen: 1. die Erhebung von Beiträgen (§ 5), 2. den Erlaß oder die Abänderung von Steuerordnungen über indirekte Kreissteuern (§ Ov 3. die Heranziehung der einzelnen Steuerarten zu den direkten Kreissteuern mit ver « schiedenen Prozentsätzen und die Bornahme einer Revision des Berteilungsmaßstabsi vor Ablauf eines fünfjährigen Zeitraums (§ 9 Abs. 2 und 3), 4. die ausschließliche Belastung und die Mehr- oder Minderbelastung einzelner Kreis­ teile (§ 10), 5. die Erhebung direkter Kreissteuern in einem Betrage, welcher 50 Prozent des gemäß § 7 ihnen zugrunde zu legenden Steuersolls übersteigt, 6. den Erlaß oder die Abänderung einer Steuerordnung über eine Steuer vom Grund­ besitze nach dem Beranlagungsmaßstabe des Wertes (§ 8), bedürfen der Genehmigung des Bezirksausschusses. Die Genehmigung oder Ver­ sagung darf nur mit Zustimmung des Kollegiums ausgesprochen werden.^ Gegen den auf Beschwerde ergehenden Beschluß des Provinzialrats steht dem Vorsitzenden aus Gründen des öffentlichen Interesses die Einlegung der weiteren Beschwerde an den Minister des Innern und den Finanzminister zu. Hierbei finden die Bestimmungen des des § 123 LVG. Anwendung. § 20. Die Genehmigung der unter Zifs. 2 und 6 des § 19 bezeichneten Kreistagsbefchlüffc bedarf der Zustimmung des Ministers des Innern iinb des Finanzministcrs. Tie Er­ teilung der Genehmigung oder Zustimmung kann in den Fällen dieser Ziffern auf eine be­ stimmte Frist beschränkt werden. Die Minister können die Erteilung der Zustimmung auf die Lberpräsidenten übertragen. 2. Abschnitt.

Provinzialabgaben (Bezirksabgaben).

§ 21. Tie Provinzen (Bczirksverbände)^ sind berechtigt, zur Deckung ihrer Ausgaben nach den Bestimmungen dieses G. Gebühren, Beiträge und direkte Steuern zu erheben. Hinsichtlich der Chausseegelder und anderen Perkehrsabgaben bewendet es bei den be­ stehenden Bestimmungen. § 22. Die Provinzen (Bezirksverbändc) dürfen von der Befugnis, Steuern zu erheben, nur insoweit Gebrauch machen, als die sonstigen Einnahmen, insbesondere aus dem Pro vinzial(Bezirksverbands)vermögen, aus Gebühren, Beiträgen und aus den ihnen vom Staate überwiesenen Mitteln zur Deckung ihrer Ausgaben nicht ausreichen. § 23. Gewerbliche Unternehmungen7 der Provinzen (Bezirksverbände) sind grundsätzlich so zu verwalten, daß durch die Einnahmen mindestens die gesamten, durch die Unternehmung der Provinz (dem Bezirksverband) erwachsenden Ausgaben, einschließlich der Verzinsung und der Tilgung des Anlagekapitals, aufgebracht werden. Eine Ausnahme ist zulässig, sofern die Unternehmung zugleich einem öffentlichen Inter­ esse dient, welches andernfalls nicht befriedigt tüirb.76 § 24. Der Provinziallandtag (Kommunallandtag) kann die Erhebung von Gebühren und Beiträgen beschließen, auch deren Festsetzung91 auf den Provinzial(Landes)ausschus; übertragen. Auf die Gebühren und Beiträge finden die §§ 4 und 5 dieses G. entsprechende Att Wendung. 89 Der Erlaß eines Vorbescheides gemäß § 117 LVG. ist hier also ausgeschlossen. 90 Bezirke nur, soweit sie selbständige Kommunalverbände sind, wie die Regierungsbezirks Kassel, Wiesbaden und Hohenzollern, s. §§ 30 und 34. 91 Rur diese kann also delegiert werden, nicht auch die grundsätzliche Beschlußfassung über Er Hebung von Gebühren und Beiträgen. 92 Als „Veranstaltungen" (§ 4) der Provinzen kommen z. B. Blinden-, Irren-, Taub­ stummen-, Hebammenlehranstalten, Meliorationen, Kunstsammlungen in Betracht, und zwar sowohl eigne, als auch solche, an denen sich die Provinz nur finanziell beteiligt.

16. Kreis- und Provinzialabgabengesetz.

1263

§ 25. Zur Ausbringung der Provinzial(Bezirks)steuern sind die einzelnen Land- und Stadtkreise verpflichtet. Ms Maßstab der Verteilung der Provinzial(Bezirks)fteuern auf diese Verbände dient das Soll der Änkommensteuer und der vom Staate veranlagten Realsteuern einschließlich der Betriebssteuer, wie es in Landkreisen nach den Vorschriften dieses G., mit Ausschluß des § 8, und in Stadtkreisen nach dem KAbgG., nach Gemeindebeschlüssen und Vereinbarungen mit Steuerpflichtigen der Kreis- beziehungsweise Gemeindebesteuerung zugrunde zu legen ist.93 Der Einkommensteuer sind die auf Einkommen von nicht mehr als 900 M entfallenden Steuerbeträge (§ 38 Abs. 1 KAbgG.) hinzuzuzählen; indessen kann der Provinzial(Kommunal)landtag beschließen, diese Steuerbeträge insgesamt oder teilweise freizulassen oder mit einem geringeren Prozentsatz als die Einkommensteuer heranzuziehen. Maßgebend für die Verteilung ist in den Landkreisen das der Kreisbesteuerung des jeweilig laufenden Rechnungsjahrs gemäß § 7 Abs. 5 zugrunde gelegte Steuersoll, in den Stadt­ kreisen das Steuersoll des jeweilig vorangegangenen Rechnungsjahrs nach dem Stande des 1. Januar und zwar unter Berücksichtigung der bis zu diesem Zeitpunkt endgültig eingetretenen Berichtigungen und Veränderungen sowie mit der Maßgabe, welcke aus dem Schlußsätze des Abs. 5 a. a. C. folgt. § 26. Die Realsteuern sind mit dem gleichen Prozentsätze heranzuziehen, mit welchem die Einkommensteuer belastet wird. § 27. Handelt es sich um Veranstaltungen des Provinzial(Bezirks)verbandes, welche aus­ schließlich oder in besonders hervorragendem oder geringem Maße einzelnen Kreisen zustatten kommen, so kann der Provinzial(Kommunal)landtag eine ausschließliche Belastung oder eine uacf) Umfang und Maßstab näher zu bestimmende Mehr- oder Minderbelastung dieser Kreise beschließen. Die Bestimmung im § 5 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung. § 28. Der vom Provinzial(Kommunal)landtage festgestellte Steuerbedarf wird vom Provinzial(Landes)ausschuß auf die Land- und Stadtkreise verteilt. Die Zahlung an die Provinzial(Bezirks-, Landes)hauptkasse hat zu den von dem Provinzial(Landes)ausschusse zu bestimmenden Termine zu erfolgen. Die Höhe des Steuerbedarfs, die Verteilung auf die Kreise und die für die Zahlung be­ stimmten Termine sind durch die Amtsblätter der Provinz (der Regierungsbezirke) öffentlich bekanntzumachen. Gegen die Verteilung der Provinzial(Bezirks)steuern steht den Land- und Stadtkreisen binnen einer Frist von vier Wochen der Einspruch" zu, über welchen der Provinzial(Landes)ausschuß beschließt. Gegen den Beschluß des Provinzial(Landes)ausschusses findet innerhalb einer Frist von zwei Wochen die Klage" bei dem Oberverwaltungsgerichte statt. Durch Einspruch und Klage wird die Verpflichtung zur Zahlung der Provinzial(Bezirks)steuern nicht aufgeschoben. § 29. Die Land- und Stadtkreise haben den auf sie entfallenden Teil des Provinzial(Bezirks)steuerbedarfs gleich den übrigen Kreis- beziehungsweise Gemcindeausgaben auf­ zubringen. § 30. Für die Aufbringung von Provinzialsteuern in der Provinz Hessen-Nassau gelten folgende Bestimmungen: 1. Als Maßstab der Verteilung der Provinzialsteuern auf die Bezirksverbände dient das Soll der Einkommensteuer und der vom Staate veranlagten Realsteuern, einschließ­ lich der Betriebsfteuer, wie es nach den Vorschriften dieses G. der Bezirksbesteuerung des laufenden Rechnungsjahres zugrunde zu legen ist. Dabei finden § 25 Abs. 3 und § 26 Anwendung. 93 Das der Berteilung des Provinzialsteuerbedarfs zugrunde zu legende Steuersoll begreift nicht die besonderen Steuersätze des § 7 Abs. 6 in sich.

1264

XII. Abschn. Finanzrecht.

2. Die ausschließliche Belastung und die Mehr- und Minderbelastung eines der beiden Bezirksverbände ist ausgeschlossen. 3. Der Provinzialsteuerbedarf Wird vom Provinzialausschuß auf die Bezirksverbände verteilt. Die Zahlung an die Provinzialhauptkasse hat zu den von dem Provinzialausschusse zu bestimmenden Terminen zu erfolgen. 4. Gegen die Verteilung der Provinzialsteuern steht den Bezirksverbänden Einspruch und Klage nach näherer Bestimmung des § 28 Abs. 3 bis 5 zu. 5. Die Bezirksverbände haben den auf sie entfallenden Teil des Provinzialsteuerbedarfs gleich ihren übrigen Ausgaben aufzubringen. § 31. Gegen die Heranziehung (Veranlagung) zu Provinzial(Bezirks)gebühren und Bei­ trägen steht den Pflichtigen binnen einer Frist von vier Wochen der Einspruch zu, über welchen der Provinzial(Landes)ausschuß beschließt. Im übrigen findet § 28 Abs. 4 und 5 entsprechende Anwendung. Für die Nachforderung, Verjährung und Beitreibung der Gebühren und Beiträge sind die §§ 87, 88 und 90 KAbgG. maßgebend. § 32. Das Rechnungsjahr für den Haushalt des Provinzial(Bezirks)verbandes beginnt mit dem 1. April und endigt mit dem 31. März. § 33. Beschlüsse des Provinzial(Kommunal)landtags beziehungsweise des Provinzial(Landes)ausschusses (§ 24 Abs. 1), welche folgende Angelegenheiten betreffen: 1. die Festsetzung von Beiträgen (§ 24), 2. die ausschließliche Belastung und die Mehr- oder Minderbelastung einzelner Kreise (§ 27), 3. die Erhebung von Provinzial(Bezirks)steuern in einem Betrage, welcher 25 Prozent des gemäß § 25 ihnen zugrunde zu legenden Steuersolls übersteigt, bedürfen der Genehmigung, und zwar in den Fällen zu 1 und 2 des Ministers des Innern, in den Fällen zu 3 des Ministers des Innern und des Finanzministers. Schluß- und Übergangsbestimmungen. § 34. Die Vorschriften dieses G. finden auf die Amts- und Landeskommunalabgaben in den Hohenzollernschen Landen mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß . 1. die Gefüllsteuer den Grund- und Gebäudesteuern gleichgestellt wird, 2. die für die Hohenzollernschen Lande geltenden besonderen wegerechtlichen Bestim­ mungen durch § 27 nicht berührt werden, 3. der § 20 Abs. 2 außer Betracht bleibt. 17. Reglement, die Einrichtung des Sparkassenwesens betreffend? Vom 12. Dezember 1838 (GS. 1839 S. 5).12 1. Wenn eine Gemeinde3 eine Sparkasse einzurichten beabsichtigt, so hat sie deshalb sich an die vorgesetzte Kommunalaufsichtsbehörde4 5zu6 wenden und dieser wegen der zu treffenden Ein­ richtung Vorschläge zu tun. Eine unerläßliche Bedingung ist hierbei, daß die Stadtverordneten­ versammlung oder die sonstige Kommunalrepräsentation * zu der zu treffenden Einrichtung, insonder­ heit zu der in allen Fällen von der Gesamtheit der Kommune zu übernehmenden Vertretung ihre Zustimmung erteile. Etwaige Zweifel und Widersprüche der Kommunalverwaltungsbehörde dagegen können durch die Entscheidungen der Staatsbehörde beseitigt werdend 1 Formell gültig nur in den 9 älteren Provinzen; doch finden die Grundsätze des Spark.Negl. auf die öffentlichen Sparkassen der neuen Provinzen gleichmäßig Anwendung, zumal es in diesen an ausreichenden Rechtsvorschriften fehlt. — Auf Privatsparkassen findet das Regl. überhaupt nicht Anwendung, sofern sie nicht Rechtsfähigkeit erlangt (§ 22 BGB.) und sich der Staats­ aufsicht unterworfen haben. 2 unter Berücksichtigung der Änderungen und Ergänzungen durch §§ 52, 63 ZustG. 3 Heute auszudehnen auf alle Körperschaften des öffentlichen Rechts, die als Garantieverbände gemäß § 52 ZustG. zugelassen sind. 4 D. i. der Landrat als Vorsitzender des Kreisausschusses bzw. Regierungspräsident, für Berlin der Oberpräsident. 5 Bei Landgemeindesparkassen also die Gemeindevertretung, bei Kreissparkassen der Kreistag. 6 Jetzt entscheidet bei „Meinungsverschiedenheiten" der Kreis- bzw. Bezirksausschuß gemäß

17. Sparkassenreglement.

1265

2. Die Kommunalaufsichtsbehörde hat nach gehöriger Vorbereitung der Sache und Entwerfung des Statuts7 an den vorgesetzten Oberpräsidenten zu berichten, welchem die Genehmigung der Einrichtung und der Bestätigung des Statuts oder die Verweigerung derselben zusteht und obliegt. Die Genehmigung zur Errichtung der Sparkasse, sowie die Bestätigung des Statuts darf von dem Oberpräsidenten nur unter Zustimmung des Provinzialrates versagt werdend Hierbei sind folgende Grundsätze zu beobachten: 3. Die Genehmigung zur Errichtung solcher Einrichtungen soll keiner Gemeinde versagt werden, welche deshalb zweckmäßige Vorschläge tut und nach ihrer Lage und dem geordneten Zustande ihres Haushaltes den Einlegern Sicherheit9 zu leisten imstande ist. 4. Bei Prüfung der Vorschläge ist darauf zu achten, daß a) die Einlagen gehörig sichergestellt werden; b) daß der Kommunalhaushalt dadurch nicht in Gefahr der Störung und Zerrüttung fomme,10 und c) daß die Einrichtung selbst hauptsächlich auf das Bedürfnis der ärmeren Klasse, welcher Ge­ legenheit zur Anlegung kleiner Ersparnisse gegeben werden soll, berechnet und der Veranlassung zur Ausartung der Anstalt vorgebeugt werde. 5. Um den unter 4a angegebenen Zweck zu erreichen, muß vor der Bestätigung nachgewiesen werden, auf welche Weise die durch die einzelnen Einlagen sich bildenden Kapitalien sicher angelegt werden sollen. Es ist den Kommunen erlaubt, diese Kapitalien nicht nur auf erste Hypotheken (solche, denen keine Hypothek eines anderen vorsteht),44 inländische Staatspapiere und Pfandbriefe12 und auf andere völlig sichere 5ltt13 anzulegen, sondern auch damit ihre eigenen Schuldobligationen einzulösen, oder die Gelder zu Dotierung städtischer, nach der Vg. v. 28. Juni 1826 eingerichteten Leihanstalten zu verwenden. Wenn aber der Oberpräsident zu den Verwendungen der letzteren Art seine Zustimmung erteilen will, hat derselbe nicht nur zuvörderst zu prüfen, ob auch das städtische Schuldenwesen gehörig ge­ ordnet und die Verzinsung und Tilgung gesichert sei, nicht minder ob die wegen der Leihanstalten getroffene oder zu treffende Einrichtung der gedachten Vg. entspreche und sonst zweckmäßig sei, sondern er hat auch ferner diese Angelegenheiten im Auge zu behalten und dafür zu sorgen, daß nicht durch unordentliche Verwaltung die Sicherheit der Einlagen gefährdet werde. 6. Zur Erreichung desselben Zwecks muß die Sparkasse einen besonderen, von anderen Kassen der ©tobttiertüaltimg14 unvermischt zu erhaltenden Fonds bilden. Diejenigen Dokumente, welche für die Einlagekapitalien erlangt werden, wozu auch die Stadtobligationen und die Schulddokumente §§ 17 Nr. 1, 33 Nr. 1 ZustG.; schon vorher hat der Gemeindevorstand usw. das Recht der Bean­ standung, §§ 15, 29 ZustG. 7 Normativbestimmungen v. 30. Oft. 1873 (MBl. 295). Als Musterstatut ist das der Sparkasse des Kreises Teltow empfohlen. 8 und zwar endgültig. Die vom Oberpräsidenten genehmigten Sparkassen haben regelmäßig selbständige Rechte juristischer Personen, auch wenn sie kommunale Einrichtungen sind. Das Spar­ kassenvermögen ist nicht, wie das Reichsgericht angenommen hat, Gemeindevermögen, sonst wären nicht förmliche Anleiheverträge des Garantieverbandes mit der „eigenen" Sparkasse möglich, Nr. 8 des Regl. — Öffentliche Sparkassen sind gewerbesteuerfrei, auch wo eine besondere Gewerbesteuer erhoben wird. — Die Aufsicht führt die „geordnete" Kommunalaufsichtsbehörde, Ge­ nehmigungen bezüglich der laufenden Verwaltung aber erteilt lediglich der Regierungspräsident, § 53 ZustG. 9 Dazu Art. 75 § 1 Preuß. AusfG. z. BGB.: „Eine in Preußen bestehende öffentliche Sparkasse kann durch den Regierungspräsidenten im Einvernehmen mit dem Landgerichtspräsidenten zur An­ legung von Mündelgeld für geeignet erklärt werden. Die Erklärung kann zurückgenommen werden. — Die Erklärung und die Rücknahme sind durch das Amtsblatt bekanntzumachen." 10 Deshalb dürfen sich Sparkassen nicht gegenseitig Konkurrenz machen. Der MErl. v. 26. Nov. 1885 (MBl. 1886, S. 1) bestimmt, daß öffentlichen Sparkassen die Neuerrichtung von Filialen — unter.welchen auch die sogenannten Annahmestellen zu verstehen sind — an Orten, welche im Geschäftsbezirke einer anderen öffentlichen Sparkasse liegen, nicht gestattet ist; vielmehr muß die Errichtung von Filialen auf die Grenzen desjenigen Kommunalverbandes beschränkt bleiben, welcher die Sparkasse gegründet und die Garantie für dieselbe übernommen hat. 11 Diese zu enge Bestimmung wurde durch KabO. v. 26. Juli 1841, bett. die Belegung der Sparkassenbestände (GS. 287) abgeändert. Jetzt.ist allgemein „mündelsichere" Anlegung vor­ geschrieben; maßgebend sind Art. 73, 74, 76 Preuß. AusfG. v. 20. Sept. 1899 zum BGB. 12 S. das nachstehend Nr. 18 abgedruckte G., bett. die Anlegung von Sparkassenbeständen in Jnhaberpapieren. 13 Wegen Darlehen mit und ohne Bürgschaft s. KabO. v. 23. Febr. 1857 und MErl. v. 27. Aug. 1897 (MPl. 71 und 189), wegen Lombardierung von Wertpapieren MErl. v. 24. März 1902 (MBl. 85). 14 Ausdehnend anzuwenden auf Kommunalverwaltung überhaupt, s. Anm. 3. 80 Reichelt, Verwaltungsgesetzbuch.

1266

XII. Abschn. Finanzrecht.

der Leihkassen gehören, müssen abgesondert verwahrt15 und die davon eingehenden Zinsen lediglich beim Fonds der Sparkasse wieder verrechnet werden. 7. Insoweit die Zinsen, welche aus den Kapitalien erlangt werden, gegen diejenigen, welche den Einlegern zu gewähren sind, einen Überschuß ergeben, muß der letztere so lange der Sparkasse ver­ bleiben und zinsbar wieder angelegt werden, bis sich ein hinreichendes Kapital gebildet hat, um etwaige Verluste des Fonds zu decken und die Verpflichtungen gegen die Einleger zu erfüllen, ohne daß es nötig ist, deshalb die allgemeine Vertretung der Stadtgemeinden in Anspruch zu nehmen. Dafern dieser Überschuß eine höhere Summe erreicht hat, als für den angegebenen Zweck erforderlich er­ scheint, und die Kommune über einen Teil desselben zu anderen öffentlichen Zwecken zu disponieren beabsichtigt, so soll sie hierzu die Genehmigung des Regierungspräsidenten einholen, welcher solche nur dann zu erteilen hat, wenn nach Abzug der zu verwendenden Summe ein angemessener Reservefonds übrigbleibt.18 Die Versagung der Genehmigung darf nur Unter Zustimmung des Bezirksausschusses erfolgen.17 8. Desgleichen sollen die Kommunen zu neuen Bedürfnissen nur unter Genehmigung des Re­ gierungspräsidenten Darlehne aus den Sparkassenfonds entnehmen dürfen. Diese Geneh­ migung ist aber nur dann zu erteilen, wenn die Verzinsung und Tilgung eines solchen Darlehns im voraus vollständig gesichert ist. Die darüber auszustellenden Obligationen18 werden dann in der unter Nr. 6 angegebenen Art Eigentum des abgesonderten Sparkassenfonds, zu welchem auch die davon zu entrichtenden Zinsen zu zahlen sind. Die Versagung der Genehmigung darf nur unter Zustimmung des Bezirksausschusses erfolgen.17 9. Durch die oben unter Nr. 5, 6, 7 und 8 erteilten Vorschriften ist zugleich für Erreichung des unter Nr. 4b angegebenen Zwecks Vorsehung getroffen und dafür gesorgt, daß die allgemeine Ver­ tretungsverbindlichkeit der Kommunen nur in den seltensten Fällen in Anspruch zu nehmen sein wird. Um aber auch sonst für die Sicherung der Haushaltsverhältnisse der Kommunen zu sorgen, muß der dem Einleger zu gewährende Zins und Zinseszins19 so bestimmt werden, daß er nicht nur durch die Zinsen von den Kapitalien der Sparkasse vollständig gedeckt wird, sondern daß auch ein Über­ schuß bleibt, um die Kosten der Verwaltung und den Zinsverlust an den zu sofortigen Auszahlungen bereit zu haltenden Geldern zu decken und nach und nach das § 7 erwähnte Reservekapital zu bilden, aus welchem etwaige Kapital- oder Zinsenverluste übertragen werden fönne'tt.20 10. Nicht minder ist es erforderlich, zu bestimmen,20 welche Beträge bei den Sparkassen sofort, und welche nach vorgängigr Kündigung21 zu erheben sind, damit die Kommunen nicht durch eine zu große bereit zu haltende Summe in zu bedeutenden Zinsverlust gebracht, ebensowenig durch zu­ fälligen augenblicklichen Andrang zur Suspension der Barzahlungen oder zu kostspieligen Operationen wegen Herbeischaffung der nötigen Geldmittel genötigt werden. Hierbei wird überall darauf zu sehen sein, daß kleinere Einlagen, welche zur Beseitigung augen­ blicklichen Notstandes erforderlich sind, sofort bar zurückgezahlt werden, dagegen bei größeren Ein­ lagen, welche schon als kleine Kapitale gelten können, eine nach Verhältnis der Summe längere oder kürzere Kündigungsfrist vorbehalten bleibe. 11. Behufs der Erreichung des Zwecks unter 4c ist der geringste Betrag, welcher in einer Spar' lasse angenommen werden soll, so niedrig, als nach den Verhältnissen der Verwaltung irgend mög" lich ist, zu bestimmen, damit der ärmsten Klasse die Gelegenheit dargeboten werde, jede auch noch so geringe Ersparnis sogleich sicher anzulegen,22 und sich dadurch der Versuchung zu überheben, sie ohne ein dringendes Bedürfnis zu verwenden. Auch muß dafür gesorgt werden, daß die Verzinsung mit so geringen Beträgen anfange, als ohne zu große Verwickelung des Rechnungswesens tunlich ist. 12. Wir wollen es zwar dem Ermessen der Gemeinden überlassen, ob sie nach den besondern Ver­ hältnissen des Orts ein Maximum der einzelnen Einlagen23 sowohl, als des Gesamtbetrages, welcher von jedem einzelnen Einleger angenommen werden soll, bestimmen wollen oder nicht, und nur dem Oberpräsidenten das Recht vorbehalten, eine Änderung zu verlangen und nach Befinden selbst fest­ zusetzen, wenn die Erfahrung zeigt, daß aus der etwaigen Bestimmung oder dem Mangel derselben Nachteile für die Institute oder für die Kommunen, oder auch für den allgemeinen Verkehr hervor15 Dazu MErl. v. 12. Dez. 1905 (MBl. 208). 16 Wegen der Höhe des Reservefonds s. MErl. v. 19. März 1880und 16. Nov. 1891 (MBl. 223). Grundsätzlich soll er mindestens 10% der Passiva betragen. 17 Fassung gemäß § 53 ZustG. 18 Diese sind stempelfrei, MErl. v. 12. März 1896 (MBl. 90). 19 Darunter ist die Verzinsung der am Jahresschlüsse nicht abgehobenen, sondern dem Einlagen­ kapitale zugeschriebenen Zinsen zu verstehen. 20 Die näheren Bestimmungen darüber sind dem Sparkassenstatut (Nr. 17 des Negl.) vor­ behalten. 21 Ein Verzicht der Sparkasse auf das Kündigungsrecht ist nach MErl. v. 27. Aug. 1898 (MBl. 155) unzulässig. 22 Diesem Zwecke sollen z. B. die Groschen-, Sparmarken- und Abholungssysteme dienen. 23 Da die Sparkassen hauptsächlich dem Sparbedürfnisse der ärmeren Bevölkerung dienen sollen, Nr. 4c des Regl.

17. Sparkassenreglement.

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gehen; da indessen die bare Zurückzahlung größerer Summen, auch wenn die vorbehaltene Kündigung stattgefunden hätte, unter manchen Konjunkturen den Kommunen Nachteil bringen und selbst nicht ausführbar sein dürfte, so ist, wenn nicht schon die Einlagen selbst auf ein angemessenes Maximum beschränkt sind, in jedem Statute eine gewisse Summe zu bestimmen, bis zu welcher die Zurückzahlung der Einlagen und der davon aufgewachsenen Zinsen in barem Gelde erfolgen soll.---------Zu Änderungen oder Ergänzungen der bezüglichen statutarischen Bestimmungen gegen den Willen der Gemeinde bedarf es der Zustimmung des Provinzialrates." 13. Den Büchern, welche die Sparkassen ausstellen," soll überall das Statut, imgleichen eine Tabelle beigedruckt werden, aus welcher zu ersehen ist, welchen Ertrag jede Einlage von dem zu ver­ zinsenden Minderbetrage an bis zur Höhe von 300 Mark, oder insofern ein niedrigeres Maximum bestimmt wäre, bis zu diesem, in jedem der nächstfolgenden zehn Jahre unter Zurechnung der Zinsen und Zinseszinsen gewähren wird. Die weitere Ausdehnung der Tabellen auf größere Summen und längere Zeit bleibt den Kommunen anheimgestellt. 14. Die Sparkassenbücher sind unter fortlaufenden Nummern auszustellen, dergestalt, daß die Bücher der Kasse hinsichtlich der Nummer und des Einlagebetrages den den Einlegern ausgehändigten Sparkassenbüchern selbst entsprechen. In beiden ist der Name des Einlegers einzutragen. Da jedoch, wenn bei der Zurücknahme der Einlagen der Inhaber sich wegen der Identität der Person und wegen seiner Empfangsberechtigung legitimieren müßte, dies, besonders in großen Städten und bei Erbfällen, stets mit Weitläufigkeiten und zum Teil mit Kosten verbunden sein würde,--------so sollen die Kommunen berechtigt sein, in den zu errichtenden Statuten die Bestimmung aufzu­ nehmen: daß jedem Inhaber des Sparkassenbuchs der Betrag ohne weitere Legitimation werde aus­ gezahlt werden und die Kommune nach Einlösung desselben dem Einzahler oder dessen Erben keine weitere Gewähr leiste, dafern nicht vor der Auszahlung ein Protest dagegen eingelegt worden sei." 15. Damit aber auch der Inhaber jedes Sparkassenbuchs sich beim Verlust desselben möglichst sicherstellen könne, setzen Wir folgendes fest: a) Derjenige, welchem durch Zufall ein Sparkassenbuch gänzlich vernichtet oder verloren gegangen ist, muß, wenn er an dessen Stelle ein anderes wieder zu erhalten wünscht, den Verlust sofort nach dessen Entdeckung der Kassenbehörde anzeigen, welche denselben, ohne sich um die Legiti­ mation des Inhabers zu bekümmern, in ihren Büchern vermerkt. b) Vermag derselbe die gänzliche Vernichtung des Buchs auf eine nach dem Ermessen der Kassen­ behörde überzeugende Art darzutun, so wird ihm von derselben ohne weiteres ein neues Buch auf Grund der Kassenbücher ausgefertigt. In allen übrigen Fällen muß das verloren gegangene Buch gerichtlich aufgeboten und amortisiert merben.27 c) Bor Einleitung dieses letzteren Verfahrens aber ist sowohl der Ablauf desjenigen Kalender­ quartals, in welchem die Anzeige des Verlustes bei der Kasse gemacht worden ist, als auch der des folgenden Kalenderquartals abzuwarten. Wird innerhalb dieses Zeitraums das verlorene Buch durch einen anderen als den Anzeiger des Verlustes bei der Kasse präsentiert, so hält solche dasselbe an, übersendet es dem Ortsgerichte und verweiset sowohl den Präsentanten, als den­ jenigen, der den Verlust angezeigt hat, an dieses Gericht zur rechtlichen Erörterung ihrer An­ sprüche an das Eigentum des Buchs. d) Ist aber bte bei c gedachte Frist verstrichen, ohne daß das Buch zum Vorschein gekommen, so erteilt die Kasse dem angeblichen Verlierer hierüber eine Bescheinigung, und eine aus ihren Kassenbüchern zu fertigende Abschrift des Kontos des verlorenen Buchs — beides gegen bloße Erlegung der Kopialien. Unter Einreichung dieser Abschriften und unter dem Erbieten, sein Eigentum an dem Buche und dessen Verlust eidlich bestärken zu wollen, kann demnächst der Verlierer das öffentliche Aufgebot und die Amortisation bei dem Ortsgericht nachsuchen. c) Letzteres hat den Verlust des Buchs unter Angabe: aa) der Nummer desselben, bb) der Namen, sowohl dessen, auf welchen dasselbe ursprünglich ausgestellt ist, als des an­ geblichen Verlierers, 24 Zusatz gemäß 8 62 ZustG. 25 Uber die Ausfertigung der Kreissparkassenbücher vgl. MErl. v. 5. März 1876 (MBl. 109), über die Ausfertigung der Sparbücher städtischer Sparkassen MErl. v. 11. Nov. 1895 (MBl. 246). 26 Das Sparbuch ist daher kein eigentliches Jnhaberpapier, sondern ein sog. qualifiziertes Legitimationspapier. Zur Übertragung einer Sparkassenforderung genügt nicht die Übergabe des Sparbuchs; Verpfändung eines Sparbuchs erfolgt nach § 1280 BGB. — Ein Protest kann auf Antrag des Schuldners oder auf gerichtliche Anordnung erfolgen, ein Sperrvermerk ganz allgemein zur erhöhten Sicherheit, insbesondere von Mündelgeldern. 27 Wegen des gerichtlichen Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung eines Sparbuchs vgl. §§ 1003 ff. ZPO.; neben diesen Vorschriften sind gemäß Art. 102 EinfG. z. BGB. die beson­ deren landesgesetzlichen Vorschriften, also auch des Spark.Negl., unberührt geblieben.

1208

NIL Abschn.

Kinanzrecht.

ec) des Betrags der Summe, über welche dasselbe zur Zeit des angeblich geschehenen Verlustes lautete, durch das am meisten gelesene der an bem Crte erscheinenden öffentlichen Blätter — oder falls es deren dort nicht gibt, durch das Amtsblatt des Regierungsbezirks mit der Aufforderung bekanntzumachen: „dag ein jeder, der an dem verlorenen Sparkassenbuche irgend ein Anrecht zu haben vermeine, sich bei dem (Berichte, und zwar spätestens in dem (näher zu bezeichnenden» Ter­ mine iiielden und sein Recht naher nachweisen möge, widrigenfalls das Buch für erloschen erklärt, und dem Verlierer ein neues an dessen Steife ausgefertigt werden solle." Beläuft sich der Betrag des Sparkassenbuchs auf weniger als 150 J(, so wird der Ediktaltermin auf 4 Wochen hinaus, vom Tage der Bekanntmachung an gerechnet, angesetzt, und letztere einmal in jenes öffentliche Blatt inseriert. Bei Beträgen zwischen 150 und 300 Al ist eine achtwöchentliche Ediktalfrist und eine zweimalige Insertion, bei Beträgen von 300 Al oder darüber aber eine Ediktalfrist von 3 Monat und eine dreimalige Insertion erforderlich. f) Meldet sich bis zum Ediktaltermine in demselben niemand, der auf das Buch Anspruch macht, und leistet der angebliche Verlierer demnächst folgenden Eid ab: dag er das Buch besessen und dag ihm solches verloren gegangen sei, so faßt alsdann das Gericht das Präklusions- und Amortisationserkenntnis ab, welches dem Verlierer zu publizieren und vierzehn Tage lang an der Gerichtsstelle auszuhängen ist. g) Sobald das Erkenntnis rechtskräftig geworden ist, hat die Sparkasse auf Grund desselben dem Verlierer ein neues Buch unentgeltlich auszufertigen. h) Die Kosten des gerichtlichen Verfahrens trägt der Verlierer; doch sind ihm, tvenn der Gegen­ stand 300 Al und darüber beträgt, außer den Jnsertionskosten, dem Porto und den Stempeln, mir Kopialien, bei kleineren Summen dagegen nur Porto und Kopialien, Jnsertionsgebuhren aber nur dann in Ansatz zu bringen, lueitn das Blatt, in welches die Bekanntmachung auf­ genommen N'orden, für Rechnung von Privatpersonen herausgegeben wird, mdem Wir für solche Jälle die Stenipelabgabe erlassen und, insofern die Insertion in einem für Rechnuiig des Staats gedruckten Blatte erfolgt, solche unentgeltlich bewirken lassen wollen. 16. Wenn ein Interessent sich von der letzten Präsentation seines Sparkassenbuchs an binnen dreißig Jahren nicht bei der Kasse nielbet, so soll von dieser Zeit an alle weitere Verzinsung seines (Guthabens aufhören. 17. Unter Beobachtung der in diesem Regl. aufgestellten Grundsätze soll für jede Sparkasse ein vollständiges Statut errichtet, in solches auch aus obigen Bestimmungen dasjenige, was das Zu­ sammenhanges wegen erforderlich ist, ausgenommen, und mit der Bestätigung des Oberpräsidenten jedem Sparkassenbuche vorgedruckt werden. Sollte wegen besonderer Ortsverhältnisse eine diesem Regl. zuwiderlaufende Bestimmung für notwendig angesehen werden, so kann solche nur durch Unsere unmittelbare Genehmigung Gültigkeit erhalten. Die diesfalls erlassene £rber28 ist dann ebenfalls beizudrucken. 18. In jedem Statute ist auch wegen der Verwaltung der Sparkasse," wegen der dabei zu beschäftigenden Personen, ihrer Anstellung und der von ihnen zu leistenden Kautionen, wegen des Orts, an welchem die Sparkasse sich befindet, und wegen der Tage und Stunden, an welchem die Ein- und Zurückzahlung stattfindet, die erforderliche Bestimmung aufzunehmen. Richt ininder ist darin auszudrücken, wie etwaige spätere Änderungen des Statuts, welche unter Genehmigung des Oberpräsidenten oder auch, bei veränderten Umstanden und bemerkten Mißbrauchen, auf dessen An­ ordnung erfolgen köniien, endlich wie eventuell die Aufhebung der ganzen Anstalt zur Kenntnis der Interessenten zu bringen sei. Zu Änderungen oder Ergänzungen der Statuten und zur Auflösung von Spar­ kassen gegen den Willen der Gemeinde2 bedarf es der Zustimmung des Provinzial­ rates. 24 Wenn infolge einer solchen in Gemäßheit des Statuts öffentlich bekanntgemachten Änderung die Einleger aufgefordert worden sind, ihre Einlagen nach Ablauf der Kündigungszeit zurückzunehmen, falls sie die neu aufgestellten Bedingungen sich nicht gefallen lassen, so soll in Rücksicht derjenigen, welche sich nicht melden, angenommen werden, daß sie mit ihren Einlagen bei der Sparkasse unter den neuen Bedingungen verbleiben wollen. 19. Was die Aufsicht des Staats über die Sparkassen anlangt, so soll es zwar im allgemeinen bei demjenigen bewenden, was die Gesetzgebung hinsichtlich der Staatsaufsicht über andere KommunalInstitute vorschreibt. Die Oberpräsidenten und Kommunalaufsichtsbehörden sollen aber ver­ pflichtet sein, diesen Instituten eine fortwährende besondere Aufmerksamkeit zu widmen, sich von der Zweckmäßigkeit und Ordnung des Betriebes zu uberzeugen, außerordentliche Kassenrevisionen 28 Heute wäre dazu wohl ein Gesetz erforderlich. 29 Regelmäßig durch Vorstand und Kuratorium. Ersterer hat im Geltungsbereiche des Spark.Regl. Behördeneigenschaft und kann die Sparkasse selbständig vertreten. Spartassenbeamten sind mittelbare Staatsbeamten.

17. Lparkassenreglement.

1269

vorzunehmen und anzuordnen, und wo sie Unordnungen und Mißbräuche bemerken, mit Ernst auf deren Abstellung zu dringen. 20. Ferner haben die Oberpräsidenten sich jährlich Nachweisungen über den Geschäftsbetrieb und die Resultate der Sparkassen einreichen zu lassen, solche in eine, die ganze Provinz umfassende Hauptnachweisung nach einem vom Minister des Innern allgemein vorzuschreibenden Schema zusammenstellen zu lassen, und letztere dem genannten Minister vorzulegen. Auch ist jede Sparkassenverwaltung verbunden, die an den Oberpräsidenten eingereichte Nachweisung über ihren Betrieb durch das im Crte oder im Kreise erscheinende Anzeigeblatt, oder, wenn ein solches nicht erscheint, durch das Amts­ blatt öffentlich bekanntzumachen. 21. Wenn von größeren Landesteilen, z. B. ständischen Verbänden,3" Sparkassen errichtet werden sollen, so ist das Statut zu Unserer Genehmigung einzureichen. Hierbei sind ebenfalls die vorstehenden Grundsätze zu beobachten.

18. Gesetz, betreffend die Anlegung von Sparkassenbestanden in Inhaberpapieren. Vom 23. Dezember 1912 (GS. 3). § 1. Die öffentlichen Sparkassen haben von ihrem verzinslich angelegten Vermögen Mindest­ beträge in mündelsicheren Schuldverschreibungen auf den Inhaber anzulegen und zwar: 1. 15 vom Hundert, wenn ihr Einlagebestand 5 Millionen Mark nicht übersteigt und sich ihre Grundstücksbeleihungen und die Gewährung von Darlehen als Personalkredit nach der Satzung künftig auf den Stadt- oder Landkreis, in dem der Garantiebezirk belegen ist, beschränken; 2. 20 vom Hundert, wenn ihr Einlagebestand 10 Millionen Mark nicht übersteigt und sich ihre Aus­ leihungen (Nr. 1) nach der Satzung künftig auf den Stadt- oder Landkreis, in dem der Garantie­ bezirk belegen ist, und die angrenzenden Kreise beschränken; 3. 25 vom Hundert in allen anderen Fällen. § 2. Von dem nach § 1 von der einzelnen Sparkasse zu hallenden Mindestbestand an mündel­ sicheren Schuldverschreibungen auf den Inhaber müssen drei Fünftel in Schuldverschreibungen des Deutschen Reichs oder Preußens angelegt werden. § 3. Sparkassen, welche den nach §§ 1 und 2 zu haltenden Bestand an mündelsicheren Schuld­ verschreibungen auf den Inhaber nicht besitzen, haben bis zur Erreichung dieses Besitzstandes alljähr­ lich von dem Zuwachs ihres verzinslich angelegten Vermögens einen Prozentsatz in mündelsicheren Schuldverschreibungen auf den Inhaber, und zwar in dem im § 2 vorgesehenen Anteilsverhältnis anzulegen, der den Prozentsatz des von ihnen in mündelsicheren Schuldverschreibungen auf den In­ haber zu haltenden Besitzstandes um 5 vom Hundert übersteigt. Verstärkt eine Sparkasse in einem Jahre über diese Grenze hinaus ihren Besitzstand an mündelsicheren Schuldverschreibungen auf den Inhaber, insbesondere an Schuldverschreibungen des Reichs oder Preußens, so kann sie den Mehrbetrag auf die in diesen Schuldverschreibungen künftig anzu­ legenden Beträge in Anrechnung bringen. § 4. Der Oberpräsident kann unter besonderen Verhältnissen ausnahmsweise Sparkassen Er­ leichterungen von den Auflagen dieses G. nachlassen, wenn dies ohne wesentliche Beeinträchtigung ihrer Liquidität geschehen kann. 8 5. Den Schuldverschreibungen des Reichs oder Preußens stehen im Sinne dieses G. die im Reichsschuldbuch oder im preußischen Staatsschuldbuch eingetragenen Forderungen gleich. 8 6. Die öffentlichen Sparkassen können den durch dies G. vorgeschriebenen Besitzstand an mündel­ sicheren Schuldverschreibungen auf den Inhaber soweit veräußern, als dies zur Rückzahlung von Einlagen unbedingt notwendig ist. Sobald wieder zinsbar anzulegende Bestände vorhanden sind, ist zunächst der bisherige Besitzstand bis zur Höhe der nach diesem G. zu haltenden Mindestgrenze wiederherzustellen; der Oberpräsident kann widerruflich eine Erleichterung von dieser Verpflichtung nachlassen. 8 7 Sparkassen, welche von ihrem verzinslich angelegten Vermögen Mindestbeträge unter 25 vom Hundert, aber nicht unter 20 vom Hundert in mündelsicheren Schuldverschreibungen auf den Inhaber anzulegen haben, können von ihren bei der Rechnungslegung sich ergebenden Jahresüberschüssen zu öffentlichen, dem gemeinen Nutzen dienenden Zwecken des Garantieverbandes verwenden: a) ein Viertel, wenn der Sicherheitsfonds 2 vom Hundert oder mehr, aber noch nicht 5 vom Hundert der Spareinlagen beträgt; b) die Hälfte, wenn der Sicherheitsfonds 5 vom Hundert oder mehr, aber noch nicht 8 vom Hundert der Spareinlagen beträgt; c) die gesamten Jahresüberschüsse, wenn der Sicherheitsfonds 8 vom Hundert oder mehr der Spareinlagen beträgt. 30 Im übrigen bedarf es auch zur Errichtung von Sparkassen durch Kommunalverbände, die über den Umfang eines Kreises hinausgehen, nur der Genehmigung des Oberpräsidenten.

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XII. Abschn.

Ftnanzrecht.

Sparkassen, welche mindestens 25 vom Hundert ihres verzinslich angelegten Vermögens in mundetsicheren Schuldverschreibungen auf den Inhaber anzulegen haben, können von ihren bet der Rech­ nungslegung sich ergebenden Überschüssen zu öffentlichen, dem gemeinen Nutzen dienenden Zwecken des Garantieverbandes verwenden: a) die Hälfte, wenn der Sicherheitsfonds der Sparkasse 2 vom Hundert oder inehr, aber noch nicht 5 vom Hundert der Spareinlagen betragt; b) drei Viertel, wenn der Sicherheitsfonds 5 vom Hundert oder mehr, aber noch nicht 8 vont Hundert der Spareinlagen beträgt; c) die gesamten Jahresüberschüsse, wenn der Sicherheitsfonds 8 vom Hundert oder mehr der Spareinlagen beträgt. Im übrigen verbleibt es hinsichtlich der Verwendung der Sparkassenüberschüsse bei den bestehenden Bestimmungen, und zwar auch für die vorbezeichneten Sparkassen, wenn deren Satzungen für die Garantieverbände günstigere Vorschriften enthalten. Die Verwendung der Iahresüberschüsse bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde nur, wenn die Überschüsse zur Deckung von auf gesetzlicher Verpf lichtung beruhenden Ausgaben des Garantie Verbandes verwendet werden sollen. § 8. An Stelle des Oberpräsidenten tritt für die Hohenzollernschen Lande der Minister des Innern.

19. Gesetz, betr. die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer. Vom 27. März 1872 (0)5. 278).1 § 1. Die Oberrechnungskammer ist eine dem Könige unmittelbar untergeordnete, den Ministern gegenüber selbständige Behörde, welche die Kontrolle des gesamten Staatshalts. Halts durch Prüfung und Feststellung der Rechnungen über Einnahmen und Ausgaben von Staatsgelderu, über Zugang unb Abgang von Staatseigentum und über die Verwaltung der Staatsschulden zu führen ()at.2 § 2. Die Oberrechnungskammer besteht aus einem Präsidenten und der erforderlichen Zahl von Direktoren und Räten. Dieselben werden von dem Könige ernannt, der Präsident aus den Vorschlag des Staats­ ministeriums, die Direktoren und Räte aus den Vorschlag des Präsidenten der Oberrech­ nungskammer unter Gegenzeichnung des Vorsitzenden des Staatsministeriums. § 3. Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwiegersohn, Brüder und Schwäger bürfcit nicht zugleich Mitglieder der Oberrechnungskammer sein. § 4. Nebenämter oder mit Remuneration verbundene Nebenbeschäftigungen dürfen dem Präsidenten und den Mitgliedern der Oberrechnungskammer weder übertragen noch von ihnen übernommen werden. Ebensowenig können die gedachten Beamten Mitglieder eines der Häuser des Landtages sein. § 5. Tie Mitglieder der Oberrechnungskammer unterliegen den Vorschriften der Gesetze über die Dienstvergehen der Richter usw. v. 7. Mai 1851 (0)2. 218) und v. 26. März 1856 (GS. 201) unter folgenden näheren Bestimmungen: Das Obertribunal3 ist das zuständige Diszipltnargeircht für den Präsidenten, die Direk­ toren und die übrigen Mitglieder der Oberrechnungskammer. Die im § 13 des G. v. 7. Mai 1851 vorgeschriebene Mahnung an Direktoren und Räte der Oberrechnungskammer zu er­ lasse», steht dem Präsidenten derselben 511. Die im § 58 ebendaselbst vorgeschriebene Verrichtung wirb in Ansehung des Präsidenten der Oberrechnungskammer von dem ersten Präsidenten des Lbertribunals3 auf 0)rund 1 In der Fassung der Nov. v. 22. März 1012 lGS. 29), durch welche die §§ 11 u. 19 Abs. 1 Satz 1 die oben iviedergegebene Fassung erhielten und die $§ 17a, 18 Abs. 2 und 18a neu eingefügt wurden. Zu der Nov. von 1912 erging die ABest. v. 6. Juni 1912. — Instruktion für die ORK. v. 18. Dez. 1824 (v. Kamptz' Ann. 9, S. 2). 2 Die verstärkte ORK. bildet den „Rechnungshof des Deutschen Reichs", s. oben Nr. 1, Übersicht, beim Jahre 1868. Der Präsident der ORK. ist zugleich Mitglied der Staatsschulden kommission. 3 Jetzt das Kammergericht zu Berlin bzw. der bei demselben gebildete Große Disziplinarsenat.

19. Oberrechnungskammer^Gesetz.

1271

eines Beschlusses dieses Gerichtshofes (§ 59 a. a. O.), in Ansehung der übrigen Mitglieder von dem Präsidenten der Oberrechnungskammer wahrgenommen. Die unfreiwillige Versetzung eines Mitgliedes der Oberrechnungskammer kann mit Bei­ behaltung seines Ranges in ein richterliches oder in ein anderes Amt der höheren Verwaltung, für welches dasselbe die gesetzliche Qualifikation besitzt, erfolgen. Der in Gemäßheit des § 54 des G. v. 7. Mai 1851 vorzulegende Befehl wird vom StaatsMinisterium erlassen. In dem Falle des § 63 a. a. O. wird der Beschluß, wenn er den Präsidenten betrifft, dem Staatsministerium, wenn er andere Mitglieder der Oberrechnungskammer betrifft, dem Präsidenten derselben übersendet.' Im übrigen stehen dem Präsidenten der Oberrechnungskammer in Beziehung auf die Mitglieder gleiche Befugnisse zu, wie dem Justizminister in Beziehung auf richterliche Be­ amte zustehen. § K. Alle Beamten der Oberrechnungskammer, mit Ausschluß der Mitglieder, ernennt der Präsident und übt über dieselben die Disziplin mit den Befugnissen aus, welche den Ministern rücksichtlich der ihnen untergeordneten Beamten zustehen. Die entscheidende Disziplinarbehörde für dieselben ist die Oberrechnungskammer, welche im Plenum unter Teilnahme von mindestens sieben Mitgliedern, einschließlich des Vor­ sitzenden, und im übrigen nach dem für das Obertribunal3 gültigen Disziplinarverfahren, in der Sache aber nach den Vorschriften des G. über die Dienstvergehen der nicht richter­ lichen Beamten v. 21. Juli 1852 (GS. 465 ff.) endgültig entscheidet. § 7. Der Geschäftsgang bei der Lberrechnungskammer wird durch ein Regulativ* ge­ regelt, welches auf Vorschlag der Oberrechnungskammer und des Staatsminifteriums durch Kgl. Vg. erlassen und dem Landtage zur Kenntnisnahme mitgeteilt wird. In dem Regulativ sollen besonders auch die Bestimmungen enthalten sein, welche zur Geschäftsleitung des Präsidenten erforderlich sind.---------§ 8. Die Oberrechnungskammer faßt ihre Beschlüsse nach Stimmenmehrheit der Mit­ glieder, einschließlich des Vorsitzenden, welcher bei gleicher Teilung der Stimmen den Aus­ schlag gibt. Tie kollegiale Beratung und Beschlußfassung ist jedenfalls erforderlich, wenn 1. an den König Bericht erstattet, 2. die für die Häuser des Landtags bestimmten Bemerkungen (§ 18) festgestellt, 3. allgemeine Grundsätze aufgestellt oder bestehende abgeändert, 4. allgemeine Instruktionen erlassen oder abgeändert, 5. über Anordnungen der obersten Verwaltungsbehörden Gutachten abgegeben werden sollen. § V. Der Revision durch die Oberrechnungskammer unterliegen zuvörderst alle diejenigen Rechnungen, durch welche die Ausführung des festgestellten Staatshaushaltsetats (Art. 99 BerfU.) und der sämtlichen Etats45 6und sonstigen Unterlagen, auf welchen derselbe beruht, dargetan wird, insbesondere also: 1. die Rechnungen der Staatsbehörden, Staatsbetriebsanstalten und staatlichen Institute über Einnahmen und Ausgaben von Staatsgeldern; 2. soweit nicht in einzelnen Fällen statutarische oder vertragsmäßige Bestimmungen eine Ausnahme begründen, die Rechnungen aller derjenigen nicht staatlichen Institute,3 welche aus Staatsmitteln unterhalten werden, oder veränderliche Zuschüsse nach Maßgäbe des Bedürfnisses aus der Staatskasse erhalten, oder mit Gewährleistung des Staates verwaltet werden, sobald und solange diese Garantie verwirklicht werden soll. 4 Regul. v. 22. Sept. 1873 (GS. 459), abgeändert durch Allerh. Erl. v. 11. Mai 1877 (GS. 130). 5 Vgl. § 12 StaatshG., abgedruckt nachstehend unter Nr. 20. 6 Dazu gehören auch die Jahresrechnungen solcher Verwaltungen in den kath. Diözesen, deren Etats nach § 7 Abs. 2 des G. v. 7. Juni 1876 und Art. 1 Nr. 3 der Vg. v. 30. Jan. 1893 (s. unter Abschn. X Nr. 1) der Genehmigung der ORK. bedürfen und zu diesem Zwecke dieser zur Prüfung einzureichen sind.

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XII. Abschn.

Fmanzrecht.

Ter Oberrechnungskammer wird namentlich unter Aufhebung der entgegenstehenden Anordnungen die Revision der von der Seehandlung geführten Bilanzen und Bücher über­ tragen. Tie Rechnungen der Kasse der Oberrechnungskammer werden von dem Präsidenten derselben revidiert und mit den Revisionsbemerkungen den beiden Häusern des Landtagen zur Prüfung und Decharge vorgelegt. Ausgenommen von der Revision durch die Oberrechnungskammer sind allein die Rech nungen über die in dem Etat für das Bureau des Staatsministeriums zu allgemein politischen Zwecken und in dem Etat des Ministeriums des Innern zu geheimen Ausgaben im Interesse der Polizei ausgesetzten Fonds. § 10. Zur Revision der Oberrechnungskammer gelangen ferner: 1. die Rechnungen der Staatsbehörden, Staatsbetriebsanstalten und staatlichen Institute über Naturalien, Vorräte, Materialien und überhaupt das gesamte nicht in Geld be­ stehende Eigentum des Staates;7 8 2. die Rechnungen derjenigen Institute, Anstalten, Stiftungen und Fonds, welche lediglich von Staatsbehörden oder durch von Staats wegen angestellte Beamte, ohne tioiv kurrenz der Interessenten bei der Rechnungsabnahme und Quittierung, verwaltet werden, gleichviel, ob sie Zuschüsse vom Staate erhalten oder nicht. Inwieweit den zu 1 erwähnten Rechnungen die Inventarien beizufügen sind oder nur deren regelmäßige Führung nachzuweisen ist, bleibt der Bestimmung der Oberrechnungs­ kammer nach Verschiedenheit der Institute und Klassen überlassen. § ll.1 Tie Oberrechnungskammer darf Rechnungen, die von geringerer Bedeutung sind oder bei denen wesentliche Abweichungen von den maßgebenden Vorschristen und Bestim­ mungen oder finanziell erhebliche Erinnerungen in größerer Anzahl nicht vorzukommen pflegen, von der eigenen Prüfung ausschließen und diese unter Bestimmung der Art der Ausführung sowie die Erteilung der Entlastung den von ihr im Einvernehmen mit dem zu ständigen Verwaltungschef bestimmten Verwaltungsbehörden überlassen? Die Oberrechnungskammer soll jedoch von Zeit zu Zeit dergleichen Rechnungen und Nach Weisungen einfordern,'9 um sich zu überzeugen, daß die Verwaltung der Fonds, worüber sie geführt werden, vorschriftsmäßig erfolge. 7 Vgl. § 31 StaatshG. 8 ABest. ß 2: Die Verwaltungsbehörden haben ihren Erinnerungen und Entscheidungen die ihnen bekannten Grundsätze der ORK. zugrunde zu legen. Glauben sie davon abweichen zu sollen, so haben sie vor dem Abschlüsse des Nevisionsgeschäfts mit der ORK. ins Benehmen zu treten. Ab gesehen von der rechnerischen Prüfung, für welche die Bestimmungen des Staatsm.-Beschl. v. 6. Juni 1911 (MBl. 242) zur Anwendung kommen, wird empfohlen, die materielle Prüfung besonders darauf zu richten, ob die Bestimmungen des Etats und die Verwaltungsgrundsätze und bei Fonds über Stiftungen u. dgl. die Stiftungsurkunden, Satzungen oder sonstigen Bestimmungen beachtet sind; ob auf Einführung einheitlicher Einrichtungen hinzuwirken ist, ob Anord nungen zur Abstellung von Unregelmäßigkeiten und Mißständen oder zur Wahrung des wirtschaft­ lichen Interesses des Staates zu treffen sind; ob frühere Erinnerungen erledigt sind und be­ achtet werden; ob die den Rechnungsbeträgen zugrunde liegenden Verträge, Kostenanschläge, Ver­ dingungsverhandlungen usw. beigebracht sind; ob hinsichtlich der stempelpslichtigen Urkunden das Stempelinteresse gewahrt ist. Ferner sind die Umstände zu berücksichtigen, die sich nur aus der genaueren örtlichen Kenntnis der Personen oder Sachen sowie aus der Beschaffenheit der einzelnen Verhältnisse entnehmen lassen. Außerdem ist darauf hinzuwirken, daß tunlichst an Stelle der Ausstellung besonderer Kassenrechnungen diese durch die entsprechend einzurichtenden Handbücher (Manuale) ersetzt oder, wo dies nicht angängig erscheint, wenigstens die Handbücher (Manuale) als Konzeptrechnungen benutzt werden. § 3. a) Tie bei der Rechnungsprüfung von den Verwaltungsbehörden erhobenen Beanstandungen werden zur Unterscheidung von den Prüfungserinnerungen der ORK. (Pr. Er.) und von den Ab­ nahmebemerkungen (Abn. Bem.) „Prüfungsbemerkungen" (Pr. Bem.) benannt. b) Kann sogleich die Entlastung oder Nichtigkeitserklärung erteilt werden, so werden die Prüfungs­ bemerkungen der Entlastungsverfügung oder Nichtigkeitserklärung angeschlossen. Sonst werden sie in eine Prüfungsverhandlung nach Art der von der ORK. aufgestellten aufgenommen. c) Unwesentliche Verstöße, namentlich solche Mängel, die durch unmittelbare Verständigung der Prüfungsbehörde mit der revidierten Stelle beseitigt werden können, sind nicht zum Gegenstand von Pr. Bem., aber auf den Belegen ersichtlich zu machen. 9 ABest. § 4: Wenn die CW.Sl. gemäß ß 1 l Abi. 2 ORKG. delegierte Rechnungen einfordert, so

19. Oberrechnungstammer- Gesetz.

1273

Änderungen in dem Verzeichnisse der von der Prüfung der Oberrechnungstammer ausgeschlossenen Rechnungen sind im Landtage jedesmal bei Vorlage der allgemeinen Rechnung über den Staatshaushalt mitzuteilen. § 12. Die Revision der Rechnungen ist außer der Rechnungsjustifikation noch besonders darauf zu richten: a) ob bei der Erwerbung, der Benutzung und der Veräußerung von Staatseigentum und bei der Erhebung und Verwendung der Staatseinkünfte, Abgaben und Steuern, nach den bestehenden Gesetzen und Vorschriften, unter genauer Beachtung der maßgebenden Verwaltungsgrundsätze verfahren worden ist; b) ob und wo nach den aus den Rechnungen zu beurteilenden Ergebnissen der Verwaltung zur Beförderung des Staatszwecks Abänderungen nötig oder ratsam sind. § 13. Die Oberrechnungskammer ist berechtigt, von den Behörden jede, bei Prüfung der Rechnungen und Nachweisungen für erforderlich erachtete Auskunft, sowie die Ein­ sendung der bezüglichen Bücher und Schriftstücke, auch von den Provinzial- und den den­ selben untergeordneten Behörden die Einsendung von Akten zu verlangen. Der Präsident der Oberrechnungskammer ist befugt, Bedenken und Erinnerungen gegen die Rechnungen an Ort und Stelle durch Kommissarien erörtern zu lassen, auch zur Jnformationseinziehung über die Einzelheiten der Verwaltung Kommissarien abzuordnen. Ebenso steht ihm das Recht zu, außerordentliche Kassen- und Magazinrevisionen zu ver­ anlassen. In diesem Falle, sowie in allen Fällen der Absendung eines Kommissarius hat er jedoch dem betreffenden Verwaltungschef davon vorherige Mitteilung zu machen, damit dieser sich an den Verhandlungen durch einen seinerseits abzuordnenden Kommissarius be­ teiligen kann. § 14. Alle Verfügungen der obersten Staatsbehörden, durch welche in Beziehung auf Einnahmen oder Ausgaben des Staates eine allgemeine Vorschrift gegeben, oder eine schon bestehende abgeändert oder erläutert wird, müssen sogleich bei ihrem Ergehen der Ober­ rechnungskammer mitgeteilt werden. Allgemeine Anordnungen der Behörden über die Kassenverwaltung und Buchführung sind schon vor ihrem Erlaß zur Kenntnis der Oberrechnungskammer zu bringen, damit die­ selbe auf etwaige Bedenken, welche sich aus ihrem Standpunkte ergeben, aufmerksam machen kann. Die Vorschriften über die formelle Einrichtung der Jahresrechnungen und Justifikationen werden von der Oberrechnungskammer erlassen. Dieselbe hat sich darüber zwar vorher mit den beteiligten Departementschefs in Verbindung zu setzen, bei obwaltender Meinungs­ verschiedenheit steht ihr aber die entscheidende Stimme zu. Von allen auf die Rechnungslegung bezüglichen Beschlüssen eines der beiden Häuser des Landtages ist der Oberrechnungskammer zur Kenntnisnahme Mitteilung zu machen. § 15. Die Termine zur Einsendung der Rechnungen unb die Fristen zur Erledigung der dagegen aufgestellten Erinnerungen werden von der Oberrechnungskammer festgestellt. § 16. Die Provinzial- und die ihnen gleichstehenden und untergebenen Behörden sind der Oberrechnungskammer in allen Angelegenheiten des Ressorts derselben untergeordnet. Die Oberrechnungskammer ist befugt, ihren Verfügungen nötigenfalls durch Strafbefehle, innerhalb der für die obersten Verwaltungsbehörden gesetzlich bestimmten Grenzen, die schuldige Folgeleistung zu sichern, auch etwa vorkommende Unangemessenheiten in Erledigung ihrer Erlasse zu rügen. § 17. Die Oberrechnungstammer erteilt den rechnungsführenden Beamten, wenn sie ihren Verbindlichkeiten vollständig genügt und die aufgestellten Erinnerungen erledigt haben, eine Decharge mit den in den §§ 146 bis 153 Teil I Tit. 14 ALR. einer Quittung beigelegten sind diese mit den Belegen und außerdem die Rechnung des Vorjahrs (zunächst ohne Belege) und die Prüfungsakten, sowie in den geeigneten Fällen die Stiftungsurkunden, Satzungen oder sonstigen besonderen Bestimmungen einzusenden.

1274

XII. Abschn. Finanzrechr.

3Sir!ungen.10 Stellen sich Vertretungen des Rechnungsführers oder anderer Beamten bei der Rechnungsrevision heraus, deren Deckung durch die Notatenbeantwortung nicht nach­ gewiesen wird, so hat die Oberrechnungskammer die weitere Verfolgung, welche von der vorgesetzten Behörde zu betreiben ist, nötigenfalls durch Eintragung in das Soll der Ein­ nahmen anzuordnen. § 17a* Von der Herbeiführung der Einziehung von Beträgen/ die an öffentliche Kassen zu wenig ein- oder von ihnen zu viel ausgezahlt worden sind, und von der Anregung der Auszahlung von Beträgen, die von öffentlichen Kassen zu wenig aus- oder an sie zu viel eingezahlt worden sind, darf die Oberrechnungskammer absehen, wenn es sich um gering­ fügige Beträge handelt oder wenn die Einziehung oder Auszahlung mit Weiterungen oder Kosten verbunden wäre, die nicht im richtigen Verhältnisse zu der Höhe des Betrags ständen?'11 § 18* Die nach Vorschrift des Art. 104 VerfU. mit der allgemeinen Rechnung über den Staatshaushalt jeden Jahres von der Staatsregierung dem Landtage vorzulegenden, von der Oberrechnungskammer unter selbständiger, unbedingter Verantwortlichkeit aufzustel­ lenden Bemerkungen müssen ergeben: 1. ob die in der Rechnung aufgeführten Beträge in Einnahme und Ausgabe mit den­ jenigen übereinstimmen, welche in den von der Oberrechnungskammer revidierten Kassenrechnungen in Einnahme und Ausgabe nachgewiesen sind, 2. ob und inwieweit bei der Vereinnahmung und Erhebung, bei der Verausgabung oder Verwendung von Staatsgeldern oder bei der Erwerbung, Benutzung oder Veräuße­ rung von Staatseigentum Abweichungen von den Bestimmungen des gesetzlich fest­ gestellten Staatshaushaltsetats oder der von der Landesvertretung genehmigten Titel der Spezialetats (§ 19), oder von den mit einzelnen Positionen des Etats verbundenen Bemerkungen, oder von den Bestimmungen der auf die Staatseinnahmen und Staats­ ausgaben oder auf die Erwerbung, Benutzung oder Veräußerung von Staatseigentum bezüglichen Gesetze stattgefunden haben,12 insbesondere 3. zu welchen Etatsüberschreitungen im Sinne des Art.' 104 VerfU. (§ 19), sowie zu welchen außeretatsmäßigen Ausgaben die Genehmigung des Landtages noch nicht beigebracht ist.12 (Abs. 2.) Falls die Oberrechnungskammer von der Befugnis des § 11 Abs. 1 Gebrauch macht, erfolgt die Aufstellung der Bemerkungen auf Grund der von den Verwaltungsbehörden zu liefernden Unterlagen.1 § 18a. Bei geringfügigen Beträgen ^ soll die Aufstellung von Bemerkungen unterbleiben; 10 Jetzt gelten §§ 119 ff., 259, 368 BGB. Wegen der Vertretungsverbindlichkeil der Beamten s. oben Abschn. IX Nr. 1 u. 4. — Nach ABest. § 5 haben die mit der Rechnungsprüfung beauftragten Verwaltungsbehörden den rechnungsführenden Beamten die Entlastung in der bisher von der ORK. angewandten Form ohne Verzug zu erteilen, sobald sie ihren Verbindlichkeiten vollständig genügt und die gegen sie aufgestellten Pr. Bem. erledigt haben. Wenn die ermittelten Defekte und die sonstigen Anstände nicht den Rechnungsführer oder die zum Geschäftsbetriebe einer Kasse gehörigen selbständigen Untereinnehmer und Erheber, sondern lediglich die vorgesetzte Behörde oder dritte Personen betreffen, so wird dadurch die Erteilung der Entlastung nicht gehindert. 11 In gleichem Sinne haben die mit der Rechnungsprüfung betrauten Verwaltungsbehörden (§ 11) zu verfahren. Insbesondere ist, soweit nicht die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles erhebliche Bedenken ergeben, bei Beträgen unter 1 M die nachträgliche Einziehung nicht anzuregen. In solchen Fällen ist zugleich die Aufstellung von Pr. Bem. zu unterlassen; das Verfahren muß aber aus einem auf den Beleg zu setzenden Vermerk ersichtlich sein, ABest. § 6. 12 ABest. § 9: Die ermittelten Abweichungen und Verstöße i. S. des § 18 Abs. 2, 3 und des § 18a in Verbindung mit § 19 ORKG., die bei Prüfung der delegierten Rechnungen von den Verwaltungsbehörden wahrgenommen werden, sind der Oberrechnungskammer mitzuteilen, auch wenn sie nach den von den Verwaltungsbehörden befolgten Grundsätzen sich nicht als Abweichungen oder Verstöße darstellen. Die Abweichungen und Verstöße sind in ein Verzeichnis nach Muster, dem die bezüglichen Be­ lege und sonstigen Unterlagen beizufügen sind, aufzunehmen. Sind Abweichungen und Verstöße nicht wahrgenommen, so ist dies anzugeben. 13 ABest. § 10: Die Verwaltungsbehörden werden ermächtigt, i. S. des § 18a ORKG. ihrerseits als geringfügige Beträge, welche die Abstandnahme von der Ausnahme in das Verzeichnis

19. Oberrechnungskammer-Gesetz.

1275

desgleichen wenn es sich um eine bloße Fondsverwechselung handelt, durch die wesentliche Etatsüberschreitungen weder verursacht noch vermieden worden sind. Bei wichtigen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung darf jedoch von der Aufstellung von Bemerkungen nicht Abstand genommen werdend § IS. Etatsüberschreitungen im Sinne des Art. 104 VersU. sind alle Mehrausgaben, welche gegen die einzelnen Kapitel und Titel des nach Art. 99 a. a. O. festgestellten Staats­ haushaltsetats oder gegen die von der Landesvertretung genehmigten Titel der Spezial­ etats stattgefunden haben, soweit nicht a) einzelne Titel in den Etats als übertragbar ausdrücklich bezeichnet sind und bei solchen die Mehrausgaben bei einem Titel durch Minderausgaben bei anderen ausgeglichen werden oder b) bei einzelnen Titeln ausdrücklich vermerkt ist, daß dem Ausgabesoll bestimmte Ein­ nahmen zufließen sollen und die entstandenen Mehrausgaben in den Einnahmen ihre Deckung finden? Unter dem Titel eines Spezialetats ist im Sinne dieses G. zu verstehen jede Position, welche einer selbständigen Beschlußfassung der Landesvertretung unterlegen hat und als Gegenstand einer solchen im Etat erkennbar gemacht worden ist. In die zur Vorlegung an den Landtag gelangenden Spezialetats sind fortan bei den Be­ soldungsfonds die Stellenzahl und die Gehaltssätze, welche für die Disposition über diese Fonds maßgebend sind, aufzunehmen. Eine Nachweisung der Etatsüberschreitungen und der außeretatsmäßigen Ausgaben ist jedesmal im nächsten Jahre, nachdem sie entstanden sind, den Häusern des Landtages zur nachträglichen Genehmigung vorzulegen. Die Erinnerungen der Rechnungsauslegung werden durch diese Genehmigung nicht berührt. § 20, Nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres erstattet die Oberrechnungskammer dem Könige einen Bericht über die Ergebnisse ihrer Geschäftstätigkeit, welchem zugleich ihre gutachtlichen Vorschläge beizufügen sind, ob und inwieweit nach den aus den Rechnungen sich ergebenden Resultaten der Verwaltung zur Beförderung der Staatszwecke im Wege der Gesetzgebung oder der Verordnung zu treffende Bestimmungen notwendig oder ratsam erscheinen. § 21, Alle durch frühere Gesetze oder Verordnungen erlassenen Bestimmungen, soweit sie dem gegenwärtigen G. zuwiderlaufen, treten außer Kraft.

20. Gesetz, betreffend den Staatshaushalt? Vom 11. Mai 1898 (GS. 77). § 1, Der Staatshaushaltsetat (Art. 99 VerfU.) enthält den Voranschlag für alle im Laufe jedes Etatsjahres voraussichtlich eingehenden Einnahmen und erforderlich werdenden Ausgaben des Staates? § 2, Zu den in den Staatshaushaltsetat aufzunehmenden Einnahmen und Ausgaben gehören auch: 1. Erlöse aus der Veräußerung von beweglichem oder unbeweglichem Eigentum des Staates. 2. Einnahmen, welche dem Staate durch Beiträge Dritter zu im Staatshaushaltsetat vorgesehenen Ausgaben zufließen. der Abweichungen (vgl. § 9) rechtfertigen, Betrüge bis zu 100 M zu behandeln, falls nur Ver­ sehen und nicht Fragen von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen. In solchen Fällen ist die Abstandnähme von der Aufnahme in das Verzeichnis auf den Belegen zu vermerken. 1 Sog. Komptabilitätsgesetz, in Fassung des G. v. 22. März 1912 (GS. 29), durch das der § 51 Abs. 3 neu eingefügt wurde. 2 Zur rechtzeitigen Ausstellung des Staatshaushaltsetats müssen die Mehrbedürfnisse — so­ wohl dauernde als einmalige und außerordentliche — der einzelnen Verwaltungen für das nächste Rechnungsjahr bis Ende Juli jeden Jahres beim Finanzminister angemeldet und begründet sein.

1276

XII. Abschn.

Zinanzrecht.

3. Einnahmen und Ausgaben auf Grund von Anleihegesehen, wenn und soweit in den letzteren die Ausnahme in den Staatshaushaltsetat vorgesehen ist. 4. Die Einnahmen und Ausgaben derjenigen zu besonderen Zwecken bestimmten Fonds, über welche dem Staate allein die Verfügung zusteht, sofern diese Fonds nicht juristische Persönlichkeit besitzen? 5. die Einnahmen und Ausgaben derjenigen Unterrichts-, wissenschaftlichen, Kunst- und ähnlichen Anstalten, welche vom Staate allein oder mit Hilfe von Zuschüssen Dritter zu unterhalten sind, sofern diese Anstalten nicht juristische Persönlichkeit besitzen? Vertragsmäßige Rechte und Stiftungsbestimmungen werden durch die Vorschriften unter 4 und 5 nicht berührt. § 3. Mt den Spezialetats der betreffenden Staatsverwaltungen sind dem Landtage Nachweisungen von den veranschlagten Einnahmen und Ausgaben derjenigen der alleinigen Verfügung des Staates unterliegenden besonderen Fonds^ mitzuteilen, welche juristische Persönlichkeit besitzen und welche ganz oder zum Teil zu solchen Zwecken bestimmt sind, für welche auch allgemeine Staatsmittel verwendet werden. In den Nachweisungen sind die Einnahmen der einzelnen Fonds nach den hauptsächlichsten Quellen, die Ausgaben nach t>en hauptsächlichsten Verwendungszwecken gesondert anzugeben. Dasselbe gilt bezüglich der Einnahmen und Ausgaben derjenigen Unterrichts-, wissen­ schaftlichen, Kunst- und ähnlichen Anstalten, 1. welche vom Staate allein oder mit Hilfe von Zuschüssen Dritter zu unterhalten sind, aber juristische Persönlichkeit besitzen, 2. welche vom Staate und von Dritten gemeinschaftlich zu unterhalten sind, 3. welche von Dritten zu unterhalten sind, aber vom Staate mit Zuschüssen, die nickt auf rechtlicher Verpflichtung beruhen, unterstützt werden. Diese Besümmungen finden keine Anwendung auf die ausschließlich für den Elementar­ oder Fortbildungsunterricht bestimmten Anstalten, sowie auf solche Anstalten, welche mit Zuschüssen aus den dazu im Etat bereitgestellten Dispositionsfonds unterstützt werden.

§ 4. Von denjenigen der alleinigen Verfügung des Staates unterliegenden besonderen Fonds, welche nicht unter die Bestimmungen im § 2 Nr. 4 oder im § 3 Abs. 1 dieses G. fallen,b sind dem Landtage mit den Spezialetats der betreffenden Staatsverwaltungen Nach­ weisungen unter Angabe der Jahresbeträge der einzelnen Fonds mituzteilen. § 5. Solange und soweit beide Häuser des Landtags zustimmen, kann von der Mitteilung der in den §§ 3 und 4 bezeichneten Nachweisungen bezüglich einzelner Fonds oder Anstalten oder bezüglich gewisser Kategorien derselben abgesehen werden. § 6. Bei dem Seehandlungsinstitut sind sowohl in dem Spezialetat als in dem Staats­ haushaltsetat der Geschäftsgewinn und die Verwaltungseinnahmen des Instituts, in dem Spezialetat auch die Verwaltungsausgaben desselben zu veranschlagen. Mit dem Spezialetat des Seehandlungsinstituts ist dem Landtage der Verwaltungsberickt und der Hauptabschluß des Instituts für das letzte abgelaufene Etatsjahr mitzuteilen. § 7. Bei solchen Verwaltungen, welche nicht ausschließlich für Rechnung des Staates geführt werden, ist sowohl in den Spezialetat der betreffenden Staatsverwaltung als in den Staatshaushaltsetat der Anteil des Staates an dem für die Gemeinschaft veranschlagten Überschüsse oder Zuschüsse einzustellen. Die Einnahmen und Ausgaben solcher gemeinschaftlicher Verwaltungen sind in einer dem Spezialetat der betreffenden Staatsverwaltung beizufügenden Nachweisung dem Landtage mitzuteilen. 3 § 2 Nr. 4, 8 3 Abs. 1, $8 4, 5 und 16 Abs. 2 handeln von den sog. Staatsnebenfonds, über die dem Staate allein die Verfügung zusteht, unterschieden nach Fonds mit und ohne juristische Per sönlichkeit. Die Einnahmen und Ausgaben der Fonds mit juristischer Persönlichkeit brauchen nur in besonderen Nachweisungen der betreffenden Verwaltungsetats mitgeteilt iverden. 4 8 2 Nr. 5 und 8 3 Abs. 2 betreffen die sog. Zuschuhverwaltungen, z. B. die der Universitäten, höheren Lehranstalten. — Vgl. für die Unterrichtsverwaltung MErl. v. 8. Sept. 1898 (ZentrBl. Unterr. 668).

20. Staatshaushaltsgesetz.

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§ 8. Durch die Etats werden Privatrechte oder Privatpflichten weder begründet noch aufgehoben. § 9. Nach gesetzlicher Feststellung des Staatshaushaltsetats ist derselbe nebst den zu­ gehörigen Spezialetats durch die Staatsregierung der Oberrechnungskammer mitzuteilen. 8 10. In den Kasse ne tat s,^ welche für die ausführenden Behörden und Kassen auf Grund des Staatshaushaltsetats und der mit demselben festgestellten Spezialetats aus­ zufertigen sind, sind die Einnahmen und Ausgaben in dem Rahmen der durch diese Etats festgestellten Kapitel und Titel in Ansatz zu bringen. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf diejenigen Kassenetats und Teile von Kassenetats für die Hauptkassen und die Generalstaatskasse, in welchen die in anderen Kassen­ etais nach Kapiteln und Titeln ausgebrachten Einnahmen und Ausgaben nur summarisch nach Verwaltungsbezirken oder Verwaltungszweigen aufgeführt werden. § 11. Die Kassenetats 5 können für einen mehrjährigen Zeitraum festgestellt werden. Werden in den Ansätzen eines für mehrere Jahre festgestellten Kassenetats durch den Staats­ haushaltsetat für eines der folgenden Jahre Änderungen herbeigeführt, so sind darüber, sofern die Übereinstimmung der Kassenetats mit dem Staatshaushaltsetat nicht durch einen jährlich festzustellenden Gesamtkassenetat für den betreffenden Verwaltungszweig herbei­ geführt wird, besondere, diese Übereinstimmung herstellende Deklarationen auszufertigen. § 12. Die Kassenetats sind, insoweit die über ihre Ausführung zu legenden Rechnungen nach den Bestimmungen des G. v. 27. März 1872, betreffend die Einrichtung und die Be­ fugnisse der Oberrechnungskammer (GS. 278), der Revision durch die Oberrechnungskammer unterliegen, alsbald nach ihrer Ausfertigung mit einer Übersicht der Zu- und Abgänge gegen den vorhergehenden Etat in beglaubigter Abschrift der Oberrechnungskammer mitzuteilen. Eine gleiche Mitteilung hat hinsichtlich der nach § 11 zu erlassenden Deklarationen statt­ zufinden. § 13. Die Einnahmen und Ausgaben sind in der Rechnung unter denjenigen Kapiteln und Titeln, unter welchen sie im Etat vorgesehen sind, oder wenn nur ein entsprechendes Soll aus der vorhergehenden Rechnung zu übertragen war (§§ 42 und 45), an der betreffen­ den Stelle der folgenden Rechnung nachzuweisen. Mehreinnahmen und Mehrausgaben sind an den vorbezeichneten Stellen der Rechnung als Zugang nachzuweisen. Ist jedoch nur eine Sollausgabe aus der vorhergehenden Rech­ nung übertragen, so ist eine etwaige Mehrausgabe gegen dieselbe in der Rechnung, getrennt von den etatsmäßigen Ausgaben, als außeretatsmäßige Ausgabe nachzuweisen? In gleicher Weise sind Einnahmen und Ausgaben, welche weder unter einen Etatstitel fallen noch bei einem Soll aus der vorhergehenden Rechnung zu verrechnen sind, in der Rechnung, getrennt von den etatsmäßigen Einnahmen und Ausgaben, als außeretatsmäßige Einnahmen und Ausgaben nachzuweisen. § 14. Alle Einnahmen und Ausgaben sind, vorbehaltlich der in den §§ 42 bis 46 dieses G. hinsichtlich der Einnahme- und Ausgabereste57 getroffenen 6 Bestimmungen, in der Rech­ nung desjenigen Etatsjahres nachzuweisen, in welchen sie fällig geworden sind. Die am 1. April postnumerando fälligen Einnahmen und Ausgaben, sowie diejenigen Einnahmen und Ausgaben ohne bestimmten Fälligkeitstermin, deren Rechts- und Ent­ stehungsgrund in dem vorhergehenden Etatsjahre liegt und deren Fälligkeit noch in der 5 D. s. Auszüge für die einzelnen Verwaltungsbehörden und Kassen, deren Verwaltung sie un­ mittelbar zugrunde zu legen sind. 6 Die Mittel zu Etatsüberschreitungen, die nur in rechtlich gebotenen oder dringend not­ wendigen unaufschiebbaren Fällen zulässig sind, müssen grundsätzlich sofort unter eingehender Begründung (bei einzelnen Verwaltungen nach vorgeschriebenem Formular) beantragt werden, MErl. v. 20. Juni 1898 und 16. Sept. 1899 (MBl. 134 und 57). 7 Eine Restausgabe für das Vorjahr liegt nach Staatsm.-Beschl. v. 17. Febr. 1889 nur dann vor, wenn die Forderung des Gläubigers innerhalb des Vorjahres oder postnumerando am 1. April des folgenden Jahres fällig gewesen ist.

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XII. Abschn.

Jmanjrcdit.

darauffolgenden Zeit bis zum Jahresabschlüsse für das letztere (§ 39) herbeizuführen ist, sind in der Rechnung des vorhergehenden Jahres nachzuweisen. Eine von den vorstehenden Bestimmungen abweichende Verrechnung der Einnahmen oder Ausgaben kann in den Spezialetats festgesetzt werden. § 15, Alle Einnahmen und Ausgaben sind mit ihrem vollen Betrage in der Rechnung nachzuweisen und es dürfen weder von Einnahmen vorweg Ausgaben in Abzug gebracht, noch auf Ausgaben vorweg Einnahmen in Anrechnung gebracht werden. Tantiemen und sonstige Gebühren für die Erhebung von Einnahmen find unter den Aus­ gaben nachzuweisen. § 16. Alle Einnahmen des Staates werden für Rechnung der Staatsfinanzverwaltung als Deckungsmittel für den gesamten Ausgabebedarf des Staates erhoben, sofern nicht für einzelne Einnahmen durch die Spezialetats oder durch besondere Gesetze etwas anderes bestimmt ist. Die Einnahmen der im §2 unter Nr. 4 bezeichneten Fonds sind nur für Zwecke der letzteren zu verwenden. § 17. Stundungen für die Erfüllung von Zahlungsverpflichtungen gegen den Staat dürfen nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen bewilligt werden. Stundungen über den Jahresabschlußtermin (§ 39) derjenigen Kaffe hinaus, welcher der rechnungsmäßige Nachweis der betreffenden Einnahmen obliegt, dürfen von den Behörden nur auf Grund einer seitens des zuständigen Ministers erteilten Ermächtigung und unter Angabe der Gründe bewilligt werden. Diese Bestimmungen finden keine Anwendung auf solche Zahlungsverpflichtungen, bei welchen Kreditgewährungen für bestimmte Fristen durch allgemeine Vorschriften der zu­ ständigen Behörden zugelassen oder im Geschäftsverkehr gebräuchlich sind. Auch bleiben für die einzelne Berwaltungszweige bestehenden besonderen gesetzlichen Bestimmungen über die Stundung von Zahlungsverpflichtungen unberührt? § 18. Bon der Einziehung dem Staate zustehender Einnahmen darf nur im einzelnen Falle und, abgesehen von der Unmöglichkeit der Einziehung,^ nur auf Grund einer durch gesetzliche oder durch Königliche Bestimmung erteilten Ermächtigung abgesehen toerben.10 Nur unter gleicher Voraussetzung dürfen auch zur Staatskasse vereinnahmte Beträge zu­ rückerstattet werden. Die nicht zur Einziehung gelangten oder zurückerstatteten Beträge find in der dem Land­ tage gemäß § 47 dieses G. vorzulegenden Übersicht von den Staatseinnahmen und -ausgaben bei den betreffenden Etatstiteln summarisch mitzuteilen. Solange und soweit beide Häuser des Landtags zustimmen, kann von dieser Mitteilung bezüglich einzelner Arten nicht zur Einziehung gelangter oder zurückerstatteter Beträge abgesehen werden. § 19. Zur Staatskasse vereinnahmte Beträge, welche zurückerstattet werden müssen, sind, wenn die Zurückerstattung erfolgt, solange die betreffenden Fonds noch offen finb,11 von der Einnahme bei den letzteren wieder abzusetzen, bei späterer Zurückerstattung aber als Ausgabe zu verrechnen. 8 Zu diesen besonderen Bestimmungen gehört die Ermächtigung der Vorsitzenden der SteuerVeranlagungskommissionen und der Regierungen, Einkommen - und Ergänzungssteuer betrüge bis zur Erledigung von Rechtsmitteln oder Ermäßigungsanträgen, auch über den Jahresschluß hinaus, zu stunden; ferner die gesetzlichen Bestimmungen über Stundung von Stempelsteuern. 9 Die Unmöglichkeit der Einziehung braucht nicht jedesmal durch fruchtlosen Versuch der Beitreibung festgestellt zu werden; letzterer kann vielmehr unterbleiben, wenn er ohne weiteres aussichtslos erscheint. Wegen Niederschlagung direkter Staatssteuern vgl. §§ 09 Eink.StG. und 43 Erg.StG., wegen indirekter Steuern § 19 Abs. 2 StaatshG. — Wegen der Defekte s. § 38. 10 Durch Allerh. O. vom 24. Juli 1906 sind die Ressortchefs uithr gleichzeitiger Beilegung der Delegatwnsbefugnis ermächtigt, int einzelnen Falle von der Einziehung von Einnahmebeträgen abzusehen und Defekte niederzuschlagen, wenn die Einziehung mit Kosten und Weiterungen für die Staatskasse verknüpft wäre, die in teinem Verhältnisse zu der Einnahme stehen. 11 D. h. regelmäßig, solange nicht der Jahresabschluß der Kassenbücher erfolgt ist, mit Ausnahme bei den übertragbaren Fonds nach § 44.

20. Staatshaushaltsgesetz.

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Zurückerstattete Gerichtskosten und Geldstrafen sowie indirekte Steuern können immer von der Einnahme abgesetzt werden? Bei der Eisenbahnverwaltung können die Beträge an Einnahmen aus dem Personen-, Gepäck- und Güterverkehr, welche in der Rechnung des Vorjahres auf Grund der zum Jahres­ abschlüsse stattgefundenen vorläufigen Feststellung zu viel verrechnet sind, von den Einnahmen des folgenden Etatsjahres abgesetzt werden. § 26. Den Ausgabefonds dürfen Rückeinnahmen, unbeschadet der Bestimmung im § 36 dieses G., nur auf Grund besonderer Ermächtigung durch den Etat zugeführt werden. Bei Bauausführungen dürfen jedoch die Erlöse aus der Wiederveräußerung von Grund­ stücken und beweglichen Gegenständen, welche über den dauernden Bedarf hinaus aus den betreffenden Baufonds erworben sind, den letzteren, solange dieselben noch offen finb,11 wieder zugeführt werden. Bei Bauten, welche auf Grund eines dem Landtage vorgelegten Bauanschlages aus­ geführt werden, dürfen auch sonstige bei der Bauausführung sich ergebende Einnahmen zu den Kosten des Baues mitverwendet werden, wenn diese Einnahmen in dem Bauanschlage veranschlagt und von dem gesamten Kostenbedarf in Abzug gebracht sind. § 21. Besoldungen und andere bei der Pensionierung in Anrechnung zu bringende Diensteinkünfte dürfen nur auf Grund einer durch die Spezialetats oder durch besondere Gesetze erteilten Ermächtigung verliehen werden. § 22. Die Gnadenbezüge von den Diensteinkünften verstorbener Beamten sind bei denelben Fonds zu verausgaben, aus welchen die betreffenden Diensteinkünfte zu zahlen waren. Diese Bestimmung kommt auch bei den Fonds zu Pensionen und zu Unterstützungen12 ntsprechend zur Anwendung. § 23. (i) Ersparnisse, welche bei den Fonds zu Besoldungen und zu sonstigen Dienst­ einkünften etatsmäßiger Beamten dadurch entstehen, daß Stellen zeitweise nicht besetzt sind oder von ihren Inhabern nicht versehen werden, können bis auf Höhe der für die einzelne Stelle verfügbaren Beträge, wenn und soweit sie nicht zur Bestreitung der Kosten einer kommissarischen Verwaltung der Stelle erforderlich sind, zur Gewährung von außerordent­ lichen Remunerationen für die unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an der Wahrneh­ mung der Geschäfte der betreffenden Stelle verwendet werden. (2) Bleibt eine neu errichtete Stelle länger als ein Jahr unbesetzt, so ist hierüber in der dem Landtage gemäß § 47 dieses G. vorzulegenden Übersicht bei dem betreffenden Etats­ titel Mitteilung zu machen. (3) Aus Ersparnissen, welche dadurch entstehen, daß die Besoldungsfonds nicht vollständig unter die Stelleninhaber verteilt worden sind, sowie aus Ersparnissen bei den Fonds zu Wohnungsgeldzuschüssen dürfen Remunerationen nicht gewährt werden. (4) Eine von den vorstehenden Bestimmungen abweichende Verwendung von Ersparnissen kann in den Spezialetats festgesetzt werden. (5) Die vorstehenden Bestimmungen kommen auch bei Ersparnissen an den Fonds zur Remunerierung von Hilfsarbeitern entsprechend zur Anwendung. § 24. Im übrigen dürfen außerordentliche Remunerationen und Unterstützungen für Beamte nur aus denjenigen Fonds gewährt werden, welche in den Etats dazu bestimmt sind?» § 25. Aus den Fonds einer Behörde zur Remunerierung von Hilfsarbeitern dürfen, sofern nicht in den Spezialetats etwas anderes bestimmt ist, Bewilligungen an etatsmäßig angestellte Beamte derselben Behörde nicht erfolgen. § 26. In den dem Landtage vorzulegenden Spezialetats sind bei den betreffenden Be 12 *. 9). solchen auf Grund § 16 Nr. 2 Abs. 2 DiszG. 13 Also z. B. nicht aus Baufonds. — Grundsätze über die Verwaltung der Fonds zu Remune­ rationen und Unterstützungen v. 13. März 1897. — Der Allerh. Dispositionsfonds zu Gnadenbewilligungen aller Art (Kap. 63 Zit. 1 des Etats des Finanzminister.uins) besteht daneben weiter.

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XII. Abschn.

Fmanzrecht.

soldungssonds oder Fonds zur Remunerierung von Hilfsarbeitern die Einnahmen der Be­ amten aus Nebenämtern nachrichtlich mitzuteilen. § 27. Gebühren für die Erhebung von Staatseinnahmen und für die Leistung von Staatsausgaben sind nur von denjenigen Beträgen zu berechnen, welche für das betreffende Etatsjahr als wirklich eingegangen beziehungsweise verausgabt nachgewiesen werden. § 28. Tie Überlassung von Dienstwohnungen an Beamte erfolgt nach Maßgabe des Etats." § 29. Tie Überlassung von Wohnungen und von anderen Nutzungen an den zur Ver­ fügung des Staates stehenden Gebäuden und Grundstücken, sowie von sonstigen Natural­ bezügen an Beamte darf nur gegen Entgelt stattfinden, sofern nicht in den Spezialetats etwas anderes bestimmt ist. Tie für Dienstwohnungen zu entrichtenden Vergütungen sind, soweit sie nicht gemäß der Bestimmung im § 4 Abs. 2 des G. v. 12. Mai 1873, betreffend die Gewährung von Woh­ nungsgeldzuschüssen an die unmittelbaren Staatsbeamten (GS. 209),15 gegen den Woh­ nungsgeldzuschuß aufgerechnet werden, als Einnahmen nachzuweisen. § 30. Ter Ausführung von Neubauten sowie von Reparaturbaulen auf Kosten des Staates sind Bauanschläge zugrunde zu legen. Inwieweit hiervon abgesehen werden darf, bestimmt der Minister der öffentlichen Arbeiten und, soweit es sich um Bauten handelt, welche ohne dessen Mitwirkung auszuführen sind, der zuständige Minister. Unter welchen Voraussetzungen, insbesondere bei welcher Höhe der Bausumme, die Bau­ anschläge der technischen Revision und Feststellung durch die höchste Baubehörde oder durch die Nachgeordneten Behörden unterliegen, ist Gegenstand Königlicher Anordnung. Mit den über die einzelnen Bauausführungen zu legenden Rechnungen sind der Ober­ rechnungskammer die erforderlichen bautechnischen Beläge vorzulegen. § 31. Alle für Rechnung des Staates angekauften beweglichen Gegenstände müssen bei der Rechnungslegung über die dafür verausgabten Geldbeträge entweder als vollständig verwendet oder in einer besonderen Naturalrechnung (§ 10 des G. v. 27. März 1872 (GS. 278) in Einnahme oder, insofern sie aus Utensilien oder Gerätschaften bestehen oder zu Samm­ lungen gehören, als inventarisiert nachgewiesen werden. Werden bewegliche Gegenstände für die Zwecke eines anderen Etatsfonds als desjenigen, aus welchem sie beschafft sind, abgegeben, so ist der Wert dieser Gegenstände, wenn er im einzelnen Falle insgesamt mehr als 3000 M beträgt, aus dem ersteren Fonds zu vergüten, sofern nicht in den Spezialetats etwas anderes bestimmt ist. Diese Vergütung findet nicht statt, wenn der Fonds, aus welchem die Beschaffung erfolgt ist, zur Beschaffung von Gegenständen der betreffenden Art auch für die Zwecke desjenigen Fonds bestimmt ist, welchem die Werte der abgegebenen Gegenstände zugute gekommen sind. Auch dürfen Sammlungsstücke von einer staatlichen Sammlung an eine andere ohne Ver­ gütung des Wertes abgegeben werden. § 32. Auf solche Fonds, welche im Etat ganz oder zu einem Teil als Dispositionsfonds," Fonds zu unvorhergesehenen Ausgaben oder unter einer sonstigen allgemeinen, die Aus­ gabezwecke nicht bestimmt angebenden Bezeichnung zur Verfügung der Verwaltung gestellt sind, dürfen, sofern nicht in den Spezialetats etwas anderes bestimmt ist, keine Ausgaben angewiesen werden, welche unter einen anderen Etatstitel fallen. § 33. Ausgabebeträge, über welche seitens der Verwaltung beim Eintritt bestimmter Voraussetzungen oder eines bestimmten Zeitpunktes nicht weiter verfügt werden darf, sind, sofern sich diese Beschränkung nicht schon aus der Bezeichnung der Ausgabezwecke in den Etats ergibt, in den letzteren als künftig wegfallend zu bezeichnen. 14 und des Regul. v. 26. Juli 1880 mit Nachtrag v. 20. April 1898 (MBl. 264 und 120). 16 Abgedruckt unter Abschn. IX Nr. 7. 16 soweit sie zur Verfügung der Verwaltung gestellt sind; auf den Allerh. Dispositionsfonds (Anm. 13) findet § 32 nicht Anwendung.

20. StaatshauShaltsgesetz.

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§ 34. Ausgabebeträge der im §33 bezeichneten Art sind von dem Zeitpunkte ab, mit welchem iie Befugnis der Verwaltung zur Verfügung über dieselben aufhört, in den Rechnungen als Minderausgabe nachzuweisen. Dasselbe hat stattzufinden: 1. bei Diensteinkünften überzähliger Beamten mit dem Eintritt des Beamten in eine andere Stelle des Staatsdienstes bis auf Höhe der mit derselben verbundenen Besol­ dung oder sonstigen der Besoldung gleichstehenden Diensteinkünfte," 2. bei persönlichen Zulagen und sonstigen lediglich an die Person geknüpften Diensteinkünften in dem Maße, als der Beamte, welcher dieselben bezieht, erhöhte normal­ mäßige Diensteinkünfte erhält, sofern nicht in den Spezialetats etwas anderes be­ stimmt ist. In beiden Fällen bleibt der Mehrbetrag an Wohnungsgeldzuschuß, welcher einem Be­ amten infolge der Versetzung an einen Ort einer höheren Servisklasse zu gewähren ist, bei der Einziehung oder Kürzung als künftig wegfallend bezeichneter Diensteinkünfte außer Betracht. § 35« Sollen von einer Mehrzahl von Stellen einer Kategorie eine oder mehrere Stellen nach dem Abgänge der zeitigen Inhaber oder bei den nächsten innerhalb dieser Kategorie eintretenden Erledigungsfällen eingezogen werden, so ist für jede der einzuziehenden Stellen, 1. wenn in den Etats die Besoldungen für diese Kategorie nach einem Durchschnittssatz für jede Stelle ausgebracht sind, der Betrag dieses Durchschnittssatzes, 2. wenn die Besoldungen nach Dienstaltersstufen geregelt sind, der Betrag der Mindest­ besoldung dieser Kategorie in den Etats als künftig wegfallend zu bezeichnen. Bleibt in dem Falle zu 1 bei einer Stellenerledigung die dadurch frei werdende Besoldung hinter dem Durchschnittssatze zurück, so ist der an dem letzteren fehlende Betrag einzuziehen, sobald und insoweit später über die Mindestbesoldung hinausgehende Beträge zur Erledigung kommen. In dem Falle zu 2 ist bei einer Stellenerledigung der Betrag der tatsächlich frei werdenden Besoldung einzuziehen. § 36. Verausgabte Beträge, welche der Staatskasse zurückerstattet werden, sind, wenn die Zurückerstattung erfolgt, solange die betreffenden Fonds noch offen sind," von der Aus­ gabe bei den letzteren wieder abzusetzen, bei späterer Zurückerstattung aber als Einnahmen zu verrechnen. § 37. Alle Verträge für Rechnung des Staates müssen auf vorausgegangene öffentliche Ausbietung gegründet sein, sofern nicht Ausnahmen durch die Natur des Geschäfts gerecht­ fertigt oder durch den zuständigen Minister für den einzelnen Fall oder für bestimmte Arten von Verträgen zugelassen werden.^ Mit Beamten, welche die Verwaltung selbst führen, oder an derselben beteiligt sind, dürfen in bezug auf diese Verwaltung Verträge nicht abgeschlossen werden. Ausnahmen dürfen nur durch den zuständigen Minister zugelassen werden. Die von den Behörden rechtsgültig abgeschlossenen Verträge dürfen zum Nachteil des Staates nachträglich weder aufgehoben noch abgeändert werden. Ausnahmen sind mit Königlicher Genehmigung zulässig und bedürfen, wenn der abgeschlossene Vertrag der Ge­ nehmigung des Landtages unterlegen hat, auch der Zustimmung des letzteren. § 38. Defekte" dürfen, abgesehen von der Unmöglichkeit der Einziehung, nur auf Grund einer durch Königliche Bestimmung erteilten Ermächtigung" niedergeschlagen werden. (Vgl. § 17 des G. v. 27. März 1872, GS. 278). 17 Zu letzteren gehören die pensionsfähigen Stellen, und Ortszulagen. 18 Die Zulassung solcher Ausnahmen kann der Minister auch übertragen. 19 Zu unterscheiden sind Kassen- und Rechnungsdefekte; letztere bedeuten nur ZuvielverauSgabungen infolge unrichtiger Berechnung oder Nichtbeachtung gesetzlicher oder sonst maßgeblicher Vorschriften. Wegen der Kassendefekte s. Defekt. Vg. v. 24. Jan. 1844, abgedruckt unter Abschn. IX Nr. 4. 81 Reichelt, Berwaltungsgesetzbuch.

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XII. Abschn. Finanzrecht.

Die nicht zur Einziehung gelangten Beträge sind in der dem Landtage gemäß § 47 dieses G. vorzulegenden Übersicht von den Staatseinnahmen und Ausgaben bei den betreffenden Etatstiteln summarisch mitzuteilen. Solange und soweit beide Häuser des Landtags zustimmen, kann von dieser Mitteilung bezüglich einzelner Arten nicht zur Einziehung gelangter Beträge abgesehen werden. § 39, Der Abschluß der Kassenbücher für jedes Etatsjahr erfolgt bei der Generalstaatskaffe spätestens im dritten Monat nach dem Ablaufe des Etatsjahres, bei den übrigen Kassen zu entsprechend früheren, von dem zuständigen Minister und dem Finanzminister fest­ zusetzenden Terminen. 20 § 40. Bei keiner Kasse dürfen nach erfolgtem Jahresabschluß (§ 39) noch Einnahmen oder Ausgaben für Rechnung des abgelaufenen Etatsjahres gebucht werden. Ausgenommen hiervon sind die Buchungen zur Ausführung der Bestimmungen über die Verwendung von Überschüssen des Staatshaushalts. § 41. Vorschüsse, welche bis zum Jahresabschluß (§ 39) nicht haben abgewickelt werden können, sind in einem Anhange zu der Kassenrechnung nachzuweisen. § 42. Haben Einnahmebeträge, welche nach Maßgabe der Bestimmungen im § 14 dem abgelaufenen oder einem früheren Etatsjahre angehören, bis zum Jahresabschluß nicht eingezogen werden können, so sind dieselben für das abgelaufene Etatsjahr als Einnahmereste nachzuweisen und für das folgende Etatsjahr in Solleinnahme zu stellen. Ihre Vereinnahmung erfolgt demnächst für Rechnung desjenigen Etatsjahres, in welchem sie eingehen. ; . § 43. Haben Ausgaben, welche nach Maßgabe der Bestimmungen im § 14 dem abgelaufenen Etatsjahre angehören, bis zum Jahresabschluß nicht geleistet werden können, so werden die zur Bestreitung derselben erforderlichen Beträge, auch wenn dieselben unter Zusammenrech­ nung mit den wirklich geleisteten Ausgaben eine Etatsüberschreitung ergeben, reserviert und in das folgende Etatsjahr übertragen. Bestände, welche nach Reservierung der zu Restausgaben erforderlichen Beträge beim Jahresabschluß verbleiben, sind in der Rechnung als erspart nachzuweisen. § 44. Die Bestimmung im § 43 Abs. 2 findet keine Anwendung und es können die am Jahresschlüsse verbleibenden Bestände zur Verwendung in die folgenden Jahre übertragen werden: 1. bei denjenigen Ausgabefonds, bei welchen dies durch eine entsprechende Bestimmung in dem Spezialetat zugelassen ist, 2. bei allen Baufonds.20 & § 45. Die auf Grund der Bestimmungen in den §§ 43 und 44 in das folgende Etatsjahr zu übernehmenden Beträge sind für das abgeschlossene Etatsjahr als zu Restausgaben be­ stimmt, beziehungsweise als in das folgende Etatsjahr übergehender Bestand nachzuweisen und für das folgende Etatsjahr in Sollausgabe zu stellen. § 46. Bei den übertragbaren Ausgabefonds (§ 44) können die aus dem Vorjahre über­ nommenen Mittel (§ 43 Abs. 1 und § 44) auch zu den Ausgaben des laufenden Etatsjahres und ebenso die Fonds des laufenden Etatsjahres auch zur Bestreitung solcher Ausgaben verwendet werden, welche nach Maßgabe der Bestimmungen im § 14 früheren Etatsjahren angehören. Bei den nicht übertragbaren Fonds dürfen die zu Restausgaben reservierten Beträge nur zur Bestreitung der Restausgaben, für welche sie bestimmt sind, und nur bis zum Jahres­ abschluß für das folgende Etatsjahr verwendet merbeit.21 Insoweit sie bis dahin nicht zur 80 Der Finalabschluß erfolgt bei Spezialkassen am 26./30. April, bei den Provinzial- und Re­ gierungshauptkassen 10. Mai, bei den Zentralkassen 30. Mai, bei der Generalstaatskasse 15. Juni. 30 a Für die Verwaltung des Innern vgl. MErl. vom 13. Mai 1881 iMBl. 127) und v. 22. Okt. 1913. 21 Hierdurch ist es untersagt, Ersparnisse an den zu Restausgaben reservierten Beträgen zur Deckung von Etatsüberschreitungen anderer Stellen zu verwenden.

20. Staatshaushaltsgesetz.

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Verwendung gelangt sind, sind sie in der Rechnung als erspart nachzuweisen; die etwa später noch erforderlich werdenden Zahlungen sind aus den Mitteln für das laufende Etatsjahr zu leisten. Letzteres gilt auch bezüglich solcher Ausgaben, welche nach Maßgabe der Be­ stimmungen im § 14 früheren Etatsjahren angehören, zu deren Deckung aber Mittel nicht oder nicht in ausreichendem Maße reserviert worden sind. § 47. (i) Eine Übersicht von den Staatseinnahmen und Ausgaben eines jeden Etats­ jahres ist dem Landtage im folgenden Etatsjahre vorzulegen. (2) Dieser Übersicht ist die gemäß § 19 Abs. 3 des G. v. 27. März 1872 (GS. 278) dem Landtage vorzulegende Nachweisung der Etatsüberschreitungen und der außeretatsmäßigen Ausgaben beizufügen. (3) Innerhalb derselben Frist sind dem Landtage vorzulegen: 1. Nachweisungen über die Verwendung derjenigen Zentralsonds, welche im Etat ganz oder zu einem Teil als Dispositionsfonds, Fonds zu unvorhergesehenen Ausgaben oder unter einer sonstigen allgemeinen, die Ausgabezwecke nicht bestimmt angebenden Bezeichnung zur Verfügung der Verwaltung gestellt sind. Ausgenommen hiervon sind solche Fonds, deren Rechnungen der Revision durch die Oberrechnungskammer nicht unterliegen. Solange und soweit beide Häuser des Landtags zustimmen, kann auch bezüglich anderer Fonds von der Vorlegung der vorbezeichneten Nachweisungen abgesehen werden. 2. eine Nachweisung von den als endgültig erspart zu löschenden Beträgen der durch besondere Gesetze zur Verfügung gestellten Kredite. (4) Eine nachträgliche Verwendung der nach der Nachweisung zu 2 zu löschenden Beträge darf nicht erfolgen. § 48. In den von den Kassen zu legenden Rechnungen sind die Einnahmen und Ausgaben in derselben Anordnung nachzuweisen, in welcher sie in den Kassenetats (§ 10) aufgeführt sind. § 49. Die Kassenrechnungen (§ 48) haben sowohl in ihren einzelnen Ansätzen als im ganzen das bei dem Jahresabschluß^ festgestellte Ergebnis der Kassenbücher wiederzugeben. § 50. Die Kassenrechnungen werden der Regel nach für ein volles Etatsjahr gelegt. Aus­ nahmen sind nur mit Zustimmung der Oberrechnungskammer zulässig.^ § 51. (1) Die Kassenrechnungen sind vor der Einsendung an die Oberrechnungskammer durch die zuständigen Behörden einer Vorprüfung (Abnahme) zu unterziehen.^ (2) Bei der Abnahme sind die Rechnungen und, soweit dies noch nicht geschehen ist, auch die Belege rechnerisch zu prüfen und zu bescheinigen, sowie in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen und mit den nötigen Erläuterungen und Bemerkungen, sowie den etwa noch fehlenden Bescheinigungen zu versehen. (3) Mit Zustimmung der Oberrechnungskammer kann die Vorprüfung in materieller Hin­ sicht bei der Abnahme ganz oder teilweise unterbleiben? (4) Das über die Abnahme der Rechnung aufzunehmende Protokoll ist mit der Rechnung an die Oberrechnungskammer einzusenden. 22 und tatsächlich zugelassen für Stückrechnungen über solche Bauten im Bereiche der allge­ meinen Bauverwaltung, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen. 23 Für die Abnahme und Einsendung der Rechnungen ist noch im wesentlichen die Instruktion für die ORK. v. 18. Dez. 1824 maßgebend, deren § 47 bestimmt: Jede Rechnung muß vor deren Einsendung an die Oberrechnungskammer bei der Dermaltungsbehörde abgenommen werden, nachdem solche und die Belege zuvor in calculo vollständig geprüft und attestiert worden. Bei der Abnahme ist die Rechnung in formeller und materieller Hinsicht mit aller Gründlichkeit zu prüfen und mit den nötigen Erläuterungen und Bemerkungen, auch den etwa noch fehlenden Bescheinigungen zu versehen. Das hierüber aufzunehmende Protokoll muß bei den Regierungen von den betreffenden Abteilungsdirigenten, bei anderen kollegialischen Behörden von einem Mitgliede derselben, und bei den obersten Verwaltungs­ behörden von dem betreffenden Departementsrat, das Kalkulaturprotokoll aber, welches sich auf die Erinnerungen in calculo beschränkt, von dem Kalkulator vollzogen werden. — Wegen der rechnerischen Prüfung und Bescheinigung der Rechnungen und Rechuungsbeläge vgl. Sraatsm.-Beschl. v. G. Juni 1911 (MBl. 242).

1284

XII. Abschn. Ainanzrecht.

§ 52. Mit der gemäß der Bestimmung im Art. 104 Verf.U. dem Landtage vorzulegenden allgemeinen Rechnung über den Staatshaushalt eines jeden Jahres ist für jeden Berwaltungs. zweig, für welchen mit dem Staatshaushallsetat ein Spezialetat festgestellt ist, eine Spezial, rechnung vorzulegen. Alle Einnahmen und Ausgaben sind in diesen Rechnungen nach den Kapiteln und Titeln des Etats nachzuweisen, und zwar in der allgemeinen Rechnung in derselben Weise, wie sie im Staatshaushaltsetat, in den Spezialrechnungen in derselben Weise, wie sie in den Spezialetats zum Ansatz gebracht sind. Außeretatsmäßige Einnahmen und Ausgaben (§ 13 Abs. 2 und 3) sind unter zusätzlichen Abschnitten nachzuweisen. § 53. Sowohl in der allgemeinen Rechnung als in den Spezialrechnungen (§ 52) sind bei den einzelnen Kapiteln und Titeln und bei den Schlußsummen je in einer besonderen Spalte nachzuweisen: I. bei den Einnahmen: 1. die aus dem Vorjahre übernommenen Einnahmereste (Soll nachher vorigen Rechnung); 2. der Einnahmeansatz des Etats (Soll nach dem Etat); 3. die nach Nr. 1 und 2 sich ergebende gesamte Solleinnahme; 4. die wirklich eingegangenen Einnahmen (Jsteinnahme); 5. die verbliebenen Einnahmereste; 6. die nach Nr. 4 und 5 sich ergebende Summe; 7. das Mehr oder Weniger der Summe zu Nr. 6 gegen die Summe zu Nr. 3. II. bei den Ausgaben: 1. die auf Mund der Bestimmungen in den §§ 43 bis 45 aus dem Vorjahre übernommenen Beträge (Soll nach der vorigen Rechnung); 2. der Ausgabeansatz des Etats (Soll nach dem Etat); 3. die nach Nr. 1 und 2 sich ergebende gesamte Sollausgabe; 4. die wirklich geleisteten Ausgaben (Jstausgabe); 5. die auf Grund der Bestimmungen in den §§ 43 bis 45 in das folgende Etatsjahr zu übertragenden Beträge; 6. die nach Nr. 4 und 5 sich ergebende Summe; 7. das Mehr oder Weniger der Summe zu Nr. 6 gegen die Summe zu Nr. 3. § 54. Die allgemeine Rechnung hat ferner nachzuweisen: 1. den nach der vorigen Rechnung übernommenen und den in die folgende Rechnung übergehenden Kassenbestand; 2. die Betriebsfonds. § 56. Alle diesem G. zuwiderlaufenden Bestimmungen früherer Gesetze und Verordnungen treten außer Steift.24 21. Scheckgesetz.^ Vom 11. März 1908 (RGBl. 71). § 1. Der Scheck muß enthalten: 1. die in den Text aufzunehmende Bezeichnung als Scheck oder, wenn der'Scheck in einer fremden Sprache ausgestellt ist, einen jener Bezeichnung entsprechenden Ausdruck in der fremden Sprache; 2. die an den Bezogenen gerichtete Anweisung des Ausstellers, aus seinem Guthaben eine be« stimmte Geldsumme zu zahlen; 3. die Unterschrift des Ausstellers; 4. die Angabe des Ortes und des Tages der Ausstellung. 24 Also auch der in Anm. 23 genannten Instruktion von 1824. 25 Vgl. Fin.-MErl. v. 25. April 1910, betr. die Annahme von Schecks bei der Generalstaatskasse, den Negierungshaupt' und Kreiskassen und den Kassen für indirekte Zölle und Steuern.

21. Scheckgesetz.

1285

8 2. Als Bezogene sotten nur bezeichnet werden: 1. diejenigen Anstalten des öffentlichen Rechtes, diejenigen unter staatlicher Aufsicht stehenden Anstalten sowie diejenigen in das Genossenschaftsregister eingetragenen Genossenschaften, welche sich nach den für ihren Geschäftsbetrieb maßgebenden Bestimmungen mit der Annahme von Geld und der Leistung von Zahlungen für fremde Rechnung befassen, ferner die unter amtlicher Aufsicht stehenden Sparkassen, wenn sie die nach Landesrecht für sie geltenden Auf­ sichtsbestimmungen erfüllen; 2. die in das Handelsregister eingetragenen Firmen, welche gewerbsmäßig Bankiergeschäfte betreiben. § 3. Als Guthaben ist der Geldbetrag anzusehen, bis zu welchem der Bezogene nach dem zwischen ihm und dem Aussteller bestehenden Rechtsverhältnisse Schecks einzulösen verpflichtet ist. 8 4. Als Zahlungsempfänger kann entweder eine bestimmte Person oder Firma oder der Inhaber des Schecks angegeben werden. Der Aussteller kann sich selbst als Zahlungsempfänger bezeichnen. Sind dem Namen oder der Firma des Zahlungsempfängers die Worte „oder Überbringer" oder ein gleichbedeutender Zusatz beigefügt oder enthält der Scheck keine Angabe darüber, an wen zu zahlen ist, so gilt er als auf den Inhaber gestellt. 8 6. Der bei dem Namen oder der Firma des Bezogenen angegebene Ort gilt als Zahlungsort. Die Angabe eines anderen Zahlungsorts gilt als nicht geschrieben. Ist bei dem Namen oder der Firma des Bezogenen ein Ort nicht angegeben, so gilt der Ausstellungsort als Zahlungsort. 8 •• Ist die zu zahlende Geldsumme in Buchstaben und in Ziffern ausgedrückt, so gilt bei Abweichungen die in Buchstaben ausgedrückte Summe. Ist die Summe mehrmals mit Buchstaben oder mehrmals mit Ziffern geschrieben, so gilt bei Abweichungen die geringere Summe. 8 7. Der Scheck ist bei Sicht zahlbar. Die Angabe einer anderen Zahlungszeit macht den Scheck nichtig. 8 8. Der auf einen bestimmten Zahlungsempfänger gestellte Scheck kann durch Indossament übertragen werden, wenn nicht der Aussteller die Übertragung durch die Worte „nicht an Order" oder durch einen gleichbedeutenden Zusatz untersagt hat. In betreff der Form des Indossaments, in betreff der Legitimation des Besitzers eines indossierten Schecks und der Prüfung der Legitimation sowie in betreff der Verpflichtung des Besitzers zur Heraus­ gabe finden die Vorschriften der Art. 11 bis 13, 36, 74 der WechsOg. entsprechende Anwendung. Ein auf eine Abschrift des Schecks gesetztes Indossament ist jedoch unwirksam. Das gleiche gilt von einem Indossamente des Bezogenen. Ein Indossament an den Bezogenen gilt als Quittung. 8 3. Schecks, die auf einen bestimmten Zahlungsempfänger gestellt und im Auslande zahlbar sind, können in mehreren Ausfertigungen ausgestellt werden. Jede Ausfertigung muß im Texte mit der Bezeichnung „Erste, zweite, dritte usw. Ausfertigung" oder mit einer gleichbedeutenden Bezeichnung versehen werden; ist dies nicht geschehen, so gilt jede Ausfertigung als ein für sich be­ stehender Scheck. Ist von mehreren Ausfertigungen eine bezahlt, so verlieren dadurch die anderen ihre fttaft. Jedoch bleiben aus den übrigen Ausfertigungen der Indossant, welcher mehrere Ausfertigungen an ver­ schiedene Personen indossiert hat, und atte späteren Indossanten, deren Unterschriften sich auf den bei der Zahlung nicht zurückgegebenen Ausfertigungen befinden, auf Grund ihres Indossaments verpflichtet. 8 10. Der Scheck kann nicht angenommen werden. Ein auf den Scheck gesetzter Annahmevermerk gilt nicht als geschrieben. 8 11. Der im Inland ausgestellte und zahlbare Scheck ist binnen zehn Tagen nach der Ausstellung dem Bezogenen am Zahlungsorte zur Zahlung vorzulegen. Für Schecks, die im Ausland ausgestellt, im Jnlande zahlbar sind, bestimmt der Bundesrat die Vorlegungsfrist. Das gleiche gilt für Schecks, die im Inland ausgestellt, im Auslande zahlbar sind, sofern das ausländische Recht keine Vorschrift über die Zeit der Vorlegung enthält." Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag oder einen am Zahlungsorte staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag, so tritt an die Stelle des Sonntags oder des Feiertags der nächstfolgende Werktag. 8 12. Die Einlieferung eines Schecks in eine Abrechnungsstelle, bei welcher der Bezogene ver­ treten ist. gilt als Vorlegung zur Zahlung am Zahlungsorte, sofern die Einlieferung den für den Ge­ schäftsverkehr der Abrechnungsstelle maßgebenden Bestimmungen entspricht. Der Bundesrat bestimmt, welche Stetten als Abrechnungsstellen im Sinne dieses Gesetzes zu gelten haben. 8 13. Der Bezogene, der den Scheckbettag bezahlt, kann die Aushändigung des quittierten Schecks verlangen. Der Ablauf der Borlegungsfrist ist auf das Recht des Bezogenen zur Zahlung ohne Einfluß. Ein Widerruf des Schecks ist erst nach dem Ablaufe der Vorlegungsfrist wirksam. 26 Vgl. Bund.Vg. betr. die Vorlegungsfristen für Auslandsschecks vom 19. März 1908 (RGBl. 86).

1286

XII. Abschn. Finanzrecht.

§ 14. Der Aussteller sowie jeder Inhaber eines Schecks kann durch den quer über die Vorder seile gesetzten Vermerk: „Nur zur Verrechnung" verbieten, daß der Scheck bar bezahlt werde. Ter Bezogene darf in diesem Falle den Scheck nur durch Verrechnung einlösen. Die Verrechnung gilt als Zahlung im Sinne dieses Gesetzes. Das Verbot kann nicht zurückgenommen werden. Die Übertretung des Verbots macht den Be zogenen für den dadurch entstehenden Schaden verantwortlich. § 15. Der Aussteller und die Indossanten haften dem Inhaber für Die Einlösung des Schecks. Auch bei dem auf den Inhaber gestellten Scheck haftet jeder, der seinen Namen oder seine Firma auf die Rückseite des Schecks geschrieben hat, dem Inhaber für die Einlösung. Auf den Bezogenen findet diese Vorschrift keine Anwendung. Hat ein Indossant dem Indossamente die Bemerkung „ohne Gewährleistung" oder einen gleich­ bedeutenden Vorbehalt hinzugefügt, so ist er von der Verbindlichkeit aus seinem Indossamente befreit. § 16. Zur Ausübung des Regreßrechts muß nachgewiesen werden, daß der Scheck rechtzeitig zur Zahlung vorgelegt und nicht eingelöst oder daß die Vorlegung vergeblich versucht worden ist Der Nachweis kann nur geführt werden: 1. durch eine auf den Scheck gesetzte, von dem Bezogenen unterschriebene und den Tag der Vor­ legung enthaltende Erklärung; 2. durch eine Bescheinigung der Abrechnungsstelle, daß der Scheck vor dem Ablaufe der Vorleguugsfrist eingeliefert und nicht eingelöst worden ist; 3. durch einen Protest. Auf die Vorlegung des Schecks und den Protest finden die Vorschriften der Art. 87, 88, 90. 91 der WechsOg. entsprechende Anwendung. Enthält der Scheck die Aufforderung keinen Protest zu erheben, so finden die Vorschriften des Art. 42 der WechsOg. entsprechende Anwendung. § 17. Wegen der Benachrichtigung der Vormänner und ihres Einlösungsrechts sowie wegen des Umfanges der Regreßforderung und der Befugnis zur Ausstreichung von Indossamenten finden die Vorschriften der Art. 45 bis 48, 50 bis 52 und des Art. 55 der WechsOg. mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß der Inhaber des vergeblich zur Zahlung vorgelegten Schecks verpflichtet ist, seinen unmittelbaren Vormann innerhalb zweier Tage nach der Ausstellung der im § 16 Abs. 1 bezeich neten Erklärung, Bescheinigung oder Protesturkunde, spätestens aber innerhalb zweier Tage nach dem Ablaufe der Vorlegungsfrist, von der Nichtzahlung des Schecks zu benachrichtigen. § 18. Der Inhaber des Schecks kann sich wegen seiner ganzen Regreßforderung an alte Ver­ pflichtete oder auch nur an einige oder einen halten, ohne dadurch seinen Anspruch gegen die nicht in Anspruch genommenen Verpflichteten zu verlieren. Es steht in seiner Wahl, welchen Verpflich teten er zuerst in Anspruch nehmen will. Dem Inhaber des Schecks kann der Schuldner nur solche Einwendungen entgegensetzen, lueldie die Gültigkeit seiner Erklärung in dem Scheck betreffen oder sich aus dem Inhalte des Schecks ergeben oder ihm unmittelbar gegen den Inhaber zustehen. § 19. Der Regreßpflichtige ist nur gegen Auslieferung des Schecks, der zum Nachweise der recht­ zeitigen Vorlegung und der Nichteinlösung oder des vergeblichen Versuchs der Vorlegung dienenden Urkunden und einer quittierten Rechnung Zahlung zu leisten verbunden. § 20. Die Regreßansprüche gegen den Aussteller und die übrigen Bormanuer verjähren, wenn der Scheck in Europa mit Ausnahme von Island und den Färöern zahlbar ist, in drei Monaten, andernfalls in sechs Monaten. Die Verjährung beginnt gegen den Inhaber des Schecks mit dem Ablause der Vorlegungssrist, gegen jeden Indossanten, ivenn er, bevor eine Klage gegen ihn erhoben worden ist, gezahlt hat, mit der Zahlung, in allen übrigen Fällen mit der Erhebung der Klage. § 21. Der Aussteller, dessen Regreßverbindlichkeit durch Unterlassung rechtzeitiger Vorlegung oder durch Verjährung erloschen ist, bleibt dem Inhaber des Schecks so weit verpflichtet, als er sich mit dessen Schaden bereichern würde. § 22. In den Fällen des § 14 Abs. 2 und des § 21 verjährt der Anspruch in einem Iabre seit der Ausstellung des Schecks. § 23. Aus einem Scheck, auf dem die Unterschrift des Ausstellers oder eines Indossanten ge­ fälscht ist, bleiben diejenigen, deren Unterschriften echt sind, verpflichtet. § 24. Auf die Anfechtung einer auf einen Scheck geleisteten Zahlung finden die Vorschriften des § 34 der KonkOg. entsprechende Anwendung. § 25. Im Auslande zahlbare Schecks dürfen auch auf solche Bezogene lauten, auf die nach dem ausländischen Rechte ein Scheck gezogen werden darf. § 26. Die wesentlichen Erfordernisse eines im Ausland ausgestellten Schecks sowie jeder im Aus­ land auf einen Scheck gesetzten Erklärung werden nach den Gesetzen des Ones beurteilt, an welchem die Ausstellung oder die Erklärung erfolgt ist. Entspricht jedoch der im Ausland ausgestellte Scheck oder die im Ausland auf einen Scheck gesetzte Erklärung den Anforderungen des inländischen Gesetzes, so kann daraus, daß nach ausländischem

21. Icheckgesetz.

1287

G. ein Mangel vorliegt, kein Einwand gegen die Rechtsverbindlichkeit der später im Inland auf den Scheck gesetzten Erklärungen entnommen werden. Auch ist die im Ausland erfolgte Ausstellung eines im Jrüande zahlbaren Schecks sowie die auf einen solchen Scheck im Auslande gesetzte Erklärung wirksam, wenn sie auch nur den Anforderungen des inländischen G. entspricht. § 27. Abhanden gekommene oder vernichtete Schecks unterliegen der Krastloserklärung im Wege des Aufgebotsverfahrens. Die Aufgebotsfrist muß mindestens zwei Monate betragen. Nach Einleitung des Aufgebotsverfahrens kann der Berechtigte, falls der Scheck rechtzeitig zur Zahlung vorgelegt, von dem Bezogenen aber nicht eingelöst worden war, von dem Aussteller Zahlung fordern, wenn er bis zur Kraftloserklärung Sicherheit leistet. § 28. Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch die Klage ein Anspruch auf Grund dieses G. geltend gemacht wird, gehören, sofern in erster Instanz die Landgerichte zuständig sind, vor die Kammern für Handelssachen. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund dieses G. geltend gemacht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 EinfG. z. GVG. dem Reichsgerichte zugewiesen. Auf die Geltendmachung von Regreßansprüchen aus einem Scheck finden die den Wechselprozeß betreffenden Vorschriften der §§ 602 biä 605 ZPO. entsprechende Anwendung. Die Rechtsstreitig, leiten, in welchen ein solcher Anspruch geltend gemacht wird, gelten als Feriensachen. § 29. Im Sinne des § 24 des Wechselstempelgesetzes v. 15. Juli 1909 (RGBl. 825) sind als Schecks, für welche die Befreiung von der Wechselstempelabgabe bestimmt ist, diejenigen Urkunden anzu­ sehen, die den Anforderungen der §§ 1, 2, 7, 25, 26 des gegenwärtigen G. entsprechen. Die Vorschrift des Abs. 1 findet keine Anwendung auf Schecks, welche vor dem auf ihnen angegebenen Ausstellungstag in Umlauf gesetzt sind. Für die Entrichtung der Abgabe hastet als Gesamtschuldner jeder, der am Umlaufe des Schecks im Sinne des § 5 des Wechselstempelgesetzes im Inland vor dem Ausstellungstage teilgenommen hat. § 30. Dieses G. tritt am 1. April 1908 in Kraft. Die Vorschriften finden auf früher ausgestellte Schecks keine Anwendung. Mit dem Inkrafttreten des G., betreffend die Erleichterung des Wechselprotestes, werden die iiti § 16 des gegenwärtigen G. angeführten Vorschriften durch die neuen Art. 87 bis 88a, 89a, 90 bis 91 a, 92 Abs. 2 der Wechselordnung sowie durch die §§ 3, 4 des erstgenannten G. ersetzt.

Chronologisches Verzeichnis der abgedruckten oder inhaltlich behandelten Gesetze usw. 1794,

1798, 1803, 1807, 1808, 1810, —

1811, — 1816, 1817,

1820, —

1821, —

1823, 1825, 1836, 1838, —

1842, — —

1844, 1846, —

1846, —

1847, —1849, —-

1850, —

— —

— —



Preuß. Allg. Landrecht II, 10 (Beamtenrecht) 930. „ „ „ II, 11 (Kirchenrecht) 979. „ „ „ II, 17 (Polizei) 436. 30. Dez., sog. Tumultgesetz 451. 21. Nov., Deklaration, betr. religiöse Erziehung von Kindern aus gemischter Ehe 980. Ed., den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums be­ 9. Ott., treffend 46, 614. 26. Dez., Vg. wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-, Polizei- und Finanzbe­ hörden 46, 50. 27. Ott., Bg. über die veränderte Verfassung aller obersten Staatsbehörden 46. Gesindeordnung für die altpreußischen Provinzen 465. 8. Nov. Vg. wegen allgemeiner Separation der Küstereien an Filialkirchen 1057. 2. Mai, 14. Sept., Ed., betr. die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse (nebst Deklaration von 1816) 614. 30. April, Vg. wegen verbesserter Einrichtung der Provinzialbehörden 46. 20. März, Vg. wegen Einführung des Staatsrats 49. 20. Juni, Vg. wegen Organisation der Generalkommissionen 614. Regierungs-Instruktion 46, 50 ff. 23. Oft., 17. Jan., Vg. wegen der künftigen Behandlung des gesamten Staatsschuldenbuches 1,1088. 30. Dez., Vg. über die anderweite Organisation der Gendarmerie 446. 7. Juni, Gemeinheitsteilungsordnung (mit Nov. vom 2. April 1872 und 28. Mai 1913) 614. Bulle de salute animarum 976. 16. Juli, 5. Juni, G. wegen Anordnung der Provinzialstände 1. 31. Dez., Instruktion für die Oberpräsidenten 53. 17. Aug., Vg. zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung usw. 452. 3. Nov., G. über die Eisenbahnunternehmungen 868. 12. Dez., Regl., die Einrichtung des Sparkassenwesens betreffend, 1264. G. über die Zulässigkeit des Rechtsweges in Beziehung auf polizeiliche Ver­ 11. Mai, fügungen 79 Anm. 21. Juni, Verordnungen über die Bildung von Ausschüssen der Provinzialstände 1. G. über die Aufnahme neu anziehender Personen 461. 31. Dez., 24. Jan-, Defekten-Verordnung 947. 27. Juni, Verordnungen, betr. die Ressortverhältnisse der Provinzialbehörden in kirch­ lichen Angelegenheiten 976. Gemeindeordnung für die Rheinprovinz 251. 28. Juli, 21. Juli, G., betr. den Bau und die Unterhaltung der Schul- und Küsterhäuser 1056. 29. Sept-, Vg. wegen Einführung von Gesinde-Dienstbüchern 476. 3. Febr-, Patent, die ständischen Einrichtungen betreffend, 1. 23. Juli, G. über die Verhältnisse der Juden 99 Anm., 1045 Anm. Deklaration, betr. das nutzbare Gemeindevermögen 138. 26. Juli, 2. Jan-, Vg. über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit 47. Vg. über die Wahl der Abgeordneten zur Zweiten Kammer 2, 13 ff. 30. Mai, 31. Jan-, Preuß. Verfassungs-Urkunde 3. 24. Febr-, G., betr. die Verwaltung des Staatsschuldenwesens 1088. 2. März, G., betr. die Ablösung der Reallasten und G. über die Errichtung von Renten­ banken 615. 11. März, G. über die Polizeiverwaltung 437. G., betr. die Verpflichtung der Gemeinden zum Ersatz des bei öffentlichen Auf­ 11„ läufen verursachten Schadens 462. 12. Febr., G. zum Schutze der persönlichen Freiheit 466. Bg., betr. die Legitimationsführung der Reisenden durch Paßkarten 463. 31. Dez-,

Chronologisches Verzeichnis. 1851, — 1852, 1853, — 1854,

12. 4. 21. 30. 30. 13.

Mai, Juni, Juli, Mai, „ Febr.,



24. April,



10. Juni,



12. 01t.,

1856, — — 1858, 1869, 1860, 1861,

19. 19. 15. 24. 28. 14. 21.



21.

— 1865, 1867, — — —

24. 10. 8. 8. 20. 23.

März, „ Mai, Juni, April, Mai, Mai, „

„ Nov., Febr., Juli, Sept., Sept.,



12. 0kt.,



1. 8. 18. 4. 14. 31. 21. 21. 28. 31. 31. 8. 16. 27. 27. 10. 27.

Nov., „ März, Juli, April, Mai, Juni, „ Mai, Mai, „ März, April, März,

4. 13. 11. 12.

Juli, Dez., Mai, Mai,

i**.





1868, —

1869, — — —

1870, — —

1871, —

1872, — —

— — —

1

1873, — —

— 1874, — —



— 1875, — — — —

April, „

10. Sept., 13. Jan-, 8. April, 7. Mai,

ov.



11. Juni, 6. Febr., 14. März, 12. April, 31. Mai, 20. Juni,

1289

Preuß. Preßgesetz 492 Anm. G. über den Belagerungszustand 453. Beamten-Disziplinargesetz 936. Städteordnung für die 7 östlichen Provinzen 127. G-, betr. die von den Eisenbahnen zu entrichtende Abgabe, 1089. G., betr. die Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen Amts- und Diensthandlungen, 949. G., betr. die Verletzungen der Dienstpflichten des Gesindes und der ländlichen Arbeiter 475. G., betr. die Deklaration der Verfassungs-Urkunde 2. Vg. wegen Bildung der Ersten Kammer 22. Städtecrdnung für Westfalen 144. Landgemeindeordnung für Westfalen 268. Städteordnung für die Rheinprovinz 154. Städteordnung für Hannover 168. Landgemeindeordnung für Hannover 281. G., betr. das städtische Bürgerrechts- und Einkaufsgeld, 139 Anm. Grundsteuergesetz 1093. Gebäudesteuergesetz 1095. G. wegen Erweiterung des Rechtsweges 1033, 1066. Bg., betr. Bildung der Verbände des alten und befestigten Grundbesitzes, 23 Anm. G., betr. die definitive Unterverteilung und Erhebung der Grundsteuer, 1094 Anm. Zollvereinigungsvertrag 1089. Vg. über die Polizeiverwaltung in den neuen Landesteilen 439. Vg., betr. die Heranziehung der Staatsdiener zu den Kommunalauflagen, 967. BG. über das Paßwesen 462. BG., betr. die Freizügigkeit, 898. BG., betr. die Organisation der Bundeskonsulate, 47. Schlachthausgesetz 584. BG., betr. die Kontrolle des Bundeshaushalts, 1089. Städteordnung für Schleswig-Holstein 185. Wahlgesetz für den Reichstag 39. Reichsgewerbeordnung 737. BG., betr. die Beschlagnahme des Arbeits- und Dienstlohnes, 120 Anm. Reichstags-Wahlreglement 41. Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich 511. EinfG. zum Strafgesetzbuch 511. Preuß. Ausf.G. über den Unterstützungswohnsitz 910. Reichsverfassung 24. Beamten-Pensionsgesetz 957. Oberrcchnungskammer-Gesetz 1270. G., betr. die Bekanntmachung landesherrlicher Erlasse durch die Amtsblätter, 47. G., betr. die Ablösung der den geistlichen und Schul-Jnstituten usw. zustehenden Realberechtigungen, 977. Jesuitengesetz 977. Kreisordnung für die östlichen Provinzen 47, 313 ff. G. über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen 977. G., betr. die Gewährung von Wohnungsgeldzuschüssen an unmittelbare Staats­ beamten 951. G., betr. den Austritt aus der Kirche, 977. Kirchengemeinde- und Synodalordnung für die östlichen Provinzen 993.' MErl., betr. Bauresolute in Kirchen- und Schulbausachen, 990 Anm. Reichs-Jmpfgesetz 564. RG. über die Presse 488. Strandungsordnung 47. G. über die Verwaltung erledigter katholischer Bistümer 977. Fischereigesetz 710. G. über die Enteignung von Grundeigentum 867. Personenstandsgesetz 920. Bankgesetz 1089. Preuß. AusfG. zum Jmpfgesetz 666. G., betr. die geistlichen Orden der kath. Kirche, 977. G. über die Vermögensverwaltung in den kath. Kirchengemeinden 1013. Provinzialordnung für die östlichen Provinzen 47, 418 ff. G., betr. die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften, 477.

1290 1876, — — — — — 1877, — — 1879, — — — 1880, — — 1882, 1883, — — 1884, 1886, t— 1886, — 1887, — — 1888, 1889, — 1890, — 1891, — — 1892, — — 1893, — — — — 1894, — — 1896, 1896, — 1897, — — — 1898, —

Chronologisches Verzeichnis. 20. Jan., General-Synodalordnung für die 9 älteren Provinzen 978. 3. Juni, G., betr. die evang. Kirchenverfassung in den 9 älteren Provinzen, 1007. 7. „ G. über die Aufsichtsrechte des Staats bei der Vermögensverwaltung in den kath. Diözesen 978. 3. Juli, Hausiersteuergesetz 1113. 25. Aug., G., betr. die Verteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücksteilungen, 486. 9. Sept., Vg. über die Ausübung der Rechte des Staats gegenüber der evang. Landes­ kirche 1012. 30. Jan., Zivilprozeßordnung: Zwangsvollstreckung 114, 122, Pfändung 116, Versteige­ rung 117. 1. Febr., Strafprozeßordnung: Beschlagnahme 457, Verhaftung 460. 24. „ G., betr. die Umzugskosten der Staatsbeamten, 955. 13. Mai, G., betr. die Bildung von Landeskulturrentenbanken, 615. 14. „ G., betr. den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln usw., 581. 1. Aug., Vg., betr. die Kompetenzkonflikte, 124. 14. Sept., MErl., betr. den Betrieb der Gast- und Schankwirtschaft, 746 Anm. 1. April, Feld- und Forstpolizeigesetz 498. 18. Febr., G., betr. das Verfahren in Auseinandersetzungsangelegenheiten, 616. 27. „ G., betr. die Besteuerung des Wanderlagerbetriebes, 1120. 20. Mai, G., betr. die Fürsorge für die Witwen und Waisen der unmittelbaren Staats­ beamten, 964. 23. April, G., betr. den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen wegen Übertretungen, 496. 30. Juli, Landesverwaltungsgesetz 48, 66 ff. 1. Aug., Zuständigkeitsgesetz 48, 88 ff. 6. Mai, Kreisordnung für Hannover 337. 7. Juni, Kreisordnung für Hessen-Nassau 359. 6. Juli, Lehrer-Pensionsgesetz 1072. 26. April, G., betr. die Beförderung deutscher Ansiedelungen in Westpreußen und Posen, 616. 31. Juli, Kreisordnung für Westfalen 370. 2. April, G., betr. die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaft­ lichen Angelegenheiten, 617. 26. Mai, G., betr. die Feststellung von Anforderungen für die Volksschulen 1058. 30. „ Kreisordnung für die Rheinprovinz 370. 26. „ Kreisordnung für Schleswig-Holstein 394. 15. April, G., betr. Erlaß oder Ermäßigung der Grundsteuer infolge vonMberschwemmungen, 1096. 12. Juni, G., betr. polizeiliche Befugnisse in den Kreisen Teltow und Niederbarnim, 441. 27. Juni, G. über Rentengüter 616. 29. Juli, NG., betr. die Gewerbegerichte 48. 24. Juni, Gewerbesteuergesetz 1100. 3. Juli, Landgemeindeordnung für die 7 östlichen Provinzen 225. 7. „ G., betr. die Beförderung der Einrichtung von Rentengütern, 616. 4. Juli, Landgemeindeordnung für Schleswig-Holstein 226. 21. „ G., betr. die Besetzung der Subaltern- undUnterbeamtenstellen der Kommunal­ verbände mit Militäranwärtern, 933. 28. „ G. über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen 861. 30. Jan. Vg. über die Aufsichtsrechte des Staats bei der Vermögensverwaltung in den kath. Kirchengemeinden 1022. 29. Juni, G., betr. Änderung des Wahlverfahrens, 14 Anm. 14. Juli, G. wegen Aufhebung direkter Staatssteuern 1213. 14. „ Kommunalabgabengesetz 1234. 23. „ G., betr. Ruhegehaltskassen für die Lehrer, 1082. 27. Febr., MErl., betr. Abtrennung der niederen Küsterdienste von den Lehrerstellen, 1057. 30. Juni, G. über die Landwirtschaftskammern 619. 11. Juli, Ruhegehaltsgesetz für Mittelschullehrer 1085. 31. Juli, G., betr. die Errichtung einer Zentralanstalt zur Förderung des genossenschaft­ lichen Personalkredits, 1090. 27. Mai, Zuckersteuergesetz 1091. 8. Juni, G., betr. das Anerbenrecht bei Renten- und Ansiedelungsgütern, 616. 19. Juni, MErl., betr. Ausfertigung der Grenzkarten, 463. 26. Juli, G., betr. das Verwaltungsstrafverfahren bei Zuwiderhandlungen gegen die Zoll­ gesetze, 1091, 1229 Anm. 4. Aug., Städteordnung für Hessen-Nassau 205. 4. „ Landgemeindeordnung für Hessen-Nassau 289. 11. Mai, G., betr. den Staatshaushalt, 1275. 29. „ Gebührenordnung für Rechtsanwälte 73 Anm.

Chronologisches Verzeichnis. 1898, 1899, — — 1900, — — — — — — 1902, —

2. 30. 15. 4. 7. 3. 13. 30. 30. 2. 18. 9. 2.

— — 1903, — 1904, — —

25. 30. 29. 1. 0. 10.

1905,

20. Mai,

__

— — -1906, — — —— __ — — —

1907,



1908, — __ — — — —

1909, — — — — — — — — —



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Juli, Juli, Mot)., Dez., April, Juni, „ „ .. Juli, „ Mai, Juni,

18. Aug., Dez., März, Mai, Mai. Juli, Aug.,

14. Juli, 14. 28. 21. 23. 23. 23. 3. 3. 19. 19. 28.

„ Aug., März, „ „ April, Juni, „

28. Juli, 20. Oft., 15. Juli, 15. „ 21. Dez-, 17. gebt., 7. März,

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11. 19. 8. 30. 3. 15. 22. 3. 20. 26. 1. 16. 23. 26. 30. 15.

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„ April. Mai, „ Juni, März, „ Mai. „ „ Juni, „ .. „ Juli,



1. Aug.,

1910, -

3. >vcbr., 22. Mai,

1291

G., betr. das Anerbenrecht bei Landgütern in Westfalen, 616. Kommunalbeamtengesetz 970. Bg., betr. das Berwaltungszwangsverfahren, 112. Lehrerreliktengeseh 1078. RG. über die Konsulargerichtsbarkeit 48. RG., betr. die Schlachtvieh, und Fleischbeschau, 587. G., betr. die Polizeiverwaltung in Charlotlenburg, Schöneberg und Rixdorf, 442. G., betr. die Bildung der Wählerabieilungen bei den Gemeindewahlen, 132 Anm. RG., betr. die Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten, 566. G. über die Fürsorge-Erziehung Minderjähriger 915. Warenhaussteuergesetz 1122. Schaumweinsteuergesetz 1091. G. gegen die Verunstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden 480. Preuß. G., betr. Ausführung des Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetzes, 592. G., betr. die Vorausleistungen zum Wegebau, 878. Zolltarifgesetz 1091. RG., betr. Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben, 845. G., betr. die Bildung von Gesamtverbänden in der kath. Kirche, 978. AusfAnw. zur Gewerbeordnung 813. RG., betr. Kaufmannsgerichte, 48. G., betr. die Gründung neuer Ansiedelungen in den Provinzen Ostpreußen usw., 482. Evang. Kirchensteuer-Kirchengesetz für die älteren Provinzen 1025. Evang. Kirchensteuer-Staatsgesetz für die älteren Provinzen 1022. Kath. Kirchensteuergesetz 1027. Preuß. G., betr. die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, 573. G., betr. die Erhebung von Abgaben in den kath. Diözesen, 979. Kgl. Vg. zur Ausführung des evang. Kirchensteuer-Staatsgesetzes 1024 Anm. Kgl. Bg. zur Ausführung des kath. Kirchensteuergesetzes 1034. Kreis- und Provinzialabgabengesetz 1257. Zigarettensteuergesetz 1091. Reichs-Erbschastssteuergesetz 1091. Einkommensteuergesetz 1126. Ergänzungssteuergesetz 1152. G., betr. Änderung des Verfahrens bei den Wahlen zum Abgeordnetenhause, 15 Anm. Volksschulunterhaltungsgesetz 1035. Reglement für die Wahlen zum Abgeordnetenhause 16. G. gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden 481. Jagdordnung 719. MErl., betr. die Zulassung ausländischer Arbeiter, 464. RG., betr. die Bestrafung der Majestätsbeleidigung 523 Anm. G., betr. polizeiliche Befugnisse in der Umgebung von Potsdam, 443. G., betr. die Zahlung der Beamtenbesoldung und des Gnadenvierteljahres, 950. Scheckgesetz 1284. Reichs-Vereinsgesetz 492. Börsengeseh 1091. RG. über den Unterstützungswohnsitz 900. Polizeikostengeseh 444. RG., betr. (Änwirkung von Armenunterstützung auf öffentliche Rechte, 39 Anm. Doppelsteuergesetz 1177. RG. über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen 882. Lehrerbesoldungsgesetz 1059. G., betr. die Bereitstellung von Mitteln zu Diensteinkommensverbesserungen. 1136. Münzgesetz 1091. G., betr. die Heranziehung der Beamten usw. zur Gemeindeeinkommensteuer. 969. G., betr. die Erweiterung des Landespolizeibezirks Berlin (Stralau) 443. Reichs-Viehseuchengesetz 594. Preuß. Stempelsteuergesetz 1178. Branntweinsteuergesetz Brausteuergesetz, Tabaksteuergeseh, Zündwarensteuergesetz, Leuchtmittelsteuergeseh, Wechselstempelgeseh und Reichsstempelgesetz 1092. G. über die Haftung des Staats und anderer Verbände für Amtsverletzungen von Beamten 931 Anm. BundBg. über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen 886. Staatsschuldbuchgesetz 1093.

Chronologisches Verzeichn!.?.

1292 1910,

1911,

1912,

25. Mai. 2. Juni. 25. 26. 30. 14. 15. 31. 17. 14. 19. 19. 19.

Juli, „ Mot)., 5ebr., April, Mai. Juni, Juli, „ „ ,,

25. „ 14. Sept., 20. Dez., 30. „ 22. März, 19. Juni, 26. „

1913,

1. 23. 23. 4. 7. 3. 3. 3. 22. 7.

Juli, „ Dez-, März, April, Juli, „ „ Juli, Aug.,

RG. über den Absatz von Kalisalzen 1093. Stellenvermittlergesetz 855. Qi. zur Abänderung der Vorschriften über Wohnungsgeldzuschtjse un> Mietentschädigungen 951, 1061. Kgl. Vg. zur Ausführung des Stellenvermittlergeseyes 855 Ann. G., betr. die Reisekosten der Staatsbeamten, 952. Preuß. Tarif für Armenpflegekosten 905 Anm. Reichs. Zuwachsfteuergesetz 1217. Reichsbesteuerungsgesetz 1239 Anm., 1246 Anm. RG. über die Berfassung Elsaß.Lothringens 3. RG., betr. die Beseitigung von Tierkadavern, 613. Preuß. AusfG. zum Zuwachssteuergesetz 1225 Anm., 1227 Anm Reichsversicherungsordnung 49. Zweckverbandsgesetz 431. G. über die Polizeiverwaltung in den Reg.-Bezirken Düsseldorf,Arnsberg und Münster 444. Preuß. AusfG. zum Biehseuchengesetze 608. G., betr. die Feuerbestattung, 580. Bersicherungsgesetz für Angestellte 49. Hausarbeitgesetz 850. G. zur Abänderung der Vorschriften über die Abnahme und Prüung der Rech­ nungen 1270 Anm., 1275 Anm. G. über die Polizeiverwaltung im Reg.-Bezirke Oppeln 444. G. über die Stärkung des Deutschtums in einigen Landestetlei. Beützbefestigungsgesetz 617. G. über die Reinigung öffentlicher Wege 879. sog. Arbeitsscheuengesetz 910. G., betr. die Anlegung von Sparkassenbeständen in Jnhaberpaperen, 1269. Moorschutzgesetz 623. Wassergesetz 624. RG. über einen einmaligen außerordentlichen Wehrbeitrag 1165 Besihsteuergesetz 1093. RG. über Änderung im Finanzwesen 1093, 1229 Anm. Reichs- und Staatsangehörigkeilsgesetz 892. Kgl. Vg. zur Ausführung des Wehrbeitragsgesetzes 1172.

Alphabetisches Wortverzeichnis. (Abkürzungen: Hann. — Hannover, HN. — Hessen-Nassau, Rh. — Rheinprovinz, SH. — SchleswigHolstein, W. — Westfalen.)

Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte 514. Abgeordnete zum Landtag 8, Reichstag 30, 40. Ablehnung von Gemeindeämtern öStOg. 143, W. 153, Rh. 167, Hann. 172, SH. 187, HN. 222; nach LGL. 235, Rh. 256, W. 280, HN. 298. Abnahme von Rechnungen 1283. Absperrung-maßregeln, sanitäts- und veterinärpolizeiliche 553, 568, 575, 599, 608. Abtreibung 538. Agentur 1242. Agrarrecht 614. AlterSzulagen der Lehrer 1060, 1067. Alleste im Gemeindekirchenrat 994 ff., 1000. «ltkatholikeu 978. Amt, öffentliches 515, 528, — rechtmäßige Aus­ übung 525 Anm., 526, Bergehen im A. 554; westfälisches 269, 278 ff. Amtmann 276, 377. AmtSauSschnß 316, SH. 396. Amtsbezirke 88, 315 ff., W. 376, SH. 395. Amtsblatt 47. AmtSsuSpeusion 944, —Verletzung 931. Amtsversammlung (W.) 279, 376. AmtSvorfteher 318 ff., SH. 398 ff. AmtSzulageu der Schulleiter 1063. Androhung von Zwangsmitteln 81. Anerbenrecht 616. Anfechtung endgültiger Beschlüsse 78. Anforderungen für Volksschulen 1058. Augeftelltenversicherung 49. Anhüngewageu an Kraftfahrzeuge 889. Anlagen, gewerbliche 104,740 ff., 752, 815; EinWendungen dagegen 816; Genehmigung 818; geräuschvolle 743, 819; Rekurs 818; Untersagung 752, 820. Anlage- nud Betriebskapital 1102,1105 Anm., 1240. Anleihen, städtische 138. Anliegerbeiträge 480, 1236. Anschuldigung, falsche 532. Ansiedelungen 109, Gründung neuer 482, Beförderung deutscher A. 616. Ansiedelungsgüter 616. Anstiftung, strafbare 516. Antrag, strafrechtlicher 518. Anzeigepflicht bei Krankheiten 566, bei Viehseuchen 596. Approbation 743. 819. Arbeiter, gewerbliche 782 ff., in offenen Ver­ kaufsstellen 805, 843.

ArbeiteranSschnß 800. ! Arbeiterinnen 802 ff., 832, 839. | Arbeiterversichernng 48, 49. Arbeiterzentrale 465. Arbeitsbuch für Minderjährige 784, 835. Arbeitskarte für Kinder 846. > Arbeitsordnung in Fabriken 799, 839; in offenen Verkaufsstellen 807, 844. : ArbeitSschenengesetz 910. ! ArbeitSzengniS 836. I Armenpflegekosten 905. Armenrecht, —verbände 95, 900 ff., 911. Armennnterstützung, Einwirkung auf öffentliche 1 39 Anm. ArnSberg, Polizei 444. Arrest 939, bei Zwangsvollstreckung 122. ! —brach 548. j Aufgebot» standesamtliches 925. | Auflauf 526. Aufruhr 451, 526. Aufsichtsbehörden und befugnisse 63, 81, 88, 110. — über Gutsbezirke und Landgemeinden 249, Rh. 267, W. 280, Hann. 284, HN. 311. — Kirchengemeinden 978, 1011, 1019 ff., 1034. — Kreise 335, Hann. 356, HN. 368, Rh. und W. 391, SH. 415. — Provinzen 429. — Städte 86, 90, W. 153, Rh. 168, Hann. 184, i SH. 199, 203, HN. 223. AnSeiuaudersetzungSverfahren 614, 617, 1142. Ausfertigungen, Berstempelung 1191. j Ausgleichung der Wasserbenuhung 641. AuSlünder, Einbürgerung 892 ff., im ArmenI recht 919, bei Eheschließung 925, im Wander| gewerbe 823, 1114. ausländische Arbeiter 464. AuSmürker 288. ; AnSnahmeu bei Beschäftigung jugendlicher und weiblicher Arbeiter 840 ff. ! Auswanderung 737 Anm. ' Außerkraftsetzung von Beschlüssen 59, PolizeiVerordnungen 83. Automobilgesetz 882, —Verordnung 886. Baüergewerbe 834, Taxen für Backwaren 760. ; Baneroftvertrag 897 Anm. Bankerutt 546. Bankgesetz 1089. Bannrechte 738. Baubeitrüge für Schulen 1039.

1294

Alphabetisches Wortverzeichnis.

Bauernschaften 247, 261, 275. Baufluchtlinie 477. BaufoudS für Schulen 1038. Baugewerbe 747, 753. Baukosten, etatsrechtlich 1270. Baupolizei 109, 477 ff. Baurechuuugen 1280 ff. Baurefolute 97 Anm., 990. Beamten 11, 557, 930 ff., in rechtmäßiger Aus­ übung des Amtes 525 Anm., 554; Beleidigung 537; Besoldung 950; Dienstvergehen 937 ff.; Hmterbliebenenfürsorge 964; Pensionierung 957; Pfändung der Dienstbezüge 116, 120; Lteuervorrecht 967 ff., 1244, 1261. Beanstandung von Beschlüssen 90, 93; nach öStOg. 140, W. 151, Rh. 166, Hann. 178, SH. 197 Anm., HN. 219; LGO. 240, Rh. 262, HN. 302, 311; ProvOg. 429. Bebauungsplan 477. Begräbnis 987, —platze 991. Begünstigung 542. Behörde 532 Anm., Beleidigung 537. Beitrage (Abgaben) 1236, 1258. Belagerungszustand 3, 38, 453 ff., 511 Anm. Beleidigung 535. Bergrecht 47, Bergwerksabgabe 1203. Berliner Behörden 62, 111, 443. Berufung int Berwaltungsstreitverfahren 70. Beschlagnahme 457, 526 Anm., des Arbeits­ lohnes 120, von Druckschriften 491. Beschwerde nach LBG. 76 ff., gegen polizeiliche Verfügungen 78, im Aufsichtswege 81. vesitzbefestigung 617. Besitzsteuer 1093. Besoldung 950, 1279; nach öStOg. 141, W. 151, Rh. 164, SH. 200, HN. 220, LGO. 245, 266, 307. BesoldungSdienstalter 950 Anm., der Lehrer 1065, 1074. Bestätigung von Gemeindebeamten 89, nach öStOg. 135, Rh. 159, 166, Hann. 175, SH. 191, HN. 213; nach LGO. 239, Rh. 260, W. 275, HN. 302, Hann. 284. Bestechung 554. Betriebe mit 10 Arbeitern 801, mit 20 Arbeitern 799. Betriebsbeamten 798, —statte 1242, 1245. Betriebseinrichtungen 788. Betriebsgemeinden, deren Zuschüsse 1246. Betriebskapital 1102. Betriebssteuer 1111, 1214. Betrug 544. bewaffnete Macht im Frieden 6. BezirkSabgaben 1262. Bezirksausschuß 59 ff., 89 ff., 104 ff. BezirkSvorstcher 141, Rh. 164, HN. 219. Bischof 981, Wahl 976. Bistümer, Verwaltung 977, 978. Bordell 534 Anm. bordvoll 647 Anm. Börse 108, 1091. Boykott 812. Brandstiftung 551. Branntweinsteuer 1092. Brausteuer 31, 1092. Brennmaterial für Lehrer 1064.

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Bullen, päpstliche 976. Bundesamt für das Heimatwesen 907. BuudeSrat 26, 28. Bundesverfassung, deutsche 2. BürgerauSschutz (HN.) 294, 305. bürgerliche Ehrenrechte 514. Bürgermeister nach öStOg. 135, 140, W. 147, Rh. 162, Hann. 173, SH. 190, 197, HN. 212, 219; für Landgemeinden Rh. 252, 261, 374, HN. 300. Bürgermeisterei 252, 265. Bürgerrecht 89, nach öStOg. 129, W. 145, Rh. 154, Hann. 170, SH. 186, HN. 206. BürgerrechtSgeld 139, 172, 188, 1257, HN. 217. Bürgervermögen 138, HN. 216. Bürgervorsteher (Hann.) 178. Butze, als Nebenstrafe 540.

Sharlottenburg, Polizei 442. ; Chausseepolizei 99 Anm., 436. , Dampfkessel 742. Detkwerke an Wasserläufen 651. i Defekte 947, 1281. 1 Deich 102, 677 ff., in Hann, und SH. 684. i —last 682, —Polizei 681. —verbände 679. Deklaration der BerfU. 2, zum KAbgG. 1235 Anm. I Delegation der Rechnungsprüfung 1272 ff. 1 Deputationen, städtische nach öStOg. 141, Rh. i 163, Hann. (Ausschüsse) 177, SH. (Kommisi fionen) 198, HN. (Kommissionen) 219. I Desinfektion 569, 572. I Diebstahl 541. : Dienstaufwand 1134. Diensteinkünfte 1279, 1281. s Dienstland der Lehrer 1064. ! Dienstpflicht, militärische 36. Dienstreisekosten 952. , Dienstvergehen 937. 1 Dienstwohnung 951,1280, der Lehrer 1060,1065, 1 Besteuerung 1239. Dienstzeit der Lehrer 1065, 1074. , Diözesen, Stcuerrechte 979, Vermögensverwal­ tung 978. Dispositionsfonds 1279 Anm., 1280. Dispositionsstellung 946. DissenS nach SH. StOg. 195, Hann. 182. Dissidentenkinder 980. Disziplinarbehörden 940. Disziplinarstrafen 938. Disziplinarverfahren 939, Einstellung 942. Disziplinierung 60, 62, 84 , 936 ff. — der Amtsvorsteher 321, 400. — der städtischen Gemeindebeamten 91, nach öStOg. 140, SH. 197, HN. 219. — der ländlichen Gemeindebeamten und GutsVorsteher 95, nach LGO. 250,Rh.261,W.280, Hann. 284, HN. 311. — >tirchenbeamten 978. — Lehrer 937 Anm. , — Provinzialbeamten 427. — Referendare 945, Richter 937 Anm. — Supernumerare 945. Domänenabgaben 1215, 1244.

Alphabetisches Wortverzeichnis.

Domkapitel, Besetzung 976. Doppelftener 1177, 1244. Dorsfchaste» 247. Dotation der Kreise Hann. 356, HN. 368, Rh. und W. 392, SH. 417.

DreikönigSbüudniS 2. Druckschriften 488, 739, 750, 754, 823; Straßenverkauf von D. 492 Anm., 515.

Duuhsnchnng 457. Düsseldorf, Polizei 444. Ehe, Beurkundung, Ehehindernisse 924. Eigenjagdbezirke 719 ff. Eigeuschuwerbäude 1037, 1046 ff. Eiubürgernug 893 ff. Eindringen in die Wohnung 3, 457. Einfnhrverdote 553, 569. Eingemeindung 127,145, 205, nach öLGO. 225, Rh. 251, W. 269, HN. 269.

einheimische Schulkinder 1036. EiukaufSgeld, städtisches 139, HN. 217. Einkommen 1128 ff., 1170, der Aktiengesellschäften usw. 1131, 1134, 1241, der Kinder 1131; Abzüge 1128 ff., Verminderung 1147. Einkommensteuer 1126 ff., Befreiungen 1127 ff., Erhebung 1148, Ermäßigung 1136, Rechts­ mittel 1134 ff., Steuersätze 1135, Veranlagung 1138 ff., Boreinschätzung 1140, Zuschläge 1136 Anm. Einquartierung 98. Einspruch gegen Kommunalabgaben 1251, gegen Kirchensteuern 1027, 1031. einstweilig angestellte Lehrer 1061. Einziehung öffentlicher Wege 100. Eisenacher Vertrag 899. Eisenbahn 32, 858 ff., Besteuerung 1089, 1213 Anm., 1242 ff. —Mitte 552. -Polizei 860. Elementarlehrer-Witwenkasse 1081, 1086. Elsaß-Lothringen 3, 27. Enteignung 110, 867 ff. Entführung 540. Entlastung (Decharge) 1273. Entschädigung bei Enteignung 871, für Viehverlüfte 605, 609, wegen sanitätspolizeilicher Maßnahmen 570, 576. Erbfolge in Preußen 7. Erbschaftssteuer 1091. ErgSnzungSstener 1152 ff., Erhebung 1163, ErMäßigung 1158, Rechtsmittel 1161, Steuersähe 1157, Veranlagung 1159, Zuschläge 1158 Anm. vrgänzungSznschüsse für Schulen 1039, zur Lehrerbesoldung 1070. ErlaubniSerteiluugen, gewerbliche 740 ff., Berstempelung 1193. Erpressung 542. Ersatzgeld wegen Weidefrevel 507. Ersparnisse an Staatsgeldern 1279, 1282. Ertragswert 1155, 1168. ErwerbSprelS, Hinzurechnungen 1220 ff. Etat 12, Überschreitungen 1275, 1277 Anm. Evangelischer Oberkirchenrat 1011. Exemption vom Parochialzwange 984.

1295

Fabrik, Fabrikarbeiter 782 ff. Fachausschüsse 853. Fallwild 548 Anm. Familie des Beamten 951 Anm., 956. Feldgeschworeue 220, 305. Feldpolizei 498. Feld- und Forsthüter 507. Festnahme 456, 460, einstweilige 514. Feuerbestattung 580. Feuerlöschwesen 108. Fenerstelle am Walde 505. FenerversichernugSageuteu 739. Fideikommiß 6. Filialkirchen 1057. Finalabschluß 1282 Anm. Finanzen, preußische 12, des Reichs 31,^38. fingierte Rormalstenersätze 1151, 1243. Fischerei 710, —auffielt 717. Fischereigenossenschaft 711. Fischereipolizei 102, 714, 717. Fischschonreviere 715. Fischpässe 716. Flecken (SH.) 204. Fleischbeschau 587, 592. Flotteugesetz 34. Fluchtlinie 477. Flurbücher 1094. Foreusalgemeinden, Steueranteil 1245. Forenseu 230, Rh. 255, W. 271, Hann. 288, HN. 293.

Forstbeamten der Gemeinden 974. Forstfrevel 504. Forst- oder Jagdberechtigte 526. Forstschutzbeamten 526 Anm., 562 Anm. Fortbildungsschule 788, 837. Freibank 593. Freizügigkeit 898. Fremdenpolizei 461. Fremdeuschulgeld 1036. FriedenSpräseuz 36. Fristen, präklusivische 64, zur Errichtung gewerblicher Anlagen 752.

Fürsorgeerziehung 915. Gaftschulgeld 1036. [760. Gastwirtschaft 105, 745, 819, 1110, Preislaxen Gebäude, Begriff 480 Anm. —stener 1089, 1095 ff., 1238. Gebietserweiterungen Preußens 3. Gebühren 1234 ff., 1258, der Rechtsanwälte 73, Zeugen und Sachverständigen 74, Zwangsvollstteckung 123. Geburten, Beurkundung 923. Gefängnisstrafe 513. Gehaltszahlung 950, —zulagen 938 Anm. Geheimbündelei 527. Geheimnisse, Verletzung 549. Gehilfen im Gewerbe 782, 790 ff., in offenen Verkaufsstellen 805, 843. Geistliche 980, 928, 967, 1004, 1029 Anm., Vorbildung, Anstellung 977; geistliche Gesell­ schaften 4, 977. GemeindeauSschuß 286, 294, 305. Gemeindebeamten 970 ff., nach öStOg. 140, W. 150, Rh. 163, Hann. 174, SH. 200, HN. 218; nach LGO. 245, Rh. 260, Hann. 283, HN. 307

1296

Alphabetisches Wortverzeichnis.

Gemeiudekircheurat 994. Gemeiudelasten 90 Anm. Gemeinderat 256 fs. Gemeinderecht 228, Rh. 254, W. 270, HR. 291. GemeiudevermSgen 183,235,262,276, 287. 298. Gemeiudeverfammlung 230, W. 272, Hann. 284, HN. 291.

Gemeindevertretung 92, 231 ff., W. 272, HR. 294; in evangelischen Kirchengemeinden 998, kath. 1015. Gemeindevorftaud 236 ff., W. 275 ff., Hann.283, 341; in Auseinandersetzungssachen 617. gemeiner Wert 1155, 1219 Anm. Gemeingefährliche Krankheiten 566, Berbrechen 551. GemeinheitSteiluug 614. Gendarmen 466 ff., 460 Anm., 958, 967, Dienst, inftruftion 449 ff., Disziplinierung 450, Steuervorrecht 1244. Genehmigung von Beschlüssen der Gemein­ de n 89,93; nach LGL. 245, Rh. 263, W. 276, Hann. 285, HN. 307; nach öStOg. 138, W. 149, Rh. 161, Hann. 184, SH. 199, HN. 216; der Kreistage 335, Hann. 355, HN. 368, Rh. und W. 391, SH. 415; der Provinzialland­ tage 429. Genehmigungen, gewerbliche 1(4,740 ff., 815 ff., Berstempelung 1192. Generalkommiffiouen 614. Generalshuode, —synodalvorstand 978, 1010.

Genoffenfchaften 1101. Gennßmittel 581. Gefamtarmeuverdände 912. «esamtgrundftück 1222. Gesamtschnlverbände 1050, 1069. geschäftsunfähig 519 Anm. Gesellen 748, 768, 782, 790 ff. —auSschutz 768. Gesellschaft m. b. H. 1241 Anm. Gesetzgebung Preußens 8, des Reichs 25. Gesinde 465 ff., —dienstbücher 476, strafbare Verletzung seiner Dienstpflichten 475.

Gewässer, die nicht Wasserläufe sind 661, ge­ schlossene 710.

Gewehre, eingezogene 549 Anm. Gewerbe 737 ff., An- und Abmeldung 1109, Auf­ sicht 805; G. der Beamten 739, Ehefrau 738, 1104; juristische Personen 739, 1104; Beginn 814, Untersagung 746, 753, 821. Gewerbebetrieb, ambulanter 749, 820; stehender 739 ff., im Umherziehen 753 ff. Gewerbegerichte 48. Gewerbepolizei 104, 837. Gewerbeschein 1115 ff. Gewerbesteuer 1100 ff., 1240; Erhebung 1107, 1214, Ermäßigung 1108, Mittelsätze 1103, Rechtsmittel 1107, Zugänge 1106. Gewerbetreibende, die einer Genehmigung be dürfen 743. gewerbliche Anlagen 104, 740fs.,8l5ff., Konzes sionen 105, 740 ff., 819, Niederlassungen 749. Glücksspiel 547. Gnadenvierteljahr 950, 963, 967, der Lehrer 1065, 1077. Grenzämter 464. GrenzlegitimationSschein 463.

Grenzorte mit gewerblichen Ausnahmen 831. Grundbesitz, alter, befestigter 23. Grundgehalt der Lehrer 1059. Grundsteuer 1089, 1093, 1238; Befreiungen 1238 ff., Entschädigungen 1215.

GrnudftückSgesamtheit 1222. GutSbezirke 92, 225, 248, 395, W. 269, 376, HN. 289, 310; bei Einkommensteuer 1129, Kreissteuer 1260 ff., als Schulverbände 1037, 1049. GntSherrliche Verhältnisse 614. GntSlaften 1129 Anm. GutSvorsteher 248, W. 376, HN. 310, Hann. 342. GntSnntertänigkeit 46. 614.

Haftpflicht für Kraftfahrzeuge 883. Haftung für Beamte 931. Halbpäffe 463. HandelSgewerbe, Sonntagsruhe 782 ff., 829 ff. Handelskammern 108. Handelsverträge 7, 28, 1090. Handwerkskammern 775, 828. Hauptverwaltung der Staatsschulden 1088. Hausarbeit 850. Hausfriedensbruch 527. HauSgarten der Lehrer 1064. HanShalt derGemeinden246,Rh. 263,W.276, HN. 308; der Städte 142, W. 152, Rh. 165, Hann. 183, SH. 201, HN. 221; der Kreise 332, Hann. 352, HN. 366, Rh. und W. 388, SH. 412; der Provinzen 428. HanSofsizianten 466 Anm. Hansiergewerbe 753 ff., 1113, —steuer 1113 ff. Heberolle f. Kirchensteuer 1026 Anm. Hehlerei 543. Helgoland 3, 248. Herrenhaus 8, 22 ff. Hilfsbeamte des Landrats 340. HilfSkassen 108. tzinterbliebenenfürsorge 964, 1078, 1085. historische Straße 479 Anm. Hochverrat 520. Hochwasser, Verhütung 676, Abflußgebiet 678. höhere Verwaltungsbehörde nach GewOg. 813. Hunde, eingezogene 549 Anm., wildernde 733 Anm. Husum, Kirchspielslandgemeinden 247.

Zagdausübung 548, 719 ff., 732; in Festungsrayons 726.

Jagdbezirke 720 ff. Jagdgenossenschast 723. Jagdpolizei 103, 733. Jagdschein 726, Vorzeigen 734 Anm., Verstempelung 1197.

Jagdschonvorschristen 727. Jagdvergehen 548, 734 ff. Jagdverpachtung 724, 734. Jagdvorsteher 723. Jdealkonkurrenz 520. Jesuiten 977. Jmpfgesetz 564, Preuß. AusfG. 566. Zndigenat 25. indirekte Steuern 31, 1090 ff., 1237. Jnhaberpapiere 1269.

Alphabetisches Wortverzeichnis.

Innung 106, 761 ff., 825 ff., Auflösung, Schließung 769, 828.

JnnungSauSschüsse 774, 825. JnuungSschiedSgericht 764. JnnungSftatut 762, 827. JnnungSverbände 779. Invalidenversicherung 48. Juden 99, 988 Anm., 1045. jugendliche Arbeiter 788 ff.. 801, 832, 839. junge Leute im Gewerbe 801, 804. Justitiar 51, 52. Justizbeamttn, Disziplinierung 937, 945. Justizbehörden 49. Justt-gesetze 49. Kaiser, seine Rechte 28. Kaiser»Wilhelm»Sanal 690. Kaligesetz 1093. KSmmereivermögeu 138. Kammern des preuß. Landtags 8. Kaninchen, wilde 729, 732, 735. Kassenanwalt 1067, 1083. Kassenbücher, Abschluß 1282. KassenetatS 1277. Kasseurat 53. Sassenrechnungen 1283. Katzen im Jagdrevier 733 Anm. SaufmaunSgericht 48. Kaufverträge, Berstempelung 1197. Kinder aus gemischter Ehe 980 Anm. — im Wandergewerbe 758.

Kinderarbeit 750, 801, 845 ff. Kirchen, Gemeindesteuerfreiheit 1239. Sirchenbau 989 ff. Kirchendiener, weltliche 987,1017,1029,1244. Kirchengemeinde 993 ff. Sirchengesetze, Erlaß 1009. Kircheuglocken 982. Sircheukasse 998. Sirchenregiment 981 Anm., 1009 Anm. Kirchensteuern 1022 ff., kath. 1027. Sirchenverfassung 1007. Kirchenvermögen 981, 999, kath. 1013. Sirchenvorftand 1014, 1020. Kirchen» und Schulamt 1041, 1059. Kirchhöfe 982, 991. KirchspielSlandgemeiude (SH). 247,1035 Anm. Klage im Berwaltungsstreitverfahren 66 ff., Zu­ rücknahme 68. — gegen polizeiliche Verfügungen 78. Klassensteuer 1088 ff. Kleinbahnen 861. kleines Städterecht 143, W. 152, SH. 203, HN.

222. Kleinhandel mit Branntwein 105,745,819,1110. Koalitionsfreiheit 812. König von Preußen, seine Rechte 6 ff. Kolonisation, innere 617. Kommissionen, der Provinzialverwaltung 428.

1297

Kompetenzkonflikt 11, 75, 124 ff. KomptabilitätSgesetz 1275. : konfessionelle Schulen 1043. i Konflikt 11, 949 ff. Konsistorien 976, 981, 1011, 1023. Konsuln 35, 48. Konsumvereine 1101, 1102. Kontingent der Branntweinsteuer 1092, Grund steuer 1094, des Heeres 37.

Konzession, gewerbliche 105, 740 ff., 1023 Anm., Berstempelung 1192.

KoogSgemeiuden 237. Körperverletzung 539. SorporatiouSrechte 45, 979. korrektionelle Rachhaft 559 Anm. Kosten des Berwaltungsstreitverfahrens 72 ff. — der Zwangsvollstreckung 122. Kraftfahrzeuge 882, BundBg. 886. KraftloSerklärung von Sparbüchern 1267. Kraukenaustalten 744. Krankenversicherung 48. KreiSauSschuß 61, 94, 96, 333 ff., Hann. 353, HN. 366, Rh. und W. 388, SH. 412. Krei-kommissionen 334, Hann. 355, HN. 368, Rh. und W. 390, SH. 415. KreiSordnung 47, 313 ff., Hann. 337, HN. 359, Rh. und W. 370, SH. 394. KreiSftatuten 315, Hann. 339, HN. 359, Nh. und W. 372, SH. 395. KreiSsteuern 1257 ff., Ober- und Unterverteilung 1259. KreiSsyuode 1003, 1008. *Yti3tag 323 ff., Hann. 343, HN. 361, Rh. und W. 378, SH. 403. Kriegswesen 35. Kriegszustand 38, 453.

KroufideikommißfondS 8. Kühlhäuser 729. Kuppelei 534. Kurtaxen 1237. Küftereien, Küsterdienste 1056 ff. Ladenschluß 805, 843. Laichschonreviere 715. Laudarmenverbäude 913. Laudbürgermeifter 252, 265, 374, 973. LandeSdirektor 422, 426. LaudeSkulturreutenbank 615. LaudeSökonomiekollegium 615. LaudeSpolizei 437. LaudeSverrat 520. LaudeSwasseramt 692. LaudfriedenSbruch 527. Landgemeinde 225, Rh. 251, W. 268, Hann. 281, HN. 289; als Schulverband 1049.

ländliche Arbeiter, Verletzung ihrer Dienstpflicht 475.

Landnutzung für Lehrer 1064. Landrat 322, 330, 333, Hann. 339, 350, 354, HN.

— städtische 198, 219. 360, 366, Rh. und W. 378, 386, 389, SH. Kommunalabgaben 1234 ff., Beitreibung 1256, 402, 410,414; bei Ausübung der ViehseuchenErhebung 1250, Genehmigung 1253, Nach­ Polizei 608. forderung 1256, Rechtsmittel 1251, Veran­ Landtag, preußischer 8. lagung 1250, Verjährung 1255, Verteilung landwirtschaftliche Arbeiter, Verletzung ihrer 1248, 1252, Zuschläge 1248. | Dienstpflicht 475;—Nebenbetriebe 1132 Anm. I LandwirtschastSkammer 619. Kommuualbeamten 977 ff. 82 Reich elt, Verwaltung-gesetzbuch.

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Alphabetisches Wortverzeichnis.

Lauenburg, Kreis 416. LegitimatiouSkarte, gewerbliche 105, 751. Lehnsmann (LH.) 237. Lehrer, Anstellung, Berufung 1053, Besoldung 1059 ff., Dienstzeit 1065, 1074, Disziplinie­ rung 1055 Anm., Pensionierung 1072, Lteuervorrecht 967 ff., 1244, Versetzung im Interesse des Dienstes 1054 Anm., 1064, Witwen- und Waisenkassen 1078. Lehrlinge 792 ff., 828, 838, im Handwerk 794, in öffentlichen Verkaufsstellen 805. Leinpfad 630. Leiter von Schulen 1054, 1063. Leuchtmittelfteuer 1092. Lohnbuch 786, 836. Lohnzahlung 787, 836. Lotsen 744, 746. Lustbarkeiten 1237.

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Naturalisation (Ginbürgerung) 893, 1200. Nebenämter der Beamten 959. Nebenausfertigungen, Verstempelung 1182. Nebevstatuten 762 ff. Neukölln, Polizei 442. Neuvorpommeru und Rügen 127. Niederbarnim, Polizei 441. Niederlassung 898, gewerbliche 749, 1113. Niederlegung von Gemeindeämtern 143, W. 153, Rh. 167, Hann. 172, SH. 187, HN. 222; von Kirchenämtern 1002, 1017. Niederschlagung von Staatseinnahmen 1278. Norddeutscher Bund 2. Norderdithmarschen, Kirchspielslandgemeinden 247. Normalsteuersätze, fingierte 1151. Nötigung 541. Notverordnung, preußische 8. Notstand, strafrechtlicher 517. Notwehr 517. Notzucht 534. Novemberverträge (mit Bayern, Württemberg) 3, 24, 36, 38.

Magistrat 134, 139, W. 147, 150, Rh. 159, 173, SH. 190, 194, HN. 212, 218; als Verwaltungsgericht 56 Anm. Mahl- und Schlachtsteuer 1088 ff. MajeftätSbeleidigung 523. Marine 34. Oberbehörde für Zuwachssteuer 1225. Märkte 107, 759, 824. j Oberkirchenrat 1011. MarktstandSgeld 824, 1236. OberlandeSkulturgericht 616. Marktverkehr 759. Oberpräsident 53 ff., 57, 82; in kirchlichen An­ Matrikularbeiträge 38. gelegenheiten 976 ff., 1013, 1024 Anm., 1034. Maul» und Klauenseuche 602. O b errechnungSkammer 12, 1270 ff. OberverwaltnngSgericht 57, 70, 1143 ff., 1161. Meineid 531. Meinungsverschiedenheiten zwischen städtischen öffentliches Interesse, Kommissar zu dessen Körperschaften 90, Rh. 166, Hann. 182, Wahrnehmung 69. 91Q I Offiziersteuer 1244 Anm. I offne Verkaufsstellen 805. Meistbeerbte 253, 254. ! Oppeln, Polizei 444. Meistertitel 797, 838. Meldewesen, polizeiliches 461. Option 892 Anm. Mietentschädigung der Lehrer 1061, 1073 Anm. i Orden, geistliche 977. Mietverträge, Verstempelung 1201. ! Ordnungsstrafen 939 ff., gegen Amtsvorsteher 321, Gemeindevertreter 260, 306, StadtverMilitär, Besteuerung 967, Bestrafung wegen I ordnete 137, 149, 196, 215. bürgerlicher Straftaten 498 Anm., Verwen­ 1 dung im Frieden 6. OrtSarmenverbände 900, 911. —anwärter 933. | OrtSgerichte 220, 305. —recht 5, 6, 14 Anm., 925 Anm. Ortsklassen 951, 1061. Milzbrand 601. I OrtSpolizei436 ff., auf dem Lande315, W. 279, Minderjährige in Fürsorgeerziehung 915, im I 377, Hann. 340, HN. 360, Rh. 376; inStäd 1 en I 141, W. 151, 141, Rh. 164, Hann. 177, 340, Gewerbe 784 ff. Minister 8, 46, 82, 1012, 1022. I SH. 203, HN. 220, 360. Mittelsätze der Gewerbesteuer 1103. OrtSfchulinspektor 1050, 1051. Mittelschulen 1085. OrtSstatut 90, 93, 106, 247,481; nach öLtOg. Moorschutzgesetz 623. 130, Rh. 155, Hann. 168, SH. 188, HN. 208; mündelsicher 1205 Anm. nach LGO. 227, 237, Rh. 252, W. 270, HN. 291, SH. 395. Münster, Polizei 444. Münzgesetz 1091. ! Ortszulagen für Lehrer 1062. Münzvergehen 530. Musikaufführungen 746, 754, 784. i Pachtverträge, Verstempelung 1201. Mntterkirchen 983, 1057. ! Papiergeld, falsches 530. Mutterrollen (für Grundsteuer) 1094. ! Parochie 982. Patz, Paßkarte 462 ff., Verstempelung 1205. Rachsteuer 1112 Anm., 1113, 1214. Patronat 4, 63 Anm., 984, 987 ff., evang. 994, Nahrungsmittel 581. 997, 1001, kath. 1018, in Berlin 1011 Anm. Rameu der Gewerbetreibenden 740. Pauschquantum im Verwaltungsstreitversahren 74, Tarif dazu 84 ff. Namensänderung 928, 1200, strafbare 558. Nationalversammlung, Frankfurter 2. Pensionierung 957 ff., 1072 ff.; von ländlichen Naturaldienste 1251. Gemeindebeamten 245, Rh. 266, 375, W. 279,

Alphabetisches Wortverzeichnis. 377, HN. 307; städtischen 141, W. 151, Rh. 164, SH. 200, HN. 220. Personenstand 533, 920 ff.; Aufnahme des P., steuerliche 1138. persönliche Freiheit 3, 456. Pfandgeld wegen Weidefrevel 509. Pfandleiher 746, 748. Pfändung 116, bei Feld- und Forstfreveln 507 ff. Pfarrer 984 ff., 994, 1014, 1047 ff. —besoldnng 979. PfarrvermSgen 992. Pfarrwahl 984, 1000. Pfarrzwang 986. Plakate 492 Anm. Planseftstellung 870. politische Beamten 930, 946. sAnm. Polizeiaufsicht 457, 461 Anm., 515, 559, 898 Polizeikofte« 444. Polizeipräsident in Berlin 63, 441 ff., 1013. Polizeirecht 436 ff. Polizeistunde 560. Polizeiverordnnng 81 ff., 400, 438. Polizeiverwaltung 437 ff., in den neuen Landesteilen 439; Königliche 437, deren Kosten 444; für einzelne Bezirke 441 ff. polizeiliche Strafverfügungen 496. polizeiliche Berfügnngen, Rechtsmittel dagegen 78. polizeiliche Berwahrnng von Personen 456. Posen, KrOg. 313 Anm., ProvOg. 418 Anm., Schulrecht 1056. Post 33. Potsdam, Polizei 443. Präsentatio« des Pfarrers 986. — zum Herrenhause 23. Presse 488. Prinzipalfteuersatz 1245 Anm. Privatanschlußbahnen 866. Privatschnlen 1066. Propositionen für den Kreistag 331, Hann. 351, HN. 366, Rh. und W. 386, SH. 411. Protokolle in Disziplinarsachen 943; Verstempelung 1205. Provinzialabgaben 1262. ProvinzialauSschuß 423. Provinzialbeamten 426. Provinziallandtag 419. Provinzialordnnng 47, 418 ff., 430. Provinzialrat 69. Provinzialstände 1. Provinzialshnode 1005, 1009. Prozessionen 496. Prozeßgebühr 73. Prüfungsausschuß 838. Pnnktationen 1206.

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RechtSanwaltSgebühre« 73. RechtSgülttgkett der Verordnungen 12. Rechtskonsulenten 68 Anm., 747. Rechtsmittel 63ff., gegen polizeiliche Verfügungen 78 ff.; Belehrung über R. 1227 Anm., 1251 Anm., 1174. «edaktenr 490. Regent (Preußen) 7. Regierung 46, 50 ff., 58; Instruktion für die R. 50. Register, öffentliche 545 Anm. Reglements für Provinzialanstalten 429. Regreß aus Schecks 1286. Regulierung gutsherrlicher und bäuerlicher Berhältnisse 614 ff. ReichSangehSrigkeit 893 ff. ReichSbank 1089. ReichSbeamten 29. ReichSbehörden, oberste 29. ReichSfinanzen 38. ReichSgesetzgebnug 25. Reichskanzler 29. ReichSschnldenverwaltung 1089. «elchSftenern 31. Reichstag 29, Wahlgesetz 39, Reglement 41. ReichSnnmittelbare Familie« 23, 392. ReichSverfassnng 24 ff. ReichSversicherungSordnnng 49. Reisekosten der Staatsbeamten 952. Reisepapiere 462. Rekurs in gewerblichen Genehmigungsangelegen­ heiten 741, 818. Religionsunterricht 980, 1043. — besonderer 1044. Remuneration 1279. Rentenbank, Rentenbriefe 615. Rentengüter 616. RepräsentationSkosten 1134 Anm. Reservatrechte Bayerns, Württembergs 36, 38, 39. Revision im Verwaltungsstreitverfahren 72. Rezesse 614. richterliche Gewalt 10. Rinderseuche 601. RittergntSmatrikel 248 Anm. Rotlauf 604. «o» 602. Ruhegehalt, Ruhestand 957 ff., 1072 ff., 1085. RnhegehaltSkasse« für Lehrer 1082, für Mittelschullehrer 1086. Rußland, Grenzkarten, Paßpflicht 463.

I Sachbeschädigung 550. I Sachsen, Provinz, Sonderbestimmungen nach t öKrOg. 336. Sachsengänger 464, 476 Anm. Quittung 1273. Saisonarbeiter 464, 476 Anm. Quotitätssteuer 1094 Anm. Salzftener 1089. SanitätSpolizei 553 Anm., 568, 575. Raub 542. Satzung des Zweckverbandes 432; int übrigen s. Ortsstatut, Kreisstatut usw. Realberechtigungen der geistlichen und SchulSchadensersatz bei Feld- und Forstfrevel 507, mftitutc 977. Reallasten 615. bei öffentlichen Aufläufen 452. Realstenern 1238, 1248, 1260. Schaukwirtschaft 105, 745, 819, 1110. SchätzungSauSschuß (Ergänzungssteuer) 1159. Rechnungshof des Deutschen Reichs 1089. Schauämter 690. Rechnungsprüfung 1270 ff., Delegierte 1272.

1300

Alphabetisches Wortverzeichnis.

Schaumweiusteuer 1001. Stadtausschutz 56. 01, 06 Anm. Schaufpielunternehmcr 744, 819. Stadtgemeinden 88, 127 ff. Schaustellungen 740, 754. Stadtkreise 313, 335, Hann. 337, 355, Rh. und Scheck 1284. W. 371, 390, SH. 415. Schenkung an juristische Personen 1012 An in. Stadtshnode, Berliner 1008. Schiffahrt 34, 3eefd)iffcr 744. Stadtverordnetenversammlung 80, 130, W. Schlachthäufer 107, 584 ff., 004, 742, 1236. 146, Rh. 160, SH. 191, HR. 208. Schlachtsteuer 1088 fr-, 1237. Städte im Kreistage 324, Hann. 344, HR. 362, Schlachtvieh- und Fleischbeschau 587, 502. Rh. und W. 383, SH. 407. Schliugeustellen, verbotenes 729, 735. — als Schulverbände 1046. Schöffen nach LGO. 236. Stallsperre 600. Schöneberg, Polizei 442. Stände, ständische Berfassung 1. Schonreviere für Fische 715. Standesbeamten HO, 920 ff. Schonzeiten für Wild 727. Staudesregister 921, 928. Schornsteinfeger 107, 748. statistische Gebühr 1090. Schulangelegeuheiten 51, 96, 1035 ff. | Statuten der Landgemeinden und Städte s. OrtsSchulaufsichtsbehörde 1035 ff., 1053,1055,1058. stählten; der Kreise s. Kreisstatuten; der Pro­ Schulbauten 97, 1038 ff., 1050. vinzen 419, 427; der Sparkassen 1265. Schuldeputationen 1046. Stauanlagen 641. Schulleiter (Rektoren usw.) 1054, 1003. Steckbrief 461. Schulmatrikel 1041. Stellenvermittler 855. Stempelsteuer, preuß. 1178 ff., des Reichs 1092, Schulpflicht, allgemeine 4. Schulverbünde 1035 ff., 1046, 1008. 1231. Schulvermögen 1040, 1049. Stempeltaris, preußischer 1189. Sterberegister 927. Schulvorstand 1049 ff. Steuerbescheid 1174, 1227 Anm. [1090. Schul- uud Süsterhäuser 1056. Steuererhebung, Verpflichtung der Gemeinden Schuldverschreibungen, Verstempelung 1200. Steuergesellschaften (Gewerbes!.) 1103. Schulze (Gemeindevorsteher) 236 ff. Steuerordnungen 1237, 1258. Schutzgebiete 25. Schutzhaft, polizeiliche 456. Steuerreform 1090. Steuerverteilung 1252. Schutzwaldungen 015. Stiftungen nach Hann. StOg. 184, Schulstiftun­ Schwarzwild 732. Schwimmunterricht 740. gen 1041. Stimmrecht nach LGO. 230, W. 271, Hann. 281, See nach Wassergesetz 661. -amt 48. HR. 293. —mann in Beziehung aus Wehrpflicht 34 Anm. 1 Stolberg, Grafschaft, Sonderbestimmungen 336, 1082, 1084. —schiffer (Steuerleute) 744. Stolgebühren 986. selbständig, Begriff 129, 1000; selbständige Stras-AuSschließungS- und MilderungSgründe Städte in Hannover 340. 517. Senatoren (Hann.) 173. Sicherheitspolizei 83. Strafverfügung, polizeiliche 496. Strafverjährung 519. Siele 681 Anm. Simultankirche 984. Stralau, Polizei 443. Strandungsordnung 47. Simultauschule 1043. Straßenfluchtlinie 477. Singspiele 746. Stratzeugewerbe 749. SittlichkeitSverbrecheu 533. Strom-, Schiffahrt- und tzafeupolizei 82. Sonntagsruhe, gewerbliche 782, 825, 829 ff., Strombauverwaltungen 655 Anm. 846; Ausnahmen 832. Sparkassen 98, 1264 ff., Hann. 286; Anlegung ; Stundung von Zahlungen 1278. von Sparkassenbeständen in Jnhaberpapieren ! Subalternbeamten 933. 1269; Filialen und Annahmestellen 1265 Anm. ! Süderdithmarfchen, Kirchspielslandgemeinden ; 247. Spezialetats 1276. ! Superintendent 1003 Anm. Spiel, verbotenes 547, 745. - Suspension vom Amte 944. —karteustempel 1090. Synagogen 99. Staatenstaat 2. ! Synode 1003 ff., 1008.; Smiodalvorstand 1004. Staatsangehörigkeit 111, 892 ff. StaatSauwalt im Disziplinarverfahren 942,945. I Tabaksteuer 1092. Staatsbauten 1280. I Tagegelder der Beamten 952. Staatsbeamten f. Beamten. Talsperren 645. StaatSbeitrüge zur Lehrerbefoldung 1067. | Tanzlustbarkeiten 746. Staatseinnahmen 1275 ff. Tauzunterricht 746. Staatshaushalt 1275. Tarif für Pauschquantum im VerwaltungsstreitStaatSnebenfondS 1276. I verfahren 844 ff., für preußische Stempel­ Staatsrat 49. steuer 1189. Staatsschulden 1, 1088, Tilgung 1091. Tateinheit, strafrechtliche 520. Staatsschuldbuch 1093.

Alphabetisches Wortverzeichnis. Taube«, unberechtigtes Halten 719. Tauschverträge, Berstempelung 1197. Taxe« nach GewOg. 760, der Stellenvermittler 856, Berstempelung 1210. Teich 661. Teilnahme, strafrechtliche 516. TeilverLnhernug von Grundstücken 1222. Telegraphenanlagen, strafbare Handlungen dar­ an 552, Telegraphenwesen 33. Teltow, Polizei 441. Tierfang, freier 719 Anm. Tierkadaver, Beseiügung 613. Tingeltangel 746, 820. Tochtertirchen 983, 985, 1057. Tollwut 601. Totschlag 538. Transport gerichtlicher Untersuchungsgesangener 461. TranSportgewerbe 748, 820. Trödelhandel 747. Tuberkulose des Rindviehs 604. Tumult 451. Turnunterricht 746. Übernahme in Armenpflege 905. Überschwemmung 690, Ermäßigung der Grundsteuer infolge Ü. 1095. Überschwemmungsgebiet, Freihaltung 676. übertragbare AuSgabefoudS 1282. übertragbare Krankheiten 573. Übertretungen 657. Üfer, deren Ausbau 663, Unterhaltung 646. Umlagebeschlüsse über Kirchensteuern, evang. 1026, kath. 1028. UmzngSkoften der Beamten 955. Unfallversicherung 48. Unfug, grober 558. Union 976. Unterbeamtenstelle« 933. Unterbrechung der Frist zum Erwerb oder Dertust des Unterstützungswohnsitzes 902. Unterricht nach BerfU. 4. Untersagung gewerblicher Anlagen 752. Unterschlagung 542. Unterstützung, armenrechtliche 902 ff., 915, für disziplinierte Beamte 939. Uuterverteilnng der Gutsbezirkslasten 248 Anm. Untreue 544. Unzucht, unzüchttge Schriften 534 ff. Urkunden, Aufnahme 556 Anm. Urkundenfälschung 545. Urlaub der Beamten 932. Veranstaltungen der Gemeinden 1236, der Kreise 1260. Verantwortlichkeit nach Reg.-Jnstr. 51. VeräuherungSpreiS, Zurechnungen 1222. VerbandSanSfchuh, Berbandsvorsteher des Gesamtschulverbandes 1050, des Zweckverbandes 433. Vereine 492. Verfassung des Deutschen Bundes 1. — des Deutschen Reichs 24 ff. — des Norddeutschen Bundes 2. — Preußens 3 ff.

1301

j Vergleiche, Berstempelung 1210, in Zuwachssteuersachen 1222. Verhaftung 456 ff. ; Verjährung der Strafverfolgung oder Strafvollstteckung 519. Verkoppelung 615. i Verleihung von Wasserrechten 633. | Vermögen, ergänzungssteuerpflichtiges 1153, wehrbeitragspflichtiges 1165. vermögenSanzeige 1160. VermSgenSerklärung 1172. VermSgenSvermindernng 1162. Verordnungsrecht Preußens 8, 12, des Reichs 27 Anm., der Polizei 81, 438, 440, 689. Versammlung 493. Verschuldungsgrenze für Grundstücke 616. Versetzung im Interesse des Dienstes 946, der Lehrer 1054 Anm., 1064. Versteigerung 117. Versuch, strafbarer 516. Verträge für Rechnung des Staats 1281, Ber­ stempelung 1210. Verunstaltung von Gegenden und Ortschaften 480 ff. Veruntreuung 544. VerwaltungSreform 46. verwaltnngSftreitverfahre« 57, 66 ff. VerwaltnugSzwangSverfahren 112. Viehseuchen 81, 594ff., 608 ff.; viehseuchenpolizeiliche Anordnung 608 Anm. — Weidefrevel 500 ff. Vogelschutz 729, 730, 733. Vokatiou des Pfarrers 985. Volksküchen 1101. Volksschulen 4, 1035 ff., Begriff 1058, Anfor­ derungen dafür 1058. VolkSschullehrer-Witwen- und Waisenkasse 1080. Vollmacht 51, Berstempelung 1211. VollftreckungSbehörde» 113 Anm. vollziehungSbeamten, Befugnisse 114. Vorbescheid im Beschlußverfahren 76. — im Berwaltunasstreitverfahren 66. Voreinschätznug, steuerliche 1140. Vorflnt 686. vorläufige Festnahme 460. vorläufige Straffestsetzung wegen Steuerdelitte 1099, 1112, 1119, 1150, 1255. Vormund 917, Bormundschaftsgericht 915 Anm. Vorprüfung der Kassenrechnungen 1272, 1283. Voruntersuchung im Disziplinarverfahren 940. Wasfengebranch der Gendarmen und Polizei­ beamten 449 Anm. Waffeutragen 561. Wahlbezirke für das Abgeordnetenhaus 2. Wahlen zum Abgeordnetenhause 9, 13 ff., zum Reichstage 3, 39 ff.; nach LGO. 232, 237, Rh. 256, 260, W. 272, 275, Hann. 284, HN. 296, 300; nach öStOg. 131, W. 146, Rh. 156, Hann. 178, SH. 190 ff., HN. 208; zum Kreistage 323 ff., Hann. 343, HN. 361, Rh. und W. 378, SH. 403;zum Provinziallandtage 420; zu den kirchlichen Körper­ schaften, evang. 1000, kath. 1017,1021; zu den Schulverbandsorg anen 1047, 1052. Wahlfälschung 525.

1302

Alphabetisches Wortverzeichnis.

Wahlreglement für das Abgeordnetenhaus IG, Reichstag 41. Wahlverordnung für Preußen 2, 13 ff. Waisengeld 9G4, 967, 1078. Waldeigentümer, Rechte 500 Anm., 526. Waldgenossenschaften 615. Waldwege, unberechtigtes Betreten 500 Anm. Wallfahrten 496. Wanderarbeiter 476. Wandergewerbe 753 ff., 821, 1113; Mitführung andrer Personen dabei 758, 821. Wandergewerbescheiu, Versagung 755 ff. Wandergewerbestener 1113 ff. Wanderlagerfteuer 1120. WareuhauSstener 1122, Rechtsmittel 1125. Wasserbeirüte 692. Wasserbücher 658. Wassergenossenschaften 662, deren Bildung 670, Auflösung 675, mit Beitrittszwang 668, freie 675 Anm. Wasserläufe 624 ff., Ausbau 653, Benutzung 628, Gemeingebrauch 629, Verleihung von Rechten daran 633, Vorflut 686, Unterhaltung 646, Zwangsrechte daran 686. Wasserpolizei 688, —Verordnungen 689. WasservSgel, Tötung 717, 733. Wasserwehrdienft 690. «echselstempel 1092. Wegebau, Vorausleistungen 878. Wegebaumaterialien 876. Wegeordnungen 878. Wegepolizei 99. [357. Wegerecht 99, 878 ff., SH. 100, 417, Hann. 101, Wegereinigung 879. Wehrbeitrag 1165 ff., Erhebung 1174, Ermäßi­ gung 1171, Steuersätze 1170. Wehrpflicht, Verletzung 529, 894. Weidefrevel 507. Werbungskosten 1128, 1132 ff. Werkstatt 782. Wert gemeiner, besonderer 1155, 1219 Anm., zuwachssteuerpflichtiger 1219. Wertberechnung von Renten, Leistungen, Rutzungen 1156, 1169. Westfalen, Anerbenrecht 616. Westpreußen, Schulrecht 1056. Widerstand gegen die Staatsgewalt 525.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 75, 1107 Anm., 1143 Anm., 1164. Wiener Schlußakte 1. Wild, jagdbares 719 ff., Verkauf 729. —schaden 730 ff. , Witwengeld 964, 967, der Lehrerwitwen 1078. Wohnsitz, steuerlicher 1177. —gemeinde, Steuerrecht 1245, 1261 Anm. WohunngSgeldzuschuß 951, der Lehrer 1061. Wucher 549.

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ZentralgenossenschaftSkasse 1090. Zeugnisse, Verstempelung 1212. Ziehkinder 737 Anm. Zigarettensteuer 1091. Zigeuner im Wandergewerbe 822. Zivilversorgungsschein 934. Zoll 30, Zolltarif 1091. —auSschlüsse 30. —strafen 1091, 1176, 1229. —verein 1088, 1089. Zuchthausstrafe 514. Zuckersteuer 1091. Zuhälter 535. Zündwareusteuer 1092. Zuschüsse der Betriebsgemeinden 1246. Zuschutzverwaltnngen 1276. ZuständigkeitSgesetz 88 ff. Zu- und AbgaugSlisten 1147. ZuwachSstener 1217, —ämter 1225 Anm., Be­ freiungen 1218, 1224, Berechnung 1233, Bescheid 1227, Oberbehörden 1225, Rechtstnittel 1227, Sätze 1223, Steuerrecht der Gemeinden 1230 Anm., Veranlagung 1225. ZwangSbesugnisse 80 ff., der Regierung 50, gegen Gesinde 468. Zwangserziehung 915 Anm. Zwangsetatisierung gegen Landgemeinden 94, 249, Stadtgemeinden 91, Provinzen 430, Schulverbände 98. ZwangSgenosseuschaften nach Wassergesetz 670. ZwangSinnungen 770, 827. Zwangspensionierung 946; nach dem 65. Le­ bensjahre 963. Zwangsvollstreckung 112 ff. Zweckverbände 431. Zweikampf 537.

I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung G. m. b. H., Berlin W 10

DreiMfckesBaUvolireireckt Mitkommentar derBaupolizeiverordnung Me %oroxte DOn Berlin vom 28. Mai 1907. Mit 30 Zeichnungen herausgegeben vom Gemeindebaurat Carl Satz in Mariendors. 1909. Ged. 6 M. Mit Nachtrag, enthaltend die Polizeiverord­ nungen von 1901 bis 1909 zur Baupolizeiverordnung für die Vororte von Berlin.

Strotzen- und Baufluchtliniengesetz. Darstellungen von Earl Sah, Gemeindebaurat.

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^setz' Anlegung und Veränderung von Straßen u. Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Zuli 1875. Textausgabe mit Anmerkungen und Sachregister von O. Meyer, Oberlandesgerichtsrat in Gelle. 1913. Taschenformat. Geb. 3 M.

Die Heranziehung derAnliegerzu denStraßenbaukosten auf Grund des § 15 des Fluchtliniengesetzes vom 2. Zuli 1875 in Entscheidung, Kostenberechnung und bildlicher Darstellung von Gemeindebaurat Earl Sah. 1912. 8°. kartoniert 4 M. 50 Pf.

Die preußischen Gesetze gegen Verunstaltung.

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landschaftlich hervorragender Gegenden, vom 2. Juni 1902, und Gesetz gegen die Verunstaltung von Ortschaften und landschaftlich hervorragenden Gegenden, vom 15. Juli 1907, sowie die dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen. Mit Ein­ leitung, Erläuterungen, Musterordnungen und Sachregister von Otto Gold­ schmidt, Regierungsrat in Cassel. 1912. Taschenformat. Gebunden in Ganz­ leinen 2.50 M.

Preußisches Kommunalbeamtenrecht. Rechtsverhältnisse der Preußischen Kommunalbeamten regelnden gesetzlichen und sonstigen Bestimmungen. Don Dr. jur. Georg Kautz, Präsident des kaiserlichen Kanalamts, und Landesrat F. Appeltus, Dozent an der Akademie für kommunale Verwaltung in Düsseldorf. Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage. 1912. 8°. Preis 7 M.. geb. 7 M 50 Pf.

®et[c§te Anstellung und Versorgung derKomrnunalbearnten vom 30. Juli 1899. Mit Einleitung, ausführlichen Erläuterungen und Sach­ register herausgegeben von Stadtrat Dr. W. Ledermann f. Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage bearbeitet von Dr. Ludwig Brühl, Magistratsrat in Berlin. 1914. Taschenformat. Gebunden in Ganzleinen 2.20 M.

Zweckverbandsgesetz für Groß-Berlin Zweckverbandsgesetzes. Don Magistratsräten Dr. Ludwig Brühl, Dr. Kurt Gordan und Stadtrat Dr. Walter Ledermann in Berlin. 1912. 4 M. Gesetz, ipr hpftfith Itl ft vom 14. September 1911. Nebst Ausführungsandetr.die O vucmt-i roeifung ÖOtn 2g. September 1911. Textausgabe mit Anmerkungen und Sachregister von Dr. W. Lohmann, Amtsgerichtsrat. 1912. Taschenformat. Gebunden in Ganzleinen 1 M. 50 Pf.

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